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M5050 X0031 Liv RLPF0727 PDF
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FOTOGRAFIE
BAUHAUSBÜCHER
SCHRIFTLEITUNG:
WALTER G R O P I U S
L. M O H O L Y - N A G Y
L. M O H O L Y - N A G Y
MALEREI
FOTOGRAFIE
FILM
L MOHOLY-NAGY
MALEREI
FOTOGRAFIE
FILM
ALBERT LANGEN VERLAG / MÜNCHEN
Z W E I T E VERÄNDERTE AUFLAGE
DRITTES BIS FÜNFTES TAUSEND
COPYRIGHT 1927 BY ALBERT L A N G E N VERLAG
MÜNCHEN
ι.
III.
Ich fasse die zeitgemäßen Konsequenzen dieses Zustandes zusammen:
2. Die reine Gestaltung der Farbe zeigt, daß das T h e m a " farbiger
Gestaltung (Malerei) die Farbe selbst ist, daß man damit, ohne gegen*
ständliche Beziehungen, zu einem reinen u n d primären, einem ge*
stalteten Ausdruck gelangen kann.
I
lch will in diesen A u s f ü h r u n g e n keine Werturteile über die ver*
schiedenen Arten malerischer Gestaltung aussprechen, sondern
nur eine Klassifizierung der heute existierenden u n d möglichen
optischen Gestaltungen in dem Sinne der Mittelverwendung vor*
nehmen. Die Qualität einer Arbeit braucht nicht unbedingt von
,,heutiger" oder ,,vergangener" Gestaltungslehre abhängig zu sein.
Sie hängt vom Maß der Schaffensintensität ab, die ihre technisch
entsprechende Form findet. Immerhin erscheint es mir unumgängi
lieh, an der Gestaltung der eigenen Zeit mit zeitgemäßen Mitteln
mitzuarbeiten.
VON DER
PIGMENTMALEREI
BIS ZUM
REFLEKTORISCH
GEWORFENEN
LICHTSPIEL
2 L. M o h o l y Nagy
á
DIE
SCHLAGWORT-
PROBLEMATIK
OPTISCHER
GESTALTUNG
Zum näheren Verständnis ist es erforderlich, sich mit der ganzen heu*
tigen Problematik optischer Gestaltung auseinanderzusetzen: mit der
gegenständlichen u n d
gegenstandslosen Malerei, m i t d e m
Tafelbild u n d m i t der
farbigen Gestaltung in architektonischem Zusammenhang,
die sich mit dem Problem des
Gesamtkunstwerkes" b e r ü h r t ; mit der
statischen u n d
kinetischen optischen Gestaltung, mit dem Material
Pigment u n d dem Material
Licht.
ÜBER DAS
GEGENSTÄNDLICHE
UND
GEGENSTANDSLOSE
2· 11
Nur in dem untrennbaren Zusammenhang der beiden dokumentiert sich sein
Wesen. Es ist heute schwer, wenn nicht unmöglich, den Entstehungsweg a l t e r
Bilder zu rekonstruieren. Doch ist es uns wohl möglich, mit Hilfe des Be
griffs: absolute Malerei" manche von den Komponenten auseinanderzuhalten;
und zwar vor allem die Komponenten, welche auf die e l e m e n t a r e n S p a n n u n g s
V e r h ä l t n i s s e und die, welche auf die z e i t b e d i n g t e F o r m zurückzuführen sind.
Die Entwicklung aller Gestaltungsgebiete führte den Menschen dazu, sich auf
die Festlegung der nur dem W e r k gemäßen Mittel zu konzentrieren. In dem
Herausheben des Wesentlichen und Elementaren, in dem Auffinden des Ge
setzmäßigen und dessen Organisation offenbart sich die größte Beherrschung
und der größte Reichtum. So kam auch die M a l e r e i zu der Erkenntnis ihrer
elementaren Mittel: Farbe und Fläche. Diese Erkenntnis wurde durch die Er
findung des m e c h a n i s c h e n D a r s t e l l u n g s v e r f a h r e n s : der F o t o g r a f i e ge»
fördert. Man erkannte einerseits die Möglichkeit der D a r s t e l l u n g auf objektiv
mechanischem Wege, das mühelose Herauskristallisieren eines Gesetzes, das in
seiner eigenen Materie gegeben ist, andererseits wurde klar, daß die f a r b i g e
Gestaltung ihren G e g e n s t a n d " in sich s e l b s t , in d e r F a r b e b i r g t .
Naturobjekte, Gegenstände: die zufälligen Träger f a r b i g e r M o m e n t e sind
heute für die eindeutige Wirkung farbiger Gestaltung nicht notwendig.
Eine fortschreitende und fortschrittliche Entwicklung der Fotografie und des
Films wird bald Klarheit darüber schaffen, daß diese Techniken den d a r
s t e l l e r i s c h e n Absichten eine unvergleichlich vollkommenere Durchführung er
möglichen, als die bisher bekannte Malerei jemals zustande bringen konnte.
W e n n die Klarheit hierüber sich bis heute auch nicht allgemein durchsetzte,
so hat doch diese im Zeitgefühl wurzelnde intuitive Erkenntnis neben anderen
Faktoren·) die g e g e n s t a n d s l o s e", abstrakte" Malerei gewaltig gefördert.
Man braucht als ungegenständlicher" Maler keinen besonderen Mut, sich zu der
gestaltenden Darstellungskunst, wie sie heute Fotografie und Film bieten, zu
bekennen. Das menschliche Interesse, die ganze Welt kennen zu lernen, hat sich
um das Gefühl erweitert, in diese — in jedem Augenblick — in jeder Situation —
eingeschaltet zu sein. Aus diesem Grunde können wir uns nicht gegen eine
Darstellungskunst aussprechen, müssen aber fordern, daß dem W e l t Interesse und
I
Welt Gefühl entsprechend, zeitgemäße Konsequenzen gezogen werden: daß
die nur vergangene Zeiten und vergangene Ideologien atmenden malerischen
Darstellungsmethoden verschwinden und an ihre Stelle das mechanische
Darstellungsverfahren mit seinen heute noch unübersehbaren Erweiterungs-
möglichkeiten gesetzt wird. In einer solchen Situation wird die Diskussion
über gegenständliche oder gegenstandslose M a l e r e i nicht mehr von Bedeutung
sein; man wird die gesamte Problematik in absolute und (nicht oder" sondern:
und) darstellerische optische G e s t a l t u n g fassen müssen.
Damit wird auch die Rolle des vielumstrittenen Tafelbildes bzw. des für sich
stehenden optischen Gebildes (wie das Buch ein selbständiges Gebilde ist, welches
unabhängig von Natur oder Architektur seine Existenzberechtigung hat) auf die
richtige Bahn gebracht. Solange nämlich der Mensch, im Besitze seines Sinnen
Vermögens, optische Erlebnisse verlangt, wird die Gestaltung farbiger Harmonien
— man könnte sagen: aus Lebenserhaltungsgründen — nicht ausschaltbar sein.
Noch vor kurzem war man allerdings anderer Ansicht. Man behauptete, daß
das Tafelbild dem Untergange geweiht sei, da es sich in der Anarchie des
subjektiven Sehens auflöse; denn unsere Zeit mit ihren Bestrebungen nach kollek
tivem Denken und Handeln fordert objektive Gestaltungsgesetze. In der Forderung
nach kollektiver Gestaltung wurde das Bedürfnis nach farbigen Harmonien aner
kannt, mit der besonderen Anwendung, daß der Maler nur die Aufgabe
haben sollte, mit seinen Kenntnissen der Farbe die Absichten des Architekten
zu unterstreichen.
Diese gegenüber der isolierten l'art pour l'art Malerei krasse Forderung war nur
eine Reaktionserscheinung, die rasch abgelöst wurde von einer allgemeineren
und uns gültiger erscheinenden Überlegung: daß keine Materie, kein Arbeitsgebiet
von der Eigenart anderer Materien, anderer Gebiete her beurteilt werden kann
und daß die Malerei bzw. die optische Gestaltung überhaupt ihre von allen
anderen unabhängigen Spezial Gesetze und Aufgaben hat.
I
Die Lebensauffassung der vorigen Generation lautete: Der Mensch hat sein
Alltagsleben zu leben und in seinen Mußestunden darf er sich mit den
Fänomenen künstlerischer" Gestaltung, mit ihren durchgeistigten" Werken
beschäftigen. Diese Auffassung führte im Laufe der Zeit zu unhaltbaren
Zuständen. So z. B. in der Malerei: statt eine Arbeit nach ihrem Ausdrucks
gesetz, nach ihrem Verwurzeltsein mit dem Leben einer Kollektivität zu werten,
legte man ganz persönliche Maßstäbe an, und stempelte so die Sache der All
gemeinheit zu einer individuellen Liebhaberei. Diese übertrieben subjektive
Haltung des Aufnehmenden wirkte auf manchen Gestalter in der Weise zurück,
daß er langsam verlernte, das Wesentliche, das biologisch Bedingte zu geben,
und statt dessen mit der Absicht des Kunstmachens" das Kleinliche, Unwich
tige und oft nur die aus den großen Einzelwerken historisch oder subjektiv
a b g e l e i t e t e ästhetische Formel packte. Die gegen diesen Verfall der male
rischen Gestaltung auftretende Opposition (Kubismus, Konstruktivismus) versuchte
d i e E l e m e n t e u n d M i t t e l d e s A u s d r u c k s s e l b s t zu läutern, ohne
die A b s i c h t , damit Kunst" schaffen zu wollen. Kunst" entsteht, wenn
der Ausdruck ein Optimum ist, d. h. wenn er in seiner Höchstintensität im
Biologischen wurzelnd, zielbewußt, eindeutig, rein ist·). Der zweite Weg war,
daß man versuchte, die voneinander isolierten Werke oder einzelnen Gestaltungs
gebiete in eine E i n h e i t zusammenzufassen. Diese Einheit sollte das Gesamt
kunstwerk", die Architektur sein, als die Summe aller Künste. (Stijl Gruppe,
Holland; erste Periode des Bauhauses.) Der Gedanke eines Gesamtkunstwerkes
war leicht verständlich, gestern, in derZeit größter Spezialisierungen. Diese hatten
durch ihre Verästelungen und ihre alle Gebiete zerstückelnde Wirkung jeden
Glauben an die Möglichkeit vernichtet, die Gesamtheit aller Gebiete, d i e
T o t a l i t ä t d e s L e b e n s e r f a s s e n zu können. Da das Gesamtkunstwerk aber
nur eine Addierung, wenn auch eine organisierte ist, können wir uns heute
damit nicht begnügen. Was wir brauchen, ist nicht das G e s a m t k u n s t w e r k " ,
neben dem das Leben getrennt hinfließt, sondern die s i c h s e l b s t a u f
b a u e n d e Synthese aller Lebensmomente zu dem alles umfassenden G e s a m t
w e r k (Leben), das jede Isolierung aufhebt, in dem alle individuellen Leistungen
aus einer biologischen Notwendigkeit entstehen und in eine universelle N o t
wendigkeit münden.
Die Hauptaufgabe der nächsten Periode müßte sein, ein jedes W e r k nach seiner
eigenen Gesetzmäßigkeit und seiner eigenen Besonderheit zu gestalten. Nicht
so kann die Einheit des Lebens entstehen, indem die Grenzen der Gestaltungen
künstlich in einander gewischt werden. Die Einheit müßte vielmehr dadurch ge-
schaffen werden, daß eine jede Gestaltung aus ihrer sich vollkommen auswirkenden
· ) Kinderzeichnungen sind, auf das Kind selbst bezogen, zumeist optimale Leistungen. Dieses
Optimum ist also relativ. Dagegen ist das Werk eines Künstlers, des im tiefsten Sinne" Schöpfe
rischen nicht nur f ü r ihn selbst, sondern f ü r die G a n z h e i t , f ü r die Menschheit ein Optimum,
da es, alle bereichernd, Inhalte trägt, die o h n e das Werk kaum mit der gleichen Intensität hätten
in unser Erleben gezogen werden k ö n n e n .
und 80 lebenformenden Tendenz und Eignung heraus aufgefaßt und durchgeführt
wird. Durchgeführt von Menschen, deren Lebenseinstellung ein jedes Individuum
in seiner auf das Ganze sich beziehenden Arbeit zur höchsten Produktivität ge*
langen läßt, weil man ihm Zeit und Raum gibt, sich selbst auch in seinem Per
sönlichsten auszuwirken. Damit lernt der Mensch wieder auf die geringsten
Regungen seines eigenen Seins ebenso wie auf die Gesetze der Materie reagieren.
Auf der Basis einer Gestaltungslehre, welche die Gestaltung eines Werkes nur
aus den ihm eigenen Mitteln und eigenen Kräften verkündet, ist die nächste
Konsequenz, daß eine architektonische Gestaltung als Synthese aus den funktio
nellen, der Architektur eigenen Elementen, — also auch MateriahFarbe — ent
stehe, d. h. aus dem auf die Funktion aufgebauten Zusammenspiel gleichgeord
neter Kräfte. Eine solche Gestaltung müßte die zu erzielende Farbigkeit der
Räume und Gebäudekomplexe ohne Mitwirkung des Malers im heutigen Sinne
ermöglichen, da die funktionelle Verwendung des Baumaterials: Beton, Stahl,
Nickel, künstliche Stoffe usw., die Farbigkeit des Raumes und der ganzen Archi
tektur eindeutig schaffen kann. Auf einer idealen Ebene, wo biologische und
technische Funktion einander decken, ist dies tatsächlich der Fall. Aber die
Praxis zeigt, daß es möglich, sogar selbst für spätere Zeiten höchst wahrschein
lieh notwendig ist, den Maler" als Sachverständigen zu der farbigen Ausge»
staltung der Räume heranzuziehen. Er wird dort allerdings nur in der von
den baulichen Forderungen aus entstehenden D e t e r m i n a t i o n arbeiten können.
Von einer suveränen farbigen Gestaltung kann demnach dort kaum die Rede
sein. Schon aus dem Grunde nicht, weil man die Farbe von heute ab in der
Außenarchitektur voraussichtlich nur als Organisationsbehelf und in der Innen
architektur als Unterstützung der atmosfärischen, der wohnlichen" Wirkung
verwenden w i r d . · )
· ) Sie hilft in der Architektur eine dem Raum u n d dem Einwohner entsprechende Wohnlich
keit schaffen. Damit wird sie zu einem gleichwertigen Bestimmungsmittel der Raumgestaltung,
die noch mit Möbeln und Stoffen ergänzt werden kann.
Die heutigen Versuche, die Wände eines Raumes verschiedenfarbig zu streichen, haben ihren
Ursprung in folgendem:
H o m o g e n gestrichene Räume wirken hart. Sie sind in ihrer Einfarbigkeit übermäßig selbst
betont. In einem solchen Raum ist uns das Vorhandensein der betreffenden einen Farbe un
aufhörlich gegenwärtig. Wenn dagegen die verschiedenen W ä n d e in abgestimmten Farben ver
schieden angestrichen sind, wirken nur die B e z i e h u n g e n der Farben. Es entsteht Klang,
der die Farbe als selbstbetonte Materie verdrängt zugunsten einer W i r k u n g , bei der nur die
Dies bedeutet — da die ideale Ebene sich niemals herstellen laßt — eine Nutz
anwendung aus der Problematik farbiger Gestaltung, während die farbige Ge»
staltung selbst als der suveräne Ausdruck eines Menschen in seiner geistigen
und leiblichen Konzentration, über die zeitliche Richtigkeit der formbestimmen
den Ereignisse hinaus auf ihrem biologischen Wege sich weiterentwickeln muß.
Gegenüber der Auffassung, daß das Tafelbild im Verhältnis zur großen Fresko
Malerei einen Verfall bedeute, ist zu entgegnen, daß umgekehrt, die Kodex und
Bibelillustrationen, Tafelbilder, Landschaften, Porträts usw. unter dem Gesichts
punkt der Darstellung revolutionäre Taten gewesen sind. Seit der Erfindung
der perspektivischen Regel hat das Tafelbild die Farbe als solche vernachlässigt
und sich fast ganz der Darstellung zugewandt. Diese hat den Gipfelpunkt
ihrer darstellerischen Absichten in der Fotografie erreicht, allerdings damit auch
den Tiefpunkt farbiger Gestaltung.
Erst die Impressionisten haben den Kulturmenschen die Farbe wiedergeschenkt.
Diese Entwicklung des Tafelbildes hat zu der klaren Trennung zwischen farbiger
und darstellerischer Gestaltung geführt.
Farbbeziehungen eine Rolle spielen. Dadurch entsteht eine sublimierte, atmosfärische Eigenart
des Gesamtraumes: wohnlich, festlich, zerstreuend, konzentrierend usw.
Eine gewisse Systematik in der Farbenwahl u n d Farbenverteilung ist von Raum u n d Funktion
(Hygiene, Lichttechnik, Kommunikation usf.) bestimmt. Daraus folgt, d a ß die verschiedenfarbige
Anstrichweise nicht überall wahllos verwendet werden kann.
3 L. M o h o l y » N a g y
DIE STATISCHE
UND KINETISCHE
OPTISCHE GESTALTUNG
Das Entstehen neuer technischer Mittel hat das Auftauchen neuer Gestaltungs*
bereiche zur Folge; und so kommt es, daß die heutige technische Produktion,
die optischen Apparate: Scheinwerfer, Reflektor, Lichtreklame, neue Formen und
Bereiche nicht nur der D a r s t e l l u n g , sondern auch der f a r b i g e n G e s t a l t u n g
geschaffen haben. Bisher war das Pigment das herrschende Mittel farbiger
Gestaltung, als solches erkannt und verwendet für die Tafelbildmalerei ebenso
wie in seiner Eigenschaft als Baumaterial" in der Architektur. Das mittel»
alterliche Glasfenster allein zeugt von einer anderen, wenn auch nicht konsequent
durchgeführten Auffassung. Hier wirkt neben der Farbigkeit der Flächen auch
eine gewisse räumlich reflektorische Strahlung mit. Die heute bewußt reflektorisch
oder projektorisch geworfene bewegliche farbige Gestaltung (kontinuierliche
Lichtgestaltung) öffnet dagegen neue Ausdrucksmöglichkeiten und damit neue
Gesetzmäßigkeiten.
Seit Jahrhunderten versucht man, eine Lichtorgel oder ein Farbenklavier zu schaffen.
Die Versuche von N e w t o n und seinem Schüler Pater C a s t e l sind bekannt.
Verschiedene Gelehrte nach ihnen haben sich mit demselben Problem beschäftigt.
In unserer Zeit sind die Versuche von S c r j a b i n bahnbrechend gewesen. Er
hat seine in New York 1916 zum ersten Male aufgeführte Prometheus»Sinfonie
mit gleichzeitigen mittels Scheinwerfern in den Raum geworfenen Farbengarben
begleitet. Thomas W i l f r e d ' s (Amerika) C l a v i l u x (ca. 1920) war ein der
Laterna magica ähnlicher Apparat, mit welchem wechselnde gegenstandslose Bild»
Variationen vorgeführt wurden. Einen wesentlichen Fortschritt in dieser Richtung
bedeuten die Arbeiten von Walter R u t t m a n n (Deutschland), der schon den
Filmapparat in den Dienst seiner Versuche stellte. Seine für den Tricktisch
gezeichneten Formen sind der Anfang einer filmmäßigen, noch unabsehbar ent
wicklungsfähigen kinetischen Gestaltung. Am wichtigsten aber waren die Arbeiten
des früh verstorbenen VIKING EGGELING (Schweden), der die alle bisherige Ästhetik
umstürzende Wichtigkeit des Z e i t p r o b l e m s — nach den Futuristen als erster —
weiterentwickelt und dessen wissenschaftlich strenge Problematik aufgestellt hat.
(S. 117.) Er fotografierte auf dem Tricktisch eine aus einfachsten linearen Elementen
aufgebaute Bewegungsfolge und versuchte das aus dem Einfachen sich entwickelnde
Komplizierte durch Auswägen der Entwicklungsverhältnisse in Größe, Tempo,
Wiederholung, Sprung usw. den Augen faßbar zu machen. Seine Versuche
lehnten sich zunächst stark an die Problematik der Musik, an ihre Zeiteinteilung,
Temporegelung und ihren ganzen A u f b a u an. Aber langsam setzte sich bei
ihm die Erkenntnis des Optisch Zeitlichen durch, und so wurde seine erst auf
eine Formdramatik aufgebaute Arbeit zu einem A B C der Bewegungsfänomene
in Hell Dunkel und Richtungsvarianten.
Bei Eggeling wurde aus dem ursprünglichen Farbenklavier ein neues Instrument,
das nicht in erster Linie Farbenzusammenhänge, sondern die G l i e d e r u n g eines
B e w e g u n g s r a u m e s gab. Sein Schüler Hans Richter hob — vorläufig nur
theoretisch — das Zeitmoment stärker heraus und näherte sich so der Schaffung
einer licht raum»zeitlichen Kontinuität in der Bewegungssynthese. Dieser in der
Theorie längst überwundene Anfang hat mit dem Licht" noch nicht umzugehen
gewußt. Die Arbeiten wirkten wie beweglich gewordene Grafik.
So schneidet tief in das Problem des Tafelbildes die andere akute Frage: ist es
richtig, heute, in der Zeit beweglicher reflektorischer Lichterscheinungen und des
Films, das statische Einzelbild als farbige Gestaltung weiter zu kultivieren?
Hier schaffen das neu auftretende Zeitmoment und seine immer weiter laufende
Gliederung einen gesteigerten aktiven Zustand des Zuschauers, der — statt einer
M e d i t a t i o n über ein statisches Bild und statt eines Hineinsinkens, woraus seine
brechers entsprechender T o n gebildet werden. Ein solcher Lichtstrahl, dessen Intensität also
gerade so groß ist, daß die Selenzelle ihren W i d e r s t a n d nicht vergrößert, mithin die zu enger
K u p p e l u n g nötige Stromstärke gerade n o c h frei gibt, wird d a n n in einem Prisma in seine Fei
der zerlegt u n d d a n n jedes Spektralfeld einzeln auf die Selenzelle geworfen. J e d e Spektralfarbe
verändert gegenüber dem unzerlegten weißen Strahl danach die Drehgeschwindigkeit der Selektor
Scheibe, r u f t also jeweils eine andere Belichtungsfrequenz der Selenzelle u n d im Telefon auch
einen a n d e r e n T o n hervor. Die Selenzelle ermöglicht in der K u p p e l u n g des Selektors mit dem
Antriebsrad jede Festigkeit u n d genaue Einstellung der Drehgeschwindigkeit des Selektors, präzis
v o n der Frequenz bei H ö c h s t b e l i c h t u n g angefangen bis h e r u n t e r zum gänzlichen Loslassen bei
vollständiger V e r d u n k e l u n g der Selenzelle, u n d zwar in d e n feinsten A b s t u f u n g e n des Schlüpfens",
entsprechend den nuancierten Belichtungsunterschieden, die sich bei prismatischer Zerlegung eines
Strahles ergeben.
In engster V e r b i n d u n g mit der Entwicklung des n a t u r f a r b i g fotografierten Films geht die praktische
Auswertung u n d V e r v o l l k o m m n u n g des hier beschriebenen Prinzips in der Entwicklung zum
Musikalischen Film", einer Einrichtung, die das Filmbild selbst m u s i k e r z e u g e n d " klingend macht.
Vorläufig ist mit der beschriebenen Einrichtung der Farbe T o n Forschung ein Mittel zur exakten
U n t e r s u c h u n g des Verhältnisses zwischen T o n u n d Farbenqualitäten an die H a n d gegeben."
· ) Dasselbe Problem der Berechtigung taucht zwischen gedruckter Literatur u n d Radio bzw.
sprechendem Film u n d Theater auf.
HAUS-PINAKOTHEK
· ) Für die elektrotechnische Industrie werden heute wertvolle künstliche Materialien produziert:
T u r b o n i t , Trolit, N e o l i t h , Galalith usw. usw. Diese Materialien sowie A l u m i n i u m , Zellon,
Zelluloid sind f ü r die Herstellung exakt d u r c h z u f ü h r e n d e r Bilder viel geeigneter als Leinwand
oder Holztafel. Ich zweifle nicht daran, d a ß diese bzw. ähnliche Materialien f ü r das Tafelbild
bald herrschend w e r d e n , zumal auch ganz neue, überraschende W i r k u n g e n dabei zu erreichen
sind. Malversuche auf hochpolierten schwarzen Tafeln (Trolit), auf farbigen durchsichtigen u n d
durchscheinenden Platten (Galalith, mattiertem u n d durchscheinendem Cellon) zeigen eigenartige
optische W i r k u n g e n : es scheint, daß die Farbe in einem Raum vor der Fläche, worauf sie
tatsächlich aufgetragen ist, fast ohne Materialwirkung schwebt.
à
Genau wie man heute die Filmrollen für Heimlichtkinos in einem Schrank in
der Wohnung lagern läßt.
Es ist wahrscheinlich, daß die künftige Entwicklung den größten Wert auf die
kinetische projektorische Gestaltung legen wird, sogar wahrscheinlich mit im
Räume freischwebenden, einander durchdringenden Farbengarben und massen
ohne direkte Projektionsfläche; sie wird durch die ständige Vervollkommnung
ihrer Instrumente viel größere Spannungsbereiche umfassen als das entwickelteste
statische Bild. Daraus folgt, daß in den künftigen Perioden nur derjenige M A L E R "
werden und bleiben kann, der tatsächlich suveräne und maximale Leistungen
hervorbringt.
Andererseits setzt eine richtige Handhabung der reflektorischen (Film) und pro
jektorischen Gestaltung, welche die herrschende Farbenkunst der nächsten Zeit
werden wird, gründliche Kenntnisse der Optik und ihrer mechanisch technischen
Verwertung (so der Fotografie) voraus.
Es ist überraschend, daß der heutige geniale" Maler gegenüber dem nüchternen"
Techniker recht wenig wissenschaftliche Kenntnisse besitzt. Der Techniker
arbeitet schon lange damit. So benutzt er aus der Optik z. B. Interferenz •
und Polarisationserscheinungen, subtraktive und additive Mischungen des Lichtes
usw. Aber daß diese mit der gleichen Selbstverständlichkeit in die farbige Ge
staltungsarbeit einbezogen werden, scheint vorläufig Utopie zu sein, obwohl
gegen ihre Verwendung nichts anderes angeführt wird als eine mißverstandene
Wertung des künstlerischen Arbeitsprozesses. Man glaubt zur Entstehung eines
Kunstwerkes die handwerkliche Ausführung als untrennbaren Wesensteil fordern
zu müssen. In Wahrheit ist neben dem schöpferischen geistigen Prozeß des
Werkentstehens die Ausführungsfrage nur insofern wichtig, als sie bis aufs Äußerste
b e h e r r s c h t werden muß. Ihre Art dagegen — ob persönlich oder durch Arbeits
Übertragung, ob manuell oder maschinell — ist gleichgültig.
FOTOGRAFIE
Seit der Erfindung der Fotografie wurde in Prinzip und Technik des Ver
fahrens — trotz ungeheurer Verbreitung — nichts wesentlich Neues gefunden.
Alle seither eingeführten Neuerungen — mit Ausnahme der Röntgenfotografie
— basieren auf der in Daguerres Zeit (um 1830) herrschenden künstlerisch
reproduktiven Auffassung: Wiedergabe (Kopie) der Natur im Sinne der per
spektivischen Regeln. Jede malerisch ausgeprägte Periode hatte seitdem eine
epigonenhafte — sich an die jeweilige malerische Richtung anlehnende foto
grafische Manier (z. B. S. 4 7 ) . · )
4 L. Moholy.Nagy
sich bald nur mechanisch-technischer Mittel bedienen wird, betrachten, wenn
man davon absieht, daß gerade in diesen Arbeiten traditionsgebundene, oft direkt
reaktionäre Elemente enthalten sind.
PRODUKTION
REPRODUKTION
Ohne alle Imponderabilien des menschlichen Lebens damit lösen zu wollen, kann
man sagen, daß der A u f b a u des Menschen die Synthese aller seiner Funktions
apparate ist; d. h. daß der Mensch einer Periode dann der vollkommenste ist,
wenn die ihn aufbauenden Funktionsapparate — die Zellen ebenso wie die kom»
pliziertesten Organe — bis zu der Grenze ihrer biologischen Leistungsfähigkeit
benutzt werden. Die Kunst bewirkt dies — u n d d a s i s t e i n e i h r e r w i c h
t i g e n A u f g a b e n , da von der Vollkommenheit des Funktionierens der ganze
Wirkungskomplex abhängt. — Die Kunst versucht zwischen den bekannten und
den noch unbekannten optischen, akustischen und andern funktionellen Er
scheinungen weitgehende neue Beziehungen herzustellen und diese in bereichern»
der Steigerung von den Funktionsapparaten aufnehmen zu lassen.
· ) Ich habe dies auf 2 Gebieten untersucht: bei G r a m m o f o n u n d Fotografie. Man kann
natürlich dasselbe f ü r andere Reproduktionsmittel d u r c h d e n k e n : f ü r den sprechenden Film
(von Engel, Massole u n d Vogt), für den Fernseher (Telehor) usw. Bei dem Grammofon kommt
man zu folgendem: das G r a m m o f o n hatte bisher die Aufgabe bereits vorhandene akustische
Erscheinungen zu reproduzieren. Die zu reproduzierenden Tonschwingungen werden mittels
W e n n wir auf dem Gebiete der Fotografie eine Umwertung in produktiver
Richtung vornehmen wollen, müssen wir die Lichtempfindlichkeit der foto*
grafischen (Bromsilber) Platte dazu benutzen: d i e v o n u n s s e l b s t (mit
Spiegel oder Linsenvorrichtungen, durchsichtigen Kristallen, Flüssigkeiten usw.)
g e s t a l t e t e n Lichterscheinungen (Lichtspielmomente) darauf zu fixieren. Als
Vorgänger für diese Art Gestaltungen können wir die astronomischen sowie die
Röntgen- und Blitzaufnahmen betrachten (S. 61 bis 70).
einer Nadel in eine Wachsplatte geritzt u n d d a n n von einem A b g u ß dieser Platte mit Hilfe
einer Membran wieder in T o n umgesetzt.
Eine Erweiterung des Apparates zu produktiven Zwecken k ö n n t e so geschehen, daß ohne
mechanische A u ß e n w i r k u n g durch den Menschen selbst in die Wachsplatte eingezeichnete Ritzen
(S. 60) bei der Wiedergabe eine Schallwirkung ergeben, welche o h n e neue Instrumente u n d o h n e
Orchester eine Erneuerung in der T o n e r z e u g u n g (neue n o c h nicht existierende T ö n e u n d T o n
beziehungen) möglich machen u n d damit zur U m w a n d l u n g d e r M u s i k v o r s t e l l u n g u n d Kompositions
möglichkeiten beitragen. (Siehe meine Artikel in De Stijl" 1922 N r . 7, im S t u r m " VII/1923
u n d in Broom" [New York] März 1923, A n b r u c h " [Wien] 1926).
FOTOGRAFIE
OHNE KAMERA
DAS FOTOGRAMM"
Praktisch läßt sich diese Möglichkeit folgendermaßen verwerten: man läßt das
Licht durch Objekte mit verschiedenen Brechungskoeffizienten auf einen Schirm
(fotografische Platte, lichtempfindliches Papier) fallen oder es durch verschiedene
Vorrichtungen von seinem ursprünglichen W e g ablenken; bestimmte Teile des
Schirmes mit Schatten decken usw. Dieser Prozeß kann m i t oder o h n e Apparat
vor sich gehen. (Im zweiten Falle ist die Technik des Verfahrens die Fixie»
rung eines differenzierten Licht» und Schattenspiels.)
Ein anderer W e g des Ausbaues zur Produktion wäre die Untersuchung und
Verwendung verschiedener chemischer Mischungen, welche für das Auge nicht
wahrnehmbare Lichterscheinungen (elektromagnetische Schwingungen) festhalten
können (wie z. B. die Röntgenfotografie).
Ein weiterer W e g ist der Bau neuer Apparate, erstens mit Benutzung der Camera
obscura, zweitens bei Ausschaltung der perspektivischen Darstellung. Apparate
mit Linsen und Spiegelvorrichtungen, die den Gegenstand von allen Seiten
gleichzeitig umfassen können, und Apparate, die auf anderen optischen Gesetzen
aufgebaut sind als unser Auge.
DIE Z U K U N F T DES
FOTOGRAFISCHEN
VERFAHRENS
Die Fotografie als Darstellungskunst ist nicht eine einfache Naturkopie. Das
beweist schon die Seltenheit einer guten" Fotografie. Unter den in illustrierten
Zeitschriften und Büchern erscheinenden Millionen Fotografien findet man nur
hin und wieder wirklich gute" Aufnahmen. Das Merkwürdige und gleichzeitig
für uns als Beweis Dienende dabei ist, daß wir (nach einer längeren Schaukultur)
mit sicherem Instinkt die guten" Fotos überall unfehlbar herausfinden, unab*
hängig von der Neuheit oder Unbekanntheit des Thematischen". Es entsteht
ein neues Qualitätsgefühl für das Hell Dunkel, das s t r a h l e n d W e i ß e , die
mit flüssigem Licht gefüllten schwarz grauen Übergänge, den exakten Zauber
feinsten Gewebes: in den Rippen der Stahlkonstruktion ebenso wie in dem Schaum
des Meeres — und das alles festgehalten im hundertsten oder tausendsten Teil
einer Sekunde.
Die meisten Menschen unserer Zeit haben die Weltanschauung der Periode
primitivster Dampflokomotive. Die m o d e r n e n illustrierten Zeitungen sind
immer noch rückständig — gemessen an ihren weiten Möglichkeiten! Und was
für eine Erziehungs und Kulturarbeit könnten und müßten sie leisten! Die
W u n d e r der Technik, der Wissenschaft, des Geistes vermitteln. Im Großen
und Kleinen, im Fernen und N a h e n · ) . Es gibt auf dem Gebiete der Foto
grafie zweifellos eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten, durch die uns das uner
schöpfliche Wunder des Lebens vermittelt wird. Dieses war bisher die Aufgabe
der Maler aller Zeiten. Bei manchen dringt aber heute schon die Erkenntnis
von der Unzulänglichkeit der alten darstellerischen Mittel durch. Daher kommt
es, daß manche m a l e r i s c h e n Bestrebungen, die Gegenstände der Welt objektiv
zu zeigen, ein bedeutender Erfolg der Wechselbeziehung zwischen Fotografie
und malerischer Gestaltung sind. Die Wiedergabe heutiger Standardformen in
solchen Bildern werden aber als grobe Versuche der Darstellung erscheinen,
wenn die richtige Handhabung des fotografischen Materials einsetzt, in den zartesten
Tönen der grauen und braunen Farben, mit dem Emaillehauch in dem Glanz
des fotografischen Lackpapiers. Wenn die Fotografie zur vollen Erkenntnis ihrer
wirklichen e i g e n e n Gesetze kommt, wird die Gestaltung der D a r s t e l l u n g auf
eine durch handwerkliche (manuelle) Mittel nie erreichbare Höhe und Voll
kommenheit gebracht werden.
· ) Seit der ersten Auflage dieses Buches ist darin ein gewisser Aufschwung zu verzeichnen.
Wer aber schon heute nicht fürchtet, den morgen unausweichbaren W e g zu
gehen, schafft für sich die Grundlage einer wirklich schöpferischen Arbeit. Die
klare Erkenntnis der Mittel erlaubt ihm, sowohl bei der Gestaltung der Fotografie
(Film) als auch bei der (auch ungegenständlichen) malerischen Gestaltung den
gegenseitigen Anregungen zu folgen und so die immer reicher und vollkommener
sich entwickelnden Mittel auszunutzen. Ich selbst habe von meinen fotografi
sehen Arbeiten sehr viel für meine Malerei gelernt, und umgekehrt haben zu
meinen fotografischen Versuchen oft genug Problemstellungen meiner Bilder
Anregung gegeben (S. 73). Im allgemeinen gilt, daß durch das Entstehen einer
farbigen (und ertönenden) Filmgestaltung die im Historischen wurzelnde, nach
bildende M a l e r e i sich mit wachsender Sicherheit von der Darstellung gegen«
ständlicher Elemente zugunsten der reinen Farbenbeziehungen befreien wird;
und die Rolle der realen oder überrealen oder utopischen Darstellung und
Objektwiedergabe — bisher von der Malerei getragen — wird von der in
ihren Mitteln exakt organisierten Fotografie (Film) übernommen werden.
Aus dem heutigen Anfangsstadium — sowohl der Fotografie wie des abstrakten
Bildes — schon jetzt eine Totalität zusammenschweißen zu wollen, wäre ver
hängnisvoll; außerdem eine Unterschätzung künftiger Synthesenmöglichkeit, die
gewiß anders ausschauen wird als das heute jemand aussagen könnte. Eine intuitive
und logische Prüfung des Problems ermöglicht auch die Feststellung, daß die
mechanisch optische farbige Darstellungsgestaltung: Farbenfotografie bzw. Film
zu gänzlich anderen Ergebnissen führen wird als die heutigen Lumière usw.
Aufnahmen. Von der kitschhaft farbigen Sentimentalität dieser Naturbändigung
wird dann keine Spur mehr übrig bleiben. Die Farbenfotografie sowie das
tönende Bild und die optofonetische Gestaltung werden sich auf eine voll
kommen neue, gesunde Basis stellen, wenn auch die Versuche dafür 100 Jahre
dauern können.
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Festhalten von Situationen, von Realität;
L. M o h ogung;
l y « N a g y organisierbare
(S. 9 2 - 9 7 )
Utopie
Durchdrin-
und Scherz
Um zur Illustration eine von den Verwendungsarten anzudeuten, zeige ich einige
Fotoplastiken (S. 106—110). Sie sind — aus verschiedenen Fotografien zusammen
gesetzt — eine Versuchs Methode der simultanen Darstellung; komprimierte Durch
dringung von visuellem und Wortwitz; unheimliche, ins Imaginäre wach
sende Verbindung der allerrealsten, imitativen Mittel. Aber sie können gleich»
zeitig erzählend, handfest sein; veristischer als das Leben selbst". Diese heute
noch primitive manuelle Arbeit wird mit Hilfe von Projektionen und neuen
Kopierverfahren bald mechanisch erfolgen können.
Nicht Neugier, nicht wirtschaftliche Rücksichten allein, sondern ein tiefes mensch
liches Interesse an den Vorgängen in der Welt haben die ungeheuere Verbreitung
des Nachrichtendienstes: der Typografie, des Films und des Radio geschaffen.
Die gestaltende Arbeit des Künstlers, die Versuche des Wissenschaftlers, die
Kalkulation des Kaufmanns, des heutigen Politikers, alles was sich bewegt, alles
was formt, ist in der Kollektivität der aufeinanderwirkenden Geschehnisse
gebunden. Das im Augenblick aktuelle Tun des Einzelnen wirkt stets gleich
zeitig auf lange Sicht. Der Techniker hat die Maschine in der Hand: Befrie
digung momentaner Bedürfnisse. Aber im Grunde weit mehr: er ist Initiator
der neuen sozialen Schichtung, Zukunftebnender. Eine solche Wirkung auf
lange Sicht hat z. B. die heute noch immer nicht genügend beachtete Arbeit des
Druckers: internationale Verständigung mit ihren Folgerungen.
Die Arbeit des Druckers ist ein Teil des Fundamentes, auf dem die n e u e W e l t
aufgerichtet wird.
Jede Zeit hat ihre eigene optische Einstellung. Unsere Zeit: die des Films, der
Lichtreklame, der Simultanität sinnlich wahrnehmbarer Ereignisse. Sie hat f ü r
uns eine neue, sich ständig weiter entwickelnde Schaffensbasis auch in der T y p o
grafie hervorgebracht. Die Typografie Gutenbergs, die bis fast in unsere Tage
reicht, bewegt sich in ausschließlich linearer Dimension. Durch die Einschaltung
des fotografischen Verfahrens erweitert sie sich zu einer neuen, heute als total
bekannten Dimensionalität. Die Anfangsarbeiten dazu wurden von den illustrier
ten Zeitungen, Plakaten, Akzidenzdrucken geleistet.
Bis vor kurzem hielt man k r a m p f h a f t fest an einem Satzmaterial und einer Setz
technik, welche zwar die Reinheit des Linearen gewährleistete, die neuen Dimen
sionen des Lebens aber außer acht ließ. Erst in der allerletzten Zeit hat eine
typografische Arbeit eingesetzt, welche durch kontrastreiche Verwendung von
typografischem Material (Buchstaben, Zeichen, positive u n d negative W e r t e der
Fläche) eine Korrespondenz mit dem heutigen Leben zu schaffen versuchte. D i e
bisherige Starre der typografischen Praxis wurde jedoch durch diese Bemühungen
kaum gelockert. Eine wirksame Lockerung kann nur bei weitestgehender, um
fassender Verwendung der fotografisch zinkografisch galvanoplastischen usw.
Techniken erreicht werden. Das Biegsame, Bewegliche dieser Techniken bringt
Ökonomie u n d Schönheit in eine neue Wechselbeziehung. M i t der Entwicklung
der Bildtelegrafie, die die Beschaffung von Reproduktionen und präzisen Illustra
tionen im Augenblick ermöglicht, werden wahrscheinlich sogar filosofische W e r k e
mit den gleichen Mitteln arbeiten - wenn auch auf höherer Ebene — wie die
jetzigen amerikanischen Magazine. Selbstverständlich werden diese neuen typo
grafischen W e r k e in ihrer Gestalt typografisch optisch synoptisch von den heutigen
11near typografischen durchaus verschieden sein.
Das Typofoto regelt das neue Tempo der neuen visuellen Literatur.
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DieseArt d e r zeitgemäßen synoptischen Mitteilung läßt sich mittels des kinetischen
Verfahrens, des Films, auf einer anderen Ebene großzügig weiterführen.
DAS SIMULTANE
ODER POLYKINO
Man müßte ein Kino bauen, das für verschiedene Versuchszwecke hinsichtlich
Apparatur und Projektionsfläche eingerichtet ist. Es ist z. B. vorstellbar, die
übliche Projektionsebene durch einfache Verstellvorrichtung in verschiedene
schräg lagernde Flächen und Wölbungen zu gliedern, wie eine Berg Tal«Landschaft,
der ein möglichst einfaches Teilungsprinzip zugrunde liegt, um die W i r k u n g der
auf ihr erfolgenden Projektionszerrung beherrschen zu können.
Von links nach rechts läuft der Film des Herrn A : Geburt, Lebenslauf. Von unten
nach oben läuft der Film der Dame B: Geburt, Lebenslauf. Die Projektions*
flächen der beiden Filme schneiden sich: Liebe, Ehe usw. Die beiden Filme
können dann entweder sich kreuzend, in durchscheinenden Geschehnisfolgen
oder parallel nebeneinander weiterlaufen; oder es kann ein neuer gemeinsamer
Film der beiden Personen an die Stelle der beiden ersten treten. Als dritter
bzw. vierter Film könnte der Film des Herrn C gleichzeitig mit den Vorgängen
A und Β von oben nach unten oder von rechts nach links oder auch in anderer
Richtung laufen, bis er die anderen Filme sinngemäß schneiden bzw. decken
kann, usw.
Die technische Lösung solcher Projektionen wie die des Autos oder der erwähnten
Skizze ist sehr einfach und gar nicht kostspielig. Es muß nur ein drehbares Prisma
vor die Linse der Filmprojektionsapparate eingeschaltet werden.
Durch die Riesenentwickelung der Technik und der Großstädte haben unsere
Aufnahmeorgane ihre Fähigkeit einer simultanen akustischen und optischen
Funktion erweitert. Schon im alltäglichen Leben gibt es Beispiele dafür: Berliner
queren den Potsdamer Platz. Sie unterhalten sich, sie hören gleichzeitig*
die Hupen der Autos, das Klingeln der Straßenbahn, das Tuten der
Omnibusse, das Hallo des Kutschers, das Sausen der Untergrundbahn,
das Schreien des Zeitungsverkäufers, die Töne eines Lautsprechers usw.
Ebenso analog, daß moderne Optik und Akustik, als Mittel künstlerischer Ge
staltung verwendet, auch nur von einem f ü r die Gegenwart offenen Menschen
aufgenommen werden und ihn bereichern können.
VON T E C H N I S C H E N
M Ö G L I C H K E I T E N UND
FORDERUNGEN
Eine Schwierigkeit für die Verwirklichung bestand bisher vor allem darin, daß
die absoluten Lichtspiele entweder durch mühsame Tricktisch.Zeichnungen oder
mit schwer aufnehmbaren Licht Schattenspielen hergestellt wurden. Notwendig
wäre ein mechanisch kurbelbarer oder anders kontinuierlich arbeitender Apparat.
Die Analogie einer Lichtgestaltung im Stehbilde mit oder ohne Kamera muß
in der Herstellung eines ähnlich organisierten Filmes zu verschiedenen Erfin»
düngen führen. So kann man zwischen die Lichtquelle und den lichtempfind
liehen Streifen kleine bewegliche Schablonen mit Schlitzformen (Mustern usw.)
einschalten und dadurch eine wechselnde Belichtung des Streifens fortlaufend
ermöglichen. Dieses Prinzip ist sehr dehnbar, und sowohl bei darstellerischen
(Objekt )Aufnahmen als auch bei absoluter Lichtgestaltung anzuwenden.
•
Man könnte — auf Grund einer Prüfung des Vorhandenen und durch richtige
Fragestellung — zu zahllosen technischen Neuerungen und Möglichkeiten kommen.
Schon allein die Analyse der opto fonetischen Beziehungen muß zu radikal
veränderten neuen Formen führen. Aber alle Prüfungen, Versuche, Spekulationen
sind nichts, wenn sie nicht aus Neigung und Konzentration, die die Grundlage
einer jeden schöpferischen Arbeit, auch der Fotografie und des Films gewesen
sind, entstehen. Das unvermeidlich gewesene Herumtaumeln in traditionellen
optischen Gestaltungsformen ist nun hinter uns und braucht fortan die neue
Arbeit nicht mehr zu hemmen. Man weiß heute, daß die Arbeit mit gebanntem
Licht etwas anderes ist als die Arbeit mit dem Pigment. Das traditionelle Bild
ist historisch geworden und vorbei. Geöffnete Augen und Ohren werden in
jedem Augenblick mit dem Reichtum optischen und fonetischen W u n d e r s er
füllt. Noch einige lebendig vorwärtsschreitende Jahre, einige begeisterte An
hänger der fotografischen Techniken und es wird zu den allgemeinen Erkennt
nissen gehören, daß zum Anfang neuen Lebens die Fotografie einer der wichtigsten
Faktoren gewesen ist.
M A N C H E N DER N Ä C H S T F O L G E N D E N A B B I L D U N G E N IST
AUSSER DEN SACHLICHEN ANGABEN EINE KURZE ER
KLÄRUNG BEIGEFÜGT.
Ich l a s s e d a s A b b i l d u n g s m a t e r i a l ge-
t r e n n t v o m T e x t f o l g e n , da e s in s e i n e r
Kontinuität die im T e x t e r ö r t e r t e n Pro-
bleme VISUELL deutlich macht.
Z e p p e l i n III f l i e g t ü b e r d e n O z e a n Foto: GROSS
Aus: Zeitbilder
Das ist die romantische' 1 Landschaft. Nach der glänzenden - allerdings nicht
wiederholbaren Periode der Daguerreotypie hat der Fotograf alle Richtungen,
Stile, Erscheinungsformen der Malerei nachzuahmen versucht. Es dauerte ca.
100 Jahre, bis er zur richtigen Verwendung seiner eigenen Mittel kam.
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Die Kontrastbeziehungen zwischen Schwarz-
Weiß mit den feinsten Grauübergängen.
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Kameralose Aufnahme Fotogramm: M A N R A Y / P A R I S
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der R E F L E K T O R I S C H E N F A R B E N S P I E L E " folgendes:
Die reflektorischen Farbenspiele haben sich unmittelbar aus dem Bedürfnis entwickelt, Farbformflächen, die
im gemalten Bilde in ihren Relationen eine Bewegung nur vortäuschten, zu einer tatsächlichen, kontinuier
liehen Bewegung zu steigern.
Betrachten wir Bilder von Kandinsky oder Klee: Hier sind alle Elemente f ü r die tatsächliche B e w e g u n g -
Spannungen von Fläche zu Fläche zu Raum, R h y t h m u s u n d musikalische Beziehungen im unzeitlichen Bilde
vorhanden. Farbformflächen tatsächlich zu bewegen, war Notwendigkeit geworden. Es gelang uns durch eine
neue Technik — direktes farbiges Licht auf transparente Leinwand projiziert —die glühendsten Farbintensitäten
zu erzielen und die Bewegung durch freie Beweglichkeit (nach allen Richtungen seitwärts und räumlich vor
wärts u n d rückwärts) der Lichtquellen ebenso durch Ö f f n e n u n d Verschließen von Schablonenöffnungen zu
erzeugen. Das Farblicht wird durch diese Schablonen, die sich zwischen der Leinwand und den Lichtquellen
befinden, auf die Leinwand projiziert, so daß die Farben bald in eckigen, scharfen, spitzen Formen, in Drei
ecken, Quadraten, Vielecken, bald in R u n d e n , Kreisen, Bogen u n d Wellenformen erscheinen. Durch Über-
Strahlung der Lichtkegel, die entweder die ganze Komposition oder Teile derselben treffen können, entstehen
Überschneidungen der Lichtfelder und die optischen Farbenmischungen. Die Bedienung der Apparate erfolgt
nach genau festgesetzter PARTITUR.
Wir arbeiten seit 3 Jahren an den sogenannten reflektorischen Farbenspielen. Die sich entwickelnde Technik
war begünstigt sowohl durch die vielseitigen Möglichkeiten der Werkstätten im Bauhaus, als auch durch die
Auseinandersetzung mit den darstellenden Mitteln des Films, die uns schon vor der Entstehung der Spiele
beschäftigt haben. Ich entsinne mich des überwältigenden Eindrucks des ersten Films, den ich in München 1912
erlebte, wobei der Inhalt des Films abgeschmackt war und mich völlig gleichgültig ließ - allein die Kraft des
Wechsels des plötzlichen und langsamen Bewegens von Lichtmengen in einem verdunkelten Raum, des Lichts
vom hellsten Weiß bis zum dunkelsten Schwarz — welche Fülle von neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Selbst
verständlich war auf diese primären Mittel der Filmdarstellung — bewegtes Licht gefügt in einem zeitlich
geordneten Rhythmus — in diesem Film wie auch in den modernen Filmwerken, in denen immer wieder der
literarische Inhalt der H a n d l u n g die größte Rolle spielt, keineswegs geachtet. Trotzdem die Musik ganz unab
hängig von der Filmdarstellung irgend etwas anderes spielte, fiel es mir auf, daß der Filmdarstellung
ohne Musik etwas Wesentliches fehlte, das sich auch bei den anderen Anwesenden durch U n r u h e be
merkbar machte. Ich fühlte schließlich eine unerträgliche Bedrückung, die aufgehoben w u r d e , als die
Musik wieder spielte. Diese Beobachtung erkläre ich so: d i e z e i t l i c h e F o l g e e i n e r B e w e g u n g ist
l e i c h t e r u n d e x a k t e r d u r c h e i n e a k u s t i s c h e als d u r c h e i n e o p t i s c h e G l i e d e r u n g ver
ständlich. Ist a b e r e i n e r ä u m l i c h e D a r s t e l l u n g z e i t l i c h in e i n e t a t s ä c h l i c h e B e w e g u n g
g e o r d n e t , so w i r d d a s V e r s t ä n d n i s f ü r d i e z e i t l i c h e F o l g e d u r c h akustische
H i l f s m i t t e l g e f ö r d e r t . Das gleichmäßige Ticken einer U h r erzeugt ein unmittelbares und exakteres
Zeitgefühl als die vom Geräusch isolierte optische Erscheinung eines sich gleichmäßig drehenden kleinen
Uhrzeigers. Auch diese Beobachtung u n d andere, wie die Assimilation bei dem monotonen Glockenläuten
an das zeitliche Element, lassen auf die Richtigkeit des o b e n angeführten Satzes schließen.
Jedenfalls habe ich in der Erkenntnis dieser Notwendigkeit zu einigen der Spiele eine gleichlaufende Musik
geschrieben. Lampen u n d Schablonen u n d die übrigen Hilfsmittel werden entsprechend der musikalischen
Bewegung geführt, so daß die zeitliche Gliederung durch den a k u s t i s c h e n Rhythmus eindeutig geklärt, die
o p t i s c h e n Bewegungen, Entfaltungen, Zusammenziehungen, Überschneidungen, Steigerung, H ö h e p u n k t e
usw. unterstrichen u n d gefördert werden.
Die formalen Gestaltungsmittel sind : der bewegte farbige Punkt, die Linie und die Flächenform. Jedes dieser
Elemente kann in beliebiger Geschwindigkeit und Richtung bewegt, vergrößert oder verkleinert, heller oder
dunkler, mit scharfen u n d unscharfen Begrenzungen projiziert werden, kann die Farbe wechseln, sich mit
anderen Farbformen durchdringen, wobei die optischen Mischungen an den überschnittenen Stellen entstehen
(z B. Rot mit Blau zu einem Violett). Es kann ein Element aus einem anderen entwickelt werden, vom Punkte
zur linearen, zur Flächenbewegung, wobei die Flächenform jede beliebige Form annehmen kann. Durch Ab
blend Vorrichtungen an den Lichtquellen u n d durch Einschaltungen von Widerständen ist es uns möglich,
einzelne und größere Farbformkomplexe langsam aus dem schwarzen G r u n d e bis zur höchsten Helligkeit und
farbiger Leuchtkraft zu steigern, während andere Komplexe gleichzeitig langsam verschwinden und sich im
schwarzen G r u n d e auflösen. Plötzliches Kommen u n d Verschwinden von Teilen der Komposition wird durch
Ein und Ausschalten von Schaltern bewirkt. Durch die exakte Kenntnis dieser elementaren Mittel die eine
unendliche Fülle von Variationen ermöglichen, streben wir e i n f u g e n a r t i g e s s t r e n g g e g l i e d e r t e s
F a r b e n s p i e l an, j e w e i l s a u s g e h e n d v o n einem b e s t i m m t e n F a r b f o r m t h e m a .
In den reflektorischen Farbenspielen sehen wir durch die eindruckvolle physisch psychische W i r k u n g der
direkten farbigen Strahlen in Verbindung mit einer gleichlaufenden rhythmischen Musik die Möglichkeit
zu einer n e u e n K u n s t g a t t u n g sich entwickeln u n d auch das geeignete Mittel, die Brücke des Ver
ständnisses zu schlagen zwischen den Vielen, die ratlos den abstrakten Bildern der Maler und den neuen
Bestrebungen auf allen anderen Gebieten gegenüberstehen u n d der neuen G e s i n n u n g , aus der sie ent
standen sind.
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Foto: R E N G E R - P A T Z S C H
Auriga Verlag
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Aufnahme von oben Foto: MOHOLY-NAGY
Der Reiz der Aufnahme liegt nicht im Objekt, sondern in der Sicht
von oben und in den abgewogenen Verhältnissen.
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Die Umkehrung der Tonwerte kehrt auch die Verhältnisse um. Die
geringe Menge von Weiß tritt überaus aktiv in Erscheinung und be-
stimmt dadurch das ganze Bild.
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Konvexspiegelaufnahme Foto: MUCHE/BAUHAUS
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Ein P f e r d , d a s k e i n E n d e n i m m t Foto: K E Y S T O N E V I E W CO., L O N D O N
Aus Hackebeils Illustrierter
Der Milliardär" Fotomontage: H A N N A H HOCH
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Die Kombinationen des Möglichen ergeben reiche Spannung.
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T i t e l b l a t t e n t w u r f für die Zeitschrift Typofoto MOHOLY-NAGY
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Leda und der S c h w a n Fotoplastik: MOHOLY-NAGY
Der umgekehrte Mythos.
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marun! w*»** ™*-·,
Der Weg dazu: Aufnahme des Kopfes, Erwärmen des Bildstreifens, Abschmelzen der
Gelatineschicht und später in Reihenfolge umgekehrte Vorführung.
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Foto: M A G A Z I N / D R E S D E N
Prof. Α. K o r n : T e l e g r a f i e r t e s Kino
Prof. Α. Korn:
Drahtlos telegrafierter
Fingerabdruck
Foto: W E L T S P I E G E L
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L. MOHOLY-NAGY:
S K I Z Z E ZU EINEM FILM
GLEICHZEITIG TYPOFOTO
Die Manuskriptskizze D y n a m i k der G r o ß Stadt entstand im J a h r e 1921—22. Ich wollte sie zusammen mit
meinem Freunde Carl Koch, der mir zu dieser A r b e i t viele A n r e g u n g e n gegeben hat, d u r c h f ü h r e n . Wir
sind leider bis heute nicht dazu g e k o m m e n ; sein Film Institut hatte kein Geld d a f ü r . Größere Gesell
Schäften wie die U F A wagten damals das Risiko des bizarr Erscheinenden n i c h t ; andere Filmleute haben
,,trotz der guten Idee die Handlung darin n i c h t g e f u n d e n " u n d darum die Verfilmung abgelehnt.
Einige J a h r e sind seitdem vergangen u n d u n t e r der ursprünglich revolutionär wirkenden These von dem
F I L M M Ä S S I G E N , d. h. unter dem aus d e n Möglichkeiten des A u f n a h m e a p p a r a t e s u n d der Bewegungs
dynamik e n t s t e h e n d e n Film kann sich h e u t e ein jeder etwas vorstellen. 1924 w u r d e n solche Filme in
W i e n auf dem Internationalen Theater- und Musikfest v o n Fernand Léger, in Paris — als Zwischenakt im
Schwedischen Ballett — von Francis Picabia a u f g e f ü h r t . Amerikanische Lustspielfilme enthalten zum Teil
ähnliche filmmäßige M o m e n t e u n d m a n k a n n sagen, d a ß jetzt schon alle guten Filmregisseure sich um
die E r g r ü n d u n g der nur dem Film eigenen optischen Wirksamkeit b e m ü h e n u n d d a ß die heutigen Filme
viel mehr auf Bewegungstempo u n d Kontraste des Hell D u n k e l s u n d der verschiedenen optischen Sichten
aufgebaut sind als auf eine theatralische H a n d l u n g . Bei dieser Art Filme k o m m t es nicht auf die schau
spielerische Einzelleistung, nicht einmal auf schauspielerische Leistung ü b e r h a u p t an.
W i r sind aber noch ganz am Anfang. Theoretische Erwägungen, einige in der Intuition wurzelnde
Versuche v o n Malern u n d Schriftstellern, Gutglück des Zufalls w ä h r e n d der Atelierarbeit: das ist alles
Wir brauchen dagegen eine systematisch f u n k t i o n i e r e n d e Filmversuchsstelle mit der weitestgehenden
F ö r d e r u n g öffentlicher Stellen. Gestern machten einige Maler noch allein Versuche. Dieser Arbeit wurde
mit M i ß t r a u e n begegnet, da die Technik der Filmherstellung, die ganze A p p a r a t u r keine Privatarbeit mehr
erlauben. Die ,,besten" Ideen nützen nichts, wenn sie nicht d u r c h ihre U m s e t z u n g in die Praxis die Basis
einer Weiterentwicklung bilden k ö n n e n D a r u m wird das Schaffen einer zentralen Filmversuchsstelle zur
A u s f ü h r u n g v o n M a n u s k r i p t e n , welche neue Ideen e n t h a l t e n , auch unter privatkapitalistischem Aspekt
bald eine selbstverständliche F o r d e r u n g sein, der man stattgeben wird.
Der Film D y n a m i k der G r o ß Stadt" will weder l e h r e n , noch moralisieren, n o c h erzählen; er möchte
visuell, nur visuell wirken. Die Elemente des Visuellen stehen hier nicht u n b e d i n g t in logischer
B i n d u n g miteinander; trotzdem schließen sie sich d u r c h ihre fotografisch visuellen Relationen zu einem
lebendigen Z u s a m m e n h a n g raumzeitlicher Ereignisse zusammen u n d schalten den Zuschauer aktiv in die
Stadtdynamik ein.
Kein (Kunst ) Werk ist durch die N e b e n e i n a n d e r r e i h u n g seiner Elemente erklärbar. Die Totalität der
Nebeneinanderreihung, die sichere Bezogenheit der kleinsten Teile u n t e r e i n a n d e r u n d auf das Ganze sind
die Imponderabilien der W i r k u n g . So kann ich n u r einige Elemente dieses Films erläutern, damit man
wenigstens nicht über filmisch selbstverständliche Begebenheiten stolpert.
Ziel des Filmes: A u s n u t z u n g der A p p a r a t u r , eigene optische Aktion, optische Tempogliederung, - statt
literarischer, theatralischer H a n d l u n g : Dynamik des Optischen. Viel Bewegung, mitunter bis zur Brutalität
gesteigert.
Die Verbindung der einzelnen, logisch" nicht z u s a m m e n g e h ö r e n d e n Teile erfolgt entweder optisch, z. B.
mittels D u r c h d r i n g u n g oder durch horizontale oder vertikale Streifung der Einzelbilder (um sie einander
ähnlich zu machen ), durch Blende (indem man z. B. ein Bild mit einer Irisblende schließt u n d das nächste
aus einer gleichen Irisblende hervortreten läßt) oder durch gemeinsame Bewegung sonst verschiedener
Objekte, oder durch assoziative Bindungen.
B e i m L e s e n d e r K o r r e k t u r f ü r d i e z w e i t e A u f l a g e e r h a l t e ich d i e N a c h -
r i e h t v o n z w e i neu h e r a u s g e b r a c h t e n F i l m e n , d i e ä h n l i c h e B e s t r e b u n g e n ,
w i e in d i e s e m u n d in d e m K a p i t e l ü b e r S i m u l t a n k i n o (S. 39) a n g e r e g t ,
zu v e r w i r k l i c h e n s u c h e n . In d e m F i l m v o n R u t t m a n n Sinfonie der
Großstadt'' wird der Bewegungsrhythmus einer Stadt gezeigt, unter
V e r z i c h t a u f d i e ü b l i c h e H a n d l u n g " . - A b e l G a n c e v e r w e n d e t in s e i n e m
Film ,,Napoleon" drei gleichzeitig nebeneinander laufende Filmstreifen.
16 L. M o h o l y Nagy
121
L. M O H O L Y - N A G Y : Alle Rechte, insbesondere das
D Y N A M I K DER G R O S S - S T A D T Recht der Verfilm ung und Über
Setzung, behalten Autor und
Verlag sich vor.
SKIZZE ZU EINEM
FILMMANUSKRIPT
Geschrieben
im Jahre 1921 22
Ziegelaufzug
Wieder Kran : in Kreisbe-
Diese Stelle als brutale Ein
Großaufnahme. , x x , , ,· ,
fiihrung in das atemlose Rennen,
Die Bewegung setzt sich in einem Auto fort, das nach links
das T o h u w a b o h u der Stadt.
saust Man sieht ein und dasselbe Haus dem Auto gegen-
über in der Bildmitte (das Haus wird immer von rechts in die
Mitte zurückgezogen; dies ergibt eine starre, ruckartige Bewe-
gung). Ein anderes Auto erscheint. Dieses fährt gleichzeitig Der hier harte R h y t h m u s lockert
entgegengesetzt, nach rechts. sich langsam im Laufe des Spiels.
· · · · · · · · · ·
(Großaufnahme.)
FINSTERNIS
Langsam aufhellend
Eisenbahn.
Landstraße (mit Fuhrwerken).
Brücken. Viadukt. Unten Wasser,
Schiffe in Wellen. Darüber eine
Schwebebahn.
Zugaufnahme von einer Brücke
aus: von oben; von unten. ( D e r
B a u c h d e s Z u g e s , wie er da-
hin fährt; aus einem Graben
zwischen den Schienen aufge-
nommen.)
Ein Wächter salutiert. Glasige
Augen. Großaufnahme: Auge.
Die Steigerung der zivi EIN L U C H S
lisatorischen Einrichtungen WÜTEND.
in der Überschneidung
und Durchdringung un
zähliger Niveaus.
Der Zug von u n t e n : sonst
nie Erlebtes.
0
Glasaufzug in 1
einem Warenhaus
mit Negergroom. 0
Schief. 1
Perspektive ver-
zerrt. 0
Hell-dunkel.
Ausblick. Tumult. CL
Die am Eingang an-
gebundenen
1
Hunde.
Neben dem Glas- O
auf ab auf
aufzug eine Glas-
telefonzelle mit Tele-
ι
fonierendem.
DURCHblick.
nähme des Erdge-
schosses durch die
Auf-
α
Ο
t 4t
Glasplatten.
ι ι Das GESICHT des
Telefonierenden
(Großaufnahme)
1
=11
11
11
1 — eingerieben mit
ι-1-1-
fosforeszierendem
Material, damit keine
Siluette entsteht
— dreht sich GANZ
DICHT an dem Auf-
1 ΟΟ nahmeapparat vor-
4 I I
über; rechts über
seinem Kopf (durch-
Assoziation für mühsames
ΟΟ scheinend) zieht ein
Telefonieren. Traumhaft
ú. α. von weitem kommen-
(Glas-Glas-Glas); gleich 1
111
11= SS der Flieger in einer
Spirale.
zeitig wird man durch die
langsame Drehung auf die
ω
Bewegung des erscheinen
den Flugzeugs vorbereitet.
Tiefe Fliegeraufnahme
über einem Platz mit
TEMPO-o-
Die Fahrzeuge: elektrische Straßenbahn, Autos, Last-
wagen, Fahrräder, Droschken, Autobus, Cyklonette. Motor-
räder fahren in raschem Tempo vom Mittelpunkt aus-
wärts, dann plötzlich alle umgekehrt; in der Mitte treffen
sie sich. Die Mitte öffnet sich, ALLES sinkt tief, tief, tief
ein Funkturm.
l(Der Appa
I rat wird
I rasch um I
gekippt;
Idas G e f ü h l
eines Tief ]
I stürzens ï
entsteht.)
Jazzband instrumente
(Großaufnahme).
Metallkegel — innen
leer, glänzend
wird gegen das Ob-
jektiv geschleudert,
(inzwischen)
2 Frauen ziehen ihre
Köpfe blitzschnell
zurück.
(Um dasPublikum zu erschrecken. A u c h Großaufnahme.
ein dynamisches Moment.)
17 L. Moholy-Nagy
J
I
DER TIGER
BOXEN
Großaufnahme.
NUR
die HAEnde mit den
Kugel-
handschuhen.
Zeitlupe. ZEITLUPE.
Schräger Schornstein qualmt;
daraus ein TAUCHER; sinkt köpf-
abwärts ins Wasser.
Rauch qualmt,
DER T A U C H E R wie Blumen-
kohl, über eine
Brücke fotogra-
fiert,
wenn ein Zug
darunter vorbei-
fährt.
1
von
F O R T I S S I M O - O - O
bis Pl An I S S I M O
Glas Wasser.
Leichenschau (Morgue) von oben.
ϋϋϋ^
ci^nZ^ĘĘsarnsi
Militärparade
RECHTS-RECHTS
RECHTS-RECHTS
II
M A R S C H M A R S C H
M A R S C H - M A R S C H - RECHTS
R E I T D A M E N - L I N K S
Die beiden Aufnahmen überein-
ander kopiert, durchscheinend.
LINKS-LINKS-LINKS
ł
Schlachtviehhof. Tiere.
Ochsen tobend.
Die Maschinen des Kälteraums.
Löwe.
Wurstmaschine. Tausende von Würsten.
Fletschender Löwenkopf (Großaufnahme).
Theater. Schnürboden.
Der Löwenkopf. T E M P O - O - O
Polizei mit Gummiknüppel auf dem Potsdamer
Platz.
Der KNÜPPEL (Großaufnahme).
Das Theaterpublikum.
Der Löwenkopf immer größer werdend, bis zu-
letzt der riesige Rachen die Leinwand füllt.
Großer Kreis.
T E M P O - O - O
Zirkus von oben, fast
Grundriß.
Löwen. Skiakrobat.
Clowns.
ZIRKUS
CLOWN
ZIRKUS
Trapez. Mädchen.
Dressur Beine.
Clowns.
LÖWEN.
LÖWEN!
.A's; '·:· Τ r
CLOWNS.
DRESSUR
Dressur.
Wasserfall dröhnt. Der SPRECHENDE FILM.
Eine Leiche schwimmt im Wasser, ganz langsam.
(Λ
ζ
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D
Ω
I
υ
(Λ
< Militär. Marsch-marsch.
α
Glas Wasser.
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< In Bewegung.
</>υ KURZ-RASCH
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o z Spritzt auf — ENDE î
•
ABBILDUNGEN:
M a m
ABB. SEITE
18 L. M o t
oly N a g y 137
ABB. SEITE
ABB. SEITE
78 123 B a h n z e i c h e n (Fotoplastik: M O H O L Y N A G Y )
BAUHAUSBÜCHER
Schriftleitung: G R O P I U S u n d M O H O L Y - N A G Y
IN VORBEREITUNG
11 D I E G E G E N S T A N D S L O S E W E L T v o n K A S I M I R MALEWITSCH
12 B A U H A U S N E U B A U T E N IN D E S S A U v o n W A L T E R GROPIUS
. M.N.A.M.
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