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Vorlesungsskript

Massivbau III
Bemessung im Stahlbetonbau
SoSe 2020

Prof. Dr.-Ing. Andrej Albert


Hochschule Bochum
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Fachbereich Bauingenieurwesen
Letzter Bearbeitungsstand :.27.04.2020
Massivbau III

Prof. Dr.-Ing. A. Albert Stahlbetonbau

Inhaltsverzeichnis
1 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit 3
1.1 Begrenzung der Rissbreiten 4
1.1.1 Berechnung der Rissbreite (DIN EN 1992-1-1, 7.3.4) 5
1.1.2 Begrenzung der Rissbreite ohne direkte Berechnung 21
1.1.3 Nachweis der Mindestbewehrung (DIN EN 1992-1-1;. 7.3.2) 25
1.2 Realistische Abschätzung der Zwangspannungen 33
1.2.1 Bodenplatten 34
1.2.2 Aufgehende Wände auf vorab fertiggestellten Fundamenten 37
1.3 Begrenzung der Spannungen 40
1.4 Begrenzung der Verformungen 41
1.4.1 Berechnung der Durchbiegung 42
2 Wände und wandartige Träger 46
2.1 Wände 46
2.2 Wandartige Träger 52
3 Deckengleiche Unterzüge 63
4 Treppen 70
5 Torsion 73
5.1 Kombinierte Beanspruchung: Querkraft + Torsion + Biegung 80
5.1.1 Vereinfachtes Verfahren 80
5.1.1 Genaues Verfahren 80
6 Aussteifung von Tragwerken des Massivbaus 83
6.1 Schnittgrößenermittlung der aussteifenden Bauteile 83
6.2 Horizontallasten 88
6.3 Aussteifungskriterien 90

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1 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit

Bisher wurden ausschließlich die Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit


behandelt. Ebenso wichtig sind jedoch auch die Nachweise im Grenzzustand der
Gebrauchstauglichkeit.

Zu ihnen zählen:

− Begrenzungen der Spannungen


− Begrenzung der Rissbreiten
− Begrenzung der Verformungen

Die Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit werden für eine der


folgenden Einwirkungskombinationen geführt:

− Seltene Einwirkungskombination

𝐸𝑑 = ∑ 𝐺𝑘,𝑗 ⊕ 𝑃𝑘 ⊕ 𝑄𝑘,1 ⊕ ∑ 𝜓0,𝑖 ∙ 𝑄𝑘,𝑖


𝑖>1

− Häufige Einwirkungskombination

𝐸𝑑 = ∑ 𝐺𝑘,𝑗 ⊕ 𝑃𝑘 ⊕ 𝜓1,𝑖 ∙ 𝑄𝑘,1 ⊕ ∑ 𝜓2,𝑖 ∙ 𝑄𝑘,𝑖


𝑖>1

− Quasi-ständige Einwirkungskombination

𝐸𝑑 = ∑ 𝐺𝑘,𝑗 ⊕ 𝑃𝑘 ⊕ ∑ 𝜓2,𝑖 ∙ 𝑄𝑘,𝑖


𝑖≥1

Die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Lastseite betragen alle 1,0!

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1.1 Begrenzung der Rissbreiten

Falls keine besonderen Anforderungen an die Gebrauchseigenschaften gestellt


werden (Wasserundurchlässigkeit), gelten die Anforderungen der Tabellen 7.1 DE
der DIN 1992-1-1.

Tabelle NA.7.1 - Rechenwerte für Wmax (in Millimeter)

Stahlbeton und Vorspannung


Vorspannung mit
Vorspannung mit nachträg-
sofortigem Verbund
Expositions- ohne Verbund lichem Verbund
klasse
mit Einwirkungskombination

quasi-ständig häufig häufig selten


XO, XC1 0,4 a 0,2 0,2
-
XC2 -XC4 0,2 b
XS1 -XS3
0,3 0,2 b,c Dekom-
XD1, XD2, 0,2
pression
d
XD3

a) Bei den Expositionsklassen XO und XC1 ; hat die Rissbreite keinen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit und dieser Grenzwert
wird i. Allg.zur Wahrung eines akzeptablen Erscheinungsbildes gesetzt. Fehlen entsprechende Anforderungen an das
Erscheinungsbild, darf dieser Grenzwert erhöht werden

b) Zusätzlich ist der Nachweis der Dekompression unter der quasi-ständigen Einwirkungskombination zu führen

c) Wenn der Korrosionsschutz anderweitig sichergestellt wird (Hinweise hierzu in den Zulassungen der Spannverfahren),
der Dekompressionsnachweis entfallen.

d) Beachte 7.3.1 (7) Bei Bauteilen der Expositionsklasse XD3 können besondere Maßnahmen erforderlich werden. Die
der entsprechenden Maßnahmen hängt von der Art des Angriffsrisikos ab.

Zum Nachweis der Begrenzung der Rissbreite gemäß DIN 1992-1-1, 7.3 gehören
3 Elemente:

− Nachweis der Mindestbewehrung gemäß DIN EN 1992-1-1; 7.3.2


− Berechnung der Rissbreite gemäß DIN EN 1992-1-1; 7.3.4
− Begrenzung der Rissbreite ohne direkte Berechnung gemäß DIN EN 1992-
1-1; 7.3.3

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1.1.1 Berechnung der Rissbreite (DIN EN 1992-1-1, 7.3.4)

Gegeben sei ein Stahlbetonstab, der zentrisch gezogen wird. Zunächst befindet
sich der Stab im Zustand I. Die Dehnungen des Betons und des
Bewehrungsstahls sind an jeder Stelle des Stabes identisch. Der Beton und der
Bewehrungsstahl übernehmen Zugspannungen, wobei diejenigen des
Bewehrungsstahls um den Faktor α = Es/Ec größer sind als diejenigen des Betons.

F F

εs, εc
εs = εc

Bei steigender Last wird an einer Stelle (der zufällig schwächsten Stelle) die
Betonzugfestigkeit überschritten, so dass ein erster Riss entsteht.

F F

Im Riss muss nun die dort vorhandene Bewehrung die gesamte Zugkraft F alleine
aufnehmen. Die Stahldehnungen steigen daher im Riss stark an, die
Betondehnungen sinken auf null ab.

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εs, εc
Am Ende der Einleitungslänge
εs gilt wieder εs = εc

εc x
lt lt

Der Bewehrungsstahl ist in beiden Rissufern „verankert“. Daher wird die vom
Stahl übernommene Kraft, auf beiden Seiten des Risses wieder in den Beton
eingeleitet. Dies geschieht über Verbundspannungen τs, die über den Umfang
der Bewehrungsstäbe wirken. Die Länge, nach der die gesamte vom Stahl
zusätzlich aufgenommene Kraft wieder in den Beton eingeleitet wurde, wird als
Einleitungslänge lt bezeichnet. Im Bereich der Einleitungslänge lt sind also die
Stahldehnungen εs ungleich den Betondehnungen εc. Am Ende der
Einleitungslänge lt gilt wieder: εs = εc

Situation im Riss Verbundspannungen


τs
0,5∙F
F F F

0,5∙F

Wird die Zugkraft F nun (geringfügig) weiter gesteigert, so entsteht ein weiterer
Riss wiederum an einer zufällig schwachen Stelle. Ausgeschlossen ist lediglich,
dass der Riss innerhalb des Bereichs der Einleitungslänge lt um den ersten Riss
herum entsteht. In diesem Bereich trägt der Stahl die von ihm im Riss zusätzlich

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übernommene Zugkraft erst nach und nach wieder in den Beton ein. Die Zugkraft
im Beton ist daher in diesem Bereich noch zu gering, um den Beton zum Reißen
zu bringen. Frühestens in einer Entfernung lt vom ersten Riss kann somit der
zweite Riss entstehen.

In diesem Zustand gibt es außerhalb der Einleitungslängen der Risse noch


Bereiche, in denen die Stahl- und Betondehnungen übereinstimmen. Man
bezeichnet diesen Zustand als Einzelrisszustand.

F F

εs, εc
εs

εc x
lt lt lt lt

Um die Rissbreiten im Einzelrisszustand zu ermitteln, betrachtet man den Bereich


der Einleitungslänge um einen Riss.

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𝜀𝑠 , 𝜀𝑐
𝜀𝑠𝑟2
𝜀𝑠
𝜀𝑠𝑚 = 𝜀𝑠𝑟2 − 𝑘𝑡 ∙ (𝜀𝑠𝑟2 − 𝜀𝑠𝑟1 )
𝜀𝑠𝑟1 = 𝜀𝑐𝑡
𝜀𝑐𝑚 = 𝑘𝑡 ∙ 𝜀𝑐𝑡
𝜀𝑐

𝑙𝑡 𝑙𝑡
𝑤𝑘

An beiden Enden des betrachteten Bereiches stimmen die Dehnungen des Stahls
und des Betons überein, dazwischen gibt es Dehnungsunterschiede. Die
Verlängerung des Stahls im betrachteten Bereich lässt sich berechnen, indem
man die mittlere Dehnung des Stahls εsm mit der Länge 2 ⋅ 𝑙t multipliziert. In der
gleichen Weise lässt sich die (etwas geringere) Verlängerung des Betons im
betrachteten Bereich berechnen. Der Unterschied der Verlängerungen von Stahl
und Beton entspricht gerade der Breite des Risses.

𝜀sm ∙ 2 ∙ 𝑙𝑡 = εcm ∙ 2 ∙ 𝑙𝑡 + 𝑤𝑘

→ 𝑤k = 2 ⋅ 𝑙t ⋅ (𝜀sm − 𝜀cm )

Steigert man die Normalkraft weiter, so erreicht man einen Zustand, in dem an
keiner Stelle mehr die Betondehnung und die Stahldehnung übereinstimmen.
Diesen Zustand bezeichnet man als abgeschlossenes Rissbild.

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F F

εs, εc

εsm

εcm
x

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Betrachtet man in diesem Zustand den gesamten Stab, so lässt sich die
Rissbreite wiederum mit Hilfe des Unterschiedes der Längenänderungen
berechnen. In diesem Fall handelt es sich um den Mittelwert der Rissbreiten
des gesamten Stabes.

Bezeichnet man den mittleren Rissabstand mit srm, so beträgt die Anzahl der
𝑙
Risse im gesamten Stab in guter Näherung .
𝑠rm

Bezüglich der Verlängerung des Stahls und der des Betons gilt dann
𝑙
εsm ∙ 𝑙 = εcm ∙ 𝑙 + 𝑤m ∙
𝑠rm

Löst man diese Gleichung nach wm auf, so ergibt sich


wm = 𝑠rm ⋅ (εsm − εcm )

Für den Rissabstand srm im abgeschlossenen Rissbild muss gelten


𝑠rm ≤ 2 ⋅ 𝑙t
Erklärung:
Ist der Abstand zwischen zwei Rissen größer als die doppelte Einleitungslänge 2 ⋅
𝑙t , so existiert zwischen den beiden Rissen noch ein Bereich, in dem gilt 𝜀s = 𝜀c . In
diesem Bereich kann somit noch ein weiterer Riss zum Erreichen des
abgeschlossenen Rissbildes entstehen. Der Rissabstand kann also höchstens
das Doppelte der Einleitungslänge betragen.

Die maximale Rissbreite im abgeschlossenen Rissbild ergibt sich somit für den
maximalen Rissabstand 2∙lt zu
wmax = 2 ∙ 𝑙t ⋅ (εsm − εcm )

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Zwischenergebnis:

Einzelrissbildung Abgeschlossenes Rissbild

Rissbreite Mittlere Rissbreite

𝑤k = 2 ∙ 𝑙t ∙ (𝜀sm − 𝜀cm ) 𝑤m = 𝑠rm ∙ (𝜀sm − 𝜀cm )

Rissabstand

𝑠rm ≤ 2 ∙ 𝑙t

Maximale Rissbreite

𝑤max = 𝑠r,max ∙ (𝜀sm − 𝜀cm )

𝑤max = 2 ∙ 𝑙t ∙ (𝜀sm − 𝜀cm )

Im Einzelrisszustand entspricht die Einleitungslänge 𝑙t dem Grundmaß der


Verankerungslänge.

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Verbundspannungen τsm

σsr2∙ As

σsr2∙ As

lt

Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2
𝑙t =
4 ⋅ 𝜏sm
Gemäß Model Code 1990 darf für die mittlere Verbundspannung angesetzt
werden:
𝜏sm = 1,8 ⋅ 𝑓ct,eff
Somit ergibt sich für die Einleitungslänge bei Einzelrissbildung:
Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2
𝑙t =
7,2 ⋅ 𝑓ct,eff
Im abgeschlossenen Rissbild muss berücksichtigt werden, dass Risse zum Teil
Sekundärrisse sind, bei denen nicht der gesamte Querschnitt sondern nur eine
Wirkungszone in der Nähe der Bewehrung reißt.

Man betrachtet deshalb modellhaft Ersatzstäbe, die im Bereich der Bewehrung


angeordnet sind und die die Höhe der Wirkungszone der Bewehrung – hc,ef –
haben.

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hc, eff

Ersatzstab Ac, eff

hc, eff

Für die Stahlkraft, die neben einem Sekundärriss wieder in den Beton eingeleitet
werden muss, gilt:
𝜎sr2 ∙ 𝐴s = 𝑓ct,eff ∙ 𝐴c,eff

𝑓ct,eff ∙ 𝐴c,eff
bzw 𝜎sr2 =
𝐴s

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Setzt man diese Beziehung in die bereits für lt erhaltene Beziehung


Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2
𝑙t =
4 ⋅ 𝜏sm
ein, so ergibt sich:
Ø𝑠 ∙ 𝑓ct,eff ∙ 𝐴c,eff
𝑙t =
4 ⋅ 𝐴s ∙ 𝜏sm
Ø𝑠 ∙ 𝑓ct, eff
𝑙t =
4 ⋅ 𝜌eff ∙ 𝜏sm
Wie bei Einzelrissbildung darf für die mittlere Verbundspannung angesetzt
werden:
𝜏sm = 1,8 ⋅ 𝑓ct,eff
Somit ergibt sich für die Einleitungslänge im abgeschlossenen Rissbild:
Ø𝑠
𝑙t =
7,2 ⋅ 𝜌eff

Die Betrachtung der beiden Zustände „Einzelrissbildung“ und „abgeschlossenes


Rissbild“ hat bis hierher somit Folgendes ergeben:

Einzelrissbildung Abgeschlossenes
Rissbild
Rissbreite: Maximale Rissbreite:
𝑤k = 2 ⋅ 𝑙t ⋅ (𝜀sm − 𝜀cm ) 𝑤max = 𝑠r,max ⋅ (𝜀sm − 𝜀cm )

Einleitungslänge lt Einleitungslänge lt
Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2 Ø𝑠
𝑙t = 𝑙t =
7,2 ⋅ 𝑓ct,eff 7,2 ⋅ 𝜌eff
Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2 Ø𝑠
2 ∙ 𝑙t = 2 ∙ 𝑙t =
3,6 ⋅ 𝑓ct,eff 3,6 ⋅ 𝜌eff

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Nun muss noch die Dehnungsdifferenz für die beiden Zustände betrachtet
werden.

Für den Einzelrisszustand betrachtet man wieder den Bereich der


Einleitungslänge um einen Riss. Es gilt:
𝜀sm − 𝜀cm = 𝜀sr2 − 𝑘t ∙ (𝜀sr2 − 𝜀sr1 ) − 𝑘t ∙ 𝜀ct

wk
εs 𝜀𝑠𝑟2
𝜀𝑠𝑚 = 𝜀𝑠𝑟2 − 𝑘𝑡 · (𝜀𝑠𝑟2 − 𝜀𝑠𝑟1 )

𝜀𝑐𝑚 = 𝑘𝑡 · 𝜀𝑐𝑡
εc

lt lt

Da im Einzelrisszustand gilt εsr1 = εct ergibt sich für den Dehnungsunterschied im


Einzelrisszustand
𝜎sr2
𝜀sm − 𝜀cm = 𝜀sr2 − 𝑘𝑡 ∙ 𝜀sr2 = 𝜀sr2 ∙ (1 − 𝑘𝑡 ) = ∙ (1 − 𝑘𝑡 )
𝐸s
Für langfristige Lasteinwirkung wird der Völligkeitsbeiwert kt zu 0,4 gesetzt:
𝜎𝑠𝑟2
𝜀sm − 𝜀cm = 0,6 ·
𝐸𝑠

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Für die Ermittlung der Dehnungsdifferenz εsm-εcm im abgeschlossenen Rissbild


betrachtet man den Bereich zwischen zwei Rissen, die im Abstand 2 ∙ 𝑙𝑡
voneinander liegen.

εsr2
εs
𝜀sm = 𝜀sr2 − 𝑘𝑡 ∙ (𝜀sr2 − 𝜀sr1 )
εsr1 = εct
𝜀cm = 𝑘𝑡 ∙ 𝜀ct
εc

lt lt

Für die mittlere Stahldehnung gilt:


𝜎sr2 − 𝑘t ∙ (𝜎sr2 − 𝜎sr1 )
𝜀sm = 𝜀sr2 − 𝑘t ∙ (𝜀sr2 − 𝜀sr1 ) =
𝐸s

Nach dem Entstehen eines Sekundärrisses muss der Stahl die gesamte Zugkraft
übernehmen. Es wird wieder das Modell des Ersatzstabes verwendet:
𝐹 𝜎sr1 ∙ 𝐴s + 𝑓ct,eff ∙ 𝐴c,eff 𝑓ct,eff
𝜎sr2 = = = 𝜎sr1 +
𝐴s 𝐴s 𝜌eff
Somit ergibt sich für die Spannungsdifferenz zwischen Zustand I und Zustand II
𝑓ct,eff 𝑓ct,eff
𝜎sr2 − 𝜎sr1 = 𝜎sr1 + − 𝜎sr1 =
𝜌eff 𝜌eff
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Für die mittlere Stahldehnung ergibt sich somit:


𝑓ct,eff
𝜎sr2 − 𝑘t ∙
𝜌eff
𝜀sm =
𝐸s

Für die mittlere Betondehnung gilt:


𝑓ct,eff
𝜀cm = 𝑘t ∙ 𝜀ct = 𝑘t ∙
𝐸c

Das Verhältnis der E-Moduln von Stahl und Beton bezeichnet man mit αe:

𝐸s 𝐸s
𝛼e = 𝐸c =
𝐸c 𝛼e

Somit ergibt sich:


𝑘t ∙ 𝑓ct,eff ∙ 𝛼𝑒
𝜀cm =
𝐸s

Aus der bisherigen Herleitung hat sich also für die mittlere Dehnungsdifferenz im
abgeschlossenen Rissbild ergeben:

𝑓ct,eff
𝜎sr2 −𝑘t ∙ 𝑘t ∙𝑓ct,eff ∙𝛼𝑒
𝜌eff
𝜀sm = 𝜀cm =
𝐸s 𝐸s

Somit kann man die mittlere Dehnungsdifferenz zwischen Stahl und Beton für das
abgeschlossene Rissbild ermitteln mit:
𝑓ct,eff
𝜎sr2 − 𝑘t ∙ ∙ (1 + 𝛼𝑒 ∙ 𝜌eff )
𝜌eff
𝜀sm − 𝜀cm =
𝐸s

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In diesen Gleichungen ist:


σsr2 =die Spannung in der Zugbewehrung unter Annahme eines
gerissenen Querschnitts

kt = der Faktor, der von der Dauer der Lasteinwirkung abhängt,


kt= 0,4 bei langfristiger Lasteinwirkung

𝛼𝑒 = Verhältnis der Elastizitätsmodule 𝐸𝑠 ⁄𝐸𝑐𝑚


𝜌𝑒𝑓𝑓 = effektiver Bewehrungsgrad 𝐴𝑠 ⁄𝐴𝑐,𝑒𝑓𝑓 ; Ac,eff = hc,eff ·b

Für langfristige Lasteinwirkung gilt wieder kt = 0,4


𝑓ct,eff
𝜎sr2 − 0,4 ∙ ∙ (1 + 𝛼𝑒 ∙ 𝜌eff )
𝜌eff
𝜀sm − 𝜀cm =
𝐸s
Insgesamt ergibt sich somit die folgende Beziehung zur Berechnung der
Rissbreite:

𝑤max = 𝑠r,max ⋅ (𝜀sm − 𝜀cm )

Ø𝑠
mit 𝑠r,max = (für abgeschlossene Rissbildung)
3,6 ⋅ 𝜌eff

Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2 (für Einzelrissbildung)


𝑠r,max =
3,6 ⋅ 𝑓ct,eff
und
𝑓ct,eff
𝜎sr2 − 0,4 ⋅ ⋅ (1 + 𝛼e ⋅ 𝜌eff )
𝜌eff (für abgeschlossene Rissbildung)
𝜀sm − 𝜀cm =
𝐸s

𝜎sr2 (für Einzelrissbildung)


𝜀sm − 𝜀cm = 0,6 ∙
𝐸s

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Bild 7.1 - Wirkungsbereich der Bewehrung (typische Fälle)

Ac,eff . ist die Betonfläche um die Zugbewehrung mit der Höhe hc,ef

ℎ−𝑥
ℎ𝑐,𝑒𝑓𝑓 = 2,5 ⋅ 𝑑1 ≤ für biegebeanspruchte Bauteile
3

≤ für zugbeanspruchte Bauteile
2
mit: 𝑥-Druckzonenhöhe im Zustand I

Allerdings gilt der Ansatz für den Wirkungsbereich der Bewehrung 𝐴𝑐,𝑒𝑓𝑓 mit 2,5 ⋅
𝑑1 nur für eine konzentrierte Bewehrungsanordnung und dünne Bauteile die unter
ℎ ℎ
Biegebeanspruchung mit ≤ 10 und für zugbeanspruchte Bauteile mit ≤ 5.
ℎ−𝑑 ℎ−𝑑
Bei dicken Bauteilen kann der Wirkungsberiech bis auf 5 ⋅ 𝑑1 anwachsen. Siehe

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Bild 7.1.d für biegebeanspruchte und 7.1.e für zugbeanspruchte Bauteile.

Bild NA.7.1d) für biegebeanspruchte Bauteile Bild 7.1.e) für zugbeanspruchte Bauteile

Wenn die Bewehrung nicht innerhalb des Grenzbereiches (h - x) / 3 liegt, sollte


dieser auf (h - x) / 2 vergrößert werden.

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1.1.2 Begrenzung der Rissbreite ohne direkte Berechnung

Auf Seite 18 hatten wir gezeigt, dass für den Zustand der Einzelrissbildung
Folgendes gilt:
𝑤max = 𝑠r,max ⋅ (𝜀sm − 𝜀cm )
mit
Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2
𝑠r,max =
3,6 ⋅ 𝑓ct,eff
für Einzelrissbildung
𝜎sr2
𝜀sm − 𝜀cm = 0,6 ∙
𝐸s
Somit gilt für diesen Zustand
Ø𝑠 ∙ 𝜎sr2 𝜎sr2 𝜎sr2 2 ∙ Ø𝑠
𝑤max = ⋅ 0,6 ∙ =
3,6 ⋅ 𝑓ct,eff 𝐸s 6 ⋅ 𝑓ct,eff ⋅ 𝐸s

Für üblichen Betonstahl kann der Elastizitätsmodul festgelegt werden zu


Es=200.000 N/mm².
Die Betonzugfestigkeit wird gewählt mit
fct,eff = 2,9N/mm²

Mit diesen Festlegungen ergibt sich für die Rissbreite die Beziehung
𝜎sr2 2 ∙ Ø𝑠
𝑤max =
3,48 ∙ 106
Löst man diese Beziehung nach der Stahlspannung auf, so ergibt sich

3,48 ∙ 106
𝜎sr2 = √𝑤k ∙
Ø𝑠

Mit dieser Beziehung liegt ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der


Stahlspannung 𝜎sr2 , der Rissbreite wmax und dem Stabdurchmesser Ø𝑠 vor.

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Bei gegebener zulässiger Rissbreite lässt sich nun

- für eine gegebene Stahlspannung ein Grenzdurchmesser oder


- für einen gegebenen Stabdurchmesser eine maximal zulässige
Stahlspannung

aus Tabelle 7.2 DE der DIN EN1992-1-1 ablesen und so der Nachweis der
Einhaltung der zulässigen Rissbreite führen.

Wenn die Betonzugfestigkeit geringer als fct,eff = 2,9 MN/m² ist, so muss der
Grenzdurchmesser im Verhältnis 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⁄2,9 modifiziert werden.
Zusätzlich darf der Grenzdurchmesser in Abhängigkeit von der Bauteilhöhe
modifiziert werden.

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Bei Lastbeanspruchung gilt


∗ 𝜎𝑠𝑟2 ⋅ 𝐴𝑠 ∗ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓
Ø𝑠 = Ø𝑠 ⋅ ≥ Ø𝑠 ⋅
4 ⋅ (ℎ − 𝑑) ⋅ 𝑏 · 2,9 2,9

bei Zwangbeanspruchung für Biegung


∗ 𝑘𝑐 ⋅ 𝑘 ⋅ ℎ𝑐𝑟 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ∗ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓
Ø𝑠 = Ø𝑠 ⋅ ≥ Ø𝑠 ⋅
4 ⋅ (ℎ − 𝑑) ⋅ 2,9 𝑓𝑐𝑡,0

bei Zwangbeanspruchung für zentrischen Zug


∗ 𝑘𝑐 ⋅ 𝑘 ⋅ ℎ𝑐𝑟 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ∗ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓
Ø𝑠 = Ø𝑠 ⋅ ≥ Ø𝑠 ⋅
8 ⋅ (ℎ − 𝑑) ⋅ 2,9 𝑓𝑐𝑡,0

mit Ø𝑠 = der modifizierte Durchmesser



Ø𝑠 = Grenzdurchmesser zur Ablesung aus Tab. 7.2DE
ℎ𝑐𝑟 = Höhe der Zugzone im Querschnitt im Zustand I unter
quasi ständiger Einwirkungskombination
d = die statische Nutzhöhe bis zum Schwerpunkt der
außenliegenden Bewehrung

In gleicher Weise kann man für einlagige Bewehrung einen Zusammenhang


zwischen Stababstand, Rissbreite und Stahlspannung aufstellen.

Stahlspannung Höchstwerte der Stababstände [mm]


2
[N/mm ] wk=0,4 mm wk=0,3 mm wk=0,2 mm
160 300 300 200
200 300 250 150
240 250 200 100
280 200 150 50
320 150 100 -
360 100 50 -
Tabelle 7.3N Höchstwerte der Stababstände zur Begrenzung der Rissbrelten

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Beispiel 1 Begrenzung der Rissbreiten mit und ohne direkte Berechnung

System:

g,q

10,0 [m]

Querschnitt:
Aso
50,0[cm]
• b/h/d : 30/50/43
• 𝐴𝑠𝑜 = 5∅20
• 𝐴𝑠𝑢 = 2∅25 Asu

30,0[cm]
Baustoffe:
• Beton: C35/45
• Betonstahl: B 500

Expositionsklassen:
• XC4 X03 und XF4 (Feucht mit Frost und Taumittel)

Belastung:
• Ständige Einwirkungen:
g1,k= Eigengewicht
g2,k= 6,00 kN/m Ausbaulast
• Veränderliche Einwirkungen
q1,k= 10,00 kN/m (Nutzlast Parkhaus)

a.) Ermittlung der Bemessungsmomente unter der seltenen und quasi-ständigen


Einwirkungskombination
b.) Überprüfung des Bauteilzustandes unter der seltenen Einwirkungskombination
c.) Ermittlung der vorhandenen Stahlspannungen unter der quasi-ständigen
Einwirkungskombination
d.) Direkte Berechnung der Rissbreiten
e.) Begrenzung der Rissbreiten ohne direkte Berechnung

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1.1.3 Nachweis der Mindestbewehrung (DIN EN 1992-1-1;. 7.3.2)

Zur Aufnahme von Zwangeinwirkungen ist immer eine Mindestbewehrung


anzuordnen. Diese muss so bemessen sein, dass sie in der Lage ist, die im
Zustand I im Beton vorhanden Zugkräfte beim Übergang in den Zustand II zu
übernehmen.

Es werden die beiden Grenzfälle „zentrischer Zwang“ und „Biegezwang“


betrachtet.

Zentrischer Zwang:
Zustand I

< 𝐹𝑐𝑟

Bei Erreichen der Risskraft Fcr Übergang in den Zustand II:

𝐹 = 𝐹𝑐𝑟

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Risskraft:
𝐹𝑐𝑟 = 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅ 𝐴𝑐𝑡
→ erforderliche Bewehrung:
𝐹𝑐𝑟 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅ 𝐴𝑐𝑡 𝐼
𝑒𝑟𝑓𝐴𝑠 = =
𝜎𝑠𝑟2 𝜎𝑠𝑟2

Man führt einen Beiwert kc ein, der die Spannungsverteilung erfasst, um eine
allgemeine Formel für verschiedene Belastungsarten zu erhalten.
𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅ 𝐴𝑐𝑡 𝐼
→ 𝑒𝑟𝑓𝐴𝑠 = 𝑘𝑐 ⋅
𝜎𝑠𝑟2
Mit kc = 1,0 für zentrischen Zug

Biegezwang:

𝑀 < 𝑀𝑐𝑟

Bei Erreichen des Rissmomentes Mcr erfolgt der Übergang in den Zustand II:

𝑀 = 𝑀𝑐𝑟

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𝑀𝑐𝑟 = 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅ 𝑤𝑐 = 𝐴𝑠 ⋅ 𝜎𝑠𝑟2 ⋅ 𝑧 𝐼𝐼


𝑤𝑐 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓
→ 𝑒𝑟𝑓𝐴𝑠 =
𝜎𝑠𝑟2 ⋅ 𝑧 𝐼𝐼

Für Rechteckquerschnitte gilt:


𝑧 𝐼𝐼 ≈ 0,85 ⋅ ℎ
und
𝑏 ⋅ ℎ² ℎ ℎ ℎ
𝑤𝑐 = = 𝐴𝐶 ⋅ = 2 ⋅ 𝐴𝑐𝑡 𝐼 ⋅ = 𝐴𝑐𝑡 𝐼 ⋅
6 6 6 3

𝐴𝑐𝑡 𝐼 ⋅ ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 𝐴𝑐𝑡 𝐼 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓
→ 𝑒𝑟𝑓𝐴𝑠 = 3 = 0,4 ⋅
𝜎𝑠𝑟2 ⋅ 0,85 ⋅ ℎ 𝜎𝑠𝑟2

Der Beiwert kc ist für Biegezwang somit 0,4!

Für die Berechnung der Mindestbewehrung für Zwang gemäß


DIN EN 1992-1-1 führt man noch einen Faktor k ein, der den Effekt der
Eigenspannungen erfasst.

Eigenspannungen entstehen, wenn sich beispielsweise aufgrund nichtlinearer


über den Querschnitt verteilter Temperatur eine nichtlineare Dehnungsverteilung
einstellen will. Die Eigenspannungen zwingen in diesem Fall die
Querschnittsfasern auf die lineare Dehnungsverteilung zurück (→ Bernoulli-
Hypothese)

Eigenspannungen bewirken feine Risse und somit eine „Vorschädigung“ des


Querschnittes. Sie reduzieren somit den auftretenden Zwang.

Somit ermittelt man die Mindestbewehrung mit:

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𝐴𝑐𝑡
𝐴𝑠,𝑚𝑖𝑛 = 𝑘𝑐 ⋅ 𝑘 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅
𝜎𝑠
kc :Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses der Spannungsverteilung
innerhalb des Querschnitts vor der Erstrissbildung sowie der Änderung des
inneren Hebelarmes:

𝜎𝑐
mit 𝑘𝑐 = 0,4 ⋅ [1 − ℎ ] bei Rechteckquerschnitten und Stegen von
𝑘1 ⋅( ∗ )⋅𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓
ℎ Hohlkästen oder T-Querschnitten

𝐹𝑐𝑟
mit 𝑘𝑐 = 0,9 ⋅ ≥ 0,5 bei Gurten von Hohlkästen- oder
𝐴𝑐𝑡 ⋅𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓
T-Querschnitten

𝜎𝑐 Betonspannung in Höhe der Schwerlinie des


(Teil-)Querschnittes im ungerissenen Zustand
k1 Beiwert zur Berücksichtigung der Auswirkungen der Normalkräfte auf die
Spannungsverteilung
k1 = 1,5 für die Drucknormalkraft
k1 = 2 h* /(3h) für die Zugnormalkraft

h* h* = h für h < 1,0 m


h* = 1,0 für h ≥ 1,0 m

k Beiwert zur Berücksichtigung von nichtlinear verteilten


Eigenspannungen, die zum Abbau von Zwang führen
k = 0,8 für h ≤ 300 mm
} bei direktem Zwang!
k = 0,5 für h ≥ 800 mm
Zwischenwerte werden interpoliert!

𝑘 = 1,0 𝑓ü𝑟 𝑖𝑛𝑑𝑖𝑟𝑒𝑘𝑡𝑒𝑛 𝑍𝑤𝑎𝑛𝑔


Direkter Zwang: Ursache und Auswirkung liegen im selben Bauteil
Indirekter Zwang: Ursache und Auswirkung liegen nicht im selben Bauteil

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Fcr der Absolutwert der Zugkraft im Gurt unmittelbar vor Rissbildung


infolge des mit fct,eff berechneten Rissmoments
fct,eff:
Der Mittelwert der wirksamen Zugfestigkeit des Betons fctm, der beim Auftreten
der Risse zu erwarten ist. Dabei sollte für fct,eff mindestens eine Zugfestigkeit fctm ≥
3 N/mm2 angenommen werden.
Wenn der Abschluss der Rissbildung mit Sicherheit innerhalb der ersten 28 Tage
festgelegt werden kann, darf ein niedrigerer Wert mit fctm(t) angesetzt werden.
Falls ein niedrigerer Wert fctm(t) angesetzt wird, ist dieser durch Hinweis in der
Baubeschreibung, der Ausschreibung und auf den Ausführungsunterlagen dem
Bauausführenden rechtzeitig mitzuteilen, damit dies bei der Festlegung des
Betons berücksichtigt werden kann.
Wenn nach sorgfältiger Abwägung aller Beteiligten eine geringere
Betonzugfestigkeit als 1,0 ∙ 𝑓𝑐𝑡𝑚 für die Ermittlung der Mindestbewehrung
verwendet werden soll, so können folgende Zugfestigkeiten als Anhaltswerte
angesetzt werden:
S 1 2 3 4 5
Z Festigkeitsentwicklung Bauteildicke h
des Betons ≤ 0,30𝑚 ≤ 0,80𝑚 ≤ 2,0𝑚 > 2,0𝑚
1 langsam (𝑟 < 0,30) 1)2)
−3) 0,60𝑓𝑐𝑡𝑚 0,70𝑓𝑐𝑡𝑚 4) 0,80𝑓𝑐𝑡𝑚 4)
2 mittel (𝑟 < 0,50)1) 0,65𝑓𝑐𝑡𝑚 0,75𝑓𝑐𝑡𝑚 0,85𝑓𝑐𝑡𝑚 0,95𝑓𝑐𝑡𝑚
3 schnell (𝑟 ≥ 0,50) 1) 0,80𝑓𝑐𝑡𝑚 0,90𝑓𝑐𝑡𝑚 1,0𝑓𝑐𝑡𝑚 1,00𝑓𝑐𝑡𝑚
1) Die Festigkeitsentwicklung des Betons wird durch das Verhältnis 𝑟 = 𝑓𝑐𝑚 (2𝑑)/𝑓𝑐𝑚 (28𝑑) beschrieben, das bei
der Eignungsprüfung oder auf der Grundlage eines bekannten Verhältnisses von Beton vergleichbarer
Zusammensetzung (d. h. gleicher Zement, gleicher w/z-Wert) ermittelt wurde.
Wird bei besonderen Anwendungen die Druckfestigkeit zu einem späteren Zeitpunkt 𝑡 > 28 Tage bestimmt, ist
das Verhältnis der mittleren Druckfestigkeit nach 2 Tagen 𝑓𝑐𝑚 (2𝑑) zur mittleren Druckfestigkeit zum Zeitpunkt der
Bestimmung der Druckfestigkeit 𝑓𝑐𝑚 (𝑡) zu ermitteln oder es ist vom Betonhersteller eine
Festigkeitsentwicklungskurve bei 20°𝐶 zwischen 2 Tagen und dem Zeitpunkt der Bestimmung der Druckfestigkeit
anzugeben.
2) Bei Festigkeitsklassen ≥ 𝐶30/37 ist es i. d. R. nicht möglich, das Festigkeitsverhältnis 𝑟 < 0,30 bezogen auf 28
Tage zu begrenzen. In diesen Fällen ist es erforderlich, den Zeitpunkt des Nachweises der Festigkeitsklasse auf
einen späteren Zeitpunkt (z. B. 56 Tage) zu vereinbaren.
3) Die Auslegung der Bewehrung bei dünnen Bauteilen auf eine langsame Festigkeitsentwicklung ist nicht
sinnvoll. Es sollte grundsätzlich mindestens eine mittlere Festigkeitsentwicklung angenommen werden.

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4) Der empfohlene Anhaltswert für massige Bauteile ist erst bei der Verwendung von langsam erhärtenden
Betonen mit einem Prüfalter von 91 Tagen zu erwarten.

Für dicke Bauteile darf die Mindestbewehrung unter Ansatz einer effektiv
wirksamen Randzone ermittelt werden.

Es gilt:
𝐴𝑐,𝑒𝑓𝑓
𝐴𝑠,𝑚𝑖𝑛 = 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 · mit: 𝐴𝑐,𝑒𝑓𝑓 = 𝑏 · ℎ𝑒𝑓𝑓
𝜎𝑠
Jedoch muss in jedem Fall gelten

𝐴𝑐𝑡
𝐴𝑠,𝑚𝑖𝑛 ≥ 𝑘 · 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ·
𝑓𝑦𝑘

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Beispiel 2 Mindestbewehrung für zentrischen Zwang

Der dargestellte Stahlbetonbalken ist an beiden Enden unverschieblich gehalten.


Durch Abfließen der Hydrationswärme entsteht eine zentrische
Zwangbeanspruchung. Es soll untersucht werden, ob mit der vorhandenen
Bewehrung von je 3 Ø 20 oben und unten die Mindestbewehrung für Zwang
eingehalten ist.
System:

Querschnitt:

Betonfestigkeitsklasse:
C30/37
Expositionsklasse:
XC1

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Beispiel 3 Mindestbewehrung für Biegezwang

Ein Balken mit dem unten dargestellten Querschnitt ist einer indirekten
Beanspruchung aus Biegezwang ausgesetzt. Es soll die erforderliche
Mindestbewehrung ermittelt werden, wobei als Bewehrung Stäbe mit ∅ = 8 mm
verwendet werden sollen.

Querschnitt:

Betonfestigkeitsklasse:
C30/37
Expositionsklasse:
XC1
𝑑1 = (ℎ – 𝑑) = 4 cm

a.) Mindestbewehrung für den Teilquerschnitt Gurt


b.) Mindestbewehrung für den Teilquerschnitt Steg

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1.2 Realistische Abschätzung der Zwangspannungen

Bisher wurde die Mindestbewehrung ermittelt, indem die theoretisch maximal


mögliche Zwangbeanspruchung ermittelt und dafür die erforderliche Bewehrung
gewählt wurde.

Die theoretisch maximale Zwangbeanspruchung, die sich bei zentrischem Zug


aufbauen kann, beträgt:
𝑁𝑟𝑒 = 𝑘𝑐 ⋅ 𝑘 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅ 𝐴𝑐𝑡 mit: 𝑘𝑐 = 1,0

Im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtung sollte jedoch überprüft werden, ob


diese maximale Zwangkraft überhaupt entstehen kann.

Bauteile, bei denen die Zwangkraft aus wirtschaftlichen Gründen genauer


abgeschätzt werden sollte, sind

− Bodenplatten
− Aufgehende Wände auf fertiggestellten Fundamenten

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1.2.1 Bodenplatten

Könnte sich die Bodenplatte frei verformen, so entstünde keinerlei


Zwangbeanspruchung. Die Zwangbeanspruchung entsteht nur durch die Reibung
der Bodenplatten auf dem Baugrund (sofern keine Vertiefungen vorhanden sind!).
Somit kann die Zwangbeanspruchung auch nicht größer sein als die
Reibungskraft.

𝑁𝑟𝑒,𝑚𝑎𝑥 = 𝑉 ⋅ 𝜇 ⋅ 𝑙 ′

mit l´ = l/2
𝑉 = Bauwerkslast zum Zeitpunkt des Auftretens der Zwang-
beanspruchung (z. B. Eigengewicht der Bodenplatte)
𝜇 = Reibungsbeiwert

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Durch die Wahl von Betonierabschnitten lässt sich die auftretende


Zwangbeanspruchung gezielt steuern.

1. Betonierabschnitt: 𝑁𝑟𝑒,𝑚𝑎𝑥 = 𝑉 ⋅ 𝜇 ⋅ 𝑙 ⁄4 = 𝜌 ⋅ ℎ ⋅ 𝜇 ⋅ 𝑙 ⁄4

2. Betonierabschnitt: 𝑁𝑟𝑒,𝑚𝑎𝑥 = 𝜌 ⋅ ℎ ⋅ 𝜇 ⋅ 𝑙 ⁄4

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Beispiel 4 Bodenplatte unter Zwangbeanspruchung infolge abfließender


Hydratationswärme

System:

ly=12,30

[m]

lx=27,30

Schnitt:

h=0,60
[m]

Baustoffe:
• Beton C30/37
• Betonstahl: B 500

Annahme: Die Bemessung im Grenzzustand der Tragfähigkeit wurde bereits durchgeführt. Die
hierfür gewählte Bewehrung beträgt:
asx = asy = 11,31 cm²/m (oben + unten Ø 12/10)

a.) Ermitteln Sie die Zwangkraft gemäß EC2 7.3.2


b.) Schätzen Sie die Zwangkraft über das Reibungsmodell ab (innerer Reibungswinkel des
Bodens: 𝑐𝑎𝑙 𝜑´ = 32,5°).
c.) Führen Sie den Rissbreitennachweis über die direkte Berechnung der Rissbreite durch
(max 𝑤 = 0,15 mm gemäß WU-Richtlinie).

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1.2.2 Aufgehende Wände auf vorab fertiggestellten Fundamenten

Bei Wänden, die auf vorab fertiggestellten Fundamenten hergestellt werden, wird
die freie Verformung durch das bereits erhärtete Fundament behindert.
• Am Wandfuß ist die Verformung vollständig behindert
• Im oberen Wandbereich hängt die Größe der Zwangbeanspruchung vom
Verhältnis l/h der Wand ab

l/h ≤ 2 l/h > 8

Bei langen Wänden entsteht im oberen Wandbereich infolge des Abfließens der
Hydratationswärme eine hohe Zugbeanspruchung.

Bei kurzen Wänden entsteht im oberen Bereich nur eine geringe


Zugbeanspruchung (oder sogar eine Druckbeanspruchung).

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Für die Zwangbemessung werden daher 3 Bereiche unterschieden:

ℎ3

ℎ ℎ2

ℎ1

Bereich h1: Die Verformung wird durch das Fundament vollständig behindert. Es
wird keine Bewehrung benötigt, um die Risse infolge Zwang zu verteilen („das
Fundament verteilt die Risse“!)
𝑤𝑐𝑎𝑙
ℎ1 = 0,6 ⋅
𝛼𝑡 ⋅Δ𝑇

Es wird in diesem Bereich eine Bewehrung für Biegezwang angeordnet.

𝐴𝑐𝑡
𝐴𝑆 = 0,4 ⋅ 𝑘 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅
𝜎𝑠

Bereich h2: In diesem Bereich entsteht die volle Zwangspannung. Die Rissbreite
muss durch die Bewehrung begrenzt werden, die für zentrischen Zwang
bemessen wird.
𝐴𝑐𝑡
𝐴𝑆 = 1,0 ⋅ 𝑘 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅
𝜎𝑠

Bereich h3: In diesem Bereich wird die Verformung kaum behindert. Die
Betonspannung ist kleiner als die Betonzugfestigkeit.
Die Höhe h1+h2 und damit auch h3 = h - (h1+h2) wird gemäß Heft 466 ermittelt.
Es wird eine Bewehrung für Biegezwang angeordnet.
𝐴𝑐𝑡
𝐴𝑆 = 0,4 ⋅ 𝑘 ⋅ 𝑓𝑐𝑡,𝑒𝑓𝑓 ⋅
𝜎𝑠

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Beispiel 5 Wand unter Zwangsbeanspruchung infolge abfließender


Hydratationswärme (Dehnungsbehinderung durch Fundament)

System:

0,24

3,00

0,60

[m]
0,30

Baustoffe:
• Beton: C30/37
• Betonstahl B500 ∅𝑠 = 10 mm

Kelleraußenwand (𝑏 = 0,3 m, 𝑑 = 0,25 m) durch Fuge in Abschnitte von 𝑙 = 6,0 m unterteilt.


Angestrebte Rissbreite: 𝑤𝑘 = 0,2 mm

a.) Ermittlung der Teilhöhen ℎ1 , ℎ2 und ℎ3 .


b.) Ermittlung der Mindestbewehrung für Zwang über die Begrenzung der Rissbreiten ohne
direkte Berechnung.

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1.3 Begrenzung der Spannungen

Hohe Stahlspannungen führen zu breiten Rissen; hohe Betondruckspannungen


führen ggf. zu Rissen parallel zur Druckrichtung. Daher sind Spannungen im
Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zu begrenzen.

Betondruckspannungen: Für Expositionsklassen XD, XF oder XS:


|𝜎𝑐 | ≤ 0,6 ⋅ 𝑓𝑐𝑘 für die seltene Einwirkungskombination

Alternativ: Betondeckung erhöhen oder Bügel im Abstand ≤ 12 Øsl einlegen


(Umschnürungswirkung)

Wenn Kriechverformungen relevant sind, gilt für die Gebrauchstauglichkeit,


Tragfähigkeit oder Dauerhaftigkeit: |𝜎𝑐 | ≤ 0,45 ⋅ 𝑓𝑐𝑘 für die quasi- ständige
Einwirkungskombination.

Stahlspannung (Betonstahl):
Unter Last |𝜎𝑠 | ≤ 0,8 ⋅ 𝑓𝑦𝑘 für die seltene Einwirkungskombination
Unter Zwang |𝜎𝑠 | ≤ 1,0 ⋅ 𝑓𝑦𝑘
Für Spannstahl siehe Vorschriften gemäß Vorlesung „Spannbetonbau“.

Die Nachweise der Spannungen können entfallen für nicht vorgespannte


Tragwerke des üblichen Hochbaus, wenn gilt, dass

− die Schnittgrößen nach Elastizitätstheorie um nicht mehr als 15%


umgelagert werden und
− die Durchbildung nach Kapitel 9. der DIN EN 1992-1-1 durchgeführt wurde.
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1.4 Begrenzung der Verformungen

Vereinfachter Nachweis durch Begrenzung der Biegeschlankheit


3
𝜌0 𝜌0 2
𝑙/𝑑 = 𝐾 ∙ [11 + 1,5√𝑓𝑐𝑘 + 3,2 ∙ √𝑓𝑐𝑘 ( − 1) ] wenn 𝜌 ≤ 𝜌0
𝜌 𝜌

bzw.
𝜌 1 𝜌´
𝑙/𝑑 = 𝐾 ∙ [11 + 1,5√𝑓𝑐𝑘 0 + ∙ √𝑓𝑐𝑘 √ ] wenn 𝜌 ≥ 𝜌0 .
𝜌−𝜌´ 12 𝜌0

Hierbei sollten die Biegeschlankheiten allgemein auf die Maximalwerte


l / d ≤ K ∙ 35
und bei Bauteilen, die verformungsempfindliche Ausbauelemente beeinträchtigen
können, auf
l / d ≤ K² ⋅ 150 / l
begrenzt werden.

Kann der Nachweis zur Begrenzung der Verformungen nicht über die Begrenzung
der Biegeschlankheit erbracht werden, so ist die Durchbiegung zu berechnen.

Generell ist zwischen der „Durchbiegung“ und dem „Durchhang“ zu


unterscheiden.

Der Durchhang ist auf 𝑙 ⁄250 zu begrenzen.


Wenn Schäden an angrenzenden Bauteilen auftreten können
(verformungsempfindliche Trennwände)
→ Durchbiegung (nach dem Einbau der verformungsempfindlichen Trennwände)
begrenzen auf 𝑙 ⁄500.

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1.4.1 Berechnung der Durchbiegung

Ist die Biegesteifigkeit E ∙ I über die Trägerlänge konstant, dann ist die Krümmung
1 𝑀
𝜒= =
𝑟 𝐸∙𝐼
affin zur Biegemomentenlinie M(x). In diesem Fall lässt sich die maximale
1
Durchbiegung ermitteln, indem man die Krümmung nur an der Stelle des
r

maximalen Biegemomentes berechnet. Die Durchbiegung ermittelt man dann mit:


1
f = k ∙ ∙ l2
r
wobei der Faktor k den Verlauf der Biegemomentenlinie berücksichtigt.
5 1
z.B. f= ∙ ∙ l2 für Einfeldträger unter Gleichlast
48 r

Im Stahlbetonbau ist die Biegesteifigkeit im Allgemeinen nicht konstant über die


Trägerlänge, da Teilbereiche des Bauteils im Zustand I verbleiben und andere
sich im Zustand II befinden. Um dieses Verhalten zu berücksichtigen und
dennoch vereinfachend mit einer konstanten Biegesteifigkeit rechnen zu können,
wird ein mittlerer Krümmungsverlauf angenommen, der zwischen dem
Krümmungsverlauf des reinen Zustands I und dem Krümmungsverlauf des reinen
Zustands II liegt.
1
In die Gleichung für f wird dann der Wert ( ) eingesetzt, der sich für den fiktiven
r m

Krümmungsverlauf an der Stelle des maximalen Momentes ergibt.


1
( ) erhält man mit:
r m

1 1 1
( ) = 𝜁 ∙ ( ) + (1 − 𝜁 ) ∙ ( )
𝑟 𝑚 𝑟 𝐼𝐼 𝑟 𝐼

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Wobei ζ der Rissverteilungsbeiwert ist, der angibt, welcher Anteil des Bauteils sich
in Zustand II und welcher Anteil sich in Zustand I befindet.
Er wird ermittelt mit:
𝜎𝑠,𝑐𝑟 2 𝑀𝑐𝑟 2
𝜁 =1−𝛽∙( ) =1−𝛽∙( )
𝜎𝑠 𝑀

β ist für Dauerbelastung mit 0,5 anzusetzen.

Obwohl die Durchbiegung selbst für die quasi-ständige Einwirkungskombination


berechnet wird, wird der Rissverteilungsbeiwert ζ mit der seltenen
Einwirkungskombination ermittelt.
1 1
( ) und ( ) werden jeweils für „Last + Kriechen“ und „Schwinden“ berechnet.
r II r I

1 1 1
( ) =( ) +( )
𝑟 𝐼 𝑟 𝐼,𝐿𝑎𝑠𝑡+𝐾𝑟𝑖𝑒𝑐ℎ𝑒𝑛 𝑟 𝐼,𝑆𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑒𝑛
1 1 1
( ) =( ) +( )
𝑟 𝐼𝐼 𝑟 𝐼𝐼,𝐿𝑎𝑠𝑡+𝐾𝑟𝑖𝑒𝑐ℎ𝑒𝑛 𝑟 𝐼𝐼,𝑆𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑒𝑛

1 1
Zur Berücksichtigung des Kriechens werden ( ) und ( )
r I,Last+Kriechen r II,Last+Kriechen

jeweils unter Berücksichtigung eines reduzierten E-Moduls Ec,eff ermittelt:


𝐸𝑐𝑚
𝐸𝑐,𝑒𝑓𝑓 =
1 + 𝜑(∞, 𝑡0 )
𝜀𝑐𝑠

zs 𝐹𝑠

Infolge Schwinden des Betons entsteht im Stahl eine Kraft:

𝐹𝑠 = 𝜀𝑐𝑠 ∙ 𝐸𝑠 ∙ 𝐴𝑠
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Es entsteht ein Moment:

𝑀𝑠 = 𝜀𝑐𝑠 ∙ 𝐸𝑠 ∙ 𝐴𝑠 ∙ 𝑧𝑠

Man erhält also infolge Schwinden die Krümmung:

1 𝑀𝑠 𝜀𝑐𝑠 ∙ 𝐸𝑠 ∙ 𝐴𝑠 ∙ 𝑧𝑠
( ) = =
𝑟 𝐼,𝑆𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑒𝑛 𝐸𝑐,𝑒𝑓𝑓 ∙ 𝐼 𝐸𝑐,𝑒𝑓𝑓 ∙ 𝐼

𝜀𝑐𝑠 ∙ 𝛼𝑒 ∙ 𝐴𝑠 ∙ 𝑧𝑠 𝜀𝑐𝑠 ∙ 𝛼𝑒 ∙ 𝑆
= =
𝐼 𝐼

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Beispiel 6 Durchbiegungsberechnung

System:

g,q

[m]
5,25

Für die dargestellte Einfeldplatte die durch verformungsempfindliche Trennwände


belastet wird, ist der wahrscheinliche Wert der Durchbiegung zu berechnen:

Es handelt sich um ein Innenbauteil mit trockenen Umgebungsbedingungen (50%


relative Luftfeuchte). Der Zeitpunkt der Erstbelastung ist nach 28 Tagen
vorgesehen. Es wird Zement der Festigkeitsklasse 32,5 N verwendet.

Querschnitt:

17
[cm]
3

Baustoffe:
• Beton: C30/37
• Betonstahl: B 500

Bewehrung:
• as,erf = 8,1 cm²/m as,vorh = 11,3 cm²/m

Einwirkungen:
• g,k = 6,5 kN/m q,k = 5,0 kN/m , ψ2 = 0,3

a) Überprüfung des Bauteilzustandes und Berechnung des


Rissverteilungsbeiwertes
b) Ermittlung der Krümmung im Zustand I
c) Ermittlung der Krümmung im Zustand II
d) Überprüfung der Zulässigkeit der Durchbiegung

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2 Wände und wandartige Träger

2.1 Wände

Wände sind flächige Bauteile, deren größere Querschnittsabmessung das


Vierfache der kleineren übersteigt. Sie sind kontinuierlich gestützt.

Tabelle NA.9.3 - Mindestwanddicken für tragende Stahlbetonwände

mit Decken
Wandkonstruktion
nicht durchlaufend durchlaufend

Ortbeton 120 mm 100 mm


≥ C16/20
Fertigteil 100 mm 80mm

Es gelten die Mindestwanddicken gemäß Tabelle NA.9.3. Diese


Mindestwanddicken sollten im Allgemeinen nicht ausgenutzt werden!
➔ Betonierbarkeit! (Ortbeton: 20 cm)

Im Allgemeinen sind Wände in ihrer Ebene belastet. Andernfalls sind sie wie
Platten zu behandeln (z.B. erddruckbelastete Kellerwände).

Die Bemessung bewehrter Wände erfolgt wie für Stützen (für 1 m Länge). Bei
schlanken Wänden müssen wie für Stützen die Schnittgrößen nach Theorie II.
Ordnung berücksichtigt werden.

→ Verfahren mit Nennkrümmung (Modellstützenverfahren)

Die Schlankheit wird hierbei wie folgt ermittelt:


𝑙𝑜 𝑙𝑜 𝛽 ⋅ 𝑙𝑤
𝜆= = =
𝑖 0,289 ⋅ ℎ𝑤 0,289 ⋅ ℎ𝑤
Bei der Berechnung der Beiwerte β ist zu beachten, dass die Wand zwei-, drei-
oder vierseitig gehalten sein kann:

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Tabelle 12.1 - Werte tür ß bei verschiedenen Randbedingungen

A Deckenplatte B Freier Rand C Querwand

Den Angaben in Tabelle 12.1 liegt zugrunde, dass die Wand keine Öffnung
aufweist, deren Höhe 1/3 der lichten Wandhöhe 𝑙𝑤 oder deren Fläche 1/10 der
Wandfläche überschreitet. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, sind in der
Regel bei 3- oder 4-seitig gehaltenen Wänden die zwischen den Öffnungen
liegenden Teile als nur an zwei Seiten gehalten zu betrachten und entsprechend
zu bemessen.

Die ß-Werte sind zu vergrößern, wenn die Querbiegetragfähigkeit durch Schlitze


oder Aussparungen beeinträchtigt wird.

Eine Querwand gilt dann als aussteifend, wenn


- Ihre Länge 𝑙ℎ𝑡 mindestens 𝑙𝑤 /5 der lichten Höhe 𝑙𝑤 der auszusteifenden
Wand ist
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- sie keine Öffnungen aufweist und gleich hoch ist wie die auszusteifende
Wand
- Sie mindestens halb so dick ist wie die auszusteifende Wand.

Querschnitt

aussteifende
Wand
lw

lht ≥lw/5

Bei zweiseitig gehaltenen Wänden, die am Kopf- und Fußende durch Ortbeton
und Bewehrung biegesteif angeschlossen sind, so dass die Randmomente
vollständig aufgenommen werden können, darf ß nach Tabelle 12.1 mit dem
Faktor 0,85 abgemindert werden.

Für die lotrechte Bewehrung gelten folgende Vorschriften:


|𝑁𝑒𝑑 |
Allgemein: 𝐴𝑠,𝑣,𝑚𝑖𝑛 = 0,15 ⋅ ≥ 0,0015𝐴𝑐
𝑓𝑦𝑑

Wenn N Ed  0 ,3  f cd  Ac oder bei Wänden, die unter Berücksichtigung der


Auswirkungen der Theorie II. Ordnung zu bemessen sind:

𝐴𝑠,𝑣,𝑚𝑖𝑛 = 0,003 ⋅ 𝐴𝑐
Höchstbewehrungsgrad:
𝐴𝑠,𝑣,𝑚𝑎𝑥 = 0,04 ⋅ 𝐴𝑐
Die Bewehrung ist gleichmäßig auf beide Außenseiten zu verteilen.
Im Bereich von Übergreifungsstößen darf der Höchstwert von 4% auf 8%
verdoppelt werden.
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Für die horizontale Bewehrung gilt:

Allgemein:
𝐴𝑠,ℎ,𝑚𝑖𝑛 = 0,20 ⋅ 𝐴𝑠,𝑣
Wenn |𝑁𝐸𝑑 | ≥ 0,3 ⋅ 𝑓𝑐𝑑 ⋅ 𝐴𝑐 oder bei Wänden, die unter Berücksichtigung der
Auswirkungen der Theorie II. Ordnung zu bemessen sind:
𝐴𝑠,ℎ,𝑚𝑖𝑛 = 0,50 ⋅ 𝐴𝑠,𝑣
Die horizontale Bewehrung liegt i. a. außen, die druckbeanspruchte
knickgefährdete lotrechte Bewehrung innen.

Um die lotrechte Bewehrung gegen Ausknicken zu sichern, werden je m2


4 S-Haken angeordnet.

Bei Tragstäben ∅𝑠 ≤ 16 mm dürfen S-Haken entfallen, wenn gleichzeitig für die


Betondeckung gilt ≥ 2 ∅𝑠 . In diesem Fall und immer bei Matten dürfen die
lotrechten Stäbe auch außen liegen.

In jedem Wandbereich, in dem der Gesamtquerschnitt der vertikalen Bewehrung


beider Wandseiten 0,02·Ac übersteigt, ist die Querbewehrung mit Bügeln nach
den Bestimmungen für Stützen einzulegen. Entsprechend sind die Bügelabstände
unmittelbar über und unter aufliegenden Platten über eine Höhe gleich der
4fachen Wanddicke zu vermindern.
An freien Rändern von Wänden mit einer Bewehrung As ≥ 0,003Ac je Wandseite
müssen die Eckstäbe durch Steckbügel gesichert werden.

Weiterhin gelten folgende Regeln:


≤ 2 ⋅ ℎ𝑤
Lotrechte Stäbe: 𝑠𝑣 {
≤ 300 𝑚𝑚
∅𝑠𝑣
Horizontale Stäbe: 𝑠ℎ ≤ 350 𝑚𝑚 ∅𝑠ℎ ≥
4

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Beispiel 7 Bemessung einer Wand


A
gd+qd gd+qd
System:

20

Schnitt :
A-A 3,0
Zu
bemessende
Wand

20

hw=15cm 5,0 30
d= 11cm

Baustoffe:
• Beton: C 25/30
• Betonstahl: B 500

Belastung:

• gd+ qd=2000 kN/m

Die Wand ist dreiseitig gehalten:


• lw=3,0 m
• b =5,0 m
• hw=0,15 m

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2.2 Wandartige Träger

Bei der Bemessung von Balken war eine der grundlegenden Annahmen das
Ebenbleiben der Querschnitte (→ Bernoulli-Hypothese). Damit ergab sich eine
lineare Dehnungsverteilung über die Querschnittshöhe.

Diese Annahme ist nur gerechtfertigt solange das Bauteil schlank ist (Stützweite
des Bauteils groß im Verhältnis zur Querschnittshöhe).
Bei nicht schlanken Biegebauteilen sind die Dehnungen nicht mehr linear über die
Querschnittshöhe verteilt. Man spricht dann von einer Scheibe oder einem
wandartigen Träger.

≥ 3h < 3h

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Die genaue Abgrenzung zwischen schlanken Biegebauteilen (= Balken) und


gedrungenen Biegebauteilen (=wandartige Träger) sind gemäß Heft 631 des
DAfStb:

Einfeldträger: Grenze > 0,5
𝑙


Zweifeldträger bzw. Endfeld Durchlaufträger > 0,4
𝑙


Innenfeld Durchlaufträger: > 0,3
𝑙


Kragträger: > 1,0
𝑙𝑘

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Wandartige Träger können nach 2 Verfahren berechnet werden:


1) Elastische Scheibentheorie (FE-Modelle, Tabellenwerke)
2) Fachwerkmodelle
Zu 1)
Es werden Hauptzugspannungen ermittelt (beispielsweise mit Hilfe der FE-
Methode), zu Hauptzugkräften zusammengefasst und durch die Bewehrung
abgedeckt.
Heft 631 des DAfStb gibt Hinweise, wie für verschiedene Systeme und
Belastungsarten ohne Verwendung eines FE-Programmes die Hauptzugkräfte zu
ermitteln sind.
Dabei sind vor allem der Hebelarm der inneren Kräfte und die Verteilung der
Zugbewehrung über die Höhe von Interesse.

𝐹𝑆𝑆 𝐹𝑆𝑆 𝐹𝑆𝑆

𝐹𝑆𝐹 𝐹𝑆𝐹

l l

Heft 631 enthält Tafeln für verschiedene Systeme und Belastungsarten.


Feld: Stütze:

𝐹𝐶𝐹 𝐹𝐶𝐹 𝑀𝑆
h
𝑍𝑠 𝑍𝑠

𝐹𝑆𝐹 𝐹𝑆𝐹

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System Geometrie Hebelarm der inneren Kräfte z


ℎ ℎ
0,5 << 1,0 𝑧𝐹 = 0,3 ⋅ ℎ ⋅ (3 − )
𝑙 𝑙
Einfeldträger

≥ 1,0 𝑧𝐹 = 0,6 ⋅ 𝑙
𝑙
ℎ ℎ
0,4 < < 1,0 𝑧𝐹 = 𝑧𝑆 = 0,5 ⋅ ℎ ⋅ (1,9 − )
Zweifeldträger 𝑙 𝑙
Endfeld Durchlaufträger ℎ
≥ 1,0 𝑧𝐹 = 𝑧𝑆 = 0,45 ⋅ 𝑙
𝑙
ℎ ℎ
0,3 < < 1,0 𝑧𝐹 = 𝑧𝑆 = 0,5 ⋅ ℎ ⋅ (1,8 − )
Innenfeld 𝑙 𝑙
Durchlaufträger ℎ
≥ 1,0 𝑧𝐹 = 𝑧𝑆 = 0,4 ⋅ 𝑙
𝑙

1,0 < < 2,0 𝑧𝑆 = 0,65 ⋅ 𝑙𝑘 + 0,1 ⋅ ℎ
𝑙𝑘
Kragträger

≥ 2,0 𝑧𝑆 = 0,85 ⋅ 𝑙𝑘
𝑙𝑘

Mit Hilfe von Heft 631 wird die Bemessung also wie folgt vorgenommen:
− Berechnung der Biegemomente (nach Elastizitätstheorie)
− Ermittlung des jeweiligen Hebelarms der inneren Kräfte z
− Ermittlung der Zugbewehrung 𝐴𝑠 = 𝐹𝑠 ⁄𝑓𝑦𝑑

Die Feldbewehrung ist über die Höhe 𝑏1 = 0,1 ⋅ ℎ bzw. 𝑏1 = 0,1 ⋅ 𝑙 zu verteilen
(der kleinere Wert ist maßgebend).

Die ermittelte Stützbewehrung ist gemäß den Angaben in Heft 631 über die Höhe
zu verteilen.

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Auch die Auflagerkräfte können näherungsweise nach der Balkentheorie ermittelt


werden. Im Falle von Mehrfeldträgern sind die Endauflagerkräfte mit folgenden
Faktoren zu erhöhen.

h/l 0,3 0,4 0,7 1,0


Erhöhungsfaktor 1,0 1,08 1,13 1,15

Zu 2)
Als Alternative kann der Kräfteverlauf mit Hilfe von Fachwerkmodellen dargestellt
werden. Das gewählte Fachwerk sollte sich an den Spannungstrajektorien der
Elastizitätstheorie orientieren, um übermäßig breite Risse zu vermeiden.

Geeignete Fachwerkmodelle: Schlaich/Schäfer


Konstruieren im Stahlbetonbau, Betonkalender 2001 Teil II

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Für das gleiche System ergibt sich bei unten angehängter Last folgendes
Fachwerkmodell:

Die Last muss also zunächst über eine Aufhängebewehrung über eine Höhe l ≤ h
zu den Druckstreben geführt werden.

Bei hohen Einzellasten entstehen an der Einleitungsstelle Spaltzugkräfte. Diese


werden direkt unterhalb der Last vom Druckgewölbe überdrückt. Etwas weiter
unten entsteht jedoch bereits eine „lokale Zugzone“.

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Die Größe und Stelle der Zugkräfte ist BK2001 (oder vergleichbarer Literatur) zu
entnehmen. Die Zugkräfte sind durch die Bewehrung abzudecken.
Der Nachweis der Druckstreben wird nach EC2 (6.5.4) wie folgt geführt:
𝐹𝑐 1,0 ⋅ 𝑓𝑐𝑑 𝑓ü𝑟 𝑢𝑛𝑔𝑒𝑟𝑖𝑠𝑠𝑒𝑛𝑒𝑛 𝐵𝑒𝑡𝑜𝑛
𝜎𝑐 = ≤ 𝜎𝑅𝑑,𝑚𝑎𝑥 = {
𝑏⋅𝑎 0,75 ⋅ 𝜈´ ∙ 𝑓𝑐𝑑 𝑓ü𝑟 𝑔𝑒𝑟𝑖𝑠𝑠𝑒𝑛𝑒𝑛 𝐵𝑒𝑡𝑜𝑛

Dabei ist ν’ = 1,0 für alle Betonfestigkeitsklassen bis C50/60.


Für Betonfestigkeitsklassen ≥ C55/67 ist ν’ zusätzlich mit ν2 = (1,1 – fck / 500) zu
multiplizieren.
Ist die zulässige Spannung überschritten, so darf Bewehrung zugelegt und der
Nachweis auf diese Weise erbracht werden.
Es muss gelten:
0,9∙𝛼𝑐𝑐 ∙𝑓𝑐𝑘 ∙𝐴𝑐 +𝑓𝑦𝑘 ∙𝐴𝑠
- Bei Innenauflagern: 𝐹𝐸𝑑 ≤ 𝐹𝑅𝑑 =
𝛾𝑐
0,8∙𝛼𝑐𝑐 ∙𝑓𝑐𝑘 ∙𝐴𝑐 +𝑓𝑦𝑘 ∙𝐴𝑠
- Bei Endauflagern: 𝐹𝐸𝑑 ≤ 𝐹𝑅𝑑 =
𝛾𝑐

Ist die zulässige Spannung überschritten, so darf Bewehrung zugelegt und der
Nachweis auf diese Weise erbracht werden (DAfStbHeft 600).
Es muss gelten,
bei Innenauflagern 𝐹𝐸𝑑 ≤ 𝐹𝑅𝑑 = (0,9 · 𝛼𝑐𝑐 · 𝑓𝑐𝑘 · 𝐴𝑐 + 𝑓𝑦𝑘 · 𝐴𝑠 )/𝛾𝑐
bei Endauflagern 𝐹𝐸𝑑 ≤ 𝐹𝑅𝑑 = (0,8 · 𝛼𝑐𝑐 · 𝑓𝑐𝑘 · 𝐴𝑐 + 𝑓𝑦𝑘 · 𝐴𝑠 )/𝛾𝑐

Die Breite der Druckstrebe a ergibt sich aus der Größe des Auflagers, der Höhe
der Zugbewehrung und der Druckstrebenneigung:
z.B.:

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Wandartige Träger müssen wie auch Wände Mindestdicken gemäß EC2 Tabelle
NA.9.3 einhalten. Allgemein sollten Wanddicken ≥ 15 cm verwendet werden.
An beiden Wandaußenflächen ist ein rechtwinkliges Bewehrungsnetz vorzusehen.
Je Wandaußenfläche und je Wandrichtung gilt:
0,075 % (d. h. insgesamt 0,15%)
𝐴𝑠,𝑑𝑏𝑚𝑖𝑛 ≥ {
1,5 𝑐𝑚²/𝑚 𝑣𝑜𝑛 𝐴𝑐
300 𝑚𝑚
𝑠𝑚𝑎𝑥 = { → wie für lotrechte Bewehrung von Wänden
2 ⋅ ℎ𝑤

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3 Merkregeln

1. Angehängte Decken bei wandartigen Trägern nicht vergessen.

→ Decke über EG „hängt sich an


den wandartigen Träger“!

→ Als Belastung nicht vergessen!

→Aufhängebewehrung nicht
vergessen!

2. Wandartige Träger möglichst nur über 1-2 Geschosse ausbilden

→ Ab einer bestimmten Höhe


bewirkt eine weitere Vergrößerung
der Querschnittshöhe keine
Vergrößerung des Hebelarms der
inneren Kräfte mehr

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𝑧1 ≈ 𝑧2

Zudem müssen die Unterstützungen im Bauzustand stehen bleiben, bis der


wandartige Träger über die gesamte Höhe ausgehärtet ist. Deshalb sollte man
WAT über 3 oder mehr Geschosse möglichst vermeiden.

3. Das Zugband des wandartigen Trägers liegt in Höhe der angehängten


Decke. Die Bewehrung muss deshalb im Bewehrungsplan der Decke mit
vorgesehen sein.

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Beispiel 8 Bemessung eines wandartigen Trägers

qd,OG
gd,OG

5,80

qd,EG
gd,EG

0,10 0,50 6,5 0,50 0,10

7,0 [m]

Baustoffe:
Schnitt :
• Beton: C 30/37
• Betonstahl: B 500

2.OG
Betondeckung:
• cmin=20mm Δcdev=15mm
• cnom=35mm
5,8
Belastung:
1.OG • Aus Decke über EG (angehängt):
o gd,EG=22,00 kN/m
o qd,EG=16,00 kN/m
• Gesamtlast (incl. Decke über EG):
o gd=220,00 kN/m
24 Stütze o qd=130,00 kN/m
EG

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3 Deckengleiche Unterzüge

Bei linienförmig gelagerten Platten kommt es vor, dass die Stützung unterbrochen
ist, weil

− eine Tür- oder Fensteröffnung in der unterstützenden Wand angeordnet wird


− und kein Balken zur Stützung der Decke in diesem Bereich angeordnet
werden soll/kann

Es wird dann in diesem Bereich ein sogenannter „deckengleicher Unterzug“


ausgebildet.

Fehlt die Stützung nur auf geringer Länge (leff ≤ 7 ⋅ hDecke. ), so genügen zur
Sicherstellung der Tragfähigkeit konstruktive Stabstahlzulagen.
Fehlt die Stützung auf mäßiger Länge (7 ⋅ hDecke < leff ≤ 15 ⋅ hDecke ), so können
die Schnittgrößen und die Bewehrung mit Hilfe des Näherungsverfahrens in Heft
631 DAfStb ermittelt werden.
Bei größerer Länge der fehlenden Stützung (leff > 15 hDecke) können die
Schnittgrößen und die Bemessung nicht mehr mit dem Näherungsverfahren
durchgeführt werden (→ in diesem Fall muss eine genaue Berechnung z.B. mit
einem FEM-Programm durchgeführt werden).

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1) Geringe Länge der fehlenden Stützung (leff <7 hDecke)


Bei geringer Länge und wenn keine wesentlichen zusätzlichen Auflasten
vorhanden sind, genügen konstruktive Stabstahlzulagen:
2 Ø10 oder 2 Ø12 oben + unten

Die oberen Stäbe sollten zur Abdeckung des Einspannmomentes mxre


ausreichend lang gewählt werden (ca. 1,5 lb).

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2) Mäßige Länge der fehlenden Stützung (7 hDecke ≤ leff ≤ 15 hDecke)


a) Bemessung in Richtung der unterbrochenen Stützung

Pos. 1 + 1a:

𝑙𝑒𝑓𝑓 = 𝑙𝑛 + ℎ𝐷𝑒𝑐𝑘𝑒

Häufig vereinfachend:
𝑙𝑒𝑓𝑓 = 1,05 ∙ 𝑙𝑛
eff

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Pos. 2 + 2a:

𝑙𝑒𝑓𝑓 = 𝑙𝑛 + ℎ𝐷𝑒𝑐𝑘𝑒

Häufig vereinfachend:
𝑙𝑒𝑓𝑓 = 1,05 ∙ 𝑙𝑛
eff

Für die Ermittlung der Schnittgrößen wird mit einseitiger oder beidseitiger
Einspannung gerechnet. Für die Lasteinzugsflächen wird mit einem Winkel von
60° gerechnet. Häufig wird auch vereinfachend mit einer Gleichlast mit der
maximalen Ordinate der Dreieckslast gerechnet.

Für die Bemessung dürfen je nach Schnittgrößen unterschiedliche mitwirkende


Breiten angesetzt werden:

Endauflager (Pos. 1+2)


𝑏𝑒𝑓𝑓,𝐹 = 0,25 ⋅ 𝑙𝑒𝑓𝑓 (𝐹𝑒𝑙𝑑𝑚𝑜𝑚𝑒𝑛𝑡)
𝑏𝑒𝑓𝑓,𝑆 = 0,125 ⋅ 𝑙𝑒𝑓𝑓 (𝑆𝑡ü𝑡𝑧𝑚𝑜𝑚𝑒𝑛𝑡)
ℎ𝐷𝑒𝑐𝑘𝑒
𝑏𝑒𝑓𝑓,𝑉 = 𝑎 + (𝑄𝑢𝑒𝑟𝑘𝑟𝑎𝑓𝑡)
2

Zwischenauflager (Pos. 1a+2a)


𝑏𝑒𝑓𝑓,𝐹 = 0,5 ⋅ 𝑙𝑒𝑓𝑓 (𝐹𝑒𝑙𝑑𝑚𝑜𝑚𝑒𝑛𝑡)
𝑏𝑒𝑓𝑓,𝑆 = 0,25 ⋅ 𝑙𝑒𝑓𝑓 (𝑆𝑡ü𝑡𝑧𝑚𝑜𝑚𝑒𝑛𝑡)
𝑏𝑒𝑓𝑓,𝑉 = 𝑎 + ℎ𝐷𝑒𝑐𝑘𝑒 (𝑄𝑢𝑒𝑟𝑘𝑟𝑎𝑓𝑡)

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b) Bewehrung rechtwinklig zur unterbrochenen Stützung

Rechtwinklig zur unterbrochenen Stützung sind lediglich konstruktive Maßnahmen


erforderlich.
Die Stützbewehrung der Decke ist im Auflagerbereich folgendermaßen zu
verstärken:

as' = as + Δas

0,2 leff 0,2 leff 0,4 leff

leff

Es ergibt sich:
leff/Decke as‘
≤ 10 1,00·as as = erforderliche

11 1,08·as Stützbewehrung im Bereich

1,16·as durchgehender Stützung


12
13 1,24·as
14 1,32·as
15 1,40·as
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Bei unterbrochenen Stützungen am Endauflager (Pos. 1+2) von Platten ist im


Endfeld die Feldbewehrung ungeschwächt bis über das Auflager durchzuführen.

3) Größere Länge der fehlenden Stützung (leff > 15 hDecke)

Das Näherungsverfahren darf nicht angewendet werden. Schnittgrößen und


Bewehrung sind mit Hilfe der Plattentheorie (z.B. FEM-Programme) zu ermitteln.

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Beispiel 9 Bemessung eines deckengleichen Unterzuges

System:

24
49

251 60°

h=22 [cm] 5,43 5,67

d=16,5 [cm]

24

24 4,43 24
4,67

Baustoffe:
• Beton: C 25/30
• Betonstahl: B 500

Annahme :
Für die Deckenplatte wurde bereits eine Bemessung durchgeführt. Hier geht es nur um die
Bemessung des deckengleichen Unterzuges.

Belastung:
• gk=7,00 kN/m²
• qk=3,50 kN/m²

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4 Treppen

Treppen können mit verschiedenen Querschnittsgeometrien konstruiert werden.


Üblicherweise wird eine Betonplatte mit aufbetonierten Stufen ausgeführt.
s = Steigung
a = Auftritt

Es gilt die Schrittmaßregel:


2s + a = 63

Die Lastabtragung erfolgt in der Regel in Längsrichtung des Treppenlaufes.


Als Verkehrslasten werden in Wohngebäuden 3,0 kN/m², in öffentlichen
Gebäuden 5,0 kN/m² angesetzt.

Alle Lasten werden auf die Grundrisslänge projiziert. Somit ergeben sich folgende
Belastungssituationen:
Eigengewicht Podest:
𝑔1 = ℎ1 ∙ 25,0 𝑘𝑁/𝑚²
Eigengewicht Lauf:
25,0
𝑔2 = ℎ2 ∙ 𝑘𝑁/𝑚²
cos 𝛼
Eigengewicht Stufen:
𝑠
𝑔𝑠 = ∙ 25,0 𝑘𝑁/𝑚²
2
Verkehrslast:
𝑞 = 3,0 … 5,0 𝑘𝑁/𝑚²

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Folgende statische Systeme werden bei der Berechnung von Treppen


üblicherweise verwendet:
• Wenn keine tragenden Längswände vorhanden sind

Große Spannweite

→ erfordert große Plattendicke

• Podeste übernehmen die Lasten der Treppenläufe

beff = 40 cm … 100 cm
≤ bPodest

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Beispiel 10 Bemessung einer Treppe

System:

24

T1 TP1 Verglasung
TP2
ll

2,76 3,00

T2

24

24 5,51 24
5,75

Baustoffe:
• Beton: C 25/30 Betonstahl: B 500

Expositionsklasse : XC1

Betondeckung :
• cmin=10mm Δcdev=10mm cnom=20mm

Geschosshöhe :
• h=2,75m

Treppe :
• 2*8 Steigungen je Treppenlauf ℎ𝐿𝑎𝑢𝑓 = 16 cm ∅𝑙 = 10
• s/a = 17,2/29 ( 2s+a=63,4cm )
• Podestplatte: ℎ𝑃𝑜𝑑𝑒𝑠𝑡 = 18 cm ∅𝑙 = 10

a) Ermittlung der Schnittgrößen des Treppenlaufes


b) Biegebemessung und Querkraftbemessung des Treppenlaufes
c) Biegebemessung der Podestplatte
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5 Torsion

Ein Nachweis der Torsionstragfähigkeit ist nur erforderlich, wenn das statische
Gleichgewicht von der Torsionstragfähigkeit abhängt (Gleichgewichtstorsion).
Wenn das System auch ohne Aufnahme der Torsionsmomente im Gleichgewicht
ist, kann die Torsionswirkung beim Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit
vernachlässigt werden (Verträglichkeitstorsion).
Gleichgewichtstorsion: Verträglichkeitstorsion:

Kragplatte tordiert Unterzug Platte tordiert Unterzüge, aber


Torsionsmomente für Gleichgewicht
nicht erforderlich
→ Sonst kein Gleichgewicht → Gleichgewicht ist auch bei gelenkiger
möglich! Lagerung gegeben!
Ähnlich wie bei Querkraftbeanspruchung lässt sich der Kraftfluss bei Torsion
anschaulich anhand eines Stabwerkmodells zeigen. Idealerweise besteht dies aus
wendelartig verlaufenden Druck- und Zugstreben.

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Da man keine wendelartige Bewehrung einbauen möchte, deckt man die


Zugwirkung durch Bügel sowie eine (zusätzlich zur Biegebewehrung eingebaute)
Längsbewehrung ab. Es entsteht folgendes Stabwerkmodell:

Die wendelartig verlaufenden Betondruckstreben stehen in den Knotenpunkten


mit der Bügelbewehrung und mit den Längsstäben im Gleichgewicht.

Die Beanspruchungen infolge Torsion werden nur durch die Randzone des
jeweiligen Stahlbetonquerschnittes aufgenommen. Vollquerschnitte (z.B.
Rechteckquerschnitte) werden daher als „Ersatzhohlkastenquerschnitte“
berechnet.

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dk Stahlbetonbau

Die Mittellinie des Ersatzhohlkastens verläuft durch die Mitten der Längsstäbe in
den Ecken.

tef / 2
tef / 2

Bei „tatsächlichen“ Hohlkastenquerschnitten darf tef natürlich nicht größer als die
wirkliche Wanddicke gewählt werden.
Ausnahme:
Bei tatsächlichen Hohlkastenquerschnitten, für die gilt:
𝑏 ℎ
𝑡𝑒𝑓 ≤ und 𝑡𝑒𝑓 ≤
6 6

Und bei denen beidseitige Wandbewehrung vorgesehen wird, darf 𝑡𝑒𝑓 voll
ausgenutzt werden.

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Es gilt:
𝑏𝑘 𝑑𝑘
Τ𝐸𝑑 = 2 ⋅ 𝜏𝐸𝑑 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ 𝑑𝑘 ⋅ +2⋅ 𝜏𝐸𝑑 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ 𝑏𝑘 ⋅ = 2 ⋅ 𝜏𝐸𝑑 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ 𝐴𝑘
⏟ 2 ⏟ 2
Schubkraft pro Seitenwand Schubkraft pro Wand oben + unten

mit 𝐴𝑘 = 𝑏𝑘 ⋅ 𝑑𝑘
und 𝜏𝐸𝑑 = Schubspannung

Die durch die Tragfähigkeit der Druckstreben bedingte Grenze für die
Torsionstragfähigkeit ergibt sich aus dem Stabwerkmodell wie folgt:

⋅ t ef

Knoten 1: ∑V = 0
𝛵𝐸𝑑
𝜏𝐸𝑑 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ 𝑑𝑘 = ⋅ 𝑑 = 𝜎𝑐 ⋅ ℎ𝑐 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ sin 𝜃
2𝐴𝑘 𝑘
mit ℎ𝑐 = 𝑑𝑘 ⋅ cos 𝜃
𝛵𝐸𝑑
→ 𝜎𝑐 =
2𝐴𝑘 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ sin 𝜃 ⋅ cos 𝜃

Da die maximal zulässige Betondruckspannung


𝜎𝑐 = 𝜈 ⋅ 𝑓𝑐𝑑

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beträgt, ergibt sich


Τ𝑅𝑑,𝑚𝑎𝑥 = 2 ∙ 𝜈 ⋅ 𝑓𝑐𝑑 ⋅ 𝐴𝑘 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ sin 𝜃 ⋅ cos 𝜃
bzw. für 𝜃 = 45°
Τ𝑅𝑑,𝑚𝑎𝑥 = 𝜈 ⋅ 𝑓𝑐𝑑 ⋅ 𝐴𝑘 ⋅ 𝑡𝑒𝑓

𝜈 = 0,75 bei Kastenquerschnitten mit Bewehrung an Innen- und Außenseite der


Wände
𝜈 = 0,525 für fck ≥ C55/67 ist ν zusätzlich mit ν2 = (1,1 – fck / 500) zu multiplizieren.

Durch die Bügelbewehrung ergibt sich folgende Begrenzung der


Torsionstragfähigkeit:

𝛵𝐸𝑑 ⋅ 𝑑𝑘 𝑑𝑘
𝜏𝐸𝑑 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 ⋅ 𝑑𝑘 = = 𝑎𝑠𝑤 ⋅ 𝑓𝑦𝑑 ⋅
2𝐴𝑘 tan 𝜃
𝛵𝐸𝑑
𝑎𝑠𝑤 = ⋅ tan 𝜃
2𝐴𝑘 ⋅ 𝑓𝑦𝑑
bzw. für 𝜃 = 45°
𝛵𝐸𝑑
𝑎𝑠𝑤 =
2𝐴𝑘 ⋅ 𝑓𝑦𝑑

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Merke:
− Es müssen geschlossene Bügel (mit Übergreifungslänge l0 geschlossen!)
verwendet werden
− Die erforderliche Bügelbewehrung darf „beim Ablesen nicht durch 2 geteilt
werden“.

Zusätzlich ergibt sich eine über den Umfang zu verteilende Längsbewehrung von:
𝛵𝐸𝑑
𝐴𝑠𝑙 = ⋅ 𝑢 ⋅ cot 𝜃
2𝐴𝑘 ⋅ 𝑓𝑦𝑑 𝑘
mit 𝑢𝑘 = 2 ⋅ (𝑑𝑘 + 𝑏𝑘 ) = Umfang von Ak

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Beispiel 11 Reine Torsion


Der gegebene Querschnitt ist für Torsion zu bemessen.

Querschnitt:

TEd
60

[cm]
40

Baustoffe:
• Beton: C25/30
• Betonstahl: B 500

Expositionsklasse:
• XC3 𝑐𝑣,𝑏ü = 3,5 cm 𝑐𝑣,𝑙 = 4,7 cm

Bemessungsschnittgröße:
• TEd = 115 kNm

Ersatzwanddicke:
• Annahme: Øbü = 12 mm
Øl = 14 mm

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5.1 Kombinierte Beanspruchung: Querkraft + Torsion + Biegung

Im Allgemeinen tritt Torsion in Kombination mit Querkraft und Biegung auf. In


diesem Fall stehen 2 Verfahren zur Bemessung zur Verfügung.

5.1.1 Vereinfachtes Verfahren

Die Bemessung der Torsionsbewehrung (Bügel + Längsbewehrung) wird unter


der Annahme einer Druckstrebenneigung von 𝜃 = 45° gemacht. Diese Bewehrung
wird zur Bewehrung aus Querkraft + Biegung addiert.

Der Nachweis der Druckstrebe wird mit Hilfe folgender Formel geführt:
𝑉𝐸𝑑 Τ𝐸𝑑
+ ≤ 1,0 für Hohlkastenquerschnitte
𝑉𝑅𝑑,𝑚𝑎𝑥 Τ𝑅𝑑,𝑚𝑎𝑥
2 2
𝑉𝐸𝑑 Τ𝐸𝑑
( ) +( ) ≤ 1,0 für Vollquerschnitte
𝑉𝑅𝑑,𝑚𝑎𝑥 Τ𝑅𝑑,𝑚𝑎𝑥

5.1.1 Genaues Verfahren

Die Torsionsbemessung und die Querkraftbemessung werden unter Verwendung


des gleichen gemeinsamen Druckstrebenwinkels geführt.
Hierfür wird die Schubbeanspruchung innerhalb der Wände des ideellen
Hohlkastenquerschnittes infolge Torsion und infolge Querkraft ermittelt.
𝑡𝑒𝑓
𝑉𝐸𝑑,𝑉 = 𝑉𝐸𝑑 ⋅
𝑏𝑤

𝑇𝐸𝑑
= 𝜏𝐸𝑑 ⋅ 𝑡𝑒𝑓 = Schubfluss infolge Torsion
2𝐴𝑘

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𝛵𝐸𝑑 ⋅ 𝑧
𝑉𝐸𝑑,𝑇 = = Schubfluss multipliziert mit z
2𝐴𝑘

- Mit Hilfe der Beanspruchung wird die Druckstrebenneigung ermittelt gemäß


𝜎
1,2 + 1,4 ⋅ 𝑐𝑑
𝑓𝑐𝑑
cot 𝜃 =
𝑉
1 − 𝑅𝑑,𝑐𝑐
𝑉𝐸𝑑,𝑇+𝑉

- Mit dieser Druckstrebenneigung wird die erforderliche Torsions- und


Querkraftbewehrung ermittelt.

- Vereinfachend darf die Bewehrung für Torsion allein unter der Annahme von
θ = 45° ermittelt und zu der nach DIN EN 1992-1-1; 6.2,3 ermittelten
Querkraftbewehrung addiert werden,

- Der Nachweis der Druckstrebe erfolgt mit den Interaktionsformeln wie zuvor.

Bei rechteckigen Vollquerschnitten kann gemäß DIN EN 1992-1-1, 6.3.2 (5) ein
rechnerischer Nachweis der Torsions- und Querkraftbewehrung entfallen, wenn
folgende beiden Bedingungen gelten:

𝑉𝐸𝑑 ⋅ 𝑏𝑤
Τ𝐸𝑑 ≤
4,5
4,5 ⋅ 𝛵𝐸𝑑
𝑉𝐸𝑑 ⋅ (1 + ) ≤ 𝑉𝑅𝑑,𝑐
𝑉𝐸𝑑 ⋅ 𝑏𝑤

In diesem Fall ist nur die Mindestbewehrung vorzusehen.

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Beispiel 12 Kombinierte Beanspruchung aus Querkraft, Torsion und


Biegung
System:

𝑄1

2,25
4,50

2,25

0,30 [m]
Querschnitt:

60

40 [cm]

Baustoffe:
• Beton: C35/45 Betonstahl: B 500
Expositionsklasse:
• XC3 𝑐𝑣,𝑏ü = 3,5 cm 𝑐𝑣,𝑙 = 4,7 cm
Belastung:
• Ständige Einwirkungen: g1k = Eigengewicht
• Veränderliche Einwirkungen: Q1k = 270 kN

a) Ermittlung der Einwirkungen und Schnittgrößen zur Bemessung


b) Nachweis der Biegebemessung
c) Überprüfung, ob Bewehrung für Querkraft und Torsion erforderlich ist
d) Nachweis der kombinierten Beanspruchung für Querkraft und Torsion
d.1) mit dem vereinfachten Verfahren
d.2) mit dem genaueren Verfahren

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6 Aussteifung von Tragwerken des Massivbaus

6.1 Schnittgrößenermittlung der aussteifenden Bauteile

Für die Verteilung der Horizontallasten auf die aussteifenden Bauteile werden
folgende Annahmen getroffen:
• Die Decken sind starre Scheiben und übertragen die Kräfte auf die
aussteifenden Wände ohne sich selbst dabei zu verformen (nur
Starrkörperverschiebungen!)
• Die Decken sind gelenkig an die aussteifenden Bauteile angeschlossen
• Die Stützen werden für die Aussteifung vernachlässigt (Ausnahmen:
Aussteifung über eingespannte Stützen oder Rahmen).
• Die Torsionssteifigkeit der Einzelscheiben und die Biegesteifigkeit um die
schwache Achse der Einzelscheiben werden vernachlässigt.

Bezüglich der Schnittgrößenermittlung in den aussteifenden Bauteilen


unterscheidet man statisch bestimmte und statische unbestimmte
Aussteifungssysteme.

• Statisch bestimmte Aussteifungssysteme

Bei statisch bestimmten Aussteifungssystemen reichen zur Ermittlung der


Verteilung der Horizontallasten die Gleichgewichtsbedingungen aus.

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e1 e2
x
Qy
V3

y 3
e3

2
V2 Qx

V1 1

bx

Infolge Qy:
𝑒2
𝛴𝑀 = 0: 𝑉1 = 𝑄𝑦
𝑏𝑥
𝑒1
𝛴𝑉𝑦 = 0: 𝑉1 + 𝑉2 = 𝑄𝑦 → 𝑉2 = 𝑄𝑦
𝑏𝑥
𝛴𝑉𝑥 = 0: 𝑉3 = 0
Infolge Qx:
𝛴𝑉𝑥 = 0: 𝑉3 = 𝑄𝑥
𝛴𝑉𝑦 = 0: 𝑉1 = − 𝑉2
𝑒3
𝛴𝑀 = 0: 𝑉1 = −𝑄𝑥
𝑏𝑥
𝑒3
𝑉2 = 𝑄𝑥
𝑏𝑥

• Statisch unbestimmte Aussteifungssysteme

Bei statisch unbestimmten Aussteifungssystemen reichen die


Gleichgewichtsbedingungen zur Ermittlung der Kräfte in den
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Aussteifungselementen nicht mehr aus.


Die zusätzlich erforderlichen Verträglichkeitsbedingungen ergeben sich aus der
getroffenen Annahme, dass die Decken starre Scheiben sind.

Horizontalkräfte bewirken in einem Aussteifungssystem eine seitliche


Verschiebung (=Translation) und eine Verdrehung (=Rotation).
Der Rotationsanteil entsteht zum einen, weil das Aussteifungssystem i.Allg. nicht
symmetrisch ist.

e3 𝑀 = 𝑄𝑥 ∙ 𝑒3

Qx

Doch selbst bei im Grundriss symmetrischen Aussteifungssystemen entsteht ein


Rotationsanteil, weil die Horizontalkraft gemäß Norm mit einer gewissen
Exzentrizität angesetzt werden muss.

e3
Qx

Exzentrischer Lastangriff
gemäß Norm

Die Belastung der einzelnen Wandscheiben lässt sich daher ebenfalls sinnvoll

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unterteilen in einen Anteil, der aus der Translation und einen, der aus der Rotation
herrührt.
Lastanteil aus Translation:

Da die Decke als starre Scheibe wirkt, ergibt sich, dass infolge der Translation alle
Wände auf gleicher Höhe die gleiche Verschiebung aufweisen müssen.
Man kann sich daher ein Ersatzsystem vorstellen, in dem alle Scheiben, die in der
betreffenden Richtung wirksam sind, starr gekoppelt hintereinander geschaltet
sind.

Koppelstäbe Wandscheibe
𝑢1 𝑢2 = 𝑢1

I1 I2 I3

Für die Koppelstäbe gilt die Annahme EA = ∞.

Somit müssen die Kräfte in den einzelnen Wänden jeweils im gleichen Verhältnis
zu den Biegesteifigkeiten der Wände stehen:

𝑉𝑦,1 𝑉𝑦,2 𝑉𝑦
= =⋯=
𝐼𝑥,1 𝐼𝑥,2 ∑ 𝐼𝑥,𝑖

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𝐼𝑥,𝑖 x
𝑉𝑦,𝑖 = ∙ 𝑉𝑦
𝛴𝐼𝑥,𝑖
Vy

Lastanteil aus Rotation:

Die Verschiebungen der einzelnen Wände lassen sich durch die gemeinsame
Verdrehung φ beschreiben.
Somit ergibt sich:
𝐼𝑥,𝑖 ∙𝑥𝑖
𝑉𝑦,𝑖 = ∙ 𝑀𝑇
𝛴(𝐼𝑥,𝑖 ∙𝑥𝑖2 +𝐼𝑦,𝑖 ∙𝑦𝑖2 )

𝑆
𝑀𝑇

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Die Koordinaten xi und yi werden vom Schubmittelpunkt aus gezählt.


Die im Nenner dargestellte Summe ist der Wölbwiderstand Iω des
Aussteifungssystems. Multipliziert man diese Summe mit dem E-Modul, so erhält
man die bereits zuvor genannte Wölbsteifigkeit.

𝐸𝑐𝑚 ∙ 𝐼𝜔 = 𝐸𝑐𝑚 ∙ 𝛴(𝐼𝑥,𝑖 ∙ 𝑥𝑖2 + 𝐼𝑦,𝑖 ∙ 𝑦𝑖2 )

6.2 Horizontallasten

Als Horizontallasten, die auf das Aussteifungssystem wirken, sind anzusetzen:

- Windlasten (oder Erdbebenlasten falls maßgebend im Vergleich zu


Windlasten)
- Horizontallasten infolge von Tragwerksimperfektionen
- Ggf. Erddrucklast im UG

Der Einfluss der Tragwerksimperfektionen darf durch den Ansatz geometrischer


Ersatzimperfektionen erfasst werden.

Die Imperfektion wird im Grenzzustand der Tragfähigkeit als Schiefstellung des


Tragwerks mit vertikaler Belastung angesetzt.

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Auswirkung der geometrischen Imperfektion


Die Imperfektion wird als Schiefstellung θi wie folgt berücksichtigt
θi = θo · αh · αm
Dabei ist

θo der Grundwert = 1 / 200


αh der Abminderungsbeiwert für die Höhe
2
0 ≤ 𝛼ℎ = ≤1
√𝑙

l Gebäudehöhe
αm Abminderungswert für die Anzahl der vertikalen Bauteile, die
zur horizontalen Belastung des Aussteifungssystems beitragen
𝛼𝑚 = √0,5(1 + 1/𝑚)

Für m dürfen nur vertikale Bauteile (Stützen und Wände) angesetzt werden, die
𝐹𝐸𝑑
mindestens 70 % des Bemessungswerts der mittleren Längskraft 𝑁𝐸𝑑,𝑚 =
𝑛

aufnehmen, worin 𝐹𝐸𝑑 die Summe der Bemessungswerte der Längskräfte (𝛾𝑓 =
1,0) aller nebeneinander liegenden lotrechten Bauteile im betrachteten Geschoss
bezeichnet.

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6.3 Aussteifungskriterien

Ist ein Tragwerk hinreichend ausgesteift, so darf das aussteifende System selbst
mit Hilfe der Schnittgrößen gemäß Theorie I. Ordnung bemessen werden.
Anderenfalls ist das Gesamtsystem mit Hilfe von Schnittgrößen gemäß Theorie II.
Ordnung zu bemessen.
Ein Tragwerk gilt dann als hinreichend ausgesteift, wenn folgende Bedingung
erfüllt ist:
𝐹𝑣,𝐸𝑑 ⋅ 𝐿2 𝑛𝑠
≤ 𝐾1 ⋅
∑ 𝐸𝑐𝑑 ⋅ 𝐼𝑐 𝑛𝑠 + 1,6

Die Gleichung gilt nur unter Einhaltung aller folgenden Bedingungen:


- Ein ausreichender Torsionswiderstand ist vorhanden, d. h. das Tragwerk ist
annähernd symmetrisch
- Die Schubkraftverformungen am Gesamttragwerk sind vernachlässigbar
(dies ist in Aussteifungssystemen, welche überwiegend aus Wandscheiben
ohne große Öffnungen bestehen, der Fall.)
- Die Aussteifungsbauteile sind starr gegründet, d. h. Verdrehungen sind
vernachlässigbar
- Die Steifigkeit der Aussteifungsbauteile ist entlang der Höhe annähernd
konstant
- Die gesamte vertikale Last nimmt pro Stockwerk annähernd gleichmäßig zu

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Dabei ist
K1 K1 = 0,31
K1 darf durch K2 = 0,62 ersetzt werden, wenn nachgewiesen werden
kann, dass die Aussteifungsbauteile im Grenzzustand der
Tragfähigkeit nicht gerissen sind.
Die aussteifenden Bauteile dürfen als nicht gerissen angenommen
werden, wenn die Betonzugspannungen den Wert fctm nicht
überschreiten.
FV,Ed die gesamte vertikale Last mit γf = 1,0 (auf ausgesteifte und
aussteifende Bauteile);
ns die Anzahl der Geschosse
L die Gesamthöhe des Gebäudes oberhalb der Einspannung
𝐸𝑐𝑚
Ecd der Bemessungswert des Elastizitätsmoduls von Beton, 𝐸𝑐𝑑 =
1,2

Ic das Trägheitsmoment des ungerissenen Betonquerschnitts der


aussteifenden Bauteile.

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Wenn die lotrechten aussteifenden Bauteile nicht annähernd symmetrisch


angeordnet sind oder nicht vernachlässigbare Verdrehungen zulassen, muss
zusätzlich die Verdrehsteifigkeit aus der Kopplung der Wölbsteifigkeit 𝐸𝑐𝑑 ⋅ 𝐼𝑤 und
der Torsionssteifigkeit 𝐺𝑐𝑑 ⋅ 𝐼𝑇 der Gleichung genügen, um Nachweise am
Gesamttragwerk nach Theorie II. Ordnung zu vernachlässigen:

1 𝑛𝑠 𝑛𝑠
2 ≤ 0,31 ⋅ 𝑏𝑧𝑤 0,62 ⋅
𝑛𝑠 + 1,6 𝑛𝑠 + 1,6
1 𝐸𝑐𝑑 ⋅ 𝐼𝜔 1 𝐺𝑐𝑑 ⋅ 𝐼𝑇
[ √ 2 + ⋅√ ]
𝐿 ∑𝑗 𝐹𝑣,𝐸𝑑,𝑗 ⋅ 𝑟𝑗 2,28 ∑𝑗 𝐹𝑣,𝐸𝑑,𝑗 ⋅ 𝑟𝑗2

Dabei ist

rj der Abstand der Stütze j vom Schubmittelpunkt des Gesamtsystems;


Fv.Ed,j der Bemessungswert der Vertikallast der aussteifenden und
ausgesteiften Bauteile j mit γF = 1,0
Ecd · Iω die Summe der Nennwölbsteifigkeiten aller gegen Verdrehung
aussteifenden Bauteile (Bemessungswert)
Gcd · IT die Summe der Torsionssteifigkeiten aller gegen Verdrehung
aussteifenden Bauteile (St. Venant'sche Torsionssteifigkeit,
Bemessungswert)
Ecd E
Gcd = = cd mit Querdehnzahl  = 0 ,2
2 ( 1 +  ) 2 ,4

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Beispiel: Aussteifung

Die im Grundriss des dreigeschossigen Gebäudes dargestellten aussteifenden


Wandelemente sind zu bearbeiten.

Vorgaben:
Baustoffe: Beton C25/30 Bewehrungsstahl B 500 S
Geschossflächenlast: 𝑞𝑘 = 5,0 kN/m2 (𝜓0 = 0,7) 𝑔𝑘 = 9,5 kN/m2
Dicke der Wandscheiben ℎ = 25 cm

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Verlangt werden:
1. Aufteilung der Windkraft 𝑊𝐷𝑥 = 100 kN auf die Wandscheiben 1, 2, 3.
Für die Wandscheibe 2:
2. Bestimmen Sie die Einwirkungen infolge Imperfektion und Wind aus y-
Richtung.
3. Ermitteln Sie die charakteristischen Schnittgrößen infolge Wind,
Imperfektion und Vertikallasten.
4. Führen Sie den Nachweis der Betonzugspannungen im Grenzzustand der
Gebrauchstauglichkeit am Wandfuß (Wind - Leitwert).
5. Führen Sie den Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit der
Zugkeildeckung am Wandfuß (Wind - Leitwert).

Anmerkung zu 2:
Insgesamt beträgt die Anzahl der Stützen und Wände 18. Es wird aber
angenommen, dass nur 12 davon eine Normalkraft haben die ≥ 70% der mittleren
Normalkraft ist.
Anmerkung zu 4 und 5: der Fall, dass die Normalkraft günstig wirkt, muss nicht
untersucht werden.

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