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REISE ZU DEN PEREZ ESQUIVEL: „ÜBERLASST


NAMIBISCHEN FLÜCHTLINGEN DIE STERNE DEN VERLIEBTEN!"
ROJIHTEXmECm My3EH !
□ Bocnpocoubo, IOr. flotionpn,

Er war ein er-taunlicher nes Hemd", und verspot­ D 3 Haca flHR


Mensch. Der auf Fotos tete jedes Spießertum.
mürrisch scheinende Blick
von un.en herauf

und verbirgt
Fühlen.
verrät
eine starke Persönlichkeit
ein zartes
Dieser Mann
Wladimir Majakowski
war stets ein patriotischer
Dichter. Die russischen
Kulturschaffenden standen
verschieden zur Revolu­
BUCHST Tm m a:

nnOOHO-OEMEntuBniomaR
schlug Riesensäle in sei­ tion. Manche erschraken,
llUüüUn nponbiuminiocTb
AOKnnAHHK
nen Bann, war aber einem andere fanden allmählich
einzigen ungerechten
Wort gegenüber wehrlos.
zu ihr.
schied
Majakowski ent-
sich gleich und
MAOTR/IHP_
Er bereiste viele Länder unwiderruflich: „Das ist
und gewann Sowjetruß­ meine Revolution." Er
land nur um so mehr lieb. ging in den Petrograder
Wie jeder geistreiche Smolny, arbeitete, mach­
OnnOHEHT
Mensch, brachte er ande- te alles, was gemacht

11
re zum Lachen, lachte
aber selbst nur selten. Er
liebte die Menschen, aber
für sture Leute kannte er
werden mußte.
Im Herbst 1919 traf im
Bürgerkrieg ein kritischer
Augenblick ein. Er war
HJlIöfflTE3HCEU AOKnAXlA

keine Gnade. Er sagte, entscheidend für die Zu­


zum Glück brauchte er kunft der Sowjetmacht. 4
1 nur „ein frisch gewasche- Majakowski ging in die Ankündigung
eines Disputs
unter Teilnahme
Majakowskis
und Lunatscharskis,
des ersten Volks­
bildungskommissars

Russische
agentur
Telegrafen-
(ROSTA).
I Er
I
zeichnete aktuelle Pla-
kate, die> sogenannten
ROSTA-Fenster, und be­
schriftete sie mit schmis­
sigen Versen.- Das war
seine Front, und er bot
seine ganze Kraft auf. An
manchen Tagen verfaßte
er 60—70 Plakatbeschrif­
tungen. Schon am näch­
sten Tag waren sie in al­
ler Munde.
„Von der Revolution
einberufen". — so defi­
nierte er seinen Platz im
Leben. Schreiben bedeu­
tete ihm für den Men­
schen und die Menschheit
kämpfen. Seine Verse wa­
ren geballte Leidenschaft,
Gedankengut, er schil­

wztm derte seine Zeit so,


er ihr Inbegriff
Majakowski
daß
wurde.
und die Re­
volution — sie waren für­
einander geschaffen, und
deshalb werden sie off
zusammen genannt.
„Ich bin ein entschlos­
sener Mensch, ich will
mit der Nachweit selber
sprechen und nichtt war-
ten, was ihr später• ein­
mal meine Kritiker sagen ■
werden", erklärte der
Dichter. Seine Dichtungen
noMori»! bedürfen noch heute kei­
y E7JT. ROBOVEM nes Mittlers, um bei Mil­
lionen Resonanz zu fin­
den.

Majakowski
vor ROSTA-Fenstern
MOSKAUER HEFTE
FÜR POLITIK April 1987
Gründungsjahr 1943

IN DIESEM HEFT:

2 19
NZ-Recherchen
Wort des Redakteurs
EINE „WIDERSTANDSINTERNA­
WIEDER BEDROHUNG!
TIONALE"
GAUKLER BEI DER ARBEIT
3 22
Zum UdSSR-Besuch der britischen
FPremierministerin Margaret Thatcher Hinterg rund
J. Korschunow. DROHENDE
4 ABRECHNUNG
W. Loginow, Stellvertreter
des UdSSR-Außenministers 24
(KOORDINIERTE ANSTRENGUNGEN Indonesien
Kindergarten in einem Lager A. Jurjew. DIE ARMEE UND IHRE
6 namibischer Flüchtlinge GEGNER
NZ-Umfrage
Auf Fragen der Redaktion 26
.antworten Stephen Rhinesmith (USA) Gemeinsame Betriebe
und Roddick B. Byers (Kanada) A. Kusmin, B. Koslow.
"MICROMED" LÄUFT AN
7
Panorama 27
Literatur
10 L. Mletschin. MORAL,
EHRE, GEWISSEN
NATO
Dialog mit dem Schriftsteller
W. Boikow. VERWIRRUNG IN
BRÜSSEL Zdenek Pluhar (CSSR)
Israel. Vor einem Terrorurteil
ODER DIE ATLANTISCHE DISKUSSION
gegen Mordechai Vanunu 29
UdSSR-Irak
112 A. Wassilinow. DIE ZEIT IST
Betrachtungen . ZEUGE
Adolfo Perez Esquivel (Argentinien).
"OBERLASST DIE STERNE 30
DEN VERLIEBTEN..." Im Süden Afrikas
N. Reschetnjak. EIN BESUCH
14 BEI NAMIBISCHEN FLÜCHTLINGEN
' BRD Revivez Relive 32
A. Tolpegin. ALTE PRIORITÄTEN le täte Sport
NEU AUFGELEGT moment Dream A. Pin. KÖNIG
EISHOCKEY
16 Titelbild: Foto von B. Sadvil
Sowjetunion
J. Schemjakin. SIBIRIEN, Emblem des Erinnerungsspiels der
WISSENSCHAFTLICH ERSCHLOSSEN Teilnehmer der "Jahrhundertrunde"
1972

1SUS
Chefredakteur
V. IGNATENKO
Redaktionskollegium:
L. BESYMENSKI,
S. GOUAKOW,
J. GUDKOW
(verantw. Sekretär),
A. LEBEDEW,
A. PIN,
B. PISTSCHIK
(stellv. Chefredakteur),
A. PUMPJANSKI
(stellv. Chefredakteur),
V. TSCHERNJAWSK1
(stellv. Chefredakteur)
Verantwortlicher
Redakteur der
deutschen Ausgabe
R. KRESTJANINOW
""NEUE ZEIT” 14.87 1
POST
IWEß BEDROH ITO?
Das ist schon Tradition. Jeden ber darin, die Wahrheit über
Jahrestag der Reagan-Administra­ Rüstungspotential und Absichten
Cei uns in Portugal ha­ tion begeht das Pentagon durch der UdSSR zu sagen.
ben selbst dir Icr.ierv*- einen neuen Bestseller „Die sowje­ Wozu diese unverhohlene Desin­
tlvstcn Kreise und das von
den Rechtskräften kontrol­
tische Militärmacht" (lies: militä­ formation? Weshalb mußte die von
lierte Fernsehen ernsthafte rische Bedrohung). Früher ging das den meisten US-Experten aner­
Schwierigkeiten damit, die Erscheinen der Broschüre mit einer kannte faktische Parität der UdSSR
sowjetischen Vorschläge TV-Ansprache des Präsidenten und der USA auf militärischem
über die Entspannung und
selbst einher. Von Landkarten, Gra­ Gebiet geleugnet werden? Warum
internationale Zusammenar­
beit zu „deuten". Dabei fiken und Zahlenkolonnen umge­ müssen die Autoren die sowje­
zeugen diese Vorschläge ben, redete er seinen Mitbürgern tischen Vorschläge über die Be­
meines Erachtens durchaus I breit lächelnd ein, die UdSSR stünde freiung unseres Planeten von
von den friedlichen, fort­
„an der Schwelle zu ihrem schlecht Kernwaffen bis Ende unseres
schrittlichen und demokra­ I
tischen Bestrebungen der geschützten Haus". Aber von der Jahrhunderts, über die Nichtmilitari­
Sowjeticgicrung und sind Iran-Affäre und der seit vier Mona­ sierung des Weltraums und die
keineswegs als Propaganda ten ersten Pressekonferenz ge­

I
Beseitigung der Mittelstreckenrake­
abzutun. Ich hoffe, daß
schwächt, eignete sich Reagan ten in Europa totschweigen? All
Ihre Anstrengungen unbe­
dingt zu einem offensichtlich wenig für einen diese Vorschläge werden im
Aufschwung aller Fort- zuversichtlichen Werbespot. Statt Abschnitt „Die UdSSR und die
schrittskrafte der Welt fuh­ seiner zeigte sich der Autor des Rüstungskontrolle" nicht einmal an-
ren.
Vorworts zur 6. Ausgabe der standsshalber erwähnt.
«a Joao COUTINHO Broschüre auf dem Bildschirm. Ver­ Die Antworten auf diese Fragen
it»
L.ssabon, Portugal teidigungsminister Weinberger liegen auf der Hand.
höchstpersönlich. Das Pentagon „entdeckt" die
Er überschüttete die Zuschauer sowjetische Überlegenheit in der
Die militärische US-Prasenz
im Mlttelmecr bewirkt eine
und die an der Fernsehpressekonfe­ Regel ausgerechnet bei jenen Waf­
überaus komplizierte, an­ renz teilnehmenden Journalisten mit fen, für die es im Kongreß neue
gespannte Situation. Unter „umwerfenden Angaben" aus dem Bewilligungen zu erhalten hofft.
dem Vorwand, den Terro­ Buch: Vierfache Überlegenheit der Demnach ist „Die sowjetische
rismus zu bekämpfen, schü­
UdSSR über die USA bei interkonti­ Militärmacht" eine Salve auf das
ren die USA Konflikte.
r Selbst die imperialistischen nentalen und bei ballistischen Kapitol, wo gegenwärtig die Op-
europäischen Regierungen U-Boot-gestützten Raketen, dop­ Position zu den Pentagon-Plänen
schwanken immer mehr pelte Überlegenheit der UdSSR bei immer lauter wird.
& und haben immer weniger
Jagdflugzeugen, neunfache bei Fla- Die Kanonen des Pentagon
Lust, sich der abenteuer­
lichen Brandstifterpolitik Raketen. Und so weiter. Moskau schießen auf US-Geschäftsleute, die
der USA anzuschlicDen. habe dem ABM-Vertrag schon den wachsendes Interesse an einem
Eine ernsthafte Krise der Rücken gekehrt. Die UdSSR ent­ ausgedehnteren Handel mit den
:kt „Partnertreue" (die man
richtiger sklavische Abhän­
wickle die Rüstungsindustrie nur auf sowjetischen Partnern zeigen, und
gigkeit nennen sollte) reift der Basis neuester westlicher auf US-Politiker, die von der Not­
im europäischen Lager her­ Technologien aus den Zi­ wendigkeit normaler Beziehungen
— an. vilbranchen. Oder folgende „Tat­ zwischen den USA und der UdSSR
Vincenzo SENIA
sache" auf S. 112: „Die Sowjets überzeugt sind. Schließlich auf diese
Rom, Haben
richten Laserstrahlen gegen Aufklä­ Beziehungen selbst, in denen sich
rungsflugzeuge aus der freien Welt eben erst hoffnungsvolle Ansätze
Heute wird weithin er- und verursachen bei den Piloten abzeichnen.
kamt, daß die Existenz dadurch zeitweilige Blindheit." Auf Die UdSSR und die USA. Gleich
zweier deutscher Staaten, die Frage nach konkreten Zwischen­ der gesamten Menschheit bahnen
der sozialistischen DDR
und der kapitalistischen fällen jedoch hörten die versammel­ diese beiden Länder jetzt ihren Weg
BRD. ein unverzichtbares ten westlichen Journalisten die über­ ins dritte Jahrtausend. Darf er mit
Element für das Kräf­ raschende Antwort: „Es gab keine." gegenseitigen Beschuldigungen
tegleichgewicht in Europa und dem Anheizen der Spannungen
Es gab sie also nicht. Oder,
*8.' und für die Schaffung eines
anders: Das Ganze entspricht nicht gepflastert sein? Nein, sagt man in
internationalen Sicher­
heitssystems bildet. Frie­ der Wirklichkeit. Wie offenbar auch Moskau fest. Hier sucht man nach
den auf deutschem Boden, die meisten anderen im Buch enthal­ Wegen gegenseitiger Verständi­
Frieden in Europa. Frieden tenen falschen (oder tendenziös gung, nach Berührungspunkten.

4 in der Welt ■ das hangt


miteinander zusammen.
Uwe KLENNER
ausgewählten) Angaben. Dabei be­
steht das erklärte Ziel der Herausge-
Sehr zum Unterschied von Wa­
shington.
Berlin, DDR
"NEUE ZEIT" 14.87
2
UdSSR — GROSSBRITANNSEN

Seit zwölf Jahren war kein


Awfi Ihtelhista britischer laubt somit, sich im weiteren auf eine zitierte Winston Churchill, der erklärt
Premierminister mehr zu einem offiziellen Annäherung der Ansichten in den hatte, auf die Atomwaffen solle nicht
Besuch in die Sowjetunion gekommen. Richtungen, in denen das vor allem verzichtet werden, solange man nicht
Früher, in den 60er und in den 70er erforderlich ist, zu konzentrieren. über andere Mittel zur Erhaltung des
Jahren, unter Tory- wie unter Labour- "Der sowjetisch-britische Dialog", be­ Friedens verfüge. Doch wir erinnern uns
Regierungen, waren die Kontakte auf tonte Michail Gorbatschow, "ist ein auch an eine andere Warnung Sir
höchster Ebene recht regelmäßig und untrennbarer und wichtiger Bestandteil Winstons, der dem Osten und dem
produktiv. Leider entwickelten sich in der heutigen europäischen und Weltpo­ Westen (nachdem die UdSSR das
den Jahren danach die Beziehungen litik." Kernwaffenmonopol der USA gebrochen
zwischen der UdSSR und Großbritannien Vor den Völkern beider Länder stehen hatte) riet, Frieden auf Erden zu
im politischen wie im wirtschaftlichen heute neue Probleme, die eine unver­ schließen, um ihn dann nicht mit dem
Bereich ungleichmäßig. Vorübergehend zügliche Lösung verlangen — durch ge­ Herrgott im Himmel schließen zu müssen.
kam es zu einer längeren Abkühlung. meinsame oder parallele Anstrengungen. Margaret Thatchers Worte zeugen
Nicht von ungefähr standen im Mittel­ davon, daß die weltpolitischen Absichten
Eine Wende zeichnete sich im Dezem­
punkt der Gespräche in Moskau Fragen der Sowjetunion auch weiterhin
ber 1984 ab, als eine sowjetische
der Zügelung des Wettrüstens. mißverstanden werden — sie sprach von
Parlamentarierdelegation unter Leitung
Die diesbezüglichen Mei­ den Befürchtungen, die unsere Erklärun­
Michail Gorbatschows Großbritannien
nungsverschiedenheiten sind immer noch gen, wir wollten für den Triumph des
besuchte. Im Vereinigten Königreich
fand das völlig neue Herangehen der
Vertreter der UdSSR an die Erörterung
aktueller internationaler und bilateraler
Fragen damals Beachtung.

Seitdem fanden wichtige und nützliche


Kontakte auf verschiedenen Ebenen statt.
In der UdSSR wurde eine repräsentative
Delegation des britischen Parlaments
empfangen. Im Sommer v. J. besuchte
UdSSR-Außenminister Eduard Sche­
wardnadse London. Wichtige zweiseitige
Abkommen wurden unterzeichnet.

Die Stagnation in den Beziehungen


zwischen beiden Großmächten, die einst
Alliierte gewesen waren und als Sicher­
heitsratsmitglieder besondere internatio­ • H
nale Verpflichtungen haben, machte
allmählich einem fruchtbaren Dialog, der
in der heutigen Welt lebensnotwendig i 7
ist, Platz.
Moskau appellierte immer wieder an
London wie an dessen Verbündete, ein
neues politisches Denken an den Tag zu
Moskau, Kreml, 30. März. Vor Beginn der Gespräche
legen, nach gemeinsamen Lösungen für
die akutesten Fragen der Gegenwart —
globale wie regionale — zu suchen und
sich für eine "Humanisierung" der groß. Michail Gorbatschow lehnte die Sozialismus in der ganzen Welt kämpfen,
internationalen Beziehungen einzusef- Meinung, Sicherheit könne auf einer hervorbringen. Unterdes betont Michail
zen. Politik der Stärke beruhen, entschieden Gorbatschow immer wieder, daß die
In diesem Geist verlief auch der ab. Das ist eine überholte Konzeption, Sowjetunion, die zutiefst an die Vorzüge
Dialog in Moskau zwischen Michail die in der Nachkriegszeit schon viel des Sozialismus gegenüber dem Kapita­
Gorbatschow und Margaret Thatcher, Unheil angerichtet hat. Die sowjetische lismus glaubt, keinerlei ideologische
und das ist ermutigend. Ein ehrlicher Konzeption eines neuen politischen Expansion anstrebt. Im Gegenteil ruft sie
Dialog, bei dem man nicht versuchte, Denkens beruht gerade auf einer Absage zum friedlichen Wettbewerb der un­
akuten Differenzen auszuweichen, auch an die Politik der Stärke in den heutigen terschiedlichen Gesellschaftssysteme, zur
gegenseitige Vorwürfe und Kritik wur­ internationalen Beziehungen und an die Durchsetzung der universellen Normen
den geäußert. Offenbar gerade so, ohne Doktrin der nuklearen "Abschreckung”, von Moral und Anstand in den interna­
etwas zu verschweigen, ohne die tat­ die nur zu einer Forcierung des tionalen Beziehungen auf.
sächliche Weltlage schönzufärben und Wettrüstens führt. Das unterschiedliche Herangehen an
offenen Einschätzungen der Positionen Unterdes klingt in Margaret Thatchers humanitäre Probleme, an die Fragen der
des anderen auszuweichen, müssen sich Erklärungen oft der Glaube an die Menschenrechte ist nur natürlich — hier
heute die Beziehungen auf staatlicher Wirksamkeit von "Stärke" und "Festig­ machen sich ideologische Kriterien wohl
Ebene entwickeln, müssen Verhandlun­ keit" in den Ost-West-Beziehungen, die am stärksten bemerkbar. Hier spielt sich
gen geführt werden. Das gibt den gefährliche Überzeugung von der der Westen als Mentor auf und verbrei­
Vereinbarungen größeres Gewicht, läßt abschreckenden, ja geradezu friedenstif­ tet Spekulationen. Wir fürchten eine
Differenzen deutlicher werden und er- tenden Rolle der Nuklearwaffen an. Sie Erörterung dieser strittigen Fragen kei-

"NEUE ZEIT" 14.87 3


Michal Gorbatschow machte deutlich: In Moskau fand eine Tagung des
r. es weg s und weichen ihr nicht aus.
Doch, wie Micha*« Gorbatschow be- Der Zusammenhang zwischen einer Re­ Komitees der Außenminister der Teil­
schon über d;C duzierung der strategischen Angriffswaf­ nehmerstaaten des Warschauer Vertrags
AAenschenrec? ‘e sprechen, dann !a3t uns fen und der Nichtmilitarisierung des über Freundschaft, Zusammenarbeit
über c' e Rechte sprechen und beson­ Weltraums habe strategische Bedeutung. und gegenseitige Hilfe statt.
Dieses Paket werden wir nie aufschnü­ -Zehn Jahre sind seit der ersten Tagung
ders über ;ene, d.e M...icr.cn Menschen
ren, unterstrich der KPdSU-Generalsekre­ des Komitees vergangen, das von der
berühren".
' höchsten Instanz der Organisation des
Offenbar d e Haltung der
wrd auch tär.
Sowjetunion zu der. Bezehungen Wie man sieht, v/erden die Warschauer Vertrages, dem Politischen

tJi sfeuropa-U SA ntckt vc.l verstan- zahlreichen Bekundungen guten Willens Beratenoen Ausschuß (PBA), eingesetzt
der» — gemaß
gemäß der schon klastischen seitens der UdSSR meist schnell "verges- wurde.
Schablone:, d*e
die UdSSR wolle cir.cn sen", verlangt man von Moskau immer Bei der Moskauer Tagung waren die
* Keil' zwischen die we*.’ »eben Verbün­ neue Zugeständnisse. Beim Ungleichge­ Minister nicht damit befaßt, Jubi­
deten treiben Moskau aber denkt in wicht zwischen Ost und West geht es läumsglückwünsche auszutauschen. Es
ganz anderen Kategor en— die UdSSR also nicht um ungleiche militärische ' I fand vielmehr ein eingehender Mei­
erkennt die historischen Bindungen Stärke, sondern um die ungleiche Be­ nungsaustausch über die Lage in Europa
zwischen den Staaten und Regionen der reitschaft, sie radikal abzubauen und und rn der Welt statt — bleibt sie ja
heutigen Welt an und ruft Westeuropa eine vollständige Beseitigung der Mas­ bekanntlich kompliziert, akut, gefährlich.
nur dazu auf, sich von der Angst vor der sen Vernichtungs waffen anzustreben. Im Schlußkommunique der Tagung
UdSSR zu befreien und einen größe­ Offenbar könnte Großbritannien eine heißt es: Die von der Sowjetunion in
ren Beitrag zur Weitpc'.tik zu leisten. aktivere und selbständigere Rolle bei Reykjavik unterbreiteten umfassenden
M.ichail Gorbatschow sagte offen, daß der Erreichung zumindest jener ! Vorschläge kennzeichnen ein qualitativ
die Sowjetunion, als ’ das Problem der Rüstungskontrollabkommen spielen,, zu neues Herangehen an die Ab-
--- ------------ ------ ---------------------
Mittelstreckenraketen aus dem Ver­ denen es bereit ist. In Moskau zumindest rüstungsprobleme.
handlungspaket herausnahm, mit der glaubt man, daß sich London da viel Erneut wurde die Entschlossenheit der
Unterstützung und
Großbritanniens konstruktiver zeigen könnte. verbündeten sozialistischen Staaten un­
Frankreichs gerechnet harte. Die UdSSR Wir sind dafür, Wege zu einer Welf terstrichen, sich für tiefgreifende, radi­
klammerte die Nuklearpctcntia'e dieser mit weniger Waffen zu suchen. Ver­ kale Reduzierungen und die Vernichtung
beiden Länder aus, obgleich sie weiter trauen entsteht nicht im luftleeren der Nuklearwaffen, die Verhinderung

1 quantitativ und qualitativ verstärkt wer­


den, um den Verhandlungen über einen
Raum.
"Persönliche Begegnungen”, erklärte
eines Übergreifens des Wettrüstens auf
den Weltraum und für die strikte
Abbau der Rüstungen einen Impuls zu AAichail Gorbatschow, "sind der beste j Einhaltung des sowjetisch-amerika-
geben. Doch wo bleiben Flexibilität und Weg, nach Berührungspunkten zu suchen ' nischen ABM-Vertrages einzusetzen.
Kompromißbeieitschaft der anderen Sei­ und die Positionen in konkreten Fragen Nach Meinung der Minister ist alles zu
u» te? Als Antwort ist bislang nur die einander näher zu bringen. Hier muß tun, damit die Vereinbarungen die
i •
Absicht zu vernehmen, um jeden Preis
die eigenen Nuklearkräfte zu bewahren,
man nicht nur selbst sprechen, sondern
auch zuhören können. Nicht nur zuhören, h Gestalt konkreter Abkommen — auf der
Grundlage Fortführung
der und der
werden nicht sonderlich überzeugende sondernauch den anderen verstehen Vertiefung des politischen Dialogs
Zahlen von einer "überwältigenden" und gemeinsam nach einer Lösung der zwischen den Staaten — annehmen.
Überlegenheit des Warschauer Vertrages kompliziertesten Fragen der heutigen Einstimmig wurde der Vorschlag der
bei den Raketen kürzerer Reich­ Welt suchen. Eben so wollen wir Sowjetunion unterstützt, unverzüglich ein
weite sowie bei den konventionellen unseren politischen Dialog mit Großbri­ Teilabkommen zwischen der UdSSR und
Streitkräften genannt. tannien gestalten.” den USA zu unterzeichnen, dem zufolge
Die Haltung der britischen Seite zeugt Vertrauen bildet sich allmählich, hier . die amerikanischen und die sowjetischen
von der gefährlichen Fehlein­ braucht man Geduld, Takt, den erforder­ Mittelstreckenraketen in Europa vollstän­
schätzung, SDI könne das Gleichge­ lichen Willen und Glauben an den dig beseitigt würden. Billigend wurde
wicht festigen, ohne die internationale Erfolg. Die sowjetische Öffentlichkeit auch unsere Erklärung aufgenommen,
Stabilität zu untergraben, und die "Ster- hofft, daß der Besuch Margaret Thatchers gleich nach Unterzeichnung eines
nenkriegs’’-Pläne würden die Lösung der in der UdSSR und ihre Gespräche mit solchen Abkommens die operativ-tak­
Frage eines Abbaus der strategischen Michail Gorbatschow ein wichtiger tischen Raketen größerer Reichweite aus
Waffen angeblich nicht beeinflussen. Schritt gerade in dieser Richtung waren. der DDR und der CSSR in Abstimmung
IST mit den Regierungen dieser Länder
abzuziehen, sowie unsere Bereit­
Beim Besuch des Troiza-Sergcj-Klosters von Sagorsk schaft, sogleich Verhandlungen über
die Raketen operativ-taktischer Bestim­
mung aufzunehmen.
Ebenso einmütig sprachen sich die
Minister für die unverzügliche Einstel­
lung des ”Sternenkriegs”-Programms des
Pentagon sowie für eine Beendigung von
Projekten wie der "Europäischen Vertei­
digungsinitiative” aus. Sie bekräftigten
ihre Entschlossenheit, sich für ein
vollständiges und allgemeines Verbot
der Kernwaffentests einzusetzen.
Auf der Moskauer Tagung wurde eine
Erklärung über das Verbot der che­
mischen Waffen verabschiedet, Der
schnellstmögliche Abschluß
Ver- der
handlungen über ein vollständiges und
globales Verbot der C-Waffen wird zu
einem Hauptziel der Außenpolitik der
verbündeten Länder erklärt.
Um gegenseitig annehmbare Lösungen

<1 "NEUE ZEIT" 14.87


iloOTdfiinifieirte pielle Haltung. Erinnern wir uns: Der •
1955 geschlossene Warschauer Vertrag
beginnt mit Worten, in denen sich das
Streben der verbündeten sozialistischen

ÄMft reinig wag® an


Länder "nach Schaffung eines System der
kollektiven Sicherheit in Europa" mani­
festiert, "das sich auf die Beteiligung
aller europäischen Staaten, unabhängig
von ihrer gesellschaftlichen und staat­
Wadim LOG I NO W, Stellvertreter des UdSSR-Außenministers
lichen Ordnung, gründet, v/as es erlau­
bei den Verhandlungen zu finden, haben dem Budapester Appell offen gegen­ ben würde, ihre Anstrengungen im
wir eine Reihe neuer Vorschläge für die übergestellt werden könnte. Manche Interesse der Sicherung des Friedens in
Deklarierung der C-Waffenarsenale, NATO-Länder zeigen sich an einer Europa zu vereinen".
dieSicherstellung des Produktionsverbots Vereinbarung interessiert. Andere stehen
für diese Waffen in der zivilen che­ einer solchen Perspektive zurückhaltend Das Wiener Treffen ist jetzt in die
mischen Industrie und für die Durchfüh­ gegenüber. Die USA und einige ihrer Phase verantwortungsvoller Handlungen
rung derKontrolle, darunter der interna­ Hauptverbündeten in der NATO aber und Entscheidungen getreten. Verbal
tionalen, vor Ort und von Überprüfungen treten weniger für einen Abbau als stimmen dem im Grunde alle zu. In
auf Antrag unterbreitet. vielmehr für eine Verstärkung der Wirklichkeit aber sind die Vertreter
Zugleich appellierten die Teilneh­ Streitkräfte und Rüstungen im Geist der vieler NATO-Länder bemüht, die Ab­
merstaaten des Warschauer Vertrages an berüchtigten "Politik der Stärke" ein. rüstungsprobleme aus dem Helsinki-
alle .anderen Länder, keinerlei Schritte Jetzt müssen die Regierungen Positio­ Prozeß auszuklammern sowie die neutra­
zuunternehmen, die die Erreichung ge­ nen der westlichen Öffentlichkeit be­ len und die nichtpaktgebundenen Län­
genseitig annehmbarer Vereinbarungen rücksichtigen, die sich klar für Ver­ der von deren Erörterung fernzuhalten.
bei den Verhandlungen erschweren und handlungen auf der Grundlage des
Die Teilnehmer der Moskauer Tagung
dieseverzögern könnten: C-Waffen, Budapester Programms ausspricht. Wie
erklärten, daß im Rahmen des gesamt­
einschließlich ihrer binären oder aus bei der Begegnung der Teilnehmer der
europäischen Prozesses die Fragen der
vielen Komponenten bestehenden Arten, Tagung des Komitees der Außenminister
Sicherheit und der Abrüstung behandelt
wie sie in Plänen militaristischer Kreise mit Michail Gorbatschow zu Recht betont
und gelöst werden müssen. Eben darauf
der USA vorgesehen sind, nicht zu wurde, gewinnen die Initiativen der
ist der von Polen auf dem Wiener Treffen
erzeugen; keine C-Waffen auf fremden Sowjetunion und der anderen Staaten
unterbreitete Vorschlag gerichtet, das
Territorien zu stationieren und sie von des Warschauer Vertrages zur Abwen-
Mandat der Stockholmer Konferenz
jenen fremden Territorien abzuziehen, düng eines Nuklearkrieges und zur
durch Abrüstungsfragen zu ergänzen,
wo sie noch gelagert sind, und den Abrüstung die Sympathien und die
die parallel zur Ausarbeitung solcher
Staaten, wo keine C-Waffen lagern, Unterstützung der Weltöffentlichkeit,
Maßnahmen wie dem allmählichen Ab­
deren Stationierung nicht zu gestatten. verändern die gesamte weltpolitische
bau der militärischen Aktivitäten, beson­
Die Minister behandelten eingehend Atmosphäre.
ders der beiden Militärbündnisse, der
prägen der Verwirklichung des Unlängst begannen in Wien, parallel
Benachrichtigung über selbständige
Programms für eine umfassende Reduzie­ zum KSZE-Nachfolgetreffen, Konsultatio­
Obungen der Luft- und der
rung der Streitkräfte und der konventio­ nen zwischen Vertretern von
Seestreifkräfte und der Erfassung der
nellen Rüstungen in Europa, das die 23 Staaten — der Mitgliedsländer des
Territorien aller KSZE-Staaten durch
Teilnehmerstaaten des Warschauer Ver­ Warschauer Vertrages und der NATO.
vertrauensbildende Maßnahmen zur
trages im Juni 1986 vorgelegt hatten. Ein Auftrag für künftige Verhandlungen
Schaffung eines militärischen Gleichge­
Bekanntlich verabschiedete damals die über eine Reduzierung der Streitkräfte
wichts auf möglichst niedrigem Stand
Budapester Tagung des PBA einen und der konventionellen Rüstungen vom
führen würden.
Appell an die NATO-Staaten und an alle Atlantik bis zum Ural wird erarbeitet.
europäischen Länder, in dem sie vor­ Wie die Außenminister ip Moskau Zur weiteren Entwicklung und Vertie­
schlug, innerhalb von ein bis zwei Jahren betonten, treten ihre Staaten für eine fung des gesamteuropäischen Prozesses
die Truppenstärke der Staaten der Senkung des militärischen Konfronta- tragen auch solche Aktionen der sozia­
gegenüberstehenden militärisch-poli­ tionsstandes in Europa ein, und zwar so, listischen Staaten bei, wie die Vor-'
tischen Bündnisse um 100 000 bis daß es die Maßnahmen zur Reduzierung Schläge für die Einberufung eines
150 000 Mann auf jeder Seite der Streitkräfte erlauben würden, die Wirtschaftsforums in Prag, einer Konfe­
abzubauen. Anfang der 90er Jahre hätte Möglichkeit eines Überraschungsangriffs renz über wissenschaftlich-technische
man dann in ganz Europa — vom Atlan­ wenn schon nicht vollständig auszu­ Zusammenarbeit in Bukarest und eines
tik bis zum Ural — die Landstreitkräfte schließen, dann doch zu verringern. Die ökologischen Forums sowie der Vor­
und die taktische Luftwaffe beider Verwirklichung der Vorschläge der DDR schlag der Sowjetunion, in Moskau eine
Bündnisse um 25 Prozent reduziert. So und der CSSR, der VR Bulgarien und der Konferenz zur Entwicklung der humanitä­
würde die Stärke der einander gegen­ SR Rumänien für die Schaffung von kern- ren Zusammenarbeit abzuhalten.
überstehenden Streitkräftegruppierungen und C-Waffen-freien Zonen in verschie- Die Außenminister der Bruderländer
in Europa um über eine Million Mann denen Regionen Europas könnte zu bekundeten so das Streben, alles zu tun,
verringert, wobei vor allem die Truppen­ einem wichtigen Beitrag zur Lösung damit das KSZE-Nachfolgetreffen in Wien
konzentration längs der Nahtlinie dieser Aufgabe werden. in konstruktivem Geist verläuft, damit
zwischen Warschauer Vertrag und NATO Besondere Aufmerksamkeit auf der seine Beschlüsse das neue Denken in
abgebaut würde. Tagung galt der Erörterung aller Aspekte internationalen Fragen demonstrieren
Dieses Programm wurde von der des gesamteuropäischen Prozesses und und die Festigung von Frieden und
europäischen Öffentlichkeit zustimmend der Erarbeitung eines solchen Kurses der Sicherheit, die Entwicklung der Zusam­
aufgenommen. Die führenden Kreise der verbündeten Länder bei dem Wiener menarbeit in Europa und in der ganzen
NATO aber schwiegen sich lange aus Treffen, der zu dessen erfolgreichem Welt fördern. Sie appellierten aus
und suchten einer Antwort unter dem Abschluß beitragen würde. Die sozia­ Moskau an alle Teilnehmerländer des
Vorwand, man müsse die weitreichenden listischen Länder meinen, bei einer Wiener Treffens, alle Anstrengungen zu
Vorschläge der sozialistischen Länder allseitigen Entwicklung könne der ge­ unternehmen, damit das Forum mit der
erst sorgsam prüfen,-auszuweichen. samteuropäische Prozeß zu einer Art Annahme bedeutungsvoller und ausge­
Offenbar hat die NATO bis heute Modell für ein System der umfassenden glichener Entscheidungen abgeschlossen
keine klare gemeinsame Position, die Sicherheit werden. Das ist unsere prinzi- wird.
"NEUE ZEIT" 14.87 5
NZ-UMFRAGE

B EK ® lDEMI ■ PÄDffl
ffil OE iE iffl ■

Stephen Rhinesmith: ihre Altersgefährten in der Sowjetunion


besuchen werden, bedeutend — von
1500 auf 4000 — zunehmen. Wir hoffen,

SIMPLE ANTWORTEN 6tBT ES M daß auch die Zahl der Sowjetbürger, die
in die USA
jungen Menschen,
reisen, insbesondere
zunehmen wird.
der

Stephen Rhinesmith ist Botschafter der USA, Koordinator des Präsidentenprogramms Natürlich haben wir nach wie vor
tur amerikanisch-sowjetischen Austausch. Differenzen über die Menschen­
rechtsproblematik, über Probleme der
Wie wird unsere Zukunft aussehen? fassend sagen: Die Frage der Stabilität
Emigration und andere Fragen, die mit
Wird ie ohne Kernwaffen sein? Frie- ist sehr eng sowohl mit der Wirtschaft als
einem freien Informationsfluß, mit dem
der, — das ist ein sehr komplizierter auch mit den Vorstellungen der

I
freien Austausch von Ideen und
Begriff, und simple Antworten gibt cs Menschen verbunden. Gerade in diesen
Menschen Zusammenhängen. Doch ich
hier nicht Die Frage einer kernwaf- Bereichen der amerikanisch-sowjetischen
möchte sagen, daß heute für private
te.tieien Weit hangt, wie ich meine, Beziehungen wird jetzt eine große
Organisationen der USA die Zusammen­
nicht nur von den USA und der UdSSR Arbeit geleistet.
arbeit mit der sowjetischen Seite viel
ab, sondern auch von vielen anderen In diesem Jahr werden mehr Künstler
leichter und einfacher geworden ist als
Landern und den Menschen, die dort als im Vorjahr aus den USA in die UdSSR
noch vor kurzem. Ich meine, daß die
LI* leben— obgleich sie natürlich in kommen, intensiver wird sich der Aus­
amerikanische Privatwirtschaft großes In­
großem Maße von den Beziehungen tausch von Fachleuten in verschiedenen
teresse an einer partnerschaftlichen Teil­
zwischen unseren beiden Machten ab- Bereichen der Wissenschaft und des
nahme bei jenen Veränderungen zeigt,
hungt. Es ist völlig klar, daß die Frage gesellschaftlichen Lebens gestalten, wird
die sich in Ihrem Land vollziehen. ■ |—|
des Vertrauens hier, wie man sagen die Zahl der amerikanischen Schüler, die
kann, erstrangige Bedeutung erlangt.
Wenn Menschen über Programme des
kulturellen Austauschs sprechen, dann Roddick B. Byers:
sind das im Grunde Versuche, als

r
>
Vc-bcdmgung
trauen zu
das
festigen,
Rustengskontroll- und Abrüstungsabkom­
gegenseitige
um Fortschritte
Ver­
bei EIN SCHONES ZIEL, M
men zu erzielen. Zweifellos wird der Roddick B. Byers ist Direktor des Zentrums für internationale und strategische
& Bereich der nationalen Sicherheit der Forschungen der Universität York (Kanada)
USA für uns stets primär sein. Doch wir
wollen so verfahren, daß dos Überleben Ich meine, eine kernwaffenfreie Welt denkt, aus wirtschaftlichen, politischen
der Menschheit nicht gefährdet wird. Das ist unmöglich. Das ist ein schönes Ziel, und technischen Gründen kaum realisier­

17 ist
Prozeß
ein langsamer
(ich meine
und
den
komplizierter
Weg zum
doch dabei ist zu berücksichtigen, daß
Ost und West nun schon über 40 Jahre
bar sein.
Als reale Grundlagen der inter­
Abschluß von Abkommen), zudem nicht Nuklearwaffen als Mittel zur Ge­ nationalen Stabilität würde ich zwei
nur für die USA und die UdSSR sondern währleistung der Sicherheit betrachten, Aspekte hervorheben. Erstens wären
auch für unsere Verbündeten, für die und angesichts der komplizierten Lage wir — damit meine ich die ganze Welt,
4
anderen Lander, die Zugang zu Nuklcar- glaube ich, daß sie auch in Zukunft so Ost und West — in einer vorteilhafteren
wafi'en haben: S c we-den gleichfalls die oder so Nuklearkräfte als Instrument der Lage, wenn wir ein Gleichgewicht der
entsprechenden Schlußfolgerungen zie­ Abschreckung ansehen werden. Zudem offensiven und der defensiven Kräfte zur
hen müssen. müssen wir berücksichtigen, daß außer Gewährleistung der strategischen Stabili­
Sei* vielen Jahren versuche ich den USA und der UdSSR auch andere tät erreichen könnten, wobei die Zahl
? Menschen die ihre e.gcnen Vorstellun­ Lander über Kernwaffen verfügen. der nuklearen Offensivwaffen bedeutend
gen von sich haben, zu helfen, jene, die Deshalb wird es wohl auch im Jahr zu verringern wäre. Diese Idee ist mit
sich von ihnen unterscheiden, besser zu 2000 noch Kernwaffen geben, die wir so wjeti sehen Sicherheits Vorstellungen
verstehe ’. Und ich me ne daß wenn sich aus Sicherheitserfordernissen beibchalten historisch vereinbar.
<3 e Me 'schcn nicht bemühen zu erken­ werden. Zugleich muß ihre Zahl bedeu- Und zweitens das Verhältnis von
Nuklear- und konventionellen Waffen.
AE nen, wie sc sich in die Vielfalt der ;j tend verringert werden. Reykjavik war
Diese Frage beunruhigt viele Europäer.
Kuit.’v . der pc • sehen und philoso- zwe (eisfrei em wichtiger Schritt in die
pi en Strömungen e nfugen, wenn s e : richtige Richtung. Es ist erforderlich, daß Dabei stimme ich Generalsekretär Gor­
ih-en Platz nicht bestimmen können, wir jI die Amerikaner und die Russen die batschow zu, der sagte, daß dieses
auch in Zukunft mi* Routine Chauvinis­ E'orteruna einer Reduzierung der Nu­ Problem im Kontext von Verhandlungen

mus und A’gwcnn konfrontiert werden. klearwaffen fortsetzen über eine europäische Abrüstung erör­

Es wird keine Stab, itat in de" Welt Was SDI angeht, so wird dieses tert werden müsse.

geben Desha O moch'e ich zusammen­ Projekt, w e es sich Präsident Reagan E


"NEUE ZEIT" 14.87
6
PAHOHAMA

CHINA

Erfolge

- ‘ <

Problenae

O IN PEKING IST DER VI.


NATIONALE VOLKSKON­
GRESS ZU SEINER 5. TA­
GUNG ZUSAMMENGETRETEN

Die Abgeordneten des


höchsten Organs der
Staatsmacht der VR China
erörtern den Bericht über die
Arbeit der Regierung im ver­
gangenen Jahr, den der amtie­
rende Generalsekretär des ZK
der KPCh und Premier des
Staatsrates der VR China, Zhao
Ziyang, verlas. Sie werden
den Plan für die ökonomische
und soziale Entwicklung ver­
abschieden und den
Staatshaushalt für 1987 bestäti­
gen. hrx
Auf der Tagung wurde be­
tont, daß China im vergange­
nen Jahr in seiner sozialökono­
mischen Entwicklung vorange­
kommen ist. Die
Volkswirtschaft entwickelte
sich insgesamt stabil. Die Brut­
toproduktion in Industrie und
Landwirtschaft stieg gegen­
über dem Vorjahr um 9,3
Prozent. 1986 wurden 391,09
Mio t Getreide eingebracht -
11,98 Mio t mehr als 1985. Die
Realeinkommen (unter Be­
rücksichtigung steigender
Preise für Bedarfsartikel und
Dienstleistungen) der Stadtbe­
wohner stiegen um 13 Prozent, „Wie schön! Es heißt, Gott habe die Welt in sechs Tagen erschaffen. Dafür kann ich
die der Bauern um 3,2 Pro­ sie in einem Augenblick zerstören!"
zent. Zeichnung: W. Arsenjew
Zugleich bleiben, wie auf
der Tagung betont wurde,
akute Probleme ungelöst. So
ist der Anteil der Investitionen und -oinnahmen konnten nicht und der Rentabilität arbeiten, Export große Bedeutung bei­
in den Bau von Schlüsselob­ ausgeglichen werden. zu verwandeln. gemessen. In dem Bericht war
jekten relativ gering. Im Die Wirtschaftsreform wird Auf der heutigen Etappe davon die Rede, wie wichtig
Staatshaushalt 1986 entstand (ortgeführt. Wie Zhao Ziyang wird der Ausweitung der es ist, ausländische Unterneh­
aus verschiedenen Gründen sagte, soll die Reform in den Außenwirtschaftsbeziehungen, mer zur Schaffung von Betrie­
ein Defizit von 7,08 Md. Yuan, Industriebetrieben vertieft einer effektiven Nutzung des ben, die auf chinesischem und
die Einzelhandelspreise eini­ werden, um sie in relativ Auslandskapitals, der moder­ ausländischem Kapital beru­
ger Waren kletterten eingcständige wirtschaftliche nen Technik und Technologie hen, in Zusammenarbeit oder
durchschnittlich um 6 Prozent, Einheiten, die nach den Prinzi­ sowie der verstärkten Heran­ ganz auf Auslandskapital ba­
die Devisenausgaben pien der Eigenfinanzierung ziehung von Devisen aus dem sierend, zu gewinnen.
"NEUE ZEIT" 14.87 1
PANORAMA

Zürn ide'-'og.sch-pcl • sehen unversöhnlicher Opposition


Barair L l r.r.’.tat irie Zhao Zi- zur dortigen Regierung der
-ja- k der A'Lc t ct r INDIEN Linksfront, die von der KPI(M) PERSISCHER
geleitet wird. Die Wähler
letzten Z/or.ate de den o-
<!■• I.c Stroniul.g der ‘'bx’gcr- unterstützen schon zum dritten
GOLF
lu her. Lil-eralis r rg' zu- Mal diese Front, die zwei
ru< krjc-garii.i n ist. Nichtsdesto­
weniger werden, um ihren
Regionail- Drittel der Mandate in der
gesetzgebenden Versammlung
I intluß zu beseitigen, noch errang.
nicht genüge Anstrengungen
erleide-.icl sein wählen In Kerala leitete der INC(I) Maim
die Regierungskoalilion eini­
im außenpolitischen ger lokaler Parteien. Bei den
schürt
Abschnitt des Bcr.chts he.2t
cs, daß die heutige Wc age
von jetzigen Wahlen errang die
Linke Demokratische Front un­
kompliziert bleibt und die ter Führung der KPI(M) eine Unruhe
Gefahr eines Krieges weiter
besteht. Doch die Stärkung
großer klare Mehrheit und kann so
die Regierung bilden.
der Friedenskräfte macht die O DAS PENTAGON SCHLUG
Erhaltung des Weltfriedens
durchaus möglich China wird
Bedeutung Die von dem INC(I) ge­
führte Koalition geriet in Ke­
EIN WEITERES MAL ALARM.
Der Anlaß: Angeblich hat
rala in einen üblen Ruf, ge­
auch weder eine eigenstän­ der Iran an der Straße von
dige und unabhängige Außen­ kennzeichnet durch Korrup­
O AM 23. MÄRZ FANDEN Hormus, die aus dem Ara­
politik verfolgen und sich um tion, lokale Engstirnigkeit und
IN DREI UNIONSSTAATEN bischen Meer in den Per­
die Wiedervereinigung der Fraktionskämpfe, was auch die
WAHLEN ZU DEN DORTIGEN sischer) Golf führt, Raketenbat­
Stimmung der Wähler be­

I
Heimat bemühen. Hierbei be­ GESETZGEBENDEN VER­ terien aufgestellt und kann
tonte Zhao Ziyang die Bedeu­ einflußte.
SAMMLUNGEN STATT. dort die .Schiffahrtswege sper­
tung des Abkommens
So verlor die Regie- ren. Genauere Angaben dar­
zwischen den Regierungen Diese Unionsstaaten sind
rungspartei des Landes in über, daß diese Batterien
der VR China und Portugals Dschammu und Kaschmir im
Südindien den letzten tatsächlich aufgebaut wurden
über Aomen (Macao). Norden,. Kerala im Süden und
Unionsstaat, in dem sie an der oder daß der Iran zumindest
VI Westbengalen im Osten. In
Macht war. Insgesamt werden über sie verfügt, besitzen die
Die winzige portugiesische
Oft diesen Unionsstaaten leben 60
jetzt in 9 von 24 Unionsstaaten USA nicht — das gestehen
Kolonie, wo auf nur Millionen Wähler — mehr als
15,5 Quadratkilometern die dortigen Regierungen Vertreter der US-Administra-
die Einwohnerzahl eines belie­
ca. 500 000 Chinesen und an nicht vom INC(I) geleitet. tion ein. Nichtsdestoweniger
bigen westeuropäischen Lan­
die 10 000 Portugiesen leben, erklärt Washington, in der
des. Ober 3000 Kandidaten Der Mißerfolg in Kerala
soll am 20. Dezember 1999 an Golfregion sei eine neue Be­
bewarben sich um die mehr kann sich ungünstig auf Rajiv
die VR China übergeben wer­ drohung entstanden.
als 500 Abgeordnetenmanda­ Gandhis Ansehen auswirken,
den — also zwei Jahre nach Also — klare Angaben gibt
te. Doch vor allem war es die der den Wahlkampf des INC
Übergabe der britischen Kron- es nicht, und iranische Rake­
erste Kraftprobe seit den sowohl in diesem Unionssfaat
Kolonie Xianggang tenstellungen, die die Straße
allgemeinen Wahlen von wie in den beiden anderen von Hormus bedrohen, wur­
r (Hongkong) mit ihren 6 Millio­
nen Einwohnern an China.
1984 zwischen dem regieren­
den Indischen National­
leitete. Sein nach wie vor den gleichfalls nicht ermittelt.
großes Ansehen vermochte Unzählige Bordgeschütze der
Entsprechend diesen Abkom­ kongreß (I) und der Opposi­ den Einfluß örtlicher Faktoren U. S. Navy aber sind bereits
men wird sowohl in tion. Damals, unmittelbar nach nicht zu neutralisieren. auf die Küste gerichtet — eine
Xianggang als auch in Aomen
der Ermordung Indira
nach ihrer Rückgabe an China ganze Armada von 18 Schiffen
Gandhis, errang der INC(l) Zugleich widerspiegeln Lo­
50 Jahre lang die heute dort unter dem Flugzeugträger
die überwiegende Mehrheit kalwahlen natürlich nicht un­
bestehende kapitalistische Ge- "Kitty Hawk”! Das ist eine
im Zentralparlament. Doch in bedingt die gesamtnafionale

:w sellschaHsordnung
henbleiben.
beste-
em.gen Unionsstaaten sind
nicht Kongreß-Vertreter an der
Lage der einen oder anderen
Partei. In den letzten Jahren
nicht imaginäre, sondern
durchaus reale Bedrohung für
die Schiffahrt im Persischen
D,e Tagung wird ein Gesetz Macht oder regieren nur mit hat man gesehen, daß, wenn
Golf und die Anrainerstaaten.
über die Bouernkomitees ver­ der Unterstützung lokaler Par­ es um gesamtstaatliche Offensichtlich ist die "ira­
abschieden. Bei der vor acht teien. Das gilt auch für die Probleme und die Außenpoli­
nische Bedrohung" nicht mehr
« Jahren eingeleiteten neuen drei besagten Unionsstaafen. tik geht, die Wähler meist für
als ein Vorwand für die USA,
Agrarreform waren die den INC(I) stimmen, da sie in
um sich in das Geschehen in
Volkskommunen, in denen die In Dschammu und Kaschmir ihm den Garanten für den Kurs der Region einzumischen und
administrative und regierte der INC(I) im Bündnis von Jawaharlal Nehru und die belebteste Olarterie der
wirtschaftliche Macht kon­ mit der lokalen islamischen Indira Gandhi sehen. So ge­ Welt unter Kontrolle zu brin­
zentriert war, beseitigt und Nationalkonferenz. Diese Al­ schah es auch diesmal. Am Tag gen. Diese Provokation hat
lianz siegte auch diesmal und des lokalen Urnengangs (an- ' Washington von langer Hand
die Amtsbezirke, die mit admi­
wird die Regierung bilden. den Nachwahlen zum Zentral­
nistrativen Rechten versehen vorbereitet. Bereits im Januar
wurden, w.ederhergestelit Die klerikal-chauvinistischen parlament statt. Alle drei Kan­ beklagte sich Ex-Verteidi­
und die anderen reaktionären didaten des INC(I) errangen
worden. D.e Bauernkomtces gungsminister James Schlesin­
Gruppierungen erlitten eine dabei einen eindeutigen Sieg. ger darüber, daß in der
cnts*anden dabei als Organe
AB der Selbstverwaltung. Ihr Sta­
schwere Schlappe. Ein solcher
Wahlausgang wird es erlau­
Lokale Leidenschaften hatten
den Wählern nicht den Blick
Golfregion bislang keine
tus soll jetzt gesetzlich veran­ US-Truppen stationiert sind. Er
ben, den Separatismus in die­ auf gesamtnafionale Prioritäten
kert werden. verlangte Abhilfe, indem zwei
sem grenznahen Umcnsstaat versperrt.
Flugzeugträgervcrbände
Die Tagung des Nationalen wie im benachbarten Punjab
Dutzende Kriegsschiffe mit
V. xskongresses. die am 25. erfolgreich zu bekämpfen. L. SHEGALOW
Kampfflugzeugen an Bord - in
Marz begann wird ihre Arbeit NZ-Korrcspondent
In W'estbengalcn steht der den Persischen Golf entsandt
am 16. April beenden.
!NC(!) sehen seit langem in Delhi werden.
M. JAKOWLEW
"NEUE ZEIT" 14.87
6
PANORAMA
ii

Schlesingers Offenbarungen Unter dem Druck der Welt­ Nach 12 Jahren Emigration
könnte man als Rückfall in die öffentlichkeit mußte Pinochet beschloß er, illegal in die
Kriegspsychose abtun, wenn CHILE zwei Jahre später das Lager Heimat zurückzukehren. Einige
sie sich nicht auf Erklärungen schließen und diese Gruppe Stunden nach Almeydas
von Vertretern der Administra­ von Häftlingen freilassen. Sie Eintreffen in Chile mußte er
tion stützen würden, sie sei alle wurden des Landes ver­ vor Gericht treten. Vor dem
bereit, ihre strategischen In­ Chile-Chico wiesen — wie weitere Gerichtsgebäude hatten sich
teressen in der Golfregion Zehntausende Chilenen. Viele Tausende von Chilenen ver­
zu sichern. Hierbei wurde auf emigrierten selbst, um ihr sammelt, um den Patrioten zu
eine "gewisse Macht" ange­ Leben zu retten. Andere (es begrüßen. Der Richter ließ
spielt, die angeblich jeden O AM 26. MÄRZ WURDE sind Hunderttausende), Opfer Almeyda auf freien Fuß und
Augenblick die Olfelder der DER GENERALSEKRETÄR DER der Wirtschaftskrise, verließen erlaubte ihm, in Santiago zu
Golfregion unter ihre SOZIALISTISCHEN PARTEI die Heimat auf Suche nach leben. Selbst rechte Gruppie­
Kontrolle bringen, ja die in CHILES, CLODOMIRO Arbeit. rungen, die sich nicht gegen
den Golfstaaten bestehende die Diktatur wenden, un-
politische Ordnung verändern terstützten diesen Beschluß,
könne. Doch was bedeutet Ge-
Doch die Einschüchterung setzlichkeit für Pinochet? Er
der Golfstaaten durch eine persönlich befahl, den
nichtexistente Bedrohung aus Minister zu verhaften und für
dem Norden ruft entgegen 90 Tage nach Chile-Chico zu
Washingtons Wunsch bei den verbannen. Dort wurde er
Völkern der Region keine unter strenge Polizeiaufsicht
Panik hervor. Dort versteht gestellt (zweimal täglich muß
man Kommentaren der einhei­ er sich in einer Kaserne
mischen Presse zufolge, daß es melden).
sich um falschen Alarm handelt Das Telefon unter der Num­
und dabei schon viele Jahre mer 288 in Chile-Chico, wo
nur das Ziel verfolgt wird, den sich Clodomiro Almeyda be­
an der Küste des Persischen findet, läutet ununterbrochen.
Golfs gelegenen arabischen In der vergangenen Woche
Staaten US-Militärstützpunkte wurde sogar — was beispiel­
aufzuzwingen. Den amerika­ los istl — aus Moskau angeru­
nischen Militaristen gelang es fen. Aus der sowjetischen
nicht, sich in der Region Hauptstadt konnte ich mit
festzusetzen. Und so gehen sie diesem Mann sprechen, der
eben, da man sie nicht durch beispielhaften Mut und
die Tür läßt, durchs Fenster. enorme Standhaftigkeit de-
Das Pentagon stellt ungebeten monstriert. Obgleich die Ver­
Wachposten an den Zugän­ bindung schlecht, das Ge­
gen zum Persischen Golf, in spräch kurz und zudem un­
Demonstranten protestieren gegen die Menschenrechtsverletzun­
der Straße von Hormus, auf. terbrochen war, konnten wir
gen in Chile
Überdies sind die USA der doch Clodomiro Almeydas
Foto: AFP-TASS
"New York Post" zufolge Worte hören: "Ich möchte
bereit, einen Schlag gegen meine Genugtuung über die
den Iran unter dem Vorwand ALMEYDA, IN DEN Nach Schätzungen der ka­ Rückkehr in die Heimat zum
der "Verteidigung der Schif­ ÄUSSERSTEN SODEN DES tholischen Kirche Chiles leben Ausdruck bringen... Wenn ich
fahrt" in der Golfregion zu LANDES NACH CHILE-CHICO heute nicht weniger als eine auch auf Beschluß des Regimes
führen. Gestützt auf offizielle VERBANNT. Million Chilenen in vielen nach Chile-Chico verbannt
Vertreter der U.S. Navy, Seit ihrem Bestehen er­ Ländern Lateinamerikas und wurde, so bin ich doch
schreibt die Zeitung, der Flug­ reichten diese Ortschaft nicht Europas im Exil — und das bei unendlich froh, daß ich erneut
zeugträger "Kitty Hawk" habe so viele Anrufe aus aller Welt einer Gesamtbevölkerung von mit meinem Volk und in
bereits Gefechtsstellung bezo­ wie dieser Tage. Das kleine nicht mehr als 11 Millionen. meinem Land lebe — zwölf
gen. Und erst vor relativ Fernsprechamt konnte nur mit Jahre nach der Ausweisung."
kurzer Zeit antwortete Penta­ Müh und Not rund um die Uhr Die Emigranten kämpfen Almeyda dankte allen, die in
gon-Sprecher R. Sims auf die Gespräche vermitteln, die schon viele Jahre für die Chile und im Ausland ihre
Bitten von Journalisten, Mel­ pausenlos nicht nur aus San­ Anerkennung ihres Rechts auf Solidarität mit ihm bekundeten
dungen zu kommentieren, der tiago und anderen chile­ Heimat. Diese Forderung fin­ und äußerte die Gewißheit,
Flugzeugträger bewege sich nischen Städten, sondern auch det ein großes Echo selbst in daß der mutige Kampf des
auf den Persischen Golf aus Buenos Aires, Madrid, Kreisen, die der regierenden chilenischen Volkes letztlich
zu. "Ich weiß nicht, welchen Paris und Berlin eingingen... Junta nahestehen. Deshalb zur Wiederherstellung der De­
Kurs die 'Kitty Hawk' steuert." Clodomiro Almeyda war mußte Pinochet einige Zuge­ mokratie führen werde.
Möglicherweise hat Sims Außenminister in Salvador Al­ ständnisse machen. In den Ober 400 politische
durch seine "Unwissenheit" lendes Regierung der Unidad letzten Jahren durften viele Häftlinge in chilenischen Ge­
jemanden ins Bockshorn ge­ Populär. Nach dem Militär­ Ausgewiesene zurückkehren. fängnissen sind in den Hun­
jagt. Doch sehr schnell schon putsch von 1973 wurde er Doch bislang stehen noch gerstreik getreten. Almeydas
wurde für Klarheit gesorgt. verhaftet und zusammen mit ca. 2000 Emigranten, die der Rückkehr trotz Pinochets Ver­
Heute ist deutlich, daß das anderen Ministern und führen­ Diktator als "Gefahr für die bot hat den Patrioten Chiles,
Weiße Haus durch die Entsen­ den Politikern (darunter auch nationale Sicherheit" be­ allen Kämpfern gegen die
dung einer Armada in den dem Generalsekretär der KP trachtet, auf der schwarzen faschistische Diktatur neue
Persischen Golf Kurs auf die Chiles, Luis Corvalan) in ein Liste. Unter denjenigen, denen Kraft gegeben.
Destabilisierung der Lage in KZ auf der menschenleeren mit dieser Begründung die
der Region genommen hat. Insel Dawson im Süden der Rückkehr verweigert wurde, Jose Miguel VARAS
KAPRALOW Magellanstraße verbannt. war auch Clodomiro Almeyda. chilenischer Journalist

"NEUE ZEIT" 14.87 9


MATO

Verzicht auf die Teilnahme an der

Verwirraw
Militarisierung des Weltraums die Ver­
wirklichung der Star-War-Pläne ernsthaft
behindern. Nach allem zu urteilen, hält
man in Washington so etwas jedoch für

in Brüssel
wenig wahrscheinlich: Das Geschrei
werde sich legen, und die werden - im
Namen der atlantischen Solidarität - klein
beigeben. Schließlich sei das schon
immer so gewesen.
Man nehme den SALT-II-Vertrag. Auf
der Frühjahrstagung des NATO-Rates
oder die atlantische Diskussion über "Sternenkriege", 1986 löste die Absicht, gegen die vom
kernwaffenfreie Perspektiven und konvenfionellle Rüstung Vertrag auferlegten Beschränkungen zu
verstoßen, eine für die Washingtoner
Administration wenig erfreuliche Polemik
aus. Ein halbes Jahr später, auf der
„In der Nordatlantikur.ion schwirrt es Die NATO-Länder mögen zu Ein­ v/interlichen Ratstagung, die kaum zwei
wie in einem aufgestörten Wespennest”, zelproblemen unterschiedliche Meinun­ Wochen nach dem Verstoß der USA
sagte ein westlicher Kollege über die gen vertreten. Aber das Ergebnis der. gegen die „Limits" von SALT II stattfand,
gegenwärtige Situation im atlantischen Diskussionen läuft in der stand diese Frage schon im Hintergrund.
NATO-Hauptquartier Da; geht schon seit Regel auf die Unterstützung der US-Posi- Nach einer Serie amerikanischer „Erläu­
Monaten sc. Zuerst die Reaktion auf tion hinaus. Washington ist es so terungen" und „Konsultationen" ver­

I
Reykjavik und die dort erörterte Idee gewöhnt, und die Juniorpartner hätten schoben einige westeuropäische Spitzen­
der Beseitigung von Kernwaffen. Dann über seine gereizte Reaktion auf ihre politiker die Akzente. Nun redeten sie
auf den Bruch der US-Administration mit Kritik eigentlich nicht staunen sollen, davon, beide Seiten hätten SALT II
den SALT-I I-Bestiinmungcn. Die Erörte­ zumal ihre eigene Haltung gegenüber einzuhalten. Einige von ihnen schrieben
rung einer eventuellen Reduzierung der
konventionellen Waffen verlief stürmisch.
»*1
Kaum hatten sich diese Leidenschaften
0« gelegt, da entzündeten sich neue. Zwei
Themen kamen an die Tagesordnung.
Washington ging daran, die Pläne der
Stationierung der ersten SDI-Staffel zu
besprechen und den ABM-Vertrag die­
sen Planen anzupassen. Moskau kam
dem Weslcn entgegen und erklärte sich
bereit, dos eurostrategische Problem
gesondert zu lösen.

Über „Sternenkriege
Die US-Versuche, den Waffen den
Weg in den Weltraum zu ebnen,
beunruhigten die Westeuropäer. Wie
KJ die Wochenschrift „NATO Report"
schrieb, befurchte man hier, daß „die Caspar Weinberger (I.) und Lord Carrington. Worüber sinnieren der Pentagon-Chef
Ausfälle gegen den ABM-Vertrag und und der NATO-Generalsekretäri Was können sie den Initiativen aus Moskau außer
eine frühe SDI-Entfa'tung den Vertrag der leeren Handfläche anbieten!
leibst und die Hoffnungen auf neue Foto aus „NATO Review" (Belgien)
5 Abkommen unterminieren“. Laut Presse­
meldungen verwiesen der Bundesaußen­
minister Genscher, sein belgischer SDI inkonsequent und widersprüchlich der UdSSR sogar Verstöße zu - die
Amtskoi ege Tindemans und andere ist. Bekanntlich war die erste Reaktion USA hatten es ihnen vorgemacht. Aber
Washington darauf, daß die der westeuropäischen Spitzenpolitiker die Haltlosigkeit solcher Vorwürfe liegt
SDI-Forschungen nicht über den Rahmen auf die amerikanischen Star-War-Pläne auf der Hand.
h.nausgehen dürfen, den der ABM-Ver­ negativ. In den letzten Februartagen waren
trag in seiner üblichen Interpretation Paul Nitze und Richard Perle in Europa
Dann begannen Rückzieher. Großbri­
fcs'icgt. Krit k nö’te man aus Amsterdam, und besuchten auch die NATO-Resi-
tannien, dio BRD und Italien schlossen
London, Rem und anderen Hauptstädten. denz. Washington schickte sie auf die
sich SDI offizic'l an. Andere Länder,
AB. D e ursprünglichen Versuche, die „in
z. B. Frankreich, erklärten, keine Ein­
Reise, um sozusagen nicht gegen die
Panik gera’cr.en Partner ziirech*zuwei- Anstandsrcgeln zu verstoßen und sich
wände gegen eine Teilnahme der natio­ mit seinen Partnern zu „beraten" zu
sen oder c nfach zu überhören, lösten
nalen Firmen an diesem Unternehmen zu haben. Genauso wie seinerzeit über
die Spannungen nicht. NATC-General-
haben. SALT II. Nach diesen Konsultationen
lekretär Ca- ngfon nch'ete e ne aberma­
lige Forderung an Wash ngton, keine Wie werden s ch die Westeuropäer traten jedoch in der US-Position keine
Entscheidungen zu treffen ohne seine weiter verhalten? Angesichts der Gesin­ grundsätzlichen Veränderungen ein. Nur
Bundmspartr er zu Ra‘e gezogen zu nung im US-Kc.ngre3 könnten eine feste daß Washingtons polemischer Ton viel­
haben. Haltung der Bündnispartner und ihr leicht weniger scharf wurde.

10 "NEUE ZEIT" 14.87


Rüstungen. Im Prinzip waren sie mit dem
Über kernwaffenfreie• gehört die Behauptung, der Warschauer
Vertrag habe eine mehrfache Überlegen­ Vorschlag der UdSSR und ihrer Verbün­
II Perspektiven heit bei den konventionellen Waffen. deten einverstanden, die Erörterung des
Reykjavik war für die atlantische Ge­ Zieht man alle Faktoren - den qualitati­ Problems der konventionellen Rüstungen
meinschaft besonders strapaziös. Die ven und quantitativen Aspekt der kon­ in Europa vom Atlantik bis zum Ural
Perspektive einer kernwaffenfreien Welt ventionellen Rüstungen, die (vorläufig aufzunehmen. Die Brüsseler Deklaration
mißfiel nicht nur im Hauptquartier des ausgeklammerten) Rüstungspotentiale entstand in heftigen Diskussionen und
Obersten Befehlshabers der Vereinten Frankreichs und Spaniens - in Betracht, fiel sehr mager aus. Das fällt
NATO-Streitkräffe Europa, sondern auch so sieht man, daß die Kräfte annähernd besonders auf, wenn man dieses Doku­
vielen Politikern. Im Ergebnis rückte der gleich sind. Im vorigen Jahr erklärte ment mit dem Budapester Appell des
Westen von den Positionen, die in der George Shultz z. B.: „Wenn ich höre, in Warschauer Vertrages vom Juni
isländischen Hauptstadt erreicht wurden, einer kernwaffenfreien Welf werde man 1986 vergleicht.
ab. Aus der Haltung der amerikanischen uns bei den Kräften allgemeiner Bestim­ Die sozialistischen Länder haben ein
und westeuropäischen Führung ging mung überholen, nehme ich das einfach Programm für einen radikalen Abbau von
hervor, daß sie nicht dazu bereit war, nicht ab." Vor kurzem sprach Senator Truppen und Rüstungen in Europa
Kernwaffen bis zum Ende dieses Jahrhun­ Pell, der dem Auswärtigen Ausschuß des unterbreitet. So schlagen sie vor, die
derts zu vernichten. Die NATO gibt der Senats vorsteht, einen ähnlichen Gedan­ einander gegenüberstehenden Mili­
50prozentigen Reduzierung der sowje­ ken aus. Und die maßgebliche Brookings tärgruppierungen um mehr als eine
tischen und der amerikanischen strate­ Institution zog den Schluß: Das Ver­ Million Mann zu vermindern. Die Brüsse­
gischen Arsenale den Vorrang. hältnis zwischen Warschauer Pakt und ler Deklaration dagegen weist, von der
Daß man dort die nuklearen Keller NATO im Bereich der konventionellen Bereitschaft zu Verhandlungen über
unseres Planeten nicht räumen will, hat Kräfte ist nicht nur paritätisch, sondern Verhandlungen (der Meinungsaustausch
mehrere Gründe. Die atlantischen Exper­ zeige sogar einen gewissen Oberhang zu dieser Frage hat am 17. Februar in
ten meinen, es seien die Kernwaffen, die zugunsten des Westens. Wien begonnen) und von der Wieder­
„West und Ost 40 Jahre Frieden Die Frage nach einer „Disharmonie" holung der alten Grundsätze der
gesichert" haben. der Rüstungspotentiale der USA und westlichen Seite abgesehen, nichts auf.
Eine Entnuklearisierung Europas Westeuropas wurde auf der im Winter Seitdem ist die westliche Position nicht
erscheint ihnen unrealistisch. Die „Null- abgehaltenen NATO-Ratstagung im Rah­ konkreter oder konstruktiver geworden.
Option", die ja ursprünglich von der men einer Pressekonferenz gestellt. In Auf dem Wiener Nachfolgetreffen der
NATO kam, wird abgelehnt. Warum? seiner Antwort sagte Lord Carrington, KSZE-Staaten sprachen die Delegierten
Weil die Beseitigung der sowjetischen dieses Problem beunruhige ihn nicht, Renard (Frankreich) und Zimmerman
und amerikanischen Raketen für den „die Präsenz von mehr als 300 000 (USA) von künftigen Verhandlungen als
Westen unvorteilhaft sei. In diesem Fall US-Soldaten in Europa ist ein anschau­ einem Forum, dessen Aufgabe nicht
werde er die „erdrückende Übermacht" licher Beweis besagter Harmonie". Abbau von Truppen und konventionellen
der UdSSR bei Raketen mit einer Viele wagen es nicht, gegen die Rüstungen sei, sondern die Erzielung
Reichweite von weniger als 1000 km populäre Idee der Beseitigung von einer „konventionellen" Stabilität. Der
durch nichts wettmachen können, und Euroraketen aufzutreten, und versuchen schon erwähnte „NATO Report" sieht
bei den konventionellen Rüstungen indirekt abzublocken. Neuerdings wird das so: „Einige NATO-Länder wünschen
drohe ihm eine nicht weniger „ge­ das Problem der Kontrolle aufgebauscht. ihr Verteidigungspotential nicht als Ge­
fährliche Disparität". Außerdem würde Die westliche Presse meldet: Die USA genleistung für eine Reduzierung beim
der Abzug der amerikanischen Eurorake­ hätten die Absicht, der UdSSR notorisch Warschauer Vertrag zu reduzieren."
ten die Rüstungspotentiale der USA und unannehmbare Methoden zur Verifika­ Versuche werden unternommen, die
Westeuropas auseinanderbringen und tion des Abkommens über die Beseiti­ Notwendigkeit einer einschneidenden
die Alte Welt nahezu wehrlos machen. gung der Euroraketen vorzuschlagen. Reduzierung der europäischen konven­
Der griechische Premierminister Pa­ Aber diese diplomatische List ist ein tionellen Potentiale in Zweifel zu ziehen.
pandreou nannte solche Argumente in Bumerang. Kaum ein US-Bündnispartner Ein anschauliches Beispiel ist die Rede,
einer Rede vor dem Parlament Mitte ist für den Gedanken einer Super­ die Stephen Ledogar, Ständiger amtie­
Februar haltlos. Das stimmt. Wir wollen kontrolle zu begeistern. Wie „Nouvelles render Vertreter der USA bei der NATO,
das am Beispiel der Kurzstreckenraketen atlantiques" schreibt, verstünden die im Februar vor Reservisten hielt. Die
(Reichweite nicht über 1000 km) veran­ Westeuropäer, daß es zu einer Verein­ UdSSR wolle die Verhandlungen über
schaulichen. In Reykjavik schlug die barung nur auf gegenseitiger Grundlage die konventionellen Waffen benutzen,
UdSSR vor, gleich nach Beseitigung der kommen könne, und so gäben sie zu um zwischen die USA und ihre euro­
Euroraketen diese Waffen quantitativ verstehen, daß es „ihnen schwerfallen päischen Partner einen Keil zu treiben.
einzufrieren und sofort über ihr weiteres wird, in eine Inspektion durch sowje­ Im Grunde verlangte er eine einseitige
Schicksal zu verhandeln. In seiner tische Kontrolleure einzuwilligen". „Le Abrüstung der UdSSR: „Angesichts der
Erklärung vom 28. Februar kam Michail Soir" schrieb, daß der belgische Premier­ militärischen Situation in Europa ist die
Gorbatschow dem Westen einen weite­ minister Martens der Aussicht, auf Reduzierung überwiegend auf seifen der
ren Schritt entgegen. Nach Abschluß belgischem Boden sowjetischen Offizie­ sowjetischen Kräfte vorzunehmen."
eines Abkommens über die Beseitigung ren zu begegnen, nichts Erfreuliches Ähnlich äußerte sich vor kurzem der
der sowjetischen und der amerikanischen abzugewinnen vermöge. Ein solcher bundesdeutsche Verteidigungsminister
Mittelstreckenraketen aus Europa werde Schritt würde, schließt die Zeitung, Wörner. Da der Warschauer Vertrag
die UdSSR ihre operativ-taktischen Rake­ „auch der nationalen Gesetzgebung „eine riesige Übermacht" bei der Trup­
ten erhöhter Reichweite aus der DDR widersprechen, der zufolge Belgien nur penstärke und den konventionellen
und der CSSR abziehen. Im Hinblick auf für NATO-Militärangchörige offen ist". Rüstungen habe, müsse er auch größere
die anderen Nuklearraketen sei die Anstrengungen unternehmen. Gleiche
UdSSR bereit, sofort in Verhandlungen oder nur etwas asymmetrische Reduzie­
zu treten, um auch sie zu reduzieren und Über die konventionelle rungen würden die NATO nicht befriedi­
vollends zu beseitigen. Das dürfte klar
Rüstung gen.
genug formuliert sein. Inzwischen ver­ Mal sehen, ob im gegenwärtigen Streit
klausulieren die NATO-Polifiker das innerhalb der NATO die Wahrheit
Ganze immer mehr. Auf ihrer Brüsseler Konferenz im geboren wird.
Einst sagte Disraeli: „Auf der Welt Dezember beschlossen die Außenmi­
W. BOIKOW
bestehen Lügen, gemeine Lügen und nister der NATO-Länder eine Deklaration
Statistiken." Zu solcherlei Statistiken über die Kontrolle der konventionellen Brüssel
"NEUE ZEIT" 14.87 1 1
BETRACHTUNGEN

„Überlaßt
die Sterne
den Verliebten
Adolfo Perez ESQUIVEL
Friedensnobelpreisträger (Argentinien)

Zeichnung von S. Krasauskas

I
ich werde oft gefragt, wie ich mir die und ein Lied sangen, das sie extra für merikas, sechseinhalb Millionen
Zukunft vorstelle, ob ich nicht ein wenig dieses Ereignis gemacht hatten. Darin Menschen hungern? Natürlich nicht, das
drauflosphantasieren wolle. Phantasie ist hieß es: "Reagan, überlaß die Sterne den Ergebnis ist einkalkulierf in den Plan, die
jedoch hierbei nicht nötig. Schon im Verliebten!" Die jungen italienischen Länder Lateinamerikas dem Imperialis­
Heute erkennen wir die Zukunft. Wie sie Männer und Frauen sangen nicht von mus zu unterwerfen.
dann aussieht, hangt davon ab, was wir zwei Verliebten unter Sternen, sondern In Argentinien hat die Militärdiktatur
heute machen. Deshalb möchte ich von allen Menschen, die ihr Leben ganze Arbeit geleistet, als sie diesen
davon sprechen, was ich heute sehe. lieben, von der Japanerin auch, der die Plan verwirklichte. Auf Empfehlung der
Ich komme gerade von einer längeren Atombombe die Liebe geraubt hafte... berüchtigten Wirtschaftsschule Milton
Auslandsreise zurück und habe eine Als sie "Reagan, überlaß die Sterne den Friedmans in Chicago hat sie ein
Unmenge von Eindrücken und Begeg­ Verhebtenl" sangen, wollten sie ihm ökonomisches Modell übernommen, das
nungen hinter mir. Manch unaus­ sagen: "Laß die Menschen am Leben. sich nur für ausländische Monopolisten
löschlicher Augenblick, wie etwa, als ich Nimm ihnen nicht ihre Liebel" und das einheimische Großkapital ren­
in Athen mit einer älteren Japanerin Diese Italiener in Milano waren genau so tierte. Ein Argentinier, Wirtschaftsmi­
sprach, die Hiroshima überlebt hat. Sie alt, wie die Japanerin damals, als die nister Jose Alfredo Martinez de Hoz,
sagte, daß die Explosion der Atom­ Bombe in Hiroshima explodierte. Wir Kreatur internationaler Banken, setzte
bombe ihr Leben verkrüppelt hat, ihr die können also aus der Gegenwart heraus diese Empfehlungen um. Grausame Ver­
[ Möglichkeit genommen hat, normal mit
Menschen zu verkehren, eine Familie zu
einen Blick in die nicht allzu ferne
Zukunft werfen, wenn wir uns die
brechen und empörende Menschen­
rechtsverletzungen wurden damals in
haben, Kinder zu bekommen. Die Bombe entsetzlichsten Annalen der Vergangen­ Argentinien nicht etwa deshalb verübt,
beraubte sie ihres Rechts auf Liebe. heit vergegenwärtigen. weil eine Handvoll amoklaufender Gene­
Mir scheint, diese Frau hat das Wesen So kann es in Zukunft aussehen, wenn rale die Macht hatte, sondern DIE
der Situation, wie sie heute in der Welt wir nicht hier und heute entschieden brauchten den Terror, um die Arbeiter­
besteht, zur Sprache gebracht. Ihr handeln. bewegung kaputt zu machen. Massen­
Schicksal wird unser Schicksal sein, wenn Ich möchte noch auf etwas anderes zu organisationen zu liquidieren und den
die Atomkatastrophe eintritt. sprechen kommen, auf die lautlose Argentiniern die Fähigkeit zu nehmen,
Katastrophe, wie ich sie nenne. Sie tötet klar zu denken, um dann ungestört dem
Ais das Treffen zwischen Gorbatschow
bereits heute, so, als würden mehrere Land IHRE Wirtschaftspolitik aufzuzwin­
und Reagan in Reykjavik ergebnislos zu
Hiroshima-Bomben detonieren. Diese Ka­ gen. Der von den Militärs ersonnene
Ende ging, weil der US-Prästdent sich
tastrophe heißt Hunger und Armut. Jeden "Prozeß der nationalen Wiedergeburt"
nicht von SDI trennen wollte, fand in Tag sind Millionen Lateinamerikaner mit hat Argentinien um 40 Jahre zurückge­
Milano eine Friedenskundgebung von ihr konfrontiert. worfen. Die Produktion nahm rapide ab,
Jugendlichen statt. Ich erinnere mich, die sozialen Konflikte spitzten sich
wie siebzigtausend junge Italiener sich Die Menschen, mif denen ich mich in
zu. Um ihre Position zu festigen, fingen
auf einem riesigen Platz versammelten Europa unterhielt, waren überwiegend in
die Militärs den Krieg auf den Malwinen
Sorge über die Gefahr eines Atomkrie­
an. Die Vereinigten Staaten jedoch, die
ges. Sie haben auch allen Grund dazu,
sich sonst so gern auf den Inneramerika­
schließlich leben sie in einem Atomrake­
nischen Vertrag über gegenseitigen
tenwald. Diese Raketen sind eine direkte
Der Argentinier Adolfo Perez Esquive! Beistand berufen, versagten Argentinien
Bedrohung für das menschliche Leben
ist Bildhauer und Architekt. Er ist diesen Beistand und halfen ihrem
auf der Erde.
bekannt dafür, daß er o‘:entlich Partei NATO-Partner Großbritannien.
ergra bt für Fr eden und Menschenrechte. In Lateinamerika stehen andere Sor­ Die von Pentagon-Beratern in die
1980 wurde er mit dem Friedensno- gen an erster Stelle. Unsere Völker Streitkräfte der lateinamerikanischen Län­
be!prc s ausgezeichnet. Er leitet die werden immer weiter über die Ar­ der hineingetragene "Nationale Sicher­
lateinemerikan sehe Crga-msaf an "Frie­ heitsdoktrin" bricht zusammen. Sie führt
mutsgrenze geschoben. Die Existenz, das
den und Gerecht gkeit '. Ende der 70er
Überleben ganzer Nationen stehen auf alle Konflikte in der Welt auf die Ost-
Jahre als die M *ars in Argentinien d e
der Kippe. Ist es etwa ein Zufall, daß in West-Konfrontation zwischen UdSSR und
Macht ergr ;;en, verbrachte er 14 Monate
Argentinien, dem reichsten Land Lateina- USA zurück. Natürlich hat man uns
een Folterkc .e'n der Junta
11 "NEUE ZEIT" 14.87
eingetrichtert, daß die Sowjetunion unser Nehmen wir zum Beispiel die Aus- zerne verkauft werden. Das ist noch ein
Hauptfeind ist. Tatsächlich aber ver- landsschulden Lateinamerikas. Warum Schlag gegen die nationale Unabhängig­
suchen die Vereinigten Staaten, unsere kann er sich eigentlich nicht mit anderen keit. Ratenzahlung verwandelt sich in
Länder zu unterdrücken und auszu- lateinamerikanischen Ländern systematische, moderne Sklaverei.
beuten. absprechen über gemeinsame Aktionen Ich möchte an den Ausgangspunkt
Auf Bitten des UNO-Generalsekretärs und gemeinsame Positionen gegenüber meiner Überlegungen zurückkommen,
beteiligte ich mich letztes Jahr an der den Kreditgebern? zur Präge des Friedens und wie wir uns
Arbeit einer Kommission zu Problemen der nuklearen Gefahr entledigen können.
Südafrikas, Namibias und zur Funktion In Argentinien, wo es nicht genug Genau so, wie die Zukunft in der
der multinationalen Konzerne in dieser Lebensmittel gibt, um die Hungernden Gegenwart erkennbar ist, reflektiert auch
Region. Wir trafen mit allen interessier­ zu ernähren, wo es an Geld für die die Vergangenheit unser Heute. Was will
ten Seiten zusammen, von der Süd­ Verbesserung der medizinischen Versor­ man nicht alles für die Verhinderung des
westafrikanischen Volksorganisation Na­ gung, für die Entwicklung von Industrie zweiten Weltkrieges getan haben. Man
mibias (SWAPO) bis zum Verband der und Landwirtschaft und für neue Ar­ sollte zugeben, daß wenig getan wurde.
Südafrikanischen Handelskammern. Wir beitsplätze mangelt, werden das von der Sehen wir uns einmal an, was heute
sprachen mit Vertretern des Internationa­ Nation erwirtschaftete Vermögen und passiert: Die Sowjetunion ist mit einer
len Währungsfonds (IWF). Die Informa­ neue Kredite aus dem Ausland praktisch Initiative hervorgetreten, über die wir
tionen, die ich dabei erhielt, zwangen nur darauf verwendet, die Schuldenzin­ uns alle freuen, als sie Kernwaffentests
mich, vieles, was in Südafrika passiert, sen abzuzahlen. Wohlgemerkt, nicht die auf einseitiger Grundlage einstellte und
mit anderen Augen zu sehen. Ich begriff, ursprünglichen Kredite, sondern Zinsen ihr Moratorium fünfmal verlängerte. Ober
daß die multinationalen Konzerne die und Zinseszinsen. Wir wissen anderer­ anderthalb Jahre dauerte der Teststopp.
einzelnen Staaten schon längst unter ihre seits, daß 60 % unserer Schulden durch Die USA folgten ihrem Beispiel nicht,
Gewalt gebracht haben und daß die ungesetzliche Finanzmanipulationen zu- obwohl allen klar ist, daß die Ver­
Interessen der Völker keinerlei Bedeu­ standegekommen sind. In Argentinien vollkommnung und Hortung von Atom­
tung für sie haben. Wenn man gefragt leben heute zahllose vagabundierende waffen das Kriegsrisiko vergrößert und
wird, warum sich bis heute das Kinder, aber der IWF bringt seine die Gefahr für den Frieden wächst. Kein
Apartheidregime in Südafrika halten Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß Staat kann mehr seine Sicherheit rpit
konnte, ist die Antwort recht einfach. Argentinien seine Kreditzinsen abzahlt. Waffen garantieren.
Dort operieren schließlich multinationale Und die Rüstungsausgaben? Die Ent­ Auch die Haltung Frankreichs trägt
Konzerne, und die stützen das Regime. wicklungsländer kaufen 70 % aller in der nicht dazu bei, die Spannung zu
Mit amerikanischem, britischem, mit Welf produzierten konventionellen Waf­ verringern. Paris setzt seine Atomwaffen­
westdeutschem Kapital... Um so mehr, als fen. Auch Argentinien, Brasilien und tests auf dem Muroroa-Atoll im Stillen
in Südafrika der größte Teil des Goldes Uruguay vergeuden nicht gerade wenig Ozean fort. Wir sprachen schon über
auf der Welt gefördert wird. Mittel für die Rüstung... Man sieht also, den Waffenhandel. Die größten Waf­
Ich komme zu dem Schluß, daß die wo das Geld für die notwendige fenproduzenten sind bekanntlich die
Repräsentanten von Entwicklungsländern sozi'alökonomische Entwicklung bleibt. Vereinigten Staaten und dje Sowjet­
viel mehr Aufmerksamkeit auf die Bezie­ Die meiner Meinung nach inkonse­ union. Die anderen, die entgegen allen
hungen zwischen unseren Ländern ver­ quente Politik Argentiniens und Brasi­ UNO-Resolutionen Waffen an Südafrika
wenden sollten, zwischen Lateinamerika liens in nuklearen Fragen möchte ich liefern, sollte man jedoch ebensowenig
und Afrika, Afrika und Asien. Das würde ebenfalls nicht unerwähnt lassen. Den vergessen.
dazu beitragen, daß wir unsere eigenen Tlatelolco-Vertrag über einen atomwaf­ In London sprach ich mit Labour-
Probleme besser analysieren. Immerhin fenfreien Status Lateinamerikas haben Parlamentariern. Sie sagten mir, daß
haben wir viel gemeinsam. Was auf den beide bis heute nicht ratifiziert. Aller­ während des Malwinen-Krieges das
Philippinen geschehen ist, hat dings tut sich Brasilien mit einem britische Geschwader Atomwaffen mit­
Ähnlichkeit mit den Vorgängen in wichtigen Vorschlag hervor, den Südat­ führte und daß die britische Admiralität
Argentinien... lantik zu einer Zone des Friedens zu die Möglichkeit in Betracht gezogen
Die Tätigkeit der "Sechs von Delhi" erklären. Ein tadelloser Vorschlag, nur hatte, für den Fall einer ungünstigen
wirk,t sich positiv auf das internationale noch besser wäre, ihn durch konkrete Wendung der Ereignisse die argenti­
Klima aus. Auch Argentinien gehört zu Handlungen zu untermauern. nischen Häfen mit Nuklearmunition (I) zu
diesen sechs Staaten. Ich habe ihre Als ich in Bolivien war, besuchte ich beschießen.
Friedensinitiativen unterstützt. Wir die größten Zinnbergwerke der Welt, Gibt es einen Ausweg? Mir scheint, es
brauchen den konkreten Ausdruck guter "Siglo XX" in Catavi. Ich wurde von der gibt nur einen Ausweg: Denkende
Absichten. Trotzdem kommt es mir so Bergarbeiterin Domitila Chungala und Menschen sind aufgerufen, öffentliches
vor, als sei die Welt der Deklarationen einigen Bergarbeiterfrauen begleitet. Bewußtsein zu schaffen, dazu beizutra­
überdrüssig. Handlungen sind geboten, Wir gingen vor Ort und unterhielten uns gen, daß alle diese Probleme, Atomkrieg
die darauf abzielen, die entstandene mit den Kumpels über ihren Hun­ und lautlose Katastrophen, Hunger und
Situation zu verändern. gerstreik. Sie waren nicht etwa deshalb Armut, sehen; ihre Stimme nicht nur in
Gewiß, der Einfluß moralischer Un­ in Hungerstreik getreten, um ihre Ar­ den USA und in der UdSSR zu erheben,
terstützung auf den Lauf der Ereignisse, beitsbedingungen zu verbessern oder sondern'auch in anderen Ländern.
wie sie die Repräsentanten der "Sechs" um mehr zu verdienen, sondern sie Vor 10 bis 12 Jahren entstand in
artikulieren, zu denen auch der argenti­ protestierten dagegen, daß die staat­ Lateinamerika eine Bewegung für die
nische Präsident Raul Alfonsin zählt, lichen Zinnminen an multinationale Kon­ Annäherung der Völker unserer beiden
steht außer Zweifel. Ich glaube jedoch, zerne übergeben wurden. Hungerstreik Länder. Nicht der Regierungen, sondern
daß nur moralische Unterstützung heute ist hart, wenn ringsum wirklich Hunger eben der Völker, der Öffentlichkeit.
nicht mehr ausreicht. Deswegen bin ich herrscht. Trotzdem hungerten sie. Das • Diese Annäherung geht allmählich
auch mit vielen Aspekten der Politik von Problem besteht darin, daß der IWF vonstatten, um einer Lösung unserer
Präsident Alfonsin nicht einverstanden. seine Politik der Schuldzinstilgung gemeinsamen Probleme willen. In der
Besonders damit, daß er viel zu viel durchsetzen will und dafür sorgt, daß gemeinsamen Solidarität mit Nikaragua
deklariert und zu wenig macht, um diese staatliche Unternehmen in den Ländern liegt der Beweis dafür. Es gibt also allen
Deklarationen in die Praxis umzusetzen. Lateinamerikas an multinationale Kon- Grund, optimistisch zu sein.

"NEUE ZEIT" 14.87 13


SOWJETUNION

Grundlagenforschung kanntlich durch modernste Lösungen und


eine fortgeschrittene Technologie. Mehr
Leute, als da sind, bekommen wir nicht,
die Fröste hören nicht auf, die rauhen
Naturverhältnisse bleiben. Wir brauchen
nicht eine x-beliebige wirtschaftliche

im Dienst Effektivität die, sagen wir einmal, durch


das Auswechseln untauglicher Anlagen
gegen mittelmäßige und der erzielten
Effektivität gegen eine größere zu
erzielen wäre. Wenn eine von der

des Fortschritts akademischen Wissenschaft angeregte


Neuerung keine mehrfache Verbesse­
rung ergibt, dann lohnt sie nicht. Dieser
Gedanke liegt der Forderung der Partei
nach hoher Qualität zugrunde. Wir
Prof, Jewgeni SCHEMJAKIN, Mitglied der AdW stoßen da aber auf zwei Schwierigkeiten.
der UdSSR, Direktor des Bergbauinstifuts der Unlängst kamen Kluschin und ich aus
Sibirischen Abteilung der Tomsk zurück. Dort wurde auf einer sehr
AdW, sprach über die
repräsentativen Konferenz. über
Entwicklung und Erschließung Sibiriens. Scheinbar Probleme debattiert, die mit der Herstel­
faßte er das Gesprächsthema etwas eng und be­ lung von Abbauhämmern Zusammenhän­
Instituts. Von
schränkte sich auf Arbeiten seines Instituts, gen. Zwei kontrastierende Einstellungen
diesen spannte sich aber eine Brücke zu den traten deutlich hervor, die leider noch

I Problemen ganz Sibiriens. Die Bergbauingenieure immer für unseren Maschinenbau und
einige andere Branchen typisch sind. Die
spielen bei der Erfüllung des großangelegten staat­
erste möchte ich so umreißen: Man
lichen Wirtschaftsprogramms "Sibirien" eine große könne den alten Abbauhammer etwas
Rolle. umkonstruieren und erneuern. Dabei
blieben die Vibration und die technolo­
gisch ungünstige Bauart und folglich
Das Bergbauinstitut (Institut Gornowa : sionsbeitrag K. Petrows auf dem XXVII. auch die Beanstandungen der Bergleute
Dcla— IGD) befaßt sich in der Parteitag. Petrow ist ein altes Mitglied unverändert. Man möchte, daß das k
Hauptsache mit drei Forschungsthemen: der KPdSU. Der ehemalige Bergmann, Objekt wie neu aussieht, will sich aber
Gesteinsmechanik, Bergbau- und Bau­ Held der Sozialistischen Arbeit sprach nicht besonders anstrengen. Die zweite
maschinenkunde und Theorie der Gewin­ sehr eindringlich, aber deprimiert. Er Einstellung ist ein Vorschlag der Wis­
nung von Bodenschätzen in Tagebauen sagte, daB die Kumpel noch jetzt stark senschaft. Wir entwickeln einen
und Gruben. Vom Niveau der Forschun­ vibrierende unvollkommene Abbauhäm­ technisch grundsätzlich neuen Abbau­
gen zeugt die Tatsache, daß die Sibi­ mer benutzen, wie ihn der berühmte hammer. Aber kaum schlagen wir ihn
rische; Abteilung der AdW der UdSSR Stachanow vor 50 Jahren gebrauchte. vor, dann häufen sich die Bedenken der
gemeinsam mit dem Geologischen und Wie ihm aber auf dem Parteitag bestätigt Branche: die Konstruktion habe noch
Geophysikalischen Institut eine Anlage worden sei, hätten wir am IGD einen Schwächen, die Produktion werde nicht
zur Vibrodurchleuchtung der Erde ent­ Abbauhammer entwickelt, der nur halb ohne Probleme laufen usw. Es gibt bei
wickelt hat. Das IGD hat in den letzten so stark vibriert und um 20—30 Prozent uns noch ziemlich viel Leute, die
Jahren rund 600 Patente und 1200 Urhe­ mehr leistet. Wo er denn ist, fragte ich. vorwärts wollen, aber sich nicht vom
berurkunden erworben. Auch sind sechs Der Parteitag liege schon eine ganze Fleck rühren. Wir haben den Praktikern
Lizenzen in die USA und die BRD Zeit zurück. Es sei damit aber nicht aus den Tomsker Betrieben gesagt:
verkauft werden, und aus dem ganzen besser geworden. Wann bekommen die 'Sehen wir erst einmal, wie groß die
Land laufen Anfragen und Anforderun­ Bergleute den neuen, vibrationssicheren Schwierigkeiten und ob sie überwindbar
gen ein. Mit der Zahl der Patente und Abbauhammer?' sind.' — 'Das sind sie', kommt die Ant­
Erfindungen ist das IGD in der Sibi­ wort, 'wie kommen wir aber dazu, Ihren
rischen Abteilung unstreitig führend, und "Eigentlich müßten das die Spitzen­ Hammer nachzuarbeiten? Ja, haben Sie
außerhalb der Abteilung kann es funktionäre der Branche und nicht wir überhaupt die kompletten technischen
z. B. dem Kiewer Institut Prof. Patons für Wissenschaftler beantworten", entgegnet Zeichnungen?'"
4 elektrisches Schweißen, dessen Ent­ Prof. Schemjakin. "Eine definitve Antwort
wicklungen zügig in der Industrie hegt noch nicht vor, ohne unsere Hilfe Prof. Schemjakin lächelt und fährt fort:
Verwendung finden, an die Seite gestellt wird es nicht abgehen. Ja, der neue "Zum Glück haben wir sie. Wir am

r werden. Praktische Resultate


Grundlagenforschungen am IGD sind:
Hammer, Luftdrucklochhämmer, Rammen,
Betonbrecher,
der

Emphasen Schlagmaschi­
Hammer existiert und ist schon unter
ganz verschiedenen Verhältnissen — im
Donez-, im Kusnezkbecken und in
anderen Grubengebieten — ausprobiert
IGD haben es uns schon lange zur Regel
gemacht, für jede neue Maschine,
Technologie
kompletten,
und Vorrichtung
sorgfältig
die
bearbeiteten
nen, Luftdruckbohrer und Vibratoren. werden. Manches muß noch besser Zeichnungen und sämtliche Unterlagen
Außerdem hat das IGD rege ausge­ daran werden, und damit beschäftigen zu haben. Also wozu das Gerede? Ich
dehnte Verbindungen mit verschiedenen sich bei uns die Wissenschaftler mehre­ glaube, man muß mit vereinten Kräften
Industriezweigen. Am IGD ist man sich rer Labors unter Leitung Dr. Nikolai und nicht getrennt vorgehen, man darf
UB über den Bedarf und die Bedürfnisse der Kluschins."
die Arbeit nicht ih 'unsere' und 'ihre'
Produktion genau im klaren und reagiert teilen, sondern muß die Probleme
darauf. Und doch... "Also dürfen die Kumpels hoffen?" gemeinsam lösen. Wenn man sie ihrer
"Das Problem ist lösbar. Bei seiner Wichtigkeit nach anordnet, dann sind
Wer einen Abbauhammer • Lösung stoßen wir aber auf andere jetzt zwei die wichtigsten: Sinn für
Probleme, die für die Auswertung Neuerungen und freie Bahn für sie."
braucht wissenschaftlicher Erkenntnisse in Sibi­
Im Gespräch mit Prof. Schemjakin rien typisch sind. Wodurch soll unsere "Könnte im Fall der Abbauhämmer
erinnerte ich ihn an den Diskus- Region schnell vorwärtskommen? Be- nicht der Import aushelfen?"
"NEUE ZEIT" 14.87
16
"Im Westen haben sie keine guten, Eisenerzgewinnung hohe Leistungen. von vielen Millionen Rubeln entgeht.
und das aus zwei Gründen: Erstens Wir luden Schweden ans IGD ein, um Eigentlich sollte man das Ministerium
brauchen die dortigen Firmen noch keine ihnen zu zeigen, was wir erreicht haben, nötigen, zur neuen Technologie überzu­
optimalen Konstruktionen, und zweitens und um auch bei ihnen zu lernen. Die gehen. Aber wer wird das tun? Die
werden sie durch die sozialen Ver­ Gäste stellten sich auf eine bloße wirtschaftliche Umstellung stößt bei uns
hältnisse nicht dazu gedrängt. Es rüttelt Spazierfahrt ein. Sibirien war ihnen neu. auf große Schwierigkeiten."
den Bergmann? Darum kümmert man sich Warum sollten sie es sich nicht ansehen? "Wir sprachen schon vom wis­
nicht. Wenn ihm die Arbeit nicht paßt, Wir brachten sie zu unseren Minen. Sie senschaftlichen Standpunkt aus über die
kann er gehen — draußen warten Ar­ waren verblüfft. Sie hatten nicht erwartet, Wirtschaft. Könnten Sie mir ein paar
beitslose." in Sibirien eine so hochstehende Techno­ Beispiele dafür anführen, wie wis­
logie vorzufinden. Die am IGD ent­ senschaftliche Erkenntnisse die Einspa­
"Wie zynisch!" wickelten Bohrvorrichtungen gefielen rung und bestmögliche Nutzung sibi­
"Nicht wahr? Unlängst sprach ich mit ihnen, besonders die Vibrationstechnik. rischer Ressourcen ermöglichen?”
Vertretern von Krupp. Ich erkundigte
"Ich kann Ihnen viele gute Beispiele
mich nach den Qualitäten ihres Abbau­
nennen. Aber lassen wir das für später.
hammers, besonders nach der Stärke der ■ I— Zunächst ein schlechtes Beispiel, das ist
Vibration. Ein Vertreter sagte ge­
aufschlußreicher. Unsere Sibirische Ab­
langweilt: 'Wissen Sie, das geht mich
teilung der AdW gibt regelmäßig Listen
nichts an.' Uns aber sehr, die drüben
mit den Themen unserer Arbeiten heraus.
und wir tragen eine verschiedene Ver­
1 antwortung vor den Leuten. Die Ge­ . in
Wäre das Wunder geschehen, daß
Industrie und Landwirtschaft die erste

I
sundheit unserer Menschen ist Staatsan­ Liste restlos ausgewertet hätten, so hätte
gelegenheit. Das wissen die Wis­
unser Land etwa 2 Md. Rubel oder noch
senschaftler am IGD und gehen schon mehr eingespart. Natürlich hatte die Liste
seit Jahren, geführt von Prof. Kluschin, eine Wirkung, vieles daraus ist ausge­
energisch gegen die Vibration an. Er hat wertet worden, aber 2 Md. sind sozusa­
etwa 30 ausländische Patente. gen zum Fenster hinausgeflogen. Die
Sibirische Abteilung produziert für die
Wie entstand Kluschins Luftdruckboh­
Bauarbeiter von Sibirien, vor allem von
rer, der jetzt immer vergriffen ist? Er
Nowosibirsk, Maschinen für ca. 150 000
entstand aus der Wut des Wis­
Rubel. Scheinbar wenig. Sie werden
senschaftlers darüber, daß beim Bau oder
aber in den kleinen Werkstätten des IGD
bei der Instandsetzung fast jedes Hauses
und in einer überlasteten experimentel­
mit dem Abbau- oder Vorschlaghammer
len Fabrik gebaut. Noch etwas: Jede
oder mit der Brechstange Hunderte gäh­ Auch die Universaltestanlage für me­
Maschine steigert die Arbeitsproduktivi­
nender Löcher geschlagen werden. Er chanisierte Kohleförderungskomplexe
tät fünf- oder zehnfach. Man sollte
verband einen gewöhnlichen, serien­ wurde von Wissenschaftlern aus Nowo­
meinen, daß sich alle um solche Ent­
mäßig hergestellten Maschinenschrau­ sibirsk entwickelt
wicklungen reißen und die Massenpro­
bendreher mit einer Luftdruckschlag­ Foto: TASS
duktion in Gang bringen würden. Die
maschine. Das ergab den Luftdruckboh­
Ministerien wollen ihre Maschinen aber
rer, mit dem Öffnungen in Beton und
selbst entwickeln. Wozu eigentlich?
Ziegel gebohrt werden können. Ein
Die Bohrhalbautomaten, für die den Heutzutage ist diese Einstellung um so
Pappenstiell So ist er eben, dieser
Wissenschaftlern des IGD vor 20 Jahren alarmierender, als das Sibirien-Programm
Wissenschaftler und Konstrukteur. Zwei­
der Leninpreis verliehen wurde, leisten nicht geologisch-ökonomisch, sondern
fellos werden wir auch einen
den Arbeitern noch jetzt gute Dienste. eher technisch-ökonomisch sein muß,
hochleistungsfähigen Abbauhammer be­
Mit Hilfe der Wissenschaft muß die wenn es der Wirtschaft unseres Landes
kommen."
Industrie solche Fortschritte machen, die maximal nützen soll. Maschinen und
nach 20—30 Jahren noch gültig sind. In moderne Verfahren müssen jetzt Vorrang
aller Welt waren solche Halbautomaten haben."
unbekannt. Die Schweden haben den
2 Milliarden von uns schon vor langer Zeit begange­
zum Fenster hinaus nen Weg jetzt auch zurückgelegt. A-Dur und B-Moll
Mir fällt da übrigens noch etwas ein.
In den letzten Jahren haben sich manche Legen wir eine Pause ein, damit sich
Kennt man Prof. Kluschin, seinen
Leute daran gewöhnt, neue Ideen im Prof. Schemjakin etwas ausruhen kann,
Lebensweg und seine Fähigkeiten, so
Ausland zu suchen und über unsere und kommen inzwischen zum „sub­
denkt man wohl, ob er sich nicht
eigenen hinwegzusehen. So haben die jektiven Faktor", der bei der
verzettelt. Er arbeitet ja an einem Institut
bei uns entwickelten versenkten Erschließung Sibiriens eine besondere
der Akademie! Ist es denn seine Sache,
pneumatischen Bohrlochsohlenhämmer Rolle spielt. Er ist in jedem Fall wichtig,
etwas bei Instanzen abzusprechen und
das Tiefbohren ermöglicht. Die Schwe­ aber unter extremen Verhältnissen kann
durchzudrücken? Das frage ich mein
den kamen erst 20 Jahre später darauf.” er gar nicht hoch genug veranschlagt
Gegenüber.
"Wird wertvolle sibirische Technolo­ werden. Die Arbeit in Sibirien, ja das
"Gewiß, wir verlieren viel Zeit", gie in anderen Landesteilen schnell dortige Leben überhaupt treffen gewis­
antwortet Prof. Schemjakin. "Aber ohne übernommen?" sermaßen eine Auslese — Schwächlinge
unsere Beharrlichkeit, ohne unser Einge­ "Leider nicht. Sibirien überrundet in halten dort selten durch. Wie kaum eine
hen auf die Leute im Betrieb bliebe der Erzgewinnung zur Zeit sogar unse­ andere Region fordert diese Persön­
vieles auf dem Papier. Ein Beispiel: In ren Spitzenreiter, Kriwoi Rog. Könnte lichkeiten, . ich möchte sogar sagen
den Erzminen von Taschtagol und Sche- man dort nicht unsere Erfahrungen waghalsige Menschen mit Initiative,
regesch südlich von Nowokusnezk sind übernehmen? Man kommt aber mit solche wie Prof. Schemjakin und Prof.
bei der Gewinnung von Eisenerz allerlei Ausreden, z. B. daß das Erz in Kluschin.
Höchstleistungen erzielt worden. Ohne Sibirien anders sei. Wir sind hingefahren, Zur Bekräftigung des Gesagten möchte
die Einführung' von Neuheiten wäre das um mit den Leuten Erfahrungen und ich noch einen Wissenschaftler nennen.
unmöglich gewesen. ■ Vorrichtungen auszutauschen, und haben Vor einigen Jahren hielt Prof. Juri Matros
ihnen vorgeführt, wie in Sibirien gear­ im Wissenschaftlichen Rat des Katalyse-
Wir sind an einer Zusammenarbeit mit beitet wird. Die Sache schien in Gang zu Instituts einen Vortrag über die instatio­
schwedischen Fachkräften interessiert. kommen. Ist aber etwas anders gewor­ nären Prozesse bei der Katalyse. Viele
Schweden und Kanada, nicht die USA, den? Keine Spurl In Kriwoi Rog arbeiten erhoben damals Einwände, aber der
wie manche glauben, haben bei der sie wie früher so, daß ihnen ein Gewinn Direktor des Instituts, Prof. Boreskow,
"NEUE ZEIT" 14.87 1 7
'c‘c Mc'ros bc zum automatischen Beschicken der Pres­ "Die Zeit ist gekommen, die gängigen
urig ergab sen mit Rohlingen und zum Forträumen Begriffe 'Naturschätze', 'unerschöpfliche
ze Ska'a p’ak- der Werkstücke aus den Pressen in Vorkommen’ und 'Effektivität der
tisr.l Vorschia ’.cde der Vorschlag gebracht. Allein kann der Montanindustrie' zu revidieren,
' ■< <
>. j >/a:. ' : aus Abga­ Betrieb die Arbeit daran nicht zu Ende Diese Industrie verlagert sich in
ns, sondern fuhren. Na und wir, die Feuerwehr? Wir abgelegene Landesgebiete — nach Sibi­
au< ll tr i. . .< :< .er ausgie- haben eine Menge eigene Sorgen. Da rien und in den Hohen Norden —,
bi’;< i uivy Ar.-. .’ A... dc Arbc.t der wir aber die Situation in dem Betrieb obwohl dort der Abbau schwieriger ist.
Sibirier wcrrji 1 </< ’r. ö..: cstc'.t, und kennen, können wir uns nicht heraushal­ Größtenteils werden Bodenschätze aber
Lizi uzen zu ■ •< ■ Nutzung werden ten. Die Werkzeugmacher haben einen doch noch in den herkömmlichen Gebie­
verkauft Die ■ < r /ert vci.’e Saure tollen Plan — ein anderes Wort fällt mir ten gewonnen. Nur müssen die Gruben
wird jr fzt aus f 1 c , und A.bfällen dafür nicht ein. Aber der Betrieb hat für dort tiefer angelegt werden. Das ver­
gt v.onnc . A.... i schont das Ver- die Neuerung und zum Testen neuer teuert das Abteufen und Offenhalten der
fahren die Ui ccr
‘ acr Städte. Ein Ideen keine Raumreserven, während er, immer umfangreicheren Anlagen, ihre
Programm für d.e Säuberung des nach Ansicht der Wissenschaftler, wenn Instandsetzung, Lüftung und Kühlung,
Luftraums über den Stedten Sibiriens schon nicht 15—20 Prozent seiner Kapazi­ den Transport der Bodenschätze aus
nach dieser Methode :egt vor. In vielen täten, so doch mindestens 5 Prozent in großen Tiefen usw.
Kombinaten des M.mt'c _ -.s der UdSSR Reserve haben müßte. Das müßte die Im Kusnezk-Becken z. B., von dem die
für NE-Metallurgie— \ A'awerdi, Kras- Norm sein. Wir werden natürlich helfen Wirtschaft Sibiriens weitgehend abhängt,
nouralsk, Mednogorsk u. a. — funktionie­ und ein Muster herausbringen. Es ist werden die Grubenfelder senkrecht oder
ren entsprechende Anlagen vorzüglich. aber schon Zeit, den Industriebetrieben schwebend erschlossen. Sie liegen
Sie -werden im Rckordtempo eingesetzt. die Bedingungen für ein wis­ größtenteils in der Mitte eines Reviers,
Ohne den energischen Prof /Aatros wäre senschaftliches und technisches Vor- und wir verlieren viel Kohle in den
das gewiß nicht der Fall. wärtskommen zu verschaffen. Vorläufig sogenannten Pfeilern, die die Hauptanla­
Hat man aber A gesagt, dann soll man lassen sic noch sehr viel zu wünschen gen unter Tage und die Bergwerksob­
auch das weniger erfreuliche B nicht übrig.." jekte an der Erdoberfläche vor Schädi­
verschweigen. Noch zu Prof. Boreskows gungen durch die Grubenarbeiten be­
Lebzeiten kam man am Katalyse-Institut Nutzeffekt der Ideen wahren.
aul die Idee, aus Braunkohle des "Ist das technische Vorwärtskommen Wir haben zum Projektieren von
K ATEKfWirtschaftskomplcx von Kansk, der Industrie nicht auch dadurch ge­ Schächten eine neue Methode angeregt,
Atschinsk und El.ibastus) mit Hilfe neuer hemmt, daß sich der Maschinenbau bei der ein Fachmann nicht wie bisher
Katalysatoren flüssigen Brennstoff zu jahrelang gewissermaßen abseits von der 2 oder 3, sondern 200—300
gewinnen. Die Idee wird bislang nur akademischen Wissenschaft entwickelt Erschließungsvarianfen ökonomisch ab­
schleppend in die Tat umgesetzt. Der hat?" wägen kann. Bei der Erschließung
KATEK wird größtenteils noch nach dem "Kann schon sein. In der Wissenschaft wertvoller Bodenschätze gelten Varian­
L» sind die Probleme des Maschinenbaus ten als effektiv, bei denen ein Vorkom­
gewohnten Schema, nach der alten,
teilweise modernisierten Technologie über verschiedene Konstruktionsbüros men außerhalb des Grubenfeldes ange­
nutzbar gemacht. Es ist schwierig, Strom verstreut. Viele Probleme haben sich gangen wird, wo sich Schutzpfeiler
aus Sibirien über riesige Entfernungen zu angesammelt. Neue Sparten müssen erübrigen. Bei weniger wertvollen Vor­
leiten. Auch entstehen dabei große vorangebracht werden: Wir brauchen kommen ist es von Vorteil, sie so zu
Verluste. Noch schwieriger ist es, Braun­ Makro- und Mikromaschinen, neue erschließen, daß ein Teil der Bo­
kohle so weit zu befördern. Außerdem Werkstoffe, Komponenten und Konstruk­ denschätze nicht in den Pfeilern stecken
sind die Transportmöglichkeiten selbst in tionen. Natürlich arbeiten Institute der bleibt. Eine derart verbesserte Projektie­
dem sich rasch entwickelnden Sibirien Akademie so oder so für den Maschinen­ rung ergibt bei der Nutzbarmachung
nicht unbegrenzt. Dagegen kann man bau. Sie erfüllen aber nur Teilaufgaben. neuer und bei der Rekonstruktion älterer
flüssigen Brennstoff in Tankwagen beför­ Es ist Zeit, im Rahmen der Akademie Kohlenreviere eine Ersparnis an Geld
dern, und solche braucht man weniger eine Koordinationszentrale ins Leben zu und anderen Ressourcen."
als Waggons für Kohle. Kurz, die rufen. Soviel ich weiß, ist es schon "Beim Durchsehen der neuesten The­
£
k
Wissenschaft hat stichhaltige Argumente, beschlossene Sache, in Nowosibirsk ein menliste der Sibirischen Abteilung ist mir
sie hat ein ganzes System von Beweisen maschinenkundliches Institut der Akade­ aufgefallen, daß sie anders als die
für ihren Standpunkt beigebracht. mie einzurichten." früheren zusammengestellt ist. Erst ist
Trotzdem bricht sich das Neue nur "Wieso gerade hier?" eine Arbeit charakterisiert und der
zögernd Bahn. Wieso? "Nowosibirsk bietet einmalige gesellschaftliche Bedarf daran schät­
‘ Die Be*riebe haben vielfach zu wenig Möglichkeiten. IEs ist eine große; vielsei- zungsweise angegeben; es folgt die
erstklassige Fachkräfte und lassen keine tige Industriestadt, hat eine Angabe des Niveaus, auf dem das
gründlichen Gutachten anfertigen", sagt hochentwickelte Industrie und betreffende Problem gelöst worden ist;
Frof. Schemjakin. "Man ist mehr daran 16 Hochschulen — kurz, alles, was zur dann die Ortsangabe; weiter die Vortei­
gewohnt, zu raticnalis’eren, ein wenig zu Lösung schwieriger Probleme des le, die diese Lösung bietet, ihr sozialer,
modernisieren und nachzuarbeiten. Die Maschinenbaus gebraucht wird." technischer und ökonomischer Nutzeffekt
grundsätzlichen wissenschaftlichen Lö­ "Doch wohl nicht nur des eigenen, und schließlich Vorschläge zur möglichst
sungen bringen dagegen eine Umstel­ nicht wahr?" vollständigen und effektiven Nutzung
lung, eine Umwälzung mit sich. Sie ist Natürlich nicht. So paradox das auch der Neuerung. Alles ist genau erläutert,
nicht leicht, oft sogar schmerzhaft. Die ist, hilft Nowosibirsk sich selbst vorläufig ich möchte sagen, vorgekaut. Wie
psychologischen Hemmungen sind stark. kaum. Wir haben z. B. Einphasenschlag­ meinen Sie, werden die Praktiker in den
Auch wirkt sich die in den letzten fahren maschinen entwickelt, die unstreitig Betrieben jetzt lebhafter auf Anregungen
einge’retene merkliche Schwächung un­ vorteilhaft sind. Hier haben wir viel der Wissenschaft reagieren?"
Reklame dafür gemacht, in großem "Ich will doch hoffen. Ich bin Opti­
seres technischen Personals, besonders
Umfang werden sie aber im Ural und in mist, mein Optimismus wird durch die
bei den Konstrukteuren und Technolo­
Tschernobyl eingesetzt. Wir liefern neue jetzige Situation in unserem Land ge­
gen, aus. Aber verstehen Sie mich recht!
AI In den Betrieben, Erzminen und Koh­ Maschinen moderne Technologien
und nährt. Die Umstellung bewirkt, daß die
sogar in Gebiete mit Permafrostboden. Menschen besonderen Wert auf
lengruben erkennen die meisten sehr
Mit den Betrieben der Nachbarschaft Kenntnisse, Neuerungen und Initiativen,
wohl wo das Problem liegt und welche
aber finden wir nicht immer eine d. h. auf die Wissenschaft legen. Die Zeit
Losungen d.e W sscnschaft dafür anbie-
gemeinsame Sprache." grundlegender Resultate der Grundla­
tet Die äußeren Umstande aber sind
' Welche in Nowosibirsk aufgekomme­ genforschung ist da."
i starke'.
Beispiele
Ich habe
genannt
hier
Nun
schon
noch
viele
eins. Im
nen wissenschaftlichen Ideen haben Interviewer: Rolen NOTMAN

Werkzeugbetrieb von Nowosibirsk hat letzthin im ganzen Land Resonanz


c”. 'uchtiger Ingenieur eine Einrichtung gefunden?" Nowosibirsk

"NEUE ZEIT" 14.87


16
NZ-RECHEKCHEN

Gaukler bei deir Arbeit

Der Pariser „Figaro" veröffentlichte im März den Brief „Gorbatschow soll es Auch jetzt werden die Kontakte mit
beweisen". Das erklärte Ziel war, auf die „Neuigkeitslawine aus Moskau" zu den Paten in den USA über Bukowski
antworten, die „in letzter Zeit bei vielen aufrechten Menschen in Ost und West abgewickelt.
Staunen und sogar Verwirrung hervorruft". In Wahrheit handelt es sich um eine
Schmähschrift über die demokratischen Wandlungen in der UdSSR. Das Schreiben ist
von W. Aksjonow, W. Bukowski, A. und O. Sinowjew, E. Kusnezow, J. Ljubimow,
Die Ziele
W. Maximow, E. Neiswestny, J. Orlow und L. Pljustsch unterschrieben. Diese In den USA entstand bald ein
Menschen, so oder so bekannt, haben die UdSSR auf verschiedenen Wegen Organisationskomitee, und Mitte Mai
verlassen. Diesmal haben sie sich in einer Organisation zusammengefunden, die sich 1983 fand in Paris die amtliche Gründung
„Internationale des Widerstands" nennt. In Ihrem Namen wurde der Brief veröf­ der „IdW" statt. Die Hauptziele der
fentlicht. Organisation wurden festgelegt: „alle
wahren Kämpfer für den Sturz der
Im November 1982 trafen sich in Ordnung" herzustellen. Als diese Kommunistenmacht zusammenzu­
Brüssel Gruppen von Emigranten aus 1945 endgültig zusammenbrach, schließen". ihre Tätigkeit zu koordinie­
sozialistischen Ländern, Vertreter der wechselten die NTS-Leute zu den Ge­ ren und „objektive Information über alle
kubanischen Gusanos, von Somoza- und heimdiensten Großbritanniens und der Arten des Widerstands gegen den
Pol-Pot-Banden, afghanischen Duschma­ USA über. 1956 traten die Briten das Totalitarismus" zu verbreiten. Was als
nen und in den USA lebenden vietname­ Monopol auf die NTS an die amerika­ Totalitarismus anzusehen sei, wurde
sischen Konterrevolutionäre. Sie erörter­ nische Central Intelligence Agency ab. anschließend durch Einführung des Aus­
ten die Gründung einer neuen antikom­ Jose Furtado ist Vertreter einer Pariser drucks „Totalitarismus sowjetischen
munistischen Organisation. Zuerst hieß Gruppierung der von der CIA finanzier­ Typs" erläutert.
sie „Komitee zur Bekämpfung des ten reaktionären angolanischen UNITAj Später konkretisierten die „ldW"-Füh-
Totalitarismus". Das schien ihnen zu rer ihre Ziele wie folgt: „die sozia­
sanft. Deshalb bedienten sie sich fremder listischen Länder zu unterwandern und
Wörter und Symbole. So kam die auf
Das Geld dort eine Basis für moralische und
Höheres reflektierende Wprtverbindung physische Unterstützung zu schaffen".
Die Leute, die in Brüssel zusammenka­
„Internationale des Widerstands" zustan­ Als weitere Zielscheibe wurde in Paris
men, hatten vor allem eine Garantie
de. die Bewegung der Friedensanhänger in
nötig: die finanzielle. An Wohltätigkeit
den westlichen Ländern bestimmt. In
glaubte keiner. Bukowski gab Garantien.
Die Organisatoren Zuerst redete er davon, daß einige Westeuropa sollten bald neue amerika­
einflußreiche Kongreßmitglieder die Tä­ nische Raketen stationiert werden. Mil­
Das waren folgende Menschen. tigkeit der neuen Organisation zu lionen Westeuropäer traten dagegen auf.
Wladimir Bukowski, der seinerzeit in Die Regierungen der NATO-Länder
finanzieren versprochen hätten. Dann
der UdSSR „Sturmabteilungen" aufzuzie­ nannte er den Hauptgaranten, die CIA, bezichtigten die Friedensfreunde eines
hen versuchte und 1976 des Landes und präzisierte bei dieser Gelegenheit, „Komplotts mit Moskau" und schleusten
Provokateure in ihre Reihen ein. Bu­ (
verwiesen wurde. In den USA erklärte daß die Finanzierungsquelle, die Teil­
Bukowski ohne falsche Bescheidenheit, nahme der Leute aus Langley im Dun­ kowski, nicht faul, verfertigte sein Buch
nach dem Sturz der Sowjetmacht werde kel bleiben würde. „Pazifisten gegen den Frieden", worin er
er Präsident und seine Mutter Vizepräsi­ Zunächst brachte Bukowski persönlich die Friedensfreunde „nützliche Idioten"
dentin sein. Geld für die „IdW" aus den USAf im Dienst Moskaus nannte, der „unaus­
Olga Swinzowa ist Sekretär des in 1983 legte der Kongreß eine jährliche rottbaren katholischen Geistlichen in
Paris niedergelassenen „Intellektuellen­ Quote für die „Internationale" von 6 Mio verdächtiger Mission" gedachte und
komitees für ein Europa der Freiheiten". Dollar fest. Runde Summen kommen von sonst dazu aufrief, „mit dem sowjetischen
Außerdem ist sie Abgesandte des der Leitung des amerikanischen Ge­ System aufzuräumen". Außerdem zog er
„Volksbundes der Arbeit" (NTS), was ihr werkschaftsbundes AFL/CIO, der Han­ den bemerkenswerten Schluß, daß die
ebenfalls nicht gerade zur Zierde ge­ delskammer der USA und den zio­ Abrüstung „zu einem raschen Zusam­
reicht. 1930 im Königreich Jugoslawien nistischen Kreisen. Außerdem riefen die menbruch" der UdSSR führen würde.
von der Führung der weißen Emigration Emigrantenzeitungen dazu auf, einem Deshalb werde die UdSSR niemals
gegründet, belieferte die NTS zahlreiche „Komitee zur Förderung der Wi­ abrüsten.
ausländische Dienste, die gegen die derstandsinternationale" beizutreten,
UdSSR vorgingen, mit ihren Leuten. wozu man auf deren Konto nur 100 Franc Die Führungsspitze
Während des Krieges kollaborierte die zu überweisen brauche; ein Mit­
NTS mit den Hitlerfaschisten und half gliedsbuch werde unverzüglich zuge­ Ebenfalls in Paris wurde die
ihnen, auf dem zeitweilig okkupierten sandt. Die Francs kamen nur spärlich, „ Id W"-Leitung gewählt. Bukowski ist ihr
sowjetischen Territorium „neue eher schon Dollars. Präsident.
"NEUE ZEIT" 14.87 19
Der Vorsitzende ist ein gewisser
em sein. Er zweifelte daran, daß die neue Das dürfte Vizepräsident Valladares
f duard Kusnezow. Am 15. Juni 1970 Organisation in Frankreich und der Welt und auch so manchem anderen recht
< mit einer Gruppe auf dem Vertrauen finden würde, denn zwei ihrer schwer fallen.
1 < ■ mgrader Flughafen e.r.e AN-2 zu Leiter, Kusnezow und Maximow, seien Auf Betreiben der „IdW" wurde am
entfuhren und nach Schweden zu fliegen mit den israelischen Geheimdiensten 25. November 1983 im Brüsseler Haus
versucht Gr;u wartig e.tet Kusnezow verbunden. des Europäischen Parlaments eine Konfe­
die Abteilung Russischer Dienst beim renz über das „Afghanistan-Problem"
CIA finanzierten Radio „Liberty". Die Aktionen durchgeführt. Zu jener Zeit wurden auf
Dm 1 xekutivdirektor ist der Schriftstel­ Betreiben und unter Vermittlung der CIA
ler Wli idimir Maximow. Seit 1974 leitet Die „IdW" entfaltete ihre Tätigkeit Kontakte mit den Chefs antiafghanischer
er die antikorr.munistische Zeitschrift sofort. Schon Ende August 1983 betei­ Gruppierungen in Pakistan schon in die
. t ontmenf'. Maximow selbst erzählte ligte sie sich am „dreitägigen Frie­ Wege geleitet. Damit beschäftigte sich
( ’.i i Bekannten 1977, daß er bei densmarsch für die Befreiung der Völ­ die ehemalige Liberty-Mitarbeiterin
„Liberty" fest angestellt und ein Gehalt ker" in der BRD. Bürgerliche Zeitungen L. Thorn. Im März 1984 sagte Bukowski
habe, das der Stufe GS-1>3 m den USA informierten über den Marsch, die in einem Interview für die „Stimme
entspreche. dortige Bevölkerung dagegen zeigte Amerikas", seine Organisation unter­
Vizepräsident ist der kubanische Kon­ sich deprimierend passiv. Im Oktober nehme „sehr viel" im Hinblick auf
terrevolutionär Armando Valladares. zog die „IdW" in Paris das viertägige Afghanistan. So liefere sie den Mujahed-
Seine Laufbahn begann er 1957 unter Forum „Die dritte Welt. (K)eine Zu­ din Sender, um für die örtliche Bevölke­
Batista, als Pohzeiagent Nr. 2747. Nach kunft?" auf. In Washington redete man rung und die sowjetischen Soldaten
der Revolution von 1959 bekam er einen damals von einer globalen sowjetischen bestimmte Programme auszustrahlen. Bu-
Arbeitsplatz, traf jedoch der illegalen Unterwanderung und davon, daß die Jcowski ließ sich über die technischen
Gruppe des ehemaligen Batista-Offiziers dritte Welf zu einem „Schauplatz der Aspekte eines „Projekts Radio Freies
Obregon bei. Vor Gericht gestand er Konfrontation" werde. Demnach erör­ Kabul" aus. Aber entweder verfolgte
cm, mit Sprengstoff gefüllte Zigaret­ terte man in Paris gehorsam „Probleme Thorn die Übergabe der Sender
tenschachteln auf Havannas Straßen aus­ und Aufgaben bei der Organisation nicht aufmerksam genug, oder Bukowski
gelegt zu haben. eines effektiven Widerstands gegen die hatte sich an Selbstreklame berauscht,
Die ,,IdW'-Vertrefung befindet sich zunehmende kommunistische Expan­ auf jeden Fall erhielten die Konterrevo­
auf den Champs-Elysees. Zunächst sion". Auf dem Forum wurde z. B. „ge­ lutionäre vom groß angekündigten Pro­
zeigten die Emigranten eher Reserve klärt", daß die Unzufriedenheit der jekt nur einen winzigen Teil.
gegenüber der „IdW", jemand bemerkte Einwohner einiger lateinamerikanischer 1984 veranstaltete die „IdW" eine
g.ftig, im „Widerstand" auf den Champs- Länder über die blutigen Militärdiktatu­ „internationale Konferenz über Desinfor­
«
Elysees kämpfe man in der Hauptsache’ ren vom „Export kommunistischer Ideo­ mation", wobei natürlich die „kommu­
D für cm warmes Plätzchen und einen logie" herrühre. In einem wenig später nistischen Länder" als Desinforma­

■ v.-.'hlgepolsterten Lebensabend.
eine Erklärung Alain Ravennes', General-
Auch der „Stimme Amerikas" gewährten Inter­
view gab W. Bukowski seiner Besorgnis
tionsquelle hingestellt wurden. Über die
eigenen Erfahrungen, z. B. über die vor
sekietär des "Intellektuellenkomitees für Ausdruck, der Kommunismus könnte auf kurzem fabrizierte gefälschte Ausgabe
ein Europa der Freiheiten", machte die Chile übergreifen, und fügte hinzu: der Armeezeitung „Krasnaja Swesda" mit
„IdW" nicht gerade populärer. Dieser „Zweifellos haben wir ein ewiges großes einem provokatorischen Appell an die
Mann, der mit Olga Swinzowa, einer Problem. Wir müssen betonen und sowjetischen Soldaten und einem Haufen
Mitbegründerin der „IdW", lange zu- verdeutlichen, daß wir Rechtsdiktaturen antisowjetischer Witze, schwieg man sich
sar ’iiengcarbeifet hatte, müßte im Bilde nicht unterstützen." bescheiden aus.

t ANRUF IN NEW YORK


Was wußte Ernst Neiswestny?
i Wir riefen den Bildhauer „Sie sagen, daß Sie derstands' veröffentlicht, solche Organisation gibt,
Ernst Neiswestny in New 'müssen'. Uns schien, daß von ihr geht der Brief auch ich kenne einfach ihren
York an. einige Momente des Brie­ aus." Charakter nicht."
1 , Sagen Sie bitte, inwie­ fes für Sie nicht ganz „In westlichen Publika­ „Aber über diese 'Inter­
weit wa-en Sie an der typisch sind." tionen wurde das nirgends nationale' wurde nicht we­
Abfassung des Briefes an erwähnt."- nig veröffentlicht. Der Vi­
„Ich möchte das jetzt
den 'F.garo' persönlich be­ „Dieser Umstand wurde zepräsident der Organisa­
nicht kommentieren.“
teiligt?' im Untertitel des Exklusiv­ tion z. B. ist ein Mann aus
. An dem Abschnitt über „Der Brief wurde unter materials im 'Figaro' ge­ Batistas Geheimpolizei, für
bildende Kunst und über der Ägide der 'Internatio­ nannt." Bombenexplosionpn in den
Kultur nahm ich unmittelbar nale des Widerstands' ab­ „Das weiß ich nicht. In Straßen verantwortlich, da­
teil." gefaßt. Das ist eine auch in der 'New York Times' wird, für, was wir heute Terroris­
„Und die pc'rtischen den Emigrantenkreisen glaube ich, nichts mus nennen. Wie Sie se­
Abschnitte?" nicht gerade populäre Or­ dergleichen erwähnt." hen, ist das eine keines­
, Ich betrachte mich we­ ganisation. Aber Sie haben „Ich spreche vom wegs humanitäre oder gar
niger als Politiker denn als Ihre Unterschrift unter ei­ Wortlaut im 'Figaro'." humane Organisation."
Künstler. nen von ihr inspirierten „Den habe ich nicht „Ich möchte das nicht
. Konnten Sie alles un­ Brief gesetzt. Keine Beden­ gesehen." kommentieren, weil alles,
was Sie jetzt sagen, mir
* terschreibe was im Brief ken?“ „Wie stehen Sie zu die­
steht?" ser Organisation?" absolut neu ist. Ich höre
„Diesen Brief haben
Also da steht ja meine „Im Moment weiß ich zum erstenmal von dieser
meine Freunde geschrie­
Unterschob ben. Ich wüßte nicht, daß nichts davon." Organisation in einem

..Das heißt, von dieser solchen Zusammenhang


Und konkreter?“ ihn diese Organisation auf­
Sie und davon, daß der Brief in
.Ich muß alles verant­ gesetzt hat." Organisation wissen
ihrem Namen veröffentlicht
worten, worunter memc . Er wurce auf Betreiben nichts?"
„Ich weiß, daß es eine wurde.“
Unterschrift steht.’ der internationale des Wi-

"HEUE ZEIT" 14.87


20

I
Während die westliche Presse Doku­ Der Brief
mentarberichte über die Bestialitäten der ARCHIV AKTUELL
Contras veröffentlicht, veranstaltet die So brachte der „Figaro" das von den
„IdW" in Paris Pressekonferenzen, auf Zehn unterzeichnete Schreiben,das sofort
denen die „Kämpfer für die Freiheit von anderen bürgerlichen Ausgaben
Nikaraguas" als untadelige Ritter geprie­ nachgedruckt wurde. Das Todeslager
sen werden. Im Jahre 1985 publizierte „Die Veröffentlichung des vorliegen­
die „IdW" im Pariser „Monde" einen
Aufruf an den US-Kongreß, die Hilfe für
den Schreibens in
Presse wäre der überzeugendste Beweis
der sowjetischen
Modjug
die Contras zu erneuern. für die Aufrichtigkeit des Geredes von
Publizität", schreiben die Autoren Anfang März 1918 liefen die britischen
Eine Gesetzmäßigkeit: Die „ldW"-Akj-
selbstgerecht und leichtsinnig. Unsere Kreuzer "Glory" und "Cochrane", dann
tionen gingen immer gleichzeitig mit
Kollegen aus der Zeitung „Moskowskije der französische Kreuzer "Admiral Au­
denen der US-Administration einher.
Nowosti" nahmen sie beim Wort und be" und am 24. Mai der amerikanische
Nun hat man es sich auch im Weißen
veröffentlichten das Schreiben. Deshalb Kreuzer "Olympia" den Hafen von
Haus angewöhnt, sich auf die
brauchen wir hier keine Wiedergabe. Murmansk an.
„ldW"-Emigranten zu berufen: Sie seien
Höchstens ein paar Gedanken dazu. . Trotz der Proteste der Sowjetregierung
die „Stimme des Gewissens", die gegen
Die Argumentation weist einen mise­ und der Forderungen, die Schiffe wieder
das „Reich des Bösen" erhoben werde,
rablen Wortschatz auf. Sie leitet sich abzuziehen, verstärkten die Entente-
sie wüßten, wie das „Böse" von innen Länder weiter ihre Präsenz im Norden
nicht von Informationen über das Leben
aussehe. „Wir müssen die Lehre beherzi­ Sowjetrußlands. Am 1. Juni beauftragte
in einem Lande ab, das ihnen zur
gen, die uns der russische Menschen­ US-Präsident Woodrow Wilson Außenmi­
Fremde geworden ist, eher schon von
rechtler Wladimir Bukowski erteilt", nister Lansing zu erklären, die amerika­
der Sprachregelung der westlichen Pro­
sagte Reagan in einem Interview für nische Regierung sei bereit, sich an der
paganda, die für diese Leute jetzt
James Buckley, Präsident der Sender Intervention zu beteiligen und reguläre
wohl „die ihrige" ist.
„Liberty" und „Free Europe". Der Logik Truppenverbände nach Murmansk zu
Wer die Autoren sind? Offenbar schicken.
Reagans zufolge hätte der Hinweis auf
„ ldW"-Funktionäre. Stellenweise klingt Am 6. Juli 1918 errichteten die
den antisowjetischen Emigranten die
das Schreiben zu sehr an Bukowskis Buch Interventen — unter ihnen der Komman­
darauffolgenden Ausfälle gegen Afgha­
„Pazifisten gegen den Frieden" an. Doch dant des Kreuzers "Olympia", Kapitän
nistan, Nikaragua und die UdSSR
weder seine Unterschrift noch alle drei Biere — in der Region eine Militärdikta­
rechtfertigen sollen. Der Schluß klang
Unterschriften der „IdW'-Führer hätten tur. Die Besatzungstruppen setzten sich
beinahe kanonisch: „... Bukowskis Lehre
das erwünschte Resultat gezeitigt. Des­ in Murmansk fest und begannen nach
beherzigen und aktiv die kommunistische
halb zog man Namen heran, die „etwas Süden vorzurücken. In wenigen Tagen
Expansion eindämmen".
hergeben". Übrigens wurde diese Art nahmen sie Kem, dann Onega ein.
Das ist in der Tat eine Schwachstelle Werbung schon angewandt. In den Anfang August hatten sie die Insel
der „IdW". ersten Tagen der Organisation wurden in Mudjug in der Mündung der Dwina-
Dann kam die „Ostseekreuzfahrt", bei das „Komitee zur Förderung" Promi­ Bucht, die Archangelsk vom Meer aus
der die „IdW" antisowjetische Emigran­ nente vom extremrechten Flügel geholt: deckt, eingenommen. Hier wurde vom
ten aus den baltischen Sowjetrepubliken Lord Nicholas Bethell und Winston US-Kommando eines der ersten
Todeslager eingerichtet.
um sich scharte. Die Fahrt endete sang- Churchill jun., Mitglieder des britischen
Ein Augenzeuge des Geschehens, der
und klanglos in Helsinki, wo die sonst Parlaments, sowie Simone Veil, ehema­
Arzt Marschawin aus Archangelsk, be­
tolerante Polizei die Teilnehmer wegen lige Präsidentin des Europäischen Parla­
richtete:
Störung der öffentlichen Ordnung inhaf­ ments. "Am 2. Oktober 1918 um 4 Uhr
tierte. Wir telefonierten mit Ernst Neis- morgens wurden 119 Häftlinge unter
Nach etwas mehr als zwei Jahren seit westny in New York. Früher hatte er sich Bewachung auf den Hof und dann auf
ihrer Gründung hat die „IdW" einen Riß aus solchen Aktionen herausgehalten. einen vor Anker liegenden Lastkahn
bekommen. In ihrer Führung gibt es Wußte er, daß er seinen Namen für so gejagt. Es war schon halb vollgelaufen,
zwei Fraktionen, eine unter Kusnezow eine zweifelhafte Organisation hergege­ und das Wasser war von einer dünnen
und eine unter Olga Swinzowa. Der ben hatte? Nein, Ernst Neiswestny wußte Eisschicht überzogen. In dieses kaum
Pressedienst der „IdW" widersprach sich nichts davon (das Interview unten. - seetüchtige Boot wurden wir Häftlinge
alle Tage bei der Festlegung der d. Red.). gestoßen. Wir dachten, daß sie uns im
„Kampffront" und der Ziele der Organi­ Enthebt das die Unterzeichner der Meer ertränken wollten. Doch das Boot
sation. Letzten Endes kehrte Olga Swin­ Verantwortung? Nein. Wenn sich „ein­ wurde nach Mudjug mit seinem berüch­
zowa der „IdW" den Rücken und warf same Schöpfer", die sich zu Kämpfern für tigten Todeslager geschleppt. Unter
dem Exekutivdirektor Maximow auch die Freiheit des Geistes aufspielen, zu unzähligen Schlägen, bis zur Brust im
eiskalten Wasser erreichte der Rest
/
noch „Diktatorallüren'' vor. Maximows einem Schwarm vereinigen, wirkt das
unserer Gruppe das Land - die Todes­
Tätigkeit löste selbst bei „ldW"-Akti- schon grotesk. Es kommt jedoch auf
insel. Wir wurden in eine kalte Baracke
visten „Befremden und Bitternis" aus. etwas anderes an. Der Sinn des Schrei­
geführt und mußten uns nackt ausziehen.
Maximow weigerte sich, in die Organisa­ bens an den „Figaro" liegt ja nicht darin,
Viele von uns sollten diese Nacht nicht
tion Vertreter der emigrierten Intellek­ auf die „ungenügenden" demokratischen
überleben."
tuellen aufzunehmen, wenn sie ihm „zu Wandlungen in der UdSSR hinzuweisen,
Die Interventen errichteten in den
wenig" antisowjetisch tätig gewesen sondern darin, diese Wandlungen zu besetzten Gebieten im Norden Sowjet­
seien. kompromittieren, zu vereiteln. Wer diese rußlands ein Schreckensregime. 52 000
1986 hörte man von der „IdW" so Trennlinie nicht sieht, wer den poli­ Menschen wurden in Kerker geworfen.
gut wie nichts. Offenbar waren innere tischen Diversanten seinen Namen leiht, 4000 Sowjetbürger wurden
Eifersüchteleien daran schuld. Aber der kann sich nicht auf politische Naivität standrechtlich erschossen, Tausende wur­
Hauptgrund liegt doch wohl anders. Die herausreden. den ohne Prozeß ermordet oder zu Tode
„Internationale des Widerstands" fand Die „IdW'-Führer haben wieder ein­ gefoltert... Daraufhin traf eine weitere
keine Antwort auf den Prozeß der mal einen Auftrag erfüllt und sich „im Verstärkung für die amerikanischen Trup­
Umgestaltung, Demokratisierung und richtigen Augenblick" gemeldet. Wessen' pen in Archangelsk ein: 5000 Soldaten
Publizität in der UdSSR. Stereotypen Auftrag? und Offiziere wurden unter dem Kom­
vom Schlage „sowjetische Kommissare" mando von Oberst Stewart in die Kämpfe
Der Charakter der „IdW" läßt daran
oder „Gulag" ziehen nicht mehr. Wie keinen Zweifel. gegen die Rote Armee geworfen.
sollte die &ldW" reagieren? M. PUTINKOWSKI
"NEUE ZEIT" 14.87 21
HINTERGRUND

Drohende Abrechnung über Vanunu, die Ende vorigen Jahres in


verschiedenen Medien erschienen,
könnte man vermuten, daß sich seine
Anschauungen nach links verlagert ha­
ben. Doch seine Beweggründe hat der

mit Mordechai australische Geistliche John McKnight,


ein Freund von ihm, restlos klargestellt.
McKnight hat erklärt: "Zu dem Entschluß,
die Wahrheit auszusagen, kam Mor­
dechai durch die Bekanntschaft mit der

Vanunup Tätigkeit einer Gruppe von Frie­


denskämpfern. Die Politik Israels machte
ihm Sorgen."
Der Geistliche, der nach Vanunus
Verschwinden als erster Alarm schlug,
hat erklärt, sein Freund habe für das
dem früheren Techniker am geheimen Reportern von der "Sunday Times"
Kernforschungszentrum Dimona in der Berichtete kein Geld bekommen, er habe
Negev-Wüste einzig aus "hochsinnigen Motiven"
gehandelt. Als der Mossad dieses
Zeugnis eines Mannes erhielt, der
schwerlich verdächtigt und nicht so
leicht kompromittiert werden kann, sah
er ein, daß es nicht gelingen würde,
Vor einigen Wochen war ich in Einzelhaft war. Im Gefängnis hatte man
Frunse, der Hauptstadt Sowjetkirgisiens, alles getan, um seinen Widerstand zu
bei einer NZ-Leserkonferenz. Man fragte brechen. Seinem Anwalt wurde streng
auch nach dem israelischen Techniker verboten, irgendjemandem etwas über
Mordechai Vanunu. Aus Gewissensgrün­ ihn zu sagen. Erlaubt war nur die
■ den enthüllte er das Geheimnis der
Negev-Wüste und lieferte die Angaben
Mitteilung, daß Vanunu die Anschuldi­
gung zurückwies. Später erfuhr man, daß
LI darüber sowie einige Dutzend Fotos von er aus Protest gegen die Schikanen im
der dortigen Zentrale in Dimona der Gefängnis in den Hungerstreik getreten
pi Londoner "Sunday Times". Zu diesem war. Und schließlich, daß er den Anwalt
Zeitpunkt hatte er Israel bereits verlas­ abgelehnt und erklärt hat, sich selbst
sen. verteidigen zu wollen.
Seit dem 20. März erscheinen Meldun­
Fünf Tage vor der Veröffentlichung gen, daß der Prozeß schließlich hinter
seiner Enthüllungen in der "Sunday verschlossenen Türen stattfinden soll. Das
Times" verschwand Vanunu. Später Interesse an Vanunu und den Gründen, 'X ■
stellte sich heraus, daß er von Agenten warum er "besonders wichtige Staatsge­
des israelischen Geheimdienstes Mossad heimnisse" publik gemacht hat, lebte
aus Italien entführt worden war. Man wieder auf. Ein Wachsoldat drückt Vanunu, der zu

c erfuhr auch, daß die Geheimdienste


von NATO-Staaten ihre Hand im
Betrachtet man, was die zionistische
Propaganda im Zusammenhang mit die­
einem Prozeß „unter Ausschluß der
Öffentlichkeit" gebracht wird, den
Spie! hatten. sem Fall behauptete, so stellt, man vor Mund zu
allem den dringenden Wunsch Tel Avivs
Wir schrieben schon zweimal darüber fest, sein Opfer zu kompromittieren. Was
(NZ 44 86 und NZ 2 87) und berichteten hat man nicht alles über ihn gesagt und
auch, daß das Kreisgericht in Jerusalem geschrieben! Bald nannte man ihn nur
am 28. November 1936 gegen Vanunu sonderbar, bald wieder deutete man an, Vanunu als Kommunisten oder Agenten
ein Verfahren wegen Hochverrats und Habsucht habe ihn zum Landesverrat der Kommunisten zu brandmarken. Dar­
Spionage anhängig gemacht hat, wofür getrieben. Auch beschuldigte man ihn auf wechselte Mossad seine Taktik.
ihm, dem Pariser "Mahn" zufolge, der Sympathien für die Palästinenser, Ein UPl-Korrespondent meldete aus
lebenslängliche Haft oder die To­ was vom zionistischen Standpunkt aus Jerusalem: "Wie die 'Newsweek' mitteilt,
desstrafe droht. Drei Wochen später, am ebenfalls Verrat ist. Oder man deutete haben Mossad-Agenten Vanunu auf dem
21. Dezember 1986, wurde der verhaf­ an, er habe die Geheimnisse der Negev Mittelmeer von einer Jacht entführt und
tete Vanunu unter versterk'er Bewachung nicht nur an die "Sunday Times", nach Israel zurückgebracht, wo er vor
zur Verhandlung unter Ausschluß der sondern auch an Moskau verkauft. Gericht kommt. Der 'Sunday Times'
Öffentlichkeit ms Ger cht überführt. In Tel Aviv möchte man eine Art zufolge ist das vielleicht eine vom
Prozeß des Jahrhunderts, einen Prozeß Mossad inspirierte Falschmeldung, mit
wegen Atomspionage, aufziehen. Etwa der er die fest bleibenden arabischen
Vanunu wie den vor etwas mehr als 30 Jahren Staaten mit dem vermutlichen Atompo­
(1950—1953) gegen Ethel und Julius tential Israels einschüchtern will."
ungebrochen Rosenberg, die auf dem elektrischen Die Behauptung der "Newsweek",
Stuhl ermordet wurden. Vanunu sei von Bord einer Jacht entführt
Auf den damals in vielen Med en ces worden, wurde sofort als Falschmeldung
Vanunu nennt man heute rosa oder rot
Aus'ands erschienenen Fotos s c 4 man, des Mossad, als Versuch festgenagelt,
und wirft ihm Verbindungen mit Kommu-
w.e Wachen ihm o e Arme verdrehen, ; nisten vor. So etwas ist in den Augen die Öffentlichkeit über das skrupellose
ihm den Mund zudrücken und ihn ins i zionistischer Machthaber mindestens Vorgehen israelischer Agenten in Italien
Gericht schleifen Man erkennt, daß gleichbedeutend mit Unzuverlässigkeit. hinwegzutäuschen. Die Mitteilung, daß
ihr Opfer ungebrochen
ungebrochen ist, obwohl Nun, nach den zufälligen und keines­ der Mossad dahintersteckt, ging jedoch
der Mann fast
falt drei Monate in I wegs authentischen Bruchstückangaben um die Welt.

12 "NEUE ZEIT" 14.87


näherbringen und sich in ihrer Politik auf war von "den äußerst gefährlichen
Der Skandal Kernwaffen orientieren. Dafür eben steht nuklearen Vorbereitungen Israels" und
dauert an er in Israel vor Gericht. davon die Rede, daß sie zur Verletzung
Ist es Tel Aviv vorläufig auch gelun­ von UNO-Resolutionen und zur Umge­
gen, Vanunu im Kerker mundtot zu hung der IAEA führen. Damals verur­
Zur Vorbereitung des Prozesses hinter
machen, so ist es dazu bei anderen teilte die UNO-Vollversammlung Israel
verschlossenen Türen brauchte Tel Aviv
Personen, die etwas; zu enthüllen haben, für seine Weigerung, den diesbe­
ein halbes Jahr. Die Verzögerung
nicht in der Lage. Journalisten des züglichen früheren Resolutionen nachzu­
erscheint nicht so harmlos, wenn man
japanischen Zeitungstrusts „Shueisha" kommen. Auch wurde beschlossen, Is­
bedenkt, daß die Schergen Zeit
haben einen Bericht über Tel Avivs raels Atompolitik auf die Tagesordnung
brauchten, um den Häftling kleinzukrie­
geheimes Nuklearprogramm abgefaßt, in der nächsten Vollversammlung zu set­
gen, damit der Prozeß im politischen
dem es heißt, daß israelische Piloten auf zen.
Interesse des zionistischen Staates aus­
einem geheimen Testgelände in der Tel Aviv hat aber, von Washington
geschlachtet werden könnte. Anderseits
Negev den Kernwaffeneinsatz proben. unterstützt, dafür nur taube Ohren. Es hat
rechnete man darauf, daß der Skandal,
Dort handelt es sich um kleine, aber sehr sich dem Beitritt zum Kernwaf­
den die Entführung Vanunus als staat­
schlagkräftige nukleare Ladungen, die fensperrvertrag von 1968 entzogen und
licher Terrorakt ausgelöst hatte, abflauen
von F-16-Jagdbombern aus den USA weigert sich heute, seine nuklearen
und durch irgendeinen anderen interna­
oder mit israelischen Jericho-Raketen Zentren für eine internationale Inspek­
tionalen Skandal — beispielsweise durch
ans Ziel befördert werden. Namhafte tion freizugeben. So hat Norwegen, das
das inzwischen aufgeflogene Irangate —
japanische Experten bestätigen unter seinerzeit 20 t schweres Wasser an Israel
in den Schatten gestellt werden würde.
Berufung auf geheime Quellen Vanunus verkaufte, das Recht zu überwachen, ob
Ist es laut vorliegenden Angaben nicht
Angaben bei der "Sunday Times". Der es dieses nicht für militärische Zwecke
gelungen, Vanunu kirre zu machen, so
japanischen Zeitschrift "Gunji Kenkyu" verwendet. Nachdem bekannt geworden
scheint die Hoffnung auf ein Abflauen
zufolge werden, nachdem in Dimona ist, daß es in Dimona tatsächlich zur
des Skandals eingetroffen zu sein. Zwar
1964 die Uranaufbereitung anlief, dort Plutoniumerzeugung benutzt wird,
hat noch am 24. Dezember v. J. der
bis zu 40 kg "Plutoniumsprengstoff" brachten die Norweger ihr Kontrollrecht
derzeitige italienische Ministerpräsident
jährlich produziert. Ryuichi Hirokawa, ein zur Sprache, aber damit hatte die Sache
Craxi erklärt, daß sich die Behörden mit
Nahostexperte, erklärt, daß Israel nicht, ihr Bewenden.
der Entführung Vanunus aus Italien
wie es bisher hieß, 100—200, sondern
befassen, aber mit welchem Resultat, das
bereits "über 200 zum sofortigen
ist noch jetzt unbekannt. Ebenso haben
die Behörden Frankreichs auf die Mel­
Kampfeinsatz bereite nukleare Ladungen Einschüchterungsversuch
besitzt".
dung nicht reagiert, Vanunu sei von den Aber kommen wir auf den Fall Vanunu
In letzter Zeit ist in der Aus­
Entführern über den Pariser Flughafen zurück. Wie gesagt, heißt es, Tel Aviv
landspresse wieder von dem "Sa­
Orly nach Israel geschafft worden. Die
tansbündnis" Tel Avivs mit Pretoria die selbst stecke hinter dem Durchsickern
Aufregung, die wegen der Rolle der von Atomgeheimnissen aus Dimona, es
Rede. So schreibt die "Washington
britischen Geheimdienste bei der wolle damit die arabischen Länder
Post": "Eine Sonderurkunde über Zusam­
schändlichen Entführung in London aus- einschüchtern, um ihnen seine eigenen
menarbeit in Wissenschaft und Technik
zubrechen drohte, blieb aus. politischen Entscheidungen aufnötigen
dient als Grundlage dafür, die Ressour­
Dennoch hält der Skandal an. Es geht zu können. Zu dem Verdacht gegen Tel
cen beider Länder für Nuklearforschun­
ja nicht nur darum, daß ein Mann, der in Aviv liegen gewisse Gründe vor. Nach
gen zusammenzulegen. Kernphysiker
der unterirdischen Zentrale Dimona tätig den politischen Niederlagen der letzten
und technische Fachkräfte Israels be­
war, aus Gewissensgründen gegen die Zeit im Nahen Osten können sich die
suchen regelmäßig die RSA. Von vielen
nuklearen Pläne Tel Avivs aufgetreten ist,
Seiten wird geargwöhnt, daß im Septem­ strategischen Bundesgenossen Tel Aviv
und auch nicht um seine wiederholte
ber 1979 über dem Südatlantik gemein­ und Washington auch zu einer nu-
Aussage, daß Israel im Besitz von
same Atombombentests vorgenommen klearen Erpressung entschließen.
Massenvernichtungswaffen ist, die es
wurden, obwohl das von beiden Seiten Es ist, wie sich im Oktober
direkt oder indirekt mit Hilfe der
geleugnet wird. Die RSA liefert be­ v. J. in der UNO zeigte, nicht gelungen,
NATO-Länder bekommen hat.
kanntlich das Uran für die Zivil- und bei den arabischen Völkern eine Panik
Die Hauptsache ist, daß Vanunu die
Militäranlagen Israels, auch die soge­ auszulösen, nachdem Vanunu bestätigte,
Verantwortung derer zur Sprache ge­
nannte Bombenfabrik beim Reaktor von daß Tel Aviv Kernwaffen besitzt. Die
bracht hat, die die Atomkatastrophe
Dimona in der Negev." imperialistische und zionistische Propa­
Im vergangenen Oktober, gleich nach ganda schreckt die Araber ja schon seit
Vanunus Enthüllungen, verlangte eine den 70er Jahren mit israelischen
Gruppe arabischer Länder, daß der Kernwaffen. Die UNO-Debatten haben
Ein von Vanunu gemachtes Foto von der Punkt „Israels Kernwaffen" in die Tages- gezeigt, daß die arabischen Länder die
Kernforschungszentrale In Dlmona Ordnung der 41. UNO-Vollversammlung nukleare Bedrohung durch Israel ernst
Fotos: „Espresso" (Italien) und aufgenommen wird. In dem betreffenden nehmen. Die Sache ist aber bekanntlich
„Sunday Times" (Großbritannien) Schreiben an den UNO-Generalsekretär zweischneidig. Ein Kernwaffeneinsatz Tel

"NEUE ZEIT” 14.87


. vs e nerr. so engen Raum wie dem t
• Osten wäre für den Angreifer | INDONESIEN
■ ■ '.r Li'rr.ord. Das weiß man sowohl ]
fx. seien Hauptstädten als auch I
i. Tel Av.r Wenn man aber sagt, daß
K< rr.Waffenbesitz Israc s eine milita-
:
f
Bringen die nächsten Parlamentswahlen Veränderungen’
• ■ e Ber< ’ugur.g des Nahostproblcms 1
Hieße, so we ß man in Tel Aviv ,
■ • -i aucb gt r au, daß sich die arabischen
Länder auf eine politische und nicht
. .sung des Problems oricn-
eien und daß der Gedanke an eine
*< •nai o-aie Nahostkonferenz unter
I
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Da® Am®®
f
ahme der sündigen Mitglieder des
::O-Sicherheitsrats und aller interessier-
ten Seiten sowohl in dieser Region als
auch in der ubr.gen Welt immer mehr
|
I
I
I
wd filbiire
Zustimmung findet. Tel Aviv fürchtet |
Das Wahlergebnis vom 23. April steht hatte offensichtlich deshalb bereits
ber gerade eine politische Lösung. I
praktisch fest. Von den 500 Manda­ erklärt, daß massenhafte Mobilisierung
Diese iwürde ja die heutige Rolle des [
ten im Rat der Volksvertreter sind zu Wahlkampfveranstaltungen uner­
. _niLtischen Staates als US-Gendarm |
weigerlich entwerten, und das wie- i bereits 100 für die Armee reserviert. Seit wünscht sei, weil es dabei zu einer
■ rum würde zur jähen Drosselung des I 1965 ist sie die führende politische Kraft Entladung der Emotionen, zu Aufruhr
. Mischen, wirtschaftlichen und milita- I dieses Landes mit seinen annähernd 170 und Gewaltakten kommen könne.
l.en Beistands der USA für Israel ' Millionen Einwohnern. Die Organisation Wenn aber das Wahlergebnis bereits
i icn. Ohne Gegenleistung zahlt Wa- ; der funktionellen Gruppen (Golkar) feststeht, woher rühren dann diese
i.gton nichts. rechnet mit 70 % der verbleibenden 400 Leidenschaften? Offenbar daher, daß alle
Ubrigens setzen sich heutzutage im- ; Plätze. Die Golkar ist eine Massenorgani­ die Wahlen als einzige Möglichkeit
r mehr Israelis für eine politische li sation unter Aufsicht der Armee und des ansehen, die Armee, um ihren Regie­
ung des Nahostproblems ein. Sie sind ■ Staatsapparats. Auf Grund der vorausge­ rungseinfluß zu stärken, die Parteien, um
d. '. 40jährigen Kriegszustandes müde M gangenen Wahlen 1971, 1977 und ihr Exisfenzrecht zu behaupten und der
d drücken immer stärker auf Tel Aviv, !
1982 kann man mit hoher Wahrschein­ normale Wähler, um sich, zumindest
um eine friedliche Regelung durchzuset- |j
lichkeit davon ausgehen, daß die Golkar während der Stimmabgabe in die Politik
zcn. Vanunu gehört zu den I sraelis, die j
mit Unterstützung der Militärs ihr Ziel einzuschalten und seine Einstellung zu
I du .e Einstellung in tapferen Aktionen
tui»iei■ uily ui
erreicht. General Murdani, Oberkomman­ der im Land herrschenden Ordnung zu
I zum Ausdruck
i bringen.
_ Deshalb will Tel B
dierender
D - ■ der .indonesischen iStreitkräfte, artikulieren.
Aviv mit mit dem geheimen Prozeß
dem geheimen Prozeß und
und I, . - u l. • <■
hatte Präsident Suharto bereits im Sep­
I ifgcncht über Vanunu alle Verfechter
tember 1986 gemeldet, daß die Armee in
einer friedlichen Regelung im Staate
der Lage sei, "den Verlauf des
Nach
Israel einschüchtern.
Wahlkampfs unter Kontrolle zu halten".
Es ist durchaus kein Zufall, daß einen ;
Um die verbleibenden 100 - 120
dem Wirtschaftsboom
Tag vor' dem Prozeß über Vanunu in '
. -ileh ein Prozeß gegen vier israelische j Plätze bewerben sich die Demokratische Diese Wahlen in Indonesien werden
Pazifisten begann, die im im November
November I Partei Indonesiens (DPI) und die isla- unter erheblich schwierigeren Umstän­
1986 an einem Treffen mu mit einer PLO-De- j mische Partei der Einheit und Ent- den stattfinden, als in den ganzen letzten
legation teilnahmen. Sie werden weruen nach
riecn ■
[ Wicklung (PEE). Mit mehr dürfen sie nicht 20 Jahren davor. Das recht überzeu­
nem Gesetz vom August v. J. gerichtet, | rechnen, denn beide sind durch internen gende Wirtschaftswachstum der 70er
laut dem es Staatsbürgern Israels verbo- Streit und Spaltungen geschwächt. Eine Jahre, begünstigt durch die hohen Erd­
I n ist, Kontakt zu Vertretern "terro­
ristischen Organisationen" zu haben. Das
Sonderkommission überprüft pedantisch ölpreise (Indonesien exportiert Erdöl)
alle Kandidaten auf ihre Loyalität und hat und den Zustrom westlicher Investitio­
Verfahren in Ramleh ist der erste Prozeß
vorsorglich 60 von 800 Golkar-Kandida- nen und Kredite wurde 1982 durch einen
i'cch diesem Gesetz. Zugleich ist Michel
ten ausgesiebt, 250 von 800 PEE-Kandi- Rückgang abgelöst, dem nach einer
Warshawskr, Leiter des Zentrums für !|
daten und 259 von 629 DPI-Kandidaten. kurzen Atempause eine zweite Flaute
I A ernativinfcmation, festgenommen | j
festgenommen
. orden. Dieses Zentrum hat es sich zur S, Weil sie mit dieser Selektion gerechnet folgte. Diese wurde schon durch den
.1 hatten, stellten Golkar und die beiden Preissturz bei Flüssigbrennstoffen ausge­
A "gäbe gemacht, die Öffentlichkeit und
die Fresse auf Verstöße Israels gegen | anderen Parteien Kandidaten auf Vorrat löst. Das Wirtschaftswachstum ver­
. c Menschenrechte in den besetzten | auf. langsamte sich: von 6,1 % 1984 auf
.t bischen Gebieten htnzuweisen. j Selbst wenn man die unwahrschein­ 1,9 % 1985 und 1 % 1986. Der
Warshawskis sind Glieder ein und q lichste Variante annimmt, nämlich daß Wirtschaftsflaute folgte ein Preisanstieg
. viig mit ''Terroristen" beschuldigt. eine der genannten Parteien die Parla- und Senkung des Beschäftigungsgrades.
Der Prozeß gegen Vanunu, das rigo­ mentsmehrheit erringt, heißt das noch Um den Export zu beleben, wertete die

= rose Vorgehen gegen die vier israe- lange nicht, daß sie auch wirklich regiert, Regierung im September 1986 die
üscheu Pazifisten und die Festnahme weil das Staatsoberhaupt die Minister indonesische Rupie um 45 % ab.
Warshawskis sind Glieder ein und I nach Gutdünken ernennt, und zwar ohne Die Abhängigkeit Indonesiens von
oerse ben Kette. Der zionistische Staat, Rücksicht auf das politische Kräftever­ westlichen Investoren und Kreditgebern
dc die Völkerrechtsnormen in den hältnis im Parlament. Zudem sind macht sich jetzt bemerkbar. 1981 betru­
besetzten arabischen Gebieten und in gen die Ausgaben für Schuldentilgung
die Möglichkeiten des Parlaments, die
. jel se'bst mit Füßen tritt, hat gegen
Tätigkeit der Regierung zu kontrollieren, noch 10 % der Exporteinnahmen,
■ le, de gegen seine abenteuerliche
praktisch gleich Null: Das Kabinett ist 1986 dagegen überstiegen sie bereits
P< t.k sind, eine Offensive emgeleitct.
ausschließlich dem Präsidenten verant­ 30 %. Das geschieht heute vor dem
Also nictit von ungefähr mochten die
wortlich. Hintergrund eines versiegenden Zu­
rZ- eser ctzt mehr über das Schicksal
Trotzdem waren die drei vcrausgegan- stroms an Auslandsinvestitionen, an de­
V. us wissen. Auch er kämpft gegen
genen Wahlkampfe stürmisch verlaufen, nen sich die Wirtschaft Indonesiens in
c uklearcs Inferno, gegen die Gefahr,
und der Kampf der politischen Lei­ bedeutendem Maß orientiert, von
•i der jetzt die ganze Menschheit
i
denschaften hatte zu spontanen Zusam­ 2,5 Md. US-Dollar 1983 auf nicht ganz
sc w ebt.
J. KORSCHUNOW menstößen geführt. Die Armeeführung 700 Mio 1985.

74 "NEUE ZEIT” 14.87


In Indonesien ist man beunruhigt, daß, nationale Bourgeoisie unmittelbar an der nung verdächtigt, ja selbst von Personen,
wenn diese negativen Tendenzen sich Regierung des Landes teilhat und daß die mit Mitgliedern vor über zwei
ausweiten, sie Errungenschaften zunichte der Einfluß der repräsentativen Organe Jahrzehnten verbotener fortschrittlicher
machen, wie etwa die Selbstversorgung erhöht wird. Die objektiv sich vollzie­ Organisationen weitläufig verwandt sind.
mit Reis, dem wichtigsten Nahrungsmittel hende Veränderung in der sozialen Die Regierung hat vor zwei Jahren
des Landes, den Produktionszuwachs in Zusammensetzung der indonesischen durchgesetzt, daß im Parlament ein
mehreren Industriezweigen, u. a. in der Gesellschaft erfordert auch im politischen Gesetz verabschiedet wurde, das die
verarbeitenden Industrie, den Infla­ Überbau eine Entsprechung auf demsel­ "Panca Sila" genannten folgenden fünf
tionsstopp und eine Preiskontrolle für ben Niveau, wie die wirtschaftliche und Prinzipien der Staatsideologie für alle
Waren des Grundbedarfs. Die Behörden technische die diese
Modernisierung, Parteien und gesellschaftlichen Organisa­
verbuchen auch das verzögerte Bevölke- Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten tionen verbindlich erklärt: Monotheis­
rungswachstum und relativ hohe und mus, Demokratie, nationale Einheit, so­
stabile Devisenreserven unter Erfolg, ziale Gerechtigkeit und Humanismus.
Inzwischen leitet die Regierung Für sich genommen sind diese Prinzi­
Maßnahmen ein, um Produktion und pien über jeden Einwand erhaben. Die
Export solcher Waren zu erhöhen, die politischen Gruppierungen Indonesiens
nicht mit Erdöl und Erdgas zusammen- befürchten jedoch, daß die Militärfüh­
hängen, und um die Wirtschafts- un^i rung, die sich das Recht vorbehält, die
Handelsbeziehungen mit sozialistischen offizielle Ideologie auszulegen und zu
Staaten und Entwicklungsländern auszu- bestimmen, inwiefern die Haltung einer
weiten. Während der Unterredungen in bestimmten Organisation mit diesen fünf
Djakarta zwischen UdSSR-Außenminister Prinzipien übereinstimmt, über ein uni­
Schewardnadse und führenden indone­ verselles Machtmittel verfügt für eine
sischen Politikern kamen die Seiten noch rigidere Kontrolle über jede
überein, die bestehenden Möglichkeiten politische Betätigung in diesem Land.
für gegenseitig vorteilhaften Waren­ Die Einschränkung legaler Möglichkei­
austausch besser zu nutzen. ten für die Diskussion um grundlegende
Diese Maßnahmen können natürlich gesellschaftliche Probleme konnte nicht
auf längere Sicht dazu beitragen, die dazu führen, die bestehenden Mei­
ökonomischen Schwierigkeiten zu über­ nungsverschiedenheiten zu beseitigen.
winden. Ihre Resultate werden sich Ein entgegengesetzter Prozeß läuft ab,
allerdings erst nach einiger Zeit be­ und die politischen Auseinandersetzun­
merkbar machen. Solange bleibt die gen nehmen erbitterte Formen an.
Lage ernst. Um so mehr, als der Westen, Hier liegt ein Grund für die Aktivie­
vor allem die USA, Indonesien mit allen ■ rung der oppositionellen Islam-Bewe­
gung. Sie operiert sowohl innerhalb der
Mitteln daran hindern, als Exporteur von
Industrieerzeugnissen auf den Weltmarkt di existierenden legalen Strukturen als
zu treten. auch unabhängig davon. Sie wendet sich
Die zunehmenden wirtschaftlichen Ge­ Sumatra - das indonesische Erdölzentrum an die Massen, die mit der Einschrän­
brechen stehen in engem Wechselver­ kung demokratischer Freiheiten und mit
hältnis zu sozialpolitischen Erschütterun­ den negativen Auswirkungen der kapita­
gen. Die Entwicklung des Kapitalismus in ' ■ listischen Entwicklung unzufrieden sine,
Indonesien führte zu einer sich vertiefen­ und an alle diejenigen, die angesichts
den Differenzierung der Klassen- und erreicht hat. Man kann sagen, daß sich in des Verbots, fortschrittliche Ideologien
Eigentumsverhältnisse. Soziale Unruhen Indonesien eine bürgerlich-liberale Op­ zu verbreiten, außer der religiösen,
in den Städten und auf dem Land Waren position herausbildet, die bei allen keine Alternative zur bestehenden
die Folge. Obwohl die Organisationen inneren Widersprüchen und der klassen­ Wirklichkeit sehen. Die radikalen Mos­
der Werktätigen nach wie vor streng bedingten Beschränktheit ihrer Forderun­ lems ziehen Menschen aus allen
verboten sind, brechen diese Unruhen gen nach mehr Demokratie in Zukunft Schichten der indonesischen Gesellschaft
oftmals und in den verschiedensten das politische Leben des Landes an, vor allem Jugendliche. Was sie nicht
Formen, manchmal gewaltsam, hervor. maßgeblich prägen kann. haben, ist ein reales, positives
/
Auch die Übermacht des Auslandskapi­ Die Militärs dagegen halten die Programm, um es. dem jetzigen Regie­
tals ruft Unwillen hervor. Die Öf­ politische Initiative fest in der Hand und rungskurs entgegenstellen zu können.
fentlichkeit sieht darin nicht nur eine machen nicht den Eindruck, als wären sie Viele indonesische Beobachter, auch aus
intensivierte wirtschaftliche Abhängig­ geneigt, die Macht mit irgend jemandem der Umgebung der Militärs, meinen
keit, sondern auch die Gefahr, daß zu teilen. General Murdani und andere jedoch, daß die Moslemextremisten eine
traditionelle nationale geistige Werte führende Militärs haben kategorisch potentielle Gefahr für die politische
zersetzt werden. verlautbart: Niemand hat die führende Stabilität Indonesiens darstellen.
Rolle der Armee in der Gesellschaft in Die Probleme, mit denen Indonesien
■Zweifel zu ziehen. Erklärungen dieser jetzt, zu den fünften allgemeinen Wahlen
Suche nach Alternative Art werden durch politische und Verwal­ in der Geschichte des Landes konfron­
Im Ergebnis der kapitalistischen Ent­ tungsakte bekräftigt, .die dazu dienen tiert ist, sind nicht neueren Ursprungs,
wicklung Indonesiens weiteten sich die sollen, jede Veränderung im gegenwär­ sondern aus der mehrere Jahrzehnte
"Mittelschichten" aus, stieg der Anteil tigen Staatsaufbau oder gar Alternative währenden Entwicklung des Landes
der einheimischen Unternehmer und der abzuwürgen. erwachsen. Heutzutage haben sie sich
an sie angrenzenden wissenschaftlich- Die bereits 1966 illegalisierte Kommu­ jedoch derart zugespitzt, daß von den
technischen Intelligenz. Sie sind objektiv nistische Partei Indonesiens ist immer Methoden ihrer Lösung abhängt, wie die
daran interessiert, daß das Vorrecht der noch grausamen Repressalien ausgesetzt. indonesische Gesellschaft in der
staatlichen Einflußnahme von der Armee Der Staatsapparat wird nach wie vor von nächsten Zukunft aussehen wird.
auf zivile Kreise verlagert wird, daß die allen gesäubert, die man linker Gesin­ A. JURJEW

"NEUE ZEIT" 14.87 25


,i r-i ' to' uns e nen Apfel ha* und Romane und Erzählungen aus jenen „Das Thema der Entscheidung, die das
c er :it aas Ergebnis nichtig. Jahren, ebenfalls 'Produktionsprosa', gesamte spätere Leben eines Helden
'■ < t' Apfel, -cd S.e haben z. B. das 1954 herausgekommene 'Blaue bestimmen soll, kennzeichnet die ganze
< ■ o is r e 'e1 Wenn wir aber Tal', eine glückliche Ausnahme?" tschechoslowakische Gegenwartsliteratur.
GiOo.tr- ,_>o .1-: en, wird jeder von „Unsere Literatur machte eine Die komplizierte Geschichte unseres
<ii . d .j.r.c t so re c Zudem bringt cm Krankheit durch, von der die Literaturen Landes verleiht diesem Thema eine
' .< «tartlr < i . a deren hervor. Heute aller volksdemokratischen Länder ange­ besondere, tragische Aktualität. Viel­
i o! '!.< Litt wc ‘cre, vielleicht
c steckt waren. Die Schriftsteller wollten leicht handelt es sich dabei auch um das
■ I • v'.r < ■ A .„c Cie Menschen ihrem Volk beim Aufbau des neuen Hauptthema der gesamten Literatur des
<n die Wiel.* ,.c t des Fr.edens, an die Lebens helfen und schrieben Romane, 20. Jahrhunderts. Ich weiß, daß mein
N üd ,i< • :< : Friedenskampfes, die die Menschen zu guter Arbeit Roman 'Wenn du mich verläßt1 den
daran .-ii r..<.•.r.e:.. da!) der Frieden der aufforderten. Sie besangen Bestarbeiter sowjetischen gefallen hat. Auch
Lesern
höchst« Mi rt Wer den Krieg erlebt und Neuerer, und dies aufrichtig, weil das ist ein Buch über jene, die ihre Wahl
verlieht cias besonders gut." sie vom allgemeinen Schwung der treffen - und sich dabei irren. Über jene,
.Schreiber. S.e auch heute über den Aufbauarbeit mitgerissen waren. Trotz die aus eigenem Antrieb Emigranten
Krieg?" aller schönen Absichten der Autoren werden."
blieben diese Bücher kurzlebig. Sie „Was charakterisiert die tschechische
kann
Ja, man denn anders? Mein
waren künstlerisch seicht und beschäftig­ Literatur der 80er Jahre?"
Roman 'Em Silberling’ handelt vom
ten sich nur mit positiven Helden. Der „Seinerzeit warf die Kritik den Auto­
Slowakischer. Naher alaufstend. Ich weiß,
Inhalt hatte den Vorrang vor der Form." ren vor, daß sie mit 'versteckter Kamera'
was Faschismus ist, und habe meine
„Auch für Sie? Oder war Ihnen der arbeiten und das Leben widerspiegeln,
persönlichen Erfahrungen, was
Mensch m der Produktion interessanter ohne es gedanklich verarbeitet zu
faschistische Gefängnisse betrifft. Seit
als die Produktion selbst? Kann man haben. In den letzten Jahren beginnen
Beginn 1944 bis Kriegsende war ich in
sagen, daß Sie sich mit ethischen viele junge Autoren, die komplizierten
einem Gefängnis für politische Häftlinge.
Problemen auseinandergesetzt haben?" Erscheinungen unseres Heute tiefgreifen­
Icti hatte versucht, Dokumente für einen
„Was mich immer bewegt hat, war der zu analysieren. Man kann sagen, daß
Illegalen, nach dem die Gestapo fahnde­
das: wie verhält sich ein Mensch in einer sie ein ausgeprägteres Verantwor­
te, zu beschaffen. Jeder Tag konnte für
schwierigen Situation, da die Entschei­ tungsbewußtsein haben. Unter anderem
mich der letzte sein."
dung von seinem Gewissen, seinen würde ich das nachlassende Interesse für
„Ihre Lebenserfahrungen bestimmen moralischen Prinzipien abhängt?" den historischen Roman erwähnen."
den Themenkreis Ihrer Werke. Bereuen „Wir wissen, daß der Dogmatismus in „Wie erklärt sich das?"
Sie nicht, daß Sie so viele Jahre als
der Literatur nicht wenig Schaden ange­ „Die Gattung wurde von den früheren
Ingenieur tätig waren?" richtet hat, daß seine Überwindung Schriftstellergenerationen ausgiebig
, Neunzehn Jahre lang saß ich auf zwei ebenfalls mit Überspitzungen verbunden durchgearbeitet. Es ging auch nicht
I Stühlen, war Ingenieur und schrieb war und viele tschechoslowakische ohne einen gewissen Druck der Kritik auf
zugleich Bücher. An den Schreibtisch Schriftsteller es nicht vermochten, sich in die Autoren ab: Man erwartet einen
I konnte ich mich nur nach Feierabend dieser komplizierten Situation zurechtzu­ positiven Helden. Meiner Meinung nach
oder sonntags setzen, arbeitete viel finden. Nach den Ereignissen von bestimmt nicht die Zeit der Handlung
nachts, schlief erst gegen Morgen ein. 1968 entdeckte die Literatur eine für sich den Umstand, ob ein Literaturwerk
Dann endlich sah ich ein, daß ich wählen neue Etappe in der künstlerischen gegenwartsnah ist oder nicht. Ein Buch
mußte, und entschied mich für die Darstellung des Lebens." über Sokrates kann viel aktueller sein als
Literatur. Meinen technischen Beruf ver­ „Ja, charakteristisch für unsere Litera­ etwa ein schlechter Roman über das
danke ich meinen Eltern, die einst tur sind seit über 10 Jahren ein erhöhtes heutige Leben unserer Arbeiter. Gegen­
beschlossen hatten, daß ich Ingenieur Interesse für die menschliche Individua­ wartsnähe ist das bildhaft reproduzierte
werden müsse. In der Jugend tat es mir lität und das Streben, eine facettenreiche pefühl für das Geschichtsbewußtsein."
leid, ich meinte, klassische Bildung wäre Gestalt unseres Zeitgenossen zu schaf­ „Überraschend formuliert! Ich glaube,
mir nützlicher gewesen. Jetzt aber bin fen, sein ethisches Wesen und sein das findet bei unseren Lesern Interesse.
I ich meinen Eltern dankbar, weil ich 20 Verantwortungsgefühl gegenüber der Die letzte Frage: Gehören Sie zu jenen
Jahre unter Menschen gelebt habe, die Gesellschaft, der Epoche, • gegenüber Schriftstellern, die Fragen nach ihren
L sich ihre Existenz mit schwerer körper­ sich selbst zu zeigen." schöpferischen Plänen nicht beantwor­

licher Arbeit verdienen. Ich kenne ihre „Ich denke an Ihren Roman 'Endsta­ ten?"
Probleme und ihre Freuden. All das kann tion', der in den 70er Jahren entstand. Er „Nein. Ich möchte ein Erinne­
ich in meinem literarischen Schaffen gut ist zwar ins Russische übersetzt, aber für rungsbuch schreiben. Memoiren sind bei
gebrauchen." jene unserer Leser, die den Roman nicht uns sehr populär. Manchmal steckt
Nach dem Krieg ging die tschecho­ kennen, will ich ein paar Worte dazu die Neugier nach skandalösen Ge­
slowakische Literatur erstmalig daran, sagen. Die Handlung spielt in einem schichten aus dem Privatleben berühm­
Aroeit als Scheffensprozeß zu zeigen. Altersheim. Statt des für Pluhar typischen ter Menschen dahinter, aber im Ernst
Das war eine Art Experiment. Es dynamischen Sujets haben wir hier eine gesprochen, möchte ich versuchen, zu
erschienen zah:reiche 'Produktionsroma­ langatmige Erzählung, lange Überlegun­ vereinigen, was unvereinbar scheint:
ne', aber nur wenige davon haben die gen der Helden, eine ausführliche Erinnerungen und Dichtung. Unter realen
Probe der Ze.t bestanden. Viele dieser Schilderung des traurigen Alltags von historischen Umständen sollen litera­
Werke waren dogmatisch und schema­ Menschen, deren Leben die Endstation rische Gestalten handeln, denen ich
tisch. An sich ist die Hinwendung zur erreicht hat. Die Helden - und zugleich Leben verleihen will. Die Handlung
Produkt onsthemahk logisch, sie gab die der Autor selbst - denken an ihr Leben spielt zwischen 1918, als der Tschecho­
Möglichkeit, den Helden vor eine A'.ter- zurück, noch einmal überprüfen sie in slowakische Staat gegründet wurde, und
nahve zu stellen und in einem Konflikt Gedanken ihr Handeln und sich selbst. 1938, als die Republik zugrunde ging.
seinen Charakter auszuleuchten. Doch Meral, Ehre, Gewissen - mit diesen Natürlich möchte ich meine Leser, auch
die Koniliktformel Neuerer gegen Kon­ Kategorien arbeitet der Autor hier. Die in der UdSSR, nicht in ihren Erwartungen
servative' kompromittierte sich Helden erleben schwierige moralische täuschen. Es ist mir eine große Freude,
schließlich vollends, und die Kollisionen, eine richtige Entscheidung daß bei Ihnen jetzt gleich mehrere
Kl •<* cbkeit _e' Konstruktion verurteilte fallt ihnen nicht leicht. Erneut stellt sich meiner Bücher übersetzt werden."
d e Autoren zum M ßerfolg. übrigens hier das Thema der moralischen Wahl
j ne-nte da"'a‘s kc.ner solche Bucher em. Nach allem zu urteilen, ein beson­ Leonid MLETSCHIN
mißg uckt... Wa-cT bildeten Pluhars ders wichtiges Thema für Sie?" Prag—Moskau
"NEUE ZEIT" 14.87
•»
UdSSR—IRAK

des Irak, der zweifelsohne das Schicksal


des Landes bestimmt — soll gesondert
die Rede sein.
Die Sowjetunion kam dem Irak an
Einige Kilometer nordwestlich von "Kein Probleml Bald werde ich ar­ einem Wendepunkt seiner Geschichte zu
Bagdad reicht die Wüste bis unmittelbar beitslos sein", lacht er, wobei er auf Hilfe, als Anfang der 70er Jahre die
an die Straße. Immer seltener werden Dmitri Kalinkewitsch und Münzer Bakr Ölindustrie nationalisiert wurde. Diese
die grünen Oasen, die Menschen und zeigt, die lebhaft ein Schaltbild erörtern. Entscheidung war 'ein revolutionärer
Tiere. Und schließlich ist es so weit — Sie sprechen ein merkwürdiges Gemisch Schritt und ein wichtiges Beispiel für
um uns herum nur Sand, soweit das aus Russisch und Arabisch, wobei sie viele Entwicklungsländer. Die UdSSR
Auge reicht. Der glühend heiße Wind einander großartig verstehen. half, den Wirtschaftsboykott der Mono­
peitscht die seltenen Bündel der Man könnte jetzt viel aufzählen: Wie pole zu durchbrechen. Der Tanker, der
kärglichen Wüstenflora, laßt sich ent­ viel Kubikmeter Gestein aus dem Boden die erste Ladung von dem irakischen
setzliche Sandstürme am Horizont zusam­ geholt werden mußten, um den Stau­ Volk gehörenden Ol an Bord nahm, fuhr
menballen. Und nur die entgegenkom­ damm zu errichten (30 Millionenl), mit unter sowjetischer Flagge. Auch heute
menden Wagen und die Nottelefone, die welcher Effektivität die sowjetische helfen sowjetische Erdölarbeiter, die
in gleichmäßigen Abständen am Straßen­ Technik genutzt wird, ja wie viele Förderung des „schwarzen Goldes" zu
rand stehen, erinnern an die Gegenwart Neuerervorschläge und untraditionelle vervollkommnen.
des Menschen. Lösungen bei dem Bauvorhaben gefun­ Der Vertrag über Freundschaft und
Unwillkürlich fährt man schneller, und den wurden. Zusammenarbeit zwischen der UdSSR
da endlich nähert sich die Straße dem und dem Irak wurde am 9. April
Euphrat — und sogleich, als wäre es ein 1972 unterzeichnet. Dieses Dokument
Wunder, eine Fata Morgana, tauchen wurde zu einer Art Bilanz und zugleich
hinter der Wegbiegung dichte Palmen­ zu einem festen Fundament für die
haine, Gärten und bestellte Felder, das weitere Entwicklung der freundschaft­
satte Grün von Wiesen auf, sieht man lichen Beziehungen. Die vergangenen
lächelnde braungebrannte Bauern. 15 Jahre haben gezeigt, daß sich Moskau
Immer ist es so gewesen, das ge- und Bagdad dabei nicht täuschten: Der
schichtsträchtige, legendäre Mesopota- Vertrag hatte eine wichtige Funktion bei
mien — ein faszinierend schönes und V. der Festigung der antiimperialistischen
erstaunlich fruchtbares wo Land, dort, ■ 'r fj Solidarität und dem Zusammenwirken
Wasser ist, und leblos, dem Menschen unserer Völker, bei der Konsolidierung
feindlich, dort, wo das lebenspendende der politischen und ökonomischen Unab­
Naß fehlt. hängigkeit des Irak.
An den Euphrat schmiegt sich die "Die Zeit ist der un vorei ngenom-
gemütliche Kleinstadt AI Qadisiya, ein Jeder Abschnitt des Staudamms vermit­ menste, ehrlichste Zeuge für die Auf­
wahres Eldorado für Freunde der tradi­ telt neue berufliche Erfahrungen. richtigkeit und die Festigkeit unserer
tionellen arabischen Kultur. Doch nun Foto des Autors Freundschaft", sagte mir der-Vorsitzende
schon einige Jahre hat die Stadt mit ihren der Gesellschaft für irakisch-sowjetische
engen Gassen ihre jahrhundertelange "Doch wie lassen sich Begeisterung, Freundschaft Najih Mohammad Khalil.
Ruhe verloren. Jeden Tag rollen durch AI Talent und Energie von Tausenden ... Über dem Damm des Was­
Qadisiya LKW-Karawanen mit Baumate­ hervorragender Spezialisten messen, also serkraftwerks AI Qadisiya sind die
rial, Technik und Menschen. das, was den Damm so fest und für Luftabwehrgeschütze in ständiger Be­
Etwas den Euphrat aufwärts
weiter Jahrhunderte unerschütterlich gemacht reitschaft. Selbst Hunderte Kilometer
geht der Bau des leistungsstarken Was- hat?" Diesen Satz des Generaldirektors von der Front entfernt spürt man die
. serkraffwerks AI Qadisiya, eines Objekts des Bauobjekts, Basem Al-Abaiji, habe Auswirkungen des tragischen iranisch­
der sowjetisch-irakischen Zusammenar­ ich in meinem Notizbuch unterstrichen. irakischen Krieges. Er fügte der
beit, seinem Abschluß entgegen. Das "Der Bau des Wasserkraftwerks wurde Wirtschaft des Irak schweren Schaden
Wasser aus dem riesigen Stausee wird zu einer Bewährungsprobe für die Arbeit zu, verlangsamte ihre Entwicklung. Doch
Hunderttausende Hektar bewässern. Der unter komplizierten, bisweilen extremen auch in schweren Jahren hielt die
erste Block des Kraftwerks, das nach Bedingungen'und die Freundschaft, den sowjetisch-irakische Zusammenarbeit al­
Internationalismus und wahre gegensei­ len Belastungen stand. Unter den nicht
sowjetischem Projekt und mit technischer /
Unterstützung der UdSSR gebaut wird, tige Hilfe sowohl für die sowjetischen einfachen Bedingungen des Krieges
liefert bereits Strom. Die geplante Menschen als auch für die Irakis", sagte arbeiten sowjetische Spezialisten auf
Leistung des Wasserkraftwerks beträgt der sowjetische Chefexperte Viktor vielen Wirtschaftsobjekten, entwickeln
660 000 KW. Skripnikow. sich die kommerziellen, kulturellen und
Jedesmal, wenn ich den Bau besuchte, Das Wasserkraftwerk Al Qadisiya ist wissenschaftlichen Beziehungen.
war ich erstaunt, wie harmonisch sein nur eines der ca. 100 Wirtschaftsobjekte, Die Sowjetunion — das wurde erneut
riesiger, angespannt arbeitender Mecha­ die in Zusammenarbeit mit der UdSSR in der Erklärung der Sowjetregierung
nismus funktioniert. Dutzende gigan­ auf irakischem Boden entstanden sind. vom 8. Januar 1987 bestätigt—tritt
tischer Fahrzeuge, die den irakischen Diese Zusammenarbeit umfaßte die entschieden für eine schnellstmögliche
Bedingungen hervorragend angepaßt Schlüsselzweige der Wirtschaft. Wichtige Beendigung des iranisch-irakischen Krie­
sind, Sprengungen in den Felsen, Bag­ Bewässerungskanäle wurden verlegt, ges, die friedliche Beilegung des
ger, insbesondere Saugbagger. Meter für Kraftwerke gebaut. Betriebe der Schwer- Konflikts und für die Lösung aller
Meter wuchs der Staudamm. Gemeinsam und der Leichtindustrie entstanden, na­ Streitfragen auf dem Verhandlungsweg
waren hier sowjetische und irakische tionale Kader werden ausgebildet, Von ein. Dieser prinzipielle Kurs der UdSSR
Ingenieure und Arbeiter tätig. nicht geringer Bedeutung für die unab­ findet volles Verständnis bei der Regie­
"Findet ihr eine gemeinsame hängige Entwicklung des Landes ist die rung wie bei dem Volk des befreunde­
Sprache?“ frage ich den Dolmetscher Zusammenarbeit in Bildung und Kultur. ten Irak.
Alexander Golzow. Doch vom Erdöl — dem Hauptreichtum A. WASSILINOW
Bagdad—Moskau
"NEUE ZEIT" 14.87
29
IM SÜDEN AFRIKAS
-J

Ein Besuch bei siert, weist jedoch keine Spur von Militär
auf.
Dabei behauptet die amtliche

namibischen
RSA-Propaganda, die SWAPO-Lager in
Sambia, Angola und anderen
„Frontstaaten" seien dazu da, Soldaten
und Kommandeure auszubilden, die

Flüchtlingen Namibias Befreiungsarmee auffüllten und


eine potentielle Bedrohung
seien. Immer wieder wird die Drohung
der RSA

ausgestoQen, die Lager zu vernichten


und „mit den Partisanen und Terroristen
Von unserem Korrespondenten
aus dem Busch" aufzuräumen.
N.kolai RESCHETNJAK

Von Lusaka aus führte unser Weg uns Aktivisten der patriotischen Südwestaf­ Leben in der Kommune
westwärts, zur Stadt Mumbwa, dann, rikanischen Volksorganisation (SWAPO)
durch das Tal des Kafue, nach Kaoma- mit ihren Angehörigen her. Das Kolonial­ Der Direktor des Lagers, der 32jährige
•r ./ii uno von dort in den Busch. So regime der RSA bedrohte sie, viele energische Leonard Nambahu, geht in
cricichten wir em auf dem Territorium hatten Verhaftung, Gefängnis und Folter seiner Arbeit, mit der ihn das ZK der
Sambias gelegenes Lager der nami­ kennengelernt. Eine Zuflucht fanden hier SWAPO beauftragt hat, auf. Mit 16 Jah­
bischen Flüchtlinge. Ich wollte sehen, auch die Frauen und Kinder der Gefalle­ ren war er der nationalen Befreiungsor­
wie sie leben, arbeiten und ihre Kinder nen der Partisanenarmee, die für die ganisation beigetreten und dann
lehren, diese Menschen, die von den Befreiung der durch die RSA rechts­ mehrmals wegen seiner patriotischen
südafrikanischen Rassisten um ihre Hei- widrig okkupierten Heimat kämpft, Tätigkeit verhaftet worden. Nach der
n.,.t gebracht worden sind, aber fest und jener, die eingekerkert waren. letzten Entlassung mußte er die Heimat
daran glauben, daß die Stunde der Sie begannen bescheiden, bauten verlassen. Er studierte im Ausland, ist
Ficiheit auch für ihr leidgeprüftes Land zunächst Lehmhütten, und obwohl hier Wirtschaftsfachmann und träumt davon,
einmal schlagen wird. nach der Befreiung Namibias den Berg­
bau umzustrukturieren und zu ent­

Bei Null angefangen r: wickeln.


Wie er sagt, leben gegenwärtig 4590
Personen im Lager, davon 700 Kinder,
Etwa zwei Stunden schnelle Fahrt deren Eltern in der Heimat den Kampf
braucht man, um den größten sam- fortsetzen bzw. gefallen sind. Ein Teil
bischen Nationalpark, den von Kafue, zu der Kleinen lebt im Kindergarten, der
d rehqueren. Unterwegs sahen wir satt anderen haben sich einzelne Familien
schlummernde Löwen, scheue Antilopen­
hm: den und Giraffen, die die Menschen r angenommen.
Wie wird das Leben in dieser kleinen
a :■ großen erstaunten Augen anblickten. Gemeinschaft geregelt?
Während wir durch den Park sausten, „Die Direktion", antwortet Leonard
! 'uten meine Begleiter zu Gott, daß der Nambahu, „hat mehrere mit nur wenigen
Wegen nicht kaputtgehe. Hilfe ist hier Mitarbeitern besetzte Departements: für
kerne zu erwarten: keine Menschen, Bildung, Gesundheitsschutz, Wirtschaft
soweit das Auge reicht, und aussteigen ■ ■ und Landwirtschaft, für Angelegenheiten
darf man nicht. Wer weiß, wie ein Löwe, der Jugendlichen und der Frauen, für
ein Elefant oder em Nashorn, die sich Kindererziehung. Außerdem eins für
zufällig in der Nähe befinden könnten, Politik und Mobilisierung und eins für
darauf reagieren würden. Aber am
Im Kindergarten
Rechtsfragen. Ihr Wirkungsbereich dürfte
gefährlichsten für die Reisenden sind klar sein. Zu den beiden letzten viel­
m.-hl diese großen Bewohner der Savan- leicht nur dies: Das Departement Politik
m sondern die kleine Tsetsefliege. Sie gegenwärtig, im Rahmen der und Mobilisierung sorgt für die Ausfüh­
.•trägt Trypanosomen, den Erreger Flüchtlingshilfe der UNO, Reihenhäuser rung der grundsätzlichen politischen
; - Schla'krankheit, gegen die es bisher aufgeführt werden, bilden die Hütten Bestimmungen des ZK der SWAPO, das
wirksames Mittel gibt. In einigen noch immer den Grundstock der für Rechtsfragen gegen jene vorzuge­
u -gedehnten Reg or.cn herrschen Arten „Wohnsubstanz". Von Wind und Regen hen hat, die im Lager gegen bestimmte
der Tsetsef'.cge vor, deren Stich für angegriffen, mit löchrigen Wänden, Regeln verstoßen. Zum Glück gibt es
gieße R nder und Pferde tödlich ist. Die beherbergt jede Hütte 7-10 Personen. keine solchen Fälle", sagt der Direktor
Fliege wird bekämpft, aber vorläufig mit In den letzten Jahren wurden eine lächelnd.
wechselndem Erfolg. Schule, ein Kindergarten und ein Kran­ „Und wie ist es mit den militärischen
Als der Kafuc-Nationalpark hinter uns kenhaus sowie Anlagen für Sport und Vorbereitungen, den bewaffneten Einfäl­
log wurden wir an einem Posten Jugendvcrar.staltungen gebaut. Dort wer­ len und dem Terrorismus, all dem, wovon
.. icnalten. Em Beamter ließ uns ausstei- den Kundgebungen durchgeführt und an Ihre Gegner so viel reden?"
gen end fing m unserem Wagen mit Nationalfeiertagen Lagerfeuer entzündet. Leonard unterbricht mich:
<_ ■_ gewöhnlichen Schmetterlingsnetz Wir besuchten Werkstätten, wo Frauen „All das ist Unsinn. Am besten ist
zehn Tsetsefliegen. Kleidungsstücke und Decken für die wohl, ich zeige Ihnen, wie wir leben,
Dieses Lager der narn;buchcn Lagerbewohner nähen, und eine Farm, arbeiten, wie wir ausspannen."
Flüchtlinge, das offiziell Zentrum für die für aller Verpflegung sorgt. Der Der Toyota des Direktors fuhr durch
Gesundheitsschutz und Bildung heißt, Alltag der Menschen, die sich zeitweilig das Lager, sackte immer wieder im zähen
en./and 1975. Damals kernen die ersten in der Fremde befinden, ist gut organi- Sand ein.

30 "NEUE ZEIT" 14.87


Zuerst halten wir vor dem Kranken­ alles, damit unsere Kinder gesund, Bewohner seine Portion aus der ge­
haus. Das ist eine kleine List des freundlich und verständig aufwachsen. meinschaftlichen Küche holte. Das haben
Direktors, denn Ndaham Mthoko, die Sie sind ja die Zukunft eines unabhängi­ sie Rosa und ihren Kameraden zu
Leiterin, sagt mir sofort: gen Namibia. Sie spielen viel, wir verdanken.
„Sprechen Sie bitte russisch mit mir. bringen ihnen Singen, Tanzen und
Ich habe direkt Heimweh nach dieser Rezitieren bei, aber sie müssen uns auch
Sprache." nach Kräften helfen. Die Älteren beauf­ Zuversichtlich
Wie ich erfahre, hat Ndaham die sichtigen die Kleineren mit."
Hakaye Aicicellah, Jahrgang 1958,
Medizinische Hochschule in Kiew absol­ Ein Schwarm von Kindern umringt uns,
ging in Namibia zur Schule, wurde
viert. Sie ist die einzige Diplomärztin im und die Erzieherin läßt sie für die Gäste
jedoch wegen patriotischer Agitation
Krankenhaus, ihr Personal sind das Lied von einem freien Namibia
ausgeschlossen. Später, 1975, trat er in
Schwestern und Sanitäterinnen aus dem singen.
die SWAPO ein. Die Verfolgungen durch
Lager. Ndaham reibt sich die entzünde­ Ein Schullehrer, dessen Namen ich mir
die Okkupanten zwangen ihn zur Flucht
ten Augen: Eine schwierige Entbindung leider nicht notiert habe, greift das
nach Angola. Dann studierte er in
heute nacht.
Sambia am UNO-Institut für Namibia.
Auf der Station liegen 20 Patienten,
Jetzt leitet er im Lager eine Organisation
weitere 50 sind in die Sprechstunde
gekommen. i.ff: > der Jugendliga der SWAPO.
spricht er nicht gern, über seine Heimat
Ober sich

„Warum so viele?" fragt die Ärztin


Namibia dagegen kann er stundenlang
zurück. „Im Lager mangelt es an Wasser,
erzählen.
die Medikamente sind knapp. Am häu­
„Wie jedes andere Volk haben wir
figsten leiden die Menschen an Malaria,
Namibier das Recht auf Freiheit und
Ruhr, akuten grippalen Infekten."
Glück. Unser Land hat alles, was dazu
Ndaham Mthoko sagt, daß sie dem
nötig ist: fruchtbare Ländereien, ein
Aufenthalt in der UdSSR nicht nur den
gesegnetes Klima, arbeitsame Menschen,
herrlichen Beruf als Ärztin verdanke,
sondern auch und in
Vermögen, zu ihren Freunden zu stehen,
erster Linie das
r; ■ sehr reiche Bodenschätze.
hörden haben Namibia
Gefängnis für mein Volk, in eine einzige
Die
aber
RSA-Be-
in ein

uneigennützig zu handeln und den


F <7 Kaserne verwandelt. Wir stehen hinter
Kummer anderer zu teilen. V.
der SWAPO, unserer einzig recht­
„Ich bin da nicht allein. Schauen Sie
mäßigen Vertretung, und fordern
unbedingt auf unserer Farm vorbei, als
keine vorgetäuschte, sondern eine reale
Hauptveterinär ist dort meine Freundin
Mitglieder der Jugendliga der SWAPO Unabhängigkeit. In diesem Geiste erzie­
Rosa Engombe tätig. Auch sie hat in der
hen wir auch unsere Jugend."
UdSSR studiert."
„Das Lernen und die Arbeit unserer
Die Farm sehen wir dann etwas später.
Jugendlichen sind ihre Vorbereitung auf
Bis dahin haben wir noch Begegnungen
das Leben in einem unabhängigen
mit anderen Lagerbewohnern.
Thema Kinder auf. Er zeigt uns den Namibia, dessen wahre Herren sie sein
Rhona Halwecndo ist in der Näherei
Schulhof, auf dem es sowohl Stan­ werden", schaltet sich Leonard Nambahu
beschäftigt. Sie spricht leidenschaftlich,
dardhäuser als auch Flechtwerkhütten ein. „Im Lager tun wir viel für die
schnell, als hätte sie Angst, nicht alles
gibt. Ich muß an meine Journalistenreise Erziehung der Menschen. Wir bringen
aussprechen zu können: ihnen die Moral der Zukunft bei,
nach Belorußland zurückdenken. Das war
„Ich bin mit meinen vier Kindern
vor 10 Jahren, und es ging dorthin, wo erläutern ihnen die Ziele der SWAPO,
hergekommen, weil ich die Verfolgun­
während des Großen Vaterländischen unterrichten sie über die internationale
gen, denen wir in der Heimat ausgesetzt Lage. Eine gute Schule der Erziehung ist
Krieges ein Stab der Partisanenbewe-
waren, nicht mehr ertragen konnte. Die
gung gewirkt hatte. Auch dort, mitten im der Kampf für den Frieden, gegen eine
Okkupationsbehörden veranstalteten
Wald, hatte man für die Kinder Schulen nukleare Katastrophe. Wir wollen ja
eine regelrechte Jagd auf meinen Mann Freiheit in Frieden. Von hier aus,
eingerichtet: Bänke aus rohen Brettern,
und mich, und dabei bestand unsere
primitive Wandtafeln, selbstgebasteltes schicken unsere Kinder Briefe an Reagan
Schuld nur darin, daß wir den Menschen
Anschauungsmaterial. Hier sieht es und an internationale Organisationen mit
die Augen darüber öffnen wollten,
ähnlich aus. Freilich sind mit dem über der Forderung, die Kriegsvorbereitun­
wohin die Marionettenregierung das
die UNO erhaltenen Geld ein Sprachla­ gen einzustellen."
Land führt. Inzwischen weiß die ganze
bor mit Tonbandgeräten, mehrere andere Der Sekretär der Jugendsektion fügt
Welt, daß die Urbevölkerung Namibias
gut eingerichtete Fachkabinette und hinzu:
im Elend lebt. Das durchschnittliche
„Ich bin überzeugt: Das freie, unab­
Einkommen eines Weißen ist 24mal so
Werkstätten geschaffen worden. Sie /
bestimmen zwar noch nicht das Antlitz hängige Namibia wird eine aktive Politik
hoch wie das eines Afrikaners. Den 5000
der Schule, aber der Lehrer sieht schon von Frieden, Solidarität und Freund­
weißen Farmern gehören über 80
die Zukunft vor sich: schaft, eine Politik der Zusammen­
Prozent des fruchtbaren Bodens, den
„Im unabhängigen Namibia wird es arbeit mit allen Völkern verwirklichen."
120 000 afrikanischen Familien aber
die allgemeine Schulpflicht geben, alle Unser Gespräch mit den Leitern des
nur 6 Prozent. Lagers im Busch von Sambia über die
Schüler werden gleichberechtigt sein, es
darf keine Rassendiskriminierung beste­ Zukunft Namibias dauerte bis in die
hen! Ach käme die Zeit doch schon späten Abendstunden. Wir unterhielten
Kinder gut aufgehoben bald!" uns in völliger Dunkelheit, weil ein
Als wir endlich die Farm erreichten, mechanischer Generator des Lagers
Helena Haimbanga leitet , den Kinder­ empfing uns Rosa Engombe. höchstens für anderthalb Stunden
garten schon seit sieben Jahren. „Alles, was Sie hier sehen werden, Strom liefert.
„Wir sind ein gutes Team", sagt sie, habe ich in der UdSSR gelernt", sagte Aber das Licht der Hoffnung ging von
„25 Erzieher, Köche, Raumpflegekräfte, sie. diesen Menschen aus, die von der
freiwillige Aktivisten. Unser 'Betrieb' ist Wir haben dort viel gesehen. Die Farm Gerechtigkeit ihrer Sache überzeugt sind
quirlig und lärmreich, auch an Problemen beschäftigt sich mit Geflügel-, Ka­ und fest glauben: Die Stunde der
haben wir keinen Mangel: zu wenig ninchen- und Schweinezucht. Wir kamen Freiheit ihrer Heimat ist nah.
Betten, Spielsachen. Wir tun jedoch zur Essenszeit und sahen, daß sich jeder Lusaka
"NEUE ZEIT" 14.87 31
SPORT

das immer noch gekonnt gebotene Spiel

König der Senioren zu würdigen. Alle Begeg­


nungen, insbesondere die letzte in
Ottawa, die unentschieden 8:8 endete,
fesselten die Zuschauer. Ein atemberau­
bendes Tempol Einige Veteranen wie
Ivan Cournoyer demonstrierten eine für

Eishockey ihr Alter geradezu unglaubliche Virtuosi­


tät. Allen gefiel das korrekte, faire Spiel
der Rivalen von damals, ihr Respekt
voreinander.
Ebenso freundschaftlich verliefen die
Begegnungen der Veteranen auch außer­
halb der Eisarena. Natürlich interessierte
man sich vor allem dafür, wie bei wem
das Leben nach dem Abschied vom
großen Sport aussah. Bobby Clark ist
Der glückliche Gedanke, die "Jahrhun­ jetzt Generaldirektor des Klubs Phila­
dertrunde" Wiederaufleben zu lassen, delphia Flyers, den gleichen Posten
wurde in Kanada begeistert aufgenom­ bekleidet Serge Savard bei Montreal
* men. In dem bunt aufgemachten Canadians. Wjatscheslaw Starschinow
Programmheft zum Freundschaftstreffen leitet den Lehrstuhl für Körperkultur am
der Eishockeyveteranen begrüßten Pre­ Moskauer ingenieurphysikalischen Insti­
mierminister Brian Mulroney, Sportmi­ tut und bereitet sich auf die Verteidi­
nister John Jelinek sowie der Botschafter gung seiner Dissertation vor. Pat Stapel­
der Sowjetunion in Kanada, Alexej ton wurde ein vorbildlicher Farmer und
Rodionow, die Teilnehmer. Medien und Jewgeni Simin TV-Sportjournalist. Alex­
Revivez Relive Öffentlichkeit zeigten am Besuch unserer
Veteranen enormes Interesse. Bereits auf
ander Jakuschew studiert an der Trai­
nerhochschule. Cournoyer hat sich ein
le tfte dem Flughafen Gander auf Neufundland, Restaurant zugelegt: Obrigens speisten
moment Dream wo die Aeroflot-Maschine mit dem
sowjetischen Team landete, wurde es
die sowjetischen Hockeyspieler während
ihres Aufenthalts in Montreal bei ihm...
von kanadischen Journalisten förmlich Die Kanadier, die zwei von drei
belagert. Fotos unserer Eishockeyspieler, Spielen gewannen, gingen als Sieger aus
ein Interview mit Wladislaw Tretjak, dem ersten Freundschaftsspiel der Vete­
Alexander Jakuschew und anderen ranen hervor. Offenbar war dabei folgen­
Zehnlausende Kanadier konnten un­ Größen der "Jahrhundertrunde" der Umstand nicht unwichtig: Die
längst bewegende Augenblicke, die 1972 nahmen Spalten, ja ganze Seiten meisten sowjetischen Eishockeyspieler
beteifs in die Sportgeschichte eingegan­ der führenden Zeitungen von Montreal, (unter ihnen 15 Teilnehmer der Runde
gen sind, neu durchleben. In der Heimat Toronto und Ottawa ein. Vor jedem Spiel von 1972) spielten nach dem Abschied
des Eishockeys spielten sowjetische ehrten die Sportler und die Zuschauer vom Nationalteam und von ihren Klubs
Cracks, deren Namen hier jung und alt mit einer Schweigeminute das Andenken kaum mehr und waren erst kurz vor der
kennt. Vor 15 Jahren hatten sie als an Wsewolod Bobrow und Valeri Charla­ Reise über den Atlantik erneut zusam-
Mitglieder des sowjetischen Teams meh­ mow. mengekomjnen. Ihre kanadischen Rivalen
rere Spiele gegen die besten Profis Mehr als 40 000 Zuschauer besuchten aber spielen meist weiter als Amateure
Kanadas. Diese Begegnungen fanden auf die drei Spiele. Die Schlachtenbummler in Veteranenteams — sowohl, um sich
den Eisarenen beider Länder statt. In kamen auf ihre Kosten. Kurz vor dem körperlich fit zu halten, als auch um den
drei Spielen siegte die sowjetische Match in Montreal verfolgte ich im von Sport zu fördern. Erfahrungen, die
Mannschaft, eine Begegnung endete damals her berühmten Forum-Stadion das sicher Beachtung verdienen. In Kanada
unentschieden, und in vier Spielen setzte Spiel der beiden führenden Mannschaf­ gibt es viele solcher Teams. Sie nehmen
sich das kanadische Team durch. Auf das ten der Nationalen Eishockey-Liga an Turnieren des Kanadischen Verban­
Konto der sowjetischen Eishockeyspieler (NHL) — Montreal Canadians und Phila­ des der Eishockeyveteranen teil, der
kamen insgesamt 32 Tore, die Kanadier delphia Flyers. Und da kann ich sagen, auch die jetzigen Seniorenbegegnungen
!
brachten es auf 31. Das Tor, das den daß die Veteranen mehr Beifall ernteten. ausrichtete.
Kanadiern den entscheidenden, vierten Die jungen Profis, sagte mir später Nach Meinung des Verbandspräsiden­
Sieg brachte, schoß Paul Henderson nach Bobby Clark (er war übrigens Kapitän ten Larry Regan sowie vieler anderer
einem Paß von Phil Esposito 34 Sekun­ des Teams unserer Rivalen), spielen Organisatoren und Teilnehmer der
den vor dem Abpfiff. schnell und hart, wahres Können aber jüngsten Begegnung, mit denen ich in
Die Spiele von 1972 wurden in Kanada zeigen sie nicht so oft — selbst jene, die diesen Frühlingstagen sprach, ist die
d<e Jahrhundertrunde'' genannt. Solche als Stars ersten Ranges gelten. In der 1987er Runde ein enormer Erfolg gewe­
Worte mögen manchem als Übertreibung NHL spielen jetzt nicht 6 Mannschaften sen. Vor allem hat König Eishockey
odc journalistische Schablone erschei­ wie früher, sondern 21. Bei der gestiege- gewonnen — und deshalb sollte auch in
nen, der sich nicht vorstellen kann, was I nen Nachfrage nach Eishockeyspielern Zukunft alles getan werden, um unsere
den Kanadiern Eishockey bedeutet. Für erfolgt die Auswahl der Nachwuchssport­ Sportbeziehungen zu festigen.
sie und die gesamte Sportwelt wurden ler nicht mehr so streng wie einst. Albert PIN
die mitreißenden Spiele zu einer wahren Übrigens mag das em Thema für ein NZ-Sonderkorrespondent
Entdeckung: Die sowjetischen Spieler besonderes Gespräch sein. Ich habe es
bewiesen damals, daß sie den kana­ hier nur berührt, weil ich betonen will: Toronto—Ottawa—
dischen Profis ebenbürtig sind. Die kanadischen Eishockeyfans wußten Montreal—Moskau

Anschrift: 103782, GSP, Moskau K-6, Puschkinskaja pl.


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Venag der Zeireng ’Trud ' Erscheint in russischer, deutscher, englischer, französischer, spanischer, portugiesischer.
Italienischer polnischer und tschechischer Sprache * Gedruckt m der Druckerei "Moskowskaja prawda"
e
DIE MOSKAUER BEETE EUR POLITIK „NEUE ZEIT“
kommentieren das Geschehen auf allen Kontinenten, berichten über die wichtigsten außen­
politischen Schritte der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder, über den
Kampf der Ideologien, die sowjetische Wirklichkeit, Probleme des 20. Jahrhunderts.
Die NEUE ZEIT bringt Beiträge sowjetischer und anderer Staatsmänner und Politiker,
namhafter Wissenschaftler und Schriftsteller, führender Journalisten; ferner Interviews, '
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fach 920, 4040 Neuss 1.
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I4l5y 14 136 304 54 2
NVA 3 2ü 67 A

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„Keinen Pfennig für Raketen!“


Kinder aus der Bundesrepublik Deutschland

Soner Gürler (Türkei}


Wie neugeboren

„MENSCH,
MENSCHHEIT,
MENSCHLICHKEIT“
INTERNATIONALER
WETTBEWERB

Dieter Urban (DDR)

Hhaskc 70624 HA hemeukom sUbiKf


DIE GENERALE. DIE POLITIKER. DAS VOLK. SHENZHEN -
GUATEMALA-REPORT STAAT IM STAATE
8er Al-
.. llrur.g Praktisch
uas ganze Land ging zur
Schule. Typische Fotos
aus .er.en Jahren zeigen
konzentrierte Gesichter,
zerarbeitete Hände, die
ZEIT UND mehr an Sichel und Ham-
r. er gewohnt sind und
c e ersten plumpen Buch­
MENSCHEN staben hinkritzeln. Der er­
ste Satz aus der Fibel lau­
In den ersten Jahren
der Sowjetmacht war tete: „Wir sind keine Skla­
einem Amt Kirgisien! e.n ven." Allein in den ersten
junges Mädchen als Bo­ drei Jahren der Sowjet­
tin tätig. Da sie nicht macht hatten etwa 7 Mil­
schreiben konnte, egte lionen ihr Analphabeten
sie dort, wo sie hatte un­ tum überwunden.
terschreiben sollen, den Die Revolution weckte
Abdruck ihres Zeiget.n- in den Millionenmassen
gers an. Einmal bemerkte Rußlands eine beispiello­
man, daß sie einen ande­ se Wißbegier, sie hatte
ren Finger anlegt, Wie die Standes- und Vermö­
sich herausstellte, hafte gensunterschiede aufge­
das Mädchen geheiratet hoben und vielen jungen
und ihren Familiennamen Begabungen die Zukunft
gewechselt. eröffnet. Junge Schriftstel­
Eine eher traurige Ge­ ler, die den Bürgerkrieg
schichte. Als die Revolu­ mitgemachf hatten, dran­
tion vollbracht wurde, gen in die Literatur buch­
konnte die Mehrheit der stäblich ein: Boris Lawre­
Bevölkerung Rußlands nur njow, Michail Scholochow,
„mit dem Daumenabdruck Leonid Leonow, Alexan­
unterschreiben". Die na­ der Fadejew. Sie brach­
tionalen Randgebiete erst ten eine neue, frische
waren fast durchweg an­ Sprache, neue Themen
alphabetisch. und neue Helden mit.
Schon im November Heute bilden diese Na­
1917 verkündete die So­ men den Stolz unserer na­
wjetmacht die Notwendig­ tionalen Literatur.
keit einer allgemeinen Arbeiter
und unentgeltlichen Schul­
pflicht und der Beseiti-
gung des Analphabeten- Schule für Analphabeten >
W

Auf
Masa

Plakat
___js dem Jahre 1920:
issen zerreißt die Ketten
Sklaverei

Es war Bürgerkrieg,
^-venfion, Wirfschatts-
ttung, Hunger. Es
j-ssei'e• am Notwendig­
en Federn, Tinte,
___ . Aber der Wis- Vor j
__ --»t siegte über eile 25
isse. Statt B’eistif-
^^*zfe man Holzkoh-
^^^eiminen. Tinte
__ _ Ruß, roten Rü-
sbeeren und Er­ "NEUE ZEIT"
gebraut.
MOSKAUER HEFTE
FÜR POLITIK April 1987
Gründungsjahr 194^===s

IN DIESEM HEFT:

2 15.
Wort des Redakteurs
; -
Archiv aktuell
NON-GRATA-POLITIK
O. Fomin. UNAUSLÖSCHBAR
IM GEDÄCHTNIS
3
A. Lebedew, W. Orjol. DAS ANDERE
GROSSBRITANNIEN
16
Diskussion mit dem Leser
T. Schawrowa. DER TEURE
6 BILLIGE DOLLAR
Panorama

9 18
Euroraketen. Wie weiter! J. Golowanow. DAS ALL
Guatemala. 75 Prozent der Bevölkerung
L. Besymenski. WENN MAN PERSHING OPTIMISTISCH BETRACHTET
leben in Armut.
EINE STUFE NIMMT...
M. Pufinkowski. UND SS 20
EINE STUFE DAZUGIBT 22
Zeitgeschichte
10 W. Malkow. DIE ROOSEVELT-ÄRA
GING ZU ENDE
UdSSR —Indien
L. Shegalow. 40 JAHRE
FREUNDSCHAFT 28
Guatemala
12 W. Dolgow. LAND DES LÄCHELNS!
Exklusiv für die NZ
Die Route der künftigen sowjetisch­
Majbritt Theorin. LÖSUNGEN
SUCHEN kanadischen Polarexpedition. 30
Expeditionen
W. Snegirjow, D. Sparo. FUSSMARSCH
13 OBER DEN NORDPOL
Chile
liulistikow. BESUCH IN EINEM
GEMARTERTEN LAND 32
Musik
Dave Brubeck: JAZZ-BROCKEN
14
Titelbild: I. Smirnow
NZ-Umfrage
en der Redaktion antworten Am 1. März 1945 informierte
Kosaka (Japan), Raymond Präsident Franklin Roosevelt den
Garthoff (USA) Kongreß über die Jalta-Konferenz.

ERFAHRUNGEN
AUS SHENZHEN Chefredakteur
Wie wird in China V. IGNATENKO .
die Politik Redaktionskollegium:
zur Belebung L. BESYMENSKI,
S. GOUAKOW,
der Wirtschaft und J. GUDKOW
zum Ausbau (verantw. Sekretär),
der A. LEBEDEW,
Außenbeziehungen A. PIN,
B. PISTSCHIK
verwirklicht! (stellv. Chefredakteur),
Bericht A. PUMPJANSKI
aus der (stellv. Chefredakteur),
V. TSCHERNJAWSKI
wirtschaftlichen (stellv. Chefredakteur)
Sonderzone
Ihren war Shenzhen ein bescheidener Shenzhen,
-cort. Heute hat diese moderne Stadt oft Staat im Staate Verantwortlicher
große Perspektiven. genannt. Redakteur der
deutschen Ausgabe
R. KRESTJAHU'*
POST ——— ——

NON-ßRAU-POLmK
Pans ist die Metropole der Mode. Raumschiff eingeladen, nicht sowje­
Tausend!' Kilometer lie­ Das bezieht sich aber nur auf Dior tische Geräte wurden von den
gen zwischen mir, einem
Kasachen aus einer kle nen
und Yves Saint-Laurent, keineswegs Franzosen liebenswürdigerweise auf
Stadt mitten In der UdSSR, auf die französische Außenpolitik. ihren Satelliten montiert. Nein, wenn
und dem amerikanischen Das militärische Abenteuer in französische Fachleute ihren Beitrag
Wissenschaftler, der vor Tschad, die äußerst inkonsequente zur internationalen Zusammenarbeit
dem Weißen Haus den
Militär-Industrie-Komplex Position in der Frage der nuklearen im Weltraum leisteten, so auf der
der USA herausfordert. Ich Abrüstung und vieles andere kann Basis sowjetischer Erkenntnisse.
mochte ihm aber sagen, schwerlich als nachahmenswerter Jetzt versucht man, ein solches
daß die Sache des Frie­ letzter Schrei gelten. Zusammenwirken zu behindern,
dens, um derentwillen er selbst wenn das den nationalen
sich zu opfern bereit ist, Der „nostalgische“ Stil in der
Interessen Frankreichs Abbruch tut.
auch für uns Sowjetbürger Weltpol111k wird heute in der franzö­
Das Hauptziel der Provokation in
das wichtigste Anliegen ist. sischen Hauptstadt energisch un­
Charles Hyder ist für mich, Paris — anders läßt sich das nicht
terstützt. Die frischesten Beispiele
meine Angehörigen und, nennen — liegt auf der Hand. Die
sind die grobe Willkür und die
wie ich überzeugt bin, auch Menschen im Westen stehen den
für alle Sowjetbürger ein Erpressung gegenüber der Sowjet­
Beschuldigungen immer skeptischer
Symbol des unerschütter­ bürgerin Ludmilla Wangina-Verdier
lichen Glaubens daran, daß gegenüber, in der UdSSR würden
sowie der Beschluß, sowjetische
das Leben auch ohne die Menschenrechte verletzt, der
Diplomaten aus Frankreich auszu­
Kriege möglich ist, auf Kreml wolle ein Zerwürfnis zwischen
jeden Fall solange es auf weisen. Ohne sich erst um Beweise
Europa und Amerika, und was
der Erde Menschen wie zu bemühen, beschuldigt man sie
Prof. Hyder gibt. dergleichen Todsünden mehr sind.
der "Weltraumspionage".
Salim UTENOW Das Neuartige und Kühne der
Akfjubinsk, Kasach. SSR Es sieht so aus, als neideten sowjetischen Außenpolitik, die in
gewisse Leute in Paris den politi­ der UdSSR entfaltete Umgestaltung
Vor kurzem wurde im schen Modeschöpfern in Washing­ und die sich durchsetzende At­
argentinischen Fernsehen ton und London ihre Lorbeeren, mosphäre der Transparenz zerstören
eine Sendung über Afgha­ jenen Kräften, die vor kurzem mit
nistan gezeigt, die die stereotype Vorstellungen von der
Feinde des afghanischen der gleichen Spionagemache die UdSSR. Deshalb suchen die konser­
Volkes nachgerade zu Heili­ Beziehungen zur UdSSR und zu­ vativen und reaktionären Elemente,
gen hochstilisierte. Die gleich deren Autorität zu be­ auch in Frankreich, nach Mitteln und
Machart war schlau, die einträchtigen versuchten. Das Er­
Zuschauer sollten die Über­ Wegen, dem sowjetischen Herange­
zeugung
zcugung gewinnen, die
gebnis war allerdings gerade umge­ hen an die internationalen und
^a<—
Afghanen seien Opfer der kehrt, weil im "Krieg der Auswei­ inneren Angelegenheiten wenn
"sowjetischen Völker- sungen” das Prestige der Urheber schon nicht etwas Wirksames entge­
mordpolitik"... Meines und die zahlenmäßige Stärke ihrer
Erachtens muß man die
genzuhalfen, so dieses Herangehen
Menschen über wirkliche
Vertretungen in der UdSSR arg in wenigstens zu diskreditieren.
Fakten informieren, die jene Mitleidenschaft gezogen wurden. Leider läßt sich die französische
Lügenwoge, die jeden Tag Frankreichs Erklärungen für die Regierung weiterhin von den Dog­
über uns hcrcinbricht, ent­
kräften könnten.
Ursachen des jüngsten antisowje­ men der Konfrontationspolitik und
Jose Maria NOGUEIRA tischen Schrittes nehmen sich recht nicht von der Möglichkeit neuen
Buenos Aires, Argenti­ abstrus aus. Die UdSSR begeht den Denkens leiten. Ohne neue Be-
nien — 30. Jahrestag des ersten Sputnik, trachtungsweisen aber sind das
Die USA wollen die Zone baut Orbitalstationen, bietet Aus­ angestaute Mißtrauen, die vielen
ihrer "nationalen Interes­ landspartnern eine Beteiligung an Vorurteile und ungelösten Probleme
sen" unendlich ausweiten außerordentlich komplizierten nicht aus der Welt zu schaffen.
und setzen deshalb auf
Weltraumexperimenten und über- Frankreichs Teilnahme am Osf-
Kernwaffen. Wer noch
einen Rest gesun­
läßt anderen Ländern zahlreiche West-Dialog setzt vielseitige Kon-
den Menschenverstand Trägerraketen für den Start ihrer takte mit der UdSSR voraus, Die
hat, kann sich denken, wie künstlichen Erdsatelliten. Und aus- jüngste Demarche der französischen
weit eine solche Politik gerechnet unserem Land wird ange- Behörden steht jedoch, wie es im
führen kann. SDI als zuver­
lastet, Geheimnisse der westeuro- Protestschreiben des sowjetischen
lässiger Schutz ist Nonsens,
die zwischen der UdSSR päischen Anane-Rakete zu entwen- Außenministeriums heißt, im krassen
und den USA bestehende den. In Paris setzt man eine Farce in Widerspruch zu den Erklärungen
Parität kaum zu stören. Die Szene: "Der Lehrer guckt bei seinem ihrer offiziellen Vertreter über das
amerikanische Seite muß
Schüler ab". Schließlich wurde nicht Streben, die Beziehungen zur So-
das begreifen, ehe es zu
spat ist. ein sowjetischer Kosmonaut zu wjetunion auf konstruktiver
Georgi BULATOW einem Flug mit einem französischen Grundlage zu pflegen.
Moskau, UdSSR
2 "NEUE ZEIT" 15.87
A

» MIME BKSWKMra
Alexander LEBEDEW, Wladimir ORJOL

Eine Woche vor dem UdSSR-Besuch In ihren Ausführungen zu neuem Insgesamt aber habe das Wettrüsten,
von Premierministerin Margaret Thatcher Denken im Nuklearzeitalter gebrauchten heißt es in der Broschüre mit Fug und
weilte eine Delegation des Sowjetischen unsere britischen Gesprächspartner nicht Recht, in welcher Form auch immer, noch
Friedenskomitees, zu der auch wir gehör­ selten die russischen Wörter Perestroika keinen Krieg abgewandt, ja ihn immer nur
ten, in Großbritannien. Sie war einer und Glasnost. noch furchtbarer und verheerender ge­
Einladung der Bewegung für nukleare Übrigens sagte Michail Gorbatschow im macht.
Abrüstung (CND) gefolgt. Es liegt uns Dezember 1984 gerade in London, vor Nicht Waffen, nicht die Angst vor ihrer
natürlich fern, Parallelen zwischen diesen dem britischen Parlament, daß das Nu­
Vernichtungskraft müssen Kriegen vor­
zwei Besuchen zu ziehen, uns geht es um klearzeitalter unvermeidlich ein neues
beugen. Nur ein neues Herangehen an
etwas anderes. Hörte man die Stel­ politisches Denken erzwinge. Seitdem
die Lösung weltpolitischer Fragen und
lungnahmen der britischen Premiermi­ wird dieser Standpunkt der UdSSR zu neue Verhaltensweisen der Staaten bei
nisterin und verglich man sie mit den weltpolitischen Problemen durch die
der Beilegung ihrer Streitigkeiten können
eigenen Eindrücken, von Begegnun­ innere Entwicklung in unserem Land
den Frieden garantieren. Diesen
gen mit Briten, so mußte man denken, untermauert. Standpunkt teilen auch die meisten Briten,
daß es zweierlei Großbritannien gibt:
Bei Gesprächen mit Briten erkennt man: mit denen wir zusammenkamen. Auf jeden
eines, das sich an den nuklearen Ge­
Die heutige Dynamik der sowjetischen Fall glauben sie absolut nicht an den
fechtskopf wie an einen Rettungsring
Gesellschaft, der Trend zu größerer Mythos von den wundertätigen, erlösen­
klammert, und eines, das seine Rettung
Transparenz, die tiefgreifenden Verände­ den Eigenschaften der nuklearen
darin sieht, die Kernwaffen zu beseitigen.
rungen im Wirtschaftsmechanismus, die Abschreckung.
Eines, das noch immer seiner einstigen
Größe nachtrauert, und eines, das in der bei unseren Menschen sich endlich
Laut Umfragenergebnissen, die man uns
Welt von heute seine Autorität als einsfellende Aufgeschlossenheit (nicht mit
zeigte, sind über 40 Prozent der Briten für
Großmacht durch gutes Beispiel bei der Geschwätzigkeit zu verwechseln!) — a|l
den Verzicht auf Kernwaffen. Beinahe 60
Abrüstung behaupten möchte. Kurzum, das hat das Interesse für unsere außenpo­
Prozent sind gegen die Pläne, die
ein auf alte Weise denkendes Großbritan­ litischen Schritte und die damit verbun­
britischen Nuklearkräfte durch den Ankauf
nien und ein anderes, das sich den Weg dene Sympathie unglaublich erhöht und
amerikanischer "Trident 2" zu modernisie­
zu neuem politischen Denken bahnt. wird von verschiedenen Kreisen zuneh­
ren und zu verstärken, und gegen die
mend unterstützt.
Stationierung von US-Flügelraketen auf
Die Worte Michail Gorbatschows auf englischem Boden. Freilich zeigen die
Ende des 18. Jahrhunderts schilderte dem Moskauer Forum, daß ein Weltkrieg Umfragen, je nachdem, wie die Frage
der große englische Satiriker Henry in unserer Epoche aufgehörf hat, die formuliert wird, auch etwas anderes.
Fielding überzeugend einen Faustkampf Fortsetzung der Politik mit anderen Ungefähr zwei Drittel der Briten legen
zwischen mehreren achtbaren Genflemen. Mitteln zu sein, und daß man auf die Wert auf den nuklearen Status ihres
Und zog einen philosophischen Schluß Doktrin der nuklearen Eindämmung ver­ Landes. Andererseits betrug dieser Anteil
daraus (übrigens ohne richtig zu hoffen, zichten muß, haben unsere Ge­ vor einigen Jahren sogar drei Viertel.
wie er in seinem Hauptwerk "Tom Jones, sprächspartner stark beeindruckt.
die Geschichte eines Findlings" zugab,
daß die Nachkommen seinen Rat befol­ Mrs. Thatcher ist da anderer Meinung.
Uns interessierte, ob wir und die Briten
gen): Alle Streitigkeiten, darunter auch Häufig und überzeugt wiederholt sie, wie
neues politisches Denken gleich auffassen.
zwischenstaatliche, seien in wenigen sie das auch in Moskau tat, eben die
Nach der Meinung der meisten unserer
ehrlichen Zweikämpfen zu entscheiden, Kernwaffen hätten die 40 Jahre stabilen
Gesprächspartner zu urteilen, sind die
und zwar unter Einsatz nur der Mit­ Friedens nach dem zweiten Weltkrieg
Auffassungen nicht identisch, aber immer­
tel, die uns die Natur beschert habe. gesichert. Sehr viele ihrer Landsleute
hin sehr ähnlich. Als wir z. B. von der
feilen diesen Standpunkt nicht. Die CND
Ansätze neuen politischen Denkens gab Notwendigkeit sprachen, die Konzeption
hat eine kurze geistreiche Broschüre,
es offenbar auch schon damals, wenn auch der nuklearen Eindämmung aufzugeben
betitelt "Sieben Todmythen über Kernwaf­
nur schüchtern und nur bei bedeutenden sowie Gewalt, Diktat, Drohungen, Un­
fen", herausgegeben. Mythos Nr. 1 be­
IDenkern. Heute ist die Wendung "neues terdrückung oder die Erpressung durch
sagt, daß die Atombombe den Frieden in
(politisches Denken" in Großbritannien militärische Überlegenheit aus den inter­
Europa 40 Jahre lang aufrechterhalten
öaußerordentlich weit verbreitet. Diesem nationalen Beziehungen auszuschließen,
habe. Denn es sei nicht zu beweisen,
TThema war u. a. ein mehrstündiges erhob niemand Einwände. Was
schreiben die Autoren, daß etwas anderes
SSeminar gewidmet, das die CND anläßlich selbstverständlich nicht heißt, daß unsere
als Kernwaffen Europa gerettet habe.
(unserer Ankunft veranstaltete. Zum Semi- Gesprächspartner mit allen Aspekten der
nnar kamen Mitglieder des CND-Vorstands, Auf jeden Fall gebofen die Kernwaffen sowjetischen Außen- und Innenpolitik
Wertreter der Labour-, der Liberalen und an sich den zahlreichen blutigen Kriegen vorbehaltlos einverstanden sind oder daß
dler Kommunistischen Partei, großer Ge­ außerhalb Europas keinen Einhalt, obwohl beim Herangehen an internationale
werkschaften, der Pax Christi, anderer an diesen Kriegen nukleare Länder Probleme keine Unterschiede be­
reeligiöser Friedensgruppen etc. teilnahmen. stehen.
"»NEUE ZEIT" 15.87 3
e '' Terwa über Fricdensaktio- sich auch auf die brennenden Probleme
;c-c;-- „se- d e Menschenrechte in der Abrüstung und internationalen
_-d d e geschlossene sowje- Sicherheit.
‘ sehe Gese scraft zu d.skutiercn.
L e- zt A •;«' t e ' D ese cragen ; nd noch immer da, aber
_ c c- - c. e E ■ : ■ c - ‘ =e------ ‘ergründ gerückt. Der Politik Gewisse hoffnungerweckende An­
3«"
--;c-e; La*des und folglich auch den zeichen sind in Großbritannien trotzdem
-’e urgnahm en von Vertretern unserer zu bemerken. Am deutlichsten zeigt sich
0 e- c-<e t wird weit mehr Vertrauen das im Programm der Labour Party, die
c-'gege-gco’acht als noch vor kurzem. eine britische Politik des Verzichts auf
Ü ' CND-_e.‘e- sagte, es sei absurd, die Kernwaffen billigt.
. .». t
r.- UdSSR, w.e d es im Westen manchmal Martin O'Neil, stellvertretender Vertei­
noch geschehe, stets nur als einen digungsminister im Schattenkabinett, er­
re- teeren Rechtsverletzer darzustellen, läuterte uns diese Haltung ausführlicher.
der immerzu zu verurteilen und zu Sie sehe den Verzicht auf die heutigen
bestrafen se . "Polaris", den Verzicht auf den geplanten
Sfc-ect/pen u-d Mythen verschwinden Kauf amerikanischer "Trident" sowie den
natürlich nicht über Nacht, die von Abzug der amerikanischen Flügelraketen
<or.frortat.en geprägte Mentalität bringt und anderen Kernwaffen vor. Die USA
//esten neue böswillige, verzerrende dürften ihre nichtnuklearen Stützpunkte

SEVEN /erste ur.gen von unserem Leben, unse­


re' Po .‘ik hervor.
und sonstigen Objekte weiter behalten,
aber die für die nuklearen Kräfte be­

DEADLY D.eses Prob.em hat einen neuen Aspekt


ceko-—en. Em zentrale; Thema in den
stimmten Summen müßten der Moderni­
sierung der konventionellen Rüstungen

MYTHS z- • scher, und anderen westlichen poli-


Kre sen sowie Massenmedien
und der Vergrößerung
Beitrags zur NATO dienen.
des britischen

ABOUT ist a e sowjetische Umgestaltung


n Westen von Vor- oder von
Neues Denken stößt auf wütenden
Widerstand. Die Tories stellen das militä­

NUCLEAR Nachte , ist es besser oder schlechter, es


m t einer klugen, dynamischen, fort-
rische Programm der Labours als Ausdruck
der politischen Verantwortungslosigkeit

WEAPONS schr.-’ eher, und aufgeschlossenen sowje-


■ .sc-en Führung zu tun zu haben?
hin. Bei dem jüngsten
Kinnocks und Denis Healeys mißbilligte
US-Besuch Neil

Das wurde auch im Westminster von Washington offen die antinuklea­


e -e—. ' konservativen Unterhausmitglied re Position der Labour Party. Aber sie
a-gesprochen. Im Westen heißt es, sagte behauptet ihren Standpunkt mehr oder
er, daß eine Sowjetunion, die den Weg weniger entschlossen.
der Erneuerung kühn gehe, überholte Nach Meinung führender Politiker der
Begrif'e in Politik und Wirtschaft ent- Labour Party werde ein solches Programm
sc-lassen abstreife, für den Westen ihnen zwar keine zusätzlichen Stimmen
gefährlich sei, und dies nicht aus militä- einbringen, doch auch wohl kaum Wähler
- sehen, sondern aus ideologischen und abstoßen. Im Wahlkampf werde es so­
pc tischen Gründen. wieso vor allem um die Sozial- und
Wirtschaftspolitikgehen. Außerdem
Auf jeden Fall meint dieser Tory, daß
könne der Kurs der Labours auf lange
Menschen, die eine stagnierende und mit
Sicht zunehmende Unterstützung finden.
dem Westen lediglich auf militärischem
Genau können wir natürlich nicht
Gec.et erfolgreich rivalisierende UdSSR
beurteilen, inwiefern die antinukleare
vorzögen, eher in den USA zu suchen
Plattform der Labours im Lande unterstützt
se en, keineswegs in Großbritannien und
wird; Umfrageresultate sind schließlich mit
o //esteurepa, denn hier sei man anders
gesonnen.
Vorsicht zu genießen. Auf jeden Fall gab
es unter unseren Gesprächspartnern weit
"Auch in der Konservativen Partei?"
mehr Anhänger als Gegner dieser Hal­
hakten wir nach.
Umschlag der Broschüre "Sieben tung.
"Zweifelsohne", antwortete der Parla­
Todmythen über Kernwaffen" Deshalb wirkte befremdend, was Mrs.
mentarier.
Thatcher in Moskau im Namen des
W.r unsererseits hegen doch gewisse
britischen Volkes zu den nuklearen
Zweifel. Zwar suchte Mrs. Thatcher in
Fragen erklärte (nicht von ungefähr heißt
Moskau sie zu zerstreuen. Hört man
es unter Moskauer Witzbolden jetzt, nach
indessen einigen Exponenten der Tories
ihrem Auftritt im sowjetischen Fernsehen,
(und ihrer Gesinnungsgenossen auf dem
Be m Thema "neues pc • sehe; Den­ > sie sei nicht eine eiserne, sondern eine
Kontinent) zu, so hat man den Eindruck,
ke-'' •• uß*e ' c‘_- e 'i weiterer verbrei­ nukleare Lady). Auf keinen Fall wäre es
eis hätten sie keine anderen Sorgen als
tete' Mythos. da; ’ Fcmdb; d", a_'s Tapet recht und billig, das bedingungslose
das - übrigens auf rein westliche Art
kommen. - F- -j ar.g C._T Sowjetbürger Bekenntnis der Premierministerin und
verstandene — Wohlergehen des Sowjet- ihrer Gesinnungsgenossen zu den "ein­
l -'ach der Fe nd Unter den a'ten
• Volkes. Zudem hänge besagtes Wohler­
Denk— ■;! des woh' e.nes der dämmenden" Kernmitteln der allgemei­
gehen davon ab, wie "hart" die Politik nen Ansicht der britischen Öffentlichkeit
z<? 'eb g:‘c-. Veränderur gen s.-d jedoch
Londons und seiner Partner gegenüber gleichzusetzen. Die CND bildet angeblich
bemerkbar, v. r haben s.e empfunden.
der UdSSR sei. die einzige Ausnahme. Bei der Erwäh­
Zwc le! o; sp c * F e- unsere Umgestal­
tung de Hsjp'-c. c. Es wäre gar nicht schlecht, wenn auch nung dieser Bewegung geben die konser­
Es n..ct.t 'a-ge er, da verbrachte man • e r.flußreiche Kreise im Westen bald an vativen Politiker übrigens herablassend zu
Le Ec'ic'.' u-ge- von Vertretern der c ne Umgestaltung gehen, die Umgestal­ verstehen, die CND vertrete die Ansichten
sowjetischen j-.d der Aestuchen 01- tung ihres Denkens, und wenn sie auf den eines unbedeutenden Teils der Öf­

'c ■ c'»c *. de'u ‘c- c-c* so eten cc- " Wunsch verzichten, uns nach
"frommen" fentlichkeit. Ein typisches Beispiel des
it-zcrn Ebene d zu kneten. Das bezieht Wunschdenkens.
t" ; en CND. eu're oenp lange S *zun-
"NEUE ZEIT" 15.07
4
such Mrs. Thatchers. Wir waren verwun­ fest und bleibt bei der Erreichung eines
dert, wie sensibel die britischen Frie­ vollständigen Verbots der Nuklearexplo­
Die CND ist eine Massenbewegung: densfreunde auf den Besuch reagierten. sionen und auch in anderen
eine Viertelmillion Mitglieder plus ein Ohne Umschweife sagten sie, die Tory- Abrüstungsfragen passiv.
gewisser Einfluß auf breite soziale und Führung würde alles versuchen, um die Auf jeden Fall glauben wir folgendes.
politische Schichten: Labours, Liberale, Ergebnisse der Reise für ihre egoistischen Wenn der Moskau-Besuch Mrs. Thatchers
Grüne, Kommunisten, Nationalisten von Parteizwecke auszuschlachten. Sie be­ die Wahlen in Großbritannien tatsächlich
Schottland und Wales, Parteilose, Ge­ fürchteten außerdem, die britische Pre­ beeinflussen sollte (das Datum steht noch
werkschafter, Vertreter verschiedener mierministerin würde der akuten Frage nicht fest, man spricht von Mai, Juni
Konfessionen, Wissenschaftler, Ärzte, nach den britischen Kernwaffenstreitkräf­ oder Oktober), so wäre das eine hochin­
Künstler etc. 1958 gegründet, erlebte die ten, deren Auflösung die CND anstrebt, teressante Besonderheit unserer Tage.
CND- zu Beginn der 60er Jahre einen ausweichen. So fühlten sie sich alarmiert, Spitzenpolitiker und Parteien beurteilt
stürmischen Aufschwung und in den 70er als es neuerdings aus Regierungskreisen man heute danach, welches Verantwor­
Jahren eine langwierige Depression. In verlautete, Moskau ziehe es vor, gerade tungsbewußtsein sie in internationalen
den 80er Jahren, als sich die britische mit diesem Tory-Kabinett zu tun zu haben. Angelegenheiten an den Tag legen und
Gesellschaft, besonders nach der Statio­ Da wir keinen diplomatischen Status was sie zur Gewährleistung des Friedens
nierung von US-Flügelraketen 1983, über hatten, waren wir so frei, einige persön­ tun. Das erhöht die Rolle der Of-
die nukleare Gefahr klarer wurde, akti­ liche Erwägungen zu äußern, und hoffen, fentlichkeit und die Chancen
' für die
vierte sich die CND wieder. Hunderttau­ daß man uns deshalb keine Einmischung in Vertiefung einer "Entspannung von un-
sende, mitunter eine Million gingen zu die Wahlkampagne zur Last legt. Aus ten".
ihren Demonstrationen und Meetings. unserer Überzeugung heraus, daß die Die UdSSR geht mit gutem Beispiel
Es ist bekannt, daß die Veränderungen sowjetische Führung konsequent die Idee voran: Viele Ideen, die zu verschiedenen
in der Haltung der Labours der CND der nuklearen Abrüstung vertritt, Zeiten in der Öffentlichkeit entstanden,
halfen, ihren Einfluß zu erweitern. Gerade sprachen wir uns dahingehend aus, daß darunter in Bewegungen und bei Politi­
damals wurde das Programm der einseiti­ die nuklearen Probleme unabhängig von kern des Westens, fanden später in den
gen nuklearen Abrüstung angenommen. den Absichten des Tory-Kabinetts so­ Vorschlägen der sowjetischen Führung
Das geschah übrigens, wie man uns sagte, wieso im Mittelpunkt der Moskauer ihren Niederschlag.
unter dem unmittelbaren Einfluß der Gespräche stehen würden. So kam es
antinuklearen CND-Plattform. auch.
Vor unserer Abreise aus London hörten
Die CND unterstützt dieses Programm, Was konkret die britischen (wie auch
wir, daß die CND-Führung Margaret
hat jedoch so manches daran auszusetzen. die französischen) Kernwaffen betrifft,
Thatcher eine Art "Mandat" für die
Das Dokument wurde auf der Labour- ganz zu schweigen von den häufig
Verhandlungen über Kernwaf­
Jahreskonferenz 1986 verabschiedet. Die wiederkehrenden Projekten einer Euro­
fenprobleme und die Einstellung des
CND stellt in einigen Positionen Ab­ bombe, so ist die Haltung der sowje­
Wettrüstens zu übergeben gedenke,
weichungen von einem ähnlichen Doku­ tischen Öffentlichkeit absolut un­
Pressemeldungen zufolge wurde das
ment, das zwei Jahre zuvor gebilligt mißverständlich: Ganz gleich, wann und
getan.
wurde, fest. wo Diplomaten über die Zukunft der
Es steht uns nicht zu, darüber zu
Was kritisiert die CND? Im Unterschied britischen nuklearen Waffen diskutieren,
urteilen, inwiefern die britische Führung
zur Labour Party ist sie gegen Großbritan­ sind wir für deren Beseitigung, und dies
das "Mandat" ihrer Öffentlichkeit reali­
niens Teilnahme an den "nuklearen aus demselben Grunde, der uns auch
siert hat. Aber als einflußreiche Massenor­
Blöcken", d. h. der NATO. Zwar ver­ sonst zum Kampf für eine überall (selbstre­
ganisation beauftragte das Sowjetische
sprechen die Labours, auf eine Modifizie­ dend auch in der UdSSR) vorzunehmende
Friedenskomitee seinerseits eine reprä­
rung der NATO-Dokfrin in antinuklearer Vernichtung der Kernwaffen bewegt. Die
sentative Delegation unter Genrich Boro-
Richtung hinzuwirken (Verpflichtung, kei­ Versuche des Tory-Kabinetts, zu tun, als
wik, dem Vorsitzenden unseres Komitees,
nen Erstschlag zu führen, Konzentration gingen die Verhandlungen über eine
in Moskau mit Mrs. Thatcher zusammenzu­
auf konventionelle Rüstungen). Aber die einschneidende Kürzung der Kernwaffen
kommen und ihr die Position der sowje­
CND geht weiter, sie fordert, die Blöcke Großbritannien gar nichts an und als
tischen Öffentlichkeit darzulegen.
durch ein allgemeines Sicherheitssystem wären seine Kernwaffen unantastbar, sind
zu ersetzen. weder logisch noch haltbar.
Außerdem verweist sie darauf, daß das Wir werden es ja erleben, in welchem
Zu den Sympathien der sowjetischen
Dokument der Labours am "Feindbild Maße die Führung des Landes dem
Öffentlichkeit für die eine oder die andere
Sowjetunion" festhält. Das Ziel, eine Standpunkt der Öffentlichkeit Rechnung
der führenden britischen Parteien: Unab­
kernwaffenfreie Welt, wird darin nicht trägt, darunter der dieses Landes, wo man
hängig von ideologischen Motiven be­
erwähnt. auf tiefgreifende parlamentarische Tradi­
ruhen solche Sympathien vor allem auf
tionen so stolz ist und so gern bereit,
Eins steht jedoch fest: Die größte ihrer konkreten Politik, ganz gleich, ob es
anderen Völkern, am häufigsten dem
Unterstützung findet die CND in der sich um Tories, Labours, Liberale, Sozial­
Sowjetvolk, Lehren in demokratischer
Labour Party und den Gewerkschaften. demokraten usw. handelt.
Beschlußfassung, darunter im außenpoli­
Der Bewegung gehören ferner ungefähr
Fakt ist, daß der Beschluß über die tischen Bereich, zu erteilen.
120 Mitglieder des Unterhauses an,
Entwicklung britischer Kernwaffen von der "Ihr sollt euch nicht von den sieben
vorwiegend Labours, aber auch Liberale
ersten Labourregierung der Todmythen in Versuchung führen lassen":
und Vertreter der nationalistischen Par­
Nachkriegszeit (Attlee--Bevin) angenom­ Mit diesen Worten schließt die von uns
teien von Wales und Schottland.
men wurde. Ebenso unbestreitbar ist die eingangs erwähnte Broschüre. Vielleicht
Bei den bevorstehenden Wahlen wer­
alles in allem energische und positive gibt es sogar mehr als nur sieben
den die CND-Aktivisten, wie leitende
Rolle des Tory-Politikers Harold MacMil- Todmythen. Wir überzeugten uns in
Vertreter dieser Organisation sagten, eine
lan, als der Vertrag über das Verbot der Großbritannien, wie nützlich Begeg­
aktive .Kampagne für jene Kandidaten,
Nukleartests in drei Medien vorbereitet nungen und persönliche Kontakte sind:
ganz gleich, welcher Parteizugehörigkeit,
und dann 1963 geschlossen wurde. Sie tragen dazu bei, solche Mythen zu
durchführen, die sich für nukleare
Wie man sieht, hat die Labour Party zerpflücken sowie Stereotypen auszumer­
Abrüstung einsetzen.
seitdem auf nuklearem Gebiet eine zen, die früher im Bewußtsein der Briten
wesentliche Evolution durchgemacht (al­ und, wir wollen es offen sagen, auch in
Das Thema Wahlen kam in unseren lerdings in der Opposition). Die Tory- unserem Bewußtsein fest verankert schie­
Gesprächen immer wieder zur Sprache, Regierung aber hält beharrlich an der nen.
oft im Zusammenhang mit dem UdSSR-Be- Konzeption der nuklearen Eindämmung London—Moskau

"NEUE ZEIT" 15.87


5
PANORAMA

USA­
NIKARAGUA

„Solid Shield"
soll
provozieren
•MIT EINER UNBEDEUTENDEN
STIMMENMEHRHEIT BILLIGTE
DER US-SENAT DIE
ÜBERWEISUNG VCN 40 MIO
DOLLAR AN DIE CONTRAS IN
NIKARAGUA.
Das ist der Rest der von der
Rcagan-Administrat.on im vo­
rigen Sommer bewilligten 100
Mio. Die CIA begann bereits
nut der Belieferung der Contras
nut Kanonen, Boden-Luft-Ra­
keten und sonstigen schweren
Waffen. Ferner überläßt sie
bewaffneten Gruppen, die ins
Innere Nikaraguas eingcdrun-
gen sind, Spionageangaben
über zu zerstörende Objekte:
Brücken, Dämme, Kraftwerke,
Überlandleitungen, Telefonäm­
ter, Hafcnanlagen usw.
Am frühen Morgen des 19.
März überfielen die Contras die
Siedlung Bocay im Departe­
ment Jinotega und plünderten
die Genossenschaft Monterrey
in 10 km Entfernung vom
Städtchen Asturias. Drei Tage
früher kam es in Managua
nachts zu einer starken Explo­
sion, die einen Leitungsmast
bei Domitila Lugo zerstörte.
Am Abend des 26. März
übertrug das Fernsehen das
Begräbnis der Opfer. Wei­
IS,
nende Witwen, Verwandte und
Angehörige in tiefer Trauer.
Begraben wurden neun Ar­ „Zum Verrücktwerden! Ist Rußland unheimlich zurückgeblieben, oder
beiter des Carlos-Fonseca- bleiben wir hinter ihm unheimlich zurück!"
Holzkombinats, die von Contras Zeichnung: W. Arsenjew
aus dem Hinterhalt ermordet
worden waren.
Die Terrorakte passieren
wohl nicht zufällig in einer Zeit, Vieques bei Puerto Rico erwei­ die seiner Meinung nach wie in Washington nicht einmal den
da eine Übung der amerika­ tern. Am Manöver „Solid ein Auftakt zu einer Inva­ Gedanken an eine friedliche
nischen und honduranischen Shield" sollen über 50 000 sion in Nikaragua wirken. Koexistenz mit den Sandinisten
Truppen, die auf den Namen Militärangehörige, ferner Flug­ Washington setzt seine Pro­ zu, wenn die Regierung Nikara­
„Pegasus 87" hört und am zeugträger und andere vokationen fort. Vor kurzem guas nicht der US-Forderung
1. April in Honduras in der Karrpfschiffe eingesetzt wer­ veranstaltete die (JS-Botschaft nachkomme, mit den Contras zu
Nähe der nikaraguanischen den. In einem Interview für die in Managua für Vertreter der verhandeln und das gegenwär­
Grenze begann. Im Mei will Nachr.chtenagentur Nueva Ni­ rechten Oppositionsparteien tige Regime zu ändern.
das Pentagon seine caragua be*onte der amerika­ em Treffen mit dem Managuas Öffentlichkeit war
Übungszene von Honduras bis nische Admiral a. D. Gene La US-Cbersten und Lateinameri­ empört. Luis Sanchez, Parla­
zum US-Stutzpunkt Guanta- Rocque de außerordentliche kaexperten Jose Muratti. Wie er mentsabgeordneter der Nikara­ I
namo auf Kuba und zur Insel Gefährlichkeit der Obungen, sagte, lasse die Administration guanischen Sozialistischen Par-
6 "NEUE ZEIT" 15.87
PANORAMA

tei, erklärte: „Es ist be­ Die „Ehe" der SPD mit den ALKEM die nötige Genehmi­ dentliche Parteitag muß auf
dauernswert, daß ein Ideologe Grünen alarmierte die bürger­ gung auszustellen. Die Kritik diese Fragen antworten.
des amerikanischen Imperialis­ lichen Parteien. Die „rotgrüne der Grünen an Sieger war so
A. TOLPEGIN
mus nach Nikaragua kommt, um Gefahr" werde, wie die scharf, daß der hessische Mi­ NZ-Korrespondent
eine Politik der Aggression Rechtspresse behauptete, nisterpräsident Holger Börner
Bonn
gegen unser Land zu rechtferti­ unweigerlich in einem ihren Vertreter Joschka Fischer
gen, und eine Schande, daß „Wirtschaftschaos" enden. In (bis dahin Umweltminister)
sich nikaraguanische Politiker Wirklichkeit ist die Lage in feuerte. Die Koalition zerfiel.
bereit finden, so etwas mit­ Hessen in so mancher Hinsicht Vorfristige Wahlen wurden
zumachen." besser als in den anderen ausgeschrieben.
NZ-Korrespondent Bundesländern: die Arbeitslo­
Trotzdem wandten sich die
GRIECHENLAND­
sigkeit etwas geringer als der
Managua
Bundesdurchschnitt, die Ar-
hessischen Sozialdemokraten TÜRKEI
beitsprodukfivität und der später mit der Forderung an das
Lohndurchschnitt höher. Bundesverfassungsgericht, die
Die
Landesregierung konnte im- Plutoniumverarbeitung in Ha­

merhin einige bescheidene


Maßnahmen für die Werktäti­
nau zu verbieten.
brachen sie ihr Bündnis mit den
Zuerst
Ursachen
BRD gen durchsetzen. Grünen ohne halbwegs
ernsthaften Grund, nach den
Dennoch zerfiel die Hessener Wahlen nun wollten sie es einer
Koalition noch Monate vor den erneuern.

Niederlage regelmäßigen Landtagswahlen.


Der unmittelbare Grund waren
Ein dermaßen
dersprüchliches Verhalten der
wi­
Krise
die Gegensätze zwischen den
SPD mußte sich auf die Wähler

in Partnern in der Kernenergiefra­


ge.
auswirken.
1983 verlor sie 6 Prozent der
Gegenüber
ODER SEIT OBER 10 JAHREN
In Hessen liegen mehrere Stimmen in Hessen und schnitt SCHWELENDE SPANNUNGS­
am schlechtesten in der ganzen
Hessen Betriebe, die den Brennstoff für
Kernkraftwerke erzeugen. Sie Nachkriegszeit ab. Die Grünen
HERD
IN DEN
IN DER ÄGÄIS STAND
LETZTEN TAGEN
bestehen schon jahrelang, und hingegen, die trotz der
ERNEUT IM GESPRÄCH
zwar ohne entsprechende Konflikte zur weiteren Zusam­
menarbeit mit der SPD bereit Der Anlaß zur neuerlichen
offizielle Genehmigung, so
ODIE LANDTAGSWAHLEN IN waren, konnten ihre Positionen Verschärfung der griechisch­
seltsam das auch ist. Fachleute
HESSEN BRACHTEN DEN bedeutend festigen: 9,4 Pro­ türkischen Gegensätze war die
äußerten wiederholt starken
SOZIALDEMOKRATEN EINE zent der Stimmen bzw. 3,5% npch immer offene Frage über
Zweifel an ihrer Betriebssicher­
NIEDERLAGE. mehr als bei den früheren die Teilung des Kontinen­
heit. Sie befinden sich sämtlich
Landtagswahlen. Das reichte talschelfs im Ägäischen Meer.
Nun haben CDU und FDP in Hanau, in unmittelbarer Nähe
des internationalen Frankfurter jedoch für eine weitere Athen und Ankara standen
zwei Sitze mehr als die SPD und
„rotgrüne" Koalition nicht aus. dicht vor einem bewaffneten
die Grünen, in Hessen entsteht Flughafens und dreier
eine CDU/FDP-Koalition. Der Konflikt. Die allgemeine Sicher­
Flugplätze der US Army. Ein
Die Wahlergebnisse in Hes­ heit im neuralgischen Punkt
neue Ministerpräsident ist Bun­ Flugzeugunglück in diesem
sen sind Ausdruck der allge­ Ostmittelmeer drohte ins Wan­
desumweltminister Walter Gebiet (leider nicht auszu­
meinen SPD-Krise, als deren ken zu geraten.
Wallmann. schließen) würdb dichtbesie­
Folge auch der Rücktritt des
delte Territorien verstrahlen. Die UdSSR und die anderen
Parteivorsitzenden Willy
Die Wahlergebnisse bedeu­ Eines dieser Unternehmen, die in der Nähe gelegenen Staaten
Brandt anzusehen ist. Wie er
ten vor allem eine schwere ALKEM, verarbeitet Plutonium, fühlten sich zu Recht alarmiert.
sagt, wolle der rechte SPD-Flü­
Schlappe für die SPD. Hessen das sich auch für Kernwaffen
gel eine Änderung des auf dem Moskau forderte die
galt als eine Hochburg der eignet. Deshalb bestehen die
Nürnberger Parteitag festge­ griechische und die türkische
Partei, in allen Nachkriegsjah­ Grünen entschlossen auf der
legten Kurses erzwingen, ob­ Regierung auf, jeden die Situa­
ren stand sie dem Landtag vor. Liquidierung der Firma. Die tion erschwerenden Schritt zu
wohl er dafür keine Mehrheit
In den meisten Fällen mußte sie DKP erklärt dazu: „Die Einstel­
habe. Zweifellos wird die Nie­ vermeiden, und gab seiner
allerdings die Macht mit ande­ lung der Plufoniumverarbei- Hoffnung Ausdruck, daß guter
derlage in Hessen die Diskus­
ren Parteien teilen, die letzten tung ist vor allem notwendig,
sion in der Partei aktivieren. Wille auf beiden Seiten zur
14 Monate mit den Grünen. um jede Möglichkeit zu unter­ friedlichen Lösung der stritti­
Was nun? Wird die SPD die in
binden, daß die re­ gen Fragen führen werde.
Für die demokratischen Nürnberg begonnene Ausar­
vanchistischen Kräfte in der
Kräfte war Hessen eine Art beitung einer politischen Linie Man muß sagen, daß Athen
Bundesrepublik sich jemals ih­
Gegengewicht Bonn mit
zu fortsetzen, die eine Alternative und Ankara die Situation unter
ren alten Wunsch - die eigene
seiner bürgerlichen Koalition zum konservativen Kurs der Kontrolle behielten. Sie übten
Atombombe - erfüllen kön­
und das Bündnis der SPD mit Bonner Koalition darstellt? Zurückhaltung und bemühten
nen."
den Grünen ein Modell, das Nach einem Bündnis mit ande­ sich um eine Normalisierung
eventuell auch auf andere Bun­ Im vorigen Herbst sprach ren Kräften „links von der der Lage. Auf einem Briefing
desländer überfragen werden sich die SPD zwar ebenfalls CDU" sfreben? Oder sich im für sowjetische und auslän­
könnte. Das Beispiel Hessen gegen die Plufoniumverarbei- Gegenteil von Nürnberg ab­ dische Journalisten am 2. April
lieferte einen Orientie­ tung in der Bundesrepublik aus, kehren und allmählich die sich äußerte ein Vertreter des
rungspunkt auch für die Schaf­ aber der hessische abzeichnenden Positionen auf­ sowjetischen Außenministe­
fung einer neuen politischen Wirtschaftsminister Ulrich Ste- geben und sich den bürger­ riums Genugtuung und schätzte
Mehrheit in der ganzen Bun­ ger (SPD) versprach im Januar lichen Parteien annähern? Der Griechenlands Vorschlag, die
desrepublik. d. J. der Bundesregierung, der für Juni angesetzte außeror- Frage des Kontinentalschelfs

"HEUE ZEIT" 15.87 7


PANORAMA

dem denen er die friedensdien- tischer Herkunft. Dies beweise stoßen, so spricht man jetzt
richtthc’ vorz-'ege- .chen Initiativen der UdSSR die Einmischung der UdSSR in ganz offen von ihrer möglichen
ein. und die Umgestaltung in unse­ den inneren Konflikt in Tschad „Umverlegung", d. h. von der
rem Lande positiv emschätzt. und überhaupt die imperia­ Erweiterung der französischen
Die Lrc-’c.-g des Prcb ems Sc- cü..ch macht cs Washing­ listischen Bestrebungen Mos­ I nvasion.
in d r-.eßgr.b c' r. ton c nfach wütend, da3 kaus in Afrika.
ri.it ihrer. Erfahrungen bc A‘hen das Wcitcrbestehen der An der Operation „Habicht" I
Über die Kolonisie­
Hilfe für Staa‘e- /. US-Stützpunkte in Griechen- wirkt die US-Administration
rungspläne der „Roten" in
Situation wurc<. dazu be ‘ra­ 'and nicht garantiert, daß die aktiv mit. Sie gewährte dem
Afrika las man seit Jahren in der
gen, die Gegc-Sätze ohne Griechen die US-Kernwaffen Habre-Regime Waffen,
französischen bürgerlichen
äußeren Dr. .• > . oe'.a- ' a;n den aus ihrem Land weghaben
Presse.Gegenwärtig ist „Le
Kampftechnik und Munition für -
Völkern 1 ■;• r . . ..c-C - wollen und sich weigern, an 15 Mio Dollar. All das wurde
Monde" darauf aus, die franzö­
gen Erinnert sei auch daran, militaristischen Umtrieben ge­ mit den US-Maschinen geflo­
sische und internationale Öf­
daß der UNO-S c! erbe tsra4, gen d e sozialistischen Länder gen bzw. von amerikanischen
fentlichkeit von der - noch dazu
der m August ‘976 e.rcn te.lzunehmen. „technischen Hilfscorps" mitge­
gemeinsam mit den USA unter­ bracht. Jetzt sei es nicht ausge­
analogen g-c. ich-'ü i seien
nommenen - sprunghaften Es­ schlossen, daß „der Präsident
Konflikt wegen der Fec“e de- D.e US-Presse geizt nicht mit
kalation der französischen Ein­ den Befehl über dringliche
Seiten auf die Ausbeutung der Beschimpfungen gegen die
mischung in Tschad abzulen­
Bodenschätze auf dem griechische Regierung. Erneut Militärhilfe erteilen könnte. Das
ken. Am 10. März erklärte
ägäischen K«eÜM he.2t es, Nordzypern sollte erfordert keine Billigung durch
Präsident Mitterrand auf einer den Kongreß." Eine solche
erörterte. ebenfa !s c. e we terhin okkupiert werden.
Pressekonferenz in Paris unum­ Hilfe könnte 75 Mio Dollar
Zweckmäßigkeit her.c-hcb, Man dreht den Griechen offen,
wunden, die französische „Hil­
die Erfahrungen ces l-ferrat o- ihnen die US-Milifärhiife zu erreichen. Wie eine ägyptische
fe" für N'Djamena nehme von
nalen Gerichtshofes in An­ entziehen. Zeitung vor kurzem schrieb,
Monat zu Monat zu; für die habe Washington versucht,
spruch zu nehmen.
Bereinigung des dortigen auch Ägypten in das franzö­
Das ist nicht die am Poto-
Gegenwärtig d.e scheint Konfliktes sei militärische Ge­
mac erwartete Wirkung. Die sisch-amerikanische Abenteuer
Krise überwunden, d»e unmit­ walt entscheidend.
neue antigriechische Kam­ in Tschad einzubeziehen, sei
telbare Gefahr für den Frieden Die Erklärung, in der die jedoch auf entschiedene
pagne bestärkt die Regierung
im Ostmittelmeer und auf dem Eskalation der Einmischung zu­ Ablehnung gestoßen.
in Athen noch in ihrer Ent-
Balkan gebannt. Lohnt es auf gegeben wird, orientiert das
schlossenheit, das Land von
den Konfl.kt noch einmal e nzu- Habre-Regime überdies darauf, Die Eskalation der bewaffne­
den US-Militärobjekten
und
gehen? eine friedliche Regelung durch ten Einmischung Frankreichs in
US-Kernwaffen zu befreien und
Verhandlungen zwischen den Tschad wird heute von der
so c e e gene Sicherheit zu
Doch, we. man d e Sch.'o- Öffentlichkeit in aller Welt, vor
konsolidieren. Die Regierung Konfliktparteien abzulehnen
gen festnageln und K a-he t allem in Afrika selbst, immer
gab bekannt, daß sie fest und den Bürgerkrieg - mit
darüber schaffen muß. wer schärfer verurteilt. Gegen die
entschlossen ist, auch weiter französischer Hilfe - bis zum
diesen Spannungsherd immer Einmischung sprachen sich die
e -.en se'oständigen, friedlie­ siegreichen Ende zu führen.
w.cdsi’ u'ci wc-.~ De' Spitzenpolitiker von Ghana,
benden außenpolitischen Kurs Frankreichs Einmischung in
griechische Prem er Andreas Burkina Faso, Benin, Nigeria,
zu s‘e_ern und aktiv zu Frieden Tschad war aber schon ohne
Papand-eou sag‘e n se ner Togo und Niger aus. Das
und Abrüstung beizutragen, Eskalation beeindruckend ge­
Erklärung vom 2” März ohne Volksbüro für auswärtige . Be­
dar_n‘er — Rahmen der Initia- nug.
ü-’sc' weife daS d.e Veran-- ziehungen Libyens gab eine
‘ se der sechs S‘aa!en. Nach der Presse zu urteilen,
w o-tung c e K- se c e USA Erklärung ab: Die Stellungnah­
sind in Tschad bei der Opera­
trifft G. SCHAPOWALOW tion „Habicht" (so das Kode­
men des französischen Präsi­
denten und die groben Aus­
wort für das Eindringen franzö­
De A-nah—e wä-e rav, — fälle von Sprechern der US-Ad­
sischer Truppen in dieses Land)
We.ße- Haus wünsche mar ministration gegen dos tscha­
gegenwärtig mehr als 2240
e -en gnech scr-tü’k sche- dische und das libysche Volk
Militärangehörige, 11 Jaguar-
K- eg E- w_-de a zu~ De-'e seien ein Beweis dafür, daß die
Jäger, S Mirage-Flugzeuge und
ce- süccs‘ :-e- NATO-= anke
TSCHAD mit Hof-Raketen bewaffnete
Imperialisten einen strate­
:_...e- Ne - W as1—g‘b" s* gischen <’o‘.nnit|ilnn hlt Afrika
Gazelle-Hubschrauber einge-
a-ce-s — ;• . er* * r:‘r Ze • haben, ilei ihnen die Wieder­
.. .-. setzt. We ‘ere 300 französische
herstellung llum
littet llellwhaft
Se da‘en sollen nach Tschad
da-üoe- ~i~ A“c- a.ßenpc -
♦ sc~ sc z: a-a c vo-ge-‘ s
Die Lage ver egt werden. Sprungbereit
doi I so hm n >..|U
s na auch französische Boden- A< lltilk Ilm * ’iiiiiai, ilm Vor-
e-oe_-g Ac-ü:‘--.g -.-ce
e.-~e ‘e- uno Kampfflugzeu- Sltxmiil** Um I Him ij.mijri vqic-
c--2 •_~g _-d E-*e ‘e-_-g oe-
se—egs—.-ü g ge-ege ‘e-
eskaliert ce c e - den m * Paris durch
Sc-oe'cez e“ungen“ verbun-
ruiuj «Im imlimmlmt I mhcit,
mahnt »In* VmII 1«, hnJs zur
ce-e~ am <.a~ sc-en Nachbar- Wachsnink ult iiml wainl zu­
- - - : - - ■

i-ae— ege-. Es w -a ge~e.- gleich Kni Jirni Impm i.iIimiiuS,


sz ce- ■•a-z = s sc-e -ge- der illi' l'l.iliiiimi liliiinci des
- z.-.- -----"s:'-a=
• . . . . . . •: . • z
Landes »m »I« h lulllmi und ,-s -u
das Ges c' -;e- eae einem Aulm.si >, hqcbiet
e— : e- machen will nm J<'»l.4»il. ve­
F • e ze" i' ; - z~ - - - .: sc'ü" rende S<.hläqu muh >;iuicn
:e - :e- «•'
. . : . . • ■- e ;:* ■ s z" e;: 1 ortscl'.'ittli. tu> N.i. Iib.i, st,s,stc >
gege- ea. -ic’e-:eg e zu führen
■ «..- z z.~ -_e- = -e -e-g-i
J. KORSCHUNOW
a e* :. =ez=ge-e
NEUE ZEH I5 S'
c
EURORAKETEN, WIE WEITER»

eine Mit- den sowjetisch-amerikanischen Ge­


Wem manu ren, was denn
telstreckenrakete sei...
eigentlich

Der Sinn des amerikanischen Manövers


sprächen über die „Nulloption" bei den
Euroraketen - in Washington vor kurzem

Pershing 2 ist klar: „Die Raketen fortnehmen, um sie


zu belassen". Wenn man eine Stufe leicht
die Idee das Licht der Welt erblickte, die
amerikanischen Mittelstreckenraketen
demontieren kann, dann kann man sie Pershing zu
2, operativ-taktischen

eine Stafe ebenso leicht wieder aufsetzen. Nicht


weniger durchsichtig ist auch die Absicht,
Per shing-1 -Raketen modifiziert,
Westeuropa zu belassen. Das sagte in
in

die Diskussion erneut in den Dschungel Brüssel ein bekannter politischer Experte,
nunmnumnftoo o der Zahlen und verwirrenden Begriffe zu
treiben.
der führenden NATO-Kreisen nahesteht.
Erforderlichenfalls könne die Pershing
Die Kunst des politischen Plakats in 1 ebenso leicht in eine Pershing 2 zu­
Wie reagierte man in der BRD auf diese
der BRD hat nicht nur Höhen, sondern rückverwandelt werden. Viele erfahrene
„Raketen Scholastik"? BRD-Außenminister
auch eine nie dagewesene Vielfalt er­ NATO-Militärs seien der Meinung, daß
Hans-Dietrich Genscher formulierte fol­
reicht - von riesigen Zeichnungen an die UdSSR als Gegenmaßnahme ihre
gende Position: „Es gibt überhaupt
Hauswänden bis zu Mini-Aufklebern auf SS-20-Rakefen zu mobilen interkontinen­
keinen Zweifel darüber, daß die jetzt in
Autos. Ich kann mich noch sehr wohl an talen ballistischen Raketen (ICBM)
der BRD stationierten Pershing 2 —
die Massenproteste gegen die Stationie­
genauso wie die Marschflugkörper, transformieren könne. Nachdem sich die
rung der Pershing erinnern. Damals stieß US-Administration geweigert habe, SALT
die nicht nur bei uns, sondern auch in
man auf Schritt und Tritt auf Plakate, auf 2 einzuhalten, seien die Russen, wie eine
anderen Ländern stationiert sind - natür­
denen eine kleine muntere Gestalt eine im NATO-Hauptquartier weitverbreitete
lich abgezogen werden." Auf die direkte
schwarze Rakete von sich stieß... Meinung besagt, berechtigt, sich, was ihre
Frage eines Rundfunkreporters hin bekräf­
Ein alter Anhänger der Friedensbewe­ Vertragsverpflichtungen über die
tigte er: „Diese Systeme sind hier aus der
gung, dem ich unlängst dieser Tage in ICBM-Höchstgrenzen betrifft, als frei zu
Bundesrepublik Deutschland im Rahmen
Essen begegnete, bemerkte: betrachten.
der Null-Lösung abzuziehen." Alles klar?
„Ja, in jenen Jahren gelang es uns nicht,
die Raketen fortzustoßen. Deshalb können Doch im BRD-Verteidigungsministerium Der Experte zweifelt nicht daran, daß
Sie verstehen, wie froh wir waren, als wir ist man da offenbar anderer Meinung: Wie die UdSSR ihren Bestand an mobilen
von dem neuen sowjetischen Vorschlag die „Frankfurter Rundschau" am 3. April ICBM relativ schnell und ohne über-
für die Beseitigung der Mittelstreckenra­ meldete, „verwirft" man dort mäßigen Aufwand erhöhen könne, wenn
keten in Europa erfuhren..." „grundsätzlich" nicht die amerikanischen sie die recht effektiven SS 20 zu noch
Doch sogleich fügte er hinzu: Vorschläge. Insbesondere betrachtet man effektiveren ICBM umwandelte, was durch
„Wir sind sehr froh, doch ob daraus die Umrüstung der Pershing als „eine rein mechanische Hinzufügung einer
etwas wird, läßt sich einstweilen schwer von mehreren Möglichkeiten". Besagter dritten Stufe und eine relativ einfache
sagen..." Staatssekretär Lothar Rühl erklärte: „Die Modifizierung des Steuerungssystems zu
Woher kommt diese Skepsis bei jeman­ Bundesregierung hat sich ihre Stel­ erreichen sei.
dem, den ich schon lange als unverbesser­ lungnahme dazu bisher aus gutem Grund
Solche neuen sowjetischen mobilen
lichen Optimisten kenne - ja, und nicht nur vorbehalten."
bei ihm? Verschiedene Antworten wurden ICBM seien dann weit gefährlicher für
Warum eigentlich? Hat denn die BRD Westeuropa als die SS 20, denn selbst von
mir darauf gegeben, doch vor allem liefen
keinen Anlaß, zu Fortschritten bei der Kampfstellungen etwa hinter dem Ural aus
sie auf folgendes hinaus: Die erste
Abrüstung beizutragen? Besitzt sie etwa könnten sie die gleichen Objekte in den
positive Reaktion des Westens auf die von
keine eigene Stimme und kann sie nicht westeuropäischen Ländern anvisieren und
ihm selbst vorgeschlagene „Null-Lösung"
dabei helfen, daß in Europa ein konkreter dabei praktisch unverwundbar bleiben.
wurde von einem müden „ja, aber"
Schritt zur Senkung des Konfronta­
abgelöst. In der BRD-Presse, ja auch in
tionsstandes getan wird? Hatte ja Bundes­ Die Russen, denen man in letzter Zeit
den Reden vieler CDU-Politiker wurden
kanzler. Kohl in seiner Regierungserklä­ immer mehr Vertrauen entgegenbringe,
Befürchtungen laut, die „Null-Lösung"
rung gesagt: „Ein baldiger Abschluß eines hätten zwar so etwas nie gesagt, aber
berge entsetzliche Gefahren. Überdies
I NF-Abkommens würde ein sichtbares auch nie die Hände in den Schoß gelegt,
tauchte sofort ein Buch von Lothar Rühl,
Zeichen für den Ernst und die Glaubwür­ wenn sie bestimmte „Neuheiten" der
Staatssekretär des BRD-Verteidigungsmi-
digkeit der Rüstungskontrollbemühungen Amerikaner entdeckt hätten, so der
nisteriums, auf, das die „Frankfurter
setzen. Von'ihm würde auch ein wichtiger Militärexperte.
Allgemeine" als „Warnung" propagiert.
Impuls für andere Verhandlungsbereiche
Die NATO habe, als sie die „Null-Lösung"
ausgehen." Woran liegt es dann? Auf Brüssel und andere europäische
vorschlug, angeblich etwas ganz ande­
Hauptstädte wirkt die Haltung der US-Ad-
res im Sinne gehabt...
L. BESYMENSKI ministration in der Frage der Euroraketen
Die Gründe für diesen Eiertanz braucht
unvermeidlich wie ein Doppelspiel. Ver­
man nicht lange zu suchen. Bekanntlich
suche der USA, ihre Mittelstreckenraketen
antwortete die Delegation der USA bei
den Verhandlungen in Genf auf den ...und SS 2© in Europa, und sei es
Maße, zu behalten, obwohl die „Nullva­
in beschränktem

sowjetischen Vorschlag mit einer Reihe


von Gegenvorschlägen, die die gesamte
Idee der Beseitigung der Mittelstrecken­
eine riante'' von ihnen selbst stammt, erschüt­
tern das Vertrauen zum Weißen Haus.
Westeuropäische Beobachter sind nicht so
raketen gefährden. Erstens
klärt, man gedenke nicht die Pershings
abzuziehen, sondern wolle
wurde

nur
er­

eine
Stoffe vertrauensselig, die Augen
verschließen, daß dieses Doppelspiel die
davor zu

Sicherheit in Westeuropa noch mehr


Raketensfufe demontieren. Zweitens wer­
den die Verhandlungen zu einem Paket dazugibt gefährdet.
zusammengeschnürt, d. h. vom Abbau der M. PUTINKOWSKI
operativ-taktischen Raketen abhängig ge­ Im NATO-Hauptquartier nimmt die
macht. Und drittens sucht man zu definie- Besorgnis zu, weil - im Zusammenhang mit

"NEUE ZEIT" 15.87 9


UdSSR--INDIEN

keinen Widerspruch. Ich möchte zwei


Zitate anführen, die den Gedankengang
Nehrus und Lenins für die Gegenwart

40 Jahre illustrieren.
Die indische Ministerpräsidentin Indira
Gandhi, Tochter des ersten führenden
Staatsmannes im unabhängigen Indien,
sagte 1984, kurz vor ihrem tragischen Tod:
"Der Begriff 'Nichtpaktgebundenheit' be­

Freundschaft deutet
Neutralität
nicht
bzw.
Tatenlosigkeit, passive
Selbstdistanzierung.
Nichtpaktgebundenheit ist die logische
Konsequenz einer Außenpolitik, die den
antiimperialistischen Kampf der Völker
Asiens, Afrikas und anderer Regionen zum
Inhalt hat. Dieser Kampf ist noch nicht zu
Ende.”
Und hier einige Zeilen aus der Neufas­
Am 13. April 1947, vier Monefe bevor Aufgaben, etwa des Kampfes gegen sung des Programms der KPdSU, die
über dem Rcten Fort in Delhi die Kolonialismus und Imperialismus, für 1986 vom XXVII. Parteitag bestätigt
dreifarbige indische Fahne, die Fahne der Frieden... Mit gutem Grund kann man wurde: "Die Praxis der Beziehungen der
Unabhängigkeit, gehißt wurde, infor­ sagen, daß Jawaharlal Nehru die von UdSSR zu den national befreiten Ländern
mierte Jawaharlal Nehru seine Nation Lenin entgegengestreckte Hand der hat gezeigt, daß eine reale Grundlage
darüber, daß Indien und die Sowjetunion Freundschaft und Brüderlichkeit gern dafür besteht, auch mit jungen Staaten
diplomatische Beziehungen aufnehmen angenommen hat...” zusammenzuarbeiten, die den kapita­
wollen. listischen Weg gehen. Dazu gehört das
Nehru sagte dem ersten indischen gemeinsame Interesse an der Erhaltung
Botschafter vor seiner Abreise nach Der Hintergrund des Friedens, an der Festigung der
Moskau: "Sie fahren in ein befreundetes internationalen Sicherheit und an der
Land, von dem wir infolge der fremdlän­ Dieser Händedruck der Freundschaft Einstellung des Wettrüstens. Dazu gehört
dischen Herrschaft getrennt waren. Es gilt, charakterisiert auch heute die Beziehun­ der sich zuspitzende Widerspruch
die vertane Zeit nachzuholen und unsere gen zwischen unseren beiden Völkern. 40 zwischen den Interessen der Völker und
Verbindungen zur Sowjetunion zu festi­ Jahre diplomatischer Beziehungen der imperialistischen Politik des Diktats
gen. Wir sind Nachbarn und haben viel zwischen der UdSSR und Indien decken und der Expansion. Dazu gehört ferner die
Gemeinsames. Zwischen uns gibt es und einen Zeitraum ab, in dem vieles von dem Einsicht junger Staaten in die Tatsache,
darf cs nie einen Interessenkonflikt entstand, was heute typisch ist für die daß politische und ökonomische Bezie­
geben." Verbindungen der Sowjetunion zu den hungen zur Sowjetunion die Festigung
Kurz nach der Großen Sozialistischen Ländern, die sich vom kolonialen Joch ihrer Unabhängigkeit fördern."
Oktoberrevolution in Rußland sagte Le­ befreit haben. Sie bilden jene gesunde, Gerade weil der Kampf, wie Indira
nin, daß die Völker des Ostens, darunter gerechte und gleichberechtigte Substanz, Gandhi sagte, noch andauert, wird der
auch Indiens, an den Entscheidungen die langsam aber sicher in der Praxis der Sowjetstaat, der nach den Worten ihres
über die Geschicke der ganzen Welt internationalen Beziehungen Fuß faßt. Vaters dem Imperialismus den ersten
beteiligt sein werden. Er rief dazu auf, "40 Jahre sowjetisch-indische diploma­ Schlag versetzt hat, von den meisten
dem indischen Volk und allen anderen tische Beziehungen", sagte mir M. Zuberi, Indern als natürlicher Verbündeter dieses
Völkern des Ostens die Hand der Professor an der Nehru-Universität, "ge­ großen asiatischen Landes in seiner
Freundschaft und Brüderlichkeit zu rei­ ben der Welt ein nachahmenswertes antiimperialistischen Politik betrachtet.
chen Die marxistische Sicht der Ent­ Beispiel für die Durchsetzung der Prinzi­ Herzlich war der Händedruck unserer
wicklungsperspektiven der Gesellschaft pien der friedlichen Koexistenz von Völker am Anfang dieses Jahrhunderts.
fundierte diese Voraussage. Staaten mit unterschiedlicher Ge­ Daß sie auch jetzt Seite an Seite gehen, ist
Die marxistische Interpretation der sellschaftsordnung. Zugleich stellen un­ gesetzmäßig.
Geschichte übte auf die Weltanschauung sere engen Verbindungen ein wichtiges
des herausragenden Führers des in­ Element der Konsolidierung jenes Kräfte­
dischen Volkes im Kampf für nationale potentials dar, das die internationale
Befreiung Jawaharlal Nehru großen Einfluß Stabilität fördert und neoglobalistische Gemeinsame Werte
aus. Auf diese Tatsache verwies der Tendenzen unterbindet..."
indische Soziologe Vinod Bhatia: Viele westliche und indische Politolo­
"Deshalb haben sich auch Nehrus gen sind angesichts so freundschaftlicher Delhi und Moskau haben systematisch
antiimperialistische Ansichten gefestigt. indisch-sowjetischer Beziehungen rat­ Konsultationen erarbeitet und in die Praxis
Dieser Umstand könnte lediglich eine los. Indien ist ein blockfreies kapita­ umgesetzt, um den Frieden und die
subjektive Besonderheit seiner Biographie listisches Land. Die UdSSR ein sozia­ Gerechtigkeit zu verteidigen. Gipfeltref­
darstellcn. Doch darin waren objektive listischer Staat, Mitglied des Warschauer fen wird eine Sonderstellung eingeräumt.
Tendenzen konzentriert, die im indischen Vertrages. Dessenungeachtet wirken Die von Michail Gorbatschow und Rajiv
Volk noch unter imperialistischer Moskau und Delhi, die ihre Beziehungen Gandhi während des Besuches des
Knechtschaft reiften. Daher wurde die auf der Grundlage des 1971 unterzeichne­ sowjetischen Politikers in Indien im
russische Revolution 1917 von den Indern ten Vertrags über Frieden, Freundschaft November v. J. unterzeichnete Deklaration
a's der erste Schlag gegen den Imperialis­ und Zusammenarbeit aufbauen, er­ von Delhi und ihre 10 Grundsätze wurden
mus empfunden. Der erste Leiter des folgreich bei der Lösung der wichtigsten in beiden Ländern nicht als Kompromiß,
unabhängigen Indien sprach über das Fragen der Gegenwart zusammen und sondern als gelungene Kombination der
unterhalten praktisch in allen Bereichen außenpolitischen Konzeptionen und ihrer
natürliche Zusammenwirken beider Län­
der bei der Lösung von gemeinsamen intensive Verbindungen. Da gibt es Besonderheiten, die den Kurs der beiden
"NEUE ZEIT" 15.87
10
Länder in der Weltpolitik markieren, rüstungen geliefert hat, muß sie für den
I die von diesen Staaten zu verschiedenen
aufgenommen. Die UdSSR setzte sich von Zeiten unterbreitet wurden. Es ist kein dritten mit sowjetischer Hilfe gebauten
Anfang an für das Verbot und die Zufall, daß Rajiv Gandhi, als er die Stahlgiganten in Vihakhapatnam lediglich
Beseitigung der Kernwaffen ein. Indien Vorschläge von Wladiwostok erwähnte, ein Fünftel der Ausrüstungen liefern. 80
wirkt für die Anwendung der Lehre darauf verwies, daß sie an die Beschlüsse Prozent der Ausrüstungen für dieses
Mahatma Gandhis von Gewaltverzicht in der Konferenz asiatischer Staaten erin­ Kombinat werden in sowjetischer Lizenz
den internationalen Beziehungen. Bereits nern, die 1947 auf Initiative Indiens in Indien hergestellt. Und diese Tendenz
in der Bezeichnung des Dokuments — die einberufen worden war. In einer anderen ist für uns sehr erfreulich. Darin liegt nicht
Deklaration von Delhi über die Prinzipien Ansprache sagte er: "Zwischen der nur der wirtschaftliche, sondern auch der
einer Welt ohne Kernwaffen und Ge­ sowjetischen und der indischen Sicher­ politische Sinn unserer Zusammenarbeit
walt— fließen die traditionellen heitskonzeption für Asien gibt es keinen mit Indien, nämlich zur Festigung seiner
Wertvorstellungen beider Völker zusam­ grundlegenden Unterschied". Selbständigkeit beizutragen."
men. Michail Gorbatschow sagte in seiner Es liegt auf der Hand, daß gemeinsame In den mit sowjetischer Hilfe errichteten
Ansprache vor dem indischen Parlament, oder parallel verlaufende Aktionen unse­ Betrieben werden 40 Prozent des in
daß unsere geistige Kultur viele gemein­ rer beiden Länder, deren Bevölkerung ein Indien hergestellten Stahls produziert,
same Züge aufweist und vor allem in der Fünftel der Menschheit bildet, ein effekti­ fast 40 Prozent des Erdöls verarbeitet, 70
Suche nach dem Sinn des Seins, der ves Potential darstellen, um die Situation Prozent der Energieausrüstungen und 80
ewigen Triade "Mensch—Menschlichkeit- auf dem asiatischen Kontinent und in Prozent der metallurgischen Ausrüstun­
Menschheit" besteht. angrenzenden Regionen zu sanieren. gen erzeugt.
Diese moralischen und philosophischen Der gegenseitig vorteilhafte Charakter
Kategorien verbinden sich in der Deklara­ der 40jährigen Verbindungen unserer
tion nut einem detailliert entwickelten beiden Länder ist allgemein bekannt.
Indische Resonanz
Nicht minder wichtig ist die gegen­
seitige geistige Bereicherung der beiden
Die zwanzigjährige Rena Gupta wurde
unterschiedlichen Zivilisationen. Man be­
von einem Blindenführer ins Haus der
denke: Früher wurde den Indern sugge­
Sowjetischen Wissenschaft und Kultur in
riert, die Höhe der Weltkunst stelle
Delhi gebracht. Als sie ging, brauchte sie
uneingeschränkt die Kathedrale von Can­
keinen Führer mehr. Sie nutzte den
terbury, nicht aber die Basilius-Kirche in
Aufenthalt sowjetischer Augenärzte in
Moskau dar, der Film "S.O.S. Titanic",
Indien im März d. J. Sie kamen vom
nicht aber "Panzerkreuzer Potemkin”, und
Moskauer Institut für Mikrochirurgie des
in der Literatur herrsche Charles Dickens
Auges, das von Prof. S. Fjodorow geleitet
vor, nicht aber Maxim Gorki. Aber auch
wird, nach Delhi. Viele Inder haben
bei uns lernte die ältere Generation das
bereits den "Magie Bus" besucht, der zu
ferne Indien oft nicht durch Rabindranath
einem mobilen Operationssaal umfunktio­
Tagore, sondern durch Rudyard Kipling
niert wurde, in dem sowjetische Ärzte
kennen. Wie haben sich die Kenntnisse
exemplarische Operationen durchführen.
voneinander in den letzten Jahrzehnten
"Die Sowjetunion hat große Fortschritte
vertieft! Die bevorstehenden Indien-
im Bereich der Augenmikrochirurgie
Festivals und UdSSR-Festivals in beiden
erzielt", sagte der Staatsminister für
Ländern, die jeweils ein Jahr dauern
Polytechnisches Institut Leningrad. Gesundheitswesen, Khaparde: "Indien
sollen, werden uns geistig noch näher
kann viel von Ihrem Land lernen."
Diese indischen Studenten sind ange­ bringen.
Übrigens lernen wir voneinander. Die
hende Wissenschaftler und Ingenieure Ende der 40er Jahre führte Nehru
Mitglieder der Delegation sowjetischer
Foto: TASS erstmals Russisch-Lehrgänge, damals fa­
Wissenschaftler unter dem Direktor des
kultativ, an der Universität Delhi ein.
Orientalistik-Instituts der AdW der
Inzwischen wird Russisch an 60 Universi­
UdSSR, Prof. M. Kapiza, die Anfang April
täten Indiens unterrichtet.
in Indien waren, berichteten, daß Diskus­
"Das Interesse an der russischen
Programm für umfassende internationale sionen mit indischen Wissenschaftlern
Sprache ist seit Beginn der Umgestaltung
Sicherheit, für allgemeine und vollstän­ ihnen viel Neues und Interessantes
in Ihrem Land spürbar gestiegen", sagte
dige Abrüstung und eine Gesundung des vermittelt hätten. Sowjetische Wis­
mir M. G. Vaidya, wissenschaftlicher
Klimas in der Welt. senschaftler konnten, wie sie sagten, bei
Sekretär des Russistik-Instituts in Bhopal.
Womit beginnt Sicherheit? Michail den Seminaren über Sicherheit und
"Heute schreiben unsere Studenten bei­
Gorbatschows Bemerkung in Delhi, daß zwischenstaatliche Beziehungen in Asien
spielsweise Aufsätze zu solchen Themen
der Frieden an der Schwelle des eigenen sowie über die neue Weltwirtschaftsord­
wie die 'Beschleunigung in der UdSSR
Hauses beginne, ist bereits zu einem nung ihr Wissen durch Erkenntnisse
und der staatliche Sektor in Indien'."
geflügelten Wort geworden. Sowohl ihrer indischen Kollegen bereichern.
... Soeben wurden die Pläne sowjetisch­
Indien als auch die Sowjetunion sind in ... Die Lieferungen sowjetischer Aus­
indischer Zusammenarbeit im Woh­
der asiatisch-pazifischen Region zu Hause. rüstungen für mit sowjetischer Hilfe
nungsbau bekanntgegeben.
Nach dem Gipfeltreffen im November errichtete Industrieobjekte werden immer
"Im UNO-Jahr der Obdachlosen hat die
festigte sich bei indischen Politikern die geringer, aber die Mitarbeiter des
Zusammenarbeit zwischen Moskau und
Erkenntnis, daß die in Wladiwostok Botschaftsrates für wirtschaftliche Fragen
Delhi in dieser Richtung", erklärte mir
unterbreiteten sowjetischen Vorschläge in der UdSSR-Botschaft in Indien machen
I. Choudhary, Ressortleiter des Ministe­
über die Gewährleistung der Sicherheit in einen entspannten Eindruck. Sind sie
riums für Stadfentwicklung, "wahrhaftig
Asien kein militärpolitisches Gebilde schlechte Geschäftsleute?
symbolische Bedeutung. Wir werden
vorsehen, das gegen jemanden gerichtet "Für gegenseitige Geschäftsverbindun­
Wohnstätten für unsere Völker bauen und
istund jemandes Interessen verletzen gen neuen Typs", lächelt der Botschaftsrat
damit unseren Beitrag leisten, um ein
könnte. Inzwischen wird hier der Begriff W. Litwinenko, "sind frühere Kategorien
friedliches Domizil für alle Menschen auf
"Sicherheit in Asien" so verstanden, wie passe. Während die UdSSR Mitte der 50er
der Erde zu errichten."
er ursprünglich konzipiert war — nämlich Jahre, als mit dem Bau des ersten Objekts
L. SHEGALOW
als gemeinsame Suche nach Sicherheit sowjetisch-indischer ökonomischer Zu­
NZ-Korrespondent
durch ausnahmslos alle Staaten dieser sammenarbeit, des Stahlwerks Bhilai,
Region auf der Grundlage der Prinzipien, begonnen wurde, praktisch alle Aus- Delhi, April

"NEUE ZEIT" 15.87 1 1


EXKLUSIV FÜR NZ"

Lösungen simcheiüi
Standpunkt, darunter zur Frage der
Kernwaffentests. Die UdSSR führte ihren
ersten Test einige Tage nach meiner
Rückkehr aus Moskau durch. In Ge­
sprächen mit Kollegen sagte ich: Es wäre
Stil 30 Jahren g,tt es die Genfer Abrüstungskonferenz. Zu Beginn der Arbeit hieß besser, wenn die UdSSR auf die Tests
sie Kcm.tce der 18 (nach der Zahl der Teilnehmerländer), dann Abrüstungskomitee verzichtet und das Moratorium verlängert
und seit 1984 Abrüstungskonferenz - wegen der rößeren Zahl der Teilnehmerstaaten. hätte. Und zwar, weil die öffentliche
Und obgleich die Ergebnisse der Zusammenarbeit von 40 Staaten In diesem Zeitraum Meinung, die sich nicht nur in den USA,
großer sein könnten, vermochte die Konferenz einige wichtige Internationale sondern in der ganzen Welt immer mehr
Vertrage zu erarbeiten. Nicht zuletzt Ist das auf den Beitrag der neutralen und durchsetzt, sonst enttäuscht reagieren
nichtpaktgebundenen Länder zurückzuführen. Ihr weltpolitisches Gewicht nimmt in könnte: Wieder das alte Spiel. Überdies
letzter Zc.t zu. würden die Falken in den USA das
Unser Sonderkorrespondent Dmitri Pogorshelski sprach mit der Leiterin der Argument bekommen: Sehen Sie ja, die
Delegation Schwedens bei der Genfer Abrüstungskonferenz, Botschafterin Majbritt Sowjets haben Kernwaffentests durchge­
THEORIN, einer namhaften Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. führt, warum sollten dann wir nicht unsere
Tests fortsetzen? All das sagte ich in
Moskau. Meine Gesprächspartner akzep­
Zunächst mochte ich Sie an Ihre Worte sensiblen Bereich treffen wie bei
tierten teilweise meinen Standpunkt. Und
erinnern: „Schweden ist eine Großmacht Abrüstung und vertrauensbildenden
ich hoffe sehr, daß die Sowjetunion ihr
in Fragen der Abrüstung." Ja, der Beitrag Maßnahmen. Eben hier erfolgte eine Art
Moratorium erneuern wird.
Ihres Landes zur Festigung des Friedens Durchbruch im Denken. Wenn der poli­
Was die Genfer Konferenz angeht, so
ist wohlbekannt. Es sei nur daran erinnert, tische Wille und das Streben nach Lösung
haben wir versucht, die Vertreter der USA
daß eben in Stockholm die erste Phase der der Probleme da ist und ein positiver
zu bewegen, die Tests einzustellen. Wir
Konferenz für vertrauensbildende Beitrag der neutralen Länder hinzukommt,
suchten sie insbesondere auch durch das
Maßnahmen, Sicherheit und Abrüstung in sind viele Probleme lösbar.
sowjetische Beispiel zu überzeugen, doch
Europa erfolgreich absolviert wurde. Was Was meinen Sie zum SDI-Programm,
leider blieben unsere Bemühungen er­
können, davon ausgehend, die neutralen das zum Haupthindernis für eine Verein­
folglos.
und nichtpaktgebundenen Länder tun! barung in Reykjavik wurde!
Die Sowjetunion hat neue Vorschläge
Wie bewerten Sie die Aussichten des SDI blockierte Reykjavik. Ich möchte
zu den Mittelstreckenraketen unterbrei­
KSZE-Prczcsses! hier einen Vorschlag der Palme-Kommis­
tet...
Vor allem halte ich es für überaus sion erwähnen, der, wie ich meine, von
Bei dem Aufenthalt in Moskau sagte
wichtig, daß wir uns in allen Richtungen Interesse ist. Er sieht etwa so aus: Laßt uns
ich: Die Frage dieser Raketen sollte aus
voranbewegen, daß wir uns z. B. nicht nur einmal in Ruhe das Wesen des Problems,
dem Paket von Reykjavik herausgenom­
mit der Festigung vertrauensbildender den sowjetischen und den amerikanischen
men werden, da sie im Gegensatz zu den
Maßnahmen, die natürlich allein schon Standpunkt erörtern, was vom ABM-Ver­
strategischen I nferkontinentalraketen
wichtig sind, befassen. Es geht um unsere trag verboten ist und was nicht. So könnte
nicht direkt mit SDI verbunden sind. Und
Zukunft, die Zukunft der Europäer. Des­ man die heute bestehenden Differenzen
es ist sehr gut, daß die Sowjetunion diesen
halb haben insbesondere die nordeuro- klar herausstellen. Ich hoffe, daß sich bei
Schrift getan hat. Die Hoffnung auf eine
päischen Länder bei dem Treffen in Wien den sowjetisch-amerikanischen Ver­
Vereinbarung ist entstanden, da Reagan
gemeinsame Vorschläge zum Um­ handlungen, die ebenfalls in Genf stattfin­
gleichfalls einen Gegenvorschlag un­
weltschutz unterbreitet. den, die Seifen gerade auf diesem Weg
terbreitete. Man kann die Fortschritte, die
Was die vertrauensbildenden Maßnah­ befinden.
in letzter Zeit in Genf erfolgten, nur
men und die Abrüstung angeht, so bin ich Auf der Genfer Konferenz erörtern wir
positiv bewerten.
optimistisch. Ich hoffe, daß wir zu jener ferner die Frage eines Verbots der
Phase werden übergehen können, die Weltraumwaffen, wir haben sogar eine Sie sprachen von der positiven Reaktion
Sondergruppe dafür eingesetzt. Doch in der Welt auf den sowjetischen Vor­
durch das Mandat des Madrider Treffens
vorgesehen war. leider sind wir hier nicht weit gekommen. schlag zu den Mittelstreckenraketen. Doch

Mir scheint, zur Lösung dieser Frage erneut sind Stimmen zu vernehmen,
Es ist sehr wichtig, daß sich der
könnte man eine größere Zahl von Westeuropa gelange, wenn die Nuklear­
KSZE-Prozeß auf multilateraler Grundlage
Ländern heranziehen. Vielleicht sollte waffen vom Kontinent entfernt würden, in
entwickelt - unter Teilnahme aller Staaten
man sich auf konkrete Fragen konzentrie­ eine unvorteilhafte Lage, da der
des Kontinents.
Offenbar greife ich etwas vor, doch wie ren, z. B. auf ein Verbot der ASAT-Antisa- Warschauer Vertrag ein Übergewicht bei
den konventionellen Waffen besitze.
stehen Sie dazu, daß Stockholm fellifcnwaffen.
möglicherweise erneut zum Konferenzort Selbstverständlich ist vom Standpunkt Das Wichtigste ist, daß die Sowjetunion
wird, wo die wichtigsten Fragen der der UdSSR SDI das Haupthindernis für die zu einer Vereinbarung auch über dieses
Abrüstung erörtert werden! Erreichung von Vereinbarungen. Doch, Problem bereit ist. Jüngste Studien zeig­

Unsere Regierung hat durch Außenmi­ ich möchte betonen, daß die Vorschläge, ten, daß es ein Ungleichgewicht bei den
die beide Seifen in Reykjavik vorlegten, konventionellen Waffen gibt. Wie groß es
nister Sten Andersson bereits die Be­
reitschaft bekundet, erneut die Konfe­ auf dem Verhandlungstisch bleiben. ist, darüber läßt sich streiten. Doch ein
Sie sind kürzlich aus Moskau zurückge­ Gleichgewicht darf nicht dadurch erreicht
renzteilnehmer aufzunehmen, wenn sie
kehrt, wo Sie Gespräche mit sowjetischen werden, daß die NATO ihre Waffen
daran Interesse zeigen. Natürlich müssen
Kollegen führten. Ihre Eindrücke von der aufstockt. Ein Gleichgewicht muß auf
wir erst die Ergebnisse von Wien
möglichst niedrigem Stand gewährleistet
ebwaden, ob die Diskussion dort mit Reise!
Das war ein sehr konstruktiver und sein. Wie gesagt, es ist wichtig, daß die
emem konkreten Ergebnis enden wird.
UdSSR dieses Problem zu erörtern bereit
Zwe'elsohne war die Stockholmer nützlicher Dialog. Ich spürte die Offen­
ist, daß sie zu Vereinbarungen angesichts
Konfe'enz wichtig allein schon dadurch, heit, verspürte, wie offen die Gespräche
der Besorgnis des Westens darüber bereif
daß sie zeigte: Die europäischen Länder, wa-en und wie ungezwungen wir unsere
ist.
d e USA und Kanada können, wenn sic Meinungen austauschten.
wollen, Vcremba’ungen in einem so Ich vertrat natürlich den schwedischen Stockholm

"NEUE ZEIT" 15.87


12
C5-30LE

Be^wlbi fimi efimemm o o nicht an. Für die Katholiken, die Johannes
Paul 11 zujubelten, war der Antikommunist ■
Pinochet Feind Nummer eins. Der Papst
schwenkte um, nannte Diktatur Diktatur
und sprach von der Respektierung der

gemairteirfteiffi Laim©] Menschenrechte.


Tausende Katholiken hörten aus diesen
Worten das heraus, was sie hatten hören
wollen: den Aufruf der Kirche, für den
Sturz des Tyrannen zu kämpfen. Der Papst
Die wichtigste Etappe im Südamerika­ Ober eine halbe Million Gläubige selbst stellte die Frage nicht so hart und
besuch des katholischen Kirchenober­ fanden sich zur Papstaudienz ein. Viele direkt. Wie er überhaupt jede politische
haupts Johannes Paul II war Chile. In glaubten, daß man im Vatikan über Terror Wertung mied und sich auf eine eher
Lateinamerikaunterwegs, gedachte er und Gesetzlosigkeit in Chile nicht infor­ humanitäre Regimekritik zurückzog. Er
jedoch weniger des Andenlandes, son­ miert ist. Dabei verfügt der .Vatikan schwebte mehr über den stürmischen
dern vertraute einem Korrespondenten wahrscheinlich über das wei- Wassern der chilenischen Politik. Viele
der italienischen "Repubblica" im Flug­ testverzweigte Nachrichtensystem der Chilenen konnten beobachten, wie weich
zeug an, daß "das polnische Volk einen Welt. Einzelne Redner sprachen über die und oft genug in verschleierter Form sich
weitaus schwereren Kampf führt, als das Foltern, die sie hatten über sich ergehen der Papst äußerte. Er empfahl dem
chilenische Volk". lassen müssen, über Tausende von Ver­ chilenischen Klerus, sich aus dem poli­
Die Einstellung des Papstes zum Sozia­ schollenen. Eine Bewohnerin der tischen Kampf herauszuhalten. Die Armen
lismus und den Kommunisten, besonders Elendsviertel von Santiago flehte den und die Jugend hielt er zu demutsvollem
in seiner Heimat, ist bekannt. Pinochet Papst an, er möge sich für die Freilassung Dulden an. Ausgerechnet im Nationalsta­
wiederum war nicht so naiv, von seinem dion, wo im September 1973 Hunderte
Gast den Hirtensegen zu gewärtigen. In von Patrioten gequält worden waren...
dem erwähnten Flugzeuginterview nannte Die Linke ist in Chile stärker als in jedem
der Papst das Juntaregime zwar "gegen­ anderen Land Lateinamerikas. Würden
wärtig" diktatorisch, aber "seinem Wesen jetzt wirklich demokratische Wahlen
nach" provisorisch, also geeignet, sich in stattfinden, könnten allein die chile­
naher Zukunft demokratisch zu regenerie­ nischen Kommunisten auf 15-20 Prozent
ren. der Stimmen rechnen. Hinter Versuchen,
Die chilenische Junta will der Welt die Massenbewegung vom politischen
zeigen, daß gewillt ist, sich "zu
sie Kampf abzulenken, ist die Angst der
bessern". Ihre in jüngster Zeit verabschie­ Konservativen zu spüren, daß ein allzu
deten Gesetze zu Parteien und Wahlen schneller Diktaturabbau unter dem Druck
ahmen, allerdings ziemlich plump, einen von unten die Linken an die Macht bringt.
"Obergang zur Demokratie" nach. Man Um die schwer kontrollierbare Plebs
will die Tyrannei mit dem Hauch der ruhigzustellen, bemühte sich der Papst,
Gesetzlichkeit umgeben und einem den Tyrannen zur Vernunft zu bringen. An
sorgfältig selektierten Wahlmännerkolle­ Segens statt gab er ihm in einer 45minüti-
gium 1989 den einzigen Präsi­ gen vertraulichen Unterredung den Tip,
dentschaftskandidaten präsentieren, den nicht mehr länger mit liberalen Reformen
Diktator selbst oder einen von ihm zu warten. Wird Pinochet auf ihn hören?
ernannten Nachfolger. Ein Kirchenmann aus der Papstbegleitung
Der Papst segnete Pinochet nicht. Die Unweit der Stelle, wo Johannes Paul II vor beantwortete diese Frage mit einem
chilenischen Behörden hatten zwar ver­ den Slummsbewohnern Santiagos sprach, Hinweis auf Marcos und Duvalier, die
sucht, mit Razzien und Vorbeugehaft versuchten Obdachlose Grundstücke zu beide seinerzeit nicht hören wollten...
zumindest in Santiago idyllische Ver­ besetzen. Die Polizei vertrieb die Beset­ Es ist äußerst wahrscheinlich, daß
hältnisse zu schaffen, jedoch: Die Sicher­ zer und nahm über 60 Personen fest. Pinochets Diktatur dasselbe Schicksal
heitskräfte sind nicht mehr allmächtig. Telefoto AP—TASS erwartet, wie das Regime des Haitianers
Chile stellte sich dem Papst als ein Land Duvalier oder des philippinischen Marcos.
dar, in dem es keinen Frieden gibt, In Chile dürften sich die Ereignisse
solange es die Junta gibt. Die päpstliche schwerlich in den dort erprobten Bahnen
der politischen Gefangenen einsetzen.
Versöhnungsmesse mußte übereilt ab­ abspielen. Der Papst hatte seine Versöh­
gebrochen werden. Es gab heftige Zusam­ Vielen drohe die Todesstrafe. Die Kirche
nungsmesse gehalten und ließ ein un­
menstöße zwischen Polizei und De­ hat sie bereits in Schutz genommen.
verändert zerrüttetes Land hinter sich.
monstranten. Die Ermahnungen der Bischof Carlos Camus bezeichnete sie laut
Zwischen Diktatur und. Gesellschaft
Kirchenhierarchen, die den bedrückten und deutlich als Helden und Kardinal Raul
Brücken bauen zu wollen, verbietet sich
und erschütterten Gast begleiteten, waren Silva Henriquez bat darum, ihre Haftbe­
bereits. Die demokratische Opposition
vergeblich. dingungen zu erleichtern. Das Wort des
zeigte, daß sie stark und selbständig
Wo der Papst und seine Corona auch obersten Katholikos wöge natürlich
operieren kann. Sie'nutzte den Besuch von
immer Halt machten, überall kam es zu schwerer...
Johannes Paul 11 für gegen die Regierung
Massenmanifestationen gegen die Dikta­ Die knappeste und schlagendste Infor­ gerichtete Manifestationen und machte
tur, spontan oder von der Opposition mation über die Lage im Land gaben deutlich, daß Volk und Regime ein
vorbereitet. Die Polizei hatte strengen junge Chilenen dem Papst. Auf einem Abgrund trennt. Die Opposition hat eine
Befehl, in Gegenwart des Gastes nicht von Zusammentreffen entrollten sie über den wichtige Schlacht gegen jene gewonnen,
der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Man Köpfen der Menge ein riesiges Transpa­ deren politisches Kalkül darin besteht, die
wußte sich mit Wasserwerfern, Tränengas rent mit der Aufschrift "Pinochet-Mörder". Agonie der Tyrannei zu verlängern.
und Schlagstöcken zu behelfen. Tote gab In dem gemarterten Land kamen
es keine, dafür über 600 Verletzte. antikommunistisch unterlegte Trostworte W. KULfSTIKOW

"HEUE ZEIT" 15.87 13


NZ-UMFRAGE

□□

El M BBBI ■ ffllH
M HIE HEM » SH ■
BEB WEMWÄEfJ »Wiff ffiW
aus Europa eingeführten Schußwaffen, die
Masataka Kosaka: damals die Rolle von Massenver­
nichtungswaffen spielten. Die Samurai
EIN UNVERMEIDLICHES ÜBEL? griffen wieder zu ihren Schwertern, und so
blieb es fast 250 Jahre. Dieses
Abrüstungsexperiment gelang nur, weil
Masataka Kosaka ist Professor an der Universität Kyoto, Experte für Fragen der
internationalen Sicherheit die Tokugawa-Dynastie allein das Land
regierte. Ende des 20. Jh. können weder
die USA noch die UdSSR auf eine
Eine kernwaffenfreie Welt ist keines­ verhaßt sind nicht nur die Nuklearwaffen, Wiederholung von Tokugawas Experi­
wegs so irreal, wie viele meinen. Ein sondern auch die chemischen und bakte­ ment hoffen.
vollständiges Verbot und die Vernichtung riologischen Massen Vernichtungswaffen. Bereits Adam Smith sagte, daß Waffen
der Nuklearwaffen würde nicht zur Schaf­ Dieses Gefühl würde ich als nlchtgreifba- ein unvermeidliches Obel seien, daß ihre
fung einer idealen Weltordnung, die reGarantie bezeichnen. Dazu gehören Herstellung unproduktiv, doch erforder­
Kriege ausschließt, führen. Sie würden ferner die Verständigung zwischen den lich sei. Deshalb seien die Waffen, wie er
trotzdem entstehen, und die Beteiligten Völkern sowie ein Ausbau der Verbindun­ meinte, eine unvermeidliche Vergeudung
würden sich bei einer Eskalation der gen und Kontakte - von wirtschaftlichen von Ressourcen. Michail Gorbatschow ist
Feindseligkeiten immer häufiger an die bis zu humanitären. Viele allerdings offenkundig bemüht, diese Vergeudung
Nuklearwaffen erinnern - wird ja die ziehen eine greifbareGarantie vor - die zu verringern. Seine Aufgabe ist sehr
Technologie ihrer Herstellung nicht ver­ begrenzte Beibehaltung der Nuklearwaf­ schwer. Er hat bereits einige sehr gute
gessen, bleibt in Computer-Bänken erhal­ fen. Doch wenn man weiter auf Massen­ Schritte getan, doch ein einseitiger Abbau
ten. In diesem Sinn ist eine vollständige vernichtungswaffen und auf die gegen­ der Nukleararsenale ist praktisch un­
Beseitigung der Nuklearwaffen bereits seitige Angst davor setzt, wird ein möglich. Das anderthalb Jahre währende
unmöglich. Doch selbst eine unvollstän­ Nuklearkrieg wahrscheinlicher. sowjetische Kerntestmoratorium spielte
dige Variante ist viel begrüßenswerter als Zu Beginn des 17. Jh. sollte in Japan die eine gewisse bremsende Rolle, war ein
die Beibehaltung und Aufstockung der Abrüstung Wirklichkeit werden. Der wichtiger politischer Schritt.
Nukleararsenale, die die Versuchung Heerführer leyasu Tokugawa verbot die
wecken, einen Erstschlag zu führen.
Die Angst vor einem nuklearen Inferno
- diese Meinung teilen sehr viele - sichert Raymond Garthoff:
der Welt seit 1945 einen mehr oder
weniger ruhigen Fortbestand: Einen Nu­ KERNWAFFEN OPFERN
klearkrieg vermögen sich normale Raymond Garthoff ist Professor am Brookings-Instltut, USA
Menschen nicht vorzustellen, einen kon­
ventionellen Krieg aber viel leichter. Von Ein Einwand, der bei dem geringste* der internationalen Sicherheit, zu einer
ihrem Standpunkt aus würde die Beseiti­ Versuch, eine kernwaffenfreie Welt näher realen Perspektive für eine kernwaf-
gung der Nuklearwaffen konventionelle zu bringen, erhoben wird, besteht darin, fenfreie Welt.
Kriege wahrscheinlicher werden lassen. daß ohne Nuklearwaffen eine Gefahr für Überdies müssen sich im System der
Was Japan angeht, so kühlt die Existenz alle entstehe, da diese Waffen die internationalen Beziehungen einige poli­
von Nuklearwaffen in den USA und in der Abschreckung garantierten. tische Veränderungen vollziehen, die es
Sowjetunion die Heißköpfe ab, die unser Viele fürchten, daß die Beseitigung der den Nuklearmächten erlauben würden,
Land für eine Supermacht halten und zu Kernwaffen das konventionelle sich ohne Angst von ihren Arsenalen zu
militärischen Abenteuern bereit sind. Wettrüsten forcieren würde und manche trennen. Ich meine, daß wir in den
Nichtsdestoweniger bin ich für eine Länder sich versucht sehen könnten, für kommenden Jahren viel für das Einfrieren
nukleare Abrüstung. Ist Japan an nuklea­ die Erreichung ihrer politischen Ziele zu der heute bestehenden Waffen und dann
rer Abrüstung interessiert? Ja, sehr. Es Gewalt zu greifen. Doch ich meine, daß, für ihren Abbau tun müssen - zudem nicht
w ürde seinen Status in einer Welt, wo der wenn sich die Menschheit tatsächlich auf nur der nuklearen, sondern auch der
Besitz von Massenvernichtungswaffen eine kernwaffenfreie Welt zubewegen konventionellen. Wir sollten auch eine
nicht mehr ein Ausdruck der Stärke wäre, wird, sie zugleich offenbar auch größere Ausweitung des Wettrüstens auf neue
festigen. Barrieren gegen jegliche Gewaltanwen­ Bereiche vermeiden, sollten an der
Die Frage nach Sicherheitsgarantien in dung aufbauen wird. Schaffung eines internationalen Systems
einer immer noch hypothetischen Obwohl die Schaffung einer kernwaf­ arbeiten, in dessen Rahmen es jedes Land
kernwaffenfreien Welt ist sehr schwer zu fenfreien Welt erst in einer recht fernen lernen würde, seine nationalen Interessen
beantworten. Was kann eine Rückkehr zu Zukunft möglich ist, darf das unser zu sichern und mit Ländern, die zu
den Nuklcarw affen verhindern? Keine Voranschreiten in Richtung auf eine we­ anderen Systemen gehören, in einer
neue UNO, keine „Weltrecierung", son­ sentliche Reduzierung der Nuklearwaffen kernwaffenfreien Welt zu wetteifern.
dern die den normalen Menschen eigene nicht stören. Diese Maßnahmen allein
Abscheu vor Nuklcarwa'fcn. Besonders schon werden zu einem wichtigen Faktor

14 "NEUE ZEIT” 1S.87


ARC MOY AKTUELL
oo

Em Jahr ist vergangen, seit am 15.4.1986 18 amerikanische Die Aggressionsakte gegen Libyen sind organischer Be­
F-1 1 1-Bomber mit voller Raketen- und Bombenlast vom britischen standteil der sorgfältig koordinierten Politik Washingtons und Tel
Stützpunkt Lakenheath starteten und Kurs auf Libyen nahmen. Avivs gegen ein arabisches und die anderen islamischen Länder.
Die Piloten hatten den Befehl, einen Schlag gegen die libysche Hinter dem gemeinen Überfall der USA auf Libyen verbarg sich
Hauptstadt Tripolis zu führen. Vor allem sollten sie das Gelände das Streben, sie alle einzuschüchtern, den Arabern eine
der Bab Aziziya-Kaserne treffen, wo der Führer der libyschen Nahostregelung a la Camp David aufzuzwingen und die Moslems
Revolution, Muammar Ghaddafi, mit Familie lebte. Amerikanische zu veranlassen, auf den Kampf für das von Israel okkupierte
Marineflieger bombardierten am gleichen Tag eine andere Jerusalem zu verzichten.
libysche Stadt, Bengasi. Zugleich sind die antilibyschen Aktionen der USA ein direkter
Der Überfall der US-Luftwaffe auf die Sozialistische Libysche Ausfluß der neoglobalistischen Reagan-Doktrin. Ihr zufolge
Arabische Volksjamahiriya (Staat des Volkes) war eine unverhoh­ nehmen sich die USA das Recht, ihre Streitkräfte unter dem
lene Aggression, ein Akt des politischen Vandalismus. Der Vorwand der „Verteidigung der Lebensinteressen" der USA
Luftüberfall auf die Residenz des Führers eines souveränen direkt an jeden Punkt der Erde zu entsenden.
Staates mit dem Ziel, ihn und seine Angehörigen zu ermorden, Was ist das, wenn nicht eine offene Politik des Staatsterroris­
ist ein empörender Präzedenzfall, der in den internationalen mus und der Willkür, der Versuch, anderen Völkern, die den
Beziehungen einmalig dasteht. Der barbarische Luftüberfall der Weg einer unabhängigen Entwicklung eingeschlagen haben, mit
USA auf die libysche Zivilbevölkerung kann nur als schwerstes Waffengewalt den eigenen Willen aufzuzwingen? Der Überfall
Verbrechen gegen die Menschheit qualifiziert werden, ver­ auf Libyen demonstrierte Washingtons Kurs auf Einmischung in
gleichbar mit der Zerstörung des spanischen Guernica oder dem die Angelegenheiten souveräner Staaten, auf die weitere
Massenmord an Vietnamesen in Song My. Schürung der internationalen Spannungen.
Die derzeitige aggressive Politik Washingtons gegenüber dem Washingtons militärisches Abenteuer vom April 1986 enthüllte
souveränen Libyen geht bis auf das Jahr 1969 zurück, als dort die ganze Heuchelei des US-Präsidenten beim feierlichen
das monarchische Regime von König Idris gestürzt wurde und Abschluß des sowjetisch-amerikanischen Treffens in Genf, als er
eine antiimperialistische Regierung unter Oberst Muammar von dem Recht der Völker Asiens, Afrikas und Mittelamerikas
Ghaddafi an die Macht kam. Sie wurde besonders nach Ronald sprach, „ihr Schicksal frei ohne Einmischung von außen zu
Reagans Einzug ins Weiße Haus verschärft. Seit den ersten Tagen bestimmen". Michail Gorbatschow enthüllte das Wesen dieses
seiner Präsidentschaft im Januar 1981 entfesselte das State Pharisäertums, als er am 30. März bei dem Essen für die
Department eine Kampagne, bei der Libyen der Unterstützung Premierministerin Großbritanniens, Margaret Thatcher, im Kreml
des „internationalen Terrorismus" bezichtigt wurde. Pläne für sagte: „Im Westen gibt es nicht wenige, die sich nur zu gern
einen Staatsstreich im Lande wurden ausgearbeifet, und unweit über das Recht auf die freie Wahl der Entscheidung auslassen.
der libyschen Küste erfolgten provokatorische Manöver der Doch darunter wird eine Entscheidung für die kapitalistische
6. US-Flotte. Ordnung verstanden. Wenn aber ein Volk, ob in Nikaragua oder
Einige Monate vor dem April-Überfall griffen die USA zu einer in Afrika, im Nahen Osten oder in Asien tatsächlich einen
offenen ökonomischen Aggression gegen Libyen: Präsident anderen, für ihn besser geeigneten Weg suchen will, dann sucht
Reagan untersagte jegliche Handels- und Geschäftsverbindungen man ihn sogleich mit Dollars und Raketen, ja mit Söldnern zu
der USA mit diesem Land, und die „Voice of Amerika" rief in sperren. Man beginnt bei Heuchelei und endet bei Blutver­
ihren arabischen Sendungen direkt zum Sturz des in Libyen gießen."
bestehenden Regimes auf. Im März 1986 griffen amerikanische Die Sowjetunion bekundet unablässig Solidarität mit dem
Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge von Flugzeugträgern der libyschen Volk, das seine Ehre und Würde, das Recht auf eine
6. Flotte aus Vororte der libyschen Stadt Sirte und andere unabhängige Entwicklung verteidigt, und unterstützt Libyen
Objekte mit Raketen und Bomben an. Und schließlich die politisch, diplomatisch, ökonomisch und militärisch. Sie verurteilt
Bombardierung der Hauptstadt eines UNO-Mitgliedsstaates... auf das entschiedenste die Aggressionsakte der USA gegen
Wodurch erklärt sich dieser offen aggressive Kurs der USA dieses arabische Land. Die sowjetische Führung appellierte
gegenüber der Libyschen Jamahiriya? Allein dadurch, daß wiederholt an die US-Administration, die gefährlichen Folgen, zu
Washington der progressive Charakter der inneren sozialökono­ denen die Fortführung ihrer antilibyschen Politik führen kann,
mischen Umgestaltungen in Libyen, dessen konsequente ernsthaft abzuwägen.
antiimperialistische Politik auf der Weltarena, seine Der barbarische Überfall auf die Jamahiriya ist eine Schande
Unterstützung für den gerechten Kampf des arabischen Volkes für die USA. Als Akt des Staatsterrorismus, als gröbste Verlet­
von Palästina sowie der Widerstand gegen Camp David und zung des Völkerrechts wurde er von der VIII. Konferenz der
andere Kapitulanfenpläne für eine Nahostregelung nicht zusa­ Bewegung der Nichtpaktgebundenen in Harare, von den
gen? Der Vorwand, den das Weiße Haus zur Rechtfertigung höchsten Foren der Organisation für Afrikanische Einheit und der
seiner Provokationen und bewaffneten Aktionen gegen Libyen Islamischen Konferenzorganisafion eingeschätzt. Die
wählte - die „Bestrafung wegen Terrorismus" - war völlig UNO-Vollversammlung verurteilte nicht nur die US-Aggression,
willkürlich, ließ sich absolut nicht beweisen. Ganz zu schweigen sondern bekräftigte auch das Recht Libyens auf gebührende
davon, daß terroristische Akte, die Washington Libyen Entschädigung für materiellen Schaden und die menschlichen
unterstellte, von der CIA und dem israelischen Geheimdienst Opfer.
Mossad provoziert worden waren. Oleg FOMIN
IS. April 1986. Oberfall von US-Jagdbombern auf Libyen
Vor zwei bis drei Jahren schrieb die sowjetische Presse, die USA würden
POST die anderen kapitalistischen Länder mit dem „teuren" Dollar ausplündern.
Jetzt, da der Dollarkurs gefallen ist, behaupten unsere Journalisten, die
Amerikaner würden ihre Rivalen mit dem „billigen" Dollar ausnehmen. Beide 3

Behauptungen sind miteinander unvereinbar. Außerdem ist unverständlich,


warum die „Ausgeplünderten" kürzlich in Paris ein Abkommen mit den USA
über die Stabilisierung der Währungskurse schlossen. ...
W. I (MUbLnl N
DISKUSSION Pawlodar, Kasach. SSR

MIT DEM LESER

Doch die Stärkung des Dollars und die gelangte in der ersten Hälfte der 80er
Bremsung der Inflation waren nicht das Jahre allein aus Westeuropa Kapital in
einzige und nicht das Hauptziel der Höhe von 300 Md. Dollar in die USA.
Administration, die sich die Aufgabe Insgesamt aber strömten in diesem
gestellt hatte, „Amerika umzurüsten" - im Zeitraum zusätzliche Finanzmittel von
direkten Sinne, d. h. militärische Überle­ mehr als 0,5 Billionen Dollar in die USA.
genheit gegenüber der UdSSR zu erlan­ Die Politik des „teuren" Dollars fügte
gen, wie in übertragener Bedeutung, also den Entwicklungsländern noch größeren
die amerikanische Industrie angesichts Schaden zu. Die steigenden Kreditzinsen
der verstärkten Konkurrenz der anderen führten zu einer jähen Verteuerung der
imperialistischen Mächte technisch umzu­ Anleihen. Die Länder der dritten Welt, die
rüsten. Kredite bei westlichen, vor allem amerika­
Das eine wie das andere verlangte nicht nischen, Banken aufnahmen, mußten
geringe finanzielle Mittel, über diese aber Wucherzinsen bezahlen. Anfang der 80er
Es diskutiert verfügte die US-Regierung nicht. Der Jahre machten sie ein Fünftel der Kredit­
Dr. rer. oec. Bundeshaushalt schloß alljährlich mit summe aus. Etwa ein Drittel der gesamten
Tatjana SCHiWROWA einem bedeutenden Defizit ab, und Auslandsverschuldung der Ent­
wicklungsländer (sie hat jetzt eine B'llion

Der teure billige Dollar Dollar erreicht) entstand Wirtschaftswis­


senschaftlern zufolge durch den überhöh­
ten Diskontsatz.
Doch diese in der Wirtschaftsgeschichte
Für radikale Veränderungen der Präsident Reagan wollte nicht durch des Kapitalismus beispiellosen Kredit-
Wirtschafts- und Finanzkonjunktur in der Steuererhöhungen die Ausgabenlücke und Devisenmachenschaften sollten bald
kapitalistischen Weltwirtschaft, Genosse decken. Eben deshalb beschlossen die schon zu negativen Folgen auch für die
Timoschin, sind zwei oder drei Jahre nicht herrschenden der USA,
Kreise zwei USA führen. Die „Umrüstung" auf fremde
wenig. Um so mehr reichen sie für Fliegen (die Stärkung des Dollars und den Kosten verwandelte die USA aus einem
grundlegende Änderungen in der Außen­ Zustrom von Finanzen) mit einem Schlag Kreditgeberland in den größten
wirtschaftspolitik der herrschenden Kreise zu treffen - durch die Anhebung des Schuldner der Welt. Ihre Aus­
der USA. Diese Politik wird einerseits Diskontsatzes. landsverschuldung überstieg im vergan­
durch die Veränderungen der Weltkon­ genen Jahr 250 Md. Dollar und wächst
Der Zusammenhang zwischen der Höhe
junktur bestimmt, andererseits aber be­ weiter, da der Zustrom von Auslandskapi­
des Diskontsatzes und dem Währungskurs
stimmt sie selbst diese Konjunktur. Eine tal trotz des gesunkenen Dollarkurses
ist folgender: Je höher der Diskontsatz in
derartige Behauptung mag Ihnen absurd nicht endete. So strömten im vergangenen
einem bestimmten Land, desto vorteilhaf­
erscheinen, doch ohne sie ist die Ihr Jahr 140 Md. Dollar Fremdkapital in die
ter wird es, dort Kapital anzulegen, und je
Erstaunen hervorrufende paradoxe Tat­ USA. Doch gegenüber früheren Jahren ist
mehr Geld ins Land kommt, desto größer
sache nicht zu verstehen, daß Anfang der der Hauptkapitalgeber jetzt nicht Westeu­
wird die Nachfrage nach dieser Währung
80er Jahre für Washington ein „teurer" ropa, sondern Japan, wo man über große
und folglich steigt sie im Kurs. Die
Dollar von Vorteil war, heute aber ein Devisenreserven verfügt. Japan erlangte
Manipulationen mit dem Diskontsatz in
„billiger“. diese Devisen und festigte seine Fi­
den USA wirken sich infolge der besonde­
Um diese Widersprüche in der Wäh­ nanzpositionen in der kapitalistischen
ren Rolle des Dollars im kapitalistischen
rungspolitik der USA zu vereinen, wollen Wirtschaft nicht zuletzt durch seine ...
Währungssystem sogleich auf den interna­
wir uns zunächst den Zeiten zuwenden, Politik des „teuren" Dollars.
tionalen Kapitalmarkt aus. Der Dollar ist
als Washington auf einen hohen Dollar­ Bekanntlich ist ein hoher Wechselkurs
internationale Reservewährung, in der
kurs setzte. Vor allem aber wollen wir vorteilhaft für den Importeur (schließlich
zwei Drittel der Abrechnungen im
analysieren, warum. kann er in der „teuren" Währung mehr
Welthandel erfolgen. Dank der führenden
Westliche Wirtschaftswissenschaftler Importwaren kaufen), doch von Nachteil
Stellung des Dollars kann Washington
verbinden die Politik des „teuren" Dollars für den Exporteur (je höher die Währung
nicht nur die Währungssituation, sondern
gewöhnlich mit der Reagan-Administra­ eines Landes quotiert wird, desto teurer
die gesamte wirtschaftliche Lage der
tion. Bereits 1980, in seinem ersten werden seine Waren und desto geringer
kapitalistischen Weltwirtschaft bestimmen.
Wahlkampf, versprach der derzeitige die Nachfrage nach ihnen). Deshalb
Präs dent, den Dollar zu stärken - dessen Urteilen Sie selbst. Wenn das Kapital schädigte die Politik des „teuren" Dollars,
Kursvcrfal! zu steppen und die galoppie­ nur in die USA strömt, dann geht es die den Magnaten der Rüstungsindustrie
rende Teuerung zu bremsen. Bekanntlich anderen Ländern verloren, das aber und den transnationalen Banken zupaß
war der Dollar gegen Ende der 70er Jahre bedeutet, daß ihre Investitionen verrin­ kam, die amerikanischen Industriellen.
verglichen mit de'en Beginn gegenüber gert werden und die Arbeitslosigkeit Ihre Konkurrenten begannen sie nicht nur
den anderen westlichen Währungen um zunimmt. Mit anderen Worten entzog die auf den Auslandsmärkten, sondern auch
mehr als e.n Drittel , billiger" geworden, künstliche Überhöhung des Dollarkurses auf dem Binnenmarkt der USA zu bedrän­
und de jähr, ehe Verteuerung der Einzel­ den anderen kapitalistischen Industrielän­ gen. So kamen zu der steigenden
handelspreise m den USA war zweistellig. dern wichtige Mittel. Schätzungen zufolge Auslandsverschuldung, bedingt durch die

"NEUE ZEIT” 15.87


16
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Kapitaleinfuhr, Schulden hinzu, die durch


die jährlichen Außenhandelsdefizite ent­
banden: Von 1 980 bis 1986 wurden in den
USA Waren für 630 Md. Dollar mehr
Ich wrüeoWtze dig erneuert.
zweifle ich,
Übrigens
daß die
be­
meisten
Amerikaner für SDI waren.
'mportiert als exportiert.
Eine so bedeutende Verschlechterung Ihr» Vorschlag Viele unterstützen die diesbe­
züglichen Forschungen - in der
der Außenwirtschaftspositionen der USA Hoffnung, das werde die Ent­
wirkf(| sich auf die Stellung des Dollars Die Feststellung ist offenbar wicklung der Weltraum- und
rend man sich vor einem Pfeil
aus, {.jjer dem bereits vor zwei Jahren die nicht sonderlich originell, daß Computertechnologie fördern,
mit einem Schild, vor einem
Gefafe einer jähen Talfahrt schwebte. Um die Nuklearwaffen eine neue doch wenden sie sich gegen
Schwert mit einem Helm schüt­
den Dollar vor dem Zusammenbruch, der Dimension der Bedrohung - die Stationierung der bereits
zen konnte, gibt es vor der
zum cxitus des Finanzsystems des Kapita­ verglichen mit dem konventio­ fertigen Komponenten dieses
Nuklearbombe keinen realen
lismus führen kann, zu retten, mußte nellen Rüstungsstand - für die Programms im Weltraum. Ist
Schutz.
Washington unfreiwillig seine Politik Menschheit darstellen. Als an­ eine solche Haltung berechtigt?
Ja, ich meine, daß ein Krieg
ändern. Auf einer Sonderkonferenz der gehender Historiker kann ich Der Abzug der SS-20-Rake-
ausbrechen kann, doch selbst,
führenden Finanzpolitiker des Westens im sagen, daß die Zunahme dieses wenn das nicht geschieht, ha­ ten und der Pershings aus Eu­
September 1985 im New Yorker Plaza- Standes von Jahrhundert zu ben die Kernwaffen der ropa könnte die Lage verbes­
Hotel wurde ein Abkommen über eine Jahrhundert verfolgt werden Menschheit bereits solchen sern. Ich unterstütze die ent­
«weiche Landung" des Dollars, d. h. über kann. Ich weiß nicht, wie es in Schaden zugefügt, daß sie sprechenden Vorschläge Ihrer
eine allmähliche Senkung des Dollarkur­ Rußland war, in Westeuropa allein deshalb verboten wer­ Regierung - habe ich ja selbst
ses, geschlossen. aber war im Mittelalter die Pest den sollten. Die Existenz von an Friedensdemonstrationen
Von 1985 bis Anfang 1987 wurde der die schrecklichste Geißel. Ein­ Kernwaffen ist allein schon ein teilgenommen. Denn wenn ich
Dollar gegenüber den Währungen der zelne Städte, seltener ganze Übel, da sie das Risiko eines zu Hause bliebe, wenn alle zu
Hauptkonkurrenten der USA - Japans und Landstriche wurden dahinge­ Krieges erhöhen und ganze Hause blieben, wer würde
der BRD - um 30% „billiger”. Doch in rafft. Heute aber kann man Generationen um ihr Leben dann erfahren, daß wir dage- ,
Washington rechnete man sich aus, daß durch einen einzigen bangen lassen. gen sind?l
dies nicht ausreichen würde, um die Knopfdruck die Menschen der
Die so teuren Waffen und William TOWELL
Konkurrenzfähigkeit des amerikanischen ganzen Erde vernichten. Wäh- Abwehrsysteme werden stän-
New Haven, USA
Exports zu steigern. Und erneut begann
manden Kurs des Dollars zu manipulieren
und seine Senkung zu provozieren. Wie
zu Beginn der 80er Jahre beschloß die
QßSSE AUS GSP@ßügß 1
IIS-Administration, die von ihr selbst
Dieser Junge, der das Wort „Frieden“ schrieb, wurde von unserem Leser Alfred A. La
geschaffenen Wirtschaftsprobleme auf Piccirelia aus der italienischen Stadt San Severo fotografiert.
Kosten der Handelspartner zu lösen. Die
Senkung des Dollarkurses bereits 1986 rief
eineRezession in den Exportbranchen der
Industrie Japans, der BRD und einiger
anderer kapitalistischer Länder hervor. Sie
führte auch dazu, daß ein Teil der
US-Auslandsverschuldung, wenn man sie
in anderen Währungen berechnet, fak­
tisch abgeschrieoen wurde, da der Dollar
an Wert verlor und seine Kaufkraft
geringer wurde.
Eite solche durch Konkurrenzerwägun­
gen bedingte Entwertung beunruhigte die
anderen westlichen Länder spürbar. Eben­
deshalb bestanden sie auf der Einberu­
fung einer weiteren Konferenz über
\Vährungsfragen Ende Februar in Paris.
Dort wurde das „Louvre-Abkommen" (so
genannt nach dem Ort des Treffens - im
^ordflügel des Louvre, wo sich das
Finanz* und Wirtschaftsministerium
Frankreichs befindet) über eine Stabilisie­
rung des Dollarkurses geschlossen.
Gibt es eine Gewähr, daß, anders als
frühere derartige Abkommen, die neuen
Vereinbare,-------
ungen von den USA respektiert
we'den? Viele
westliche Wirtschafts­
Wissenschaftler halten es für kaum
mögüch.

"Neue zeit“ 15.87


~~~

DAS ALL,OPTIMISTISCH BEIWW


Jaroslaw GOLOWANOW

Wie viele Schwerhörige, so hat auch Konstantin Ziolkowski auf fast allen Foto- und werde "ein Weg zum Frieden" sein. Das
Filmaufnahmen einen gespannten Gesichtsausdruck. Er hatte ein schweres Leben und hindere übrigens schon damals das
lächelte selten. Und doch finden sich nicht allein In Rußland, sondern In der ganzen Pentagon nicht daran, ein Viertel der
Welt nur wenige so überzeugte Optimisten wie er. Mit 74 Jahren schrieb er: "In Aufwendungen für Militärforschungen für
meinem Alter sterben Menschen, und Ich fürchte, daß Sie einmal mit Bitterkeit Im die Vorbereitung von "Sternenkriegen"
Herzen aus dem Leben scheiden werden, ohne von mir erfahren zu haben, daß eine zu verausgaben.
Freude ohne Ende Ihrer harrt, ich möchte, daß dieses Leben für Sie ein schöner Der "Sternen"-General Bernard Schrie-
Zukunftstraum, ein nie endendes Glück Ist... Ich möchte Sie begeistern für den ver sagte im Oktober 1965 zu amerika­
Anblick des Alls, f-r die allen winkende Zukunft, für die wunderbare Geschichte der nischen Raumflugexperten: "Militärisch
Vergangenheit und Zukunft jedes einzelnen Atoms. Das wird Sie gesünder machen, tragen wir im Weltraum die Verantwor­
wird Ihr Leben verlängern und Ihnen die Kraft geben, Schicksalsschläge zu tung dafür, einer beliebigen Bedrohung,
ertragen." ob ausgesprochen oder nur angedeutet,
zu begegnen, die von der sowjetischen
Noch ergreifender als der Sinn dieser Das 1957 angebrochene Raumfahrtzeit­ Raumfahrttechnik ausgeht und eine Frucht
Worte ist des persönliche Empfinden, mit alfer war (propagandistisch gesehen)
dem sie niedcrgeschrieben sind. Der alte vielleicht ein etwas schreihalsiger
Mann fürchtete wirklich, daß wir sterben, Säugling, aber bestimmt optimistisch und
ohne erkannt zu haben, daß der Vorstoß lebensbejahend. Das liegt schon 30 Jahre
zu den Sternen ein Glück ist. Ziolkowski zurück. Wir wollen kein Fazit ziehen. Das
dachte daran, die Menschheit im sonnen­ überlassen wir unseren Nachfahren. Wir
nahen Raum anzusicdeln. Das sollte nicht wollen einfach nachdenken.
die Flucht vor einer unaustilgbaren
Seuche oder anderen irdischen Heim­ o
suchungen sein, nicht der Rückzug Uns mangelt es unverkennbar an kos­
von Soldaten aus den Flammen eines mischem Optimismus. Heutzutage fällt
Weltkriegs, auch kein notgedrungener uns, wenn wir an die Raumfahrt denken,
Abzug von Bergleuten aus einer immer seltener etwas Helles, Schönes und
erschöpften Grube, sondern eine neue viel öfter etwas Alarmierendes, Bedroh­
Entwicklungsphaso der menschlichen Zivi­ liches ein. Von Weltraumsiedlungen
lisation, eine neue Stufe im Fortschritt der schreibt und spricht man viel weniger als
Gesellschaft, ein neues, unermeßliches von "Sternenkriegen" und von der
Betätigungsfeld für unzählige Generatio­ "Strategischen Verteidigungsinitiative"
nen: Kurz, cs wäre ein Glück! der USA.
Mit Juri Gagarin, den wir am Internatio­ Den Begriff "Sternenkriege" kannte
nalen Tag der Luft- und Raumfahrt ge­ man schon, bevor die Raumfahrt entstand.
feiert haben, war ich gut bekannt. Auch er Der amerikanische Futurologe Hamilton Zeichnung Konstantin Ziolkowski
war ein überzeugter Optimist. Oft sagte schrieb seine "Sternenkönige" vor dem
er, cs sei sein Traum, auf den Mond zu Start des ersten künstlichen Erdsatelliten. politischer Vorhaben der Sowjets ist."
fliegen und an Expeditionen auf die Die von ihm geschilderten Gefechte Bei einer "klassischen" Hetzjagd schreit
nächstliegenden Planeten teilzunehmen. zwischen Planeten erregten niemanden der Dieb: "Haltet den Diebl" Was ist an
Ihn machte die Raumfahrt glücklich wie besonders, es sei denn Jungens und der sowjetischen Raumfahrttechnik be­
jede Arbeit, die man liebt, den Menschen Fachleute für Trickaufnahmen. Heute erre­ drohlich? Der Flug Valentina Tereschko­
glücklich macht. Ich erinnere mich an gen die "Sternenkriege" jeden, weil an was? Die Aufnahmen vom Hinterkopf des
Gagarins Fahrt durch Moskau im April die Stelle der Futurologen Präsidenten Mondes? Die ersten Starts zur Venus und
1961, als dem ersten Kosmonauten Tau­ und an die der Fachleute für Trickaufnah­ zum Mars? Der Ausstieg Alexej Leonows
sende zujubclten. Damals teilte er uns men Generale des Pentagons getreten in den offenen Weltraum? Man beachte
allen ein Stück seines Optimismus mit. sind. Eine Fernsehfolge mit Gefechten im die typische Wendung: "Wir tragen die
Viele dachten beim Anblick des unter­ All kostet einige Millionen Dollar. Die sind Verantwortung..." Bei solcher Anmaßung
setzten Majors mit dem bezaubernden aber eine Lappalie neben den 14 Milliar­ kann man sich allerhand erlauben, ehe
Lächeln: "Was ein Mensch alles kann! Ob den, auf die die "kosmischen" Milifäraus- jemand auf die Idee kommt, zu fragen,
ich das auch könnte?" W'ir versetzten uns gaben der USA für das kommende Jahr wer ihnen eigentlich diese "Verantwor­
gedanklich an seine Stelle, und jeder geschätzt werden. tung" auferlegt hat. Immerhin scheint es
empfand das Bedürfnis, besser und An Waffen im Weltraum dachte man peinlich gewesen zu sein, dem General
Icistungs fähiger zu sein. Gern hätte man sofort, als die erste Erdumlaufbahn er­ die Schulterstücke an einen Rauman­
diesem Major bewiesen, daß man auch zu reicht war. Damals genierte man sich aber zug zu nähen — er könnte ja der Militari­
etwas taugt. Gern wollte man besser mit ein wenig, laut und deutlich davon zu sierung des Weltraums verdächtigt wer­
Hand und Kopf a'beiten, froher leben und reden. Mitte der 60er Jahre behauptete den. Und so schließt er denn mit dem
sich so glücklich wie er fühlen. US-Präsident Johnson, der Weltraum beschwichtigenden Satz: "In Wirklichkeit
18 "HEUE ZEIT" 15.87
daß das Raketenabwehrsystem, das ■
dienen unsere Raumforschungsprogram­ Astronaut Harrison Schmitt, der an der
Rahmen des "Sternenkriegs"-Programms
me dem Frieden." Ein Jahr später sprach Harvard Universify studiert hat und als aufgebaut wird, kein Verteidigungssysfem
Schriever — nunmehr in Boston — erneut einziger Wissenschaftler auf dem Mond
sein wird und warum nicht.
von dem „Bestreben, zu verhindern, daß war — ein Mann, den man für seine
Wir wollen die von zahllosen Zeitungen
der Weltraum zu einem Schlachtfeld oder Willensstärke und seinen Mut gern achten
und Zeitschriften aller Länder immer
wieder ins Feld geführten Argumente
nicht wiederholen. Nehmen wir einmal an,
daß SDI wirklich ein Projekt nicht für
Angriffs-, sondern ausschließlich für Ver­
teidigungszwecke ist. Na und? Wäre es
selbst dann begrüßenswert? Keineswegs,
denn auch dann wäre es unmenschlich,
kostspielig und gefährlich.
Die "New York Times" schrieb: "Die
Vorstellung, die USA könnten sich eine
konstante rüstungstechnische Überlegen­
heit sichern, ist vollkommen verstiegen."
Vollkommen richtig. Ich sage sogar noch
mehr: Jetzt ist das wissenschaftliche und
technische Potential der UdSSR so groß,
daß sich kein Land eine "konstante
Überlegenheit", ob technisch oder mili­
tärtechnisch, über sie zu sichern imstande
ist. Übrigens kann sich auch die UdSSR
keine "konstante Überlegenheit" über
andere Länder verschaffen. Heute ist nun
einmal so eine Zeit.
Jemand hat einmal gescherzt, die
Geschichte lehre, daß sich niemand von
Juri Gagarin vor einem Flug. Foto: A. Moklezow ihr belehren lasse. Auch richtig. Die
Amerikaner haben die erste Atombombe
gebaut und gezündet. Jetzt sagen sie, die
UdSSR sei ihnen mit ihrem nuklearen
Potential überlegen. Die Amerikaner
einem neuen Bereitstellungsraum gemacht möchte —, daß die militärischen haben das erste Atom-U-Boot vom Stapel
wird, von dem aus Schläge gegen Weltraumforschungen ausgedehnt wer­ gelassen, und jetzt sagen sie, die Atom­
Bodenstützpunkte geführt werden kön­ den und daß ein Weltraumkommando U-Bootflotte der UdSSR sei größer als die
nen". Im selben Tonfall sagte der gebildet wird. der USA. US-Verteidigungsminister
Demokrat George Miller, Vorsitzender Im Sommer 1982 überstieg der Jahres­ Weinberger erläutert SDI folgender­
des Ausschusses für Wissenschaft und etat des Pentagon für kosmische Zwecke maßen: "Wenn wir imstande sein werden,
Raumfahrt im Repräsentantenhaus: "Aus den der Nationalen Luft- und Raum­
ein System aufzubauen, das wirksam sein
dem Kosmos darf kein Schauplatz fahrtbehörde. Damals beförderte eine und die Rüstungen der UdSSR unwirksam
zwischenstaatlicher Zusammenstöße ge­ Raumfähre erstmalig eine rein militärische machen wird, dann werden wir wieder so
macht werden." Fracht auf den Orbit. Schmitts Traum von weit wie damals sein, als wir allein
Man kann mich fragen, ob die 20 Jahre einem Weltraumkommando ging in Erfül­ Kernwaffen hatten." Begreift ein kluger
zurückliegenden Fakten denn noch jeman­ lung, und Präsident Reagan verkündete
Staatsmann wie der US-Verteidigungsmi-
den interessieren. Ja, weil wir sehen, wie die neue nationale Welfraumpolifik, die
nister denn nicht, daß die USA die
sich die Dinge entwickeln und weil wir die eindeutig auf die Militarisierung der erwünschte Situation niemals herbeiführen
Gegenwart mit diesen Fakten vergleichen Raumfahrt ausgerichtet ist. Die makabre können, weil es beim jetzigen Stand von
können. Solche Vergleiche ermöglichen Futurologie der "Sternenkriege" beginnt Wissenschaft und Technik unmöglich ist,
eine bessere Erkenntnis der Zukunft. sich zu verwirklichen. das erforderliche System aufzubauen? Das
Die 60er Jahre waren also eine Zeit, in haben anhand von Zahlen nicht nur
der die USA wenigstens Lippenbe­
0 sowjetische, sondern auch amerikanische
kenntnisse für den Frieden im Weltraum Ich bin kein Fachmann für Weltpolitik Experten wiederholt nachgewiesen.
ablegten. und internationale Beziehungen. Aber Glaubt man in Washington etwa auch den
Und in der Tat? Was war in der Tat? Seit vielleicht ist das gut so. Die Ausbildung
eigenen Leuten nicht? Unter den SDI-Ver-
dem Mondflug laut Apollo-Programm zum Ingenieur für Raketentechnik und 30 fechtern ist kein einziger, der garantieren
wird in den USA weniger Geld für Jahre Tätigkeit bei wissenschaftlichen könnte, daß keine Rakete des eventuellen
friedliche Raumforschungsprogramme Zeitschriften befähigen mich, das Problem Gegners doch alle seine Stufen
bereitgestellt und der Aufwand der "Sternenkriege" und SDI aus einem durchschlagen wird.
für militärische Weltraumprogramme anderen Gesichtswinkel zu betrachten. Ich bin aber bereit, noch eine Hypo­
erhöht. Das geht seit 15-17 Jahren so, Das Weiße Haus behauptet, SDI sei these zu wagen. Nehmen wir einmal an,
ganz gleich, wer Präsident ist. Es ist eine nichts als ein Verteidigungsprogramm. die Rakete durchschlägt sie nicht. Mag
Politik auf weite Sicht. Der Tonfall der Amerikaner selbst schreiben, daß das eine 100%ige Effektivität des Systems
Militärs wird rigoroser. 1983 fürchtete der nicht der Fall ist. So z. B. John Oakes, garantiert sein. Lehrt die Geschichte aber
stellvertretende Luftwaffenminister der ehemaliger Chefredakteur der "New York nicht auch, daß, wenn das heute nicht
USA nicht mehr, falsch verstanden zu Times", ein Kenner militärischer Proble­ gelingt, es morgen bestimmt gelingen
werden, als er sagte: "Die militärische me, oder Robert Bowman, Präsident des wird? Als die Nazis ihren Tiger-Panzer
Nutzung des Weltraums ist nichts Neues. Forschungsinstituts für Weltraumprobleme bauten, meinten sie auch, daß keins der
Wir haben sie schon immer bewerkstel­ und Sicherheit, Oberstleutnant der ihnen bekannten sowjetischen Geschütze
ligt." Luftsfreitkräfte a. D. In dem Buch ''Ster­ die Panzerung durchschlagen könne, so
Militärs haben militant zu sein. Das sind nenkriege: Verteidigung oder 'To­ daß er bis an den Ural kommen werde. Er
aber auch Zivilisten. So fordert der I desstern'?" schreibt Bowman ausdrücklich, kam aber -nicht hin, seine Panzerung
"NEUE ZEIT" 15.87 19
wurde durchschlagen, und das wäre auch
geschehen, wenn s e noch dicker gewe­
sen wäre
Und roch ems. Ist es nicht klar, daß im
Weltraum dies anders als auf der Erde ist,
wo nach dem klass sehen militärischen
■ u

d
Schema der Angreifer i —. — er verletzbarer
als der sich Verte e gende
ist? Im
Weltraum .st das Verfcidigungssystem
v el ,c- r.'zbarcr a's d.e Angriffswaffen.
Die

SDI-Ob.ekte werden
tchwerfä!: g sc n, weil die heutige
massiv und vT 1
Fakete.-.’ect.r .i kc e rea en technischen ^5. ■. v ’
// Itc bc: tzt, d e c.-.c-r raschen Wechsel
der Hohe und des *-c gu'gswmkels der
Flugbahn t.-.i.r Objekte gestatten wür­
den.
f s wäre vcu. esser von " r, zu glauben,
daß ich, < J ahst. das dies begreife,
wahrend es d>e Generale im Pentagon
oder die F'ol.tiker Weißen Haus und
Kapitol nicht begrc.fe- Natürlich begrei­
fen sie es! Man muß s ch darüber im klaren
sein, daß SD! zwar c n militärisches, SD) wird In Reagans Amerika herbeigeträumt, skizziert und ausgemalt und in
zugleich aber a-ch e.n politisches und Einzelteilen bereits erprobt. Feindbild: UdSSR.
sogar ideologisches Programm ist. Der Aus: „U.S. News & World Report"
bereits erwähnte Oakes schreibt wie
gehabt in der "New York Times": "Jetzt,
wo sie" (d. h. wir — die Red.] "eine
ungefähre militärische Parität mit uns • ebensowenig, wie man ein nicht fliegen­
hoben, brauchen sie gar kein neues Es ist sehr schade um Geld und Mühe, des Flugzeug oder einen Hochofen
Wettrüsten. Es würde ja enorme die für ein — ich wiederhole: un­ braucht, der keinen Stahl schmilzt. Falls es
Ruslungsausgaben erforderlich machen, menschliches und sinnloses — Vorhaben aber funktioniert, dann werden die Leute,
obwohl diese für die zunehmende verschwendet worden sind. Die Amerika­ die es brauchen, gar nicht mehr existie­
Nachfrage nach Gebrauchsgütern und zur ner sind reicher als wir. Sie haben sich das ren...
Hebung des sowjetischen Lebensstan­ Apollo-Programm — die Landung auf Von unseren Ingenieuren habe ich
dards notwendig sind." dem Mond — rund 25 Md. Dollar kosten solche Argumente gehört: Die Amerika­
Er hat ganz recht, wir brauchen wirklich lassen und nachher selbst geschrieben, ner würden SDI auch deshalb bauen, weil
kein neues Wettrüsten. Und deshalb will daß es kostspielig war. Dadurch ist die sie die Kapazitäten des Militär-Industrie-
man uns dazu zwingen. Wir werden auf Wirtschaft der USA nicht ins Wanken Komplexes auslasten, für die Rentabilität
SDI ja irgendwie reagieren müssen. Ob geraten, aber auf einigen Gebieten haben der Betriebsanlagen sorgen und Millionen
uns das daran hindern wird, die geplanten sich doch Spannungen ergeben. Fünf Menschen Arbeit geben müssen.
ökonomischen und sozialen Umgestaltun­ Jahre nach der ersten Landung auf dem Stimmt. Eine Stillegung der Produktion
gen vorzunehmen? Kann sein. Das wird Mond war ich in Pasadena, in dem würde eine Krise und Millionen Ar­
jeder Wirtschaftsexperte bestätigen. Wir berühmten Labor für reaktive Bewegung, beitslose bedeuten, sie wäre eine natio­
werden sie sowieso vornehmen. Nur wird wo der erste amerikanische Satellit und nale Tragödie. Warum sollen diese
cs lunger dauern und schwieriger sein. Für viele vorzügliche Raumfahrtautomaten Millionen Menschen aber etwas völlig
diesen Fall hoffen die SDI-Urheber entstanden sind. Dort kamen wir auf eine Sinnloses herstellen? Sollen sie doch
und-Ideologen, der Welt sagen zu künftige Expedition zum Mars zu etwas machen’, das auch nur halbwegs
können: "Ihr seht es ja, sie schaffen es sprechen. Die Kosten wurden auf 100 sinnvoll ist: ein Unterwasserlabor oder
nicht, weil das System nichts taugt!” Sie Md. Dollar geschätzt, und die Amerikaner eine Einschienenhängebahn um die Erde
wissen, daß sie bei einem militärischen sagten: "Nein, allein können wir das nicht bauen oder aber in der Antarktis eine
Streit einfach nicht siegen können, und bewältigen. Wir müssen uns mit jeman­ Stadt unter einer Kuppel errichten! Und
werden sich anstrengen, mit Hilfe der dem zusammentun und gemeinsam flie­ wenn es unbedingt der Weltraum sein
Militärtechnik im ideologischen Streit zu gen." Interessant ist, daß Prof. Awde­ muß, dann trifft das erst recht zu. Unser
siegen. Ich will mich nochmals auf Robert jewski, Mitglied der AdW der UdSSR, 10 Friedrich Zander, ein Enthusiast der
Bowman berufen, damit Sie wissen, daß Jahre später dasselbe schrieb. Das Vorha­ Raumfahrt, dessen 100. Geburtstag dieses
ich nicht allein so klug bin. Er schreibt: ben ist in der Tat horrend teuer. Jetzt hat Jahr begangen wird, starb 50 Jahre vor

"Bekanntlich sind unter den eifrigsten man aber an der Universität in Stanford Entstehung des Sternenkriegsprogramms.
SDI-Anhängcrn in der Regierung Reagan nachgerechnet und herausbekommen, daß Er schrieb aber, wie er auch heute
die verbissensten Russenfeinde, meistens nur die ersten SDI-Anlagen 500 Md. Dol­ geschrieben hätte: "Welcher Mensch, der

Auswanderer aus Osteuropa, die eine lar und daß ein vielschichtiges System ein in einer klaren Herbstnacht zum Himmel
Politik wollen, in deren Rahmen man Mehrfaches dieser Summe kosten wird. aufgesehen hat, dachte beim Anblick der

versuchen könnte, das jetzige Regime in Senator William Proxmire schrieb vor leuchtenden Sterne nicht daran, daß dort,
ungefähr einem Jahr, daß sich die Kosten auf fernen Planeten, vielleicht uns
der Sowjetunion zu stürzen." Wir haben
es also viel eher mit einer antisowjetischen der technischen SDI-Anlagen mindestens ähnliche vernunftbegabte Wesen leben,
auf 1 Billion Dollar belaufen werden. die uns kulturell um Jahrtausende voraus
als mit einer Verteidigungsinitiative zu
Wenn schon 100 Md. schwer sind? Welch unermeßliche Kulturschätze
tun.
erschwinglich sind, wie will man dann erst könnten auf die Erde gebracht und der
Man b-aucht nicht die Weisheit eines
das Zehnfache aufbringen? Und vor allem irdischen Wissenschaft beschert werden,
Staatsmannes zu besitzen, um die Binsen­
wozu?! Gehen wir die Sache einmal mit wenn es dem Menschen gelänge, dorthin
wahrheit zu begreifen, daß die Macht
einer denkbar primitiven Logik an! Also zu fliegen! Und wie billig käme dieses
über den Weltraum wichtig, aber die
schön, man hat das System aufgebaut. Falls- große Werk zu stehen, verglichen mit
Macht übe’ die Hirne der Erdenbewchner
es nicht funktioniert, braucht es niemand, allem, was der Mensch nutzlos ausgibt!"
wichtiger ist.
20 "NEUE ZEIT" 15.87
und Fernmel­
In Reagan ist Zander ein ernst zu ten zufolge wäre sie technisch durchaus Werkstoffkunde, Computer-
detechnik — alle Bereiche,
Bereiche, denen die
nehmender Gegner erwachsen. Der möglich. Was die Praxis angeht,. so
US-Präsident ist es nicht nur, weil er kosmischen Erfahrungen zugute kämen,
besteht schon einige Erfahrung im kos­
eindeutig unnütze Aufwendungen partout sind heute noch schwer absehbar. Und
mischen Zusammenwirken — siehe das
für nützlich hält. Die Existenz anderer, Apollo-Sojus-Projektl Es fehlte nicht viel, alle Menschen, die jetzt am SDI-Programm
arbeiten, alle Firmen, Universitäten und
vernünftigerer Lebewesen erscheint ihm dann hätten wir vereinbart, daß amerika­
überhaupt zweifelhaft. Na schön, mag er nische Shuttles internationale Besatzun­ Labors könnten an diesem Programm
den Standpunkt Giordano Brunos nicht gen zu unseren "Saluts" befördern wer­ ebenso eifrig mitwirken, ohne Arbeitslo­
teilen und sich ablehnend zu der Hypo­ den. Im Januar 1975 sprach nicht sigkeit und Krise befürchten zu müssen.
these verhalten, daß es viele bevölkerte ein Futurologe, sondern Frank Moss, Als das "Vega"-Projekt ausgeführt
Welten gibt. Aber auch ohne im All nach Vorsitzender des US-Senatsausschusses wurde und zwei sowjetische Weltraumau­
vernunftbegabten Brüdern zu suchen, für Luftfahrt und Weltraumforschung, tomaten dem Halleyschen Kometen nahe­
könnten die Menschen viel wunderbare, davon). Noch früher — 1969 — sagte Prä­ kamen, traf der bedeutende amerikanische
aussichtsreiche und wesentlich billigere, sident Nixon, in 30 Jahren würden "wir Astrophysiker Carl Sagan in Moskau ein.
vor allem aber nützlichere als Erdenbewohner neue Welten besuchen Leider sind wir damals nicht zusammen­
SDI-Programme realisieren. Ein beliebi­ und dort irgendeine Lebensform vorfin­ getroffen. Ich hätte ihm gern die Hand
ges Sternenfriedensprogramm wäre ja viel den", und Vizepräsident Agnew regte die gedrückt. Er setzt sich energisch für eine
begrüßenswerter als das „Sternen­ Landung eines Menschen auf dem Mars sowjetisch-amerikanische Expedition auf
krieg s"-Prog ramm. bis zum Jahr 2000 an. Landen wir dochl den Mars ein. Jemand fragte ihn, wann sie
Der Bau von Sonnenkraftwerken und Suchen wir die neuen Lebensformen! Um wohl steigen könnte. Er antwortete: "Ein
die Leitung der von der Menschheit wieviel ratsamer wäre das als das Besuch auf dem Mars ist bis zum Anbruch
dringend benötigten Energie mit Hilfe von Abschießen atomarer Gefechtsköpfe, des nächsten Jahrzehnts kaum wahrschein­
Laseranlagen auf die Erde rückt immer zumal man auch ohne Atomkanonen lich. Eine sowjetische Kosmonautenexpe­
mehr in den Bereich des Möglichen. einfach mit ihnen aufräumen, nämlich ihre dition in die Nähe des Mars ist bis zum
Sollen sich die Firmen, die Laserkanonen Erzeugung ein für allemal verbieten und Jahr 1992 durchaus möglich. Ein denkwür­
für "Sternenkriege" entwickeln, doch mit die gehorteten vernichten kann. Um diges Jahr— 1992 jährt sich die sozia­
diesem naheliegenden Themenkreis be­ wieviel leichter ist das auf der Erde zu listische Oktoberrevolution zum 75. Mal.
fassen! bewerkstelligen! Im selben Jahr aber auch die Entdeckung
Sehr verlockend ist die Aussicht, Gewiß, ein Flug auf den Mars ist der Neuen Welt durch Kolumbus,
außerirdische Produktionsstätten zu schaf­ kostspielig, er wäre aber — zum Un­ u. zw. zum 500. Mal. Man könnte diese
fen, die das kosmische Vakuum und die terschied von "Sternenkriegen" — Jahrestage kaum angemessener feiern als
Schwerelosigkeit benutzen würden. Fiele
es den Projektanten einer Weltraum­
festung denn gar so schwer, sich auf Pläne Sojus-Apollo-Rendezvous. Lang ist's her...
für eine Fabrik im Weltraum umzustellen?
Zeichnung aus einer „Nowosti"-Publikation
Experten sprechen allen Ernstes davon,
daß man Asteroiden zur Erde abschleppen
könnte, wodurch viele Rohstoffprobleme
der Menschheit gelöst wären. An der
Technologischen Hochschule von Mas­
sachusetts hat man errechnet, daß man in
Sonnenhochöfen auf erdnahen Flugbah­
nen 100 Mio t Asteroidenerz schmelzen
könnte. Ein Raumkilometer davon würde
den Eisenbedarf der ganzen Erde für
15 und ihren Nickelbedarf für 1250 Jahre
decken. Dieses Metall kostet 5 Billionen
Dollar, das technische Projekt für das
"Abfangen" von Asteroiden würde aber
nur 1,7 Md., also ein Achtel der Summe
kosten, die 1988 für den militärisch
genutzten Weltraum ausgegeben werden
soll. Wie gut wäre es, die Weltraum­
shuttles für die Jagd nach Asteroiden
umzufunktionieren, statt ihre Bäuche
mit Spionagesatelliten vollzustopfenl

Bei Michail Gorbatschows Zusammen­


kunft mit Friedensnobelpreisfrägern im
Kreml sagte er: "Wir haben der UNO ein
detailliertes Programm für ein friedliches
Zusammenwirken im Kosmos zugeleitet. sinnvoll. Er könnte das erste leuchtende mit einem internationalen Programm für
Die UdSSR schlägt die Gründung einer Beispiel einer Vereinigung der Kräfte und die Entdeckung noch einer Neuen Welt."
kosmischen Weltorganisation vor, die die Mittel der ganzen Menschheit, ein Bei­ Sagan ist Optimist. Mir gefallen Opti­
Koordinationszentrale für die Bemühun­ spiel globalen Zusammenwirkens sein, misten. Auch ich finde, daß "Sternenkrie-
gen um dieses globale Vorhaben sein das erste Werk, das nicht Weiße, ge” für die Raumfahrt nicht das Richtige
könnte. Das wären Grundlagenforschun­ Sohwarze oder Gelbe, nicht Amerikaner, sind. Sie führen zu nichts.
gen und der Start interplanetarer Schiffe Chinesen oder Russen, nicht Christen, Ich weiß, nach dem Lesen dieses
■beispielsweise zum Mars." Buddhisten oder Atheisten, nicht Kommu­ Beitrags kann man mir Naivität vorwerfen.
Beim Lesen des Berichts über die nisten, Kapitalisten oder Leute ohne Heutzutage ist es aber keine Todsünde,
Zusammenkunft im Kreml ist mir die Weltanschauung, sondern Erdenbewoh­ naiv zu sein. Ich möchte nur nicht der
Expedition auf den Mars eingefallen, über ner vollbringen würden. Schon die Unaufrichtigkeit verdächtigt werden.
die wir damals in Pasadena sprachen. Vorbereitungen auf diesen Flug wären
Sowjetischen und amerikanischen Exper- sehr ergiebig für Biologie, Medizin,

"NEUE ZEIT" 15.87 21


ZEITGESCHICHTE

Am 12. April 1945 sterb


Frankhn Deleno Roosevelt, ein
Mann, der in die Geschichte
unserer Epoche eingegangen ist.
Die Roosevelft-Ära
Anhand neuer Dokumente und
Forschungen hat der Historiker
Dr Viktor MALKOW den Verlauf
der letzten Tage des 32. US-Prä-
sidenten rekonstruiert.

Wasturirj'Gr.. Dor.’erstag, 1. März 1945,


12 32 Uhr t'i. ;.!,rrf;, ‘c Repräsentanten-,
haus des US-Kor.grcsses. Der Präsident
der Vereinigten Staaten, Franklin Delano
Roosevelt, beginnt .n e.r.er gemeinsamen
Sitzung der beiden Kongreßkammern
seinen Bcr.cht über die Konferenz der
Alliierten in Jalta. Er entschuldigt sich, er
müsse sitzend sprechen, da er sehr müde
sei, und fährt fort: I
"Die Reise war von langer Dauer, ich
glaube aber. Sie werden mir recht geben,
wenn ich sage, daB sie auch ersprießlich
gewesen ist."
Roosevelt sprach nicht so energisch wie
sonst. Er sprach leise und manchmal
heiser, ja sogar undeutlich wie im
Selbstgespräch. Oft wich er von seinem
aufgesetzten Teil ab. Sam Rosenman, der
die Rede gemeinsam mit dem Präsidenten
Roosevelt kehrt aus Jalta in die USA zurück. V. I. n. r.: US-Botschafter in Großbritan-
übgefaßt hatte, zahlte 49 solche Ab­ nie' Wynant, Roosevelt, Staatssekretär Stettinlus und Hopkins.
weichungen. Aber das Ende klang fest,
wie man cs von Roosevelt gewöhnt war,
wenn er etwas Bedeutsames hervorheben
wollte. Er sagte: ging der zweite Weltkrieg zu Ende, und Berater getrennt. Hopkins, dessen Ge­
' Die Well, die wir aufbauen, kann keine der Krieg im Fernen Osten näherte sich sundheit gelitten hatte, ging nach Minne­
amerikanische oder britische oder rus­ seinem Abschluß. Die Konferenz in Jalta sota, wo er sich nicht zum ersten Mal den
sische, keine französische oder chine­ ließ ihn hoffen, daß Grundlagen für einen Ärzten der Mayo-Klinik anvertrauen
sische Welf, keine Welt großer Länder festen Frieden geschaffen werden mußte. Seine Abwesenheit im Weißen
oder kleiner Länder sein. Sie muß eine konnten. Gründung einer
Die neuen Haus verursachte nicht nur Mehrarbeit, sie
Welt sein, die auf gemeinsamen Bemühun­ Weltorganisation stand bevor. störte auch den seit Jahren gewohnten
gen aller Länder beruht." Modus der Beschlußfassung und die

Es folgte eine Ovation. Nach der Kontrolle über den aufgeblähten Regie-

Sitzung begab sich Roosevelt für ein paar


Das Weiße Haus im März rungsapparat.
Tage auf seinen Landsitz Hyde Park, um Rein äußerlich blieb alles beim alten.
Aber die Tage danach waren nicht Der Präsident begann seinen Arbeitstag
sich auszuruhen. Die Anstrengung machte
leicht. Besonders schwierig war die zwischen 8 und 9 Uhr früh. Bis 10.30 Uhr
sich fühlbar, und Roosevelt nahm sich fest
innenpolitische Lage. Die Spannungen war er mit der Durchsicht der Eilte­
vor, den Rat der Ärzte und seiner Tochter
nahmen unmittelbar vor Jalta und gleich legramme und Papiere fertig, die ihm, von
Anna zu befolgen, seinen Arbeitstag
danach zu, als die oppositionelle Presse Sekretären gesiebt, unterbreitet worden
abzukürzen und sich nicht mit Geschäften
die erste zustimmende Reaktion vorüber­ waren, und begab sich in das Ovale
zu überlasten, die nervliche Anstrengun­
gehen ließ und dazu überging, die Zimmer. Zuweilen machte er unterwegs
gen von ihm forderten. Er sollte Ende
Öffentlichkeit mit sensationell aufge­ einen Abstecher in den Landkartenraum,
März einen zweiwöchigen Urlaub einle­
machten "Vermutungen” wegen in Jalta in dem alle Fäden der militärstrategischen
gen und ihn im sogenannten kleinen
angeblich geschlossener Geheimabkom­ Operationen und diplomatischen Schritte
Weißen Haus in Warm Springs, Georgia,
men zu- alarmieren. Der Präsident war der USA während des Krieges zusammen­
verleben. Auf seinem dortigen kleinen
verärgert. Sein Ärger wurde noch dadurch liefen und wo Hopkins lange den Ton
Gut wollte er sich auf seine
gesteigert, daB er die Anwürfe nicht auf angab.
Eröffnungsrede für die Konferenz der
einer Pressekonferenz widerlegen öfter als andere erschien nunmehr,
Vcrcnten Nationen in San Francisco
konnte — die Gesetze der Kriegszeit während der Präsident ins Ovale Zimmer
vorbereiten.
erlegten ihm Zurückhaltung auf. unterwegs war, der Chef seines persön­
Der Präsident ahnte nicht, daB er nur Auch fehlte ihm Hopkins, der in solchen lichen Militärstabs, Admiral William
noch anderthalb Monate zu leben hatte. Fällen jeden Frechling zurückzuweisen Leahy. Als Roosevelt den angesehenen
Es standen Tage bevor, die seine langjäh­ verstand. Auf halbem Weg von der Krim Vertreter der Militärkreise in seine nähere
rigen Mühen belohnen sollten. In Europa hatten sich der Präsident und sein engster Umgebung aufnahm, wußte er, daß Leahy

22 "NEUE ZEIT" 15.87


Staaten der Antihitlerkoalition für un­
und seine langjährigen Mitarbeiter, be­ Waffenkontrolle, die wichtige Begeben­
möglich hielt. Kategorisch kann man das
sonders Hopkins, verschiedene Ansichten heit in der „Washington Post". Er
vertraten. Daran hatten sich aber schon aber nicht sagen. Die reichen staatsman-
schrieb:
nischen Erfahrungen, das sichere Gefüh
längst alle gewöhnt. Einer der bemer­ "Am 1 5. März 1945 sprach ich das letzte
für die Geschichte und schließlich die
kenswertesten Wesenszüge Roosevelts Mal mit Präsident Roosevelt. Meine
als Staatsmann war das Bestreben und die Fähigkeit, die Meinung seiner nächsten
Tagebuchaufzeichnungen über das Ge­
Fähigkeit, mit Leuten zusammenzuarbei­ spräch geben ein recht genaues Bild von Berater anzuhören, von denen viele wie
ten, die in ihren politischen Ansichten Frankfurter dachten, veranlaßten den
unserer damaligen Denkweise...
nicht übereinstimmten. Ich entwarf ein Bild von der Zukunft der Präsidenten, immer wieder auf das erle­
Was war für Leahys Berufung bestim­ Atomenergie und sprach über den Termin, digt scheinende Thema zurückzukommen.
mend? Zum Teil seine alte Freundschaft zu dem der Bombe Die kurze Einsamkeit in Warm Springs
mit dem Präsidenten, zum Teil auch die benutzte er stets dazu, über besonders
erhebliche Zunahme der milifärstrafe- schwierige innen- und außenpolitische
gischen Fragen auf dem Arbeitsplan des Fragen nachzudenken.
Präsidenten. War der Präsident also gesinnt, auf
seinem früheren Standpunkt zu beharren?
Am 26. August 1944 hatte er ja in vielem
mit Bohr übereingestimmt. Er bat Bohr
Das Gespräch sogar, ihm Argumente für die Unduldbar-
keit eines atomaren Wettrüstens zu liefern.
möi Sfimson Gewisse Angaben zeugen davon, daß
Am 15. März 1945 erschien beim im Verhältnis zwischen Roosevelt und
Präsidenten Kriegsminister Henry Stimson, Bohr nicht alles eindeutig war. Wie ließe
um über eine äußerst wichtige Angele­ es sich sonst erklären, daß sich in
genheit Bericht zu erstatten: über die Frankfurters Papieren eine "Ergänzung"
Fertigstellung einer Atomwaffe. zu Bohrs Memorandum vom 3. Juli
Als sich hinter Stimson die Tür geschlos­ 1944 findet? Sie ist mit dem 24. März
sen hatte, konnte der Präsident die 1945 datiert. Der Inhalt zeugt eindeutig
Entstehungsgeschichte dieser Massenver­ davon, daß weder Bohr noch Frankfurter
nichtungswaffe in seinem Gedächtnis die Hoffnung auf eine neuerliche Zusam­
ablaufen lassen. Einsteins Schreiben und
Beginn der Arbeiten gemeinsam mit den
2_r\nT^iG< menkunft mit Roosevelt
grundsätzlich positive Entscheidung über
und auf eine

Briten... Ernennung Robert Oppenheimers eine internationale Atomwaffenkontrolle


zum Leiter der Forschungszentrale in Los Roosevelt spricht Im Kongreß (1. März aufgegeben hatte.
Alamos und der Auftrag an ihn, zu 1945| Bemerkenswerterweise erklärte Bohr in
verhüten, daß Hitler den USA mit der diesem Dokument nochmals, im Zuge des
Schaffung der Atomwaffe zuvorkomme... wissenschaftlichen und technischen Fort­
Das Problem der Information der UdSSR... schritts könne es nicht ausbleiben, daß
Die Bitte Felix eines Mit­
Frankfurters, viele Länder (in erster Linie die UdSSR) in
glieds des Obersten Gerichts der USA abgeschlossen sein wird. Ich sagte, das den Besitz der Geheimnisse der Atomwaf­
und alten Freundes von Roosevelt, den alles sei ungemein wichtig. Der Präsident fenproduktion gelangen. Sollte ihr Poten­
Physiker Niels Bohr zu empfangen... und ich diskutierten über die beiden tial unterschätzt werden, warnte Bohr, so
Worüber wollte Bohr mit dem Präsiden­ Standpunkte zur Atomwaffenkontrolle
würde die Menschheit unweigerlich
ten sprechen? Er war der Ansicht, daß die nach dem Krieg, falls die Arbeit daran
Geisel eines irrsinnigen Wettrüstens von
UdSSR über die Arbeiten an dem streng erfolgreich zum Abschluß kommen sollte. einer derartigen "Vernichtungsgewalt"
geheimen Projekt informiert werden müs­ Der eine Standpunkt ist die Überzeugung, werden, "die über alle bisherigen Vor­
se, damit das Vertrauen der Alliierten daß die Kontrolle in Händen derjenigen stellungen hinausginge".
nicht gestört werde. Von diesem bleiben müsse, die sie jetzt ausüben. Der Den Schlußteil der "Ergänzung" schrieb
Standpunkt hatte Frankfurter den Präsi­ andere geht von der Notwendigkeit einer Bohr, als ob er das am 26. August
denten schon im April 1944 in Kenntnis internationalen Kontrolle aus, fußend auf 1944 begonnene vielversprechende Ge­
gesetzt. dem Grundsatz der Freiheit sowohl der
spräch mit Roosevelt fortsetze. Damals bat
Roosevelt las das Memorandum Bohrs Wissenschaft als auch ihrer praktischen der Präsident ihn um präzise Begründun­
vom 3. Juli 1944, das Frankfurter ihm Nutzung. Ich sagte dem Präsidenten, man gen dafür, warum eine Anhäufung der
überreicht hatte, und empfing Bohr am 26. müsse alle diese Probleme lösen, ehe die furchtbaren neuen Waffen und erst recht
August, mit welchem Ergebnis, das ist erste Einrichtung benutzt werde, er müsse
ein Wettstreit um ihre Perfektionierung
bekannt: Bohrs Äußerung, daß jedes bereit sein, dem amerikanischen Volk, inakzeptabel sei. Bohr antwortete darauf
Atomwaffenmonopol nur vorübergehend sobald alles getan wäre, eine Erklärung zu gleichsam, die Menschheit werde sich
sein könne, erschien Roosevelt nicht geben. Er war einverstanden..." beispiellosen Bedrohungen gegenüberse­
stichhaltig genug. Er ließ sich von hen, falls im rechten Augenblick keine
Churchill überreden und unterschrieb Maßnahmen getroffen würden, den le­
ihrer beider Ablehnung des Vorschlags,
Eine Warnung bensgefährlichen Wettstreit in der Erzeu­
die UdSSR über das "Manhattan- Projekt"
verhallt gung dieser Vernichtungswaffen zu ver­
zu informieren. Mehr noch, nachdem hindern und die Produktion und Verwen­
Roosevelt gemeinsam mit Churchill das Wie ist diese Aufzeichnung Stimsons zu dung dieser hochwirksamen Sprengstoffe
betreffende Memorandum am 19. Septem­ verstehen? Das läßt sich schwer eindeutig unter internationale Kontrolle zu stellen.
ber unterzeichnet hatte, sanktionierte er beantworten. Man hat natürlich Grund zu Es ist unklar, ob dieses Dokument
auch die Beobachtung Bohrs durch die der Annahme, daß der Konflikt zwischen Roosevelt erreicht hat. Höchstwahrschein­
Geheimdienste der USA und Englands. Roosevelt und Bohr nicht einfach ein lich nicht. Jedenfalls geht aus der Korre­
Der 15. März 1945 kam heran. Stimson tragisches Mißverständnis war. Viele spondenz Frankfurters, dem Bohr seine
brachte die Sache erneut zur Sprache. Er Tatsachen sprechen dafür, daß Roosevelt "Ergänzung" übergab, hervor, daß er
erinnerte den Präsidenten an die Ideen in dieser Sache ebenso wie Churchill hart weder im März noch im April 1945 Gele­
des "mißliebig gewordenen" Bohr. war, daß er eine internationale Atomwaf­ genheit zu einer Aussprache mit dem
Erst ein Jahr später schilderte Stimson, fenkontrolle ablehnte und sie bei Präsidenten hatte, obwohl er dazu bereit
ein Verfechter der internationalen Atom- gleichberechtigter Beteiligung aller war. Am 15. März brachte Stimson
"NEUE ZEIT” 15.87 23
Roosevelt aber auf d eses leid ge Thema ■ tischen Posten der Botschafter in Wien nanzen zu gehen, hielt Roosevelt für
zurück. und Sofia. Mehr noch, Roosevelt machte äußerst riskant. Er hatte keine Zeit, die
Später sagte Oppenheimer: "Wir haben i ihn bei Geheimoperationen auf dem Ursache von Earles Fahnenflucht zu
für den Teufe! gearbeitet." Er lehnte die Balkan zu seinem Vertrauensmann. Mit klären — Nachforschungen konnten zu
Beteiligung an der Entwicklung der Earle hatte der Präsident wieder einmal weit führen. Also antwortete ihm Roose­
H-Bombe ab, we I er mente, sie führe zum einen Mann gewählt, der ganz andere velt selbst und fand dafür die plausible
nukiea'en Wettrüsten. E eener Roosevelt politische Anschauungen als er selbst Form der Mahnung des Offiziers der
äußerte, ge-ade e s Cie McCarthyhysteric vertrat. Seestreitkräfte an den zu Treueid
in den USA m vo 'cm Garge war, in einem Earles Vorgehen in der Türkei lief der Kriegszeiten. Roosevelts Brief war mit
spezielle'. Schreiben an Oppenheimer die Politik Roosevelts diametral zuwider. Als dem 24. März 1945 datiert. Er lautete so:
Überzeugung, daß er richtig gehandelt Kommunistenhasser tat Earle alles, um die "Lieber George,
hatte. Dan.it zc.gte s e, worin Oppenhei­ Antihitlerkoalition zu unterminieren. Er Ihren Brief vom 21. März an meine
mers mutige Tat mit der Entscheidung nahm zum deutschen Botschafter in Tochter Anna habe ich gelesen und zu
uberemstimrr.te, über d e Präsident Ankara, von Papen, und sogar zum Chef meiner Besorgnis von Ihrer Absicht
Roosevelt irr. Marz und Anfang April der Abwehr, Canaris, der eine geheime erfahren, eine abfällge Meinung über
1945 r.arl.sat r. Ebenso lar.n es kein purer Abmachung gegen die UdSSR im Schilde einen unserer Verbündeten gerade jetzt
Zufallgewesen se.n, daß der in den führte, Geheimverbindungen auf. zu veröffentlichen, wo eine derartige
Ruhestand getre'r e t • c_.i ster Stim- Dieser Earle nun teilte dem Präsidenten Veröffentlichung meines ehemaligen Son­
son genau < in Jat.r > ach se.r.er letzten vor dessen Abreise nach Warm Springs derabgesandten den militärischen Bemü­
ZusnmriK nt ui.lt r...t Roosevelt in der seine Absicht mit, eine Beitragsfolge hungen nicht wiedergutzumachenden
damals vielgelescr.en Ze tschr ft ' Har­ gegen die Zusammenarbeit mit der UdSSR Schaden zufügen kann. Wie Sie schreiben,
per V schrieb in die Presse zu lancieren. Die Tatsache, haben Sie wichtige Stellungen bekleidet,
"Wir dürfen uns ' icht verspäten. Die daß Earle mit dem Präsidenten und in denen Ihnen das Vertrauen Ihrer
giftige Saat von früher ist sehr zählebig anderen hohen Regierungsbeamten be- Regierung gehörte. Es wäre schwerster
und durch oberflächliches Jäten nicht Verrat, auf einem solchen Regie-
auszurotten. Im Besitz des Atornbomben- rungsposfen erhaltene Informationen
monopols sind d.e USA zumindest jetzt in ohne Erlaubnis der Führung zu veröf­
der Welt führend. Der Allem besitz ist aber fentlichen. Sie schreiben, daß Sie diese
bestimmt vorübergehend. Unser Land «Urea 24, 1945.
Informationen publik machen werden,
muß das erkennen und unverzüglich falls Sie meine Ablehnung nicht bis zum
handeln. Es muß die Initiative ergreifen Cecri», 28. März bekämen. Ich erkläre Ihnen, daß
und den anderen Ländern im S.nne vollen I Lava real yojr Xattar cf March
ich eine derartige Publikation nicht nur für
21(1 ta «/ tla-jilcj* Acr-a 1 har» colaS «Ith
Vertrauens und in dem Wunsch die Hand wcctro y--r plac tj p-lllcK» ycur uefarcratla unzulässig halte, sondern Ihnen aus­
cploloa cf oca cf cat alllcs al ILa v»ry Uxa
reichen, ein allseitiges Zusammenwirken auch • publieatlea frea a fcr*«r calsaary
drücklich verbiete, beliebige Informatio­
cf alfcLt da Irreparable barw to cur »ar
bei der Lösung des Problems zu erzielen." effcrl. Aa y» »ay, ycj tava bald la-srlant nen zu veröffentlichen oder öffentlich eine
pcciticca cf trual ueder ycur CortnaMt. To
Stimsons Aufforderung blieb leider unge­ fMbllato Ixfcraatlaa cblalr.ed la Uxsa pcsitlcaa Meinung über unseren Verbündeten zu
«llbcul prepar ajtbcrity aculd ba all Ua priltr
hört. balrayal. Ysj »ay ycj will publlah ualeaa ycu äußern, die auf Angaben beruhen, die Sie
are befare aarch 28 Ib X do npt wlab
you lo da co. X cat esly da cat alsiTcuC 1 als Angehöriger der Seestreifkräfte des
• paclfically fortId y-.j Lo p-Lllah an/ Ir.fcrcatlca
er cpUilca abCA.1 er. ally trat ycu asy have Landes bekommen haben."
ac^-Lred «blla Ut cfflc» er In Ua aarvlca cf
Iba Lailei ftataa bavy. Earle antwortete am 26. März: "Ihr Brief
Der Fall Earle Io ric« of yc-jr nah for ccatixucd vom 24. März habe ich erhalten. Ich
actlrw »trrlct, X (ball exttclra« M-.y prerlcu
McdaraUxdlc« thal ym- «re servier aj ar. «alaaary gehorche jedem Buchstaben Ihres Befehls
Roosevelt setzte die Abreise nach of alaa *r-I X »hall diract tLa tlary Dapartcar.t u>
als Oberbefehlshabers der Streitkräfte der
ccallsoa yc-r eaployaccl •barerer tbcy can
Warm Springs für den 29. März an. Als er uaa cf yaur aerricea.
USA." Es folgte ein Schwall von Treuebe­
sich dazu entschloß, um wenigstens kurze X aa »erry that preasare cf
j rcrcr.lad *a frv« ae«ln< ycu ca aoaday. X zeigungen und Klagen, unverstanden zu
Zeit der Zone "erhöhter politischer dd aossclaucb aad X hepa that Ilse arX <
sein. Der Fall schien erledigt. Die
Aktivität" entrückt zu sein, nahm er an, Spannung aber hielt an. Robert Sherwood,
daß in den nächsten beiden Wochen eine der gerade aus General MacArthurs Stab
/■/ FPJLLJXU B. XXJEVTLT.
Abkühlung eintreten werde. Danach kam zurück war, besuchte Roosevelt. Sher­
t« H. L*rl«, U.C.I.X.,
das wichtigste Ereignis, der Sieg in Tt. ri?; wood erzählte, dort seien fast alle mitsamt
Bblladclp; P*.
Europa, mit dem viele akute Fragen dem Befehlshaber der Ansicht, daß die
automatisch fortfielen — Fragen, aus de­ Politik des Weißen Hauses von den
nen die Opposition gegen Roosevelt "Kommunisten und britischen Imperia­
Kapital schlagen wollte. Die Hoffnung, daß Roosevelts Schreiben an Earle listen" beeinflußt sei. Die gleichzeitigen
sich der Präsident etwas entspannen und Angriffe Earles auf das Abkommen von
imstande sein werde, sich vor allem auf Jalta und derartige Äußerungen der
die außen- und innenpolitischen Schlüs­ Rechtspresse der USA und Großbritan­
selfragen zu konzentrieren, traf aber nicht freundet war, machte die Situation nicht niens verstärkten das Gefühl, daß eine
ein. Gewisse Leute wollten seine Abwe­ bloß heikel, sondern äußerst gefährlich. Krise im Anzug war.
senheit in Washington und die Pause in Seine Auslassungen über "versäumte Wie von unsichtbarer Hand gelenkt,
seinen Kontakten zur Presse benutzen, um Chancen" auf einen Separatfrieden der erfolgten Schlag auf Schlag Angriffe auf
einen Tumult zu stiften, etwa wie zwei westlichen Alliierten mit Deutschland und Roosevelt: Earles Provokation, Churchills
Jahre vorher William Bullitt, als er auf eine "Rettung" der Länder Osteuropas Versuche, eine Revision der Beschlüsse
Vorbereitungen zu einem Krieg gegen konnten bei gewissen Schichten der USA von Jalta zur Polenfrage durchzusetzen
die UdSSR forderte. Dieses Mal spielte neuerliche Feindseligkeiten gegen die (die Roosevelt eine realistische
George Earle die Relle des Unruhestifters, UdSSR auslösen. Außerdem waren sie Grundlage zu bieten schienen) und die
em Funktionär der Demokratischen Partei, dazu angetan, das Ansehen der Regie­ Angriffe der Hearst-, Patterson- und
der drei Jahre den US-Geheimdienst in rung bei der demokratischen Weltöf­ McCormick-Presse.
der Türkei geleitet hafte. fentlichkeit zu erschüttern. Der heißeste Konfliktherd war aber
Ear'.e war em alter Bekannter Roose­ Wichtige Verhandlungen und wohl der "Berner Zwischenfall", von dem
velts, ehemaliger Gouverneur von höchstwahrscheinlich auch ein neues im weiteren die Rede sein soll.
Pennsylvania und schwerreich. Er hatte Treffen der großen Drei standen bevor. Zu
Roosevelt m W’ahlkampf viel gcho'fen diesem Treffen unter Begleitung der durch
Earles "Bekenntnis" ausgelösten Disso- (Schluß folgt)
und bekam die vielbegehrten diploma-

24 "NEUE ZEIT” 15.87


VR CHINA

Ertaftainuiinigeim ner Hafen seiner Bestimmung übergeben.


Er kann Überseeschiffe mit großer Wasser­
verdrängung aufnehmen. Alles innerhalb
von sieben Jahren.

smus SheimzJheini Fernab im grauen Nebel sind die


Wolkenkratzer des bislang kolonialen
Xianggang zu erkennen. Nach der Wie­
dervereinigung mit China 1997 soll die
Stadt mit Shenzhen zusammengelegf
Wie in China die Politik der Wirtschaftsbelebung werden. Hier wird der Investbau. mit
und erweiterter Auslandsverbindun­ eigenen Mitteln der Sonderzone,
gen verwirklicht wird Bankdarlehen und Auslandskapital finan­
ziert. Der Anteil der staatlichen Zuschüsse
ist unbedeutend. Als Unternehmer figurie­
ren über 100 Baufirmen aus allen neun
Provinzen der VR China und aus
Michail JAKOWLEW
Xianggang. Die Industriebetriebe werden
überwiegend mit Geld aus dem Ausland
Die besondere Wirtschaftszone Junger Straßenbauarbeiter hochgezogen.
Shenzhen in der Provinz Guangdong an Man will vorwiegend exportorientierte
der Küste des Chinesischen Meeres wird Industriezweige fördern. Anfangs hatte
oft "Staat im Staate" genannt. Die gesamte man vor, die gesamte Produktion der
Festlandsgrenze entlang zieht sich näm­ Fabriken und Werke, die mit auslän­
lich ein hoher Drahtzaun beziehungsweise Somit entstand die "Staatspolitik auf lange dischem Kapital gebaut worden sind, auf
eine Steinmauer. Für Ein- und Ausreise Sicht". In einem Interview für die den Außenmarkt zu werfen. In der Praxis
nach oder aus Shenzhen brauchen Chine­ US-Zeitschrift "Atlantic" sagt der amtie­ erwies sich das jedoch aus verschiedenen
sen wie Ausländer eine Sondergenehmi­ rende Generalsekretär des ZK der KP Gründen als nicht durchführbar. Zwei
gung. Chinas und Vorsitzende des Staatsrats Drittel der Produktion werden einstweilen
Im Dezember vergangenen Jahres war Zhao Ziyang, daß die von einigen Leuten noch auf dem Binnenmarkt realisiert.
ich das letzte Mal hier. ohne jeden Grund "Politik der offenen Seit 1979 wurden ungefähr 5000 Ver­
Tür" genannte neue Politik einen träge mit ausländischen Gesellschaften in
"wohlfundierten, langfristigen Kurs der Höhe von 3,8 Md. US-Dollar unter­
VR China darstellt, der das Land erneuern zeichnet. 960 Mio Dollar wurden bereits
“Grundlegendes investiert. Industriebetriebe stellen die
und das Volk zu Wohlstand führen soll.
Langzeötprogramm Wir bleiben nicht beim Erreichten stehen, Hälfte der insgesamt 1200 Wirtschaftsob­
sondern gehen weiter." jekte. 250 wurden bereits in Betrieb
Sobald in letzter Zeit die Wirtschaft des In Südchina gibt es vier wirtschaftliche genommen und erwirtschaften 60 % der
modernen China zur Sprache kommt, wird Sonderzonen: Shenzhen, Zhuhai, Shantou, Exportproduktion der Sonderzone. Ihre
Shenzhen genau so oft erwähnt, wie etwa in der Provinz Guangdong und Xiamen Bruttoproduktion betrug im vergangenen
Peking, Shanghai oder eine beliebige in der Provinz Fujian. Sie sind mit Son­ Jahr 2,3 Md. Yuan (622 Mio Dollar), das
andere chinesische Großstadt. Warum dervollmachten für die Entwicklung der sind 65 % der Gesamtproduktion der
gelangte die noch bis vor sieben Jahren Außenwirtschaftsbeziehungen ausgestat­ Sonderzone.
wenig bekannte Kreisstadt Baoan, das tet. Ich erwähnte bereits lebhaftere
heutige Shenzhen, zu einem derartigen ausländische Kapitalinvestitionen in die
Ansehen und wurde zum Wallfahrtsort für chinesische Wirtschaft, die Einführung Test, Kontrolle,
Geschäftsleute, Journalisten und Tou­ moderner Technologie und neuer Lei- Auswertung
risten? Zweifellos hängt das mit ihrer fungsmethoden. Die aktivsten Investoren
heutigen Funktion im Wirtschaftsleben der der Anfangsetappe waren reiche Aus­ Ein einheitliches Leitungssystem für die
VR China zusammen. landschinesen aus Xianggang (Hongkong) Industrie gibt es in Shenzhen nicht. In den
Das 3. ZK-Plenum der KP Chinas in der und Aomen (Macao). Shenzhen ist mit staatlichen Betrieben gelten die Gesetze
11. Legislaturperiode vom Dezember 327,5 Quadratkilometern die größte und und Verordnungen der VR China. In den
1978 hat bekanntlich eine neue entwicklungsfreudigste wirtschaftliche ausschließlich mit Auslandskapital finan­
Wirtschaftspolitik für die Volksrepublik Sonderzone. Sie grenzt direkt an zierten Betrieben wird die Ordnung der
China erarbeitet. Damit sollte die Xianggang. Kreditorenländer eingeführt, wobei der
Volkswirtschaft aus der Stagnation befreit ...Per Schneilift gelangen wir auf die Unternehmer die Gesetze der VR China
werden, in der sie nach "Großem Sprung" Aussichtsplattform auf dem Dach des zu beachten hat. Hier ist die chinesische
und "Kulturrevolution" versackt war. Für 52stöckigen internationalen Han­ Seite nicht in d6r Unternehmensleitung
die Lösung dieser Aufgaben war nicht delszentrums. 1985 sah ich noch, wie es vertreten. In den gemischten Betrieben
genug Geld da. Man beschloß, die gebaut wurde. Heute ist das Zentrum gibt es eine gemeinsame Leitung unter
Wirtschaftsbeziehungen zu den Industrie­ bereits in Betrieb. Von oben ein atembe­ chinesischem Vorsitz. .Der Proporz der
ländern des Westens und zu Japan raubendes Panorama: Autobahnen, wo Leitungsmitglieder hängt vom Kapitalan­
auszubauen, um über sie an das notwen­ früher Felder waren, mehrstöckige teil jeder Seite ab.
dige Kapital und die moderne Technik Wohnhäuser, Verwaltungsgebäude und Der Gesamtchinesische Journalistenver-
heranzukommen. Chinesische Ökonomen Industriekomplexe. Eine neue und schöne band hatte uns sowjetische Journalisten
begründen die Notwendigkeit auslän­ moderne Stadt. Die in der Sonderzone eingeladen. In Shenzhen empfing uns
discher Kapitalinvestitionen mit dem emp­ gebauten Wohnhäuser, Büros und Be­ Bürgermeister Li Hao. Wir fragten ihn, ob
findlichen Mangel an eigenen Finanzen triebe machen 9 Mio Quadratmeter sich die Hoffnungen erfüllt hätten, die man
bei gleichzeitigem Arbeitskräfte­ umbauten Raums aus. Im In­ anfangs auf die wirtschaftlichen Sonderzo­
überschuß und reichen Bodenschätzen. dustrieabschnitt Shekou wird ein moder- nen gesetzt hatte.
"NEUE ZEIT" 15.87 25
"lr> den letzten sechs Jahren haben wir Produktion ließen nicht lange auf sich rium der VR China. In modernen Super­
mit Hilfe ausländischen Kapitals viel warten. märkten liegt ein breites Sortiment an
gebaut, wie Sie sehen, Straßen und Industriewaren und Lebensmitteln aus,
Kemmer •<_ .ci ssyster-.e. Wir haben meh­ 1986 beschloß die Volksregierung von die man für US-, Honkong-Dollar und Yuan
rere ui sercr ursprünglichen Ziele er­ Shenzhen, innerhalb der nächsten 2 bis kaufen kann. Importwaren werden vor­
reicht. Wir stellen uns jetzt eine neue 3 Jahre vorübergehend auf den Bau von wiegend gegen US- und Honkong-Dollar
Aufgabe Entwicklung von Industne- Cafes, Hefeis, Hochhäusern und anderen abgegeben.
zwe gc r ' Spitzcr.technologie, damit Objekten des unproduktiven Sektors zu Man kann wohl sagen, daß in Shenzhen
neue Bi riebe c.nc Produktion aus­ verzichten und die Arbeit auf 72 ent­ ein künstlich hoher Lebensstandard ge­
stoßen o «. i erster L r, e für den Export sprechenden Baustellen ruhen zu lassen. schaffen wird. Für die Arbeiter und
g c- . .'.':r stencen schon früher vor Die materiellen Ressourcen wurden auf Angestellten der Sonderzone baut man
derselbe. A .‘gäbe, ■■■ r haben sie alter­ die wichtigsten Industrieneubauten, auf komfortable Wohnhäuser, ihnen werden
et ■ r. A n < c et 'C‘ Schu’tcr genommen. Transport- und Energiewesen kon­ Vorteile im Transport- und Dienst­
c' ne her. Wir zentriert. Sofort machte sich ein spürbarer leistungswesen und bei der Rentenver­
< .ec' c:rtt!.i.',cr .n Qualitätsschub im Montagebau be­ sorgung eingeräumt. Der Durchschnitts­
A i.griff." merkbar. Seitdem konnten 153 Industrie­ lohn für Arbeiter und Angestellte be­
:■ '.f.i ..(l < i. ubc-w.cgcn bislang noch betriebe schlüsselfertig übergeben wer­ trägt monatlich 240 Yuan, das sind 2,5
■ rarbeitende Industrie. den. Davon wurden 85 mit Fremdkapital bis 3mal soviel wie im restlichen China.
"Armut und Elend in Shenzhen gehören
der Vergangenheit an", sagte mir He
Yunhua, Leiter der Presseagentur Xinhua,
Abteilung Shenzhen, "die einheimische
W' Bevölkerung versuchte früher, nach Hon­
kong auszuwandern, um ihre Existenz zu
sichern. Heute wandert niemand mehr
aus."
Shenzhen und andere wirtschaftliche
Sonderzonen haben Pilotfunktion für die
Politik der wirtschaftlichen Belebung und
erweiterter Kontakte mit der Außenwelt.
Sie sind eine Art Prüfstand für neue Ideen
und politische Richtlinien für außen­
wirtschaftliche Aktivitäten. In diesen
Sonderzonen sucht man nach optimalen
Formen für die Anlage von Auslandskapi­
talund den Import zukunftsorientierter
Technologie und Technik. Hier werden
neue Leitungsmethoden erprobt.
Ein Ziel der wirtschaftlichen Sonderzo­
Hier werden Spielsachen für Kinder in den USA montiert.
nen liegt darin, Erfahrungen für die
Aus: „National Geographie" (USA) Weiterverwendung im Landesinnern zu
sammeln. Was aus dem Ausland übernom­
men werden soll, wird in den Sonderzo­
nen getestet, überarbeitet und verallge­
Westliche, besonders aber japanische gebaut. Ein Rekordstand in der Ge­
meinert. Um erst danach von anderen
Firmen wachen eifersüchtig über ihre schichte Shenzhens.
Provinzen übernommen zu werden.
technologischen Errungenschaften, denn Die bescheideneren Ausmaße im In­
Die chinesische Führung schätzt die
sie furchten die chinesische Konkurrenz. vestbau, schreibt "Renmin ribao" weiter, Erfahrungen der wirtschaftlichen Sonder­
Kapitalistische Unternehmer wollen zu­ machten es möglich, zusätzliches zirkulie­
zonen im wesentlichen positiv ein. Man
nächst einmal von der billigen Arbeitskraft rendes Kapital für die Industrieproduktion beabsichtigt ihren Wirkungsradius zu
profitieren und den chinesischen Markt zu ermitteln. Im Vergleich zum Vorjahr
erweitern. In der Wirtschaftszone
erschließen, sagt mir Zou Erkang, verant­ stieg es um fast 300 Mio Yuan. Gleichzei­
Shenzhen sollen beispielsweise bis zum
wortlicher Mitarbeiter der Stadtverwal­ tig gründete man ein "Zentrum für
Jahr 2000 Auslandsinvestitionen im Wert
tung Sie versuchen die Unternehmen der Devisendistribution". Es hat über 50 von 7 Md. US-Dollar getätigt werden.
wirtschaftlichen Sonderzonen umzudre­ Mio Dollar an die Unternehmen verteilt.
hen und auf den Binnenmarkt zu orientie­ Der Gesamtumfang der Industrieproduk­
ren. tion betrug 1986 nach Angaben der
Ein effektiv begrenzter Investbau und Zeitung 3,5 Md. Yuan, 31,1 % mehr als Aus der Küstenzone
eine allseitig ausgeglichene Struktur der 1985. Der Exportgesamtumfang erreichte
670 Mio Dollar und ist damit 19 % höher
ins Reich der Mitte
ausländischen Investitionen stellen die
Hauptlaktoren eines "stabilen und harmo­ als 1985. Die Haushaltseinnahmen stiegen 1984 wurden 14 Küstenstädte und die
nischen" Wirtschaftswachstums 1986 in um 15 % im Vergleich zu 1985 und die Insel Hainan für Auslandskapital geöffnet.
Shenzhen dar, schreibt die ‘ Renmin Unternehmensprofite um das 2,6 fache. Daneben erhielten auch Regionen im
nbao". Obwohl die Kapitaleinlagen im Das Leben in Shenzhen ist mit dem Landesinneren das Recht, sich um Aus­
Vergleich zu 1985 um fast 1 Md. Yuan Leben in anderen Provinzen Chinas nicht landskapital zu bewerben. Der stellvertre­
zurückgmgcn, sei im vergangenen Jahr in zu vergleichen. Bis zur Gründung der tende Vorsitzende des Ständigen Komi­
Shenzhen em beachtlicher Zuwachs bei Sonderzone lebten hier insgesamt 20 000 tees des Nationalen Volkskongresses
der Bruftoir.dustricproduktion, beim Menschen, jetzt sind es über 400 000. In Peng Chong sagte im Gespräch mit
Außenhandelsumsatz, bei Haushaltsein- anderen Provinzen der VR China ange­ sowjetischen Journalisten, daß jetzt die für
künften und bei Einnahmen eus dem worbene Arbeiter und Angestellte mit die Außenwelt geöffnete Wirtschaftszone
Fremdenverkehr zu verzeichnen, schreibt Zeitverträgen machen etwa die Hälfte aus. recht weiträumig gefaßt sei. Sie umfaßt die
die Zeitung. Ein Ergebnis dessen, daß man In der Sonderzone gelten eigene Bestim­ Provinz Shandong im Norden, erstreckt
den Investbau rechtzeitig zurcchfgestutzt mungen und Gesetze. Dabei ist die Macht sich dann weiter nach Süden am
hatte. Die pes 1 ven Auswirkungen auf die dieselbe, wie auf dem gesamten Terrifo- Küstenstreifen entlang, schließt die Stadt

26 "NEUE ZEIT" 15.87


Shanghai, die Provinz Guangdong, das des beiderseitigen Vorteils streng be­ in der Entwicklung der VR China zu
autonome Gebiet Guangxi-Zhuang und ändern und sie auf die kapitalistische-
achtet wird. Die chinesische Seite, heißt
die Provinzen Fujian, Zhejiang, Jiangxi es, schaffe optimale Vorzugsbedingungen Schiene umzuleiten.
und Jiangsu ein. Staatsratsmitglied Gu Mu, für ausländische Investoren.
Es gibt Belege dafür, daß die USA und.
verantwortlich für Außenbeziehungen,
Peng Chong meint beispielsweise, daß ihre Verbündeten darauf spekulieren, in,
definierte die Grenzen dieser Politik in
"wenn nur wir den Vorteil abschöpfen, der VR China eine soziale Schicht zu
einem Interview für "Jingji ribao": "die
schwerlich jemand mit seinem Kapital zu züchten, die im Sinne der westlichen, der
wirtschaftlichen Sonderzonen, die offenen
Küstenstädte, die offenen Wirtschaftsre­ uns kommen wird. Für ausländische US-amerikanischen Lebensweise erzogen,
Unternehmer erhebenwirbiszu 15 % Ein­ ist. Immerhin studiert die Hälfte aller 30
gionen an der Küste und die inneren
kommenssteuer, während sie sonst bei 000 chinesischen Studenten im Ausland in
Regionen".
Nach 1980 setzte in der VR China der 50 % liegt". den USA.
Investment-Boom aus dem Ausland ein.
Gleichzeitig wird in den Hauptstädten Der Sender "Stimme Amerikas" hatte
Bis Ende Oktober 1986, sagt Gu Mu,
mehrerer kapitalistischer Industrieländer, sich in seinen chinesischen Sendungen mit
hätten die Auslandsinvestitionen (ohne
vor allem in Washington, lauf darüber den Studentendemonstrationen in mehre­
Kredite) 5,9 Md. Dollar erreicht. Für 7300
nachgedacht, wie die gegenwärtige ren Städten Chinas solidarisiert. Wie die
Objekte wurden Verträge abgeschlossen.
Wirtschaftspolitik der VR China für poli­ Agentur Xinhua meldete, habe die
Ein Drittel davon ist in Betrieb, 80%
tische und ideologische Einflußnahme "Stimme Amerikas" in einer solchen
liegen in den Küstenprovinzen und
nutzbar gemacht und wie mit Hilfe des Sendung die Hoffnung geäußert, "daß die
-Städten. Gu Mu machte auch auf die
investierten Kapitals die sozialökono­ chinesischen Studenten nicht den Mut
beachtlichen Erfolge in der ökonomischen
mischen Prozesse in China gesteuert verlieren", daß ihre Demonstrationen bei
Entwicklung der 14 offenen Küstensfädte
werden können. "Dissidenten der ganzen Welt tiefe
aufmerksam, in denen mit Hilfe von
Genugtuung hervorrufen". "Mit welchem
Auslands-Ausrüst ungen, -Technologie Bekanntlich informierte auch die Presse
Ziel zieht die 'Stimme Amerikas' solche
und -kapital über 4000 Objekte renoviert der VR China in letzter Zeit recht
Sendungen ab?" wurde in einer Xinhua-
werden konnten. Eine derartige Umstruk­ ausführlich über bürgerliche Ideologie,
Mitteilung gefragt. "Wir müssen uns doch
turierung wichtiger Betriebe, wie etwa in „bürgerliche Liberalisierung", die in die
zu diesen Fragen etwas einfallen lassen."
Tianjin, ermöglichte, über 100 Warenty­ chinesische Gesellschaft eingedrungen
pen für den Export zu produzieren oder, sei. Wie "Renmin ribao" berichtete, Amtliche Funktionäre betonen, daß sie
wie etwa in Nantong, den Anteil der Ex­ hätten Mitarbeiter aus dem ideologischen den Einfluß fremder Ideologie, Fremdein­
portproduktion zu erhöhen. und Kulturbereich sich der Reform be­ wirkung auf die chinesische Gesellschaft
Die Investition von Auslandskapital in dient, um mit Ansichten aufzuwarten, die mitnichten unterschätzen. Die Geschicke
die chinesische Wirtschaft findet auf sich nicht mit den Grundprinzipien des der in der VR China realisierten
zweifache Art statt: entweder in eigenen sozialistischen Aufbaus in China vereinba­ Wirtschaftspolitik werden ihrer Auffas­
Auslandsunternehmen oder in gemischten ren ließen. Diese Apologeten "bürger­ sung nach jedoch nicht durch diese
Betrieben mit chinesischem und auslän­ licher Liberalisierung" kämpften für eine negativen Erscheinungen bestimmt.
dischem Kapitalanteil. Die überwiegen­ "undifferenzierte Kopie des Westens"
den Auslandsinvestoren sind bislang noch und versuchen die sozialistische Richtung Peking-Shenzhen-Moskau
viele kleinere Gesellschaften aus Honkong
und Macao. Die entscheidenden Investo­
ren der kapitalistischen Welt stellen die
unzureichend spezifizierte Investitionsge­
setzgebung der VR China in Rechnung
PERSONALIEN
sowie den chronischen Mangel an Ener­
gie, Transportmitteln und hochqualifizier­ 3
ten Arbeitskräften und gehen ent­
sprechend mit Bedacht zu Werke.
China hat Verträge abgeschlossen, nach
denen ausländische Geldmittel in Höhe Der Botschafter der UdSSR in Indonesien
von 25 Md. Dollar in die chinesische
Wirtschaft fließen sollen. Chinesische
SEMJONOW
Wirtschaftsexperten halten dafür, daß
Auslandskapital die Wiederaufnahme der
Bautätigkeit an stillgelegten Objekten Wladimir Michailöwitsch
ebenso wie den Neubau fördert. Die
Einfuhr von Ausrüstungen stimuliert die
technische Umrüstung der Betriebe und
steigert die wirtschaftliche Effektivität und Wladimir Semjonow (geb. am 17. August 1928 in Petrowsk, Gebiet
Arbeitsproduktivität. Saratow), ein Russe, studierte bis 1951 am Moskauer Staatlichen Institut für
internationale Beziehungen beim sowjetischen Außenministerium; Mitglied
Die VR China will moderne Technik und
der KPdSU seit 1953.
Technologie nicht nur importieren, son­
dern Bedingungen schaffen, um sie im
Nach dem Studium war Semjonow im Apparat des Außenministeriums
Land nachzuproduzieren. Li Peng,
tätig; 1954-1959 als Attache und als 3. Sekretär der UdSSR-Botschaft in
stellvertretender Vorsitzender des
Großbritannien. 1959-1962 wieder im Apparat des Außenministeriums;
Sfaatsrats, sagt dazu: "Die Funktionalisie-
1962-1968 1. Botschaftssekretär, dann Botschaftsrat in Kanada. Bis 1972 wie­
rung ausländischer Spitzentechnologie,
der im Ministerium; 1972-1978 Botschaftsrat und Gesandtschaftsrat an der
fortschrittlichen Managements und auslän­
UdSSR-Botschaft in Großbritannien.
discher Kapitalinvestitionen ist eine
wichtige Komponente des sozialistischen 1979-1984 stellvertretender Leiter der 2. Europäischen Abteilung im «
Aufbaus." sowjetischen Außenministerium, 1984-1987 Botschafter der UdSSR in
.Unbeirrt beteuert die chinesische Füh­ Singapur.
rung, daß, obwohl China Auslandskapital
anlockt, das Prinzip der Gleichheit und Wladimir Semjonow hat mehrere staatliche Auszeichnungen.
"NEUE ZEIT" 15.87 27
GUATEMALA

Partei sagt dem Volk offen, daß

Land wir das Land umgestalten und demokrati­


sieren wollen."
Die Armee unterstütze alles in allem
den Demokratisierungsprozeß, betonte
Roberto Carpio. Der zivile Präsident
Cerezo habe die Posten des Verteidi­

des Lächelns? gungsministers, des Generalstabschefs,


des Chefs der militärischen Aufklärung
und der bedeutendsten Standortältesten
mit neuen Leuten besetzt. Die Militärs
seien der wichtigsten Ministerposten
enthoben und vom Staatschef durch
Von unserem Sonderkorrespondenten Zivilisten ersetzt worden. Die meisten
Gouvernements würden jetzt ebenfalls
Wladimir DOLGO 77 von Zivilisten regiert. In einigen großen
Departements aber, darunter in Peten mit
seinen reichen Erdölvorkommen, habe
man die Militärs an der Macht gelassen,
nachdem man sich mit ihnen geeinigt
hatte.
Als Kind habe ch das Euch „Guatema­
las Lächeln“ gelesen. Darin wurde mit
Die Maßnahmen der Regierung im
Wärme über d.e Freundlichkeit der wirtschaftlichen Bereich seien mit einer
chirurgischen Operation vergleichbar:
Guatemalteken geschrieben - der Verfas­
schmerzhaft, aber heilsam. Durch solche
ser will sie damals alle lächeln gesellen
Maßnahmen sei es gelungen, die natio­
haben. „Ist dem auch heute so, nach der
nale Währung Quetzal einigermaßen zu
jahrelangen Herrschaft von Militärdiktatu­
stabilisieren und die Inflation zu bremsen.
ren?" fragte ich mich vor meiner Reise
nach Guatemala. „Die Stadt Guatemala steckt in einer
1954 hatte die CIA in Guatemala einen Krise, der Staat ebenfalls." Einen Artikel
Staatsstreich organisiert und die Regie­ unter diesem Titel las ich in der Zeitung
rung des legitim gewählten Präsidenten „La Hora". In der Hauptstadt leben
Jacobo Arbenz durch ihre Söldner unter
den dortigen /Ailitärs gestürzt. Über das
Land brach die finstere Nacht des
£1
c-->
r rd. 33 Prozent der 9-Millionen-Bevölke-
rung des Landes und sind drei Viertel des
gesamten I ndustrie-und Handels­


Terrors herein. umfangs konzentriert. Trotzdem finden
Die Militärs konnten zwar mit der bei weitem nicht alle Einwohner der
Bevölkerung, nicht aber mit der Wirtschaft Hauptstadt einen Arbeitsplatz: Arbeitslos
fertig werden. Dem Land drohte eine oder Kurzarbeiter sind 45 Prozent der
Wirtschaftskrise. Die Produktion ging zu­ erwerbsfähigen Hauptstädter. Außerdem
rück, die Arbeitslosigkeit nahm zu. Selbst zieht die Stadt ca. 12 000 Familien jährlich
die Bourgeoisie zeigte sich unzufrieden. aus den Dorfgegenden an, wo die
Stimmen wurden laut, die zur Wieder­ Lebensbedingungen noch schlimmer sind.
herstellung einer wenigstens be­ Die Armen machen 73 Prozent der
schrankten Demokratie aufforderfen. Die­ Die Zukunft dieses kleinen Sohnes einer
Landesbevölkerung aus, die Hälfte davon
guatemaltekischen Indianerin hängt da­
sen Stimmen konnte sich auch ein Teil der fristet ein Elendsdasein. Auch das Jahr
von ab, ob das Land die schweren
Militärs nicht verschließen. 1987 verheißt den einfachen Guatemalte­
Probleme aus der Vergangenheit über­
Selbstverständlich wollten sie das ken vorläufig keine Wende zum Besseren.
windet
Staatsruder nicht aus der Hand lassen.
Doch die Lage inner- und außerhalb des Aus: „National Geographie" (USA)
Landes zwang sie, im Dezember 1985 Prä­
Ungelöste Probleme
sidentschafts- und Parlamentswahlen
durchzuführen.
In der zweiten
zweiten Wahlrunde siegte 50 Prozent der Gesamtbevölkerung
Vimcio Cerezo Arevalo von der sind Indianer. 22 ethnischeGruppen
Christlich-Demokratischen Partei Guate­ Regierungsmaßnahmen sprechen verschiedene Sprachen oder
malas. Die Christdemokraten bekamen Dialekte. Die zahlreichsten Stämme sind
51 von 100 Abgeordnetenmandaten. In Roberto Carpio Nicolle, Vizepräsident Quiche, Marne, Cakchiquele und Quekchi.
165 Stadträten wählte man ihre Vertreter Guatemalas, empfing mich im großen Indianer-Gemeinden findet man im gebir­
zu Bürgermeistern. Vmicio Cerezo, der Säulensaal seiner Residenz. gigen Teil des Landes und im Departe­
sein Amt am 14. Januar 1986 anfrat, „Ich meine, daß sich bei uns eine ment Pefen, wo in alten Zeiten die Maya
gewann die Wähler, die der politischen Umwandlung sozialer Strukturen und lebten. Die vorwiegend in der
Gewalt müde waren, durch das Ver­ deren Umwertung vollzieht sowie neue, Landwirtschaft tätigen Indianer werden
sprechen. die Menschenrechte wieder- der Nation gerechte Werte geschaffen schonungslos ausgebeufet. Die Ent­
herzus*e!len, den Dcmokratisicrungspro- werden", sagte der Vizepräsident. „Die­ deckung großer Erdölvorräte bedeutete
zeß einzuleiten, der Wirtschaftskrise Ein­ ser Prozeß begann vor einigen Jahren, für die Einwohner von Pefen eine
halt zu gebieten und, was die Außenpoli­ heute ernten wir die Früchte des neuen wirkliche Heimsuchung: Den Erdölmagna­
tik betrifft, gute Beziehungen „zur ganzen guatemaltekischen Denkens auf allen ten zuliebe wurden sic vertrieben, ihre
W'elt" zu unterhalten. ! Ebenen. Unsere Christlich-Demokratische Dörfer wurden dem Boden gleichgemacht.

28 "NEUE ZEIT" 15.87


Aus Angst vor dem Tod flohen viele schien, daß er sich nur ungern zu diesem die Ausbildung „Freiwilligen
von
von in
Tausende Guatemalteken über die Grenze Thema äußerte. Guatemala, das
das der Politik
weil der
nach Mexiko. „Eine Agrarreform ist weniger eine Neutralität widerspreche.
Während meiner Reise besuchte ich die ökonomische, als vielmehr eine politische Guatemala schlug die Gründung eines
malerische Ortschaft Chichoy. Eine india­ Frage", sagte Roberto Carpio. „Wir mittelamerikanischen Parlaments nach
nische Familie der Quiche unterhält hier suchen viel weiter, suchen nach einem dem Beispiel des Europäischen Parlaments
ein kleines Restaurant und einen Laden für Weg für die Gesamtentwicklung unserer vor. Wie Präsident Cerezo sagte, würde
Reisende. Wie man mir erzählte, kommen Bauernschaft. Deshalb wurden in unsere eine solche Institution zur Festigung des
von weither indianische Frauen - Witwen neue Verfassung viele Artikel im Interesse Friedens beitragen, man würde dort frei
der bei den Massenrepressalien 1982 Er­ der Landbevölkerung aufgenommen. Ein diskutieren, die Situation analysieren und
mordeten. Sie geben im Laden ihre Oberster Entwicklungsrat konstituierte Probleme dieser Region ohne Ein­
Handarbeiten ab, machen Einkäufe und sich. Die entferntesten Dörfer sollen von mischung von außen lösen können. Der
unterhalten sich. Eine Kellnerin des dem Entwicklungsprogramm erfaßt wer­ erste Schritt erfolgte im Mai 1986, als die
Restaurants erzählte mir in einem mühseli­ den. Örtliche Munizipalräte für die Präsidenten mittelamerikanischer Staaten
gen Spanisch, daß hier vor einigen Jahren Entwicklung werden gebildet." in Esquipulas (am Schnittpunkt zwischen
beinahe alle getötet worden waren - die Guatemala, El Salvador und Honduras)
Einwohner galten als Regimegegner. Jetzt zusammentraten. Sie gründeten eine
gehe es hier ganz ruhig zu. Aktive Neutralität Vorbereitungskommission aus Vertretern
dieser Länder. Nikaragua unterstützt die
Nach den Gesprächen mit Guatemalte­
Ana Maria Gonzalez Saenz, Idee eines Regionalparlaments. Aber die
ken und Presseberichten zu urteilen, Kongreßabgeordnete der Nationalen Re­ Gegner einer friedlichen Bereinigung des
haben sich die Wogen der Gewalt volutionären Einheit, Mitglied der Kom­ mittelamerikanischen Konfliktes bereiten
geglättet. Fürs erste hat Präsident Vinicio mission für mittelamerikanische Integra­ auch hier Hindernisse.
Cerezo das Departement für technische tion, äußerte mir gegenüber die Meinung, Ende März stattete Cerezo Managua
Untersuchungen (DIT, die Geheimpo­ daß der wohl einzige Erfolg der Regie­ einen offiziellen Besuch ab. Er verhan­
lizei) aufgelöst, das brutal gegen rung Cerezo im ersten Amtsjahr ihre delte mit Nikaraguas Präsident Ortega.
die unbotmäßige Bevölkerung vorge­ Außenpolitik sei, in erster Linie die Politik Beide Politiker kamen zu dem einmütigen
gangen war. Meldungen zufolge wurden der „aktiven Neutralität" in bezug auf ’ Schluß, daß der Frieden in der Region nur
600 DIT-Agenten verhaftet. Man hat sie mittelamerikanische Probleme. Zugleich bei Respektierung der Völkerrechtsnor­
verhört und entlassen, ohne Anklage ruft ein Kurs Widersprüche in
solcher men möglich sei. Sie billigten Ver­
gegen sie zu erheben. Mehr noch, viele politischen und Geschäftskreisen Guate­ handlungen unter der Schirmherrschaft
von ihnen wurden danach in der Nationa­ malas hervor, da die Interessen der einen der Contadora-Gruppe.
len Polizei eingestellt. vorwiegend in Mittelamerika, die der Welche Eindrücke habe ich in Guate­
Die Öffentlichkeit Guatemalas verlangte anderen in den Beziehungen zu den mala gewonnen? Die finstere Nacht, die
vom Präsidenten eine Untersuchung des USA liegen. jahrelang im Land herrschte, scheint mir zu
„Verschwindens" von über 30 000 Bei seinem Amtsantritt erklärte Präsi­ vergehen, doch geschieht das sehr
Menschen in den Jahren der Militärregi­ dent Cerezo, er wolle Beziehungen „zur langsam. Ebendeshalb lächeln die Guate­
mes und die Militärs, die sich Morde ganzen Welt" unterhalten. malteken noch selten. Noch sind die
haben zuschulde kommen lassen, so wie in Kennzeichnend ist, daß er nicht zuerst in Tränen der Witwen, der Mütter um die
Argentinien vor Gericht zu stellen. Doch die USA, sondern nach Westeuropa kam. ermordeten oder „verschollenen" Männer
die Regierung der Christdemokraten Diplomatische Beziehungen zu Großbri­ und Söhne nicht getrocknet. Die Schuldi­
konnte sich nicht dazu entschließen: tannien wurden wiederaufgenommen. Im
gen sind straflos ausgegangen. Gegen­
Armeekreise sind nach wie vor stark und Februar 1987 kamen in der guatemalte­
wärtig gibt es weniger solche Tragödien,
einflußreich. kischen Hauptstadt EG-Teilnehmer, Mit­ aber politische Gewalt grassiert noch
Zugleich wüten weiterhin bewaffnete glieder der Contadora-Gruppe und Ver­
immer. Der Erzbischof von Guatemala,
Trupps der Rechtskräfte. Immer wieder treter von Staaten Mittelamerikas zu­
Prospero Penados del Barrio, meint, das
berichtet die Presse von Greueltaten aus sammen. Dort wurden Dokumente zur Obel komme daher, daß die meisten
politischen Gründen. Nach Angaben der Unterstützung der Contadora-Gruppe in Guatemalteken in erschreckendem Elend
Polizei wurden in den ersten sieben der friedlichen Beilegung des regionalen leben und daß die Regierung brennenden
Monaten der Regierung Cerezo 400 Konflikts und zur Entwicklung der Wirtschaftsproblemen ungenügend Be­
Personen ermordet oder gelten als „ver­ wirtschaftlichen Zusammenarbeit achtung schenkt.
schollen", darunter auch Mitglieder der EG—Mittelamerika (einschließlich Nikara­ Das Volk protestiert, das Volk streikt
regierenden Christdemokraten... guas) verabschiedet. und kämpft für seine Rechte. Sein Symbol
Guatemala ist ein Agrarland. In der Gegenwärtig ist in Guatemala keine ist der Quetzal, der Vogel der Sel-
Landwirtschaft sind die meisten Menschen offene antinikaraguanische Kampagne zu
vas, der in Unfreiheit eingeht.
beschäftigt, doch gerade sie leiden unter erkennen, dafür sorgen die Behörden. In einigen Gebieten wirken Aufstän-
der ungerechten Verteilung von Boden. Trotzdem agiert auf guatemaltekischem dische, sie haben die Waffen nicht
Die landlosen Bauern müssen sich bei Boden ein Contras-Trupp von der „Union
gestreckt. Zwar sind sie zu einem Dialog
Großgrundbesitzern verdingen. In Guate­ der nikaraguanischen Opposition", der mit den Behörden bereit, dazu braucht es
mala besteht die größte Konzentration von Rechtskräften, darunter einigen Mili­ aber eine demokratische Atmosphäre, und
von Landbesitz unter den Latifundistas tärs, unterstützt wird. Führende Männer sie wird bei weitem nicht von allen
von Lateinamerika. Fünf Prozent der der guatemaltekischen Rechtspartei Natio­
angestrebt. Die höchsten Militärs weisen
Bevölkerung besitzen 80% des Bodens. nale Befreiungsbewegung haben auf einer kategorisch jeden Dialog zurück.
Nichtsdestoweniger ist Agrarreform für Pressekonferenz offen erklärt, sie seien für Damit ein heller Tag die Nacht über
die christdemokratische Regierung tabu. einen „Kreuzzug" gegen Nikaragua und
Guatemala ablöst, damit die angeborene
Statt dessen schlug sie einen „Plan der bereit, 8000 bewaffnete Männer, die auf Freundlichkeit der Guatemalteken
ganzheitlichen Entwicklung" für den einem Stützpunkt ausgebildet werden, zur durchbricht und sie wieder lächeln, muß
Agrarsektor vor. Unterstützung der Kampfoperationen der
noch viel getan werden.
In dem Gespräch mit Vizepräsident Contras zu entsenden. Am Tag darauf
Roberto Carpio fragte ich danach. Mir verbot die Regierung in ihrer Erklärung Guatemala—Managua

"NEUE ZEIT" 1S.87 29


EXPEDITIONEN

A : 3 z.‘a z 1921 meldete die sowjetische


Presse, daß s.rh .-er Kanedie' euf Skiern
zum Hordpc . _'c ac1 ! ha“c.-.. S.e
wo! ‘c; als erste ohne Hundegespanr.e
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mußten u'..k < hrr r vollen Weges über driftendes Eis würden diese Zusammensetzung erklärt sich ein­
Sect.s Ja!.:«; •. '.d verg, • gen Wir sina in wir auf einander angewiesen sein. fach.
Ottawa '.u«i < ■ uCi’C'i Tc efcr.nummer, Larry hat recht. Der Skimarsch über das Bei der „Komsomolskaja Prawda" be­
ruf« i. L« i il. . //.' z.<.'c" ' ach Kanada Nördliche Eismeer von der Sowjetunion steht schon viele Jahre eine ehrenamtliche
g< k ui'iii.i i, u'.. de Er'aubr s der kana- nach Kanada ist ein Weg der Freundschaft Polarexpedition, geleitet von Dmitri
dis I.« i l'i >: / i r g '..r d.e Überquerung und der Zusammenarbeit. Darin sehen wir Schparo. Expeditionsarzt ist M. Malachow.
du. Nördlichen f. . reers auf Skiern von den eigentlichen Sinn des geplanten Ein Stab für die geplante transarktische
dir Kost«' der Sowjetunion über den Marsches. Der moderne Mensch, der von Oberquerung wurde gebildet: W. Snegi­
Nordpol i.i.cl. > .iraua zu gelangen ur.d seinen Vorfahren körperliche Kraft geerbt rjow, Leiter unserer kleinen Delegation
I -i ' ■' ■ ' ‘ ’ .er für d e Expedition hat, der mit dem heutigen Wissen in Kanada, ist stellvertretender Stabschef.
zu find« «.. Vi« . eicht wc'.te auch Laurie gewappnet ist und die neuesten Errun­ A. Tscherkassow, ein ausgewiesener Ka­
selbst «in dc künftigen gemeinsamen genschaften der Wissenschaft und Technik nadakenner, ist Experte und Dolmetscher
Expeditie.n teil nehme".’ in seinen Dienst gestellt hat, kann die der Gruppe.
Dexter flog aus der we.t irr. Norden schrecklichen Naturgewalten des Polar- Die Idee, das Nördliche Eismeer zu
überqueren, entstand am 31. Mai 1979, als
sieben Skiläufer, Mitglieder der Polarex­
pedition der „Komsomolskaja Prawda",
einen beispiellosen 1500 km langen
Marsch von der sowjetischen Küste bis
zum Nordpol durchführten. Der Sieg, der
in einem 76 Tage währenden Kampf
gegen das Treibeis errungen wurde, war
mitreißend. Von der Spitze des Planeten
sahen wir gleichsam die Kontinente, die
das Eismeer umgeben, die Länder mit
ihren nach Norden gerichteten Fassaden:
die UdSSR, Norwegen, Schweden, Island,
Kanada und die USA... Fast die
Hälfte der Längengrade führte zu den
Küsten der Sowjetunion - und ein gutes
Viertel nach Kanada. Zudem war Nord­
amerika „zum Greifen nahe" - nur
750 km entfernt.

1937 war es Valeri Tschkalow, der als


erster aus der UdSSR über den Pol nach
Nordamerika flog. Wir meinten, daß wir
die Kraft haben, Tschkalows Route auf
Skiern zu bewältigen.
Die Jahre danach wurden zu einer Zeit
des Trainings und neuer Erfolge. Der
letzte von ihnen gelang erst unlängst. Am
29. Januar v. J. starteten die elf Teilnehmer
einer Polarexpedition der „Komso­
molskaja Prawda" von der driftenden
sowjetischen Forschungsstation Nordpol
Ottawa. Wir machen uns bekannt. Laurie Zu viert waren wir nach Kanada gereist:
26 aus. Ober dem Treibeis stand die ewige
huii em Russischlehrbuch in der Hand. Die Dr. med. Michail Malachow, Chirurg und
Polarnacht.
Idee begeisterte ihn. Auf einer Pressekon- wissenschaftlicher Assistent an der medi­
Iciunz, die wir für kanadische Journalisten zinischen Hochschule Rjasan; Dr. Arkadi Wir nahmen Kurs auf einen
veranstalten, sagt Laurie, daB der Sport Tscherkassow, Geograph, wis­ Punkt, der als sogenann-
die Menschen einander näherbringt. senschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ter Pol der Unzugänglichkeit
Eishockeyspiele und andere Wettkämpfe die USA und Kanada der AdW der UdSSR, bezeichnet wird. Am 15. Februar er-
seien ein Zeichen der Freundschaft. Doch sowie die Autoren dieses Beitrages - reichten wir ihn. Bis zum Festland - ob
d.-aci kämpften die Menschen gegen­ Wladimir Snegirjow, stellvertretender sowjetischem, kanadischem oder anderem
einander um den Sieg, seien sie Rivalen. Chefredakteur der „Komsomolskaja Praw- Territorium - waren es mindestens 1300
Aul dem 90 Tage langen Marsch vom da", und Dr. Dmitri Schparo, Mathemati­ km. Wir befanden uns im natürlichen
Arktischen Kap in der Inselgruppe Sewer- ker, Dozent des Moskauer Instituts für Zentrum des Nördlichen Polarmeeres.
naja Semlja bis zum Columbia-Kep im Stahl und Stahllegierungen. Arzt, Geo­ Und wir waren die ersten, die diesen
Ellesmereland würden wir keine Rivalen graph, Journalist und Mathematiker - Punkt zu Fuß erreicht hatten. Am 7. März
sein. Alle 1830 Kilometer dieses gefahren- eine ungewöhnliche Delegation. Doch gelangten wir zur Driftstation Nordpol 27.

30 "NEUE ZEIT" 15.87


Jacques Bouffard, Gilbert Rioux und
Bei dem transarktischen Marsch sind britischen Expedition von Wally Herbert, Bouffard,
Claude Duguay zu uns - junge Leute, die
gleichfalls medizinisch-biologische und die 1968—1969 das Nördliche Eismeer mit
1986 als Mitglieder eines fünfköpfigen
glaziologische Forschungen geplant. Das Hundegespannen von Alaska bis Spitzber­
Programm wird sowjetischerseits von gen überquerte. (Roy unterbreitete seine kanadischen Teams den „Pik des Kommu­
Forschungsinstituten unseres Landes fi­ Vorschläge für das gemeinsame glaziolo- nismus" bezwungen hatten.
nanziert. Unseren Schätzungen zufolge gische Programm.) Und schließlich waren Die sowjetische Presse berichtete sei­
werden sich die Ausgaben auf nicht mehr die Autoren dieses Beitrags 1979 drei nerzeit darüber, doch die Namen der
als 200 000 Rubel belaufen. Tage am Nordpol. Alpinisten wurden nicht genannt. Der „Pik
Doch wie soll der Skimarsch UdSSR—Ka­
nada im einzelnen aussehen? Am 1. März
1988 sollen vom Arktischen
Teilnehmer starten: acht bis neun Sowjet­
Kap elf
<f-_90°N 02-
bürger und zwei bis drei Kanadier. Wir
gehen auf Skiern, tragen je 40 kg schwere
Rucksäcke. Sie enthalten Boote, Funkgerä­
te, Akkumulatoren, wissenschaftliche Ge­
räte, warme Kleidung, Nahrungsmittel,
f
7
eine Feldküche, Brennstoff und ein Zelt.
Zwei Funkbojen des internationalen kos-
mischen S e e r e 11 u n g s s y s t e m s
COSPAS—SARSAT werden mitgeführt. Die
eine für den Notfall, die andere für
Navigationszwecke. Täglich wird es
Funkverbindung mit dem Festland geben.
Sie wird über Zwischenpunkte in der
Arktis abgewickelf, wo Funkamateure,
gleichberechtigte Teilnehmer der Expedi­
tion, Dienst tun werden.

Wir gehen zehn bis zwölf Tage, dann


erholen wir uns ein bis zwei Tage. Ein
Flugzeug wirft Fallschirme mit Nah­
rungsmitteln und Benzin ab. Mit den
Fallschirmen decken wir das Zelt ab, und
es wird viel wärmer. Jetzt liegt in dem Am
kaprongeschützten Zelt die Temperatur Nordpol.
bei Null oder sogar darüber.

Den Bedingungen des medizinisch­


Richard Weber und Laurie Dexter sind des Kommunismus" ist natürlich etwas
biologischen Programms zufolge ist die
kanadischerseits Anwärter auf eine Teil­ anderes als der Nordpol, und auf den
Landung eines Flugzeuges auf dem Eis im
nahme an der Expedition... Gedanken, nach den Bezwingern des
Lager ausgeschlossen - die Gruppe hat,
Wir besuchten Toronto, Quebec, Siebentausenders im Pamir zu suchen,
abgesehen von der Funkverbindung,
Montreal und Ottawa. In Ottawa hatten waren wir nicht gekommen. Dafür spürten
keinerlei Kontakte zur Außenwelt...
wir Kontakte mit Regierungskreisen (wir uns diese jungen Leute auf. An jenem Tag
In Kanada fand unser Plan Billigung und
wurden von Sportminister John Jelinek, hatte Gilbert Geburtstag, und, als wir ihm
Unterstützung. Ein hoher Vertreter des
dem Minister für Gesundheitswesen, gratulierten, wünschten wir von Herzen,
kanadischen Außenministeriums, Alan
AJ. Epp, dem Chef der Abteilung auch seinen nächsten Geburtstag gemein­
McLaine, teilte uns das prinzipielle
für internationale Beziehungen sam zu feiern.
Einverständnis der kanadischen Regie­
des Nationalen Forschungsrates, In Montreal - unsere Reise näherte sich
rung zu dem Vorhaben mit. Unser Marsch
John Stone, von Leitern und ihrem Ende - wandten sich viele, die an
wird auf paritätischer Grundlage erfolgen:
Experten des Außenministeriums empfan­ der Expedition teilnehmen wollten, an
Im kanadischen Sektor des Nördlichen
gen). In Ottawa lernten wir Richard und uns, wurden neue wissenschaftliche Kon­
Eismeeres werden kanadische Flugzeuge
Laurie persönlich kennen. In Toronto takte geknüpft, doch das Wichtigste war
die Fallschirme abwerfen (in unserem standen die Begegnungen mit Prof. Roy die Begegnung in der großen Firma
Sektor - sowjetische), kanadische und Shephard von der dortigen Universität im Lavalin, die umfassende und immer
sowjetische Funkamateure schalten sich in Mittelpunkt. Das medizinische Institut, das engere Geschäftsbeziehungen zur UdSSR
den Funkverkehr der Expedition ein, und Prof. Shephard leitet, kann zu einem unterhält. Wir wurden vom Vizepräsiden­
gemeinsame Forschungsprogramme, die Partner der sowjetischen medizinischen ten der Firma, Clement Richard, empfan­
wir in Medizin und Glaziologie erarbei­ Einrichtungen werden, die sich mit dem gen. Die Firma ist bereit, kanadischerseits
ten, werden verwirklicht. medizinisch-biologischen Programm der die Expedition zu sponsern.
...An einem Abend kam eine merkwür­ Expedition befassen. Die nicht einfache Vorbereitung der
dige Gesellschaft in unserem Hotelzimmer Sehr herzlich wurden wir von Torontos Expedition läuft an. Wir erwarten unsere
zusammen: Hans und Richard Weber - Bürgermeister Art Eggleton empfangen, neuen Freunde aus Kanada zu gemeinsa­
Vater und Sohn, Roy und Anna Koerner - wobei auch unser großer Freund, der men Trainingstreffen in der UdSSR. In ■
Mann und Frau, und wir vier. Von diesen Präsident der Gesellschaft Kana­ beiden Ländern werden vorbereitende
acht waren fünf schon am Nordpol da-UdSSR, Michael Lucas, zugegen war. Begegnungen von Wissenschaftlern und
gewesen. Hans Weber, ein kanadischer Vor der Freundschaffsgesellschaft zeigten Funkamateuren stattfinden.
Polarforscher, mit dem Flugzeug. Sein wir den Film „Zum Poll", der dem Marsch Der Marsch durch das Eismeer muß sehr1-
Sohn, der 28jährige Ingenieur Richard, zum Nordpol 1979 gewidmet ist. sorgfältig und geduldig vorbereitet wer­
1986 als Teilnehmer einer amerikanisch­ den. Wir freuen uns, daß er zur Annähe-A
kanadischen Expedition mit Hundege- In Quebec wurden die Konfakte mit
rung zweier Nachbarvölker - des kana­
spännen. Roy Koerner von der Geolo­ Wissenschaftlern fortgesetzt. Doch hier
dischen und des sowjetischen Volkes -
gischen Verwaltung Kanadas gehörte zu geschah etwas Unerwartetes. Aus Matan,
beitragen wird. _
der in der UdSSR wohl bekannten 400 km von Quebec entfernt, kamen

"NEUE ZEIT” IS.87 31


MUSIK
*

Dave Brubeck: bemühe ich mich, verschiedene, zuweilen


kontrastierende Details zu verbinden, ihre
Schwächen zu überspielen."

Jazz-Brücken
"Haben Sie sowjetische Jazzmusiker
gehört?"
"Unlängst hat das Jazztrio Ganelins mit
viel Erfolg in den USA gastiert", sagt
Brubeck. "Interessante Musiker. Andere
kennen wir leider noch nicht. Vielleicht
sollten wir einander öfter besuchen. Im
Moskauer Komponistenhaus habe ich bei
der 'Jamsession', der Abschlußimprovisa­
tion — zusammen mit vorzüglichen Musi­
kern gespielt. Ich möchte wenigstens den
Saxophonisten Igor Butman und den
Gitarristen Alexej Kusnezow nennen. Ich
glaube, es wäre schon Zeit, das Publikum
beider Länder mit möglichst vielen
Interpreten bekannt zu machen."
"Ihr Eindruck von den Sowjetbürgern?"
"Alle, mit denen ich dieser Tage sprach,
äußerten sich engagiert über die Wand­
lungen", sagt Brubeck jun. „Viele sind
der Ansicht, daß es aufgrund der neuen

l
außen- und innenpolitischen Ideen Gor­
batschows möglich ist, die Sachlage und
die Beziehungen in Ihrer Gesellschaft von
Mensch zu Mensch wesentlich zu verän­
dern und die einfachen Menschen zu
aktivieren. Allem Anschein nach hat sich
die Situation auch für die Künstler
verändert. Allerdings klang in Ge­
sprächen manchmal der Gedanke an, daß
ein Musiker in den USA mehr erreichen
könne. Ich kann aus eigener Erfahrung
sagen: Wenn einer aus irgendeinem .
Grunde unbemerkt bleibt und keinen
Erfolg hat, dann leidet er Not. Sie können
sich gar nicht vorstellen, wie schwer es
Künstler haben, die keine großen Engage­
ments bekommen."
Foto: A. Kostin "Glauben Sie, daß sich die Beziehun­
gen zwischen unseren Ländern durch Ihr
Gastspiel besser werden?"
Der letzte Ton war kaum verhallt, da mifsummen, aber das emotionale Timbre "Ja, soweit es sich um die Beziehungen
brach ein Beifallssturm los. So war es an hängt von vielem ab: von Tageserlebnis­ zwischen Menschen handelt", sagt Bru­
allen fünf Abenden im Moskauer Kon­ sen, von der Akustik des Saals und der beck sen. „Unsere Politiker und Massen­ l
zertsaal "Rossija”, als dort das Quartett Stimmung des Musikers. Aber das fünfte medien müßten sich darum wohl mehr als
des amerikanischen Pianisten und Kompo­ und wichtigste Mitglied des Quartetts ist bisher bemühen. Ein Beispiel: Gleich am
nisten Dave Brubeck, eines Gesetzgebers das Publikum." ersten Abend fragte mich ein amerika­
des modernen Jazz, auftrat. "Wie hat das Moskauer Publikum nischer TV-Korrespondent (unser
Seine Musik kannten wir von Schallplat­ reagiert? Anders als die Jazzverehrer bei Gastspiel ist von drei amerikanischen
ten. Viele seiner Stücke sind jedem Ihnen zu Hause?" TV-Gesellschaften aufgenommen wor­
Musiker und jedem Verehrer des Jazz "Großartig!" ruft der Klarinettist Bill den): 'Wie fühlen Sie sich bei Ihrem
vertraut. Für uns wie für viele Brubeck- Smith, ein alter Freund Brubecks, der Auftreten vor dem Feind?' Ich war ganz
Fans in den USA und in der ganzen Welt schon seit 1947 mit ihm konzertiert. "Die betreten und antwortete: ‘Wir waren
ist sein ausdrucksvoller Stil so anziehend. Zuhörer sind ganz Ohr, sie haben ein einmal Verbündete, und nichts hindert uns
Er zeichnet sich durch originelle feines Empfinden für die Nuancen jeder daran, wieder zusammenzuarbeiten. Im
Rhythmen aus, und jeder, dem der Jazz Improvisation. Uns ist es sehr wichtig, zu zweiten Weltkrieg diente ich in der
gleichbedeutend mit Entspannung und spüren, daß wir verstanden werden." US Army und kam in München und
Unterhaltung ist, fühlt sich als Mitschöpfer "Ich staune, wie gut man meine Musik Nürnberg mit sowjetischen Militärs zusam­
dieser Musik einbezogen. hier kennt”, sagt Brubeck. "Das Publikum men."
"Der Jazz hat seine eigene Aus­ hat meistens blitzschnell reagiert. Wenn Ich mußte an die Worte von Brubeck
drucksweise", sagt Brubeck. "Typisch ich improvisiere, füge ich immer soge­ denken, die im Konzertprogramm ab­
dafür sind Improvisationen, mit denen nannte Zitate aus einer bestimmten gedruckt sind: "Der Besuch und das
jeder Musiker seine eigene Art zu Periode der Jazzmusik ein, verflechte Gastspiel in der UdSSR erfüllt mir einen
musizieren am besten zur Geltung brin­ bekannte und weniger bekannte Themen langgehegten Traum. Ihre Musik hat mich
gen kann. Was man einmal gehört hat, aus früheren Jahren, und danach, wie das schon oft eine geistige Verwandtschaft mit
wird sich nie genauso wiederholen. Das Publikum reagiert, kann ich beurteilen, ob dem russischen Volk empfinden lassen."
Thema ist erkennbar, man kann es es mich verstanden hat. Als Interpret Wladimir BOTNIKOW

Anschrift: 103782, GSP, Moskau K-6, Puschkinskaja pl.


Telefon: 229-88-72, 209-07-67

L
Verlag der Zeitung "Trud ’ * Erscheint in russischer, deutscher, englischer, französischer, spanischer, portugiesischer,
italienischer, polnischer und tschechischer Sprache * Gedruckt in der Druckerei "Moskowskafa prawda"
immer wieder schauten
Menschen herein.
Das ist die erste Aus­
stellung der Malerin nach
20 Jahren Arbeit.
Der Menschenstrom
schiebt sich langsam an
der Wand vorbei. Immer
wieder stockt die Bewe­
gung vor einem Gemälde.
Darauf ist die Familie des
sowjetischen Schriftstel­
lers Wassili Schukschin
abgebildet. Jelena Roma­
nowa hatte schon lange
den Wunsch, ihn zu por­ manches erlebt hat, zer­
trätieren, aber als er furcht, große Bauernhän­
schließlich einwilligte, ihr de. Neben ihm seine Frau
zu sitzen, schaffte sie nur und die zweite Tochter,
eine einzige Zeichnung Hinter ihnen sieht man
nach der Natur. Einem Birken, das blau schim-
Schriftsteller und Regis- mernde Wasser eines
seur so gar nicht ähnlich, schmalen Flusses, einen
sitzt im weichen Wiesen­ einsamen alten Glocken-
gras ein resignierter Was- türm, Eine typisch russi-
sili Schukschin, barfuß, sehe Landschaft.
eine Tochter neben sich. Im Gästebuch lesen wir:
Das sich schon lichtende „Jelena Romanowas Wer­
graue Haar nach hinten ke atmen den Duft der
gekämmt, das Gesicht Heimaterde."
eines t ‘~
Menschen, der so A. MAKOWSKI

Im winzigen Arbeits­

Ä
zimmer des Leiters saß
eine schlanke, festlich an­
gezogene Frau und ant­
wortete müde auf endlo­
HJ se Telefonanrufe.
der Ro-
„Ausstellung
)QQ manowa! Ja, kommen
Sie. .. Kusnezki Most...
Ja, r _
morgen haben wir
auch auf. ..
Sie legte auf und seuf­
zte kurz. Ich steckte den
Kopf unentschlossen in die
halboffene Tür:
„Verzeihen Sie, man
sagte mir, daß die Roma­
nowa in der Ausstellung
ist. Könnten Sie mir bitte
sagen, wie sie aussieht?"
Duft der Die Frau lächelte: O Selbstbildnis
mit Pelzmütze
Q Menschen,
rettet den FriedenI
„Die bin ich."
Zu einem richtigen Ge­ O Fenster zum Feld
Heimaterde spräch kam es nicht, denn hinaus
O Stiller Abend in Varna

Fotos: W. Panow

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WETTBEWERB

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Mathew Thomas (Indien)
Nach der Überschwemmung

Kesar Singh (Indien)


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