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Fachthemen

Alfred Strauss DOI: 10.1002/bate.201010031


Roman Wendner
Jürgen Suda
Robert Hofmann
Konrad Bergmeister

Bemessung eines Stützbauwerks nach Eurocode –


Teil 2: Erdbebenbemessung
Dieser Beitrag behandelt den Erdbebennachweis für die Bemessung 2 Aufgabenstellung
von Gewichtsmauern aus Beton und Stahlbeton nach Eurocode 2
(EN 1992-x), Eurocode 7 (EN 1997-1) und Eurocode 8 (EN 1998-x) Die Bemessung für die außergewöhnliche Bemessungssi-
anhand eines durchgerechneten Beispiels. tuation (BS3) wird wie im Teil 1 [1] an der Winkelstützmauer
neben einer ganzjährig befahrbaren Straße durchgeführt.
Design of concrete retaining structures according to Eurocode An der Luftseite wird das Stützbauwerk durch chloridhaltige
standards – Part 2: Earth quake design. This contribution treats Sprühnebel aus dem Fahrbahnbereich beansprucht. Bild 1
the design of concrete retaining structures under earth quake zeigt die Abmessungen, Materialeigenschaften der verwen-
impact based on Eurocode 2 (EN 1992-x), Eurocode 7 (EN 1997-1) deten Baustoffe und Bodenkennwerte des anstehenden
and Eurocode 8 (EN 1998-x) by means of an application example. Untergrunds, welcher als homogen, ungeschichtet und ko-
häsionslos ohne Bodenwasser angenommen worden ist.
1 Einleitung In Tabelle 1 wird ein Überblick über alle im Folgenden ver-
wendeten (geometrischen) Eingangsgrößen gegeben.
Dieser Beitrag soll, aufbauend auf dem bereits veröffentlich- Die Lage des Bauwerks wird in der Nähe von Murau,
ten ersten Teil eines Bemessungsbeispiels einer Winkel- Steiermark, Österreich, angenommen, wodurch die Erdbe-
stützmauer [1] nach EN 1992-1-1 [2], EN 1992-3 [3] und beneinwirkung festgelegt ist.
EN 1997-1 [4] sowie einer früheren Publikation zu den Der Nachweis der Grenzzustände der Tragfähigkeit
theoretischen Grundlagen [5], die Herangehensweise beim (ULS) und Gebrauchstauglichkeit (SLS) für die ständige
Erdbebennachweis nach Eurocode 8 [6], [7] erläutern. Fest- Bemessungssituation (BS 1) erfolgte bereits in Teil 1 des
legungen, welche die EN-Normen einer nationalen Rege- Bemessungsbeispiels [1]. Neben der ständigen Bemes-
lung überlassen, sind den österreichischen NAD [8]–[11] sungssituation sieht die ÖNORM B 1997-1-1 [10] eine
entnommen. vorübergehende (BS 2) und eine außergewöhnliche Be-
messungssituation (BS 3) mit reduzierten Teilsicherheits-
beiwerten vor. Die Bemessung unter Berücksichtigung der
Erdbebeneinwirkung ist als BS 3 eingestuft. Tabelle 2 zeigt
eine Gegenüberstellung der verwendeten Teilsicherheitsbei-
werte für BS 1 und BS 3.

Tabelle 1. Zusammenstellung der Eingangsgrößen


Table 1. Overview of input parameters
Variable Symbol Einheit Wert
Abmessungen
Höhe senkrechter Schenkel h [m] 5,50
Höhe Fundament tFun [m] 0,70
Breite Fundament hFun [m] 3,60
Länge horizontaler Schenkel lhr [m] 2,50
Winkel
Reibungswinkel ϕ [°] 35,0
Böschungsneigung β [°] 10,0
Gleitflächenwinkel zur Vertikalen ϑ [°] 66,3
Bild 1. Geometrische Abmessungen, Expositionsklassen, Wandneigungswinkel zur Vertikalen α [°] 23,7
Werkstoffe und Bodenkennwerte der Winkelstützmauer Wichten
(Dränagen sind nicht dargestellt) [1]
Wichte Boden γ [kN/m3] 22,0
Fig. 1. Dimensions, environmental classes, materials, and soil
Wichten Beton γSTB [kN/m3] 25,0
properties of the angular retaining wall [1]

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A. Strauss/R. Wendner/J. Suda/R. Hofmann/K. Bergmeister · Bemessung eines Stützbauwerks nach Eurocode – Teil 2: Erdbebenbemessung

Tabelle 2. Verwendete Teilsicherheitsbeiwerte


Table 2. Used Partial factor for actions and resistance
ULS
Grenzzustände Einwirkungen und Widerstände SLS
BS1 BS3
ständige Einwirkungen1) ungünstig wirkend γG 1,35 1,00 1,00

veränderliche Einwirkung1) ungünstig wirkend γQ 1,50 1,00 1,00


STR
GEO Normalbeton γc 1,50 1,20 1,00
Stützbauwerke Widerstände Stahlbeton2)
Bewehrungsstahl oder Spannstahl γs 1,15 1,00 1,00
Flachgründungen
Grundbruch γR;V 1,40 1,20 1,00
Widerstände im Boden3)
Gleiten γR;h 1,10 1,10 1,00
1) laut EN 1990:2003, Tabelle A.1.2(B)
2) laut EN 1992-1-1, Tab.2.1N
3) laut ÖNORM B 1997-1-1, Tab.15

3 Einwirkungen Bedeutungskategorie und des für eine bestimmte Region


geltenden Grundspitzenwerts der Bodenbeschleunigung.
Für die Betrachtung der geotechnischen und konstruktiven Aus diesen Größen kann das elastische Antwortspektrum
Grenzzustände sind jeweils unterschiedliche Einwirkungen abgeleitet werden, wobei die Duktilität des Bauwerks über
zu berücksichtigen. Alle folgenden Betrachtungen zu Ein- einen Verhaltensfaktor q und die zu erwartende Dämpfung
wirkungen und Widerständen sowie die Bemessung bezie- über einen Dämpfungskorrekturwert η Berücksichtigung
hen sich auf einen 1 m breiten Mauerstreifen. finden. Demzufolge gliedert sich der Erdbebennachweis in
folgende Schritte:
3.1 Erdbebeneinwirkung – Ermittlung des gebiets- und bodenabhängigen Grund-
spitzenwerts der Bodenbeschleunigung agr
Für die Bemessung von Stützbauwerken unter Erdbeben- – Ermittlung der Koeffizienten kh und kv zur Beschrei-
einwirkung existieren in internationalen Normenwerken un- bung der zusätzlichen Kräfte aus der Erdbebeneinwirkung
terschiedliche Ansätze. Geschichtlich bedingt unterscheiden – Berechnung der resultierenden Erddruckkraft Ed unter
sich die Ansätze im Wesentlichen durch die Beschreibung Erdbebeneinwirkung
der Einwirkung. Die Bemessung nach EN 1998 [6] sowie der
übliche amerikanische Rechenansatz beruhen auf Monobe- 3.1.1 Bodenbeschleunigung ag
Okabe [12]–[14] und erlauben die Berücksichtigung der zu-
sätzlichen im Erdbebenlastfall einwirkenden Trägheitskräfte Die geographisch abhängige Erbebengefährdung wird für
aus dem schwingenden Erdkörper innerhalb der Bemessung. gewöhnlich in Form von Erdbebenzonenkarten beschrie-
Der Ansatz nach Mononobe-Okabe stellt eine Erweiterung ben, welche Aufschluss über Gebiete ähnlicher Erdbeben-
der klassischen Coulombschen Erdrucktheorie um Anteile einwirkung liefern und denen Werte für die Horizontal-
für horizontale und vertikale Erdbebenlasten dar und ist aus- bescheunigung agr in m/s2 zugeordnet sind. Die jeweils
führlich von Seed und Whitman [15] beschrieben. maßgebenden Erdbebenzonenkarten und Werte der Refe-
Die Anwendung dieses Ansatzes setzt eine ausreichend renzbodenbeschleunigung können den nationalen Anwen-
starke Wandbewegung sowie trockenes kohäsionsloses Ma- dungsdokumenten (NAD) entnommen werden. Sie entspre-
terial im Hinterfüllbereich voraus. Der Erddruckansatz geht chen einer Referenz-Wiederkehrperiode von 50 Jahren.
von der Ausbildung eines Erdkeils hinter der Stützwand Die Multiplikation der Bodenbeschleunigungen mit
bei Erreichen der Scherfestigkeit entlang der potentiellen dem Bedeutungsbeiwert γI, welcher die Bedeutung eines
Gleitfläche aus. Weiterhin wird angenommen, dass sich Bauwerksversagens im Erdbebenfall für die Gesellschaft
der so entstehende Erdkörper wie ein Starrkörper bewegt erfasst, liefert die rechnerisch zu berücksichtigende Boden-
und Beschleunigungen folglich einheitlich auf den Erdkör- beschleunigung ag:
per wirken. Aus den derart resultierenden Trägheitskräften
auf die Stützkonstruktion unter Erdbebeneinwirkung las- a g = a gr ⋅ γI (1)
sen sich vertikale und horizontale pseudostatische Ersatz-
kräfte errechnen und für die Bemessung heranziehen. Der Bedeutungsbeiwert γI ergibt sich entsprechend Tab. 4
Die Ermittlung der dynamischen Einwirkung aus Erd- aus der Bedeutungskategorie (siehe auch Schadensfolge-
beben setzt neben der Kenntnis der Geometrie und der klassen der EN 1990 [16]), die für das gegenständliche
Materialparameter die Festlegung der geographischen Lage Bauwerk nach Tab. 3 festzulegen ist, sowie der Erdbeben-
und großräumigen Untergrundverhältnisse voraus, welche zone, die der Zonenkarte des entsprechenden NAD ent-
das maßgebende Bemessungsspektrum nach EN 1998 [7] nommen werden kann.
definieren. Die Erdbebengefährdung ergibt sich nicht nur aus der
Die Hauptschritte des Erdbebennachweises nach Eu- für einen bestimmten geographischen Standort zu erwar-
rocode 8 [7] sind die Festlegung der Baugrundklasse, der tenden Erdbebenbeschleunigung, sondern wird auch deut-

Bautechnik 87 (2010), Heft 7 405


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Tabelle 3. Werte des Bedeutungsbeiwerts gI nach ÖNORM Tabelle 5. Baugrundklassen nach EN 1998-1 Tabelle 3.1 [7]
B 1998-1 Tabelle 1 [7] Table 5. Ground classes according to EN 1998-1 Table 3.1 [7]
Table 3. Values of importance factor gI according to ÖNORM
B 1998-1 Table 1 [7] Baugrundklasse Beschreibung
A Fels oder Ähnliches mit höchstens 5 m
Zonengruppe Bedeutungskategorie weicherem Material an der Oberfläche
I II III IV B Ablagerungen aus sehr dichtem Sand, Kies
0 0,8 1,0 1,0 1,0 oder sehr steifem Ton mit einer Dicke von
mindestens mehreren 10 m
1 0,8 1,0 1,0 1,0
C Tiefe Ablagerungen von dichtem oder mittel-
2 0,8 1,0 1,1 1,2
weichem Sand, Kies oder steifem Ton mit
3 0,8 1,0 1,4 1,4 einer Dicke von einigen 10 m bis 100 m
4 0,8 1,0 1,4 1,4 D Ablagerungen von lockerem bis mitteldichtem
kohäsionslosem Boden oder vorwiegend
weichem kohäsivem Boden
Tabelle 4. Bedeutungskategorien nach EN 1998-1 Tabelle E Ein Bodenprofil, bestehend aus einer Ober-
4.3 [7] fläche-Alluvialschicht mit Scherwellen-
Table 4. Importance Classes according to EN 1998-1 Table geschwindigkeiten vs nach C oder D und
4.3 [7]
veränderlicher Dicke zwischen 5 m und 20 m
Bedeutungs- Bauwerke über steiferen Bodenmaterial mit vs < 800 m/s
kategorie
S1 Ablagerungen, bestehend aus einer mindestens
I Untergeordnete Bauwerke ohne nennenswerte 10 m dicken Schicht weicher Tone oder
Bedeutung für die öffentliche Sicherheit Schluffe und hohem Wassergehalt
II Standardbauwerke, die nicht unter andere S2 Ablagerungen von verflüssigbarem Boden,
Kategorien fallen empfindlichen Tonen oder jedes andere Boden-
III Übergeordnete Bauwerke mit signifikanten profil, welches nicht in die anderen Klassen
gesellschaftlichen Folgen im Versagensfall hineinfällt
(z. B.: Schulen, Versammlungsräume, kulturelle
Einrichtungen usw.)
IV Bauwerke mit großer Bedeutung für die Sicher- 2,5 TC
TC ≤ T ≤ TD : Sd ( T ) = a g ⋅ S ⋅ ⋅ ≥ β ⋅ ag (4)
heit der Bevölkerung, Unversehrtheit während q T
Erdbeben von höchster Wichtigkeit (z. B.: Kran-
kenhäuser, Feuerwachen, Kraftwerke usw.)
2,5 TC ⋅ TD
TD ≤ T : Sd ( T ) = a g ⋅ S ⋅ ⋅ ≥ β ⋅ ag (5)
q T2

lich durch den lokal anstehenden Boden beeinflusst. Die- mit ag Referenzbodenbeschleunigung, Beiwert β = 0,2 für
ser Tatsache wird durch den Eurcode 8 [7] Rechnung ge- die untere Grenze des Bemessungsspektrums und den von
tragen, indem die Parameter des Bemessungsspektrums der Baugrundklasse nach Tab. 6 abhängigen Parametern S
Sd(T) in Abhängigkeit von Baugrundklassen nach Tab. 5 als Skalierungsfaktor für die Intensität sowie TB, TC und
definiert werden. Die Einteilung nach Baugrundklassen er- TD zur Beschreibung der Eigenfrequenzabhängigkeit. Für
folgt im Wesentlichen auf Basis der Scherwellengeschwin- Baugrundklasse S1 und S2 werden gesonderte Detailun-
digkeit vs, welche die Ausbreitung von Erdbebenwellen in tersuchungen empfohlen.
festen Medien beschreibt. Der Verhaltensbeiwert q stellt als Verhältnis zwischen
Die Horizontalkomponente der Erdbebeneinwir- Erdbebenkräften bei vollkommen elastischer Antwort mit
kung wird stückweise, in parametrisierter Form als Be- 5 % viskoser Dämpfung und jenen Kräften, die für die Be-
messungsspektrum Sd(T) – elastisches Anwortspektrum – messung mit einem konventionellen linearen Modell ver-
definiert. Grundsätzlich sieht der Eurocode zwei Typen wendet werden dürfen, eine zufriedenstellende Antwort
an Antwortspektren vor, wobei für Österreich ausschließ- der Struktur sicher. In Fällen, in denen die Strukturdämp-
lich Antwortspektrum Typ I gültig ist und durch die Gln. fung von 5 % abweicht, kann eine Korrektur des Bemes-
(2) bis (5) nach EN 1998-1, 3.2.2.2 (1)P beschrieben wer- sungsspektrums über einen Dämpfungskorrekturbeiwert η
den kann [7]. Sd(T) stellt die Ordinate im Bemessungs- nach Gl. (6) erfolgen, siehe EN 1998-1, 3.2.2.2 (3) [7]:
spektrum der Horizontalbeschleunigung [m/s2] in Ab-
hängigkeit der Eigenschwingungsdauer T [s] der Struktur 10 ≥ 0,55
dar. Sie ist für Bauwerke mit 5 % Strukturdämpfung defi- η= (6)
5+ ζ
niert zu:
Für Stützbauwerke ist entsprechend EN 1998-5 4.1.3.2 [6]
⎡ ⎛ 2,5 2 ⎞⎤ für Standsicherheitsbetrachtungen über die bisherigen all-
0 ≤ T ≤ TB : Sd ( T ) = a g ⋅ S ⋅ ⎢ 2 + T ⋅ ⎜ − ⎟⎥ (2) gemeingültigen Formulierungen hinausgehend ein topo-
⎣ 2 TB ⎝ q 3 ⎠⎦
graphischer Verstärkungsfaktor ST zu berücksichtigen, so-
fern der Bedeutungsbeiwert der Struktur γI größer 1 ist
2,5
TB ≤ T ≤ TC : Sd ( T ) = a g ⋅ S ⋅ (3) oder sich diese in der Nähe einer Böschung befindet. Bei
q

406 Bautechnik 87 (2010), Heft 7


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Tabelle 6. Parameterwerte des elastischen Antwortspektrums Tabelle 7. Werte des Faktors r für die Berücksichtigung der
Typ 1 nach EN 1998-1 Tabelle 3.2 [7] Bauwerksflexibilität nach EN 1998-5 Tabelle 7.1 [6]
Table 6. Parameter values of design spectrum type 1 according Table 7. Values of factor r based on the flexibility of the
to EN 1998-1 Table 3.2 [7] structure according to EN 1998-5 Table 7.1

Baugrundklasse S TB [s] TC [s] TD [s] Art des Stützbauwerks r


A 1,0 0,15 0,4 2,0 Freie Schwergewichtswände mit einer aufnehmbaren
B 1,2 0,15 0,5 2,0 Verschiebung bis zu dt = 300aS [mm] 2,0

C 1,15 0,20 0,6 2,0 Freie Schwergewichtswände mit einer aufnehmbaren


Verschiebung bis zu dt = 200aS [mm] 1,5
D 1,35 0,20 0,8 2,0
Biegebeanspruchte Stahlbauwände, verankerte oder
E 1,4 0,15 0,5 2,0 ausgesteifte Wände, auf vertikalen Pfählen stehende
Stahlbetonwände, gehaltene Kellergeschoßwände auf
Brückenwiderlager 1,0
ST handelt es sich um einen frequenzunabhängigen zusätz-
lichen multiplikativen Vergrößerungsfaktor, der auf die
Ordinate des elastischen Antwortspektrums Sd(T) ange- mit S als bodenabhängiger Wert des Antwortspektrums, α
wendet wird und den Einfluss des Böschungswinkels auf nach Gl. (11) als Verhältnis zwischen der maßgebenden
die Standsicherheit unter Erdbebeneinwirkung abbildet. Bodenbeschleunigung ag und der Erdbeschleunigung g
Empfehlungen zur Wahl von ST können dem Anhang A der und r als Faktor, der die Flexibilität der Struktur erfasst,
EN 1998-5 entnommen werden. siehe Tab. 7:
Die Lage des Stützbauwerks aus dem vorliegenden
Bemessungsbeispiel ist mit Murau in Österreich angenom- ag
α= (11)
men. Dies entspricht nach ÖNORM B 1998-1 Tabelle A.1 g
Erdbebenzone 4 mit einerm Grundwert der Boden-
beschleunigung agr = 1,17 m/s2 [8]. Analog Teil 1 des Bei- Die Größe r drückt das Verhältnis zwischen dem größten
spiels wird die Bedeutungskategorie mit III angenommen, Beschleunigungswert unter Gebrauchslast und jenes vor
woraus sich die maßgebende Bodenbeschleunigung zu dem Verlust des Grenzgleichgewichtszustands [6] aus. Da-
her ist r für Wände, welche größere Verschiebungen auf-
a g = a gr ⋅ γI = 117
, · 1,4 = 1,64 m/s2 (7) nehmen können, größer.
Der vertikale erdbebenbeeinflusste Erddruckkoeffizi-
ergibt. ent kv ergibt sich aus dem horizontalen Erddruckkoeffizi-
Da die Böschungsneigung laut Angabe unter 15° liegt enten in Abhängigkeit des Verhältnisses zwischen der ver-
und keine lockeren Oberflächenschichten oder Unregel- tikalen Bodenbeschleunigung avg und der horizontalen
mäßigkeiten in der örtlichen Topographie angenommen wer- Bodenbeschleunigung ag [6]. Für das Bemessungsspektrum
den, dürfen für das hier als Beispiel behandelte Bauwerk Typ 1 empfiehlt der Eurocode 8 ein Verhältnis avg/ag =
Einflüsse aus der Topographie entsprechend EN 1998-5 A.2 0,90 (EN 1998-1 3.2.2.3, Tabelle 3.4). Die allgemeine For-
vernachlässigt werden, und es folgt: mulierung des vertikalen Erdbebenbeiwerts kv lautet nach
EN 1998-5 7.3.2.2 (4P):
S T = 1,0 (8)
0,5 ⋅ k h a vg > 0,6 · a g
Der unter dem Stützbauwerk anstehende Untergrund kv = (12)
kann als sandiger Kies mit einer Mächtigkeit von einigen 0,3 ⋅ k h a vg ≤ 0,6 · a g
10 m bis 100 m charakterisiert werden (Annahme). Nach
Tab. 5 liegt demnach Baugrundklasse C für die weiteren Die gesamte von der Bodenseite auf das Stützbauwerk ein-
Berechnungen vor, und der entsprechende Bodenparame- wirkende pseudostatische Erddruckkraft E errechnet sich
ter S nach Tab. 6 ergibt sich zu: schließlich nach EN 1998-5 E.3 durch

S = 115
, (9)
2
( )
E = 1 ⋅ γ ⋅ 1 ± k v ⋅ K ⋅ H2 + E ws + E wd (13)

3.1.2 Erdbebenkoeffizienten kh, kv mit Ews statische Wasserdruckkraft und Ewd hydrodynami-
sche Wasserdruckkraft.
Auf Basis der für eine ausgewählte Struktur in definierter Nach EN 1998-5 ist bis zu einer Bauwerkshöhe von
Lage ermittelten Bodenbeschleunigung ag können der 10 m der Erddruckkoeffizient als über die Höhe konstant an-
horizontale erdbebenbeeinflusste Erddruckkoeffizient kh zunehmen. Für höhere Stützbauwerke darf eine eindimen-
Gl. (10) und der vertikaler Erdbebenbeiwert kv Gl. (12) er- sionale Freifeldberechnung für vertikale Fortpflanzungs-
mittelt werden [6]. Die beiden Koeffizienten kh und kv be- wellen durchgeführt werden, um durch Mittelwertbildung
schreiben die Veränderung des einwirkenden Erddrucks über die Spitzenwerte der horizontalen Bodenbeschleuni-
unter Erdbebenbelastung. Der horizontale Erdbebenbei- gung entlang der Bauwerkshöhe eine genauere Abschät-
wert kh ergibt sich nach EN 1998-5, 7.3.2.2 (7.1) zu zung von α zu erreichen. Bei Vorhandensein von wasser-
gesättigten, kohäsionslosen Böden, die zum Aufbau von
hohen Porenwasserdrücken neigen, sollte weiterhin r auf
kh = α ⋅ S (10)
r 1,0 begrenzt werden [6].

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Zusätzlich zur Berücksichtigung der Erdbebeneinwir-


kung in der Berechung des Erddrucks muss nach
EN 1998-5 E.5 die Erdbeschleunigung für die Berechnung
der Gewichtskräfte modifiziert werden. Dies erfolgt durch
Erhöhung bzw. Abminderung um den vertikalen Erdbe-
benbeiwert kv sowie Berücksichtigung der entsprechend
der Erdbebeneinwirkung auftretenden Rotation des ge-
samten Boden-Wand-Systems um den Winkel θ nach
Gl. (15). Der Rotationswinkel θ errechnet sich nach An-
hang E der EN 1998-5 als Verhältnis zwischen kh und kv
nach Gl. (14), wobei zwei Situationen zu untersuchen sind,
um die ungünstigere Auswirkung der Erdbebenanregung
auf das Strukturverhalten abdecken zu können. Folglich
müssen alle Nachweise für beide Fälle geführt werden.

⎛ k ⎞ ⎛12,0° ⎞
θ = tan–1 ⎜⎜ h ⎟=
⎟ ⎜ ⎟ (14)
⎝ 1 ∓ k v ⎠ ⎝ 9,9° ⎠

gθ =
(
g ⋅ 1 ± kv ) = ⎛⎜10,99⎞⎟ m s2 (15)
cos θ() ⎝ 9,00 ⎠
Bild 2. Erddruckansatz für die Bemessung in den GEO-
Für das Bemessungsbeispiel ergeben sich nun folgende Grenzzuständen: Darstellung der charakteristischen Kräfte
Werte zur Berücksichtigung der Erdbebeneinwirkung in und deren Hebelarme [1]
der Erddruckberechnung: Fig. 2. Earth pressure distribution for GEO-limit states
assessment: characteristic values of forces and lever
ag 1,64 arms [1]
α= = = 0,167 (16)
g 9,81
sprechend Gl. (15) um einen dynamischen Faktor zu kor-
115
,
k h = α ⋅ S = 0,167 ⋅ = 0,192 (17) rigieren. Die charakteristischen Werte der Eigengewichte
r 1,0 der Mauer unter Erdbebeneinwirkung (G1e,k und G2e,k)
und des Bodenkörpers BCDE (GEae,k) (siehe Bild 2) erge-
k v = 0,5 ⋅ k h = 0,5 ⋅ 0,192 = 0,096 (18) ben sich nach den Gln. (21) bis (23) zu:

3.2 Geotechnische Grenzzustände (GEO) hM g


G1e, k =
2
( )
⋅ t Mk + t MB ⋅ γStb ⋅ θ =
g
5,5
2
× (21)
Die Bemessung sehr flexibler Stützbauwerke unter statischer
Last oder solcher, bei denen unter Bemessungslast von ei- ⎛10,99 ⎞
⎜ ⎟
⎝ 9,00 ⎠ ⎛71, 64 ⎞
( )
nem plastifizierenden Verhalten auszugehen ist, erfolgt in
× 0,6 + 0,33 ⋅ 25 ⋅ =⎜ ⎟ kN m
der Regel unter Ansatz des aktiven Erddrucks, denn durch 9,81 ⎝ 58,68 ⎠
das Nachgeben der Stützwand kommt es zu einer Umla-
gerung der Bodenteilchen, wodurch die innere Reibung

zwischen diesen aktiviert wird und sich folglich die erfor- G2e, k = t Fun ⋅ hFun ⋅ γStb ⋅ = 3,6 ⋅ 0,7 ⋅ 25 × (22)
derliche Stützkraft zum Halten des Bodens verringert. Der g
Erddruckbeiwert nähert sich bei ausreichender Verfor- ⎛10,99 ⎞
mung dem des aktiven Erdrucks Ea. ⎜ ⎟
00 ⎠ ⎛70,59 ⎞
⎝ 9,0
Der Ansatz des Erddrucks für die Nachweise in den × =⎜ ⎟ kN m
geotechnischen Grenzzuständen (äußere Standsicherheit) 9,81 ⎝ 57,82 ⎠
erfolgt nach Bild 2. Die Gleitflächenwinkel ϑ und ϑ’ können
auch für den Erdbebenfall nach ÖNORM B 4434 8.6.1 mit ⎛10,99 ⎞
den Gln. (19) und (20) ermittelt werden [1]: ⎜ ⎟
5,5 ⋅ 2,5 ⎝ 9,00 ⎠ ⎛169,48 ⎞
GEae, k ≈ ⋅ 22 ⋅ =⎜ ⎟ kN m (23)
⎛ sin β ⎞ 2 9,81 ⎝138,81⎠
ϑ = 1 ⋅ ⎜arccos + ϕ + β⎟ (19)
2 ⎝ sin ϕ ⎠
Der charakteristische pseudostatische aktive Erdruck Eaeγ1,k
⎛ ⎞
= 1 ⋅ ⎜arccos sin10 + 35 + 10 ⎟ = 58,7° auf den Abschnitt DC errechnet sich für einen Wandrei-
2 ⎝ sin 35 ⎠ bungswinkel δa = ϕ = 35° (rauhe Oberfläche), einen Wand-
neigungswinkel zur Vertikalen α = 90°– ϑ’ = 23,7° bzw. zur
ϑ ′ = 90 − ϑ + ϕ = 90 − 58,7 + 35 = 66,3° (20) Horizontalen ψ = ϑ’ = 66,3° und einen Böschungsneigungs-
winkel zur Horizontalen β = 10° in Abhängigkeit des Ver-
Die bereits in Teil 1 des Bemessungsbeispiels [1] für den hältnisses zwischen kh und kv, ausgedrückt als Winkel θ,
statischen Fall hergeleiteten Eigengewichtsanteile sind ent- siehe Gl. (14):

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3.3 Konstruktive Grenzzustände (STR)


Eaeγh1, k =
(
γ ⋅ h 2 ⋅ 1 ± k v ⋅ K aeγh1) (24)
2 Die Nachweise in den konstruktiven Grenzzuständen (STR)
⎛1,123 ⎞ basieren auf der Annahme des Erdruhedrucks e0 auf den
(
22 ⋅ 5,52 ⋅ 1 ± 0,096 ⋅ ⎜ ⎟ )
⎝0,991⎠ ⎛ 409,74 ⎞
senkrechten Schenkel der Winkelstützmauer, wie in Bild 3a
= =⎜ ⎟ kN
N m dargestellt, wobei auf den horizontalen Schenkel das Eigen-
2 ⎝ 298,09 ⎠ gewicht des Bodenbereichs BCAE wirkt.

Eaeγv1, k = Eaeγh1, k ⋅ tan ψ + δa ( ) (25) 3.3.1 Pseudostatischer Erdruhedruck


am senkrechten Schenkel
⎛ 409,74 ⎞ ⎛ 673,61 ⎞
=⎜ ⎟ ⋅ tan 23,7 + 35 = ⎜
⎝ 298,09 ⎠
( ⎟ kN m
⎝ 490,06 ⎠
) Für starre, unverschieblich gehaltene Tragwerke sowie ver-
tikale Wände mit horizontaler Hinterfüllung kann allgemein
davon ausgegangen werden, dass sich im Hinterfüllbereich
β ≤ ϕd − θ (26) kein aktiver Zustand ausbilden kann. In diesem Fall ist für
die ständige Bemessungssituation der Erdruhedruck E0 an-

K aeγh1 =
(
sin 2 ψ + ϕ − θ ) zusetzen. Nach ÖNORM B 1997-1-1 bzw. der referenzier-
ten ÖNORM B 4434 [17] ist für Winkelstützmauern mit
⎡ ⎤2
sin ( ϕ + δa ) ⋅ sin ( ϕ − β − θ) ⎥
steifem Schenkel der Erdruhedruck, für solche mit langem,
(
cos θ ⋅ sin 2 ψ ⋅ sin ψ − θ − δa ⋅ ⎢1 +
⎢ ) sin ( ψ − θ − δa ) ⋅ sin ( ψ + β) ⎥
schlanken Schenkel der aktive Erddruck anzunehmen. In
Zweifelsfall liegt die Annahme des Erdruhedrucks auf der
⎣ ⎦
sicheren Seite.
⎛ 1123 ⎞ Für die außergewöhnliche Bemessungssituation unter
,
K aeγh1 = ⎜ ⎟ Erdbebeneinwirkung ist eine zusätzliche Erhöhung um einen
⎝0,991⎠ dynamischen Erddruckanteil ΔE0e aus der Erdbebenein-
wirkung nach EN 1998-5, E.9 zu berücksichtigen [6]:
für β > ϕd − θ
ΔE0e, k = α ⋅ S ⋅ γ ⋅ h 2 = 0,167 ⋅ 115
, ⋅ 22 ⋅ 5,52 = 127,83 kN
N m
K aeγh1 =
sin 2 ( ψ + ϕ − θ) (32)
cos θ ⋅ sin 2 ψ ⋅ sin ( ψ − θ − δa )
Die charakteristische Erdruhedruckkraft E0,k (Bild 3a, [1])
Der Bemessungswert des Reibungswinkels sowie jener des ergibt sich, wie bereits in Teil 1 [1] ermittelt, mit den Ein-
Wandreibungswinkels ergeben sich nach den Gln. (27) gangsgrößen δa = ϕ = 35°, α = 0, β = 10° nach den Gln. (33)
und (28) mit dem Teilsicherheitsbeiwert des Reibungswin- und (34) zu:
kels γϕ nach EN 1995-5 E.4:
e 0, k ⋅ h γ ⋅ h 2 ⋅ K 0 22 ⋅ 5,52 ⋅ 0,487
E 0, k = = = = 162,05 kN m
⎛ tan ϕ ⎞ 2 2 2
ϕd = tan−1 ⎜⎜ k⎟
⎟ mit γϕ = 1,0
(27) (33)
γ
⎝ ϕ ⎠
sin ϕ − sin 2 ϕ
⎛ tan δ ⎞ K 0 = cos2 β ⋅ × (34)
δ a ,d = tan−1 ⎜⎜ a,k
⎟ (28)
sin ϕ − sin 2 β
γ ⎟
⎝ ϕ ⎠ ⎛ ⎞
Der aktive pseudostatische Erdruck auf die Rückseite des

× ⋅ ⎜1 + sin β ⋅
(
sin ϕ ⋅ 1 − sin ϕ )⎟ = 0,487
waagrechten Schenkels Eaeγ2,k (siehe Bild 2) ergibt sich für ⎝
⎜ (2 2
) 2
(
sin ϕ ⋅ 1 + sin β − sin β ⋅ 1 + sin ϕ ⎟⎟ )⎠
δa = ϕ = 2 · 35°/3=23,3°, α = 0 bzw. ψ = 90° und β = 10°
gemäß den Gln. (30) und (31) Der Erddruckbeiwert ergibt Die gesamte pseudostatische Erdruhedruckkraft E0e,k folgt
sich analog Gl. (26) zu: somit aus:

⎛0,479 ⎞ E0e, k = E0, k + ΔE0e, k = 127,83 + 162,06 = 289,89 kN m


K aeγh 2 = ⎜ ⎟ (29)
⎝0,432 ⎠ (35)
2 ⋅ h '+ t Fun 3.3.2 Resultierende Spannungsverteilung am waagrechten
Eaeγh 2, k = γ ⋅ t Fun ⋅ ⋅ K aeγh 2 (30)
2 Schenkel
2 ⋅ 5,94 + 0,7 ⎛0,479 ⎞ ⎛ 46,44 ⎞
= 22 ⋅ 0,7 ⋅ ⋅⎜ ⎟=⎜ ⎟ kN m Die Ermittlung der Schnittkräfte im Tragwerk setzt die voll-
2 ⎝0,432 ⎠ ⎝ 41,87 ⎠ ständige Kenntnis der einwirkenden Spannungen voraus.
Aus diesem Grund ist zusätzlich zu den bereits bekannten
Eaeγv 2, k = Eaeγh 2, k ⋅ tan α + δa ( ) (31) Einwirkungen aus Erddruck und Eigengewicht die Sohl-
spannungsverteilung unter dem waagrechten Schenkel zu
⎛ 46,44 ⎞ ⎛ 20,03⎞
=⎜ (
⎟ ⋅ tan 0 + 23,3 = ⎜
⎝ 41,87 ⎠
⎟ kN m
⎝18,06 ⎠
) ermitteln, um so letztlich die resultierende Spannungsver-
teilung auf diesen berechnen zu können. Die Sohlspan-

Bautechnik 87 (2010), Heft 7 409


A. Strauss/R. Wendner/J. Suda/R. Hofmann/K. Bergmeister · Bemessung eines Stützbauwerks nach Eurocode – Teil 2: Erdbebenbemessung

a) b)
Bild 3. Erdruckansatz für die Bemessung in den STR-Grenzzuständen: (a): Erddruckansatz und resultierende Kräfte mit
ihren Hebelarmen auf den senkrechten Schenkel; (b) waagrechter Schenkel: Einwirkungen und resultierende Kräfte auf den
waagrechten Schenkel [1]
Fig. 3. Earth pressure distribution for STR limit states assessment: (a) forces and lever arms – vertical part; (b) forces – horizontal
part [1]

nungsverteilung ergibt sich über das Momenten- und Kräf-


tegleichgewicht um den Schwerpunkt der Sohlfläche. Die p1e,2e =
∑ VEe,k ± ∑ MEe,k (39)
wirkenden Kraftresultierenden und deren Hebelarme sind A Fun WFun
in Bild 3b dargestellt.
Das Eigengewicht des Bodenkörpers BCAE errechnet ⎛ 494,77 ⎞ ⎛631,30 ⎞ ⎛ 429,71⎞
sich unter Berücksichtigung der nach Gl. (15) modifizierten ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ → p1e = ⎜ ⎟ kN m 2
⎝ 405 , 24 ⎠ ⎝ 65319
, ⎠ ⎝ 414,97⎠
Erdbeschleunigung für den Erdbebenlastfall zu: = ± =
1 ⋅ 3,6 2,16 ⎛154,83⎞
→ p2e = − ⎜ ⎟ kN m 2
5,5 + 5,94 ⎛1,211 ⎞ ⎛ 352
2,54 ⎞ ⎝189,84 ⎠
GEbe, k = ⋅ 2,5 ⋅ 22 ⋅ ⎜ ⎟=⎜ ⎟ kN m
2 ⎝0,918 ⎠ ⎝ 288,74 ⎠ mit dem Widerstandsmoment der Sohlfläche
(36)
b ⋅ hFun
2
1 ⋅ 3,62
Über das Momentengleichgewicht um den Schwerpunkt WFun = = = 2,16 m 3 m (40)
der Sohlfläche ergibt sich das einwirkende Gesamtmoment 6 6
Die Spannungsnulllinie ergibt sich über eine Verhältnis-
∑ MEe, k = GEbe, k ⋅ 0,53 − G1ek ⋅ 0,94 − E0e, k ⋅ 2,60 rechnung zu
⎛ 352,54 ⎞ ⎛ 71,64 ⎞
=⎜ ⎟ ⋅ 0,53 − ⎜ ⎟ ⋅ 0,94 − 289,89 ⋅ 2,60 ⎛ 429,71⎞
⎝ 288,74 ⎠ ⎝ 58,68 ⎠
⎜ ⎟ ⋅ 3, 6
⎛631,30 ⎞ p1e ⋅ hFun ⎝ 414,97⎠ ⎛ 2,65⎞
= −⎜ ⎟ kNm m t comp,e = = =⎜ ⎟m
⎝ 65319
, ⎠ p1e + p2e ⎛ 429,71⎞ ⎛154,83⎞ ⎝ 2,47⎠
⎜ +
⎟ ⎜ ⎟
(37) ⎝ 414,97⎠ ⎝189,84 ⎠
sowie aus dem Kräftegleichgewicht die Gesamtresultie- (41)
rende
womit auch die Spannungen an den Schnitten 4 und 5 (laut
∑ VEe,k = GEbe,k + G1e,k + G2e,k (38)
Lastbild Bild 3b) ermittelt werden können:

⎛ 352,54 ⎞ ⎛ 71,64 ⎞ ⎛70,59 ⎞ ⎛ 494,77 ⎞ ⎛ 429,71⎞ ⎛⎛ 2,65⎞ ⎞


=⎜ ⎟+⎜ ⎟+⎜ ⎟=⎜ ⎟ kN m ⎜ ⎟ ⋅ ⎜⎜ ⎟ − 0,5⎟
⎝ 288,74 ⎠ ⎝ 58,68 ⎠ ⎝ 57,82 ⎠ ⎝ 405,24 ⎠ ⎝ 414,97⎠ ⎝⎝ 2,47⎠ ⎠ ⎛ 348,52 ⎞
p3e = =⎜ ⎟ kN m 2 (42)
Die resultierende Sohlspannungsverteilung kann somit ⎛ 2,65⎞ ⎝ 330,97 ⎠
⎜ ⎟
durch p1 und p2 wie folgt beschrieben werden: ⎝ 2,47⎠

410 Bautechnik 87 (2010), Heft 7


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⎛ 429,71⎞ ⎛⎛ 2,65⎞ ⎞ Tabelle 8. Absolute und relative Bemessungswerte der außer-


⎜ ⎟ ⋅ ⎜⎜ ⎟ − 0,5 − 0,6 ⎟ gewöhnlichen Einwirkungen
⎝ 414,97⎠ ⎝⎝ 2,47⎠ , ⎞
⎠ ⎛ 25110 Table 8. Absolute and relative design values of internal forces
p4 e = =⎜ ⎟ kN m 2 (43)
⎛ 2,65⎞ ⎝ 230,17 ⎠ for extreme combination
⎜ ⎟
⎝ 2,47⎠
Schnitt Moment Querkraft Normalkraft

3.4 Ermittlung der Schnittkräfte im Tragwerk mEed1) mEed/mEd vEed2) vEed/vEd nEed3) nEed/nEd
3.4.1 Grenzzustände der Tragfähigkeit 1 531,46 132,5 % 289,89 132,5% –58,68 68,0 %
2 157,47 132,5 % 128,84 132,5% –39,12 68,0 %
Die Ermittlung der Schnittkräfte im Tragwerk erfolgt auf
charakteristischem Niveau. Die anzusetzenden Teilsicher- 3 19,68 132,5 % 32,21 132,5% –19,56 68,0 %
heitsbeiwerte werden im Anschluss im Rahmen der Last- 4 346,25 102,3 % 158,39 101,6% 0,00 –
fallkombination für die außergewöhnliche Bemessungs-
1) mEd = γG · mEk 2) νEd = γG · νEk
situation (BS3) berücksichtigt. Die Gln. (44) bis (46) zei- 3) νEd = γG · νEk mit γG = 1,00 und γE = 1,00
gen exemplarisch für Schnitt 1 und Schnitt 4 (laut Lastbild
Bild 3a) die Ermittlung der Schnittkräfte; für die Schnitte
2 und 3 ist analog vorzugehen. 3.4.2 Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit

5,5
mEek,01 = E0e, k ⋅ h = 289,89 = 531,46 kNm/m (44) Die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit wurden be-
3 3 reits für BS 1 nachgewiesen. Außergewöhnliche Lasten wie
Erdbeben ergeben nach EN 1990 keinen Beitrag zu den
v Eek,01 = E0e, k = 289,89 kN/m (45) GZG-Kombinationen und müssen somit nicht berücksich-
tigt werden.
⎛ 71,64 ⎞
nEek,01 = G1e, k = ⎜ ⎟ kN/m (46)
⎝ 58,68 ⎠ 4 Nachweise in den geotechnischen Grenzzuständen (GEO)

Die Schnittkräfte im Schnitt 4 (laut Lastbild Bild 3b) erge- Aus den Empfehlungen und Anmerkungen der EN 1998-5
ben sich zu: [6] im Kapitel 3 und Anhang E kann abgeleitet werden,
dass das Nachweisverfahren 3 im Sinne des Eurocodes 7
( )
2
p t comp,e − 11
, Anwendung finden sollte. Die GEO-Nachweise (Versagen
mEek,04 = GEbe, k ⋅ 1,27 − 4 e (47) durch Gleiten und Versagen durch Grundbruch) in die-
2 3
sem Beispiel werden jedoch nach ÖNORM B 1997-1-1 [10]
⎛ 251,10 ⎞ ⎛⎛ 2,65⎞ ⎞2 analog der ständigen Bemessungssituation (BS 1, [1]) auf
⎜ ⎟ ⎜ ⎜ ⎟ − 11
, ⎟
⎛ 352,54 ⎞ ⎝ 230,17 ⎠ ⎝⎝ 2,47⎠ ⎠ Basis der charakteristischen Einwirkungen nach Abschn.
=⎜ ⎟ ⋅ 1,27 − 3.2 und den in Tab. 2 zusammengestellten Teilsicherheits-
⎝ 288,74 ⎠ 2 3
beiwerten geführt. Für die Bemessung wird das Nachweis-
⎛ 346,25⎞ verfahren 2 gemäß EN 1997-1, 2.4.7.3.4.3(1)P angewendet,
=⎜ ⎟ kNm m
⎝ 293,56 ⎠ wobei die Teilsicherheitsbeiwerte auf die aus den Einwir-
kungen resultierenden Beanspruchungen und auf die Wi-
p4 e
( )
derstände des Baugrunds anzuwenden sind. Somit ergibt
v Eek,04 = GEbe, k ⋅ 1,27 − t − 11
, = (48)
sich zwangsläufig bei Anwendung der in der Anmerkung
2 comp,e
⎛ 25110
, ⎞ im Kapitel 3 der EN 1998-5 empfohlenen Teilsicherheits-
⎜ ⎟
⎛ 352,54 ⎞ ⎝ 230,17⎠ ⎛⎛ 2,65⎞ ⎞ ⎛158,39 ⎞ beiwerte auf die Bodenkennwerte ein anderes Sicherheits-
=⎜ ⎟− ⎜⎜ , ⎟=⎜
⎟ − 11 ⎟ kN m niveau, als bei Verwendung des Nachweisverfahrens 2 und
⎝ 288,74 ⎠ 2 ⎝⎝ 2,47⎠ ⎠ ⎝131,07 ⎠ den Teilsicherheitsbeiwerten nach ÖNORM B 1997-1-1 Ta-
bellen 13 bis 15. Da es sich um einen mitteldicht bis dicht
nEek,04 = 0 (49) gelagerten, kohäsionslosen Baugrund mit großer Dilatanz
handelt, wurde der charakteristische Reibungswinkel für die
Durch die Einwirkung entsteht Zug an der Fundamentober- Tragfähigkeitsnachweise GEO (Versagen durch Gleiten und
seite. Die Schnittkräfte im Schnitt 5 (laut Lastbild Bild 3b) Versagen durch Grundbruch) auf ϕke = 37,5 ° erhöht. Dies
können analog Teil 1 des Beispiels über die Kraft auf die entspricht einer Erhöhung des Tangens des Reibungswin-
Konsole ermittelt werden. kels um ca. 10 %.
Tabelle 8 zeigt die Bemessungswerte der Schnittgrö- Der Nachweis der Gesamtstandsicherheit erfolgt wie
ßen der außergewöhnlichen Kombination XEed als abso- üblich mit dem Nachweisverfahren 3. Der Nachweis der
lute Werte sowie das Verhältnis zu jenen der ständigen Be- Gesamtstandsicherheit wird mit einem Reibungswinkel ϕk
messungssituation. Im Durchschnitt ergibt sich eine Stei- von 35° geführt.
gerung der Bemessungswerte der Schnittgrößen um
32,5 %, mit Ausnahme der Normalkräfte, welche durch 4.1 Charakteristische Einwirkungskomponenten
die Reduktion des Teilsicherheitsbeiwerts für BS 3 um
32 % abnehmen. Für die Zusammenstellung der Schnitt- Entgegen der Definitionen im Eurocode 1998-5 Kapitel 3.1
größen wurde jeweils die ungünstigere der beiden ermit- und Anhang E.3 werden mit den Formeln dieses Kapitels
telten pseudostatischen Schnittkräfte herangezogen. charakteristische Einwirkungen für das Nachweisverfahren 2

Bautechnik 87 (2010), Heft 7 411


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ermittelt. Für die Bodenkennwerte werden somit alle Teilsi- eine außergewöhnliche Bemessungssituation (BS 3) ge-
cherheiten γM = 1,0 gesetzt. Für die GEO-Nachweise werden führt. Die Teilsicherheitsbeiwerte für die ständigen ungün-
die Summe der Horizontalkräfte HEk, der Vertikalkräfte VEk stigen sowie die günstigen Einwirkungen sind 1,0 und für
und der Momente MEk um den Schwerpunkt der Sohlfläche den Widerstand gegenüber Gleiten 1,1.
benötigt. Bild 2 zeigt die entsprechenden Einzelkomponen- Der Widerstand gegen Gleiten setzt sich aus dem Be-
ten der Einwirkungen, welche sich wie folgt berechnen: messungswert der Reibungskraft entlang der Sohlfläche Rd
und einem Anteil aus dem passiven Erddruck Ep,d vor dem
HEek = Eaeγh1, k + Eaeγh 2, k (50) Fundament zusammen. Der passive Erddruck als Wider-
stand wird hier auf der sicheren Seite liegend nicht ange-
⎛ 409,74 ⎞ ⎛ 46,44 ⎞ ⎛ 456,18 ⎞ setzt. Der charakteristische Sohlreibungswinkel für Ortbe-
=⎜ ⎟+⎜ ⎟=⎜ ⎟ kN m
⎝ 298,09 ⎠ ⎝ 41,87 ⎠ ⎝ 339,97⎠ tongründungen zur Berechnung von Rd wird mit δRk = ϕke
angenommen, wobei ϕke dem erhöhten Reibungswinkel
entspricht und der Stoßbeanspruchung unter Erdbeben-
VEek = GEae, k + Eaeγv1, k + Eaeγv 2, k + G1ek + G2e, k (51)
einwirkung Rechnung trägt:
⎛16
69,48 ⎞ ⎛ 673,61 ⎞ ⎛ 20,03⎞ ϕke = 37,5° mit γM = 1,0 gemäß
=⎜ ⎟+⎜ ⎟+⎜ ⎟+ (55)
⎝138,81⎠ ⎝ 490,06 ⎠ ⎝18,06 ⎠ ÖNORM B 1997-1-1 Tabelle 14

⎛ 71,64 ⎞ ⎛70,59 ⎞ ⎛ 1005 ⎞ Der Bemessungswert des Reibungswiderstands errechnet


+⎜ ⎟+⎜ ⎟=⎜ ⎟ kN m sich über die charakteristische Vertikalkomponente der
⎝ 58,68 ⎠ ⎝ 57,82 ⎠ ⎝763,4 ⎠ Einwirkungen VEek zu:
⎛ 1005 ⎞
Mit den Hebelarmen der Kräfte laut Bild 2 ergibt sich die ⎜ ⎟ ⋅ tan 37,5
VEek ⋅ tan δRk ⎝763,43⎠ ⎛ 701,3 ⎞
gesamte Momentenbeanspruchung der Sohlfläche zu: R ed = = =⎜ ⎟ kN m
γR , h 110
, ⎝ 532,5⎠

(
MEk = GEae, k ⋅ zGEa + Eaeγv1, k ⋅ zEaγv1 + Eaeγv 2, k ⋅ zEaγv 2 − ) (56)
Der Bemessungswert der Einwirkung für den Gleitnach-
− (G1e, k ⋅ zG1 + Eaeγh1, k ⋅ zEaγh1 + Eaeγh 2, k ⋅ zEaγh 2 ) weis ergibt sich aus der Horizontalkomponente HEek der
Einwirkungen auf die Winkelstützmauer.
(52)
⎛ 456,18 ⎞ ⎛ 456,18 ⎞
⎡⎛169,48 ⎞ ⎛ 673,61 ⎞ ⎛ 20,03⎞ ⎤ HEed = γE ⋅ HEek = 1,0 ⋅ ⎜ ⎟=⎜ ⎟ kN m (57)
MEek = ⎢⎜ ⎟ ⋅ 0,13 + ⎜ ⎟ ⋅ 0,97 + ⎜ ⎟ ⋅ 1,8⎥ − ⎝ 339,97⎠ ⎝ 339,97⎠
⎣⎝138,81⎠ ⎝ 490,06 ⎠ ⎝18,06 ⎠ ⎦
Als Nachweis muss folgendes Kriterium erfüllt sein:
⎡⎛ 71,64 ⎞ ⎛ 409,74 ⎞ ⎛ 46,44 ⎞ ⎤
− ⎢⎜ ⎟ ⋅ 0,94 + ⎜ ⎟ ⋅ 2,60 + ⎜ ⎟ ⋅ 0,23⎥
⎣⎝ 58,68 ⎠ ⎝ 298,09 ⎠ ⎝ 41,87 ⎠ ⎦ ⎛ 456,18 ⎞
⎜ ⎟
Ed HEed ⎝ 339,97⎠ ⎛ 0,65 ⎞
⎛ 432,2 ⎞ μ= = = =⎜ ⎟ < 1,00 (58)
= −⎜ ⎟ kN m (53) R d R ed + E p,d ⎛ 701,3 ⎞ ⎝0,64 ⎠
⎝ 314,1 ⎠ ⎜ ⎟+ 0
⎝ 532,5⎠
Der charakteristische Lastneigungswinkel δEk ist für die Mit Ausnutzungsgraden von 65 % beziehungsweise 64 %
Berechnung des Grundbruchwiderstands erforderlich und gilt der Gleitnachweis als erfüllt.
ergibt sich aus den charakteristischen pseudostatischen
Werten der vertikalen VEek- und horizontalen HEek-Kraft- 4.4 Versagen durch Überschreiten der Tragfähigkeit
komponenten der Einwirkungen letztlich wie folgt: gegenüber Grundbruch
⎡ ⎛ 456,18 ⎞ ⎤
⎛H ⎞ ⎢⎜ ⎟⎥ Eine Nachweisführung für die seismische Grundbruch-
⎢ ⎝ 339,,97⎠ ⎥
δEek = arctan ⎜⎜ Eek
⎟⎟ = arctan (54) sicherheit von Flachgründungen ist im informativen An-
⎝ VEek ⎠ ⎢ ⎛ 1005 ⎞ ⎥ hang F der EN 1998-5 [6] zu finden. In diesem darf die
⎢⎜ ⎟⎥
⎣ ⎝763,4 ⎠ ⎦ Tragfähigkeit für seismisch induzierten Grundbruch eines
⎛ 24,41° ⎞ ⎛0,426 ⎞ flach gegründeten Streifenfundaments auf der Oberfläche
=⎜ ⎟=⎜ ⎟ rad eines homogenen Bodens mittels folgender Formel über-
⎝ 24,01° ⎠ ⎝0,419 ⎠ prüft werden, welche die Bodenfestigkeit, die Bemessungs-
schnittkräfte (NEd, VEd, MEd) in der Gründungsebene und
4.2 Kippnachweis die Trägheitskräfte im Boden miteinander verknüpft:
`
Gemäß EN 1998-5, 5.4.1.1 kann auf den Kippnachweis für (1 − eF)C T (βV )C T (1 − fF)CM ( γM)CM
+ −1 ≤ 0 (59)
den Lastfall Erdbeben verzichtet werden. Na [1 − mF k ′ − N]b (N)C[(1 − mF k )k ′ − N]d

4.3 Versagen durch Gleiten γRdNEd γ V γ M


N= , V = Rd Ed , M = Rd Ed (60)
Nmax Nmax B ⋅ Nmax
Der Nachweis gegenüber Gleiten wird unter Anwendung
der Teilsicherheitsbeiwerte für GEO-Grenzzustände und mit γRd = 1,0 nach F.6 des Anhangs F der EN 1998-5.

412 Bautechnik 87 (2010), Heft 7


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Tabelle 9. Bodenabhängige Parameter für seismischen wobei φ⬘ed dem Bemessungswert des erhöhten Reibungs-
Grundbruchnachweis winkels unter Erdbebeneinwirkung entspricht, welcher
Table 9. Soil-dependent parameters for base failure under mit einem Teilsicherheitsfaktor für Materialeigenschaften
seismic loading γm = 1,0 gemäß ÖNORM B 1997-1-1, Tabelle 14 ermittelt
Parameter rein kohäsionsloser Boden wurde.

Die dimensionslose Bodenträgheitskraft F beträgt
a 0,92
b 1,25
ag 1,64
F= = = 0,218 (64)
c 0,92 g tan φ 'd (
9,81 ⋅ tan 37,5 )
d 1,25
Für die gewählte Geometrie ergibt sich:
e 0,41
f 0,32 ⎛1005⎞
1,0 ⋅ ⎜ ⎟
m 0,96 γRdNEd γRd VEek ⎝ 763 ⎠ ⎛ 0,113⎞
N= = = =⎜ ⎟
k 1,00 Nmax Nmax 88 862 ⎝0,086 ⎠
k’ 0,39
⎛ 456 ⎞
cT 1,14 1,0 ⋅ ⎜ ⎟
γRd VEd γRd HEek ⎝ 340 ⎠ ⎛ 0,051⎞
cM 1,01 V= = = =⎜ ⎟
Nmax Nmax 886 62 ⎝0,038 ⎠
c’M 1,01
β 2,90 ⎛ 432 ⎞
1,0 ⋅ ⎜ ⎟
γ 2,80 γRd MEd γRd MEek ⎝ 314 ⎠ ⎛0,014 ⎞
M= = = =⎜ ⎟ (65)
B ⋅ Nmax t Fun ⋅ Nmax 3,6 ⋅ 8862 ⎝ 0,010 ⎠

NEd entspricht hierbei dem Bemessungswert der Nor- Folgende Einschränkung gilt für den allgemeinen Aus-
malkraft in der Gründungsfuge, VEd jenem der horizontalen druck:
Schubkraft und MEd dem Bemessungswert des Moments.
Die in Gl. (60) eingehende Grenztragfähigkeit Nmax der 0 < N < (1 − mF)k '
Gründung unter einer mittig wirkenden Last ist in Gl. (61)
⎛ 0,013⎞
definiert. Weitere Eingangsgrößen sind B Fundamentbreite, 0<⎜ ⎟ < (1 − 0,96 ⋅ 0,218)0, 39 = 0,913
– ⎝0,086 ⎠
F dimensionslose Trägheitskräfte des Bodens wie in Gl.
(63) definiert, γRd Modell-Teilsicherheitsbeiwert (Werte für Der seismische Grundbruchnachweis ergibt sich folglich
diesen Parameter werden in F.2 des Anhangs F – EN 1998-5 für Fall 1:
angegeben) sowie die bodenabhängigen numerischen Para-
meter a, b, c, d, e, f, m, k, k’, cT, cM, c’M, β, γ (siehe Tabelle 9 (1 − 0, 41 ⋅ 0, 218)1,14 (2, 9 ⋅ 0, 051)1,14
+ (66)
für rein kohösionslosen Boden). 0, 0130,92[(1 − 0, 96 ⋅ 0, 218)0, 39′ − 0, 013]1, 25
Für rein kohäsionslose trockene Böden beträgt die
Grenztragfähigkeit der Gründung (Grundbruchlast), nach (1 − 0, 32 ⋅ 0, 218)1,01 (2, 8 ⋅ 0, 014)1,01
+ −1 ≤ 0
Anhang F – EN 1998-5, unter einer zentrisch wirkenden 0, 0130,92[(1 − 0, 96 ⋅ 0, 218)0, 39 − 0, 013]1, 25
vertikalen Last Nmax:
0,103 0,034
+ − 1 = 1,008 + 0,334 − 1 = 0,34 > 0
1 ⎛ a ⎞ ⎛ 0,94 ⎞ 0,102 0,102
Nmax = ρg ⎜⎜1 ± v ⎟⎟ B2N γ = 0,5 ⋅ 22 ⋅ ⎜1 ± ⎟ × (61)
2 ⎝ g ⎠ ⎝ 9,81 ⎠
⎛10745⎞ beziehungsweise für Fall 2
× 3,62 ⋅ 68,77 = ⎜ ⎟ kN/ m
⎝ 8862 ⎠ (1 − 0, 41 ⋅ 0, 218)1,14 (2, 9 ⋅ 0, 038)1,14
+ (67)
0, 0860,92[(1 − 0, 96 ⋅ 0, 218)0, 39 − 0, 086]1, 25
Dabei ist g die Erdbeschleunigung und av die vertikale Bo-
denbeschleunigung (1 − 0, 32 ⋅ 0, 218)1,01 (2, 8 ⋅ 0, 010)1,01
+ −1 ≤ 0
0, 0860,92[(1 − 0, 96 ⋅ 0, 218)0, 39 − 0, 086]1, 25
a v = 0,5a gS = 0,5 ⋅ 1,64 ⋅ 1,15 = 0,94 m /s2 (62)
0,074 0,025
Nγ ist der Tragfähigkeitsbeiwert des Bodens und errechnet + − 1 = 0,89 + 0,30 − 1 = 0,19 > 0
0,083 0,083
sich nach ÖNORM EN 1997-1 Anhang D.4 durch
Der Nachweis des seismischen Grundbruchs kann für kei-
N γ = 2 · (Nq – 1) · tan(ϕ′ed ) = 2 · (45, 81 – 1) · tan(37,5°) = 68,77 nen der beiden zu untersuchenden Fälle erfüllt werden. Die
gewählte Geometrie ist folglich für eine Erdbebenbean-
⎛ ϕ′ ⎞2 spruchung auf diesem Niveau nicht geeignet und wird da-
′ )
π · tan ( ϕed
mit: Nq = e · tan ⎜⎜ ed
+ 45° ⎟⎟ = e π · tan ( 37, 5°) ×
⎝ 2 ⎠ her angepasst.
2 Durch Verlängerung der Fundamentbreite B ist mit
⎛ 37,5° ⎞
× tan ⎜ + 45° ⎟ = 45, 81 (63) einer geringeren Rotation im Erdbebenlastfall und günsti-
⎝ 2 ⎠ gerer Lage der Resultierenden zu rechnen. Der luftseitige

Bautechnik 87 (2010), Heft 7 413


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Tabelle 10. Einwirkungen bei modifizierter Geometrie


Table 10. Reaction forces and moments for modified geometry

HEek (kN/m) VEek (kN/m) MEek (kN/m)


B = 3,60 m 456 340 1005 763 –432 –314
B = 5,50 m 458 341 1118 856 –194 –133

Sporn wird folglich auf 1,30 m und der erdseitige Sporn


auf 3,60 m verlängert. Die gesamte Aufstandsfläche B hat
somit eine Länge von 5,50 m. Auf Basis dieser korrigierten
Geometrie ergeben sich die in Tabelle 10 dargestellten
modifizierten Einwirkungen im Vergleich zur Ursprungs-
geometrie. Alle folgenden Nachweise und Untersuchun-
gen beziehen sich auf diese modifizierten Abmessungen.
Die erneute Auswertung des seismischen Grund-
bruchnachweises ergibt für die bezogenen Einwirkungs- Bild 4 Geländebruch: maßgebliche Gleitfläche bei av = ah
größen Ausnutzungsgrad = 0,8
⎛1118 ⎞ Fig. 4 Loss of overall stability: relevant sliding surface
1,0 ⋅ ⎜ ⎟
γ V ⎝ 856 ⎠ ⎛0, 054 ⎞
N = Rd Eek = =⎜ ⎟ (68) Erdbebens durch statische Ersatzkräfte berücksichtigt, die
Nmax 20685 ⎝ 0,,041 ⎠ im Schwerpunkt der Lamellen angreifen.
Die Suche nach der maßgebenden Gleitfläche, d. h.
⎛ 458 ⎞ jener Gleitfläche mit dem höchsten Ausnutzungsgrad μ,
1,0 ⋅ ⎜ ⎟
γRd HEek ⎝ 341⎠ ⎛0,022 ⎞ erfolgt iterativ. Für das vorliegende Beispiel wurde die Lage
V= = =⎜ ⎟
Nmax 20685 ⎝0,016 ⎠ der maßgeblichen kreiszylindrischen Gleitfläche und des
maßgeblichen Radius basierend auf dem Verfahren nach
⎛194 ⎞ Bishop gefunden. Die Ermittlung erfolgte mit den Teilsi-
1,0 ⋅ ⎜ ⎟ cherheitsbeiwerten für BS3 und für Schadensfolgeklasse
γRd MEek ⎝132 ⎠ ⎛0,, 002 ⎞
M= = =⎜ ⎟ CC3. Hinsichtlich der detaillierten Durchführung dieses
B ⋅ Nmax 5,5 ⋅ 20685 ⎝ 0, 001⎠ Nachweises wird auf [18] verwiesen.
womit der seismische Grundbruchnachweise in beiden Für die Berechnungen nach dem vereinfachten pseudo-
Fällen erfüllt werden kann: statischen Verfahren wurde angenommen, dass die maxi-
male horizontale und vertikale Beschleunigung zur selben
0,039 0,004 Zeit vorhanden sind und keine Phasenverschiebung auftritt.
+ − 1 = 0,696 + 0,075 − 1 = −0,23 < 0 (69)
0,056 0,056 In der Berechnung wurden die horizontalen und vertikalen
Trägheitskräfte mit qv,i,k = av/g · mi und qh,i,k = ah/g · mi
0,028 0,003 berücksichtigt. Der horizontale Erdbebenbeiwert kh wurde
+ − 1 = 0,626 + 0,064 − 1 = −0,31 < 0 (70) von 0 bis 100 % des vertikalen Erdbebenkennwerts variiert.
0,045 0,045
Der in 4.1.3.3 der EN 1998-5 vorgeschlagene Ansatz der seis-
Die Anwendung der Formeln aus dem informativen Anhang mischen Trägheitskräfte wurde dabei nicht verwendet, da er
F der EN 1998-5 für den Nachweis Grenzzustand der Trag- geringere Einwirkungen ergibt als der gewählte Ansatz.
fähigkeit – Grundbruch führt zu einer erforderlichen Ver- Der Nachweis ergibt sich über die Bemessungswerte
größerung der Fundamentbreite von 3,6 m auf 5,5 m, trotz der einwirkenden und widerstehenden Kräfte [kN/m] im
einer Reduktion des Sicherheitsniveaus gegenüber Einwir- Gleitkörper für kv = 0,5 kh zu:
kungen aus statischer Beanspruchung und der Erhöhung
des charakteristischen Reibungswinkels von 35° auf 37,5°. Ed
μ= = 0,74 < 1,00 (71)
Ein Grund dafür ist, dass die Grenztragfähigkeit der Grün- Rd
dung nach Gl. (61) nur mit dem Breitenglied aus der Grund-
bruchformel geführt wird. Somit bleibt bei der Ermittlung Somit ist der Nachweis mit einem Ausnutzungsgrad von
der Grenztragfähigkeit für die Bemessungssituation Erdbe- μ = 0,74 erfüllt.
ben die Einbindetiefe der Gründung unberücksichtigt. Die- Das Bild 5 zeigt die verschiedenen Ausnutzungsgrade
ser Ansatz ist jedenfalls noch diskussionswürdig. μ bei unterschiedlichen Verhältnissen von kv/kh in Abhän-
gigkeit der Fundamentbreiten 3,6 m bzw. 5,5 m. Daraus ist
4.5 Gesamtstandsicherheit mit pseudostatischem Verfahren ersichtlich, dass für den Nachweis der Gesamtstandsicher-
heit trotz der Verwendung eines charakteristischen Rei-
Der Nachweis der Gesamtstandsicherheit ist an der maß- bungswinkels von 35° keine Verbreiterung des Fundaments
geblichen Gleitfläche im Baugrund außerhalb des Bauwerks erforderlich ist. Würde der Nachweis mit einem durchaus
zu führen (Gesamtstandsicherheit). Dabei ist das Nachweis- vertretbaren charakteristischen Reibungswinkel von 37,5 °
verfahren 3 gemäß EN 1997-1, 2.4.7.3.4.4(1)P anzuwenden. geführt werden, würden die Ausnutzgrade noch weiter ab-
Bei diesem Verfahren werden die Teilsicherheitsbeiwerte sinken. Auch auf Basis dieser Ergebnisse stellt sich die
auf die Einwirkungen und die Bodenkennwerte angesetzt. Frage der praktischen Anwendbarkeit der Formeln für den
Beim pseudostatischen Verfahren wird die Wirkung des Nachweis des Grenzzustands der Tragfähigkeit – Grund-

414 Bautechnik 87 (2010), Heft 7


A. Strauss/R. Wendner/J. Suda/R. Hofmann/K. Bergmeister · Bemessung eines Stützbauwerks nach Eurocode – Teil 2: Erdbebenbemessung

1
(Sauberkeitsschicht) betoniert wird, nach EN 1992-1-1,
0,9
4.4.1.3(4) die Betondeckung mit 40 mm festgelegt.
0,8 Die charakteristischen Materialkennwerte können der
0,7 EN 1992-1-1, Tabelle 3.1 entnommen werden. Die Bemes-

m
5
Verhältnis av/ah

sungswerte der Betondruckfestigkeit fcd und der Zugfestigkeit

5,

m
0,6

6
B

3,
des Betonstahls fyd für BSt 550A errechnen sich für BS 3 zu:

te

=
0,5

ei

B
r
lb

te
h

ei
So
0,4

br
hl
fck

So
0,3 fcd = αcc ⋅ = 1,0 ⋅ 25 = 20,83 N mm 2 (72)
0,2 γc,BS 3 1,2
0,1
fyk
0 fyd = = 550 = 550,0 N mm 2 (73)
0,65 0,675 0,7 0,725 0,75 0,775 0,8 0,825 0,85 0,875 γs,BS 3 1,0
Ausnutzungsgrad CC3–BS 3

Bild 5. Ausnutzungsgrad von μ für CC3 und BS3 bei unter-


schiedlichen Verhältnissen von av/ah
5.2 Bemessung auf Biegung
Fig. 5. Performance ratio μ for CC3 and BS3 for different ratios
av/ah Auf Basis der entsprechend Abschn. 3.4 jedoch mit modifi-
zierter Geometrie nach Abschn. 4.4 ermittelten Schnittgrö-
bruch aus EN 1998-5 informativer Anhang F. Es scheint ßen für die außergewöhnliche Bemessungssituation (BS 3)
als würde dieser Nachweis Ergebnisse liefern, welche auf erfolgt die Bemessung auf Biegung für einen 1 m breiten
der sehr „sicheren Seite“ liegen. Streifen in tabellarischer Form (Tabelle 11). Es wird das
Verfahren mit dimensionslosen Beiwerten verwendet, wo-
5 Nachweise in den konstruktiven Grenzzuständen (STR) bei die Arbeitslinie des Betonstahls mit horizontalem obe-
rem Ast angesetzt wird. Die erforderliche Bewehrung für
Bezüglich der inneren Standsicherheit sind ausreichende die Schnitte 1 bis 4 ist in Tabelle 11 angegeben.
Sicherheiten gegen die konstruktiven Grenzzustände (STR)
für die ständige (BS 1) und die außergewöhnliche Bemes- 5.3 Bemessung auf Querkraft
sungssituation (BS 3) mit den jeweiligen Teilsicherheits-
beiwerten nachzuweisen. Die BS-1-Nachweise wurden be- Die Bemessung auf Querkraft wird ebenfalls für einen 1 m
reits in Teil 1 des Bemessungsbeispiels [1] geführt. Die breiten Streifen und die modifizierte Geometrie in den
Schnittkräfte für die STR-Nachweise von BS 3 können Ab- Schnitten 1 bis 4 auf Basis von EN 1992-1-1:2005, 6.2 vor-
schnitt 3.4.1 entnommen werden. genommen (Tabelle 12).

5.1 Betondeckung und Bemessungswerte der Baustoffe 5.4 Bewehrungsführung

Wie in [1] ausführlich erläutert, wurde für alle geschal- Unter Berücksichtigung der Bemessungsergebnisse für die
ten Wandflächen das Nennmaß der Betondeckung mit ständige Bemessungssituation [1], der außergewöhnlichen
cnom = 35 mm definiert. Für die Sohlfläche wurde unter Bemessungssituation unter Erdbebeneinwirkung sowie
der Annahme, dass diese gegen vorbereiteten Untergrund der konstruktiven Kriterien ergeben sich die in Tabelle 13

Tabelle 11. Tabellarische Biegebemessung


Table 11. Conclusions of bending assessment

Schnitt mEd nEd h d zS12) mEds1) μEds3) ζ4) as1,erf5) as1,min16) as1,min27) as,max8)
[kNm/m] [kN/m] [cm] [cm] [cm] [kNm/m] – – [cm2/m] [cm] [cm2/m] [cm2/m]
Schnitt 1
d = 60–3,5– 531,46 58,68 60,0 55,8 25,8 546,60 0,084 0,955 17,6 6,9 7,3 240
1,4/2 = 55,8cm
Schnitt 2
d = 51–3,5– 157,47 39,12 51,0 46,9 21,4 165,84 0,036 0,981 5,8 5,8 6,1 204
1,2/2 = 46,9 cm
Schnitt 3
d = 42–3,5– 19,68 19,56 42,0 38,0 17,0 23,01 0,008 0,996 0,8 4,7 4,9 168
1,0/2 = 38 cm
Schnitt 4
d = 70–3,5– 496,80 0,0 70,0 65,8 30,8 496,80 0,055 0,971 14,1 8,1 8,6 280
1,4/2 = 65,8 cm

mEds
( )
mEds nEd
1)
mEds = mEd − nEd ⋅ zs1 2)
zs1 = d − h 3)
μ Eds = 4)
ζ = 1 ⋅ 1 + 1 − 2,055 ⋅ μ Eds 5) a s1,erf = +
2 b ⋅ d 2 ⋅ fcd 2 ζ ⋅ d ⋅ fyd fyd

fctm
6) a s,min1 = 0,26 ⋅ ⋅ bt ⋅ d 7) a s,min 2 = 0,0013 ⋅ b t ⋅ d 8) a s,max = 0,04 ⋅ A c
fyk

Bautechnik 87 (2010), Heft 7 415


A. Strauss/R. Wendner/J. Suda/R. Hofmann/K. Bergmeister · Bemessung eines Stützbauwerks nach Eurocode – Teil 2: Erdbebenbemessung

Tabelle 12. Tabellarische Querkraftbemessung


Table 12. Shear force assessment
Schnitt νEd h d as1,vorh k1) ρ12) σcp,max4) σcp3) νRd,c5) νRd,c,min6) Nachweis
[kN/m] [cm] [cm] [cm2/m] – – 2 2
[N/mm ] [N/mm ] [kN/m] [kN/m]
Schnitt 1 289,89 60,0 55,8 21,99 1,60 0,004 4,17 0,10 321,74 205,57 VRd,c > VEd → keine Schubbewehrung
erforderlich
Schnitt 2 128,84 51,0 46,9 8,08 1,65 0,002 4,17 0,08 194,60 179,83 VRd,c > VEd → keine Schubbewehrung
erforderlich
Schnitt 3 32,21 42,0 38,0 5,61 1,73 0,001 4,17 0,05 154,65 153,38 VRd,c > VEd → keine Schubbewehrung
erforderlich
Schnitt 4 183,74 70,0 65,8 26,81 1,55 0,004 4,17 0,00 215,64 222,49 VRd,c > VEd → keine Schubbewehrung
erforderlich

A sl NEd
1) k = 1 + 200 ≤ 2,0 (mit d in mm) 2) ρ1 = ≤ 0,02 3)
σ cp = < σ cp,max 4) σ cp,max = 0,2 ⋅ fcd
d bw ⋅ d Ac

⎡ ⎤
( ) 0,18
13
5) v Rd,c = ⎢CRd,c ⋅ k ⋅ 100 ⋅ ρ1 ⋅ fck + k1 ⋅ σ cp ⎥ ⋅ b w ⋅ d ≥ v Rd,c,min mit CRd,c = 0,18 = = 0,12 und k1 = 0,15
⎣ ⎦ γc 1,5

6)
( 12
v Rd,c,min = 0,035 ⋅ k 3 2 ⋅ fck )
+ k1 ⋅ σ cp ⋅ b w ⋅ d

zusammengestellten erforderlichen Bewehrungsmengen Tabelle 14. Gegenüberstellung der erforderlichen Bewehrung


für die Biegezugbewehrung für die korrigierte Geometrie in Abhängigkeit der Bemessungssituation und Fundament-
mit einer Fundamentbreite B = 5,5 m. breite
Im Vergleich zu den Bemessungsergebnissen der ständi- Table 14. Comparison of required reinforcement in dependency
gen Bemessungssituation BS 1 ergibt sich für Schnitt 1 eine on design situation and base length
Erhöhung der erforderlichen Bewehrungsmenge von rund B = 3,6 m B = 5,5 m
19 %. Für die Schnitte 2 und 3 bleibt die Mindestbewehrung
BS1 BS3 BS1 BS3
maßgebend. Der Bewehrungsbedarf in Schnitt 4 würde sich
für die ursprüngliche Geometrie im Erdbebenlastfall auf- Schnitt 1 [cm2/m] 14,8 17,6 14,8 17,6
grund des reduzierten Sicherheitsniveaus in BS 3 nur gering- Schnitt 2 [cm2/m] 6,1 6,1 6,1 6,1
fügig ändern. Durch Verlängerung des erdseitigen Sporns
Schnitt 3 [cm2/m] 4,9 4,9 4,9 4,9
verändert sich jedoch die erforderliche Biegezugbewehrung
von 10,5 cm2/m (BS 1, B = 3,6 m) auf 9,1 cm2/m (BS 1) bzw. Schnitt 4 [cm2/m] 10,5 9,8 9,1 14,1
14,1 cm2/m (BS 3), siehe Tabelle 14. Infolge Erdbebenein-
wirkung ist somit neben der Erhöhung der Fundamentbreite
zur Erfüllung des Grundbruchnachweises auch eine Steige- auch die außergewöhnliche Einwirkungskombination be-
rung der erforderlichen Biegezugbewehrung nötig. Diese messen. Der für die Ermittlung der Erdbebeneinwirkung
liegt für BS 3 ca. 48 % über der Bewehrungsmenge, die für herangezogene Standort Murau, Steiermark, Österreich,
die ständige Bemessungssituation ermittelt worden ist. zählt mit Erdbebenzone 4 zu einem besonders gefährdeten
Gebiet. Für eine bessere Abschätzung des Erdbebenein-
5.5 Schlussfolgerung und Variantenstudie flusses auf die Bemessung wurden die dargestellten Re-
chenschritte für zwei weitere Standorte aus Erdbeben-
Im vorliegenden Bemessungsbeispiel wurde eine Winkel- zone 2 (Schladming, Steiermark, agr = 0,58 m/s2) und Erd-
stützmauer üblicher Geometrie sowohl für die ständige als bebenzone 3 (Baden, Niederösterreich, agr = 0,91 m/s2)

Tabelle 13. Übersicht über die erforderliche Bewehrung


Table 13. Required reinforcement

Schnitt Luftseite des senkrechten Schenkels Erdseite des senkrechten Schenkels


vertikal horizontal vertikal horizontal
h As s As s As s As s
cm cm2/m cm cm2/m cm cm2/m cm cm2/m cm
1 60 6,0 40 3,0 40 17,6 25 4,4 40
2 51 5,1 40 2,6 40 6,1 25 1,6 40
3 42 4,3 40 2,2 40 4,9 25 1,1 40
Oberseite des waagrechten Schenkels Unterseite des waagrechten Schenkels
Hauptrichtung Querrichtung Hauptrichtung Querrichtung
4 70 14,1 25 4,8 40 – – – –

416 Bautechnik 87 (2010), Heft 7


A. Strauss/R. Wendner/J. Suda/R. Hofmann/K. Bergmeister · Bemessung eines Stützbauwerks nach Eurocode – Teil 2: Erdbebenbemessung

Tabelle 15. Gegenüberstellung der Bemessungsergebnisse für BS1 und BS3 für unterschiedliche Standorte und Fundament-
breite B = 5,5 m
Table 15. Comparison of design results for BS1 and BS3 for different locations and base length B = 5,5 m
BS 1 BS 3 (Zone 2) BS 3 (Zone 3) BS 3 (Zone 4)
Agr =0,58 m/s2 Agr = 0,91 m/s2 Agr = 1,17 m/s2
γI = 1,1 γI = 1,4 γI = 1,4
Schnitt mEd nEd as mEd nEd as mEd nEd as mEd nEd as
[kNm/m] [kN/m] [cm2/m] [kNm/m] [kN/m] [cm2/m] [kNm/m] [kN/m] [cm2/m] [kNm/m] [kN/m] [cm2/m]
Schnitt 1 401,09 –86,32 14,8 388,39 –61,71 12,52 479,38 -59,73 15,7 531,46 –58,68 17,6
Schnitt 2 118,84 –57,54 6,11 115,08 –41,14 6,11 142,04 –39,82 6,11 157,47 –39,12 6,11
Schnitt 3 14,85 –28,77 4,91 14,39 –20,57 4,91 17,76 –19,91 4,91 19,68 –19,56 4,91
Schnitt 4 281,01 0,0 9,1 321,00 0,0 9,02 432,91 0,0 12,3 496,78 0,0 14,1
1) Mindestbewehrung maßgebend
2) ständige Bemessungssituation maßgebend

nach ÖNORM B 1998-1 Tabelle A.1 [8] bei sonst unver- [7] Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben,
Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für
änderten Eingangswerten für die zur Erfüllung des seismi-
Hochbauten (2005). ÖNORM EN 1998-1.
schen Grundbruchnachweises modifizierte Geometrie
[8] Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben,
wiederholt. Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für
Tabelle 15 zeigt eine Gegenüberstellung der Bemes- Hochbauten (2006). ÖNORM B 1998-1.
sungsergebnisse für eine Fundamentbreite von 5,50 m. [9] Eurocode 2 – Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton-
Daraus lässt sich ableiten, dass bis Zone 2 für die in die- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Grundlagen und Anwen-
sem Beispiel gewählte Strukturgeometrie der Erdbeben- dungsregeln für den Hochbau – Nationale Festlegungen zu
lastfall nicht maßgebend ist. Ab Zone 3 werden für den ÖNORM EN 1992-1-1 (2007). ÖNORM B 1992-1-1: 2007 02 01.
Anschnitt des vertikalen Schenkels und des erdseitigen [10] Eurocode 7 – Entwurf, Berechnung und Bemessung in der
Sporns die Ergebnisse von BS 3 maßgebend. Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln Nationale Festlegun-
Bei geringer Seismizität (z. B. Zonen 1 und 2) ist der gen und Ergänzungen zu ÖNORM EN 1997-1-1 (2007).
ÖNORM B 1997-1-1:2007.
Erdbebennachweis durch die reduzierten Teilsicherheits-
[11] Eurocode 2 – Bemessung und Konstruktion von Stahlbe-
beiwerte für die außergewöhnliche Bemessungssituation
ton- und Spannbetontragwerken – Teil 3: Silos und Behälter-
in der Regel nicht maßgebend. Bei höherer seismischer bauwerke aus Beton – Nationale Festlegungen zu ÖNORM
Beanspruchung ist allerdings mit einer maßgeblichen Be- EN 1992-3 (2008). ÖNORM B 1992-3: 2008 02 01.
einflussung der inneren und äußeren Standsicherheit zu [12] Okabe, S.: General theory of earthquake pressure and
rechnen. Während der Biegenachweis leicht durch Erhö- seismic stability of retaining wall and dams. Journal of the Ja-
hung der erforderlichen Biegezugbewehrung erfüllt wer- panese Society of civil Engineers 10 (1924).
den kann, erfordert der relativ konservative Nachweis der [13] Okabe, S.: General theory of earth pressure. Journal of the
Tragfähigkeit gegen Grundbruch eine deutliche Erhöhung Japanese Society of civil Engineers 12 (1926) (1).
der Fundamentabmessungen, obwohl der Nachweis der [14] Mononobe, N., Matsuo, H.: On the determination of earth
Gesamtstandsicherheit (Geländebruch) mit einem Aus- pressure during earthquakes. The World Engineering Confe-
rence. (1929) 9, 176.
nutzungsgrad von knapp 90 % auch für die Ursprungsgeo-
[15] Seed, H. B., Whitman, R. V.: Retaining structure for dyna-
metrie erfüllt werden kann.
mic load. ASCE Specialty Conference on Lateral Stresses in
the Ground and the Design of Earth Retaining Structures.
Literatur Cornell University, Ithaca, New York: (1970),103–147.
[16] Eurocode – Grundlagen der Tragwerksplanung (2003).
[1] Suda, J., Hofmann, R., Strauss, A., Wendner, R.: Bemessung
ÖNORM EN 1990: 75.
eines Stützbauwerks nach Eurocode – Teil 1: Ständige Be-
[17] Erddruckberechnung (1993). ÖNORM B 4434: 39.
messungssituation. Bautechnik 86 (2009) H. 12, S. 782–793.
[18] Hofmann, R., Preh, Poisel, Petschl, Suppan: Beispiele zur
[2] Eurocode 2 – Bemessung und Konstruktion von Stahlbe-
Anwendung der ÖNORM EN 1997-1. Wien, Österreichisches
ton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Grundlagen und
Normungsinstitut. Band 1 bis 3. (2008)
Anwendungsregeln für den Hochbau: (2005). ÖNORM EN
[19] Petschl: Geotechnische Software – Stützbauwerke (2008),
1992-1-1: 2005 11 01.
www.geosoft.at
[3] Eurocode 2 – Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton-
und Spannbetontragwerken – Teil 3: Stütz- und Behälterbau- Autoren dieses Beitrages:
werke aus Beton (2007). ÖNORM EN 1992-3: 2007 02 01. DI Dr.-Ing. habil. Alfred Strauss, DI Dr.-Ing. Roman Wendner,
[4] Eurocode 7 – Entwurf, Berechnung und Bemessung in der DDI Dr.-Ing. Jürgen Suda, Prof. DDr.-Ing. Konrad Bergmeister,
Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln (2006). ÖNORM EN Universität für Bodenkultur Wien, Department für Bautechnik und
1997-1:2007. Naturgefahren, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau,
[5] Suda, J., Hofmann, R.: Bemessung von Stützmauern aus Stahl- Peter-Jordan-Straße 82, A-1190 Wien
beton nach Eurocode. Beton- und Stahlbetonbau (2009) H. 4, DI Dr.-Ing. Robert Hofmann, Ingenieurkonsulent für Bauwesen,
S. 207–217. Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger
[6] Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben, für Grundbau und Bodenmechanik, Lektor für Geotechnik –
Teil 5: Gründungen, Stützbauwerke und geotechnische Aspekte FH Campus Wien, Rudolf-Hochmayergasse 28/40,
(2005). ÖNORM EN 1998-5. A-2380 Perchtolsdorf

Bautechnik 87 (2010), Heft 7 417

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