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Zusammenfassung Ringparabel, 3 Aufzug, 7 Auftritt

Es lebte einst ein Mann, der einen Ring von unschätzbarem Wert besaß. Man sagte, dass der
glänzende Stein in diesem Ring die geheime Kraft besaß, den Träger vor Gott und den
Menschen beliebt zu machen, wenn man nur danach handelte und an die Wirkung glaubte. Da
es sich um ein Familienerbstück handelte, das immer vom Vater an seinen Lieblingssohn
vererbt wurde, stand der Mann bald vor einem großen Problem: Er hatte drei Söhne und liebte
sie alle gleichermaßen. Deshalb beschloss er eines Tages, zwei weitere Ringe herzustellen, die
dem echten zum Verwechseln ähnlich sahen. Kurz vor seinem Tod übergab er jedem Sohn
einen Ring und versicherte jedem, dass er den echten habe. Nachdem der Mann gestorben
war, brach ein großer Streit zwischen den drei Söhnen darüber aus, wer nun in Besitz des
echten Ringes war. Voller Zorn und Hass zogen sie vor Gericht, auf dass der Richter
bestimmen sollte, welches der echte Ring sei. Doch dieser gab den Söhnen zu bedenken, dass
ihrem Verhalten nach keiner den echten Ring besitzen könne. Schließlich habe der Ring die
Eigenschaft, den Träger vor Gott und den Menschen beliebt zu machen. Er gab ihnen
außerdem den Rat, dass die drei Söhne von nun an danach streben mögen, die Kraft des
Ringes sichtbar zu machen, danach zu handeln und daran zu glauben. Erst wenn dies
geschehen sei und diese Eigenschaft auch bei ihren Kindern, Enkel und Urenkel sichtbar
werde, könne entschieden werden, in wessen Besitz sich der wahre Ring befinde.
(Kurzfassung der Ringparabel; Originaltext: Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise,
III,7)

Fragen zur Ringparabel:


Welche geheimen Kräfte besaß der Ring?
Warum ließ der Mann zwei weitere Ringe herstellen?
Wie reagierten die Söhne darauf, dass jeder einen Ring besaß?
Wie antwortete der Richter und welchen Rat gab er den drei Söhnen?
Was hältst du von dem Rat des Richters?
INTERPRETATION DER RINGPARABEL

Die Ringparabel ist der Hohepunkt des Dramas Nathan der Weise von Gotthold Ephraim


Lessing. Als Parabel wird eine lehrhafte Textsorte bezeichnet, die durch den Leser
entschlüsselt werden muss. Diese Geschichte befindet sich im siebenten Auftritt des dritten
Akts. Hierbei wird Nathan zum Sultan gerufen und von diesem befragt, welche der drei
Weltreligionen die einzig wahre für ihn sei. Nathan antwortet dem Sultan mit der bekannten
Ringparabel. Inhaltlich geht es in der Parabel um einen Ring, der die Fähigkeit besitzt, seinen
Träger bei den Menschen angenehm zu machen, der immer vom Vater an den liebsten Sohn
vererbt wird. Nun tritt aber der Fall ein, dass ein Vater seine drei Söhne gleichermaßen liebt
und deshalb jedem Sohn eine Nachbildung des Ringes vererbt. Die Söhne suchen einen
Richter auf, der ihnen helfen soll, den richtigen Ring zu finden. Doch auch dieser kann ihnen
nicht helfen. Die Parabel kann nun dahingehend gedeutet werden, dass diese drei Ringe für
die drei monotheistischen Weltreligionen (Judentum, Christentum und Islam) stehen und der
Vater für einen liebenden Gott. Die Söhne wären hier die Anhänger der jeweiligen Religionen
und Nathan der Richter, der keiner Religion einen Vorzug geben kann. Gott (Vater) liebt
demnach alle Menschen (Söhne), vollkommen gleich, welcher Religion (Ring) sie angehören,
wobei keine Religion die richtige ist, da sie sich in ihren Grundzügen gleichen.Diese religiöse
Toleranz ist es nun, welche Lessing in seinem Werk und vor allem in der Ringparabel
aufgreift. Denn dort wird einerseits auf ein vorurteilsfreies Denken verwiesen, wenn der
Richter die drei Brüder dazu aufruft, ihrer vorurteilsfreien Liebe nachzugehen sowie
andererseits die Richtigkeit aller anderen Ringe (Religionen) gefordert. Denn liebt sich
[jeder] selber nur, so sind alle drei / Betrogene Betrüger.Eine mögliche Deutung wäre
also, dass jede Religion, die nur sich selbst akzeptiert und anderen Religionen ihre
Existenzberechtigung abspricht, selbst nur Betrug wäre und selbst betrogen ist, wenn andere
Religionen genau den gleichen Anspruch verfolgen. Es geht also um die Toleranz der
Religionen sowie ihrer Anhänger untereinander. Dieser Gedanke ist aufklärerisch und auch
aus heutiger Sicht absolut modern.

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