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DIE ETHIK VIKTOR ROSOW ZUR UMSTELLUNG
DES ATOMZEITALTERS AUF DER BÜHNE UND IM LEBEN
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Ktnder sind die Blumen des darüber hinweg...
Lebens. Die Erwachsenen tragen eine
Mit besonderem Inter­ Wer hat diesen banalen Satz doppelte Verantwortung, für sich
esse verfolge ich den geprägt? Die Kinder sind keine und für die Nachkommen, für das
Prozeß der Beschleunigung Blumen", sie sind das Leben Heute und für den kommenden
bzw. Umgestaltung in Ih­
selbst, die Fortsetzung des Lebens, Tag.
rem Land. Ich wurde mich
(reuen, wenn Sie weiterhin die Hoffnung der Älteren, daß die Es ist Pflicht der Erwachsenen,
viel über diese Ent­ Mängel der Umgebung, mit denen den Kindern zur Selbstver­
wicklung berichten sie nicht fertig geworden sind, von wirklichung zu verhelfen, vor allem
konnten, so i. B. über die
Umgestaltung der Rech­ den nächsten Generationen besei­ aber ihnen zu helfen, daß sie am
nungsführung in Ihren tigt sein werden. Leben bleiben. Das Hi.n des
Betrieben sowie über oie Für Kinder zu leben, ist vielen Menschen hat wahre Ungeheuer
Direktbeziehungen ein Lebensinhalt. Was bedeutet erzeugt: die Mittel der globalen
zwischen Bctiieben unserer
das? Vernichtung. Die Vernunft fordert:
Länder. Matthias SCHIHKE
Be* in, DDR In einer Familie mii Kindern Es gilt, schon die Möglichkeit einer
leben die Erwachsenen wie auf der augenblicklichen Vernichtung der
Vor kurzem sah ich mir Bühne. Sie haben anspruchsvolle Menschheit zu beseitigen, denn
zwei sowjetische Filme Zuschauer vor sich, die alles, was viel zu viel steht auf dem Spiel: das
an. Sogar die Stehplätze im Alltag geschieht, gierig aufneh­ Schicksal der kommenden Genera­
waren verkauft. Die men und alles streng beurteilen, tionen, die Fortsetzung des Lebens
Menschen 'lösten selbst für was sie sehen. Dieser Zuschauer ist auf der Erde.
die erste Reihe Eintrittskar­ von ganz besonderer Art, in einem Die Kinder selbst entwickeln
ten. Und das, wahrend in "Auftritt" kann er aus dem Saal auf bereits ein Gefühl für die drohende
den USA die Kinos ge­ die Bühne wechseln und in den Gefahr, sie spüren, daß der Kampf
wöhnlich nur zu 25 Prozent
Lauf des Geschehens eingreifen. für eine friedliche Zukunft die
besetzt sind. Das Publikum
applaudierte bei beiden Das tut er gemäß seinen eigenen Teilnahme aller erfordert. Das V/ort
Filmen. Die Amerikaner Vorstellungen von Gut und Böse. "Friedensstifter" wird schon bei
wollen mehr von der So­ Selbstverständlich werden seine vielen mit dem Wort "Kinder"
wjetunion wissen... Ansichten nicht nur im Elternhaus, assoziiert. Ganz junge Bürger tref­
Charles OELER sondern auch von der gesamten fen sich mit Staatschefs, richten
Boston, USA Wirklichkeit geformt. Aber ist das besorgte Briefe an sie.
• Leben so makellos eingerichtet? Ja, heute reifen die Kinder
Wie einfach und klar ist
der Artikel von Akademie­ Es gibt eine düstere Prognose: schneller heran, sowohl körperlich
mitglied V. Goldanski Bis Ende unseres Jahrtausends als auch sozial. Dennoch bleiben
"Wissenschaft und neues werden in den Entwicklungsländern sie Kinder. Und die Erwachsenen
Denken" (Heft 18’87] ge­
über 240 Millionen Kinder im Alter sind aufgefordert, sie zu schützen.
schrieben. Er will offenbar
auch die jungen Leser bis zu 5 Jahren an Krankheit und Nicht nur am 1. Juni, dem Interna­
ansprechen. Der Beitrag Unterernährung sterben. tionalen Tag des Kindes.
besticht durch seine Kinder kommen in militärischen Im Zusammenhang mit dem be­
Ehrlichkeit und Aufrichtig­
Konflikten um... vorstehenden Tag möchte man an
keit.
Die jungen Menschen Kinder sind die ersten und Maxim Gorkis Worte erinnern: "Die
verfolgen alles, was sich in schuldlosen Opfer der Unge­ Kinder sind unsere Richter von
der Welt tut, sehr auf­ rechtigkeit und Grausamkeit der Morgen, sie sind Kritiker unserer
merksam. Doch leider Gesellschaft...
wurde in letzter Zeit zu Ansichten und Schritte, das sind
viel ohne uns entschieden. Am schlimmsten ist die Lage in Menschen, die in die Welt hinaus­
Zwischen uns und der Südafrika. Dort nehmen schon gehen, zur großen Arbeit des
älteren Generation kam es Schulkinder am Protest gegen die Aufbaus neuer Formen des Le­
zu einer Entfremdung. Zu Apartheid teil. Auch sie werden bens." Möchte jemand von diesen
ihrer Oberwindung wer­
den, wie ich hoffe, die von den Rassisten nicht verschont: Richtern verurteilt werden? Wäre
tiefgreifenden Änderun­ In letzter Zeit wurden 23 000 es nicht die größte Sünde, die
gen, die sich in der UdSSR Personen verhaftet, ein Drittel Kin­ Bewegung der Generationen in die
vollziehen, beitragen. Da­ der, viele noch keine 11 Jahre alt. Zukunft, zu einer vollkommeneren
von war auch auf dem 20.
Kongreß des Leninschen in der RSA gibt es eigens Kinder- Gesellschaft (wir glauben daran!)
Komsomol die Rede. Von KZs für sie. zu unterbrechen?
ganzem Herzen unterstütze Wie viele arbeitende Kinder Mögen die Kinder das zu Ende
ich den Umbau. Ich möchte schoben in den aufgeklärten Län­ führen, was die Erwachsenen nicht
dazu meinen eigenen be­
scheidenen, doch konkre­ dern des Westens viele Stunden getan haben, mögen sie die Fehler
ten Beitrag leisten. ’er gesundheitsschädlichen Be- der Erwachsenen korrigieren und
Juri GUBSK1, Student dmgungen, und das Gesetz sieht weiiergehen.
Kiew, Ukr. SSR
2 "HEUE ZEIT" 22.87
BAS HAUPTZIEL BEL POLITIK
Aus MichaiJ Gorbatschows Kedern bei seinem Rumänien - Besuch vom 25. bis zum
27. Mai *3987

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Begrüßung in Bukarest Foto: TASS den können. Doch darauf werden ver­ schlossen sei. Doch auch danach werden
schiedene Antworten gegeben. Sicher­ diverse Hindernisse aufgebaut.
heit durch Abschreckung, vor allem Zumindest jetzt müßte allen klar sein,
nukleare? So stellen die herrschenden wer für eine nukleare und wer für eine
Wir haben unsere sowjetischen Inter­
Kreise der USA und die Führer einiger kernwaffenfreie Welt eintritt. Klar sein
essen nie von den Gesamtinteressen der
kapitalistischer Länder die Frage. Unsere müßte auch, wie verlogen die von
Gemeinschaft, des sozialistischen
Haltung ist eine prinzipiell andere — Antikommunisten verbreitete Behauptung
Weltsystems und der internationalen
Sicherheit durch Bewegung auf eine ist, die sozialistischen Staaten verfolgten
Arbeiterbewegung isoliert gesehen und aggressive Absichten.
Welt ohne Waffen und Gewalt.
tun das auch jetzt nicht, und umfassender
gesagt auch nicht vom Wohlstand und o
Heute steht die Frage der Beseitigung
Die Völker haben das Recht, an
diesem überaus verantwortungsvollen
Fortschritt der ganzen Menschheit.
Wendepunkt zu verlangen, daß endlich
o der Mittelstreckenraketen in Europa auf
der Tagesordnung. In ihren letzten das Katz-und-Maus-Spiel bei der Lösung
einer so überaus wichtigen Frage wie
Ich meine, daß sich so und nur so die Statements und in Gesprächen mit uns
Beziehungen zwischen den sozia­ erklärten einige Staatsmänner von der nuklearen Abrüstung, der Festigung
listischen Staaten entwickeln können und NATO-Ländern, die von der Sowjetunion von Frieden und Sicherheit in Europa
müssen: völlige Selbständigkeit bei der vorgeschlagene radikale Lösung dieser beendet wird.
Festlegung ihres politischen Kurses und
gemeinsame Verantwortung für das
Frage sei im Prinzip möglich. Doch dann o
tauchte eine Vielzahl von Vorbehalten Niemand zweifelt daran, daß sich die
Schicksal des Weltsozialismus, umfassen­ auf. Man begann davon zu sprechen, es Balkan-Länder noch sicherer und ruhiger
der allseits nützlicher Erfah­ sei unmöglich, die Mittelstreckenraketen fühlen würden, wenn die Ideen der
rungsaustausch und gleichberechtigte zu vernichten, ohne die Frage der Verwandlung dieser Region in eine
kameradschaftliche Zusammenarbeit. operativ-taktischen Raketen parallel zu atom- und chemiewaffenfreie Zone ver­
O lösen. Als wir uns bereit zeigten, diese wirklicht wären.
Wir sind weit von dem Gedanken Waffenart zu vernichten, reagierten un­ Hierzu gibt es Vorschläge Rumäniens
entfernt, daß all unsere gemeinsamen sere westlichen Partner panisch und und Bulgariens. Soweit wir wissen,
Schritte stets erfolgreich gewesen wären erklärten, man wolle sie der angeblich stehen auch andere Staaten positiv dazu.
und zum Erfolg geführt hätten. Doch das überwältigenden Überlegenheit des In diesem Zusammenhang möchte ich
Eine kann man mit Bestimmtheit sagen: Warschauer Vertrages wehrlos auslie­ erklären, daß die Sowjetunion bereit ist,
Wir lebten und leben in der Sorge um fern. die erforderlichen Garantien für die
den Frieden. Die Verhinderung eines Dann wurde die Bedingung erhoben, Nichtstationierung und den Nichteinsatz
Nuklearkrieges, die Rettung der auf die 100 Sprengköpfe zu verzichten, von Nuklear- und chemischen Waffen in
Menschheit — das ist das Hauptziel un- die entsprechend der Vereinbarung von dieser Zone zu geben. Ich meine, man
serer Politik. Reykjavik im asiatischen Teil der sollte noch weiter gehen, indem die
© UdSSR und in den USA verbleiben Balkanhalbinsel von allen ausländischen
Heute steht vor allen Ländern die sollten. Vor einigen Tagen erklärten wir Truppen und Militärstützpunkten befreit
Frage, wie sie die Kriegsgefahr abwen- bekanntlich, daß auch dies nicht ausge­ wird. Uh
"NEUE ZEIT" 22.87 3
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Überlegungen zu der Deklaration von Delhi, ihrer Philosophie und wicklung und die Lösung weltweiter,
Bedeutung menschheitsrelevanter Probleme in Über­
einklang.

Appell an die Moral


Anatoli KUZENKOW
In meinen Augen liegt die Leistung
der Deklaration von Delhi darin, daß sie
nicht nur an den Verstand appelliert,
Wohin riel.t de
richt d e Menschheit, was intellektuellen Ressourcen für den sondern auch an Emotionen und Moral
erwartet •. e
sie und was muß man Rüstungswettlauf abzustellen. Diese Ten­ der Menschen. Um mit Gorbatschows
letztendlich tun, um ihre Zukunft zu denz verschiebt praktisch die Lösung Worten zu sprechen, machte sie Schluß
sichern' fr, < I 11 sc t.< Epoche vor wichtiger globaler Fragen, wie Um­ mit "der Abtrennung der Politik von
uns hat eine derart intensive Such* nach weltschutz, Rohstoffe, soziale Probleme menschlich-sittlichen Normen". Sie rückte
Antworten au diese brenne:.den Fragen usw. auf unbestimmte Zeit. Diese die Interessen der ganzen Menschheit
erlebt. Probleme spitzen sich zu und können die und jedes Einzelnen ein für allemal in
Vor kurze- war ich - .t einer Gruppe Menschheit ohne Krieg in die Ka­ den Vordergrund. In Punkt zwei der
sowjetische- Wissenschaftler in Indien tastrophe stürzen. So bitter es auch sein Deklaration heißt es: "Das AAenschenle-
und konnte mich eingehend mit dem mag, muß man doch konstatieren, daß ben muß als das wertvollste Gut gelten".
Standpunkt '.einer indischen Kollegen dieses traditionelle Denken in der Punkt sieben fordert die Garantie für
zu diesen Fragen vertraut machen. heutigen Politik des Westens überwiegt. eine harmonische Entwicklung der Per­
Unsere Gespräche waren überwiegend Die innovative fortschrittliche Tendenz sönlichkeit. Logisch folgt daraus, daß die
vertraulich, so daß ich hier nicht den des Denkens kommt aus einer prinzipiell Lebensgrundlage der menschlichen Ge­
Gegenstand unserer Unterhaltungen dar­ neugeordneten Welf, in der Abrüstung meinschaft das Prinzip der Gewaltlosig­
legen, sondern eigene Überlegungen und internationale Zusammenarbeit so­ keit sein muß: "Philosophie und Politik,
niederschreiben will, die unter dem wie die Ächtung des Krieges zum die auf Gewalt und Abschreckung,
Eindruck jener Begegnungen entstanden. obersten Grundsatz erhoben werden. Ungleichheit und Unterdrückung, Diskri­
Auf dem 27. Parteitag der KPdSU minierung aus Gründen der Rasse, der
Zwei Ansätze wurde eine einheitliche Konzeption für Religion oder der Hautfarbe basieren,
umfassende inernationale Sicherheit vor­ sind amoralisch und unzulässig."
Unter den zahlreichen Ideen und gelegt. Sie begreift unseren Planeten als Im Raketen- und Atomzeitalter ist eine
Konzeptionen, die von Wissenschaftlern, in seinen Wechselbeziehungen einheit­ Hinwendung zu Moral und Sittlichkeit so
Politikern und Persönlichkeiten des öf­ liches Ganzes, in dem die Sicherheit neu wieder nicht. Erstmalig durch die
fentlichen Lebens zur Überwindung eines Staates nicht auf Gewalt und Deklaration von Delhi jedoch wurden
dieser Krise vorgebracht werden, lassen Gewaltandrohung beruhen kann. moralisch-ethische Prinzipien zu einem
sich bei aller gebotenen Relativierung Vollständige Sicherheit ist nur gemein­ anerkannten Bestandteil politischen Den­
zwei wesentliche Tendenzen erkennen, sam und für alle möglich. kens.
eine traditionelle und eine innovative Das sowjetisch-amerikanische In der geistigen Kultur der Völker der
Tendenz. Gipfeltreffen in Reykjavik hat uns allen Sowjetunion und Indiens, der beiden
Der traditionelle Ansatz basiert auf vor Augen geführt, daß das sowjetische Mitverfasser der Deklaration, ist die
dem Dogma, das so alt ist, wie die Welt Friedensprogramm keine Utopie ist und kompromißlose Suche nach dem Sinn des
selbst: Wenn du den Frieden willst, daß praktische Vereinbarungen durchaus Lebens, nach der höheren Bestimmung
bereite den Krieg vor. Viele glauben erreichbar sind. Es kommt jetzt nur noch des Menschen und der gesellschaftlichen
ernsthaft, daß der Frieden um so sicherer darauf an, ob die USA und ihre Bedeutung seiner Gedanken und Taten
ist. je mehr Vernichtungswaffen auf der Bündnispartner bereit sind, Realismus an tief verwurzelt. Was Rußland betrifft,
Erde angehauft werden. Denn der den Tag zu legen. möchte ich hier vor allem an Lew Tolstois
gesunde Menschenverstand läßt Die Erarbeitung eines konstruktiven leidenschaftliches Bekenntnis zu mora­
Selbstmord nicht zu. „Abschreckungs­ Beitrags zur Beseitigung der Kriegsge­ lischer Vervollkommnung und Dosto­
konzeption" und „Gleichgewicht des fahr hat mit der Deklaration von Delhi jewskis Idee der moralischen Über­
Schreckens" werden damit legitimiert über die Prinzipien einer von Atomwaf­ einstimmung bei Zielen und Mitteln ihrer
und heizen das weltweite Wettrüsten nur fen und Gewalt freien Welt eine neue Verwirklichung erinnern.
weiter an. Qualität erreicht. Die Deklaration von Besonders kennzeichnend für die alte
Der Mangel und die Gefährlichkeit des Delhi wurde am 27. November 1986 von und vielfältige Kultur Indiens ist wohl
traditionellen Denkens liegt darin, daß es Michail Gorbatschow und Rajiv Gandhi die Relation zwischen menschlichem
die wichtigste Aufgabe nicht lösen, die unterzeichnet. Vorgehen und moralisch-ethischen Leit­
d’ohende Vernichtung der Welfzivilisa- Dieses Dokument ist in vieler Hinsicht sätzen bei hoher Verantwortung vor den
hon nicht beseitigen hilft. Es ist eher bemerkenswert, zunächst einmal da­ lebenden und künftigen Generationen.
dazu angetan, das Risiko eines spontan durch, daß es von zwei friedliebenden In die Deklaration von Delhi wurden
ausb'echenden weltweiten thermonukle­ Staaten formuliert wurde, die un­ aus dem reichen kulturellen Erbe beider
aren Konflikts zu erhöhen, und zwingt terschiedliche gesellschaftspolitische Völker Wertvorstellungen übernommen,
obendrein die Länder und Völker, einen Systeme vorstellen. Ihm liegt die Prä­ die für die Welt von heute unerläßlich
zunehmenden Tel ihrer mater eilen und misse von der Einheit der Menschheit sind.
und der Unzulässigkeit eines thermonuk­ Indem man die Konzeption einer
learen Krieges zugrunde. Dieses Doku­ atomwaffenfreien Welt um den mora­
Anatoli Akimowitsch Kuzenkow ist ment steht für die Idee einer für alle lisch-ethischen Aspekt erweitert hat,
Doktor der Gesch chtsw>ssenschaft, Chef­
gleichen Sicherheit auf der Grundlage konnte man ihren Einflußbereich, ihren
redakteur der Zeitschrift "Narody Asii
der friedlichen Koexistenz und erkennt Einfluß auf gesellschaftliche Bewegungen
i Afriki und stellvertretender Vorsitzen­
jedem Staat das Recht auf politische und und Organisationen erweitern, von de­
der des Sowjetischen Komitees fu’ die
Sc' aaritat mit oen Landern Asiens und wirtschaftliche Sicherheit zu. Die Deklara­ nen viele moralisch oder religiös moti­
Afrikas. tion von Delhi bringt Abrüstung, Ent­ viert werden.

4 "NEUE ZEIT" 22.87


Gewaltlosigkeit ist nicht Stillhalten. sie ihren Einsatz selbst bestimmen. Die Der Gedanke einer atomwaffen- und
Das Recht der Völker, ihren Ent­ Technik aber ist herzlos und moralisch gewaltfreien Welt, wie ihn die Deklara­
wicklungsweg frei zu wählen, die Prinzi­ neutral. Sie menschlich machen, also ihr tion von Delhi für alle hörbar verkündet,
pien der friedlichen Koexistenz, die auch die Möglichkeit vorenthalten, die ist mehr als nur das gesetzmäßige
die Nichteinmischung in die inneren Menschheit zu töten, kann nur der Resultat eines viele Jahrhunderte
Angelegenheiten anderer Staaten umfas­ Mensch, der sich selbst zum Menschen dauernden Fortschritts der materiellen
sen, die Respektierung ihrer Souveräni­ gemacht hat. Damit ist der Appell der und geistigen Kultur, sich ver­
tät, die Unantastbarkeit ihrer Grenzen Deklaration von Delhi an humane mora­ vollkommnender Intelligenz und Gefühle
und die Heiligkeit des menschlichen lische Werte kein utopischer frommer des Menschen und der gesamten
Lebens, diese Prinzipien der Deklaration Wunsch, sondern das gesetzmäßige Menschhaitsentwicklung, er ist der kate­
von Delhi ächten Gewalt und geben Resultat des heutigen Abschnitts in der gorische Imperativ, die conditio sine qua
Völkern, Staaten und Einzelpersonen das Entwicklung der Produktivkräfte und non für den Fortbestand des Menschen­
Recht, der Gewalt aktiv entgegenzutre­ materiellen Grundlagen für die Existenz geschlechts. Die in diesem Sinne in Delhi
ten und ihre Interessen zu verteidigen. des Menschengeschlechts. unterzeichnete Deklaration verkörpert
Seit der Unterzeichnung der Deklara­ Auf der sozialen Ebene hat man sich eine neue Denkweise und bietet eine
tion von Delhi ist ein halbes Jahr die Geschichte der Menschheit als neue Philosophie an, Prinzipien für ein
vergangen. Im Westen versucht man permanente Überwindung von Isolation neues zwischenmenschliches und inter­
jetzt, ihre zehn Gebote als Utopie und vorzustellen, der Sippe, des Stammes, nationales Miteinander. Sie ist ein
wirklichkeitsfremd abzutun. der nationalen und staatlichen Isolation, richtungweisendes Dokument, und ich
im Zuge eines ständig erweiterten bin überzeugt, daß ihre Bedeutung noch
Geschichte als Austauschs von Produkten der Arbeit, zunimmt.
der Technik, der Ideen und Kulturwerte,
Überwindung der Jsolation als Herausbildung einer einheitlichen Konsequent
Menschheitsgemeinde mit gemeinsamen
Zweifellos sind die Ideale und Prinzi­ Interessen und Wertvorstellungen und und logisch
pien der Deklaration von Delhi heute mit einem gemeinsamen Schicksal. Die
noch weit davon entfernt, allgemein Erkenntnis dieser Gemeinsamkeit ver­ Damit ist noch nicht gesagt, daß der
anerkannt oder gar verwirklicht zu tiefte sich besonders angesichts Weg der Deklaration von Delhi, bis sich
werden. Gewalt ringsum. Trotzdem bin des über allen hängenden atomaren ihre Prinzipien durchgesetzt haben, mit
ich davon überzeugt, daß die Zukunft Damoklesschwertes. Somit bezieht sich Rosen übersät ist. Damit sie zur Norm
der Deklaration von Delhi und ihren der in der Deklaration von Delhi der internationalen Beziehungen werden,
Prinzipien gehören wird. Die Lebensfä­ enthaltene Aufruf an die Menschheit und müssen alle Mitglieder der Weltge­
higkeit fortschrittlicher Ideen läßt sich an menschliche Wertvorstellungen, wie meinschaft, allen voran die Großmächte,
keineswegs direkt aus der Realität wir sehen, auf reale Prozesse in einer ihre Denkart radikal ändern, sich von
ableiten, die sie erst verändern müssen. real existierenden Welt. gewohnten Dogmen lossagen, zumal im
Es dauerte immer mehr oder weniger Zu den geistigen humanistischen Sfrö- Handeln. Sie müssen den Widerstand
lange, bis eine Idee vom Volk aufgegrif­ mungen: Auf der Erde leben Tausende jener Kräfte brechen, für die Gewalt
fen wurde. Die Lebensfähigkeit jeder Völker und Völkerschaften mit un- nicht nur eine Kategorie des Denkens,
Idee muß sich daran messen lassen, terschiedlichem Nationalcharakter, Sie sondern auch Richtschnur ihres Handelns
inwiefern sie Bedürfnisse ihrer Zeit zum gehören verschiedenen Religionen an ist, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Ausdruck bringt. Betrachten wir die und pflegen unterschiedliche Lebensfor­ Dazu reicht Überzeugung allein nicht
Deklaration von Delhi unter diesem men. Diese Unterschiede waren nicht aus, dafür müssen in der Welt Ver­
Aspekt. selten Ursache für Reibungen, Mißtrauen, hältnisse geschaffen werden, unter de­
Die wichtigste Aufgabe des Doku­ Feindschaft und blutige Zusammenstöße. nen Gewalfmethoden eindeutig zum
ments besteht darin, die Menschheit vom Auf der anderen Seite haben alle Scheitern verurteilt sind. Somit ist also
Untergang zu erlösen,, in den das Nationalkulturen ohne Ausnahme einen nicht nur kollektives Nachdenken erfor­
atomare Wettrüsten sie hineinzieht, und gemeinsamen humanistischen Grundkon­ derlich, sondern bestimmte Mechanis­
die Ressourcen, die heute auf die sens. Motive von Menschlichkeit und men, die den Mißerfolg von Gewaltan­
Waffenproduktion verwandt werden, ein­ Mitleid, der Traum von Glück und wendung in der Politik garantieren. Wie
zusetzen im Kampf gegen Armut, Hunger Gerechtigkeit, ein System von Auffassun­ diese Mechanismen aussehen und in
und Krankheiten, für den Schutz unserer gen und Normen, die die Einmaligkeit welchem Zeitraum sie verwirklicht wer­
natürlichen Umwelt. Die Deklaration von des Menschen und sein Recht auf Leben den können, ist schwer zu sagen. Daß
Delhi wendet sich an den einzelnen anerkennen, durchziehen Volkskunst, Li­ diese Mechanismen notwendig sind, und
Menschen, an das Individuum, dessen teratur, religiöse und philosophische daß es sie geben wird, steht außer
Talent entwickelt und realisiert werden Schulen. Das Wesen des Humanismus­ Zweifel, denn es gibt keine Alternative
muß, und nicht unter unerträglichen begriffs hat sich dabei natürlich wei­ zum Frieden.
Lebensbedingungen verschüttet oder im terentwickelt. Zu Beginn unserer Ge­ In seiner letzten Konsequenz bedeutet
thermonuklearen Kriegsbrand vernichtet schichte ließ unser ferner Urahn den das, daß der Frieden zwischen den
werden darf. Entspricht das etwa nicht Wert menschlichen Lebens nur für die Völkern, der Frieden zwischen Staaten
den dringendsten Aufgaben unserer Mitglieder seiner Sippe oder seines nur stabil sein kann, wenn er sich auf
Zeit? Stammes gelten. Dem Humanismus waren Gewaltlosigkeit im Innern jedes einzel­
Nehmen wir einen anderen Aspekt: relativ enge Grenzen seiner "Rechtsgül­ nen Landes stützen kann. Aber, die
den Bezug der Deklaration von Delhi zu tigkeit" gezogen. Diese Begrenzungen Gewalt aus dem Leben einer konkreten
den historischen Realitäten, zunächst erweiterten sich im Lauf der Zeit. In dem Gesellschaft zu verbannen, ist eine noch
einmal zur Entwicklung der materiellen Maße, wie sich die Menschenge­ schwerer zu lösende Aufgabe, denn
Grundlagen der menschlichen Zivilisa­ meinschaft herausbildete, erhielt der Gewalt ist das Ergebnis von sozialen,
tion. Die moderne Kriegstechnik und die Artbegriff des Menschen weltweite Be­ von Klassenwidersprüchen, die man mit
in Instituten und Labors geschaffene deutung und stieg der Wert des Deklarationen weder umgehen noch
Technik droht den Menschen, ihren Individuums. Die Mißachtung huma­ aufheben kann. Soziale Widersprüche
Erzeuger, zu überwältigen. nistischer Traditionen in unserer Zeit hat es immer gegeben und wird es
Ursprüngliche Verteidigungswaffen des birgt unberechenbare Gefahren für die immer wieder geben, sie sind Ergebnis
Menschen verwandeln sich in eine ganze Menschheit in sich. Das wird in der gesellschaftlichen Entwicklung und
absolute Bedrohung seines Lebens. der Deklaration von Delhi berücksichtigt zugleich Triebkraft dieser Entwicklung,,
Weltraumwaffen sind so konzipiert, daß und artikuliert. die treibende Kraft der Geschichte.
"NEUE ZEIT" 22.87 5
PANORAMA

Wales vor kurzem abgehalte­ britischen nuklearen Potentials wonach die britische Regie­
nen Wahlen zu den örtlichen und für das Konformgehen mit rung, noch ganz im Siegestau­
GROSSBRITANNIEN Verwaltungsorganen, bei de­ Washington eintritt. mel, fallen wcrdel
nen die Tories einen Selbstverständlich nutzen Ich weiß nicht, ob so ein
eindrucksvollen Sieg errangen. die Oppositionsparteien die Plan wirklich besteht, solcher­

Wieder Ein weiterer Grund sind eine


gewisse Belebung der In­
"Minuspunkte"
tik aus. Die Labours
der Tory-Poli-
ver­
lei "Entlarvungen"
Großbritannien keine Sensa­
lösen in

dustrie und langsameres An­ sprechen, wenn sie an die tion aus. Auf jeden Fall wur­
Tories? wachsen der
günstige, wenn auch offen­
Inflationsraten: Macht kommen, gleich in den
beiden ersten Jahren die Ar­
den
pagne die
mitten in
Unzufriedenheit
der Wahlkam­

• DIE HAUPTE.
HAUPTE.. VALEN
>/ALEN IM sichtlich saisonbedingte Ten­ beitslosigkeit um ein Drittel zu und die Drohungen an die
WAHLKAZ/PF SIND DIE denzen in der Wirtschaft. kürzen, die Sozialausgaben Adresse der Labours publik
TORIES (REGIERUNGSPAR­ dagegen zu erhöhen. Das gemacht, und das wird einige
TEI) UND DIE OPPOSITION: All diese "Pluspunkte" ha­ militärische Programm der La­ britische Wähler, denen die
DIE LABOURS SOWIE EINE ben im Wahlmanifest der Re­ bours sieht vor, daß Großbri­ endlose "Hexenjagd" ohnehin
ALLIANZ DER LIBERALEN gierungspartei selbstverständ­ tannien zwar in der NATO auf die Nerven geht, sicher­
UND DER SOZIALDEMOKRA­ lich ihren Niederschlag gefun­ bleibt, aber auf Kernwaffen lich beeindrucken.
TEN. den. In ihren öffentlichen verzichtet und die US-Mili- In Großbritannien gilt das
Ansprachen betonte die Pre­ tärstützpunkte in England auf­ Mehrheitssystem. Die Allianz
Ebenso wied.e vcrir.gc- mierministerin nicht ohne Stolz löst. Die Labours schnitten bei kann wohl kaum damit rech­
gar.gcr.en von 1933 werden ihre "Siege über den Sozialis­ den Munizipalwahlen schlecht nen, allein an die Macht zu
die gegenwärtigen Perle- mus", die von
worunter sie ab, sind jedoch fest entschlos­ kommen. Deshalb sprechen
mentswahlcn um ein Jahr vor­ den Tories betriebeneRepri­ sen, cs mit den Tories in der sich ihre führenden Politiker
gezogen (Margaret Thatcher vatisierung der Wirtschaft diesjährigen Kampagne aufzu­ für eine Koalitionsregierung
steht dem konservativen Kabi­ meint. Gemäß diesem Kurs nehmen. aus. In ihrem Manifest setzen
nett seit 1979 vor). Die Wähler wurde ctv/a ein Drittel des Übrigens hat Kinnocks Par­ sie sich für eine Reform der
haben 6S0 Mitglieder des staatlichen Sektors an Millio­ tei Gegner auch in Übersee. legislativen Macht und des
Unterhauses zu wählen. Die nen Aktionäre übereignet. Dem "Sunday Telegraph" zu­ Staatsapparates sowie für die
Regierungspartei hat dort folge sei Präsident Reagan ein Erweiterung von Bürger­
läufig ein Übergewicht von In der Hitze der Wahlaktion in der NATO vorgefertigter rechten und Demokratie ein.
141 Sitzen. kommen jedoch auch andere geheimer Plan zugeleitet wor­ Meines Erachtens lohnt cs
Ergebnisse der Wirtschaftspo­ den: Falls die Labours jetzt sich nicht, die beharrlichen
Nach Konsultationen mit ih­ litik der Tories ans Licht: mehr siegen, sei die britische Regie­ Prognosen einiger britischer
ren Ministern und einem tradi­ als 3 Millionen Arbeitslose, rung zu stürzen. Die meisten Blätter unbesehen zu glauben,
tionellen Besuch bei der Köni­ Hunderttausende "neue Arme" Sorgen bereite der US-Admi- die Tories würden sowieso
gin kündigte Mrs. Thatcher die und Obdachlose, eine Pleiten­ nistration die Aussicht auf den siegen. Immerhin sind 6 von je
Auflösung des Parlaments welle, die chronische Stagna­ Abzug amerikanischer Basen 10 Wählern gegen die Konser­
an. Allgemeine Wahlen sollen tion in mehreren Zweigen der und Rüstungen aus England vativen.Übrigens haben Ex­
am 11. Juni stattfinden. Was verarbeitenden Industrie. und auf die von den Labours perten aus der Forschungsfir­
bewog die Premierministerin Viele Briten sind zudem über angekündigte kernwaffenfreie ma MORI errechnet: Wenn
zu diesem Beschluß? die militärischen Vorbereitun­ Politik. Deswegen enthalte der wenigstens zwei von je 100
Wahrscheinlich doch die Er­ gen der Regierung besorgt, Plan eine ganze Kollektion heutigen Verehrern der Tories
gebnisse der in England und die für die Stärkung des von "Vorbeugemaßnahmen", der Partei den Rücken kehren,

In der Unterzeichnung der Deklaration Eigentums zu entledigen. Nach der die abtretenden Klassen als historisch
von Delhi durch einen Kommunisten, den Oktoberrevolution wandte sich die junge weitsichtig erweisen und das Streben
führenden Politiker einer sozialistischen Sowjetmacht des öfteren an die ge­ ihrerVölker zu einer neuen sozialen
Weltmacht, sahen einige ausländische stürzten Klassen Rußlands und rief sie Ordnung als unvermeidlich begreifen,
Kommentatoren fast eine Abweichung auf, sich dem Aufbau einer neuen muß es nicht zu physischer Gewalt
vom Marxismus-Leninismus, oder noch Gesellschaft anzuschließen. Dafür wären kommen. Dann funktioniert die Gewalt
schlimmer, pure Heuchelei. Hierauf sollte ihre Kenntnisse, ihre Qualifikation und der Vernunft. Eine solche Wendung der
man vielleicht ausführlicher eingehen. ihre Verbindungen nützlich gewesen. Bis Ereignisse erfordert eine hohe politische
in die Gegenwart entschied jedoch die Kultur und die Verankerung demokra­
Zunächst einmal muß man präzisieren, Geschichte anders. Die gestürzten Klas­ tischer Fertigkeiten und Prozeduren in
welche Art Gewalt in der Deklaration sen griffen mit ausländischer Hilfe zu den der jeweiligen Gesellschaft. Ist derarti­
gemeint ist. Es geht um physische Waffen, um sich der neuen Macht zu ges real denkbar? Man sollte meinen, ja,
Gewalt, die Menschenleben gefährdet. widersetzen und den gesellschaftlichen denn die neue Denkweise, durch die
Außerdem haben Marxisten die Fortschritt zu verhindern. Die revolutio­ praktische Notwendigkeit hervorge­
physische Gewalt nie verabsolutiert. Sie nären Kräfte waren damit gezwungen, bracht, Frieden unter den Völkern zu
gingen und gehen von der vorzuzichen- dieser Gewalt ihre eigene revolutionäre wahren, wird sich auch auf andere
den Möglichkeit aus, selbst akute soziale Gewalt entgegenzusefzen. Bereiche des Lebens und der zwischen­
Widersprüche, und sei es in Perioden menschlichen Beziehungen auswirken.
sozialer Revolutionen, mit friedlichen Im Verlauf der Entwicklung erwies Soweit ist alles noch Phantasie. Die
Methoden zu lösen. Die progressiven sich die konterrevolutionäre Gewalt als Welt von heute kommt diesem Ideal
und Befrciungskräfte heben physische historisch perspektivlos. Denn nicht gerade sehr nahe. Letzten Endes

Gewalt nicht nötig, sie können der letztendlich lösen fortschrittlichere ge­ wird aber Phantasie Realität, wenn die
Menschheit den Willen zu leben in sich
I
Unterstützung des Volkes gewiß sein.
Marx und Engels sahen d>c Mög ichkeit
vor, Kapitalisten durch Aufkauf ihres
sellschaftliche Formationen
Formationen ab, die die Entwicklung der
Produktivkräfte fesseln. Wenn sich also
überlebte
findet. Einen
einfach nicht.
anderen Weg gibt es
EJ
I
"NEUE ZEIT" 22.87
6
PANORAMA

wird diese Partei keine


Mehrheit erhalten, und wenn
das 4 von je 100 tun, werden
die Labours siegen. Warten
wir also die Ergebnisse ab. !
J. KUDIMOV/
UJZZ
JAPAN

Seltsam,
aber wahr
O MEINUNGSUMFRAGEN
ZEIGEN IMMER WIEDER,
DASS DIE MEISTEN JAPANER
FÜR DIE BEACHTUNG DER
VON DER REGIERUNG VER-
KÜNDETEN "DREI
NICHTNUKLEARPRINZIPIEN"
EINTRETEN. DOCH NUR SEHR
WENIGE ZWEIFELN DARAN,
DASS SICH NUKLEARWAF­
FEN TROTZDEM IM LAND BE­
FINDEN.
Dieses Problem ist um so
aktueller, als die japanische
Presse jetzt den Aufruf der
Sowjetunion zur Vernichtung
der Nuklearwaffen auf dem
gesamten asiatischen Konti­
nent und zur Schaffung von
kernwaffenfreien Zonen in der
Region erörtert. Unterdes ist
Japan besorgt über neue Mel­
dungen, daß die "drei
Nichtnuklearprinzipien" ver-
letzt werden.

1
Die NZ berichtete bereits in
Heft 16/87 über den sensatio­
nellen Fund, der einer
Suchergruppe der Kommu­
nistischen Partei Japans (KPJ)
in Washington gelang. Sobald
das Telegramm, das
.^nOBOS^/
A
US-Außenminister Dean Rusk
1966 an den ehemaligen
Botschafter in Japan, Edwin
"Bln ich etwa schlechter als eine TV-Brücke! Auch ich verbinde schließlich Länder
Reischauer, richtete, bekannt
und Kontinente... Zeichnung: Wsewolod Arsenjew
geworden war, begann die
japanische Regierung das of­
fensichtliche Vorhandensein
einer "vertraulichen" Verein­ 1966 an der Formulierung von der werde je ein Exemplar zu dementieren", sagt Tokio
barung, die den Transit von Rusks Direktive beteiligt war, dieses Abkommens aufbe­ überaus zu. "Wir gehen davon
Nuklearwaffen erlaubt, katego­ betonte, daß die Vereinbarung wahrt. aus, daß die USA unsere
risch abzustreiten. Obwohl die Washington—Tokio nicht nur Doch die Regierung streitet Nichtnuklearprinzipien respek­
Echtheit des Telegramms nicht den Transit von Nuklearwaffen weiterhin alles ab. Das einzu­ tieren. Sollten sie uns bitten,
angezweifelt wird... bestä­ ohne irgendwelche vorherge­ gestehen würde bedeuten, das die Einbringung von Nuklear­
tigte Reischauer eine solche henden Konsultationen erlau­ Gesicht zu verlieren, könnte waffen zu erlauben, werden
Geheimvereinbarung und erin­ be, sondern auch deren stän­ zu einem Rücktritt der Regie­ sie eine Absage erhalten" —
nerte sich sogar an ihm be- dige Stationierung auf japa­ rung und zu Stimmenverlusten so lautet die Standardantwort
kannte konkrete Fälle, als nischem' Territorium er­ für die LDP führen. auf Vorwürfe, Tokio wolle
US-Schiffe mit Nuklear- mögliche. Und Arthur Barber, Das Prinzip des Pentagon, nicht für die effektive Einhal­
, Sprengköpfen an Bord ja- damaliger Assistent des das Vorhandensein von Nukle­ tung und die Überprüfung des
panische Häfen anliefen. Ro­ stellvertretenden US-Verteidi- arwaffen auf amerikanischen Verbots für die Einbringung
ger Garthoff, Ex-Berater des gungsministers, behauptete, in Stützpunkten oder Kriegsschif­ von Nuklearwaffen sorgen.
State Department, der den Hauptstädten beider Län- fen "weder zu bestätigen noch Doch die Amerikaner werden
"NEUE ZEIT" 22.87 7
PANORAMA

wohl kaum auf einmal um ehemaliger Kommandant der VERSTÄRKUNG DER


Erlaubnis bitten, wenn sie das "Midway", teilte mit: Mit der US-MILITÄRPRÄSENZ IN DER
bis!ang nicht getan haben. Das ' geheimen Munition" seien PERSISCHER GOLF REGION.
Schwe gen des Pentagon ist Nuklearsprcngköpfe gemeint,
das Ergebnis beharr! eher Bit­ und die Einheit sei für deren Es wurde bekanntgegeben,
ten der Regierungen jener Entgegennahme, Überprüfung daß die US-Kriegsmarine im
Lander, die c c Sta‘ on.erung
vor Nuklearwaffen auf -Krem
und die Bestückung der Trä­
gerflugzeuge verantwortlich.
Ein Persischen Golf und im Ara­
bischen Meer von nun an in die
Territorium n.et t an die große Eigentlich kann man sich "dritte Bereitschaftsstufe" ver­
Glocke hängen weilen
< r g i b t sic11 aus dem b e' c 11 s vor
(das kaum denken, daß der Atom-
flugzeugtragcr seinen Heimat­
gefährliches setzt ist und den Befehl hat,
beliebige Flugzeuge und Schif­
zehn Jahren veröffentlichten hafen ohne seine wichtigsten fe, die "feindlicher Absichten"
Bericht
gieausschusses
des Kernener-
des
A n gr if f s w af f e n,
arsprengköpfc,
Nukle-
anlauft. Die
Spiel verdächtigt werden, zu ver­
nichten.
UL-K ongresses). "Midway" aber lag seit
Anfang Ma. entdeckten Ver­ 1983 fast die Hälfte der Zeit Präsident Reagan, der im
treterder KPJ cm weiteres gerade in diesem Hafen. Und O DER TRAGISCHE US-Bundesstaat Florida bei der
Dokument — c n Fotoalbum folglich sprechen die kommu­ ZWISCHENFALL, DER SICH Beisetzung der umgekomme­
der Besatzung de;
des Flug­ nistischen Parlamentsab­ DIESER TAGE IM PERSISCHEN nen Besatzungsmitglieder der
zeugträger Iway",
"Midway", der geordneten schon keineswegs GOLF AB SP I ELTE( D I E "Stark" sprach, ließ sich unum­
seit 1973 Yokosuka als Heimat­ nur vom Transit, sondern von US-FREGATTE "STARK" WAR wunden über das Recht der
hafen nennt, in diesem A.bum der ständigen Stationierung AUS DER LUFT ANGEGRIFFEN USA aus, im Persischen Golf zu
figuriert eine Sondereinheit, von Nuklearwaffen in Japan. WORDEN. 37 BE­ "patroullieren", und erinnerte
zu deren Aufgaben die War­ W. OWSJANNIKOW SATZUNGSMITGLIEDER daran, daß dies ja seit 1949 er­
tung "geheimer Munition" ge­ N Z-Korrespondent KAMEN UM), DIENTE ALS folgt, verstanden ja "... alle
hört. Admiral a. D. Carroll, T okio VORWAND FÜR EINE JÄHE amerikanischen Präsidenten

Dann überreichte er dem gegenüber­


sitzenden Chefredakteur der "Unita",
Gerardo Chiaromonte, einen Stoß von
Seiten und schaute, ob der Inhalt ins
Italienische übersetzt war. Das war nicht
der Fall, es gab nur einen russischen
Text. Deshalb begann das Gespräch
sozusagen aufs Geratewohl, doch The­
Italienische Journalisten über das Gorbatschow-Interview men gab es genug.

In den letzten beiden Jahren gab der


führende Repräsentant der Sowjetunion
Gcrardo CHIAROMONTE, Überzeugung, daß das Treffen mit
wenig Interviews, wobei er diese mit
Chefredakteur der "Unita": Reagan stattfinden wird. Und ich hafte
großem Takt zwischen den Zeitungen
den Eindruck, daß es gelingen wird, ein
Gorbatschow ist sehr herzlich und und Zeitschriften verschiedener Län­
Abkommen zumindest über die Mit­
gelöst. Und auch darin ist er seinen der— Frankreichs, der USA, Indiens,
telstreckenraketen zu erreichen.
Vorgängern so unähnlich. Er ist ein Algeriens und der CSSR — verteilte. Die
Gorbatschow handelt aus tiefer Über­
Mann, der nicht krampfhaft nach jedem zeugung: Zweifellos ist er kein Schau­ "Unita" sollte, wenn ich mich nicht
i Wort sucht... Die Antworten Michail spieler, er glaubt vielmehr fest an sein täusche, das sechste Presseorgan sein —
Gorbatschows auf die Fragen nach seiner Friedenskonzept. Er ist fest davon über­ das absolut erste in Italien.
Bildung sind vielsagend. Infolge seiner zeugt, daß die Erneuerung die unab­ Es hatten sich viele Fragen angehäuft,
Stellung "mußte" er sich mit dingbare Voraussetzung dafür ist, daß und wir hatten eine endlos lange Liste
Wirtschaftswissenschaft befassen, doch er sein Land wieder weiter vorankommt; neuer zusätzlich zu den 23 Fragen
hat auch eine Vorliebe für Philosophie wahre Zivilcourage und tiefe Humanität vorbereitet, die wir ihm vor einigen
und Literatur. Er ist sehr umfassend bewegen ihn dabei. In dem Interview Wochen zur Beantwortung übergeben
gebildet. Er verfolgt sehr aufmerksam das sagte Gorbatschow auch, er selbst mache hatten. Das Treffen war für eine Stunde
Weltgeschehen. So gesehen, erinnerte er eine "revolutionäre Umstellung" durch. geplant...
mich einigen seinen Äußerungen nach an Er spürt, daß hinter ihm die Kraft seiner Unser Gespräch verlief schnell, und
Enr.co Berhnguer: durch sein Ver­ Ideen steht. Genrich Smirnow, der vorn am Tisch
ständnis für die Interdependenz der Renzo FOA, zwischen Gorbatschow und Chiaromonte
Probleme der Weit, durch seine ständi­ saß, dolmetschte praktisch unun­
stellvertretender Chefre­
gen Warnungen vor der drohenden terbrochen. Pausen traten nicht ein. Der
dakteur der "Unita":
Möglichkeit eines nuklearen Infernos, Generalsekretär des ZK der KPdSU
möglicherweise ausgelos1 durch ein Ich will mit den ersten Minuten des antwortete gleich. Er zeigte sich in
Versehen: durch sein Verständnis dafür, Gesprächs im Arbeitszimmer des Gene­ seinem Arbeitszimmer ebenso wie bei
daß es kerne Sieger in einem solchen ralsekretärs des ZK der KPdSU im Kreml den wichtigsten Begegnungen in der
Krieg geben wird und folglich die beginnen. Gorbatschow, der 30 maschi­ Öffentlichkeit: lebendig und natürlich.
Vernunft Oberhand gewinnen muß. Das nengeschriebene Seiten in der Hand In den anderthalb Stunden kam inur
sind die Probleme, über die er, wie man hielt, bemerkte so nebenbei, er habe einmal das Gespräch ins Stocken. Als ich
spart, lange nachgedacht hat und zu nicht alle Fragen beantwortet. ihn nach seinem Privatleben, nach seiner
denen ei sch so aufrichtig äußert. Als "Sonst könnte ja das Interesse an dem Lektüre und seinen Freizeitbeschäftigun­
ich ihm zuhorte, um ich zu der nächsten Interview verlorengehen..." gen fragte, bemerkte Gorbatschow, daß

■j "NEUE ZEIT" 22.87


PANORÄMZk

seit dem zweiten Weltkrieg die brechen. Allerdings beeilten Spannungsherde in den noch vor kurzem waren es vier.
große strategische Bedeutung sich Vertreter des Weißen Weltraum zu bringen. Er Ferner wurde bekanntgege­
dieser Region". Er konnte sich Hauses, ihn zu desavouieren: rechnete sogar aus, daß ein ben, daß an dem für August
auch folgender Passage nicht Angeblich komme es Murphy in solches aus 12—15 Funkmeßsa­ angesetzfen Marine- und
enthalten: "Wenn irgendeine seiner Position nicht zu, solche telliten bestehendes Be­ Heeresmanöver "Bright Star",
feindlich gesinnte Großmacht Probleme zu erörtern! Doch sie obachtungssystem nur 6—10 das im Nahen Osten abgehalten
irgendwann in dieser strate­ mußten eingestehen, daß die Md. Dollar kosten würde, also wird, vier (I) amerikanische
gisch wichtigen Region und Worte des Vizeaußenministers kaum teurer wäre als die heute Flugzeugträgergruppen teil­
über ihre Ressourcen dominie­ wie eine Drohung klingen. verwandten AWACS-Flugzeu- nehmen werden. Ziel des
ren sollte, würde das die ge, die die amerikanischen Manövers ist, die Eingreiftrup­
Freiheit unserer Verbündeten Auch amerikanische Gene­ Steuerzahler 5 Md. Dollar pen der USA auf
und unsere eigene ernstlich rale ließen sich nicht die kosteten. Kampfhandlungen unter den
bedrohen." Im gleichen Geist Möglichkeit entgehen, an dem Bedingungen des Nahen
war auch Reagans Rundfunk- gefährlichen Spiel teilzuneh­ Bislang greift das Pentagon Ostens vorzubereiten.
ansprache an die Amerikaner men. So beeilte sich General noch nicht auf SDI zurück. Doch Bekanntlich haben Ent­
gehalten, in der er die John Piotrowski, der das Ver­ es weiß die Zeit zu nutzen. Der wicklungen ihre Eigendynamik.
militärische US-Präsenz viele einte Kommando der Luft- und Flugzeugträger "Constellation” Man kann sich kaum vorstellen,
Tausende Meilen vor der Weltraumverteidigung Nord­ wird ins Arabische Meer daß die Drahtzieher des tra­
amerikanischen Küste zu amerikasund das Weltraumkom­ verlegt, der mit 85 Kampfflug­ gischen Geschehens, das sich
"rechtfertigen" suchte. Und der mando der USA leitet, vorzu­ zeugen bestückt ist. Sie erhiel­ jetzt im Persischen Golf
stellvertretende US-Außenmi- schlagen, dabei Elemente von ten den Auftrag, das im abspielt, das nicht wissen. Die
nister Richard Murphy, der SDI einzusetzenl Der General Persischen Golf operierende Folgen einer kriegerischen
kürzlich eine Nahostreise been­ erklärte entschieden, die Zeit US-Kriegsschiffsgeschwader zu Eskalation wären unvorherseh­
dete, verstieg sich sogar zu der sei gekommen, Radaranlagen schützen. Ohne die stark bar.
Behauptung, ein amerikanisch­ zur ständigen Beobachtung des beschädigte "Stark" kreuzen
iranischer Krieg könne aus- Persischen Golfs und anderer dort jetzt sechs Kriegsschiffe, J. KORSCHUNOW

es bei ihnen nicht angebracht sei, Gerechtigkeit..." Das steht völlig im davon gesprochen wird, wie die At­
derartige Themen zu berühren, doch Gegensatz zu dem, was wir im Laufe mosphäre dieser Tage in Moskau ist.
nichtsdestoweniger antwortete er. vieler Jahre gehört haben. "Wahre Die Bitte an Gorbatschow, uns ein
Demokratisierung kann dem Sozialismus Interview zu gewähren, hatte zuerst das
Das Interview dauerte etwas länger als
keineswegs schaden." Und hier ein Mitglied der Leitung der IKP Emanuele
anfänglich geplant, bis es schließlich —
neues Konzept—möglicherweise mehr Macaluso vorgetragen, der mit dem
es war 12.30 — zu Ende ging. Gor­
mit Hinblick auf die anhaltende Diskus­ neuen Generalsekretär des ZK der
batschow stand ein offizielles Treffen mit
sion in der UdSSR. "Die Demokratisie­ KPdSU bei der Beisetzung Konstantin
dem führenden Repräsentanten Vietnams
rung hat einen eigenen Wert." Tschernenkos zusammengetroffen war,
Nguyen Van Linh bevor. Wir konnten
Wir suchen die Antwort auf die Frage dann äußerte ein Jahr später Chiaro-
nur noch einen Händedruck wechseln.
nach dem Widerstand gegen den Um­ monte offiziell die gleiche Bitte. Die
Wir verließen den Kreml, ohne die bau, wovon bereits die Rede im Kreml Antwort: Dieser Wunsch möge offiziell
schriftlichen Antworten des Interviews, gewesen war, doch wir möchten mehr formuliert werden.
auf das wir ein ganzes Jahr gewartet erfahren. Der Übersetzer fährt fort: "Es Einige Monate später wurde grünes
hatten, durchgelesen zu haben. Doch wäre zumindest unrealistisch zu meinen, Licht gegeben. Schriftliche Fragen wur­
Material hatten wir schon — das an­ daß eine so bedeutende, revolutionäre den präsentiert. Ein Vorsignal wurde im
derthalbstündige Gespräch mit Gor­ Wende ... leicht verläuft. Ich möchte Dezember 1986 gegeben. Dann folgten
batschow und die Eindrücke von der betonen, daß der Umbau ein langwieri­ zusätzliche Fragen. Doch im Januar
Lebenskraft, die von ihm ausgeht, von ger und schwieriger Prozeß ist." Davon 1987 wurde das Interview verschoben.
der Energie, mit der er uns ansteckte. spricht Gorbatschow offen. Im April folgte ein weiteres Signal,
Natürlich wäre es merkwürdig, etwas Er bestätigt den klaren Eindruck, von und ein Endtermin für das Treffen wurde
anderes von Gorbatschow zu erwarten, dem viele schrieben und weiter schrei­ festgesetzt — in der kommenden Woche,
der jetzt schon zwei Jahre versucht, ein ben. selbst konnte mich
Ich davon bis zum 3. Mai. In Moskau wurde sogar
Land wie die UdSSR in Bewegung zu 15 Tage zuvor überzeugen, als ich in Freitag der 1. Mai genannt. Doch am
bringen, dessen Mechanismen durch Moskau zu dem Gespräch mit Gor­ Dienstag wurde alles um eine Woche
Konformismus und Bürokratie blockiert batschow, das zunächst auf Freitag, den verschoben. Dann noch einmal um drei
sein sollte. 8. Mai, angesetzt worden war, und zuvor Tage, bis zum Montag. Diesmal war alles
Wir mußten uns noch eine halbe noch zur Teilnahme an dem internationa­ ziemlich klar. Als Chiaromonte und ich in
Stunde gedulden, bis wir die Moskauer len Treffen, das die "Prawda" anläßlich der zweiten Hälfte des Donnerstags aus
Wohnung des ständigen „Unita"-Korre- des 75. Gründungsjahres der Zeitung Rom eintrafen, begegneten wir zufällig
spondenten Chiesa erreichten,wo gleich organisierte, eintraf. auf der Straße dem Assistenten des
drei Übersetzer auf uns warteten. Am Das Treffen begann am Sonntag Generalsekretärs des ZK der KPdSU,
meisten interessierten uns die Antworten morgen, doch ich war am ersten Tag Anatoli Tschernjajew, der uns mitteilte,
auf die Fragen nach der Demokratie und nicht dabei. Und da mußte ich mich in alles sei bereit für das Gespräch am
zur Tschechoslowakei. eine Polemik mit einem unbekannten nächsten Nachmittag. Nichtsdestoweni­
Und hier die Antworten. Zur Deutschen einlassen. Doch abends hörte ger diskutierte Gorbatschow zu dieser
Tschechoslowakei — das Wesen des ich von meinem "Prawda"-Kollegen, ich Stunde immer noch mit Chirac die
Problems wird nicht berührt. Die Antwor­ hätte schärfer polemisieren und selbst Raketen in Europa.
ten zur Demokratie — ihnen sind viele sie, die sowjetischen Journalisten, kriti­ Kurz gesagt, die komplizierte Ge­
Absätze gewidmet — faszinieren. Der sieren sollen, da der Umbau zu langsam schichte eines komplizierten Interviews...
Übersetzer liest: "Ohne Demokratie gibt vorankomme. Eine interessante und
es keine Initiative... gibt es keine soziale sehr aufschlußreiche Episode, wenn

"NEUE ZEIT” 22.87 9


3RD

DIE BONNER TORWARTE, Nachkriegsgeschichte


ten und bedeutenden
nuklearen Abrüstung
zu einem
Schritt bei der
führen würde.
konkre­

Fürwahr ernste Gründe muß die


oder die Angst der CDU-CSU CDU/CSU haben, um diesen positiven

vor der Abrüstung Prozeß zu bremsen und dadurch


gleichzeitig die Fundamente der eigenen
Herrschaft im Lande und die Stabilität im
Nikolai PORTUGALOW westlichen Bündnis zu erschüttern.
Man könnte wie gewohnt den Kurs
Der Titel des Romans des öster­ tionsdisziplin nicht zu verbergen vermö­
der CDU/CSU als Bündnis der Bonner
reichischen Sch: f:;tc ers Peter HANDKE gen. Unlängst wurde der CDU/CSU auch
Aufrüster sowie der Falken aus dem
„Die Angst des Tormannes beim eine innenpolitische Lektion ver­
klare
Pentagon und der militärischen Füh­
Elfmeter" wurde in der bundesdeutschen paßt: Unmittelbar vor den Landtagswah­
rungsspitze der NATO, die die "dop­
politischen Publizist.k zu einem Begriff, len in Hamburg und in Rheinland-Pfalz
pelte Null-Lösung" nur widerwillig
der unüberwindliche irrationale Angst hatte Bundeskanzler Kohl vorgeschlagen,
schlucken, interpretieren. Man könnte an
kennzeichnet. Und nun schreibt die die Verhandlungen über alle Arten von
Nuklcarrakcten in Europa zu einem Paket ein Spiel mit verteilten Rollen denken,
liberale und linke Presse in der BRD
da viele der für Moskau unannehmbaren
dieser Tage von der "Angst der zu schnüren. Natürlich ist das eine ganz
amerikanischen Forderungen bei den
CDU CSU vor der Abrüstung". Diese andere Verhandlungskonzeption, die
greifbare Ergebnisse auf den Sankt- Genfer Verhandlungen über die LRINF
Angst nimmt sich auf den ersten Blick
stark an die Bonner Pläne für eine
fürwahr irret.onal aus. Nimmerleins-Tag hinausschieben würde.
"Nachrüstung" bei den SRINF erinnern.
Ganz zu schweigen davon, daß der
Ein neuer Suppenkasper! sowjetische Plan für die Beseitigung aller Man denke da nur an den Plan, die
Pershing 2 in Pershing 1 mit geringerer
D.c Haltung de' Bonner Christdemo­ Nuklearwalfen in Europa nach wie vor
Reichweite umzurüsten (was Experten
kraten zu den Problemen der euro­ auf dem Tisch liegt und bislang un-
beantwortet ist. zufolge so und auch umgekehrt nicht
päischen Abrüstung, vor allem zur
Die Rechnung ließ nicht lange auf sich mehr als 48 Stunden dauern würde) oder
Reduzierung und anschließenden Beseiti­
warten: Am 17. Mai mußte die CDU bei an den Plan, in der BRD Cruise Missiles
gung der auf dem Kontinent stationierten
den Landtagswahlen in Hamburg und in größerer Reichweite, bei denen die
Nuklearwaffen, verschlägt selbst ab­
Rheinland-Pfalz schwere Verluste hin­ nuklearen durch konventionelle
gebrühten Beobachtern die Sprache.
nehmen. Sprengköpfe ersetzt wären, beizubehal­
Noch nie waren aus Bonn — genauer
gesagt aus dem Bundeskanzleramt sowie Jetzt ist in politischen Kreisen der BRD ten (was absolut nicht zu verifizieren
dem Presse- und Informationsamt der die Meinung verbreitet, eine weitere wäre). Und doch wäre das eine zu
"Nachrüstung" bei einer beliebigen einfache, zumindest unvollständige Erklä­
Bundesregierung, diesen Domänen der
CDU CSU als des Seniorpartners der Kategorie von in der BRD stationierten rung. Betrachten ja die Amerikaner jetzt
Nuklearraketen — und gerade darauf die Erreichung einer "doppelten Null-
Regierungskoalition — so viele unklare,
wortreiche und zweideutige Erklärungen laufen so oder so alle Bonner "Korrektu- Lösung" bei den LRINF und den SRINF
ren" an dem Plan für eine Beseitigung als Verhandlungsziel (anders als Bonn,
zur nuklearen Abrüstung in Europa zu
der Mittelstreckenraketen hinaus — das diese Verhandlungen nicht führt, mit
vernehmen. Noch nie aber konnten all
würde die CDU dem Willen der über­ dieser Zielsetzung aber nicht einverstan­
diese Wortschnorkel das, was eindeutig
dahinter steht, verbergen — "wir wollen wiegenden Bevölkerungsmehrheit entge­ den ist). Wie unterschiedlich die Positio­
genstellen. nen der Seiten auf der einen oder
keine nukleare Abrüstung in Europa, erst
recht keine 'doppelte Null-Lösung'", Und doch beharren die Bonner anderen Etappe der Verhandlungen auch

d. h. die Beseitigung der Mittelstrecken­ Christdemokraten auf dem Ihren. Mehr sein mögen, wichtig ist ihre Kompro­
noch. Die Hartnäckigkeit der CDU hat mißbereitschaft. Und die ist bei den
raketen sowohl größerer (LRINF) als
die BRD in der NATO fast völlig in die LRINF-Verhandlungen offenbar gege­
auch kürzerer Reichweite (SRINF) mit
Isolation getrieben: Alle europäischen ben.
einem Radius von 500 bis 1000
km. Ebenso wie der Suppenkaspar, der NATO-Staaten, mit Ausnahme
seine Suppe partout nicht essen wollte Frankreichs, sprechen sich für eine Argumente gegen
und letztlich verhungerte. "doppelte Null-Lösung" in Europa bei
Ein' derartiges trauriges Schicksal d'oht den LRINF wie bei den SRINF aus. die Null
der CDU CSU einstweilen nicht, doch Unlängst plädierte, wenn auch mit Bevor wir versuchen, dieses Rätsel zu
trotzdem ist die "Angst vor der Ab­ Vorbehalten, selbst London für diese lösen, wollen wir eingehender die
rüstung" für die Konservativen mit Variante. Was aber Paris angeht, so nützt Elemente der Haltung Bonns, d. h. der
gewissen Unannehmlichkeiten verbun­ dessen Sympathie der CDU wenig: Auf CDU/CSU, in der Frage der LRINF, der
den. Sie s>nd schon jetzt nicht gerade zu französischem Boden gibt es keine SRINF und bei den Nuklearwaffen in
beneiden. Angefangen damit, daß es US-Raketen, niemand gedenkt sie dort Europa allgemein behandeln. Bekanntlich
eine Mehrheit für die nukleare Ab­ zu stationieren, und in Paris wäscht man hatte die CDU/CSU nur widerwillig der
rüstung jetzt schon nicht nur bei der sozusagen die Hände in Unschuld, "Null-Lösung" bei den LRINF zuge­
BRD-Bevdkcrung (wie Meinungsumfra­ während man Bonn lau unterstützt. Doch stimmt, nachdem das Paket von Reykjavik
gen immer wieder demonstrieren) gibt, vor allem — geriet die BRD unter der in Moskau aufgeschnürt worden war —
sondern auch im Bundestag: Die Opposi­ Macht solcher "Freunde Amerikas" wie und das nicht ohne den Druck der
tionsparteien — d e SPD und die Grü­ der Christdemokraten wohl erstmals in USA. Dafür brach in der CDU/CSU
nen — lassen da-an keinen Zweifel, und ihrer Geschichte in militärischen Fragen sich ein wahrer Sturm los, als Michail
die Freien Dcmok'a'en, der Jumorkoali- ■n Widerspruch zum "großen Bruder" Gorbatschow im April in Prag vorschlug,
♦ lonär der CDU CSU, unterstützen ein­ USA. Und das in einem Augenblick, da auch die Mittelstreckenraketen kürzerer
mütig ihren Außenminister Hans-Dietrich das Weiße Haus offenbar endlich zur Reichweite in Europa zu beseitigen. Die
Genscher, dessen Sympathie für die gemeinsamen Suche nach einem beider­ "doppelte Null-Lösung" stieß gleich auf
"doppele Nu.l-Losung ' selbst die ver­ seits annehmbaren Kompromiß bereif ist, entschiedenen Widerstand. Die Christde­
ständlichen Erwägungen der Koali- der zum ersten Mal in der europäischen mokraten zögern von ihren Schaltstellen

"NEUE ZEIT" 22.87


10
in Bonn aus entgegen den eindeutigen — und schließlich seien die sowje­ hierbei haben beide Seiten zumindest
Empfehlungen Genschers bislang eine tischen Mittelstreckenraketen kürzerer das gleiche Ziel vor Augen — eine
Entscheidung hinaus, wobei sie zu Reichweite klein und mobil, sie könnten weltweite Beseitigung der LRINF und
verstehen geben, daß der Vorschlag leicht verlagert und der Kontrolle entzo­ der SRINF. Ebendeshalb kann man damit
ihnen mißfällt. Kurz gesagt, die NATO gen werden. Deshalb sollten sie nicht rechnen, daß in Genf ein entsprechender
marschiert nicht im Gleichschritt... nur in Europa, sondern "global" besei­ Kompromiß erzielt wird. Bonn aber nutzt
Siebt man das Wichtigste aus den tigt werden. diese Forderung, um eine Vereinbarung
endlosen mehr oder weniger glaubwür­ Unschwer kann man sich von der zu hintertreiben, der im Grunde die USA
digen Bonner Informationslecks heraus, Schwäche dieser Argumente überzeu­ und die anderen Verbündeten zustim­
dann zeichnet sich folgendes Bild ab: gen, selbst wenn man daran nur mit den men. Zeugt das nicht vom Fehlen guten
Die CDU/CSU möchte nicht nur ihre strategischen Kriterien der NATO heran­ Willens?!
72 Pershing 1A mit einer Reichweite von geht. Bekanntlich hieß es, die Pershing Folglich entbehren selbst nach
ca. 750 km (die Nuklearsprengköpfe 2 und die Cruise Missiles in Europa seien NATO-Kriterien die überzogenen Forde­
dazu befinden sich auf BRD-Territorium allein durch ihre Fähigkeit, Ziele auf rungen Bonns jeder Grundlage. Und
"unter Verwahrung" der Amerikaner) sowjetischem Territorium zu treffen, ein schon ganz heuchlerisch nehmen sie sich
beibehalten und modernisieren, sondern Unterpfand für die amerikanischen Nu­ aus, wenn man Reykjavik
die nach
dazu noch eine gewisse Zahl (man kleargarantien. Jetzt halten es die USA vorgenommenen an
Korrekturender
spricht von 40) US-Raketen der gleichen sowjetischen Haltung zu Fragen der
und die meisten NATO-Länder für
Kategorie erhalten — wohl eben jene nuklearen Abrüstung berücksichtigt. Die
möglich, ohne die amerikanischen LRINF
"verkürzten" Pershing 2, d. f). nach dem Sowjetunion stellt in Rechnung, daß sich
auszukommen. Was sollen sie dann mit
erwähnten einfachen Rezept in Pershing nicht nur politische Kreise, sondern auch
den SRINF, die sowjetische Ziele nicht
1B umgerüsfete Missiles. So schlägt die recht breite Schichten der Öffentlichkeit
erreichen können? Zudem versichert
CDU/CSU statt der Beseitigung einer in Westeuropa nur sehr langsam an die
Washington seinen Verbündeten, seine
ganzen Rüstungskategorie (gegenwärtig Idee eines kernwaffenfreien Kontinents
Garantien würden ebenso wie das
besitzt die NATO außer den 72 Bonner gewöhnen und, da sie noch von den
Funktionieren des Mechanismus der
Pershing-1 A-Raketen keine anderen „flexiblen Antwort" durch ihre 4600 Konfrontafionsklischees befangen sind,
SRINF in Euiopa) eine weitere "Abmachungen der Großmächte auf ihre
Atomsprengköpfe auf den Forward Based
"Nachrüstung" des Westens in dieser Kosten" befürchten. Die UdSSR ist
Systems der USA in Europa und durch
Kategorie vor. Westeuropa enfgegengekommen: "Als
die amerikanischen Divisionen auf dem
Und schließlich schießen bei den der Wunsch, besonders der westeuro­
Kontinent gewährleistet.
nuklearen Gefechtsfeldwaffen
(Reich- päischen Länder, deutlich wurde, daß
weite bis 500 km) die „Nachrüstungs"- wir einer Herauslösung der Beseitigung
Pläne mächtig ins Kraut. Sollten die Kurs auf Sabotage der Mittelstreckenraketen größerer
Amerikaner doch ihre nuklearen Reichweite aus dem Gesamtpaket zustim­
Sprengköpfe zu den bundesdeutschen men, haben wir das getan; als Unruhe im
Die Forderung nach globaler Beseiti­
Pershing 1A(die angeblich als "Waffen Zusammenhang mit dem Ungleichge­
gung der SRINF ist ein Element der
einer dritten Seite"Gegenstand
nicht wicht bei den Mittelstreckenraketen
amerikanischen Haltung bei den Ver­
der Verhandlungen in Genf sein können) kürzerer Reichweite auf dem euro­
handlungen in Gent und wird in der
abziehen, so erhofft sich die CDU einen päischen Kontinent laut wurde, haben
NATO von allen Anhängern der "dop­
soliden Ausgleich bei den Kurzstrecken­ wir der vollständigen Beseitigung der
pelten Null-Lösung" unterstützt. Die
raketen, vor allem gut 100 modernisierte sowjetischen und der amerikanischen
sowjetische Seite vertritt einen anderen
Lance-Raketen mit einer Reichweite bis Waffen dieser Kategorie in Europa
Standpunkt, wobei sie betont, daß ihre
400 km zur Stationierung bei US-Einhei- zugestimmt" (Michail Gorbatschow. Ant­
Raketen in Asien das Gegengewicht zu
ten in der BRD wie bei der Bundeswehr. worten auf Fragen der Redaktion der
dem starken US-Nuklearpotential im
Mit welchen Argumenten nun sucht Zeitung "l'Unita").
asiatisch-pazifischen Raum bilden. Doch
man im Bundeskanzleramt und im Hierzu kommt noch, daß die sowje­
Verteidigungsministerium die angeb­ tische Seite das britische und das
liche Notwendigkeit einer solchen Or­ französische Nuklearpotential ausklam­
gie der "Nachrüstung" zu begründen? merte und einstweilen auf die Erörterung
Führen wir die Hauptargumente an: Zeichnung aus: „Der Spiegel" (BRD) der Frage der amerikanischen Forward
— die Schwächung, vielleicht gar der
Verlust der berüchtigten Verklammerung
mit den USA, d. h. der amerikanischen
Nukleargarantien, bei einer Beseitigung
der SRINF in Europa;
— bei einer Verschrottung der SRINF
würden in Europa auf beiden Seiten
allein Kurzstreckenraketen
nur auf dem Territorium der BRD und der
bleiben, die
äm mm u® 3*A
DDR eingesetzt werden könnten.
dürfe nicht zugelassen werden;
Das
«hinwi iW
— bei der
Überlegenheit
angeblich
der
bestehenden
Länder des
M fWW EMEN.
Warschauer Vertrages bei
bei den
Kurzstreckenraketen, den Streitkräften
und den
sowie bei
konventionellen Rüstungen
den chemischen Waffen sei
eine "Nachrüstung" der NATO bei den
Kurzstreckenraketen unbedingt erforder-
[
j
<S w
w,
lieh. Zudem müßten aus den gleichen [BONNS?
Erwägungen heraus die konventionellen
und die chemischen Waffen in den ■
Abrüstungsprozeß in Europa einbezogen ;
werden; I

"NEUE ZEIT" 22.87 1 1


5 .;eo Systems c:e in ihrer Mehrheit Doch etwas anderes sind die der Nuklearwaffen und von den destabi­
Sys ' - ,e rr.'h.crer Re chwe ’e sind, ver­ möglichen Ansprüche Bonns (genauer lisierenden Arten anderer reiner Offen­
zichtete. gesagt, der Bonner Rechten) auf einen sivwaffen, die Schaffung der Vorausset­
Doch euch das st noch r. cht alles: Das quasi-nuklearen Status im Rahmen dieser zungen, um Überraschungsangriff un­
P'opegarda-Zc-.o a vo" cc- ' uberwäiti- Struktur und auf eine künftige möglich zu machen, sowie die Annahme
ger.ser uce-ege--c.t' des /Warschauer "Gleichstellung" mit den europäischen neuer, weitgehender vertrauensbilden­
/eHrage: te een kor. ve-.'ior.eilen Waf­ Nuklearmächten Großbritannien und der Maßnahmen. Der unlängst be­
fen scho- fast zu einem
of'C-r.bar Frankreich. Das sind keine übertriebenen kanntgegebene "Jaruzelski-Plan" liefert
Ciaut-c- sg'-ncifz de- Westeuropäer Ängste. Wenn die CDU; CSU bereits eine gelungene Skizze dieser Etappe des
-sc- u c.s: cLi.i' es unzah- jetzt dazu neigt, die US-Sprengköpfe zu Baus.
i ■ . ' : e- Experten den Pershing 1A der Bundeswehr als Der weitere Bau und die Fertigstellung
a <_ o eie Bt' e-p'ung entschieden ihren Besitz zu betrachten — was wird des "gemeinsamen europäischen Hau­
dann erst nach einer von der CDU/CSU ses" würden neue Möglichkeiten
geplanten "Nachrüstung" bei den SRINF eröffnen, die, wie ich meine, die
und den Kurzstreckenraketen sein? Und Bundesdeutschen erfreuen sollten. Um
Nuklearer
gedenkt die BRD nicht, so wie das die den Vergleich fortzuführen, sei gesagt,
Minderwertigkeitskomplex Politiker der "Stahlhelmfraktion" daß jeder Bewohner dieses Hauses
möchten, sich nach Ausrüstung der zweifellos voll und uneingeschränkt Herr
’ 'M" fallt a es sp tze Gallie’-;uffern Bundeswehr mit Pershing 1B, moderni­ in seiner Wohnung wäre. Der Umfang
. c i -cic ' ßcr ius. . (Alex- sierten Lance-Raketen und Patriot-Luftab­ und der Charakter der freundschaftlichen
r. ;rji L .» • D.ese //orte des Dichters wehrraketen dann auch einer Euro-SDI Beziehungen zwischen den einzelnen
bin■ e i.-. ' c:e c• tstar der.c Lage nur anzuschließen und schließlich den Hausbewohnern aber würden dabei von
u' jefc' Mit der. ' Ga erchiffern", die Rüstungsstand des 21. Jh. zu erreichen? ihren Interessen, darunter spezifischen,
die-.-.a ..c ec ! r. cht gar so spitz sind, Und folglich, ohne formell ihren von den gegenseitigen Sympathien dik­
ist o es irr. Grur de klar. Auf einen Selbstverzicht auf Nuklearwaffen aufzu­ tiert werden. Man kann sich unschwer
Kurzen Nenner gebracht, kann man geben, den Status einer militärischen vorstellen, daß die Bewohner der bei­
sagen, daß Pans c e Gewahr seiner Großmacht zu erlangen, die Gebiets­ den — souveränen und unabhängigen —
strategischen Unabr.ang gkeit im bundes­ anspruche an ihre Nachbarn stellt? "deutschen Wohnungen", wenn auch
deutschen nuklearen Vorfeld sieht — in Sicher werden da wütende Dementis jeder auf seine Art leben würde, doch
einer mit US-Nuklearwaffen gespickten aus dem Lager der CDU/CSU kommen, miteinander sehr enge Beziehungen
Bundesrepublik. Das ist zwar nicht doch die sowjetische Öffentlichkeit hat unterhalten könnten, um so mehr, da sie
sonderlich wets.chtig und recht durchaus Grund zu solcher Besorgnis. ja die gleiche Sprache sprechen. Und
egoistisch, doch eine gewisse Logik hat /Aan braucht da nur ein Arbeitspapier dann würde auch die Zeit kommen, die
das. Trotz der Freundschaft mit Bonn der CDU/CSU-Fraktion zu studieren, in Wohnungen im Mittelteil des Hauses
befurchtet man in Paris vor allem, die dem die Forderung erhoben wird, die endlich von den fremden Militärquartie­
Bundesdeutschen würden dieses Modell Wiedervereinigung Deutschlands in die ranten zu befreien.
als nicht im eigenen nationalen Interesse Abrüsfungsgespräche (?l) der Vor nicht allzu langer Zeit sagte
hegend ansehen. Nicht von ungefähr Großmächte aufzunehmen. Franz-Josef Strauß in seiner traditionellen
beginnt sich die große französische Aschermiftwochrede: "... Wenn Gor­
Presse, angeführt vom renommierten Wie soll das „europäische batschow sich durchsetzen kann, bricht
"Monde", über jede Bonner Ente, sollte
Haus" aussehen! ein Frühling für Europa und die Welt
sie irgendwelche Befürchtungen über ein an." Von Strauß derartiges zu hören, kam
"neues Rapallo" wecken, auszulassen. Auch daß man Europa die Rolle einer doch ziemlich unerwartet. Deshalb wäre
Wohin aber sich der "düster-deutsche "dritten Kraft" zuweisen will, kann es um so interessanter, wenn der
Genius" bewegt (gemeint ist hier das Besorgnis wecken. Was für ein Europa ist bayerische Ministerpräsident seinen Ge­
politische und strategische Denken in da gemeint? Nur Westeuropa, ein Klein­ danken weiterentwickeln und ausführen
der CDU CSU), das soll hier eingehen­ europa? Für eine „dritte Kraft" ist es würde, wie er selbst sich das Leben der
der betrachtet werden. natürlich zu schwach. Doch es sieht ganz Bewohner des "gemeinsamen euro­
Eine Analyse der bundesdeutschen danach aus, als sei für gewisse führende päischen Hauses", darunter auch das der
Presse und der Äußerungen einiger BRD-Politiker die "dritte Kraft” identisch Deutschen, vorstellt. Wir zumindest ha­
christdemokratischer Politiker, vor allem mit eben jenem „freien Europa", ben dazu bestimmte Vorstellungen.
vom rechten Flügel der CDU CSU — in dem
dem die
die „Selbstbestimmung der
eben jener "Stahlhelmfraktion", deren Deutschen" verwirklicht würde und
Mitglieder dem "Stern" zufolge den in dem es offen gesagt IPlatz Als diese Zeilen geschrieben wurden,
Stahlhelm selbst bc warmem Wetter weder für die DDR noch für die trafen Meldungen aus Bonn ein, daß die
nicht abnehmen —, ruft in diesem Zu­ sozialistische GesellschaftsordnungI in Erarbeitung der endgültigen Haltung der
sammenhang Besorgnis hervor. Es ent- den anderen osteuropäischen Staaten BRD zur Beseitigung der LRINF und der
steht der Eindruck, da3 sich die gäbe . Eben so stellt man sich in der SRINF in Europa noch nicht abgeschlos­
CDU CSU ganz bewußt auf eine CDU/CSU den Bau des "gemeinsamen sen sei, einigen Anzeichen zufolge die
. begrc'-zte Konfrontation" mit Wa- europäischen Hauses" vor (ein Begriff, Bundesregierung doch der Annahme der
shmgton eingelassen hat, um großere der unterdes offiziell von Bonn un­ "doppelten Null-Lösung" zuneige und
I
i Selbständigkeit in Verteidigungsfragen terstützt wird): den osteuropäischen gedenke, ihre Einwände auf der am 12.
zu zeigen. I-’ christdemokratischen Krei­ Gebäudeflügel abzutragen und ihn er­ Juni bevorstehenden NATO-Ratstagung
sen w.rd die Losung eines künftigen neut als Kopie des westlichen Teils in Reykjavik zurückzunehmen. Am 4. Juni
Europas als einer "dritten Kraft" herzustellen. Aussichtslos und gefährlich wird Kanzler Kohl erneut eine Regie­
zwschen der UdSSR und den USA wäre dasl Wollen die Bundesdeutschen rungserklärung zu dieser Frage vor dem
modisch, und zu einem der Hauptele­ das wirklich? Bundestag abgeben. Man möchte hoffen,
mente dieser "dr.“en Kraft" soll, wie die Nein, in unserer Vorstellung würde daß Weitsichtigkeit, Realismus und guter
' Stah!helmfraktion" meint, die BRD wer­ das "gemeinsame europäische Haus", Wille die Oberhand gewinnen und die
den. Dcshe b strebt sie auch so danach, dessen Fundament bei dem Helsinki- Bundesrepublik ihren konstruktiven Bei­
auf eigenem Territorium eine "nukleare Prozeß gelegt wird, anders aussehen. trag zu einem ersten bedeutsamen Schritt
Abschreckung" zu Besitzen, bei der d.e Vor allem, was die Sicherheit seiner auf dem Weg zur nuklearen Abrüstung
Raketen n eigener, die Sprengkop'e in Bewohner angeht. Die Befreiung zumin­ in Europa leisten wird.
amer Kan scher Vcrfugungsgewe t waren. dest seines Mittelteils von allen Arten

12 "NEUE ZEIT" 22.87


NAHER OSTEN

Wie dleir Frieden der friedliche Prozeß nicht nur vor


Versuchen Außenstehender, den
Konfliktparteien fertige Lösungen aufzu­
zwingen,bewahrt werden muß.Schlimmer
sind solche Versuche der einen Seite

eimi Sftffick imäheirirfficM gegenüber der anderen, die im Moment


vielleicht schwächer ist. Tatsächlich läßt
sich bei vorgehaltenem Gewehr kein
gerechter Frieden herstellen. Selbst
wenn man annimmt, daß eine Vereinba­
rung unter solchen Umständen doch
Praktische Chancen einer politischen Regelung des zustande kommt, wird sie der Region
längsten Regionalkonfliktes keine wahre Sicherheit bringen, denn
das wäre Drachensaat. Kräftegleichge­
wicht ist eine variable Größe, nicht
immer müssen die 150 Millionen Araber
Alexander SOTOW schwächer bleiben als Israel.
Folglich ist für eine wahre Regelung
eine grundsätzliche Basis nötig, und hier
kommt der Weltgemeinschaft eine be­
sonders wichtige Rolle zu. Die Seiten
Viele Nahostexperten können schon ren friedlichen Kompromiß zu finden. müssen sich vor der ganzen Welt zu
nicht anders, als auf den Gedanken an Nur noch aus den USA und Israel hört jenen Prinzipien bekennen, die in ihrer
eine mögliche Regelung in der Region man, die Aktivitäten der Weltge­ Gesamtheit den friedlichen Prozeß unter­
skeptisch zu reagieren. Weder spora­ meinschaft bei der Suche nach einer mauern könnten. Eine internationale
dische Erklärungen führender Politiker Nahostregelung seien eher schädlich als Konferenz wird außerdem die Weichen
einiger in den arabisch-israelischen nützlich, denn schließlich müßten die stellen, damit die Regelung keine falsche
Konflikt verwickelten Länder, sie seien Konfliktseiten selbst ihre Streitfragen Richtung nimmt oder sich im Sande
(unter bestimmten Bedingungen) bereit, lösen und nicht die Weltmächte agieren verläuft. Diese Prinzipien sind, obwohl in
direkt morgen Verhandlungen aufzuneh­ lassen. Outsider seien, wenn überhaupt, zahlreichen internationalen Beschlüssen
men, noch verschiedene Rege­ nur nötig, um die Konfliktparteien an den und Dokumenten formuliert, nichts von
lungsvorschläge gelten als sicheres Verhandlungstisch zu führen und sich außen Hineingetragenes und wi­
Zeichen, daß der Frieden in dieser dann zurückzuziehen. Das scheint lo­ dersprechen den Interessen der nah­
Region näherrückt. Das Ganze wird ja gisch: Sollen doch die Araber und östlichen Völker und Staaten nicht.
von beinahe täglichen Mitteilungen Israelis ihren Konflikt miteinander austra­ Mehr noch, sie spiegeln gerade die
übertönt, daß die israelische Luftwaffe gen, sich gegenseitig Zugeständnisse dringlichsten Wünsche dieser Völker
palästinensische Flüchtlingslager in Liba­ machen und ein friedliches Nebeneinan­ wider.
non angreift und daß Straftrupps der der im Nahen Osten vereinbaren! Und Israel erklärt, ihm gehe es vor allem
Israelis auf den okkupierten arabischen doch stimmt das nicht. Stünde es um die darum, sich das Recht auf ein friedliches,
Territorien schalten und walten. Dennoch Lage wirklich so, hätten die Araber und sicheres Bestehen zu gewährleisten. Man
tritt im Kampf für eine gerechte friedliche Israelis schon längst Frieden geschlossen wolle nicht in Verhandlungen klären, ob
Beilegung des Nahosfkonfliktes und für oder zumindest einen ernsthaften Ver­ man eine Chance habe, von den
eine entsprechende internationale Konfe­ such in dieser Richtung unternommen. arabischen Nachbarstaaten anerkannt zu
renz eine qualitativ neue Etappe ein. Ägypten wagte ein direktes Friedensab­ werden. Ebenso wie andere Länder
Worin besteht das Neue? Meines kommen mit Israel, zu bezahlen hatten betrachtet Israel dieses Recht als unab­
Erachtens vor allem darin, daß praktisch dafür jedoch Libanon und die Palästinen­ dingbar. Die arabischen Staaten haben
alle Länder immer besser verstehen: ser. Nach Camp David zog sich der einen Teil ihres Territoriums verloren.
Vierzig Jahre regionaler Konflikt sind nahöstliche Knoten noch fester zu. Auch sie betrachten das Recht auf die
eine für die heutige Welt eindeutig Die Wurzel des Übels liegt darin, daß Rückführung dieser Gebiete als unab­
kritische Zeit. Die Menschheit kann und dingbar, denn sonst müßten sie Israel
darf die chronisch explosive Lage im das Recht zuerkennen, gewaltsam fremde
Nahen Osten nicht weiter dulden. Nach dem Abzug der israelischen Okku­ Territorien zu annektieren. Zusammen
panten aus der syrischen Stadt El Qu- machen diese zwei Prinzipien die Formel
neitra blieben diese Ruinen zurück. “Territorien gegen Frieden" aus, die sich
Konferenz als
einzige Chance
Für eine baldige friedliche Bereini­
gung des arabisch-israelischen Konfliktes
auf einer internationalen Konferenz unter
UNO-Ägide treten jetzt fast alle in Ost
und West ein. Vorbei ist die Zeit, da
man die sowjetische Initiative zu einer
solchen Konferenz totzuschweigen oder
als Propaganda abzutun versuchte und
der UdSSR vorwarf, auf ihren Einfluß in
Nahost bedacht zu sein. Jetzt wird die
Idee einer Konferenz als einzige Chance
empfunden, zu einem für alle annehmba-

"NEUE ZEIT" 22.87


ohne weiteres aus der vorn UNO-Sicher­ Nahen Osten zu verdrängen und die Selbstverständlich erfordert das ein
heitsrat schon im November 1967 ge- eigenen Positionen auf Kosten des konkretes sachliches Gespräch mit allen,
faßten Resolution 242 ableitet. anderen zu verstärken. Unter diesen die eine friedliche Regelung in der Tat
Schließ' ch noch em Aspekt: die Umständen muß der Frieden im Nahen anstreben, und die Respektierung ihrer
Zukunft des palästinensischen Voikcs. Osten u. a. darauf beruhen, daß die USA Erwägungen.
De Palus' ncr.ser können den friedlichen und die UdSSR ihre gegenseitigen Wenn es aber Kräfte gibt, die keinen
Prozeß n cht e s Verfahren akzeptieren, Interessen respektieren. Die UdSSR hat Frieden wollen (das verraten natürlich
in dem gek.urt wird, ob sie ein dort nicht wenn nicht noch
weniger, nicht ihre Worte, sondern ihre Taten)? So
vollwertiges und folglich zur Bestimmung mehr Interessen als die Amerikaner, stößt jeder Hinweis auf das Selbstbestim­
seiner Zukur.'* berechtigtes oder aber schon weil sie dieser Region geogra­ mungsrecht der Palästinenser bei Israel
em minderwert.ges Volk seien. Ich phisch näher ist. Es wäre falsch,die auf Abwehr. Immer wieder erklärt die
r-.uct.te m dieser Zusammenhang her­ Interessen der UdSSR und der USA im israelische Führung, sie werde niemals
vorheben, daß das Selbstbestim- Nahen Osten als grundverschieden zu einen unabhängigen palästinensischen
munrj-.rech.t dc: ,.a ,.s* .ner.rischen Volkes betrachten. Ich bin überzeugt, daß beide Staat zulassen und keine Kontakte zur
für eir.< c-.oir u .ehe Regelung nicht Mächte vom Frieden im Nahen Osten, PLO als legitime Vertreterin des palästi­
minder wichtig st a‘s der Abzug der von der Beseitigung dieses überaus nensischen Volkes aufnehmen, solange
i'.r.K 1 ' 'i‘.'uppen irn Aus- gefährlichen Spannungsherds nur profi­ die PLO die Resolution Nr. 242 des
tausch gegen den Frieden. tieren würden. UNO-Sicherheitsrates nicht anerkannt
Die Aufforderung der UdSSR zu und den aktiven antiisraelischen Kampf
kollektiven Anstrengungen zv/ecks Vor­ nicht aufgegeben hat. Etv/a dasselbe
UdSSR-USA: bereitung einer internationalen Konfe­ wäre über Washingtons Haltung zu
renz ist Ausdruck der Bereitschaft zu
Wo decken sich einer fairen Partnerschaft mit den USA,
sagen. Die israelische Regierung ist,
zumindest in ihrer jetzigen Zusammen­
die interessen? den westeuropäischen Ländern, mit setzung, nicht bereit, an einer internatio­
China und den anderen interessierten nalen Konferenz teilzunehmen, und lehnt
Alle Probleme einer Regelung sind Seiten bei der Gewährleistung von auch die Formel "Gebiete gegen Frie­
nicht in einem noch so breiten und Frieden und Sicherheit im Nahen Osten. den" ab. Das aber heißt, daß auch Israel
zielstrcb.gen diplomatischen Kraftakt Moskau schlägt vor, eine solche Zusam­ die Resolution Nr. 242 etwas merkwürdig
über Nacht zu lösen. Einige Fragen sind menarbeit durch Einsetzung eines Vor­ auffaßt.
vorrangig, andere, obwohl vielleicht bereitungskomitees einzuleiten. Dem Ko­ Seinerzeit hatte US-Präsident Carter
nicht minder bedeutsam, sollten erst mitee könnten Vertreter der fünf Ständi­ vom damaligen israelischen Premiermi­
noch der Bewältigung der ersten an die gen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates nister Begin mehrmals eine Erklärung
Reihe kommen. Die Hauptsache ist, daß angehören. Ferner erklärte sich Moskau darüber gefordert, ob Israel anerkenne,
alle Aspekte der Regelung gemeinsam bereit, zur Gewährleistung des Nah­ daß sich die Resolution 242 auf das von
behandelt werden, daß die allgemeinen ostfriedens durch ein System von ihm okkupierte Westjordanien und den
Prinzipien für den Frieden in der Region Garantien beizutragen, an dem die fünf Gasa-Streifen erstrecke. Immer wieder
von Anfarig an klar sind. Großmächte oder der gesamte Sicher­ hörte er darauf: "Niemals werden wir auf
Die WcHgemeinschaft als aktiver in­ heitsrat teilnehmen könnten. dem Territorium des historischen Israel
teressierter Teilnehmer eines Rege­ Die UdSSR hat nicht vor, jemandem Ausländer sein." Aber Okkupanten auf
lungsprozesses muß nicht nur zur Ausar­ ein hartes Schema für Verhandlungen im den besetzten arabischen Territorien zu
beitung, sondern durch entsprechende Rahmen der Konferenz aufzuzwingen, sein, dazu sind sie bereit. Diesen
Garantien auch zur Verankerung der und erst recht nicht, ihren Ausgang und Standpunkt bezieht auch der heutige
Friedensformel beitragen. Schon die alle Einzelheiten der endgültigen Rege­ Regierungschef Shamir, Begins Nachfol­
Tatsache, daß solche Garantien gewährt lung im voraus festzulegen. Es ist kein so ger auf dem Posten des Likud-Vorsitzen­
werden, würde den Konfliktparteien, ketzerischer Gedanke, den Frieden in den.
namentlich Israel, dabei helfen, den so der Region stufenweise herbeizuführen,
sehr betonten ' Sicherheitsimperativ" bei u. a. im Rahmen einer Übergangsperiode
der Lösung der Gebietsfragen zu mil­ zwischen dem Abzug der israelischen
Ein Posten von UNO-Beobachtern vor
dern. Die Rolle der Weltgemeinschaft Truppen und der Realisierung des Rechts
den syrischen Golan-Höhen, die Israel
bei der Regelung ist auch wegen des der Palästinenser auf die Entscheidung
okkupiert hat.
nationalistischen Charakters des arabisch­ über ihr nationales Schicksal. Bei der
Fotos: J. Korschunow
israelischen Konfliktes so wichtig. Der Gelegenheit möchte ich hervorheben,
Nationalismus erschwert die Suche nach daß Yasser Arafat, der Führer der
direkten Kompromissen außerordent- Palästinensischen Befreiungsorganisation,
lieh. Jedes Zugeständnis einer seine Bereitschaft bekräftigte, nach Ab­
Seite würde von ihren Anhängern zug der israelischen Truppen die palästi­
beinahe als nationaler Verrat ein­ nensischen Gebiete zeitweilig unter
geschätzt werden. Etwas anderes ist, UNO-Kontrolle zu stellen. Von einer
wenn die Seiten nicht nur einander solchen Idee gehen auch die vom Juli
nachgeben, sondern auch der allgemei­ 1984 datierenden sowjetischen Vor­
nen Forderung nach Frieden und Stabili­ schläge über eine Regelung aus.
tät und wenn eine solche Notwendigkeit
durch die Teilnahme anderer Staaten am
Friedersprozeß bekräftigt wird, die in­
Shamir lehnt ab.
teressiert und verantwortungsbewußt auf
eine Normalisierung im Nahen Osten
hinwirken.
Peres schwimmt
Heute setzt sich die Erkenntnis in der
Welt durch, daß es ein Anliegen aller ist, Doch das Wichtigste an den wie auch
der Nahostrcgelung einen positiven an den späteren sowjetischen Initiativen
Impuls zu geben Hierbei muß jeder sind nicht die Details, sondern die
Versuch unterbleiben, d e Aussicht auf präzise Formulierung des Rege­
Fr eden m der Region en das egoistische lungszwecks: Herbeiführung eines ge­
Ziel zu knüpfen, den Rivalen aus dem rechten und folglich stabilen Friedens.

14 "NEUE ZEIT" 22.87


Auch Außenminister Peres, Shamirs westeuropäischen Länder, die in der Tat Zwei Standpunkte zur
politischer Rivale und Vorsitzender der bedeutende Interessen im Nahen Osten
Partei der Arbeit, hat vorläufig nichts haben, auf die früheren US-Versuche, palästinensischen Einheit
Präzises geäußert. Zwar sagt er, er die Nahostregelung zu monopolisieren Meiner Ansicht nach kann eine ein­
unterstütze die Idee einer Konferenz, und in der Region eine Pax americana heitliche und maßgebliche PLO das
aber seiner Meinung nach sei sie nur einzurichten. Im sowjetischen Herange­ palästinensische Volk auf einer interna­
dazu gut, in ihrem Rahmen Separatver­ hen an die Einberufung einer Konferenz tionalen Konferenz vertreten und in
handlungen mit Jordanien aufzunehmen. deckt sich nicht alles mit dem der seinem Namen für alle annehmbare
Wie Peres sagt, hätte er nichts dagegen, Westeuropäer, aber der Dialog ist im Entscheidungen besprechen: Das ist ein
wenn der jordanischen Delegation ge­ Gange und wird immer konstruktiver. wichtiger Faktor des Friedens. Es gibt
wisse palästinensische Vertreter - keine Von besonderer Bedeutung für die aber auch einen anderen Standpunkt:
PLO-Mitgliederl - angeschlossen seien. künftige Regelung ist der in der ara­ Man habe die Wiederherstellung der
Mir ist nicht klar, ob Peres, der seinen bischen Welt zu beobachtende Trend, PLO-Einheit bezahlen müssen, und zwar
Kurs gegenwärtig als "friedliche Alterna­ Zwist und Hader zu überwinden und mit der Abkehr vom flexiblen Manövrie­
tive" zur Shamir-Linie preist, es tat­ endlich einen koordinierten Standpunkt ren und dem verstärkten Akzent auf die
sächlich darauf anlegt, daß Israel die zum Frieden mit Israel auszuarbeiten. Aufgabe der Resolution 242 und die
annektierten palästinensischen Gebiete Wir ^vollen uns nicht täuschen, der Trend Schaffung eines eigenen unabhängigen
im Rahmen des "territorialen Kompromis­ ist noch nicht sehr stark, weil sich das Staates. Das habe die Chancen der PLO,
ses" aufgibt. Meint er vielleicht nur Beharrungsvermögen noch bemerkbar sich in den friedlichen Prozeß ein­
einen "funktionellen" Kompromiß mit macht. Nichtsdestoweniger kann zuschalten, verschlechtert, denn als
Jordanien, d. h. ein jordanisch-israe­ durchaus gesagt werden, daß die Araber richtige nationale Befreiungsorganisation
lisches Kondominium über ein angeblich zunehmend die Notwendigkeit begrei­ werde sie nicht über die Schwelle der
autonomes palästinensisches Gebiet, in fen, die „Konfrontationslogik" abzule­ Konferenz treten. Damit sie sich we-
dem Israel die Funktion der Sicher­ gen, um den heranwachsenden Genera­ nigstens durch ein Hintertürchen, das
heitskontrolle beibchält? Eine solche tionen nicht das Gewehr zu hinterlassen, man den Palästinensern eventuell auf­
Abmachung wäre Gewaltausübung ge­ sondern einen realen Vorlauf für die macht, hineinzwängen kann, brauche sie
genüber den Palästinensern und würde Lösung der Aufgabe, die In­ die in Algier zurückgelassene Flexibili­
wohl ihren Widerstand hervorrufen. Sie dustriestaaten sozialökonomisch einzuho­ tät. Auf diese Weise denkt man in Israel
würde sich auch nicht in die Konzeption len. Vor allem aber dazu, jene Span­ und anderswo.
einer mit großen Befugnissen ausgestat­ nungselemente zu mindern, die sich in Dazu wäre nur eins zu sagen: Ver­
teten und aktionsfähigen internationalen den inneren Strukturen der meisten zichtet auf den diskriminierenden Kurs
Konferenz fügen, schon deshalb nicht, arabischen Länder immer deutlicher gegenüber den Palästinensern und
weil das die Lösung der Palästinafrage zeigen. Das ist ein Gebot des Lebens. sprecht ihnen ihre natürlichen, unver­
ohne die Palästinenser selbst wäre. Die Zeiten der hohen Erdölpreise sind äußerlichen Rechte zul Dann erst könnt
Dennoch dürfen jene, die sich eine vorbei, und moderne Rüstungen werden ihr urteilen, ob sich die palästinensische
objektive Meinung über die Entwicklung auch nicht billiger. Führung verantwortungsbewußt und re­
im Nahen Osten bilden wollen, nicht In der arabischen Welt versucht man alistisch benehmen wird. Ich habe
übersehen, daß Peres, anders als Shamir, jetzt, erstmals seit langer Zeit mit der keinen Zweifel, daß sich die PLO nur
die Notwendigkeit gewisser Korrekturen Vorbereitung eines gesamtarabischen deshalb weigert, die Resolution 242 an­
am israelischen Kurs einsieht. Offenbar Gipfels zu beginnen. Die Araber bemü­ zuerkennen, weil Israel darin nur eins
spürt er, daß sich die Orientierung auf hen sich jetzt mehr darum, dem irakisch­ gelten läßt: die Feststellung, daß ihm das
Militarismus, auf die endlose Bedrohung iranischen Krieg Einhalt zu gebieten, Recht auf Frieden und Sicherheit zuste­
der Araber mit militärischer Gewalt die denn neben dem Waffenkauf ist er der he. Die Palästinenser dagegen werden in
israelische Gesellschaft selbst gefährdet, ■ zweite Verlustposten, wobei nicht nur der Resolution kraft konkreter Umstände
zu ihrer materiellen Erschöpfung und gewaltige materielle Ressourcen drauf­ und der Zeit ihrer Annahme (November
Demoralisierung führt. Peres manövriert, gehen, sondern auch Hunderttausende 1967) nur als Flüchtlinge behandelt.
muß jedoch seine Manöver um die Idee Menschen umkommen. Leider fördert Wiederholt gab die PLO-Führung klipp
einer Konferenz als Mittel zum Frieden Irans Verhalten nicht gerade die Beendi­ und klar zu verstehen, sie würde diese
gruppieren. Auch darin sehe ich die gung dieses Krieges. Resolution annehmen, wenn den Palästi­
Bestätigung dessen, daß die Nahostrege­ Ein positives Ereignis in der ara­ nensern das Selbstbestimmungsrecht zu­
lung in ein qualitativ neues Stadium bischen Szene war die erfolgreiche gesprochen werde. Was die Form
eingetreten ist. Vereinigungstagung des Palästinen­ betrifft, in der dieses Recht wahrgenom­
Von den USA läßt sich vorläufig nicht sischen Nationalrats, die im April in men werden soll - ob als unabhängiger
viel sagen. Dort hat man meines Algier stattfand. Die allgemeine Krise in Staat oder als Bestandteil einer künftigen
Erachtens noch nicht beschlossen, ob cs der politischen Führung der arabischen Konföderation mit Nachbarstaaten -, so
sich jetzt, nach dem Fiasko in Libanon Welt wirkte sich unmittelbar auf die müßten das die Palästinenser selbst
und der Iran-Affäre, lohnt, Präsident leitenden Organe der palästinensischen entscheiden.
Reagan in einen aktiven Friedensprozeß Bewegung aus, und auch sie erwies sich Zusammenfassend möchte ich einen
im Nahen Osten einzuschalten. Aller­ praktisch als zersplittert. Zudem nahmen Gedanken unterstreichen, den Moskau
dings hat man es in Washington schon die palästinensisch-syrischen Beziehun­ wiederholt zum Ausdruck brachte: Es
gelernt, die Worte "internationale Konfe­ gen schädliche, ihnen gar nicht eigene gilt, möglichst bald mit praktischen
renz" auszusprochen. Das will immerhin zugespitzte Formen an. Da sich in der Vorbereitungen auf eine internationale
etwas heißen. PLO miteinander rivalisierende Fraktio­ Nahostkonferenz zu beginnen.
beginnen,
nen herausbildeten, wußte man nicht Da Anzeichen für eine bessere
recht, wer eigentlich "der einzig legitime Perspektive der Nahostregelung vorlie­
Ende des Vertreter des palästinensischen Volkes" gen, spricht man in der arabischen Welt
sei. Jetzt, nach Algier, hat sich die sogar von einer eventuellen Einberufung
Zwistes! Situation in den Reihen der Palästinenser der Konferenz noch in diesem Herbst.
merklich verbessert, obwohl die PLO Man möchte ja glauben, daß das wirklich
Eine qualitativ neue Erscheinung ist und Damaskus nicht wenig tun müssen, möglich ist. Aber dann ertappe ich mich
das zunehmende Engagement der um das für eine gerechte Nahostregelung bei dem Gedanken, daß ich schließlich
Westeuropäer in den nahöstlichen Ange­ so notwendige syrisch-palästinensische auch Fachmann für Nahostfragen bin und
legenheiten. Das erscheint logisch. Ich Zusammenwirken auf die Dauer wieder­ einem so nahen Termin doch recht
denke, darin äußert sich die Reaktion der herzustellen. skeptisch gegenüberstehe. M

"NEUE ZEIT" 22.87 15


P@ST In Ihren politischen Einschätzungen ist oft zweierlei Maß festzustellen. I
Beispiel; Der salvadorianische Präsident Duarte erweist sich guten Willens,
indem er mit linken Aufständischen verhandelt. Der führende Politiker
Nikaraguas, Ortega, weist allein schon den Gedanken an Verhandlungen mit
Aufständischen in seinem Land weit von sich. Das wiederum hindert Sie nicht,
i
die Haltung der Sandinisten als ehrlich und konstruktiv herauszu­
streichen und das Oberhaupt der demokratischen salvadorianischen Regierung gen
zu verteufeln. Lagt
Jose Hernandez RIVERA eine
übe-
Tegucigalpa, Honduras
kerc
i Kinc
jemi
höre
alle demokratischen Kräfte angehören linke militärpolitische Organisationen, wie
sollten. Duarte schlug den Partisanen die den bewaffneten Kampf führen. Der D
vor, die Waffen zu strecken, allerdings FRD ist eine weitgespannte Bündnisorga­ in I
gegen die Möglichkeit, sich an Wahlen nisation, in der linke Christdemokraten, war
zu beteiligen. Sozialdemokraten, fortschrittliche Intel­ Vor
lektuelle, Studenten, Geistliche, demo­ viell
Was hätte das bedeutet, "einseitig die kratisch gesinnte Militärs und Ge­ nisc
Waffen niederzulegen"? Bereitwillig hin­ schäftsleute vertreten sind. Beide patrio­ Hau:
zunehmen, daß Mitglieder rechtsextre­ tischen Organisationen sind in El USA
mistischer Gruppen und Strafkommandos Salvador hoch angesehen. Sie bringen der
in Uniformen nicht auf dem Schlachtfeld, die Interessen des Volkes zum Ausdruck. dem
sondern in Folterkellern Patrioten Nicht umsonst werden diese Organisatio­ gen
Es diskutiert physisch vernichten. So sah von Anfang nen im Ausland anerkannt. Viele renom­ senk
NZ-Kommentator an Duartes "guter Wille" aus. Etwas mierte internationale Foren haben sie in den
Alexander anderes war von ihm auch nicht zu Resolutionen unterstützt. Über 30 Staaten wärt
BARYSCHEW erwarten, schließlich stand die amerika- Europas und Lateinamerikas unterhalten kom
nicH
une1
Voll

Stimmt
den
Hon;
Barn
man
wurt
Ihr Brief, Herr Rivera, weist einige nische Regierung hinter ihm und seinen offizielle politisch-diplomatische Bezie­ inak:
Ungenauigkeiten auf. Untersuchen wir Kollegen. hungen mit FLNM und FRD. mit
zunächst, was Sie den “guten Willen" Kein geringerer als US-Staatssekretär In Bezug auf die nikaraguanischen zu i
des salvadorianischen Präsidenten Duarte George Shultz ordnete vor der Begeg­ Confras leugnet selbst die US-Presse verg
nennen. Das Friedensangebot wurde ihm nung an: „Keinerlei Beteiligung an der nicht, daß sich ihre führenden Offiziere D.
von kämpfenden Patrioten gemacht. Seit Macht durch die Partisanen und keinerlei und einfachen Soldaten aller Ränge aus eind
1981 bieten die Einheitsfront der Natio­ Verträge, bis sie nicht die Waffen der früheren> Nationalgarde
Nafionalgarde Somozas Con!
nalen Befreiung Farabundo Marti (FLNM) niedergelegt habenl" rekrutieren. Sie sind für ungezählte
i offii
und die Revolutionäre Demokratische Die letzten Begegnungen zwischen Verbrechen gegen das Volk in den SanE
Front (FRD) Verhandlungen an. Jahre­ Patrioten und Repräsentanten der Macht Jahren der Somoza-Tyrannei verant­ nen,
lang leimten die Behörden ab. Erst im brachten keine Regelung. Jetzt wurde wortlich. Jetzt stehen sie im Sold der geln
AAai 1984 heu sich Duarte auf Gespräche nur noch offensichtlicher, daß Duarte, CIA, die sie ausrüstet und in Lagern, schu
über die Einstellung des Blutvergießens dessen Regime sich eben noch mit auch auf dem Territorium Ihres Landes, W
und eine politische Lösung des Konflikts Washingtoner Finanzhilfe über Wasser Honduras, unterbringt. Koni
ein. Em Beweis “guten Willens"? Duarte hält, nicht gewillt ist, irgend etwas ohne Übrigens läßt sich die militärpolitische gige
trat nicht aus freien Stücken in Ver­ Sanktionierung durch das Weiße Haus zu Lage in El Salvador nicht mit der die
handlungen ein, sondern weil sich das unternehmen. Es wird immer offen­ Nikaraguas vergleichen. Die salvadoria­ Eine
Kräfteverhältnis zu jener Zeit nicht sichtlicher, daß nur die Einstellung der nischen Widerstandskämpfer stellen eine täns
zugunsten der Regierung verlagert hatte. US-Einmischung in die inneren Angele­ gut organisierte Kraft dar, die Abteilun­ das1
FLNM und FRD hatten die Initiative genheiten El Salvadors Bedingungen gen der Regierungstruppen effektive gers
übernommen. Die Ccntadora-Gruppe schaffen kann, unter denen Verhandlun­ Schläge versetzt, den Kampf in allen Verl
setzte sich ebenfalls für einen Dialog ein. gen zu einer Einstellung des Blutver­ 14 Departements des Landes im offenen übel
Des mußte man einfach berücksichtigen, gießens führen können. Gefecht führt und ein Viertel des Dazi
Spater erwies sich, daß Duarte die Jetzt zu den Sandinisten, die angeblich Territoriums der Republik fest unter von.
Verhandlungen als Atempause nutzen jeden Gedanken an Verhandlungen mit Kontrolle hat. Sie kämpfen gegen ein niste
wollte, um die Opposition zu spalten. den Aufständischen weit von sich wei­ System Ausbeutung
der und Un­ Duar
sen. Zunächst einmal nennen Sie die terdrückung und für sozialen Fortschritt. W
Am 15. Oktober 1984 kam die erste Angehörigen nikaraguanischer konterre­ Ihr Gegner ist eine Regierung, deren sicht
Verhandlungsrunde zustande. Das Ge­ volutionärer Banden ohne jeden Grund Legitimation höchst zweifelhaft ist. Im­
man
päck, mit dem die Seiten in dieses "Aufständische". Ich fürchte, Sie stellen merhin wurde Duarte nach Scheinwahlen, nach
Treffen gingen, ist aufschlußreich. FLNM sie auf eine Stufe mit den Kämpfern der die von einem Großteil der Bevölkerung
Reg
und FRD schlugen vor, eine Regierung FLNM und FRD in El Salvador. Die boykottiert wurden, von Washington auf tisch
oer nationalen Einheit zu gründen, der Nationale Befreiungsfront vereint jedoch den Schild gehoben. Die Contras dage-

16 "NEUE ZEIT" 22.87


FÜF GESCHÄFTSLEUTE UND TOURISTEN!
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9en sind versprengte Haufen, die von


in Ihrem Land nach Nikaragua
e'n9eschleust werden. Die Contras ver­
ehefime s
üben feige Überfälle auf die Zivilbevöl­
kerung und verschonen selbst Frauen,
David MacMichael, von dem wir folgende Zuschrift erhalten Regierung z. B. ein ge­
Kinder und Greise nicht. Wenn sie
haben, war 10 Jahre Offizier der US-Marineinfanterie. Wie er uns fährliches und scheinheiliges
jemand anerkennt, dann Regierungsbe­
mitteilt, befehligte er im Koreakrieg einen Zug und wurde Spiel. Trotz des von Zeit zu
hörden der USA oder Organisationen
schwer verwundet. In den 60er Jahren dankte er ab, studierte, Zeit geäußerten "aufrichtigen
wie r'ie Antikommunistische Liga.
machte in Geschichte der US-Diplomatie seinen Dr. phil. und Mitgefühls" mit den Schwar­
Dir Verhandlungsbereifschaft, die Sie erforschte am Stanford Institute im Auftrag des US-Verteidi- zen bleiben die USA dem
in lli em Brief ansprechen, Herr Rivera, gungsmmisteriums die Methoden zur Bekämpfung aufständischer aktiven Militärbündnis mit dem
war or kurzem hochaktuell. Kommt Ihr Bewegungen in Mittelamerika und Südostasien. Von März brutalen Apartheidregime
Vorr/rrf an die Adresse der Sandinisten 1981 bis April 1983 gehörte er beim Nationalen Aufklä­ treu. Gemeinsam heizen die
vielleicht von daher? In der amerika­ rungsausschuß— einer Abteilung der CIA — einer A-nalyti- USA und die RSA den Ge­
nischen Presse erschienen vom Weißen kergruppe an. Er schreibt: heimkrieg gegen Angola auf,
Haus inspirierte Meldungen, wonach die liefern Waffen und Geld für
USA ihre Haltung zu Verhandlungen mit die Ausbildung von Aufrüh­
der Sandinistischen Regierung abzumil­ rern und versehen diese mit
dern bereit seien und daß Verhandlun­ Über zwei Jahre befaßte Aufklärungsinformationen.
heimkrieg" gegen das Volk
gen zwischen Sandinisten und "Reprä­ ich mich bei der CIA mit Waf­ Nikaraguas ein schwerer Ver­
sentanten des demokratischen Wi­ Die USA führen ihre
fenlieferungen nach Mittel­ stoß gegen das Völkerrecht
derstands keine Einwände hervorrufen größeren und kleineren "Ge­
amerika. Als ich im April ist, und forderte, daß die
würden". Die Sendinisten schließen den heimaktionen" auf der ganzen
1983, da mein Vertrag ablief, USA Nikaragua Reparationen
konstruktiven Dialog mit Nikaraguanern Erde durch: in Kampuchea,
aus der CIA ausschied, reiste zahlen. Ich war einer derjeni­
nicht aus, die die Reaktion in den Afghanistan, am Horn von
ich zweimal nach Nikaragua, gen, die in dem Aufsehen
unerklärten Krieg gegen das eigene Afrika und in vielen anderen
um dort nachzuprüfen, was ich erregenden Fall aussagten und
Volk hineingezogen hat, wie etwa mif mit Befriedigung sehen, daß Regionen. Zu diesen "Gehei re-
eigentlich schon wußte. Da­
den Indianern, von denen viele nach die Abstimmung so eindeutig aktionen", die von der
mals suchte die Regierung
Honduras vertrieben und in Contras- und der Entscheid so klar US-Regierung gefördert wer­
Reagan nach Beweisen dafür,
Banden gepreßt worden sind. Sie meint ausgefallen ist. den, zählt auch der Terroris­
daß die Regierung Nikaraguas
man aber nicht in Washington. Dort Der "Geheimkrieg" in Nika­ mus, der von unseren Behör­
den Guerillas von El Salvador
wurden erneut die für die Sandinisten ragua ist ein gröblicher Ver­ den scheinheilig "der
Waffen lieferte. In den USA
inakseptablen Vorschläge geäußert, sich stoß nicht nur gegen das schlimmste Feind des Landes"
kannten nur wenige die wahre
mit Banditen an den Verhandlungstisch Völkerrecht, sondern auch ge­ genannt wird. Solche
Sachlage. In Wirklichkeit leg­
zu setzen, die das Blut ihrer Landsleute gen eine Reihe von Gesetzen Kriege „auf den Hinter­
ten Agenten der US-Regie­
vergießen wollen. der USA. Eins, das sogenannte
rung in den Häfen Nikaraguas höfen", auch "Konflikte von
Diese Aufforderung aus Washington ist Boland-Amendment, ver­ geringer Intensität" genannt,
Minen, sprengten seine
eindeutig von der Absicht diktiert, den abschiedete der US-Kongreß werden fortdauern und sogar
wichtigsten Erdölmagazine in
Contras doch noch irgendwie einen die Luft und drillten und speziell, um der Administra­ noch um sich greifen, wenn
offiziellen Status zu verpassen. Wenn die tion den Kampf gegen das wir es nicht fertigbringen
finanzierten eine Söldnerar­
Sandinisten diese Ultimaten dann ableh­ Volk Nikaraguas zu verbieten. sollten, sie zu verhüten.
mee für einen Terrorkrieg
nen, kann man sie wieder der man­ Jetzt zeigt es sich ganz klar,
gegen das nikaraguanische
gelnden Verständigungsbereitschaft be­ daß die Reagan-Administration
Volk. Das alles geschah natür­ Gegen die "Geheimkriege"
schuldigen. auch gegen andere ge­
lich im Sonderauftrag des der USA tritt auch eine Orga­
Welche Wahl haben danach noch die setzliche Verbote von Waffen­
US-Präsidenten. Dafür, wie die nisation auf, der ich angehöre:
Kongreßmitglieder? Die Contras großzü­ lieferungen ins Ausland ver­
USA die nikaraguanischen die Koalition für eine neue
giger. besolden, damit sie für die USA stößt. Auf die Neutralität von
Contras unterstützt haben und Außenpolitik. Sie brandmarkt
die Kastanien aus dem Feuer nolen? Staaten hat die Administration
noch jetzt unterstützen, gibt es die gefährliche, verlogene,
Einer unmittelbaren amerikanischen mili- keine Rechtfertigung. nie Rücksicht genommen. Das gesetzwidrige Politik, die die
täri>J.Hen Einmischung zustimmen? Führt bestätigen die Untersuchun­
Die CIA hat sich in Nikara­ USA in aller Welt zu treiben
das Weiße Haus seine Gesetzgeber nicht gua viel intensiver betätigt, als gen, die jetzt in Washington suchen. Es ist unmöglich, daß
gerade dadurch ins Dilemma, daß man geführt werden.
das Weiße Haus seinerzeit man im Kapitol nichts vom
Veredlungen mit den Somozabanditen Der Fall ist so ernst, daß der
zugab. Erst jetzt, nach den Einfluß dieser Koalition merkt.
übe'’Mittelsmänner ins Gespräch bringt? sensationellen Pressemeldun­ "Geheimkrieg" in Mittelame­ Wir wollen alle Kräfte der
pazu - dienen doch wohl Behauptungen rika und sogar die heimlichen
gen über die geheimen Waf­ US-Gesellschaft zum Kampf
von Her Unnachgiebigkeit der Sandi­ Waffenverkäufe an den Iran
fenlieferungen an den Iran gegen die Politik der US-Re-
nisten im Gegensatz zum "guten Willen" nur die Spitze eines Eisbergs
und die Contras, erkennen gierung aufbieten, die allen
puades. sind.
viele Amerikaner allmählich, denen ihren Willen aufzuzwin­
Wenn hier nicht zweierlei Maß Es gibt viel weniger be­
wie massiv sich die USA in die gen sucht, die ihren eigenen,
sjChfdar wirdl Nach dem einen bemißt kannte tragische Einmischun­
Angelegenheiten des souverä­ von den USA unabhängigen
rnaf1 die Ereignisse in der Öffentlichkeit, gen der US-Regierung und
nen Staates Nikaragua ein­ Weg gehen wollen.
nad1 dem anderen betreibt man von der CIA in die Angelegenhei­
mischen.
Reg,ßrungskabinetten der USA aus poli­ Vor einiger Zeit entschied ten Südafrikas, Südostasiens,
tisch Manöver in Mittelamerika. der Internationale Gerichtshof des Nahen Ostens, fast aller David MACMICHAEL,
Länder der dritten Welt. Im ehemaliger CI A-Analytiker
in Den Haag mit 14 Stimmen
gegen 1, daß der "Ge- Süden Afrikas treibt unsere Washington, USA

2.87 "NEUE ZEIT" 22.87 17


ARCHIV AKTUELL

Scheiterhamfiem
auf dem Opemplate
üu! ' El c r> Bör-.c: Courier' stehe ich Jahrhundert die Atmosphäre jener Zeit Berlin am 10. Mai 1933. Unter den
..-»1 r.< . •weilen A .".:c iste' des neuen vorstellen? Ein schwüler Abend in Berlin brennenden Büchern auch Bande Hein­
. - . . . . i eine Bücher nut am 10. Mai 1933... rich Heines, der vorausgesagt hatte:
/ ut < . I . :i.ptwerkes 'Wir sind Die Berliner waren im voraus darüber „Dort, wo man Bücher verbrennt, ver­
o< I ■ .-.<_ dc empfohlen! Ich bin informiert worden, was sich auf dem brennt man auch am Ende Menschen".
also da. i bc ufc-, c er der Exponenten Platz vor der Oper abspielen sollte. Foto aus dem Album "Deutsche
des neue / deutschen Geistes zu sein!.. Sturmabteilungen und Studenten fuhren Chronik 1933 - 1945" (DDR)
Won it habe -,h diese Schmach ver­ in Lastwagen durch die Stadt und
dient:' So beger.n der Schriftsteller beschlagnahmten verbotene Bücher in
Oskar Mar a Gra1, der Hitlerdcutschland Bibliotheken. Nur wenige Jahre sollten
verlassen habe, tc.ren Offenen Brief, der vergehen, da wurden solche Bücher im men Treffpunkt der in die Illegalität
1933 in europäischen Zeitungen veröf­ "neuen Deutschland" zur Rarität. Als gezwungenen Kommunisten aus, oder
fentlicht wurde. Und weiter: "Diese deutsche Jungen und Mädchen nach man bekommt einfach Lust, mal ein paar
Unehre habe ich nicht verdient! Nach 1945 in die Mittel- und Hochschulen jüdische Läden zu demolieren.
meinem ganzen Leben und nach meinem kamen, hörten sie voller Staunen große, Leute, für die die Idee der geistigen
ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu aber ihnen bis dahin völlig unbekannte Befreiung Deutschlands, der Läuterung
verlangen, daß meine Bücher der reinen Namen. Nach der Machtergreifung durch seiner Kultur von allem "Artfremden",
Flamme des Scheiterhaufens überantwor­ die Nazis wurden 149 Schriftsteller von der "Asphaltliteratur", von dem mit
tet werden..." verboten. Auf der Liste der verbotenen dem Idealismus der "wahren Deutschen"
Der Maler Ernst Ludwig Kirchner, Literatur standen 12 400 Werke, ein unvereinbaren Materialismus der "Zuge­
dessen Werk erst in den Nachkricgsjah- bedeutsamer Bestandteil der nationalen reisten", von Marxismus und Unmoral,
ren gebührend emgeschatzt werden und internationalen Kultur. von der Herabminderung der nationalen
sollte, schtieb in einem privaten Brief: Lastwagen mit SA-Leuten und Studen­ Geschichte begeistert waren, versammel­
Was in Deutschland vor sich gehe, habe ten rasen durch Berlin. Seit die rote ten sich am Abend vor dem Studen­
ihn zutiefst erschüttert, und doch sei er Fahne mit dem schwarzen Hakenkreuz im tenklub in der Oranienburger Straße. Sie
stolz, daß die braunen Bilderstürmer weißen Kreis über der Stadt hängt, bildeten einen Fackelzug und marschier­
auch seine Werke vernichteten. Es wäre gehören LKWs mit SA-Leuten zum ten auf den Opernplatz zu.
eine Schande für ihn gewesen, setzte er Berliner Leben. Bald wird eine Kundge­ Das Feuer loderte auf, und die ersten
fort, hatten sie ihn verschont. bung "zum Schutz der nationalen Kultur" Bücherstöße flogen auf den Scheiterhau­
Kann man sich nach einem halben veranstaltet, bald hebt man einen gehei- fen.

i
Das „Kükenn" lieh der Flotte, Manöver
zuvor an den sowjetischen Grenzen im
Fernen Osten zu beginnen als je zuvor.
Diese Direktive Washingtons wurde in
näher als je

wird aggressiv der Pazifikregion beinahe als Freibrief


für Provokationen,
"Kriegsspiele" aufgenommen.
für derartige
Und die
Am 17. und 21. Mai verletzte der Raketenkreuzer "Arkansas" der US-Militärs inszenieren regelmäßig
U. S. Navy die UdSSR-Staatsgrenze im Raum der Awatscha-Bucht solche "Spiele". Das beliebteste heißt
(Kamtschatka). Das UdSSR-Außenministerium legte Protest ein. "Küken auf dem Meer". So nimmt eine
US-Fregatte in internationalen Gewäs­
Eine Provokation. Der hochmoderne dcrsten Linien, ihre Dislozierung in sern direkt Kurs auf ein sowjetisches
Raketenkreuzer tauchte nicht zufällig in unmittelbarer Nähe dos Gegners, die Kriegsschiff — bis das Schiff in letzter
sowjetischen Hoheüsgev. assern auf. Em Aggressivität unserer Schiffe" (hervorge­ Minute abdreht. Oder die Anti-U-Boot-
Fehler, der sich wiederholt, ist so gut hoben — die Red.) "die beste Art der Flotte beginnt die "Jagd auf ein sowje­
wie ausgeschlossen. Der Kurs war Abschreckung ist". tisches U-Boot". Oder trotz Warnung
absichtlich so fcstgelcgt — und das nicht führt ein Kapitän sein Schiff bis unmittel­
zum erstenmal. Zur Aggressivität wird auf höchster bar an den "Gegner". Wer abdreht, um
Vor c.nigen Jahren gestand der Chef Ebene aufgerufen. US-Kriegsmarinemi- einen Zusammenstoß zu vermeiden, wer
des US-K- egsmannestabs Admiral James nister John Lehman, der 1981 die sich der provokatorischen "Jagd" ent­
Watkms vor dem Streitkräfte-Ausschuß "Strategie der vorderen Grenzen" ver­ zieht, der ist das "Küken"... Es gab
des Senats em- "Wir sprechen von einer kündet hatte, erklärte im gleichen Jahr: Dutzende solcher Fälle, wie das Magazin
. -• C ccct- das ist nur Die amerikanischen Flugzeugträger müs­ „U. S. News and World Report" be­
die t’ose. d . ■■■'-' einnehmen. Wir sen in "Zonen erhöhter Gefahr" vor der richtet.
daß »ir : c'.'ensivc Verteidigung, sowjetischen Küste einlaufen. Im Marz Bei einem Manöver imi Frühjahr

d e egung cer Klette m oc VC'- 1983 erlaubte Präsident Reagan persön- 1983 wollte der Kapitän ides Flug-

"NEUE ZEIT" 22.87


1 8

I
Was für ein Anblickl Es brannten sah, befriedigte ihn, er wußte jedoch, Was mit Bücherverbrennungen begann,
Feinde des "neuen Deutschland", sein daß die Bücherverbrennung keine Endlö­ endete für die Regimegegner mit den
Volk befreite sich von Verderbnis, ihm sung brachte. Drei Jahre später erließ KZ-Krematorien, und für jene, die den
erwuchsen nationale Kräfte. Die vom der Volksbildungsminister einen Befehl SA-Leuten und Studenten begeistert
bläulichen Licht zahlreicher Scheinwerfer über die Vernichtung einer ganzen Beifall spendeten, mit- den Schützengrä­
beleuchtete Menge jubelte bei jedem Literaturgattung: Da auch das Jahr ben von Stalingrad, während ihre Fami­
neuen Bücherschub, der im Feuer lande­ 1936 keine merkliche Verbesserung der lien in den von gegnerischen Flugzeu­
te. Kunstkritik gebracht habe, werde mit gen in Brand gesetzten Städten, in
Bei einem neuen Stoß verkündete der Wirkung vom 27. November 1936 jede Hamburg und Dresden, verbrannten.
Ordner laut: weitere Kunstkritik endgültig verboten. Jemand mag einwenden, daß ich den
"Gegen den Klassenkampf und Mate­ Am 10. Mai 1933 fanden auch in Kausalzusammenhang zu direkt auffasse.
rialismus! Für Volkstum und Idealismus! München, Dresden, Frankfurt am Main Die Nazis begannen nicht zufällig mit
Ich übergebe die Werke von Marx und Bücherverbrennungen statt. Wer befaßte der Vernichtung von Büchern. Worauf
Kautsky den Flammenl sich damit neben den SA-Leuten, die für rechneten sie? "Einem Volk das mora­
Gegen Dekadenz und moralische Zer­ die Organisation sorgten? Studenten, von lische Rückgrat zu brechen ..., indem
setzung! Für Strenge und Sittsamkeit in ihren Mentoren dazu angehalten. Waren man ihm seine Literatur nahm und ihm
Familie und Staat! Ich übergebe die sie alle Anhänger der neuen Macht, dafür einen literarischen Abschaum vor­
Werke von Heinrich Mann, Ernst Glaeser unterstützten sie das Programm der setzte", schrieb Stephan Hermlin, ein
und Erich Kästner den Flammen! NSDAP? Nein. Aber sie glaubten den deutscher Schriftsteller der älteren Gene­
Gegen die Verzerrung unserer Ge­ Worten, daß Deutschlands Kultur nur auf ration. "Ein Volk orientiert sich vor allem
schichte und die Herabwürdigung ihrer diese Weise zu erhalten sei, daß man an seiner Literatur. Man nahm den
großen Helden! Für heiliges Gedenken dem deutschen Volk nur so den Glauben Deutschen ihre beiden größten Philoso -
der Vergangenheit! Ich übergebe die an seine Kräfte zurückgeben, es aus der phen,einen größten klassischen Dichter"
Werke von Emil Ludwig und Werner Krise herausführen und ihm zu einem (Hermlin meint Marx, Engels und Heine)
Hegemann den Flammenl würdigen Platz in der Welt verhelfen "und faktisch ihre gesamte zeitgenös­
Gegen die volksfeindliche kosmopoli­ könne. sische Literatur. Man unterbrach damit
tisch-jüdische Journaille! Für zielstrebige Wer dachte damals beim Anblick des bestimmte Verbindungsfäden zu dem
Zusammenarbeit beim nationalen Auf- Feuers, das gierig Bücher verschlang, an stehengebliebenen humanistischen Rest
baul Ich übergebe die Bücher von Auschwitz? Das Vernichtungssystem der und machte ihn völlig beziehungslos."
Theodor Wolf und Georg Bernhard den Nazis entstand nicht über Nacht, viel­ Ein Mensch ohne Bücher ist leicht
Flammenl" mehr wurde es allmählich ausgebaut und manipulierbar, verliert sein Gesicht und
machte sich in den Köpfen der Menschen kann dem Übel keinen Widerstand
Der Wind wehte angesengte Seiten
breit, vor deren Augen Plätze für neue entgegensetzen.
fort, fegte den vom Anblick gebannten
Scheiterhaufen mit Stacheldraht abge - Der 10. Ma) 1933 ist keine einzeln
Berlinern die Asche vor die Füße,
sperrt wurden. Ein Repressionsapparat dastehende Episode in der Geschichte
Rauchschwaden lagerten über dem Platz,
formte sich, aber parallel dazu auch die der Menschheit. Vor und nach den Nazis
doch hätte damals auch das feinste
Weltanschauung von Menschen, die die wurden Schriftsteller und ihre Werke mit
Gespür nicht den Geruch brennender
Vernichtung anderer, in Rasse, Glauben Bann belegt und verbrannt. Stets war das
Menschenkörper wahrgenommen.
oder politischen Ansichten un­ ein Anzeichen künftiger Menschenver­
Auf dem Höhepunkt der Ereignisse terschiedlicher Menschen für gerecht nichtung. Auch ein halbes Jahrhundert
tauchte Dr. Joseph Goebbels, Leiter hielten. nach dem Scheiterhaufen auf dem
der Berliner NSDAP-Organisation, auf. Er Niemand von denen, die damals auf Opernplatz ist die Menschheit nicht
war zum Minister für Volksbildung und dem Opernplatz standen, hatte begriffen, gegen eine neue Bücherverbrennung
Propaganda aufgerückt und gab sich daß zusammen mit den Büchern auch ihr gefeit.
energisch mit Literatur ab. Was er da Leben den Flammen übergeben wurde. Leonid MLETSCHIN

zeugträgers "Midway" den ersten "Zug" von Kamtschatka. Das soll angeblich die Im März 1986 verletzen der Kreuzer
tun, abgestimmt mit dem Flottenkomman­ sowjetischen Militärs beunruhigen. Der "Yorktown" und der Zerstörer "Caron"
do, berichtet der amerikanische Journa­ nächste "Zug", erklärt Hersh, kommt die UdSSR-Grenze im Schwarzen Meer
list Seymour Hersh. Nachts, mit ab­ unerwartet selbst für das Flottenkomman­ vor der Südküste der Krim. "Das war
geschalteten elektronischen Anlagen, do. Einige Kampfflugzeuge starten von keine Provokation", erwidert das
entfernt sich der Flugzeugträger von der der "Midway" sowie von einem anderen US-Kriegsmarineministerium auf den
Flotte und steuert die Kurilen an. Am Flugzeugträger, der "Enterprise", und sowjetischen Protest. Die "New York
Morgen liegt die "Midway" südöstlich überfliegen sowjetisches Territorium... Times" meldete wenig später, beide
Schiffe seien mit Abhöranlagen und
anderen elektronischen Geräten ausge-
rüstet gewesen, um Angaben über die
sowjetischen Streitkräfte zu sammeln. Es
war also Spionage.
Und nun verletzte die "Arkansas"
zweimal die Grenze. Das "Küken" wird
immer aggressiver...
M. PUT1NKOWSKI

Der Kreuzer "Arkansas", der im Oktober


1 1980 In Betrieb genommen wurde.
41 > Ausgerüstet mit 8 Cruise Missiles sowie
mit anderen modernen Raketen-, Artille­
rie- und Torpedowaffen. 2 Bordflugzeu­
ge. 562 Mann Besatzung
Foto aus der Zeitschrift:
"Jane's Fighting Ships" (London)

"NEUE ZEIT" 22.87 19


AUS DEH WELT DES SOZIALISMUS O AUS DER WELT DES SOZIALISMUS O
Nachknegsjahrcn errichtete 5 Jahre von der 'Profitsteuer nische Anlage in der kuba­
Rumänien mit Hufe der UdSSR befreit. Die ungarische Regie­ nischen Provinz Pinar del Rio,
130 große Industrieobjekte. In rung unterzeichnete ein Ab­ mit deren Hilfe täglich 30

WIRTSCHAFT den Jahren 1981-85 betrug der


sowjetisch-rumänische Waren­
kommen über Investgarantien
mit Belgien, der BRD und
t Reis produziert werden.
In Havanna wurde ein kuba­
austausch 18,6 Md. Rubel. Im
IH ZÄHLEN laufenden Funfjahrplan ist eine
Steigerung um 70% auf 30
Frankreich,und konnte da­
durch das Vertrauen der aus­
ländischen Firmen festigen. Ein
nisch-französisches

menarbeit
Abkom­
men über technische Zusam­
unterzeichnet. Das
1986 wurde-. Rurr u en pro
Md. Rubel geplant. Die öko­ entsprechendes Abkommen Dokument sieht vor, die
K i »f de- El r< ung 1,33 t nomischen Verbindungen soll auch mit Österreich und Kooperation zur Erhöhung der
Gi-*rri<Je < ■ D.e Ar-
zwischen der UdSSR und der Kuweit geschlossen werden. Produktionsqualität zu ent­
E< tspi •.d.n der
SRR erfolgen auf der Die westdeutsche Filiale der wickeln sowie die Zusam­
Landwi-ls' tut'
Grundlage abgestimmter Pläne amerikanischen Firma ITT Stan­ menarbeit auf dem Gebiet der
ter ! nsc he Ausrüstung
in Verbindung mit einem dard Elektrik Lorenz AG und Normierung und des Aus­
wc !. i -.‘c- si ; Pi - e e be -
langfristigen Programm der der ungarische Betrieb Skala- tausches von technischen In­
ti 185 300 Traktoren - d
ökonomischen und Koop begannen in der UVR formationen zu fördern.
65 OGL M.at.drescher auf den
sc nsc haft lich-techn ischen mit der gemeinsamen Produk­ Zwischen Kuba und Uru­
Fe'dern des Landes. 3 Mio
sammenarbeit, das bis zum tion von Farbfernseh- und guay wurden fünf Export-
Hektar Land wurde., b _- Jahr 2030 reicht. Videogeräten.Für 1987 ist die Import-Verträge abgeschlos­
sert. In den Jahren der
Produktion von 40 000 sen. Kuba wird dem südameri­
Volksmacht verringerte sich
Farbfernsehgeräten und 5000 kanischen Partner Zink- und
der Anteil der Bauern ar. der
Videogeräten vorgesehen. Aluminiumschrott, Tabak und
berufstätigen Ee-clkcrung >on
Auch die erste ungarisch­ Rum liefern und gefrostete
80% auf wer iger als 30%.
finnische Firma wurde gegrün­ Hühner sowie Fleischkonser­
Die Indus'rie der SR Rumänien
entwickelt sich
Von 1938 bis heute wuchs der
dynamisch. SIEMENS det. Sie soll
ökonomischen
in technisch­
Fragen be­
ven
ebenso
importieren.
interessiert
Uruguay
an kuba­
ist

Teil des Nationaleinkommens,


den -J.e Industrie produziert,
UND ANDERE raten
Organisation
und Bestellungen
der
der Produktion annehmen.
Arbeit
zur
und
nischen
flugsschiffen,
Düngemitteln,
Medikamenten
Aus­

für die Veterinärmedizin und


von 30,8 . auf 60% Energie­ In Ungarn gibt es derzeit über
Die ungarische Handelskam­ Austern, wobei das Land
wirtschaft, Maschinenbau, Me­ 70 gemischte Betriebe, die mit
mer gründete einen "Klub", Kautschuk, Ausrüstungen für
tallurgie, chemische, Beteiligung von Firmen kapita­
der die Interessen der in der die Tabakindustrie und die
pc'rolchcmische und holzver- listischer Länder arbeiten.Das
UVR bestehenden gemischten Reparatur von Schiffen anzu­
arbeitende Industrie sind die Gründungsverfahren derarti­
Betriebe vertritt. Hier konsul­ bieten hat.
derzeit führenden Industrie­ ger Einrichtungen sowie deren
tieren sich ausländische Fir­ Ein Handelsabkommen
zweige. In der Produktion von Besteuerung wurden jetzt ver­
men, die Interesse an einer zwischen Kuba und Ekuador
Energie, chemischen Produk­ einfacht und günstiger für das
Kapitalanlage in gemischten wurde ratifiziert.
ten und Stahl erreichte bzw. ausländische Kapital gestaltet.
Betrieben zeigen, zu damit
überbot die SRR pro Kopf der Damit soll ein weiterer Anstieg
verbundenen juristischen Fra­
Bevölkerung das der Devisenverschuldung der
gen.
durchschnittliche Niveau der UVR ausgeschlossen werden.
RGW-Lender. Partei und Re­ Interesse zeigen besonders
gierung legen . großen Wert mittelgroße internationale Fir­
auf
Elektronik,
die Entwicklung
Mikroelektronik,
von men, aber auch die BRD-Firma
Siemens oder europäische
JUNGE
Feinmechanik,
von
die
Automatisierungsmittcln
Produktion Tochtergesellschaften
amerikanischen ITT-Konzerns
des DIE BLOCKADE FAMILIEN
und Robotertechnik sowie die
Schaffung neuer Baustoffe.
und der Citybank
sich an der
beteiligten
Gründung ge­ UMGEHEN Am 1-Mai dieses Jahres trat
mischter Betriebe. Zur Zeit der Ministerratsbeschluß der
Der 8. Fünjahrplan sieht für laufen Verhandlungen über Vor 25 Jahren trat der Han­ DDR zur Erhöhung des monat­
die sozialökonomische Ent­ die Gründung von 30 weiteren delsembargobeschluß der USA lichen Kindergeldes in Kraft.
wicklung (1986-1990) ein hö­ Einrichtungen dieser Art. gegen Kuba in Kraft. In Für das erste Kind erhöhte
heres Wachstumstempo als in Der ausländische Partner wird Washington war marrder Mei­ sich der staatliche Zuschuß
den vergangenen fünf Jahren in Zukunft über den größten nung, daß sich, wenn auch von 20 auf 50 Mark,
vor. Das Volumen der In­ Teil des Grundkapitals verfü­ nicht alle, so doch die für das zweite von
dustrieproduktion muß um gen, wurde jetzt beschlossen. Mehrheit der Verbündeten 20 auf 100 Mark. Für das dritte
43,3-49% steigen. (Vergleich Besonders gefördert wurde dieser Maßnahme anschließen und jedes weitere Kind erhal­
1981-1985: 21,6%) Bis 1990 die Gründung gemischter Be­ würde. Es kam aber anders. ten die Eltern 150 Mark pro
soll die jährliche Ge^retcepro- triebe auf dem Gebiet der Hier nur einige Meldungen Monat, anstatt wie bisher 100
duktion auf 32 4 Mio t gestei- Produktion, des Hotelbaus und der letzten Zeit. Mark. Zur Verwirklichung die­
gert we- an (1985: 23 Mio t). des Gaststättenwesens. Die Die gemischte Kommission ser wichtigen sozialpolitischen
Du* den Bau von 750 000 amerikanische Firma McDo­ Kuba—Italien tagte zum Maßnahme wird die DDR
Wohnungen wird oas Woh- nald's, die in 44 Ländern der 5. Mal. Kuba legte der italie­ jährlich 2 Mrd.Mark aus dem
nungsproblem im wesentlichen Welt vertreten ist, eröffnete nischen Seite einige Projekte Staatshaushalt zur Verfügung
gelost. beispielsweise in Ungarn Im­ vor, die die Beteiligung von stellen.
57 des Außenhandelsum­ bißstuben. Firmen der Apenninenhalbin­
Gemischte Betriebe solcher sel vorsehen. Diese Zusam­ Die Sorge um die Gesundheit
satzes der SRR entfallen au-
wicht ger Zweige wie Elektro­ menarbeit ist nicht neu. Bei­ der Bürger, die Unterstützung
Oie soz a st scher Lanaer, we­
nik, Rechentechnik oder Phar­ spielsweise bewährt sich be­ junger Familien und Hilfe bei
be- d>e UdSSR den ersten
mazie werden die ersten reits einige Zeit eine italie- der Erziehung der Kinder sind
P'afz emnimmt. In den
"NEUE ZEIT" 22.87
20
O AUS DER WELT DES SOZIALISMUS O AUS DER WELT DES SOZIALISMUS

wichtige Aspekte der Sozial­ tion vorgesehene Nationalein­


politik des ersten sozia­ kommen verringert. Jetzt ist es
listischen Staates auf unbedingt notwendig, den Ex­
deutschem Boden. Dafür wer­ port so zu steigern, daß mit
den über 5% des Nationalein­ den Einnahmen die jährliche
kommens verwendet. '- Zinsrückzahlung gedeckt wer­
Im Gesundheits- und Sozial­ den kann. Erst danach kann
wesen der DDR arbeiten ■ ; man an eine wesentliche Ver­
570 000 Menschen, über ringerung der Grundschulden
6% aller Beschäftigten. Es gibt denken.
39000 Ärzte und 12000 Stoma- Die Betriebe, deren Maschinen
tologen. Somit hat ein Arzt und Einrichtungen bedeutend
433 Menschen zu betreuen, veraltet sind, werden gezwun­
ein Zahnarzt ist für die Be­ gen sein, den Import neuer
handlung von 1400 Bürgern Maschinen zu begrenzen. Die
zuständig. Mit diesen Kennzif­ für den Export erarbeiteten
fern nimmt die Republik einen Mittel werden für die
führenden Platz in der Welt Versorgung der Industrie mit
ein. Rohstoffen, Materialien und
Ersatzteilen eingesetzt.
"Unter diesen Bedingungen,

.,^o
schreibt die „Tribuna Lu­
du", hat der Export
unumstrittene Priorität. Da das
Problem der Verschuldung
gelöst werden muß, können

SCHWERPUNKT wir uns noch


anderen Zielen widmen
nicht so bald
der
Beherrschung der I nflation
und der Stabilität des Marktes.

WMALMIEN
In der SVR Albanien begann :<«yr.
I: ° ' 5'
eine neue Etappe der ökono­ Fünf CSSR-Bürger begaben sich in einem LKW "Tatra-815 "GTC
auf eine Weltreise, die zwei Jahre dauern soll. Das speziell
mischen und sozialen Ent­
eingerichtete Auto soll unter erschwerten Bedingungen auf den
wicklung des Landesnordens,
Straßen von 60 Staaten getestet werden und dabei 120 Tausend
bemerkt die Zeitschrift "Hori-
zont"(DDR). Nachdem das Ple­
Kilometer fahren. Vom Verlauf dieser ungewöhnlichen Reise
wird ein mehrteiliger Dokumentarfilm des Studios "Barrandov" BETRIEBSSTIPENDIEN
num des ZK der Partei der berichten, den Kameramänner, die an der Reise teilnehmen,
Arbeit Albaniens im März
Foto: TASS
FÜR WEN?
vergangenen Jahres die Bür­
ger des Landes aufgerufen In Slowenien, der industriell
hatte, sich freiwillig zur Arbeit Fleisch selbst versorgen. Für 46,9 Mrd. Dollar aufgenom­ am weitesten entwickelten Re­
in den nördlichen Bezirken zu die kommenden Jahre ist ein men, davon 44,4 Mrd. bis publik.Jugoslawiens, erhält die
verpflichten, fuhren mehr als wesentlicher Anstieg der 1981. . Hälfte der Schüler und Studen­
tausend qualifizierte Arbeiter, Viehprodukfion vorgesehen. Ein Drittel der Kredite ver- ten, das sind 55 000 Lernende,
Ingenieure und Techniker in Für die Entwicklung Nordalba­ wendete die VRP auf den ein Betriebsstipendium, da die
diese Gebiete. niens sind auch die weitere Import von Maschinen und Industrie ihren Bedarf an qua­
Vervollkommnung der Ausrüstungen. Obwohl lifizierten Kadern sichern will.
Diese wenig besiedelten, in technischenBasis und die 39,8 Md. Dollar bereits zu­ Bisher bekamen nur Beststu­
den Bergen liegenden Bezirke Ausbildung neuer Facharbeiter rückgezahlt wurden, betrugen denten ein derartiges Stipen­
waren die rückständigsten in notwendig. Seit dem 1.April die Schulden infolge der ho­ dium. Nunmehr ist es aber
Albanien. Ihre bevorstehende 1986 arbeiten 20 freiwillige hen Zinsen Ende 1986 immer nicht mehr unbedingt nötig, in
beschleunigte Industrialisie­ Jugendbrigaden aus ganz Al­ noch 33,5 Mrd. Das entspricht allen Fächern ausgezeichnete
rung beruht vor allem auf dem 40% des Nationaleinkommens
banien am Bau der Eisen­ Leistungen aufzuweisen. Schü­
reichen Vorkommen von Bo­ bahnlinie Milot—Resheni—Klos, und übersteigt die jährlichen ler mit hervorragenden Fähig­
denschätzen. Im Bezirk Ku- einem der Hauptobjekte des Exporteinnahmen um das keiten sind gewöhnlich in den
kes erreichte der Anteil der gegenwärtigen Fünfjahrplans. Fünffache. Fachrichtungen erfolgreich, zu
Chrom- Nickel- und Bauxitför­
Die Auslandsschulden sind denen sie eine besondere
derung bereits 51 % der Ge­ der Hauptgrund der heutigen Neigung haben. Die übrigen
samtmenge des Landes, und in ■ ■ ‘ : ■

finanziellen Schwierigkeiten Fächer studieren sie gerade


Mirdita, wo Kupfer gefördert der VRP. Um wieviel einfacher ausreichend und befinden sich
wird, 90%. wäre es, den Markt im Land dann leistungsmäßig in der
Vorgesehen
intensivere
ist auch
Entwicklung
die
der
DEVISENSCHULDEN stabil zu halten, die Inflation
zu begrenzen, notwendige
Mitte.
Ziel der eingeleiteten
Landwirtschaft. In Zukunft sol­ Veränderungen in der In­ Maßnahmen ist es, im voraus
len sich die nördlichen Ge­ Wie.,Tribuna Ludu" schreibt, dustrie duchzuführen, wenn die Fähigkeiten der Schüler
biete mit Futtergetreide und hat Polen in den vergangenen nicht die Schulden zu be­ und Studenten zu fördern und
solchen wie
Nahrungsmitteln 15 Jahren in westlichen Län­ gleichen wären, da sich auch damit einen guten Facharbei­
Brot, Gemüse,Obst, Milch und dern Kredite im Umfang von gleichzeitig das zur Distribu- ternachwuchs zu sichern.
"NEUE ZEIT" 22.87 2 1
RGW
--- :—-----

Umbau im
Steuerung der Entwicklungs- und
Konstruktionsarbeiten und die Einfüh-
rung modernster Formen der Zusam-
menarbeit.
Skeptiker zweifeln nicht etwa an der
Fähigkeit unserer Wissenschaftler und

cLer Integiraüomi Techniker, sondern an der bloßen


Möglichkeit eines abgestimmten Zusam­
menwirkens der RGW-Länder in Wis­
senschaft, Produktion, Valuta- und Fi­
nanzfragen, Im rechtlichen und In ande­
ren Aspekten.
Seit Dezember 1985, als das Programm
RGW-Sckre4dr Wjatscheslaw SYTSCHOW beantwortet Fragen des beschlossen wurde, werden in den
einzelnen RGW-Ländern sowohl
TASS-Korrespcr.denten Jewgeni Wertin.
wirtschaftliche als auch rechtliche Vor­
aussetzungen für eine höhere Effektivität
der zwischenstaatlichen wis­
Vor anderthalb Jahren wurde ein bis zum Jahr 2000 geltendes senschaftlichen und technischen Zusam­
Komplexprogramm für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt menarbeit geschaffen. In den einzelnen
der RGW-Länder beschlossen. Jetzt ist es in allen seinen fünf Ländern sind leitende Instanzen für die
Sparten der wirtschaftlichen Entwicklung angelaufen: in Informatik, Erfüllung des Komplexprogramms gebil­
det worden. Die Verpflichtungen der
Produktionsautomatisierung, Biotechnologie, Energetik und neuen
Länder Programm sind
laut in ihre
Baustoffen.
Wirtschaftspläne für 1986—1990 einge­
Wie geht es damit vorwärts! Was für Hindernisse haben sich baut worden. Sie werden in ihren
ergeben! Jahresplänen präzisiert. Für die Bereit­
stellung der erforderlichen Finanzen,
Arbeitskräfte und Materialien sowie für
die Inbetriebnahme neuer und die
Rekonstruktion der funktionierenden Ka­
pazitäten ist gesorgt, damit die Produk­
Belm Vergleich des Komplexpro­ und die Energie- und Materialintensität tion der geplanten Erzeugnisse gesichert
gramms der RGW-Lander mit dem west­ je Einheit des Nationaleinkommens be­ ist.
europäischen „Eureka"-Programm haben deutend senken, mit anderen Worten, Auch die Quellen der einzelnen
Journalisten gewisse Ähnlichkeiten der der ins 21. Jahrhundert tretenden sozia­ Länder, aus denen die Arbeiten laut
Schwerpunkte festgestellt. listischen Gemeinschaft eine technisch­ Programm finanziert werden sollen, sind
Aus Höflichkeit fragen Sie mich jetzt wirtschaftliche Basis sichern, die den größtenteils schon festgelegt. In Ungarn
nicht, wer was bei wem abgeschrieben Anforderungen im neuen Jahrhundert werden die Arbeiten aus dem Zentral­
fiat. Ich hafte Ihnen die Frage so entspricht. fonds für technische Entwicklung und aus
beantwortet: Unser Komplexprogramm Bis dahin sollen in den RGW-Ländern den Betriebsfonds, in Polen aus Zentral­
erlaßt die fünf Schwerpunkte des Fort­ über 1500 neue Maschinentypen, etwa fonds für Forschungs- und Ent­
schritts in Wissenschaft und Technik, weil 500 moderne Technologien, über 400 wicklungsarbeiten finanziert. Bei uns in
die technische Revolution gerade in neue Werkstoffe und vieles andere der UdSSR sind die leitenden Stellen
diesen fünf Schwerpunkten einen schnel­ geschaffen werden. (die die Arbeiten an einem bestimmten
len allseitigen wissenschaftlich- Problem allgemein leiten) befugt, bei
Soll das heißen, daß das Programm ein
technischen Fortschritt bewirkt. Das ist unserer Außenhandelsbank Transferru­
für allemal in dieser Form angenommen
schon lange festgestellt worden. Beim bel-Konten für erforderliche Forschungen
worden ist und nicht geändert werden
Vergleich unseres Programms mit "Eure- und die kontraktmäßige Herstellung im
darf!
ka" ist cs sinnlos zu fragen, wer diese Programm vorgesehener Versuchsmuster
Prioritäten als erster entdeckt hat. Wis­ Planmäßigkeit setzt Flexibilität voraus. zu eröffnen. Die Programmauflageh kom­
senschaft und Technik entwickeln sich ja In den 13 Jahren bis dahin können auch men so oder so in bilateralen Abkommen
in aller Welt nach den gleichen Geset­ neue Entwicklungsrichtungen in Wis­ der RGW-Länder zum Ausdruck.
zen, und es wäre sonderbar, wenn es senschaft und Technik entstehen, können Bis jetzt haben Sie nichts von Unzu­
bei uns andere Prioritäten als in Westeu­ sich in der wirtschaftlichen und sozialen länglichkeiten gesagt. Welches ist die
ropa gäbe. Entwicklung neue innere und äußere größte Schwierigkeit!
Was den Zeitfaktor anbelangt (den ich Faktoren ergeben. Es wäre falsch, das Sie liegt in der organisatorischen
übrigens für unwichtig halte), so waren Programm für unveränderlich zu halfen. Unzulänglichkeit des Mechanismus für
unsere fünf Schwerpunkte erstmalig in Die Praxis macht unweigerlich Präzisie­ das Zusammenwirken der RGW-Länder.
cen Dokumenten des RGW-Wirlschafts- rungen erforderlich. Deshalb haben die Diese wirkt sich auf die Erfüllung der
gipfels genannt,die im Juni 1984 veröf­ RGW-Länder bei der Annahme des Pläne aus. Ziemlich viel Organisato­
fentlicht wurden, als von "Eureka'' noch Programms vereinbart, zwei Jahre vor risches wirkt hemmend. Auf der 41.
niemand c*was gehört hatte. Anbruch des nächsten Planjahrfünffs RGW-Tagung hatten wir z. B. vereinbart,
Welches sind die wichtigsten Zielset­ wissenschaftliche Prognosen zu stellen, daß sich die Zusammenarbeit im Prinzip
zungen des Programms! Was will der wie sich die genannten Schwerpunkte nach Wirtschaftsverträgen vollziehen
RGW mit der Programmerfüllung weiterentwickeln werden. Ich wiederho­ wird. Manchmal werden wir durch die
erreichen! le: Die Erfüllung des Komplexprogramms rechtlichen Formalitäten aufgehalten.
Kurz gesagt, will er bis zum Jahr 2000 bedeutet nicht nur Erfüllung der bereits Finden Sie nicht, daß sich die Zeit der
d>e Arbeitsproduktivität in den geschlossenen Abkommen und Verträge, Organisierung zu lange hinziehtl
RGW-Landern mindestens verdoppeln sondern eine stete Perfektionierung der Was den Umfang der aufgeworfenen

"NEUE ZEIT" 22.87


22
Probleme, die Art der erwarteten Resul- duktionstechnischer Fragen bei derart Entwicklung der drei Länder Vorzugsbe­
täte und die Wirkung auf die umfangreichen und komplizierten Vorha­ dingungen vor.
wirtschaftliche der
Entwicklung ben auf der seit Jahren gewohnten Mit dem Beistand der Freundesländer
RGW-Länder betrifft,das
ist Ebene der Ministerien und anderen gründen sie jetzt schon moderne Produk­
Komplexprogramm etwas Einmaliges. In Zentralinstanzen allein nur hemmend tionszweige und streben eine ausgewo­
der Geschichte der RGW-Zusammenar­ wirkt. So kann das nicht weitergehen. gene durchgehende Entwicklung ihrer
beit hat es noch nie dergleichen Nur die direkt kooperierenden Organisa­ Wirtschaft an. Bei der RGW-Leitung ist
gegeben, ich meine in dem Sinne, daß tionen oder Betriebe können die Zusam­ übrigens vor kurzem eine sehenswerte
weder die RGW-Länder zusammen noch menarbeit in allen Details — bis hin zur Ausstellung der vietnamesischen Elektro­
einzelne Landesorganisationen Erfahrung Gründung gemeinsamer Betriebe und nikindustrie eröffnet worden. Ihr Besuch
in einer derart vielseitigen Einwirkung wissenschaftlich-technischer Organisatio­ war durchaus lohnend. Auch in dieser
auf den sozialen und wirtschaftlichen nen — in die Wege leiten. Solche Branche hat Vietnam schon erste Erfolge
Aspekt des gesellschaftlichen Lebens Verbindungen entwickeln sich bereits aufzuweisen.
gehabt hatten. Das hat sich natürlich auf zügig. Ihr Umfang und die Zahl der Der RGW-Wirtschaftsglpfel hat die
das Tempo ausgewirkt. So hat sich die gemeinsamen Betriebe nehmen schnell Absicht bestätigt, die Verbindungen mit
Vorbereitung einiger Abkommen über zu, weil die Regierungen unserer Länder kapitalistischen Industrieländern auszu­
die P roduktion sspeziaIisier ung wichtige Beschlüsse gefaßt haben, die dehnen, die dazu bereit sind. Wie steht
und -kooperation in die Länge gezogen. die außenwirtschaftlichen Befugnisse der es damit und speziell mit den Beziehun­
Wir müssen vor allem den gemeinsamen Wirtschaftsorganisationen dieser Länder gen zwischen RGW und EG!
Bedarf der RGW-Länder an Erzeugnissen wesentlich erweitert haben. Angesichts der in der ganzen Welt
schneller klären und in jedem Land die Wichtig ist auch folgendes: Bei der zunehmenden gegenseitigen
Herstellerbetriebe bestimmen. neuartigen Zusammenarbeit müssen ei­ wirtschaftlichen Abhängigkeit ist es be­
Das Komplexprogramm betrifft nicht nige währungsfinanzielle Entscheidungen sonders notwendig, die intereuropäische
nur gemeinsame Forschungen. Jedes sowie Entscheidungen über eine Perfek­ Zusammenarbeit profunder zu gestalten.
Vorhaben muß unbedingt ein Resultat tionierung der Preisbildung für die Eine möglichst baldige Herstellung offi­
haben, das die technische Basis der gemeinsame Produktion und über die zieller Beziehungen zwischen EG und
Wirtschaft unserer Länder einschneidend gegenseitige Belieferung getroffen wer­ RGW wird nicht zuletzt dazu beitragen.
verändert. Uns genügt es keineswegs, den. Diesbezügliche Verhandlungen sind be­
auf neue Ideen zu kommen, mögen sie Eine weitere Schwierigkeit bei der reits im Gange.
auch noch so gut sein. Wir müssen jetzt Entwicklung dieser Formen der Zusam­ Wie weit sind sie gediehen!
ein neues Versuchsmuster entwickeln, menarbeit besteht, meiner Ansicht nach, Für die Herstellung der Beziehungen
dessen kooperierte Produktion miteinan­ darin, daß die Betriebe der einzelnen liegt bereits ein Projekt vor. Beide
der absprechen, die Quantität nach Länder nicht ausreichend darüber infor­ Seiten sind bereit, es nach endgültiger
Bedarf der einzelnen Länder festlegen, miert sind, wer in den anderen Vereinbarung zu unterzeichnen. Viel­
das Muster in die Massenproduktion RGW-Ländern als Partner in Frage versprechend für die intereuropäische
bringen und für die Wartung der kommt. Deshalb ist wohl die Anregung Zusammenarbeit sind gemeinsame Unter­
Produktionsanlagen sorgen. von Interesse, eine Bank für Angaben nehmen mit Gründung gemeinsamer
Besteht eine Garantie dafür, daß die über Betriebe einzurichten, die Di­ Betriebe.
Ergebnisse dieser Arbeit allen Anforde­ rektverbindungen mit Betrieben in Bru­ Neue Möglichkeiten bieten, wie ge­
rungen genügen werden! derländern anzuknüpfen wünschen. sagt, die in den RGW-Ländern getroffe­
Die Pläne
Pläne für die Zusammen­ Wie wird sich das Komplexprogramm nen Maßnahmen zur außen­
arbeit sind
sind von führenden Wis- auf die Angleichung des Wirtschaftsni­ wirtschaftlichen Umstellung. Ihre Be­
senschaftlern und Exper- veaus der beteiligten Länder auswirken! triebe und Produktionsvereinigungen
ten im Detail geprüft worden. Sie haben Ganz unmittelbar. Es erfaßt alle bekommen neue Befugnisse zu Produk-
festgestellt, daß viele noch im Vorberei­ RGW-Länder, auch die minderentwickel­ tions- und Handelsbeziehungen mit
tungsstadium befindliche Anlagen und ten, nämlich Vietnam, Kuba und die Partnern im Ausland und dazu, gemein­
Technologien schon im Projektstadium Mongolei. Der RGW-Wirtschaftsgipfel sam mit ihnen Firmen zu gründen. Ich
den angestrebten Weltstandard nicht hat es als eine unserer Hauptaufgaben möchte auf Ihre erste Frage, auf einen
erreichten. Die leitenden Stellen aller am bezeichnet, ihre Wirtschaft der der Vergleich zwischen dem Komplexpro­
Komplexprogramm beteiligten Länder anderen RGW-Länder anzugleichen. gramm und westlichen Program­
müssen sich gehörig ins Zeug legen, um Außer den schon lange praktizierten men, z. B. "Eureka", zurückkommen.
diesem Mißstand abzuhelfen. Vergünstigungen bei Krediten und ande­ Schon der bloße Vergleich zeigt, daß
Es ist ganz klar, daß die Absprache rer Wirtschaftshilfe sieht das eine derartige Zusammenarbeit für beide
wissenschaftlicher, technischer und pro- Komplexprogramm für die wirtschaftliche Seifen effektiv und lohnend sein kann.
Sind in dem Projekt über die Zusam­
menarbeit RGW—EG die Branchen ange­
geben!
Nein, aber dadurch haben die Partner
die Möglichkeit, die gemeinsamen Ar­
beitsbereiche sorgfältig zu erwägen und
frei ihre Wahl zu treffen. Darüber
werden wir natürlich nach Aufnahme der
offiziellen Beziehungen speziell verhan­
deln. Der Obergang zu einer für beide
Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit in
Produktion, Wissenschaft, Technik, Han­
del und im sozialen Bereich ist aber
etwas ganz Reales. Eigentlich geht es
darum, in der Praxis der gesamteuro­
päischen Zusammenarbeit die
Grundsätze der friedlichen Koexistenz
von Staaten unterschiedlicher Ge­
sellschaftsordnung zu befolgen.

"NEUE ZEIT" 22.87 23

2
UNGARN

4 6—0 und Überleben der Menschheit nicht an


Meinungsverschiedenheiten darüber, wie
er zu führen sei, scheitern darf. So
entstand dann bald darauf der Klub in

die anderen seiner heutigen Gestalt.


eigene Forschungen durch. Man hört uns
an und nimmt manches auf. Letztendlich
bringt ja gerade die Diskussion die
Wir führen

Wahrheit ans Licht. In der letzten Zeit


hat sich viel geändert - sowohl bei uns
als auch in der Sowjetunion, Die
Inoffizielle Jugendklubs ungewöhnlichen Initiativen der UdSSR
beflügeln uns wirklich."
Während der Treffen mit den unga­
. 2 i Jur.'., j .' iat:.‘ sich heutzutage „Den meisten Erfolg haben wir - sagt rischen Freunden erinnerte ich mich an
nicht viel aus Pol.'.k. Ihr geht es um er - nut Diskussionen, an denen auch die meine letzte USA-Reise. Damals sagte
guten Verdienst, interessante Freizeit- altere Generation teilnimmt. Wir haben mir ein junger Amerikaner: Die Jugend
rjcstaltu g.. ' Mit dieser Meinung, die kein Recht, eine künstliche Grenze in eurer sozialistischen Gesellschaft ist
ich zum t'sten Mal auf e rem Treffen mit zv/ischen uns und der Jugend zu ziehen. unreif, weil sie nicht um ihre Existenz
Mahlt -Regisseuren horte, f.r g alles an. Wir sind doch Teile ein und derselben kämpfen muß und ihr alles in den Schoß
Gesellschaft..." fällt...
Davon erzählte ich den Freunden von
Aus dem Gespräch in der Jugendkom­ In manchem gab ich ihm Recht. Doch
□e Jugendkommission oes Ungarischen
mission: die Treffen in Ungarn, ja auch die
Lu .desfriedensrates, der unsere Delega-
„Die Jugendfunktionäre müssen um­ Vorgänge im eigenen Land machen
■ on vom Sowjetischen Friedenskomitee
denken. Früher meinte man: Wir haben deutlich, daß das alles nicht so einfach
zum traditionellen Maitreffen für Frieden
eine politische Idee - die einzig richtige ist. Natürlich gibt es junge Leute, die
und Freundschaft eingeladen hatte. Be­
- und die Axt, mit der wir uns die sich um nichts sorgen und ruhig von der
reits in Moskau horte ich von dessen
Jugend zurechtschnitzen, wie wir sie Gesellschaft nehmen, was sie von Kind
Erfolgen m der Jugendarbeit. Am
brauchen. Unsere Aufgabe ist es aber, auf zu nehmen gewohnt sind. Da sind
meisten interessierten mich natürlich die
die Jugend denken zu lehren, sie zu aber auch andere - und zwar die
Gründe duiur.
befähigen, in der Masse von Ideen die Mehrheit - , die versuchen, ihre Gedan­
, W II die Jugend heute wirklich von wichtigsten zu erkennen, und auf dieser ken und Fähigkeiten zu realisieren, sich
Politik nichts mehr wissen?" Grundlage etwas Eigenes zu machen..." auf verschiedenen Gebieten zu bewei­
Pal Kocsis leitet einen der ersten sen. Es liegt in der Natur des Sozialis­
Auf diese Frage erhielt ich eine
Friedensklubs. In der Vergangenheit war mus, daß jeder die Möglichkeit be­
Menge Antworten, die insgesamt auf
es nicht immer einfach. Pal: „Wir nennen kommt, sich zu entfalten. Sollten aber in
folgendes hinaushelen:
uns 4-6-0. Das soll heißen: Der erste der sozialistischen Gesellschaft Prozesse
.Ein Teil der Jugend - kann sein. Viele Weltkrieg dauerte vier, der zweite sechs entstehen, die die schöpferische Ent­
sind skeptisch, engagieren sich politisch Jahre - ein neuer Krieg nur einen wicklung der Persönlichkeit hemmen,
kaum, zumindest nicht auf die gewohnte, Augenblick. dann bringt gerade diese Gesellschaft
traditionelle Weise. Doch wir sind ja 1982 begannen wir, eine Gruppe selbst Tendenzen hervor, sie zu überwin­
selbst daran schuld, weil wir den Studenten und junger Intellektueller, den.
Jugendverband und die ge­ selbständig Friedensforschung zu trei­ Ein Umstand wirkt zerstörend auf das
sellschaftlichen Organisationen dermaßen ben. Wir nannten uns "Dialog". Als wir moralische Klima jeder Gesellschaft: die
verbürokratisiert und damit viele einfach dann zum Friedensrat kamen, haben sie Existenz der Atomwaffe. Denn sie dient
abgestoßen haben. Die Jugend begann, sich nett mit uns unterhalten und uns zu denen als Rechtfertigung, die gleichgül­
sich selbständig neuzuorganisieren, verstehen gegeben, daß wir gern unse­ tig in den Tag leben. Man kann die
gründete z.B. spontan Friedensklubs. ren Beitrag zum Friedenskampf leisten Jugend nur davor schützen, wenn man
Dd'auf wurden wir bereits 1982 auf­ können, indem wir Geld spenden. Es war ihr die Möglichkeit gibt, sich selbst am
merksam. spürten den Tatendrang. Vor so, als ob sie uns sagen wollten: In allen Kampf gegen die atomare Gefahr zu
einem Jahr schufen wir dann die anderen Fragen wissen wir schon ohne beteiligen.
Jugendkommission zur Koordinierung Euch, was zu tun ist. Wir waren also uns „Der Frieden beginnt zu Hause in der
de' verschiedenen Klubs. Wir wollen selbst überlassen. Als wir 1983 dann Familie" hörten wir am Balaton.
Balaton, Bei
nicht kontrollieren, sondern helfen...". mit der Idee kamen, daß die Erhaltung einem Familienwochenende für den
Wo'an es den bis heute rund 60 Klubs der menschlichen Zivilisation wichtiger Frieden gibt es Sportwettkämpfe, eine
garantiert nicht fehlt, ist schöpferische ist als ideologische Gegensätze, hat man Ausstellung von Kinderzeichnugen "Wie
Initative. Em junger Journalist bot sich uns nicht verstanden, und es kam zu ich den Frieden sehe" und vieles mehr.
z.E an, eine Anthologie mit Friedensge- Spannungen zwischen uns und dem Janos Czingraber, einer der Organisato­
dichten hcrouszugeben. Er arbetet ne- Friedensrat. Natürlich hat das auch ren des Weekends, weist auf ein Plakat
benberufl ch und ohne Bezahlung. Mit 1 falsche Schritte unsererseits hervorgeru­ des Ungarischen Landesfriedensrates: Es
H ‘e oes Friedensrates gelang es, eine fen, besonders was internationale Kon­ zeigt einen Rubik-Würfel, auf dessen
Druckerei zu finden, die den Band dann takte angeht. Mancher von uns sah in der Seiten anstelle der gewohnten farbigen
sogar Kostenlos druckte. Kürzlich fand These, daß beide Supermächte gleicher­ Quadrate Friedenstauben
Friedenstauben abgebildet
auf Initiative eines Klubs anstelle des maßen am Wettrüsten Schuld hätten, sind.
gewot'-ten Mec'ngs ein Festival von einen rationalen Kern. Man nannte uns Wir werden uns noch ganz schön den
A'it’ir egs1: men statt. | Dissidenten. Am Ende löste sich Dia- Kopf zerbrechen müssen, ehe dieses Bild
Der Sekretär des Ungarischen Lan­ log" auf. Trotzdem gelang es vielen von zustande kommt...
det ■ ede'-S'ates Istvan Fodor bezeichnet uns mit dem Friedensrat eine gemein­ G. SIDOROWA

cre Jage- darbeit a s e ne dcr wichtigsten same Sprache zu finden, weil wir der NZ-Sonderkorrespondent

Aufgaben des Rates Meinung waren, daß der Kampf für das Budapest
"NEUE ZEIT" 22.87
24
WIRTSCHAFT

„Wir versuchen die sov/jetischen


Partner zu überzeugen, dieses Risiko
einzugehen, denn es gibt Beweise, daß
wir aus früheren Fehlern gelernt haben.
Eben weil jede Verbesserung der
Handelsbeziehungen auch Verbesserung
des politischen Klimas bedeutet, glauben
Seit Mitte der 50er Jahre bietet die amerikanische Firma Alsimet auf dem wir, daß es sich für beide Seiten lohnt,
sov/jetischen Markt Ausrüstungen für die Hüttenindustrie und andere Erzeugnisse dies um Weltfriedens willen zu
des
an. Der 73jährige Joseph H. Filner ist einer der aktivsten Manager in den USA. Ihn riskieren. jetzt, da ein neuer
Gerade
interessieren schon lange sowjetische Technologien in dieser Branche. Vor kurzem
wichtiger Faktor in unseren Handels- und
besuchte er die Sowjetunion zum 66. Mal.
Wirtschaftsbeziehungen hinzugekommen
ist. Und zwar gemeinsame Betriebe.“
Auf dem Weg zum Flughafen denkt er tion auf eine baldige Stationierung von
laut über seine Treffen mit sowjetischen Weltraumwaffen hervorgerufen wurden.“ „Was halten Sie von gemeinsamen
Kollegen nach: „Ideen zum Ausbau der „Und das nimmt Ihnen nicht den Betrieben mit der UdSSR?“ ’
Geschäftsbeziehungen zwischen Ost und Optimismus?“ „Es gibt schon amerikanische Firmen,
West gibt es mehr als genug. Besonders „Nein. Weil die taktischen und strate­ die großes Intersse daran haben. Wie
seit die sowjetische Führung neu an gischen Ziele der amerikanischen Politik bei jeder neuen Sache wird es auch hier
diese Fragen herangeht... Schon im 19. gegenüber der UdSSR von fundamenta­ viele Fragen und unvorhergesehene
Jahrhundert sagte der amerikanische len und objektiven Faktoren bestimmt Probleme geben. Aber es steht außer
Philosoph, Dichter und Diplomat James werden, die positive Resultate Zweifel, daß diese Betriebe beiden
Russell Lowell: “Es gibt kein besseres er möglichen. Nehmen wir drei davon: Seiten Nutzen bringen werden. Die
Mittel, die Vernunft zu erhalten, und sie Erstens wächst selbst in den höchsten Sowjetunion hat einen großen Binnen­
vor Unvernunft zu schützen als das Finanz- und Industriekreisen die Be­ markt. Ausländischen Partnern eröffnen
Geschäft.“ Das gilt voll und ganz für die sorgnis über die materiellen, politischen sich Möglichkeiten für Exporte in
heutigen amerikanisch-sowjetischen Be­ und ökonomischen Gefahren, die das Drittländer, sie können auf einer soliden
ziehungen. Der Beschluß Ihrer Regie­ Wettrüsten im Weltall hervorbringt, das Grundlage ihre Lieferungen in die
rung, die Bildung gemeinsamer Betriebe destabilisierend wirkt. Zweitens verstärkt UdSSR und folglich ihre Gewinne ver­
zu fördern, läßt dabei auf weitere sich der wirtschaftliche Druck auf die größern... Für die Sowjetunion heißt das
Fortschritte hoffen.“ Administration, der zum Ziel hat, das nie Zufluß von ausländischem Kapital,
„Wie schätzen Sie die konkreten dagewesene Handels- und Finanzdefizit schnelle Modernisierung der Industrie.
Perspektiven für eine Erweiterung der zu reduzieren. Das macht die Ge­ Sie kann ihre Technologien schneller auf
amerikanisch-sowjetischen Handels- und schäftsbeziehungen mit der UdSSR und den Weltstand bringen. Nur wenn man
Wirtschaftsbeziehungen ein?“ den anderen Ländern Osteuropas - vor die Interessen beider Seiten emkalku-
„In der UdSSR vertrete ich nicht nur allem nach dem starken Kursverfall des liert, wird man leichter zu Vertrags­
amerikanische, sondern auch europäische Dollars - besonders attraktiv. Drittens abschlüssen kommen und die bürokrati­
Firmen. Wir glauben, daß im großen und wächst das Vertrauen weiter Kreise in schen Schranken überwinden können.

ganzen ein gesichertes Potential für die den USA zu M. Gorbatschows Friedens­
Natürlich ist es wichtig, stereotype
Erweiterung des Handels zwischen unse­ und Demokratisierungsprogramm immer
Denk- und Handlungsweisen zu überwin­
ren Ländern, der ja einen Aufwärtstrend mehr."
den. Das gilt für uns wie für Sie. Die
aufweist, existiert - trotz der ernsthaften „Die vielen Vertragsverletzungen
Teilhaber, Partner von gemeinsamen
politischen Spannungen, die zum Teil durch die amerikanische Seite und die
Unternehmen werden viel Enthusiasmus
durch die Neuinterpretation des anderen Verstöße der US-Regierung
und Kreativität benötigen, um erfolgreich
ABM-Vertrages seitens unserer Regie­ gegen allgemein übliche Normen des
zu sein. Widerstand gegen Veränderun­
rung und durch das Drängen einer internationalen Handels haben wir natür­
gen oder, wenn sie so wollen, fehlenden
bestimmten Gruppe in der Administra­ lich noch frisch im Gedächtnis.“
Enthusiasmus erwarte ich auch seitens
großer Konzerne im Westen. Vielleicht
befürchten sie, daß die Sowjetunion über
Das Moskauer Zentrum für internationalen Handel und wissenschaftlich-technische
die gemeinsamen Betriebe Zutritt zu
Beziehungen
Foto: W. Panow solchen Märkten auf der Welt bekommt,
wo sie sich als Hausherr fühlen. Deshalb

I
I n glaube ich, daß ausländische Firmen
mittlerer Größe besonders an gemeinsa­
men Betrieben mit der UdSSR interssiert
sein werden, weil sich ihnen damit neue
3 Absatzmärkte erschließen, und sie ihre
Positionen gegenüber den Riesen im
i 4 eigenen Land stärken können.“

„Wie würden Sie antworten, wenn

3
ihnen zu Hause jemand sagt,
daßi man
den Russen nicht trauen könne?"

„Jedem Geschäftsmann, der ständig


mit der Sowjetunion zu tun hat, ist klar:
Es gibt auf der ganzen Welt keinen
I... ? . zuverlässigeren Handelspartner.

Das Gespräch führte Michail BRUK.


"NEUE ZEIT" 22.87 25
UdSSR: UMSTELLUNG UND DEMOKRATIE

oJeder soll matchen. 17

was er kam"
Der Dramatiker Viktor ROSOW düng eines Krimi-Theaters höre, dann
wehre ich mich dagegen. Warum soll es
nicht auch so ein Theater geben? Wenn
diskutiert mit dem Bühner.kriti- es gute, spannende Stücke aufführen
würde, ginge ich selbst mit gern hin. Ich
würde auch die Bildung einer auf
ker Konstantin STSCHERBAKOW Unterhaltungsstücke spezialisierten
Truppe begrüßen. Natürlich ist Unterhal­
tung nicht die einzige Aufgabe der
Bühnenkunst, man darf sie aber auch
nicht links liegen lassen. Es muß Theater
verschiedener Art, Form und Richtung
geben, nur gut müssen sie sein. Die
Garantie dafür ist, meiner Ansicht nach,
K. An Gutes gewöhnen wir uns Kiewer Fernsehen hat mich neulich um das Vorhandensein eines talentierten
schnell. Noch vor anderthalb Jahren die Erlaubnis zur Aufführung des Stücks Intendanten mit einem gehaltvollen,
waren Bühnenstücke wie "Silberne gebeten. künstlerisch profilierten Ar­
Hochzeit", 'Sprich!" und "Diktatur des K. S.: Die Sache ist also doch in Gang beitsprogramm.
Gewissens" unsere Sorgenkinder, und gekommen? K. S.: Das ist der springende Punkt.
wir waren bereit, für sie mit ihren V. R.iSagen wir lieber, sie kommt Solche Intendanten kann man nicht
beamteten Gegnern zu kämpfen. Heute in Gang. einfach nehmen und einsetzen. Einer ist
sind sie allgemein anerkannt und ist ihre K. S.: E i n versta n den. Als es entweder, oder er ist es nicht.
mutige soziale Streitbarkeit etwas ganz ich vor einigen Monaten in Kiew war, V. R.: Gewiß. Und trotzdem würde ich
Normales. In der Bühnenkunst vollziehen traten Funktionäre des Komsomol ent­ diese Probleme nicht auf die Spitze
sich einschneidende Veränderungen. schieden dagegen auf, daß "Die Diktatur treiben. Daß es mit den führenden
Viele Bühneniruppen experimentieren. des Gewissens" von Schatrow im Ju- Bühnenkünstlern schlechter wird, war ja
Heute freuen wir uns darüber, machen gendtheafer aufgeführt wird. Sie ver­ vorauszusehen.
uns aber Sorgen, die Experimente suchten einzugreifen. Die "Sowjetskaja K. S.: Wieso?
könnten nicht gründlich genug kultura" schrieb ausführlich darüber. V. R.: Ganz einfach, weil die Büh­
durchdacht und vorbereitet sein. Wie Heute wird das Stück vor ausverkauftem nenintendanten in vielen Städten den
stehen Sie zu den Experimenten und den Haus gegeben. Stadtbehörden, d. h. oft inkompetenten
damit zusammenhängenden künstle­ V. R.: Ich sage ja, die Sache ist in Kulturfunktionären, strikt unterstellt wa­
rischen und organisatorischen Vorgän­ Gang gekommen. Mit den Spielplänen ren. Ihnen wurde gesagt, was sie
gen? ist es ganz anders als vor drei oder aufführen sollen, wie oft und wann. Ein
V. R.: Eigentlich nicht einschichtig. sogar noch vor zwei Jahren. Aber wirklich kreativer Mensch kann nicht
Viel Nützliches, Notwendiges ist schon manches Andere alarmiert mich, z. B. die nach strikten Regeln schaffen. Leute, die
und wird noch getan. Ich meine die viel Rentabilität und wirtschaftliche Rech­ das Zeug zum Intendanten hatten, sind
größere Selbständigkeit der Theater bei nungsführung... Die Bühnen sind ver­ lieber unter die einfachen Regisseure
der Auswahl der Stücke. Wenn ihnen nachlässigt, sie verlieren Zuschauer, gegangen, als sich gängeln zu lassen.
früher ihr Repertoire von den Kultur­ namentlich in der Provinz. Ich finde, mit Ich kann das verstehen. Wenn jemand
funktionären oft mehr oder minder dem wirtschaftlichen Aspekt des Experi­ hinter mir stünde und mir andauernd
nachdrücklich aufgenötigt wurde, so ments muß man sehr behutsam umgehen. vorschreiben würde, mit meinem Helden
steht es ihnen heute frei, ihren Spielplan Ich bin überzeugt, daß ein großer Teil und meiner Handlung so und nicht
im Einklang mit ihrer eigenen Stilrichtung der Theater diesem Aspekt nicht ge­ anders zu verfahren, dann könnte ich
zusammenzus*ellen, und nun müssen sie wachsen ist. Ebenso wie das Bildungswe­ kein Stück schreiben.
natürlich für das Gebotene vor dem sen muß die Kunst großzügig dotiert K. S.: Da liegt aber noch ein Problem.
Publikum ge'acestehen. Allerdings kom­ werden. Ich würde die Schließung selbst Es hängt mit dem Status und den
men aus manchen Städten noch jetzt ausgesprochen unrentabler Theater nicht Obliegenheiten des Intendanten zusam­
Klagen, daß sich die Kuiturpäpste noch übereilen. men. Ja, er darf nicht von den Kultur­
immer rigoros in die Auswahl der Stücke K. S.: Da liegt ein Problem: die instanzen gegängelt werden. Aber wie
einmischen. Vor einiger Zeit wurde die Abstellung des Spielplans auf den ist sein Verhältnis zur Truppe, zum
im Kiewer Theater "Lesja Ukrainka" Kassenerfolg, aufs Geldverdienen um künstlerischen Beirat, zur Gewerkschaft
betens cmstudicrte und, nach meiner jeden Preis. und anderen am Theater bestehenden
Ansicht, vorzügliche Aufführung meines V. R.:Gerade das schreckt mich nicht. Organisationen? Ich sage das, weil in
' Aucrhahnncsts' verboten. Komisch, das Wenn ich Einwände gegen die Grün- vielen Theatern stürmisch diskutiert wird,
"NEUE ZEIT" 22.87
26
weil Schauspieler ihren I ntendanten Entscheidung dem anderen Teil der aufreibende Kleinkriege gegen eine
stürzen wollen, was manchmal auch Truppe gegenüber nicht human sei. kreative Persönlichkeit führen, gleich
gelingt, oder weil sie Aufführungen nach V. R.: Wieso? Keiner ist gefeuert, ja schlimm. Sie haben keine Moral.
Abstimmungen absetzen usw. In den nicht einmal in seinen Rechten be­ K. S.: Sicher liegt es auch an einer
experimentierenden Theatern haben das einträchtigt worden. Der andere Teil hat elementaren Unerzogenheit. Mancher
Kollektiv und die künstlerischen Beiräte Räumlichkeiten, Gehälter und eine gut- will vielleicht niemanden kränken, er
immer mehr zu sagen. fuktionierende Direktion. Er braucht nur sagt etwas Abfälliges und begreift nicht,
V. R.: Dazu möchte ich mich auch noch ein eigenes Arbeitsprogramm und daß cs beleidigend ist.
nachdrücklicher äußern. Weder die einen tonangebenden Regisseur. V. R.: Ja, daran liegt es auch und an
Truppe noch ein künstlerischer Beirat K. S.: Ich kann, offengestanden, die der Unfähigkeit, einander zuzuhören, die
kann ein Stück inszenieren. Der Beirat Schauspieler nicht die an
begreifen, Argumente eines Gegners einzusehen
hat beratende Funktion, und über die Jefremow kein gutes Haar gelassen und nicht mit Schimpfen, sondern eben­
Inszenierung entscheidet der Regis­ haben, aber vehement und bis zuletzt falls mit Argumenten darauf zu reagie­
seur— der Intendant oder ein einfacher gegen die Teilung der Truppe auftraten. ren. Es ist ungemein wichtig, im Land die
Regisseur, wenn er sich das Stück auf der Wenn einem ein Vorgesetzter nicht paßt richtigen Verhältnisse für die Ent­
Bühne vorstellt und fühlt, daß er es und man aufgefordert wird, sich von ihm wicklung der Demokratie zu schaffen.
inszenieren muß. Er muß das letzte Wort zu trennen — was will man mehr? Offen­ Nicht minder wichtig ist es, Menschen zu
haben, natürlich wenn er seine Stellung bar ging gewissen Leuten die sorglose Persönlichkeiten zu erziehen, die unter
nicht zu persönlichen, eigennützigen Existenz im Zeichen des Künstlertheaters demokratischen Verhältnissen leben und
Zwecken mißbraucht. Versuche, über über die Kunst. Ohne die Künstler, die sich vollwertig entwickeln können, wie
Spielplan- und andere kreative Fragen in in den letzten Jahren die besten es ihnen ansteht, und das ist, meiner
der Versammlung durch Handzeichen Aufführungen des Künstlertheaters zu­ Ansicht nach, langwieriger und mühseli­
entscheiden zu wollen — also etwas stande brachten, müssen die anderen ger. Aber davor darf man nicht zu­
Unsinnigeres kann ich mir nicht vorstel­ ihre Existenzberechtigung in ihrer neuen rückscheuen. Ich persönlich rege mich
len. Eigenschaft durch Können, durch die über die absurden Erscheinungen in
K. S.: Vor kurzem versuchte ein großer Kunst unter Beweis stellen. unserem nicht besonders
Bühnenleben
Teil der Truppe des Moskauer V. R.: Natürlich. Die Truppe, die im auf. Das will durchgemacht sein, das muß
Künstlertheaters über dessen Zukunft auf neuen Gebäude des Künstlertheaters man hinter sich bringen.
diese Art und Weise zu entscheiden. geblieben ist, hat gute Schauspieler und K. S.: Was soll aber aus der Demokra­
V. R.: Mich freut es, daß sich im kann Regisseure heranholen, die sie tie im Theater werden, schon vom
Verband der Bühnenkünstler und in den interessieren und die sie braucht. Also Standpunkt Betrachtungen
Ihrer über I
Kulturinstanzen Leute gefunden haben, an die Arbeit und gutes Gelingenl den Status des führenden Regisseurs? Ich
die zu dieser Krisensituation verantwor­ K. S.: Die heftigen Auseinanderset­ mache mir auch darüber Gedanken und
tungsbewußt, nüchtern und ernst Stel­ zungen hat man als Unbeteiligter schon finde keine eindeutige, erschöpfende
lung nahmen und noch so vehement durch das Echo in der Presse gespürt. Antwort.
vorgebrachte Argumente nicht als V. R.: Jetzt neigt man überhaupt dazu, V. R.: Demokratie im Theater bedeu­
stichhaltig anerkannten. Ich halte die in Theatern sozusagen betriebliche Strei­ tet, meiner Ansicht nach, vor allem
getroffene Entscheidung für die denkbar tigkeiten lauthals und nicht gerade fair kultivierte Beziehungen des Intendanten
beste. Wunderbar, daß Oleg Jefremow auszutragen. Darüber habe ich mich in zu den Darstellern und umgekehrt.
die Truppe endlich teilen und sich zu der "Literaturnaja gaseta" schon ge­ Betrachten wir die Dinge einmal von
dem Teil schlagen konnte, der ihn äußert. Ich möchte folgendes hinzufü­ höherem Standpunkt ausl Die jetzige
anerkennt und mit seinem kreativen gen: Bei uns bestanden lange Verhältnis­ Demokratisierung unserer Gesellschaft ist
Programm einverstanden ist. se, unter denen die menschliche Persön­ eine epochale Erscheinung. Aber ver­
K. S.: Ich habe sagen hören, daß diese lichkeit verformt wurde. Eine verformte gessen wir nicht, daß Demokratie ein
Persönlichkeit bringt aber auch ihr komplizierter Begriff ist und daß wir
Empfinden verformt zum Ausdruck. noch lernen müssen, demokratisch zu
Schauspieler sind emotionell, bei ihnen leben. Die Art, wie sie in unseren
tritt eine Verformung am krassesten verschiedenen Lebensbereichen, auch im
Szene aus dem Stück "Die Diktatur des
Gewissens" im Moskauer Theater "Le­ zutage. Daher die vielen Sinnlosigkeiten Theater, wirkt, muß in konstruktivem,
ninscher Komsomol". bei Entscheidungen über interne freiem Meinungsaustausch ohne alle
Foto: TASS Probleme einer Bühne. Ranküne gefunden werden. Wie schön
K. 5.: In Ihrem Artikel in der ist es, offen alles sagen zu können, was
"Literaturnaja gaseta" haben Sie den man denkt. Aber man muß erst lernen,
Ausdruck Mob gebraucht, was viele zuzuhören. Es gibt kein Monopol auf die
schockiert hat. Demokratie, sie erstreckt sich auf alle.
V. R.: Also war er angebracht. Wen K. S.: Wir beide sprechen hier über
habe ich damit gemeint? Es gibt eine allerlei Faktoren, die die Entwicklung der
Kategorie privilegierter Personen, die Demokratie behindern oder fördern. Was
alle Vorrechte und guten Dinge als behindert sie am meisten?
selbstverständlich nehmen und nicht V. R.: Wir haben ihn erwähnt, aber
einmal an eine Gegenleistung, an eine nur kurz. Man muß ausführlicher und
Verpflichtung denen gegenüber denken, bestimmter darüber reden. Der stärkste
die diese guten Dinge geschaffen haben. hemmende Faktor ist die Bürokratie jeder
Und es gibt Personen mit einem Neid­ Art.
komplex, die glauben, zurückgesetzt zu K. S.: Je klarer es sich herausstellt, daß
werden, und auf jeden eine Wut haben, die Umstellung, Demokratisierung und
der mehr verdient und im Leben Publizität keine Windeier sind, desto
überhaupt mehr erreicht hat. Weiß Gott, stärker wird der Widerstand der Bürokra­
ich will weder leitende Persönlichkeiten tie.
oder gar die Massen beleidigen, ich will V. R.: Ich möchte von jenen Bürokra­
nur sagen, daß es leider Menschen mit ten sprechen, die sich scheinbar nicht
verformter Moral gibt. Für mich sind widersetzen und die Neuerungen und
Leute, die ihr Amt mißbrauchen, um den Experimente begrüßen, ihnen aber aktiv
Staat zu bestehlen, und Leute, die keine Hindernisse bereiten, weil sie
"NEUE ZEIT" 22.87 27
?. ssen daß einen das heute teuer zu
■-'(nen käme. Worauf sie hinauswollen, FILM
ist kie'. fakt.sch wellen se abe- nur das
u 'es überdauern. Wir haben fast keine

Die gimBe ZmbmK


Erfahrung in der Selbstverwaltung. An­
fangs wird es — n der Buhnen- und
Filmkunst usw. — .■ c Durcheinander ge­
ben, dann werden sich die verehrten
Repräsentanten der Öffentlichkeit
endgültig vcitnes'er* cccr «erzanken—
und dann wird unsere H ’e rot tun, dann
wird klar sein, daß es ohne uns nicht
getit.
dies Füms
K. S.. Es I ar.gt von uns ab, zu
erreichen, daß wir de Hilfe der Der sov/jeiische Film war beim Filmfestival in Cannes
wähnten Kategur. r icht brauchen. Hier so stark vertreten wie nie zuvor. Sowjetische Filme
sollte man watrscl.c.r ich auch diejeni­
gen Kulturfunktionäre erwähnen, die
erhielten sehr viele Ausz°: ' nungen und Preise.
heute mit den Käns'lern eine gemein­
same Sprache finden und alles tun, urr Wahrend des Filmfestivals in Cannes filme als auch Filmopern, unter anderem
die Umstellung m Bühren- und Filmkunst herrscht bisweilen ein derartiges Trei­ von sowjetischen Regisseuren.
zu beschleunigen. ben, daß man nur am frühen Morgen Gewisse Leute reagierten offenbar
V. R.: Gewiß. Ich möchte aber auf oder nach Sonnenuntergang
spat noch gereizt darauf, daß sowjetische Filme
noch einen hemmenden Faktor eingehen, den Geruch des Meeres verspürt. internationale Anerkennung bei Kritik
der wohl auch zu den wichtigen gehört: Das diesjährige war schon das 40. und Filmexperten fanden. Eine Pariser
über unsere eigene Angst, die sich in internationale Filmfestival. Seine Veran­ Zeitung empörte sich: "Wie lange
Jahrzehnten gestaut hat. Ich meine das stalter hatten alles getan, damit das werden wir hier noch Preise an den
soziale und nicht das biologische Angst­ Jubiläumsfestival zu einem ganz beson­ offiziellen sowjetischen Film verteilen?"
gefühl -- dieses brauchen wir gerade, deren Ereignis wurde. Die französischen Doch nicht diese Kräfte machten das
denn ohne kann man unter die Rader Fernsehzuschauer wurden mehrmals Wetter in Cannes, und das große Lob für
kommen. Aber das soziale... Ich sammle täglich von Festivalnachrichten berir seit, Tengis Abuladses Werk wurde ganz
Briefmarken und treffe mich oft mit die Filmwerbung war aufdringlich wie natürlich aufgenommen. Die "Reue"
arideren Sammlern. Vor kurzem war ich immer und die Stars beeindruckten durch erhielt hier zwei weitere Preise, darunter
mit einem sehr netten Intellektuellen Extravaganz und teuren Schmuck. Das einen für die Filmemacher besonders
zusammen. Wir plauderten, auf einmal Treiben um das Festival schien den Film wertvollen — den Preis des Internationa­
packte er mich am Ellbogen und fast verdrängt zu haben, Doch len Verbandes der Filmkritiker. Von
flüsterte: "Haben Sie schon gehört? Es glücklicherweise überlebte die Kunst einer Arbeit mit Signal Wirkung für den
heißt, man will Rybakows Roman 'Kinder trotz dieser Hektik — und das ist vor sowjetischen Film sprach die "Humani-
vom Arbat' herausgeben. Da soll ja so allem dem hohen Niveau der Filme zu te". "Der Film besitzt unbestreitbaren
allerhand drinstehen..." Ich antwortete, verdanken. Wert, regt zü gründlichem Nachdenken
daß der Roman schon in der Zeitschrift Im Grunde finden im Rahmen des an", meinte der "Matin". Und der
"Drushba narodow” ("Vol- Filmfestivals von Cannes gleich mehrere bekannte französische Kritiker Marcel
kerlreundschaft") gedruckt wird. Und er Filmfestivals mit unterschiedlichen Martin faßte die Meinungen über die
im Flüsterton: "Hab' ich auch gehört." Programmen statt. Zweifellos ist das "Reue" zusammen: "Der Film hinterließ
Vielleicht kommt es noch soweit, daß uns offizielle Programm aus den ca. 20
jemand zuflüstert, was in der "Prawda" Wettbewerbsfilmen und den außerhalb
steht. des Wettbewerbs laufenden Streifen das
K. S.: Ja... Hauptereignis. Der sowjetische Film war
V. R.: Solange wir das schmähliche in diesem Jahr durch Tengis Abuladses
Gefühl nicht loswerden, daß jemand "Reue" und den von Italien einge­
Mißbilligung äußern wird, daß wir von reichten sowjetisch-italienischen Film Ni­
jemandem etwas für unsere ge­ kita Michalkows "Schwarze Augen"
sellschaftliche Aktivität abbekommen vertreten. Für das offizielle Programm
werden, ist von uns nichts Vernünftiges wurden auch die letzten Streifen von
zu erwarten. Zum Schluß noch über das Federico Fellini und Ettore Scola, Wim
Gefühl der Verantwortung für unser Tun, Wenders und Woody Allen, Paul New­
über unsere persönliche Verantwortung. man, der Brüder Taviani und vieler
Bei vielen ist dieses Gefühl abgestumpft, anderer Filmemacher ausgewählt. Zehn
und ohne Verantwortungsgefühl geht es Preisträger der "Goldenen Palme” von
auch nicht. Ich lasse mir nicht sagen, daß Cannes aus den letzten Jahren präsen­
meine Ruhepausen auch der Allgemein­ tierten ihre neuen Filme auf dem
heit gehören. Ich spanne aus, wie ich Jubiläumsfestival.
will: schlafe, lese, angle oder sammle Überdies liefen auch andere
Marken. Wenn ich nicht gerade etwas Programme wie die "Woche der Kritik",
Asoziales tue. geht es niemanden etwas die bereits zum 26. Mal hintereinander
an. Im Verantwortungsgefühl für meine veranstaltet wurde. In diesem Programm
Arbeit äußert sich meine staafsbürger- wurde Konstantin Lopuschanskis Arbeit
che und ethische Erziehung, meine "Briefe eines Toten" vorgestellt. Das
iassung von meiner Pflicht vor allen Programm "Der besondere Blick" (wird
nschen, vor meiner. Kindern. zum zehntenmal durchgeführt) enthielt
Alse gehen w r an d e Arbeit. Jeder zwei sowjetische Filme — Nana
s: machen, was er kann. Dshordshadses „Robinsonade" und Ale­
xander Kajdanowskis "Einfachen Tod".
Das Filmforum umfaßte sowohl Kinder­ Tengis Abuladse

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L
J

nur schwer anspricht, doch tiefschür­ Filmmarkt von Cannes (und das ist wohl
Mit einem großen Sonderpreis der fende philosophische Probleme in spezi­ natürlich) eine breite Auswahl von
Festivalsjury wurde der Regisseur fischer Form aufwirff, die "Goldene Streifen präsentierte, die den US-Studios
Tengis Abuladse für den Film "Reue" Palme” zusprach. in den letzten Jahren sagenhafte Ge­
ausgezeichnet. Sujet, das einem Roman von
Das winne und einen üblen Ruf eingebracht
Die Regisseurin Nana Dshord- Georges Bcrnanos, einem französischen hatten, waren nicht sie es, die in das
shadse, Mitautorin der satirischen Prosaiker aus der ersten Hälfte des offizielle Festivalprogramm aufgenommen
Komödie „Robinsonade oder mein 20. Jh., entnommen ist, berichtet vom wurden. Mit bescheidenen Mitteln ge­
englischer Großvater", erhielt die Schicksal eines bescheidenen Landpfar­ machte Filme, ohne besondere Tricks
"Goldene Kamera" des Festivals. rers (gespielt von Gerard Depardieu), und raffinierte Effekte, demonstrieren daß
Marcello Mastroianni (Italien), der der das Böse herausforderte und das im amerikanischen Film gesunde Tenden­
die Hauptrolle in dem sowjetisch­ Gute behaupten will, wobei er in sich zen wiedererwachen, die imstande sind,
italienischen Film "Schwarze Augen" selbst neue Kräfte für diesen Kampf Fragen der Moral und des Humanismus,
des Regisseurs Nikita Michalkow entdeckt. Doch letztlich erweist sich all die das Publikum stark berühren, auf die
spielte, bekam den Festivalpreis für sein Mühen als erfolglos. Leinwand zurückzuholen. Als Beispiel sei
die beste Manncrrolle. Der BRD-Regisseur die großartige Verfilmung des bekannten
Wim Wenders, Träger des Regiepreises Bühnenstücks von Tennessee Williams
Der amerikanischen Filmschauspie­ und Sieger des Festivals von 1984, „Die Glasmenagerie'durch Paul Newman
lerin Barbara Hershey (Andrej vertritt ebenfalls diese Tendenz des genannt, unvergeßlich durch die großar­
Kontschalowskis Streifen "Beschei­ internationalen Films. Sein neuer Streifen, tige Filmschauspielerin Joanne Wood-
dene Leute") wurde der Preis für die der erst einige Tage vor der Premiere ward.
besie Darbietung einer Frauenrolle von Cannes abgeschlossen wurde, heißt
Der Kampf der wahren Kunst gegen
zuerkannt. "Der Himmel über Berlin". Das Sujet ist
Kunstersatz, die Rolle des geistigen
einfach und ungewöhnlich. Zwei Engel,
Lebens im Alltag und in historischer
für die meisten Menschen unsichtbar,
Perspektive wurden auch in den italie­
beobachten in Berlin das Leben der
nischen Filmen deutlich. So in Federico
Stadt, die Leiden und Hoffnungen seiner
Fellinis faszinierendem Film "Das Inter­
Bewohner. Es sind arbeitslose Engel. Die
view", der außerhalb des Festivalwettbe-
Menschen brauchen sie offenbar nicht,
werbs seine Premiere erlebte. In dem
sagte der Regisseur in einem Interview,
unverwechselbar zauberhaften Stil, des­
und in einem anderen erklärte er seine
sen Geheimnisse nur dieser Filmschaf­
künstlerische Absicht so: "Ich glaube
fende kennt, werden sein persönliches
nicht an Engel. Ein Engel — das ist am
Schicksal, die Geschichte des Films
ehesten die Gestalt des Kindes, die
deutlich, erkennt man die Konturen der
jeder in sich trägt. Dieses Kind ist
Probleme von Gegenwart und Vergan­
neugierig, offen für die Aufnahme von
genheit, deren Odem wir auch heute
allem Neuen, hat das Böse noch nicht
spüren. Wovon handelt der Film? Japa­
erfahren. Die Engel habe ich mir
nische Journalisten besuchten Fellini bei
ausgedacht, um die Möglichkeit zu
Drehaufnahmen in Cinecitta, dem
haben, die Filmkamera mit der Unschuld
Filmzentrum bei Rom, ium ihn zu
zu konfrontieren."
interviewen. Der Maestro antwortete,
Das Ringen zwischen Kommerzkino
erinnerte sich. "Das ist eine Art Kladde,
und ernstem Film war in Cannes viel­
eine Skizze, ein Scherz", erklärte der
gestaltig. Und so sah es im amerika- Filmemacher mit Understatement. Von
nischen Film aus:. Obgleich der diesem ironischen, grandiosen und pa­
thetischen Schauspiel, das sich auf der
Leinwand abspielt, kommt der Zuschauer
Nana Dshordshadse für keine Sekunde los.
Und dann der rührende, poetische,
einen enormen Eindruck, doch dabei außerhalb des Wettbewerbs laufende
wurden seine cineastischen Leistungen Film der Brüder Taviani "Guten Morgen,
unterschiedlich bewertet, da er traditio­ Babylonia". Die beiden Brüder,
nelle künstlerische Begriffe zerstörte, Nachkommen berühmter italienischer
indem er das Phantastische mit dem Architekten, gelangten auf Arbeitssuche
Realismus vermischte." nach Hollywood, zu jener Zeit noch ein
Die internationale Jury (der auch der großes Dorf -- die Handlung spielt
erste Sekretär des Verbandes der vor dem ersten Weltkrieg. Dort tun sie
Filmschaffenden der UdSSR, Eiern Kli­ das Ihre, um das Produkt einer neuen
mow, angehörte) bevorzugte den Zivilisation zu propagieren — den Film,
ernsten Film, nicht aber das Kommerzki­ einen "Palast aus Zelluloidstreifen", wie
no. Das Ringen dieser beiden Tendenzen man ihn verklärt. Der Film kündet von
wurde auch in Cannes deutlich, um so der Ewigkeit des menschlichen Genius.
mehr, als beide Richtungen meist füh­ Und immer geht es um die gleiche
rende Vertreter im offiziellen Programm Frage, was eitel und vergänglich, was
hatten. Gerade von solchen Überlegun­ aber bleibend, ja ewig ist...
gen ließ sich die Filmjury leiten, als sie N. JERMAKOW
dem französischen Film von Maurice TASS-Korrespondent für die NZ
Pialat "Unter der Sonne des Satans",
einem strittigen, filmisch keineswegs Marcello Mastroianni und Barbara Her­ Cannes-Paris
einwandfreien Streifen, der das Publikum shey Fotos: TASS
"NEUE ZEIT" 22.87 29
MEDIZIN

GENIE AUS DER RETORTE?


Bübics aus der Retorte und im Brutkasten, Ersatzmütter — diese r
vor kurzem entstandenen Begriffe sind noch sensationell.
Neu in der Wissenschaft vom Menschen sind die künstliche
Befruchtung und die Möglichkeit, im Frühstadium der Schwan­
gerschaft zu erkennen, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden
wird. Was für ethische Probleme entstehen in diesem Zusammen­
hang!
Hierzu hat unser Korrespondent Juri Samoilow Lewon BADALIAN,
Mitglied der Medizinischen Akademie der UdSSR und Präsidenten
der Vereinigung der sozialistischen Länder für Kinderneurologie,
interviewt.

Vor einigen Jahren wurde in Kalifor­ gewahrt werden. Die Ehemänner nisch-biologisch untersucht werden und
nien eine Bank von Genen mehrerer brauchen vielleicht nicht alles zu wissen. daß über ihre Vorfahren Klarheit ge­
Nobelpreisträger angelegt. Man glaubte, Ich bin kein Jurist, meine aber, daß man schaffen wird. Junge Brautpaare sind
durch künstliche Befruchtung Superman- einen angehenden Vater nicht kommen gewöhnlich Im siebenten Himmel und
ncr zu erzielen, deren Intellekt weit lassen und ihm nicht sagen darf: "Ihrer denken an so etwas nicht. Manche
über dem Durchschnitt stehen würde. Frau wird eine mit dem Sperma eines bringen dann Kinder mit schweren
Halten Sie das für möglich! anderen Mannes befruchtete Eizelle Erbschäden zur Welt. Würde ein Gesetz,
Das ist absurd. Nach ungefähren eingepflanzt. Unterschreiben Sie, daß Sie das die Eheschließung ohne genetische
Berechnungen vererbt ein Mensch nur nichts dagegen haben." Das wäre auch Analysen der Heiratskandidaten verbie­
25 Prozent seiner Fähigkeiten. Alle so eine tierärztliche Einstellung. tet, nicht die Menschheit gesünder
sonstigen Eigenschaften sind auf soziale Die Emanzipation hat dazu geführt, machen!
Faktoren, aul die Erziehung im weitesten daß sich viele Frauen nicht mit einer Ich glaube, ein Verbot würde kaum
Sinne zurückzufuhren. Von Kindern, die Schwangerschaft belasten wollen. Wie helfen. Kranke Kinder werden ja nicht
in der Familie aufv.achsen, erreichen nur stehen Sie zu Brutkästen für Kinder! nur in der Ehe geboren. Ich kenne eine
sehr wenige genau das, was ihre Vater Vor etwa 20 Jahren versuchte der Frau, die acht erbkranke Kinder von
erreicht haben. Was soll man dann erst italienische Wissenschaftler Petruccio, acht verschiedenen Männern zur Welt
von Kindern sagen, deren Mütter ihre einen Fötus "in der Retorte" großzuzie- gebracht hat. Sie trinkt. Alle acht Kinder
genialen "Ehemänner" nie zu Gesicht hen. Das erregte Aufsehen, mißlang sind schwachsinnig und in Kinderheimen
bekommen haben? aber. Nach einigen Wochen starb die untergebracht. Wenn sie aufwachsen,
Es ist aber festgestellt worden, daß Frucht. Soviel ich weiß, ist das nie werden sie sich nichts verbieten lassen.
Tiere Merkmale erben, die zur höheren wieder versucht worden. Faktisch muß Deshalb soll man heute schon für bessere
Nerventätigkeit zählen. Kluge Hunde man eine künstliche Gebärmutter ent­ Allgemeinbildung sorgen, damit sich die
bringen z. B. pfiffige Junge zur Welt. wickeln. Grundsätzlich wäre nichts daran Leute selbst um eine gesunde Nachkom­
Ich bin entschieden gegen eine auszusetzen. Es gibt ja künstliche Herzen menschaft bemühen. Wir haben dafür
tierärztliche Einstellung zum Menschen. und Nieren. Mir scheint, man sollte diese medizinisch-biologische Beratungsstel­
Der Mensch ist ein geistiges Wesen und Art Forschungen weiterführen. len, vorläufig allerdings nur wenige, und
unterscheidet sich darin vom Tier. Man die meisten sind allgemein. Sie sollten
Im Westen gibt es schon Leihmütter,
soll in die Natur des Menschen nicht nach den wichtigsten medizinischen
Frauen, die für Geld eine befruchtete
umgreifen. Wir kennen sie zuwenig. Fächern unterteilt sein, denn die Diag­
fremde Eizelle austragen. In einem In
Wollen Sie damit sagen, daß Sie nose der Erbkrankheiten ist sehr schwie­
"Llteraturnaja gaseta" erschienenen Auf­
gegen die künstliche Befruchtung sind! rig. Bei den allgemeinen Beratungsstel­
satz haben Sie diese Methode biolo­
Keineswegs. Jetzt ist jede sechste len können derart spezielle Untersuchun­
gische Prostitution und die Leihmütter
Familie kinderlos. Solche Familien sind gen nur schwer oder gar nicht
Glucken genannt. Verurteilen Sie solche
selten glücklich. Wenn man helfen kann, vorgenommen werden.
Frauen etwa!
soll man es tun. Die Genetiker können jetzt das Ge­
Es gibt Einrichtungen, in denen solche Nein, sie tun mir leid. Es ist eine schlecht des Embryos In einem früheren
C perationen ausgeführt werden. Wie Schmach, wenn eine Frau ihren Körper Schwangerschaftsstadium feststellen. Da­
kommt es. daß sich die Sache bei uns nur für Geld vermieten muß. Die künftige durch ergibt sich die Möglichkeit, die
langsam cinführl! Mutter trägt die Frucht neun Monate aus, Zahl der Männer und Frauen zu regulie­
Das liegt an sozialer Heuchelei und an dann muß sie das Kind hergeben. Dazu ren. Würde die Verbreitung dieser
psychologischen Hemmungen. Die Allge­ ist nicht jede Frau fähig. Die Erscheinung Methode zu einer Störung der Struktur
meinheit ist noch nicht dazu bereit. Viele der Leihmütter droht, Sittenbegriffe um­ der menschlichen Gesellschaft führen!
schämen sich vor solchen Operationen zustürzen, die sich in Jahrtausenden Die Natur hat in ihrer Harmonie dafür
und sprechen nicht einmal laut davon. gebildet haben. Das Austragen einer gesorgt, daß die Zahl der Männer und
Doch viele Frauen würden sich gern fremden Frucht ist, meiner Ansicht nach, Frauen immer ungefähr gleich ist. Sozio­
cper.eren lassen. Sie müssen aber nur bei naher Verwandtschaft gerechtfer­ logen sagen aber, daß von den von
AAonatc warten, bis s>e an der Reihe tigt. Manche geben doch beispielsweise ihnen befragten Familien 65 Prozent
sind. Dabei ist das keine schwere eine Niere für eine Schwester, einen lieber Jungen haben wollen. Bei einer
Operation. Die befruchtete Eizelle wird Bruder oder das eigene Kind her. unkontrollierten Anwendung dieser Me­
in die Gebärmutter emgepflanzt. Das ist Vorteilhaft an der künstlichen Be­ thode würde es also nur halb so viele
alles. Man könnte cs in vielen Kliniken fruchtung Ist schon der Umstand, daß die Mädchen wie Jungen geben, und jeder

machen, aber die Ethik muß strikt zukünftigen Eltern im voraus medizl- zweite Mann würde Junggeselle bleiben.

"NEUE ZEIT" 22.87


30
Was sollen sie machen? Fremde Familien man alle Kinder wiederbeleben. Sind zwischen einem und zwei Jahren auf
zerstören oder sich abkapseln? Beides Sie noch jetzt dieser Meinung! Laute, Licht und Spiele registriert. Es hat
taugt nichts. Deshalb glaube ich, die sich gezeigt, daß das Gehirn am
Ich ging davon aus, daß alle wieder­ empfindlichsten reagiert, wenn das Kind
Menschheit ist vernünftig genug, es nicht
belebt werden müssen, weil wir keine mit seiner Umwelt in Kontakt gebracht
erst dazu kommen zu lassen.
genaue Prognose hatten. Vor kurzem wird. Ich bin überzeugt, daß es zu
Die besagte Methode kann aber auch
wurde ich aber durch Erkenntnisse der denken beginnt, lange bevor es
viel Nutzen bringen, z. B. Erbkrankheiten
Säuglingsneurologie und durch die sprechen lernt. Wenn es nicht denken
vorbeugen. Viele dieser Krankheiten
befallen nur Jungen. Unter den Jungen neuen Möglichkeiten der Diagnose in würde, könnte es gar nicht sprechen
gibt es z. B. Bluter. Das ist eine meiner Ansicht schwankend gemacht. In lernen. Das Wort ist ein Werkzeug des
gefährliche Krankheit, denn schon ein den letzten 2—3 Jahren haben die Denkens, sein lautliches Symbol. Worte -
Kinderneurologen gute Helfer wie die und Gedanken sind aber nicht dasselbe.
kleiner Messerschnitt kann zum Verblu­
dreidimensionale Ultraschall- und die
ten führen. Wenn bei einem männlichen Auch Taubstumme und sogar
Computer-Tomografie des Gehirns be­
Fötus die Eventualität dieser Krankheit Blindtaubstumme, nie einen Laut
die
kommen, die ein dreidimensionales Bild
festgestellt wird, dann wird die Schwan­ gehört haben, denken, noch dazu recht
des Gehirns ergeben. Es hat sich
gerschaft abgebrochen. Das geschieht logisch. Es gibt recht viel begabte
auch bei anderen schweren Erbkrankhei­ herausgestellt, daß bei manchen Neuge­ Taubstumme. Wie sie aber denken, das
ten, sagen wir, bei der Duchenne- borenen ganze Hirnparfien fehlen. So ein ist noch nicht klar.
Krankheit, dem Muskelschwund in seiner Säugling ist nicht lebensfähig. Warum Wieso kann dann ein Kind, das bis zu
sollte man ihn also wiederbeleben? seinem fünften Lebensjahr nicht sprechen
schwersten Form. Die genetische
Kontrolle kann also im Kampf gegen Heute müssen wir nicht nur die frühe gehört hat, nie mehr sprechen lernen!
Erbkrankheiten nützlich sein, die nach Kindersterblichkeit um jeden Preis sen­ Sein Gehirn ist ja besser entwickelt
einer Definition der Genetiker mit dem ken, sondern auch erreichen, daß ein wie mit 2—3 Jahren!
Geschlecht "gekoppelt" sind. krankes Kind als vollwertiger, zu Das Gehirn hat Zentren fürs Sprechen,
Die Erfolge der Genetik können leider selbständigem Denken fähiger Mensch fürs Erkennen, für die Koordination der
das Zurwelfkommen von Kindern mit aufwächst. Bewegungen usw. Zentren ent­
Diese
Asphyxia neonatorum, d.h. mit langwie­ wickeln sich nach festen biolo­
einem
Bisher war die Ansicht verbreitet, daß
rigen Atemstörungen,nicht verhüten. Soll gischen Programm. Es hieß immer, daß
nur der Mensch denkt und daß das
man solche Kinder jedesmal retten! In schreib- und leseschwache Kinder faul,
Denken eng mit dem Sprechen zusam­
der Diskussion mit dem Präsidenten der vernachlässigt oder schlecht unterrichtet
menhängt. Was besagen Ihre Forschun­
Weltvereinigung für Neurologie, Prof. sind. Wenn wir uns aber die Gehirne
gen!
Masland, haben Sie ein Beispiel aus von Legasthenikern auf dem Computer-
einer Novelle von Thomas Mann ange­ Diese Ansicht verbreitete sich in den Tomografen ansehen, stellen wir oft fest,
führt, die von der Geburt Goethes 50er Jahren nach dem Erscheinen der daß gerade die Partien der linken
handelt. Er soll "blauschwarz" zur Welt Schrift Stalins "Marxismus und Fragen Hemisphäre, wo die Zentren des
gekommen sein. Deshalb solle der Sprachforschung". Sie ist noch jetzt Sprechens und Schreibens liegen, eine
nicht überwunden. Ich sehe im Denken organische Unterentwicklung aufweisen.
die Fähigkeit des Gehirns, die objektive Die Sache ist aber nicht aussichtslos.
Realität zu registrieren und das Verhal­ Das kindliche Gehirn ist flexibel, andere
In einem Labor früher Embryoentwick­ ten des Menschen den wechselnden Partien gleichen die Unterentwicklung
lung bei der UdSSR-Forschungszentrale Umständen anzupassen. Gemeinsam mit aus. Bei uns zu Lande gibt es spezielle
für den Schutz der Gesundheit von Kollegen vom Hirnforschungsinstitut stu­ Krippen, Kinderheime und Waldschulen,
Mutter und Kind. Kinderlosen Frauen diere ich die Entwicklung der Psyche bei wo die Kinder auf Staatskosten unter­
wird hier die Freude der Mutterschaft
Säuglingen. Wir haben Experimente mit gebracht sind und wo man ihnen hilft,
beschert. Dieses Zwillingspaar ist durch
Verhaltensreaktionen gemacht. Die in­ diese Mängel zu beheben oder auszu­
künstliche Befruchtung zur V/elt gekom­
tegralen Enzephalografen haben ein gleichen. Ein Kind, das bis zum
men
Foto: TASS Reagieren Säuglingen im Alter fünften Jahr nicht sprechen gehört hat,
kann man aber wirklich schwer zum
Sprechen bringen, weil das motorische
Sprachzentrum für komplizierte
sprachliche Verbindungen nur in den
ersten Jahren offen und danach taub ist.
Das biologische Programm des Gehirns
hat seine Gesetzmäßigkeiten, was bei
der Beobachtung einfacherer Funktionen,
z. B. der Bewegungsfunktion, genau
erkennbar ist. Mit 6 Monaten fängt der
Säugling zu sitzen, mit 9 Monaten
gestützt zu stehen und mit einem Jahr zu
gehen an. In Ländern, wo die Frauen
ihre Kinder tragen, lernen diese früher
laufen, weil sich ihr Gleichgewichtsver­
mögen sowie die Hirnpartie, die die
Bewegungen koordiniert, schneller ent­
wickeln. Solche Kinder sind aber den
anderen höchstens um einen Monat
oder zwei Monate voraus.
k Die Beweglichkeit der Kinder ist auch

b
genetisch vorausbestimmt. Prof. Tscha-
sow sagte mir vor zwei Jahren in einem
Interview, er sei empört darüber, daß
sich die Kinder nach der Einschulung in
1 kleine Greise verwandeln. Sie sind mit
Hausaufgaben derart überlastet, daß sie
"NEUE ZEIT" 22.87 31
keine Zeit zum Laufen und Spielen
haben. Hat sich in dieser Hinsicht etwas
geändert! Hein. Die Kinder sind noch
immer schwer von Informationen be­ i INTERNATIONALER

1917-1987
lastet. In den Pausen lassen die meisten
Lehrer nicht zu, daß die Schüler ihre WETTBEWERB „NZ"-87
angestaute Bewegungsenergie abreagie­
ren.
Ja, genauso ist es.
Wir erleben heutzutage in vielen
Lebensbereichen Neuerungen, und ich
holle, daß s ch die Situation in der LIEBE LESER!
Schule bald gru: a ch verändern und
I Die Redaktion der NZ fordert Sie auf, an einem Preisausschreiben zum
daß die Lehrer end ch auf uns Mediziner 70. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution teilzuneh­
hören werden. men.
Das jetzige Schulwesen widerspiegelt Das Preisausschreiben enthält sieben Fragen. Ihre Antworten erwarten
die extensiven Entwicklungstendenzen, I wir bis spätestens 15. Oktober d. J.
bei denen die quar.t.ta'.ven und nicht Die beiden Hauptgewinner werden auf Einladung der NZ die
die quaLtativen Ergebnisse im Vor­ Sowjetunion besuchen, Moskau und eine Unionsrepublik (nach Wunsch)
dergrund stehen. Be rn jetzigen Unter­ kennenlernen.
richt hat das Kind oft nicht einmal Zeit, Ferner werden 4 zweite, 8 dritte und 50 Trostpreise vergeben.
sich über die erhaltenen Kenntnisse
klarzu werden. Die Schule gibt viel (1941—1945) ist auf diesem Foto darge- i
überflüssige Informationen, die das stellt? Wie groß sind die Verluste des
kindliche Gehirn nicht schadlos aufneh­ Sowjetvolks in diesem Krieg?
men kann. So entstehen "Syndrome der Fünfte Frage. In welchem Jahr wurde
Überinformiertheit". Leider ist die be­ der erste künstliche Erdtrabant gestartet? ,
In welchem Jahr flog der erste Mensch
kannte Wahrheit vergessen, daß
in den Weltraum? Was wissen Sie über
Kenntnisse nicht an sich, sondern für
ihn? Wie viele sowjetische Menschen
eine nutzbringende Tätigkeit gebraucht waren im Weltraum?
werden. Man vergewaltigt ein Kind, Sechste Frage. Welche Etappen sieht
wenn man es im dritten Schuljahr ein das von Michail Gorbatschow am 15.
Wort morphologisch analysieren läßt. So Januar 1986 verkündete Programm für
ein Unterricht kann einem die Mut­ die nukleare Abrüstung bis zum Jahr ,
tersprache verleiden. Das spielerische 2000 vor?
Siebte Frage. Welche anderen Frie-
Element ist aus dem Unterricht ver­ _1____ _______________ _i_„ türm ____ _J___
densinitiativen der UdSSR aus den ■
schwunden, obwohl die Kinder Erste Frage. Wie hieß das erste letzten Jahren sind Ihnen bekannt?
Kenntnisse im Spiel viel leichter auffas­ Dekret der Sowjetmacht, was verkündete
sen. es und wer war sein Verfasser?
Was würden Sie konkret vorschlagen! Zweite Frage.Wann wurde die Union
Die Lehrpläne und das ganze Unter­ der Sozialistischen Sowjetrepubliken ge­
richtssystem mit Rücksicht auf die Beson­ gründet? Welche Sowjetrepubliken
schlossen sich als erste der UdSSR an?
derheiten des kindlichen Gehirns und
Wie viele Unionsrepubliken, autonome
seine Fähigkeit zur Aufnahme von
Republiken, autonome Gebiete und
Informationen abzukürzen und umzuar­ Kreise gibt es in der Sowjetunion?
beiten. Dazu könnte die Kommission der Dritte Frage. Welche Jahre umfaßte
Medizinischen und der Pädagogischen der erste Fünfjahrplan für die ökono­
Akademie der UdSSR viel beitragen. mische Entwicklung der UdSSR? In wie
Bisher funktioniert sie vielfach rein vielen Jahren wurde er erfüllt?
Vierte Frage. Welche Episode les I
formal, tritt zweimal jährlich zusammen,
Großen Vaterländischen Kriegei
liefert Berichte, aber kaum etwas Greif­
bares.
Das behutsame Verhalten zum Schul­
Vordruck
kind sollte die höchste Anforderung an
die Berufsethik des Lehrers sein. Das Harne
kindliche Gehirn hat sehr große, aber
nicht unbegrenzte Potenzen. Es darf auf
Anschrift
keinen Fall überlas’et werden.
Und wie ist es mit dem Streß!
Beruf
Davor braucht man sich nicht zu
fürchten. Streß gehört zum vollwertigen
Leben. Wir wollen doch keine Treib­
Bitte schreiben Sie Namen und Anschrift leserlichl Legen Sie
hauspflänzchen großziehen. Lebensfähig diesen Vordruck bitte Ihren Antworten zum Preisausschreiben
sind nur Menschen, die mit schwerem bei.
Streß fertig werden können. Die Kinder Adressieren Sie Ihre Briefe an folgende Anschrift: 103782, GSP,
von heute sind die aktiven Menschen Moskau K-6, Puschkinskaja pl., NZ-Redaktion. Bitte vergessen
des 21. Jahrhunderts. Daran müssen wir Sie nicht das Kennwort "Preisausschreiben" auf dem Umschlag.
immer denken. H

Anschrift: 103782, GSP, Moskau K-6, Puschkinskaja pl.


Telefon: 229-88-72, 209-07-67
Verl*Q der Zei'una "Trud” ’ Erscheint in russischer, deutscher, englischer, französischer, spanischer, portugiesischer,
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italienischer, . ■
polnischer und...
tschechischer *------- U, • Gedruckt in der Druckerei "Moskowskaja prawda"
Sprache

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Das Porträt von John F.


Kennedy (er wäre am
29. Mai 70 geworden) ist
wohl das bedeutendste
Werk von James Wyeth,
dem Vertreter der dritten
Generation einer Familie,
die in die amerikanische
Kunstgeschichte einge­
gangen ist. Großvater Ne-
14159 22 1 36 ö04 54 2
NVA 32 6 67 A
21 13 9005 01 28 PF

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Wir leben immer noch „nach dem Krieg"...

Blick aus der Kindheit

Die ukrainische Malerin Maria Primatschenko


mit Enkei und Bildern

INTERNATIONALER WETTBEWERB

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MENSCHHEIT“
Juri ROST {UdSS^J

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