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Ortner

in PV-Info 7/2011, 10

Die Todfallsabfertigung aus arbeits­rechtlicher Sicht


(Teil 1)
HANNELORE ORTNER

Wird das Arbeits­verhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet, stellen
sich für den Personalverrechner ua die Fragen,
welche Entgeltansprüche
entstanden sind und an wen diese ausbezahlt werden dürfen und müssen. Der
erste Teil behandelt ausschließlich
die arbeits­rechtlichen Frage­stellungen
hinsichtlich der Todfallsabfertigungen.

Tod des Arbeitnehmers

Der Tod des Arbeitnehmers beendet automatisch das Arbeits­verhältnis,


unabhängig davon, ob dieses befristet oder unbe­fristet abgeschlossen wurde.
Dies ergibt sich aus
der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur persönlichen
Arbeits­leistung.

1. Todfallsabfertigung „alt“

Anspruch und Höhe

Unterliegt das Arbeits­verhältnis dem „alten“ Abfertigungs­recht (grundsätzlich


für Arbeits­verhältnisse, die vor dem 1. 1.
2003 begonnen wurden),

beträgt die Todfallsabfertigung nur die Hälfte der sonst zustehenden


gesetzlichen Abfertigung und
gebührt unmittelbar nur den gesetzlichen Erben , zu deren Erhaltung der
Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Todes gesetzlich verpflichtet war (
§ 23 Abs 6
AngG, § 2 Abs 1 Arbeiterabfertigungs­gesetz [ArbAbfG]).

Anspruch auf Todfallsabfertigung haben nur „die im Zeitpunkt des Todes des
Arbeitnehmers (des Erblassers) noch unterhaltsbe­rechtigt gewesenen
gesetzlichen Erben “ . Folglich können die Erben dann keinen Abfertigungs-­
anspruch geltend machen, wenn sie keinen gesetzlichen Unterhalts­anspruch
im
Todeszeitpunkt hatten. Der Unterhalts­anspruch zu einem späteren Zeitpunkt ist
für die Todfallsabfertigung daher irrelevant.
Sind keine unterhaltsbe­rechtigten
gesetzlichen Erben vorhanden , so verfällt der Abfertigungs­anspruch zur Gänze.
Die Fälligkeitsbestimmungen gelten bei der Todfallsabfertigung unverändert. Die
Zahlung ist daher auch in diesem Fall in ganzen Monats­entgelten und nicht in
halben Monats­entgelten vorzunehmen.

Erbenkreis

Gemäß dem
ABGB bzw aufgrund der Rechtsprechung kommen folgende
Unterhaltsbe­rechtigte in Betracht:

die Witwe (bzw der Witwer);


der im Partnerschaftsbuch eingetragene Partner;
die Kinder bzw Adoptivkinder, die zum Zeitpunkt des Todes des
Arbeitnehmers noch nicht selbsterhaltungsfähig waren;
Eltern bzw Elternteile, selbst dann, wenn sie über mehr als die
Mindestpension verfügen.

Sind mehrere Personen anspruchsbe­rechtigt, so ist die Todfallsabfertigung nach


Kopfquoten (zu gleichen Teilen) aufzuteilen (sind zB vier unterhaltsbe­rechtigte
Erben vorhanden, so erhält jeder ein Viertel der halben
Abfertigung).

Vorliegen eines Unterhalts­anspruchs

Die Frage, ob im konkreten Einzelfall ein Unterhalts­anspruch besteht, ist nach


dem bürgerlichen Recht zu beurteilen. Demnach
sind eigene Einkünfte des
Unterhaltsbe­rechtigten, die die Unterhalts­verpflichtung des Arbeitnehmers
mindern oder aufheben
können, zu berücksichtigen. Verdienen zB beide
Ehepartner, dann kommt die Seite 11
Unterhalts­pflicht gegenüber dem
Ehepartner nur dann in Betracht, wenn die Einkommen zumindest im Verhältnis
60:40 voneinander
abweichen, weil nur in diesem Fall eine Unterhalts­pflicht
besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung beträgt nämlich der
Unterhalts-­
anspruch des Ehepartners mit dem geringeren Einkommen idR etwa 40 % des
Familien­einkommens abzüglich des eigenen
Einkommens, wenn keine weiteren
Sorge­pflichten bestehen.

Beispiel 1
+ (Netto-)Einkommen des verstorbenen Arbeitnehmers: € 2.850,– +
(Netto-)Einkommen der Witwe: € 750,– = Familien­einkommen: € 3.600,– 40 %
davon: € 1.440,–
Die Witwe war (zum Todeszeitpunkt) deshalb unterhaltsbe­rechtigt, weil sie
weniger als 40 % (€ 1.440,–) zum Familien­einkommen
beigetragen hat; ihr
steht die Todfallsabfertigung zu .

Erbenkreis nicht bekannt

Sind die anspruchsbe­rechtigten Erben, die zum Todeszeitpunkt noch


unterhaltsbe­rechtigt waren, nicht bekannt oder besteht
Ungewissheit über
deren Anspruch, ist mit der Auszahlung der Abfertigung zuzuw­arten bzw eine
Anfrage an das Verlassenschafts­gericht
(= Bezirks­gericht, in dessen Sprengel der
verstorbene Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hatte) zu stellen. Will man aus
sozialen
Gründen mit der Auszahlung nicht zuwarten, bis die Erbschaftsfragen
geklärt sind, sollte man vorsichtshalber einen Rückzahlungs­vorbehalt
vereinbaren oder eine gerichtliche Hinterlegung vornehmen.

Rückzahlungs­verpflichtung

Wird nach dem Tod des Arbeitnehmers dennoch (zB unwissend) die halbe
Abfertigung an den überlebenden Ehepartner ausbezahlt,
obwohl dieser keinen
gesetzlichen Unterhalts­anspruch gegenüber dem Verstorbenen hatte, kommt
dieser Zahlung keine Unterhaltsfunktion
zu. In diesem Fall ist der überlebende
Ehepartner zur Rückzahlung verpflichtet ; der Grundsatz des gutgläubigen
Verbrauchs gilt nicht.

Arbeits­verhältnisende vor dem Tod

Hat das Arbeits­verhältnis vor dem Tod des Arbeitnehmers geendet und wurde
ein Abfertigungs­anspruch erworben, die Abfertigung vom Arbeitnehmer jedoch
noch nicht
oder mangels Fälligkeit noch nicht zur Gänze bezogen, so steht der
(noch ausstehende) Abfertigungs­anspruch den testamentarischen
oder
gesetzlichen Erben in voller Höhe zu. Dieser Abfertigungs­anspruch fällt, wie alle
anderen Ansprüche (zB Lohn/Gehalt, Remunerationen bis zum Todestag), in
den
Nachlass . 1)
1) Die Hinterlassenschaft (Erbschaft) des Erblassers im Zeitpunkt des Todes. Sie ist vom Ausgang
des Verlassenschafts­verfahrens,
insbesondere von der Abgabe einer Erbserklärung, völlig
unabhängig.

Beispiel 2
Das Arbeits­verhältnis wird vom Arbeitgeber nach 22 Dienstjahren per 30. 6.
2011 gekündigt.
Der Abfertigungs­anspruch „alt“ beträgt für 9 Monats­entgelte 9 x € 3.000,– =
€ 27.000,– und wird vom Arbeitgeber im Sinne
des § 23 Abs 4 AngG in Raten
gezahlt.
Davon werden 3 Monats­entgelte (€ 9.000,–) bei Arbeits­verhältnisende am
30. 6. 2011 und die restlichen 6 Monats­entgelte
in monatlichen Teilbeträgen
jeweils in Höhe eines Monats­entgelts (je € 3.000,–) ab dem vierten Monat im
Voraus, ab 1. 10.
2011, gezahlt.
Der ehemalige Mitarbeiter verstirbt am 10. 11. 2011.

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Lösung:
Das Arbeits­verhältnis wurde durch Kündigung per 30. 6. 2011 ordnungsgemäß
beendet. Der noch offene Abfertigungs­betrag in
Höhe von € 12.000,–
(Gesamtabfertigung in Höhe von € 27.000,– abzüglich bereits ausbezahlter
Abfertigung in Höhe von € 15.000,–)
fällt in vollem Ausmaß in die
Verlassenschaft und wird in weiterer Folge daher auf den bzw die übrigen
Erben aufgeteilt.

Tod während der Kündigungs­frist

Der Anspruch der gesetzlichen Erben besteht gegebenenfalls auch dann, wenn
der Arbeitnehmer zwar selbst gekündigt hat, vor Ablauf der Kündigungs­frist
jedoch
verstorben ist, weil das Arbeits­verhältnis diesfalls durch den Tod und
nicht durch die Arbeitnehmerkündigung beendet wurde
(
OGH 12. 9. 1961, 4 Ob
82/61).

Beispiel 3
Das Arbeits­verhältnis wird vom Arbeitgeber nach 22 Jahren Dienstzeit am
25. 2. 2011 per 30. 6. 2011 gekündigt.
Am 30. 6. 2011 würde der Abfertigungs­anspruch „alt“ für 9 Monats­entgelte
zustehen.
Der Arbeitnehmer verstirbt am 3. 5. 2011.

Lösung:
Das Arbeits­verhältnis wurde vor dem Kündigungstermin am 3. 5. 2011 durch
Tod des Arbeitnehmers beendet. Die Todfallsabfertigung (die Hälfte der sonst
zustehenden gesetzlichen Abfertigung zum 3. 5. 2011 ) steht direkt den
Unterhaltsbe­rechtigten zu und kommt nicht in den Nachlass .

Anmerkung: Ausschlag­gebend für die Beurteilung, ob eine Abfertigung, eine


Todfallsabfertigung oder allenfalls keine Abfertigung zusteht,
ist bei
Zusammentreffen mehrerer Beendigungs­arten daher immer, welche
Beendigungs­art das Dienst­verhältnis zuerst arbeits­rechtlich beendet (dh, ob der
Endtermin früher anzusetzen ist).

Ungekürzte Todfallsabfertigung

Der Anspruch der gesetzlichen Erben auf Todfallsabfertigung ist unmittelbarer


Natur und hat mit Ansprüchen der Verlassenschaft
nichts zu tun. Demnach ist
eine solche Abfertigung den Unterhaltsbe­rechtigten direkt auszuzahlen und fällt
nicht in den Nachlass. Daher kann der Arbeitgeber zu Lebzeiten des
Arbeitnehmers an diesen geleistete
Gehaltsvorschüsse oder zu Lebzeiten des
Arbeitnehmers entstandene Schadenersatzansprüche gegen eine solche
Abfertigung nicht aufrechnen , weil der ehemalige Arbeitnehmer zu Lebzeiten
noch keine Verfügungsgewalt über den Abfertigungs­anspruch hatte. Aus dem
gleichen Grund steht den Unterhaltsbe­rechtigten im Fall des Todes eines
gepfändeten Arbeitnehmers diese Abfertigung ungekürzt
( ungepfändet ) zu.
Kollektiv­vertraglich geregelte Besser­stellungen hinsichtlich der Höhe der
Todfallsabfertigung und besondere Zuordnungen bzw abweichende
Teilungsregeln bei kollektiv­vertraglichen
Abfertigungsüberhängen hinsichtlich
der Anspruchs­berechtigung sind zu beachten!

2. Todfallsabfertigung „neu“

Anspruch und Höhe

Unterliegt das Arbeits­verhältnis dem „neuen“ Abfertigungs­recht (grundsätzlich


für Arbeits­verhältnisse, die ab dem 1. 1.
2003 begonnen haben, bzw für
Übertrittsfälle), Seite 13
gebührt bei Beendigung des Arbeits­verhältnisses durch
den Tod des Arbeitnehmers (Anwartschaftsbe­rechtigten) die volle
Todfallsabfertigung. Diese umfasst die eingezahlten Beiträge zur Betrieblichen
Vorsorge zuzüglich eventueller Übertragungs­beträge sowie Veranlagungserträge
, abzüglich Verwaltungs­kosten, Depot­gebühr etc).
Manche Kollektiv­verträge (zB Kollektiv­vertrag für Versicherungs-­
unternehmen/Innen­dienst) enthalten Bestimmungen für Neueintretende ab 1. 1.
2003,
dass sie neben der Abfertigung „neu“ zusätzlich 50 % der fiktiven
Abfertigung „alt“ erhalten.

Erbenkreis

Anspruchsbe­rechtigt sind gemäß §  14 Abs  5 Betriebliches Mitarbeiter- und


Selbständigenvorsorge­gesetz (BMSVG) unabhängig von einem gesetzlichen
Unterhalts­anspruch

die Witwe (bzw der Witwer);


der im Partnerschaftsbuch eingetragene Partner;
die Kinder, Adoptiv-, Pflege- und Stiefkinder, die zum Zeitpunkt des Todes des
Arbeitnehmers Familienbeihilfe bezogen haben.

Sind mehrere Personen anspruchsbe­rechtigt, so ist die Todfallsabfertigung nach


Kopfquoten (zu gleichen Teilen) aufzuteilen.
Rechts­anspruch gegenüber BV-Kassen

Die Todfallsabfertigung ist ein direkter Rechts­anspruch gegenüber den


Betrieblichen Vorsorgekassen (BV-Kassen) und fällt somit nicht in den Nachlass.
Der Anspruch ist innerhalb
von drei Monaten nach dem Todeszeitpunkt des
Arbeitnehmers schriftlich geltend zu machen.
Falls keine anspruchsbe­rechtigten Personen vorhanden sind, so fällt die
Todfallsabfertigung in die Verlassenschaft und wird in weiterer Folge auf den bzw
die übrigen Erben aufgeteilt.

Hinweis für die Praxis

Wenn der Arbeitnehmer während der Auszahlungsphase stirbt, nachdem er sich


einem Versicherungs­unternehmen oder Pensionskasse
gegenüber für die
Zusatzpension entschieden hat, geht das angesp­arte Kapital verloren. Um dies
zu vermeiden, empfiehlt sich
die Vereinbarung einer Hinterbliebenen­klausel (zB
Witwen­klausel).

Aviso

Der zweite Teil zu diesem Thema in der nächsten PV-Info beinhaltet die abgaben-­
rechtliche Behandlung von Todfallsabfertigungen.

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