Sie sind auf Seite 1von 7

Naturwissenschaftliche Fakultät II

Chemie, Physik und Mathematik


Institut für Physik
Korrespondenzzirkel Physik
E-Mail: physikzirkel@physik.uni-halle.de
www.physik.uni-halle.de/physikzirkel

Liebe Physik-Interessierte bzw. -Begeisterte,

Willkommen bei unserem Service für interessierte Schülerinnen und Schüler der Gymnasialstufe, die
sich gerne – trotz oder gerade wegen Corona - über den Schulstoff hinaus mit Physik beschäftigen
wollen und an aktuellen Entwicklungen interessiert sind.

Hier kommt die dritte Aufgabenserie unseres Physikzirkels im Schuljahr 2021/22:

In dieser Runde befassen wir uns mit einem Teufelchen, dem Zukunftsspeicher von Halle
sowie einem Effekt, der sowohl Einstein den Nobelpreis eingebracht hat, als auch als eine
wichtige experimentelle Methode an unserem Institut genutzt wird.

Wir gehen bei den Aufgabenstellungen natürlich etwas auf die Grundlagen ein, trotzdem wird es
notwendig sein, zusätzliche Informationsquellen zu nutzen! Bitte beachten Sie, dass die Aufgaben
NICHT nach Klassenstufen geordnet sind. Der Schwierigkeitsgrad ist mit Plus-Zeichen am rechten
Rand gekennzeichnet (+ = leicht, ++ = mittel, +++ = schwer). Probieren Sie einfach aus, wie weit Sie
kommen, benutzen Sie zusätzliche Informationen und tauschen Sie sich mit anderen, z.B. Ihrem Phy-
siklehrer oder –lehrerin oder mit uns, dazu aus.

Bitte senden Sie die Lösungen (auch unvollständig!) per E-Mail bis zum 27.2.2022 an o.g. Adresse.
Wir kontrollieren und kommentieren die Lösungen und antworten Ihnen persönlich.

Wir laden schon jetzt alle Interessenten zu unserem Studieninfotag im


Mai 2022 an unser Institut ein (live oder wegen Corona virtuell … wir in-
formieren dazu auf unserer Studieninfoseite, siehe unten). Neben aktuel-
len Infos zur Physik, dem Geschehen an unserem Institut und der Mög-
lichkeit, sich mit unseren Studierenden auszutauschen, werden die erfolg-
reichsten/originellsten Einsendungen mit einem Online-Gutschein im
Wert von bis zu 50 Euro ausgezeichnet. Mehr Interesse? Besuchen Sie uns
auf unserer Infoseite https://studieninfo.physik.uni-halle.de.

Viel Spaß mit der Physik!


Prof. Detlef Reichert und das „Physik-Zirkel-Team“

* Im gesamten Text wird - ohne jede Diskriminierungsabsicht - ausschließlich das grammatische Genus verwendet. Damit sind alle Ge-
schlechter mit einbezogen.
AUFGABE 1 – WARMUP: FLASCHENTEUFEL +++

Der Flaschenteufel oder Cartesischer Taucher ist ein nettes Spielzeug: Er befindet sich in einer Fla-
sche, wo er scheinbar nach Belieben sinkt, aufsteigt oder auch tanzt, siehe
https://youtu.be/OM8Typ6- MKQ . Er besteht aus einem oft kunstvoll geformten Hohlgefäß aus Glas,
dessen Öffnung ein „Schwanz“ ist, der um den „Bauch“ gelegt ist.

https://onlineshop.farbglashuette-lauscha.de/verfuehrungskunst-und-designer/flaschenteufel---wassertaenzer---cartesischer-taucher

Frage:

(A) Wieso sinkt er manchmal herunter und steigt manchmal auf?


(B) Und, tja, wieso dreht er sich manchmal um seine Längsachse („tanzt“)?

Nun können Sie natürlich gleich zu Dr. Google gehen und dort die Erklärung finden, aber versuchen
Sie es doch erstmal selbst!

Und wer ein paar Hinweise braucht, hier kommen die wirklich wichtigen:

• Er ist fast vollständig mit Wasser gefüllt, hat also eine Luftblase „im Kopf“.
• Es befindet sich in einer mit Wasser gefüllten Glasflasche (die mit einem Gummistöpsel ver-
schlossen ist) oder einer Plasteflasche (die man leicht zusammendrücken kann).
• Und natürlich geht es um den Auftrieb und bei der zweiten Frage auch um den Impulserhal-
tungssatz und den Drehimpuls.
AUFGABE 2 – WÄRMESPEICHER +++

Das örtliche Energieversorgungsunter-


nehmen EVH in Halle hat kürzlich einen
beeindruckenden Energiespeicher in
Betrieb genommen. Er speichert Wär-
meenergie in Form von heißem Wasser
für Heizzwecke, siehe
https://youtu.be/Nf6JqpPyNCM (neben
vielen Werbebotschaften enthält das
Video auch einige nützliche Informatio-
nen). Wenn z.B. Windräder und Solar-
zellen Energie produzieren, diese mo-
mentan aber nicht abgenommen wer-
den kann, kann diese einfach in Wär-
meenergie umgewandelt, d.h. „kaltes“
Waser erwärmt werden. Dieses wird
dann bei Bedarf zur Warmwasserver-
sorgung eingesetzt.

Hier einige der veröffentlichten technischen Daten des „Zukunftsspeichers“:

(1) Höhe 45 m, Durchmesser 40 m, nutzbares Speichervolumen 50.000 m3.


(2) Temperatur warmes ↔ kaltes Wasser: 98 ↔ 60 °C.
(3) Energie-Speicherkapazität 2.000 MWh, Leistung 70 MW, kann Halle zwei Tage mit Wärme
versorgen.
(4) Energieverlust 0,1 % pro Tag.

Das sind sicher beeindruckende Zahlen, die uns aber erstmal wenig sagen. Also versuchen wir es mit
Beispielen (und rechnen auch mal ein bisschen nach):

(A) Die Daten in (1): Wieviel Prozent des Außenvolumens (die schöne bunte Hülle) nimmt der
Wasserbehälter ein? Wozu dient wohl das „tote Volumen“ zwischen Behälter und Hülle?
(B) Mit den Daten in (1) und (2) kann man die Speicherkapazität in (3) nachrechnen. Stimmt
diese? Man benötigt zur Lösung noch die spezifische Wärmekapazität von Wasser, die man
leicht im WWW findet.
(C) Halle hat ca. 240.000 Einwohner, d.h. ca. 80.000 Haushalte. Mit den Daten aus (3): Wie
hoch ist die durchschnittliche Wärmeenergierechnung eines Haushaltes, wenn wir anneh-
men, dass Wärmeenergie ca. 0,08 EUR pro kWh kostet?
(D) Zu (3): Wie lange dauert die „Leerung“ des Speichers theoretisch?
(E) Die Daten aus (4): Wie lange würde es ohne Energiezufuhr dauern, bis der Speicher die
Hälfte der gespeicherten Energie verloren hat? Die Zeitabhängigkeit kann man in sehr guter
Näherung mit einer Exponentialfunktion E(𝑡𝑡) = E(0) ⋅ 𝑒𝑒 −𝑘𝑘⋅𝑡𝑡 beschreiben, wobei E(0) die ge-
speicherte Energie zum Zeitpunkt der letzten „Aufladung“, E(t) die zu einem Zeitpunkt t da-
nach und k eine Konstante ist, die die Güte der Isolierung („Verlust pro Zeit“) beschreibt
(großes k bedeutet eine schlechte Isolierung).
(F) Wieso wird die Wärmeenergie bei Bedarf nicht einfach wieder in elektrische Energie um-
gewandelt werden? Kleiner Tipp: dazu muss man sich über Wärmekraftmaschinen und ihren
Wirkungsgrad informieren.
AUFGABE 3 – PHOTONIK +++
Im Physikunterricht werden oft einfache Bewegungen (z.B. freier Fall) betrachtet. Wir wollen es ein
bisschen interessanter machen und untersuchen die Bewegung eines Teilchens der Masse m auf
einer Spiralbahn/Schraubenlinie. Und wir machen damit ein bisschen grundlegende Physik (Mecha-
nik).

(A) Zeigen Sie, dass das Teilchen auf der Schraubenbahn die Ortskoordinaten x= R·cos (ωt), y=
R·sin (ωt), z = vz·t hat! Als Tipp stellen Sie sich die Schraubenlinie auf einem Zylindermantel
vor, wobei der Kreiszylinder den Radius R hat und z die jeweilige Höhe über der x-y-Ebene ist.
(B) Wie groß ist der Betrag der Geschwindigkeit in der x-y-Ebene und die Winkelgeschwindig-
keit?
(C) Finden Sie den Betrag der Gesamtgeschwindigkeit! Wie ändert sich der Abstand des Teil-
chens vom Startpunkt auf dem Zylindermantel mit der Zeit? Am Beginn der Untersuchung
zur Zeit t = 0 befindet sich das Objekt an der Stelle x(0) = R, y(0) = 0, z(0) = 0.
(D) Bestimmen Sie die Kraft, die das Teilchen auf der Schraubenlinie hält!

Für Freunde der Vektorrechnung:

(E) Berechnen Sie den Drehimpuls des Objektes! Der Drehimpuls ist das Vektorprodukt aus dem
Ortsvektor mit den Komponenten x, y und z und dem Impuls, der ebenfalls drei Komponen-
ten hat.
(F) Wer noch mehr will, sollte untersuchen, ob der Drehimpuls im betrachten Fall sich zeitlich
ändert oder ob er konstant bleibt wie z.B. bei der Planetenbewegung.

Übrigens:
Der letzte Punkt ist auch ein wichtiger Aspekt in der Forschung, wenn z.B. optische Wirbel
betrachtet werden, die auf Schraubenbahnen gezwungen werden und damit einen Drehim-
puls bekommen:
Unter Beteiligung eines Forschungsteams aus dem Institut für Physik der Martin-Luther-
Universität wurde herausgefunden, dass eine Strukturierung von Licht den Weg für eine neue
Art von Spektroskopie ebnet. Spektroskopie bezeichnet eine Gruppe unterschiedlichster phy-
sikalischer Methoden, die unterschiedlichste Strahlungen nach einer bestimmten Eigenschaft
wie Wellenlänge, Energie, Masse etc. zerlegen. Damit kann man z.B. Elementarteilchen,
Atome oder Moleküle „sehen“, wenn auch nur indirekt z.B. mittels Simulationsrechnungen
Dazu unten noch ein paar Infos … nur um ein Gefühl davon zu bekommen, was wir heutzuta-
ge so in der Physik „treiben“, evtl. werden Ihnen aber noch nicht alle Begriffe geläufig sein.

Die Forschergruppe um Prof. Jamal Berakdar, die die u.g. Arbeiten durchgeführt hat, ist Teil
eines der Forschungscluster unserer Universität http://www.forschungsschwerpunkt-
nanoscience.uni-halle.de/. Dieser bündelt eine Vielzahl von Arbeitsgruppen in drei großen
Gebieten, die sich alle mit dem spannenden Einfluss des ganz Kleinen (nano) auf das ganz
Große (Anwendungen) befassen.
LICHTWIRBEL ERMÖGLICHEN NEUEN BLICK IN DIE QUANTENWELT

Trifft ein optischer Wirbel (rot) auf


ein Material, wird eine schrauben-
artige Materiewelle (blau) emittiert,
wenn es die Eigenschaften der
unterliegenden elektronischen
Struktur erlaubt. Auf dieser Basis
kann eine neue Art von Photo-
elektronenspektroskopie konzipiert
werden.

Die Entwicklung der geometrischen Optik und des optischen Mikroskops ermöglichte einen ersten
Blick auf den Mikrokosmos: So ließen sich Zellen oder biologische Vorgänge beobachten. Um jedoch
Informationen über die Quantenwelt zu erhalten, muss man andere Eigenschaften des Lichtes nut-
zen. Werden z.B. durch Lichtbestrahlung Elektronen aus einem Material herausgeschlagen, so lassen
sich durch Messung der Energie- und Winkelverteilungen dieser (Photo-) Elektronen detaillierte
Rückschlüsse auf die Quantenzustände des Materials ziehen. Diese Photoelektronenspektroskopie ist
heutzutage das Hauptwerkzeug für die Analyse der elektronischen Struktur, die letztendlich das Ver-
halten von Materialien wie elektrische Leitfähigkeit, Magnetismus und chemische Bindungen be-
stimmt. Jedoch sind viele elektronische Zustände optisch dunkel, d.h. sie lassen sich mit einem kon-
ventionellen Photon nicht anregen und somit bleiben wichtige Aspekte der elektronischen Struktur
für die Photoelektronenspektroskopie unzugänglich.

Zusammen mit einem internationalen Forschungsteam fanden Physiker des Physik Instituts der Mar-
tin-Luther-Universität nun heraus, dass eine Strukturierung des Lichts den Weg für eine neue Art von
Spektroskopie ebnet [Nature Photonics 14, 554–558 (2020)]. Dabei wurde ein konventionelles zirku-
lar polarisiertes Laser-Licht mit sogenannten optischen Wirbeln, die sich mit modernen optischen
Methoden erzeugen lassen, kombiniert und auf ein atomares Gas eingestrahlt. Bei einem optischen
Wirbel werden Lichtwellen auf eine Schraubenbahn gezwungen und bekommen einen Drehimpuls.
Wenn diese dann mit Materie interagieren, werden Elektronen herausgeschleudert, wobei die
Schraubenbewegung auf sie übertragen wird. Ob Elektronen diese Bewegung vollziehen können oder
nicht, hängt auch von der elektronischen Struktur des Materials ab. So können vormals unsichtbare
elektronische Übergänge nachgewiesen werden. Das dazugehörige Experiment wurde am freien
Elektronenlaser FERMI in Triest in Italien und die unterliegende theoretische Konzeption und numeri-
sche Umsetzung in Halle durchgeführt. Die Auswertung der experimentellen Daten brachte hervorra-
gende Übereinstimmungen zwischen den theoretischen Vorhersagen und den Messergebnissen her-
vor. Somit konnte die Übertragung des Drehimpulses von der Lichtwelle eines optischen Wirbels auf
Elektronen eindeutig nachgewiesen werden.

Diese Spektroskopie-Methode ebnet den Weg für neue Einblicke in die Struktur der Materie und
deren Wechselwirkung mit Licht und letztlich zur Entwicklung völlig neuer Bauteile, z.B. für die Da-
tenverarbeitung.
AUFGABE 4 – PHOTOELEKTRONENSPEKTROSKOPIE +++
Die in Aufgabe 3 benutzte experimentelle Methode
ist die Photoelektronenemission, die Sie evtl. als
lichtelektrischen oder Photo-Effekt aus dem Phy-
sikunterricht kennen und die wir uns nun etwas
genauer anschauen. Bei diesem Effekt werden
durch Bestrahlung eines Metalls mit monoenergeti-
schen Licht Elektronen aus einem Material heraus-
gelöst. Nach Einstein lässt sich dieser Effekt erklä-
ren, wenn man die Existenz sogenannter Lichtteil-
chen, auch Photonen genannt, annimmt. Diese
Photonen haben eine Energie h·f, wobei f die Frequenz des Photons ist und h die Plancksche Kon-
stante. Diese Energie wird „benutzt“, um das Elektron aus dem Material zu lösen (Austrittsarbeit WA)
und ihm noch kinetische Energie (also Geschwindigkeit) mitzugeben. Diese kinetische Energie der
bewegten Elektronen kann durch eine Gegenspannung U gemessen werden (Gegenfeldmethode,
siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Photoelektrischer_Effekt). Der Energieerhaltungssatz lautet so-
mit h·f = WA + e·U. Die Austrittsarbeit hängt vom Material ab, bei einer Caesium Kathode ist WA =
1,94 eV.

(A) Finde die Gleichung, mit der man die Wellenlänge des Lichtes bestimmen kann, wenn die
Gegenspannung U und die Austrittsarbeit WA bekannt sind.
(B) Wird die Wellenlänge bei Vergrößerung der Austrittsarbeit größer oder kleiner?
(C) Die experimentell bestimmte Wellenlänge sei λ = 4,2·10–7 m. Kann man dieses Licht sehen
und wenn ja, welche Farbe hat es? Dazu müssen Sie sich u.a. an den Zusammenhang zwi-
schen Frequenz und Wellenlänge erinnern.
(D) Welchen Wert muss die Austrittsarbeit haben, damit unter den gleichen Versuchsbedin-
gungen (gleiche Gegenspannung) rotes Licht der Wellenlänge 700 nm emittiert wird?
(E) Wer will, kann eine allgemeine Beziehung für die Änderung der Austrittsarbeit und der Ver-
änderung der Wellenlänge finden.

Übrigens:
Die Photoelektronenemmission bzw. der ihr zugrunde liegende lichtelektrische (Foto-) Effekt
hat es immerhin auch schon auf eine Briefmarke geschafft (siehe oben) und hat Einstein 1921
den Nobelpreis eingebracht. Neben vielen Anwendungen als experimentelle Methode hat der
Photoeffekt aber auch große Bedeutung in Bereichen, wo man es nicht unbedingt erwartet:
z.B. sorgt er bei klinischen Röntgenaufnahmen für den guten Kontrast zwischen Knochen und
Weichteilgewebe. Wer mehr dazu wissen möchte, fragt uns einfach und wer sich tiefer für
diesen und andere Zusammenhänge von Physik und Medizin interessiert, ist bei unserem Stu-
diengang „Medizinische Physik“ https://studienangebot.uni-halle.de/medizinische-physik-
bachelor-180 absolut richtig.

Das könnte Ihnen auch gefallen