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9 Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich

Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist zu untersuchen, inwieweit aus uniaxialen Dehnversuchen im
teilaufgeschmolzenen Zustand Aussagen über das biaxiale Materialverhalten getroffen werden
können. Im Folgenden werden deshalb Spannungs-Dehnungskurven aus uni- und biaxialen
Verstreckversuchen gegenübergestellt und diskutiert. Da die in Kapitel 6 beschriebenen
grundlegenden uniaxialen Dehnuntersuchungen am Dehnrheometer erfolgten und nicht am
Streckrahmen, wird zunächst auf die Vergleichbarkeit dieser beiden Verstreckapparaturen sowie auf
den Einfluss der unterschiedlichen Probengeometrien eingegangen. Der Einfluss äußerer
Verstreckparameter wie Verstrecktemperatur, Verstreckgeschwindigkeit und Aufheizzeit auf das
uni- und äquibiaxiale Deformationsverhalten wird ebenfalls für beide Verstreckprozesse diskutiert.
Schließlich wird das uni- und biaxiale Deformationsverhalten verschiedener Polypropylene im
Vergleich besprochen.

9.1 Apparativ bedingte Einflussgrößen

9.1.1 Verstreckapparatur
In Abb. 9.1 sind die für die Polypropylene PP-2, PP-5 und PP-6 ermittelten Kraft-Wegkurven bei
einer Temperatur von 150 °C und einer konstanten Abzugsgeschwindigkeit von 167 mm/s
dargestellt. Die Versuche wurden sowohl am Dehnrheometer (DR) als auch am biaxialen
Streckrahmen (SR) durchgeführt. Um den Einfluss unterschiedlicher Probengeometrien
ausschließen zu können, wurden im Streckrahmen die gleichen Proben, wie sie im Dehnrheometer
zum Einsatz kommen, samt aufgeklebten Halterungen (siehe Kapitel 3.1.5; Abb. 3.7) verstreckt.
Die Verstreckung dieser uniaxialen Dehnproben erfolgte im Streckrahmen zwischen den Kluppen
in 12- und 6-Uhr-Position.
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 148

80
N PP-5 (SR)
70 PP-5 (DR)
PP-6 (SR)
60 PP-6 (DR)
PP-2 (SR)
50
Abzugskraft Fab
PP-2 (DR)
40

30

20
T = 150°C
10
vab = 167 mm/s
0
0 50 100 150 mm 200
Verstreckweg l

Abb. 9.1 Kraft-Wegkurven der Polypropylene PP-2, PP-5 und PP-6, ermittelt mit dem
Dehnrheometer (DR) sowie mit dem Streckrahmen (SR).

Ab einem Verstreckweg von ca. 20 mm verlaufen für PP-5 die Kraft-Wegkurven, die mit dem
Dehnrheometer bzw. dem Streckrahmen ermittelt wurden, nahezu identisch. Lediglich im Bereich
der Streckgrenze werden für die mit dem Dehnrheometer ermittelten Kurven deutlich höhere
Streckkräfte detektiert, die Streckgrenze ist stärker ausgeprägt. Für PP-6 wird ein ähnliches
Verhalten beobachtet wie für PP-5. Es deutet sich jedoch an, dass der relative Unterschied zwischen
den Kraftkurven höher ausfällt als für PP-5 und sich Abweichungen zwischen den Kurven über
einen längeren Verstreckweg ergeben. Für PP-2 werden hingegen über dem gesamten betrachteten
Bereich des Verstreckweges mit dem Streckrahmen signifikant niedrigere Kräfte gemessen.
Während die am Dehnrheometer ermittelte Kraftkurve einen vergleichsweise steilen Kraftanstieg zu
Beginn der Deformation erkennen lässt, steigt die Kraft bei der am Streckrahmen gemessenen
Kurve langsamer an. Im Streckrahmen deformieren die Proben geringfügig homogener.

9.1.2 Probengeometrie
Abb. 9.2 zeigt den Vergleich der Spannungs-Dehnungskurven uniaxialer Dehnversuche mit dem
Streckrahmen bei unterschiedlicher Probengeometrie. Die Proben der Geometrie PG-1 entsprechen
den Proben für das biaxiale Verstrecken, jedoch mit dem Unterschied, dass sie bei einer Länge von
85 mm lediglich eine Breite von 70 mm besitzen. Diese Probe wird in die zehn in MD-Richtung
angeordneten Kluppen eingespannt und verstreckt. Die Einspannlänge beträgt analog zu den
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 149

biaxialen Verstreckversuchen 70 mm. Bei der Probengeometrie PG-2 handelt es sich um Proben für
das Dehnrheometer. Die Spannungs-Dehnungskurven für diese beiden Probengeometrien
unterscheiden sich bei sonst identischen Versuchsbedingungen signifikant. Bei PG-2 liegt im
Gegensatz zu PG-1 eine schwach ausgeprägte Streckgrenze vor, PG-2 deformiert hingegen bei
geringeren Spannungen homogen ohne das Auftreten einer Streckgrenze. Ab einer Dehnung von
etwa εN = 1 sind hingegen die nominalen Spannungen für PG-1 größer.

4
2
N/mm PG-1 (85 mm x 70 mm) T = 155°C
. -1
PG-2 (Dehnrheometerprobe) εH = 1,0 s

3
Spannung σN

0
0 1 2 3 4 5
Dehnung ε N

Abb. 9.2 Spannungs-Dehnungskurven für verschiedene Probengeometrien von PP-6


(Streckrahmen).

9.1.3 Diskussion und Folgerungen

Vergleich der Verstreckapparaturen


Das mit den beiden Apparaturen detektierte Materialverhalten (Abb. 9.1) weicht in der Weise
voneinander ab, dass die am Streckrahmen ermittelten Spannungs-Dehnungskurven in
unterschiedlichem Ausmaß unterhalb der am Dehnrheometer ermittelten Kurven liegen. Von PP-5
über PP-6 zu PP-2 werden die Unterschiede in den Spannungs-Dehnungskurven größer (siehe
Abb. 9.1). Während sich für PP-5 die Spannungs-Dehnungskurven lediglich im Bereich der
Streckgrenze unterscheiden, differieren diese für PP-2 signifikant über dem gesamten Dehnbereich.
Verantwortlich für die gemessenen Differenzen im Materialverhalten dürften Unterschiede in der
tatsächlichen Verstrecktemperatur sein. Bei einer eingestellten Ofentemperatur von 150 °C am
Streckrahmen hat die aus den Diffusoren ausströmende Luft, mit der die Probe im Wesentlichen
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 150

aufgeheizt wird, eine Temperatur von 152 °C (siehe Kapitel 3.2). Da die tatsächliche Einspannlänge
der Dehnrheometerprobe aufgrund der Probenhalterungen lediglich 25 mm beträgt, besteht kein
unmittelbarer Kontakt zwischen der zu verstreckenden Probe und den kalten Einspannkluppen des
Streckrahmens. Die Temperaturhomogenität in der Dehnrheometerprobe wird deshalb weit weniger
von den kalten Kluppen des Streckrahmens beeinflusst, als dies etwa für eine biaxial zu
verstreckende Probe der Fall ist. Somit dürfte die tatsächliche Probentemperatur eher bei 152 °C als
bei 150 °C liegen. Aufgrund der äußerst guten Temperaturhomogenität im Dehnrheometer ist davon
auszugehen, dass die Probentemperatur im Dehnrheometer tatsächlich 150 °C beträgt. Die Ursache,
weshalb sich die höhere reale Verstrecktemperatur im Streckrahmen für PP-2 am stärksten, für PP-5
hingegen am geringsten auswirkt, ist auf die Morphologie bzw. die Kristallinität der Proben
zurückzuführen. Die Verstrecktemperatur von 150 °C liegt 18°C unterhalb der Schmelztemperatur
von PP-5, hingegen lediglich 10 °C unterhalb der von PP-2. Eine Variation der Verstrecktemperatur
von 2 °C hat für PP-2 einen deutlich stärkeren Einfluss auf die unmittelbar vor der Verstreckung
vorliegende Restkristallinität als für PP-5 (siehe auch Abb. 5.2). Begünstigt wird dies zudem durch
den Umstand, dass PP-2 im Vergleich zu PP-5 eine deutlich geringere Kristallinität besitzt.
Demzufolge variieren die Spannungs-Dehnungskurven für PP-2 am deutlichsten. Bestätigt wird
dies durch die Beobachtung, dass die Streuung von uniaxialen wie auch biaxialen Spannungs-
Dehnungskurven um so größer wird, je mehr sich die Verstrecktemperatur der Schmelztemperatur
annähert (siehe Anhang A.2.5).

Probengeometrie
Der Vergleich des uniaxialen Deformationsverhaltens für die beiden unterschiedlichen
Probengeometrien PG-1 und PG-2 im Streckrahmen lässt deutliche Unterschiede erkennen
(Abb. 9.2). Da davon auszugehen ist, dass in der Probe der Geometrie PG-1 wegen der oben bereits
geschilderten Umstände ein deutlich stärkerer Temperaturgradient vorliegt als in der Probe PG-2,
kann nicht ausgeschlossen werden, dass die bestehenden Unterschiede in den Spannungs-
Dehnungskurven in Zusammenhang mit der Temperaturhomogenität der Proben stehen und nicht
hauptsächlich durch die Probengeometrie bedingt sind. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass ein
Materialvergleich, der auf unterschiedlichen Probengeometrien basiert, kritisch zu betrachten ist.
Um den Einfluss der Probengeometrie sowie etwaige Temperatureffekte weitestgehend
ausschließen und somit den wahren Einfluss der Deformationsart erfassen zu können, erfolgte der
Vergleich von Spannungs-Dehnungskurven, die aus uniaxialen (Probengeometrie PG-1), planaren
und simultan äquibiaxialen Verstreckversuchen am Streckrahmen resultieren (Abb. 9.3).
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 151

9.2 Uniaxiales, planares und simultanes äquibiaxiales Deformationsverhalten

Die Untersuchungen in Kapitel 9.1 haben gezeigt, dass sowohl die Probengeometrie als auch die
Verstreckapparatur das detektierte Verstreckverhalten im teilaufgeschmolzenen Zustand
beeinflussen. Ziel dieses Kapitel ist es deshalb, unabhängig von apparativen Gegebenheiten und der
Probengeometrie den prinzipiellen Einfluss der Deformationsart auf das Materialverhalten zu
untersuchen. Hierzu wurden am biaxialen Streckrahmen an Proben der Geometrie 85 mm x 85 mm
x 1 mm planare und simultan biaxiale Verstreckversuche durchgeführt. Für die uniaxialen Versuche
wurde die Probengeometrie PG-1 (85 mm x 70 mm x 1 mm; siehe Kapitel 9.1.2) verwendet.
Aufgrund der Tatsache, dass in beiden Fällen die Abmessungen der effektiv zwischen den Kluppen
eingespannten Proben 70 mm x 70 mm x 1 mm betragen, kann der deshalb Einfluss der
Probengeometrie vernachlässigt werden.
In Abb. 9.3 sind die Spannungs-Dehnungskurven für eine uniaxiale, eine planare und eine simultane
äquibiaxiale Verstreckung bei einer Temperatur von 155 °C für die Hencky-Dehngeschwindigkeit
von 1 s-1 dargestellt. Für die biaxiale Verstreckung ist aus Gründen der Isotropie des
Deformationsverhaltens lediglich die Spannungs-Dehnungskurve in MD-Richtung dargestellt.
Diese Kurve lässt aufgrund der auftretenden Streckgrenze ein inhomogenes Deformationsverhalten
der Probe erkennen. Zudem ist im Vergleich zur uniaxialen und planaren Deformation die
Dehnverfestigung am deutlichsten ausgeprägt. Beim uniaxialen Versuch ist anstelle einer
Streckgrenze nach einem anfangs steilen Spannungsanstieg ein Bereich mit einer deutlich flacheren
Spannungszunahme zu beobachten. Ein ähnlicher Spannungsverlauf bei kleinen Dehnungen liegt
für die planare Verstreckung vor. In diesem Fall verläuft die Spannung nach einem abrupten
Spannungsanstieg aber nahezu konstant. Das Spannungsniveau in diesem Bereich der Dehnung
entspricht dabei etwa der Höhe der Streckgrenze bei der biaxialen Deformation. Mit größer
werdender Dehnung nähert sich die Spannungskurve der planaren Verstreckung jedoch der der
uniaxialen an.
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 152

5
N/mm
2 uniaxial T = 155°C
. -1
planar ε H = 1,0 s
4 simultan

3
Spannung σN

0
0 1 2 3 4 5
Dehnung ε N

Abb. 9.3 Vergleich des uniaxialen, planaren und simultan äquibiaxialen


Deformationsverhalten von PP-6 (Verstreckung im Streckrahmen; betrachtete
Verstreckrichtung: MD;).

Diskussion
Im Gegensatz zur uniaxialen Deformation erfolgt die biaxiale Deformation deutlich inhomogener
(Abb. 9.3). Zum Ausdruck kommt dies durch die schwach ausgeprägte Streckgrenze, wohingegen
bei der uniaxialen Deformation unter diesen Verstreckbedingungen keine Streckgrenze zu
beobachten ist. Des weiteren erfordert die biaxiale Verstreckung bei Dehnungen > 2 höhere
Spannungen. Sweeny, der auf einem Laborstreckrahmen der Firma T.M. Long uni- und biaxiale
Verstreckversuche durchgeführt hat, kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis [Swe95]. Die
höheren biaxialen Verstreckspannungen sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass bei der
biaxialen Verstreckung eine Querkontraktion der Proben, wie sie im uniaxialen Deformationsfall
auftritt, nicht möglich ist. Dies geht aus dem Vergleich der Spannungs-Dehnungskurven für
uniaxiale und planare Verstreckversuche hervor. Bei der planaren Verstreckung, die sich von der
uniaxialen dahingehend unterscheidet, dass die Querkontraktion unterdrückt wird, liegen zu Beginn
der Verstreckung die Spannungen in der Verstreckrichtung MD deutlich höher als bei der
uniaxialen Deformation. Da für die planare Verformung ebenfalls keine Streckgrenze, sondern im
Verglich zur uniaxialen Deformation lediglich eine ausgeprägte Stufe im Spannungsverlauf zu
Beginn der Dehnung auftritt, unterscheidet sich die Homogenität der Deformation nicht wesentlich.
Der Plateauwert der Spannung bei kleinen Dehnungen entspricht etwa dem Spannungsniveau der
Streckgrenze bei den biaxialen Spannungs-Dehnungskurven. Die Ausprägung der Streckgrenze, die
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 153

mit einer signifikanten lokalen Querschnittsreduzierung einhergeht, wird erst durch die
Deformation in der zweiten Verstreckrichtung hervorgerufen.

9.3 Verstreckparameter

9.3.1 Verstrecktemperatur
Der Einfluss der Verstrecktemperatur auf das Deformationsverhalten im teilaufgeschmolzenen
Zustand wird in Kap. 6.1.2 und Kap. 8.1.2 für die uniaxiale bzw. biaxiale Deformation beschrieben.
In dem betrachteten Temperaturbereich zwischen 140 °C und 160 °C verändern sich das uniaxiale
und das biaxiale Deformationsverhalten mit steigender Temperatur von einem kaltverstreckenden
Materialverhalten zu einem gummielastischen. In Abb. 9.4 ist der Einfluss der Verstrecktemperatur
auf die Streckspannung für die beiden Deformationsarten „uniaxial“ und „biaxial“ für PP-5
dargestellt.

62 . -1
N/mm εΗ = 1,0 s
5

4
Streckspannung σY

2
biaxial, MD (SR)
1 biaxial, TD (SR)
uniaxial (DR)
0

140 145 150 155 160 °C 165


Temperatur T

Abb. 9.4 Abhängigkeit der Streckspannung von der Verstrecktemperatur für PP-5 bei uni-
und biaxialer Deformation am Dehnrheometer (DR) bzw. am Streckrahmen (SR).

Mit steigender Verstrecktemperatur nehmen die Streckspannungen in dem betrachteten


Temperaturbereich linear ab. Die in MD- und TD-Richtung auftretenden Streckspannungen bei der
biaxialen sowie die Streckspannungen bei der uniaxialen Deformation liegen in guter Näherung auf
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 154

einer Geraden. Die hierfür zugrunde liegenden uniaxialen Untersuchungen wurden nicht mit dem
Laborstreckrahmen, sondern mit dem Dehnrheometer durchgeführt.

9.3.2 Verstreckgeschwindigkeit
Der Einfluss der Verstreckgeschwindigkeit wirkt sich in der Weise auf das uni- und biaxiale
Deformationsverhalten aus, dass mit zunehmender Abzugsgeschwindigkeit die
Verstreckspannungen ansteigen (Abb. 6.1.3; Abb. 8.1.3). Während für die uniaxiale Deformation
ein linearer Zusammenhang zwischen der Streckspannung und der Abzugsgeschwindigkeit besteht,
konnte dies für den biaxialen Beanspruchungsfall nicht gefunden werden (Abb. 9.5). Die
Streckspannungen in MD-Richtung nehmen mit steigender Abzugsgeschwindigkeit ebenfalls zu.

4,0
2
N/mm uniaxial T = 150°C
biaxial (MD)
3,5
Streckspannung σY

3,0

2,5

2,0

1,5

0,1 1 10 100 mm/s 1000


Verstreckgeschwindigkeit vab

Abb. 9.5 Abhängigkeit der Streckspannung bei uni- und biaxialer Deformation von PP-6
von der Abzugsgeschwindigkeit.

9.3.3 Aufheizzeit
Der Einfluss der Aufheizzeit auf das detektierte Materialverhalten im Dehnrheometer bzw. im
Streckrahmen ist in Kapitel 6.1.1 und Kapitel 8.1.1 detailliert beschrieben. Sowohl bei uni- als auch
biaxialer Deformation konnte eine „ideale“ Aufheizzeit gefunden werden. Diese ideale Aufheizzeit
zeichnet sich durch minimale Verstreckkräfte über den gesamten betrachteten Bereich der Dehnung
aus. Bei kürzeren Aufheizzeiten deformieren die Probekörper zudem deutlich inhomogener, was
sich in einer ausgeprägteren Streckgrenze äußert. Während bei der biaxialen Deformation die
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 155

Inhomogenität der Deformation bei längeren Aufheizzeiten abnimmt, ändert diese sich bei der
uniaxialen Deformation nicht.

9.3.4 Folgerungen
Die für den Vergleich des uniaxialen und biaxialen Deformationsverhaltens verschiedener
Materialien sowie für den Vergleich des Einflusses von Verstreckparametern herangezogenen
uniaxialen Spannungs-Dehnungskurven resultieren aus Messungen am Dehnrheometer mit einer zu
den biaxialen Versuchen unterschiedlichen Probengeometrie. Die Untersuchungen des Einflusses
der Probengeometrie auf das ermittelte Materialverhalten in Kapitel 9.1 haben bewiesen, dass das
detektierte Materialverhalten entscheidend von der Probengeometrie abhängig sein kann. Aufgrund
dessen sind Zusammenhänge zwischen uni- und biaxialem Deformationsverhalten, die in
Kapital 9.4 diskutiert werden, lediglich für die im Rahmen dieser Arbeit angewandten speziellen
Messmethoden und Probengeometrien gültig. Allgemeingültige Aussagen sind, wenn überhaupt,
nur in qualitativer Form möglich.

9.4 Materialvergleich

Einen Vergleich des uni- und biaxialen Deformationsverhaltens verschiedener Polypropylene gibt
Abb. 9.6. Darin sind die nominalen Spannungs-Dehnungskurven für die Polypropylene PP-5, PP-2
und PP-6 für die uniaxiale (links) und die biaxiale Dehnung (rechts) dargestellt. Die Kurven für die
uniaxiale Verstreckung resultieren hierbei aus Messungen am Dehnrheometer. Die
Verstrecktemperatur betrug für beide Verstreckmodi 150 °C, die Verstreckgeschwindigkeit 1 s-1 im
Hencky-Maß. Während die uniaxiale Verstreckung bis zu einer Dehnung von 6 erfolgte, wurden die
biaxialen Proben lediglich bis zu einer Dehnung von 4 in den beiden Richtungen verstreckt.
Prinzipiell kann bei uni- und biaxialer Deformation ein ähnlicher Spannungs-Dehnungsverlauf
beobachtet werden. PP-5 zeigt in uniaxialer wie auch in biaxialer Deformation die höchsten
Verstreckspannungen sowie die inhomogenste Verformung, was sich durch den höchsten
Spannungsabfall nach der Streckgrenze äußert. Demgegenüber deformiert PP-2 bei beiden
Beanspruchungsformen homogen ohne das Auftreten einer Streckgrenze bzw. einer lokalen
Einschnürung. Es zeigt dabei auch die niedrigsten Spannungen. PP-6 deformiert inhomogen bei
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 156

Spannungen, die zwischen denen von PP-5 und PP-2 liegen. Dies gilt sowohl für die uniaxialen als
auch für die biaxialen Verstreckversuche.

Dehnrheometer Streckrahmen
8 5
2 2
N/mm T = 150°C N/mm T = 150°C
. .
7 εΗ = 1.0 s
-1
-1
ε Η = 1,0 s
4
6

Spannung σN
Spannung σN

3
4

3 2

2 MD / TD
PP-5 1 PP-5
1 PP-6
PP-6
PP-2 PP-2
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4
Dehnung ε N Dehnung εN

Abb. 9.6 Links: Uniaxiales Deformationsverhalten von PP-2, PP-5 und PP-6. Rechts:
Entsprechendes biaxiales Deformationsverhalten.

Signifikante Unterschiede zwischen den jeweiligen uniaxialen und biaxialen Spannungs-


Dehnungskurven bestehen im Spannungsabfall nach der Streckgrenze sowie in der
Dehnverfestigung. Bei uniaxialer Deformation setzt die Dehnverfestigung bei deutlich höheren
Dehnungen ein als bei biaxialer Deformation. So ist für PP-5 bei uniaxialer Deformation der
Startpunkt der Dehnverfestigung bei einer Dehnung von etwa 4 anzusiedeln, bei biaxialer
Verstreckung bereits bei einer Dehnung von etwa 1. Zudem ist in den Spannungs-Dehnungskurven
bei der biaxialen Verstreckung der Übergang zwischen dem Necking und der Dehnverfestigung
nicht durch einen Knick in der Kurve ersichtlich, wie dies für die Kurven bei der uniaxialen
Verstreckung der Fall ist. Dies deutet darauf hin, dass sich die Probeneinschnürung bei der
biaxialen Deformation bereits bei deutlich kleineren Dehnungen flächig über die Probe ausbreitet,
als dies bei uniaxialer Deformation entlang der Probenlänge der Fall ist. In diesem Zusammenhang
ist jedoch nicht auszuschließen, dass das beobachtete biaxiale Verstreckverhalten von dem in der
Probe vorliegenden Temperaturgradienten beeinflusst ist. Da die Temperatur der Einspannkluppen
deutlich niedriger liegt als die Ofentemperatur, ist davon auszugehen, dass lediglich in einem sehr
begrenzten Probenbereich eine maximale Probentemperatur erreicht wird. Ausgehend von diesem
lokal sehr begrenzten Probenbereich erfolgt die Probeneinschnürung. Mit zunehmender
Deformation werden jedoch schnell kältere Probenbereiche verstreckt, was ebenfalls zu einem
frühzeitigeren Anstieg der Verstreckkräfte beitragen kann.
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 157

Aufgrund der unterschiedlichen Probeneinschnürung in uni- und biaxialen Experimenten ist ein
quantitativer Vergleich der nominalen Spannungs-Dehnungskurven nur bis zur Streckgrenze
sinnvoll, da bis dahin keine Querschnittsveränderung eingetreten ist und somit die nominalen mit
den wahren Spannungen gleichzusetzen sind. Ein qualitativer Vergleich des Verstreckverhaltens
dieser Materialien bei uni- und biaxialer Deformation ist hingegen möglich. Obwohl
unterschiedliche Probengeometrien zugrunde liegen, deformiert PP-2 sowohl bei uni- als auch bei
biaxialer Verstreckung homogen ohne das Auftreten einer Streckgrenze. Die Streckspannungen sind
zudem im Vergleich der drei Polypropylene am geringsten. Für PP-5 werden die höchsten
Spannungen sowie die am stärksten ausgeprägten Streckgrenzen detektiert. Letzteres macht
deutlich, dass PP-5 bei den gewählten Versuchsparametern am inhomogensten deformiert. Die
Spannungs-Dehnungskurven für die uni- und biaxiale Deformation von PP-6 liegen jeweils
zwischen den entsprechenden Kurven von PP-5 und PP-2.
Abgesehen von PP-2, das sich durch eine homogene Deformation gegenüber PP-5 und PP-6 abhebt,
deformieren die biaxialen Proben im Vergleich zu den uniaxialen Probekörpern deutlich
inhomogener, was aus dem größeren Spannungsabfall nach der Streckgrenze ersichtlich ist.
Ausschlaggebend hierfür ist der simultane Verstreckprozess und nicht die Probengeometrie.
Bestätigt wird dies durch die Beobachtung, dass die biaxiale Deformation gegenüber der uniaxialen
am Streckrahmen bei sehr ähnlichen Probengeometrien ebenfalls deutlich inhomogener erfolgt
(siehe Kapitel 9.2; Abb. 9.3).
Ein quantitativer Vergleich der Streckspannungen in uniaxialen und biaxialen Experimenten zeigt,
dass die Streckspannungen ähnlich groß sind. Die aus dem biaxialen Experiment resultierenden
Streckspannungen liegen maximal um 10 % höher als die aus dem uniaxialen Streckversuch. Unter
Einbeziehung der Messgenauigkeit sind die Streckgrenzen aus uni- und biaxialer Deformation
somit nahezu identisch. Dies zeigt Abb. 9.4, in der die Streckgrenzen als Funktion der Temperatur
dargestellt sind, sehr deutlich. Darüber hinaus verdeutlicht diese Darstellung auch, dass das uni- und
biaxiale Verstreckverhalten der gleichen Temperaturabhängigkeit unterliegt. Diese
Übereinstimmung sollte ebenso für die Geschwindigkeitsabhängigkeit gelten (Abb. 9.5). Bei
kleinen Deformationsgeschwindigkeiten sind die uniaxialen und biaxialen Streckspannungen
vergleichbar groß. Der Grund, weshalb mit steigender Abzugsgeschwindigkeiten die
Streckspannungen im biaxialen Experiment niedriger liegen, dürfte auf den Anfahreffekt der
Verstreckmechanik des Streckrahmens zurückzuführen sein (siehe Kapitel 3.2.4). Vor allem bei
höheren Abzugsgeschwindigkeiten wird bei den biaxialen Verstreckversuchen die vorgegebene
Abzugsgeschwindigkeit bis zum Auftreten der Streckgrenze nicht vollständig erreicht. Je höher die
vorgegebene Abzugsgeschwindigkeit ist, desto größer ist die Diskrepanz zwischen den Egebnissen
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 158

aus dem uni- und dem biaxialem Experiment. Die detektierten Streckspannungen bei der biaxialen
Verstreckung liegen deshalb mit steigender Deformationsgeschwindigkeit zunehmend unter denen
aus uniaxialen Experimenten.
Eine Korrelation der Abzugsgeschwindigkeit mit der Homogenität der Deformation in der Art, dass
bei sehr hohen Deformationsgeschwindigkeiten eine homogenere Deformation erfolgt als bei
niedrigeren, konnte zwar für die uniaxiale Deformation gefunden werden (siehe Abb. 6.3), jedoch
nicht für die biaxiale Deformation. Die weniger inhomogene Deformation bei hohen
Deformationsgeschwindigkeiten im uniaxialen Experiment wird in Kap. 6 mit der während der
Verstreckung vorliegenden Anzahl an physikalischen Vernetzungspunkten in Verbindung gebracht.
Wie oben bereits geschildert, werden bei gleicher Geschwindigkeitsvorgabe am Dehnrheometer bei
kleinen Dehnungen höhere reale Geschwindigkeiten erreicht als am Streckrahmen, vor allem bei
hohen Abzugsgeschwindigkeiten. Dies erklärt auch die von der Verstreckgeschwindigkeit
abhängigen Unterschiede zwischen den bei uni- und biaxialer Deformation ermittelten
Streckspannungen (Abb. 9.5). Es ist deshalb davon auszugehen, dass infolge der niedrigeren realen
Deformationsgeschwindigkeit bei der biaxialen Deformation im Vergleich zur uniaxialen
Deformation weniger physikalische Vernetzungspunkte vorliegen. Darin ist möglicherweise die
Ursache zu sehen, dass die Inhomogenität der Deformation bei der biaxialen Verstreckung bei
hohen Deformationsgeschwindigkeiten nicht abnimmt, wie dies im uniaxialen Experiment
beobachtet wurde.
Die Untersuchungen des Einflusses der Aufheizzeit auf das Deformationsverhalten im
teilaufgeschmolzenen Zustand führen sowohl für den uniaxialen als auch für den biaxialen
Beanspruchungsfall zu dem gleichen Ergebnis. In beiden Fällen wurde trotz unterschiedlicher
Anlagen- und Thermostatisierkonzepte bei einer mittleren Verstrecktemperatur von 150 °C die
„ideale“ Aufheizzeit von 40 s ermittelt. Die ideale Aufheizzeit zeichnet sich dadurch aus, dass für
die sich anschließende Deformation die geringsten Verstreckkräfte aufzubringen sind.

An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass die in Abb. 9.4 und Abb. 9.5 angestellten
Vergleiche des Einflusses der Recktemperatur bzw. der Verstreckgeschwindigkeit auf die
Streckspannungen bei uni- und biaxialer Deformation ausschließlich für die jeweiligen Apparaturen
und Probengeometrien gelten und keine allgemeingültigen Zusammenhänge zwischen uni- und
biaxialen Deformationsvorgängen darstellen. Dennoch lassen sich daraus qualitative Aussagen
ableiten.
Uniaxiale Experimente sind im Vergleich zu biaxialen Verstreckversuchen mit einem deutlich
geringeren apparativen Aufwand verbunden. Trotzdem lassen sich aus uniaxialen Untersuchungen
Uni- und biaxiales Deformationsverhalten im Vergleich 159

prinzipielle Aussagen qualitativer Art über das simultane äquibiaxiale Verstreckverhalten, vor allem
beim Vergleich verschiedener Materialien, treffen. So sind Aussagen über das Niveau der
Streckspannungen oder die Homogenität der Verstreckung möglich. Darüber hinaus sind
quantitative Aussagen über die Streckspannungen unter den genannten Einschränkungen möglich.
Im Hinblick auf den Einfluss wichtiger Verstreckparameter, wie der Verstrecktemperatur und der
Aufheizzeit vor der Verstreckung, unterscheiden sich uniaxiales und biaxiales Verstreckverhalten
qualitativ nicht. In eingeschränktem Maße gilt dies auch für die Verstreckgeschwindigkeit.

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