Sie sind auf Seite 1von 3

86

Beilage 6

SÜDTIROLER ENTWURF
EINES AUTONOMIJESTATUTS FÜR
DIE REGION SÜDTIROL-
TIROLO D:EL SUD
VON DEN ABGEORDNETEN DER SüDTIROLER VOLKS-
pARTEI DR. TINZL, DR. GUGGENBERG UND DR. EBNER
AM 4. FEBRUAR 1958 IM ITALIENISCHEN PARLAMENT
EINGEBRACHT.

Abb.: ÖStA/AdR/BMfAA/Pol Südtirol, ST 2B 1960, Kt. 1.

Memorandum der österreichischen Bundesregierung zur Südtirolfrage. 5. September 1960. Beilage 6.

Südtirol vor den Vereinten Nationen


90

gewährr wird. Um diesen gerechten und rechtmäßigen Wunsch zu erfül-


len, beehren wir uns, diesen Gesetzentwurf vorzulegen.
Wir wollen uns jetzt in diesem B,ericht nicht bei allen einzelnen
Punkten des Entwurfes aufhalten, sond(~rn besd1ränken uns darauf, die
wichtigsten Punkte hervorzuheben.
a) Die Provinz Bozen wird zur autonomen Region mir Sonderstatut
erhoben - das h eißt natürlich jenes Gebiet, das heute die Provinz.
Bozen umfaßt: - , und zwar mit dem histori·schen und der Sprad1e
der Mehrh eit der Bevölkerung dieses Gebietes entspred1enden
Namen unter Absd1affung de;r Bezeichnung "Alto Adige"
napoleonischer Erfindung, womit endlich die Erinnerung an das
faschistische Verbot, den Namen "Südrirol" zu gebrauchen, aus-
gemerzt wird.
b) Es wird in Übereinstimmung mit :Punkt 1 des Pariser Abkommens
(Schutz des Volkscharakters und der k\11turellen und wirtschaft-
lichen Entwiddung der d e u t s c h s p r a c h i g e n G r u p p e)
festgelegt, daß die Volksgruppen als sold1e und nicht lediglich ihre
Angehörigen die Träger der Rech'te sin d, die dazu bestimmt sind,
diese Eigenarten zu sd1ürzen, bei deren Festlegung man von der
demokrarisd1en Geschichte des Gebietes nicht absehen kann. Dieser
Smutz ist nid1t möglich, wenn man nicht die Verbundenheit der
Bevölkerung mit dem von ihr bewohnten Gebiet in Betracht z.ieht,
mit dem Gebiet, aus dem sie stamme und aus dem sie den Ur-
sprung und die Bedingungen ihres Daseins ableitet. Der Sd1utz
des völkisd1en und kulturellen Charakters muß deshalb notwen-
digerweise auch den Schutz aller dieser charakteristischen Elemente
des Territoriums und der auf diesem angestammten Bevölkerung
u mfassen.
c) Es wurde die absolute Gleichheit der Rechte für die Volksgruppen
und ihre Angehörigen im wesendimen und nid1t nur fo rmalen
Sinn festgelegt. Unter wcsentlich·er Gleichheit verstehen wir die
gleid1en materiellen Möglid1keiren für alle, ihre eigenen Interessen
und Bedürfnisse zu befriedigen, wie sie auch durch die ethnischen

Abb.: ÖStA/AdR/BMfAA/Pol Südtirol, ST 2B 1960, Kt. 1.


und kulturellen Eigenarten bestimmt sind.
Dieses Prinzip findet Ausdruck in den Bestimmungen, die die
Vertretung der einzelnen Volksgruppen im Verhältnis zu ihrer
numerischen Stärke in den Organen der öffcntlid1en Verwaltung
sichern sollen.
Das Prinzip dieser absoluten Gleid1heit wird die Zurückweisung
der tendenziösen und geradezu absurden Behauptung überflüssig
machen, daß mit einer Autonomie: für die Provinz Bozen die dort
lebende italienisd1e Volksgruppe in einen Zustand der Unterlegen-
heit versetzt würde. Die Gefahr, absorbiert zu werden, und die

Memorandum der österreichischen Bundesregierung zur Südtirolfrage. 5. September 1960. Beilage 6.

Südtirol vor den Vereinten Nationen


92

statuten, die durch Verfassungsgesetz angenommen werden, besondere


Formen und Bedingungen der Autonomie gewährt."
Artikel 131: "Es werden fo lgende Regionen gebildet: Piemont,
Aostatal, Lombardei, Trentino, Südtirol-Tirolo del Sud, Venetien,
Friaul-Julisch Venetien, Ligurien, Emilia-Romagna, Toskana, Umbrien,
Marken, Latium, Abruzzen und Molise, Campania, Apulien, Basilicata,
Kalabrien, Sizilien, Sardinien."
Artikfll 2. Das Verfassungsgesetz vom 26. Februar 1948, Nr. 5, wird
durch das Autonomiestatut für die Region Südtirol-Tirolo del Sud
ersetzt, das dem vorliegenden Gesetz beiliegt.
Anlage: Autonomiestatut für die Region Südtirol-Tirolo del Sud.

Kapitel I.
Errichtung der Region Südtirol-Tiroio del Sud.
Artikel 1. Südtirol (Tirolo del Sud), umfas,send das Terrirorium der
Provinz Bozen, wird laut vorliegendem Statut als auwnome Region mit
Rechtspet·sönlichkeit innerhalb der italie:nischen Republik errichtet, in
Übereinsti m mung mit dem Gesetzesdekre:t des Provisorischen Staatsober-
h auptes vom 28. November 1947, Nr. 1430, und mit dem das Abkom-
men zwischen der Österreichischen und der italienischen Regierung ent-
haltenden Anhang IV des in Paris am 10. Februar 1947 unterzeichneten
Vertrages sowie in Obereinstimmung mit: den Prinzipien des Statuts der
Vereinten Nationen.
Artikel 2. Die Region Südtirol (Tiro lo del Sud) hat die Stadt Bozen
(Bolzano) zur Hauptstadt.
Die Region kann ein eigenes Banner und ein eigenes Wappen füh ren,
die durch die Regionalversamm1ung festgelegt wetden, die auch deren Ge-
brauch regelt.

Kapitel TI.
Die Volksgruppen und ihre Rechte.

Abb.: ÖStA/AdR/BMfAA/Pol Südtirol, ST 2B 1960, Kt. 1.


Artikel 3. In der Region wird die wesentliche Gleichberechtigung der
Volksgruppen und der Staatsbürger anerkannt, welcher Volksgruppe
immer sie angehör,e n mögen.
Es werden, auch den entsprechenden histor!.sci1en Grundlagen Rech-
nung tragend, di.e ethnischen und kulturellen E igenarten der Region,
ihres Terrjtoriums und der dort ansässigen Bevölkerung geschützt, ins·
besondere was die ethnische Zusammense·czung der Bevölkerung, die ein-
zelnen anerkannten Volksgruppen tmd de:ren Angehörige bet.riffr.
Das Red1t auf diesen Schutz kann sowohl von der Volksgruppe
selbst wie vom einzelnen Sta-atsbürger bea.nspPud1t werden.

Memorandum der österreichischen Bundesregierung zur Südtirolfrage. 5. September 1960. Beilage 6.

Südtirol vor den Vereinten Nationen

Das könnte Ihnen auch gefallen