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DAS BEKOMMEN-PASSIV ALS PASSIVPARAPHRASE

WWie hat sich das bekommen-Passiv in den ersten zehn Jahren des 20.
Jahrhunderts (1900-1910) im Vergleich zu den zehn letzten Jahren des 20.
Jahrhunderts (1989-1999) zu einem Akkusativobjekt entwickelt?
ie hat sich das bekommen-Passiv in den ersten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts
(1900-1910) im Vergleich zu den zehn letzten Jahren des 20. Jahrhunderts (1989-
1999) im Sinne von dem Akkusativobjekt entwickelt?

mit Abgabedatum: ______18.09.2018

Université de Neuchâtel
Institut de langue et littérature allemandes
Dozent/Dozentin: Elena Smirnova
Seminar: Passiv und Passivperiphrasen im
Deutschen, HS 2018
Verfasser/Verfasse Valentin Tanner
rin: Orée du Bois 130
vValentin.tanner@unine.ch
Science du langage et de la
communication, orientation
linguistique allemande
Master
Inhalt

1. Einleitung............................................................................................................................ 3

2. Restriktionen des bekommen-Passivs.............................................................................4

3. Grammatikalisierung des bekommen-Passivs.................................................................5

4. Methode............................................................................................................................... 7

5. Analyse................................................................................................................................ 8

5.1 Bekommen als Vollverb................................................................................................8

5.1.1 1900-1910............................................................................................................................... 8

5.1.2 1989-1999............................................................................................................................... 9

4.2 Bekommen als Hilfsverb?...........................................................................................10

4.2.1 1900-1910............................................................................................................................. 11

4.2.2 1989-1999............................................................................................................................. 12

4.2.3 Diskussion............................................................................................................................ 13

6. Schluss.............................................................................................................................. 17

7. Quellen.............................................................................................................................. 18

1. Einleitung.............................................................................................................................. 3

2. Restriktionen des bekommen-Passivs..................................................................................4

3. Grammatikalisierung des bekommen-Passivs......................................................................5

4. Methode............................................................................................................................... 7

5. Analyse................................................................................................................................. 8

5.1 Bekommen als Vollverb................................................................................................8

5.1.1 1900-1910............................................................................................................................... 8

5.1.2 1989-1999............................................................................................................................... 9

4.2 Bekommen als Hilfsverb?...........................................................................................10

4.2.1 1900-1910............................................................................................................................. 11

4.2.2 1989-1999............................................................................................................................. 12

4.2.3 Diskussion............................................................................................................................ 13
6. Schluss............................................................................................................................... 17

7. Quellen............................................................................................................................... 18

1. Einleitung
Im Deutschen gibt es verschiedene Möglichkeiten, um ein Passiv zu bilden. Obwohl die
ursprüngliche Konstruktion aus werden + Partizip II des Vollverbs gilt (Helbig & Kempter 1997: 7),
gibt es heutzutage noch eine andere Weise, eine Passivaussage zu bilden. Tatsächlich, wenn wir
in dern bekannten « Duden Grammatik » (Fabricius-Hansen u.a. 2009: 543) schauen, findet man
einerseits ein Vorgangspassiv (z. B. : Der Apfel wird gegessen) und anderseits ein Zustandspassiv
(z. B. Der Apfel ist gegessen), die die zwei geläufigen Formen des Passivs sind. Dennoch gibt es
auch viele Passiv-Paraphrasen, „d.h. Konstruktionen, die zwar der Form nach aktiv sind, aber eine
passive Bedeutung haben“ (Helbig & Kempter 1997: 7). Genauer gibt es unter anderem
beispielsweise das bleiben-Passiv (z. B. Die Tür bleibt geschlossen), das haben-Passiv (z. B. Er
hat die Wunde verbunden) oder das bekommen-Passiv, das von grosser Bedeutung für diese
Arbeit ist.

Die Konstruktion von bekommen (auch erhalten und kriegen) + Partizip II wird jedoch noch
kontrovers diskutiert, selbst wenn die Verfasser der Grammatik der deutschen Sprache (Zifoun u.a.

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1997: 1824) behaupten, dass es mehr Argumente für das bekommen-Passiv gibt als
dagegen. Helbig und Buscha (1998:183) begründen, dass die Passiv-Paraphrasen eine
Konkurrenzform des Passivs sind. Mit anderen Worten sind sie aktive Formen aber mit passiver
Bedeutung, „denendenen das Subjekt nicht das Agens ausdrückt und denen eine reguläre
Passivform entspricht“ (Helbig & Kempter 1997: 48).
Es gibt viele Synonyme, die dieses Passiv beschreiben: Adressatenpassiv, Rezipientenpassiv,
indirektes Passiv oder Dativpassiv (Helbig & KempterEbd,. 1997: 49). Anders gesagt wird der
Dativ des aktivischen Satzes zum Subjektsnominativ. Hier steht ein Beispiel:

(1a) Thomas schenkt dem Bruder das Buch.


(2b) Das Buch wird dem Bruder von Thomas geschenkt.
(3c) Der Bruder bekommt (oder erhält, kriegt) das Buch von Thomas geschenkt.

Ausserdem heisst es, dass bekommen sich in einem Grammatikalisierungsprozess befindet, weil
es sich nicht nur als Vollverb (VV), sondern auch als Hilfsverb (HV) verhält. Unter dem Begriff
Grammatikalisierung von Antoine Meilleit verstehen wir „ein Übergang von einer autonomeren zu
einer fester ins System integrierten signifikanten sprachlichen Einheit (Lehmann:
http://www.christianlehmann.eu/ling/ling_theo/index.html?
http://www.christianlehmann.eu/ling/ling_theo/grammatikalisierung.php). DasEs heisst, dass es
einen Sprachwandelprozess ist, „in dessen Verlauf eine autonome lexikalische Einheit allmählich
die Funktion einer abgängigen grammatischen Kategorie erwirbt“ (Bussmann 2002: 260).
Tatsächlich ist der Begriff der Grammatikalisierung relevant für das bekommen-Passiv, da es seine
Entwicklung von einer lexikalischen Bezeichnung nach einer grammatikalischen Bezeichnung
beschreibe. Konkret ist es wichtig eine Differenzierung zwischen den eher lexikalischen Einheiten
und den eher grammatikalischen Einheiten festzustellen. Als Beispiel können wir als Mensch
darstellen, was genau das Wort „Blum“ oder „Flasche“ ist, während es uns schwieriger ist
vorzustellen, was das Wort „weil“ ist, da „[diese Subjonktion] kann nur in einem konkreten Satz wie
ich bleibe zu Hause, weil es regnet verstanden werden, indem sie eine abstrakte Relation
zwischen den beiden Teilsätzen einführt“ (Ferraresi 2014: 1). Tatsächlich kommt weil ursprünglich
von dem Substantiv „die Weile“, der eine klare verbindung mit weil hat.
Nach Helbig & Kempter (1997: 49) kann bekommen mit vielen Partizipien verbunden werden und
verliert immer mehr seine lexikalische Bedeutung.

In dieser Arbeit interessiere ich mich genauer für das Akkusativobjekt von dem bekommen-
Passiv, das eine Rolle spielt, um zu wissen, ob bekommen als Vollverb oder als Hilfsverb
betrachtet werden muss. Ich möchte die verschiedenen typischen Eigenschaften von bekommen
als Hauptverb oder Hilfsverb untersuchen. Ich werde überprüfen, ob es eine bestimmte Struktur für
jede Kategorie gibt.

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Am Anfang dieser Arbeit verdeutliche ich die Restriktionen des bekommen-Passivs, die wichtig für
das Verständniss der Arbeit sind. In diesem Kapitel beschreibe ich die Restriktionen für das
bekommen-Passiv präziser. Es handelt sich kurz gesagt um die Grammatikalisierung des
bekommen-Passivs mit den verschiedenen Schritten des Prozesses. Anschliessend geht es um
die zentrale Frage der Arbeit: Wie hat sich das bekommen-Passiv in den ersten zehn Jahren
des 20. Jahrhunderts (1900-1910) im Vergleich mitzu den zehn letzten Jahren des 20.
Jahrhunderts (1989-1999) im Sinne von demzu einem Akkusativobjekt entwickelt? Nach
einer kurzen Einleitung der benutzten Methode interessiere ich mich genauer für die typischen
Merkmale von bekommen als Vollverb. Ich analysiere die Perioden eine nach der anderen. Dann
untersuche ich auch die Fälle, wo es einen Partizip II mit bekommen gibt, die eine Zweideutigkeit
darstellen (Vollverb oder Hilfsverb?). In diesem Kapitel geht es um eine Analyse der
verschiedenen Fälle, in dem ich versuche verschiedene Eigenschaften zu beobachten. Das
Akkusativobjekt ist sehr wichtig für die Untersuchung, deshalb ist es der wichtigste Punkt. Am
Schluss fasse ich meine Arbeit zusammen.

2. Restriktionen des bekommen-Passivs

Das bekommen-Passiv wird „fast ausschliesslich von transitiven Verbkonstruktionen gebildet, die
neben dem Akkusativobjekt einen Aktante im Dativ enthalten, wobei dieser eine für den Dativ
typische semantische Rollen [...] trägt (Fabricius-Hansen u.a. Wermke u.a. 2009: 550). Sie
zeichnen ein Schema, das für das Verständnis des Prozesses sinnvoll ist:

Ich sagte der Besatzung die Wahrheit


Subjekt, Agens Präteritum Aktiv Dat.-Obj., Empfänger Akk.-Obj., Patiens

Die Besatzung bekam (von mir) die Wahrheit gesagt


Subjekt, Empfänger Agensphrase Akk.-Obj., Patiens
Nach Fabricius-
Hansen Wermke u.a. (2009: 550)

Das bekommen-Passiv ist interessant, weil „nicht der Akkusativ, sondern der Dativ des
aktivischen Satzes im Passiv zum Subjektsnominativ konvertiert wird“ (Helbig & Buscha 2001 :
167).

Selbst wenn es keine absolut richtige Regel gibt, hat das Passiv-bekommen einige Restriktionen.
Erstens als erste Restriktion kann man sagen, dass das bekommen-Passiv oft mit ditransitiven
Verben gebildet wird. Das sind Verben des Gebens, des Nehmens, des Mitteilens, usw.

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(4) „Der Minister hatte vom Kanzler einen Spitznamen angehängt bekommen. Dann
bekommen die Eltern das Sorgerecht entzogen. Studenten und Studentinnen
bekamen Tonbänder mit verschiedenen Geschichten vorgespielt. [...] (Fabricius-
Hansen u.a. Wermke u.a. 2009: 550).

Anhängen, entziehen sowie vorspielen sind Verben, der eben erwähnten Kategorie. Zweitens
Endlich gibt es die Möglichkeit ein bekommen-Passiv ohne Akkusativobjekt zu bilden, wenn das
Verb ein Handlungsverb ist, beispielsweise „helfen“ (2) oder „schlagen (3)“:

(5) Dass sie von den Andern doch nicht schneller geholfen bekamen (Zifoun u.a. 1997:
1824f.)
(6) Hans bekam ins Gesicht geschlagen ( ebd.: 1824f.) (Zifoun)

Diese zwei Eigenschaften sind die wichtigsten Restriktionen des bekommen-Passivs.

3. Grammatikalisierung des bekommen-Passivs


Sätze im aktiv haben keine formale Markierung des Verbs, während passivische Sätzen
„eine formal markierte Verbalphrase, nämlich die Verbindung des Auxiliars werden mit dem
Partizip II des Hauptverbs“ (Diewald 1997: 30) haben. Unter anderem erhält das Hauptverb
im Passiv eine Reduktion der Valenz. Diewald (1997) erklärt uns diese Distinktion anhand
zweier Beispiele:

 (7) Claudia besucht Sabine (Aktiv)


 (8) Sabine wird besucht (Passiv)

Die Autorin erklärt (1997: 30): „Während im aktiven Satz [...] das Verb besuchen als
zweiwertiges Verb auftritt, das eine Ergänzung im Nominativ (Claudia) und eine Ergänzung
im Akkusativ (Sabine) erfordert, ist im passivischen Satz nur mehr eine Valenzposition frei“.
Hier steht also eine Ergänzung im Nominativ (Sabine), bzw. Sabine wird von Claudia
besucht. Schauen wir jetzt einen anderen Satz an, von dem eine Dativergänzung nicht mit
Subjekten eines werden-Passivs möglich ist:

 (9) Claudia schenkt ihr das Buch.

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Tatsächlich ist es unmöglich zu sagen: „*Sie wird das Buch von Claudia geschenkt“ aber
„Das Buch wird ihr (von Claudia) geschenkt“ ist korrekt. Der Akkusativ das Buch wird jetzt
eine Nominativergänzung. Eine Dativergänzung (ihr) aber kann keine Nominativergängzung
werden. Das heisst, im Deutschen ist es unmöglich „ein werden-Passiv zu bilden, bei dem
die Dativergänzung die semantische Rolles des Zieles kodiert, so dass sie für die
Passivkonversion geeignet erscheint“ . (Diewald 1997: 31). Ausserdem gibt es zwei Arten
von Zielen: einerseits gibt es das innere Ziel, das heisst das Patiens (das Buch) und
anderseits das äussere Ziel, den Endpunkt der Handlung des Agens am Patient (ihr).
Übrigens ist normalerweise das Patiens unbelebt, während das Ziel belebt wird. Im
Deutschen gibt es dennoch die Möglichkeit das Patiens als Akkusativergänzung zu erhalten
und gleichzeitig kann das Agens durch eine Präpositionalphrase ausgedrückt werden. Das
ist möglich mit dem bekommen-Passiv. Diewald (1997:31) gibt das folgende Beispiel:

 (10) Sie bekommt das Buch (von Claudia) geschenkt.


Nom. Akk. Präp.-Phr.

Wenn wir diesen Satz mit einem werden-Passiv bilden möchten, wäre es möglich zu sagen:
Ihr wird das Buch von Claudia geschenkt. Aber der bedeutungswollewesentliche Unterschied
zwischen beiden ist der, dass bei ersteren das Hauptaugenmerk auf dem Akkusativ (Buch)
liegt, bei zweiterem auf der Personzweiterem das innere Ziel (das Patiens, bzw. die
Akkusativergänzung) das Subjekt des Satzes ist, bei ersterem dagegen das äussere Ziel (Der
Rezipient, bzw. die Dativergänzung). Bei diesem Beispiel können wir sehen, dass bekommen
nicht mehr seine ursprüngliche Bedeutung hat, was die Grammatikalisierung betrifft. Er hat
mehr oder weniger seine lexikalische Bedeutung verloren.

Diewald (1997: 32) erläutert diesen Grammatikalisierungsprozess an sieben Beispielen, die


einen graduellen Übergang zwischen Vollverb und Hilfsverb darstellen. Die wichtigsten
werden hier unten einer nach dem anderen analysiert:
 (11) Sie bekommt ein Fahrrad (1)

Dieser Satz (11) stellt einfach bekommen als Vollverb dar, da das Verb seine ursprüngliche
Bedeutung hat. Ausserdem gibt es kein Partizip II.

 (12) Sie bekommt die Bretter schon passend zugeschnitten (2)


Nom. Akk. Prädikativangabe

Hier (12) ist es schon etwas anders, weil bekommen das Hauptverb ist und zugeschnitten
eine Prädikativangabe, die durch „schon passend“ modifiziert wird. Man kann diese

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Prädikativangabe durch die und zwar Probe testen: Sie bekommt die Bretter, und zwar
schon passend zugeschnitten. Als anderes Beispiel können wir noch aufzählen:

 (13) Sie bekommt [[den Katalog] zugeschickt] (3)

In diesem interessanten Fall (13) kann man bekommen entweder als Vollverb oder als
Hilfsverb betrachten. Als Vollverb erscheint zugeschickt als Prädikativangabe (die wieder
mit dem und zwar Test möglich ist) oder als Hilfsverb haben wir eine Reanalyse: Sie
bekommt zugeschickt den Katalog. Es heisst, der Katalog wird ihr zugeschickt. Dieser Fall
wird oft in den analysierten Daten dieser Arbeit gefunden, bzw. bekommen mit einem
Akkusativobjekt. Seit diesem Punkt ist es ambig zu sagen, ob bekommen als Hilfsverb oder
als Vollverb betrachtet werden soll, weil es tatsächlich zwei mögliche Bedeutungen gibt.

 (14) Sie bekommt geschrieben, dass das Treffen verschoben wird (4)

Auf diesen Punkt (14) gibt es noch ein Akkusativobjekt, der durch einen „Dass-Satz“
ausgedrückt wird. Nach Diewald (1997: 35) spielt die Valenzstruktur des Verbes eine
bedeutende Rolle. Sie sagt: „Als Ausgangspunkt für die Grammatikalisierung kommen nur
solche Sätze in Frage, deren Partizip II von einem Verb gebildet ist, das im Aktivsatz
dreiwertig bzw. ditransitiv ist“ (Diewald 1997: 35). Mit anderen Worten bedeutet es, dass das
Verb eine Nominativergänzung (Agens), eine Akkusativergänzung (Patients) sowie eine
Dativergänzung (Zielrolle) enthält. Wenn wir das Verb „zuschicken“ aus dem Beispiel (3)
präziser schauen, ist es jemand (Agens), der jemandem (Zielrolle) etwas (Patiens)
zuschickt. Oder aus dem Beispiel (4): jemand schreibt jemandem etwas. Dennoch gibt es
einige Fälle, wo es klarer ist, dass bekommen sich als Hilfsverb, wenn – und nur wenn – es
kein Akkusativobjekt (5) mehr gibt. Aus diesem Grund erfüllt es die Bedingung der
Ditransitivität nicht mehr: jemand hilft/schmeichelt jemandem; jemand tritt jemandem auf
die Füsse (5). Dennoch werden solche Fälle noch kontrovers diskutiert und noch nicht für
alle Leute grammatikalisch akzeptiert (Diewald (1997: 36). Aus diesem Grund sind die Fälle
noch selten.

(15) Sie bekommt geschmeichelt/geholfen/auf die Füsse getreten (5)

4. Methode
Für diese Arbeit habe ich zwei verschiedene Perioden gewählt, die sich in dem Korpus „DWDS“
befinden (sichtbar unter: https://www.dwds.de) und 120 Treffer analysiert, bzw. 60 Treffer pro
Periode. Ich habe den DWDS-Kernkorpus (1900-1999) benutzt, weil er das 20. Jahrhundert

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darstellt. Ausserdem wollte ich Perioden, die zeitlich nicht zu weit von uns liegen, da sie etwas
repräsentativer für uns sind. Denn je näher die zeitliche Periode ist, desto verständlicher ist sie.
Ich habe die Treffer zufällig recherchiert, um die Repräsentativität der Daten zu vergrössern.
Ausserdem habe ich mit dem Korpus des 20 Jahrhunderts gearbeitet, da er der neustee
vollständige Korpora ist. Um meine Ergebnisse zu sortieren, habe ich mit der folgenden Methode
gearbeitet: „near(bekommen,$p=VVPP,10)“. Ich habe bekommen mit einem Partizip II in der
textlichen Nähe von 10 Wörtern gewählt, um relevante Ergebnisse zu erhalten. Tatsächlich habe
ich gedacht, dass 10 Wörter für meine Analyse genug sind . Ziel war ein Partizip II in der Nähe
von bekommen zu haben. Von den 120 Treffern war einer der ersten Periode nicht benutzbar. Aus
diesem Grund habe ich auch einen der zweiten Periode zufällig weggelassen, damit ich die gleiche
Zahl von Treffern hatte. Schliesslich habe ich jeden Treffer analysiert, indem ich bekommen als
Vollverb oder Hilfsverb eingeordnet habe. Jedoch ist die zweite Kategorie nicht festgelegt, weil
manche Fälle sowohl als VV, als auch als HV betrachtet werden können.

5. Analyse

5.1 Bekommen als Vollverb


In diesem Kapitel werden einige interessante Treffer der beiden analysiert werden, deren
Bedeutung des Verbs „bekommen“ ganz deutlich lexikalisch ist. Das heisst, dass es als Vollverb
betrachtet werden kann. Zuerst geht es um die erste Periode, und dann um die zweite Periode.

5.1.1 1900-1910
In der ersten Periode finde ich in meinen Daten viele Fälle, bei denen sich bekommen als Vollverb
verhält: 49 Treffer (von 59) können als Vollverb betrachtet werden. Es folgen einige Beispiele:

 (16) „Leute dieser Art zähle ich in großer Menge zu meinen Freunden; denn solche
Arme und gänzlich Verarmte, [die nirgends mehr Hilfe bekamen], habe ich nie
abgewiesen (a)“.

[Relativpronomen] + [Adverb] + [AkkObj] + [bekommen[VV]]

 (17) „Nach dem Tode wanderte sein Geist auf der breiten Straße der Toten zum
Lande der Glückseligen; dabei kam er durch große, üppig grünende Ebenen, sah
schöne Haine und hörte den Gesang unzähliger Vögel, [bis er schließlich von dem
Gipfel eines Hügels die ferne Stadt der Toten zu Gesicht bekam], weit, weit hinten,
zum Teil in Nebel gehüllt und mit glitzernden Seen und Strömen überstreut (b)“.

[Präposition] + [Subjekt] + [Adverb] + [Von phrase] + [AkkObj] + [bekommmen[VV]]

 (18) „Oder haben Sie niemals eine Bonbonniere gekauft, [deren Inhalt Ihnen nicht
bekam] - oder einen Strauß Blumen, der gleich verwelkte, oder sonst irgend etwas,

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dessen Anblick Sie lockte und das Sie nachher absolut nicht verwenden konnten?
(c)“.

[Relativpronomen] + [AkkObj] + [DatObj] + [bekommmen[VV]]

 (19) „[Die Garziner Kirche hat einen neuen Turm bekommen], und die alten Birken
scheinen mir noch gewachsen zu sein; ihre dünnen, fadenartigen Zweige klopfen
ganz leise im Winde gegen die hohen Kirchenfenster, die in der Sonne glänzen (d).“

o [Subjekt] + [Hilfsverb] + [AkkObj] + [bekommmen[VV]]

Diese Beispiele verdeutlichen, dass bekommen seine erste Bedeutung beibehält, im Sinne von
etwas erhalten. Im ersten Beispiel geht es darum Hilfe zu bekommen, während im vierten Beispiel
es sich darum handelt, einen Turm zu bekommen. Ausserdem ist bekommen in diesen Fällen nicht
mit einem Partizip II verbunden. Aus diesem Grund kann man behaupten, dass bekommen als
Vollverb ist.

Dennoch gibt es keine typische Struktur: manchmal gibt es ein Dativobjekt, manchmal keins.
Wichtig ist auch, dass bekommen (wenn er ein VV ist) immer mit einem Akkusativobjekt verbunden
wird, die sehr konkrete tote Sachen (Hilfe, die ferne Stadt, der Inhalt und einen neuen Turm) sind.

5.1.2 1989-1999
In der zweiten Periode enthalten meine Daten
Bekommen
Bekommen
als als...
... 1900-1910
1989-99
auch viele Fälle mit bekommen als Vollverb,
10%
7% aber (deutlich?) weniger: 39 (von 59). Diesen

15% Unterschied stelle ich in den zwei folgenden


28%
Grafiken dar.
75%65%

Vollverb Hilfsverb
Vollverb Hilfsverb Man
Man weiss
weiss nicht
nicht Wir können erkennen, dass bekommen sich in
der ersten Periode zu 75% als Vollverb
verhält, und 15% als Hilfsverb. Eine andere Kategorie, die ich „man weiss nicht“ genannt habe,
weist 10% aus . Das sind die Fälle, die zu schwierig zu analysieren waren. In der zweiten Periode
ist die Kategorie des Vollverbs kleiner, 65%, während die Kategorie des Hilfsverbs grösser wird
(28%). Wieder gibt es ein bisschen weniger als 10%, die schwer zu analysieren sind. Da
„bekommen“ hier häufiger in Strukturen mit Partizipien (HV) vorkommt, könnte man dies als
Zeichen der fortgeschrittenen Grammatikalisierung betrachten. Jedoch erstreckte sich die
Veränderung über einen langen Zeitraum, es dauerte 80 Jahre, bis es zu eine 10% - Wandel kam.

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Angesichts der Struktur gibt es keine Veränderungen in dieser zweiten Periode. Das bedeutet,
dass bekommen immer mit einem Akkusativobjekt verbunden wird. Einige Beispiele:

 (20) „»Weißt du«, beginnt Alice und sieht jetzt sehr ernst aus, ich teile deinen Humor
wirklich nicht so, ich bin in meinem nun 42jährigen Leben sehr vielen Vorurteilen
begegnet und ...«, sie unterbricht sich, »weißt du, ich komme aus einer Kleinstadt,
Lippstadt, sagt dir vielleicht was, und bis heute können die Leute mich und Petra da
nicht ohne blöde Kommentare akzeptieren, mein Vater hat mich enterbt, [meine
jüngeren Brüder bekommen jetzt das Haus und alles andere], nur meine Mutter hat
etwas Verständnis gezeigt“ (e).

[Subjekt] + [bekommmen[VV]] + [Adverb] + [AkkObj]

 (21) "Ach, Ihr neues Buch - leider noch nichtgelesen, meine Sekretärin hat es verlegt,
[man bekommt ja so viele Bücher.] (f)“

[Subjekt] + [bekommen[VV]] + [Adverb] + [AkkObj]

Abschliessend können wir beobachten, dass es tatsächlich eine Veränderung gibt, da mehr
bekommen immer häufiger als ein mögliches Hilfsverb vorkommt, bzw. mit einem Partizip II
verbunden ist. Trotzdem gibt es keinen Unterschied bezüglich des Satzbaus mit bekommen als
Vollverb. Wichtig ist, ist das bekommen sehr oft mit einem Akkusativobjekt für die beiden Perioden
verbunden wird.

4.2 Bekommen als Hilfsverb?

Wie es schon in dem theoretischen Teil angesprochen wird, sind die Strukturen [bekommen +
AkkObj + Part II“ oft ambig. Es heisst, dass bekommen sowohl als VV als auch als HV interpretiert
werden kann. Um dieses Faktum besser zu erklären, gibt es ein Beispiel aus der ersten Periode:
„Ich habe einen Freund, der einen Musikstuhl bekam“. Die erste Interpretation wäre „Er hat einen
Stuhl bekommen, und zwar geschenkt (als geschenkt und nicht geliehen z. B.). Mit dem zwar-Test
können wir behaupten, dass bekommen ein Vollverb ist. Aber bekommen kann auch als Hilfsverb
interpretiert werden: Jemand hat ihm einen Stuhl geschenkt [bekommen = Passiv-Hilfsverb].

Als zweites Beispiel nehmen wir den folgenden Satz, der auch aus der ersten Periode kommt:
„Ellen bekam ein Zimmer als Atelier eingerichtet und warf sich gleich vom ersten Tage an
mit Heißhunger auf die Arbeit, mit ihrer vollen, gesunden Jugendkraft, die sie bisher fast
wie etwas Überflüssiges gedrückt hatte und jetzt mit einem malMal in ihr aufjauchzte, weil

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sie ein Ziel bekam und das Ziel, das ihr glühendster Wunsch war“r (g) ». Diese Zweideutigkeit
kann schematisch dargestellt werden:

 (22) Ellen bekam ein Zimmer als Atelier eingerichtet [...]. (Ellen bekommt ein Zimmer,
und zwar im als Atelier im eingerichteten Zustand).
[Vollverb] + [direktes Objekt – AkkObj] + [prädikatives Attribut zum Objekt]

 (23) Ellen bekam ein Zimmer als Atelier eingerichtet [...]. (Das Zimmer wird für Ellen als
Atelier eingerichtet).
[passivisches Hilfsverb] + [direktes Objekt – AkkObj] + [grammatischer Prädikatsteil /
Vollverb]

Ausserdem wird in der diesbezüglichen Literatur beschrieben, dass einige Fälle nicht mehr
zweideutig sind, sobald kein Akkusativobjekt vorhanden ist. Diewald (1997: 40) sagt dass „die
Frontierung einer Dativ- oder Akkusativergänzung eine markierte Satzstellung darstellt und es
daher nicht immer möglich ist, dass weiterhin die Ergänzung im Nominativ, das Subjekt in vielerlei
Hinsicht der „privilegierte Aktant“ ist. Als Beispiel gibt sie den Satz „Er bekommt geholfen“. In
diesem Fall gibt es kein Akkusativobjekt mehr, also kann bekommen nur als Hilfsverb interpretiert
werden.

Hauptziel dieser Arbeit war zu beobachten, ob die Proportion sich im Laufe der zwei Periode
verändert, damit wir stärker von einem Grammatikalisierungsprozess sprechen können. Aus
diesem Grund habe ich st jeden Treffer pro Periode aufgelistet, bei dem das Akkusativobjekt
(wenn es der Fall ist) Rot dargestellt wird. Diese Fälle sind diejenige, die ambig interpretiert
werden können:

4.2.1 1900-1910

(24)Ich habe einen Freund, der einen Musikstuhl geschenkt bekam.

(25)Wir aber haben die Tollheit erkannt und haben kein Interesse mehr an der
Untersuchung, ob der heilige Abenteurer Lullus seine ars magna wirklich
unmittelbar von Jesus Christus geschenkt bekommen, oder ob er sie von einem
Araber oder einem Kabbalisten abgeschrieben habe; kein Interesse daran, ob seine
Kondemnation oder seine Heiligsprechung (1419) bessere Gründe gehabt habe.

(26)Ellen bekam ein Zimmer als Atelier eingerichtet und warf sich gleich vom ersten
Tage an mit Heißhunger auf die Arbeit, mit ihrer vollen, gesunden Jugendkraft, die
sie bisher fast wie etwas Überflüssiges gedrückt hatte und jetzt mit einemmal in ihr
aufjauchzte, weil sie ein Ziel bekam und das Ziel, das ihr glühendster Wunsch war.

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(27)Für die vergangene Zeit ist alles Schöne und Gute von der Masse und ihrem
Zeitgeist geschaffen worden; in der Gegenwart sorgt Patentschutz und überhaupt
Schutz des geistigen Eigentums dafür, daß das Individuum seinen Anteil am
Fortschritte der Menschheit bar bezahlt bekomme.

(28)Die zwölf schuldigen Damen, die in Wirklichkeit keiner Mücke etwas zuleide zu tun
vermochten (mit Ausnahme der Motten), bekamen von seiner Phantasie ein
Kainszeichen auf die Stirn geprägt, und die gesamte Idealia, weil ja solidarisch für
jedes ihrer Mitglieder haftbar, erschien ihm fortan erinnyenfähig, in düsterer
Atridenbeleuchtung.

(29)Wollen wir sie sehen, Malte «, sagte sie und freute sich, als sollte sie eben alles
geschenkt bekommen, was in der kleinen gelblackierten Lade war.

(30)Zweimal des Tages bekommt er die gemeinsten anonymen Artikel mit der Post
zugeschickt.

(31)Die "Bambusen", wie man in Südwest die Hausjungen nennt, haben hier
Instrumente gebaut bekommen, die sie, musikalisch wie die Afrikaner einmal sind,
recht gut bedienen.

(32)Aber am nächsten Tage wurde ich in die Kirche geführt, an die Orgelgesetzt, bekam
Noten vorgelegt und mußte spielen.

4.2.2 1989-1999

(33)Auch dieser stabil vor sich hin kauende Markt lebt davon, daß die Kaugummi-
Mümmler immer mal wieder etwas Neues zwischen die Beißerchen geschoben
bekommen.

(34)Den ersten Ring hatte sie von ihrem Großvater zur Konfirmation geschenkt
bekommen.

(35)Die UdSSR wolle ihre Energielieferungen nach Osteuropa in harter Währung bezahlt
bekommen, und Phare verschaffe Moskaus Kunden die Möglichkeit dazu (NZZ, SZ).

(36)Der Tyrann von Syracus hatte eine goldene Krone geschenkt bekommen.

(37)Lisas Seminargruppe bekam eine rotwangige junge Frau zugeteilt, der man das gute
Essen auf dem Lande ansah.

(38)Am auffälligsten ist dies, wo transnationale Unternehmen die Chance zugespielt


bekommen, Arbeitsplätze und Steuern auf dem Schachbrett der Weltgesellschaft so
zu verteilen, daß sie (wie gehabt) ihre Gewinne maximieren und dadurch den
entwickelten Sozial- und Wohlfahrtsstaaten die Macht- und Gestaltungschancen
rauben (nicht notwendig absichtlich).

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(39)Josef aß eben, was man geschenkt bekam, gleich auf und hätte, wenn Johann das
Seine nicht versteckt hätte, auch das, was Johann geschenkt bekommen hatte,
immer gleich aufgegessen.

(40)Jeder wußte, daß diese Tasche aus Berlin stammte und daß Hermine sie von der
zweiten Frau Professor Bestenhöfer, deren Haus Hermine sauber hielt, geschenkt
bekommen hatte.

(41)Aber bis der Winker von dem neben ihm stehenden Zeitnehmer das nächste Wort
eingesagt bekam und weiterwinkte, verging wieder eine Sekunde.

(42)Wurde daraufhin eine Benutzungsgenehmigung erteilt, war es dem Forschenden


dennoch nicht möglich, sich der vorhandenen Findmittel selbständig zu bedienen;
vielmehr bekam er selektiertes Quellenmaterial vorgelegt.

(43)Man wundert sich, wie schnell eine Versicherung oder Bank die Aufnahme neuer
Mitglieder geregelt bekommt, und wie langsam man später bei Schadensfällen oder
Finanzierungsprüfungen ist.

(44)Um die Antwort zu finden, bekommt die erste Schicht der Modellneuronen
Informationen zu den verdächtigen Einflüssen gefüttert.

(45)Dann teilen die Nutzer den Diensten ihre Vorlieben mit und bekommen dafür eine
Auswahl von Web-Seiten sowie die neuesten Nachrichten zugespielt, die am besten
zu ihrem Profil passen - und die entsprechende Werbung.

(46)In den USA aber scheint jene gold-blau gemusterte Krawatte, die Clinton von Monica
Lewinsky geschenkt bekommen haben soll, eine wichtige Rolle zu spielen.

(47)Der F.-S. wurde schon seit der Dürer-Zeit von berufsmäßigen Formschneidern (z.B.
H. A. Rösch, J. de Negker, H. Lützelberger, die für Dürer, Burgkmair und Holbein
arbeiteten) ausgeübt, die die fertige Linienzeichnung auf dem Stock geliefert
bekamen.

(48)Der Niederländer gibt an, bei seiner Rückführung auf das Kommissariat eine
vorgetäuschte Injektion in den Arm verabreicht bekommen zu haben, bevor einer
der Ermittlungsbeamten auf ihn uriniert und ihn schließlich mit einem Schlagstock
vergewaltigt habe.

(49)Erst im November bekam ich über die Galerie eine Karte von ihr zugeschickt, es war
ein Schwarzweißfoto von irgendeiner tschechowartigen Gesellschaft, und auf der
Rückseite stand eine Einladung zu einem Fest.

4.2.3 Diskussion

Obwohl die Proportion von ambigen Fällen – mit bekommen als VV sowie als HV - zwischen den
zwei Perioden immer grösser wird, gibt es keinen bedeutenderen Unterschied bezüglich des

Seite 12
Akkusativobjekts. Tatsächlich gibt es keine Treffer, die kein Akkusativobjekt haben, weil es solche
gibt, die dem Leser nicht unbedingt als Akkusativ auffallen:obgleich es einige Fälle, in denen es
nicht den Verstand raubt:

(50)„Wollen wir sie sehen, Malte «, sagte sie und freute sich, als sollte sie eben alles
geschenkt bekommen, was in der kleinen gelblackierten Lade war“ (erste Periode).

(52)„Josef aß eben, was man geschenkt bekam, gleich auf und hätte, wenn Johann das
Seine nicht versteckt hätte, auch das, was Johann geschenkt bekommen hatte,
immer gleich aufgegessen“ (zweite Periode).

Dennoch bleibt die Satzstruktur immer schwierig zu analysieren, wegen der Wörter „alles“
(Indefinitpronomen) und „was“ (Relativpronomen). Sie sind wahrscheinlich mit einem
Akkusativobjekt verbunden, aber das ist schwerer das zu sagen, weil es ein wenig unklarer ist.
Allerdings gibt es sich keine Fälle, bei denen man mit Sicherheit ein Akkusativobjekt
ausschliessenausschliessen kann. Was Diewald (1997) beschreibt, habe ich in keinen meiner
Daten gefunden. Aus diesem Grund kann man behaupten, dass es nur wenige Fälle gibt, wo es
kein Akkusativobjekt gibt. Vielleicht sollten wir zwei weitere Perioden wählen, wenn wir einen
Unterschied in Bezug auf einen Grammatikalisierungsprozess beobachten möchten. Dennoch
scheint das Prozess des Verschwindens des Akkusativobjektes noch langsam. Ausserdem sieht
es so aus, als ob bekommen noch sehr oft mit einem Akkusativobjekt benutzt würde. Wie schon
früher gesagt, ist diese Konstruktion ohne Akkusativobjekt noch nicht für alle grammatikalisch
akzeptiert. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass sie nicht von allen benutzt wird und es könnte
teilweise das Ausbleiben von bekommen ohne Akkusativobjekt erklären. Es bedeutet auch, dass
der Grammatikalisierungsprozess noch sehr langsam ist, da es einerseits keine Veränderung
innerhalb fast eines ganzen Jahrhunderts gibt, anderseits diese Konstruktion seltsam
kKlingt.

Eine zweite Beobachtung ist , dass


Bekommen
Bekommen++Partizip
PartizipIIII(1900-1910)
(1989-1999) bekommen oft mit dem Partizip II
„geschenkt“ verbunden wird. Obwohl
31%
33% „geschenkt“ ein grosses Teil des Partizip II
schildert????, gibt es wieder keine
Unterscheidung der Proportion zwischen
67%
69%
den zwei Perioden, die hier unten mit zwei
Grafiken dargestellt werden (ca. 33% für
geschenkt
geschenkt Andere
Andere die erste Periode und ca. 31% für die
zweite Periode):

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Diese stabile Entwicklung könnte bedeuten, dass wenn bekommen + Partizip II immer mehr nur
mit einem Verb (bzw. schenken) gebaut wird, die anderen Formen immer mehr verschwinden
werden. Zweitens ist es auch wahrscheinlich, dass diese Konstruktion (bekommen + geschenkt)
als in Zukunft als eine Redewendung betrachtet werden wird. Jedoch ist eine andere Erklärung
auch möglich, wenn wir zum Beispiel diesen Treffer analysieren: „Ich habe einen Freund, der
einen Musikstuhl geschenkt bekam“ (1 – erste Periode). In diesem Fall können wir den Satz so
paraphrasieren: „Ich habe einen Freund, der einen Musikstuhl als Geschenk bekam“. Es bedeutet,
dass das Partizip II „geschenkt“ durch ein Nomen ersetzt wird. So vielleicht ist es einfacher, das
bekommen-Passiv mit schenken zu bilden, weil schon ein Nomen existiert. Anders gesagt wird das
Nomen im Laufe der Zeit „passiviert“ werden.

Drittens kann man behaupten, dass alle Verben – bzw. Partizip II – der beiden Periode ditransitiv
sind. Tatsächlich gibt es keine Treffer, die nicht mehr die Bedingung der Ditransitivität ausfüllen.
Zum Beispiel „zuteilen“ (5 – zweite Periode): jemand teilt jemandem etwas zu. Oder „liefern“ (15 –
zweite Periode): jemand liefert jemandem etwas. Anders gesagt sind die Partizip II, die ambig mit
bekommen sind, immer ditransitiv. Diese Eigenschaft scheint charakteristisch für das ambige
bekommen-passiv.

Viertens ist es auch interessant, das Akkusativobjekt für diese ambigen Treffer zu analysieren. In
der Tat sind es oft sachbezogene Wörter (die Chance, der Ring, die Energielieferung, die
Injektion, die Karte, usw.). Es gibt nur einen Treffer, in dem das Akkusativobjekt etwas Lebendiges
darstellt (bzw. eine Rotwangige Frau ; (5) zweite Periode). Aber dieses Ergebnis ist nicht
verwunderlich, da wir wissen, dass bekommen fast immer ein Akkusativobjekt hat (vgl. Fabricius-
Hansen 2009: DUDEN 551). Die Akkusativobjekte sind vor allem Nomen: konkret gibt es nur die
zwei andere Beispiele, die ich schon am Anfang der Diskussion beschrieben habe (alles, was) und
noch einen Treffer in der zweiten Periode (etwas Neues). „Alles“ und „etwas“ sind
Indefinitpronomen. Aus diesem Grund scheint das Akkusativobjekt des bekommen-Passivs selten
etwas anderes als ein Nomen zu sein. Das könnte eine andere Eigenschaft des ambigen
bekommen-Passiv sein.

Dennoch ist eine andere Beobachtung interessant: das Akkusativobjekt kann beispielsweise durch
ein Adjektiv (kleiner Hund) sowie ein nachgestelltes Attribut (der Hund von der Frau) gezeigt
werden. Wahrscheinlich war früher das Partizip II das einzige modifizierende Element, bzw. als
Attribut. Jedoch kann man nach einer tiefer gehenden Analyse beobachten, dass auch das Objekt
verändert werden kann. Aus diesem Grund habe ich genauer das Akkusativobjekt meiner Treffer
durchgesucht und habe sie in drei Kategorien klassifiziert („durch ein Adjektiv modifiziert“, „durch
ein nachgestelltes Attribut modifiziert“ und „nicht modifiziert“), die unten in zwei Grafiken dargestellt
werden:

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Modifizierung
Modifizierungdes
ModifizierungdesAkkObj
AkkObj
des (1900-1910)
(1989-1999)
AkkObj (1900-1910)
11% Die Ergebnisse sind eindeutig, weil
11%
35% eine Veränderung zwischen den zwei

56% 33%53% Perioden sichtbar ist: Tatsächlich


scheint das Akkusativobjekt während
12%
der ersten Periode nicht sehr
modifiziert zu werden. Nur 44.44%
56%ein Adjektiv modifiziert
durch 33%
durch ein nachgestelltes Attribut
durch ein Adjektiv modifiziert modifiziert der Treffer sind entweder durch ein
nicht modifiziert
durch ein nachgestelltes Attribut modifiziert Adjektiv (z. B.: „[...]die gemeinsten
nicht modifiziert
anonymen Artikel [...]“) oder durch ein
Attribut (z. B.:„[...] ein Kainszeichnen
auf die Stirn [...]). Die anderen
durch ein Adjektiv modifiziert
durch ein nachgestelltes Attribut modifiziert Akkusativobjekte bleiben unverändert.
nicht modifiziert

In der zweiten zweite Periode wird das Akkusativobjekt weit mehr verändert: 52.94% sind
modifizierte Adjektive (z. B.: „Den ersten Ring [...] oder „[...] eine rotwangige Frau [...]“)
während 11.76% ein nachgestelltes Attribut sind (z. B.: „[ihre Energielieferungen nach
Osteuropa in harter Währung [...]“). Das heisst also mehr als die Hälfte der Treffer sind
modifiziert (64,7%). Ausserdem gibt es sogar eeben einen Fall, der die zwei Bedingung erfüllt:
„Der F.-S. wurde schon seit der Dürer-Zeit von berufsmäßigen Formschneidern (z.B. H. A.
Rösch, J. de Negker, H. Lützelberger, die für Dürer, Burgkmair und Holbein arbeiteten)
ausgeübt, die die fertige Linienzeichnung auf dem Stock geliefert bekamen“. In diesem Fall
gibt es ein Adjektiv und ein Attribut, die das Akkusativobjekt modifizieren. Schliesslich könnten wir
sagen, dass die Modifizierung des Akkusativobjektes mit dem Grammatikalisierungsprozess von
bekommen einhergeht. Je mehr sich das Akkusativobjekt verändert, desto grösser ist die
Proportion von ambigen Fällen (VV oder HV?). Diese zwei Phänomene scheinen sich zusammen
parallel zu entwickeln.

Seite 15
6. Schluss
In dieser Arbeit habe ich einen Überblick über die Entwicklung des bekommen-Passivs in Richtung
von dem Akkusativobjekt gegeben. Genauer betrachtete ich die ambigen Fälle, die nicht klar sind,
d.h. ob bekommen ein Vollverb oder ein Hilfsverb ist. Ich habe versucht, die folgende Frage zu
beantworten:
Wie hat sich das bekommen-Passiv in den ersten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts (1900-
1910) im Vergleich zu den zehn letzten Jahren des 20. Jahrhunderts (1989-1999) zu einem
dem Akkusativobjekt entwickelt?

Nach einer kurzen Übersicht der Restriktionen des bekommen-Passivs sowie seines
Grammatikalisierungsprozesses, die für die Analyse hilfreich sind, habe ich meine Treffer genauer
untersucht.
Erstens habe ich bekommen als Vollverb für die zwei Perioden analysiert. Ich habe die
verschiedenen Strukturen verglichen, um zu erkennen, ob es grosse Veränderungen zwischen den
Perioden gab. Tatsächlich fand ich einige bedeutsame Ergebnisse: der Anteil von bekommen als
Hilfsverb vergrössert sich, was einen Grammatikalisierungsprozess bestätigt. Allerding ist dies eine
langsame Entwicklung und der Unterschied ist noch nicht erheblich.

Zweitens habe ich die ambigen Fälle pro Periode untersucht. Das heisst, dass es einige Fälle gibt,
bei
Modifizierung des AkkObj (1989-1999)

35%

53%

12%

durch ein Adjektiv modifiziert durch ein nachgestelltes Attribut modifiziert


nicht modifiziert

Seite 16
denen man nicht wissen kann, ob bekommen als Hilfsverb oder als Vollverb betrachten werden
muss. Die zweideutigen Fällense sind immer mit einem Akkusativobjekt verbunden. Für diese
Form habe ich aber leider keine Treffer gefunden, das heisst, bei denen es sich zweifelsfrei, um
ein Hilfsverb handelt.
(Je n’ai pas trouvé de Treffer dont on pourrait prétendre qu’ils n’ont pas d’akkusativobjekt, et en ce
sens prétendre qu’il s’agit d’un Hilfsverb puisqu’on sait ques ans AkkObj il ne fait plus l’ombre d’un
doute que bekommen se comporte comme un hilfsverb).

Drittens ist bekommen immer öfter mit einem spezifischen Partizip II, bzw. geschenkt, verbunden.
Als Hypothese können wir sagen, dass die Konstruktion [bekommen] + [Partizip II [geschenkt]]
eine Redewendung wird, da die andere zu verschwinden scheint.

Bezüglich des Akkusativobjektes sind einige andere Beobachtungen auch interessant. Manche
von ihnen sind sachbezogen, andere beziehen sich auf Personen. Vor allem sind sie Nomen und
könnten eine Eigenschaft des ambigen bekommen-Passiv sein. Abschliessend kann man
behaupten, dass das Akkusativobjekt immer häufiger durch ein Adjektiv sowie ein Attribut
verändert wird.

Endlich – aAls Weiterführung dieser Arbeit – wäre es interessant in hundert Jahre die gleichen
Parameter zu überprüfen, um zu sehen, ob der Unterschied zu heute zugenommen hat. Es wäre
auch lohnend, die Beispiele gründlicher zu analysieren, sowie weitere Belege pro Periode zu
untersuchen, um noch genauere Antworten zu erhalten, weil 60 Treffer pro Periode nicht viel
darstellen.

7. Quellen
Bussmann, Hadumod (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. -3., aktualisierte. undUnd
überarbeiteteerw. Auflage.. Stuttgart: Kröner.

Duden

Diewald, Gabriele (1997): Grammatikalisierung. Tübingen: Max Niemeyer Verlag.

Eisenberg, Peter/Peters, Jörg/Gallmann, Peter/Fabricius-Hanser, Cathrine/Nübling, Damaris/Barz,


Irmhild/A.Fritz, Thomas/Fiehler, Reinhard (2009): Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für
richtiges Deutsch. 8., überarbeitete Auflage. Mannheim: Duden Verlag.

Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim (2001): Deutsche Grammatik: Ein Handbuch für den
Ausländerunterricht. 19. Auflage. Leipzig: Langescheidt Enzyklopädie.

Helbig, Gerhard/Kempter, Fritz (1997): Das Passiv. Berlin-Schöneberg: Enzyklopädie Leipzig,


Berlin, München Verlag.

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Lehmann:http://www.christianlehmann.eu/ling/ling_theo/index.html?
http://www.christianlehmann.eu/ling/ling_theo/grammatikalisierung.php (am 13.08.2018
konsultiert).

Daten:

Korpus, aus https://www.dwds.de (am 02.08.2018 konsultiert).

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