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Interkulturelle

Wissenskommunikation
KOMMUNIKATION DES
IMPLIZITEN WISSENS IN DER
KOMPETENZENTWICKLUNG IN
POSTSOWJETISCHEN LÄNDERN Wissensorientierte Herangehensweise

Von Maxim Grouchevoi Die Auseinandersetzung mit der Wissens-


(Master-These, Donau Universität Krems) kommunikation im interkulturellen Kontext zeigt,
dass dieses Thema durch Komplexität und
„Aus meiner Sicht werden die Durchbrüche nicht durch
Interdisziplinarität gekennzeichnet ist.
Nachdenken oder durch die Anwendung des Hofstede-Modells
kommen, sondern nur durch das systematische Erforschen, wie „Previous researches have maintained that Russians have a
international tätige Unternehmen drei Dinge gleichzeitig und propensity not to share knowledge at all. Our research
kontextabhängig tun können: lernen, Netzwerke aufbauen suggests however that understanding knowledge sharing in
und Wissen mitteilen.“ (Holden 2001) Russia is more complicated than has been previously
assumed" (Hutchings 2007, S. 73).
Zum Hintergrund
Der wesentliche Perspektivenwechsel der durch-
Die EU-Osterweiterung und die Veränderungen der
geführten Untersuchung besteht in der wissens-
gesellschaftlichen und politischen Situation in Ost-
orientierten Betrachtung der interkulturellen
Europa ziehen zunehmend mehr Aufmerksamkeit
Kommunikation, die auf die kompetenzorientierte
auf die postsowjetischen Länder. Im Mittelpunkt
Vermittlung des impliziten Wissens ausgerichtet ist.
stehen dabei die Bestrebungen, einerseits die
Mit den in dieser Arbeit eingenommenen
Völkerverständigung und Kooperation zu intensivie-
konstruktivistischer sowie kommunikations-
ren und andererseits die Kompetenzentwicklung
theoretischer Positionen und der bewusst
und damit das eigenständige Handeln der beteiligten
gewählten Perspektive des Wissensmanagements
Akteure zu fördern. Die Praxis zeigt jedoch, dass
konnte schließlich eine neue Sicht auf die
diese wissensorientierte Zusammenarbeit bisher
interkulturelle Wissenskommunikation im post-
nicht unproblematisch verläuft und neue
kommunistischen Raum eröffnet werden. Das
Lösungsansätze gefragt sind (vgl. Kaiser 2003;
Interesse richtete sich dabei nicht auf die inter-
Kuznetsov 2005; Hutchings 2007; Brewer 2008).
kulturellen Unterschiede, sondern auf den Umgang
Zum einen werden die Kommunikationspraxis und mit dem impliziten Wissen, auf die grenz-
die eindimensionalen top-down Transfermethoden überschreitende Gestaltung der Wissensvermittlung
von Wissen aus den westlichen Ländern negativ und auf die Rolle der Kultur im Aufbau
bewertet. Zum anderen werden die Probleme in wissensorientierter Kooperationen. Im Mittelpunkt
der unzureichenden Berücksichtigung unterschied- der Arbeit stand die Beantwortung der
licher Kulturen und in der mangelhaften Forschungsfrage:
interkulturellen Kompetenz der beteiligten Akteure „Wie müssen Wissenskommunikationsprozesse gestaltet
identifiziert. Dies resultiert darin, dass Beziehungs- werden im Hinblick auf die Notwendigkeit der Vermittlung
konflikte und Kommunikationsstörungen in der impliziten (Handlungs-)Wissens in der Kompetenzentwicklung
interkulturellen Zusammenarbeit auftreten, die in postsowjetischen Ländern?“
Integration westlicher Partner in die osteuro-
päischen Organisationsstrukturen misslingt und die
Empirische Untersuchung
Potentiale für gegenseitige Kompetenzentwicklung
ungenutzt bleiben. Die empirische Untersuchung fand innerhalb des
Lektorenprogramms der Robert Bosch Stiftung
Ferner wird kritisiert, dass der Umgang mit dem statt. In die Stichprobe wurden 7 deutsche
Erfahrungswissen unsystematisch gepflegt und nur Lektoren und 3 Tandemlektoren einbezogen, sie
selten geeignete Methoden und Instrumente umfasste insgesamt acht verschiedene Einsatzorte
eingesetzt werden, die den interkulturellen im Raum der ehemaligen Sowjetunion.
Wissensaustausch gezielt fördern (vgl. Pircher 2005,
S.32).
 Interkulturelle Wissenskommunikation

Es war nicht möglich, Aussagen zum impliziten Wissens- und Vertrauensbasis zu bilden; und
Wissen direkt zu erfragen. Gewählt wurde daher damit
die Methode des qualitativen problemzentrierten c) die Atmosphäre zur Wissensteilung zu schaffen
Interviews, die sich am Prinzip narrativer und den Anschluss an die multiplen, impliziten
Geschichten gleichsam wie an einem explorativen, Kommunikationskanäle zu erhalten.
ermittelnden Vorgehen orientiert. Anhand eines
Leitfaden-gestützten Gesprächs über den #

„Ich denke, dass die Vorabinformation


Erfahrungsbereich oder die Handlungssituation, in
dann gut ist, wenn sie einen beruhigt. Und
denen implizites Wissen ausgetauscht und zur sie beruhigt ziemlich unglaublich. Und
Anwendung kommt, ließen sich Aussagen evozieren. trotzdem denke ich, dass man es sich
selber anschauen muss, weil man komplett
Die Untersuchung richtete sich auf die Initiierung anders wahrnimmt. Ich arbeite jetzt
des situativen und selbstgesteuerten Handelns ausschließlich mit dem, was ich selbst in
sowie des dialogisch-explorativen Vorgehens, auf unterschiedlichen Situationen erlebe und
die Möglichkeiten der handlungs- und gegenstands- was ich, natürlich, jetzt selbst aus den
vermittelten Kommunikation. Ferner wurde der Gesprächen mit meinen Kollegen erfahre.“
Einfluss der wechselseitigen Anerkennung zwischen (Lektor an einer russischen Universität)
den Wissensträgern auf den interkulturellen
Wissenskommunikationsprozess untersucht.
Vor diesem Hintergrund verändern sich die
Anforderungen an die Gestaltung der inter-
Ergebnisse der Untersuchung kulturellen Wissenskommunikation. Im Hinblick auf
Die empirische Untersuchung der vorliegenden die Notwendigkeit der Vermittlung impliziten
Arbeit bestätigt die vorangestellte These, dass das Handlungswissens für die erfolgreiche
implizite Wissen und informelle, erfahrungsgeleitete Kompetenzentwicklung in postsowjetischen
Wissenskommunikation einen außerordentlichen Ländern müssen ganzheitliche Rahmenbedingungen
Stellenwert in postsowjetischen Ländern haben. geschaffen werden, die informelle und
erfahrungsgeleitete Wissenskommunikation fördern
So verlagert sich der Schwerpunkt der Kompetenz- und problemorientiertes, subjektivierendes Handeln
entwicklung im Rahmen des Lektorenprogramms ermöglichen. Das bezieht sich auf:
der Robert Bosch Stiftung von der objektivierten
Herangehensweise an die Kultur und dem expliziten  die Unterstützung des situativen und
Umgang mit dem Wissen hin zur wissens- selbstgesteuerten Handelns durch
orientierten, impliziten Kulturauffassung („culture-as- Kontakteknüpfen und Aufbau personaler
knowledge“) und zur eigenverantwortlichen Netzwerke.
Organisation des eigenen Handelns - also zur  die Förderung des dialogisch-explorativen
„dynamischen Kapazität zur erfolgreichen, Vorgehens, Schaffung eines gemeinsamen
selbstständigen Bewältigung neuer Aufgaben“ Orientierungsrahmens und Aufbau von
(Bergmann 2005, S. 100) im sozialen Feld sowie in Vertrauensbeziehungen.
der Praxis („cross-cultural know-how“). Für die  Nutzung handlungsvermittelter Kommunikation
interkulturelle kompetenzorientierte Zusammen- und sinnlicher Wahrnehmung in gemeinsamen
arbeit gilt es: Erfahrungs- und Erlebniskontexten.
 Wechselseitige Belohnung der Wissensbesitzer
a) das Verständnis für die dynamischen durch Anerkennung.
Arbeitskontexte, in denen Wissen kreiert und
absorbiert wird, zu entwickeln; Die Untersuchung wurde an der Donau-Universität Krems im
b) durch die erfahrungsgeleitete bzw. handlungs- Rahmen der Master-These im Studiengang „Wissensmanagement
orientierte Sozialisation eine gemeinsame und Organisationsgestaltung“ (WM 6) durchgeführt.

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