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Vonrag anlälslich der Jahrestagung des Vereins ür Rheinische Kirchengeschichte am 14. und
15. Februar 2003 in Düsseldorf.
MEKGR 53 (2004) 33
ALFRED BODENHEIM ER
Die .jüdischen' Helden, ob biblische oder moderne, werden alle zu Imitationen von
nichtjüdischen Helden umgewandelt. Dieser Punkt könnte noch ausführlicher behan-
delt werden, denn so wie er da steht, klingt er zugleich sowohl essentialistisch
Kriegshelden konnten unmöglich wirklich jüdisch sein' - wie auch die Tatsachen ne-
gierend. Was war denn mit Simson und den anderen biblischen Helden? Meine These
ist nicht, zu leugnen, daß es je eine martialische jüdische Tradition gegeben hätte noch
Zu behaupten, daß Gewalttätigkeit unjüdisch sei, was im besten Falle nichtstrategi-.
scher Essentialismus wäre. Doch ihrer historischen Entwicklung gemäß hatte die jüdi-
Sche Kultur der Diaspora wenig Interesse an Simson, und ihr Moses war ein Gelehr
ter
Dieser Vortrag will jener Behauptung Boyarins mit Verweis auf Simson-Ad-
aptionen zweier der bedeutendsten deutsch-jüdischen Dichter des 19. und des 20.
Jahrhunderts, Heinrich Heine und Nelly Sachs, widersprechen allerdings in
einem gedämpften Ton, denn es ist ja nicht die Thematisierung einer Figur al.
lein, die zählt, sondern die damit verbundene Aussage. Und hier läßt sich be
mmt festhalten, dafß beide Adaptionen die Simson-Gestalt nicht zur unreflek-
tierten Umsetzung eines jüdischen Machtmenschen aufgriffen, sondern -
in ganz
unterschiedlicher Weise - als Kontrastfolie zur Schilderung negativer Zustände.
Besonders deutlich wird das Kontrastive der Simson-Figur in Heinrich Hei-
nes Erzählfragment Die Memoiren des Herrn von Schnabelewopski, das 1834 im
ersten Salon-Band Heines erschien. Ihre
,,Entstehungsschwerpunkte"2 (Klaus
Briegleb) aber hatten sowohl dieses Fragment wie das noch später erschienene
-
Wagner die Vorlage für seine Oper fand. Hans-Jürgen Schrader hat die nicht nur
im sukzessiven Verschwinden der
Referenzquelle, sondern auch im Entironisie-
ren des romantischen Stoffs sich äußernde
Problematik der Wagnerschen Adap-
tion in einem Aufsatz deutlich gemacht'. Was den
Simson-Stoff in diesem Frag-
ment betrifft, scheint sich damit bis anhin kaum
jemand ausführlicher auseinan-
dergesetzt zu haben - vielleicht gerade deshalb, weil diese Passage, im Zusam-
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DIE FIGUR DES SIMSON BEIHE INRICH HEINE UN D NELLY SACHS
.Der kleine Simson". wie er wiederholt genannt wird, ist in Heines Erzäh-
lung ein junger Frankfurter Jude, Teil einer Leidener Tischgenossenschaft von
Studenten. die, .,wenn der Braten ganz schlecht war"", über die Existenz Gottes
disputiert. Hierbei entpuppt sich dieser Simson als ,der eifrigste Deist" - eine
Begriffswahl Heines, die sich hier im Zusammenhang mit Simson und mit der
jüdischen Einstellung generell des öfteren wiederholt und die leicht irreführend
wirken kann, wenn man sie im engeren philosophischen Wortsinne versteht.
Denn dieser Simson verficht
gerade nicht - wie der aufklärerische Deismus die
Idee eines nach dem
Schöpfungsakt das Weltgeschehen rein passiv verfolgenden
Gottes, sondern vielmehr einen radikal jüdischen Theismus. Entsprechend ficht
der kleine Simson mit aller Macht
gegen atheistische Auflösungs- und idealisti-
sche Sublimierungsversuche des Gottesbegriffs. Den Argumenten der Kommili-
tonen bleibt er aber, nicht zuletzt aufgrund seiner körperlichen Unzulänglichkeit,
fast wehrlos ausgesetzt. Ein längeres Zitat soll die Position dieses Simson im
Studentenkreis als Vertreter eines jüdischen Gottesbegriffs illustrieren:
lch glaube, er hätte den dicken Fichteaner geprügelt, zur Ehre Gottes, wenn er nicht
gar zu dünne Armchen hatte. Manchmal stürmte er auch wirklich auf ihn los; dann
aber nahm der Dicke die beiden Armchen des kleinen Simson, hielt ihn ruhig fest,
setzte ihm sein System ganz ruhig auseinander, ohne die Pfeife aus dem Munde zu
nehmen, und blies ihm dann seine dünnen Argumente mitsamt dem dicksten Tabaks-
dampf ins Gesicht; so daß der Kleine fast erstickte vor Rauch und Arger, und immer
leiser und hülfeflehend wimmerte: O Gott! O Gott! Aber der half ihm nie, obgleich er
dessen eigene Sache verfocht.
Trotz dieser göttlichen Indifferenz, trotz diesem fast menschlichen Undank Gottes,
blieb der kleine Simson doch der beständige Champion des Deismus, und ich
glaube
aus angeborener Neigung. Denn seine Väter gehörten zu dem auserwählten Volke
Gottes, einem Volke, das Gott einst mit seiner besonderen Liebe protegiert, und das
daher bis auf diese Stunde eine gewisse Anhänglichkeit für den lieben Gott bewahrt
hat. Die Juden sind immer die gehorsamsten Deisten, namentlich
diejenigen, welche
wie der kleine Simson, in der freien Stadt Frankfurt geboren sind. Diese können, bei
politischen Fragen, so republikanisch als möglich denken, ja sich sogar sansculottisch
im Kote wälzen; kommen aber religiöse Begrifte ins Spiel, dann bleiben sie untertä-
nige Kammerknechte ihres Jehovah, des alten Fetischs, der doch von ihrer ganzen
Sippschaft nichts mehr wissen will und sich zu einem Gott-reinen Geist umtaufen las-
sen.
Ich glaube, dieser Gott-reiner Geist, dieser Parvenü des Himmels, der jetzt so mora-
lisch, so kosmopolitisch und universell gebildet ist, hegt ein geheimes MiBwollen ge-
gen die armen Juden, die ihn noch in seiner ersten rohen Gestalt gekannt haben und
ihn täglich in ihren Synagogen, an seine ehemaligen obskuren Nationalverhältnisse
erinnern. Vielleicht will es der alte Herr gar nicht mehr wissen, daß er palästinischen
Ursprungs und einst der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs gewesen und damals Je-
hovah geheißen hat3.
4 Ebd. S. 536.
5 Ebd. S. 537 f.
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ALERED BODENHETMER
Der Erzähler bedient sich der historisierenden und damit die Ewigkeit des bi-
blisehen Gottes relativierenden bis negierenden Form ,Jehovah". Der kleine
Simson indessen steht. kaum verkennbar. personifizierend für das Judentum
selbst, und gerade indem er sich für einen in die Geschichte eingreifenden Gott
n die Bresche schlägt, wird er in seiner eigenen Gottverlassenheit zum tragisch-
sten Vertreter seiner eigenen Widerlegung. zum theistischen Deisten, dessen
unrettbar komischer Heroismus im vergeblichen Bemühn liegt, die Manifestation
göiulichen Eingreifens für Israel in der Bibel als Gewähr ewiger göttlicher Provi-
denz für dasselbe Volk misszuverstehen. Diesem Heroismus und dem Gottesbe-
griff, für den er einsteht, fühlte sich Heine. obwohl er ihn anders als ironisch nie
nachzuvollzichen vermochte, zeitlebens geistig nah. Wie beim dicken Fichtea-
ner, der Simson den Rauch ins Gesicht bläst, ist es für ihn auch in der europäi-
schen Kultur nicht der Fortschritt des Geistes oder des religiösen Bewußtseins,
der den Sieg über das Judentum davonträgt. sondern reine Kraft, die ihre einzige
theologische Legitimation, wenn sie denn nach solcher sucht, aus der behaupte-
ten Gottgewolltheit ihrer physischen Uberlegenheit zu beziehen vermag, bzw. im
Zeitalter der Auflösung des Göttlichen aus einer diese Durchsetzung des Physi-
schen philosophisch untermauernden Durchsetzung des Weltgeistes.
Die äußere Macht als solche allerdings ist undurchdringlich, an ihr scheitert
das Judentum ungeachtet aller Qualitäten ein Mal ums andere. So auch der kleine
Simson, dessen Glaubensstreit mit dem dicken Fichteaner Driksen am Ende
derart eskaliert, daß dieser den Juden zum Duell herausfordert. ,,Da letzterer,"
heißt es in der Erzählung weiter
,trotz seiner schwachen Armchen, ganz vortrefflich stieß, so ward beschlossen, daß
sich die beiden noch denselben Tag auf Parisiens schlagen sollten. Sie stachen aufein-
ander los mit großer Erbitterung. Die schwarzen Augen des kleinen Simson
feurig groß, und kontrastierten um so wunderbarer mit seinen Armchen, die glänzten
aus den
aufgeschürzten Hemdärmeln gar kläglich dünn hervortraten. Er wurde immer
er schlug sich ja für die Existenz Gottes, des alten
heftiger
Jehovah, des Königs der Könige.
Dieser aber gewährte seinem Champion nicht die mindeste
sechsten Gang bekam der Kleine einen Stich in die Lunge.
Unterstützung und im
O Gott! seufzte er und stürzte zu Boden"
Zunächst bleibt eines hervorzuheben: Dieser sich duellierende Simson wird
zum Vorläufer einer Reihe von literarischen Figuren am Ende des 19. Jahrhun-
derts bei Fritz Mauthner, Theodor Herzl und Max
Nordau, die smtlich im Pi-
stolenduell einen jüdischen Märtyrertod sterben wobei
zumindest bei Nordau
und Mauthner explizit gesagt wird, daß die
die Luft schossen. Bei Nordau läßt sich dies
jüdischen Duellanten absichtlich in
sogar interessanterweise auf eine
6 Ebd. S. 550.
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DIE FIGUR DES SIMSON BEI HEINRICH HEINE UND NELLY SACHS
Anspielung auf Heinrich Heines eigenes Duell mit Salomon Strauß von 1841
zAurückfiühren, wo Heine dasselbe tat, selbst allerdings nur leicht verletzt wurde".
Heines kleinem Simson ist der Fatalismus von Mauthners und Nordaus jüdi
schen Duellanten jedenfalls fremd, die gewissermaßen auf der Zielgeraden vom
Weg zu einem neuen Paradigma - dessen Fehlen Boyarin so ins Auge sticht -
abweichen und sich erschießen lassen, was nicht anders als eine Art von Suizid
gesehen werden kann. Er ist bereit, seinem Gott auch bei unzulänglichen eigenen
Möglichkeiten Satisfaktion zu verschaffen und den Umweg einer religiösen
Disputation (über die ja Heine später unvergleichlich ironisch dichten solltes) zu
verlassen, um handgreiflich für Gott zu kämpfen. Damit befindet er sich auf
einem zwar fast hoffnungslosen, aber dennoch Aufsehen erregenden Weg zurück
zu einem biblischen Heroismus, der der Uberlegenheit seiner Argumente (wie
Heine sie kaum verhüllt eingesteht) auch durch eine Art physischer Metaberech-
tigung Nachachtung zu verschaffen sucht.
Vollends offenbar wird der Drang des gedemütigten, schwachen kleinen
Simson nach Genugtuung im letzten Kapitel, das ihn in seinem Todeskampf
zeigt. Ein holländischer Kommilitone liest ihm auf ausdrücklichen Wunsch ,die
Geschichte seines Namensvetters, des Simson aus dem Richterbuch vor. Der
schwer Verwundete erklärt seinen Wunsch, aus der Bibel vorgelesen zu bekom-
men, mit einem Argument, das der Rede des sehr viel späteren Heine, der sel-
ber todkrank - von der Bibel als dem,portativen Vaterland" der Juden schreiben
wird, auffällig ähnelt:
Das ist ein liebes Buch. Meine Vorfahren haben es in der ganzen Welt mit sich her-
umgetragen, und gar viel Kummer und Unglick und Schimpf und Haß dafür erduldet
oder sich gar dafür totschlagen lassen. Jedes Blatt darin hat Tränen und Blut gekostet,
es ist das aufgeschriebene Vaterland der Kinder Gottes, es ist das heilige Erbe Jeho-
vahs*"0
Der kleine Simson stellt sich also selbst, da er ja letztlich auch für den Gott
der Bibel sich geschlagen hat, wieder in eine Reihe mit seinen jüdischen Vorfah-
ren in den Generationen des Exils. Den Begriff ,Jehovah" hat zwar auch er in
ternalisiert. Doch der Charakter dieses Gottes, die Realisierung seiner Präsenz,
erhält damit plötzlich eine ganz eigene Note, der Deismus im Theismus wird
sichtbarer: Es ist womöglich gar nicht mehr die Aktivität, sondern vielmehr die
Präsenz ausmacht. Diese Aktualität
Aktualität, die Gottes anhaltende historische
Nämlich jene ExXistenz des jüdischen Vol-
Wire dann eine durchaus vermittelte: seinerseits für ein Fort-
kes, das, geradezu als Metapher der Unzeitgemäßheit,
durchaus in der Form von
wirken Gottes zugleich einsteht und steht. Das kann
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ALFRED BODENHEIMER
den neu-
zeitlichen Typenbegriff werden zum
ren und schließlich mit
Bindeglied des biblischen mit dem späte-
den eigenen Schicksal. Simsons Kraftakte gegen die
Philister inkorporieren
gleichsam des kleinen Nachgeborenen Rache an allen, die
ihn und seine Vorfahren mißhandelt
haben. Die Bibel, deren Festhalten Anlaß zu
jahrhundertelangem Leiden war, ist damit zugleich als
ewig währender Trost-
spender bezeichnet, und die klassisch jüdische
stanten Wiederbelebens biblischer Geschichtsbetrachtung eines kon-
Urszenen zum Verständnis und zur Bewälti-
gung aktueller Zustände, wird hier aktiviert. Damit wird
klar, daß der kleine Simson sich tatsächlich als allerdings zugleich auch
schen verstanden hat, indem er für den
direkter Nachfolger des bibli-
Namen seines Gottes zum Duell
ten ist. Die Zusammenschau all
des Erlittenen, das bei angetre-
ist, markiert die theologische ,,Gott [...] nicht erlaubt"
Antihumanismus.
Ausgrenzung der Juden als
unweigerlich tiefen
Den weiteren Fortgang bestimmt die
lung über die Versuche der Philister, Kommilitonen vorgelesene Erzäh-
vom
Simson mit Hilfe seiner Frau Delila das
Geheimnis seiner übermenschlichen Kraft zu entlocken.
zuweilen kurze Kommentare zur den verschiedenen Der kleine Simson gibt
ab, des Helden Kraft zu bezähmen, die fehlgeschlagenen Versuchen
wiederum eine unmittelbare Nähe seines
eigenen Schicksals mit dem des biblischen Simson
Frankfurt auf die Konstablerwacht setzen suggerieren: Daß man ihn in
auf der Eschenheimer Gasse, das offenbar wollte, erwähnt er, und ein Ereignis
ihm mit der List und Stärke des
ebenfalls glimpflich ausging und von
biblischen Simson in
Entsprechend leidet der kleine Simson auch mit der Beziehung gesetzt wird.
schen und dessen
Blendung und erlebt ein letztes eigenesUberwältigung des bibli-
Stelle, an der Simson, ein letztes Mal von Gott Aufbäumen an der
mit Kraft beschenkt, das
Haus, in dem die Philister ihr Fest ganze
den Philistern" durch das
feiern, mit dem Ruf ,,Meine Seele sterbe mit
Eindrücken zweier Säulen zum Einsturz
bringt.
11 Ebd.
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DIE FIGUR DESSIMSON BEI HEINRICH H EINE UND NELLY SACHs
,Bei dieser Stelle öffnete der kleine Simson seine Augen, geisterhaft weit; hob sich
krampfhaft in die Höhe; ergriff, mit seinen dünnen Ärmchen, die beiden Säulen, die
zu Füßen seines Bettes; rüttelte daran, während er zornig stammelte: Es sterbe meine
Seele mit den Philistern. Aber die starken Bettsäulen blieben unbeweglich, ermattet
und wehmütig lächelnd fiel der Kleine zurück auf seine Kissen, und aus seiner
Wunde, deren Verband sich verschoben, quoll ein roter Blutstrom*"4.
Hiermit endet das Kapitel und zugleich auch das ganze Erzählfragment, das
als Parodie einer adligen Autobiographie mit pikareskem Einschlag begonnen
hat und der Leser ist sich im Unklaren darüber, ob er hinfort die Geschichte
des jüdischen Exils als Kontrastprogramm zur Simson-Erzählung lesen soll -
oder umgekehrt. In Heines kleinem Simson wird das angebliche Defizit man-
gelnder ldentifikation des Judentums mit den biblischen israelitischen Kriegs-
helden aufgebrochen es wird in
-
12 Ebd. S. 555 f.
13
Georg
Wilhelm Friedrich Hegel, Werke in zwanzig Bänden. Bd. 12: Vorlesungen über die
Philosophie der Geschichte. Frankfurt a.M. 1985, S. 390.
14 Ebd. S. 244.
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ALFRED BODENHEIMER
15 Ebd. S. 49
16 Heine, Sämtliche Schriften, Bd. 6/1 (wie Anm. 8), S. 481.
17 Nelly Sachs, Zeichen im Sand. Die szenischen
S. 185-238. Dichtungen der Nelly Sachs. Frankfurt a.M. 1962.
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DIE F1GUR DES
SIM SON BEI HEINRICH HEINE UND NELLY SACHS
scheinbar alltäglichen
ciner Ehe und der zermürbenden Abnutzungsprozeß
Existenz in dürftigen Verhältnissen.
Nina sich immer wieder mit einem Während
nen sucht (,,Leichter Grammophon
werden" lautet ihr
zu
Fitnessübungen anzuspor-
an einer rätselhaften repetierter Wahlspruch)", leidet Manes
Erkrankung mit plötzlichen Zusammenbrüchen
die Folge ciner
Rettungsaktion, bei der er mit einer Leiter 37 Kinder offenbar
sowie den
Lchrer Werach, der ihm Nina ausspannt aus der brennenden Schule
-
befreit
-
Körper II der anderen Dienst auf Erden tun könnte || Man sah ja was er leisten
-
18 Ebd. S. 214. Dieser Hinweis wie auchdieim selben Redezusammenhang bei Ninaauftretenden
Anreden,Herr Oberamtmann"* und ,,Herr Studienrat" sind die einzigen konkreten Hinweise dar-
auf, daß diese Haupthandlung in Deutschland anzusiedeln ist - eine Tatsache, die wie gezeigt
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ALERIED BOD ENHEI MER
,auf einer Gewitterwolke", sieht mit Genugtuung, wie sein Kind ,,einen Wurm
und ein bißchen Gewitter"
mitnimmt30
Es lassen sich durchaus Parallelen ausmachen zwischen dem
kleinen Simson
Heines und Nelly Sachs' Riesen Manes. Beide stehen für einen
wirkenden bibli-
schen Gott in einer diesem Gott in höchstem Maße
entfremdeten Welt. Die Zei-
ten aber haben sich geändert zwischen dem einen
Simson und dem anderen. Bei
Heine ist es noch das kämpferische Duell, in dem dieser
Gott aussichtslos -
verteidigt werden soll. Bei Nelly Sachs, zehn Jahre nach der Shoah, ist es Hilfs-
bereitschaft, Menschenliebe und Mitleid für die leidende
Kreatur (wie einen
angeschossenen Wolf, dem Manes Pferdefleisch in den Wald bringt), die Gottes-
furcht auf der Welt manifest macht. Es
mangelt nicht an Anspielungen, wo das
Ideal der von Nelly Sachs dargestellten
Nachkriegsgesellschaftliegt: Im sozialen
Aufstieg und Nachkriegswohlstand, wie Nina ihn anstrebt und in der Amerikani-
sierung (angedeutet durch ,Jazzmusik"sl, Boogie-Woogie32 und
..Coca
Cola"33).Im Exotentum Manes', der sein Leben zur Rettung einer Schulklasse
und gar seines Nebenbuhlers riskiert, der aber
begreift, daß das Attribut des
Helden- noch immer - in dieser Gesellschaft mit Töten
verbunden ist, daß das
25 Ebd. S. 196f.
26 Ebd. S. 212.
27 Ebd. S. 215.
28 Ebd. S. 197.
29 Ebd. S. 232.
30 Ebd. S. 238.
31 Ebd. S. 226.
32 Ebd. S. 227.
33 Ebd. S. 235.
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DIE FIGUR DES SIMSON BEI HEINRIcH HEINE UND NELLY SACHS
oder sich mit ihr identifiziert und gerade darin ihre unendliche Ferne unter-
streicht. Während also eine Thematisierung des Moses-, seit den dreißiger Jahren
des 20. Jahrhunderts zuweilen auch des Hiob-Stoffes in der deutsch-jüdischen
Literatur tatsächlich oft der eigenen Identitätsbildung diente, wird in der Figur
des Simson, wie wir ihn bei Heinrich Heine und Nelly Sachs antreffen, eine
differenzierte und differentielle Arbeit jüdischer Selbstverortung an der Bibel
erkennbar.
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