Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Definition
„Arbeitssicherheit ist ein anzustrebender gefahren-freier Zustand bei der Berufsausübung. Die auf
den Menschen bezogenen Auswirkungen von Gefahren sind Personenschäden als Folge von
Verletzungen (Unfällen), Berufskrankheiten und sonstigen schädigenden Einflüssen auf die
Gesundheit.“
(Skiba, 2000)
Schwierig an dieser Definition ist, dass Arbeitssicherheit durch die Abwesenheit von
Gefährdungen definiert wird. Arbeit ist sicher, wenn es keine Unfälle gibt bzw. alle Faktoren
ausgeschaltet sind, die zu Unfällen führen können oder die für den Menschen eine Gefährdung
darstellen.
1
Seminar 3: Individuelle Faktoren 2 – Gewissenhaftigkeit
Ausgangsfragestellung
Lassen sich Persönlichkeitsmerkmale als Prädiktoren für Unfallhäufigkeit nutzen?
Grundlage für diese Fragestellung:
Z.B. Fehlertheorie nach Freud
Gewissenhaftigkeit liegt nahe
Oder spezifische sicherheitsrelevante Persönlichkeitseigenschaften
Theoretischer Hintergrund
Manche Personen neigen eher zu CF als andere
o Rigider Aufmerksamkeitsfokus
o Unflexible Regulierung der Kognition
o Können in dynamischen Situationen schlecht adaptieren
o Verstärkt selektive Aufmerksamkeit (kein Multitasking)
Fehler entstehen bei geringer Aufmerksamkeit
Zusammenhang mit Unfällen?
Hypothesen
H1: Positiver Zusammenhang von CF mit Unfällen und unsicherem Verhalten
H2: Negativer Zusammenhang von Gewissenhaftigkeit mit Unfällen und unsicherem
Verhalten
H3: CF klärt bei Kontrolle für Gewissenhaftigkeit eigene Varianz auf
o Um zu zeigen, dass CF über Gewissenhaftigkeit mehr Varianz aufklärt. Dann
haben beide einen unabhängigen Mehrwert und sind nicht das gleiche.
H4: CF moderiert den Zusammenhang von Gewissenhaftigkeit mit den beiden AVs
o Gewissenhaftigkeit hat nur dann eine hohe negative Wirkung, wenn beide sehr
schlecht sind. Ansonsten kann das eine das andere ausgleichen
Studie 1
219 Mitarbeiter aus der Produktion
Fragebogenerhebung in einem Stück
o Cognitive Failure Questionnaire
o Workplace Safety Questionnaire
o Accident Data Sheet
2
o Conscientiousness Measure
Ausfüllen zu Hause am Computer
Freiwillige Teilnahme und anonyme Erhebung
Studie 2
Replikation von Studie 1
263 Militärangestellte
Unfälle und unsichere Verhaltensweisen werden nun von Vorgesetzten gerated bzw.
berichtet
o Weniger common method bias
o AV nun aus objektiven Unfallberichten
Ergebnisse
Diskussion
Alle Hypothesen wurden bestätigt
Zusammenhang zwischen Gewissenhaftigkeit, CF und Unfällen hat
sich gezeigt
Wie lassen sich diese Erkenntnisse jetzt
in der Praxis nutzen?
Führen geringe Gewissenhaftigkeit und hohe Anfälligkeit für CF wirklich zu mehr Unfällen?
Reine Korrelationsstudien
o Autoren schlussfolgern trotzdem kausal Publikationsdruck
Kausale Richtung nicht überprüfbar
o Wenn man mehr Unfälle hat, schätzt man sich eventuell als weniger gewissenhaft
und anfälliger für Unfälle ein?
Vorsicht mit dem Unfallmaß!
o Was, wenn gerade erst ein Unfall passiert ist?
o Wie viele Unfälle passieren überhaupt?
Fehlertheorien
2 Grundlegend verschiedene Überzeugungen
o Individuumszentrierte Fehlermodelle
o Systemische Fehlermodelle
3
Eine Frage der Sichtweise
Individuumszentrierte Sicht
Fokus individuelle Handlungsfehler
Z.B. bei der juristischen Aufarbeitung von Unfällen oder Behandlungsfehlern
o Häufig steht im Zentrum die Frage, ob einer Person ihre fehlerhafte Handlungsweise
bewusst war (Vorsatz)
Eher unikausale Interpretation von Fehlern
Problem des Naming, Blaming, Shaming
o Reden vom „menschlichen Versagen“
Ethische Erwägungen
Wollen wir „Unfallerpersönlichkeiten“
gezielt herauspicken?
Betrifft eine schwer veränderbare Persönlichkeitseigenschaft (Trait)
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit wir solche Theorien propagieren?
o Empirische Befundlage nicht eindeutig
o Sammeln von Evidenz für Nullhypothese (kein Zusammenhang von
Persönlichkeitsmerkmal und Unfallgefahr) grundsätzlich schwerer
Systemische Theorien
Folgt aus den Vorarbeiten von Norman (1981) und Reason (1990), sowie der Analyse großer
Kathastrophen (Tschernobyl)
Fehler sind ein systemisches Phänomen, zu dem alle Ebenen eines komplexen
soziotechnischen Systems beitragen können
Daher Betrachtung des ganzen Systems
Multikausale Interpretation von Fehlern
Ermöglicht Konzepte wie „Sicherheitskultur“
Fazit Fehlertheorien
Individuumszentrierte Theorien heute nicht mehr „state of the art“
Üben dennoch einen großen Reiz aus
o Sehr einfache Erklärungsmodelle
o Interventionen und Anwendungsmöglichkeiten liegen auf der Hand (z.B. für
Personalauswahl)
Systemische Theorien ermöglichen dagegen eine ganzheitliche Analyse
o Interventionen auch auf latenten Ebenen möglich
4
Seminar 4: Soziale Faktoren – Soziale Normen am Arbeitsplatz
Sozialer Einfluss
Definition: „Eine Veränderung der Urteile, Meinungen und Einstellungen einer Person infolge der
Konfrontation mit den Auffassungen anderer Menschen.“
(W. Stroebe, M. Hewstone, J.-P. Codol & G.M. Stephenson, S. 452)
Informationaler Einfluss
o Einfluss wird zugelassen mit dem Ziel: Akkurate und Valide Urteile und
Entscheidungen treffen
o Need to be right
Normativer Einfluss
o Einfluss wird zugelassen mit dem Ziel: Soziale Bestätigung und Harmonie in der
Gruppe
o Need to be liked
Das Asch-Paradigma
7 – 9 männliche Teilnehmer in einer Session, davon nur eine naive Versuchsperson
Die eingeweihten Konföderierten der Versuchsleitung wählen einheitlich eine
(offensichtlich) falsche Antwort
Ergebnis: Bei individueller Beantwortung 99% Akkuratheit, als Gruppenaufgabe jedoch nur
63.2% Akkuratheit
Sowohl normativer als auch informationaler Einfluss sind laut Asch wirksam!
Soziale Konformität
„We conform to others when perceived or real pressure from them causes us to act differently from
how we would act if alone.“ (Cialdini & Trost, 1998, p. 162)
Compliance
Es findet lediglich eine öffentliche Meinungsänderung statt, die private Meinung bleibt
unberührt
o Häufig eine Reaktion auf normativen sozialen Einfluss
Conversion
Es findet eine öffentliche und private Meinungsänderung statt (daher auch private
acceptance)
o Häufig eine Reaktion auf informationalen Einfluss
5
Compliance
„Compliance refers to a particular kind of response – acquiescence - to a particular kind of
communication - a request. […] in all cases, the target recognizes that he or she is being urged to
respond in a desired way.“
(Cialdini & Trost, 1998, p. 168)
Soziale Normen
Definitionen:
„[…] customs, traditions, standards, rules, values, fashions, and all other criteria of conduct
which are standardized as a consequence of the contact of individuals.“ (Sherif, 1936, p. 3)
„Social norms are rules and standards that are understood by members of a group, and that
guide and/or constrain social behavior without the force of laws. These norms emerge out of
interaction with others.“ (Cialdini & Trost, 1998, p. 152)
Gründe zur Einhaltung sozialer Normen (nach Cialdini & Trost, 1998)
Effektives Handeln
o Erlernen deskriptiver Normen (was tun die Anderen?)
o Korrektes Verhalten wird durch Andere demonstriert
6
Beziehungen aufbauen & erhalten
o Erlernen injunktiver Normen (was sollte man tun & lassen?) sichert soziale Akzeptanz
(Positives) Selbst-Konzept steuern
o Durch das Einhalten sozialer Normen, sehen wir uns selbst als gute & hilfsbereite
Menschen
Schlechte Sicherheitskultur
Die Sicherheitskultur eines Unternehmens besteht aus geteilten Wahrnehmungen und Einstellungen
bezüglich Arbeitssicherheit bei allen Beteiligten (also auch im Management)
Alle Aspekte von Sicherheitskultur werden über sozialen Einfluss und Gruppennormen geteilt
und geformt
Wenn geteilte Wahrnehmungen und Einstellungen negativ sind (z.B. niedriger Stellenwert von
AS im Unternehmen), verbreiten sich diese durch sozialen Einfluss
Entwicklungen finden über lange Zeit statt, keine kurzfristige Intervention möglich
Auch Praktiker erkennen also die potentielle Gefahr sozialer Normen für die Arbeitssicherheit!
Längsschnittstudie (2 Zeitpunkte)
(Deskriptive) Sicherheitsnormen der Kollegen zu Zeitpunkt 1 beeinflussen proaktives sicheres
Verhalten zu Zeitpunkt 2
Moderiert wird dieser Einfluss durch das Verhalten und die Kommunikation von Vorgesetzten
Fazit
Soziale Normen spielen eine entscheidende Rolle für sicheres Verhalten
Die Mechanismen des sozialen Einflusses können genutzt werden, um (z.B. durch
Reziprozitätsnorm oder Compliance) sicheres Verhalten & Sicherheitskultur positiv zu
verändern
ABER: Keine kurzfristigen Interventionen, sondern strategische, langfristige
Veränderungsprozesse
8
Seminar 5: Soziale Faktoren II – Teamwork und Kommunikation
Kommunikation
Teamwork
Unfallhergang
Probleme beim Ausfahren des Fahrwerks führen zum Abbruch des Landeanflugs
o Lauter Knall und Vibrationen
o Keine Sensorbestätigung, dass das Fahrwerk korrekt ausgefahren wurde, Piloten
wussten es nicht
o Es war Nacht, deshalb konnte auch vom Boden aus nicht geguckt werden
Über eine Stunde Beratungen an Bord des Flugzeugs (Damals Flugingenieur Bestandteil der
Cockpit-Crew) und mit dem Tower
Landung wegen plötzlich festgestelltem Treibstoffmangel unausweichlich
Flugzeug erreicht wegen ausfallenden Triebwerken nicht mehr den Flughafen und stürzte im
Wald ab.
o Wurde von den Bäumen gebremst
o Keine Explosion, weil kein Kerosin mehr vorhanden
Unfallursachen
Laut NTSB Versagen der Besatzung Cockpit hinsichtlich Kommunikation und Teamwork
Aufmerksamkeit zu stark auf anstehende Notlandung und Fahrwerksstörung gerichtet und
Treibstoffanzeige nicht beachtet
Crew kommt trotz akkurater Informationen zur Treibstoffmenge nicht darauf, dass es ein
Problem gibt
o Treibstoffverbrauch evtl. falsch eingeschätzt? (Luftwiderstand bei ausgefahrenem
Fahrwerk?)
9
o Kapitän sagte Treibstoffstand immer wieder durch, merkte aber nicht, dass es kritisch
war.
o Kritische Treibstoffsituation wurde vom Flugingenieur erkannt, aber nicht mit
Nachdruck beim Kapitän zur Beachtung gebracht
Sagte es zwar, aber Kapitän nahm es nicht zur Kenntnis
Die Mehrheit aller Unfälle ging laut den präsentierten Forschungserkenntnissen auf
menschliche Fehler zurück (bis zu 70%)
o Fehler in der Kommunikation
o Entscheidungsfehler
o Führungsfehler
Ergebnis: Cockpit Resource Management (CRM) Trainings werden in die Ausbildung der
Flugzeugbesatzungen integriert
CRM-Trainings
Spezielle Übungen zum Erwerb wichtiger Kompetenzen im Bereich Teamwork und
Kommunikation
o Autoritäre Führung im Cockpit abbauen
o Durchsetzungsvermögen anderer
Crewmitglieder steigern
o Erreichen, dass Piloten auf andere Besatzungsmitglieder hören
o Zunächst nur für Cockpitbesatzungen (Cockpit Ressource Management)
Erweiterung des Trainings auf gesamte Flugzeugbesatzung und später auch Bodenpersonal
(z.B. Wartung)
Spezifischerer Zuschnitt auf Luftfahrt & konkrete Situationen im Flugzeug
o Zum Beispiel standardisierte Kommunikationsrichtlinien wie Checklisten zur Kontrolle
vor dem Start
Erweiterung der behandelten Themen
10
Integration in reguläre Piloten- & Crewausbildung
Fazit
Erfolg von CRM anhand von Unfallzahlen nicht überprüfbar (viele Einflussfaktoren, wenig
Unfälle)
Indikator 1: Regelmäßige CRM Trainings mit Simulator-Anteilen führen zu besserem
Verhalten von Flugzeugbesatzungen
Indikator 2: Einstellung von Besatzungsmitgliedern gegenüber sicherheitsrelevanten
Faktoren hat sich gebessert (gemessen z.B. mit Flight Management Attitudes Questionnaire,
FMAQ)
CRM funktioniert nicht bei allen
Mit der Zeit werden bestimmte CRM Grundsätze selbst bei regelmäßigem Training
missachtet
CRM wird niemals alle Unfälle verhindern können (siehe NAT)
Dennoch: CRM ist ein enorm wichtiger Bestandteil der Ausbildung von Flugzeugbesatzungen
und die Sinnhaftigkeit wurde (zurecht) niemals in Frage gestellt
Patientensicherheit im OP
Ausgangslage:
Gegenmaßnahmen
11
Wie überprüfen wir den Erfolg unserer Trainings?
Wie in der Luftfahrt: Unfallzahlen sind in der Regel kein geeigneter Indikator
Simulatortrainings sind noch kein Standard in der medizinischen Ausbildung (kommt aber)
Geeigneter Indikator: Einstellungen zu sicherheitsrelevanten Aspekten, erhoben z.B. mit
dem SAQ (Safety Attitudes Questionnaire)
Fazit
Kommunikation & Teamwork sind entscheidende Erfolgs- oder Fehlerfaktoren in komplexen
Hochrisikosituationen (Luftfahrt, medizinische Eingriffe, etc.)
Fähigkeiten in diesen Bereichen lassen sich trainieren und regelmäßige Trainings zeigen
auch Erfolge, die man aber nicht direkt mit Unfallzahl in Verbindung bringen kann
Statt Unfallzahlenanalyse ist eine sorgfältige Evaluation der Trainingsmaßnahmen notwendig
Die Einstellungen von Arbeitnehmern bezüglich Arbeitssicherheit sind der primäre Indikator
für den Erfolg einer Intervention
Messen lassen sich solche Einstellungen z.B. mit dem SAQ
12
Seminar 6: Organisationale Faktoren – Sicherheitskultur und Sicherheitsklima
Organisationskultur
Definition von Schein (2004):
„The culture of a group can now be defined as a pattern of shared basic assumptions that was
learned by a group as it solved its problems of external adaption and internal integration, that has
worked well enough to be considered valid and, therefore, to be taught to new members as the
correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems.” (Schein, 2004, S.17)
Set von Überzeugungen, Normen, Verhalten
neue Mitglieder lernen dann an Beobachtung die Werte und Normen der Organisation und passen sich an, bis das Set bei allen
übereinstimmt, das Set wird dann genutzt um die Organisationsziele zu verfolgen
Über sozialen Einfluss lernen wir Kultur
o Beobachtung: Wie funktioniert es? Und dann passen wir uns an.
die Grundannahmen übernehmen wir ohne darüber Bescheid zu wissen, es lohnt sich also nicht diese Grundannahmen abzufragen
oben: 3. Ebene, z.B. wie jemand sein Büro einrichtet (z.B. Fotos von Familie aufstellen) oder wie sich jemand verhält; auf dieser Ebene ist
alles beobachtbar
13
Beispiel: die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl
Stromausfall simulieren, reicht das Drehen der Turbinen aus, wenn das passiert bis dann der Notstromgenerator anspringt.
Ein Jahr vorher hatte man das in einem anderen Reaktorblock probiert, es hat nicht geklappt, aber man hat jetzt Tele ausgetauscht und
gehofft, dass es klappt
Sie haben die Leistung des Reaktors stark reduziert, damit das rumgepfusche nicht so gefährlich ist, aber Lastverteiler sagt, bitte
unterbrecht den Test und liefert weiter Strom, haben sie gemacht, obwohl das nicht vorgesehen war, sie haben den nur bei 50&iger
Leistung laufen lassen und hatte aber kritische Nebenwirkungen, da trat Material aus und dann ließ sich langfristig der Reaktor schlechter
steuern und sie haben das Notkühlsystem abgeschaltet, was eigentlich ein strenger Verstoß war, einfach weil sie das Ding genervt hat;
haben nach den paar Stunden mit dem Test weitergemacht und das Notkühlsystem nicht wieder eingeschaltet; Schichtwechsel! Trottel
fährt Reaktor zu weit runter (1%) da muss man Reaktor ausschalten, sonst lagert sich zu viel kack Material da an und der Reaktor ist
unsteuerbar, aber das haben sie einfach ignoriert (erst nicht gemerkt, dass er zu weiter runter ist, Leistung erhöhen ging nicht richtig und
einfach nicht ausgeschaltet) Dann haben sie den Test gestartet. Großes Problem, deswegen Notabschaltung Leistung aber dadurch
nochmal krank angestiegen (enorme Hitze und Druck) Vollkatastrophe
Evakuierungsmaßnahmen dann auch noch verzögert weil Falschinformationen (ist nochmal gut gegangen) durchgegeben wurden statt
Warnung und Ruf nach Hilfe
„Safety Culture is that assembly of characteristics and attitudes in organizations and individuals
which establishes that, as an overriding priority, nuclear plant safety issues receive the attention
warranted by their significance.” (INSAG, 1991, S. 1)
Sicherheitskultur führt dazu, dass Sicherheit in der Organisation die Priorität hat, die sie braucht
In der Folge uneinheitliche Definition des Konzepts, aber gemeinsame Kernmerkmale (nach
Guldenmund, 2000) Was macht eine Sicherheitskultur aus?
1. Sicherheitskultur ist ein abstraktes Konstrukt, es handelt sich nicht um ein vollständig
beobachtbares Phänomen (macht Sinn, denk an den Kulturkern, der ist ja unbewusst)
2. Dieses Konstrukt ist relativ stabil über die Zeit
3. Sicherheitskultur ist ein mehrdimensionales Konzept, eine gemeinsame Festlegung auf
konkrete Dimensionen fehlt bislang allerdings.
4. Sicherheitskultur ist etwas, das von einer Gruppe von Personen geteilt wird, also eine
Gemeinsamkeit dieser Gruppe darstellt
14
5. Eine Sicherheitskultur ist eine Facette der generellen Unternehmenskultur neben anderen
Facetten, zum Beispiel einer Servicekultur oder einer Kreativkultur.
6. Sicherheitskultur erzeugt Handlungen, das heißt sie liefert den Rahmen und die
Rechtfertigung für bestimmte Verhaltensweisen praktische Relevanz; wir können die Sicherheitskultur als
Hebel benutzen, um Verhalten (Entstehen von Arbeitsunfällen weniger wahrscheinlich zu machen) zu beeinflussen
Diese Überzeugungen interagieren mit Normen (wie bei Schein auch), die sind allesamt beobachtbar und erfassbar
individuell: proaktiv dazu beitragen, dass es sicher bleibt (z.B. von Problemen berichten) oder immer darauf warten, dass mir jemand sagt,
wie ich mich verhalten soll
sozial: sprech ich meine Fehler bei Kollegen an oder senkt das mein Ansehen
organisational: Arbeitsumgebung gestalten mit Ziel Sicherheit oder halt nicht, Verhalten mehr oder weniger kontrollieren,
Sicherheitsprobleme transparent verarbeiten oder unter den Teppich kehren
Sicherheitskultur gilt als zeitlich stabiles Konstrukt Veränderungen auf dieser Ebene brauchen ewig
Kein direkter Zugriff auf den Kulturkern möglich verändern ohne direkt darauf zuzugreifen – na toll
Veränderungen nur langsam über die Beeinflussung geteilter Werte & Normen
15
Wirksamkeit von Interventionen schwer überprüfbar weil ja kein Zugriff aus Kulturkern
Atomindustrie und Luftfahrt: Sicherheitskultur extrem wichtig, müssen kommunizieren, dass sie super sicher sind – diese Industrien sind
eigentlich Vorbilder dafür, was man erreichen kann, wenn man auf gute Sicherheitskultur setzt; man kann hohe Arbeitssicherheit erreichen
[…] coherent sets of organizational perceptions, when shared and summarized for individual
employees, are defined here as organizational climates. (Zohar, 1980, pp. 96-97)
Die 3 Ebenen einer Organisationskultur nach Schein mit Einordnung von Sicherheitsklima
16
oFlache Hierarchien ermöglichen kritische Entscheidungen direkt am Ort des
Geschehens
o Kurze Befehlsketten ermöglichen schnelles Reagieren auf veränderte Situationen
Gute Lernkultur was passiert dann nachdem ich die Infos zu Fehlern gesammelt hab…
o Informationen müssen genutzt werden, um aus Fehlern zu lernen
o Intensive Auseinandersetzung mit Fehlern und Ableitung geeigneter Maßnahmen
Wie messe ich eigentlich Sicherheitskultur und wie weise ich nach, dass meine Intervention klappt?
Sicherheitskulturmessung
Eine Organisationskultur ist schwer zu Erfassen
o Keine direkte Beobachtung bzw. Messung des Kulturkerns möglich
o Geteilte Werte & Normen sind teilweise unbewusst
o Andere Einflussfaktoren lassen sich schwer kontrollieren
Klinisches Erhebungsmodell nach Schein
o Qualitative Analyse mit Interviews, Gruppendiskussionen &
Verhaltensbeobachtungen
o Umfassende Erhebung der Artefakte und Werte/Normen-Ebene ermöglicht
begründete Rückschlüsse auf Kulturkern
o Nur erfolgversprechend, wenn Mitarbeiter freiwillig und motiviert an einer
Untersuchung teilnehmen
In der Praxis oftmals Fragebogenerhebungen
o Fokus auf die Ebene geteilter Werte & Normen
o Auch geteilte Wahrnehmungen als Indikator für Sicherheitskultur Sicherheitsklima
o Fragebogen vereinfacht die Erhebung in Organisationen – erfasst Sicherheitsklima
o Kritik: Wird dem ganzheitlichen Sicherheitskulturbegriff nicht gerecht! – erfasst nur
Teilaspekt der Sicherheitskultur
o Methodenmix wünschenswert leider übel aufwändig
Fazit
Sicherheitskultur beschreibt die Anstrengungen für hohe Arbeitssicherheit innerhalb einer
Organisation ganzheitlich
Sie ist Mitarbeitern nur teilweise bewusst, außerdem zeitlich stabil und somit nur
langsam veränderbar
Ein entscheidender Ansatzpunkt zur Verbesserung ist der Umgang von Organisationen mit
Fehlern
17
Anwendung Analyse zur Arbeitssicherheit
Grundregeln
Immer den Auftrag im Blick behalten
Maßnahmen und Tätigkeiten, die der Erfüllung des Auftrags dienen
Keine Tätigkeiten außerhalb des gestellten Auftrags (außer nach Absprache)
Planung mit dem Auftraggeber abstimmen
Interviews
Probleme beim Führen von Interviews
Fehlende Teilnahmebereitschaft
Misstrauen bzgl. Anonymität
Abschweifen vom Thema
Persönliche Motive
Beeinflussung des Interviewers
Falschaussagen
Respektvoller, höflicher Umgang
Vertrauen aufbauen
Ehrlichkeit & Transparenz
Privatsphäre respektieren
Nicht penetrant nachbohren
Keine Suggestivfragen
19