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Trigonale 2009

trigonale
2009 festival der alten musik
Das Programm

Gewidmet Frau Agnes Huditz


(28. Jänner 1934 – 10. März 2009)

DAS PROGR AMM


Vorworte Artistic Advisors Vorworte Artistic Advisors
Robert Hollingworth David Skinner

Fast ist es, als würde die Trigonale in diesem Jahr neu beginnen: Als ich im Frühling die Veranstaltungsorte besuchte, berührte mich
andere Ideen, andere Menschen im Team, andere Künstler ... die Schönheit der öster­reichischen Landschaft. Die Orte folgten in
meinen Gedanken der verblüffenden Vielzahl der Konzerte, ange-
Finanziell betrachtet mag der Zeitpunkt für einen Neustart un- fangen vom beeindruckenden Rathaus St. Veit bis zu der weitläufi­
günstig sein, aber gerade in diesen Zeiten ist Kreativität wichtiger gen neugotischen Kirche von Tanzenberg. Es sind denkbar geeig-
denn je! Die neue Trigonale verwöhnt Ihren musikalischen Gau- nete Orte, will man außergewöhnliche Musik mit zeitgenössischen
men daher effektvoll mit einer ganzen Palette unterschiedlicher Räumen verbinden.
Geschmacksnuancen und Aromen. Ungeachtet der bisweilen fremd
anmutenden Instrumente und Klänge sollte eine Darbietung Alter Als Festival der alten Musik erlebt die Trigonale derzeit ihre eige-
Musik – ebenso wie jede abendliche Unternehmung – vor allem ne Renaissance und wird sich zweifellos bald zu einem begehrten
eines sein: gute Unterhaltung. Um Ihnen Erlebnisse bieten zu Magnet innerhalb der europäischen Festival-Landschaft entwi-
können, die sich vom Einlegen einer CD zu Hause unterscheiden, ckeln. Es locken viele lohnende Erfahrungen – versuchen Sie des-
haben wir für ein paar Überraschungen gesorgt. Alle drei halb, so viel zu sehen und zu hören, wie Sie können. Und machen
„Opern-Kostproben“ von I Fagiolini werden von Gerd Wameling Sie sich auf den abschließenden Knalleffekt im Schluss­konzert von
mit speziell für diese Gelegenheit verfassten Texten vorgestellt. Alamire sowie auf einen ganz besonderen Gast gefasst... !
Zu unseren Gästen zählen einige der renommiertesten Künstler Eu-
ropas – neben Musikern, von denen Sie vielleicht noch nicht ge- David Skinner
hört haben und die einzuladen unser eigener Erfahrungsschatz
gebot. Seien Sie also mutig! Trauen Sie sich, die ‘Monkey gland
surprise’ ebenso zu kosten wie die allseits bekannten und beliebten
‘Kärntner Käsnudeln’.

Robert Hollingworth

- 2 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 3 -


Vorworte Artistic Advisors Vorworte Artistic Advisors
Veronika Skuplik Guido Morini

Wir brauchen Geschichten, die erzählt werden, um Geschichte zu Wenn Sie ein Plakat mit dem Konzertprogramm sehen oder eine
begreifen, Unterhaltung, Musik wie die Luft zum Atmen, weil sie Auf­f ührung im Radio hören, haben Sie wohl kaum eine Vorstel-
eine andere Sprache spricht als nur Worte, weil sie Völker verbin- lung davon, wie viel Arbeit erforderlich ist, um ein Festival von
det, weil sie uns öffnet und berührt. internationalem Ruf wie die Trigonale zu veranstalten.

»Con l‘Oro si fà tutto« (Geld regiert die Welt) stellt der Hofnarr Ein Festival ist ein komplexes Getriebe, in dem alle Einzelteile, die
Momo in »Il pomo d‘oro« fest. Nun, zugegeben, auf einer Ebene im Hinblick auf das Endprodukt zusammenwirken, gut zusammen-
stimmt es. Aber was gehört an den Anfang? passen, richtig aufeinander abgestimmt und mit viel Wissen koor-
diniert werden müssen. Die neue Trigonale entsteht unter einem
Ideen, Kritik an bestehenden Mustern, Mut und Fantasie sind die guten Stern, sie wurde mit großer Phantasie und großer organisato­
großen Motoren, mit denen wir alle, Initatoren, Veranstalter wie rischer Effizienz von Stefan Schweiger konzipiert, der mit Engage-
Publikum und Künstler  gleichermaßen die Welt bewegen können. ment und Hingabe an der Verwirklichung eines Traumes arbeitet.
Ich, als Radfahrerin aus Oldenburg durchaus Gegenwind-erprobt,
wünsche für das Gelingen eine kräftige Brise Rückenwind! Denn jedes Festival, das auf seinen Ruf bedacht ist, geht aus dem
Traum seines Leiters hervor, der vom Realitätssinn seiner Mitar-
Ich freue mich auf gemeinsame Erlebnisse. beiter unterstützt und in Zaum gehalten wird. Die Trigonale 2009
ist ein neues, anderes Festival, das Sie, und da bin ich mir sicher, zu
Veronika Skuplik über­raschen und zu berühren vermögen wird, indem es die Musik
und das Können der Musiker, die berufen sind, sie zu interpretieren,
in den Mittelpunkt stellt.

Ein Experiment, das man sich nicht entgehen lassen sollte!

Guido Morini

- 4 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 5 -


Vorwort
Univ. Prof. Dr. Peter Kampits

Innerhalb der nicht unbedeutenden Festivalszene, die Österreich Ihr Zielpublikum ist keine Seitenblicke-Gesellschaft, sondern sind
in jedem Sommer und Herbst zu befallen pflegt und auch vor Kärn­ jene Menschen, für die Musik mindestens ebenso wichtig ist wie
ten nicht haltmacht, nimmt die Trigonale »Festival der alten Musik« sportliche Betätigung oder andere Freizeitaktivitäten.
eine besondere Stellung ein. Nicht allein, weil sie ein musikali­sches Ich wünsche der Trigonale, nein, nicht viel Erfolg, sondern eine
Programm besonderer Art zu bieten hat, das von Chorälen, Akkor­ Vertiefung der Beziehung zwischen Kunst, Künstlern und Publikum.
deons und Gesang bis zu Werken von Henry Purcell, Georg Fried­rich
Händel und Wolfgang Amadeus Mozart reicht, sondern vor allem, Univ. Prof. Dr. Peter Kampits
weil sie möglichst vielen Menschen den Weg zur Musik bereiten
will. Darüber hinaus ist es mutig, nicht allein einen durchaus erträg­
lichen Kartenpreis anzubieten, sondern auch Jugendlichen bis 16
freien Eintritt zu gewähren.

Damit wird einerseits nicht allein die Kluft zwischen Hoch- und
Volkskultur überwunden, andererseits auch Kunst aus dem Ghetto
für höhere Gesellschaftsschichten herausgeholt. Nicht zufällig sollte
der Satz von Nikolaus Harnoncourt, dass Kunst die Nabelschnur
sei, die uns mit dem Göttlichen verbindet, für alle Menschen gelten.
Das fein ausgewählte und zugleich auch differenzierte Programm
enthält alle Möglichkeiten einer Hinführung zu Musik, die jenseits
der Unterscheidung von Unterhaltungsmusik und ernster Musik
angesiedelt ist. Die Trigonale wird jene Festivalriten durchbrechen,
wie wir sie von den Großveranstaltungen in Salzburg oder der
Styriarte kennen.

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Trigonale Festival der Alten Musik
Dank! Seite Konzerte

10 Les Cornets Noirs & Nuria Rial 1


Tilo Berlin. Horst Danner. Kristin Deeken.
Harald Dobernig. Jutta Frank. Albrecht 28 Accordone 2

Haller. Gerda Heger. Robert Hollingworth. 36 Ensemble Séverin 3


Anne Hooss. Konrad Junghänel. Anita
und Stephan Koranyi. Bernhard Kreuter. 42 l aReverdie 4
Joachim Kronawetter. Felix Kucher.
64 Fr anco Pavan 5
Almut Lenz-Konrad. Gerhard Mock.
Ernst Nickles. Guido Morini. Franco Pavan. 74 Renner Ensemble Regensburg 6
Werner Pietsch. Reinhart Rohr.
Rudi Rattenberger. Edgar Sallager. 96 Melopoetic a & Cl are Wilkinson 7
Konrad Seunig. Elisabeth Schleicher.
124 Die Venezianische Kommödie 8
Stefan Schmid. Claudia Schmied.
Dietmar Schüle. Ursula Simek. 208 The Fairy Queen 9
David Skinner. Veronika Skuplik.
Hans Slamanig. Marcus Stäbler. 236 Acis and Gal atea 10

Gotho Stromberger. Martina Uster. 276 Chelycus 11


Armin Wagner. Martin Wiedenbauer.
Hildegard Wiener. Clare Wilkinson. 310 Savadi 12

Alles andere ist schon gesagt! 338 Puppet Pl ayers & Heinrich Klug 13

Stefan Schweiger, Leiter der Trigonale 356 Al amire 14

- 8 - Trigonale 2009 – Herzlich Willkommen Trigonale 2009 – Das Programm - 9 -


Freitag, 11.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit

1 1
Eröffnungskonzert Einleitung

Das Eröffnungskonzert der Trigonale entführt seine Hörer auf eine


spannende musikalische Reise nach Venedig. Die sagenumwobene
Lagunenstadt mit ihrer einzigartigen Architektur und den unzäh-
ligen Kanälen fasziniert noch heute zahllose Besucher – doch in frü­
heren Zeiten galt sie als wahres Wunder, oder gar als „andere Welt“
L e s Co r n e t s N o i r s & N u r i a R i a l („alter mundus“), wie der große Dichter Petrarca sie nannte. Das
lag an ihrer prunkvollen baulichen Pracht und ihrem unvorstell­
ba­ren Reichtum, aber auch an der kulturellen Blüte: Im 17. Jahr-
hundert wurden hier mehr Bücher gedruckt als in allen anderen
Nuria Rial: Sopran euro­pä­is­ chen Städten zusammen, und auch die Musik erlebte ein
Gebhard David, Frithjof Smith: Zink goldenes Zeitalter.
Cosimo Stawiarski, Katharina Heutjer: Violine Wichtige Inspirationsquelle für viele Komponisten war dabei der
Henning Wiegräbe, Eckart Wiegräbe, berühmte Markusdom mit seiner legendären Akustik: Durch die
Detlef Reimers, Joseph Bastian: Posaune verschiedenen Balkone und gegenüberliegenden Emporen eröff-
Matthias Spaeter: Theorbe net der Raum vielfältige Möglichkeiten für klangliche Effekte,
Patrick Sepec: Violoncello wie etwa den Wechselgesang verschiedener Gruppen oder unter-
Johannes Strobl: Orgel, Cembalo schiedliche Echowirkungen.
Von diesen Voraussetzungen ließen sich einige namhafte Kompo-
nisten wie der große Adrian Willaert anregen – und sorgten so ab
etwa 1550 für einen grundlegenden Wandel: Galt in den Jahrhun-
derten zuvor noch vor allem die kunstvoll verwobene und nur vom
Kenner zu verstehende Polyphonie als Nonplusultra, trat nun die
sinnliche, körperlich spürbare Seite der Musik viel stärker in den
Vordergrund: Das direkte Klangerlebnis bekam jetzt einen Eigen­

- 10 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 11 -


wert und wurde genüsslich ausgereizt, indem man Sänger und satte Pro g r a mm
Bläserbesetzungen auf den verschiedenen Emporen postierte und
aus den einzelnen Ebenen ein opulentes Gesamtwerk schichtete. Giovanni Gabrieli
1 Diese neue Art der Musik, die den Hörer mitunter förmlich über- (ca. 1557 – 1612) 1
wältigt, ging als „Venezianische Mehrchörigkeit“ in die Musikge- 1. Canzon septimi toni a 8
schichte ein und kann durchaus als Vorläufer von heutigen HiFi- Sacrae Symphoniae, Venedig 1597
Systemen betrachtet werden: Plötzlich war nicht mehr die ver­-
rätselte Struktur, sondern der Rundum-Sound das Wichtigste. Maurizio Cazzati
Kein Wunder, dass die Kulturmetropole Venedig mit ihrem berühm­ (1616 – 1678)
ten Markusdom viele bedeutende Komponisten dieser Zeit von 2. Alma Redemptoris mater
Gabrieli über Merulo bis Monteverdi anlockte – und in ihrer Wir- Le quattro antifone annuali, Bologna 1667
kung auf ganz Europa ausstrahlte: Ein Fürst, der auf sich hielt,
schickte seinen Hofkapellmeister selbstverständlich auch auf hohe Ludovico Grossi da Viadana
Kosten dorthin, um ihn im musikalischen Zentrum des Abend- (ca. 1560 – 1627)
landes exquisit ausbilden zu lassen. 3. Canzon francese in risposta
Das heutige Programm gibt einen Einblick in die venezianische Tra­ Cento concerti ecclesiastici, Venedig 1602
dition und ihre besondere Klangwelt, indem es instrumentale und
vokale Werke von verschiedenen Komponisten zu einem ebenso Francesco Rognoni
dichten wie farbenreichen Spannungsbogen zusammenfügt: Es kom­ (nach 1570 – nach 1626)
biniert etwa brillante vielstimmige Stücke von Gabrieli mit voll- 4. Pulchra es
kommen unbekannten und kammermusikalisch besetzten Canzo- Selva dei vari passaggi, Mailand 1620
nen von Viadana und Picchi – in denen sich die mehrchörige An­lage Diminution einer Motette von Giovanni Pierluigi da Palestrina
auch auf engem Raum zeigt – und kommt in der zweiten Hälfte unter
anderem zu den deutschen Meistern Rosenmüller und Schütz, die Giovanni Picchi
von ihren Venedig-Aufenthalten stark beeinflusst wurden. Welche (ca. 1571 – 1643)
musikalischen Eindrücke sie aus der wunderbaren Stadt mitge- 5. Canzon decima quarta a 6
nommen haben, können die Besucher des Rathauses St. Veit heute Canzoni da sonar con ogni sorte d‘instrumenti, Venedig 1625
Abend nach dem Konzert der Trigonale und ihrer eigenen Klang­
reise vielleicht ein kleines bisschen nachvollziehen.
Marcus Stäbler

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Dario Castello Johann Rosenmüller
(ca. 1590 – ca. 1630) (ca. 1619 – 1684)
6. Sonata duodecima a 3 11. Sonata quarta a 3
1 Sonate concertate in stil moderno, book 2, Venedig 1629 Sonate a 2. 3. 4. e 5. stromenti, Nürnberg 1682 1

Alessandro Grandi Maurizio Cazzati


(ca. 1577 – 1630) (1616 – 1678)
7. Bone Jesu verbum Patris 12. Regina coeli
Motetti a cinque voci, Ferrara 1614 Le quattro antifone annuali, Bologna 1667

Francesco Usper
PAUSE (1561 – 1641)
13. Sonata a 8
Compositioni Armoniche, Venedig 1619
Giovanni Legrenzi
(1626 – 1690) Heinrich Schütz
8. Sonata prima a 4 (1585 – 1672)
La Cetra. Libro Quarto di Sonate, Venedig 1673 14. Meine Seele erhebt den Herren
Symphoniae Sacrae, secunda pars, Opus decimum, Dresden 1647
Tarquinio Merula
(1595 – 1665)
9. Ninna nanna
Curtio precipitato ed altri Capricij, Venedig 1638

Giovanni Gabrieli
(ca. 1557 – 1612)
10. Canzon primi toni a 8
Sacrae Symphoniae, Venedig 1597

- 14 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 15 -


texte 4. Pulchra es

2. Alma Redemptoris mater Pulchra es amica mea


1 Suavis et decora sicut Hierusalem 1
Alma mater Redemptoris Hierusalem terribilis
quae pervia coeli porta manes, Ut castrorum terribilis
et stella maris succure cadenti, Ut castrorum acies ordinata
surgere qui currat populo. Averte oculos tuos a me
Tu quae genuisti tuum sanctum genitorem, Quia ipsi me avolare fecerunt.
natura mirante.
Virgo prius, ac posterius Gabrielis abore, Du bist schön, meine Freundin,
sumens illud ave peccatorum miserere. süss und lieblich wie Jerusalem,
das schreckliche Jerusalem.’
Milde Mutter des Erlösers, Zugleich schrecklich wie eine Heerschar,
du allzeit offene Pforte des Himmels eine Heerschar aufgestellt zur Schlacht.
und Stern des Meeres, Wende deine Augen von mir,
komm, hilf deinem gefallenen Volke, denn sie machen mich fliehen.
das sich bemüht, aufzustehn. (Hoheslied 6, 4-5)
Du hast geboren, der Natur zum Staunen,
deinen heiligen Schöpfer.
Jungfrau, davor und danach,
aus Gabriels Mund vernahmst du jenes Ave,
o erbarme dich der Sünder.

Übersetzung: Felix Kucher

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7. Bone Jesu verbum Patris 9. Ninna nanna

Bone Jesu verbum Patris Hor ch’è tempo di dormire


1 Splendor aeternae gloriae dormi figlio e non vagire 1
In quem desiderant perchè tempo ancor verrà
Angeli prospicere che vagir bisognerà.
Doce me facere voluntatem tuam Deh ben mio deh cor mio
Ut a spiritu tuo bono deductus fa la ninna ninna na.
Ad beatum illam perveniam civitatem
Ubi est dies aeternus et unus omnium spiritus Chiudi quei lumi divini
Ubi est certas securitas et secura aeternitas come fan gl`altri bambini
Et aeterna tranquillitas perché tosto oscuro velo
Et tranquilla felicitas priverà di lume il cielo.
Et secura aeternitas Deh ben mio...
Et felix suavitas et suavis jucunditas
Over prendi questo latte
Guter Jesus, Wort des Vaters, dalle mie mammelle intatte
Glanz der ewigen Herrlichkeit, perché ministro crudele
den die Engel ti prepara aceto e fiele.
zu schauen wünschen. Deh ben mio...
Lehre mich, deinen Willen zu tun,
damit ich, von deinem guten Geist geleitet, Amor mio sia questo petto
zu jenem seligen Gottesreich gelange, hor per te morbido letto
wo der Tag ewig dauert und ein Geist über allen Dingen herrscht, pria che rendi ad alta voce
wo sorglose Sicherheit herrscht und sorglose Ewigkeit, l`alma al Padre su la croce.
und ewiger Friede, Deh ben mio...
und ewiges Glück,
und sorglose Ewigkeit,
und selige Süße und süße Freude.
Übersetzung: Felix Kucher

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Posa hor queste membra belle Hor che dorme la mia vita
vezzosette e tenerelle del mio cor gioia compita
perché puoi ferri e catene taccia ognun con puro zelo
1 gli daran acerbe pene. taccian sin la terra e`l cielo. 1
Deh ben mio...
E fra tanto io che farò
Queste mani e questi piedi il mio ben contemplerò
ch`or con gusto e gaudio vedi ne starò col capo chino
ahimè com`in vari modi sin che dorme il mio bambino.
passeran acuti chiodi.
Nun, da Zeit zum Schlafen ist,
Questa faccia gratiosa schlaf, mein Sohn, und weine nicht,
rubiconda hor più di rosa denn es kommt noch die Zeit,
sputi e schiaffi sporcheranno da man wird weinen müssen.
con tormento e grand`affanno. Ach, mein Liebes, ach, mein Herz
singe ninna, ninna na.
Ah con quantotuo dolore
sola speme del mio core Schliess die göttlich schönen Augen,
questo capo e questi crini wie`s auch tun die andern Kinder,
passeran acuti spini. denn bald wird ein dunkler Schleier
schon das Licht dem Himmel rauben.
Ah ch`inquesto divin petto Ach...
amor mio dolce diletto
vi farà piaga mortale Nimm dennoch die Milch entgegen
empia lancia e disleale. hier aus meinen reinen Brüsten,
auch wenn ein grauser Diener schon
Dormi dunque figliol mio Essig und Galle dir bereitet.
dormi pur redentor mio Ach...
perché poi con lieto viso
ci vedrem in Paradiso.

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Diese Brust sei dir, mein Lieb, Ach, in diese Gottesbrust
nun ein sanftes, weiches Bett stösst, mein süsses, teures Lieb,
eh mit lauter Stimm am Kreuze gibst eine todbringende Wunde
1 dem Vater die Seele zurück. treulos die verruchte Lanze. 1
Ach...
So schlaf denn, mein Sohn,
Ruhe nun aus die schönen Glieder, schlafe doch, du mein Erlöser,
die anmutigen und zarten, denn mit frohem Antlitz sehen
denn Eisen und Ketten werden wir uns wieder im Paradies.
ihnen herbe Pein zufügen.
Ach... Nunmehr, da mein Leben schläft,
meines Herzens ganze Freude,
Diese Hände, diese Füsse, schwieg mit reinem Eifer jeder,
die man mit Wohlgefallen sieht, solln auch Erd und Himmel schweigen.
ach, wie sie in ganz andrer Weise
durchbohren spitze Nägel. Was werd ich indessen tun?
Ich werd mein Lieb betrachten,
Dieses holde Angesicht, mit gesenktem Haupt verharren,
mehr gerötet nur als rosa, solange schläft mein liebes Kind.
wird beschmutzt durch Schlag und Spucken
ganz mit Qual und grossem Leid.

Ach, mit wie viel Schmerzen werden,


einzig Hoffnung meines Herzens,
dieses Haupt und dieses Haar
bald durchbohren spitze Dornen.

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12. Regina coeli L e s Co r n e t s N o i r s & N u r i a R i a l

Regina coeli laetare, alleluia: Das Ensemble Les Cornets Noirs wurde 1997 von Gebhard Da-
1 Quia quem meruisti portare, alleluia, vid und Bork-Frithjof Smith gegründet. Das Hauptinteresse der 1
Resurrexit sicut dixit, alleluia, Gruppe gilt der Solo- und Ensembleliteratur des namengebenden
Ora pro nobis deum. Alleluia. Instrumentes: Der Zink (ital. cornetto, frz. cornet), wegen seiner
Lederumwicklung auch „schwarzer Zink“ genannt, erlebte seine
Freu dich, du Himmelskönigin, alleluja: Blütezeit von der Mitte des 16. bis zum späten 17. Jahrhundert,
Den du zu tragen würdig warst, alleluja, besonders in Italien und Deutschland. In diesem zeitlichen und
Er ist auferstanden, wie er es gesagt hat, alleluja, geographischen Rahmen findet das Ensemble ein spannendes,
Bitte Gott für uns. Alleluja. vielfach unbekanntes Repertoire vor.
Les Cornets Noirs sind Preisträger des concours musica antiqua
Übersetzung: Felix Kucher beim Festival van Vlaanderen Brugge 2000. Das Ensemble konzer­
tierte seither in der Schweiz, in Österreich, Tschechien, Polen,
Deutsch­land, Luxemburg, Frankreich, Italien und Portugal sowohl
14. Meine Seele erhebt den Herren mit eigenen Programmen als auch in Zusammenarbeit mit Vokal­
ensembles in Aufführungen groß besetzter Musik des Frühbarock
Meine Seele erhebt den Herrn, wie der Marienvesper von Claudio Monteverdi oder der Psalmen
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands. Davids von Heinrich Schütz. Eine erste CD-Einspielung („O dilec­
Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. tissime Jesu“, Motetten und Sonaten von Giovanni Legrenzi. Mo-
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskind. nika Mauch und Les Cornets Noirs, Edition Alte Musik ORF)
Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, wurde von Publikum und Presse begeistert aufgenommen.
die ihn fürchten. Der Klosterkirche Muri sind Les Cornets Noirs seit einigen Jah-
Er übet Gewalt mit seinem Arm, ren besonders verbunden. Um die dort befindlichen historischen
er zerstreuet, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Orgeln in das Musizieren von vier Emporen einbeziehen zu kön-
Er stößet die Gewaltigen vom Stuhl und erhöhet die Elenden. nen, hat die Vereinigung „Freunde der Klosterkirche Muri“ im
Die Hungrigen füllet er mit Gütern und lässt die Reichen leer. Jahr 2005 dem Ensemble zwei Zinken auf der Stimmtonhöhe der
Er denket der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, Bossard-Instrumente (a ≈ 425 Hz) gestiftet.
wie er geredt hat unsern Vätern,
Abraham und seinem Samen ewiglich.

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Nuria Rial wurde in Manresa (Barcelona) geboren. Bis 1995 stu- Autogr amme Les Cornets Noirs & Nuria Rial
dierte sie Gesang und Klavier am Konservatorium ihrer Heimat­
stadt und schloss in beiden Fächern mit der Diplomprüfung ab.
1 Von 1998 bis 2002 war sie Mitglied der Konzertklasse Kurt Widmers 1
an der Musikhochschule Basel und absolvierte dort vor kurzem
ihr Solistendiplom.

Sie war zu Gast bei den bedeutendsten Festivals in Spanien, eben-


so in der Schweiz, in Mexiko, Bolivien, Kuba, Belgien, Holland,
Frank­reich, Deutschland, Österreich und Polen.

Ihre Erfahrung als Konzertsängerin bezeugt die Zusammenarbeit


mit namhaften Dirigenten, darunter René Jacobs, Giovanni Anto­
nini, Pierre Cao, Salvador Brotons, Howard Griffiths, Salvador Mas,
Emilio Moreno oder Thomas Hengelbrock, sowie bedeutenden En-
sembles (Il Giardino Armonico, Concerto Vocale, Concerto Köln,
Ricercar Consort, Capriccio Stravagante, Akademie für Alte Musik
Berlin, Zürcher Kammerorchester, Les Musiciens du Louvre, Ba-
rockorchester der Schola Cantorum Basiliensis, La Cetra-Barock-
orchester u. a.).

Nuria Rial hat mehrere CDs eingespielt, die sehr gute Kritiken be­-
kommen haben („Grammophon“, „Goldberg“, „Alte Musik“, „Klas­
sik Heute“). Aufnahmen mit ihrer Stimme existieren bei Harmo-
nia Mundi France, OEHMS Classic, Mirare, Glossa Music, Edel
und Sony/BMG. Im September 2003 wurde sie in Luzern mit dem
Preis der Helvetia Patria Jeunesse (Pro Europa) ausgezeichnet.

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Samstag, 12.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit

Surprise Einleitung
2 2
Die Idee eines Konzerts ohne Programm veranschaulicht sehr schön
die Wesensmerkmale von Accordone : die Phantasie, die Liebe für
den gegenwärtigen Augenblick, und das Vergnügen, sich ins Spiel
zu bringen, auch wenn man damit ein gewisses Risiko eingeht.

Acco r d o n e Ein Konzert ist nicht nur ein Zeitpunkt von Einverleibung mit kul­
turellem Hintergrund, es ist auch ein Augenblick des Mit-Teilens,
in dem das Publikum und die Künstler einen Moment tiefer Innig-
keit erleben: die Musik hat die Kraft, die Personen miteinander zu
M a rco B e a sl e y: Gesang verbinden, indem sie ein Fenster auf die Innenwelt auftut, der wir
Guid o Mo rini: Cembalo, Orgel, Klavier mitunter im alltäglichen Leben nicht ausreichend Raum geben.

An diesem heutigen Abend geben wir den Vorrang dem Vergnügen,


eine Musik zu machen, die wir lieben, für ein Publikum, das uns nun­
mehr seit mehreren Jahren folgt und unterstützt; ohne Ansprüche,
nur mit dem Wunsch, einen schönen Abend unter Freunden zu
verbringen…
Guido Morini, Übersetzung: Edgar Sallager

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Marco Beasley kam 1957 als Sohn eines englischen Vaters und schönen Stimme oder seine außergewöhnliche Bühnenpräsenz.
einer neapolitanischen Mutter zur Welt. Er wuchs in Neapel auf, der Gemeinsam mit Stefano Rocco und Guido Morini gründete er
musikalischsten aller italienischen Städte. Mit außerordentlicher Accordone, jenes Ensemble, in dem er seinen künstlerischen Aus­
stimmlicher Begabung und einem angeborenen Talent für das Kom­ druck zur vollen Entfaltung bringen konnte und das zum Zentrum
munizieren ausgestattet, zog er aufgrund seiner Begeisterung für seiner musikalischen Tätigkeit und zur natürlichen Umgebung
2 das Singen nach Bologna, wo er an der Universität Klassen für dar­ für die Entwicklung neuer Ideen geworden ist. Seit 2001 schreibt 2
stellende Kunst belegte und sich dabei vor allem auf Vokalmusik Marco Beasley auch die Texte für die neuen Werke des Ensembles.
der Renaissance und des Barock spezialisierte. Er begeisterte sich
insbesondere für die äußerst vielfältige traditionelle Musik Süd­ »Es war ein grauer Oktobertag als ich am Bahnhof von Bologna ankam.
italiens, die – genau zu dieser Zeit (in den frühen 1980er Jahren) Passanten gaben mir auf meine Frage nach dem Weg freundlich Aus­
wieder entdeckt – entscheidend zur Herausbildung seiner ganz be­ kunft in einem mir fremden Akzent, der mir das Gefühl von ruhiger und
sonderen künstlerischen Persönlichkeit beitrug. Gleichzeitig wand- warmherziger Umgänglichkeit vermittelte. Ich hatte nicht weit zu gehen,
te er sich dem Studium der musikalischen Literatur des 15. und und fast wäre ich an meinem Ziel vorbei geeilt. Doch dann sah ich es
16. Jahrhunderts zu, mit besonderem Augenmerk auf zwei stilisti­ plötzlich, das Schild an dem Gebäude: 'Università di Bologna. Istituto
sche Grundpfeiler dieser Periode: »Recitar cantando« sowie kirch­ di Discipline delle Arti, della Musica e dello Spettacolo'. Ich stand da und
liche und weltliche Polyphonie. Seine große stimmliche Begabung, sah das bronzefarbene Schild gedankenversunken an. Ich wusste nicht so
die bereits voll des persönlichen und leidenschaftlichen Ausdrucks recht, was ich tun sollte: sollte ich wirklich diese Schwelle überschreiten,
war, wurde wohl auch von jenen Eigenschaften bereichert, die Musik inskribieren und hier, in dieser Stadt, unter 60.000 anderen Stu­
seiner englischen Herkunft zugeschrieben werden müssen: starke denten einen neuen Lebensabschnitt beginnen und ebenso wie sie hinter
Selbstkontrolle, eine tiefe Empfindsamkeit für Klang und eine brei- Träumen und Lehrbeauftragten herjagen? An diesem nebeligen Morgen
te Palette an ausgeprägten Timbres. So kann er ein weites Spek- war meine Heimat Neapel wahrlich weit entfernt: die Farben und Ge­
trum an Klangfarben in allen Registern ertönen lassen. In diese Jahre räusche der Stadt, das Meer... Ich vermisste das alles so schmerzlich, dass
fiel auch das Zusammentreffen mit Cathy Berberian, das für ihn es mir wirklich kaum erträglich schien. Oder hatte ich einfach Angst vor
von zentraler Bedeutung war. Berberian, unvergessene Ikone der dem Unbekannten? Ach, meine schöne Heimat, so weit weg... Ich lernte
zeitgenössischen Kunst, war – leider nur für kurze Zeit – seine Leh­ Stefano und mit ihm den Klang der Laute kennen, die er in der fried­
rerin. Ihr vorzeitiger Tod hatte geradezu katalytische Wirkung auf vollen ländlichen Umgebung von Bologna spielte. Dann kam Guido, die
Marco Beasley: auf der Grundlage seiner vielseitigen musikali­schen ersten gemeinsam musizierten Lieder und die Sommerkurse; seine ruhige
Erfahrungen fand er zu seinem einzigartigen, wenn auch schwer und weise Art, wie er in knappen Sätzen immer präzise auf den Punkt
zu definierenden künstlerischen Ausdruck. Es ist kaum möglich zu kommt, wie gefühlvoll und bewusst er spielt, seine ständig wache Prä­
sagen, was bei seinen Auftritten wichtiger ist – der Zauber seiner senz und seine Vorschläge bezüglich des emotionalen Ausdrucks in der

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Musik. Wir verbrachten die Abende in den Osterie mit Mario, Paola, Guido Morini
Giovanna, Luciano. Und dann auch mit Gianmario, David und seinem 1959 in Mailand geboren, machte Guido Morini seinen Studienab­
Chor, mit Massimo und Musik von Erik Satie, Liebe... schluss in den Fächern Orgel und Cembalo mit besonderem Schwer­
Jetzt lebe ich in Genua. Die blühenden Terrassen, die Mittagsglocken, punkt auf Alte Musik, wobei er sich insbesondere der Praxis des
die Sirenen der Schiffe, wenn sie, von Möwen begleitet, majestätisch in Basso continuo und der Improvisation zuwandte. Im Rahmen seiner
2 den Hafen ein­fahren. Wieder neue Gerüche, Geschmäcker und Emo­ regen Konzerttätigkeit arbeitete er mit einigen der bedeutendsten 2
tionen... Meine ursprüngliche Heimat ist mir heute dennoch nahe. Im­ Musiker Europas zusammen. Er wirkte in über siebzig Aufnahmen
mer wieder kehre ich nach Neapel zurück, und dann wird mir klar, dass mit, von denen viele mit Preisen ausgezeichnet wurden und großes
ich mit dieser Stadt nach wie vor untrennbar verbunden bin. Auch heute Echo in der internationalen Presse fanden. Für den österreichi­
flackern die Feuer am Strand, singen Stimmen in meinem Dialekt, schen Rundfunk ORF machte er mit dem Ensemble Accordone
alles ist gleich­zeitig neu und unveränderlich, lebendig, ständig in Be­ exklusive Liveaufnahmen. Gemeinsam mit Marina Spreafico vom
wegung, beseelt von der selben Leidenschaft, am Strand des selben Teatro Arsenale di Milano leitete Guido Morini einen Workshop über
Meeres. Das Heim­weh hat sich gelegt.« die Beziehung von Klang, Raum, Gestik und Instrument. Für Pro­
Übersetzung: Irene Popenberger duk­tionen desselben Theaters komponierte er auch Musikstücke.
Eben­so, wie ein Maestro di cappella der Vergangenheit sich nicht mit
dem Aufführen von bestehenden Werken begnügte, begann Guido
Morini für das Ensemble »maßgeschneiderte« Werke im Stil der Zeit
zu arrangieren und zu bearbeiten, bevor er sich zu freier Komposition
weiter entwickelte und Konzerte, Oratorien und liturgische Musik
schuf. In den beiden Projekten »Una Odissea« (2002) auf der Grund­
lage von Texten von Marco Beasley und »Vivifice Spiritus Vitae Vis«
(2005), dem ersten Teil von »Servabo« (einer der Heiligen Dreifal­
tigkeit gewidmeten Trilogie), nimmt Guido Morini die Heraus­
for­derung an, eine musikalische Formensprache zu entwickeln, die
die Herzen des Publikums im 21. Jahrhundert zu berühren vermag.

»Ein umgänglicher Charakter, gute Vorbereitung und ein gewisses Maß


an Glück haben dazu beigetragen, dass ich in der Konzertwelt einen Platz
gefunden habe. Nach einer Periode harter Arbeit, in der ich mich hoch
arbeitete, begann ich mit einigen namhaften Ensembles zusammen zu

- 32 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 33 -


musizieren, was sich zweifellos gut ausnahm im Lebenslauf und för­ Au t o g r a mm e Acco r d o n e
derlich für meine Karriere war, mich jedoch nie vollkommen zufrieden
stellte. Ich wurde zunehmend von Unruhe erfasst und erreichte den
Punkt, an dem ich meinen Beruf wechseln wollte. Doch wie so oft, wenn
man den absoluten Tiefpunkt erreicht hat, eröffnete sich plötzlich ein
2 Weg aus der Misere: Ich entdeckte das Theater und stürzte mich mit all 2
der Begeis­terung und Unvoreingenommenheit eines Anfängers ins
Geschehen. Ich wollte Schauspieler werden und trat zu diesem Zwecke
einer kleinen Schule mit großer Tradition bei. Dort verbrachte ich ei­
nige überaus intensive Jahre meines Lebens. Die musikalische Inspi­
ration begann wieder zu fließen – ich begründete gemeinsam mit mei­
nen Freunden Marco Beasley und Stefano Rocco ACCORDONE, ein
Ensemble, in dem viele Ideen und große Energie umgesetzt werden.
Gemeinsam überschreiten wir die Grenzen jener Aufführungspraxis,
die von akademischer Seite abgesegnet sind.«
Übersetzung: Irene Popenberger

- 34 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 35 -


Samstag, 12.09., 22.00 Uhr
Bürgerspitalskirche St. Veit

Diese Nacht und allezeit Organisten ziehen noch einmal den Sesquialtera zu Bachs Nun
komm, der Heiden Heiland.

3 Und was spielt das Ensemble Séverin? 3


Meallis La Stella und La Sabbatina.
Die Nacht stellt aber noch mehr dar als Ruhe: Dämmerung und
Finsternis wecken in uns auch dunkle und ängstliche Gedanken und
Ensemble Séverin Gefühle. Farinas La Desperata drückt die Angst vor dem endgül-
tigen Schlaf aus.
Der Choral Werde munter, mein Gemüte, in den Bearbeitun­gen
von Schop und Pachelbel, umschließt das Programm und be-
Jud i t h St e e nb rink : Barockvioline schreibt Dämmerung, Finsternis und Sonnenaufgang auf Erden
T ine k e St e e nb rink : Orgel, Cembalo und in uns Menschen. Zeit und Klang vereinen sich auf wunder-
bare Weise. 

Einleitung Au t o g r a mm e E n s e m b l e S é v e r i n

Mozarts Kleine Nachtmusik, Beethovens Mondschein Sonate, Fau-


rés après un rève, Goldberg Variationen – zum Einschlafen kom-
poniert?
Cellisten spielen abends gerne noch mal eine Sarabande Johann
Sebastian Bachs, so träumerisch schön und beruhigend. Die Cem­
balisten spielen – bevor der Deckel des Instruments sich endgül-
tig schließt – noch eine Prelude non mesuré von Louis Couperin,
oder Les Baricades mysterieuses von Couperin ‘le Grand’.

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Pro g r a mm Carlo Farina
(1604 – 1639)
Johann Schop 7. Sonata detta la Desperata
(1590 – 1667) Aus: Fünffter Theil newer Pavanen,
1. Choral Werde munter, mein Gemüte Brand: Mascharaden, Balletten, Sonaten (1628)
Aus: Himmlische Lieder, Das Dritte Zehn, Lüneburg1642
Johann Pachelbel
3 Heinrich Ignaz Franz von Biber (1653 – 1706) 3
(1644 – 1704) 8. Werde munter, mein Gemüte
2. Ciaconna 4 Variationen über einen Choral

Johann Schop Johann Schop


(1590 – 1667) (1590 – 1667)
3. Sine titulo 9. Choral Werde munter, mein Gemüte

Giovanni Antonio Pandolfo Mealli


(1630 – 1670)
4. La Stella (opus 4 Nr. 5, 1660)

Dietrich Buxtehude
(1637 – 1707)
5. Wie schön leuchtet der Morgenstern
BuxWV 22

Giovanni Antonio Pandolfo Mealli


(1630 – 1670)
6. La Sabbatina
(opus 3 Nr. 6, 1660)

- 38 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 39 -


Text Judith Steenbrink studierte Barockvioline am Konservatorium
Utrecht bei Alda Stuurop und am Sweelinck Konservatorium Ams­
Werde munter mein Gemüte, terdam bei Lucy van Dael. Darüber hinaus absolvierte sie Meis­
Und ihr Sinne geht herfür, terklassen – unter anderem bei Enrico Gatti und John Holloway.
Daß ihr preiset Gottes Güte, Derzeit spielt sie regelmäßig in mehreren Barockorchestern, darun-
Die er hat getan an mir, ter das Amsterdam Baroque Orchestra, Arte dei Suonatori (Polen),
Da er mich den ganzen Tag B’rock (Belgien) und Concerto Copenhagen (Dänemark), weiters ist
3 Vor so mancher schwerer Plag, sie als Konzertmeisterin mit dem European Union Baroque Orches­ 3
Vor Betrübnis, tra sowie dem Tallinn Baroque Orchestra verbunden.
Schand und Schaden Mit ihrer Zwillingsschwester Tineke (Orgel und Cembalo) grün-
Treu behütet hat in Gnaden. dete sie 1998 das Ensemble Séverin, das sich auf die niederländi­sche
Musik des 17. Jahrhunderts spezialisiert hat. Mit diesem Ensemble
O du Licht der frommen Seelen, nahm sie die gesamte Kammermusik von Benedicto a Sancto Josepho
O du Glanz der Ewigkeit, auf und war auf vielen Festivals und in vielen Häusern zu Gast.
Dir will ich mich ganz befehlen
Diese Nacht und allezeit.
Bleibe doch, mein Gott, bei mir, Tineke Steenbrink studierte Orgel bei Bernhard Winsemius und
Weil es nunmehr dunkel schier; Willem Tanke an der Hochschule für Künste in Utrecht und Cembalo
Daß ich nimmer mich betrübe, bei Professor Ketil Haugsand an der Hochschule für Musik Köln
Tröste mich mit deiner Liebe. (mit einem Stipendium für Darstellende Kunst sowie dem Stipen-
dium der VSB-Bank).
Laß mich diese Nacht empfinden Tineke ist Gründungsmitglied der »Holland Baroque Society«.
Eine sanft und süße Ruh; Außer­dem spielt sie in verschiedenen Ensembles, darunter die Akad­
Alles Übel laß verschwinden, emie für alte Musik Berlin sowie Concerto Köln.
Decke mich mit Segen zu. Seit 2006 ist sie als Hauptfach-Dozentin für Cembalo, Basso Con-
Leib und Seele, Mut und Blut, tinuo und als Kammermusik-Coach am Artez Conservatorium in
Weib und Kinder, Hab und Gut, Zwolle angestellt. Tineke ist Organiste Titulaire an der St. Martinus­
Freunde, Feind und Hausgenossen kirche zu Cuijk, wo ihr die Ehre zuteil wurde, eine aus dem Jahre
Sei'n in deinen Schutz geschlossen. 1650 stammende Severijn Orgel zu spielen.
Text von Johann Rist (1607-1667)

- 40 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 41 -


Sonntag, 13.09., 06.00 Uhr Auseinandersetzung zu ermessen. Das griechische sýmbolon war
Pfarrkirche St. Peter bei Taggenbrunn ursprünglich ein Erkennungszeichen in Gestalt zweier Hälften ei­
nes Gegenstands, den zwei Partner zum Zweck der späteren Legiti­
mation in zwei Teile gebrochen hatten – Hinweis auf eine verloren
Nox-Lux gegangene Einheit. Das mittelalterliche Denken begriff jeden ma-
teriellen Gegenstand als Abbild eines Konzepts, welches ihm auf
einer höheren Ebene entsprach. Symbolik steckte in allen Dingen,
und der Denkvorgang an sich entsprach der ständigen Entdeckung
verborgener Bedeutungen und damit dem konstanten Aufscheinen
4 des Heiligen im Profanen (Hierophanie). Denn diese verborgene 4
Welt war eine heilige Welt, und das symbolische Denken war nur
LaReverdie eine andere Form – verfeinert und veredelt durch die geistigen Eli-
ten – der magischen Vorstellungen, in denen die Mentalität der brei-
ten Massen gefangen war. Die Funktion des Symbols besteht in der
Verbindung des Hohen mit dem Niedrigen; es fasst das Göttliche
Einleitung und das Menschliche in einem einzigen Ausdrucksmittel, in dem
beide sich überlagern dürfen. Das Symbol ist dabei nicht Fortfüh-
Wegbegleiter auf dieser kurzen Reise durch die erstaunlich an­ rung oder Ersatz der Hierophanie, sondern erlangt seine Bedeutung
ders­­­artige und doch zutiefst vertraute Landschaft mittelalter­li­ durch die Tatsache, dass es selbst Hierophanie ist und als solche eine
chen Denkens, in der sich Licht und Leben auf der einen sowie Tod heilige oder kosmische Realität offenbart, die durch keine andere
und Dunkelheit auf der anderen Seite einen ewigen Kampf liefern, Manifestation angemessen wiedergegeben werden könnte.
sind uns drei der herausragenden Kenner und Mittler der Ideologie,
Symbolik und Religiosität des Mittelalters: Jacques Le Goff, Ma­rie-­ Wir sollten uns auch die spirituelle Neigung des Mittelalters zur
­Madleine Davy und Mircea Eliade. Die folgenden Überlegungen Ab­­straktion vergegenwärtigen, bzw. zu einer Weltanschauung auf
stützen sich auf unterschiedliche Elemente aus ihren Werken. der Grundlage abstrakter Beziehungen. Aber hinter den abstrak­
ten Konzepten zeichnen sich die konkreten Bilder ab. Diese wechsel­
Es genügt, sich die Etymologie des Begriffs »Symbol« vor Augen seitige Überlagerung von Konkretem und Abstraktem könnte man
zu führen, um den Stellenwert des symbolischen Denkens nicht nur in der Tat als Kern mittelalterlichen Denkens und Empfindens be-
für Theologie, Literatur und Kunst des Mittelalters zu verstehen, zeichnen. So schwankte das Bestreben in dieser Zeit kontinuier­
sondern darüber hinaus seine Bedeutung als Mittel jeder geisti­gen lich zwischen dem Wunsch, die tiefere Wahrheit der Abstraktion

- 42 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 43 -


hinter der von menschlichen Sinnen wahrnehmbaren materiellen Im Gegensatz dazu erscheint die göttliche Ewigkeit im Wesentlichen
Welt zu verbergen – und zugleich dem Bemühen, die versteckte hell. »Was geschieht«, fragt Bernhard von Clairvaux, »wenn die
geistige Essenz in ein sichtbares Gewand zu hüllen, an dem sich die Seele vom Leib getrennt wird? Wir glauben, dass sie in einen pelago
menschliche, körperliche Wahrnehmung erfreuen konnte. eterni luminis et luminose eternitatis, einen Ozean immerwährenden
Lichts und strahlender Ewigkeit eingeht«.
Dieses geozentrische Universum war als Welt einer auf sich selbst Alles »Lichte« – ein Schlüsselkonzept in der mittelalterlichen Lite­
bezogenen Christenheit nach oben – himmelwärts – weit offen. ratur und Ästhetik – ist schön und gut. »Hell wie der Tag« – nie
Materiell und spirituell gab es keine festen Grenzen zwischen die- wurde eine Redewendung tiefer empfunden als im Mittelalter. Hin-
ser und der Anderen Welt, und als großes symbolisches Schöpfre- ter all dem erkennen wir, was als die »mittelalterliche Mystik des
4 servoir diente die Natur selbst. Die Elemente der unterschiedli­chen Lichts« bekannt wurde. Und wieder fand der Mensch des Mittel- 4
natürlichen Ordnungen waren gleichsam Bäume in diesem verwor­ alters die Bedeutung des Lichts in der Betrachtung der Natur: die
renen Wald der Symbole. Die mittelalterliche Zeit war im Wesent­ entsprechende Symbolik ist Teil der östlichen Mythologien und
lichen eine landwirtschaftlich geprägte, eine natürliche Zeit. Grund­ Kosmologien; die gesamte Tradition der Antike legt Zeugnis da-
­­legende Zeiteinteilungen waren Tag und Nacht sowie die Jah­res­­- rüber ab – Platon, die Stoiker, die Alexandrinische Schule, auch
zeiten. Eine Zeit voller Kontraste, die dem mittelalterlichen Hang zum die Gnostiker und die Bibel verkünden die Herrschaft des Lichts.
Manichäismus weiter Nahrung gaben: Gegensatz zwischen Schat­­ten Und heißt nicht das Lógos selbst beim Evangelisten Johannes Lu­
und Licht, Kalt und Warm, Leben und Tod sowie – da das Mittelalter men de Lumine, Licht vom Licht?
im Wesentlichen nur zwei Jahreszeiten kannte – Sommer und Winter.
Die Nacht war per se bedrohlich und gefährlich in einer Zeit, die Durch seinen eigenen sakralen Charakter überwindet das Symbol
kaum künstliche Beleuchtung kannte: tückischer Vorbote zerstöre- die Begrenzungen der profanen Welt, wobei es sich stets auf dem
rischer Feuer in einer hölzernen Welt. Die mittelalterliche Gesetz­ Weg vom Sichtbaren zum Verborgenen bewegt. Mit ihm dringt in
gebung ahndete Morde und andere Verbrechen, die bei Nacht be­ unsere Welt etwas ein, das nicht Teil von ihr ist: das Ganz Andere
gangen wurden, mit besonderer Schärfe – die Nacht galt im Mit- nach Rudolf Otto. Wenn der Mensch sich als Wesen innerhalb
­­tel­­­­alter als der erschwerende Umstand par excellence. Vor allem eines mit Gott verbundenen Universums begreift – was im Mit-
war die Nacht jedoch die Zeit übernatürlicher Bedrohungen und telalter der Fall war – ist für ihn nahezu alles heilig. So ist für den
des Todes. So bemerkt der deutsche Chronist Thietmar von Merse­ Heiligen Gregor von Nyssa das Profane, das von Gott Getrennte,
burg zu Beginn des 11. Jahrhunderts: »Ebenso wie Gott den Tag für schlicht nicht existent – als einzig möglichen Gegensatz zum Hei-
die Lebenden bestimmt hat, gehört den Toten die Nacht«. Die ligen kennt er das Dämonische.
mystischen Denker ordneten die Nacht dem Teufel zu; sie war das Ella de Mircovich, Übersetzung: Almut Lenz-Konrad
Sinnbild des Satanischen.

- 44 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 45 -


Pro g r a mm Anonimo inglese
(XIII Jhd.)
Wipo von Burgund 6. Salve mater gracie/Do way Robin (conductus)
(XI Jhd.) London, Brit. Lib. MS Cotton Fragment XXIX
1. Victime pascali laudes (sequentia)
Graduale Romanum Anonimo italiano
(XV Jhd.)
Elisabetta de Mircovich 7. Ave maris stella
(*1966) Faenza, Biblioteca Comunale, cod. 117
4 2. Mors & vita duello-brano 4
strumentale su Victime Pascali Hildegard von Bingen
(1098-1179)
Anonimo Friulano 8. Hodie aperuit (antifona) /Psalmus 18
(XIII Jhd.) Dendermonde, St.-Pieters&Paulusabdij, Cod. 9
3. En mort d’En Joan de Cucanh (1272) (compianto)
Cividale, Archivio Capitolare Anonimo inglese
(XIII Jhd.)
Anonimo francese 9. Rosa Fragrans (rondellus)
(XIII Jhd.) Oxford, Christi College MS B 489
4. Pange melos lacrimosum
Firenze, Bibl. Laurenziana, MS Plut. 29.I Anonimo francese
(XIII Jhd.)
Anonimo francese 10. Ex semine/Ex semine Abrahe/ex semine (motetus)
(Ende XIII Jhd.) 11. Iam novum sydus oritur/Jam nubes dissolvitur/
5. Cruci Domini/Crux forma penitencie/Portare (motetus) solem (motetus)
Bamberg, Staatl. Bibl. Lit. 115 (olim Ed. IV.6) 12. Alle psallite cum luya/Alleluya (motetus)
Montpellier, Bibl. Fac. Med. MS H 196

- 46 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 47 -


Anonimo italiano texte
(XIV Jhd.)
13. Sancta Agnese da Dio amata (lauda) 1. Victime paschali laudes
Firenze, Bibl. Naz. BR 18 immolent christiani.
Agnus redemit oves Christus innocens Patri reconciliavit
Guillaume Dufay peccatores. Mors & vita duello conflixere mirando dux vite
(1397-1474) mortuus regnat vivus. Dic nobis Maria quid vidisti in via.
14 . Vergene bella (canzone) Sepulchrum Christi viventis & gloriam vidi resurgentis
Oxford, Bodl. Lib., MS Canonici Misc. 213 angelicos testes sudarium & vestes. Surrexit Christus spes
4 mea precedet suos in Galilea. Scimus Christum surrexisse 4
Doron David Sherwin a mortuis vere tu nobis victor Rex miserere. Amen
(*1962)
15. Diana stella (brano strumentale) Eine Sequenz, die traditionell zum Osterfest gesungen wird.
Die aus dem XI. Jahrhundert stammende Komposition wird
für gewöhnlich dem Mönch Wippo, Hofkaplan von Kaiser
Konrad II., zugesprochen. Sie wurde aber auch mit anderen
in Verbindung gebracht, wie mit dem Abt Notker Balbulus,
Robert II. von Frankreich, genannt der Fromme, oder dem
Komponisten lateinischer Hymnen Adam di San Vittore.
Zusammen mit vier weiteren mittelalterlichen Sequenzen gehört
sie zu denen, die im MissaleRomanum aufbewahrt wurden.

- 48 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 49 -


3. En mort d’En Joan de Cucanh 4. Pange melos lacrimosum
lacrimans elegia tempus venit planctuosum tempus fraudans gaudia
Quar nueg & jorn trist soi et esbahit/ ad eclipsum nox meroris obliquat spectacula regnet dolor nam
no sap chantar com se degra davers/ doloris causa stat in specula. Reni sidus in occasum latium percipitat
de mieu senher lo pretz que mais falhit/ stella cadit stelle casus terras umbra limitat latet vere latialis plaga
Mort brisara com l’estat lhi verger/ timens oculum nox est culpe socialis nox est parens criminum.
per sieu valor li mieu chants es trop nutz/
cilh de Cucanh plus non auran la lutz/ Conductus, komponiert vermutlich zum Tod von Friedrich
quar saup totz temps al mielhs aconselhar/ Barbarossa.
4 per lor plorantz no val lo mieus chantar. 4

Quanto tristi e desolati siano notti e giorni cantare non so come si 5. Cruci Domini/Crux forma penitencie
converrebbe: del mio signore il pregio senza eguali la Morte avvizzirà
come l’estate i fiori. Il miglior canto per lui È troppo vuoto, e nel buio Sit cunctis horis laus parata Per quam homini Salus est data
languiran quei di Cucanh, su cui lui un tempo Que sustinuit Illum qui rapuit Omnium peccata Carne sua
si bene vegliò: nessun canto può lenire il lor cordoglio. mortificata Que in cruce fuit sacrificata. Quam est ergo
venerandum Ac laudandum Hoc signum Quod solum dignum
Klagelied über den Tod von Joan de Cucanh (1272), Vite fuit vere Precium sustinere!
in okzitanischer Sprache, komponiert von einem Troubadour,
der wahrscheinlich aus dem Friaul stammte. Gracie Clavis clava peccati venie Vena radix ligni iusticie Via
vite vexillum glorie Sponsi lectus in meridie Lux plenarie
Nubem luens iusticie Serenum consciencie Hanc homo portet
Hanc se confortet Crucem oportet Si vis lucis vere Gaudia
sustinere.

- 50 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 51 -


Sia fatta lode, a tutte le ore, alla croce del Signore, attraverso la 6. Salve mater gracie
quale è data la salvezza ad ogni uomo, lei che sostenne Colui che, stella claritatis visita nos hodie plena pietatis veni vena venie mox
tramite la mortificazione della sua carne sacrificata sulla croce, incarceratis solamen angustie fons suavitatis recordare mater
ha tolto i peccati del mondo. Quanto è dunque da venerare e lodare Christi quam amare tu flevisti juxta crucem tu stetisti suspirando
questo segno che solo fu degno, in verità, di sostenerne il prezzo viso tristi o Maria flos regalis inter omnes nulla talis tuo nato
della vita. specialis nostre carnis parce malis o quam corde supplici locuta
fuisti Gabrielis nuncii verba cum cepisti En ancilla Domini pro-
O croce, simbolo di espiazione, chiave della grazia, flagello pere dixiti verbum vivi gaudii post hoc peperisti. Gaude digna
del peccato, fonte di perdono, radice dell’albero della giustizia, tam benigna celi solio tuos natos morbos stratos redde filio.
4 sentiero di vita, vessillo della gloria dello Sposo diletto, 4
che disperdi con la tua immensa luce ogni nube di sconforto, Do way Robin the childe wile wepe do way Robin.
consolatrice della coscienza! Che ognuno ti accetti,
che ognuno trovi in te consolazione: se vorrai contemplare la luce Mehrtextige Motette, bei der die höhere Stimme, ein lateinisches
della letizia eterna, è necessario che tu accolga la tua croce. Gebet an die Jungfrau, die tiefere Stimme überlagert, in der eine
Frau unentwegt ihren Mann, Robin, anfleht, er möge doch nicht
Mehrtextige, dem Kreuz gewidmete Motette aus dem Bamberger soviel Lärm machen, da er sonst das schlafende Kind wecke.
Kodex. Die gleiche Motette findet sich auch im zeitgenössischen Diese in der Umgangssprache gehaltene Weise war wahrscheinlich
Kodex von Montpellier, in einer Fassung, die für die Oberstimme ein Wiegenlied oder ein volkstümlicher Gesang, wovon es allerdings
einen profanen Text auf französisch vorsieht. in anderen Quellen keine Erwähnung gibt.

7. Ave maris stella


Dei mater alma/atque semper virgo/felix celi porta.

Mariensequenz in der Fassung eines der wenigen Manuskripte von


Instrumentalmusik, die uns aus dem Mittelalter überliefert sind.
Die als strukturale »Tenor«stimme verwendete Sequenz wird von
einer kunstvoll reduzierten Instrumentierung überlagert.

- 52 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 53 -


8. Hodie aperuit/Psalmus 18 10. Ex semine
nobis clausa porta quod serpens in muliere suffocavit unde lucet rosa prodit spine,/fructus olee oleastro legitur, virgo propagine/
in aurora flos de virgine Maria. nascitur Iudee/stelle matutine/radius exoritur/nubis caligine/
Et opera manuum eius adnuntiant firmamentum radio sol stelle/petra fluit melle/parit flos puelle/verbum sine semine.
Dies diei eructuat verbum/et nox nocti indicat scientiam Ex semine/Abrahe divino moderamine/ignem pio numine/
Non sunt loquellae neque sermones/ producis Domine/hominis salutem. Paupertate nuda/
quorum non audientur voces eorum virginis nativitatem de tribu Iuda/iam propinas ovum/
In omnem terram exivit sonus eorum/ per natale novum/Piscem panem dabis partum sine semine.
et in fines orbis terrae verba eorum Ex semine.
4 In sole posuit tabernaculum suum/ 4
et ipse tamquam sponsus procedens de thalamo suo/ Motette aus einer der bedeutendsten Sammlungen für das polyphone
exultavit ut gigans ad currendam viam. Re­pertoire aus dem XIII. Jahrhundert. Zur Gattung der Motette ge-
A summo caelo egressio eius et occursus eius/ ­hören auch die beiden folgenden Stücke. Es handelt sich dabei um
usque ad summum eius /nec est qui se abscondat a calore eius. eine Gat­tung, die sich in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts
herausgebildet hat: für gewöhnlich dreistimmig, ist die Komposition
Marianische Antiphon. Text und Musik stammen von Hildegard von auf der Stimme des »Tenors«, der tiefsten, aufgebaut, deren Melodie,
Bingen. Bei dem Psalm handelt es sich um den sogenannten »Psalm als Fragment, von einer gregorianischen Melodie stammt.
der Schöpfung«. Die höheren Stimmen haben unterschiedliche Texte.

9. Rosa fragrans primula vernalis 11. Iam nubes dissolvitur


servos tuos libera a malis. Tu glorie speculum solis umbraculum iam patet gallaxia iam flos ex spina rumpitur iam oritur Maria.
da famulis gaudium post hoc exsilium. Iam verum lumen cernitur iam demonstratur via iam pro nobis
Rosa profumata, primo fiore di primavera, libera i tuoi servi da pia exoret Maria ut fruamur gloria.
ogni male; tu specchio della gloria, ricettacolo del sole, concedi
ai tuoi devoti la gioia eterna dopo questo esilio. Iam novum sydus oritur iam patet gallaxia iam ex iudea nascitur
iam oritur Maria. Iam nobis celum panditur iam det nobis gaudia
Rondellus an die Jungfrau. Es handelt sich dabei um eine im engli­schen in celi curia Christus cuius filia & mater es Maria.
Repertoire häufig verwendete musikalische Form, bei der die Stim­­men
kanonartig einander nachlaufen und sich miteinander verflechten.

- 54 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 55 -


Ecco che le nubi si aprono, ecco che la Via Lattea si mostra in tutto il 13. Sancta Agnese da Dio amata,/isponsa et martyre beata!
suo splendore, ecco che sul roveto sboccia un fiore: è Maria che nasce. De la cittade ’nperiale/di Roma, gran nobilitade,/
Ecco che si scorge la vera luce, ecco che il cammino si illumina: poi­ fue la tua nativitade/di gentil progenie nata.
ché Maria nella sua misericordia intercede per noi affinché si possa Te retornando da la schola,/aulente fiore, frescha viola,/
aspirare alla gloria eterna. uno ch’era tucto vano ancora/preso fue in te, beata.//
Di falso e vano amor mondano preso fone,
Ecco che sorge un nuovo astro, ecco che la Via Lattea si mostra in comme el pescio e l’amo,/tosto infermò ch’era sano/
tutto il suo splendore, ecco che in Giudea si leva la vergine Maria. de l’aulente fiore granata.//Per isposa la dimanda /
Ecco che per noi i cieli si spalancano, e Cristo, di cui tu, o Maria, sei et ella di Iesù sì s’arma;/ferma sta ne la battaglia/
4 tanto figlia che madre, prepara per noi le gioie delle schiere celesti. de l’amore divino ornata.//Risponde quella rosa frescha:/ 4
»Tuo amore e tua richeçça/niente curo o tua belleçça,/
ch’a Iesù son disposata.//Uno anello m’à donato/
12. Alle psallite cum luya Cristo amor, Iesù beato,/e di corona coronato/
alle concrepando psallite cum luya, alle cor devoto Deo toto di margarite tuct’ornata.«//El giudice si fo turbato;/
psallite cum luya, alleluya! tosto del coltello gli à dato./Agnesa, giglio candidato,/
nel sangue suo fo dealbata.//El padre stando al monimento,/
Tutti quanti cantate ‘alleluia’: con voce sonante e cuore pienamente veghiando con gran pensamento,/uno splendore di gaudimento/
devoto cantiamo a lode di Dio ‘alleluia’. apparve in quella fiata.//
Sancta Agnesa fe ’ ristare,alquanto el coro riposare/
al padre dice, in suo parlare,/che con Cristo era beata.//
»Con meco sì ve rallegrate/et ch’io sia morta non pensate,/
ché Cristo, dolce amor verace,/m’à di gloria coronata.«/
Rubicondo fior rosato,/a cte sia raccomandato/
chi la tua lauda à trovato,/et chi te lauda, Agnesa beata.

Italienische Laudes, gewidmet der Heiligen Agnes, Jungfrau und


Heilige, die im III. Jahrhundert in Rom gelebt hat. Sie war erst zwölf
Jahre alt, als eine Verfolgung ausbrach und viele Gläubige sich dem
Abfall ergaben. Agnes, die beschlossen hatte, ihre Jungfräulichkeit
dem HERRN darzubieten, wurde vom Sohn des Präfekten von Rom,

- 56 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 57 -


der in sie verliebt war, aber abgewiesen wurde, als Christin verraten. LaReverdie
Sie wurde im Circo Agonale, nahe der heutigen Piazza Navona nackt
zur Schau gestellt. Ein Mann, der versuchte, ihr nahe zu kommen, Elisabetta de Mircovich: Stimme, Fidel, Glocken
fiel, noch bevor er sie berühren konnte, tot um und stand durch Für­ Livia Caffagni: Stimme, Flöten, Fidel
sprache der Heiligen auf ebenso wunderbare Art und Weise wieder Claudia Caffagni: Stimme, Laute
auf. Als sie ins Feuer geworfen wurde, erlosch dieses kraft ihrer
Gebete. Daraufhin wurde sie mit einem Schwertstoß in die Kehle Elisabetta de Mircovich wurde im Jahr 1966 in Triest geboren.
auf die gleiche Weise durchbohrt, wie man Lämmer tötete. Sie wird Noch bevor sie lesen und schreiben lernte, sang sie Diskant und
daher auf den Heiligenbildern oft mit einem Schäfchen oder einem Reigen, wobei sie sich einen bescheidenen Vorrat an Stücken an-
4 Lamm, Symbolen der Unschuld und des Opfers, dargestellt. legte. Als Sängerin sowie Spielerin von Streich­instrumen­ten, Flöten 4
und Rohrblattinstrumenten hat sie recht bald mit verschiedenen
Gruppierungen für mittelalterliche und Renais­sance-Musik ihre
14. Vergine bella Kon­zerttätigkeit aufgenommen. In ihrer Heimat­stadt hat sie klas-
che di sol vestita,/coronata di stelle, al sommo Sole/piacesti sische Philologie studiert und das Musik-Studium absolviert.
sì che ‚n te Sua luce ascose, amor mi spinge a dir di te parole:/
ma non so ’ncominciar senza tu’ aita,/et di Colui ch’amando Im Jahr 1989 hat sie am Konservatorium Triest bei Libero Lana mit
in te si pose./Invoco lei che ben sempre rispose,/chi la chiamò Auszeichnung das Diplomstudium Violoncello abgeschlossen und
con fede:/Vergine, s’a mercede/miseria extrema de l’humane sich in weiterer Folge bei Mario Brunello fortgebildet. Sie errang
cose/già mai ti volse, al mio prego t’inchina,/soccorri a la mia Preise bei verschiedenen Wettbewerben für junge Interpreten und
guerra,/bench’i’ sia terra, et tu del ciel regina. hat mit dem modernen und dem Barock-Cello mit verschiedenen
Kammermusik-Ensembles Konzerte gegeben, was sie gelegentlich
Kanzone von Francesco Petrarca, Canzoniere 366, in welcher der auch heute noch tut.
Dichter den Beistand der Jungfrau erfleht. Einer der ganz seltenen
Fälle, in denen Texte von Petrarca noch vor ihrer großen Zeit in der Sie hat Gesang und antike Stimmbildung bei Andrea von Ramm,
Renaissance und im Barock vertont wurden. Hans Ludwig Hirsch und Elisabetta Tandura studiert.

Die Kommentare zu den Stücken von laReverdie wurden von Was das barocke Repertoire betrifft, so ist sie unter der Leitung von
Edgar Sallager ins Deutsche übersetzt. Alan Curtis (»Il ritorno di Ulisse in Patria« von Claudio Monte-
verdi, in der Semper Oper Dresden, 1993) aufgetreten und hat mit
Ensembles wie I Sonatori de la Gioiosa Marca zusammengearbeitet.

- 58 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 59 -


Als Gesangssolistin arbeitet sie auch mit dem Ensemble Accordone Nach Beendigung des Studiums der Klassischen Philologie nimmt
zusammen, mit dem sie vor kurzem für das Label Cypres eine CD sie im Jahr 1981 ihre Konzerttätigkeit auf, bei der sie mit verschie-
mit Kompositionen von Guido Morini aufgenommen hat. denen Gruppierungen im Bereich der alten Musik zusammenarbei-
tet und im Laufe der Zeit das Kammer-Ensemble La Capriola, das
Im Umfeld der Erarbeitung des mittelalterlichen Repertoires, einer Orchester Concerto Barocco sowie das Trio Ribes Nigrum gründet.
nicht nur musikalisch sehr ergiebigen Entdeckungsreise, stellte die
Begegnung mit dem Ensemble Sequentia aus Köln, mit dem sie bei Sie ist seit 1986 im Bereich der Musikdidaktik tätig und derzeit In-
zwei Plattenaufnahmen zusammengearbeitet hat, eine grundlegen­ haberin des Lehrstuhls für Blockflöte am Konservatorium Trento.
de Bereicherung dar. Im Jahr 1986 beginnt sie die ständige Zusammenarbeit mit dem
4 Ensemble für mittelalterliche Musik laReverdie: das bis heute an- 4
Innerhalb von laReverdie erfüllt sie Aufgaben als Drehleier-Spie- regendste, prägendste und kreativste musikalische Abenteuer, das
lerin, Fahrerin, Arrangeurin, rauchende Sängerin und Moderatorin sie sich vorstellen kann.
bei allenfalls blutigen Auseinandersetzungen, die selbst in einer
Gruppe, die sich aufs innigste liebt, nicht ausbleiben. Um die häufig In den Jahren 1987 und 1988 hat sie im Auftrag des Außenmini-
gestellte Frage der Journalisten beantworten zu können: »Fühlen steriums als Forscherin am Musikwissenschaftlichen Institut der
Sie sich auch zeitgemäß, wenn Sie diesen Beruf ausüben?«, viel- Universität Bern gearbeitet. Im Jahr 1989 hat sie das Diplomstu-
leicht aber auch aus musikalischer Unersättlichkeit, liebt sie nach dium Moderne fremde Sprachen und Literaturen an der Univesität
wie vor insgeheim das klassisch-romantische Repertoire, unter- Bologna mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen. Im Jahr 1993
richtet Stimmbildung, Ensemble-Spiel und Violoncello, und ist beginnt der Weg der Konversion zu Christus in der katholischen
Mitglied einer nostalgisch-experimentellen Rock-Band. Kirche. Deo Gratias. Am 15. September 1994 hält sie zum ersten
Mal Tochter Teresa in ihren Armen. Im Jahr 2007 gründet sie auf
Livia Caffagni wurde im Jahr 1963 in Bologna geboren und wuchs Anregung eines lieben Freundes, zusammen mit Doron Sherwin,
in einem Ambiente auf, das reich an kulturellen und künstleri­schen Rodney Prada und Skip Sempé, das Ensemble Full Fathom Four,
Anregungen war: nicht nur dafür ist sie ihren Eltern Paola und Mirco das sich auf das virtuose kammermusikalische Repertoire der er-
zu Dank verpflichtet. Im Jahr 1972 beginnt sie begei­stert, die »Quer­- sten Hälfte des 17. Jahrhunderts spezialisiert hat. Im Jahr 2008
pfeife« zu spielen und im Jahr 1985 schließt sie das Diplomstudium erlangt sie mit Auszeichnung das Spezialisierungsdiplom II. Niveau
Blockflöte bei Giorgio Pacchioni mit ausgezeichnetem Erfolg ab. für Renaissancemusik am Konservatorium Lecce.
Weiters studiert sie Gambe bei Carol Lewis, Nanneke Shaap und
Paolo Pandolfo sowie Gregorianischen Gesang bei dem Bende-
diktiner Pater Luigi Agustoni und bei Nino Albarosa.

- 60 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 61 -


Claudia Caffagni wurde im Jahr 1966 in Bologna geboren. Sie hat di Musica Antica in Urbino. Als Gesangssolistin arbeitet auch sie
im zarten Kindesalter mit dem Blockflötenspiel begonnen, doch um mit Accordone zusammen.
den unweigerlich erdrückenden Vergleich mit der Schwester, nun­ Neben dem Studium und der Tätigkeit im Bereich der Musik ab­
mehr Flötenvirtuosin, zu vermeiden, hat sie mit drei­zehn Jahren bei sol­viert sie, nach dem Studium der Klassischen Philologie, mit aus­
ihrem Vater Mirco begonnen, Laute zu spielen, und verliebte sich ret­- gezeichnetem Erfolg das Diplomstudium Architektur am Istituto
­tungslos in das Instrument. Während eines langen Werde­gangs über Universitario di Architettura in Venedig, mit der interdisziplinä­
Sommerkurse in Italien und im Ausland hat sie ein durch­ge­hen­des Stu­ ren Diplomarbeit »Il temperamento in musica e in architettura:
dium zunächst bei Federico Marincola und später bei Jacob Lindberg la Schola Riccatiana« (erscheint demnächst im Band »Le archi-
aufgenommen, bei dem sie im Jahr 1989 das Diplom »Lute per­forming« tetture di Orfeo«), und arbeitet in weiterer Folge mit diesem Uni-
4 am Royal College of Music in London gemacht hat, und schließ­lich bei versitätsinstitut als Begutachterin bei Diplomarbeiten über inter- 4
Hopkinson Smith an der Schola Cantorum Basiliensis studiert. disziplinäre Themen zwischen Musik und Architektur zusammen.
Seit 1990 ist sie stolze Mutter eines Sohnes, Lorenzo, der jahrelang
Schon seit 1984 hat sie – mit der Gründung einer ersten Formation einer der leidenschaftlichsten Anhänger von laReverdie gewesen ist.
des Ensembles laReverdie, zusammen mit Ella de Mircovich und Bei laReverdie erstrecken sich ihre Aufgaben, gemeinsam mit der
einem befreundeten Lautenisten – begonnen, die eigene Musikfor- gleichaltrigen Elisabetta, auch auf die Funktionen Organisation, PR-
schung über die Grenzen der Renaissance hinaus zu betreiben Verantwortliche ebenso wie Transport von Sachen und Personen.
(ein Repertoire, mit dem sie auch solistisch aufgetreten ist), hin zu Übersetzung: Edgar Sallager
der faszinierenden Welt der mittelalterlichen Musik.
Von da an ist ihre Geschichte dem Geschehen der Gruppe gefolgt,
was sie dazu bewogen hat, sich der mittelalterlichen Laute zu wid- Au t o g r a mm e L a R e v e r d i e
men, Gesang zu studieren (bei Elisabetta Tandura) und Psalterium
zu spielen. Mit Leidenschaft der musikwissen­schaft­lichen For-
­schung verbunden, engagiert sie sich immer stärker in der Lehre:
Sie lehrt am Konservatorium »Giuseppe Tartini« in Triest, hält eine
Lehrveranstaltung über mittelalterliche Musik bei der Accademia
Internazionale della Musica di Milano, ist Verantwortliche für das
Laboratorio didattico permanente di Musica Sacra Medioevale –
Alia musica di Parma, lehrt Plektrum-Laute und frühe Nota­tions­­-
kunde an der Staatlichen Hoch­schule für Musik Trossingen, und ist
gemeinsam mit ihrer Schwester Dozentin bei den Corsi Internazionali

- 62 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 63 -


Sonntag, 13.09., 11.00 Uhr schmutzte Noten. Aber gerade deshalb wunderbar und unermess-
Schloss Damtschach lich in ihrem höchst zerbrechlichen Wesen. Wer kann sich das
Recht anmaßen, diese Musik, die vom ENGEL eingegeben wur-
de, heute wieder zum Vortrag zu bringen? Niemand, es sei denn,
La Musique des Anges man ist sich der eigenen Unzulänglichkeit bewusst. Sicherlich
aber jemand, der den Schatz der eigenen Unzulänglichkeit, den
ihm eine vom Gewicht dieser unserer Zeit zerdrückte Feder zuge-
worfen hat, teilen möchte.

Die Hand und der Geist von Ennemond Gaultier »Le Vieux« (dem
Älteren) haben in der vollkommenen Kunst der französischen Lau­
5 Fr a n co Pava n ten­literatur des 17. Jahrhunderts ihre unauslöschlichen Spuren zu- 5
rückgelassen. Das mag eine unumstrittene Feststellung sein, sie ist
aber notwendig. Diese Prägung verdankt sie auch und vor al­lem
der Fähigkeit, dass ihr gelang, den musikalischen Gedanken in eine
Einleitung der Laute gewidmete Sprache zu verwandeln, in eine nie zuvor ge-
kannte Ausdrucksweise, in die Erforschung des Ton­volumens und
Wie wir alle wissen, sind wir in jedem Augenblick des Tages und der Klangfarbe des Instruments, bei der man mit der Schrift in die
der Nacht von Engeln umgeben. Die Engel spielen vorzugsweise tiefen Regionen, ins Herz der Laute eindrang und in berührende
jenes Instrument, mit dem sie Jahrhunderte lang auf Bildern und Gesänge auf der chanterelle (Quint-Saite) ausbrach. Von da her, von
Gemälden dargestellt worden sind: die Laute. Nur für eine kurze einer vollständigen Kenntnis der Leistungs­f ähig­keit der elfchörigen
Zeitspanne gelingt es uns, sie zu hören: eine Note da, jetzt und Laute, entstehen auf diese Weise überraschen­de Harmonieketten,
gleich, eine Note dort, vielleicht Stunden oder Tage später. Viel meisterhafte kontrapunktische Passagen, ergibt sich Auflösung und
von ihrer Musik ist von den großen Komponisten der Vergangen­ Zerfall der Stimmführung bis hin zur Stille. Dies alles – und der
heit auf Papier festgehalten worden. Zuweilen stahlen sie diese argwöhnische, scheue und einsame Ennemond hat daraus nie ein
Musik, entwendeten sie einem Flügelschlag, um sie dem Nichts Geheimnis gemacht – hat er von demjenigen ge­erbt, der in gewisser
zu widmen, einem Gedankenflug, einer aufkommenden Gemüts- Weise sein Meister gewesen war: René Mezangeau. Das merkt man,
regung, einem Schmerz, der allzu tief, oder einer Freude, die all­ wenn man dessen Musik liest, es kommt aber vor allem in dem
zu unverhofft war, als dass man sie nur mit Menschenwörtern außergewöhnlichen Diptychon zum Ausdruck, das Gaultier dem
be­­singen könnte. Es sind, so aufgelesen, von Menschenhand be- Andenken eben jenes Mezangeau gewidmet hat.

- 64 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 65 -


Zu den vielen Verdiensten Ennemonds ist in der Tat auch jenes zu Charles Mouton und Jacques Gallot, der gleichfalls »Le Vieux«
zählen, dass er die lyrische Form des tombeau (Grab­­mal) in Musik genannt wurde. Von beiden besitzen wir verstreute biographische
umgesetzt hat, eine Form, die dann für Jahrhunderte in der Tra- Angaben, doch kennen wir das Sterbedatum nicht, das für beide
dition der abendländischen gehobenen Musik verbleiben sollte. In um die Jahrhundertwende angenommen wird. Mouton verkehrt in
den beiden allemandes, deren erste auch als gigue gespielt werden den Pariser salons, in denen der style précieux vorherrscht, lebt
kann, Le Testament de Mezangeau und Le Tombeau de Mezangeau, aber unabhängig vom Hof, unternimmt Reisen – mit Sicherheit
legt der ältere Gaultier, der im Jahr 1651 in seinem Schloss­ Nèves nach Italien, vielleicht nach Böhmen, zu den Lobkovitz – ist Lauten­
einsam gestorben ist, die Grundlagen einer unsterblichen Poetik fest. lehrer auch anderer Würdenträger, wie René Milleran, und wird
Es ist eine klare, direkte und unmissverständliche Botschaft. Der fünf Jahre nach dem Tod des älteren Gaultier in der Lyrik von
verstorbenen Person wird mit vernünftiger Sehnsucht gedacht – Sarasin als le Mouton fabuleux geschildert. Er hinterließ zwei ge-
man möge mir den Widerspruch nachsehen – die um den modalen druckte Bücher – zwei andere sind verlorengegangen – und zahl-
5 Pol des transponierten Dorischen herum festgemacht ist, welches reiche andere Kompositionen in Manuskripten, die heute über weite 5
wir Modernen in das weit weniger poetische d-moll umändern. Teile Europas verstreut sind. In seiner Musik verschmilzt das Suchen
Man hat ganz deutlich den Eindruck, vor allem im Tombeau, bei nach der colore der Laute mit klareren, sangbareren melodischen
dem die inneren Linien des Kontrapunkts eine grund­legende Auf- Linien, als es die des großen Meisters waren. Doch die Leichtig-
gabe in der Entwicklung des Diskurses durchführen, dass Gaultier keit, mit der es Mouton gelingt, Gaultiers Erbe auf sich zu nehmen,
sich das Erbe des Meisters aufladen will, so wie es für jeden Verstor­ schlägt um, und zwar in dem berührenden Tombeau de Madame, das
benen oder die Person, die wir verlieren, sein sollte. Doch verwan- auch als Tombeau de l’Ange bekannt ist und zum überaus schmerz-
delt das Wunder der Musik von Gaultier diese Last, diese Bürde in lichen Verlust von Henriette d’Angleterre geschrieben wurde. In
einen Hauch von Leichtigkeit, gleichsam in eine Liebkosung. diesem Stück greift der Komponist zur dreiteiligen Form der Pa­
vane, um den musikalischen Diskurs mit mehr Artikulation leiten
Die Wertschätzung, die der Musik des alten Ennemond zuteil zu können. Er geht dabei vom düster feierlichen Anfangsakkord
wurde, ist an der Verbreitung seiner Musik in den Lautenhand- in c-moll bis zu der im dritten Abschnitt konzentrierten climax,
schriften des 17. Jahrhunderts in Frankreich, Deutschland und Eng­ über ein Sich-Haschen von harmonsichen Schattierungen und melo­
land ersichtlich. Aber nicht nur. Wesentliche Merkmale seiner Mu- dische Linien, die unvermutet auftauchen, plötzlich verschwinden
sik lassen sich deutlich in den Werken der großen Lautenisten ab­­­­­- und eine leidvolle Erinnerungsspur zurücklassen. Dieses Stück ist
lesen, die nach ihm kamen. Viele Lautenisten versuchten seinem das Symbol der Kunst von Charles Mouton, und es enthält in ge-
Vorbild nachzueifern, jedoch nur wenige gelangten zu herausra- wisser Weise die sehnsuchtsvollsten und lieblichsten Seiten seiner
genden Ergebnissen. Unter denen, die das Erbe des Älteren wie Musiksprache: die der immerwährenden Liebkosung. Jacques Gal-
eine Liebkosung und nicht wie eine Bürde aufnahmen, waren sicher lot »Le Vieux« lebte etwa zur gleichen Zeit in Paris wie Charles

- 66 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 67 -


Mouton. Auch er gab zumindest einen Band in Druck, ein sehr kost­ Pro g r a mm
bares Büchlein, das zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt
erschien – den Wissenschaftlern zufolge zu Beginn der 1680er I . L e s A n g e s e t l e Pa r a d i s
Jahre – und auch er erlebte, wie sein Werk in zahlreichen sowohl
von Liebhabern als auch von Berufsmusikern verfassten Manu- Ennemond Gaultier
skripten in ganz Europa verbreitet wurde. Er war wohl innerhalb (ca. 1580 – 1651)
der französischen Schule der sorgfältigste und fruchtbarste Kom- 1. Le Testament du Vieux Gaultier
ponist von tombeaux, einer Form, die er nicht nur in der Struktur
der Allemande und der Pavane, sondern auch in der Courante ab- Vieux Gallot
wandelte. In Bezug auf Mouton machte Gallot einen Schritt in (ca. 1625 – 1695)
eine andere Richtung. Seine melodischen Linien erweisen sich als 2. Les Larmes
5 noch sangbarer, und seine Harmonik ist mitunter völlig respektlos. 3. La Comminge 5
Das trifft beispielsweise auf die Chaconne La Comète zu, die von
einem überraschenden Septimakkord ausgeht, oder auf die plötz- Ennemond Gaultier
lichen Übergangsmodulationen von La Moscovitte. In einer der 4. L’Adieu
Hauptquellen von Gallots Werk, dem in Leipzig (Städtische Bi- 5. Tombeau de Mezangeau
bliotheken. Musikbibliothek II.6.14) aufbewahrten Manuskript, 6. Canaries
einem in schöner Handschrift und mit großer Sorgfalt verfassten
Werk, hat eine müde und wohl schon alte Hand die Allemande La
Basilique niedergeschrieben. Dieses Stück ist ein wahres Heiligtum I I . L e s A n g e s e t l a Co m è t e
von Gallots Kunst, verschwenderisch in der Lieblichkeit seiner Har­
monik, im klanglichen Aroma der unvermuteten Unterbrechun­gen Vieux Gallot
der melodischen Linien und der überraschenden Fort­f ührungen. 7. Tombeau du Marechal de Turenne
Eine Synthese der besten Kunst der großen franzö­sischen Meister 8. La Moscovitte
der Laute, die für alle Zeiten unübertroffen bleiben werden. 9. La Comète
Übersetzung: Edgar Sallager

- 68 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 69 -


I I I . L e s A n g e s e t M a da m e Fr a n co Pava n

Charles Mouton Der italienische Lautenist und Theorbist schloss sein Studium der
(1617 – ca. 1700) Laute und Musikwissenschaft in Mailand mit summa cum laude ab
10. Prélude und ist seither mit den wichtigsten italienischen Ensembles im Be-
11. Tombeau de Madame reich der Alten Musik, wie Concerto Italiano, Accordone, La Cap­
12. La Volage pella della Pietà dei Turchini, La Risonanza, La Venexiana sowie
13. La Libertin mit dem Londoner Ensemble Trinity Baroque aufgetreten. Er ar-
14. La belle Florentine beitet mit namhaften Dirigenten wie Rinaldo Alessandrini, Enri-
15. La belle danseuse co Gatti, Alan Curtis, Julian Podger, Roberto Gini, Antonio Flo-
rio, Alessandro Ciccolini und Claudio Cavina zusammen und hat in
5 den bedeutendsten Konzerthäusern weltweit gastiert (u. a. Konzert­ 5
I V. L e s A n g e s s u r l a T e r r e haus und Musikverein Wien, Konzerthaus Berlin, Cité de la Mu-
sique, Paris, Auditorio Nacional, Madrid, Teatro Colon, Buenos
Vieux Gallot Aires, Toppan Hall, Tokyo). Weiters ist er in Uruguay, Chile, Mexi­
16. La Basilique ko, Kolumbien, Brasilien, China, Ägypten und Marokko aufgetreten.

Charles Mouton Franco Pavan hat über 40 CDs aufgenommen (u.a. mit den Platten­
17. Le Doux Hymen firmen Opus 111, Emi und Virgin, Glossa, Cyprès, Cantus, Alpha)
und Preise, wie den Gramophon Award, Diapason d’Or oder Pre-
Monsieur Du Faux mio Vivaldi della Fondazione Cini (Venedig) gewonnen. Weiters hat
18. Sarabande er Aufnahmen für zahlreiche europäische und internationale Ra-
dio- und Fernsehsender eingespielt. Seine Soloaufnahme »Le Mou-
Charles Mouton ton Fabuleux« gewann den »Premio del Disco Amadeus 2009«.
19. L’Heureux Hymen
Er unterrichtet die Fächer Laute und Kammermusik für historische
Musikinstrumente am Konservatorium E. F. Dall’Abaco in Verona
und schrieb musikwissenschaftliche Artikel über die Geschichte der
Laute und die Musik des frühen 17. Jahrhunderts sowie eine Abhand­
lung über neue Dokumente zu Monteverdi und Carlo Gesualdo. Er

- 70 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 71 -


hat an der neuen Ausgabe des »New Grove Dictionary of Music
and Musicians« und an der Enzyklopädie »Die Musik in Geschichte
und Gegenwart« mitgearbeitet. Er ist Mitglied des Re­daktions-
komitees des »Journal of the Lute Society of America«.
Übersetzung: Elisabeth Schleicher

Au t o g r a mm Fr a n co Pava n

5 5

- 72 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 73 -


Sonntag, 13.09., 15.00 Uhr das Kommen des christlichen Erlösers uminterpretiert hat. Lassos
Dom zu Maria Saal Sibyllen-Sprüche glänzen musikalisch vor allem durch eine unge-
wöhnliche Harmonik, die das Rätselhafte dieser Texte auch aku-
stisch illustriert.
... dass tiefes Geheimnis es bleibe.
»Zur absonderlichen Erquickung des Gehörs componirt«

In unserer aufgeklärten, rational durchtechnisierten Welt von


heute gibt es sie kaum noch, die Mysterien, die geheimnisvollen
Dinge, welche man weder erklären noch begründen kann. Und
doch gehört auch das Undefinierbare, nicht in Formeln zu Pres-
R e n n e r E n s e m b l e R e g e n s b u rg sende, Transzendente, der kühlen Analytik Unzugängliche, zu
unserem Leben. »Die Geheimnisse der Lebenspfade darf und kann
6 man nicht offenbaren« sagt Goethe. Aber man kann sie mittels der 6
Kunst vielleicht zum Sprechen bringen und dem Herzen erfahrbar
Einleitung machen.

Orlando di Lasso, der langjährige Münchner Hofkapellmei- Nichts anderes dachte sich wohl auch Heinrich Ignaz Franz
ster, gilt als einflussreichster und bedeutendster europäischer Biber, als er seine Mysteriensonaten komponierte – bezeich-
Komponist am Ende des 16. Jahrhunderts. Im vorliegenden Pro- nenderweise nicht als liturgisches Werk für den gottesdienst-
gramm erklingen seine berühmten »Prophetien der Sibyl- lichen Gebrauch, sondern einerseits als virtuose, allerlei neuar-
len« – zwölf kurze Stücke samt einem Prolog, die in mancherlei tige und höchst expressive Effekte ausprobierende Violinmusik,
Hinsicht rätselhaft sind. Diese Sibyllen waren in der Literatur andererseits als beschaulich-meditative Kammermusik, deren Er-
der Antike so etwas wie »weissagende Frauengestalten«. Eine scheinungsbild jedoch hauptsächlich durch profane Tanzsätze
seltsam verschlossene Welt von Aberglauben, vorchristlichem charakterisiert ist. Wenngleich an einigen Stellen ein gewisser Pa-
Mythos und Orakel tut sich da auf. Auf wundersamen Weg ge- thos nicht fehlt, so begeistert Biber in diesem Zyklus vor allem
langt dieses ursprünglich heidnische Gedankengut ins Christen- durch den unaufdringlich-kunstvollen Umgang mit der Violine
tum. Die zwölf Sibyllen wurden als die Entsprechung der zwölf und die zahlreichen klanglichen Effekte, die er aus ihr herauszau-
Apostel aufgefasst, bei Vergil kann man von einer Sibylle lesen, bert. Ein wichtiges Gestaltungsmittel, dessen er sich dabei be-
die die Geburt eines Kaisersohns voraussagt, was man später auf dient, ist die Technik der scordatura. Durch das Umstimmen der

- 74 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 75 -


Geige in untypische Intervalle entstehen ganz ungewöhnliche Zu- 1670 trat er in den Dienst des Erzbischofs in Salzburg. 1678 erhielt
sammenklänge und Klangfarben, die beispielsweise in der »Him- er dort die Stelle des Vizekapellmeisters, um 1684 die des Kapell-
melfahrts-Sonata XII« den Eindruck von Fanfaren und Trompeten meisters. 1690 verlieh ihm Kaiser Leopold I. ein Adels­prädikat.
erwecken. Ab nun durfte er sich Heinrich Ignaz Franz von Biber nennen. Bis
zu seinem Tod 1704 blieb der Komponist in den Diensten seines
Als Gegensatz zu den kurzen Stücken der »Prophetiae Sibyllarum« Salzburger Dienstherrn.
setzen wir in unserem Programm kurze Madrigale des englischen
Komponisten Gavin Bryars, der auf Anregung des Hilliard Heinrich Ignaz Biber gilt als genialer Violinvirtuose seiner Zeit. Bei
Ensembles einen ganzen Zyklus von Madrigalen auf Texten seines wenigen Geigern und Komponisten vor seiner Zeit findet man so
Freundes Blake Morrison geschrieben hat. Interessanterweise ar- häufig Doppelgriffe, Dreier- und Viererakkorde wie bei Biber. Er
beitete Gavin Bryars an diesem Zyklus immer montags, sein beherrschte, damals selten, das Violinspiel bis in die siebte Lage.
zweiter Madrigal-Zyklus entstand jeweils dienstags und so sollte Die 15 Mysteriensonaten (»Rosenkranzsonaten«), entstanden um 1676,
es die ganze Woche hindurch gehen. Die Harmonik dieser Madri- zählen zu den bedeutendsten Beispielen instrumentaler barocker
6 gale ist in erster Linie schlicht und einfach gehalten, hält aber Stim­­mungs- und Klangkunst. Ihr Thema ist das Leben Jesu und sei- 6
auch Überraschungen bereit, die den Wert und Inhalt des Textes ner Mutter Maria, komponiert in drei Zyklen zu je fünf Sona­ten.
sehr gut zum Tragen bringt. Mys­tischer und musikalischer Höhepunkt dieser anspruchsvollen
Kom­position ist zweifellos die Sonate Nr. XI, während deren Spiel
die Violinsaiten im Wirbelkasten und zwischen Steg und Saiten­
halter vertauscht werden, sodass ein Kreuz (als Symbol für den Kreu­
H. I. F. von Biber und seine Mysteriensonaten zestod Christi und seine überirdische Auferstehung) nicht nur aku-
stisch, sondern auch optisch wahrnehmbar wird. Mit einfallsreichen
Heinrich Ignaz Franz von Biber (1644 – 1704) war ein böhmischer und anspruchsvollen Klangmitteln komponiert (zB das ab­sichtliche
Komponist und zählte zu den virtuosesten Geigern der Barockzeit. Verstimmen der Violine), verlangen die Mysteriensonaten vom In-
In einem Jesuiten-Gymnasium erhielt er seine musikalische Aus- terpreten bedeutende technische und künstlerische Fähigkeiten.
bildung. 1668 bekam er seine erste Anstellung als Hof-Musiker und Die Sonaten I – V sind freudenreichen Mysterien gewidmet: von der
Kammerdiener eines hohen Geistlichen in Olmütz, Mähren. Von Verkündigung bis zur Kindheit Jesu. Die nächsten Sonaten VI – X
einer Reise nach Innsbruck kehrte er unerlaubterweise nicht zurück. bringen die schmerzhaften Mysterien des Leidens zum Ausdruck:
Auf dieser Reise kam er mit dem zu seiner Zeit berühmten Gei- von der Passion bis zur Kreuzigung. Die letzten fünf Sonaten XI –
genbauer Jakobus Stainer in Kontakt, der ihn später in einem XV bringen die glorreichen Mysterien von der Auferstehung Jesu
Schreiben als »der vortreffliche Virtuos Herr Biber« erwähnte. Ab bis zur Himmelfahrt und Krönung Mariä zum Ausdruck.

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Pro g r a mm Orlando di Lasso
(1532 – 1594)
Orlando di Lasso Prophetiae Sibyllarum
(1532 – 1594) 11. Sibylla Samia
Prophetiae Sibyllarum 12. Sibylla Cumana
Carmina chromatico 13. Sibylla Hellespontica
1. Sibylla Persica 14. Sibylla Phrygia
2. Sibylla Libyca
Gavin Bryars
Heinrich Ignaz Franz Biber (*1643)
(1644 – 1704) aus: First Book of Madrigals
1676: 15 Mysteriensonatas (Rosenkranzsonaten) 15. Nr. 7 She’d buy things
Ankündigung der Geburt Christi durch den Erzengel Gabriel 16. Nr. 8 All the homely arts and crafts
6 3. Praeludium, 17. Nr. 10 Who’s the more to blame 6
4. Variatio. Aria Allegro
5. Finale Orlando di Lasso
(1532 – 1594)
Orlando di Lasso Prophetiae Sibyllarum
(1532 – 1594) 18. Sibylla Europaea
Prophetiae Sibyllarum 19. Sibylla Tiburtina
6. Sibylla Delphica 20. Sibylla Erythraea
7. Sibylla Cimmeria 21. Sibylla Agrippa

Gavin Bryars
(*1643)
aus: First Book of Madrigals
8. Nr. 1 Web
9. Nr. 2 Stormy
10. Nr. 3 Almond Tree

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texte Viele tragen mühsam. Allein, es ist genug, den Spruch zu bannen
in dieses Wort: Jener Göttliche wird hervorgeh’n aus der Jungfrau
Orlando di Lasso – Prophetiae Sibyllarum Schoß.

Prolog
Carmina chromatico quae audis modulata tenere, 2. Sibylla Libyca
Haec sunt illa, quibus nostrae olim arcana salutis
Bis senae intrepido, cecinerunt ore sibyllae. Ecce dies venient, quo aeterno tempore princeps
iradians sata laeta viris sua crimina tollet,
Die Weissagungen, die Du hörst, lumine clarescet. cuius synagoga recenti
Gesungen in chromatischem Satz, sordida, qui solus reserabit labra reorum.
Dies sind jene mit denen aequus erit cunctis, gremio rex membra reclinet
Einst die Geheimnisse unseres Heils reginae mundi, sanctus per secula vivus.
6 Zweimal sechs Sibyllen verkündeten 6
Mit unerschrockenem Munde. Siehe, der Tag kommt herbei, da für alle Ewigkeit der Fürst
dem Erdkreis schenkt große Freude, allen Sündern ihre Schuld
wegnimmt, strahlend in Licht getaucht. Und seine Gemeinschaft
1. Sibylla Persica wird gar schnell Sündenlast ohne Zahl fortnehmen vom Herzen der
Menschen. Gnädig ist er allein. Und es kommt der Fürst aus dem
Virgine matre satus pando residebit aselo, Schoß der Himmelskönigin, heilig zum ewigen Leben.
jucundus princeps, unus qui ferre salutem
rite queat lapsis tamen illis forte diebus.
Multi multa ferent imensi fata laboris. 6. Sibylla Delphica
Solo sed satis est oracula prodere verbo:
ille deus casta nascetur virgine magnus. Non tarde veniet, tacita sed mente tenendum
hoc opus, hoc memoria semper, qui corde reponet,
Kommen wird der Jungfrau Sohn, sitzend auf dem Rücken des Esels. huius pertendant cor gaudia magna prophetae
Der herrliche Fürst, er allein kann bringen das Heil, eximia, qui virginea conceptus ab alvo
kraftvoll und stark, in die ach so flüchtigen, dunklen Tage. prodibit, sine contactu maris omnia vincit
hoc naturae opera, at fecit, qui cuncta gubernat.

- 80 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 81 -


Nicht spät wird es kommen, 8. aus: First Book of Madrigals – Nr. 1 Web
aber schweigend im Sinne zu behalten ist dieses Werk.
Wer dies immer im Herzen behält, dessen Herz werden die The spider’s lurking-parlour
großen Freuden eines außerordentlichen Propheten durch- its vestibule of thread
dringen, der von jungfräulichem Leib empfangen hervorgehen wird, the spin of its walls
ohne Berührung eines Mannes; dies wird alle Werke der Natur über­ closing in and round us
winden. geschaffen hat es aber, der alles regiert. until the hall we entered
hoping to visit life
becomes the manor of our death.
7. Sibylla Cimmeria No skylight over the door
no flue of air
In teneris annis facie insignis honore only the trap of shadows
militiae aeternae regem sacra virgo cibavit and darkness ripening
6 lacte suo, per quem gaudebunt pectore summo in the heart of the sun. 6
omnia, et eoo lucebit sydus ab ore
mirificum. sua dona magi cum laude ferentes Der Spinne Lauer-Salon
objicient puero myrham, aurum, thura sabaea. Ihr Vestibül aus Garn
Der Dreh ihrer Wände
Im zartesten Alter, strahlend das hell Gesicht, Kommt näher und umschliesst uns
zum Jubel der himmlischen Heerscharen Bis die Halle die wir betraten
hat die heil’ge Jungfrau mit ihrer Milch ihn genährt, Mit der Hoffnung auf leben
durch den erfreuet wird im Herzen alle Welt. Zum Gutshaus unseres Todes wurde.
Und durch sein Licht wird hell der Himmel im Umkreis gar Kein Oberlicht über der Tür
wunderbar. Ihre Gaben bringen lobend die Könige, herschaffen Kein Luftschacht
sie für das Kind Myrthe, Goldstaub, Weihrauch von Saba. Nur die Schattenfalle
Und Dunkelheit reift
Im Herzen der Sonne.

- 82 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 83 -


9. aus: First Book of Madrigals – Nr. 2 Stormy 10. aus: First Book of Madrigals – Nr. 3 Almond tree

I should have seen from your eyes We met under the fork of an almond tree
and the lightning which broke in them as March came slowly into leaf.
the storms that lay ahead. Our love blossomed like a snow-storm.
White confetti paved the street.
The white ecstasy of bedsheets,
smashed pots and broken furniture What are we to do now autumn’s here?
the forked static of your touch. Your eyes are cold, my arms have shrunk.
The years seem a tangle of dry twigs.
But storms pass like headaches do. Can we through them without love?
Today the rain, in carpet-tacks.
Alone together, we watch the rain. Wir trafen uns unter der Gabelung eines Mandelbaumes,
6 Als sich der März langsam auf den Blättern zeigte. 6
Ich hätte es in deinen Augen Unsere Liebe blühte wie ein Schneesturm auf.
Und dem Blitzschlag in ihnen sehen sollen Weißes Konfetti pflasterte die Strasse.
Welche Stürme vor uns lagen.
Und jetzt, da der Herbst da ist, was tun wir jetzt?
Die grell weisse Extase von Bettüchern Deine Augen erkaltet, meine Arme geschrumpft.
Zerschmissene Vasen und zerbochene Möbel Die Jahre scheinen wie ein Bündel Reisig.
Die gezackte Spannung deiner Berührung. Kommen wir durch sie hindurch ohne Liebe?
Aber Stürme vergehen so wie Kopfweh’
Heut der Regen, wie Teppichnägel.
Alleine zusammen beobachten wir ihn.

- 84 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 85 -


11. Sibylla Samia Nun werden sicher bleiben und wahr meine heiligsten Worte,
die da verkündigten und zeigten das Kommen des Königs,
Ecce dies, nigras quae tollet laeta tenebras, der naht, die Welt zu erlösen und Frieden bringt allen.
mox veniet solvens nodosa volumina vatum Nach seinem Willen in Gestalt der Menschen, bescheiden,
gentis Judaeae. Referent, ut carmina plebis in aller Niedrigkeit. Rein ist die Jungfrau, die er zur Mutter wählt.
In heiliger Gestalt besiegt er dann alle.

hunc poterunt, clarum virorum tangere regem,


humano quem virgo sinu inviolata fovebit. 13. Sibylla Hellespontiaca
Annuit hoc coelum, rutilantia sidera monstrant.
Dum meditor quondam, vidi decorare puellam
Siehe, heller Tag, der von uns nimmt Nacht und Dunkelheit, eximio castam, quod se servaret honore
kommt bald herauf. Er wird auflösen geheimnisvollen Spruch im munera digna suo et divino numine visa
6 Volk der Juden. Er deutet wie Volkesmund getreulich weitergibt, quae sobolem multo pareret splendore micantem 6
auf die Ankunft des herrlichen Königs, den an ihrer Menschenbrust progenies summi speciosa et vera tonantis
die gebenedeite Jungfrau nährt. Das kündet der Himmel, pacifica mundum, qui sub ditione gubernet.
es verkündigen leuchtend die Sterne.
Da ich nachsann einstmals, sah ich, wie sich schmückte die
Jungfrau, die herrliche, die reine, um zu bewahren in Ehren Gaben,
12. Sibylla Cumana die würdig ihrer und Zeichen des göttlichen Willens.
Den Sohn wird sie uns gebären in seinem Glanze strahlend,
Iam mea certa manent et vera novissima verba, der ausgeht vom Höchsten, auserwählt und wahrhaftig,
ultima venturi quod erant oracula regis, voll Gewalt und friedevoll ewig, der in der Herrlichkeit regieret.
qui toti veniens mundo cum pace placebit,
ut voluit nostra vestitus carne decenter,
in cunctis humilis. Castam pro matre puellam
deliget. Haec alias forma praecesserit omnes.

- 86 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 87 -


14. Sibylla Phrygia 16. aus: First Book of Madrigals –
Nr. 8 All the homely arts and crafts
Ipsa Deum vidi summum punire volentem
mundi homines stupidos et pectora caeca rebellis, All the homely arts and crafts –
et quia sic nostram complerent crimina pellem. the soft plinth of a tounge,
Virginis in corpus voluit demittere coelo the Guggeheim of an ear,
ipse Deus prolem, quam nunciat angelus alma the weave of hands and hair –
matri quo miseros contracto sorte lavaret. are nothing next to the science
of these eyes unseen until tonight,
Selber schaut ich Gott, den Höchsten, this lip lightly charred from
da er strafen wollte aller Menschen groß Eitelkeit the soft combustion of a kiss.
und auch die verblendeten Sünder,
weil nunmehr gefüllt ist das Maß der Missetat und Schuld. Alle schlichten Künste und Fertigkeiten –
6 In den Leib der Jungfrau wollte dann herniedersenden Gott voll die weiche Plinthe einer Zunge, 6
Erbarmen den Sohn, wie es verkündet Engelsmund der Mutter, das Guggenheim eines Ohres,
die Sünder allzumal selig zu machen. das Gespinst aus Händen und Haaren –
sind nichts im Vergleich zur Wissenschaft
dieser bis heute Nacht ungesehenen Augen,
15. aus: First Book of Madrigals Nr. 2 Stormy dieser Lippe, leicht verkohlt von
der weichen Verbrennung eines Kusses.
She ’d buy things, expecting our lives to flourish
because the objects surrounding them had changed.
My line was different: no matter how and where 17. aus: First Book of Madrigals
we lived, we were what we were, unalterably. Nr. 10 Who’s the more to blame?

Sie kauft Dinge, erwartet unser Leben aufzublühen Who’s the more to blame?
denn die Objekte der Umgebung hatten sich verändert. You for having eyes
Mein Grundsatz war ein anderer: egal wie und wo a soul could drown in?
wir lebten, wir waren wie wir waren, unveränderlich. Or me for falling in?
Let’s not argue who’s to blame.

- 88 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 89 -


The only points at issue 18. Sibylla Europæa
are the ones that shrink
and widen in your eyes. Virginis aeternum veniet de corpore verbum
purum, qui valles et montes transiet altos,
My eyes have grown dim ille volens etiam stellato missus olympo,
from patrolling the days
like a camera lens,
trawling for your eyes. edetur mundo pauper, qui cuncta silenti
rex erit imperio. Sic credo et mente fatebor:
Here ’s you in New York humano simul et divino semine natus.
Here ’s you in London.
Your eyes are everywhere. Aus dem Leib der Jungfrau wird kommen das ewige und reine Wort.
Where are your eyes? Der über Täler und hohe Berge steigt, jener Starke,
6 der fürwahr vom hohen Sternenzelt herkommt, tritt in die Welt 6
Wer hat denn nun größere Schuld? als Armer, der ganz voller Stille wird allmächtiger König sein.
Du, weil du Augen hast in denen eine Seele ertrinken könnte? So glaub ich und sage es allen: ein Mensch ist zugleich aus
Oder ich, weil ich hineingefallen bin? göttlichem Samen entsprossen.
Eigentlich ist es ganz egal.
Die einzigen Punkte die zählen sind die,
die in deinen Augen schrumpfen und wachsen. 19. Sibylla Tiburtina

Meine Augen sind trübe geworden, Verax ipse Deus dedit haec mihi munia fandi
da sie während der Tage auf Streife gingen carmine, quod sanctam potui monstrare puellam.
wie eine Kameralinse, Concipiet, quae nazareis in finibus illum,
auf der Suche nach deinen Augen. quem sub carne Deum bethlemitica rura videbunt.
o nimium felix, coelo dignissima mater,
Du, in New York quae tantam sacro lactabit ab ubere prolem.
Du, in London.
Deine Augen sind überall.
Wo sind deine Augen?

- 90 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 91 -


Wahrheit einzig von Gott hat mir gegeben Kräfte, zu reden durch 21. Sibylla Agrippa
mein Lied, dass heilig ich vermocht zu zeigen die Jungfrau wie sie
empfing in Nazareths kargen Gefilden jenen, de rim Fleische Summus erit sub carne satus, charissimus atque
virginis et vere complevit viscera sanctum
Gott war und den Bethlehems Felder erblickten. O allerseligste, verbum consilio sine noxa spiritus almi,
himmlisch gesegnete Mutter, die du ein solches Kind nährest an despectus multis tamen ille salutis amore
heiligen Brüsten. arguet et nostra commissa piacula culpa,
cuius honos constans et gloria certa manebit.

20. Sibylla Erithrea Höchster ist, der im Fleische Mensch ward, und Teuerster wahrlich,
jungfräulich wird er dann erfüllen heil‘gen Leib als Gottes Wort,
Cerno Dei natum, qui se dimisit ab alto. nach seinem Rat ohne Schaden. Doch den Geist Gottes verachten viele,
Ultima felices referent cum tempora soles. jener aus Liebe zum Heil wird aufdecken all unsre große Sünde
6 Hebraea, quem virgo feret de stirpe decora, und schwere Missetat. Denn sein Lob ist ewig und herrlich bleibt 6
in terris multum teneris passurus ab annis, immerdar sein Ruhm.
magnus erit tamen hic divino carmine vates,
virgine matre satus, prudenti pectore verax.

Ich schaue Gottes Sohn, wie er herabsteigt vom Himmel. R e n n e r E n s e m b l e R e g e n s b u rg


Dann werden in Glück verwandelt sein die düsteren Zeiten.
Den die hebräische Magd hervorbringt aus edlem Stamm, Musikalische Vielfalt und klangliche Perfektion waren die Ziele,
auf Erden wird von Anbeginn er groß‘ Leiden tragen. als Bernd Englbrecht 1987 das Renner Ensemble Regensburg, be-
Mächtig sieht ihn dennoch im göttlichen Liede der Seher, nannt nach dem Regensburger Domorganisten und Komponisten
denn es ist der Jungfrau Sohn mit Weisheit angetan wahrlich. Josef Renner (1868 - 1934), gründete. Von Anfang an verstand
es das junge Ensemble, dessen Mitglieder ihre musikalische Aus-
bildung am Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen
erhielten, auf international höchstem Niveau zu musizieren. Prä-
mierungen und Preise bei zahlreichen Wettbewerben und Festi-
vals weltweit unterstreichen dies eindrucksvoll.

- 92 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 93 -


Seit 2003 leitet nunmehr Jörg Genslein die Geschicke des Ensem- Kammerchor, dessen 1. Dirigent er ist, und Dirigenten wie Riccardo
bles, das durch seine große Vielseitigkeit besticht: Das Reper- Chailly, Adam Fischer oder Herbert Blomstedt. Im Mai 2008 wurde
toire umspannt Chorwerke für Männerstimmen quer durch die Jörg Genslein zum neuen künstlerischen Leiter des renommierten
Jahrhunderte - von früher mittelalterlich Mehrstimmigkeit über überregionalen Kammerchores »Thüringischer Akademischer
Werke der Renaissance und der Romantik bis hin zu experimen- Singkreis« (TASK) gewählt.
teller zeitgenössischer Vokal-Avantgarde, wobei das Hauptau-
genmerk auf kontrastreiche Programme, auf Neuentdeckungen, Die Biografien von Judith und Tineke Steenbrink finden Sie auf
die mit Altbekanntem korrespondieren, gerichtet ist. Seite 41.

Jörg Genslein Au t o g r a mm e R e n n e r E n s e m b l e R e g e n s b u rg
In Bamberg geboren, erhielt Jörg Genslein seine erste musika-
lische Ausbildung bei den Regensburger Domspatzen. Nach dem
6 Abitur studierte er zunächst zwei Jahre lang Gesang bei Agnes 6
Abele-Habereder an der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg.
Im Oktober 2002 wechselte er nach Dresden und nahm dort das
Studium der Chorleitung bei Prof. Hans-Christoph Rademann
auf, das er im Mai 2007 erfolgreich abschloss.

Als Nachfolger von Prof. Dr. Bernd Englbrecht leitet Jörg Gens­
lein seit September 2003 die Geschicke des Renner Ensemble
Regensburg, mit dem er schon mehrere erste Preise bei interna-
tionalen Wettbewerben gewinnen konnte. Konzertreisen führten
nach Frankreich, England, in die Schweiz und nach Südostasien.
Ein weiteres Ergebnis dieser Arbeit liegt nun mit der aktuell vor-
liegende CD-Einspielung »...wallen Engel durch das Korn...« mit
Werken von Max Reger und Hugo Wolf vor.

Jörg Genslein folgte Einladungen zur Zusammenarbeit mit bedeu­


tenden Klangkörpern wie dem RIAS Kammerchor, dem Dresdner

- 94 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 95 -


Sonntag, 13.09., 19.00 Uhr
Stiftskirche St. Georgen am Längsee

The Italian legacy alive Einleitung

Licht und Schatten. Leben und Tod. Himmel, Hölle, Fegefeuer.


Italien im 17. Jahrhundert. Oper, heilige Kirche, Bordelle, Heilige,
Prostituierte, Prima pratica, Seconda pratica, Kastraten, Mörder,
Schönheit und Schwarzer Tod.
Eine Gesellschaft, in der die Nähe zum Tod das Leben prägte.
M e l o p o e t i c a & C l a r e Wi l k i n s o n
Die Möglichkeit des Vergleichs, oder vielmehr die Feststellung,
dass Klangfarben und Noten im Hinblick auf das musikalische
Pathos durchaus unterschiedliche Wirkungen entfalten, begrün-
7 Barbara Barros, Sara Deborah Struntz: Barockvioline dete im barocken Denken einen der fundamentalen Gegensätze 7
Iason Ioannou: Barockcello der damaligen Zeit: Chiaro e Scuro – Hell und Dunkel. In der Mu-
Erik Dippenaar: Cembalo, Orgel sik manifestierte sich dieser Kontrast in vielfältiger Weise: kurze
Clare Wilkinson: Mezzosopran und lange Notenwerte, schnell und langsam, leicht und schwer,
forte und piano, bis hin zu Dur- und Molltonarten. Philosophisch
betrachtet sind beide nur Seiten einer Medaille, die unweigerlich
auf dasselbe Ziel zulaufen – und doch sind es gerade das jederzeit
mögliche Drehen der Münze, Gegenüberstellung und Wechsel-
spiel, die Musik entstehen lassen.

Einen ersten Einblick in das Chiaro vermittelt uns die Arie von
La Musica aus dem Prolog in Monteverdis Oper L'Orfeo (1607).
La Musica (die Musik in Person) teilt uns mit, dass sie von Orpheus
singen möchte, der mit seinem Gesang wilde Tiere bändigen und
selbst die Unterwelt verzaubern konnte. Sie versichert uns, dass

- 96 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 97 -


sie die Macht habe, selbst ungerührte Herzen mit Ruhe, Zorn oder Konzert mit der Klage eines weiteren verlassenen Liebenden: mit
Liebe zu erfüllen. Einer dunkleren Note bzw. mehr dem Scuro Vivaldis Kantate Cessate, omai cessate. Diesmal ist der Liebende
erhaftet, zeichnet sich Dario Castellos Sonata IV durch die für männlichen Geschlechts; er bedient sich jedoch für seine Klage
den damaligen Stylus Phantasticus so typische Kombination aus der weiblichen Stimme, da die Ausführung von Klagegesängen,
dramatischer Klage und sanfteren Harmonien aus. Se l’Aura Spira, oftmals an Irrationalität und Wahnsinn grenzend, traditionell eine
ein gewinnendes Stück über Glück und Freuden der Liebe, kom- Domäne der Frauen war. Denken wir daran, dass Orpheus, von
poniert von einem der Väter der italienischen Musik, wie Girola- dem La Musica zu Beginn des Abends sang, von den weiblichen
mo Frescobaldi seinerzeit beschrieben wurde, sorgt als musika- Mänaden zerrissen wurde, als er seine Klage anstimmte.
lische Retrospektive in dieser ersten Hälfte unseres Konzerts für
einen Moment der Besinnung. In gewohnter Eloquenz schließt Wir hoffen, mit unserer Musik in Ihnen gleichermaßen lichte und
Castello mit einem denkbar verblüffenden und dissonanten Fuga- dunkle Emotionen wecken zu können...
to an, auf das ein Stück im charakteristischen venezianischen
Stylus Phantasticus mit wechselnden Allegros und Adagios folgt, die Io La Musica son... et hor di nobil ira, et hor d’amore posso infiammar
in einer der surrealsten, wenn nicht magischsten Schlusspassagen le più gelate menti... Hor, mentre i canti alterno, hor lieti, hor mesti,
des 17. Jahrhunderts gipfeln. Es folgt Marinis Sonata Sopra, ein non si mova augellin fra queste piante...
7 ausgesprochen improvisatorisches Stück, wenn auch als Sonata da 7
chiesa und damit als sakrales Werk komponiert, dessen Harmonien Übersetzung: Almut Lenz-Konrad
für das Hören in andächtiger Versenkung bestimmt waren.

Der zweite Teil unseres Konzerts beginnt hell und hoffnungsvoll


mit Merulas bekannter Ciaccona. Dunkler wird es erneut mit Bo-
noncinis Kantate Il Lamento d’Olympia (1721), der leidenschaft-
lichen Klage der Olimpia, zwischen Kummer und Zorn schwan-
kend, als sie erwacht und entdeckt, dass ihr Geliebter sie verlassen
hat. Vivaldis Sonata IX für Cello nimmt die Form einer Kammer-
sonate oder Suite an und lässt uns mit ihrem grüblerischen, kla-
genden Charakter, trotz ihrer tänzerischen Elemente, noch im
Reich des Scuro verweilen. Die Triosonate in d-Moll von Locatel-
li kombiniert zwei dramatische und dissonante Sätze mit einer
überraschend in Dur abschließenden Pastorale. Wir beenden das

- 98 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 99 -


Pro g r a mm Paus e

Italiens lebendiges Erbe - Chiaro e Scuro Tarquinio Merula


(1670-1747)
Claudio Monteverdi 7. Ciaccona
(1567 – 1643)
1. Prologo: La Musica aus L’ Orfeo (1607) Giovanni Bononcini
(1670 - 1747)
Dario Castello 8. Il Lamento d’Olimpia
(ca. 1590 – ca. 1630) Cantata à voce sola con violini
2. Sonata Duodecima
Antonio Vivaldi
Girolamo Frescobaldi (1678 – 1741)
(1583 – 1644) 9. Sonata IX
3. Se l'Aura Spira Per violoncello solo RV 42
7 7
Dario Castello Pietro Locatelli
(ca. 1590 – ca. 1630) (1695 – 1764)
4. Sonata II 10. Sonata V in D
Sonate concertate in stil moderno, 1629, Venedig Opera Quinta

Biagio Marini  Antonio Vivaldi


(1594 – 1663 ) (1678 – 1741)
5. Sonata sopra fugge dolente 11. Cessate, omni cessate
Sonate da Chiesa e da Camera, Opera XXII, Venedig omai cessate, Cantata RV 684

D. Agostino Olivero
(1594 – 1663 )
6. Laudate pueri Dominum floruit
1667

- 100 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 101 -
texte Prolog: Die Musik aus L’ Orfeo (1607)

1. Prologo: La Musica aus L’ Orfeo (1607) Von meinem geliebten Permessos komme ich her zu euch,
Ruhmreiche Helden, edles königliches Geblüt,
Dal mio Permesso amato a voi ne vegno, Von deren vortrefflichen Ruhmestaten die Legende berichtet
Incliti eroi, sangue gentil di Regi, Und doch nicht an die Wahrheit herankommt,
Di cui narra la Fama eccelsi pregi, weil das Ziel zu hoch ist.
Né giunge al ver perch’è tropp’alto il segno.
Ich bin die Musik, und ich vermag mit süßen Tönen
Io la Musica son, ch’ai dolci accenti Jedes betrübte Herz zu besänftigen,
So far tranquillo ogni turbato core, Und bin imstande, bald aus edlem Zorn und bald aus Liebe
Et hor di nobil ira, et hor d’amore Die frostigsten Gemüter zu entflammen.
Posso infiammar le più gelate menti.
Zu einer goldenen Leier singend,
Io su cetera d’or cantando soglio Pflege ich zuweilen dem Ohr der Sterblichen zu schmeicheln,
7 Mortal orecchia lusingar talora, Und auf diese Art und Weise mache ich 7
E in questa guisa a l’armonia sonora Den Seelen mehr Lust auf die harmonischen Klänge
De la lira del Ciel più l’alme invoglio. der himmlischen Lyra.

Quinci a dirvi d’Orfeo desio mi sprona, Hier von Orpheus euch zu erzählen, drängt es mich,
D’Orfeo che trasse al suo cantar le fere, Von Orpheus, der mit seinem Singen die wilden Tiere anlockte
E servo fe ’ l’Inferno a sue preghiere, Und die Unterwelt seinen Bitten Untertan machte,
Gloria immortal di Pindo e d’Elicona. Unsterblicher Ruhm des Pindos und des Helikon.

Hor mentre i canti alterno, hor lieti, hor mesti, Wenn ich nun die Gesänge, fröhliche und traurige,
Non si mova augellin fra queste piante, im Wechsel vortrage,
Né s’oda in queste rive onda sonante, Soll kein Vöglein in diesen Bäumen herumfliegen,
Et ogni Auretta in suo camin s’arresti. Noch soll man an diesen Ufern eine Welle rauschen hören,
Und aller Lufthauch soll auf seinem Weg innehalten.

- 102 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 103 -
3. Se l'Aura spira Wenn das Lüftchen weht

Se l'aura spira tutta vezzosa, Wenn das Lüftchen gar lieblich weht,
La fresca rosa ridente sta. Freut sich die frische Rose.
La siepe ombrosa di bei smeraldi Die schattige Hecke hat keine Angst
D'estivi caldi timor non ha. Vor schönen Smaragden sommerlicher Hitze.

A’ balli, a’ balli liete venite, Zu den Tänzen, zu den fröhlichen Tänzen kommt,
Ninfe gradite, fior di beltà, Liebe, allerschönste Nymphen,
Or che sì chiaro il vago fonte Wo nun so klar der liebliche Quell
Dall'alto monte al mar sen va. Hoch vom Berg zum Meer hin fließt.

Suoi dolci versi spiega l'augello, Seine zärtlichen Rufe bringt der Vogel dar,
E l'arbuscello fiorito sta. Und das Bäumchen steht voll in Blüte.
Un volto bello all'ombra accanto Ein schönes Gesicht im Schatten nebenan
7 Sol si dia vanto d'aver pietà. Allein möge stolz sein, Mitleid zu haben! 7

Al canto, al canto Ninfe ridenti, Zum Gesang, zum Gesang, fröhliche Nymphen,
Scacciate i venti di crudeltà. Verjagt die Winde von Grausamkeit!

- 104 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 105 -
6. Laudate pueri Dominum floruit Er wohnt im Himmel,
er schaut in die Tiefe auf Himmel und auf Erde hinab,
Laudate pueri Dominum, laudate nomen Domini. er richtet den Schwachen von der Erde auf und den Armen,
Sit nomen Domini benedictum ex hoc nunc et usque in saeculum. der im Schmutz liegt,
A solis ortu usque ad occasum laudabile nomen Domini. um ihm einen Platz bei den Fürsten seines Volkes zu geben.
Excelsus super omnes gentes Dominus et super caelos gloria eius. Er lässt die unfruchtbare Frau im Hause wohnen,
sie Mutter werden und an ihren Kindern freuen.
Quis sicut Dominus Deus noster, qui in altis habitat;
Qui humilia respicit in caelo et in terra; Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist.
Suscitans a terra inopem et de stercore erigens pauperem, Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit.
Ut collocet eum cum principibus populi sui; Amen.
Qui habitare facit sterilem in domo matrem filiorum laetantem.
Übersetzung: Felix Kucher
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto,
sicut erat in principio et nunc et semper, et in saecula saeculorum.
7 Amen 7

Lobet, ihr Diener, den Herrn, lobt seinen Namen.


Der Name des Herrn sei gepriesen
von nun an bis in Ewigkeit.
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang
sei der Name des Herrn gelobt.

Der Herr ist erhaben über alle Völker,


sein Ruhm übersteigt die Himmel.
Wer ist wie Gott, unser Herr?

- 106 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 107 -
8. Il Lamento d’Olimpia Olympias Klage

R e c i tat i vo R e z i tat i v

Le tenui ruggiade Scotea dal carro d’or Zarten Tau aus dem goldenen Wagen schüttelte
Su’l erbe e i fiori la rubiconda Aurora Auf Gräser und Blumen die rötliche Aurora,
Allor ch’Olimpia, non ben desta ancora Als Olympia, noch gar nicht richtig wach,
Dell amante infedele Vom untreuen Geliebten
Vedove a un tratto ritrovò le piume. Das Lager plötzlich verlassen fand.
Sciolse la tema dell’incerto danno Es löste die Furcht vor dem ungewissen Verlust
Le reliquie del sonno in su’i vei lumi Die Reste des Schlafs in den schönen Augen auf,
E sospesa e tremante Und ratlos und bebend,
Dal lido alletto e dalla selva al lido Vom lieblichen Strand und vom Wald zum Strand
Chiamando il nome infido Rief sie den treulosen Namen,
Poiche più volte riporto Und nachdem sie mehrere Male
7 Le piante su la cima d’un Sasso, il guardo fisse Auf den Gipfel eines Felsen hinauf gerannt war, 7
Entro l’aere dubviosa e fra mille lamenti Starrte sie zweifelnd in die Lüfte
Queste all aure spiegò voci dolente. und brachte unter tausend Klagen
Betrübt dem Windhauch folgende Worte dar:

- 108 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 109 -
Aria Arie

Vasto mar Weites Meer,


Balze romite Einsame Abstürze,
Deh’ mi dite Ach, sagt mir doch,
Il mio bene ov’è che fà. Wo mein Liebster ist, was er macht!
Onde quiete Friedliche Wellen,
Aure serene Heitere Brise,
Erbe fiori Gräser, Blumen,
Ombrose piante Schattige Bäume:
Il mio bene se sapete Wenn Ihr etwas von meinem Liebsten wisst,
Rispondete per pietà. Dann habt Erbarmen und gebt mir Antwort!

7 7

- 110 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 111 -
R e c i tat i vo R e z i tat i v

Lassa che con la luce Ermattet, da mit dem Licht


La mia doglia s’avvanza Mein Schmerz auch zunimmt,
Io veggio, oh Dio veggio le gonfie Sehe ich, o Gott, sehe ich, wie die geblähten,
Ingannatrici vele dello Sposo infedele Betrügerischen Segel des treulosen Gatten
Fuggir per l’acque e portar lunge il vento Über die Wasser entfliehen, und wie der Wind
Colla nave Spergiura il mio lamento. Mit dem meineidigen Schiff meine Klage ins Weite trägt.
Queste (Bireno ingrato) son le promesse, Sind das, undankbarer Bireno, die Vesprechungen?
Il fido amore è questo? Ist das die treue Liebe?
Quanti, quanti pur dianzi Wieviel, wieviele Eide hast du nicht vor kurzem noch
Sotto il silenzio dell ombrosa notte In der Stille der schattigen Nacht
E il tremolar delle invocate stelle Und unter dem Glitzern der angerufenen Gestirne
Giuramenti non fè d’esser costante? Geschworen, du würdest beständig sein?
Misera Olimpia abbandonata amante, Unglückliche Olympia, verlassene Geliebte!
7 In qual mente, in qual seno In welchem Geist, in welchem Busen 7
Più luogo aurà la vereconda fede Kann denn die schamhafte Treue mehr Platz haben,
S’io son schernita e m’ingannò Bireno. Wenn ich verhöhnt werde und Bireno mich betrogen hat?

Aria Aria

Quando dicea d’amarmi Als er sagte, er liebe mich,


Allor volea lasciarmi Da wollte er mich verlassen,
E mi tradiva allor. Und da betrog er mich.
Di mille inganni fabro Von tausend Täuschungen die Schöpferin,
Fede giurava il labbro Schwor Treue die Lippe
Ed era infido il cor. Und war untreu das Herz.

- 112 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 113 -
11. Cessate, omni cessate Hört auf, hört auf jetzt!

R e c i tat i vo R e z i tat i v

Cessate, omai cessate, Hört auf, hört auf jetzt,


Rimembranze crudeli Schmerzliche Erinnerungen
D’un affetto tiranno; An eine tyrannsiche Leidenschaft!
Già barbare e spietate Ihr habt mir doch schon,
Mi cangiaste i contenti grausam und unbarmherzig,
In un immenso affanno. Die Freuden
Cessate, omai cessate In einen riesigen Kummer verwandelt.
Di lacerarmi il petto, Hört auf, hört auf jetzt, mir die Brust zu zerreißen,
Di trafiggermi l’alma, Mir die Seele zu durchbohren,
Di toglier al mio cor riposo e calma. Meinem Herzen Rast und Ruhe zu nehmen!
Povero core afflitto e abbandonato, Armes betrübtes und verlassenes Herz,
7 Se ti toglie la pace Wenn eine tyrannische Leidenschaft 7
Un affetto tiranno, Dir den Frieden nimmt,
Perché un volto spietato, un’alma infida, Weil ein mitleidloses Gesicht, eine treulose Seele
La sola crudeltà pasce ed annida. Grausamkeit allein nur nährt und hegt!

- 114 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 115 -
Aria Arie

Ah, ch’infelice sempre Ach, immer unglücklich


Mi vuol Dorilla ingrata; Will mich die undankbare Dorilla!
Ah, sempre più spietata Ach, immer unbarmherziger
M’astringe a lagrimar. Zwingt sie mich zu weinen!

Per me non v’è, no, Für mich gibt es keinen, nein,


Non v’è ristoro, Gibt es keinen Trost,
Per me non v’è, no, Für mich gibt es keine, nein,
Non v’è più speme, Gibt es keine Hoffnung mehr.
E il fier martoro Und die grausame Marter
E le mie pene Und meine Pein
Solo la morte Nur der Tod
Può consolar. Kann trösten.
7 7
R e c i tat i vo R e z i tat i v

A voi dunque ricorro, Zu euch kehre ich denn zurück,


Orridi spechi, taciturni orrori, Schaurige Höhlen, schweigsame Schrecken,
Solitari ritiri ed ombre amiche, Einsame Stätten der Zuflucht und freundliche Schatten,
Tra voi porto il mio duolo, Unter euch trage ich meinen Schmerz,
Perché spero da voi quella pietade, Weil ich von euch jenes Erbarmen erhoffe,
Che‘n Dorilla inumana non annida. Das die unmenschliche Dorilla nicht hegt.
Vengo, spelonche amate, Ich komme, geliebte Schlupfwinkel,
Vengo, spechi graditi, Ich komme, wohlige Höhlen,
Affine meco involto Damit, in mir eingeschlossen,
Il mio tormento in voi resti sepolto. Mein Schmerz bei Euch begraben bleibe.

- 116 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 117 -
Aria Arie

Nell’orrido albergo In der schrecklichen Unterkunft,


Ricetto di pene Obdach von Qualen,
Potrò il mio tormento Werde ich meine Pein
Sfogare contento, Zufrieden ausleben können,
Potrò ad alto voce Werde ich mit lauter Stimme
Chiamare spietata Dorilla, die Undankbare,
Dorilla l’ingrata Hartherzig nennen,
Morire potrò. Werde ich sterben können.

Andrò d’Acheronte Ich werde auf des Acheron


Su la nera sponda, Schwarzem Gestade dahingehen
Tingendo quell’onda Und jene Flut
Di sangue innocente, Mit unschuldigem Blut färben,
7 Gridando vendetta, Und nach Rache schreien, 7
Ed ombra baccante Und, ein rasender Schatten,
Vendetta farò. Rache auch tun.

Sämtliche Übersetzungen aus dem Italienischen: Edgar Sallager

- 118 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 119 -
Melopoetica entstand 2003 mit dem Ziel, das musikalische Reper­ Melopoetica, oder Musica poetica (aus dem Griechischen melos =
toire vom späten sechzehnten Jahrhundert bis zu den klassischen Melodie und poiesis = Poesie) hängt eng mit der barocken Affek­
Werken Mozarts und Haydns in frischen und innovativen Auffüh- tenlehre und dem musikalischen Pathos zusammen. Bewegen, be­
rungen lebendig zu machen. Seit 2003 hat das in London ansässige rühren, die Leidenschaft entfachen – so lautete das Hauptanliegen
Ensemble auf Bühnen der ganzen Welt gespielt. Seine einzigartigen des Barock, wobei als höchstes Ziel die erbauliche Erfahrung an-
Interpretationen und Auftritte, auf denen das Ensemble sein Publi­ gestrebt wurde.
kum mitriss und bewegte, verhalfen ihm schon bald zu Ansehen.
»Melopoetica bevorzugt eine rhetorische Aufführung unter dem barocken
Melopoetica trat auf zahlreichen Festivals in England und in Europa Mandat des Affectus movere«.
auf, darunter etliche bekannte Namen: London Händel-Festival, Iason Ioannou / Übersetzung: Almut Lenz-Konrad
Hexham Abbey Festival, Greenwich Early Music Festival, Alte Mu­
sik Feldkirchen und die Tilford Bach Society. Die Zusammenarbeit
mit anderen Ensembles führte sie außerdem nach Griechenland Clare Wilkinson
und Schweden. Erst vor kurzem kehrten sie von einer einmonati­ Die Stimme von Clare Wilkinson ist als ‘makellos… innig ...
gen Tour­nee durch Südafrika zurück. Zu ihren künftigen Projekten himmlisch...’ beschrieben worden (Early Music America). Die junge
7 zäh­len Konzerte im Handel House Museum mit der Sängerin Claire Sängerin ist besonders gefragt für ihre Interpretationen der Werke 7
Troth, bei der City Music Society und den Farnham Classic Concerts. Johann Sebastian Bachs und trat bereits in der Londoner Wigmore
Hall, dem Concertgebouw Amsterdam, der Londoner Royal Albert
Melopoetica wurde 2006 vom Trinity College of Music mit dem Ti- Hall, dem Pariser Théâtre des Champs-Elysées und dem New Yor­-
tel »English Concert Junior Fellow« ausgezeichnet. ker Lincoln Center auf. Clare wurde als Tochter einer Musiker­
fa­milie in Manchester (Großbritannien) geboren und gab bereits
Die Mitglieder des Ensembles sind Bárbara Barros, Barockvioline, im Alter von 17 Jahren ihr erstes Konzert mit dem Ensemble Musica
Iason Ioannou, Barockcello und Erik Dippenaar, Cembalo. Bárbara Antiqua London. Sie studierte Alt­philologie am Trinity College in
spielt eine 2005 gebaute Amati-Kopie von Willibrord Crijnen und Cambridge, wo sie auch ein Stipendium für den inter­­na­ti­onal re-
Iason spielt eine ebenfalls aus dem Jahr 2005 stammende Gofriller- nommierten Chor er­hielt. Im Anschluss daran folgte ein Aufbau-
Reproduktion von Clive Morris. studium im Fach Gesang am Trinity College of Music in London.
Im Jahr 2004 arbeitete sie erstmals mit John Eliot Gardiner zu­
Der Begriff Melopoetica wurde von Gelehrten und Komponisten sammen, seither sang sie alle großen Werke von Bach und zahl-
des 17. und des 18. Jahrhunderts verwendet und bezeichnete die reiche Werke weiterer Komponisten unter seiner Lei­tung. Clare Wil­-
Beziehung zwischen Rhetorik und Musik. kinson arbeitete außerdem mit renomierten Künstlern wie Laurence

- 120 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 121 -
Cummings, Christophe Rousset oder Nicolas Kraemer. Als leiden- Autogr amme Melopoetica & Cl are Wilkinson
schaftliche Kammermusikerin tritt sie auch regel­mäßig mit den Gam-
ben-Ensembles Fretwork und The Rose Consort of Viols auf. Clare
Wilkinson fühlt sich auch auf der Schauspielbüh­ne zuhause. Als
Mitglied von I Fagiolini wirkte sie an dem mehrfach ausgezeich-
neten szenischen Projekt The Full Monteverdi mit.

Zahlreiche Rundfunk-, Fernseh- und CD-Aufnahmen belegen ihr


reiches künstlerisches Schaffen. Die Aufnahme von Georg Fried-
rich Händels Messiah mit dem Ensemble The Dunedin Consort wurde
im Jahr 2007 mit dem Gramophone Award ausgezeichnet.

7 7

- 122 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 123 -
Mittwoch, 16.09., 19.00 Uhr Masken
Rathaus St. Veit Pantalone, Isabella, Zanni: Robert Hollingworth
Dr. Graziano, Diener: Eamonn Dougan
Il Capitano, Diener: Charles Gibbs
Die Venezianische Komödie Hortensia, Francatrippa: William Purefoy
Isabella: Clare Wilkinson

Regie: Peter Wilson MBE


Künstlerische Beratung (Maskenspiel): Toby Wilsher
Masken: Ca’Macana, Venice
Bühnenbild: Roy Monk
I Fag i o l i n i

Robert Hollingworth: Leitung Einleitung

8 Anna Crookes: Sopran »L’Amfiparnaso« und die »Commedia dell’arte« 8


Clare Wilkinson: Mezzosopran L’Amfiparnaso von Orazio Vecchi (1550–1605) ist eine Art Bilder-
William Purefoy: Countertenor buch in Worten und Musik, eine Sammlung komischer Szenen.
James Oxley, Nicholas Hurndall Smith: Tenor Dieses ursprünglich in Venedig 1597 in einer schönen Ausgabe mit
Eamonn Dougan: Bariton Holzschnitten und kleinen Verseinleitungen zu jeder Szene veröf-
Charles Gibbs: Bass fentlichte Werk ist mustergültig für eine im späten sechzehnten und
frühen siebzehnten Jahrhundert blühenden Kunstform: jene zy-
Catherine Pierron: Cembalo klisch gefassten Madrigale über das gesellschaftliche Leben und den
David Miller: Erzlaute Zeitvertreib einfacher Menschen in Norditalien, besonders wäh-
rend der Karnevalszeit, beim Feiern oder auf Reisen. In mehreren
Gerd Wameling: Erzähler solchen Zyklen treten diverse lebhafte Charaktertypen auf, um sich
Gesprochene Texte: Timothy Knapman musikalisch porträtieren zu lassen: Kesselflicker und Ausrufer, Gon­
Übersetzung: Franz-Karl Opitz dolieri und Bettlerinnen, Bauern, Fischer, Ausländer und derglei-

- 124 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 125 -
chen, gelegentlich auch Figuren aus der zeitgenössischen italie- und den textlich ungebundenen Schauspielern war es möglich, auf
nischen Komödie. Doch in einer Kerngruppe dieser Werke – da- das jeweilige Publikum einzugehen. Sie konnten die Vorstellung
­runter Beispiele von Vecchi selbst (der aus Modena stammte) und verlängern oder verkürzen, vor einer simplen Menge derbe Ausge-
von seinem Bologneser Zeitgenossen Adriano Banchieri (1568– lassenheit an den Tag legen und höfische Gesellschaften mit sub-
1634) – liegt der Schwerpunkt fast ausschließlich auf der Bühnen- tiler Eleganz beeindrucken.
komödie. Zu dieser Gruppe gehört L’Amfiparnaso. Es lohnt sich   
deshalb, die hierin dargestellte und gefeierte Art von Komödie nä- Das Fehlern einer verbindlichen Textvorlage könnte befürchten las-
her zu beschreiben. sen, dass hier der anarchischen Formlosigkeit Tür und Tor geöffnet
Die Komödie im Italien des späten sechzehnten Jahrhunderts hat- waren, dass die Schauspieler am Rande des Nervenzusammen-
te vor allem zwei Ausdrucksformen, die als commedia erudita und bruchs existierten, weil sie nie wussten, was als nächstes auf sie zu-
commedia dell’arte bekannt wurden. Die commedia erudita war eine kam. Doch drei Umstände sorgten dafür, dass die Künstler der
ausgeschriebene, literarische Form von oft höfischem Charakter; commedia dell’arte von diesem Schicksal verschont blieben. Erstens
Schauspiele dieser Art wurden von angesehenen humanistischen verfügte jedes Wandertheater über seinen eigenen Fundus von
Autoren verfasst. Die Handlungen waren komplex gestaltet und die Stan­dardszenarios. Vor Beginn einer Vorstellung sprachen sich die
Figuren deutlich voneinander abgesetzt. (Gegen Ende des Jahr- Schauspieler über die Handlung des Tages ab und vereinbarten die
hunderts sollte Shakespeare den Engländern zwei Dramen geben, Auf- und Abtritte, Requisiten, Lieder usw., die für das Geschehen
die direkt auf der Tradition der commedia erudita aufbauten: Die erforderlich waren. Die Geschichten drehten sich in der Regel um
8 Irrungen und Was ihr wollt.) Die commedia dell’arte – die Grundlage komisch dankbare Konflikte zwischen den Geschlechtern und den 8
von L’Amfiparnaso – war hingegen ganz anderer Art. Gewiss fan- Generationen, im Dienstverhältnis oder im Standesdünkel – sehr
den auch diese Stücke ein höfisches Publikum, doch ebenso wahr- oft eigentlich von allem etwas.
scheinlich waren sie öffentlich in den Piazzas zu erleben, auf im-
provisierten Bühnen besonders zur Karnevalszeit. Die Berufs­schau- Zweitens waren alle Mitglieder einer Truppe auf einen eigenen
spieler der kleinen Wandertheater waren stolz auf ihr Können, was Charaktertyp (oft mit einem bestimmten starken Dialekt) spezia-
das Namensattribut »dell’arte« erklärt: ein Markenzeichen für die lisiert; in dieser Rolle traten sie von einer Vorstellung zur näch-
dramatische Kunstfertigkeit der Truppe. Diese Darsteller konnten sten auf, womöglich von einem Jahr zum anderen, vielleicht sogar
das Publikum umwerben, herumalbern, singen und tanzen und musi­ ein Leben lang in einer ganz bestimmten »Maske«. So spielte eben
zieren, vulgär sein und (zumindest im Fall bestimmter Figuren) dieser eine Schauspieler in einer Truppe stets den verkalkten, leicht­
mit komischen Masken auftreten; vor allem aber konnten sie im- gläubigen venezianischen Kaufmann, den man allgemein als Pan-
provisieren, denn die commedia dell’arte war ein Stegreiftheater. Der talone kannte; ein anderer verkörperte den inkompetenten Gelehr­­
ungeschriebene Dialog variierte von einer Aufführung zur nächsten, ten (einen dottore der Medizin, Jurisprudenz oder Musik) aus der

- 126 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 127 -
Universitätsstadt Bologna; wieder ein anderer erschien als prah­ der Monolog- und Dialogtext der verschiedenen Figuren – mögli-
leri­scher capitano (oder Hauptmann, normalerweise ein Spanier) cher­weise eine von Giulio Cesare Croce für Vecchi erstellte Persi-
– und so weiter über aufgeweckte und einfältige Diener (die so- flage – fest niedergeschrieben, damit er vertont und veröffentlicht
genannten zanni, vielleicht aus Bergamo) bis hin zum Liebespaar, werden konnte; wir haben es also mit, wenn man so will, dem Pro­
er blind vernarrt, sie süß und keck. tokoll einer Improvisation, nicht einer Improvisation selbst zu tun.
Außerdem ist dieser Text für eine fünfstimmige Madrigalgruppe ge­
Drittens hatten alle Schauspieler eine Reihe von komischen Num- setzt, wobei der Text der jeweiligen Figur oft von mehreren Stim­men
mern oder lazzi – verbal, körperlich, musikalisch – in petto, auf deren gleichzeitig gesungen wird oder polyphon zwischen verschiedenen
Effekt Verlass war, wenn die Dynamik der Aufführung dies ver- Stimmen wechselt (obwohl oft dialogartige Abschnitte zwischen
langte. So hatte vielleicht ein ständig hungriger Diener für sich den deutlich erkennbaren Untergruppen im Quintett auftreten). Zugu­
gemimten lazzo entwickelt, Fliegen zu fangen und sie mit Salz und terletzt fügen sich die Madrigale auch nicht zu einer kompletten
Pfeffer gewürzt zu verspeisen; ein amouröser Diener mochte Bei- commedia-Handlung in all ihren Einzelheiten zusammen.
fallsstürme mit einer komischen Gitarrenserenade ernten; ein dot­
tore ergoss sich in weitschweifigen philosophischen Ausführungen Mit anderen Worten ist Vorsicht geboten. Oper ist hier nicht zu er­
mit einem absurden und schlüpfrig falschen Wortgebrauch; und warten, weder im Hinblick auf Solostimmen noch im Sinne eines
die innamorati der Truppe verließen sich auf einen besonders schö­ durchgehenden Handlungsfadens. Obwohl aus der Menagerie der
nen Krach mit Versöhnung für alle Gelegenheiten. Insofern war Musiktheaterformen, die im Italien des späten sechzehnten Jahrhun­
8 die commedia dell’arte also ein wenig wie der Traditional Jazz oder derts eine rasante Entwicklung erfuhren, auch die Oper hervor- 8
die klassische Musik Indiens: improvisiert, ja, aber strukturiert, auf trat, ist sie von ganz anderer Couleur als die Madrigalkomödie.
einem Thema aufbauend, voller Tradition und wohlüberlegter Mit­
tel – und zugleich stets aufgeschlossen gegenüber neuen Einfällen L’Amfiparnaso ist eine plastische, dramatisch aufschlussreiche und
und Entwicklungen. musikalisch lohnende Sammlung von commedia-Schnappschüssen
oder Kernelementen, ein Satz von Evokationen, die so geordnet sind,
In L’Amfiparnaso greift Vecchi typische Figuren und Situationen aus dass sie nicht nur als Handlungsrahmen zusammenhängen, sondern
der commedia dell’arte auf und präsentiert sie in musikalischer Form, auch eine feine Differenzierung musikalischer Stimmungen, Struk­
um den Doppelgipfel des Parnass zu erreichen: Komödie und Mu- turen und Mittel gestatten. Man hat den Eindruck, als ob jemand mit
sik (was den nicht ganz einfach zu deutenden Titel erklären könnte). musikalischem Erfindungsgeist und großer Begeisterung für die com­
Das Ergebnis ist in dreierlei Beziehung ganz anders als die comme­ media in ihrer höchsten Form das Szenario eines bestimmten Stücks
dia, die in einem Palast der Medici oder in der piazzetta am Canale durchblättert und seine Phantasie wandern lässt, so dass sich flüchti­ge
Grande in Venedig aufgeführt worden wäre. Zunächst einmal war Eindrücke in lebhaften Szenen aneinanderreihen. Da las­sen zum

- 128 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 129 -
Bei­spiel die innamorati gerade ihre Emotionen spielen, ein wenig sagt, die diese Musik darboten und vor denen sie aufgeführt wurde.
narzistisch, aber doch auch ergreifend. Da lechzt der alte Pantalone Aus diesem Grund haben wir zwei wichtige Zusammenstellungen
nach einer schwülen Kurtisane und versucht zugleich, seine Toch- venezianischer Gelegenheitsmusik von Giovanni Croce aus dem letz­
ter an­ständig zu verheiraten, doch leider mit dem völlig falschen ten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts (CHAN 0665) aufge-
Mann. Da prahlt der spanische capitano, da entstellt der dottore den nommen und uns, nach einigen anderen Madrigalkomödien, nun
Text eines Madrigals, da helfen die zanni den jungen Leu­ten und L’Am­fi­parnaso zugewandt. Dieses berühmte Werk stellte uns vor eine
wischen den Alten eins aus. (Die Madrigalverstümmelung durch große Herausforderung: Wie kann man es einem modernen Publi­kum
den dottore ist eindeutig ein lazzo, ebenso wie die Liste hungriger sinnvoll vermitteln, ohne das Originalkonzept im Geist zu verletzen?
Verwandter, die Pantalones Diener in der Hoffnung ab­spult, dass Vecchi teilt uns im Prolog mit, dass es sich bei diesem Werk nicht um
sie zur abschließenden Hochzeitsfeier eingeladen werden.) Und eine Augenweide, sondern um einen Ohrenschmaus handelt, etwas
da erscheint auch unsere Heldin als Braut, herzergreifend dankbar zum Anhören, nicht zum Ansehen. Sicherlich wäre es durch­aus ange­
für die bizarre Vielfalt von Geschenken, ob Rose oder Rettich. messen gewesen, das Publikum des späten sechzehnten Jahrhunderts,
das die Dialekte und Mundarten verstand, die Figuren kannte und
Sollte man L’Amfiparnaso in Szene setzen oder der persönlichen in der Kultur verwachsen war, mit einer reinen Gesangsdarbietung
Phantasie überlassen? Vecchi bevorzugte offenkundig die zweite zu konfrontieren. Doch selbst dann hätten das Tempo des Textvor-
Möglichkeit; doch die Zeiten ändern sich, und dem Publikum ist am trags, die Vielschichtigkeit einiger Wortspiele und die Darbietung
besten gedient, wenn man mit der Zeit geht. Robert Hollingworth von Dialogen in einer fünfstimmigen Struktur wohl einige Schwie-
8 beschreibt nachfolgend den Ansatz, mit dem I Fagiolini das Stück rigkeiten bei der Verfolgung des Geschehens aufgeworfen. Vier Jahr­ 8
im einundzwanzigsten Jahrhundert lebendig gemacht haben. hunderte später glauben wir in I Fagiolini, dass dem ursprünglichen
Roger Savage, Übersetzung: Andreas Klatt Anliegen des Werkes besser damit gedient ist, wenn wir etwas visu­
elle Hilfestellung leisten, anstatt ihm getreu aber sklavisch zu folgen.

Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts haben viele Ensembles mit


A n m e r ku n g e n d e s mus i k a l i s c h e n L e i t e r s der Frage gerungen, wie dies am besten zu bewerkstelligen ist, und
viele Aufführungskonzepte sind realisiert worden. Das Hauptpro­
Die konventionelle Kunstmusik der Renaissance zu singen, war für blem besteht darin, dass man die einzelnen Figuren nicht auf der
I Fagiolini von Anfang an eine Freude. Ich muss allerdings zuge- Büh­ne mit ihren eigenen Gesängen darstellen kann, weil jede Figur
ben, dass ich auch immer schon eine Schwäche für die Gelegenheits­ immer von mehreren Stimmen zugleich repräsentiert wird – und oft
musik jener Zeit gehabt habe – Musik, die nicht unbedingt um der wechseln die Stimmen, die den Text einer Figur singen, alle paar
reinen Kunst willen entstand, aber doch viel über die Menschen aus­ Takte. Die einfachste und eleganteste Lösung fand schon Adriano

- 130 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 131 -
Banchieri, ein Zeitgenosse Vecchis. Er regte an, die Sänger hinter haben. Wir hoffen, dass sie den verehrten Zuschauer zum Lächeln
den Kulissen einer Straßenszene aufzustellen und das Geschehen von bringen und in den Geist dieses klassischen Werkes eintreten lassen.
maskierten Pantomimen spielen zu lassen. Damit werden die mei- Robert Hollingworth, Übersetzung: Andreas Klatt
sten Aufführungsprobleme von L’Amfiparnaso umgangen, obwohl
immer noch nicht geklärt ist, wie man komplizierte Wortspiele visuell
umsetzen kann (zum Beispiel die Missverständnisse zwischen capi­
tano und zanni im Zweiten Akt, 2. Auftritt). Pro g r a mm

In einem wichtigen Aspekt unterscheidet sich L’Amfiparnaso von Giovanni Croce


anderen Komödien aus dem sechzehnten Jahrhundert: Die Qualität (ca. 1557 – 1609)
der Musik liegt durchweg auf höchstem Niveau; besonders deutlich
wird dies in den Szenen mit den innamorati, für die Vecchi bittersüße 1. Mascarata da Furlani
manieristische Miniaturen geschrieben hat, die den Glanzleistun­gen (Mascarate piacevoli et ridicolose, 1590)
eines de Wert oder Gesualdo um nichts nachstehen. Der Kontrast 2. Il gioco dell’occa (Triaca musicale, 1595)
zwi­schen den ernsten (gravi) und heiteren (piacevoli) Szenen ist 3 . Canzon da contadini (Triaca musicale, 1595)
ein weiteres Merkmal des Werkes, das wir in unserer Produktion
unterstreichen.
8 Aber ein wichtiges Element von L’Amfiparnaso geht dem Publikum ~ 8
des einundzwanzigsten Jahrhunderts zwangsläufig verloren: die
Wort­­spielerei. Wie kann man die geistreiche Vielschichtigkeit der
Sprache und die verlorenen Kulturbezüge, die das Werk durchzie- Orazio Vecchi
hen, zu neuem Leben erwecken? Als Hortensia beispielsweise in der (1550 – 1605)
ersten Szene den Nachttopf über Pantalone entleert, benutzt sie das 4. L’Amfiparnaso (1597)
Wort »flo«, das nicht nur lautmalerisch das Schwappen zum Aus-
druck bringt, sondern gleichzeitig auch »Venezianer«, »alter Wider­
ling« und »Nachttopf« bedeutet. Diesen wunderbaren, unüber­setz­
baren Humor darf man nicht ignorieren, wenn der Geist des Ori-
­ginals erhalten bleiben soll, so dass wir für unsere Produktion eine
Reihe gesprochener Einleitungen (im Original geht jeder Szene ein
dreizeiliges »Argomento« voraus) in deutscher Sprache vorgesehen

- 132 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 133 -
1. Mascarata da Furlani Maskerade der Friauler

Canto: Calcina da fregia! Canto: Mörtel zum Verschönern!


Alto: Conza l’horto! Alto: Gärtner!
[Tenore: Saladoni, mi caldi saladoni!] [Tenore: Würste, heiße Würste!]
Quinto: Rasa! Quinto: Rochen!
Sesto: Conzacharieghe, bozzolai da lavezi! Sesto: Stuhlausbesserer, Napfkuchen!
Basso: Tagialegne! Basso: Holzfäller!

Dio ve sal, bella brigiada. Gott grüß euch, ansehnliche Gesellschaft.


A dio, fradis me, chiar vosses, Lebt wohl, meine Brüder; klare Stimmen,
i ben vegnut, sanetat, Wohlstand, Gesundheit,
bon an, e bon sempre. ein angenehmes Jahr und immer alles Gute.

Havesus bevut? Habt ihr schon was getrunken?


Si! Havem bevut du bozzis de bon vin Ja! Wir tranken zwei Karaffen guten Wein,
ch’alla mori fra nus haven rugint… die in uns gefahren sind wie unter die Mohren …
8 Moors… …in Zellen, süßen weißen Wein, ihr Brüder … 8
…in celuz, chiar dolce, fradis… …jenseits des Vogelplatzes [Legatenplatzes].
…sul chiampo delle giatis. Und habt ihr schon zu trinken gehabt?
E vos haves bevut? Wir tranken drei Karaffen guten weißen Wein.
Havim bevut nu tres de bon vin blanch. Brüder, lasst uns alle singen, nicht jedoch dies:
Fradis, volen tutti chianta, mai chianten: »Es erbarmt sich meiner im Morgengraun die Gevatterin
Me dà pit de l’arbor sit, comare Medusa, Medusa,
mi scontrai t’un bel infant. Di, ri, della. ich begegnete einem deiner schönen Kinder. Di, ri, della.«

Nu sten plu a chianta; Die meisten von uns bleiben, um zu singen;


zin di sols a guadagna. der Wein lässt’s meistens besser klingen.

- 134 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 135 -
2. Il gioco dell’occa Das Gänsespiel

Prima parte Erster Teil

Hor che sian quì d’intorno Da wir nun hier sind


In cosi nobil loco, an einem derart erlauchten Ort,
Facian un gioco. wolln wir ein Spielchen wagen.
Dite voi Damme a che giocar vogliamo, Sagt an, ihr Damen, was wir spielen,
Che qui pronti noi siamo. denn wir hier sind bereit.
A voi Signora, tocca. Es ist an euch, Signora.
Giochiam all’Occa. »Spielen wir die Gans.«
E pria ch’il gioco si comincia poi, Also, ehe das Spiel beginnt,
Il premio ponga ciaschedun de noi. sollten wir alle die Preise stiften.
Eccoci, tutti uniti, Hier sind wir nun alle beinander,
Lieti, pronti et arditi. fröhlich, bereit und furchtlos.
Ecco il gioco, ecco i datti, Hier ist das Spiel, hier sind die Würfel,
E i premi sian delli più fortunati. und die Preise sind für die mit dem meisten Glück.
8 8

Seconda parte Zweiter Teil

A voi, Signora, tocca il primo tiro. Es ist an Euch, Signora, würfelt zuerst.
Sei e tre, s’io non erro, è quel ch’io miro? »Sechs und drei, wenn ich nicht irre, sehe ich recht?«
Ditte il ver! Hor passate al ventisei. Sagt die Wahrheit! Nun rückt auf die Sechsundzwanzig vor.
Io quì tirar vorrei. »Ich will jetzt spielen.«
Tirate! Eccovi il punto. Würfelt! »Da ist das Feld.«
A fè, che sete giunto Je nun, Ihr seid gelandet
Nell’Osteria, Signore. im Wirtshaus, Signore.
Qui vi convien pagar per uscir fuore. Da müsst Ihr zahlen, eh Ihr wieder geht.

- 136 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 137 -
Ecco che tiro anch’io. »Jetzt bin ich dran.«
O buon per Dio, O mein Gott,
Nella Cisterna entrate Ihr müsst in den Brunnen
Et il premio pagate. und die Strafe zahlen.
E state tanto poi Und da sitzt Ihr fest,
Ch’altri vengha per voi. bis jemand anders dort hinkommt.
Chi tocca dietro, tiri Wer noch nicht dran war, würfle nun
Senz’altro indugio e miri. und ziehe los ohne Verzug.
Pagate se volete. Zahlt, so es Euch beliebt.
Perche? Perchè nel Laberinto sette. »Warum?« Weil Ihr im Labyrinth gelandet seid.
Ecco il punto, hor pagate, Da ist das Feld, nun zahlt,
E in dietro poi tre punti ritornate. dann geht es drei Felder zurück.
Tocca a voi il tir’hor hora. Ihr seid jetzt dran, zu würfeln.
A me? Si, si Signora. »Wer, ich?« Ja, Signora.
Cinque e quattro. Vedete, »Fünf und vier.« Seht,
Cinquantatre di punto fatto avete. Ihr seid auf Feld dreiundfünfzig.
Tirate, signor Conte. Versucht es einmal, Signor Graf.
8 Sei. Voi sette al Ponte. »Sechs.« Ihr seid auf der Brücke. 8
Pagate, a doppo poco Zahlt, und dann
Ritornerete a cominciar il gioco. müsst Ihr an den Anfang zurück.
A me tocca tirare. »Jetzt bin ich an der Reihe.«
Ecco che vi convien l’Occa passare. Hier kommt Ihr an ein Gänsefeld.
Hor qui fermate il segno Setzt hier Eure Marke hin,
Senza poner il pegno. Ihr müsst dafür nicht zahlen.
A me tirar pur tocca. »Nun bin ich an der Reihe.«
O la! Passate l’Occa Vorsicht! Ihr passiert die Gans
E nella barca entrate und besteigt das Boot,
Et ivi state et il premio pagate. dort müsst Ihr bleiben und Strafe zahlen.
Perd’il mio tir’hor hora »Ich habe gerade einmal ausgesetzt,
Perchè nella Cisterna io fò dimora. weil ich im Brunnen festsaß.«

- 138 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 139 -
Ecco il tiro e la sorte. »Nun würfle ich, das ist meine Chance.«
Pagate pur, Signor, che sette in Morte, Zahlt aus, Signore, das ist das Todesfeld,
E vi convien tornare Ihr müsst zurück zum Anfang
Dal principio del gioco a cominciare. und das Spiel von vorn beginnen.
Ora tirar vogl’io »Jetzt will ich einmal –
Quattr’e sei, per mia fè, che il gioco è mio. vier und sechs, bei Gott, das Spiel ist mir!«
Fatte, Signor, el conto. Zählt zusammen, Signore.
Sessantatre di punto. »Auf Feld dreiundsechzig ist sie gelandet!«
Signora, vinto avete. Signora, Ihr habt gewonnen.
Hor gli premi prendete, Nun nehmt die Preise,
E noi per farle onore und um ihnen Ehre anzutun,
Cantiamo a tutte l’ore, wolln wir allezeit singen:
Viva, viva l’amore. »Lang lebe die Liebe.«

8 8

- 140 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 141 -
3 . Canzon da contadini Lied der Bauern

Nu Contain da Pava semo vegnu chialò Wir Bauern aus Padua sind hierher gekommen,
Perchè gh’avem’inteso Chive se fa un filò. weil wir einen Überfluss haben an Speisen,
Ceccho, Cechon, Cecchazzo, um die Nacht durchzumachen.
Tuogno, Tognin, Tognazzo Kleiner Francesco, großer Francesco, garstiger Francesco,
cantemo de brigha kleiner Antonio, großer Antonio, garstiger Antonio,
La tandararitondella, la tandararitonda. lasst uns zusammen singen,
la tandararitondella, la tandararitonda.

Chive avem el Porcieggio, Galline e Cappon, Wir haben Speisen, ein Ferkel, Hühner und Kapaune,
Formaggio e del Butirro per i nostri paron. Käse und auch Butter für unsere Herrn.

Gh’avem può per Madonna portò de i Salzizon Dann haben wir da noch große Würste für die Herrin,
Grossi potta de Crive d’empir ben el magon. riesige Platten mit Gerichten,
um ihren schmerzenden Bauch zu füllen.

8 Può per le Fie de Chà g’havem portò de Osieggi Und für die Töchter des Hauses haben wir kleine Vögel, 8
Che canta qui qui qui, ò cancaro i se bieggi. die singen »hier, hier, hier«,
damit die hübschen Kleinen auch mitsingen.

A fè vogiam partire, Dio ve dia sanitte; Und wahrhaftig, nun wollen wir gehen.
Ste in alligrisia pure con tutte ste brighe. Gott gebe euch Gesundheit;
bleibt fröhlich auch mitsamt eurer ganzen Sippschaft.

- 142 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 143 -
4. L’A m f i pa r n a s o 4. D e r z we i g i pf l i g e Pa r n a ss

Commedia harmonica Madrigalkomödie


Testo attribuito a Giulio Cesara Croce Text von Giulio Cesare Croce (zugeschrieben)

P e r s o n ag g i d e l l a c o m e d i a Personen

Pantalone Vecchio Der alte Pantalone


Pedrolin suo Servo Pedrolino, sein Diener
Hortensia Cortigiana Hortensia, Kurtisane
Lelio giovane innamorato Lelio, junger Verliebter
Nisa amata di Lelio Nisa, Geliebte Lelios
Il Dottor Gratiano Doktor Gratiano
Lucio Giovane innamorato d’Isabella Lucio, junger Liebhaber Isabellas
Capitan Cardon Spagnuolo Hauptmann Cardon, Spanier
Zane Bergamasco Zanni, Bergamaske
Isabella Giovane innamorata di Lucio Isabella, junge Geliebte Lucios
8 Frulla Servo di Lucio Frulla, Diener Lucios 8
Francatrippa Servo di Pantalone Francatrippa, Diener Pantalones
Hebrei in Casa Juden im Innern eines Hauses

- 144 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 145 -
Prologo Prolog

Lelio Lelio
Benchè siat’usi, ò Spettatori illustri Seid Ihr es auch gewohnt, erlauchtes Publikum,
Solo di rimirar Tragici aspetti Tragödien szenisch aufgeführt zu sehen,
O Comici apparati oder Komödien mit Bühnenapparaten
In varie guise ornate auf verschiedene Weise ausgeschmückt,
Voi però non sdegnate sollt ihr dennoch nicht verschmähen
Questa comedia nostra, unsere Komödie hier,
Se non di ricca, e vaga Scena adorna die zwar keine reiche, feine Bühne ziert,
Almen di doppia novità composta. aber eine doppelte Neuheit vorführt.
E la città dove si rappresenta Die Stadt nämlich, in der dieses Stück spielt,
Quest’opra è’l gran Theatro ist das grosse Theater der Welt;
Del mondo, perch’ognun desia d’udirla: drum begehr’ es ein jeder zu hören.
Ma voi sappiat’intanto Doch muss ich Euch noch erklären,
Che questo di cui parlo das Schauspiel, von dem ich rede,
Spettacolo, si mira con la mente, ist nur mit dem Geist zu erschauen;
8 Dov’entra per l’orecchie, e non per gl’occhi, es dringt durch die Ohren ein, nicht die Augen. 8
Però silentio fate, So sollt ihr also schweigen,
E’n vece di vedere hor’ascoltate. und statt zu schauen, sollt ihr nunmehr lauschen.

- 146 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 147 -
At t o 1 , s c e n a 1 E r s t e r A k t, 1 . Au f t r i t t
Pantalone, Pedrolino, Hortensia Pantalone, Pedrolino, Hortensia

E’presto Pantalon delle bellezze Pantalone ist den Reizen der Kurtisane Hortensia erlegen,
D’Hortensia cortigiana; ma l’ingrata doch diese Undankbare legt keinen Wert darauf,
Punto non cura esser da un vecchio amata. von einem Alten geliebt zu werden.

Pantalone Pantalone
O Pierulin, dov’estu? He, Pedrolino, wo bist du?
Dov’estu, Pierulin? Wo bist du, Pedrolino?

Pedrolino Pedrolino
Messir, non poss vegni cha sù in Cusina. Herr, bin unabkömmlich, denn ich bin in der Küche.

Pantalone Pantalone
Ah, laro, ah, can, che fastu là in Cusina? Spitzbube, Hund, was machst du da in der Küche?

8 Pedrolino Pedrolino 8
A m’imp’u’l gargatù de cert cotai Mir gewisse Dinger in die Kehle stopfen,
Che canta tucch’u’l di die wo den ganzen Tag singen:
Pi pi ri pi Cu cu ru cu. kikeriki! gurre, gurre, gurre!

Pantalone Pantalone
Ah bestia ti vol dir Mistvieh! Du willst sagen «Hähnchen
E Galett’e Pizzon’ hor sù vien fora! und Tauben»! Nun aber los, komm raus!

Pedrolino Pedrolino
Chem commandef messir Piantalimù? Was befehlen Herr Pflanzlimonen?

- 148 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 149 -
Pantalone Pantalone
Si pianta rave, e no piantalimon. Man pflanzt Rüben, nicht Limonen!
Sù chiama Hortensia, pezzo de poltron! Los, ruf ’ Hortensia, du faules Stück!

Pedrolino Pedrolino
Hortensia Hortensia? Hortensia! Hortensia!

Pantalone Pantalone
Che disela? Was hat sie gesagt?

Pedrolino Pedrolino
La dis ch’andè in bunhura. Sie sagte, Ihr sollt Euch fortscheren.

Pantalone Pantalone
Ah porco aspetta che la chiama mi. Du Schwein, warte, ich ruf sie selber.
Hortensia Hortensia. Hortensia, Hortensia!

8 Hortensia Hortensia 8
E ch’è quell’importun che chiama Hortensia? Wer ist der Unverschämte, der Hortensia ruft?

Pantalone Pantalone
Un vostro Servitor. Einer Eurer Diener.

Hortensia Hortensia
Che servitore? vatene in mal’ora, Was für ein Diener? Scher dich zum Teufel,
Vecchiaccio ribambito kindischer Alter!
Credi ch’io sia una Donna da partito? Glaubst Du, ich sei für Freier zu haben?

- 150 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 151 -
Pantalone Pantalone
Pian, pian, cara Madona, Sachte, sachte, teure Dame,
Voleu che ve diga wollt Ihr, dass ich Euch
Una parola sol da vù e mi? ein Wort ganz unter uns sage?

Hortensia Hortensia
No, ch’io non voglio no, Nein, das will ich nicht, nein,
S’io’l so s’io’l so? denn ich weiss schon Bescheid!
Flo flo flo flo. Schlapp, schlapp, schlapp, schlapp.
Mira che garbo Schau, was für ein Mannsbild,
Mira che fusto schau, was für ein Kerl!
Havrei ben gusto. Auf den hätt’ ich gerad’ Lust!
Flo flo flo flo. Schlapp, schlapp, schlapp, schlapp!

Pantalone Pantalone
O povero Pantalon, ah Donna ingrata, O armer Pantalone, ach, undankbare Dame,
Quando po ti vorrà mi non vorrò. aber wenn du dann mal magst, mag ich nicht!
8 8

- 152 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 153 -
At t o 1 , s c e n a 2 E r s t e r A k t, 2 . Au f t r i t t
Lelio, Nisa Lelio, Nisa

Lelio non è sicur che la sua Nisa Lelio ist nicht sicher, ob ihn seine Nisa liebt,
L’ami, e dal don ch’ella gli diè d’un fiore und schliesst aus der Narzisse, die sie ihm schenkt,
Geloso, egli argomenta poco amore. auf wenig Gegenliebe.

Lelio Lelio
Che volete voi dir, anima mia, Was willst du damit sagen, meine Geliebte,
Col don di quel Narciso mit diesem Geschenk einer Narzisse, wo doch
Che morì troppo amando il suo bel viso? Narziss aus Liebe zu seinem schönen Antlitz starb?

Nisa Nisa
Che sol io son Amante Dass ich nur die Geliebte meines eigenen,
Del mio (qual dite voi) divin sembiante. (wie Ihr es nennt) göttlichen Antlitzes bin.

Lelio Lelio
8 Ma non vi punge il core Doch schneidet Dir denn nicht 8
L’esempio di quel fiore das Beispiel dieser Blume ins Herz?
Di Narciso la dura, e cruda sorte? Nicht das harte, grausame Los des Narziss?
Amate altrui che l’amor proprio è morte. Liebe andere, denn Eigenliebe ist der Tod!

- 154 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 155 -
At t o I , s c e n a 3 E r s t e r A k t, 3 . Au f t r i t t
Gratiano, Pantalone Gratiano, Pantalone

Promette Pantalon di dar sua figlia Pantalone verspricht, seine Tochter dem Doktor zu geben,
Al Dottore, e di lui (qual rozzo) prende und amüsiert sich über diesen Tölpel,
Piacer, che mal risponde, e peggio intende. der falsch antwortet und noch falscher versteht.

Gratiano Gratiano
Hor per vegnir à la confusion Nun um zur Konfusion [Konklusion] zu kommen,
Av digh mesier Piatlon sag ich Euch, mein Herr Platon [Pantalone],
ch’a vuoi la putta dass ich das Mädchen will;
M’intenziu? me beccau? schwärzt [versteht] Ihr mich? Hörnt [erfasst],
m’acchiaponau? kapiert Ihr mich?

Pantalone Pantalone
V’intendo, Calderon del dì de morti, Ich versteh Euch, Kessel des Allerseelentags.
Deme la man la putta xe la vostra. Gebt mir die Hand, das Mädchen gehört Euch.
8 8
Gratiano Gratiano
Desid da ver? Wünscht Ihr das wirklich?

Pantalone Pantalone
Da seno. Im Ernst.

Gratiano Gratiano
à me burlad. Ihr scherzt mit mir.

Pantalone Pantalone
No affé da Zentil homo. Nein, wirklich, mein Ehrenwort.

- 156 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 157 -
Gratiano Gratiano
O, la me fiola caura O, meine teure Tochter,
O fiola frà le fiol: la prima fiola o Tochter, unter den Töchtern die erste Tochter,
Che sippa in tutta quant la fiolaria. die es in der ganzen Töchterei gibt!

Pantalone Pantalone
Ch’andevu fiolando Was töchtert Ihr da herum?
Caval d’Orlando was fohlt Ihr, rasender Rolandsgaul?
O grama bestia o elendes Vieh,
Frà l’altre bestie das grösste Vieh,
La mazor bestia das es in der Viecherei gibt?
C’havesse mai la bestialaria?

Gratiano Gratiano
A vuoi mò dir chlè tant al culintient Ich will doch sagen, dass ich so froh bin,
Ch’haihò de sta fiola dass ich diese Tochter kriege,
Cha vuoi balare, dass ich tanzen möchte,
8 Cha vuoi cantare, dass ich singen möchte, 8
Cha vuoi saltar à la vostra presienza. dass ich vor Euch springen möchte.

- 158 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 159 -
Pantalone Pantalone
O che dottor, o via che mi ve suono O, welch ein Doktor, los, ich spiel Euch auf,
Tantara tantaratan tà, tantara, tantaratan tà, tantara, tantaratan tà,
Dottor vu parè à punto un niovo Orfeo Doktor, Ihr scheint wahrlich ein neuer Orpheus,
Che se tirava drio der hinter sich her
E bestie, e piante, e piere. die Tiere, die Pflanzen und die Steine zog.
Così la vostra scienza tira i putti So zieht Euch Eure Kunst die Mädchen nach,
Coi sassi legni e torsi mit den Steinen, Stümpfen und Rümpfen,
E in sino i Can de Beccaria xe corsi, und sogar die Metzgerhunde kommen gelaufen,
E la vesta i v’annasa. und beschnüffeln Euch das Gewand.
Entremo dunque in casa. Drum gehen wir besser ins Haus.

At t o II , s c e n a 1 Z we i t e r A k t, 1 . Au f t r i t t

Lucio solo Lucio


Lucio per gelosia ch’a d’Isabella Lucio ist eifersüchtig auf die vermeintliche Liebe seiner Isabella
8 Che non ami Cardone il Capitano, zum Hauptmann Cardone, und will sich, irre vor Liebe, 8
Si và à precipitar, d’Amor insano. in einen Abgrund stürzen.

Misero che farò Lucio infelice Ich Unglücklicher, was soll ich tun ? Was, unseliger Lucio,
S’ogni mio ben m’è tolto? wenn mir mein ganzes Gut geraubt ist ?
Ah finto Amore e stolto, Ach, trügerische und einfältige Liebe!
Ah crudele Isabella Ach, grausame Isabella,
Che per novell’amor mi sei rubella? die du mir durch eine neue Liebe geraubt wardst!
Ma nel piu alpestre mont’i vad’hor hora So will ich nun in das steilste Gebirge gehen,
Perche ne l’ultim’hora damit in meiner letzten Stunde
Sia satio il tuo desio dein Wunsch befriedigt werde,
Donna crudel col precipitio mio. grausame Dame, mit meinem Sturz.

- 160 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 161 -
At t o II , s c e n a 2 Z we i t e r A k t, 2 . Au f t r i t t
Capitan Cardon, Zanni Hauptmann Cardone, Zanni

Grida Cardon con Zanni, che vorebbe Cardone zankt sich mit Zanni,
Esser inteso à cenni, e lo confonde denn er will seine Befehle befolgt haben, und tadelt ihn,
Che mai per dritto senso gli risponde. weil dieser ihm nie gescheit antwortet.

Capitan Hauptmann
Viene à qua Zanico lindo Komm her, du Lumpenhannes!

Zanni Zanni
Al diff ’u’l vir non poss Ehrlich gesagt, ich kann nicht kommen.

Capitan Hauptmann
Porque tu no puedes? Warum du nicht können?

Zanni Zanni
8 A vagh i lò in Dovana oh uh oh uh Ich geh’ aufs Zollhaus. – Aua, Aua, Aua! 8

Capitan Hauptmann
Por a qua por à là vellacco mozzo Nehmen dies, nehmen das, Diener, Lümmel!

Zanni Zanni
Ah sagnur Capatagn à no so mozz Ach, Herr Hauptmann, ich bin nicht verstümmelt,
Maidè cha sù inter meiner Treu! Ich bin noch ganz!

Capitan Hauptmann
Che diabl’ablas de mozz? Was, zum Teufel, reden von verstümmeln?
Y digh’el que accompana e ’l so segnor. Ich sage, du sollst deinen Herrn begleiten.

- 162 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 163 -
Zanni Zanni
Mai si mai si cha suna la Campana? Jawohl, jetzt hört Ihr Glocken läuten?

Capitan Hauptmann
Burlas con migo? y digo esclavo y siervo. Spassest mit mich? Ich sagen Sklave und Diener!

Zanni Zanni
V’intend’ per descretiù u’l servidur. Ich verstehe, Euer untertäniger Diener.

Capitan Hauptmann
Tambien tambien tambien agora entiendes Immer, immer dasselbe! Jetzo kapierest du!
Picca presto à la puerta d’Isabella Schnell an Isabellas Pforte hängen!

Zanni Zanni
Ch’a m’apicca à la porta? qualch merlott Ich soll mich an der Tür erhängen? Dieser Gimpel!

Capitan Hauptmann
8 A locco, herir o batter’à la puerta Du ein Kauz, – die Tür einschlagen, beklopfen! 8

Zanni Zanni
A batt’, a batt’à sù pur intrigatt Klopf, klopf, ich bin total verwirrt
Con sto lenguaz che ’l par un Papagal. von dieser Sprache – wie ein Papagei!

Capitan Hauptmann
Ch’ablas de Papagaio? Was schwatzt du von Papagei?

Zanni Zanni
A digh ch’i parla inchsi la in Portugal Ich sage, so redet man in der Portugalei.

- 164 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 165 -
Capitan Hauptmann
Yo le chiero dezir quattro palabras. Ich wollte vier Worte mit ihr reden.

Zanni Zanni
Sagnur à i ho pagura de la schina. Herr, ich fürchte für meinen Rücken!

Capitan Hauptmann
No temas nada Fürchte nichts,
Porque con esta espada denn ich habe mit selbigem Schwert
Yo chiero solo de mattar mill’hombres ganz allein hundert Mann getötet!

Zanni Zanni
O sagnur Spadagnol la nos ventura. O Herr Spanier, wir haben Glück!

Capitan Hauptmann
Porque porque Zanico? Wieso, wieso, Zanico?

8 Zanni Zanni 8
La Porta s’avre à fè che l’è Isabella Die Pforte geht auf: tatsächlich, Isabella!

Capitan Hauptmann
O bueno por my vyda. O gut, so wahr ich lebe!

Zanni Zanni
Volif olter da mi sagnur su voster. Wollt Ihr sonst noch was von mir, Euer Gnaden?

Capitan Hauptmann
Nada nada mi Zanicos Nichts, nichts, lieber Bauchgrimm,
Va con dios va con dios. geh mit Gott, geh mit Gott!

- 166 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 167 -
At t o II , s c e n a 3 Z we i t e r A k t, 3 . Au f t r i t t
Capitan Cardon, Isabella Hauptmann Cardon, Isabella

Finge Isabella arder di vero amore, Isabella gibt vor, von wahrer Liebe zu dem Spanier entbrannt zu sein,
Con lo Spagnuol, per dar più grave crollo um seiner unersättlichen Begierde einen um so heftigeren Stoss zu
Morendo, al suo desio non mai satollo. versetzen, wenn sie ihren Vorsatz wahr macht, aus dem Leben zu scheiden.

Isabella Isabella
Oh ecco il Capitano O, da ist ja der Hauptmann
Ecco lo mio bene O, da ist ja mein Schatz
E la mia spene und meine Hoffnung!
Baciovi la mano. Ich küsse Euch die Hand.

Capitan Hauptmann
Buenos dias my Segnora Guten Tag, meine Herrin,
Chero ablaros agora, agora. gerade eben, eben sprach ich
Isabella muy galana von meiner so eleganten Isabella,
8 Y gentil tambien’hermosa. die ebenso edel wie schön ist! 8

Isabella Isabella
A che far l’appassionato Wozu den Leidenschaftlichen spielen,
O amante ingrato o undankbarer Geliebter,
S’un’altra Dama wenn eine andere Dame
V’adora, & ama. Euch verehrt und liebt?
Se novo amore Wenn eine neue Liebe
V’ha tolto il core? Euch das Herz raubte?
Ah tiranno, ah crudele O Tyrann, o Grausamer,
Che mi giov’esser fedele? was hilft es mir, treu zu sein?

- 168 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 169 -
Capitan Hauptmann
Che cos’es esta? Was soll das heissen?
Che azeis segnora? Was tut Ihr, Herrin?
Por vyda vuestra Bei Eurem Leben,
Con quien ablais? mit wem redet Ihr?
Ah segnora che me matais. Ah, Senora, Ihr tötet mich!

Isabella Isabella
Mira come s’infinge Schau wie er sich verstellt
E di vergogna le guance non tinge? und nicht mal schamrot wird dabei!

Capitan Hauptmann
Valla me dios So helf mir Gott,
Da Gentil’hombres auf Ehrenwort,
Ch’otra Dama non chiero sy no vos. dass ich keiner andren Dame gehörte als Euch!

Isabella Isabella
8 Dico così da scherzo Ich sag das nur zum Scherz, 8
Per far prova di voi um Euch auf die Probe zu stellen.

Capitan Hauptmann
No m’agais mas d’estas burlas Macht nie mehr solche Scherze,
Porque poco ha faltado denn es hat nur wenig gefehlt,
Que no soy de dolor muerto. da wäre ich vor Schmerz gestorben.

Isabella Isabella
S’à gl’archibugi, & à le Collubrine Wenn Ihr gegen Flinten und Schlangenbüchsen
Se t’uso à far gran core gewohnt seid viel Mut aufzubringen,
Perche temete poi scherzi d’amore? warum fürchtet Ihr dann Scherze der Liebe?

- 170 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 171 -
Capitan Hauptmann
Porque todos vinc’amor Weil Amor alles besiegt.

Isabella Isabella
Amor non so, ma voi ben mi vincesti Ob Amor weiss ich nicht, aber Ihr habt mich besiegt,
Quando vi fei signore als Ihr Euch zum Herrn
Di questa vita meines Lebens machtet,
Di questo core. meines Herzens …

Capitan Hauptmann
Dezime my segnora, Sagt mir, meine Herrin,
Quen son estas Tetiglias? wem gehören diese Brustwarzen?

Isabella Isabella
Del Capitan Cardon. Dem Hauptmann Cardon.

Capitan Hauptmann
8 Y l’oscios y l’orescias? Und die Augen und die Ohren? 8

Isabella Isabella
Del Capitan Cardon. Dem Hauptmann Cardon.

Capitan Hauptmann
Y’l rostro y las Narices? Und die Nase, und die Nasenlöcher?

Isabella Isabella
Del Capitan Cardon. Dem Hauptmann Cardon.

Capitan Hauptmann
La fruente, y la Cabezza? Die Stirn und der Kopf?

- 172 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 173 -
Isabella Isabella
Del Capitan Cardon. Dem Hauptmann Cardon.

Capitan Hauptmann
Y la Cabegliadura? Und die Haare?

Isabella Isabella
Del Capitan Cardon. Dem Hauptmann Cardon.

Capitan Hauptmann
Los Dientes, y los labios? Und die Zähne und die Lippen?

Isabella Isabella
Del Capitan Cardon. Dem Hauptmann Cardon.

Capitan Hauptmann
La vyda, y el Corazzon? Das Leben und das Herz?
8 8
Isabella Isabella
Del Capitan Cardon. Dem Hauptmann Cardon.

Capitan Hauptmann
O muy contiento O was bin ich froh,
O muy tambien’amado o was bin ich doch geliebt,
Y de my Dama muy aventurado. und von meiner Dame beglückt!

- 174 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 175 -
At t o II , s c e n a 4 Z we i t e r A k t, 4 . Au f t r i t t
Isabella SOLA Isabella

Partito il Capitan, tosto Isabella Kaum ist der Hauptmann weg, lässt Isabella
Sfoga il dolor di Lucio, e con ardire ihrem Schmerz um Lucio freien Lauf; mutig ergreift sie einen Dolch,
Il ferro stringe, e vuol di vita uscire. und will aus dem Leben scheiden.

Ecco che piu non resta Nun bleibt mir keine Hoffnung mehr,
Speranza, che raffreni il mio morire. die mein Sterben aufhalten könnte.
Ah Lucio, ah Lucio, ecco che l’alm’hor hora Ach Lucio, ach Lucio, sieh, meine Seele
Sta per volarsen fuora, wird nunmehr entschwinden
E te seguir; perche dov’hora stai und dir folgen, denn wo du jetzt bist,
Sciolto da tutte qualitati humane von allen Fesseln des Irdischen befreit,
Chiaro vedrai ch’io vissi à te fedele. wirst du klar erkennen, dass ich dir stets treu war.
E tu fosti crudele Du aber warst grausam, Verleumdungen Glauben
Al creder troppo, al morir poco accorto. zu schenken und unbedacht zu sterben.
M’ancida hor questo ferro So töte mich nun dieser Dolch,
8 C’homai la morte i sento. denn schon spüre ich den Tod. 8
Mi sii dunque pietosa o Madr’antica, Sei mir denn gnädig, o alte Mutter (Erde),
La mente mia da lunghi affanni hor sciogli erlöse nun meinen Geist von seinem langen Leid,
E’l caldo sangue, e la trist’alma accogli. und empfange mein warmes Blut und meine traurige Seele.

- 176 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 177 -
At t o II , s c e n a 5 Z we i t e r A k t, 5 . Au f t r i t t
Frulla, Isabella Frulla, Isabella

Frulla impedisce che non abbia effetto Frulla verhindert den Dolchstoss Isabellas
Il colpo d’Isabella; e le dà nova und bringt ihr die Nachricht,
Che Lucio amante suo vivo si trova. dass ihr geliebter Lucio noch lebt.

Frulla Frulla
Ah Isabella che fai? Ach Isabella was tust du ?
Ah nò perch t’uccidi? O nein! Warum tötest du dich?

Isabella Isabella
Deh lasciami morire. Ach, lass mich doch sterben!

Frulla Frulla
Non farai. Das tust du nicht!

8 Isabella Isabella 8
farò sì. Das tue ich wohl!

Frulla Frulla
depon giù l’armi. Leg’ diese Waffe nieder!

Isabella Isabella
L’armi ministre fien de la mia morte, Diese Waffe soll mir Dienerin zum Tode sein!

Frulla Frulla
E Lucio fia ministro di tua vita. Und Lucio soll dir der Diener zum Leben sein!

- 178 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 179 -
Isabella Isabella
E come stanno insieme morte, e vita? Und wie passen Tod und Leben zusammen?

Frulla Frulla
Non stanno insieme no, ma vita e vita Sie passen nicht zusammen, nein – aber Leben und Leben!
Godendo vivo il tuo bramato Lucio. Dein ersehnter Lucio ist am Leben!

Isabella Isabella
Che? Lucio vive? Was? Lucio lebt?

Frulla Frulla
Vive hor sta sù lieta. Ja, er lebt! Nun sei wieder froh!

Isabella Isabella
E come non è morto? Dimelo caro Frulla. Aber wieso ist er nicht tot? Sag’s mir, lieber Frulla!

Frulla Frulla
8 È vero che volea precipitarsi Es stimmt, dass er sich in die Tiefe stürzen 8
Ma certi Pastorelli, wollte, doch einige Hirten,
Ch’erano quivi intorno die sich dort aufhielten,
Uditi i suoi gravosi alti lamenti hörten sein schweres, lautes Klagen,
Fur sì presti al soccorso und eilten so schnell zu Hilfe,
Che non seguì l’effetto dass sein wahnsinniges Vorhaben
Del folle suo desio. nicht zur Ausführung kam.

Isabella Isabella
O me felice Isabella Glücklich bin ich, Isabella,
Poi che viv’il mio bene lebt denn noch mein Allerliebster,
Anch’io vivrommi, e fia will auch ich am Leben bleiben,
Lietissima per lui la vita mia. seinetwegen wird mein Leben fröhlich sein.

- 180 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 181 -
At t o III , s c e n a 1 D r i t t e r A k t, 1 . Au f t r i t t
Pantalone, Francatrippa, Gratiano Pantalone, Francatrippa, Gratiano

Hor che frà Pantalone, e Gratiano Jetzt, da zwischen Pantalone und Gratiano
Stretto è’l partito del accasamento der Heiratsvertrag abgeschlossen ist,
Non lasciano di darsi ogni contento. hören sie nicht auf, vergnüglich zu feiern.

Pantalone Pantalone
Daspuo ch’ò stabilio sto parentao Nachdem ich diese Verbindung festgemacht habe,
E parte de la Diote und einen Teil der Mitgift
Su’l Banco de Grifon depositao auf der Bank «Zum Greif» deponiert,
Voio mò far nozze, will ich nun das Hochzeitsfest richten.
Sù Francatrippa invida i mie parenti. Los, Francatrippa, lade meine Verwandten ein!

Francatrippa Francatrippa
Sagnur si sagnur nò. Herr, ja, Herr, nein,
Ma i me paret de mi? und was ist mit meinen Verwandten?
8 8
Pantalone Pantalone
Che parenti hastu ti? Was hast denn du für Verwandte?

Francatrippa Francatrippa
Fè cont du compagnet Rechnet mit zwei Zunftbruderschaften,
Paret de stret de stret. die enge, ganz enge Verwandte sind.

Pantalone Pantalone
Chi xè costor di mò? Und wer sind die, sag’ an?

- 182 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 183 -
Francatrippa Francatrippa
Mesir à vel dirò. Herr, ich nenne sie Euch:
O’l Gandai, e ’l Padella der Krümel und die Bratpfanne,
Zan Piatel, e Gradella. Tellerhans und Reiberaspel,
Zan Bucal, e Bertol. Hans Pokal und Dummerjan,
Burati, e Zanuol. Maskerad und Deckmantel,
Relichin, e Simù. der Hanswurst und der Simon,
O’l Zampetta, con Zanù. Schweinefuss und Wildschweinzahn,
E Frignocola, e Zambù. und der Klaps und der Eisbein,
Il Fritada, e Pedrolin Pfannkuch und das Peterlein,
Con dodes Fradelin. mit seinen zwölf Brüderlein.

Pantalone Pantalone
Moia moia moia Verreck, verreck, verreck,
Do compagnet’an? Zwillingsbruderschaften, was?

Francatrippa Francatrippa
8 Eh si caro Patrù. Hm, ja, teurer Chef. 8

Pantalone Pantalone
Tasi là pezzo de Can Schweig still, Stück von einem Hund!

Francatrippa Francatrippa
O mesir l’è i lò u’l Duttur O Herr, da ist ja der Doktor,
Che suna u’l Zambaiù? und spielt auf dem Eierpunsch!

Pantalone Pantalone
Chi xè sto Zambaiù? Was ist denn das für ein Eierpunsch?

- 184 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 185 -
Francatrippa Francatrippa
Sentif? sentif? oldif? Hört Ihr? Hört Ihr? Vernehmt Ihr’s?
Trencu trencu tren zupf, zupf, zupf.

Pantalone Pantalone
Bon zorno caro Zenero Guten Tag, lieber Schwiegersohn! Ach, mein
Deh caro e ’l mio Dottor fem’un piaser lieber Doktor, machen wir uns einen Spass!

Gratiano Gratiano
O com’o com’o com, O, und ob, und ob, und ob,
Msier si msier si msier si. Mösjöh ja, Mösjöh, ja, Mösjöh, ja!

Pantalone Pantalone
Cantè sù un pochetin Singt Ihr doch einmal
Un madregaletin. ein kleines Madrigal!

Gratiano Gratiano
8 A dirò al me favorid Ich singe es meiner Erwählten. 8

Pantalone Pantalone
Sù Francatrippa Los, Francatrippa,
Va in casa e dì à mia Fia geh ins Haus, und sag meiner Tochter,
Che se fazza al balcon sie soll auf den Balkon heraustreten,
Che sol per lei se vive in allegria. da nur ihretwegen lustig gefeiert wird.

- 186 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 187 -
At t o III , s c e n a 2 D r i t t e r A k t, 2 . Au f t r i t t
Gratiano, Pantalone, Francatrippa Gratiano, Pantalone, Francatrippa

Canta il Dottore un Madrigal gentile Der Doktor singt ein artiges Madrigal
Sotto’l Balcon de la sua cara sposa unter dem Balkon seiner lieben Verlobten
Con voce soavissima, e amorosa. mit zärtlicher und verliebter Stimme.

Gratiano Gratiano
Ancor ch’al parturire Obwohl man bei den Wehen
Al se stenta à murire Vor Schmerz sich fühlt’ vergehen,
Patir vorrei agn’hor senza tormiente. möchte ich stündlich ohne Wehen leiden,
Tant’è’l piaser Vincenze so übermächtig ist die Freude,
L’acqua vita m’ha pist’e pur ai torne das Lebenswasser prasselte mich nieder,
E cosi mille mele al far del zorne und so tausend Äpfel beim Morgengrauen
Padir agn’hor vorrei verdauen möchte ich allstündlich,
Tanto son dolci i Storni ai denti miei. so süss sind die Stare meinen Zähnen!

8 Pantalone Pantalone 8
O che vosetta cara Welch liebes Stimmlein gar,
Zentil, polia, e sonora, edel, sonor und klar,
Ch’al so dolce saor dass bei ihrem süssen Aroma
Se smisia Amor sich mischet der Gott Amor
Dentro al mio cor. tief in mein Herz führwahr!
E po nel dir vu sè un niove Anguillara Ich sag’, Ihr seid ein neuer Anguillara!

Francatrippa Francatrippa
Sagnur sagnur Duttur, Herr Doktor –

Pantalone Pantalone
Che vuot mò dir Trippa de Franza? Che vuot mò dir Trippa de Franza?

- 188 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 189 -
Francatrippa Francatrippa
al dis la Spusa Die Braut hat gesagt,
Che tucch entroma deter. dass alle hereinkommen sollen.

Gratiano Gratiano
O la ben, o sù ben Oho, gut! O, hinauf, gut!
O via ben, mo la ben. O, los, gut, o, mein Schatz!

At t o III , s c e n a 3 D r i t t e r A k t, 3 . Au f t r i t t
Francatrippa, Hebrei di dentro Francatrippa, Juden in einem Hause

Va à gli Hebrei Francatrippa à porr’un pegno Francatrippa geht zu den Juden, um ein Pfand hinzubringen.
La porta forte scuote, e una Babelle Er rappelt laut an der Tür,
S’ode di voci, e horribili favelle. und man hört ein Babel von Stimmen und dunklen Reden.

Francatrippa Francatrippa
8 Tich tach toch Tich, tach, toch, 8
Tich tach toch poch, poch, poch.
O Hebreorum gentibus O Ihr Hebrärleute,
Sù prest’avrì sù prest los, öffnet schnell, los, schnell!
Da hom da be cha tragh zo l’us. Als feiner Mann behandelt zu werden, bin ich gewohnt!

Hebrei Juden
Ahi Baruchai Ach, Baruchai,
Badanai Merdochai. Badanai und Merdochai,
An Biluchan und Biluchon,
Ghet milotran gehe milotran,
La Baruchabà. gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn.

- 190 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 191 -
Francatrippa Francatrippa
A no farò vergot maidè negot, Da kann ich also gar kein Geschäft machen,
Ch’i fa la Sinagoga denn sie halten Synagoge ab.
O che ’l Diavol v’affoga. O, dass euch der Teufel ertränke!
Tiche tach, tiche toch Tiche tach, tiche toch, poche poch, poche poch!

Hebrei Juden
Oth zorochot Zeichen, Bedrängnis
Aslach muflach Götzen, Barbaren,
Iochut zorochot Judah in Bedrängnis
Calamala Balachot. Calamala Balachot.

Francatrippa Francatrippa
U uhi, o ohi Heda, heda,
O messir Aron o Herr Aron!

Hebrei Juden
8 C’ha pulset’à sto porton Wer hat an diese Tür gepocht? 8

Francatrippa Francatrippa
So’mi so’mi messir Aron. Ich bin’s, ich bin’s, Herr Aron.

Hebrei Juden
Che cheusa volit? Was wollt Ihr?
Che cheusa dicit? Was sagt Ihr?

Francatrippa Francatrippa
A voraf ’impegnà sto Brandamant. Ich möchte diese Trägergurte verpfänden.

- 192 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 193 -
Hebrei Juden
O Samuel Samuel, O Samuel, Samuel,
Venit à bess, venit à bess komm herab, komm herab!
Adanai che l’è lo Goi Herr, da ist der Goy,
Ch’è venut con lo moscogn der mit dem Pfand gekommen ist,
Che vuol lo parachem für das er den Gegenwert will.
L’è Sabbà cha no podem. Es ist Sabbot, darum können wir nicht.

At t o III , s c e n a 4 D r i t t e r A k t, 4 . Au f t r i t t
Isabella, Lucia Isabella, Lucia

Trovansi à sorte, i duo fedeli Amanti, Zufällig treffen sich die beiden treuen Liebenden,
E fatto c’hanno l’allegrezze insieme, und nachdem sie darüber beide glücklich waren,
Dansi la fede insino à l’hore estreme. geloben sie sich Treue bis zur Todesstunde.

Isabella Isabella
8 Lassa che veggio? Ach, was sehe ich da? Ist das etwa Lucio? 8
E Lucio forse? ahimè non parm’al volt’e ai panni. Seinem Aufzug nach scheint er’s nicht zu sein.

Lucio Lucio
Quella ch’io veggio là parmi Isabella, Die ich da sehe, scheint mir Isabella zu sein,
Che sola pò dar fin’ai lunghi affanni. die allein mein langes Leid enden kann.
Ella sen vien ver mè voglio accostarmi. Sie kommt auf mich zu; ich geh ihr entgegen.

Isabella Isabella
O Lucio? Lucio?

- 194 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 195 -
Lucio Lucio
O Isabella? Isabella?

Isabella Isabella
O mia luce vitale. O, du mein Lebenslicht!

Lucio Lucio
O refugio al mio male. O, du Zuflucht in meinem Elend!

Isabella Isabella
Sei pur tu? Bist du es wirklich?

Lucio Lucio
Si ch’io sono. Ja, freilich bin ich’s.

Isabella Isabella
Sei Lucio, od ombra? Bist du Lucio oder sein Geist?
8 8
Lucio Lucio
In dubio stai? Zweifelst du etwa?

Isabella Isabella
Io temo. Ich habe Angst.

Lucio Lucio
perche temi? Warum hast du Angst?

Isabella Isabella
perch’io t’amo. Weil ich dich liebe.

- 196 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 197 -
Lucio Lucio
Amianci senza tema Lieben wir uns ohne Angst,
Mio bene. mein Schatz!

Isabella Isabella
O Lucio mio. O, mein Lucio!

Lucio Lucio
O mia Isabella! O, meine Isabella!

Isabella Isabella
E qual misera sorte Aber welch unseliges Geschick
Quasi t’indusse à morte? trieb dich denn fast in den Tod?

Lucio Lucio
Deh non rinovelliam si gran dolore: Ach, erneuern wir nicht mehr einen so grossen
Ma la promessa fede Schmerz, sondern erfülle dein Versprechen,
8 M’osservi d’esser mia. die Meine zu werden! 8

Isabella Isabella
Eccola, ne fia mai che d’altri sia. Hier hast du’s; keinem andren geb’ ich’s je.

Lucio Lucio
Ben mio l’accetto; ed ecco Lelio à punto, Mein Schatz, ich nehme es an! Aber da kommt ja
Ch’à tempo è giunto, Lelio gerade zur rechten Zeit!
Che se per noi sofferse affanni rei, Hat er unseretwegen böse Sorgen ausgestanden,
Hor goda de dolcissimi Himenei. soll er nun ein schönes Hochzeitsfest geniessen.

- 198 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 199 -
At t o III , s c e n a 5 e u lt i m a D r i t t e r A k t, 5 . u n d l e t z t e r Au f t r i t t

Ogn’un s’allegra, e gode, e si pon fine Ein jeder ist munter und fröhlich, und man beschliesst
A i bramati Himenei con varii doni die ersehnte Vermählung mit verschiedenen Gaben,
E dentro fansi feste, nozze, e suoni. und drinnen wird die Hochzeit mit Sang und Klang gefeiert.

Lucio Lucio
Rallegratevi meco Freut Euch mit mir,
O Signore Lelio, ch’Isabella è mia, o Herr Lelio, denn Isabella ist mein.

Lelio Lelio
M’allegro, e tanto godo Ich freue mich, und bin so glücklich
Di cosi stretto nodo, über diesen festen Bund,
Che dir non posso l’allegrezza mia. dass ich meine Freude gar nicht sagen kann.

Lucio Lucio
Vi ringratio, e v’invit’à le mie nozze: Ich dank Euch, und lade Euch zu meiner
8 Hor chiamate gl’amici Hochzeit ein; nun ruft die Freunde 8
Tutti di fuora. allesamt herbei.

Lelio Lelio
Fuora fuora fuora Herbei, herbei, herbei!

Tutti Alle
A sem’ chi lò sagnur à sem’ chi lò. Da sind wir; was gibt’s denn, Herr?

- 200 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 201 -
Lucio Lucio
Hor siat’i ben venuti, Nun seid herzlich willkommen!
Quest’è la Moglie mia Dies ist meine Gattin;
Fatele honor vi prego, e le donate erweist ihr Ehre, bitte, und schenkt ihr
Qualche piacevolezza ein paar gefällige Dinge
In segno d’allegrezza. als Zeichen eurer Freude!

Lelio Lelio
Io’l primo v’offro una rosa vermiglia, Ich bringe Euch eine rote Rose dar,
Ch’al volto vi somiglia. denn sie gleicht Eurem Antlitz.

Isabella Isabella
Io vi bacio la mano. Küss die Hand!

Pantalone Pantalone
E mi ve dago i guanti, che me cavo, Und ich gebe Euch die Handschuhe, die ich mir
Che fù del mio Bisavo. abziehe; sie stammen von meinem Urgrossvater.
8 8
Isabella Isabella
Vi ringratio signore. Ich danke Euch, Herr.

Nisa: Nisa
Questa Cagnuol vi dono acciò serbiate Dies Hündlein geb ich Euch, auf dass Ihr
A Lucio fedeltate. Lucio auch die Treue wahrt!

Isabella Isabella
Mille gratie vi rendo. Tausend Dank sag ich Euch.

- 202 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 203 -
Capitan Hauptmann
Tres mill Maravedis Dreitausend Maravedi
Toma ò Dama hermosa, nehmt, o schöne Dame,
Y de mi Lucio Esposa. und meines Lucios Gattin.

Isabella Isabella
Splendidissimo sete. Ihr seid äusserst splendid.

Pedrolino Pedrolino
Mi no ve poss’donà preset plu bel Ich kann Euch kein schön’res Präsent machen
Se no sto Ravanel. als diesen Radi hier.

Isabella Isabella
Granmercè Pedrolino. Vielen Dank, Pedrolino.

Gratiano Gratiano
Av don’un par d’Ucchià senza la lus Ich schenk’ Euch eine Brille ohne Gläser,
8 Per far’hunor’ai Spus. dem Brautpaar Ehre zu erweisen. 8

Isabella Isabella
Gratiosissimo dono. Ein sehr willkommenes Geschenk.

Lucio Lucio
Entriamo hor tutti in Casa, Nun lasst uns alle ins Haus gehen!
E voi cortesi, e Illustri spettatori Und ihr, erlauchte Zuschauer
Ci date veramente gebt uns ein echtes, freundliches
Piacevol segno che vi sia piacciuta Zeichen, dass sie euch gefallen hat,
Questa favola nostra, poi che s’ode diese unsere Mär, indem ihr lautes
Grand’applauso di man, voci di lode. Händeklatschen und Lobesrufe hören lasst!
IL FINE ENDE

- 204 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 205 -
Die Biografien der in diesem Konzert mitwirkenden Künstler und
Ensembles finden Sie auf Seite 270.

Au t o g r a mm e d e r M i t w i r k e n d e n Kü n s t l e r
vo n » D i e Ve n e z i a n i s c h e Ko mm ö d i e «

8 8

- 206 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 207 -
Donnerstag, 17.09., 19.00 Uhr David Miller: Erzlaute, Gitarre
Rathaus St. Veit Richard Campbell: Viola da gamba, Gitarre
Jadran Duncumb: Gitarre

Henry Purcell -
The Fairy Queen (1692) H a r m o n y o f N at i o n s B a r o q u e O r c h e s t r a :
Kristin Deeken: 1. Violine
Fani Vovoni: 2. Violine
Magdalena Malecka: Viola
Gyöngy Erödi: Violoncello
Elisabeth Baumer: 1. Oboe, Blockflöte
Rei Ishizaka: 2. Oboe, Blockflöte
I Fag i o l i n i Katalin Sebella: Fagott
H a r m o n y o f N at i o n s B a ro qu e O rc h e s t r a Bernhard Lampert: 1. Trompete
Herbert Walser-Breuß: 2. Trompete
Heiko Kleber: Pauken

Robert Hollingworth: Leitung Gerd Wameling: Erzähler


Die gesprochenen Texte wurden von Timothy Knapman
9 I Fag i o l i n i : im Auftrag der Trigonale geschrieben. 9
Anna Crookes: Sopran (Night) Übersetzung: Franz-Karl Opitz
Emma Tring: Sopran (Mystery)
William Purefoy: Countertenor (Secrecy, Mopsa)
Robert Hollingworth: Countertenor
Nicholas Hurndall Smith: Tenor (‘Come all’)
James Oxley: Tenor
Eamonn Dougan: Bariton (Drunken poet, Winter, Hymen)
Charles Gibbs: Bass (Sleep, Coridon)
Catherine Pierron: Cembalo, Orgel

- 208 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 209 -
Einleitung nachtstraum« bedient und das Stück in einer recht freien Bearbei-
tung vertont. Das Ergebnis bewegt sich auf dem Grenzgebiet zwi-
Neben den Kollegen Händel, Haydn und Mendelssohn ist Henry schen den verschiedenen Gattungen Oper, Schauspielmusik und
Purcell in diesem Jahr ein bisschen zu kurz gekommen – dabei be­ Bal­lett und spricht damit viele verschiedene Sinne des Besuchers an.
geht auch er ein rundes Jubiläum: Er wurde am 10. September 1659, Mit ihren kunstvoll verwobenen Irrungen und Wirrungen ist Shake­
also vor ziemlich genau 350 Jahren, in Westminster geboren. Wie speares Komödie natürlich auch eine äußerst dankbare Vorlage, die
ungeheuer groß seine Bedeutung für die englische Musikgeschichte den erfahrenen Theaterkomponisten Purcell zu vielen zündenden
ist, lässt sich schon an dem Titel »Orpheus Britannicus« ablesen, mit Ideen inspiriert.
dem er in seinem Heimatland geadelt wurde: Der britische Orpheus.
Seine »Fairy Queen« spielt im Märchenreich des Elfenkönigs Oberon
Dieser Beiname verdeutlicht die tiefe Bewunderung für den viel- und der Feenkönigin Titania, die sich wegen einer kleinen Eifer-
leicht größten englischen Komponisten und verweist gleichzeitig süchtelei in die Haare kriegen. Sie trennen sich im Zorn – und Obe­
auf seine besonderen künstlerischen Stärken. Denn obwohl er eine ron beschließt, sich zu rächen. Er lässt seinen Lieblingskobold Puck
ganze Reihe wichtiger Instrumentalwerke schrieb – wie etwa die nach einer Zauberblume suchen, deren Saft eine magische Liebes-
wunderbaren Gambenfantasien, in denen er schon mit 21 Jahren eine wirkung erzeugt. Und so entflammt die Gattin Titania, mit dem Blu­
beeindruckende Meisterschaft zeigte -, gründet der Ruhm doch vor menextrakt beträufelt, heiße Gefühle für einen dämlichen Handwer-
allem in seinem Vokalschaffen: Es umfasst zahlreiche geistliche Kom­ ker, den Puck in einen Esel verwandelt hat. Das ist Strafe genug,
positionen sowie etwa 50 Schauspielmusiken (»Masques«) und so- meint auch Oberon und erlöst seine Gattin mit einer Gegengiftblu-
genannte »Semi Operas«, eine spezielle britische Mischung aus Mu- me aus ihrem Wahn. Am Ende ist natürlich alles gut. Und Purcell
9 sik und Tanz. hat reichlich Gelegenheit, alle Register seines Könnens zu ziehen. 9
Das renommierte Ensemble I Fagiolini zeigt die dreistündige Semi
Hier konnte der »Orpheus Britannicus« sein außergewöhnliches Opera in einer gekürzten Version und verbindet die Handlung durch
Ge­spür für den Gesang und das englische Idiom demonstrieren: »Er sehr humorvolle deutsche Texte – der britische Orpheus konnte
hat den Zungenschlag unserer Muttersprache gestärkt, gestreckt und näm­lich nicht nur betörend schön singen, sondern auch ziemlich
abgestimmt.«, schwärmte der Musikhistoriker Charles Burney noch unterhaltsam und witzig sein.
90 Jahre nach Purcells Tod. Marcus Stäbler

Dieses besondere Talent tritt auch in der Semi Opera »The Fairy
Queen« (»Die Feenkönigin«) zu Tage, die 1692 ihre Uraufführung
erlebte. Henry Purcell hat sich hier bei Shakespeares »Sommer-

- 210 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 211 -
Ac t I Erster Akt

Come, come, come, let us leave the Town Kommt, kommt, verlassen wir die Stadt,
And in some lonely place, lasst uns an einem einsamen Ort,
Where Crouds and Noise were never known, wo nie ein Mensch, nie Lärm hindrang,
Resolve to spend our days. doch unsere Tage verbringen!
In pleasant Shades upon the Grass In lauen Schatten auf dem Gras
At Night our selves we'll lay; legen wir uns nachts nieder;
Our Days in harmless Sport shall pass, uns`re Tage vergehen bei friedlichem Spiel,
Thus Time shall slide away. so gleite die Zeit dahin!

Drunken Poet Der betrunkene Dichter


Fill up the Bowl, then, &c. So füllt den Becher, füllt den Becher…

1st Fairy, Chorus Erste Elfe und Chor


Trip it, trip it in a Ring; Springt um ihn und kreist ihn ein!
Around this Mortal Dance, and Sing. Tanzt um den Menschen; singt!

Poet Dichter
9 Enough, enough, Genug, genug! 9
We must play at Blind Man's Buff. Wir müssen Blindekuh spielen.
Turn me round, and stand away, Dreht mich herum, und steht beiseite,
I'll catch whom I may. ich fange, wen ich kann!

1st Fairy, Chorus Erste Elfe, Chor


About him go, so, so, so, Geht rings um ihn herum, so, so,
Pinch the Wretch, from Top to Toe; zwickt den Schelm von Kopf bis Fuß,
Pinch him forty, forty times, zwickt ihn, vierzig, vierzig Mal,
Pinch till he confess his Crimes. zwickt ihn, bis er seine Untaten gesteht!

- 212 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 213 -
Poet Dichter
Hold you damn‘d tormenting Punk, Halt, verdammter Quälgeist, du,
I do confess ? ich gestehe…

Both Fairies Beide Elfen


What, what, &c. Was, was?

Poet Dichter
I‘m Drunk, as I live Boys, Drunk. Ich bin betrunken, so wahr ich leb´, Jungen, betrunken.

Both Fairies Beide Elfen


What art thou, speak? Was bist du? Sprich!

Poet Dichter
If you will know it, Wenn ihr´s denn wissen müsst…
I am a scurvy Poet. ich bin ein miserabler Poet.

Chorus Chor
Pinch him, pinch him for his Crimes, Zwickt ihn für das, was er verbrach,
9 His Nonsense, and his Dogrel Rhymes. seinen Unsinn, seine Knittelverse! 9

Poet Dichter
Hold! Oh! Oh1 Oh! Hört auf! Au, au, au!

Both Fairies Beide Elfen


Confess more, more. Gesteh´ noch mehr…

- 214 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 215 -
Poet Dichter
I confess, I'm verypoor. Ich gesteh´, ich bin recht schlecht.
Nay prithee do not pinch me so, Nein, ach zwick´ mich doch nicht so!
Good dear Devil, let me go; Guter, lieber Teufel, lass mich los,
And as I hope to wear the Bays, und, so wahr ich auf Lorbeeren hoffe,
I'll write a Sonnet in thy Praise. schreib´ dir zum Lob ich ein Sonnett!

Chorus Chor
Drive 'em hence, away, away Jagt sie fort, hinweg, hinweg,
Let 'em sleep till break of Day. Lasst sie schlafen, bis der Tag anbricht!

Ac t II Z we i t e r A k t

Tenor Tenor
Come all ye Songsters of the Sky, Kommt, ihr Sängervolk der Lüfte,
Wake, and Assemble in this Wood; wacht auf, versammelt euch hier im Wald!
But no ill-boding Bird be nigh, Doch sei kein Unglücksvogel dabei,
None but the Harmless and the Good. sondern nur die harmlosen und guten!
9 9
Trio Trio
May the God of Wit inspire, Möge der Musengott seine heiligen Neun
The Sacred Nine to bear a part; anregen, eine Stimmpartie zu übernehmen,
And the Blessed Heavenly Quire, so zeige der selige Himmelschor
Shew the utmost of their Art. seine höchste Sangeskunst vor,
While Echo shall in sounds remote, indes ferner Echoklang widerhalle
Repeat each Note, alle Töne, alle… alle…
Each Note, each Note.

- 216 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 217 -
Chorus Chor
Now joyn your Warbling Voices all. Nun vereint eure zwitschernden Stimmen, alle!

Soprano and Chorus Sopran und Chor


Sing while we trip it on the Green; Singt, während wir auf der Wiese tanzen;
But no ill Vapours rise or fall, doch rührt keine üblen Schwaden auf;
Nothing offend our Fairy Queen. nichts darf unserer Feenkönigin schaden!

Night Die Nacht


See, even Night her self is here, Seht, die Nacht ist selbst erschienen,
To favour your Design; eurem Plan entgegenzukommen,
And all her Peaceful Train is near, all ihr friedliches Gefolge ist da,
That Men to Sleep incline. welches Menschen schläfrig macht.
Let Noise and Care, Lasst Lärm und Sorgen,
Doubt and Despair, Kummer und Verzweiflung,
Envy and Spight, lasst Trotz und Neid
(The Fiends delight) (des Teufels Freud´!)
Be ever Banish‘d hence, auf ewig von hier verbannt sein!
Let soft Repose, lasst sanfte Ruhe,
9 Her Eye-lids close; die Lider ihr schließen, 9
And murmuring Streams, und murmelnde Bäche,
Bring pleasing Dreams; frohe Träume bringen,
Let nothing stay to give offence. lasst nichts da, was stören könnte!

- 218 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 219 -
Mystery Der Geist der Heimlichkeit
I am come to lock all fast, Ich bin hier, alles fest zu verschließen.
Love without me cannot last. Liebe hat ohne mich keinen Bestand.
Love, like Counsels of the Wise, Liebe, wie die Berater der Weisen,
Must be hid from Vulgar Eyes. muss man vor den Gaffern verbergen.
'Tis holy, and we must conceal it, Sie ist heilig; man muss sie verhüllen;
They profane it, who reveal it. denn wer sie entdeckt, entweiht sie.

Secrecy Der Geist der Verschwiegenheit


One charming Night Eine bezaubernde Nacht
Gives more delight, schenkt mehr Seligkeit
Than a hundred lucky Days. als hundert glückliche Tage.
Night and I improve the tast, Die Nacht und ich steigern den Genuss
Make the pleasure longer last, und verlängern das Vergnügen
A thousand, thousand several ways. auf tausenderlei Art.

Sleep Der Geist des Schlafes


Hush, no more, be silent all, Still! Nichts mehr, schweigt alle!
Sweet Repose has clos'd her Eyes. Süße Ruh´ schloss ihr die Augen.
9 Soft as feather'd Snow does fall! Leise wie der Schneeflaum fällt, 9
Softly, softly, steal from hence. leise stehlt euch nun davon.
No noise disturb her sleeping sense. Kein Laut störe ihren schlafenden Sinn!

- 220 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 221 -
Ac t III Dritter Akt

Soprano Sopran
If Love‘s a Sweet Passion, why does it torment? Ist die Liebe eine süße Leidenschaft, warum tut sie weh?
If a Bitter, oh tell me whence comes my content? Ist sie eine bitt´re, sag´, warum bin ich so froh?
Since I suffer with pleasure, why should I complain, Ich leide ja mit Freuden; was klage ich dann und bejamm´re mein Los,
Or grieve at my Fate, when I know ‚tis in vain? wenn ich weiß, es ist umsonst?
Yet so pleasing the Pain, so soft is the Dart, Doch so gut tut der Schmerz, und so sanft ist der Pfeil,
That at once it both wounds me, and tickles my Heart. er verwundet und streichelt mein Herz zugleich!

Chorus Chor
I press her Hand gently, Sacht drück´ ich ihre Hand,
look Languishing down, senke schmachtend den Blick,
And by Passionate Silence durch glutvolles Schweigen
I make my Love known. künd´ ich ihr meine Liebe;
But oh! I‘m Blest when so kind she does prove, doch oh! bin ich selig, wenn sie dann so nett ist,
By some willing mistake mir durch ein absichtliches Versehen
to discover her Love. ihre Liebe zu verraten;
When in striving to hide, she reveals all her Flame, wenn die Mühe, ihre Flamme zu verbergen, sie entdeckt,
9 And our Eyes tell each other, und uns´re Augen sich sagen, 9
what neither dares Name. was keiner zu nennen wagt!

Coridon Corydon
Now the Maids and the Men are making of Hay, Die Mägde und Knechte machen jetzt Heu.
We h‘ve left the dull Fools, and are stolen away. Wir verließen die faden Narren und stahlen uns fort.
Then Mopsa no more Drum, Mopsa, sei nicht mehr
Be Coy as before, so spröde wie vorher.
But let us merrily Play, lass dich doch zu fröhlichem Spiel herbei.
And kiss the sweet time away. küssen wir uns zu süßem Zeitvertreib!

- 222 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 223 -
Mopsa Mopsa
Why, how now, Sir Clown, what makes you so bold? Ja aber, Herr Witzbold, was macht Euch so kühn?
I‘d have ye to know I‘m not made of that mold. Wisset, dass ich nicht von der Sorte bin!
I tell you again, Ich sag´s Euch noch einmal:
Maids must never Kiss no Men. Mädchen dürfen nie keine Männer nicht küssen,
No, no: no Kissing at all; nein, nein, nein, nein, Küssen darf nicht sein,
I‘ll not Kiss, till I Kiss you for good and all. ich küsse nicht, bis Ihr mich auf immerdar küsst!

Coridon Corydon
Not Kiss you at all? Dich gar nicht küssen?

Mopsa Mopsa
Not kiss, till you kiss me for good and all. Nein, nein. Kein Kuss! Bis du mich auf immerdar küsst!

Coridon Corydon
Should you give me a score, Und gibst du mir zwanzig,
‚Twould not lessen your store, deinen Vorrat schmälert´s nicht.
The bid me chearfully, chearfully Kiss, So heiße mich freundlich, dich küssen
And take, and take, my fill of your Bliss. und mich gütlich tun an deinen Wonnen!
9 9

- 224 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 225 -
Mopsa Mopsa
I‘ll not trust you so far, I know you too well; Ich trau´ dir gar nicht, ich kenn´ dich zu gut;
Should I give you aninch, you‘d soon take an Ell. geb´ ich dir einen Zoll, nimmst du gleich ´ne Elle.
The Lordlike you Rule, Dann herrscht du wie ein Fürst,
And laugh as the Fool, und lachst über die Närrin.
No, no, &c. Nein, nein, usw.

Coridon Corydon
So small a Request, Eine so kleine Bitte
You must not, you cannot, you shall not deny, darfst du, kannst du, wirst du nicht abschlagen;
Not will I admit of another Reply. ich lasse keine andere Antwort mehr gelten!

Mopsa Mopsa
Nay, what do you mean? Nein, was meinst du damit?
O fie, fie, fie! Oh, pfui, pfui!

9 9

- 226 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 227 -
Ac t I V Vi e r t e r A k t

One of the Attendants, Chorus Ein Mitflied des Gefolges, Chor


Now the Night is chac‘d away, Nun ist die Nacht vertrieben!
All salute the rising Sun; Begrüßt alle die aufgehende Sonne!
‘Tis that happy, happy Day, Dies ist der frohe, frohe Tag,
The Birth-Day of King Oberon. der Geburtstag König Oberons!

Winter Der Winter


Next, Winter comes Slowly, Pale, Meager, and Old, Nun kommt der Winter, langsam, bleich, mager und alt,
First trembling with Age, and then quiv‘ring with Cold; zittrig vor Alter und schlotternd vor Kälte,
Benumb‘d with hard Forsts, and with Snow covere‘d o‘ver, betäubt von hartem Frost und bedeckt mit Schnee
Prays the Sun to Restore him, and Sings as before. bittet er die Sonne um Gesundung, und singt wie zuvor:

Chorus Chor
Hail! Great Parent of us all. Heil dir, unser aller großer Vater,
Light and Comfort of the Earth, Licht und Segen der Erde,
Before thy Shrine the Seasons fall, vor deinem Alter fallen die Jahreszeiten nieder,
Thou who giv’st all Nature Birth. schenkst du doch der ganzen Natur das Leben.
9 9

- 228 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 229 -
Ac t V Fü n f t e r A k t

The Plaint Das Klagelied


O let me weep, for ever weep, O lasst mich weinen, ewig weinen!
My Eyes no more shall welcome Sleep; Schlaf sei meinen Augen nie mehr willkommen!
I‘ll hide me from the sight of Day, Ich verberge mich vor dem Anblick des Tageslichts,
And sigh, and sigh my Soul away. und seufze, seufze mir die Seele aus.
He‘s gone, he‘s gone, his loss deplore; Er ist dahin, dahin, beklagt seinen Verlust,
And I shall never see him more. denn ich sehe ihn niemals wieder!

A Chinese Woman Eine Chinesin


Hark now the Echoing Air a Triumph Sings, Horch, wie das luftige Echo ein Triumphlied singt,
And all around pleas‘d Cupids clap their Wings. und überall frohe Amoretten mit den Flügeln schlagen!

Chorus Chor
Hark! Hark! Horch! Horch!

Two chinese women Zwei Chinesinnen


Sure the dull God of Marriage does not hear; Der stumpfe Gott der Ehe hört wohl nicht?
9 We‘ll rouse him with a Charm, Hymen appear! wir wecken ihn mit einem Zauberspruch. Hymen, erscheine! 9

Chorus Chor
Hymen appear! Hymen, erscheine!

Chinese women and chorus Chinesinnen und Chor


Our Queen of Night commands thee not to stay, Unsere Königin der Nacht verbietet dir, zu trödeln!
Appear! Erscheine, erscheine!

- 230 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 231 -
Hymen Hymen
See, see, I obey. Da, seht, ich gehorche!
My torch has long been out, I hate Meine Fackel ist längst erloschen. Ich hasse es,
On loose dissembled Vows to wait, bei geheuchelten Treueschwüren zu dienen,
Where hardly Love out-lives the Wedding-Night, wo die Liebe kaum die Hochzeitsnacht überlebt.
False Flames, Love‘s Meteors, yield my Torch no Light. Falsche Flammen, Sternschnuppen der Liebe,
liefern meiner Fackel kein Licht.

Two chinese women Zwei Chinesinnen


Turn then thine Eyes upon those Glories there, So richte deinen Blick auf diese Glorie hier,
And catching Flames will on thy Torch appear. und zündende Flammen werden deine Fackel anstecken!

Hymen Hymen
My Torch, indeed, will from such Brightness shine: Ja, das bringt meine Fackel zum Erstrahlen!
Love ne‘er had yet such Altars, so divine. Nie hatte Amor solch göttliche Altäre!
 
Two chinese women, Hymen and Chorus 2 Chinesinnen, Hymen und Chor
They shall be as happy as they‘re fair; Sie sollen so glücklich sein, wie sie schön sind,
Love shall fill all the Places of Care: und die Liebe die Stelle der Sorgen einnehmen,
9 And every time the Sun shall display his Rising Light, und jedesmal, wenn die Strahlende Sonne aufgeht, 9
It shall be to them a new Wedding-Day; soll´s für sie ein neuer Hochzeitstag sein,
And when he sets, a new Nuptial-Night. und geht sie unter, eine neue Hochzeitsnacht!

© harmonia mundi s.a., 2009, für gesungene Orginaltexte,


deutsche Übersetzungen und Inhaltsangaben.

Die Biografien der in diesem Konzert mitwirkenden Künstler und


Ensembles finden Sie auf Seite 270.

- 232 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 233 -
Au t o g r a mm e d e r M i t w i r k e n d e n Kü n s t l e r
vo n »T h e Fa i ry Q u e e n «

9 9

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Freitag, 18.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit

Georg Friedrich Händel – H a r m o n y o f N at i o n s B a r o q u e O r c h e s t r a :


Acis and Galatea (1718) Kristin Deeken: 1.Violine
Fani Vovoni: 2.Violine
Gyöngy Erödi: Violoncello
Elisabeth Baumer: 1.Oboe, Blockflöte
Rei Ishizaka: 2.Oboe, Blockflöte
Katalin Sebella: Fagott

I Fag i o l i n i Gerd Wameling: Neptun Chris Pichler: Venus


H a r m o n y o f N at i o n s B a ro qu e O rc h e s t r a
Die gesprochenen Texte wurden von Timothy Knapman
im Auftrag der Trigonale geschrieben.
Übersetzung: Franz-Karl Opitz
Robert Hollingworth: Leitung

I Fag i o l i n i :
Clare Wilkinson: Galatea (Mezzosopran)
10 James Oxley: Acis (Tenor) 10
Charles Gibbs: Polyphemus (Bass)
Nicholas Hurndall Smith: Damon (Tenor)
Robert Hollingworth: Countertenor

Catherine Pierron: Cembalo


David Miller: Erzlaute

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Einleitung Gay zu nennen, der wahrscheinlich einen großen Teil des Texts
verfasste. Brian Trowell vertritt überzeugend die Auffassung, dass
Händels kurzer Aufenthalt (1717-1718) in Cannons (bei Edgware), man im Verlauf des Entstehungsprozesses von Acis and Galatea ent­
wo er als Komponist im Dienst von James Brydges, Earl of Car­ schied, aus einem Stück mit drei Charakteren (Acis, Galatea und Po­
narvon, tätig war, erwies sich als wegweisend für seinen künfti­gen ly­­phem, wie in Händels italienischer Bearbeitung) ein erweitertes
Erfolg in England. Zusammen mit wenigen auserwählten Berufs- Stück zu komponieren, in dem Acis und Polyphem jeweils ein Rat­
musikern konnte er hier im Rahmen des ‘Cannons Concert’ mit in- geber an die Seite gestellt wurde – Damon und Coridon. Laut Tro-
strumentalen Genres und Theaterstücken unter Verwendung eng- well wurde ein großer Teil der neueren Passagen von John Hughes
lischer Texte experimentieren, ohne gegen den üblichen finan­ziellen hinzugefügt, aber es könnten auch weitere Verfasser beteiligt ge-
Druck bei öffentlichen Aufführungen ankämpfen zu müssen. Mit wesen sein, etwa John Blackley, einer der Tenöre von Cannons.
seinen elf Anthems für Cannons schuf er seine umfangreichste Aus den Aufzeichnungen von Graydon Beeks geht hervor, dass Black-­
Sammlung englischer Kirchenmusik, und Esther (HWV 50a, da- ley Autor zumindest eines Librettos zu einer Kantate war, die auf
mals Das Oratorium) wurde zum Prototyp des Englischen Orato- Pepusch, Musikdirektor des Cannons Concert, zurückging.
riums, dem er sich in der letzten Schaffensphase seiner Laufbahn
vorwiegend widmete. Ein vergleichbar hoher Stellenwert kommt Die Handlung ist entwaffnend schlicht: Die Nymphe Galatea
sicher dem pastoralen ‘Entertainment’ Acis and Galatea zu, seiner liebt den Schäfer Acis und er liebt sie. Nach einer qualvoll langen
ersten musikalischen Bearbeitung eines größeren englischspra- Trennung finden sie zueinander und sehen ihrem immerwähren­
chigen Texts aus dem Bühnengenre. Denselben Stoff – auf der den Glück entgegen. Der Riese Polyphem (in einigen der frühe­
Grundlage der Metamorphosen von Ovid – hatte er schon 1708 in ren Fassungen des Stücks die Personifizierung des Vulkans Ätna)
Form einer italienischen Serenata bearbeitet (Aci, Galatea e Poli- hat indes selbst ein Auge auf Galatea geworfen – ungeachtet der
femo, HWV 72). Die pastorale Dichtung harmonierte zudem gut offen­sichtlichen Abneigung seiner Angebeteten – und tötet Acis
10 mit der Form der Da Capo-Arie, die Händel in seinen italienischen am Ende mit einem riesigen Felsblock (‘massy ruin’), eine von 10
Bühnenwerken lange kultiviert hatte. Offenbar stand er auf bestem nur zwei echten Handlungen in dem gesamten Stück. Die Schluss­
Fuß mit den herausragenden Vertretern der literarischen Bewe- passage umfasst die unvermeidliche Klage um Acis und den Kum-
gung, die damals in der Definition und Entwicklung der engli­schen mer Galateas, die jedoch erkennt, dass sie Acis mit Hilfe ihrer
Pastoraldichtung den Ton angab, ein Kreis, der sich um einen wei­ göttlichen Macht in eine ewig sprudelnde Quelle verwandeln kann.
teren seiner Auftraggeber gebildet hatte. Führend in Theorie und Diese zweite Handlung ist die Metamorphose, mit der Ordnung
Praxis war Alexander Pope, dessen Modell einigen Nummern in und Einvernehmen in dem scheinbar zeitlosen Paradies zu Beginn
Händels Libretto zugrunde liegt (so zB Wretched Lovers und The der Handlung wiederhergestellt werden. Obwohl es vergleichs-
flocks shall leave the mountain). Direkt an zweiter Stelle ist John weise an Erzählfluss mangelt (so folgen viele der Arien ohne die

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traditionelle Verbindung mittels eines Rezitativs direkt aufeinan- (Where shall I seek the charming fair?), seiner fast explosiven Zärt-
der), ergriff Händel hier die Gelegenheit, die Musik selbst als lichkeit beim Erwachen von Galateas sexueller Begierde (Love in
wichtigstes Ausdrucksmittel zu etablieren, um das pastorale Genre her eyes sits playing) oder seinem glücklosen Kampfgeist in Love
mit neuem Leben zu erfüllen. Dabei legte er in einigen Passagen sounds th’alarm. Die Musik unterstreicht und eint nicht nur die Ge­
einen Weitblick und eine Eindringlichkeit an den Tag, die sonst fühle ganzer Gruppen – etwa das überströmende Glück in Happy,
nur selten erreicht werden. Wie stellt sich unsere Kultur zu einem happy we! oder die an Purcell erinnernde Klage Mourn, all ye
angenommenen Naturzustand oder einem vergangenen ‘Goldenen muses –, sondern sie kann darüber hinaus eine umwerfend ironi­
Zeitalter’? Wie vereinen wir Vernunft und gewonnene Erfahrung sche Perspektive schaffen. Gerade als Polyphem den Entschluss ge­
mit physischen und emotionalen Bedürfnissen, die unbestreitbar fasst hat, aus Schilfrohren (a hundred reeds of decent growth) die
vorhan­den sind? Gehorcht die Sphäre der Natur unserem Befehl größte aller Pfeifen zu bauen, wird sein Werben um Galatea (O
oder droht sie vielmehr ständig, die Oberhand zu gewinnen? ruddier than the cherry) von einer Blockflöte begleitet, der kleinsten
Pfeife, die Händel finden konnte – eine Entmannung, die an scham­
Händels Musik beschwört oftmals einen Naturzustand, der in sich loser Direktheit kaum zu überbieten ist. Wie Winton Dean bemerk­
selbst vollkommen scheint. Das Erklingen menschlicher Stimmen te, ging die Darstellung des Polyphem als komischem Charakter
wirkt in ihm bald jäh und unerwartet (zB der Beginn des einlei- bereits auf Ovid zurück; die dunkelsten Kräfte der Natur ins Lä-
tenden Chors O the pleasure of the plains!), bald fast verstohlen cherliche zu ziehen, war zweifellos ein gesunder Schritt auf dem
(zB die Schlussarie Heart, the seat of soft delight). Wie eine Mena- Weg zu ihrer Beherrschung. Indessen überrascht der zyni­sche
gerie der Natur zieht die Musik an uns vorüber, scheinbar losgelöst Damon, der mit seinem realistischen, bodenständigen Rat an Acis
von den Gefühlen, die sie in Galatea auslöst, etwa in ‘Hush, ye pretty, nie geizt, mit einer Arie voller Energie (Shepherd, what art thou
pretty warbling choir!’. Lediglich an zwei Stellen scheint sie auf pursuing?) sowie mit einer der zartesten und bewegendsten Num-
ihren Ruf zu antworten, wenn auch vielleicht mehr als Parodie denn mern (Consider, fond shepherd) des Stücks. Es ist, als wolle die Mu-
10 in echter Sympathie. Erst als sie am Ende mit Heart, the seat of soft sik durch ungewohnt subtile Schönheit eine Geisteshaltung adeln, 10
delight ihre ganze göttliche Macht in die Waagschale legt, ist sie die sich weder unbedacht persönlicher Leidenschaft noch den uns
mit den sanften Wellenbewegungen der Natur in wunderbarem umgebenden Kräften der Natur hingibt, sondern die Lage mit einem
Einklang. Es mag uns – so lautet offenbar ihre Botschaft an den Men­ gewissen Maß an kühler Berechnung abschätzt (macht sich am
schen der frühen Moderne – nicht vergönnt sein, den zornigen Aus­ Ende hier die Stimme des Komponisten selbst bemerkbar?).
brüchen der Elemente Einhalt zu ge­bieten, aber wir besitzen genü-
gend göttliche Inspiration, um einen kleinen Wasserlauf umleiten Am meisten beeindruckt jedoch die Art, in der Händel durch Me-
zu können. Die Musik unterstreicht die Emotionen der Charaktere tamorphose und Entwicklung die in seiner lyrischen Welt vorherr­
und verleiht ihnen greifbare Gestalt, sei es in Acis´ bangem Fragen schenden statischen und zyklischen Elemente ausgleicht. Der erste

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»Zustand« des Dramas, bis zum Duett Happy, happy we!, ist ein Bald schon wird die Sequenz der Da-capo-Arien wieder aufge-
Zustand zeitloser Wiederkehr (hervorgehoben durch den Kreis griffen (vier von ihnen sind, in Folge, im Dreiertakt geschrieben).
der Jahreszeiten im Mittelteil des Eingangschors oder die Da-ca- Die Einsätze von Coridon und Damon entsprechen den Charak-
po-Form als Verdeutlichung der Wiederkehr zum Jetzt in der mu- teren, die sie unterstützen: Coridon greift den Dreiertakt von
sikalischen Zeit). Die Liebesqual und letztendlich das Glück von Polyphems Cease to beauty to be suing auf und fährt fort mit Would
Acis und Galatea spiegeln eine menschliche Erfahrung, die jedem you gain the tender creature, ändert jedoch das Moll des vorherge-
Alter und allen Kulturen gemeinsam ist – sie sind daher histo­risch henden Stücks in die parallele Durtonart um. Damons Consider, fond
unspezifisch. Die Sinfonia und das Duett wirken wie stark ener­gie­ shepherd folgt ähnlich unmittelbar auf Acis’ Love sounds th’alarm,
geladene Buchstützen, die diesen Zustand umrahmen, als ob die in einem langsameren Dreiertakt, der die rastlose Stimmung des
Ladung der ersten bis zu der des letzteren überleitet. Für eine ge­ vor­hergehenden Stücks abmildert (vielleicht ein Bezug auf die Kreuz­
wisse Bewegung sorgt in der Zwischenzeit Damons Arie Shepherd, schlag-‘Hemiole ’ der Schlusstakte?). Es folgt eines der bemerkens­
what art thou pursuing?, in diesem Teil die einzige Arie, die nicht wertesten Stücke des gesamten Werks: das Trio The flocks shall leave
im Dreiertakt oder in einer zusammengesetzten Taktart kompo- the mountains. Hier wird der offensichtliche Stim­mungskontrast
niert ist. Von diesem Punkt an ist spürbar, dass Acis und Galatea zwischen dem Liebensduett von Acis und Galatea einerseits, und
in ihren Arien komplementäre Taktarten verwenden (Love in her den zunehmend zornigen Äußerungen des Polyphem andererseits
eyes sits playing im 12/8, gefolgt von As when the dove im 3/8), die herausgearbeitet. Die Szene gipfelt im Schleudern des Felsbro-
in der frohen Gigue Happy, happy we! schließlich eine gelungene ckens, das Händel zum Abschluss geradezu bildhaft darstellt
Verbindung eingehen. Der Übergang von diesem Duett zu der (durch einen sehr auffälligen Bruch mit dem Da-Capo-Prinzip,
völlig neuen Atmosphäre des Chors Wretched lovers! ist eine der welches bislang alle Arien und Duette dominierte). Zugleich macht
verblüffendsten Wendungen in dem Stück, in späteren Auffüh- sich in der Instrumentalbegleitung (mit der Bezeichnung ‘staccato’)
rungen der Masque oftmals durch eine Pause hervorgehoben, in eine Vorahnung bemerkbar, die gleichermaßen das Duett der Lie-
10 Cannons jedoch offenbar durchgehend aufgeführt. Dieser Chor ist benden unterstützt und auf Kommendes hindeutet. Insgesamt weist 10
der erste von verschiedenen Sätzen mit deutlicher Abweichung die kontrapunktische Darstellung von Charakter, Stimmung und
zwischen Beginn und Schluss, während zugleich die bildliche stetiger Veränderung, bis hin zur mörderischen Tat des Polyphem,
Schilderung des Riesen Polyphem allmählich das Gefüge be- Händel als Komponist mit jenen psychologischen Qualitäten aus,
herrscht, wie ein Sturm, der am Horizont aufzieht und so sein die im Allgemeinen Mozart und den nachkommenden Musikern
Erscheinen ankündigt. zugeschrieben werden. Es ist gut möglich, dass er auf einen solchen
Transformationsprozess verzichtet hätte, wäre ihm nicht an einem
Gegengewicht zur stati­schen Natur des poetischen Genres als
Ganzem gelegen gewesen.

- 242 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 243 -
Die ultimative Veränderung ist natürlich die von Galatea in ihrer
Schlussarie vollzogene Transformation, in der die erwartete Da-
Capo-Form in dem Augenblick umschlägt, als sie den verstorbe­
nen Acis in eine Quelle verwandelt. Wie Winton Dean und Ellen
Harris bemerkten, werden hier Fragmente aus der Eröffnung der
Arie erweitert und entwickelt, indem sowohl das Wellenmotiv als
auch die letzte Textzeile in der zweiten Hälfte des Schlusschors auf­
gegriffen werden. Das ‘fehlende’ Da capo (laut Harris ebenso feh­
lend wie Acis selbst) wird durch die Wiederkehr des neuen Mate-
rials in den Schlusstakten der Masque gekonnt kompensiert.
Wenn wir auch den Tod nicht besiegen können, so liegt es doch in
unserer Macht, bleibend Gutes zu schaffen, indem wir die Gaben
einsetzen, die uns geblieben sind. Alles in allem zeichnet Händel
in diesem Werk ein eindringliches Bild der Menschenwelt als ei- Georg Friedrich Händel
nen Ort, an dem das Paradies der mythischen Vergangenheit in
bescheidenen Schritten und anhand der unvermeidlichen Tragö-
die mit ihren Lektionen zurückerobert werden muss.
John Butt, übersetzt von Almut Lenz-Konrad

10 10

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Ac t I Erster Akt

Sinfonia Sinfonia

Chorus Chor
Oh, the pleasure of the plains! Wie freuet diese Landschaft unser Herz!
Happy nymphs and happy swains, Glückliche Nymphen, frohe Hirten,
Harmless, merry, free and gay, Schuldlos, vergnügt, beschwingt und frei:
Dance and sport the hours away. Lasst Tanz und munteres Treiben unseren Tag versüßen.
For us the zephyr blows, Der milde Zephyr schenkt uns Kühlung,
For us distills the dew, In frischen Tropfen perlt für uns der Tau,
For us unfolds the rose, Die Rose öffnet ihre Knospen,
And flow’rs display their hue. Und farbige Blütenpracht erfreut uns überall.
For us the winters rain, Der Winter schenkt uns seinen Regen,
For us the summers shine, Die Sommersonne ihren warmen Schein,
Spring swells for us the grain, Im Frühling schwellen Korn und Samen,
And autumn bleeds the vine. Und es beglückt der Herbst mit seinem fruchtigen Wein.

A c c o m pag n at o A c c o m pag n at o

Galatea Galatea
10 Ye verdant plains and woody mountains, Ach! Weiter Wiesengrund und waldbestandene Höhen, 10
Purling streams and bubbling fountains, Rauschende Bächlein und murmelnder Quell,
Ye painted glories of the field, Und all ihr bunten Schönheiten des Feldes –
Vain are the pleasures wich ye yield; Die Wonnen, die ihr schenkt, sind mir vergällt.
Too thin the shadow of the grove, Zu spärlich ist der Haine Schatten,
Too faint the gales, to cool my love. Und allzu schwach die Brise: Sie kühlt mein Liebesleiden nicht.

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A i r ( A n da n t e ) A r i e ( A n da n t e )

Galatea Galatea
Hush, ye pretty warbling quire! Darum schweig’ stille, süßer Sängerchor!
Your thrilling strains Denn deine holden Klänge
Awake my pains, Wecken meinen Schmerz
And kindle fierce desire. Und schüren nur die Flamme.
Cease your song, and take your flight, Beendet euer Lied und führet eiligst
Bring back my Acis to my sight! Meinen Acis her zu mir!

A i r (L a r g h e t t o) A r i e (L a r g h e t t o)

Acis Acis
Where shall I seek the charming fair? Wo nur soll ich die schöne Nymphe suchen?
Direct the way, kind genius of the mountains! Geleitet mich, ihr Götter dieser bergigen Höhen!
Oh tell me, if you saw my dear! Und sagt mir, wo ihr meine Liebste saht?
Seeks she the groves, or bathes in crystal fountains? Im kühlen Hain, im klaren Nass der Quellen?

R e c i tat i v e R e z i tat i v

Damon Damon
10 Stay, shepherd, stay! Bleib, Schäfer, bleib! 10
See, how thy flocks in yonder valley stray! Siehst du im Tale deine Herde streifen?
What means this melancholy air? Warum solch traurige Melodie?
No more thy tuneful pipe we hear. Vergeblich horchen wir auf deiner Flöte Klang.

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A i r ( A n da n t e ) A r i e ( A n da n t e )

Damon Damon
Shepherd, what art thou pursuing? Wonach, sag’, Schäfer, steht dein Sinn?
Heedless running to thy ruin; Achtlos läufst du ins Verderben;
Share our joy, our pleasure share! Habe lieber teil an unserer Freude, unseren Tänzen!
Leave thy passion till tomorrow, Morgen magst getrost du leiden,
Let the day be free from sorrow, Heute aber halte dich vom Kummer fern,
Free from love, and free from care! Frei von Liebe und von Sorgen!

R e c i tat i v e R e z i tat i v

Acis Acis
Lo! Here my love: turn, Galatea, hither turn thy eyes; Seht nur! Meine Liebste naht: Galatea, wende deinen Blick zu mir.
See, at thy feet the longing Acis lies. Acis liegt, von Liebe überwältigt, dir zu Füßen.

A i r (L a r g h e t t o) A r i e (L a r g h e t t o)

Acis Acis
Love in her eyes sits playing, Liebe sitzt gaukelnd ihr im Blick,
And sheds delicious death; Verbreitet wonnigen Tod;
10 Love on her lip is straying, Liebe umspielt ihre Lippen, 10
And warbling in her breath! Klingt süß in ihrer Stimme!
Love on her breast sits panting, Liebe sitzt atemlos ihr auf der Brust,
And swells with soft desire; Und schwillt in sanfter Begierde;
No grace, no charm is wanting In ihr vereinen Anmut sich und Zauber,
To set the heart on fire. Das Herz in Liebe zu entfachen.

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R e c i tat i v e R e z i tat i v

Galatea Galatea
Oh! Didst thou know the pains of absent love, Ach! Wenn du wüsstest, wie die Trennung schmerzt,
Acis would ne ’er from Galatea rove. Nie würde Acis fern von Galatea weilen!

A i r ( A n da n t e ) A r i e ( A n da n t e )

Galatea Galatea
As when the dove Sie ist wie die Taube, die sehnsuchtsvoll
Laments her love, Auf einem kahlen Zweig
All on the naked spray; Nach ihrem Liebsten weint:
When he returns, Kehrt er zurück ins Nest,
No more she mourns, So trauert sie nicht mehr –
But loves the live-long day. Sie liebt, solang es tagt.
Billing, cooing, Schnäbelnd und kirrend,
Panting, wooing, Atemlos gurrend,
Melting murmurs fill the grove, Und süßes Raunen erfüllt den Hain,
Melting murmurs, lasting love. Ein leises Murmeln von immerwährender Liebe.

D u e t ( P r e s t o) D u e t t ( P r e s t o)
10 10
Acis and Galatea Acis und Galatea
Happy we! Oh, welches Glück!
What joys I feel! Welch eine Freude!
What charms I see! Du mächtiger Zauber!
Of all youths thou dearest boy! Von allen Knaben, du Liebster!
Of all nymphs thou brightest fair! Von allen Nymphen, du Schönste!
Thou all my bliss, thou all my joy! Du all mein Glück, du meine Freude!
Happy we! Oh, welch Glück!

- 252 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 253 -
Ac t II Z we i t e r A k t

Chorus ( a t e m p o o r d i n a r i o) Chor ( a t e m p o o r d i n a r i o)
Wretched lovers! Fate has passed Unseliges Paar! Ein trauriges Los
This sad decree: no joy shall last! Ward euch bestimmt: Das Glück ist nicht von Dauer!
Wretched lovers, quit your dream! Darum entsaget euren Träumen!
Behold the monster Polypheme! Schon naht, mit riesigen Schritten,
See what ample strides he takes! Das Ungeheuer Polyphem!
The mountain nods, the forest shakes; Der Berg erbebt, der Wald erzittert;
The waves run frighten’d to the shores: Die Wellen flüchten ängstlich an den Strand:
Hark, how the thund’ring giant roars! Hört, wie des Riesen Donnergrollen tönt!

A c c o m pag n at o (f u r i o s o) A c c o m pag n at o (f u r i o s o)

Polypheme Polyphem
I rage, I melt, I burn! Ich zürne, brenne, ich vergehe!
The feeble god has stabb’d me to the heart. Der schwache Liebesgott durchbohrte mir das Herz.
Thou trusty pine, Du aber, treue Pine,
Prop of my godlike steps, I lay thee by! Stütze meiner göttergleichen Schritte – hinweg mit dir!
Bring me a hundred reeds of decent growth, Bringt mir Schilf – so an die hundert Rohre,
To make a pipe for my capacious mouth; Um eine Flöte mir für meinen mächtigen Mund zu fügen;
10 In soft enchanting accents let me breathe Auf dass ich in verführerischem Tone 10
Sweet Galatea’s beauty, and my love. Galateas Schönheit und meine Liebe preisen kann.

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A i r ( A l l e g r o) A r i e ( A l l e g r o)

Polypheme Polyphem
O ruddier than the cherry, Oh, röter als die Kirsche,
O sweeter than the berry, Süßer als der Beere Frucht,
O nymph more bright Oh, Nymphe, glänzender
Than moonshine night, Als eine mondbeschienene Nacht,
Like kidlings blithe and merry! Froh und munter wie das Zicklein,
Ripe as the melting cluster, Reif wie die volle Traube:
No lily has such lustre; Die Lilie selbst strahlt nicht so hell!
Yet hard to tame Doch mühsam gar zu zähmen,
As raging flame, Wild wie die alles verzehrende Flamme,
And fierce as storms that bluster! Ungestüm wie ein tosender Sturm!

R e c i tat i v e R e z i tat i v

Polypheme Polyphem
Whither, fairest, art thou running, Wohin eilst du, meine Schöne,
Still my warm embraces shunning? Willst du weiter meinen Armen dich entziehen?

Galatea Galatea
10 The lion calls not his prey, Der Löwe bittet seine Beute nicht, 10
Nor bids the wolf the lambkin stay. Noch heißt der Wolf das Lamm, bei ihm zu bleiben.

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Polypheme Polyphem
Thee, Polyphemus, great as Jove, Dem Jupiter an Größe gleich ist Polyphem,
Calls to empire and to love, Dich aber bittet er, ihn zu beherrschen und zu lieben,
To his palace in the rock, Zu folgen ihm ins ferne Felsenschloss,
To his diary, to his flock, Zu seinem Vieh und seinen Herden,
To the grape of purple hue, Zu pupurroten Reben
To the plum of glossy blue, Und Pflaumenbäumen mit glänzend blauer Last,
Wildings, which expecting stand, Zu seinen wilden Tieren, die dort warten
Proud to be grather’d by the hand. Auf deine sorgende Hand.

Galatea Galatea
O infant limbs to make my food, Mich am Opfer unschuldiger Kinder laben,
And swill full draughts of human blood! Und Menschenblut in vollen Zügen trinken –
Go monster! Bid some other guest: Hinweg, du Unhold! Bitte einen anderen Gast an deine Tafel:
I loathe the host, I loathe the feast. Mir sind Wirt und Fest zuwider.

A i r ( A l l e g r o e s tac c at o) A r i e ( A l l e g r o e s tac c at o)

Polypheme Polyphem
Cease to beauty to be suing, Du irrst, wenn du nach bloßer Schönheit trachtest,
Ever whining love disdaining. Und dabei treue Liebe mit Verachtung strafst.
10 Let the brave their aims pursuing. Überlasse nur die Tapferen ihren Heldentaten: 10
Still be conqu’ring, not comlaining. Sie leisten Kühnes und sie klagen nie.

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A i r ( A l l e g r o) A r i e ( A l l e g r o)

Damon Damon
Would you gain the tender creature, Willst du die zarte Kreatur gewinnen,
Softly, gently, kindly treat her: Behandle gütig sie und sanft:
Suff ’ring is the lover’s part. Das Leiden ist der Liebe Los.
Beauty by constraint possessing, Schönheit durch Gewalt bezwingen
You enjoy but half the blessing, Ist nur das halbe Glück:
Lifeless charms without the heart. Leblose Reize, denen keine Seele innewohnt.

R e c i tat i vo R e z i tat i v

Acis Acis
His hideous love provokes my rage: Seine schändliche Liebe entfacht meinen Zorn:
Weak as I am, I must engage! Bin ich auch schwach, ich muss es wagen!
Inspir’d with thy victorious charms, Der Liebesgott, gebannt von deinem Charme,
The god of love will lend his arms Wird seinen Arm mir gerne leihen!

A i r ( A l l e g r o) A r i e ( A l l e g r o)

Acis Acis
10 Love sounds th’alarm, Wenn die Liebste in Bedrängnis 10
And fear is a-flying. Nach uns ruft, fliegt alle Furcht davon.
When beauty’s the prize, Wer scheut den Tod,
What mortal fears dying? Wenn ihm der Preis der Schönheit winkt?
In defence of my treasure, Um meinen Schatz zu retten,
I’d bleed at each vein; Gäb’ ich all mein Blut;
Without her no pleasure, Ohne sie erleb’ ich keine Freude,
For life is a pain. Ohne sie ist alles mir vergällt.

- 260 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 261 -
A i r (L a r g h e t t o) A r i e (L a r g h e t t o)

Damon Damon
Consider, fond shepherd, Bedenke aber, lieber Schäfer,
How fleeting’s the pleasure, Wie flüchtig das Vergnügen ist,
That flatters our hopes Mit dem wir, folgen wir den Schönen,
In pursuit of the fair! Uns allzu gerne schmeicheln!
The joys that attend it, Die Freuden, die es uns beschert,
By moments we measure, Sie währen einen einzigen Augenblick,
But life is too little Doch unsre Lebensspanne reicht nicht aus,
To measure our care. Um unser Leid zu messen.

R e c i tat i vo R e z i tat i v

Galatea Galatea
Cease, oh cease, thou gentle youth, Halt ein, lieber Schäfer, schweige alles still,
Trust my constancy and truth, Und glaube an meine Beständigkeit,
Trust my truth and pow’rs above, An meine Treue und göttliche Macht,
The pow’rs propitious still to love! Die stets der Liebe gewogen ist!

T r i o ( A n da n t e e s tac c at o) T r i o ( A n da n t e e s tac c at o)
10 10
Acis and Galatea Acis und Galatea
The flocks shall leave the mountains, Eher fliehen die Herden aus den Bergen,
The woods the turtle dove, Eher verlässt die Taube die Wälder,
The nymphs forsake the fountains, Und die Nymphen ihre Quellen,
Ere I forsake my love! Als dass ich meiner Liebe entsage!

- 262 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 263 -
Polypheme Polyphem
Torture! Fury! Rage! Despair! Marter und Pein! Wut und Verzweiflung!
I cannot, cannot bear! Ich kann es, kann es nicht ertragen!

Acis and Galatea Acis und Galatea


Not show’rs to larks so pleasing, Der Regen kann die Lerche nicht so freuen,
Nor sunshine to the bee, Noch der Sonnenschein die Biene,
Not sleep to toil so easing, Noch der Schlaf nach langer Mühsal uns erquicken,
As these dear smiles to me. Wie dein holdes Lächeln mich bezaubern kann.

Polypheme Polypheme
Fly, swift, thou massy ruin, fly! Stürze, wuchtiger Felsblock, stürze herab!
Die, presumptuous Acis. Die! Du aber, stolzer Acis, du sollst sterben!

A c c o m pag n at o A c c o m pag n at o

Acis Acis
Help, Galatea! Help, ye parent gods! Hilf, Galatea! Helft ihr Eltern, ihr Götter!
And take me dying to your deep abodes! Und nehmt mich auf in euer Schattenreich!

Chorus ( A dag i o m a n o n t r o p p o) Chor ( A dag i o m a n o n t r o p p o)


10 Mourn, all ye muses! Weep, all ye swains! Trauert, all ihr Musen! Weinet, Ihr Hirten! 10
Tune, tune your reeds to doleful strains! Stimmt Eure Flöten zu Trauerklängen!
Groans, cries and howlings fill the neighb’ring shore: Dass unsere Fluren widerhallen von der einen Klage:
Ah, the gentle Acis is no more! Ach, unser holder Acis ist nicht mehr!

- 264 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 265 -
A i r a n d C h o r u s ( P i a n i s s i m o e d A da g i o) A r i e u n d C h o r ( P i a n i s s i m o e d A dag i o)

Galatea Galatea
Must I my Acis still bemoan, Muss ich auf immer meinen Acis nun beweinen,
Inglorious crush’d beneath that stone? Wie er so schändlich von dem Fels zerschmettert ward?

Chorus Chorus
Cease, Galatea, cease to grieve! Ach, Galatea, trauere nicht!
Bewail not whom thou canst relieve. Beweine nicht, wen du befreien kannst!

Galatea Galatea
Must the lonely charming youth Musste er, in seiner liebenswerten Jugend,
Die for his constancy and truth? Sterben, weil er wahrhaft war und treu?

Chorus Chorus
Cease, Galatea, cease to grieve! Ach, Galatea, trauere nicht!
Bewail not whom thou canst relieve; Beweine nicht, wen du befreien kannst!
Call forth thy pow’r, employ thy art, Mach deine Macht und deine Künste dir zunutze,
The goddess soon can heal thy smart. Die Göttin heilet leicht den Schmerz.

Galatea Galatea
10 Say what comfort can you find? So sagt mir, welchen Trost ihr meint? 10
For dark despair o’erclouds my mind! Mich überschattet düstere Verzweiflung.

Chorus Chorus
The kindred gods the youth return, Mach ihn verwandten Göttern gleich,
Though verdant plains to roll his urn! Dass er durch unsere Täler plätschernd seine Asche trage.

- 266 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 267 -
R e c i tat i vo R e z i tat i v

Galatea Galatea
‘Tis done: thus I exert pow’r divine; So sei’s: Dank meiner göttlichen Gewalt
Be thou immortal, though thou art not mine! Sollst du unsterblich sein – wenn auch nicht mein!

A i r (L a r g h e t t o) A r i e (L a r g h e t t o)

Galatea Galatea
Heart, the seat of soft delight, Mein Herz, du Liebe süßer Born
Be thou now a fountain bright! In einen Silberquell sollst du verwandelt sein!
Purple be no more thy blood, Dein Blut sei nicht mehr pupurrot –
Glide thou like a crystal flood! Klar soll es gleiten in kristallner Flut.
Rock, thy hollow womb disclose! Du aber, Fels, entblöße deinen klaffenden Schoß!
The bubbling fountain, lo! It flows; Der klare Silberquell: Dort fließt er,
Through the plains he joys to rove, Auf immer kann so Acis durch die Täler schweifen,
Murm’ring still his gentle love. In leisem Plätschern zarte Liebesworte murmeln.

Chorus Chor
Galatea, dry thy tears, Galatea, trockne deine Tränen,
Acis now a good appears! Acis ward zum Gotte nun!
10 See how he rears him from his bed. Sieht, er taucht empor aus seinen Fluten, 10
See the wreath that binds his head. Einen Blumenkranz ums Haupt gewunden.
Hail! Thou gentle murm’ring stream. Er sei gepriesen, der murmelnde Bach,
Shepherds’ pleasure, muses’ theme! Der Hirten Freude, der Musen Zuflucht!
Through the plains still joy to rove, Auf immer sollst du durch die Täler schweifen,
Murm’ring still thy gentle love. In leisem Plätschern zarte Liebesworte murmeln.

- 268 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 269 -
I Fagiolini Harmony of Nations Baroque Orchestra
Das Ensemble wurde 1986 von Robert Hollingworth – die Mit- Nomen est omen – das gilt insbesondere für eines der interessan­
glieder waren zu dieser Zeit noch Studenten der Oxford Univer- testen neuen Barockorchester der letzten Jahre. Von Anfang an präg­
sity – gegründet und hat seither weltweit gastiert, u. a. bei den BBC te die farbige Internationalität den Geist des Harmony of Nations
Proms, in Fernost und Afrika. Sein ungewöhnlicher Name – die Baroque Orchestra, das  2004 von 20 engagierten Musikern aus 14
Böhnchen – wird rund um den Globus falsch buchstabiert, falsch europäischen Nationen (Deutschland, England, Frank­reich, Grie-
ausgesprochen und falsch verstanden. 1997 arbeiteten die Musiker chenland, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schwe­
mit einem Chor aus Soweto an dem teilweise improvisier­ten Album den, Schweiz, Spanien, Ungarn und Wales) ge­gründet wurde. Die
Simunye, das von Warner veröffentlicht wurde. Die restlichen Mitglieder lernten einander im European Union Baroque Orchestra
13  CDs von I Fagiolini widmen sich dem italienischen Renais­ (EUBO) kennen, mit dem sie in zahlreichen Län­dern Europas kon-
sancerepertoire, englischen Künstlern wie Tomkins und Byrd­ und zertierten. Die kulturelle Vielfalt, die die enthusiastischen jungen
in letzter Zeit insbesondere den Werken von Claudio Monteverdi. Musiker mit sich bringen, zeichnet die Einzig­artig­keit dieses Or-
chesters aus.
Besonders mit der Produktion The Full Monteverdi, die auch ver­
filmt wurde und auf DVD erhältlich ist, sorgten sie für Aufsehen in Nach der Debüt-Tournee 2005 unter der Leitung des italienischen
der Musikwelt. Oboenvirtuosen und Dirigenten Alfredo Bernardini profilierte sich
  Harmony of Nations im Sommer 2006 als »orchestra in residence«
Aufgrund ihrer innovativen Interpretation alter und zeitgenössi­scher beim Opernfestival Läckö Slott in Schweden, wo es unter der Lei-
Musik gewann I Fagiolini 2006 den Royal Philharmonic So­ciety En­ tung des englischen Dirigenten Simon Phipps die Rossini-Oper
semble Award, den wichtigsten Ensemblepreis in Groß­britannien. »La Pietra del Paragone« spielte.

10 Im Juli 2007 begeisterten Harmony of Nations und der römische 10


Geigensolist Riccardo Minasi das österreichische Publikum mit
restlos ausverkauften Konzerten bei den Festivals Trigonale und
Styriarte. Es folgten Auftritte beim Early-Music-Festival in Varaz-
din (Kroatien) und beim Ryedale Festival (Großbritannien). Eine
Zusammenarbeit mit dem Lautenisten Konrad Junghänel führte
das Ensemble erneut nach Österreich, wo es in der Konzert­reihe
Kultur.Raum.Kirche gemeinsam mit dem Kammerchor Salzburg ein
Bach-Kantaten-Programm zur Aufführung brachte.

- 270 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 271 -
Künstlerische Impulse erhielt das Orchester von führenden Ba- Gerd Wameling
rockmusikern wie Lars-Ulrik Mortensen, Ton Koopmann, Andrew Gerd Wameling, 1948 in Paderborn geboren, absolvierte seine Schau-
Manze und Maggie Faultless. s­pielausbildung an der Folkwang-Hochschule in Essen. Sein erstes
Engagement erhielt er am Theater am Turm in Frankfurt am Main.
2008 erschien die erste CD »Les caractères de la danse« von Harmony Dort entdeckte ihn Peter Stein und holte ihn 1974 nach Berlin an
of Nations mit Alfredo Bernardini beim deutschen Label Raumklang. die Schaubühne, deren renommiertem Ensemble Gerd Wameling
fast 20 Jahre lang angehören sollte.
Gerd Wameling fand in der Schaubühne ein Theater, das radikal
in Ansatz und Anspruch und fern jeder Beiläufigkeit war. Die Ins­
Robert Hollingworth zenierungen hatten Ereignischarakter und erweckten weltweit In­
ist künstlerischer Leiter des von ihm 1986 gegründeten Ensembles teresse. Die Schaubühne wurde eine Zeit lang zur Pilgerstätte aller
I Fagiolini. Darüber hinaus führen ihn di­verse Projekte auch zu Theaterbegeisterten und zum Synonym für ein Ensemble einzig-
anderen Ensembles, darunter die BBC Singers, Chor des Norddeut­ artiger Schauspieler. »Es war eine glückliche Zeit«, wie Gerd Wame-­
schen Rundfunks, der Niederländi­sche Kammerchor und der Irische ling selbst sagt, »und eine reiche Schaffensperiode«.
Kammerchor. Er erarbeitet mit Regisseuren innovative Produktio­nen, 1992 verließ Gerd Wameling das Ensemble der Schaubühne und
die es dem heutigen Publikum ermöglichen, tiefer in die Musik aus arbeitet seither frei. 1993 und 1994 konnte man ihn bei den Salz-
vergangenen Zeiten und anderen Kulturen einzudringen. burger Festspielen in Coriolan (Regie: Deborah Warner) und Das
Besonders bemerkenswerte Projekte waren Monteverdis Orfeo in Gleichgewicht (Regie: Luc Bondy) erleben.
einer Aufführung »unter Tage«, die Choralphantasie Faust (Bach, Der Schaubühne blieb er weiterhin verbunden und feierte dort 1995
Messiaen, Heppener, Schnittke, Car­doso) vor der Kulisse einer gro­ einen triumphalen Erfolg in der Komödie Kunst von Yasmina Reza,
ßen Amsterdamer Schiffswerft und eines aufgelassenen Bahnhofs, einer Aufführung, die zur Inszenierung des Jahres gekürt wurde.
10 The Full Monteverdi (auch als Film) und die Klanginstallation Tallis Über 200-mal brillierte Gerd Wameling dort als Serge, der sich 10
in Wonderland (mit sechs Sängern und 100 Lautsprechern). ein weißes Bild kauft, das Konflikt und Dynamik in die Freund-
schaft dreier Männer bringt. Neben dem Berliner Renaissance-The­
Als Diri­gent ist Robert Holling­worth u. a. mit dem BBC Concert ater hat auch das Burgtheater Wien die Inszenierung übernommen,
Orchestra, Florilegium und der Academy of Ancient Music aufgetre- die inzwischen Kult geworden ist.
ten. Außerdem schreibt und präsentiert er Sendungen für BBC 2001 erneuerte Gerd Wameling seine Zusammenarbeit mit der
Radio 3 und hat in verschiedenen Filmen (darunter Quills) mit- Schau­­bühne in der Uraufführung Supermarket, einer Inszenierung
gewirkt. von Thomas Ostermaier, die in Kooperation mit den Wiener Fest­
wochen entstand.

- 272 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 273 -
2002 feierte er einen großen Erfolg als Gabe in der deutschen Erst- vergessene Romy Schneider. Darin zeichnet sie ein faszinierendes
aufführung von Freunde zum Essen (Regie: Dietmar Pflegerl) im Bild des Weltstars – die Farben für dieses Gemälde stammen aus
Renaissance-Theater Berlin, einer Inszenierung, die die nächsten Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, Telefonaten und Interviews.
drei Jahre lang auch im Theater in der Josefstadt Wien und auf Für den Wiener Musikverein arbeitet sie zur Zeit an der Realisierung
Tourneen gezeigt wurde. des musikalisch-literarischen Projektes Der gestiefelte Kater.
2006 war Gerd Wameling in der Deutschen Erstaufführung von Der Chris führt auch selbst Regie, hat bei einer Vielzahl von Hörspiel-
Zeichner von Michael Healey (Regie Felix Prader) als der liebens- und Hörbuchproduktionen mitgewirkt und ist als Radiostimme im
werte Sonderling Angus am Renaissance-Theater Berlin zu sehen. gesamten deutschsprachigen Raum – besonders auf Ö1 – bekannt
Einem breiten Publikum ist Gerd Wameling vor allem als Staats- und gern gehört.
anwalt Dr. Fried aus der Sat.1-Serie Wolffs Revier bekannt, einer
Rolle, der er sieben Jahre lang mit Präsenz und Ausstrahlungs-
kraft ein unverwechselbares Profil gab. Au t o g r a mm e d e r M i t w i r k e n d e n Kü n s t l e r
Neben dem Spielen ist Gerd Wameling das Lesen zur Profession vo n »Ac i s a n d G a l at e a«
geworden.
Für Radio Kultur des SFB produzierte Gerd Wameling die läng-
ste Lesereihe des Senders. In 60 Folgen las er den Roman Schuld
und Sühne von Fjodor M. Dostojewski – ausgezeichnet mit dem
Preis der deutschen Schallplattenkritik 1/2003.
Seit 1981 unterrichtet Gerd Wameling an der Universität der Künste
in Berlin und am Mozarteum in Salzburg. Im Mai 2005 hat ihn die
UdK Berlin zum ordentlichen Professor berufen. Regelmäßig in-
10 szeniert er mit seinen Studenten öffentliche Aufführungen, die 10
von der Berliner Theaterkritik lobend gewürdigt werden.

Chris Pichler, die vielseitige, vielschichtige und vielgesichtige


österreichische Schauspielerin des Jahres 2009, einem bestimmten
Genre zuzuordnen ist wohl unmöglich. Neben ihrer schauspiele-
rischen Tätigkeit auf der Theaterbühne, im Fernsehen und beim Film
gestaltet sie auch Soloprogramme, wie zuletzt jenes über die un-

- 274 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 275 -
Samstag, 19.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit

Kaiserliche Serenade Einleitung

C h e lycus Mit einer Sonate von Bartolomé de Selma y Salaverde eröffnen wir
die Werbung des österreichischen Hofes um die spanische Infantin.
Bereits 1650 hatte sich Kaiser Ferdinand III., der Vater Leopolds, ein
Bild der einjährigen Tochter Margarita Teresa seines Schwieger-
sohns Philipp IV. gewünscht. 1663 erfolgte die feierliche Verlesung
des Ehekontrakts zwischen Margarita und ihrem Onkel und Cousin
Leopold. (Margarita Teresa nannte den Kaiser auch während ihrer
Ehe »Onkel«, während er »Gretl« zu ihr sagte.)
1666 reiste die 15-jährige Braut aus ihrer Heimat ab.
Die »Serenata con altre arie« Johann Heinrich Schmelzers
schließt mit einem Lamento, das für die Abschiedsgefühle der Braut
stehen kann.
Es folgt die Reise mit einem Ge­
folge von 282 Personen und 798
Maultieren zu den Klängen der
Diferencias sobre La Pavana Ita­
liana von Antonio Cabezon.
11
Für die festliche Begrüßung und
das Treffen des Brautpaares er-
klingt in un­serem Konzert zum
er­sten Mal ein Abschnitt aus der
Oper »Il pomo d‘oro« (Der gol-
dene Apfel) von Antonio Cesti,

- 276 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 277 -
ein in voller Länge circa 10-stündiges Werk, das für die Hochzeit Bläserklänge versetzen uns in Plutos Reich, die Unterwelt. Dort
von Leopold mit Margarita komponiert und an zwei aufeinander- besingt Proserpina ihr Unglück, im Reich der Schatten das Leben
folgenden Tagen mit spek­takulä­rem Aufwand aufgeführt wurde. verbringen zu müssen. Pluto versucht sie aufzuheitern, was zu-
nächst nicht gelingt.
Im Prolog mit dem Titel »Schauplatz des österreichischen Ehren-
ruhms« wird das Ehepaar von Sängern, die Österreich, Ungarn, Die Zwietracht (Discordia) erscheint auf einem Drachen. Sie plant,
Italien, Sardinien, Spanien und Amerika personifizieren, jubelnd die friedliche und harmonische Welt der Götter und Menschheit
begrüßt. in Unordnung zu bringen.

Die Oper behandelt verschiedene Episoden aus der griechischen Während Discordia, die auch als Allegorie auf den mit dem Kai-
Mythologie, von denen wir einige herausgreifen. ser konkurrierenden französischen Sonnenkönig Louis XIV. ver-
standen werden kann, auf ihrem feuerspeienden Drachen davon­
fliegt, betritt in unserer Aufführung noch eine andere gut be­kann­te
Person die Bühne: Euridice.

Euridices Klagegesang aus dem


Werk »L‘Orfeo« des italieni­schen
Komponisten Antonio Sartorio
erscheint mir als emotional heraus­
­ragend und verstärkt noch einmal
den Affekt, der auch bei Proser-
pina vorherrschte. Die Lamento-
Basslinie spinnt sich weiter in der
Passacaglia von Antonio Pan­ 11
dolfi Mealli. Seine Violinsona-
ten enthalten Namen der verschie­
denen Musiker, die mit ihm am
Innsbrucker Hof tä­tig waren. Die
Passacaglia stammt aus »La Ce-
sta« (Antonio Cesti).

- 278 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 279 -
Nachdem mit Claudio Monteverdis Chor »Vieni Imeneo deh nerne Pasquino war geboren und seine Meinungsäußerungen be-
vieni« aus seiner Oper »l‘Orfeo« Hymen, griechischer Gott der gannen sich zu verselbständigen, übrigens bis heute...
Vermählung und Personifikation von Hochzeit und Ehe, angerufen
wird, schreiten wir zur kirchlichen Hochzeitsfeier. Nun, als Sohn eben dieses arm-, bein- und nasenlosen Pasquinos,
stellt sich im Verlauf der Oper »Il pomo d‘oro« Momo vor. Er ist
Wir hören das Kyrie und Gloria aus einer der Hofnarr der Götter der Oberwelt, ein Spaßmacher, aber auch
Missa von J o h a n n C a s pa r K e r l l . ein Kenner der Abgründe selbst göttlicher Wesen. Er erkennt, dass
gleiches Recht für alle für manche noch etwas gleicher ausfällt,
Intrada und Pastorella aus der Feder des empört sich über die Wirksamkeit der Zwietracht, verspottet, trös­
Hofkapellmeisters Leopolds I., Johann Hein­­ tet und freut sich, wenn es ein Happy End gibt.
rich Schmelzer, lassen ländlichere Gefilde
vor unserem inneren Auge erscheinen. Dort In einem Lustgarten lauschen wir dem Gespräch zwischen ihm,
hat der Hofnarr Momo seinen Auftritt (Sce- Venus und Paris. Discordias Apfel mit der Aufschrift »Alla più
na XV der genannten Oper von Antonio Cesti). Zwei Lüftchen ha- bella« hatte zur gewünschten Zwietracht zwischen Juno, Minerva
ben ihn auf dau­nen­weichen Flügeln auf die Erde getragen ... und Venus geführt. Paris stellt nun, beeindruckt von ihrer Schön-
heit, Venus den ersten Preis in Aussicht. Venus triumphiert.
Ende des 15. Jh. wurde während der Ausschachtungsarbeiten für Wie sich heraustellt, zu früh, denn Jupiter wird den Apfel der
den Bau des Palazzo Orsini (heute Palazzo Braschi) der Torso einer schönsten, weisesten und mächtigsten Fürstin, nämlich der Kaise-
hellenistischen Skulpturengruppe, eine stark beschädigte Figur mit rin Margarita zusprechen.
dem Mittelteil einer zweiten, gefunden. Der Bauherr des Palastes,
Kardinal Oliviero Carafa, bestand darauf, die Figur, obwohl ihr Die gestörte Harmonie – kriege­
Arme, Beine und die Nase fehlen, zu erhalten und sie auf der Pi- rische Aspekte – habe ich Mars
azza Navona aufzustellen. Pasquino, ein Bewohner jener Piazza, zu­­geordnet. Mit den Sackpfeiffen
11 dem es schwer fiel seine Zunge zu zügeln – nicht ungefährlich unter von Johann Heinrich Schmel­­-
der strengen Zensur der Borgia-Päpste – sorgte für den Namen der zer werden wir uns auf den Weg
Statue: Er hängte eines Morgens einen Zettel mit einer besonders ins Schlachtgetümmel machen.
harschen Kritik am Vatikan an den Torso. Obwohl jeder wusste, wer
dahinter steckte, konnte die Garde des Papstes niemanden verant-
wortlich machen. Das Volk stellte fest, dass man wohl Menschen,
aber nicht Marmorfiguren den Mund verbieten könne. Der stei-

- 280 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 281 -
Wie eine Battallia wirkt »Estote fortes in bello« von Giovanni im ba­rocken Fest, das sich bis heute erhalten hat und nunmehr auch in
Felice Sances mit dem imposanten Einsatz von drei Bässen (in bürger­lichen Sphären zu Hause ist. Vor der Existenz der Massenmedien
unserer Aufführung Singstimme, Dulzian und Posaune) mit zwei bot es die Möglichkeit, spontan eine relativ große Menschenmenge zu
Violinen. erreichen – mit abstrakten Botschaften, wie sie auch die Instrumental­
musik vermittelt.« (Andreas Arend)
Tirol, Kärnten und Krajn besingen den Ruhm des tugendhaften
und tatkräftigen Kaisers. Dieser Chor stammt aus einem Drama Mit dem Feuerwagen der Venus (Scena VI von Antonio Cesti )
des Wiener Jesuiten Johann Bernhard Staudt. machen wir uns auf in den Himmel und wünschen mit den Worten
»Renda felici quei Sposi Amore«, dem Schlusschor aus dem Werk
Das Rossballett von Johann Heinrich Schmelzer war in Wien »Il sacrificio d‘Amore« von Antonio Draghi, den Neuvermählten
der Höhepunkt der Festveranstaltung, wegen der Teilnahme von Glück: »Mach, Liebe, diese Verlobten glücklich!«
hochrangigen Höflingen und dem Kaiser selbst als Protagonisten.
Noch heute lebt diese Tradition mit den Wiener Lipizzanern fort. Verehrtes Publikum, für den Genuss wundervoller Musik bekom-
Es folgt die Uraufführung der im Auftrag der Trigonale und für men Sie nun verschiedene Aufgaben zugeteilt:
dieses Konzert entstandenen Komposition »Schattenspiel – Feuer­ In den nächsten zwei Stunden sind Sie Bühnenbildner und Kostüm­
werk« (2009) von Andreas Arend. schneider. Sie werden Flugmaschinen betätigen, um beispiels­weise
Momo oder Venus erscheinen oder verschwinden zu lassen. Oder
»Schattenspiel« bezeichnet die technisch-kompositorische Ausgangs­ aber Sie stehen uns zur Begleitung Plutos als Höllenmonster und
position des Werkes. Die Barockinstrumente und das Stimm­system mit Geister, zum Auftritt der Venus gar als Schönheiten und Liebes-
reinen Terzen entwachsen dem Schatten einer längst vergangenen musi­ engel zur Verfügung. Auch Leopold und Margarita sind als Rollen
kalischen Wirklichkeit. Weiter beschreibt Schattenspiel die formale zu vergeben sowie diverse Mitglieder des Hofes.
Gestal­tung des Stückes. Ein Abschnitt liegt in sechsfacher Vergrößerung
(hier: Verlangsamung) dem ganzen ersten Satz als Tenor zugrunde. Das Dies alles jedoch ganz entspannt von Ihrem Sitz aus. Lediglich
11 formale Thema Vergrößerung verweist auf die Fürsten­hochzeit als Vor­ Ihre Fantasie ist gefordert! Viel Erfolg und viel Vergnügen! 11
gang der Vergrößerung durch Projektion. Der absolutistische Herrscher Veronika Skuplik
vergrößert seine politische Persönlichkeit und sein Gewicht mit dem
Projektionsmittel des barocken Festes – seiner Hochzeit. Interessant für
uns heute, eingedenk der effektiven Mittel, welche sendungsbewussten
Personen mit den modernen Medien zur Verfügung stehen.
»Feuerwerk« steht für ein Element absolutistischer Selbstdarstellung

- 282 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 283 -
Pro g r a mm Entri pur nel nostro
petto, O bell’ aura nel
K aiserliche Hochzeit zwischen Habsburg-Spanien – tuo venir Quel diletto, quel diletto Che fa
We r b u n g u m d i e B r au t u n d Ve r a b s c h i e d u n g l’alme tanto gioir.
d e r s e l b e n i n i h r e r H e i m at
...und kunstvolle Kammermusik.
Bartolomé de Selma y Salaverde
(1595 – 1638)
Sonate für Violine, Dulzian und basso continuo Johann Heinrich Schmelzer
(1623-1680)
Zur Umrahmung gehörten musikalische Intermedien... Serenata con altre arie
Serenata Erlecino
Ciaccona
Claudio Monteverdi Campanella
(1567 – 1643) Lamento

Come dolce hoggi


l’auretta spira, R e i s e d e r B r au t n ac h Wi e n u n d E m p fa n g i n Ö s t e r -
Lusinga e vien, lascivetta, r e i c h d u r c h d e n z u k ü n f t i g e n G at t e n
A baciarmi le guancie ’l sen.
Nach erfolgter Verabschiedung der Braut trat diese ihre Reise
Gli Amoretti l’aura über die Alpen an...
fanno Quando l’ali
11 spiegan al Ciel Quando vano, Antonio Cabezon 11
Della notte a squarciar il vel. (1510-1566)
Diferencias sobre 'La Pavana Italiana'
Ride il bosco, brilla,
brilla, il prato, Scherza, ... und wurde auf Habsburger Boden wiederum in verschiedenen
il fonte, festeg gia’l Mar Quando un fiato, Sequenzen von Stellvertretern des Kaisers in unterschiedlich
d’aura fresca s’ode spirar. zeremonieller Formen begrüßt. Sie traf ihren zukünftigen Gatten.

- 284 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 285 -
Antonio Cesti Chor
(1623-1669) Godiamo Noi Regni,
Che degni Nesiamo.
Di feste, e di giubili Godiamo Che il Fato
Sia tutto ripieno, Benigno n'hà dato
Spariscano i nubili Di stirpe si Augusta
Dal Reggio tuo seno, Sotto l'ombra posar
E in cielo sereno clemente e giusta.
più chiara, che mai
Diffondi Austrica Gloria
i dolci rai. Festliches Musikdrama. Aktuelle politische
F r ag e n w e r d e n i n d i e g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e
Là vè il sol tramonta e muore G ö t t e r w e lt v e r s e t z t.
Il tuo sol più bello e sorto
Onde il pregio assai maggiore Antonio Cesti
Dee ll'Occaso haver del'Orto. (1623-1669)
Atto primo Scena I Reggia di Plutone Unterwelt
Gloria Austriaca: Proserpina seguita dalle Belidi
Sì, sì festeggiate
Ò Regni felici Proserpina
De gl'Astri nemici E dove t'aggiri Tra l'alme dolenti;
Son l'ire cessate. Se pianti, e sospieri Non altro qui senti;
Sì, sì festeggiate. Se pene, e tormenti Ingombrano il tutto D'orror,
11 di strida di querele, e lutto. 11
Già stelle beate Là Tantalo geme Per ll'esca fallace,
Piovon sopra di voi Qui Sisifo preme il sasso fugace,
dai raggi loro Là rostro vorave Di crudo Avoltrore
Con si lieti Himenei l'età d l'oro. sbrana di Tizio il rinascente core.

- 286 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 287 -
E in qest horrido abisso Chi può quel, que brama,
Hò da viver sepolta? Si chiama Felice.
O Cieli, o Dei Son questi gl'Himenei Trà pene si amare
Di Proserpina vostra? Regnare Non vuò.
Dunque senz'altra colpa, Co'l Regno il martire
Que desser, qual si sia, Soffrire si può.
Questa bellezza mia Duro /
Piaciuta al Rè de l'ombre, Dolce
Esser devo in eterno è sempre il penar
Condonnata a l'Inferno? La pena è grave;
Mà il dominio è soave
È troppo amaro,
S c e n a II Mà troppo amato, e caro
Proserpina, Plutone certeggiato da varij Spirti, e Mostri Infernali il Reggio Soglio
A tal prezzo
Plutone nò nò
Que piangi amata sposa? Proserpina sì sì
I miei fati crudeli: ch'haver no
À torto ti quereli l'voglio.
In vita si penosa?
E pur tu sei Regina
E di che Regno, o Pluto?
Del più grande, e temuto
11 Che al tuo piede s'inchina. 11
È sol per la fiera
Megera Tal regno;
Chi tanta ventura
Non cura N'è indegno.
E questo uno stato
Beato Si dice?

- 288 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 289 -
S c e n a III Del Cielo il governo,
Discordia sopra un Drago / E gl‘antri Infernali.
Discordia auf einem feuerspeienden Drachen Discordia
Plutone, Proserpina Un tanto suantaggio
Non è da soffrire,
Discordia Si torni à partire
Jo che reggo lo Screto L‘antico Retaggio.
Se voleri discordi, Proserpina
Hor soura i miei Regnanti Sì, sì ch‘è ben giusto,
Pur‘al fin di regnare ottengo i vanti. Che Giove t‘assegni
Riveriti miei Reggi La parte dei Regni
Sede vostri contenti Che usurpasi ingiusto.
Turba il dolce seren Plutone
nube importuna Con lui tutti uniti
Di sinistra fortuna; Si sono gli Dei,
La cagion se n‘asriva Il torto haverei
Al partimento iniquo, ed‘inhumano Nel muover gliliti.
Del Retaggio Paterno, Discordia
Che fè l‘alto Germano; Per fali discordi,
Ei v‘assegnò l‘nferno, Quest‘alma prometto,
Centro solo di pene, Jo vò ch‘ogni affetto
e di tormenti, Trà loro si scordi,
E per sè prese il Cielo, Trà lor sian contese
11 Ch‘è sfera de i contenti, E vngano à l‘armi, 11
ove, sbandita Il vanto vò darmi
Ogni cura molesta, passa sol la sua vita Di far quest‘imprese
in gioia, e in festa. Plutone
Plutone Se tanto ti lice
Pur troppo inequali Proserpina
Trà loro discerno Se tanto tu puoi

- 290 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 291 -
zusammen Antonio Sartorio
La speme haurem noi (1620-1681)
Di sorte felice. Euridice in ombra – Orfeo che dorme
Plutone
Và dunque, et ultrice Orfeo tu dormi
Dei nostri gran danni, e ne gl‘Abissi oscuri lasci uridice e L‘Amor suo ti scordi cosi à la
Di quel mostro Infernal lira il dolce canto accordi e dal Regno infernal trarmi non curi.
dispiega i Vanni.
Se desti pietà
Discordia ne tronchi e ne sassi
Ecco di Giove à scherno volgendo ancoi passi
Mene volo a portar nel Ciel Inferno. nel regno del pianto
La Discordia su‘l Drago,che getta foco della Bocca, là pur il tuo canto
sparise a volo. pietà troverà
Plutone
Tranquilisi il seno,
Ch‘haurem fra poch‘jore Giovanni Antonio Pandolfi Mealli
Fortuna migliore, (1620-1669)
Godendone à pieno aus: La Cesta (Passacallia)
zusammen
Per noi sol sereno, Hymen, der griechische Gott der Vermählung und
E il Ciel, se vi desta Personi­fi­kation von Hochzeit und Ehe wird angerufen.
La Disvordia trà i Numi.
11 aspra tempesta. Claudio Monteverdi 11
Vieni Imeneo deh vieni
e la tua face ardente
Während Discordia auf dem Drachen verschwindet, betrachten sia quasi un sol nascente
wir einen Nebenschauplatz. Eine bekannte Person betritt die Szene: ch‘apporti a questi amanti i di sereni,
Euridice. E lunge homai disgrrombe
degl‘affanni e del duol gl‘orori e l‘ombre.

- 292 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 293 -
Ko n f i r m at i o n d e r E h e miserere nobis.
Quoniam tu solus sanctus, tu solus Dominus, tu solus altissimus.
Johann Caspar Kerll Jesu Christe.
(1627-1693) Cum sancto spiritu,
Missa in gloria Dei Patri.
Amen
Kyrie eleison,Christe eleison, Kyrie eleison.

Gloria in excelsis Deo. PAUSE


Et in terra pax hominibus.
Bonae voluntatis.
Laudamus te, Johann Heinrich Schmelzer
benedicimus te, (1623-1680)
adoramus te, Balletti Intrada+Pastorella
glorificamus te.
Gratias agimus tibi
propter magnam gloriam. Antonio Cesti
Domine Deus, Momo, der Hofnarr, stellt sich vor.
rex coelestis, Er ist auf den Flügeln zweier Lüfte wie auf Daunen auf die Erde
Deus Pater omnipotens. getragen worden...
Domine fili unigenite,
Jesu Christe, Pasquino il mio Parente,
Domine Deus, Che per‘esser pungente, si trova, oh strano caso,
11 agnus Dei, Senza piè, senza braccia, e senza naso, 11
filius Patris. Che direbbe in vedere,
Qui tollis peccata mundi, Ch‘io sagece, et accorto
miserere nobis. Con pifù bella maniere,
Qui tollis peccata mundi Ch‘ei su‘l Tebro non tiene,
Suscipe deprecationem nostram. Seguo a dir malle,
Qui sedes ad dexteram Patris e men incontra bene?

- 294 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 295 -
1. Giù dal Cielo sbalzato Venere
Fu Vulcano, ch‘e ùn Nume Paride più, che à sdegno,
io veni sù le piume Mi dee muover‘ à riso
Dell Aure sostenuto et adagiato, La folle pretensione
Che d‘haver‘ chi li porti, Di Pallade, e Giunon
Son de matti, e Buffoni usate sorti, In voler contrastare
2.En ch‘il savio ostentati Il pregio di belta con Citherea,
Io non hebbi mai spaccio, Ch‘è di beltà la Dea;
Hor che da stolto faccio Io per tale fui sempre
Trovo in poco cervel fortuna asto, Da tutti riverita;
Che politico tratto, et hor mi vedi
Per giunger‘al suo fine il far‘da matto. Corteggiata, e servita
Da l‘Idee le più vaghe
De la beltà maggiore,
Antonio Cesti Che s‘ammiri nel mondo;
(1623-1669) Ecco le belle Norre
Momo, Paris und Venus del Prencipe di Thebe,
del Sovran di Corinto
E del Rè dell‘Epiro;
Scena XV Ecco la vaga sposa Del Regnante di Tiro;
ed‘ecco quella,
Lustgarten Che leggiadra, e vezzosa
Per illusione di Venere si muta la Scena nel Giardino de Piacere. Non meno, che de i Cor,
11 Venere corteggiata da un Coro dell‘Idee di varie Bellezze e da un Io scettro tiene Dl Regno di Micene, 11
Coro di Amori, Paride, Momo. ecoo di Sparta
La celebre Regina.
Momo Paride
Mà non son già imbriaco? Oh Dio che veggio?
Come, se non mi muovo, Una forma divina;
Ero in Cortile, hor‘ in Giardin mi trove? Maggior beltà non sprero

- 296 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 297 -
Di rimirar già mai; Venere
Che folgoranti rai Questa è semplice Imago,
Da far invidia al Sole, Mà più bello e più vago
Certo è celeste Prole. Il sembiante verace
Venere In‘Elena risplende;
A Giove è Figlia, e se ti piave,
Et‘ Elena s‘appella, sappi, ch‘il possedere
La maggior meraviglia, Cosi rara bellezza è in tuo potere.
e la più bella, Paride
Ch‘habbia prodotto il Cielo. E come haver poss‘io
Paride Si gran Tesoro?
Stupore Maggiore Venere
Nò, nò, non si mira, con questo Pomo d‘oro.
Il Cielo in un volto Momo
Raccolto S‘ammira. Con l‘Oro si fà tutto.
Momo Venere
Oh‘ che semplice Augello, ò come presto Che si‘io vinco la lite,
È calato al zimbello. Tù goderai di mie vittorie il frutto
Venere Paride
S‘è tutta Ridutta Tanto dunque confidi
Quest‘Allma in un guardo. Di poter operare?
Gia‘l core vien meno; Venere
Nel seno Io t‘assicuro,
11 Tutt‘ardo. Che tua sola sarr‘a, 11
Momo cosi ti giuro.
Che tenero Pollastro Paride
Posto al foco d‘Amore, Paride fortunato, e quando mai
Cuoce al primo bollone. Tal fortuna sperasi?

- 298 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 299 -
Venere Johann Bernhard Staudt
Vanne pur à trovar Elena a Sparta, (1654 – 1712)
Che per farla tua preda,
Basta, che là tù giunga, ella ti veda, Genii Tyrolis, Carinthiae, Garnioliaae
Tuo pensiero sia questo, Io triumphe! Thraciae
sará mia cura il resto. Pallent tremore lunae.
Paride Chorus cum confoederatis
In te mi fido; Leopolde, terror hostium,
Eccoti l‘Aureo Pomo, Fulmen metusque lunae,
io vado al liedo. Uterque mundus audiat
Cotatque te victorem.
O mille digne laureis
Mars Et mille digne palmis,
Io sera vive saecula,
Johann Heinrich Schmelzer In posteris triumpha!
(1623-1680)
Sackpfeiffen Rossballett mit dem Kaiser selbst als Protagonist

Johann Heinrich Schmelzer


Giovanni Felice Sances Rossballett »Il Sole,e dodeci Segni del Zodiaco« /
(1600 – 1679) Die Sonne und die zwölf Tierkreiszeichen
Estote fortes in bello
et pugnate cum antiquo serpente
11 et accipietis regnum aeternum 11
alleluja

- 300 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 301 -
I n t e r m e z zo
U r au f f ü h ru n g:

Andreas Arend
(*1973)
Schattenspiel – Feuerwerk

Fi n a l e

Antonio Cesti
(1634 – 1700)
Venus
Himmel mit der Milchstrasse, Venus in ihrem Stern

»Mia stella, più bella più chiara risplende.


la sfera maggiore d‘amore n‘accende«

Antonio Draghi
(1634 – 1700)
»Renda felici quei Sposi Amore«

11

- 302 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 303 -
C h e lycus * Nele Gramß
Die Wurzeln für die breit gefächerte musikalische Ausbildung der
Kontrapunktisch, wie die Themen ihrer Musik, stehen auch die Sängerin wurden im Elternhaus gelegt. Sie studierte in Würz-
Künstler von Chelycus zueinander: burg, München und Amsterdam, zunächst Schulmusik und Viola
da Gamba, dann Gesang. Margreet Honig, Barbara Schlick und
Geigerin des Ensembles ist Veronika Skuplik. Ihr Anliegen ist Monika Bürgener sind und waren wichtige Lehrerinnen für sie.
die Unmittelbarkeit des Ausdrucks, wie man ihn an einer Sänge- Auch wenn ihr umfangreiches Repertoire Musik aller musikali-
rin oder Schauspielerin schätzt. scher Epochen und Genres umfasst, beschäftigt sich Nele Gramß
Der Musikwissenschaftler und Cembalist Michael Fuerst kann vorzugsweise mit der Musik des 17. Jahrhunderts. Die Oratorien
in der Zusammenarbeit mit Chelycus seinen Traum verwirklichen, von Bach sowie Werke von Monteverdi, Schütz und der Vokal­
Musik der Vergangenheit aus der Stille des Archivs zu befreien. poly­phonie singt sie am häufigsten. Neben dem Oratorium ist die
Andreas Arend, Komponist und Lautenist, taucht in Text und Kam­mermusik ihr wichtigstes Betätigungsfeld: bei »Movimento«
Kontext alter Musik ein, um darin zu finden, was für ihn heute und »Gesualdo Consort Amsterdam« ist sie festes Mitglied, auch
Relevanz besitzt. tritt sie mit ihrer Klavierpartnerin Annie Gicquel in Liederreci-
Adrian Rovatkay, Musiker und Maler, versucht durch Klanginstal­­ tals auf. Als Gast ist sie bei den unterschiedlichsten Ensembles
lationen und in Zusammenarbeit mit Experimentalmusikern und und Orchestern (Kölner Kammerchor, Rheinische Kantorei, Salz-
anderen Künstlern den klassischen Musikbegriff zu öffnen. Der burger Hofmusik u.a.) zu hören. Im Sommer 2008 wirkte sie in
Posaunist Ole-Kristian Andersen sagte, Chelycus sei für ihn »wie »Jeanne d'Arc« von Honegger mit, ein weiterer Höhepunkt der
Schildkrötensuppe für einen Gastronomen: auserlesen und wun- jüngeren Vergangenheit waren die szenischen Vorführungen von
derbar – verboten gut!« Händels »Saul« in der Egidienkirche in Nürnberg.
Catherine Aglibut hat schon oft mit dem Ensemble zusammen­
gespielt und nach gemeinsamen Proben Beatles­-Lieder gesungen.
Gambist Matthias Müller war bereits bei einer CD-Einspielung Jan Kobow wurde in Berlin geboren und studierte zunächst Orgel
11 da­bei. Der Baske Juan Ullibarri ist sicher mit der spanischen Seite (Pariser Schola Cantorum), Kirchenmusik (Hannover) und dann 11
des Programms am engsten verbunden. Wim Becu und Adam an der Musikhochschule Hamburg Gesang bei Sabine Kirchner.
Woolf, Posaunisten aus Belgien, muss man einfach gehört haben. Er gewann 1998 den 1. Preis beim 11. Internationalen Bachwett-
In der Unterwelt, in Lustgärten, als Nymphen und Götter agieren bewerb Leipzig.  
Nele Gramß, Jan Kobow und Stephan MacLeod.  Er konzertiert mit Dirigenten wie Howard Arman, Stefan Asbury,
Frieder Bernius, Marcus Creed, Michel Corboz, Peter Dijkstra, Paul
*Schildkrötenpanzer Goodwin, Robin Gritton, Nikolaus Harnoncourt, Thomas Hen­gel­

- 304 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 305 -
brock, Philippe Herreweghe, René Jacobs, Sigiswald Kuijken, Gus- Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. Er war an der Aufnah-
tav Leonhardt, Hermann Max, Philippe Pierlot, Hans-Christoph me sämtlicher Kantaten J. S. Bachs (»Bach Cantata Pilgrimage«)
Rademann, Ludger Rémy, Daniel Reuss, Michael Schönheit, Morten unter der Leitung von John Eliot Gardiner beteiligt.  
Schuldt-Jensen, Andreas Spering, Masaaki Suzuki, Jeffrey Tate und
Jos van Veldhoven. 2007 gab er sein Rollendebüt als Ulisse in Mon­te­­-
verdis Il ritorno d’Ulisse in patria in konzertanten Aufführungen Stephan MacLeod wurde 1971 in Genf geboren. Er studierte erst
mit Les Talens Lyriques unter der Leitung von Christophe Rousset.  Geige und Klavier, danach Gesang bei Kurt Moll in Köln und
 Jan Kobow fühlt sich sehr dem Liedgesang verbunden, besonders Gary Magby in Lausanne.
dem deutschen Kunstlied der Romantik und gibt regelmäßig Lieder­ Besonders imBereich des Oratoriums ist MacLeod sehr aktiv. Er
abende mit Graham Johnson, Cord Garben, Burkhard Kehr­ing sang unter Philippe Herreweghe, Michel Corboz, Gustav Leon­
und Phillip Moll. Außerdem musiziert er mit ausgewiesenen Spe- hardt, Reinhard Goebel, Sigiswald Kuijken, Masaaki Suzuki (Bach
zialisten am Fortepiano, wie Leo van Doeselaar und Kristian Be- Collegium Japan), Philippe Pierlot (Ricercar Consort), Jordi Savall,
zuidenhout. Es sind bereits vier Lied-CDs von Jan Kobow auf Daniel Harding, Konrad Junghänel (Cantus Cölln), Christophe
dem Markt (Schubert: Schwanengesang und Die schöne Müllerin Coin, Steven Stubbs, Helmut Rilling, Frieder Bernius, Jos Van
mit Kristian Bezuidenhout; Loewe: Lieder und Balladen mit Cord Immer­seel, Jésus López-Cobos, Dennis Russel Davies und Paul
Garben und Siegmund von Seckendorff: Lieder from Goethe’s Wei­ Van Nevel (Huelgas Ensemble), sowie mit Ensembles wie der Aka­
mar mit Ludger Rémy). Er tritt regelmäßig beim Kissinger Som- demie für Alte Musik Berlin, Musica Antiqua Köln, dem Freiburger
mer auf – dort wurde er mit dem Luitpoldpreis ausgezeichnet. Mit Barockorchester, Tafelmusik bzw. dem RIAS-Kammerchor.
Kristian Bezuidenhout gab er bereits mehrere Liederabende in den Er wurde für diverse Operproduktionen in Brüssel (La Monnaie),
USA und Kanada. Zuletzt sang er die Dichterliebe in der Guildhall Venedig (La Fenice), Köln, Bilbao und Genf engagiert und gab Lie­-
London.                 derabende in zahlreichen renommierten Sälen Europas und in den
Als Opernsänger war er zu Gast beim Boston Early Music Festival USA, in Kanada, Südamerika und China. Darüber hinaus trat er
(Johann Georg Conradi, Ariadne). Am Théâtre Royal de la Monnaie auch oft in Japan auf.
11 Brüssel sang er den Telemaco in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse Seine sängerische Laufbahn ist durch über 55 CDs dokumentiert, 11
in patria. Mit dieser Produktion gastierte er auch im Lincoln Center viele davon wurden von der Fachpresse ausgezeichnet.
New York.  
Außerdem konzertiert Jan Kobow regelmäßig mit der »Himlischen Stephan MacLeod hat vor kurzem sein Dirigatstudium erfolgreich
Cantorey«, deren Gründungsmitglied er ist.   abgeschlossen und ist Dirigent des Ensembles Gli Angeli Genève,
 Jan Kobow wurde für zahlreiche CD-Produktionen und Rundfunk­ welches eine jährliche Abonnementreihe in Genf veranstaltet. Die
anstalten verpflichtet. Mehrere seiner Aufnahmen wurden mit dem erste Einspielung dieser Gruppe wurde im März 2008 bei SONY-

- 306 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 307 -
BMG veröffentlicht und erhielt vom Gramophone Magazine das Au t o g r a mm e C h e lycus
Prädikat »Editor’s Choice«.
Während der letzten zwei Jahre dirigierte MacLeod eine Produk-
tion von Cavallis La Calisto in Genf, Mozart-Programme an der
Oper Lausanne und eine Produktion von Sondheim’s Sweeney
Todd in Genf.
Übersetzung: Graham Lack

Die Illustrationen (von Adrian Rovatkay)

S. 276: Schauplatz des österreichischen Ehrenruhms, Kaiser Leopold zu Pferd,


über ihm La Gloria Austriaca auf dem Pegasus mit den Hoch­zeits­göttern Hymen
und Amor. Die 12 Vorgänger des Kaisers erscheinen zwischen den Säulen.

S. 277: Die Reise der Braut nach Österreich mit einem Gefolge von 282 Personen
und 798 Maultieren.

S. 278: Nachdem Discordia versucht hat, die harmonische Welt der Götter und der
Menschheit in Unordnung zu bringen, besucht sie auf ihrem Drachen reitend die
Unterwelt. Voller Verzweiflung beklagt der­weil Euridice, dass Orpheus einge-
schlafen ist.

S. 280: Kirchliche Hochzeit im Stephansdom mit allem Drum und Dran.

S. 281: Das Reich musste im Westen gegen französische Invasoren und im Osten
gegen die Truppen des osmanischen Reiches verteidigt werden.

S. 303: Himmel mit der Milchstraße, Venus in ihrem Stern.


11 11

- 308 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 309 -
Samstag, 19.09., 22.00 Uhr (Nun, da der Himmel, die Erde und der Wind schweigen/und Schlaf
Bürgerspitalskirche St. Veit die Tiere und die Vögel übermannt,/da die Nacht den gestirnten
Wagen in seine Bahn führt/und das Meer in seinem Bette ohne Welle
ruht;/bin ich wach, denke, brenne, weine, und die mich verzehrt,/
Fuoco, vent’ e stelle steht immer vor mir zu meiner süßen Pein;/Krieg ist mei­ne Stimmung,
voll Zorn und Schmerz,/und nur in Gedanken an sie finde ich Frieden./
So strömt allein aus einer klaren, lebendigen Quelle/das Süße und
das Bittre, von dem ich mich nähre,/eine Hand allein heilt und straft
mich./Und damit meine Qual kein Ende finde,/sterbe ich tausend­
mal am Tag und werde tausendmal geboren:/So weit bin ich von
meinem Heil entfernt.)
Sava d i Zitiert nach Silke Leopold.

Hor che il ciel e la terra e ’l vento tace, Einleitung


e le fere e gli augelli il sonno affrena,
notte il carro stellato in giro mena Quid vero loquendi modus ipsaque oratio non ne animi
e nel suo letto il mar senz’ onda giace; affectionem sequitur?
veglio, penso, ardo, piango, e chi mi sface
sempre m’è innanzi per mia dolce pena; Folgt nicht die Art des Sprechens und der Vortrag dem Zustand
guerra è il mio stato, d’ira e di duol piena, der Seele?
e sol di lei pensando ho qualche pace.
Così sol d’una chiara fonte viva Für viele bedeutende Komponisten des beginnenden 17. Jahrhun-
move ‘l dolce e l’amaro ond’io mi pasco; derts war dieses Zitat Platons Thema und Programm zugleich. Was
12 una man sola mi risana e punge; auf den ersten Blick augenfällig einfach und selbstverständlich er- 12
e perché ‘l mio martir non giunga a riva scheinen mag, nämlich daß – auf die Vokalmusik übertragen – der
mille volte il dì moro e mille nasco: Seelenzustand »zuerst da« sein und die Musik inspirieren sollte,
tanto da la salute mia son lunge! war nicht zu allen Zeiten selbstverständlich. Giovanni Artusi wehr-
Francesco Petrarca, Canzoniere, Sonett 164 te sich zum Beispiel heftig dagegen, daß sein immer berühmter

- 310 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 311 -
werdender Kollege Claudio Monteverdi sich nicht an die alther- Daneben ist ein weiteres »Element« in barocker Literatur häufig
gebrachten Regeln des strengen kontrapunktischen Satzes gebun- anzutreffen: der Himmel, bzw. die Sterne, die gleichbedeutend sind
den fühle. Jener nämlich begründete mit dem eingangs erwähnten mit dem Schicksal, Fortuna und dem göttlichen Willen. Die Sterne
Zitat Platons seine neue Klangsprache, seine freie Dissonanzen- werden gar des Öfteren mit den Augen der Geliebten gleichgesetzt –
behandlung und die Vorherrschaft des Textes über die Musik. wohl in Anlehnung an ihr Leuchten, jedoch vielleicht auch als Hin-
weis auf ihre Macht bzw. Übermächtigkeit. So vertreiben in Gio-
Zwar war in der vorbarocken Zeit mit Sicherheit der Text nicht vanni Rovettas dreiteiligem Madrigal »Sovra il carro stellato« die
unwichtiger als zu späteren Zeiten, allerdings mußte er sich dem Augen, »lebendigen Fackeln« gleich, die Schatten der Nacht.
musikalischen Entwurfe und den strengen Satzregeln fügen. Mit
der Jahrhundertwende gewinnt jedoch farbiger, metaphernreicher, Die Ausprägungen der Naturdarstellungen sind vielseitig: neben
expressiver Schreibstil an Beliebtheit: Die barocke Sehnsucht nach den wilden, ungezähmten Elementen steht das beschauliche
plakativen Gegensätzen – sonnig-schattig, heiß-kalt, leidenschaft­ Landleben und Schäferidyll. In einer idealen Landschaft, von kla-
lich-herzlos – drängten dem Komponisten geradezu einen »neuen ren Bächen durchzogen und ewigem Sonnenschein durchdrungen
Stil« auf, in welchem so tonmalerisch als möglich lachende Wellen, scherzen Amoretten und schweben Grazien umher. Von diesem
tanzende Flammen, bedrohlich düstere Nacht und zehrende »arkadischen Idyll« sind zahlreiche, in symmetrischer Perfektion
Sehnsucht hörbar gemacht werden konnten. angelegte Barockgärten inspiriert.

Gegensatzpaare fanden auch ihren Eingang in die bildende Kunst, Leichtfüßige Texte über lachende Wellen und günstige Sterne –
darunter in Darstellungen der vier »Temperamente«, der vier Stelle – hat beispielsweise Barbara Strozzi in »Mercè di voi« und
Himmelsrichtungen, der vier Jahreszeiten sowie der vier Elemente. »Godere, e tacere« musikalisch verewigt. Beide Madrigale ent-
Beziehungen dieser Allegorien untereinander waren dem zeitge- stammen ihrem im Alter von 25 Jahren in Venedig veröffentlich-
nössischen Betrachter selbstverständlich: Feuer – Fuoco, Sommer ten, ersten Madrigalbuch. Den Text zu diesen beiden Kompositi-
und cholerisches Temperament wurden der »dazugehörigen« Gott­ onen verfaßte ihr Vater, Giulio. Dieser hatte die Tochter einer
heit Vulkan beigeordnet, die Luft – Vento – hingegen dem Früh­ Haus­angestellten an Kindes Statt angenommen und ihr eine ex-
ling, dem sanguininschen Temperament und Gott Jupiter. zellente Ausbildung ermöglicht. Als Tochter eines angesehenen
12 Mit dem Herzen, das wie Feuer brennt, dem Wind, der die Liebes- Juristen und Schriftstellers erhielt Barbara so die für eine Frau 12
botschaft zur Geliebten tragen soll oder den Wellen, welche die reichlich ungewöhnliche Möglichkeit, ihre eigenen Kompositi-
Geliebten unüberwindlich trennen, halten »elementare« Bilder onen in verschiedenen »academie«, also Zusammenkünften von
und Metaphern Einzug in die musikalische Dichtung. Autoren, Philosophen und Musikern, vorzutragen.

- 312 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 313 -
Der Gegenüberstellung von genußvollem Lasterleben und subli- So entführt uns Luigi Rossi in der dramatischen Erzählung von
mationsreichem, reuevollem Entsagen im Hinblick auf die Erlan- einer maurischen Prinzessin in einen wahren Taumel der Emoti-
gung des Paradieses dienen dem Geistlichen Domenico Mazzoc- onen: Am Strande von Byzanz stehend blickt Zaida verzweifelt
chi naturnahe Metaphern in seiner Tasso-Vertonung »Signor, non einem Schiff nach, welches langsam am Horizont verschwindet
sotto l’ombra«. Denn nicht in arkadischer Idylle, unter Nymphen, und seine Segel in Richtung Toskana gesetzt hat. Mit Bitten und
im Schatten und auf blumenbedeckten Wiesen sei unser Heil ver- Drohen möchte sie den Kapitän des Schiffes zum Umkehren be-
borgen. Nein, nur nach mühevollem Erklimmen des Hügels der wegen: glückliche Brisen und gehorsame Wellen verspricht sie
Tugend winke uns das Paradies! Ebenso dem 1640 in Rom publi- ihm bei Gewährung ihrer Bitte – und wünscht ihm, als er sie of-
zierten Druck »Musiche sacre, e morali« entnommen ist die Ver- fensichtlich nicht erhört, Flutwellen und Schiffbruch an den Hals.
tonung der geistlichen Dichtung von »Cangia mio cor«. Hier tref- Sie verflucht den »räuberischen Christen«, weil er ihren Geliebten
fen wir im Text auf Flammen im metaphorischen Sinne – das Mustafà entführt, und im gleichen Atemzuge auch noch den Pro-
Herz entbrennt in weltlicher Liebe und führt den Liebenden so- pheten Mohammed, da er solche Grausamkeit überhaupt zuläßt!
mit geradewegs ins Verderben. Ebenso wie in seiner Vokalmusik gelingt es Luigi Rossi in seiner
Instrumentalmusik meisterlich, spezifische Gefühlslagen einzu-
Ungünstige Sterne spielen eine zentrale Rolle in der Lamentation fangen. In seiner Passacaille kreiert er durch die immerwieder-
Maria Stuarts. In einem groß angelegten Monolog rekapituliert kehrende Baßfigur eine melancholische, fast tranceartige Stimmung.
die schottische Königin ihre Flucht, ihre Gefangennahme und die Es ist durchaus möglich, daß Rossi bei der Komposition dieses
Unbarmherzigkeit ihrer Cousine, Elisabeth von England, die ih- Ostinato-Stückes die Ausführung auf der Harfe vor Augen hatte, war
ren traurigen Schlußpunkt im vom Erzähler vermittelten Gang er doch mit der zu ihrer Zeit weithin berühmten Harfenistin Costanza
zum Schafott finden soll. de Ponte verheiratet.

Der Schäferidylle entgegengesetzt steht die wilde, ungezähmte Ebenso als Harfenist bekannt war Ascanio Mayone. Er zählte, wie
Natur, welche die Emotionen des lyrischen Ichs entweder wider- vermutlich auch Sigismondo D’India, zu den Schülern Giovanni
spiegelt oder einen Kontrast zu ihr bildet. Ein sehr eindrückliches de Macques in Neapel. Sigismondo D’India besticht durch eine
Beispiel speziell dieser Form der Naturschilderung bildet das ein- ganz eigene, virtuose Schreibweise und fast schon experimentelle
12 gangs zitierte Sonett aus der Feder Francesco Petrarcas. Obwohl Verwendung von Dissonanzen – beides natürlich stets im Sinne des 12
ein Dichter des 14. Jahrhunderts, wurde er gerade in der Barock- gesteigerten und überhöhten emotionalen Ausdrucks und der Text­
zeit mit Leidenschaft vertont, denn in seiner Lyrik kann sich gera- ausdeutung. Im Vorwort zu seinem ersten Buch der »Musiche«
de jene barocke Sehnsucht nach Kontrast, Spannung, Unausge- gibt er dann auch eine prägnante und trotz ihrer Kürze erschöp-
wogenheit und Theatralik frei entfalten. fende Antwort auf die ewige Frage nach dem Sinne der Musik

- 314 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 315 -
überhaupt, welcher wir uns als Ausführende und Konsumierende Pro g r a mm
eigentlich täglich neu stellen müssen: Ihre Aufgabe sei es, »die
Gemüter zu bewegen« – »movere gli affetti dell’animo«. Domenico Mazzocchi
Ulrike Hofbauer (1592 Civita Castellana – 1665 Roma)
1. Cangia mio cor
Wir danken John Whenham für das kostenlose Zurverfügung- 2. Signor, non sotto l’ombra
stellen seiner vorbildlichen Edition von »Sovra il carro stellato«
unter www.ascima.bham.aca. uk Giacomo Carissimmi
(1605 Marino – 1674 Roma)
3. Ferma, lascia ch’io parli

Giovanni Rovetta
(ca. 1596 Venezia – 1668 ebd.)
4. Sovra il carro stellato
5 . Io mi sento morir

Luigi Rossi
(ca. 1597 Torremaggiore –1653 Roma)
6. Passacaille
7. Zaida bella

Barbara Strozzi
(1619 Venezia – nach 1664 ebd.?)
8. Mercè di voi
9. Godere, e tacere
12 12

- 316 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 317 -
Sigismondo D’India texte
(ca. 1580 Palermo – ca.1629 Modena)
10. Ardo, lassa, o non ardo? 1. Cangia mio cor (Signor Abbate Bentivogli)
11. Ma se non è piacer
12. Ma se quest’è pensier Cangia mio cor pensiero
D’amar Donna, che piace,
Ascanio Mayone Che in lei non è beltà, se non fallace.
(ca. 1566 Napoli – 1627 Napoli) Se miri nel bel viso
13. Toccata terza Di Donna un dolce sguardo,
Fuggi, ch’un vezzo, un riso,
Sigismondo D’India È inevitabil dardo:
(ca. 1580 Palermo, ca. 1629 Modena) E lacerato un core
14. Occhi della mia vita Prova piaghe di morte, e non d’Amore.
Se il vermiglio colore
Di due guance diletta,
Sappi, ch’è tutto ardore,
Ch’infiamma quanto alletta,
Ed arso al fine un core
Prova piaghe di morte, e non d’Amore.

Mein Herz, gib den Gedanken auf,


daß du die Dame lieben könntest, die allen gefällt,
denn in ihr ist nur falsche Schönheit.
Wenn am Schluß ein Herz brennt,
erleidet es Qualen des Todes und nicht der Liebe.
12 12

- 318 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 319 -
2. Signor, non sotto l’ombra (Torquato Tasso) ho petto ancora
Eccitamento alle Virtù da mirar l’ultim‘ora,
e s’io gl’apersi al cielo,
Signor, non sotto l’ombra, in piaggia molle, saprò ben senza velo
Trà fonti, e fior, trà Ninfe, e trà Sirene, alla vita servarli.
Mà in cima all’erto, e faticoso colle Ferma, lascia ch’io parli!
Della Virtù riposto è il nostro bene. Ma, che dirò?
Chi non gela, e non suda, e non s’estolle, Purtroppo oggi favella
Da le vie del piacer, là non perviene. a mio prò l’innocenza
Hor vorrai tù lungi dall’alte cime e di si rea sentenza a Dio s’appella.
Giacer quasi trà valli Vilipesa innocenza,
Augel sublime? s’una Regina
a te salvar non lice
Nicht im Schatten, zwischen Blumen, unter Nymphen und Sirenen, cui l’invidia fa guerra,
sondern auf dem mühsam zu erklimmenden Hügel a chi ricorrer deve in Inghilterra
der Tugend ist unser Heil verborgen. un mendico, un vassalo, un infelice?
Wer nicht friert und nicht schwitzt, und den Wegen der Lust Vilipesa innocenza,
nicht ausweicht, wird dorthin nicht kommen. Vattene pur da me, torna alle stelle,
ch’io con anima intrepida, e serena
Sarò fra tante squadre a Dio rubelle
3. Ferma, lascia ch’io parli di mia tragedia e spetatrice e scena.
A morire, a morire!
Ferma, lascia ch’io parli, Per serbar giustizia e fede,
sacrilego ministro! più non vaglion le corone,
Se ben fato inclemente a morte indegna ché di stato la ragione
12 come Rea mi destina, anco la verità sa far mentire. 12
vissi e moro innocente, A morire, a morire!
son del sangue Stuardo e son Regina. Versarò dal collo il sangue
Perché bendarmi i lumi? ma non già dai lumi pianto,
S’io mirai tanti giorni, chè sebbene io resto esangue,

- 320 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 321 -
la costanza al mio duol mesce elisire. Vibra senza pietà su questo petto esangue
A morire, a morire! strazi, flagelli, atrocità.
Voi, mie care donzelle, Lascia ch’un mar di sangue
che m’inchinaste al soglio m’inostri il nero manto,
et or piagenti mi seguite ai tormenti, fulmina pur, ché tanto
compatite i miei casi, straziarmi non saprai
e s’io lassa, rimasi spogliata Quant’io soffrire.
d’ogni ben, d’ogni fortuna, A morire, a morire, a morire!
non per questo morendo, Qui tacque, e forte e invita
gl’oblighi miei tralascio: al suo destin s’arrese
partitevi l’amor con cui vi lascio. la Regina scozzese,
Soffrite costanti né guari andò ch’un colpo indegno e rio
la dura mia sorte, divise il corpo
e s’invida morte et unì l’alma a Dio.
stillandovi in pianti
a voi mi toglie, o fide ancelle in terra, »Halt, laß mich sprechen, gotteslästerlicher Priester!
con sempiterno riso Wenn mir das ungünstige Schicksal auch einen unverdienten Tod
v’abbraccerò compagne in paradiso. beschert, lebe und sterbe ich doch in Unschuld.
Mira Londra, et impara Ich bin vom Blute der Stuarts und ich bin Königin.
le vicende mondane Warum mir die Augen verbinden? Wenn ich doch so viele Tage
e tu, ch’all’anglicane vorbeiziehen sah, habe ich auch den Mut, meiner letzten Stunde
schierre dai legge entgegenzusehen.
o Jezabelle altera, Sieh, London, und lerne die Wechselfälle der Welt kennen.
di giustizia severa aspetta i colpi Und du, die du die Briten regierst, hochmütige Isabella,
e se per farti in brani erwarte von der strengen Gerechtigkeit die Strafe!
12 mancheranno alle belve artigli e morsi Ja, ja, tobe dich aus, Wut, regne über meinem Kopf hunderte, 12
serviranno di cani i tuoi rimorsi. tausende Pfeile deines rasenden Zorns!«
Si, si, sfogati, assali Dann schwieg sie, und stark und unbesiegt ergab sich die schottische
scarica sul mio capo a cento, a mille Königin ihrem Schicksal, und einen Moment später teilte ein
del tuo furor gli strali! unwürdiger Schlag den Körper und vereinte die Seele mit Gott.

- 322 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 323 -
4. Sovra il carro stellato Über dem Sternenwagen am Himmel stieg die Nacht auf,
schweigsamer und dunkler denn je; und der silberne Mond vertrieb
Sovra il carro stellato in ciel sorgea Wolken und Finsternis. Ich schritt irrenden Fußes durch diesen
La Notte più che mai tacita e bruna, Schrecken; Amor und Fortuna hatte ich als Begleiter erwählt,
Ma le nubi e le tenebre scotea und tat den Schatten meine Qualen kund.
Col puro volto suo l’argentea Luna. Da trat Filli unter nächtlichem Schleier heraus und löste mit ihren
Io per l’orror vagando il piè movea, Augen, lebendigen Fackeln gleich, den Schrecken und das Eis auf,
Scelto Amor per compagno e la Fortuna, so daß die Sterne ob meiner Freude lächelten.
Ed a l’ombre con musico stromento
Publicava cantando il mio tormento.
Gridai più volte al mio canoro duolo: 5. Io mi sento morir
«Fermate il sibilar, piante dilette,
E voi tacete e sospendete il volo, Io mi sento morir quando non miro
Aure de ’ miei sospir forse concette. colei ch’è la mia vita.
Frenate, o rivi, il mormorio che solo Poi, se la miro, anco morir mi sento,
Turba l’amiche voci altrui soggette; perché del mio tormento
Tanto ch’a volo portino a colei non ha pietà la cruda e non m’aita,
Le penne de la cetra i prieghi miei.» e sa pur s’i’ l’adoro:
Quando uscir Filli con l’amate ancelle così mirando e non mirando i’ moro.
A l’aria i’ vidi del notturno velo,
Ella con gl’occhi suoi vive facelle Ich fühle wie ich sterbe, wenn ich sie nicht sehen kann,
Riscaldò, dissipò l’orrore e ’l gelo die mein Leben ist. Aber wenn ich sie sehe, fühle ich ebenfalls,
Poiché del mio gioir ridean le stelle. daß ich sterbe, denn die Grausame hat kein Mitleid mit meiner
Paragonò la sua beltà col Cielo Seelenqual, obwohl sie weiß, daß ich sie verehre:
E tra sé dir parea: «Vegna chi vuole So sterbe ich, ob ich sie sehe oder nicht.
12 Veder nell’ombre avvalorato il Sole.» 12

- 324 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 325 -
7. Zaida bella (Fabie della Corgna) alla tua spada ceda
E tu, già carco di piropi e d’oro
Spars’il crine e lagrimosa, e d’ogni ricca preda,
dell’Egeo nell’ampie sponde, faccia all’estrusco mar lieto ritorno;
Zaida bella e dolorosa, infelice volgi le prore in qua,
grida all’aure e piange all’onde, che drìzzaste a Livorno,
così dice: rendimi Mustafà.
«Dove, dove n’andate Ma tu, lassa, non curi
quasi a volo pel mar, tumide vele mie lagrimose strida!
del pirata crudele Ahi, nemico del cielo,
che serve al re toscano? non mai fortuna arrida
Ahi, barbaro cristiano, all’ingiuste tue voglie
volgi le prore in qua, e tue cristiane spoglie
rendimi Mustafà. preda sian di color che tu predasti,
Rendil, superbo ed empio, l’acqua in cui tant’osasti,
ché non lice involar le spoglie a un dio: contrastata da’ venti,
egli non è già mio, servo è d’Amore, perfido, a te contrasti
d’Amor che ’l tutto regge e qual ti mostri a me, sordo a’ tuoi preghi,
et alla legge sua cede ogni legge. barbaro, il mar t’anneghi!
Predator insolente, Ma, ciel, che dissi, oh Dio?
che con croci di foco ardi ogni lido, Scenda sopra di me l’augurio indegno
senti, deh, senti il grido poi che va l’alma mia dentro a quel legno!
e ti mova il dolore Ah, che sia maledetto,
d’una mora che more in man d’Amore. poi che del mio dolor sì poco cura,
Così gonfin tue vele aure felici l’arabo Macometto
12 et obbedisca il mare e ’l suo seguace Ali, 12
e s’increspi giocondo alle tue voglie, la Mecca il suol la copra
così per te si spoglie e cada sotto sopra
Bisanzio invitto e del turchesco impero Medina Talnabì!
prostrato ogni gerriero Sia maledetto il dì che Zaida nacque

- 326 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 327 -
poi che prigion, per l’acque, 8. Mercè di voi (Giulio Strozzi)
cinto di ferro va Sonetto proemio dell’ opera
mio caro Mustafà.”
Sì disse e per gran pena, Mercé di voi, mia fortunata stella,
vista sparir la fugitiva prora, volo di Pindo in fra i beati cori
la bellissima mora e coronata d’immortali allori
cadde fredda et esangue in sull’arena. forse detta sarò Saffo novella.
Così l’impresa faticosa e bella
Die schöne und traurige Zaida stand mit wehenden Haaren an den sia felice del canto e degl’ amori,
weiten Ufern der Aegaeis und unglücklich rief sie: ché, s’unisco le voci, i nostri cori
«Wohin geht ihr, grausame Piraten, die ihr dem toskanischen König non disunisca mai voglia rubella.
dient? Ach, barbarischer Christ, wende den Bug hierher und gib mir O che vaga e dolcissima armonia
Mustafà zurück! Denn es gebührt sich nicht zu stehlen, was einem Gott fanno due alme innamorate e fide,
gehört: er ist ein Diener Amors, jenes Gottes, der über alles herrscht. che quel che l’una vuol l’altra desia,
Wenn du umkehrst, sollen glückliche Brisen deine Segel füllen und che gioisce al gioir, ch’al rider ride,
das Meer dir gehorchen! né mai sospiran, che ’l sospir non sia
Jedoch, meine schmerzerfüllten Schreie kümmern dich nicht? d’una morte che sana e non uccide!
Dann möge sich dir Falschem das Wasser, auf welchem du so viel
wagtest, von den Winden aufgestachelt entgegenstellen, Um euretwillen, mein Glücksstern, werde ich,
und das Meer möge über dir zusammenschlagen. mit unsterblichem Lorbeer gekrönt,
Und weil er sich so wenig um meinen Schmerz kümmert, möge vielleicht einmal die neue Sappho genannt werden.
Mohamed verflucht sein, Mecca möge von der Erde verschlungen Oh welch anmutige und süsse Harmonie
und Medina Talnabì dem Erdboden gleich gemacht werden!« zwei verliebte und treue Seelen hervorbringen!
So sprach sie, und leiderfüllt sah sie das Schiff am Horizont
verschwinden. Da stürzte die wunderschöne Maurin kalt und
12 blutüberströmt in den Sand. 12

- 328 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 329 -
9. Godere, e tacere Dunque è vano furor? Dunque è follia?
Ma folle esser non può, chi’l proprio danno
Gioisca al gioir nostro e l’aura e l’onda, conosce e teme e di fuggir desia.
scherzin tra l’erbe e i fiori Forse amor? Non è amor, se non m’inganno.
i lascivetti Amori, Odio pero non è: che dunque fia?
a nostri dolci canti Ecco risponda. Che fia, misera, quel ch’il cor m’ingombra?
In questo lieto e fortunato giorno Certo è pensier, o di pensier un ombra.
volin le Grazie intorno,
vengan sul labbro i cori Ma se quest’è pensier, deh, perché penso?
e s’annodino l’alme al suon de ’ baci. Crudo pensier, perché pensar mi fai?
Ah, non dir più, taci, mia lingua, taci! Perché se al proprio mal penso e ripenso,
Torno sempre a pensar quel che pensai?
Mögen Windhauch und Wellen sich an unserer Freude freuen! Perché, mentre in pensar l’ore dispenso,
An diesem glücklichen Tag wollen wir die Herzen auf den Zungen Non penso almen di non pensar più mai?
tragen, und die Seelen mögen sich beim Klang der Küsse Ahi, ch’io non penso, e pur s’io penso, invero
ineinander schlingen. Doch ach – sprich nicht weiter, schweige, La colpa non è mia, ma del pensiero.
meine Zunge!
Ich brenne, oh, oder brenne ich nicht? Ach, was für einen seltsames,
unbekanntes Gefühl, spüre ich in meinem Herzen!
10. – 12. Ardo, lassa, o non ardo? (G. B. Marino, Adone) Ist es vielleicht Feuer? Es ist kein Feuer, denn ich hätte es mit
Tränen gelöscht. Vielleicht ist es Liebe? Es ist keine Liebe,
Ardo, lassa, o non ardo? Ahi, qual io sento falls ich mich nicht täusche. Doch ist es kein Haß: was ist es also?
Strano nel cor non conosciuto effetto! Sicher ist es ein Gedanke, oder sein Schatten.
E’ forse ardor? Ardor non è, che spento Aber wenn dies Denken ist, ach, warum denke ich dann? Warum
l’avrei col pianto. E’ ben d’Amor sospetto? kehre ich immer wieder dahin zurück zu denken, was ich denke,
12 Sospetto no, piuttosto egli è tormento. wenn ich ständig an den eigenen Schmerz denke? Warum denke ich 12
Come tormento fia, se dà dilletto? nicht einfach, nicht mehr zu denken? Ach, daß ich doch nicht dächte!
Dilletto esser non può, poi che mi doglio Und wenn ich auch denke, wahrlich, dann ist die Schuld nicht
e congiont’al piacer sento cordoglio. meine, sondern jene des Gedankens.
Ma se non è piacer, nemmeno affanno.

- 330 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 331 -
14. Occhi della mia vita Basiliensis in Basel zum Studium der alten Musik.
Durch ihre gemeinsame Arbeit und angeregt von Persönlichkeiten
Occhi della mia vita, in cui si vede wie Evelyn Tubb, Anthony Rooley, Andreas Scholl, Andrea Mar-
Dolce scherzar il Pargoletto Amore con und Christina Pluhar entwickelte sich ein »bewegendes und
Pietà del mio dolore. bezauberndes« Barockensemble – so befanden die Juroren des Early
Stelle splendor del Alma ch’accendete Music Network International Young Artists’ Competition in York,
Da voi viene il mio pianto e ’l mio gioire England, die 2003 dem jungen Ensemble den 1. Preis ver­liehen.
Pietà del mio languire Im Jahr darauf konnte savadi diesen Erfolg beim Van Wasse­naer
Ahi vibrate ad’ogn’hor Concours 2004 bestätigen: Die drei Musike­rinnen errangen so­wohl
In me dardi e saette, den ersten Preis der Jury als auch den begehrten Publikumspreis.
Che son archi i bei sguardi. 2008 erschien die neue CD des Ensembles, »Fabellae sacrae«. Sie
Vaghi lumi d’Amore wurde von der Kritik begeistert aufgenommen.
Occhi, raggi del core.
In der Musik von savadi verbinden sich historische Authentizität
Augen meines Lebens, in denen sich das süße Scherzen Amors mit dem Esprit und der Emotionalität dreier junger Menschen un­
widerspiegelt: Habt Mitleid mit meinem Schmerz. serer Zeit. Diese Ideale konnte savadi konkret in einem inszenier­
Ihr Sterne, Pracht der Seele, die ihr mein Herz entflammt – ten Konzert verwirklichen, Regie führte der gefeierte Tänzer und
von Euch kommt mein Weinen und mein Lachen. Choreograph Joachim Schlömer. Neben dem Erkunden von teil-
Habt Mitleid mit meinem Sehnen. weise jahrhundertelang »unerhörter« Musik wird darüberhinaus
durch Auftragskompositionen das Engagement des Ensembles für
die Neue Musik deutlich.

Sava d i Die Britische BBC, der Österreichische ORF und der Schweizer
DRS haben das Ensemble regelmäßig im Programm.
V erschlungen und verwinkelt, aber trotzdem immer zum Ziel füh-
12 rend – ähnlich den Wegen eines Labyrinths empfanden die drei Der Name des Ensembles, savadi, stammt aus dem Lettischen und 12
Musikerinnen von savadi ihre Pfade zum gemeinsamen Musizieren. läßt sich übersetzen mit »auf andere Art«.
Die Barockharfenistin Marie Bournisien aus Frankreich und die So­­ www.savadi.net
pranistinnen Kristine Jaunalksne aus Lettland sowie Ulrike Hof-
bauer aus Deutschland trafen sich 2001 an der Schola Cantorum

- 332 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 333 -
Ulrike Hofbauer studierte Gesang und Gesangspädagogik an Marie Bournisien, geboren in Montbéliard, Frankreich, stu-
den Hochschulen Würzburg und Salzburg und an der Schola Can­ dierte moderne Harfe an der Musikschule von Montbéliard und
torum Basiliensis. Zu ihren maßgeblichen Lehrern zählen Sabine am Konservatorium in Paris bei Frédérique Cambreling. Im Jahr
Schütz, Evelyn Tubb und Anthony Rooley. In der Arbeit mit 1999 schloß sie mit dem Prix de la ville de Paris ab.
Christina Pluhar und Andrea Marcon erhielt sie weitere wertvolle
Anregungen. Seit 1999 beschäftigt sie sich vorwiegend mit historischen Har-
fen. Sie studierte Barockharfe bei Marion Fourquier am Centre de
Die in Oberbayern geborene Sängerin ist heute in der Nähe von Musique Médiévale de Paris und danach bei Heidrun Rosenzweig
Basel ansässig und musizierte als Solistin unter anderem mit Singer an der Schola Cantorum Basiliensis. In Basel nahm sie auch Un-
Pur, dem Collegium Vocale Gent, L’Arpeggiata, La Chapelle Rhé­ terricht bei Hopkinson Smith, Andrea Marcon und Jesper Chri-
nane, Ensemble Modern, L’Orfeo Barockorchester und Cantus Cölln stensen (basso continuo). 2002 begann sie ein Aufbaustudium am
und arbeitete mit Philippe Herreweghe, Daniel Reuss, Peter Phi- Konservatorium von Den Haag bei Christina Pluhar und schloß
lips und Jos van Veldhofen zusammen. mit dem Diplom 2005 ab.
Neben Radiomitschnitten und live-Hörfunkauftritten dokumen-
tieren CD und Film-Produktionen die Vielseitigkeit der Sängerin. Zahlreiche Konzerte mit Ensembles wie La Chapelle Rhénane,
Akadémia, Musica Nova, Neue Hofkapelle München und Clematis
Ihr pädagogisches Engagement führte die Sängerin unter ande- führten sie durch ganz Europa. Als gefragte Continuospielerin
rem an die Hochschulen von Bogota (Kolumbien), Minsk (Weiß- wurde sie eingeladen, bei Händels Lotario am Stadttheater Karls-
russland), an die Bayrische Theaterakademie in München und an ruhe, Monteverdis Il ritorno di Ulisse und dem Orfeo an der Oper
die Schola Cantorum Basiliensis in Basel. Frankfurt mitzuwirken.

Ihr Repertoire umfaßt alle Epochen und Stilrichtungen, vom Derzeit unterrichtet sie Barockharfe an der Musikhochschule
Oratorium über Musik der Renaissance und des Mittelalters bis Zürich.
hin zu unkonventionellem Musiktheater. Die intensive Beschäf-
tigung mit Gestik, musikalischer Rhetorik und dem »recitar can-
12 tando« Stil bildet einen Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. 12

- 334 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 335 -
Kristine Jaunalksne, geboren in Riga, Lettland, studierte zu- Au t o g r a mm e Sava d i
nächst Chorleitung an der Musikakademie Lettland, und schloß
mit dem Baccalaureat ab. Unter ihrem Dirigat erhielt der Mäd-
chenkammerchor Tonika bei verschiedenen internationalen Chor-
wettbewerben zahlreiche Auszeichnungen und Preise.
Von 2000 bis 2006 studierte Kristine Jaunalksne Gesang an der
Schola Cantorum Basiliensis bei Andreas Scholl und Evelyn
Tubb und am Konservatorium in Neuchâtel bei Jeanne Roth.
Derzeit arbeitet sie mit Svetlana Nesterenko.

Als Sopranistin singt sie in kleinen Besetzungen, z.B. im Col-


legium Vocale Gent unter der Leitung von Peter Phillips, der
Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Attilio
Cremonesi, L’Arpeggiata unter Christina Pluhar und Sette Voci
unter Peter Kooij.

Darüberhinaus arbeitet sie auch als Solistin, ihr besonderes Inte-


resse gilt hierbei musikdramatischen Formen. Kreative Impulse
erhielt sie durch Projekte wie Se m’amate io v’adoro unter der
Regie von Joachim Schlömer, Rappresentatione di Anima, et di
Corpo von Emilio di Cavalieri unter Christina Pluhar, Il matri-
monio segreto von Dominico Cimarosa am Theater von Neucha-
tel, Combattimento di Tancredi e Clorinda von Claudio Monte-
verdi unter der Regie von Mirella Weingarten und Henry Purcells
Dido and Aeneas in Basel, Porrentruy (Schweiz), Brüssel (Bel-
12 gien) und Rezekne (Lettland). 12

- 336 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 337 -
Sonntag, 20.09., 11.00 Uhr
Hotel Fuchspalast St. Veit

Der junge Mozart auf Reisen Einleitung

Mozart auf Reisen


Wer weiß, wie Wolfgang Amadeus Mozart sich entwickelt hätte,
wäre er nicht als Kind so viel unterwegs gewesen. Leopold, sein ehr-
geiziger Vater, tat gewiss sein Bestes, um aus ihm einen guten Mu-
siker zu machen, aber ohne die musikalischen Erfahrungen, die er auf
H e i n r i c h K lu g u n d d i e P u ppe t Pl ay e r s den Reisen sammeln konnte, wäre aus ihm nicht das Jahrtausend-
genie geworden, als das Wolfgang Hildesheimer ihn betitelte. Er ver-
dankt der Reiselust seines Vaters, der sich ja auch als exzellenter Reise­
leiter und Konzertmanager bewährte, die Kenntnis der verschiedenen
Susanne Forster und Stefan Fichert: Puppet Players Musikströmungen seiner Zeit in ganz Europa. Er sog sie wie ein
Schwamm auf und schon in seinen frühesten Kompositionen spiegeln
Heinrich Klug: Violoncello und Leitung sich die »Manieren« der Mannheimer Schule, des Pariser Geschmacks
Maria Reiter: Akkordeon oder des italienischen Stils Johann Christian Bachs wider, der viele
Werner Grobholz: Violine Jahre in Italien lebte, ehe er »Hofkompositeur« der englischen Königin
Albert Osterhammer: Klarinette wurde. Wir verdanken Leopold Mozart auch, dass er über die Reise­
Matthias Weber: Kontrabass erlebnisse genauestens an seinen Geschäftsfreund Lorenz Hagenauer
Als »Wolfgang und Nannerl«: Louise Wehr und Jennie Yang nach Salzburg berichtete. So können wir uns heute auf verlässliche
Stefan Fichert: Marionetten und Bühne Angaben stützen, wenn wir den kleinen Mozart in der »Ruckl-Zuckl-
Susanne Forster und Rosemarie Kurz: Kostüme Kutsch« begleiten, in der er von seinem 6. bis 10. Lebensjahr unter-
Peter Geierhaas : Regieberatung wegs war. Zitate aus den Briefen Leopolds werden die Musik, die
Mozart in dieser Zeit komponiert hat, ergänzen. Die meisten in
13 unserer Aufführung verwendeten Stücke sind dem sogenannten 13
»Londoner Notenbuch« von 1765 und dem »Galimathias musicum«
KV 32 entnommen, das er in den Niederlanden 1766 komponierte.

- 338 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 339 -
Die großen, bunten, holzgeschnitzten Marionetten der PUPPET- »Public Advertiser« London, den 9. Juli 1765:
PLAYERS stellen die Begegnungen auf der Reise so dar, wie sie ihm Das größte Wunder, dessen sich Europa oder die Menschheit über-
in seiner kindlichen Vorstellung im Wachen oder Träumen erschienen haupt rühmen kann, ist ohne Zweifel der kleine deutsche Knabe
sein mögen. Wolfgang Mozart, ein Kinde von acht Jahren, das die Bewunderung
Heinrich Klug nicht nur der größten Männer allgemein, sondern auch der größten
Musiker in Europa zu recht hervorgerufen hat.

Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Wien, den 3. Oktober 1762:


Johann Andreas Schachtner am 24. April 1792 Meine Kinder setzen übrigens alles in Verwunderung; sonderheit-
an Maria Anna (Nannerl) Mozart über das »Wunderkind«: lich der Bub... Die Kinder sind lustig, und überall so, als wären sie
...denn so bald er mit der Musik sich abzugeben anfieng, waren alle zu Hause. Der Bub ist mit allen Leuten so vertraulich, als wenn er
seine Sinne für alle übrige Geschäfte, soviel als todt... sie schon seine Lebenszeit hindurch gekannt hätte...
Der Wolferl ist der Kayserin auf die Schooß gesprungen, sie um
Maria Anna (Nannerl) Mozart im April 1792: den Halß bekommen, und rechtschaffen abgeküsst...
Der Knab war dahmals drey Jahr alt und zeugte gleich sein von Die Kayserin schickte durch den geheimen Zahlmeister, der in gal-
Gott zugeworfenes ausserordentliches Talent, er unterhielte sich la vor unser Hauß gefahren kam, 2 kleid: eins für den buben und
oft lange zeit bey dem Clavier mit zusammen suchen der Terzen, eins fürs Mädel.
welche er immer anstimmte, und sein Wohlgefahlen verrieth dass
es wohl klang. Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer am 29. Dezember 1762:
...wir reisten nicht sonderlich bequemm, indem der weeg zwar
Aus der Zeitschrift »Aristide« im Oktober 1766: ausgefroren, allein unbeschreiblich knoppericht und voller tieffer
Die Empfindlichkeit und Genauigkeit des Ohrs sind bei dem jungen gruben und schläge war...
Mozart so groß, dass ihn falsche, hohe und zu laute Töne in Trä­nen
ausbrechen lassen. Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
Wasserburg, den 11. Juni 1763:
Aus Grimms »Correspondance Litteraire« 15. Juli 1766: Das heist auf der Schneckenpost gereiset! 2 Stunden ausser Wasser-
Durch seinen Frohsinn beschwichtigt der Knabe sogar die Furcht, burg brach uns ein hinteres rad in Stücken... Nun ward der Wagner
13 die man bei so einem so frühreifen Kind empfindet, das wie eine und Schmied geruft um ein neues Rad zu verfertigen. Es war noth­ 13
Frucht vorzeitig fallen könnte. wendig auch dem andern Rad den Puls zu fühlen...
Der Wagner hackte und schnitt; der Schmid sengte und brennte,

- 340 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 341 -
und schlug dapfer drauf. Daß beträchtlichste bey der Sache sind die Aus der Ankündigung des 4. Konzertes in Frankfurt
Kösten. am 30. August 1763:
In Gottes Nahmen: Es ist besser zehen Räder gebrochen als ein fuß ... die beiden werden nicht nur die schwersten Stücke der größten
oder ein paar finger... Meister auf dem Flügel spielen, der Knab wird auch ein Konzert auf
Das Neueste ist, das wir auf die Orgel gegangen, und ich dem Wol- der Violine spielen, die Tastatur des Claviers wird mit einem Tuch
ferl das Pedal erkläret habe. Davon der dann gleich stante pede die gänzlich verdeckt und die Kinder werden auf dem Tuche so gut
Probe abgeleget, den schammel hinweg gerückt, und stehend pre­ spielen, als ob sie die Claviatur vor Augen hätten. Der Knabe wird
am­buliert und das pedal dazu getreten als wenn er es schon viele alle Töne, die man auf allen nur denkbaren Instrumenten, Glocken,
Monate geübt hätte. Alles gerüeth in Erstaunen und ist eine neue Gläsern und Uhren anzugeben im Stande ist genauest benennen...
Gnad Gottes, die mancher erst nach vieler Mühe erhält.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Brüssel, den 17. Oktober 1763:
Schwetzinegn, den 19. Juli 1763: Es war die Prinzessin Amalia des Königs in Preussen Schwester in
Das Orchester ihn Mannheim ist ohne widerspruch das beste in Aachen, allein sie hat selbst kein Geld. Wenn die Küsse, so sie meinen
Teutsch­land, und lauter junge Leute, und durch aus Leute von guter Kindern, sonderheitlich dem Meister Wolfgang gegeben, lauter
Lebensart, weder Säufer, weder Spieler, weder liederliche Lumpen. neue Louid’or wären, so wären wir glücklich genug; allein weder
der Wirth noch die Postmeister lassen sich mit Küssen abfertigen...
Johann Wolfgang von Goethe an Eckermann über das Konzert in Die Poststraße nach Brüssel ist wie ein Stadt gepflastert. Stellen Sie
Frankfurt im August 1763: sich vor, wie ein so lang gepflasterter Weg die Wagen, Räder und
Ich habe ihn als siebenjährigen Knaben gesehen, wo er auf der sonderheitlich das Eisenwerck angreift und zu Grunde richtet. Wir
Durchreise ein Konzert gab. Ich selber war vierzehn Jahre alt, und mussten in einem schlechten Wirthshause warten bis das Rad wie-
ich erinnere mich des kleinen Mannes in seiner frisur und Degen der in Ordnung war. Da bekamen wir ein klein elendes Tischchen,
noch ganz deutlich. aus dem großen Kessel wurde uns Suppe und Fleisch angerichtet.
Die Thüre war beständig offen, darum hatten wir sehr oft die Ehre,
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, dass uns die Schweine einen Besuch abstatteten und um uns herum
Frankfurt, den 20. August 1763: grunzten.
Gott giebt uns die Gnade, dass wir gesund sind und aller Orten
13 bewundert werden. Der Wolfgang ist ganz außerordentlich lustig, Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, 13
aber auch schlimm. Ich habe ein artiges Clavierl gekauft, welches Brüssel den 4. September 1763:
uns wegen dem Exercitio auf der Reise grosse Dienste thut. Der Prinz Carl hat mit mir gesprochen und gesagt, dass er in einigen

- 342 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 343 -
Tagen meine Kinder hören will und doch ist noch nichts geschehen. Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Paris, den 1. April 1764:
Ja, es hat das Ansehen, dass gar nichts daraus wird, denn der Herr M. de Mechel ein Kupferstecher arbeitet über Hals und Kopf unsere
Prinz thut nichts als jagen, fressen und sauffen, und am Ende kommt Portraits zu stechen. Der Wolfg. Spiehlt Clavier, ich stehe hinter
heraus, dass er kein geld hat. seinem Sesel und spiele Violin, und die Nannerl lehnt sich auf das
Zur Reise nach Paris muß ich wenigst 200 f: in Sack haben. Die 2 Clavecin mit einem Arm. mit der anderen hand hält sie musiclien,
kleinen Räder und vordere axa habe auch müssen neu machen lassen. als säng sie.

Leopold Mozart an Maria Thersea Hagenauer, Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, London, den 28. Mai 1764:
Paris, den 1.Februar 1764: Die Engelländischen Pferde sind so gelauffen, dass die Bedienten
Ob die Frauenzimmer in Paris schön sind, kann ich ihnen mit Grund auf dem Waagensitz kaum Athmen könnten wegen dem Gewalt
nicht sagen; denn sie sind, wider alle Natur, wie die Berchtesgadner des Lufts...
Docken so gemahlt, dass auch eine von Natur schöne Person, durch ...es kam uns wunderlich vor in London die gemeinen Weiber auf
diese garstige Zierlichkeit unerträglich wird. dem Markte mit der TobacksPfeife im Munde zu sehen.
Das abscheulichste ist hier das Trinckwasser, so aus der Seine geholt ...wenn wir nur mit Gottes Hilfe gesund bleiben und wenn Gott nur
wird. Es gibt Wasserträger, folglich muß alles Wasser bezahlet unsern unüberwindlichen Wolfgang gesund erhält. Das, was er ge-
werden. Wir sieden uns alles Trinckwasser, und lassen es abstehen. wust, da wir aus Salzburg abgereiset, ist ein purer Schatten gegen
Jeder fremder fast bekommt anfänglich einiges abweichen vom demjenigen, was er ietzt weis. Es übersteiget alle Einbildungskraft.
Wasser, ieder von uns bekam es auch...
In Versailles gibt es keine Fiacre sondern lauter Sesselträger... Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, London, den 8. Juni 1764:
... mein Mädel ist eine der geschicktesten Spilerinnen in Europa, und
Leopold an Lorenz Hagenauer, Paris, den 4. März 1764: mein Bub weis in diesem seinen 8. jährigen Alter alles, was man von
Meiner Frau hat die französische Lebensart vom Anfange bis diese einem Manne von 40 Jahren fordern kann. Wer es nicht sieht und
Stunde nicht gefahlen; und mit der französischen Kost ist sie gar hört, kann es nicht glauben...
nicht zufrieden. Die Festtäge sind gar zum erkranken, denn keine Ich, meine Frau, die Nannerl und unser großmächtiger Wolfgangus
Mehlspeise sieht man nicht; man braucht 4mahl mehr Haarbuder empfehlen sich ihnen.
als Mehl, die Fische sind theuer, so hat man wenig andere Hoff-
nung als crepierte fische zu essen... Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
13 Alle Wägen sind gemahlet und laquirt; sie finden Mahlereyen auf London, den 3. August und 13. September 1764: 13
denen Wägen, die in den ersten Mahlerey Gallerien stehen könnten; Die Kranckheiten kommen auf der Extra Post, die Gesundheit
und die meisten Claviere sind so... kommt auf der Schnekenpost... wenn nur keine Abzehrung daraus

- 344 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 345 -
wird. Ich empfand mich übel und ließ mich in einem tragsessel nach schwäche. Der geistliche fand sie in so schlechten Umständen, dass er
Hauße tragen. Ich hatte starckes Halswehe, die Mandl war wie schar- ihr das heilige Sacrament der letzten Öhlung gab. Die ganze Zeit über
lach entzündet, und alle Gurgelwasser halfen nichts. Man musste mir war sie schlaffend und wachend niemals bey sich, und sprach immer
Ader lassen, allein ich hatte immer ein fieber, keinen appetit und die im Schlaf, bald englisch, bald französisch bald Deutsch...
Vorige Nacht nichts geschlaffen... ich sahe mir nicht mehr gleich,
ich war völlig, nach aller sage, unerkenntlich, gänzlich entkräftet, Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
und der Magen war ganz verdorben... im Haag, den 12 Dezember 1765:
Kaum war meine Tochter aus dem Bette und hatte gelernt allein
Maria Anna Mozart im April 1792: über den Stuben-Boden zu gehen; so überfiel den Wolfgangerl eine
Herr Johann Christian Bach Lehrmeister der englischen Königin. Unbässlichkeit, die ihn in so elende Umstände setzte, dass er nicht
Nahm den Sohn zwischen die Füsse, jener spielte etwelche tact, nur absolute unkantbar ist, sondern nichts als seine zarte Haut und
dann fuhr der andere fort, und so spielten sie eine ganze Sonaten kleine Gebeine mehr an sich hat... Dann lag er 8. Täge ohne ein
und wer solches nicht sahe, glaubte es wäre solche allein von einem Wort zu sprechen. So kamen endlich die geister wieder etwas zu
gespielt. Kräften: alsdan sprach er tag und Nacht, ohne das man wuste, was
es ware. Unter seiner krankheit muste man immer für die Zunge
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, sorg tragen, die die meiste Zeit wie Holz so trocken ware. Die Lip-
im Haag, den 19. September 1765: pen verloren 3 mahl ihre Haut die Hart und schwarz wurde. Auf
In Lille überfülle des Wolfgang ein sehr starcker Cathar, und da die Unkösten ist gar nicht zu gedencken, holl der Guck Guck das
dieser nach ein paar Wochen etwas besser wurde, kam die Reihe an Geld, wenn man nur den Balg davon trägt.
mich; ich wurde von Schwindel befallen, sobald ich mich aufrecht
hielt, so gieng alles unter und über: und ich konnte nicht 3 Schritte Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Paris, den 16. Mai 1766:
alleine über die Stube gehen. Es gibt Variationen, die der Wolfgang über eine Arie, die er zur
Majorennitet und Installation des Prinzen von Nassau hat verfertigen
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, müssen und die über eine andere Melodie, die in Holland durch aus
im Haag, den 5. November 1765: von jedermann gesungen, geblasen und gepfiffen wird. ( - das ist das
Meiner Tochter kam unversehens eine Kälte, dass sie zu Bette ver- Lied von der »Ruckel-Zuckel-Kutsch«!)
langte. Nach der Kälte kam die Hitze. Abends wurde ihr Adergelassen.
13 Ich sah meine Tochter täglich abnehmen; sie hatte nun nichts mehr Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, 13
als die Haut und Knochen... Der Medicus hatte selbst keine Hofnung München, den 10. November 1766:
mehr. Mein armes Kinde sahe die Gefahr selbst ein, und empfand ihre Gott hat meinen Kindern solche Talente gegeben. Alles will ich der

- 346 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 347 -
guten Erziehung aufopfern. Jeder augenblick, den ich verliehre, ist Darbietungen war nun nicht mehr, religiöse und moralische Bot-
auf ewig verlohren. Sie wissen, dass meine Kinder zur arbeit ge- schaften zu vermitteln, sondern das Publikum zu unterhalten, zu
wohnt sind: sollten sie aus Entschuldigung dass eines das andere amüsieren, zu faszinieren, zu verblüffen und zum Lachen zu bringen.
verhindert sich an müssige Stunden gewöhnen, so würde mein gan­
z­ es gebäude über den Haufen fallen. Somit wurden Musik, Schauspiel und Puppentheater in Europa
stark vom italienischen Stil beeinflußt. Im Vergleich zur volksnahen
Hübners Diarium, Salzburg den 29. November 1766 Handpuppe wurde damals die eher ‘aristokratische ’ Marionette
...anheut ist der weltberühmte Herr Leopold Mozart alhiesiger vice­ bevorzugt. Wie beliebt das Marionettenspiel damals war, geht zum
Kapellmeister mit seiner Frauen und zweyen Kindern, einem Kna- Beispiel aus der Tatsache hervor, dass Fürst Esterhazy in der Zeit,
ben von 10 Jahren und einem Töchterlein von 13 Jahren zum Trost, als Haydn bei ihm Hofkapellmeister war (1761 –1790) in seinem
Freyde und Vergnügen aller Leute hoch und niedern Standes und zu Park beim Schloss Fertöd ein Puppenthea­terchen erbauen ließ, für
ihrer selbst eigenen Ehr, Ruhm und Lob gesund in der Stadt Salz- das Haydn kleine Opern komponierte – »Philemon und Baucis« ist
burg angekommen. Der Knab Wolfgangl ist weiter gar nicht viel auf die bekannteste. Die Marionette ist eine komplizierte Konstruktion,
dieser Reise gewachsen, aber die Nannerl ist zimlich groß, und fast die von unsichtbaren Händen an Drähten und Fäden bewegt wird
schon heuratsmässig geworden. und die volle Illusion des verkleinerten Menschen- und Zauber-
theaters bietet.
Aus dieser Vorstellungswelt konnte der kleine Wolfgang Amadeus
schöpfen, wenn er seine frühen Kompositionen verfaßte. Um einem
Die Marionetten Aspekt dieser Vorstellungswelt nahe zu kommen, haben wir Pup-
pet Players Marionetten gebaut, die im Stil und den mechanischen
Im 17. und 18. Jahrhundert zogen Artisten, Musiker, Gaukler und Möglichkeiten den Figuren aus dem 18. Jahrhundert nachempfun-
Puppenspieler aus Italien durch ganz Europa bis über den Ärmel- den sind.
kanal nach England. Überall erweckten ihre Aufführungen Be-
geisterung, Beifall und Spendenfreude für den ‘Hut’. Langsam ver­ Wir hatten viele Jahre das Vergnügen mit historischen Marionetten
drängten die Gäste aus dem Süden die einheimischen, aus dem Mit- aus dem Fundus unseres Kollegen George Speaight aus London,
­telalter stammenden, Darbietungen von Bibelgeschichten und vom Aufführungen zu geben. So hatten wir Gelegenheit, ihren Unter-
plump-derben Schwank. Mit ihrer Comedia-dell’-arte-Tradition haltungswert und ihr (und unser!) Können zu erproben. Nach dem
13 brachten die Italiener artistisches Können, Eleganz, schaustelleri­ Vorbild unseres Meisters John Wright (1906 – 1991) haben wir un- 13
sche Opulenz und raffinierten Witz, der nicht nur das Volk, son- sere Figuren voll artikuliert mit Holzgelenken geschnitzt, weil die
dern auch die höfische Gesellschaft anzog. Das vorrangige Ziel ihrer abgenähten, ausgestopften Stoffglieder der ‘Old Time Marionettes’,

- 348 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 349 -
vor allem, wenn sie Schritte auf der Bühne machen sollten, den Ab­ Pro g r a mm
sichten des Puppenführers nicht gehorchen wollten. Die Schnü-
rung aber haben wir von unseren einfallsreichen Kollegen von vor 1. Teil:
200 Jahren übernommen.
aus dem »Notenbuch für Nannerl«
Schön wäre es, wenn wir nicht nur die Schnürung, sondern auch 1. Menuett in G-Dur, KV 1, Menuett und Scherzo
etwas von der Schaulust und Freude mitbringen könnten, die das
Publikum aus vergangener Zeit in die Puppenvorstellungen trieb – aus dem »Notenbuch für Nannerl«
so wie es Kleist in seinem Aufsatz über das Marionettentheater be- 2. Allegro in C-Dur , KV 19 d, für Klavier zu vier Händen
schrieb, »das 1801 auf dem Markte zusammengezimmert worden
war, und den Pöbel (Pardon !) durch kleine dramatische Burles- 3. Menuett in F-Dur, KV 13, für Klavier und Violine
ken, mit Gesang und Tanz durchwebt, belustigte.«
Susanne Forster 4. Sinfonie Nr.1 in Es-Dur, KV 16, Allegro

5. Sonate in Dur, Allegro von Johann Christian Bach

6. Variationen in D-Dur KV 25, für Klavier

2.Teil:

Vater Leopold in Salzburg


7. Andante aus der Sinfonie in F-Dur, KV 43

Die Radkünstlerin
8. Nr. 13 aus Galimathias musicum, KV 32
13 13
Das kindliche Kaiserpaar in Wien
9. Menuett in G-Dur, KV 1

- 350 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 351 -
Der Jongleur P u ppe t Pl ay e r s
10. Allegro KV 33b und Menuett KV 6
Heinrich Klug, langjähriger Solocellist der Münchner Philhar-
Der Säufer zu Brüssel moniker und seit 1977 Initiator der alljährlichen Kammerkonzerte
11. Nr. 8, 9 und 10 aus Galimathias musicum der Münchner Philharmoniker für Kinder, feierte 2005 zusammen
mit den Puppet Players, Susanne Forster und Stefan Fichert, das
Madame Pompadour aus Paris 25. Jubiläum ihrer glücklichen Zusammenarbeit.
12. Nr. 5, 6 und 14 aus Galimathias musicum Seit 1980 sind neun sehr verschiedene gemeinsame Projekte ent-
standen: von Poulencs Babar der kleine Elefant mit Stangenfiguren
Das Gespenst im Londoner Tower bis zu den großen Schattenspielen, u.a. Der Josa mit der Zauberfidel
13. Allegro aus dem »Londoner Notenbuch«, (Wilfried Hiller) und Die Nachtigall (Georg Katzer) für Kinder- und
KV 15a und Nr. 15 aus Galimathias musicum Familienpublikum sowie für Erwachsene Strawinskys Geschichte
vom Soldaten, dirigiert von Heinrich Klug, eine Inszenierung, die
Die Fischweiber auf dem Markt nach Japan, Dubrovnik und Edinburgh ging.
14. Allegro aus dem »Londoner Notenbuch« 1992 stieß als glanzvolle Ergänzung die Akkordeonvirtuosin Maria
Reiter zur Truppe. Wie jüngst im Sisyphos (Schatten- und Tanz­
Der Muskelmann aus Holland theater), so übernahm sie bereits 1992 die musikalische Gestaltung
15. Nr. 16 aus Galimathias musicum und den Solopart in Victoria – Lysistrata (Klangfiguren-Inszenie-
rung) und bereiste mit den Puppet Players Italien, Spanien, Portu-
Die Augsburger Verwandtschaft gal und Brasilien. 1999 bei der süffigen, russischen Salonmusik für
16. Nr. 1 und 11 aus Galimathias musicum das Handpuppenspiel für Gogols Nase und bei Rudi Springs ein-
fühlsamer Partitur für das Zusammenspiel mit den tönenden Fi-
Wieder zu Hause in Salzburg guren im Finsternishandel lernten Maria Reiter und Heinrich Klug
17. Fuga Nr. 17 aus Galimathias musicum sich kennen: ein Duo war geboren.
www.heinrich-klug.de

13 13

- 352 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 353 -
Puppet Players Für unsere Arbeit haben wir verschiedene Auszeichnungen erhalten:
1976 gründeten wir, Susanne Forster und Stefan Fichert zusammen unter anderem den BMW-Musiktheaterpreis, den Günther-Klinge-
mit George Speaight, dem »Grandseigneur« des englischen Figuren­ Kulturpreis, den 1. Preis der Kinderjury (Figurentheatertage Wies-
theaters, in London die London Puppet Players. Wir gingen auf baden) und den Publikumspreis des Gautinger Theaterforums.
Tournée durch Deutschland – und als Puppet Players blieben wir
in München. Seither sind 33 Inszenierungen entstanden – vom Hand­­ Wir sind Mitglied im VdP (Verband deutscher Puppentheater) und
puppenstück zum großformatigen Schattenspiel, vom Marionetten­ in der UNIMA (Union Internationale de la Marionette).
theater zur Klangfiguren-Performance. Sprache und Musik sind www.puppet-players.de
immer ‘live ’ und von hohem  Niveau.

Um den »harten Kern« der Puppet Players hat sich ein Kreis von Autogr amme Heinrich Klug & seine Musiker
professionellen Künstlern gebildet, Musiker, Schauspieler und Pup- sowie die Puppet pl ayers
penspieler, die alle auf ihrem Gebiet unabhängig tätig sind, und die,
je nach Inszenierung, als Puppet Players zusammenkommen: vom
3-er Team bis zum 12-köpfigen Ensemble.

Durch die langjährige Zusammenarbeit mit Heinrich Klug und den


Münchner Philharmonikern ist Musiktheater zu einem Schwer-
punkt unserer Arbeit geworden. Von 1989-1995 leiteten wir das von
Hans Werner Henze gegründete Figurentheater-Projekt der Münch-
ner Biennale. Außerdem wirkten wir an Produktionen der Münch-
ner Kammerspiele, der Bayerischen Staatsoper, der Salzburger Fest-­­
spiele und der Royal Shakespeare Company, London, mit. Für das
Stadttheater Brandenburg inszenierten wir zwei Musiktheater-
Produktionen.

Durch unsere Gastspiel- und Festivalauftritte im europäischen


13 Ausland, sowie in Brasilien, China, Israel und Japan sind wir Pup- 13
pet Players auch international zu einem Begriff geworden.

- 354 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 355 -
Sonntag, 20.09., 17.00 Uhr
Seminarkirche Tanzenberg

Henry’s Music Einleitung

Meta haec servitii est, haec libertatis origo,


Tristitiae finis, laetitiaeque caput.

Dies ist das Ende unserer Sklaverei, ein Quell der Freiheit,
Überwindung der Trauer und Gipfel unserer Freude.
Alamire
Sir Thomas More, In Inaugurationem Regis & Reginae
Carmen Gratulatorium (1509)

David Skinner: Leitung Am 24. Juni 1509 wurde Henry Tudor zum achten englischen
Kö­nig dieses Namens gekrönt. Seine frühe Regierungszeit wurde
Alison Hill: Sopran allgemein als ein neues Goldenes Zeitalter bewertet, geprägt von
Kirsty Hopkins: Sopran Reichtum und Pracht, Feierlichkeit und Harmonie. Thomas More
Ruth Massey: Contralto schrieb die oben zitierten Zeilen als Teil eines Gedichts anlässlich
Clare Wilkinson: Contralto der Krönungsfeierlichkeiten für den englischen König. Damals
Jeremy Budd: Tenor ahnte er nicht, dass Heinrichs Reformation zwischen 1530 und 1550
Nicholas Todd: Tenor die religiöse Landschaft Englands für immer grundlegend verändern
William Unwin: Tenor sollte und letztendlich auch Mores eigenes Leben fordern würde.
Christopher Watson: Tenor Während der Ruf König Heinrichs heute im Wesentlichen der eines
Timothy Scott Whiteley: Bariton Tyrannen ist, war er in den ersten 20 Jahren seiner Herrschaft einer
Robert Macdonald: Bass der wohl größten königlichen Förderer der Musik in ganz Europa.
mit Mikhail Karikis: Stimme Wir möchten uns hier diesem anderen Heinrich zuwenden: dem
Musiker, Gelehrten und vom Glück begünstigten Prinzen.
14 14

- 356 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 357 -
Heinrich war ursprünglich nicht zum Thronfolger ausersehen. Als Herzstück in der ersten Hälfte ist ein Königliches Chorbuch,
zweiter Sohn Heinrichs VII. wurde er so erzogen wie jeder andere welches Heinrich VIII. und Katharina von Aragon um 1516 als
europäische Prinz. Er erhielt eine solide Ausbildung, wobei offen- Geschenk erhielten. Möglicherweise stammt es aus der Werkstatt
bar Hoffnungen auf ein hohes Kirchenamt gehegt wurden. Hein- von Petrus Alamire, der bekanntermaßen mindestens zwei weitere
rich zeigte ausgezeichnete Anlagen für Fremdsprachen, Literatur, prächtige Chorbücher für den Hof Heinrichs VIII. herausbrachte;
Theologie, Sport sowie bekanntermaßen für die Musik. Durch den das angenommene Datum des Manuskripts stimmt auf jeden Fall
frühzeitigen Tod seines älteren Bruders Arthur im Jahr 1502 ge- exakt mit Alamires bekannten Besuchen in England überein. Das
langte der Herzog von York jäh ins Licht der Öffentlichkeit. Als Buch ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Das Titelblatt ent-
Heinrich VIII. kurz vor Vollendung seines 18. Lebensjahrs den hält eine ausführliche Widmung an Heinrich VIII., umrahmt von
Thron bestieg, war er eine Persönlichkeit, die mit dem berühmten den Rosen der Tudors und mit der Darstellung Englands als befe-
Bild Hans Holbeins nichts gemein hatte: vor dem porträtierten stigter Insel. Der Text Psallite felices stammt von dem deutschen
fettleibigen und Furcht erregenden Diktator, der als solcher in die Komponisten Sampson, über den kaum etwas bekannt ist, obwohl
Geschichte einging, war Heinrich ein jugendlicher, hoch gewach- eine Reihe seiner Werke in gedruckten Quellen auf dem europä-
sener, verblüffend attraktiver und gütiger Prinz. In seinen frühen ischen Kontinent auftauchten. Vermutlich ist er auch Komponist
Jahren auf dem Thron muss sich der englische Hof an kulturellen des ‘Rosen-Kanons’ Salve radix, der die Sänger so eindrücklich
Aktivitäten selbst überboten haben. So stieg die Zahl der in Voll- über die Anwendung der musica ficta durch zwei ‘absteigende
zeit beschäftigten Musiker in seinem Haushalt von einem halben Spiralen’ führt, sodass das Stück einen Ton tiefer endet als notiert.
Dutzend auf nicht weniger als 58. Ferner beschäftigte er zusätzlich Das anonyme Hec est preclarum führt uns eindringlich die Tugen­
zu seiner Chapel Royal eine private Hauskapelle mit Chor, in der den der Jungfrau Maria vor Augen, während das fünfstimmige
die angesehensten Musiker des Landes vertreten waren und die ei- Quam pulcra es, ebenfalls von Sampson, mit seinen erotischen
nen kontinuierlichen und wichtigen Teil seines Gefolges bildete. Andeutungen (der Text beruht auf dem Hohen Lied Salomonis) in
diesem königlichen Geschenk verwundern mag; musikalisch ist
Dieses Programm enthält Musik, die im Wesentlichen für Heinrich es aber vielleicht das erfolgreichste der Sammlung.
und von Heinrich komponiert wurde. Vertreten ist außerdem Musik
eines der berühmtesten Komponisten des frühen 16. Jahrhunderts: Bekanntlich war der König selbst ein vollendeter Musiker und be-
Josquin Desprez, dessen Werke häufig am englischen Hof aufgeführt herrschte eine ganze Reihe von Tasten-, Saiten- und Blasinstrumen­
wurden und der zu Heinrichs bevorzugten Komponisten gehört ten. Sir Peter Carew zufolge, einem Gentleman in Heinrichs Privy
haben muss. Chamber, pflegte der König auch den Gesang. Außerdem hatte er
Erfahrungen als Komponist gesammelt: er schrieb mindestens zwei
14 fünfstimmige Messen, die – nach den Worten des Chronisten Edward 14

- 358 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 359 -
Halle – ‘oftmals in seiner Kapelle gesungen wurden, sowie später Dabei wurden die Vokale der Worte ‘Henricus dei gratia anglie
an verschiedenen anderen Orten’. Das wichtigste Zeug­nis seiner rex’ (Henry, Englischer König von Gottes Gnaden) als Silben der
Fähigkeiten als Komponist bleibt jedoch das so genannte Henry Solmisation vertont und dem gesamten Werk als strukturierender
VIII Manuscript (British Library, Add. MS 31922), das 109 Lieder Cantus firmus zugrunde gelegt.
und Instrumentalstücke von Komponisten im Dienst des Hofes, so-
wie Werke fremder Musiker enthält. Nicht weniger als 33 dieser Heinrich begeisterte sich schon früh für Musik und Bühnenkunst.
Werke, also fast ein Drittel der gesamten Sammlung, werden ihm, Er liebte ‘disguisings’ (maskierte Aufführungen), Verkleidung und
dem ‘kyng h.viii’ zugeschrieben. Insbesondere Adieu madame und Täuschung, und vor allem Frivolität. Die zweite Hälfte unseres
O my heart zeugen von tiefer Emotion und vermitteln ein beredtes Konzerts verdeutlicht die wunderbare Perfektion von Josquin Des­
Bild von Heinrich als jungem verliebten König. prez, diesem – nach den berühmten Worten Martin Luthers –
Meister der Noten, denen nichts anderes übrig blieb, als seinem
Außer den Motetten im Königlichen Chorbuch sind drei ‘Wid­ Befehl Folge zu leisten. Das letzte Werk der Sammlung, Tu solus
mungs’-­Motetten an Heinrich VIII. überliefert. O Christe Jesu, pastor qui facis mirabilia, überzeugt durch einen besonders schönen Auf-
bone von John Taverner entstand ursprünglich zu Ehren von Kar- bau. Wir sind davon überzeugt, dass Heinrich Gefallen an unse­­
dinal Wolsey, dem Gründer des Cardinal College in Oxford. Kurz rer Interpretation dieses Werks gefunden hätte – einer Interpreta-
nach Taverners Tod im Jahr 1545 wurde das Stück jedoch anläss- tion vor dem Hintergrund unserer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.
lich der Neugründung des Colleges als Christ Church (1546) durch Seien Sie auf ein besonderes Erlebnis gefasst!
Heinrich VIII. neu bearbeitet. Noch früher entstand Lauda vivi David Skinner
alpha et oo von Fayrfax, wahrscheinlich kurz nach der Thronbe-
steigung Heinrichs im Jahr 1509. Das Werk ist in seiner Zuversicht,
der Pracht und der groß angelegten musikalischen Architektur ty-
pisch für die berühmte Votiv-Antiphon vor der Zeit der Reforma-
tion. Gerade bedeutende musikalische Kunstformen wie diese, die
aus einer langen, ungebrochenen Tradition stammten, hatten später
unter Heinrichs Reformation zu leiden und ver­schwan­den zum Teil
völlig. Außerhalb Englands wurde Heinrich in einer Vertonung von
Nil majus superi vident überschwänglich gepriesen. Dieses Stück
stammte wahrscheinlich von dem französischen Komponisten Phi-
lippe Verdelot, der um 1520 in Florenz aktiv war. Die Motette be­
14 ruht auf einer Technik, die als ‘soggetto cavato’ bekannt wurde. 14

- 360 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 361 -
Pro g r a mm Heinrich VIII.
(1491-1547)
John Taverner 8. Adieu Madame
(† 1545)
1. O Christe Jesu, pastor bone Robert Fayrfax
(† 1521)
Anonym 9. Lauda vivi alpha et oo
(Frühes 16. Jahrhundert)
2. England be glad
PAUSE
Motets from a Royal Choirbook (3. – 6.)
(1516)
Sampson? Josquin Desprez
3. Salve radix († 1521)
10. Ave Maria
Sampson
4. Psallite felices Josquin
11. Salve regina
Anonym
5. Hec est preclarum Josquin
12. Inviolata integra et casta es Maria
Sampson
6. Quam pulcra est Philippe Verdelot
(† nach 1530)
Heinrich VIII. 13. Nil majus superi vident
(1491-1547)
7. O my heart Josquin
14 . Tu solus qui facis mirabilia

14 14

- 362 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 363 -
texte 2. England be glad

1. O Christe Jesu, pastor bone England, be glad! pluck up thy lusty heart!
Help now thy king, and take his part!
O Christe Jesu, pastor bone, Against the Frenchmen in the field to fight
Cleri pater et patrone, In the quarrel of the Church and in the right
Mundi nobis in agone. With spears and shields on goodly horses light,
Confer opem et depone Bows and arrows to put them all to flight.
Vitae sordes, et coronae da gloriam.

Fundatorem specialem, 3. Salve radix


Serva regem nunc Henricum.
Et ecclesiam piorum Salve, radix varios producens germine ramos,
Tueare custos horem, Quos inter ramus supereminet altior unus,
Et utrisque concedatur, Cuius et ex summo purpura rosa micat,
Aeternae vitae praemium. Qua stant unanimes pax et Iusticia septe,
Claudunturque foras dissona corda senum.
O Christ Jesu, thou good shepherd,
a father to the clergy Hail, root, bringing forth varying stems from a seed,
and our protector in this world’s strife, among which one stem rises higher,
grant us thine aid and do away the sins of this life, and from the top of which there gleams a scarlet rose,
and give us the joy of a heavenly crown. where peace and justice stand enclosed, harmonious,
and the discordant hearts of old men are shut outside.
Especially, we pray, protect King Henry, now our founder;
and as a guardian watch over this church of faithful souls,
that both may win the reward of eternal life.

14 14

- 364 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 365 -
4. Psallite felices Sing, fortunate ones, protected by the crown of the scarlet rose,
which God himself gave from heaven to the English.
Psallite, felices protecti culmine rose And peace, which the earth delayed to bring forth,
Purpuree, celo quam dedit ipse Deus arose forthwith at the coming of the rose,
Anglicolis. Et quam pax distulit prodere tellus, in the leaves of which gleaming lilies also grow.
Aduentu rose protinus orta fuit, A single root here produces different flowers,
Cuius et in foliis radiantia lilia crescunt. flecked with white and red colours on the inside.
Distinctos flores hic parit una radix, Among the number of flowers the red rose shone,
Albis et rubeis respersa coloribus intus. rising higher than all the flowers in display.
In numero florum micuit rosa rubens, More beautiful than this in colour has scarce been seen before:
Altior exsuperans flores spectamine cunctos. strengthening bodies, thereby healing frail limbs,
Pulchrior hac vix est visa colore prior. sweet and fragrant, it drives away all evil
Corpora fortificans sic membra debilia curans, and brings joy. Soon it drives out sad sights;
Dulcis odorifera pellit et omne malum it is a dose to be distributed for all maladies.
Affert leticiam. Mox tristia visa repellit. King Henry the twice-fourth, glorious in blood-line,
Cunctis est morbis distribuenda dosis. is the gleaming scarlet rose, the virtue of the English,
Est rex Henricus bis quartus sanguine clarus, under whose will one should justly strive to bring oneself
Anglorum virtus, purpura rosa micans, and with a calm face to say, ‘O rose, be of good strength’.
Huius se merito studeat quis subdere votis O God, eternal king, you who rule the dominions of the world,
Et vultu placido dicere ‘Rosa vale ’. and from whose bosom every honour is poured,
Rex eterne deus, qui mundi sceptra gubernas, we beseech you to grant to the king to see long times of life
Cuius et ex gremio funditur omnis honos, and after this to sit as governor in the citadel of God.
Quesumus, ut regi des tempora longa videre Amen.
Et post hoc sedeat rector in arce dei.
Amen.

14 14

- 366 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 367 -
5. Hec est preclarum vas oculi tui columbarum.
Labia tua, gutur tuum, manus tue,
Hec est preclarum vas paracliti spiritus sancti, <venter tuus> eburneus et facies tua.
hec est gloriosa ciuitas Dei, O amica mea, aperi michi, quia amore langueo.
hec est mulier virtutis, que contriuit caput serpentis,
hec est sole speciosior, luna pulcrior, How beautiful you are, my love,
aurora rutilantior, stellis preclarior. How beautiful and how comely you are;
Hanc peccatores deuote adeamus, How beautiful are your cheeks;
rea pectora tundamus dicentes: Your breasts are more excellent than wine;
Sancta maria, clemens et pia, Domina nostra, Your neck is like a jewelled necklace;
fac nos tuis precibus consortes celestis glorie. Amen. Your eyes are those of doves.
Your lips, your throat, your hands,
She is the magnificent vessel of the Holy Spirit, the Paraclete; [your belly] and your face are as ivory.
she is the glorious city of God; O my love, lay yourself bare for me, for I am faint with love.
she is the woman of virtue who crushed the serpent’s head;
she is brighter than the sun, more beautiful than the moon,
ruddier than the dawn, brighter than the stars. 7. O my heart
To her, sinners, let us devoutly go;
let us beat our guilty breasts, saying, O my heart and O my heart;
‘Holy Mary, merciful and devout, our Lady, My heart it is so sore,
by your prayers make us partakers in the glory of heaven.’ Amen. Since I must needs from my love depart,
And know no cause wherefore.
And love to obtain.
6. Quam pulcra es God it amen.

Quam pulcra es amica mea,


Quam pulcra es et quam decora.
Quam pulcre sunt gene tue,
pulcriora ubera tua vino,
14 collum tuum sicut monilia, 14

- 368 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 369 -
8. Adieu madame Lauda admirabilis gignentis filia innocentissima,
Admirabilis fecundantis mater mellifluissima,
Adieu madame, et ma maistresse, Admirabilis obumbrantis sponsa intemeratissima,
Adieu mon solas et ma joie! Admirabilis et trine potestatis ancilla incomparabilissima.
Adieu jusque revoie
Adieu vous dis par grand’ tristesse! Lauda perennis retributoris filia preamantissima,
Perennis restitutoris mater illuminatissima,
Farewell my dear and my lady; Perennisque infusoris sponsa iucundatissima,
Farewell my pleasure and my joy; Perennis uniusque essentie ancilla prelaudatissima.
Farewell, until I see you again; I say
Farewell to you in great distress. O rosa gratie redolentissima, O virga Jesse efflorentissima,
Jesum predulcem natum pro rege nostro ora Henrico octavo
inclito. Ac implora optanda illi semper dari gaudia nunc et
9. Lauda vivi Alpha et O tandem immarcessibilem gloriam, nosque tuos pios famulos
adiuta/salvifica. O precatrix et adjutrix benedicta.
Lauda vivi Alpha et O filia supernissima, O dei para, O dei gena, O virgo Maria. Amen.
Vivique verbi mater spendidissima, Praise: Most exalted daughter of the living Alpha and the Omega
Vivique flaminis sponsa immaculatissima, Most glorious mother of the living Word,
Vivique trinitatis et unitatis ancilla exaltatissima. Most spotless bride of the living Spirit,
Lauda fortis spirantis filia devotissima, And most high handmaid of the living Trinity and Unity.
Fortisque conspirantis mater mansuetissima,
Fortis conspirantis sponsa premundissima, Praise: most devoted daughter of the strong inspirer,
Fortisque concordis voluntatis ancilla glorificatissima. And most merciful mother of the strong inspirer,
Purest bride of the strong inspirer,
Lauda immortalis productoris filia sacratissima, Most glorified handmaid of a strong harmonious will.
Immortalisque producti mater complacentissima,
Immortalis procedentis sponsa inviolatissima, Praise: most sacred daughter of the eternal Father,
Immortalis celsique tonantis ancilla prefulgidissima. most loving mother of the eternal Son,
Most inviolate bride of the eternal Spirit,
14 Most lustrous handmaid of the eternal lofty thunderer. 14

- 370 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 371 -
Praise: most blameless daughter of the wonderful creator, Sine viro fecunditas,
Sweetest mother of the wonderful provider, Cuius Annuntiatio
Most chaste bride of the wonderful overshadowing spirit, Nostra fuit salvatio.
Incomparable handmaid of the wondrous Trinity’s power. Ave vera virginitas,
Immaculata castitas,
Praise: Most loving daughter of the immortal vindicator, Cuius Purificatio
Most radiant mother of the immortal saviour, Nostra fuit purgatio.
Most pleasing bride of the immortal inspirer, Ave, praeclara omnibus
Most lauded handmaid of the immortal One. Angelicis virtutibus,
Cuius Assumptio
Most sweetly-scented rose, blossoming rod of Jesse, pray your sweet Nostra fuit glorificatio.
Son Jesus for our renowned King Henry VIII. And beg for present O Mater Dei,
longed-for joys and never-failing glory to be granted him always; Memento mei. Amen.
and help/save us your devoted servants. O intercessor and blessed
helper; equal of God and born of God, O virgin Mary. Amen. Hail Mary, full of grace,
The Lord is with thee, serene Virgin.
Hail, thou whose Conception,
10. Ave Maria Full of great joy,
Fills heaven and earth
Ave Maria, Gratia plena, With new gladness.
Dominus tecum, Virgo serena. Hail, thou whose Nativity
Ave, cuius Conceptio, Became our great celebration,
Solemni plena gaudio, As the light-bearing Morning Star
Caelestia, Terrestria, anticipates the true Sun.
Nova replet laetitia. Hail, faithful humility,
Ave, cuius Nativitas Fruitful without man,
Nostra fuit solemnitas, Whose Annunciation
Ut lucifer lux oriens Was our salvation.
Verum solem praeveniens. Hail, true virginity,
14 Ave pia humilitas, Immaculate chastity, 14

- 372 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 373 -
Whose Purification Show unto us the blessed fruit of thy womb, Jesus.
Was our cleansing. O clement, o loving, o sweet Virgin Mary.
Hail, glorious one
In all angelic virtures,
Whose Assumption 12. Inviolata integra et casta es Maria
Was our glorification.
O Mother of God, Inviolata, integra et casta es Maria:
Remember me. Amen. Quae es effecta fulgida caeli porta.
O Mater alma Christi carissima:
Suscipe pia laudum praeconia.
11. Salve regina Te nunc flagitant devota corda et ora:
Nostra ut pura pectora sint et corpora.
Salve Regina, Mater Misericordiae, Tua per precata dulcisona:
Vita, dulcedo, et spes nostra, Salve! Nobis concedas veniam per saecula.
Ad te clamamus, exsules filii [H]evae, O benigna! O Regina! O Maria!
Ad te suspiramus, gementes et flentes, Quae sola inviolata permansisti.
In hac lacrimarum valle.
Eia ergo, Advocata nostra, O Mary, inviolate, whole and chaste,
Illos tuos misericordes oculos ad nos converte you are the shining gate of heaven.
Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, O kind mother, dearest to Christ,
Nobis, post hoc exilium, ostende, accept our faithful hymns of praise.
O clemens, O pia, O dulcis Virgo Maria. To you our hearts and lips cry out:
may our souls and bodies be pure.
Hail Holy Queen, Mother of mercy Through your prayers‘ sweet sounds
[Hail] our life, our sweetness and our hope! grant us forgiveness for ever.
To thee do we cry, poor banished chidren of Eve, O kindly one, O Queen, O Mary,
To thee do we send up our sighs, you alone remain inviolate.
Mourning and weeping in this valley of tears.
Turn, then, o most gracious advocate,
14 Thine eyes of mercy and after this our exile 14

- 374 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 375 -
13. Nil majus superi vident children of the Muses in his bosom;
let us, therefore, raise our voices to the stars
Nil majus superi vident, with dutiful prayers.
Nil mortales benignius Long live Henry, forevermore;
Henrico rege anglie. long may he live, and extend the borders
Ille gnarus militie, of the realm with the victorious right hand.
Quietis cupidus mage,
Ille a justitie orbita,
Nunquam deflectit, impotens. 14. Tu solus qui facis mirabilia
Ille pauperes sublevat,
Ille divites decorat. Tu solus qui facis mirabilia, tu solus creator, qui creasti nos, tu
solus redemptor, qui redemisti nos. Ad te solum confugimus,
Ille Musarum naufragos, in te solum confidimus nec alium adoramus, Jesu Christe. Ad te
Alumnos gremio fovet: preces effundimus, exaudi quod supplicamus, et concede quod
Tollamus ergo ad sydera petimus, rex benigne. D’ung aultre amer, magna esset stultitia
Voces cum precibus piis: et peccatum. Audi nostra suspiria, reple nos tua gratia. O rex
Vivat Henricus, hic diu; regum, ut ad tua servitia sistamus cum letitia in eternum.
Vivat, et regni terminos
Victrici extendat dextera. You only, who do wonders, you, the only creator, who created us,
you only are the redeemer, who redeemed us with your most precious
The Gods can see nothing greater, blood. In you alone we seek refuge. In you alone we place our trust,
nor mortals anything more benign, and no other do we adore, O Jesus Christ. To you we offer our pray­
than Henry, the king of England: ers, hear we beg of you, and grant what we request, benign king.
he, knowledgeable in military matters, To love another would be deceitful, to love another would be great
even more desirous of peace; folly and sin. Hear our sighs, fill us with your grace, O king of kings,
he, who never swerves powerless that we may remain in your service with joy forever.
from the course of justice.
He lifts up the poor,
he honours the rich.
14 He nourishes the shipwrecked 14

- 376 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 377 -
Alamire tungsorten meisterhaft aufgenommen wurde – sowie nicht zuletzt der
fachlichen Kompetenz und der inspirierten Leitung von David Skinner.
Alamire zählt zu den führenden Vokal-Ensembles im Vereinigten Zögern Sie nicht – Sie werden von dieser Aufnahme begeistert sein!«
Königreich und vereint unter der charismatischen Leitung von Henry’s Music, ClassicsToday.com, Juli 2009
David Skinner einige der derzeit besten Ensemble-Sänger. Mit
seinem Schwerpunkt auf den großen Choralwerken von Kompo- Das Programm ‘Henry’s Music’, manchmal erweitert um das En-
nisten des Mittelalters und der frühen Neuzeit bleibt das Ensemble semble QuintEssential (Kornett und Posaune) und den Harfenisten
auch bei neuen Engagements dem gewählten Repertoire treu, oft- (gothische Harfe) Andrew Lawrence-King, war während der dies-
mals in Zusammenarbeit mit Instrumentalisten, mit denen es far- jährigen Tournee des Ensembles durch das Vereinigte Kö­­nig­reich
benfrohe Konzertprogramme zur Illustration musikalischer oder auf zahlreichen Konzerten zu hören. Zu den Höhepunkten zähl­ten ein
historischer Themen zur Aufführung bringt. Lunchtime-Konzert sowie eine Abendgala in der British Library am
24. Juni, dem Jahrestag der Krönung Heinrichs VIII. Der Sound-
Alamire arbeitet exklusiv mit dem Label Obsidian Records zusam- ­track war auch Teil der Dokumentarserie von Dr. David Starkey über
men und ist regelmäßig auf Konzerten im Vereinigten Königreich, Heinrich VIII., die auf dem Fernsehsender Channel 4 ausgestrahlt
in den USA und in Europa zu hören. Der Name des Ensembles wurde. David Skinner und Alamire arbeiteten dabei eng mit dem re-
entstammt einerseits den Tonsilben der Solmisation Guidos von nom­­mierten Filmmusikkomponisten Philip Sheppard zusammen, der
Arezzo, eines Lehrmeisters und Theoretikers aus dem 11. Jahrhun- den Soundtrack auf der Grundlage von Henry‘s Music komponierte.
dert. Andererseits war dieser Name Pseudonym des im frühen 16.
Jahrhundert tätigen Kopisten und Musikalienhändlers Petrus Ala­ »Thema dieser Aufnahme ist die musikalische Brillanz des jungen
mire (à la Peter van den Hove, ca.1470 - 1536). Heinrich VIII.…Die Qualitäten der Einspielung werden dabei dem
Stoff in vollem Maß gerecht: die vollendete Meisterschaft in Ausfüh­
Zu den vielfältigen und hoch gepriesenen Projekten von Alamire rung, akademischem Wissen und Aufnahmetechnik sorgt für ein Hör-
zählten Soundtracks für Film und Fernsehen, Klanginstallationen erlebnis der besonderen Art. Die Frische und Sensibilität von Alamire
für Kunstgalerien, sowie in jüngster Zeit eine Erkundung des heben das Ensemble von der Konkurrenz ab. David Skinner kanalisiert
Choral- und Liedrepertoires am Hof der Tudors anlässlich des und verdichtet das Können der Sänger zu einer verblüffenden musikali-
500. Jahrestags der Thronbesteigung von König Heinrich VIII. schen Architektur… Auch die aka­demische Auseinandersetzung mit dem
Stoff verdient Anerkennung… Insgesamt ein ein­zigartiges Fenster mit
»Es kann nicht deutlich genug betont werden, wie sehr der Erfolg dieser Blick auf eine versunkene Welt.«
Einspielung dem perfekt ausgewogenen, vollen und fein abge­stimm­ten BBC Music Magazine, August 2009
14 Klang von Alamire zu verdanken ist, der an drei verschiedenen Veran­stal­- www.alamire.co.uk www.facebook.com/AlamireUK 14

- 378 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 379 -
David Skinner ist vor allem dafür bekannt, dass er Alte Musik Au t o g r a mm e A l a m i r e
sowohl theoretisch erforscht als auch als Musiker aufführt. Er ist
Dozent und musikalischer Leiter am Sidney Sussex College in
Cambridge und Lektor an der Fakultät für Musik, wo er histo-
rische und praktische Fächer aus dem Mittelalter und der Renais-
sance unterrichtet. Gemeinsam mit Andrew Carwood hat er 1989
The Cardinall’s Musick gegründet und leitet, zusätzlich zu seiner
Arbeit mit Alamire, den Chor des Sidney Sussex College, mit dem
er zahlreiche Tourneen absolviert und Aufnahmen eingespielt hat.
Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über Musik und Musi­-
ker der frühen Tudorzeit publiziert. Seine neuesten Publikationen
beschäftigen sich mit den Gesamtwerken von Nicholas Ludford
(frühe englische Kirchenmusik, 2003 und 2005) und dem Arundel
Choirbook (Duke of Norfolk: Roxburghe Club, 2003).

Derzeit arbeitet er an der geplanten Veröffentlichung der lateini­


schen Kirchenmusik von John Sheppard und als Mitautor an einem
Buch über die Musik der englischen Reformation.

14 14

- 380 - Trigonale 2009 – Das Programm Trigonale 2009 – Das Programm - 381 -
Trigonale – Das Programm 2009
Impressum

Trigonale FestivalbetriebsgmbH
Geschäftsführer Ing. Stefan Schweiger

Winklern 17
A - 9063 Maria Saal
Telefon: +43|(0)4223|29079

E-Mail contact@trigonale.com
Internet www.trigonale.com

Herausgeber Trigonale

Redaktion Stefan Schweiger

Fotografie Stefan Schweiger, Wouter Jansen,


Eric Richmond, Nick White, Martin
Jehnichen, Anne Hooss (Napoli S. 32)

Gestaltung Stefan Schmid Design, Stuttgart


Anne Hooss, art+ideas, Stuttgart
Wir danken unserem Mäzen Armin Becker
Herstellung Philipp Reclam Jun. Apotheke Wayerfeld / 9300 St. Veit an der Glan

Graphischer Betrieb GmbH, Ditzingen

Stand August 2009, Änderungen vorbehalten


Mit freundlicher Unterstützung von
L I CO Isolierbau GmbH & L I CO Trockenbau GmbH
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