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Monogramme des Inhalts

Christoph Fasel

Wer sich professionell mit der Publikation wissenschaftlicher Erträge beschäftigt, weiß, was die
Titel von Beiträgen in der Wissenschaftskommunikation alles leisten müssen. Doch welche Regeln
der Kommunikation sollten die Macher zudem beachten? Warum lohnt es sich, die Tugenden der
Titelei bei Tageszeitungs- und Zeitschriftenjournalisten abzuschauen? Wie schafft man es, einen
Titel über ein wissenschaftliches Thema gleichermaßen seriös wie aufmerksamkeitsweckend zu
formulieren? Und welche Werkzeuge können Wissenschaftskommunikatoren anwenden, um
schnell und sicher im Schreiballtag zu einem treffenden Titel zu kommen?

Gliederung Seite

1. Warum gute Titel wichtig sind 2


2. Titelgestaltungn: Oft ohne Lust und Leidenschaft 2
3. Titel müssen nutzen und erfreuen 3
4. Was schief gehen kann, geht schief 4
5. Lesbarkeit ist Trumpf 6
6. So werden Titel interessant 7
7. Wie funktionieren Titel in der Wissenschaftskommunikation? 8
8. Exkurs: Wissenschaft und Boulevard 10

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E 1.7 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?

Die richtige Sprache sprechen

1. Warum gute Titel wichtig sind


Wer anderen in der Wissenschaftskommunikation etwas mitteilen will,
sollte etwas zu sagen haben – das ist die erste Voraussetzung für eine
gelungene Kommunikation. Und er sollte es zweitens so verpacken,
dass der potenzielle Leser, Hörer, Zuschauer oder User der Nachricht
auch verstehen kann, warum er den nun folgenden Beitrag nun lesen,
anhören, anschauen oder aus dem Netz herunterladen sollte. Der Text-
teil, der für diese Information an den Nutzer unserer Botschaft zustän-
dig ist, ist der Titel. Doch wer sich anschaut, wie Titel in publizisti-
schen Erzeugnissen der Publikumspresse oft eingesetzt werden, kann
zu zweifeln beginnen, ob selbst professionelle Produzenten von Tex-
ten, also die Journalisten, überhaupt immer die Bedeutung dieses Text-
teils für das Gelingen der Kommunikation begriffen haben.

2. Titelgestaltung: Oft ohne Lust und


Leidenschaft
Denn was bekommt zum Beispiel ein Leser mancher Tageszeitung
serviert? „Wändefreies Großraumwohnen in Fabriketagen“ liest er
etwa über einem Artikel der Berliner Zeitung, der versucht, ihm den
Reiz von Lofts nahezubringen. „Schwatzen ohne Ende – das ist Frau-
en angeboren“ vermeldet die Leipziger Volkszeitung und erweist sich
damit als Bastion des Sexismus. Und die Freie Presse titelt mit Lust
am Untergang über eine Rot-Kreuz-Übung: „Gegrillte Schüler am
Burgstein auf OP-Tisch serviert“.

Der Blick allein in Zeitungen offenbart schon das Alltagselend miss-


lungener Kommunikation: die Tragik der Titelzeile. Offensichtlich
haben alle Fortbildungskurse nichts genutzt; haben die Macher wirk-
lich kapiert, wie wichtig ein guter Titel für unseren Leser, Hörer, Se-
her ist?

Offensichtlich nicht: Denn noch immer beherrscht unbeholfene Titelei


große Teile des deutschen Journalismus. Und dies trifft in mancher
Hinsicht auch auf die Kommunikateure in der Wissenschaftskommu-
nikation zu. Denn diese hat mit zusätzlichen Problemen zu kämpfen –
dazu später mehr.

Dazu treten offensichtlich unausrottbare Missverständnisse über Funk-


tion, Qualität und Wirkung der elementaren Textgattung „Titel“. Da-
mit das nicht so bleibt, hier im Folgenden ein paar Regeln zu jenen
Textteilen, die dem Wissenschaftskommunikator besonders lieb und
teuer sein sollten.

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Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür? E 1.7

Die richtige Sprache sprechen!

3. Titel müssen nutzen und erfreuen


Schopenhauer verlangte vom Titel eines Buches, dass er das „Mono-
gramm des Inhalts“ sein sollte. Das ist im Journalismus nicht anders.
Auf dem Titel eines journalistischen Textes lasten gleich zwei Aufga-
ben:

Die Aufgaben des Titels in der Kommunikation

1. Die Titelzeile muss die Kernaussage des Textes treffen.


2. Die Zeile muss zudem zum Lesen des Textes anreizen.

Wie wichtig diese zweite Forderung ist, beweist ein Blick auf die Ver-
kaufszahlen etwa von Kioskzeitungen. Bis zu dreißig Prozent kann
eine gute oder schlechte Schlagzeile den Verkauf von Boulevardzei-
tungen beeinflussen. Und mehr noch als in Tageszeitungen muss der
Titel in Magazinen und erst recht in der spezialisierten Wissenschafts-
kommunikation den Leser anregen, ja um ihn werben. Denn dass ein
Leser sich bereit erklärt, in unseren Text einzusteigen, ist heute längst
nicht mehr selbstverständlich. Die Flut der Informationen, die über
dem Rezipienten gerade von Wissenschaftskommunikation zusam-
menbricht, verringert die Chance, von unserem Zielpublikum wahrge-
nommen zu werden. Dagegen hilft nur eines: Von Anfang an muss
dem potenziellen Leser deutlich gemacht wer-
den, dass ihn im folgenden Beitrag wahlweise
etwas Spannendes, Wichtiges, Nachdenkli-
ches oder Hilfreiches erwartet. Das Mittel zu
diesem Zweck ist der Titel des Beitrags.

Die zwei genannten Aufgaben des Titels sind Ein Titel muss um den Leser werben!
nicht leicht zu erfüllen. Denn es sind zwei
große Anforderungen, die ein solch kleiner
Text beide zugleich erfüllen muss. Schon die erste Aufgabe bereitet
vor allem in der Wissenschaftskommunikation Kopfzerbrechen:

Probleme beim Titeln in der Wissenschaft

Was kann der Texter eines Titels tun, wenn


• der zu beschreibende Sachverhalt zu kompliziert ist, als dass er
sich in eine Zeile pressen lassen könnte (etwa bei komplizierten
Vorgängen in der Atomphysik)?
• die Aussage des Artikels zwei unterschiedliche Aspekte vereinigen
muss (oft bei wissenschaftlichen Debatten)?

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E 1.7 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?

Die richtige Sprache sprechen

Prof. Dr. Christoph Fasel lehrt als Dekan und Prorektor an der SRH Hochschule in Calw Medien-
und Kommunikationsmanagement. Als Journalist arbeitete er unter anderem bei BILD, der
Abendzeitung, dem Bayerischen Rundfunk und der Zeitschrift Eltern. Er war Reporter des STERN,
Chefredakteur von Reader’s Digest Deutschland und Österreich und Leiter der Henri Nannen
Journalistenschule Gruner+Jahr/DIE ZEIT. Er ist Gründungs-Chefredakteur des Wissenschafts-
magazins „Faszination Forschung“ der TU München.

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