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REPORT
ZKZ 77289
Forschungs- und Arbeitsergebnisse
Inhalt
REPORT 4 | 2008 1
REPORT
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erhöht andererseits die Akzeptanz der Tabelle 2
Migrantinnen und Migranten in der Mehr- Anzahl der Teilnehmer/-innen an von der Bundesagentur für Arbeit geförderter
heitsgesellschaft (B RÜCK -K LINGBERG u. a. beruflicher Weiterbildung und prozentualer Anteil an allen arbeitslos gemeldeten
Ausländern und Deutschen
2007, S. 4).1 Aber nach wie vor liegt die
Arbeitslosenquote unter Ausländerinnen 2002 2003 2004 2005 2006
und Ausländern 2 erheblich über der der
Deutschen – im Jahr 2006 war sie mit 왘 Deutsche 8,7% 6,1% 4,4% 2,5% 2,8%
(308.729) (235.779) (166.764) (103.402) (106.526)
23,6 % mehr als doppelt so hoch (Deut-
sche 11,0 %; vgl. Bundesagentur für Arbeit 왘 Ausländer 6,2% 4,4% 3,2% 1,6% 1,9%
2006, S. 33, vgl. Tabelle 1), und bei Aus- (30.802) (23.875) (17.488) (10.862) (12.169)
siedlern/-innen verläuft die Arbeitsmarkt-
Quelle 2002–2005: www.pub.arbeitsamt.de/hast/services/statistik/detail/n
integration vor allem von Akademikern (Zugriff 29.1.07) und eigene Berechnungen (Teilnehmeranteil); 2006: Arbeitsmarkt in Zahlen, Dezember 2007,
noch problematischer (H ÖNEKOPP 2007, Sonderauswertung der BA und eigene Berechnungen.
S. 164; BRÜCK-KLINGBERG 2007, S. 4).
Zugleich weist die Statistik der Bundes- tiert keine allgemein verbindliche Definition mischter Teilnehmerstruktur (Einheimische
agentur für Arbeit aus, dass die Teilnah- des Begriffs „Migrationshintergrund“ und und Migrantinnen/Migranten) untersucht.
mequote von Personen ausländischer nach wie vor erfassen einige amtliche Sta- Es sollten mögliche Besonderheiten ermit-
Herkunft an den von ihr geförderten Maß- tistiken allein die Staatsangehörigkeit. telt und auf der Grundlage empirischer
nahmen im Jahr 2005 nicht nur deutlich Erhebungen einige grundsätzliche Empfeh-
niedriger lag als in den Vorjahren, sondern Wenig Interesse fand bislang insbesondere lungen für die Gestaltung dieser Lehrgänge
auch niedriger als die der deutschen die Gruppe derjenigen Migrantinnen und formuliert werden. Dies geschah mit dem
Arbeitslosen (vgl. Tabelle 2). Migranten, die bereits über qualifizierte Ziel, die Regelangebote beruflicher Weiter-
berufliche und/oder akademische Ab- bildung für Migrantinnen und Migranten
Angesichts dieser Befunde sollte die beruf-
schlüsse verfügen (vgl. N OHL u. a. 2006). nicht allein formal-rechtlich zugänglich zu
liche Weiterbildung von Migrantinnen und
Um sie, also um Migrantinnen und Migran- machen, sondern auch ihre Lernsituation in
Migranten einen zentralen Platz auf der bil-
ten, die Lehrgänge der beruflichen Weiter- angemessener Weise zu berücksichtigen.
dungspolitischen Agenda einnehmen. Dem
bildung gemeinsam mit Einheimischen Die Forschungsergebnisse betreffen ver-
ist jedoch nicht so.
besuchen, geht es im vorliegenden Beitrag. schiedene Aspekte der Verständigung in
Dies findet seine Entsprechung auch in In den Kursen stellen sie eine Minderheit6 der Kurssprache Deutsch als Mutter- bzw.
dem bislang unzureichenden Interesse der von Personen aus unterschiedlichen Her- Zweitsprache. Insofern geben sie wertvolle
Forschung an dieser Personengruppe. Die kunftsländern dar. Ihre Migrationserfah- Hinweise für die im Rahmen des ESF-Bun-
Situation von Migrantinnen und Migran- rung empfinden sie nicht per se als eine desprogramms vorgesehenen Maßnahmen
ten3 in Lehrgängen der beruflichen Weiter- untereinander verbindende Gemeinsam- zur berufsbezogenen Sprachförderung.
bildung war bisher selten Gegenstand wis- keit 7, und mit Schwierigkeiten, die mit ihrer
senschaftlicher Analysen und politischer Migrationssituation zusammenhängen,
• Spezifische Lernsituation –
Konzepte (vgl. exemplarisch: Konsortium versuchen sie sich im Kurs möglichst un-
Unterstützungsangebote
Bildungsberichterstattung 2006, S.138).4 sichtbar zu machen.
Insgesamt ist die Datenlage der beruflichen Das BIBB hat in einem Forschungsprojekt 8
Weiterbildung lückenhaft und unübersicht- am Beispiel von Ausbildereignungslehrgän-
lich (ARNOLD /SCHIERSMANN 2004, S. 33; SEI- Auf das Lehrpersonal gen untersucht, welche Anforderungen in
DEL 2006, S. 35). Für den Erkenntnisstand und die Kursgestaltung den Kursen speziell von Teilnehmerinnen
speziell im Hinblick auf die berufliche Wei- kommt es an und Teilnehmern ausländischer Herkunft
terbildung von Migrantinnen und Migran- als besonders schwierig empfunden wer-
ten trifft diese Aussage aber in besonderer Das BIBB hat in den vergangenen Jahren den können und welche Maßnahmen
Weise zu. Zum einen sind das Verständnis mit zwei Forschungsprojekten die Lernsitu- geeignet sind, sie unter Beibehaltung der
und die Operationalisierung von „Weiter- ation von Migrantinnen und Migranten in inhaltlichen Anforderungen an Lehrgang
bildung“ uneinheitlich.5 Zum anderen exis- beruflichen Weiterbildungskursen mit ge- und Prüfung zu unterstützen. Die Studie
1 BRÜCK-KLINGBERG u. a. beziehen dieses Fazit speziell auf Aussiedler/-innen; für Migrantinnen und Migranten insgesamt vgl. Konsortium 2006, S. 137.
2 Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfasst nach wie vor allein die Staatsangehörigkeit, nicht aber den Migrationshintergrund von Personen.
3 Als Migrant bzw. Migrantin oder Person mit Migrationshintergrund wird hier eine Person definiert, die selbst nach Deutschland eingewandert oder Kind von Einwanderern ist, als Ein-
heimische / Einheimischer eine Person ohne Migrationshintergrund.
4 Auch der Nationale Integrationsplan bleibt im Hinblick auf die Kursgestaltung noch allgemein mit dem Hinweis, dass „auch bei der fachlichen Weiterbildung zu überprüfen (ist), ob
die Methoden der Vermittlung den besonderen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Zielgruppe entsprechen“ (Integrationsplan 2007, S. 78).
5 Während man bis Anfang der 90er-Jahre überwiegend kursbezogene Lernformen der Weiterbildung zurechnete, setzte sich in der jüngsten Vergangenheit ein stark erweiterter Begriff
durch, der alle im Erwachsenenalter intentional durchgeführten Lernprozesse umfasst (vgl. B ILGER 2006, S. 22).
6 In von der Bundesagentur finanzierten Kursen lag der Ausländeranteil in den vergangenen Jahren kontinuierlich bei etwa 9,5 Prozent (Sonderabfragen bei der BA 8/2006 und 7/2007;
eigene Berechnungen).
7 Kriterium für die Auswahl von Kontakten im Kurs sind vielmehr Sympathie und fachliche Gemeinsamkeiten, die sie mit anderen Teilnehmern verbinden können (BETHSCHEIDER /SCHWERIN
2005, 14).
8 Vgl. dazu den Abschlussbericht zum BIBB-Forschungsprojekt 2.9006 (BETHSCHEIDER /SETTELMEYER /SCHWERIN 2002) sowie dies. (2003).
2 REPORT 4 | 2008
Schaubild 3
Würden Sie die schriftliche Prüfung statt in Deutsch lieber in Ihrer Muttersprache
ablegen? (nur Teilnehmer mit anderer Muttersprache als Deutsch)
9 Spezielle AEVO-Lehrgänge für Migrantinnen und Migranten wurden seinerzeit mit dem Ziel durchgeführt, zusätzliche Ausbildungsplätze in Betrieben mit Inhabern ausländischer Her-
kunft zu schaffen.
10 Die Frage: „Welche der nachfolgend aufgeführten Maßnahmen zur Feststellung des Leistungsstands der Auszubildenden am Ende der Prüfungsvorbereitungszeit ist am günstigsten?“
könnte bei gleichem Inhalt so formuliert werden: „Welche Maßnahme ist am sinnvollsten, wenn Sie vor der Prüfung den Leistungsstand der Auszubildenden feststellen wollen?“
(KNOBLOCH 2003, S. 24).
11 Zu den Ergebnissen des BIBB-Forschungsprojekts vgl. BETHSCHEIDER / SCHWERIN (2005).
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gestellt werden müssen, wenn ihre Kursteil- deutsche Sprachkompetenz verfügen, Präzision dient allen Lernenden, unabhän-
nehmer/-innen teils Einheimische und teils kann dies Schwierigkeiten bereiten, die sich gig von ihrer Herkunft – besonders wichtig
Migrantinnen bzw. Migranten sind. im Unterricht insbesondere beim Umgang ist sie aber für Personen, die sich mit den
mit dem Fachvokabular zeigen. Sprachliche fachlichen Inhalten in Deutsch als Zweit-
In diese explorativ angelegte Studie wur-
Verständnisprobleme sind dabei nicht sprache auseinandersetzen.
den Lehrende und Lernende aus Kursen
immer von inhaltlichen zu unterscheiden.
einbezogen, die von der Bundesagentur für
Eine sinnvolle Unterstützung bieten hier die
Arbeit finanziert und in denen Inhalte aus Kulturelle Unterschiede
bereits erwähnten Lernhilfen wie Glossare
dem IT-Bereich (Bürokommunikation, berücksichtigen
mit Erläuterungen der wichtigsten Fach-
Applikationsentwicklung, SAP) vermittelt
begriffe, aber auch zusätzliche Unterrichts- Der Stellenwert von „Kultur“ als Erklärung
worden sind. Durch die Zugangsvorausset-
stunden, in denen Fachbegriffe im Zusam- für individuelles Verhalten kann schnell
zung (Berufsabschluss bzw. Studium) war
menhang mit den zuvor behandelten über- oder unterschätzt werden.12 Deshalb
sichergestellt, dass mögliche, in der Unter-
Inhalten wiederholt und eingeübt werden sollte die Bedeutung, die kulturelle Stan-
suchung erkennbar werdende Probleme
(„weiterbildungsbegleitende Hilfen“). dards13 für das Verhalten einzelner Indivi-
nicht auf eine grundsätzlich mangelnde
duen haben, nicht überbewertet werden.
Lernfähigkeit der Befragten zurückgehen, Da eine kompetente Bilingualität – d. h. die
Bei aller gebotenen Vorsicht ist aber gleich-
sondern andere Ursachen haben müssen. Beherrschung sowohl der Herkunfts- als
wohl davon auszugehen, dass kulturelle
auch der Landessprache auf hohem münd-
Es wurden insgesamt 25 leitfadengestütz- Vorstellungen das Verhalten im Unterricht
lichem und schriftlichem Niveau – nicht bei
te Interviews sowohl mit Trainerinnen und beeinflussen – dies betrifft etwa das Ver-
allen Migrantinnen und Migranten voraus-
Trainern als auch mit Teilnehmerinnen und ständnis von Höflichkeit oder den Umgang
gesetzt werden kann (vgl. ESSER 2006, S. ii),
Teilnehmern unterschiedlicher Herkunft mit Autoritäten, Kritik und Konflikten.
sollte das Lehrpersonal zudem in der Lage
geführt, um die subjektive Sicht der Betei- Manchen unter den Migrantinnen und
sein, auf die besondere Lernsituation von
ligten auf den Kurs (Situationen, in denen Migranten gilt es als „frech“ und „unhöf-
Zweitsprachlern/-innen einzugehen. Bisher
der Migrationshintergrund von Bedeutung lich“, sich bei Verständnisproblemen an
ist dies nicht in systematischer Weise der
ist; Umgang mit Verständnisschwierigkei- den Dozenten zu wenden. Auch Wünsche
Fall. Zwar legen die Trainer/-innen nicht nur
ten) zu ermitteln und dabei sowohl Raum und Kritik werden unter Umständen –
Wert auf ihre Fachkompetenz, sondern
für die persönlichen Assoziationen und wenn überhaupt – nur sehr vorsichtig und
z. B. auch auf didaktische Fähigkeiten zur
Erzählstränge der Interviewten zu lassen als auf Nachfrage hin formuliert. Dies gilt, wie
Unterstützung von Selbstlernprozessen
auch die Möglichkeit vertiefender Nach- die Untersuchung zeigt, selbst dann, wenn
und den Einsatz unterschiedlicher Medien
fragen zu eröffnen. Weitere Informations- es um grundlegende Probleme des Unter-
im Kurs, so dass der Eindruck entstehen
quellen waren teilnehmende Beobach- richts geht wie etwa die Erfahrung anhal-
kann, die Bedürfnisse aller Teilnehmenden
tungen an einzelnen Kurstagen sowie tender Überforderung durch ein allzu
würden per se in gleicher Weise Berück-
Gutachten zu ausgewählten Aspekten des schnelles Kurstempo.
sichtigung finden. Die formale Gleichbe-
Forschungsthemas.
handlung aller Lernenden ist aber mit einer Es besteht dann die Gefahr, dass viele Fra-
Vernachlässigung von Differenzierungen gen offen bleiben, gerade weil Migran-
Kompetenz im Umgang mit verbunden, die sich aufgrund der Grup- tinnen und Migranten zusätzlich zu den
Zweitsprachlern/-innen penstruktur als notwendig erweisen. fachlichen auch besondere sprachliche
Anforderungen zu bewältigen haben. Um
Grundlage der Verständigung in den Kur- Trainerinnen und Trainer benötigen daher
angemessen auf die Lernsituation seiner
sen ist selbstverständlich die deutsche Spra- didaktische und methodische Kenntnisse
Teilnehmer/-innen eingehen zu können,
che. Entsprechende Kenntnisse sind daher und Fertigkeiten, um etwa sprachliche Ver-
benötigt das Lehrpersonal deshalb neben
eine Zugangsvoraussetzung zu den Kursen, mittlungsformen mit visuellen Darstellun-
Kenntnissen zu Fragen des Deutschen als
deren Vorliegen die Träger vorab überprü- gen zu verbinden. Um Schwierigkeiten zu
Zweitsprache auch die Sensibilität für kul-
fen. Für die Lernsituation von Migrantinnen vermeiden, ist auch auf die sprachliche
turelle Unterschiede. Dies kann nicht be-
und Migranten in den Regelkursen der Form der Präsentation fachlicher Inhalte zu
deuten, dass es sich mit allen Einzelheiten
beruflichen Weiterbildung bedeutet dies, achten. Selbst scheinbare Selbstverständ-
der kulturellen Standards verschiedenster
dass sie zusätzlich zu den für alle Teilneh- lichkeiten sind von Bedeutung für das
Herkunftsländer seiner Teilnehmer/-innen
menden geltenden inhaltlichen auch Verständnis der Inhalte – dies betrifft die
bekannt macht. Es bedarf vielmehr einer
sprachliche Anforderungen zu bewältigen Vermeidung von komplizierten Satzkon-
allgemeinen Orientierung, die im Laufe der
haben: Sie erlernen die Fachinhalte in struktionen (Auseinanderreißen zusam-
im Unterricht gemachten Erfahrungen spe-
Deutsch als Zweitsprache – in derselben, mengesetzter Verbformen, eingeschobene
zifiziert wird.
oft knapp bemessenen Zeit wie die mutter- Relativsätze) ebenso wie den Verzicht auf
sprachlichen Kursteilnehmer/-innen. Auch ein stark dialektgefärbtes oder allzu schnel- Der Anthropologe Edward Hall unterschei-
Personen, die über gute alltagssprachliche les, unakzentuiertes Sprechen. Sprachliche det zwischen „High-context“ bzw. „Wir-
12 AUERNHEIMER (2005, S. 18) beschreibt treffend das Dilemma, dass ein Wissen um fremde Kulturmuster einerseits notwendig ist, um Verständnis und Sensibilität für den anderen zu
fördern, es zugleich aber auch Stereotypisierungen begünstigen kann.
13 „Kultur“ wird hier definiert als „Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, (...), insbesondere der Wert-Einstellungen”, vgl. BERNSDORF u. a. (1969, S. 598).
4 REPORT 4 | 2008
Schaubild 4
Einflüsse kultureller Verhaltensstandards auf den Lehr-/Lernprozess
Kulturen“ und „Low-context“ bzw. „Ich- Teilnehmer äußern sich im Unterricht nur, Teilnehmer äußern sich im Unterricht spontan
Kulturen“. Wir-Kulturen, lokalisiert in asia- wenn sie aufgerufen werden
tischen und arabischen Ländern sowie im
Von Dozenten wird erwartet, dass sie alle Dozenten brauchen nicht alles zu wissen
Mittelmeerraum, weisen eine starke Grup-
Antworten kennen
penorientierung auf. Es wird eine eher indi-
rekte Ausdrucksweise bevorzugt; verbale Einem Dozenten widerspricht man nicht; Teilnehmer können widersprechen und den
Botschaften sind weniger bedeutsam als er wird auch nicht kritisiert Dozenten kritisieren
der sie umgebende Zusammenhang, was
Der Dozent gilt auch außerhalb des Unterrichts Außerhalb des Unterrichts haben Dozenten
die Beziehung zwischen den Kommunika-
als Vorbild keinen herausgehobenen Status
tionspartnern einschließt. Ich-Kulturen, die
H ALL u. a. in Deutschland, der Schweiz, Harmonie ist stets zu wahren Kritik und wissenschaftlicher Streit gelten
Skandinavien und weiteren nordeuropäi- als fruchtbar.
schen Staaten ausmacht (HALL / HALL 1990,
6 f.), sind dagegen logisch ausgerichtet, DIETRICH VON QUEIS: Einflüsse kultureller Verhaltensstandards auf den Lehr- / Lernprozess
individualistisch und handlungsorientiert. (unveröff. Manuskript); Hamburg, 2005.
öffentlich blossgestellt werden. Beispiel beruflichen Weiterbildung rungsangebote, die von der Bundes-
agentur für Arbeit, den kommunalen
dafür ist etwa der gut gemeinte Appell
Arbeitsgemeinschaften zur Grundsiche-
eines Trainers, Deutsch zu sprechen („wir Wenn berufliche Weiterbildung migrations-
rung für Arbeitssuchende und anderen
lachen auch nicht“) oder ein Lob, das als spezifische Aspekte in ihren Angeboten
Trägern gemacht werden, nicht ersetzen
Anerkennung für einen Beitrag stets und berücksichtigt, wird die zusätzliche sprach-
oder in Konkurrenz zu ihnen treten,
völlig unabhängig von der dabei erbrach- liche Leistung anerkannt, die Migrantinnen
sondern sie um ein weiteres Angebot
ten Leistung gespendet wird. Wie die Inter- und Migranten in der Weiterbildung erbrin-
mit sprachlichen Hilfen ergänzen.
views zeigen, trägt auch die Befürchtung, gen, und ihre fachliche Qualifizierung für
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REPORT
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Das Programm sieht unter anderem vor, Arbeit und die Einbrüche in der Weiter- bedeutet es eine Vergeudung vorhande-
Migrantinnen und Migranten zu unter- bildung „mit massiven Honorarkürzun- ner Ressourcen. Durch eine Neufassung
stützen, die an Maßnahmen der beruf- gen einhergehen“. Nach Abzug der und Vereinheitlichung von Regelungen
lichen Weiterbildung zusammen mit Sozialabgaben bleibt den Lehrenden zur Anerkennung von Bildungs- und
Personen ohne Migrationshintergrund teilweise ein Stundenlohn von acht Berufsabschlüssen sollten deshalb die
teilnehmen und berufsbezogenen Euro, so dass in der Weiterbildung tätige Chancen von Migrantinnen und
Sprachunterricht zusätzlich zum Fach- Freiberufler/-innen mit ihrem Verdienst Migranten auf einen ihrer Qualifikation
unterricht im Sinne einer weiterbil- unter das Existenzminimum kommen entsprechenden Zugang zum Arbeits-
dungsbegleitenden Hilfe in Anspruch können (ebda.). Es besteht die Gefahr, markt verbessert werden. Das BAMF hat
nehmen wollen. Teilnehmen können dass sich die Prekarität der Arbeitssitu- sich verpflichtet, unter anderem in
auch Personen, die über einen qualifi- ation von Lehrkräften unmittelbar auf Zusammenarbeit mit der Kultusminister-
zierten Bildungs- oder Berufsabschluss die Qualität der Angebote auswirkt, weil konferenz ein Konzept zur beruflichen
verfügen.14 Weiterbildner kaum mehr in die eigene Integration von Zuwanderern zu erar-
Fortbildung investieren und gerade kom- beiten. Dies sollte sich jedoch nicht, wie
• Kursdauer: In der von der Bundesagen- petente und engagierte Trainer/-innen bislang vorgesehen, allein auf Akademi-
tur für Arbeit geförderten beruflichen wo immer möglich in besser bezahlte kerinnen und Akademiker beziehen (vgl.
Weiterbildung wurde die Kursdauer bei Bereiche abwandern. Eine angemessene Integrationsplan 2007, S. 80), sondern
gleich bleibendem Umfang der zu ver- Honorierung von Lehrpersonal, das sich auch andere Berufsgruppen einschlie-
mittelnden Fachinhalte zum Teil erheb- für die Arbeit mit gemischten Lern- ßen.
lich gekürzt. Zeitknappheit aber wirkt gruppen qualifiziert hat, ist deshalb zur
als Hürde für die Lernenden, notwen- Sicherung der Qualität beruflicher • Nachqualifizierung: Wenn im Ausland
dige Fragen zu stellen und sich das Weiterbildung unerlässlich. erworbene berufliche Abschlüsse nicht
Gelernte durch Übungen anzueignen – passgenau an die Erfordernisse des
dies gilt für alle Teilnehmer/-innen, un- deutschen Arbeitsmarktes anschließen,
abhängig von der Herkunft. Für diejeni- Weitere Empfehlungen aber teilweise anerkannt werden, sind
gen unter ihnen, die die Fachinhalte in für eine bessere Anpassungsqualifizierungen notwendig.
Deutsch als Zweitsprache erlernen, sind Arbeitsmarktintegration Hier werden etwa berufsspezifische
die Folgen aber besonders weitreichend. Fachsprachenkenntnisse und Wissen
Denn sie können zum einen mehr Zeit Berufsbezogene Sprachförderung, wie im über die in Deutschland für einzelne
als Muttersprachler benötigen, um die ESF-Bundesprogramm vorgesehen, kann Berufsfelder gültigen rechtlichen Rege-
Lehrmaterialien durchzuarbeiten, und die Qualifizierung von Migrantinnen und lungen vermittelt. Das BAMF hat sich im
zum anderen sprachlich begründete Migranten unterstützen und so über Bil- Rahmen des Nationalen Integrations-
Verständnisfragen haben, deren Beant- dungsgrad und Arbeitsintegration „die plans verpflichtet, ein Konzept zur Inte-
wortung zusätzliche Zeit erfordern soziale Platzierung, den Zugang zu zentra- gration zugewanderter Ärztinnen und
würde. Ein ausgewogenes Verhältnis len gesellschaftlichen Positionen, die Teil- Ärzte aus den Nachfolgestaaten der
zwischen dem Umfang der zu ver- habe am gesellschaftlichen Reichtum und ehemaligen Sowjetunion zu erarbeiten,
mittelnden Fachinhalte und der Dauer an politischen Entscheidungsprozessen“ die Handlungsvorschläge modellhaft zu
der Kurse ist deshalb für den Lernpro- positiv beeinflussen (G ESEMANN 2007, erproben und in die Regelangebote der
zess der sprachlichen Minderheit von S. 50; ähnlich SEIFERT 2007, S. 12). Im Inter- Integrationsförderung zu überführen
besonderer Bedeutung.15 esse einer besseren Integration in den (Integrationsplan 2007, S. 80). Auch für
Arbeitsmarkt sind darüber hinaus weitere andere Berufsgruppen (z. B. Lehrer,
• Angemessene Honorierung des Schritte notwendig: nichtärztliche Gesundheits-Fachberufe,
Lehrpersonals: Die Folgen der Verän- Handwerker) sollte entsprechend ver-
derungen in der Weiterbildung, die in • Anerkennung ausländischer Bil- fahren werden.
den vergangenen Jahren stattgefunden dungsnachweise: Bildungs- und
haben, sind nach Ansicht des Deutschen Berufsabschlüsse von Migrantinnen und • Information und Sensibilisierung
Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) Migranten, die im Ausland erworben von Personalverantwortlichen für
mit Blick nicht nur auf die sinkende Zahl wurden, werden in Deutschland häufig Migrationsfragen: Die Begriffe „Mi-
hauptamtlich Mitarbeitender, sondern nicht anerkannt.16 Für die Betroffenen grant/Migrantin“ und „Migrationshin-
auch auf die Honorierung des Lehrper- hat dies zur Folge, dass ihnen der tergrund“ können die Heterogenität des
sonals „dramatisch“ (KRAFT 2006, S. 4). Zugang zu einer Tätigkeit, die ihren Personenkreises, der damit umschrieben
Es zeigt sich, so das DIE, dass die Mittel- Fähigkeiten entspricht, grundsätzlich wird, nicht adäquat abbilden. Migran-
kürzungen der Bundesagentur für verwehrt ist; für die Volkswirtschaft tinnen und Migranten unterscheiden
14 Dass Sprachförderung ohne berufliche Qualifizierung zu kurz greift, zeigt DEEKE (2007).
15 Ein stimmiges Verhältnis von Zeitrahmen und Stoffmenge verhindert zudem, dass Trainerinnen und Trainer zwischen zeitlichem Druck auf der einen und dem Anspruch an ihre Ver-
mittlungstätigkeit auf der anderen Seite zerrieben werden.
16 Zu diesem „Brain Waiste“ vgl. ENGLMANN /MÜLLER 2007.
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sich im Hinblick auf Merkmale wie den
Bildungsstand und die Berufserfahrung,
ihre soziale Lage oder auch kulturelle
Weiterführende Literatur
Zugehörigkeiten untereinander ebenso
wie Einheimische. Personalverantwort- Arnold, Rolf; Schiersmann, Christiane: Entwicklungstrends im Weiterbildungs-
liche in Unternehmen und Behörden bereich, in: Baethge, Martin; Buss, Klaus-Peter; Lanfer, Carmen: Expertisen zu kon-
sollten notwendige Differenzierungen zeptionellen Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht – Berufliche Bil-
vornehmen können, um Diskriminierun- dung und Weiterbildung / Lebenslanges Lernen, Bonn/Berlin 2004, S. 33–66
gen in Prozessen der Personalrekrutie-
rung zu vermeiden. Sie benötigen Auernheimer, Georg: Interkulturelle Kommunikation und Kompetenz, in: Migra-
migrationsspezifische Kenntnisse und tion und Soziale Arbeit, 27 (2005), 1, S. 15–22
die Fähigkeit zur Reflexion eigenen
Verhaltens, um etwa auf das äußere Bernsdorf, Wolfgang u. a. (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1969
Erscheinungsbild oder einen spezifi-
Bethscheider, Monika; Schwerin, Christine; Settelmeyer, Anke: Gezielt Unter-
schen Habitus von Bewerbern/-innen
stützung anbieten! Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausländischer Herkunft
nicht mit unüberlegten Ressentiments
in Ausbildereignungslehrgängen. Eine Studie zur beruflichen Weiterbildung
zu reagieren.
von Migrantinnen und Migranten, Bielefeld 2003
• Forschung und Evaluation: Die Förde- Bethscheider, Monika; Schwerin, Christine: Anforderungen an Trainerinnen und
rung von Migrantinnen und Migranten Trainer in der beruflichen Weiterbildung von Lerngruppen mit Teilnehmenden
im Hinblick auf Weiterbildung und deutscher und anderer Herkunft – Grundlagen einer Zusatzqualifikation, Bonn
berufliche Integration bedarf einer 2005
verbesserten Datenlage und differenzie-
render, d.h. die Heterogenität der Ziel- Bethscheider, Monika; Troltsch, Klaus: Aspekte der „Etablierten-Außenseiter-
gruppe berücksichtigender Erkenntnisse Figuration“ in der beruflichen Weiterbildung – Lerngruppen mit Teilnehmen-
hinsichtlich der Faktoren, die entspre- den unterschiedlicher Herkunft, in: REPORT, 30. (2007), 3, S. 51–60
chende Prozesse hemmen bzw. sie
unterstützen. Um empirisch begründete Bilger, Frauke: Migrantinnen und Migranten – eine weitgehend unbekannte
Aussagen über die Qualität von Weiter- Zielgruppe der Weiterbildung. Empirische Kenntnisse und methodische Her-
bildungsangeboten im Hinblick auf die ausforderungen, in: REPORT, 29 (2006), 2, S. 21–31
Integration von Migrantinnen und
Brück-Klingberg, Andrea u. a.: Spätaussiedler mit höherer Bildung sind öfter
Migranten treffen zu können, sollten sie
arbeitslos. IAB-Kurzbericht Ausgabe Nr. 8 / 2. 4. 2007
bei der Evaluation von Maßnahmen
regelmäßig und systematisch als eine Bundesagentur für Arbeit: Analytikreport Statistik. Analyse des Arbeitsmark-
Zielgruppe berücksichtigt werden. tes für Ausländer, o. O. (Nürnberg), Dezember 2006
Selbstverständlich bildet die Situation jun- Bundesregierung, Presse- und Informationsamt (Hrsg.): Der Nationale Integra-
ger Migrantinnen und Migranten in Schule tionsplan – Neue Wege – Neue Chancen, Berlin, Juli 2007
und Ausbildung/Beruf einen Schwerpunkt
der bildungs- und integrationspolitischen Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Berufliche Weiter-
Diskussion, denn die Jungen jedweder Her- bildung – Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit,
kunft gestalten die Zukunft unserer Gesell- Berlin, Mai 2007
schaft. Es ist aber ein folgenreiches Ver-
säumnis, angesichts vieler ungelöster Deeke, Axel: Sprachförderung allein greift häufig zu kurz. IAB-Kurzbericht,
Probleme der nachwachsenden Generation Ausgabe 3, 31.1. 2007
die Förderung und Qualifizierung der
Englmann, Bettina; Müller, Martina: Brain Waste. Die Anerkennung von auslän-
Erwachsenen zu übersehen. Beides ist
dischen Qualifikationen in Deutschland, Augsburg 2007
untrennbar verknüpft. Bildungserfolge
werden häufig über mehr als eine Genera- Esser, Hartmut: Migration, Sprache und Integration, AKI-Forschungsbilanz 4,
tion hinweg sozial vererbt (F UCHS /S IXT Berlin 2006
2007). Die Bildungs- und Berufsverläufe
der Eltern und sogar der Großeltern sind Fischer, Veronika; Springer, Monika; Zacharaki, Ioanna (Hrsg.): Interkulturelle Kom-
von erheblicher Bedeutung für die Startpo- petenz. Fortbildung – Transfer – Organisationsentwicklung, Schwalbach /Ts. 2005
sitionen der nachwachsenden Generation
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REPORT
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im Bildungs-/Ausbildungssystem und am
Arbeitsmarkt. Frank, Irmgard; Gutschow, Karin; Münchhausen, Gesa: Das Meistern des Lebens
anerkennen – Informell erworbene Kompetenzen als Teil des lebensbegleiten-
Ob die heute Erwachsenen erfolgreich teil- den Lernens, in: BWP 32 (2003) 4, S. 16–20
haben oder trotz beruflicher Qualifikation
ohne eine berufliche Perspektive in Fuchs, Marek; Sixt, Michaela: Zur Nachhaltigkeit von Bildungsaufstiegen, in:
Deutschland leben, entscheidet deshalb KZfSS, 59 (2007), 1, S. 1–29
nicht allein mit über ihren eigenen Lebens-
weg. Nachhaltig geprägt sind auch die Gesemann, Frank: Indikatoren der Integration im Bildungsbereich, in: Der Beauf-
Chancen ihrer Kinder, gleichwertig akzep- tragte des Senats von Berlin für Integration und Migration (Hrsg.): Berliner Beiträge
tierte Mitglieder der Gesellschaft zu zur Integration und Migration. Indikatoren zur Messung von Integrations-
werden oder aufgrund ihrer Herkunft dau- erfolgen, Berlin 2007, S. 48–70
erhaft „benachteiligt“ zu sein. Anders for-
Hall, Edward T.; Hall, Mildred Reed: Understanding Cultural Differencies,
muliert: Wie berufliche Qualifikationen und
Yarmouth, Maine 1990
Kompetenzen der Elterngeneration wahr-
genommen, ob sie ignoriert oder auf der Hönekopp, Elmar: Situation und Perspektiven von Migranten auf dem Arbeits-
Grundlage klar geregelter Verfahren ganz markt in Deutschland – ein Problemaufriss in 14 Befunden. Statement für die
bzw. teilweise anerkannt und durch Wei- AG 3 „Integration und Arbeitsmarkt“ im Rahmen des Nationalen Integrations-
terbildung gefördert werden, entscheidet plans. Dokumentation des Beratungsprozesses, (Hrsg.): Bundesministerium für
mit darüber, ob der bisher feststellbaren Arbeit und Soziales, Berlin 2007, S. 158–166
Bildungsbenachteiligung von Migranten-
kindern (S IXT /F UCHS , o. J.) nachhaltig ent- Hoffmann, Ralf: Aktivierung und Förderung von Teamidentität – gruppen-
gegengesteuert wird. Dazu gibt es keine pädagogische Anforderungen an das Lehrpersonal in beruflichen Weiter-
akzeptable Alternative. bildungslehrgängen mit Teilnehmenden unterschiedlicher Herkunft, Rösrath
2005 (Unveröff. Manuskript)
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