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Wir Deserteure

Der Krieg ging dem Ende zu. Deutschland war zum Grossteil
von den Amerikanern und Russen erobert, die Amerikaner
kamen in Italien von Süden herauf, nur die „Alpenfestung“
wurde noch verteidigt.
Soldaten gab es nur mehr viel zu wenige. Der Grossteil war
gefallen oder in Gefangenschaft.
Was fürs letzte Aufgebot übrig blieb, waren alte Männer über
6o und junge Burschen von 14 aufwärts.
So wurden auch in unserem Dorf alle alten Männer
zusammengetrommelt, mit Panzerfaust und Maschinengewehr
vertraut gemacht und wir fünf Burschen wurden in St. Antons
Wäldern zu Meldern ausgebildet.
Dann kam der große Tag!
Am Ennsplatz wurden wir alle auf LKW´s verladen, die
Männer und wir fünf Burschen.
Ich, Egon und Rudl waren mit 14 die Jüngsten, Kurt, Hans
und ein Bursche aus Deutschland waren 15.
Die Fahrt ging über den Fernpass. Die Strasse durchs Lechtal
war total ausgelastet. Rückzug! Lkws, Motorräder mit
Soldaten und Verwundeten! Nur wir waren auf dem Weg zur
Front! Soldaten, die auf dem Rückzug waren und uns sahen,
zeigten uns den Vogel.
Schließlich hieß es, „Halt! Absteigen!„
Also kletterten wir alle von den LKWs herunter.
Wir fünf Buben standen vor einem Zaun. Wir warteten auf
einen Befehl. Vor uns, in einiger Entfernung hörten wir ein
Maschinengewehr und das Knallen von Geschützen oder
Granaten. Es war uns nicht gerade sehr wohl zumute! War
doch vorgesehen, dass wir Buben an vorderster Front, wo
geschossen wurde, als Melder den Kontakt zu den einzelnen
Kampfgruppen aufrecht halten sollten.
Plötzlich blieb, ein paar Meter oberhalb von uns, auf der
Strasse, ein Militärauto stehen. Ein Offizier sprang heraus,
schaute zu uns herunter, sah mich und sagte: „Ja Buben, seid
ihr nicht von Pfunds?“
Der Mann schien mich zu kennen und ich erinnerte mich an
ihn, als ich vor etwa 2 Jahren, am Berg, dem Mann ein paar
Edelweiß geben musste, weil ich zuviel hatte und er ein paar
an seine Frau schicken wollte.
„Ja“ schrieen wir hinauf.
„Was tut ihr hier?!“
„Wir sind beim Volkssturm!“
„Beim Volkssturm, ja seid ihr verrückt?!„
„Packt eure Sachen und verschwindet-augenblicklich! Schaut,
dass Ihr nachhause kommt!„
Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Einfach davonlaufen?!
„Ja, habt ihr keine Ohren? Ich habe gesagt, ihr sollt
augenblicklich verschwinden. Das ist ein Befehl!“
Also packten wir unsere Rucksäcke und verschwanden.
Immer über Felder und durch Wälder ging´s dem Fernpass zu.
Wir hatten Angst, von der Feldgendarmerie ertappt zu werden.
Da gab es das Gerücht, dass Feldgendarmen einen jungen
Burschen einfach erschossen hätten, weil sie ihn für einen
Deserteur hielten.
Als es finster wurde, standen wir ziemlich droben am Berg,
vor einem Bauernhof. Wir berieten, was wir tun sollten.
Schließlich kam eine Frau heraus, es war wohl die Bäuerin,
und fragte uns, woher wir kommen und was wir wollen.
Wir fragten sie, ob wir im Stall übernachten könnten, weil es
so kalt ist. Ja, dann sollen wir herein kommen. Wir könnten in
der Stube schlafen. Jeder bekam noch ein dickes Butterbrot,
dann schliefen wir müde ein. Ich erinnere mich gut an den
Stubenboden, mit den Astenden, die aus dem weichen Holz
aufragten und beim Liegen nicht gerade angenehm waren.
Bei Tagesanbruch ging´s weiter!
Gegen Mittag waren wir oberhalb von Imst, wo die Strasse
von Innsbruck nach Landeck geht.
Wir saßen ein Stück neben der Strasse und berieten, wie wir
weiter kommen wollten. Auf der Strasse gab es keinen
Verkehr. Plötzlich aber sah ich auf der steil aufwärts gehenden
Straße einen großen Lastwagen aufwärts kriechen.
Angehängt an ihn, eine riesige Kanone!
Ich sagte nichts und ging zur Strasse.
Als der Lastwagen vorbei war, sprang ich auf die Kanone,
kletterte daran hinauf und setzte mich auf das etliche Meter
lange Rohr! Die Soldaten, die am offenen Lastwagen standen,
betrachteten mich erstaunt. Als ich am Rohr Platz genommen
hatte, lachten sie und klatschten mir Beifall für meine Schneid.
Dann aber sagte einer, ich müsse wieder von der Kanone
herunter, das ginge doch zu weit!
Ich sagte nichts und blieb einfach sitzen.
Damit schien der Fall erledigt.
Droben, wo es nicht mehr aufwärts geht, sondern eben durch
die Felsen in Richtung Landeck, ging es schneller und ich
musste mich ordentlich festhalten.
Dann ging es ziemlich steil begab, das Fahrzeug wurde schnell
und schneller und ich musste aufpassen, dass ich nicht
herunter geschüttelt wurde.
Vor Mils:,- Feldgendarmerie!!
Noch im Fahren sprang ich ab und verschwand über Wiesen
und Wald. Immer dem Inn entlang bis Landeck. In Landeck
kannte ich niemand und niemand kannte mich. Also durch die
Stadt und dann der Strasse nach hinauf bis Ried. Oberhalb von
Ried, wo die Strasse wieder steil bergauf geht, legte ich mich
neben der Strasse in die Sonne, um ein bisschen auszurasten.
Auf der Strasse war kein Verkehr. Doch dann kam ein LKW
von unten langsam bergauf.
Ich lief zur Strasse und dem LKW, auf dem sich lauter
Männer befanden, hinterher. Ich versuchte, mich daran
festzuhalten und hinaufzuziehen, war aber zu schwach dazu.
Schließlich langten zwei kräftige Arme herunter und zogen
mich auf den Wagen hinauf.
Die Männer waren alle italienische Kriegsgefangene, die
entlassen und heimgeschickt wurden.
In unserem Dorf, unterm Postplatz, wo es wieder aufwärts
geht, sagte ich nur “grazie“, soviel Italienisch hatte ich
inzwischen gelernt, und sprang ab.
Die Mütter meiner Kameraden waren natürlich froh, dass ich
da war und ihre Söhne bald nachkommen würden.

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