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NATHAN DER WEISE –

AUFKLÄRUNG - 1779

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1.NATHAN DER WEISE

Das Drama »Nathan der Weise« von Gotthold Ephraim


Lessing wurde 1783 in Berlin uraufgeführt. Es spielt zur Zeit des
Dritten Kreuzzuges (1189–1192) während eines Waffenstillstands in
Jerusalem. Protagonist ist der jüdische Kaufmann Nathan, der für
Humanität, Toleranz und Religionsfreiheit steht. Damit entspricht
er dem Menschenbild der Aufklärung. Im Stück gelingt ihm die
Versöhnung der drei monotheistischen Weltreligionen.

INHALTSANGABE
Nathan, ein reicher jüdischer Kaufmann, kommt von einer langen
Geschäftsreise zurück. Er erfährt, dass es in seiner Abwesenheit zu einem Brand in
seinem Haus gekommen sei. Ein christlicher Tempelherr habe seine
Tochter Recha gerettet. Nathan hört außerdem, dass jener Ordensritter sein Leben
dem Sultan verdanke. Der habe ihn als einzigen von zwanzig gefangenen
Tempelherren begnadigt, weil er dem verschollenen Bruder des Sultans, Assad,
ähnlich sehe.

Nathan möchte sich bei dem Tempelritter für die Rettung seiner Tochter bedanken.
Er schickt Rechas Erzieherin, die Christin Daja, mit einer Einladung zu ihm. Der
Tempelherr lehnt ab, da er mit Juden nicht verkehren will. Doch Nathan gibt nicht
auf und fängt den Ordensritter auf der Straße ab. Dieser verhält sich Nathan
gegenüber zunächst sehr abweisend, lässt sich dann aber zunehmend von seiner
toleranten Art einnehmen.

Unterdessen denkt Sultan Saladin darüber nach, wie er Frieden zwischen den


Christen und Muslimen schaffen könne. Er weiß, dass seine Kassen leer sind und
er seinen Gegnern nicht viel anzubieten hat, damit diese in den Frieden
einwilligen. Auf der Suche nach einem Kreditgeber lässt er Nathan rufen. Dieser
ist erstaunt, als der Sultan ihm plötzlich die Frage stellt, welche Religion er für die
»wahre« halte. Nathan wittert eine Falle; er weiß, dass eine falsche Antwort ihn
seinen Kopf kosten könnte. Deshalb greift er auf eine alte Geschichte,
die Ringparabel, zurück.

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In dieser Geschichte geht es um eine Familie, in deren Tradition ein besonderer
Ring vom Vater an den jeweils liebsten Sohn vererbt wird. Der Träger des Rings –
eine demütige Haltung vorausgesetzt – ist beliebt bei Gott und den Menschen. Ein
Vater jedoch, der drei Söhne hat und alle gleichermaßen liebt, kann sich nicht
entscheiden, an welchen der Söhne er den Ring vererbt. Deshalb beschließt er, von
dem Ring Duplikate anzufertigen. Dann verteilt er die identischen Ringe an die
Söhne. Nach dem Tod des Vaters kommt es zu einem Streit zwischen den Brüdern,
welcher der echte Ring sei. Der angerufene Richter weigert sich ein Urteil zu
sprechen. Er sagt vielmehr, jeder solle seinen Ring als den »wahren« ansehen,
denn alle spiegeln die Liebe des Vaters wider. So sei es auch mit den Religionen.

Der Sultan ist beeindruckt von der Parabel und bietet Nathan seine Freundschaft
an. Zur selben Zeit besucht der Tempelherr Nathans Haus, wo er nur Recha und
Daja antrifft. Als dem jungen Mann bewusst wird, dass er sich in Recha verliebt,
zieht er sich zunächst zurück.

Schließlich kann der Tempelherr seine Liebe nicht länger unterdrücken.


Ungeachtet ihres unterschiedlichen Glaubens hält er um Rechas Hand an. Nathan
erkundigt sich daraufhin bei einem Klosterbruder nach der Herkunft des
Tempelherrn. Heimlich trifft sich in der Zwischenzeit Daja mit dem Ordensritter.
Sie verrät ihm, dass Recha nicht die leibliche Tochter Nathans sei, sondern dessen
Pflegetochter und zudem christlicher Herkunft.

Im Palast des Sultans kommt es zu einer Begegnung zwischen dem Tempelherrn


und Nathan. Dabei stellt sich heraus, dass der Ordensritter und Recha Bruder und
Schwester sind. Sultan Saladin findet dies in einem Abstammungsbuch bestätigt,
das Nathan von einem Klosterbruder erhalten hat. Erstaunt stellt Saladin fest, dass
es sich bei dem leiblichen Vater von Recha und dem Tempelherrn um seinen
verschollenen Bruder Assad handelt.

Der christliche Ordensritter und die Pflegetochter eines jüdischen Kaufmanns sind
also Neffe und Nichte eines muslimischen Sultans. Somit gehören alle drei
Weltreligionen ein und derselben Familie an.

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CHARAKTERISIERUNG
A. NATHAN
Nathan ist der Namensgeber für Lessings Drama und eine der
Hauptpersonen. Er ist ein reicher Jude, der in Jerusalem mit seiner Adoptivtochter
Recha und ihrer christlichen Erzieherin Daja lebt. Als Kaufmann ist er oft lange
von zu Hause fort, zuletzt war er beispielsweise in Babylon, um Schulden
einzutreiben. Von seinen Reisen bringt er Recha und Daja auch immer etwas mit,
z.B. schöne Stoffe für Kleider.

Recha ist sein einziges Kind und sie wurde ihm von dem Reitknecht seines
Freundes Wolf von Filnek in dessen Auftrag überbracht, als sie erst wenige
Wochen alt war. Ihre Mutter war bei der Geburt gestorben und ihr Vater musste in
den Krieg ziehen und konnte sie nicht mitnehmen. Das Tragische daran ist, dass
Nathan drei Tage zuvor seine Frau und seine sieben Söhne verloren hat. Sie
wurden von Christen bei einem Pogrom in einem Haus verbrannt. Er haderte
darauf mit Gott und war gerade bereit wieder nach vorne zu blicken, als er Recha
bekam. Deshalb sieht er seine Tochter als Geschenk Gottes und liebt sie sehr. Sie
zu verlieren, wäre für ihn das Schlimmste, was ihm passieren könnte.

Nathan ist reich aber auch großzügig. So ist er freigiebig gegenüber Bedürftigen
und Bettlern, aber dem Sultan möchte er kein Geld leihen, obwohl er es mit Zinsen
zurückfordern könnte. Das zeigt, dass es ihm nicht ausschließlich um seinen Profit
geht, sondern wenn er gibt, will er helfen Not zu linden.

Ihn zeichnen außerdem seine vernünftige Denkweise aus und seine Fähigkeit,
Menschen zum Nachdenken zu bewegen. So überzeugt er gleich zu Beginn Recha
davon, dass ihr Retter kein Engel sondern ein Mensch ist. Er präsentiert ihr aber
nicht einfach seine Überlegungen, sondern lässt ihr Raum, selbst nachzudenken,
um dann selbst zu dieser Erkenntnis zu kommen. Damit erweist er sich als weiser
Erzieher.

Auch beim Tempelherrn zeigt sich dies, da es Nathan gelingt seine Freundschaft zu
erringen, obwohl dieser anfangs abweisend und antisemitisch war. Er streicht das
Positive am Verhalten des Tempelherrn heraus und betont seine Bescheidenheit.
Dadurch schämt dieser sich etwas und kehrt selbst seine guten Seiten heraus und
überdenkt seine Abweisung.

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Den Sultan erzieht Nathan durch die Geschichte über die drei Ringe, da er bemerkt
hat, dass die Frage nach der wahren Religion eine Falle war. Auch Saladin stellt
fest, dass seine Vorurteile unbegründet waren und sie werden ebenfalls Freunde.

Nathan ist somit das Sinnbild eines aufklärenden und aufgeklärten Menschen.
Seine Sichtweise, dass alle drei Religionen gleichwertig sind, ist radikal neu und
damals nicht existent. Darin zeigt sich ebenfalls, dass er ein Vordenker ist.

B.RECHA
Recha ist 18 Jahre alt und lebt zusammen mit ihrem Adoptivvater Nathan und
ihrer christlichen Erzieherin Daja in gut situierten Verhältnissen in Jerusalem. Sie
erfährt erst im Verlauf des Dramas, dass Nathan nicht ihr leiblicher Vater ist und
sie eigentlich eine getaufte Christin. Ihr richtiger Namen lautet Blanda von Filnek
und sie ist die Schwester des Tempelherrn und die Nichte des Sultans. Zu Nathan
kam sie als Baby, da ihre Mutter bei der Geburt starb und ihr Vater in den Krieg
ziehen musste. Er ließ das kleine Mädchen von seinem Reitknecht zu seinem
Freund Nathan bringen, der es als Jüdin liebevoll großzog.

Recha ist schwärmerisch veranlagt, da sie den Tempelherrn, der sie aus dem
brennenden Haus gerettet hat, zunächst für einen Engel hält. Sie lässt sich aber von
den vernünftigen Argumenten ihres Vaters überzeugen und kommt dann selbst zu
dem Schluss, dass der Tempelherr ein Mensch und kein Engel ist.

Ihren Vater Nathan liebt und bewundert Recha. Daher ist für sie auch die
Vorstellung, dass er nicht ihr leiblicher Vater ist und sie ihn verlieren könnte,
schrecklich. Er ist auch ihr Lehrer und sie hat ihr ganzes Wissen nur von ihm. Es
handelt sich dabei aber nicht um totes Wissen, sondern Nathan bringt ihr immer in
bestimmten Situationen und aus bestimmten Gründen etwas bei. Bei Recha löst
dieses ganzheitliche Lernen Erkenntnisprozesse aus und sie ist in der Lage, ihre
Vernunft selbstständig zu gebrauchen.

Andererseits lässt sie sich aber auch teilweise von der schwärmerischen Daja
einnehmen, wobei sie aber merkt, dass deren Denkweise ihr fremd ist, weil sie oft
gegensätzlich zu der ihres Vaters ist. Daja bestärkt sie beispielsweise in ihrem
Engelsglauben und erzählt ihr viele Heiligengeschichten. Recha will davon aber
nicht zu viel wissen, weil es sie verwirrt und sie merkt, dass diese Denkweise nicht
zu ihr passt.

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C.DAJA
Daja war die Frau eines schweizerischen Kreuzfahrers, der im Heer Kaiser
Friedrichs nach Palästina aufgebrochen ist und zusammen mit diesem in einem
Fluss ertrunken ist. Daja ist darauf im Heiligen Land geblieben und wurde die
Erzieherin von Recha. Sie weiß von Rechas Amme, dass ihr Schützling eine
getaufte Christin ist, schweigt aber aus Wertschätzung gegenüber Nathan.
Außerdem beruhigt dieser ihr schlechtes Gewissen immer wieder mit teuren
Geschenken wie Schmuck und Stoffe, die er ihr von seinen Reisen mitbringt.

Ihr größter Wunsch ist es, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Deshalb hofft sie
darauf, dass Recha und der Tempelherr heiraten und sie nach Europa mitnehmen.
Als sie mitbekommt, dass Nathan einer Verlobung nicht sofort zugestimmt hat,
sieht sie ihren Traum in Gefahr und offenbart daher erst dem Tempelherrn und
danach Recha, dass diese eigentlich eine getaufte Christin ist. Damit will sie den
Druck auf Nathan erhöhen, einer Heirat zuzustimmen.

Da sie weiß, dass Recha eigentlich Christin ist, versucht sie dieser den christlichen
Glauben näher zu bringen, indem sie ihr Heiligengeschichten erzählt und sie in
ihrem Engelsglauben bestärkt, nachdem der Tempelherr sie aus dem Feuer gerettet
hat.

Mit ihrem Wunderglauben steht sie allerdings komplett konträr zu Nathan und
Recha, da diese sich allein auf die Vernunft stützen und übersinnlichen Wundern
somit nichts abgewinnen können. Dennoch schätzt Daja Nathan sehr und ist sich
auch in vielen Punkten bezüglich des Glaubens mit ihm einig.

D.TEMPELHERR
Der Tempelherr wächst bei seinem Onkel Conrad von Stauffen auf und kommt
als junger Kreuzritter ins Heilige Land. Dort wird er zusammen mit 19 anderen
Rittern während einer Schlacht gefangengenommen. Als sie dem Sultan vorgeführt
werden, wird er als einziger begnadigt, weil er Saladin an dessen verstorbenen
Bruder Assad erinnert. Er darf sich nun zwar in Jerusalem frei bewegen, muss sich
aber zur Verfügung des Sultans halten, bis dieser entscheidet, wie es mit ihm
weitergeht.

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Er geht gerne unter den Palmen am Heiligen Grab spazieren und sieht dabei
einmal, dass Nathans Haus brennt. Er rettet dessen Adoptivtochter Recha aus den
Flammen, will aber keinen Dank von den Juden und fühlt sich bedrängt, als Daja
ihn wiederholt aufsucht. Er hat Vorurteile gegenüber Juden und wünscht keinerlei
Kontakt. Jedoch spricht er dann doch mit Nathan und ist am Ende des Gesprächs
sogar dessen Freund. Dazu kommt es, weil der Tempelherr es ebenfalls nicht gut
findet, jemand anderem seinen Glauben aufzwingen zu wollen. Das steht eigentlich
seinem Kreuzritterdasein entgegen, aber der Kreuzzug hat ihm die Augen darüber
geöffnet, dass Gewalt und Krieg kein Mittel zur Glaubensverbreitung sind.

Er ist außerdem sehr impulsiv und neigt zu unreflektiertem Handeln. Dies sieht
man, als er Nathan beim Patriarchen anzeigt, als dieser nicht sofort in eine Heirat
mit Recha einwilligt, in die er sich mittlerweile verliebt hat. Er bereut dann diese
unbesonnene Handlung recht schnell und will alles daran setzen, Nathan vor der
Rache der Kirche zu schützen. Ihn erschreckt zudem die Brutalität des Patriarchen,
die seiner christlichen Vorstellung von Nächstenliebe widerspricht.

Der Tempelherr ist aber auch selbstkritisch und reflektiert. So legt er sämtliche
Vorurteile gegenüber Juden ab und hat dann auch Verständnis dafür, dass Nathan
Recha nicht gesagt hat, dass sie Christin ist. Er erkennt die Liebe des Vaters
gegenüber seiner Tochter und schätzt es, wie Nathan Recha erzogen hat. Deshalb
entschuldigt er sich auch bei diesem, dass er so voreilig beim Patriarchen war.

Untypisches Verhalten zeigt der Tempelherr allerdings am Schluss des Stücks, da


er sofort akzeptiert, dass er statt einer Ehefrau eine Schwester bekommt. Eigentlich
müsste er mit dem Schicksal hadern oder zumindest traurig sein, dass er seine
Geliebte nicht heiraten kann. Er freut sich aber schnell und umarmt die neue
Schwester herzlich.

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E. SULTAN SALADIN

Saladin lebt als Herrscher und Sultan in reichen Verhältnissen, wobei er selbst
aber sehr bescheiden ist, da er nicht mehr als ein Pferd, ein Schwert und ein
Gewand besitzt. Besonders gegenüber Bettlern ist äußerst großzügig, wobei er aber
andererseits auch sein Volk unterdrückt, um Gelder für seine Hofhaltung und zur
Finanzierung des Krieges zu bekommen.

Eigentlich wünscht er sich aber Frieden und würde diesen gerne mit einer
Doppelhochzeit zwischen seiner Schwester Sittah und dem Bruder König Richards
sowie zwischen seinem Bruder Melek und Richards Schwester besiegeln. Dies ist
aber nicht mehr möglich, weil die Tempelherren den vereinbarten Waffenstillstand
gebrochen haben. Daher benötigt Saladin dringend Geld, um seine Soldaten
bezahlen zu können.

Saladin bespricht politische und finanzielle Fragen auch mit seiner Schwester
Sittah, deren Rat er sehr schätzt. Im Gegensatz zu ihr fehlt ihm die genaue
Kenntnis seiner Finanzlage und er ist ihr sehr dankbar, dass sie die Hofhaltung eine
Weile aus ihrer Kasse bezahlt hat. Sie ist es auch, die dazu rät, Nathan eine Falle
zu stellen, um an sein Geld zu kommen. Saladin hofft, dass seine List nicht
auffällt, da er in so etwas nicht geübt ist. Nathan tappt allerdings nicht in die Falle
und die beiden werden sogar Freunde, weil Nathan dem Herrscher mittels der
Ringparabel die Augen über seine Intoleranz öffnet. Damit wird Saladin zu einem
aufgeklärten und toleranten Menschen, der nun die gleiche Grundhaltung wie
Nathan hat.

Auch mit dem Tempelherrn schließt er Freundschaft, da er immer mehr von


seinem Bruder Assad in ihm sieht. Er bittet ihn, bei ihm zu bleiben, was dieser
gerne tut. Damit hat Saladin nun als Moslem mit einem Christen und einem Juden
Freundschaft geschlossen.

Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, dass er der Onkel von Recha und dem
Tempelherrn ist, da deren Vater sein verschollener Bruder Assad war. Dieser
konvertierte damals zum Christentum und nannte sich dann Wolf von Filnek. Er
verliebte sich in die Schwester Conrad von Stauffens und bekam mit ihr zwei
Kinder. Allerdings starb sie bei der Geburt des zweiten Kindes und Assad fiel kurz
darauf in einer Schlacht. Saladin freut sich daher sehr, die Kinder seines geliebten
Bruders in die Arme schließen zu können

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F. SITTAH
Sittah lebt als Schwester des Sultans in reichen Verhältnissen. Sie hat ihr
eigenes Geld, über welches sie frei verfügt. Außerdem kümmert sie sich um die
Finanzen ihres Bruders, da dieser nicht über alle Ausgaben den Überblick hat. Dies
geht sogar so weit, dass sie die gesamten Kosten des Hofes übernimmt, als Saladin
pleite ist.

Das geschieht allerdings hinter seinem Rücken und sie will auch nicht, dass er es
erfährt, sondern sie will sich das Geld unauffällig zurückzahlen lassen, wenn
Saladins Schatzkammer wieder gefüllt ist. Sie tut das alles im Verborgenen, um
ihren Bruder nicht zu beschämen, denn im Gegensatz zu Saladin schätzt sie die
finanzielle Situation realistisch ein und geht nicht so idealistisch daran wie er.

Zu ihrem Bruder hat Sittah ein gutes und enges Verhältnis. Sie spielen öfter
zusammen Schach und sie berät ihn teilweise. Sie ist es, die ihm zu der List
gegenüber Nathan rät, um an dessen Geld zu kommen. Außerdem gibt sie den
Anstoß dazu, Recha in den Palast zu holen. Das ist allerdings ihrer Neugier
geschuldet, denn sie will unbedingt das Mädchen kennenlernen, von dem der
Tempelherr so geschwärmt hat.

Sittah ist also eine emanzipierte Frau mit eigener Meinung und Initiative. Sie
würde ihren Bruder aber nie öffentlich beschämen, sondern handelt im
Verborgenen bzw. spricht nur offen, wenn sie mit ihm allein ist. Sobald er Besuch
hat, hält sie sich entweder im Hintergrund oder verlässt den Audienzsaal.

G.PATRIARCH
Außerdem plant er die Ermordung Saldadins, obwohl er ihn andererseits
braucht, da er versprochen hat, die Kirche und damit auch ihn zu schützen. Ihm in
den Rücken zu fallen, entspricht dabei seiner Grundhaltung, dass das Christentum
die einzig wahre Religion ist und deshalb alle Mittel erlaubt sind, um sie zu
schützen bzw. zu verbreiten.

Außerdem tritt er gerne prunkvoll auf und schart sein Gefolge um sich. Dies zeigt
sein Geltungsbedürfnis und betont seine übergeordnete Stellung, auf die er großen
Wert legt. Er erwartet, dass ihm als oberstem Kirchenfürsten in Jerusalem von

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allen anderen Respekt und Demut entgegen gebracht wird. So ist es für ihn
selbstverständlich, dass seine Ratschläge befolgt werden müssen, zumal der
Mensch auch ständige Unterweisungen benötigt, um richtig handeln zu können.
Die Gesetze der Kirche sind Ausdruck des Willen Gottes und unter allen
Umständen durchzusetzen.

Deshalb beharrt er auch darauf, dass der Jude, der ein Christenmädchen großzog,
verbrannt werden muss. Dass dies völlig inhuman ist und damit der christlichen
Nächstenliebe widerspricht, tut dabei nichts zu Sache. Der Patriarch bleibt
verstockt und dogmatisch.

H.DER KLOSTERBRUDER
Der Klosterbruder hat verschiedenen Herren gedient und war zuletzt der
Reitknecht Wolf von Filneks. In dessen Auftrag brachte er auch Recha zu dessen
Freund und Waffenbruder Nathan, nachdem die Mutter des Mädchens verstorben
war und er in den Krieg ziehen musste. Wolf von Filnek starb im Kampf und der
Klosterbruder lebte danach als Einsiedler in der Nähe von Jericho. Er wurde aber
von Arabern überfallen und verschleppt. Ihm gelang die Flucht und er rettete sich
zum Patriarchen, der ihn nun als Laienbruder im Kloster leben lässt.

Sein Wunsch ist aber, so bald wie möglich wieder als Einsiedler leben zu dürfen
und so ungestört und still seinen Glauben leben zu können. Der Patriarch hat aber
bisher andere Pläne mit ihm und benutzt ihn für Botengänge und andere Dienste.
So soll er beispielsweise den Tempelherrn prüfen, ob dieser bereit ist, bei einem
Komplott gegen Saladin mitzumachen. Dem Klosterbruder ist das zutiefst zuwider,
aber er muss dem Kirchenfürsten gehorchen. Sein Gehorsam ist allerdings nur
formal, er distanziert sich während des Sprechens deutlich von den Ansichten des
Patriarchen und legt dessen Pläne direkt unverblümt offen. Auch aus seiner Freude
darüber, dass der Tempelherr nicht gegen Saladin handeln möchte, macht er keinen
Hehl.

Der zweite unangenehme Auftrag, den der Patriarch ihm erteilt, ist es
herauszufinden, wer der Jude ist, der ein Christenmädchen aufgezogen hat, um
diesen dann der Strafe der Kirche zuzuführen. Für Nathan würde das den Tod auf
dem Scheiterhaufen bedeuten. Daran will der Klosterbruder aber nicht beteiligt
sein und warnt Nathan sogar, da er ja mit der Geschichte zu tun hat. Er tut dies
aber nicht, um sich selbst vor einer möglichen Strafe zu retten, sondern weil er im

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Gegensatz zum Patriarchen eine humane Grundeinstellung und keine Vorurteile
hat.

I. AL-HAFI
Al-Hafi ist ein Derwisch, was einen mohammedanischen Bettelmönch
bezeichnet. Das bedeutet, dass er ein einfaches Gewand trägt, auf jeglichen Besitz
verzichtet und von den Almosen der Leute lebt. Zum Schatzmeister des Sultans
wird er, weil dieser ihm geschmeichelt hat, dass er als Bettler ja wisse, wie Bettlern
zumute sei und er daher mit der rechten Mildtätigkeit gebe. Ihm sei an der
Linderung der Not der Leute genauso gelegen wie Saladin selbst. Von diesen
schönen Worten lässt Al-Hafi sich einwickeln, muss aber schnell feststellen, dass
der Sultan zwar Einzelnen gegenüber mild und großzügig auftritt, aber viele andere
unterdrückt und ausbeutet.

Neben dieser Widersprüchlichkeit Saladins belastet ihn außerdem, dass er für den
Sultan Geld eintreiben muss. Er hat früher nie für sich selbst betteln müssen und
tut es nun für einen Fremden. Auch seinen Freund Nathan bittet er um Geld für
Saladin, nimmt aber dessen Ablehnung sofort hin.

Er erweist sich als treuer Freund gegenüber Nathan, denn als beim Sultan die
Sprache auf den reichen Juden kommt, redet er ihn schlecht, um ihn aus dem
Blickfeld Saladins nehmen. Er befürchtet, dass ihm das nicht ganz gelungen ist und
eilt daher zu Nathan, um ihn zu warnen. Dann erzählt er ihm auch, dass er es bei
Saladin nicht mehr aushält und daher wieder als Bettelmönch leben will. Um
unbehelligt zu sein, beschließt er an den Ganges zu gehen, wo sich Lehrer seines
Glaubens aufhalten und mit welchen er leben will.

Er bietet seinem Freund auch an, dass der mitkommen kann, was seine große
Wertschätzung gegenüber diesem ausdrückt. Dessen Ablehnung nimmt aber auch
nicht übel. Die beiden verabschieden sich und Al-Hafi verlässt Jerusalem, ohne
Saladin Bescheid zu sagen, da er diesem nicht mehr begegnen will.

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PERSONENKONSTELATION + EINFACHE
CHARAKTERISIERUNG

 Nathan: Nathan ist ein reicher jüdischer Kaufmann und ein fürsorglicher
Vater für seine Adoptivtochter Recha. Er ist großzügig gegenüber anderen
und ihn zeichnet seine vernünftige Denkweise aus. Er regt andere an,
ebenfalls ihre Vernunft zu gebrauchen und dadurch zu neuen Erkenntnissen
zu kommen.

 Recha: Recha ist Nathans Adoptivtochter, wovon sie aber lange nichts weiß.
Sie wurde von ihrem Vater dazu erzogen, ihren Verstand zu gebrauchen, ist
aber oft auch empfänglich für die Schwärmereien ihrer christlichen
Erzieherin Daja.

 Daja: Daja ist die christliche Erzieherin von Nathans Adoptivtochter Recha.
Sie kam als Frau eines Kreuzfahrers ins Heilige Land und ist nach dessen
Tod dort geblieben. Sie ist eine überzeugte Christin und versucht Recha in
ihrem Sinne zu beeinflussen.

 Tempelherr: Der Tempelherr ist ein junger Kreuzfahrer namens Curd von
Stauffen, der in einer Schlacht von den Truppen des Sultans gefangen
genommen und als einziger von diesem begnadigt wurde. Er rettete Recha
aus einem Feuer und verliebt sich später in sie. Er ist impulsiv und schwankt
zwischen Vorurteilen und Einsicht hin und her.

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 Patriarch: Der Patriarch von Jerusalem ist derzeit ohne nennenswerte
politische Macht, da Saladin der Herrscher über die Stadt ist. Er ist
machtbesessen und ihm sind die Gesetze der Kirche wichtiger als
christliches Handeln. Er liebt pompöse Auftritte und hat ein autoritäres
Auftreten.

 Klosterbruder: Der Klosterbruder kam als Reitknecht Wolf von Filneks


nach Palästina und ist nach dessen Tod dort geblieben. Er lebt gerade als
Laienbruder unter dem Schutz des Patriarchen und hofft bald wieder als
Einsiedler leben zu dürfen. Bisher wartet er aber vergeblich darauf, da der
Patriarch oft Aufträge für ihn hat und ihn daher nicht gehen lässt.

 Saladin: Saladin ist der Sultan und hat gerade die Herrschaft über die Stadt
Jerusalem inne. Er ist der Bruder von Sittah und der Onkel von Recha und
dem Tempelherrn. Als Herrscher ist er widersprüchlich, da er einerseits sein
Volk unterdrückt, aber andererseits auch sehr großzügig ist.

 Sittah: Sittah ist die Schwester Saladins und die Tante von Recha und dem
Tempelherrn. Sie ist klug, gebildet und kümmert sich die Hofhaltung ihres
Bruders. Zu ihm hat sie ein enges Verhältnis und fungiert oft als seine
Beraterin.

 Al-Hafi: Der Derwisch Al-Hafi ist ein mohammedanischer Bettelmönch,


den der Sultan zu seinem Schatzmeister bestimmt. Außerdem ist er der
Freund und Schachpartner von Nathan. Er erkennt die Widersprüchlichkeit
Saladins deutlich und kann damit auf Dauer nicht umgehen, weshalb er
fortgeht.

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AUFBAU

EXPOSITION
Im ersten Aufzug, der Exposition, wird der Leser in die Zeit und den Ort der
Handlung eingeführt. Die Personen werden vorgestellt und die Handlung beginnt.
Außerdem deuten sich hier bereits Konflikte und mögliche Handlungsstränge an.

Bei Nathan der Weise spielt die Handlung in Jerusalem zur Zeit des dritten
Kreuzzuges. Jerusalem ist für alle drei monotheistischen Weltreligionen eine
heilige Stätte und stark umkämpft. Die Macht hat Sultan Saladin inne und es
herrscht gerade ein Waffenstillstand zwischen den Kreuzfahrern und dem Sultan.

Direkt zu Beginn wird Nathan als reicher Jude und vernünftig denkender Mensch
eingeführt. Nathans Weisheit zeigt sich, als er Recha und ihre christliche
Erzieherin Daja überzeugt, dass der Tempelherr, der Recha aus den Flammen
gerettet hat, kein Engel sondern ein Mensch ist. Nach Nathans Familie tritt
Nathans Freund, der Derwisch Al-Hafi, auf, der nun der Schatzmeister des Sultans
ist und mit dieser Stellung nicht glücklich ist. Er hat sich von Saladin einwickeln
lassen und muss nun Geld für ihn borgen, was ihm sehr unangenehm ist. Über
Saladin erfährt man, dass er einerseits den Bettlern gegenüber sehr großzügig ist,
aber er andererseits seine Untertanen auspresst, um seine Ausgaben tätigen zu
können.

Nach dieser Einführung der Juden und Muslime werden nun die Christen
vorgestellt. Der Klosterbruder wird einerseits als pflichtbewusster Diener des
Patriarchen vorgestellt, aber andererseits macht er von Anfang an deutlich, dass er
sich klar von diesem distanziert. Er legt dem Tempelherrn dessen Bitte und
Ansichten offen dar und macht auch keinen Hehl daraus, wie erleichtert er ist, als
der Tempelherr sich nicht auf den Verrat Saladins einlassen will. Damit wird der
Tempelherr als Mann von Ehre eingeführt, da er dem, der ihn begnadigt hat, nicht
seiner Kirche ausliefern will. Außerdem ist er durch die Rettung Rechas ein Held.
Dies bestätigt auch, dass er keinen Dank und keine Belohnung dafür will.
Allerdings ist er auch antisemitisch eingestellt, da er die Juden verachtet.

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Auch einige Konflikte deuten sich im ersten Aufzug bereits an. So erfährt der
Leser, dass es ein Geheimnis gibt, das Recha betrifft, und von dem nur Nathan und
Daja wissen. Es stellt sich also die Frage, was es ist. Außerdem wird der Sultan
vermutlich Geld von Nathan haben wollen, da dieser sehr reich ist und es deutet
sich an, dass Nathan und der Tempelherr in Streit geraten könnten, da der
Tempelherr nichts mit den Juden zu tun haben möchte, Nathan ihm aber umgekehrt
unbedingt für die Rettung seiner Tochter danken will. Ein weiterer
Handlungsstrang könnte sein, dass Recha sich in den Tempelherrn verliebt, weil
sie so besessen von ihrem engelsgleichen Retter ist. Außerdem stellt sich die
Frage, wie der Patriarch auf die Ablehnung des Tempelherrn reagiert, da er sehr
verbissen und engstirnig ist.

Steigende Handlung
Im zweiten Aufzug steigt dann die Handlung, indem die Handlungsfäden
verknüpft werden, Es kommt zu Intrigen und Interessenskonflikten, die die
Handlung beschleunigen und die Spannung auf den Fortgang und das Ende des
Geschehens steigern.

Die Geldnot Saladins verschärft sich, da die Tempelherren den Waffenstillstand


gebrochen haben und er allmählich nicht mehr weiß, wie er seine Soldaten
bezahlen soll. Er erwartet zwar Gelder aus Ägypten, weiß aber nicht, wann diese
endlich eintreffen. Seine Schwester Sittah verweist auf den reichen Juden Nathan,
den sie durch eine List dazu bringen will, ihrem Bruder Geld zu leihen. Al-Hafi
will das verhindern und warnt seinen Freund vor dem Sultan. Außerdem legt er,
ohne Saladin zu informieren, sein Amt als Schatzmeister nieder und geht fort. Er
kann den Dienst für Saladin nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren.

Nathan gelingt es, den Tempelherrn anzusprechen und seine Freundschaft zu


erringen. Dieser legt nun seine antisemitische Haltung ab, da er mit Nathan darin
übereinstimmt, dass es schlimm ist, anderen den eigenen Glauben mit Gewalt
aufdrücken zu wollen. Dann wird Nathan zum Sultan gerufen und ist nun bereit,
ihm auch Geld zu geben, da er seinen Freund, den Tempelherrn, begnadigt hat und
er jetzt in dessen Schuld steht. Denn nur dadurch war es möglich, dass er Recha
aus den Flammen retten konnte.

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Höhe- und Wendepunkt
Im dritten Aufzug befindet sich der Höhe- und Wendepunkt, der Einfluss auf
das weitere Schicksal des Protagonisten hat. Es kommt zur entscheidenden
Auseinandersetzung, an deren Ende entweder der Sieg oder die Niederlage des
Helden steht.

Die Handlung spitzt sich immer weiter zu, da der Tempelherr nun Recha besucht
und sich direkt in sie verliebt, wobei sich die Gefühle bei Recha aber in
Wertschätzung ändern. Währenddessen ist Nathan beim Sultan, der ihm eine Falle
stellt, indem er ihn nach der wahren Religion fragt. Dies ist die entscheidende
Auseinandersetzung, die Nathans weiteres Schicksal beeinflusst. Da er den Sultan
durchschaut, beschließt er auszuweichen und erzählt am Höhepunkt des Dramas
die Ringparabel, deren Fazit es ist, dass es nicht entscheidbar ist, welche die wahre
Religion ist. Das wird sich erst im Laufe der Geschichte zeigen. Das bringt für das
Verhältnis von Saladin und Nathan die Wende, da der Sultan nun beschämt ist und
Nathans Freund sein will.

In Bezug auf die Liebesgeschichte zwischen Recha und dem Tempelherrn wird
ebenfalls ein neuer Höhepunkt erreicht, der darin besteht, dass Nathan den
Heiratsantrag des Tempelherrn nicht direkt annimmt und diesen damit vor den
Kopf stößt. Außerdem lüftet Daja gegenüber dem Tempelherrn das Geheimnis um
Recha: Sie ist eigentlich eine getaufte Christin und Nathan nur ihr Ziehvater.

Fallende Handlung (mit retardierendem Moment)


Im vierten Aufzug fällt die Handlung ab, aber die Spannung wird noch
einmal durch den retardierenden Moment gesteigert, in dem der sich abzeichnende
Ausgang des Dramas in Frage gestellt wird.

Der Tempelherr geht aus gekränktem Stolz zum Patriarchen und schildert diesem

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Rechas Hintergrund. Als dieser nicht davon abzubringen ist, dass ein solcher Jude
verbrannt werden soll, ist er schockiert und wendet sich von dem unchristlichen
Herrscher ab. Damit hat er aber Nathan in dessen Blickfeld gerückt und der
Patriarch will über den Klosterbruder herausfinden, um welchen Juden es sich
handelt, da der Tempelherr keinen Namen genannt hat.

Der Klosterbruder weiß, um wen es sich handelt und warnt Nathan, dem er die
kleine Recha im Auftrag seines damaligen Herrn gebracht hatte. Nun kommt die
Frage nach Rechas Herkunftsfamilie stärker auf und es stellt sich heraus, dass der
Klosterbruder ein Buch hat, in dem alle Familienmitglieder verzeichnet sind.
Unterdessen lässt Sittah nach Recha schicken, worin Daja eine Falle des Sultans
wittert und sie beschließt daher, ihrem Schützling seine wahre Herkunft zu
offenbaren.

Lösung
Im fünften Aufzug findet sich die Lösung des Geschehens, die entweder in
einer Katastrophe oder einen Triumph des Helden mündet. Hier endet es mit
letzterem.
Der Tempelherr bereut mittlerweile beim Patriarchen gewesen zu sein und will
Nathan vor dessen Rache schützen, indem er Recha sofort heiratet. Die Spannung
wird aber noch einmal hinausgezögert, indem Nathan deutlich macht, dass erst
sämtliche Familienbeziehungen geklärt werden müssen.

Als dann alle beim Sultan sind, stellt sich heraus, dass alle miteinander verwandt
sind: Recha und der Tempelherr sind Geschwister, Saladin ist ihr Onkel und
Nathan der Vater im Geiste. Dadurch zeigt sich exemplarisch die Verwandtschaft
der Religionen und damit der Menschheit. Das Stück endet mit allseitigen
Umarmungen, während der Vorhang fällt.

GATTUNG
Nathan der Weise ist weder eine reine Tragödie noch eine reine Komödie,
vielmehr beinhaltet das Stück Elemente aus beiden Bereichen. Es handelt sich also
um eine Mischform. Tragisch ist zunächst die Familiengeschichte, da Nathan seine
Tochter Recha verlieren und selbst sterben soll. Komisch wirkt dagegen die

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selbstherrliche Figur des Patriarchen. Am deutlichsten wird die Mischform des
Stücks allerdings ganz am Ende, als sich alle in den Armen liegen. Die Auflösung
des Konflikts ist nämlich gleichzeitig, ernst, rührend und komisch.

Lessing hat sein Stück an das aristotelische Drama angelehnt, da Handlung, Zeit
und Ort einheitlich sind und der Aufbau klassisch gehalten ist. Es gibt fünf Akte,
die alle eine festgelegte Funktion haben. Davon weicht Lessing auch nicht ab, aber
er bevorzugt eine offenere Bühnenform und verfasst mit Nathan der Weise eine
rührende Familiengeschichte, die neben ernsten auch komische Elemente umfasst.
Er selbst nennt sein in Blankversen verfasstes Stück „Dramatisches Gedicht“.
Diese Bezeichnung drückt für den Autor wohl am besten die Mischform aus. Man
spricht auch von ernster Komödie, um dasselbe auszudrücken.

RINGPARABEL
Die Ringparabel ist der Höhepunkt von Lessings Nathan der Weise. Sie steht
nicht nur in der Mitte des Stücks, sondern sie umfasst auch die Mitte aller Verse.
Außerdem zeigt sie Nathans Weisheit als Erzieher der Menschen beispielhaft auf.
In diesem Artikel wird diese zentrale Stelle des Nathan interpretiert.

In der Ringparabel lebte vor langer Zeit ein Mann im Osten, der einen unschätzbar
wertvollen Ring besaß, welcher die geheime Kraft besaß, vor Gott und den
Menschen angenehm zu erscheinen, wenn man an diese Kraft glaubt. Der Mann
vererbte diesen Ring an seinen Lieblingssohn und verfügte darüber hinaus, dass
der Ring immer an den geliebtesten Sohn gehen soll.

Dieser Sohn wird dann der Fürst des Hauses. Irgendwann hatte aber einmal ein
Vater seine drei Söhne alle gleichlieb und ließ deshalb zwei Duplikate des Rings
anfertigen, welche so gut gelungen waren, dass er selbst auch nicht mehr wusste,
welcher der echte Ring war. Dann gab er jedem seiner Söhne einen dieser Ringe
und starb. Die Söhne aber stritten sich nun, wer den richtigen Ring bekommen
hatte.

Da sie sich nicht einigen konnten, gingen sie zu einem Richter, der sie fragte,
welchen Bruder zwei Brüder am meisten lieben, denn dieser müsste dann den Ring
mit der Wunderkraft haben. Als sie aber schwiegen, vermutete der Richter, dass

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der echte Ring verloren ging und sie vom Vater betrogen wurden. Er gab ihnen
aber noch eine Rat: Jeder soll an die Kraft seines Ringes glauben und vorurteilsfrei
leben. Im Laufe der Zeit würde sich dann erweisen, welches der echte Ring war.

Betrachtet man sich den Anfang der Ringparabel, so wirft dieser bereits die Frage
auf, wessen Osten eigentlich gemeint ist. Geht man von Nathan aus, der aus
unserer Sicht bereits selbst im Osten steht, dann rückt er als Erzähler näher an uns
heran, da er sich nun auch westlich der Geschichte befindet. Das bewirkt, dass die
Geschichte zeitlos und ortlos wird. Außerdem stellt sich die Frage, aus wessen
lieber Hand der Mann selbst den Ring erhalten hat. Es wird nämlich nicht vom
Vater des Mannes gesprochen, so dass die Interpretation einer Religionsstiftung
durch Gott naheliegt.

Der Stein des Rings ist ein Opal, welcher von der Antike bis in die Neuzeit ein
Symbol für die göttlichen Gnade und Liebe war. Auch die Wunderkraft, „vor Gott
und den Menschen angenehm zu machen“ (V. 1915-1916), findet sich bereits in
der Bibel. Im Alten Testament wird dies über den jungen Samuel gesagt und im
Neuen Testament spricht Lukas so über Jesus.

Durch diesen biblischen Bezug wird die religiöse Bedeutung der Wunderkraft des
Rings betont. Nicht nur der Stein hat eine besondere Symbolik, sondern auch die
Ringform. Sie symbolisiert das Höchste, da sie keinen Anfang und kein Ende hat.
Dies unterstreicht den göttlichen Ursprung des Rings, da Gott selbst häufig als
Ring bzw. Kreis beschrieben wird.

Ringweitergabe aus Liebe


Das Wissen um die Kraft und der Glaube daran sind die Vorbedingung der
Wirkung des Rings. Erst dadurch hat der Träger teil an der Kraft des Rings, welche
ein Überströmen der Liebe bewirkt, so dass der Ring liebesstiftend ist. Überhaupt
prägt das Wort „lieb“ die Parabel, denn der Ring wurde aus lieber Hand
empfangen und soll immer von liebstem zu liebstem Sohn weitergegeben werden.
Dass nun aber ein liebster Sohn seine drei eigenen Söhne alle gleich lieb hat,
verstößt gegen den Grundsatz der Parabel, nach dem es immer nur einen liebsten
Sohn geben kann.

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Die Lösung ist die Verdreifachung des Rings. Diese entspricht insofern der im
Ring repräsentierten Kraft, indem dadurch allen drei Söhnen die geschuldete Liebe
erwiesen wird, da der Vater alle seine Söhne gleich liebt. Jeder von ihnen erfährt
durch seinen Ring diese Liebe. Der Richter verweist in seinem Richterspruch auf
diese Liebesgewissheit (vgl. V. 2031-2040).
Nach der Vervielfältigung des Rings weiß selbst der Vater nicht mehr, welcher der
echte Ring ist, obwohl er ein unvergleichliches Farbenspiel hatte, das eigentlich
Verwechslungen verhindern sollte.

Der Vater wird so selbst zum betrogenen Betrüger. Die Söhne hingegen betrügen
sich selbst um die geheime Kraft des Rings, je mehr sie diese aus Eigennützigkeit
erstreben. Denn dadurch verkennen sie, dass der Ring sie gerade zur
uneigennützigen Liebe befähigen soll. Wieso er aber nicht wirkt, bleibt ungeklärt.
Es liegt nur die Vermutung nahe, dass die Kraft nicht wirkt, weil die Söhne nicht
an dem Ring als solchem interessiert sind, sondern an seiner Macht. Der Richter
stellt allerdings klar, dass die Kraft nicht im Ring allein liegt, sondern elementar ist
das in den Ring gelegte Vertrauen (vgl. V. 2043-2045).

Die Hypothese des Richters, dass der Vater drei Ringe anfertigen ließ (V. 2026-
2028), weil der echte Ring verloren ging, stimmt nicht. Am Anfang wird eindeutig
gesagt, dass nur zwei weitere Ringe hergestellt werden (vgl. V. 1945-1950). Hinzu
kommt noch, dass die Vermutung des Richters nicht zu seinem Rat passt, dass
jeder der Brüder von der Echtheit des Ringes überzeugt sein soll. Das wäre völlig
unsinnig, wenn der echte Ring verloren ging. Außerdem liefe auch der moralische
Appell ins Leere, wenn nicht jeder der Brüder von der Echtheit seines Ringes
überzeugt wäre. Es gäbe keinen edlen Wettstreit, da dieser überflüssig wäre.

So unbestimmt, wie die Parabel beginnt, endet sie auch. Die „tausend tausend
Jahre“ (V. 2050) des Richters entsprechen den grauen Jahren am Anfang. Der
Richter selbst bleibt auch unbestimmt, denn nicht er wird es sein, der dann den
Richterspruch fällt, sondern jemand, der weiser ist als er. Er verweist auf einen
Weltenrichter, den er schemenhaft andeutet.

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Die Brüder als Anhänger der Religionen
Überträgt man nun die Ringparabel auf die drei monotheistischen
Weltreligionen (Judentum, Christentum und Islam), dann stellt man fest, dass die
drei Brüder und die Anhänger der drei Religionen sich in der gleichen Situation
befinden. Dies zeigt sich an den zahlreichen Analogien.

So entspricht die Ununterscheidbarkeit der drei Ringe der Ununterscheidbarkeit


der drei Religionen bezüglich ihres Wahrheitsgehaltes. Außerdem entspricht der
Wettstreit der Brüder dem der verschiedenen Religionsanhänger und auch der Rat
des Richters, dass jeder der Brüder seinen Ring als den echten annehmen soll,
findet seine Entsprechung darin, dass jeder seine eigene, durch seine Vorfahren
ererbte Religion als die wahre ansehen soll und normalerweise auch ansieht.

Alles lässt sich aber nicht analog sehen, denn es wäre unsinnig nach einer
Entsprechung des Betrugs durch den Vater bei den Religionen zu suchen oder auf
die überlegene Wahrheit der jüdischen Religion zu schließen, da der echte Ringe
älter als die Imitate ist.

Die Gleichheit der Ringe und somit die Vermächtnisse des Vaters an seine drei
Söhne entspricht vielmehr die Situation der drei monotheistischen Weltreligionen.
Sie sind alle drei demselben Gott verpflichtet, streiten aber unversöhnlich darum,
welche die wahre von Gott gewollte Religion ist. Deshalb liegt die Lösung im
Religionsstreit darin, dass jede Religion, im Vertrauen darauf die volle Wahrheit
zu besitzen, ihre Überlieferung aufrechterhalten soll. Die Wahrheit einer Religion
lässt sich im Diesseits nicht beweisen und ein solcher Beweis widerspricht auch
dem Wesen von Religion. Ihre Wahrheit erweist sie aber durch gelebte Humanität
und die Toleranz der anderen Religionen.

GOTTHOLD EPHRAIM LESSING


Gotthold Ephraim Lessing ist einer der führenden Schriftsteller der
Aufklärung, der mit Nathan der Weise ein Paradestück dieser Epoche
geschaffen hat. Sein Leben ist geprägt von Unstetigkeit, da er sehr oft umzieht
und häufig den Arbeitsplatz wechselt.

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Gotthold Ephraim Lessing wird am 22. Januar 1729 in Kamenz (Teil des
Markgraftum Oberlausitz in Sachsen) als Sohn eines lutherischen Pfarrers geboren.
Er bekommt anfangs Hausunterricht und besucht dann die örtliche Lateinschule.
Mit zwölf Jahren erhält der begabte Junge ein Stipendium für die Fürstenschule St.
Afra in Meißen. Bereits vier Jahre später wird er wegen seiner hervorragenden
Leistungen vorzeitig entlassen und schreibt sich an der Universität Leipzig zur
Freude seiner Eltern für das Fach Theologie ein.

Jedoch wechselt er schon bald zu Medizin und interessiert sich zunehmen für
Poesie und Literatur. Zwei Jahre später, im Jahr 1748, bricht Lessing sein Studium
ab und zieht für drei Jahre nach Berlin, um als Rezensent und Redakteur zu
arbeiten, wobei er aber gleichzeitig als freier Schriftsteller tätig ist. Dann setzt er
sein Studium in Wittenberg fort und schließt es 1752 als Magister der freien
Künste ab.

Nach seinem Studium zieht Lessing wieder für drei Jahre nach Berlin und freundet
sich dort mit Moses Mendelssohn an. Er ist erneut als freier Schriftsteller,
Rezensent und Redakteur tätig. In dieser Zeit schafft er mit Miß Sara Sampson das
erste Bürgerliche Trauer spielt überhaupt und geht im Anschluss an die Berliner
Zeit für ein Jahr nach Leipzig, um dann erneut nach Berlin zurückzukehren.

Bereits kurze Zeit später bricht er mit dem Kaufmannssohn Gottfried Winkler zu
einer vierjährigen Bildungsreise durch Europa auf, die sie aber bereits nach kurzer
Zeit wegen des Ausbruchs des Siebenjährigen Krieges abbrechen müssen. Zurück
in Berlin gibt Lessing zusammen mit seinem Freund Mendelssohn und Friedrich
Nicolai 1758 Briefe, die neueste Literatur betreffend heraus. Da er in Berlin keine
dauerhafte Anstellung findet, geht er von 1760 bis 1765 als Sekretär des Generals
Tauentzien nach Breslau. Danach kehrt er für zwei Jahre nach Berlin zurück.

1767 zieht Lessing nach Hamburg, um als Dramaturg und Berater am Hamburger
Nationaltheater zu arbeiten, wo auch sein Stück Minna von Barnhelm uraufgeführt
wird. Bereits nach zwei Jahren muss das Theater allerdings aus finanziellen
Gründen schließen, aber in seiner Hamburger Zeit macht er Bekanntschaft mit
seiner späteren Frau Eva König.

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Lessing in Wolfenbüttel
Bis zu seinem Tod 1781 arbeitet er dann als Hofbibliothekar in der
Herzoglichen Bibliothek Wolfenbüttel. Hier gibt er kirchenkritische Schriften
seines Freundes Samuel Reimarus heraus, was dazu führt, dass ihm die
Zensurfreiheit entzogen wird. Das heißt, er darf nicht mehr in der Bibliothek
gefundene Schriften nach eigenem Ermessen publizieren. Außerdem kommt es
aufgrund der Schriften zum Streit mit der Kirche in Form des Hamburger
Hauptpastors Melchior Goeze, den Lessing während seiner Hamburger Zeit
ebenfalls persönlich kennengelernt hat.

In seiner Zeit in Wolfenbüttel schreibt er neben zahlreichen anderen Schriften auch


Emilia Galotti (1772) und Nathan der Weise (1779). Bis 1775 ist sein Leben auch
von zahlreichen Reisen geprägt, unter anderem nach Österreich und Italien. 1776
heiratet er dann Eva König und bekommt mit ihr 1778 einen Sohn, der kurz nach
der Geburt stirbt. Auch mit Eva ist Lessing kein langes Eheglück vergönnt, da sie
ebenfalls wenige Wochen nach der Geburt am Kindbettfieber stirbt. Lessings
Gesundheitszustand verschlechtert sich bald nach dem Tod seiner Frau.

Er sieht immer schlechter und erleidet schließlich 1781 einen Schlaganfall und
stirbt am 15. Februar mit 52 Jahren, nachdem er nach Braunschweig gereist ist.

DIE EPOCHE
Die berühmteste Definition von Aufklärung liefert Immanuel Kant, der sagt:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten
Unmündigkeit.“ Bereits in diesem einen Satz stecken einige Aspekte. So ist der
Mensch von Natur aus mündig und frei. Umgekehrt bedeutet das, dass es nicht
natürlich ist, von anderen unterdrückt oder in Unfreiheit gehalten zu werden.

Ist dies aber der Fall, dann ist diese Unmündigkeit selbst verschuldet, wenn man zu
faul oder zu feige ist, sich gegen diese Bevormundung aufzulehnen. Auflehnung ist
aber nicht im Sinne eines kriegerischen Aufstandes gemeint, sondern man soll
seine Vernunft benutzen und öffentlich seine Meinung sagen. Dadurch wird der
lang dauernde Prozess einer umfassenden Aufklärung der Bevölkerung
angestoßen, da es dadurch zum Dialog und der Weiterentwicklung der Menschen
kommt.

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Überträgt man Kants Verständnis von Aufklärung auf Lessings Stück, dann zeigt
sich eine große Übereinstimmung. Die Nutzung des Verstandes ist ein zentrales
Element und die Vernunft gilt als absolut. Sie kommt noch vor Glaube und
religiösen Ansichten. An Recha, dem Tempelherrn und Saladin sieht man, dass sie
die geforderte Vernunft in sich tragen und zu kritischer Reflexion fähig sind.

Durch Nathans Unterweisung wird dieser Prozess weiter angestoßen, so dass sie
im Sinne Kants mündig werden können. Der Klosterbruder verkörpert dagegen ein
Zwischending, denn er ist einerseits gegenüber dem Patriarchen loyal, zeigt aber
gegenüber Nathan und dem Tempelherrn, dass er dessen Ansichten nicht teilt. Bei
ihm fehlt also noch das Äußern von Kritik gegenüber seiner Obrigkeit. Der
Patriarch steht dagegen klar für eine bevormundende Instanz, da er lediglich an
Macht und eigenen Interessen orientiert ist. Er strebt nicht nach Erkenntnis und aus
seiner Sicht muss sich die Vernunft dem Glauben unterordnen. Damit verzögert er
den Prozess der Aufklärung.

Das Ziel der Aufklärung zeigt sich deutlich im Schluss des Stücks, denn hier wird
eine Utopie des uneingeschränkten Miteinanders in Liebe und Toleranz gezeigt.
Alle sind glücklich und respektieren sich gegenseitig, unabhängig von ihrer
Religion und ihrem Hintergrund. Auf die Spitze getrieben wird dies noch durch die
verwandtschaftlichen Beziehungen, die nun offen liegen. Die anwesenden
Personen sind alle bereit zur friedlichen Auseinandersetzung mit den übrigen.

Es fehlen Daja und der Patriarch, weil sie ihren Prinzipien treu bleiben und nicht
zum Dialog bereit sind sowie Al-Hafi, der als Aussteiger neben der Gesellschaft
steht. Die Wunschvorstellung im Schluss zeigt durch ihre Irrealität und ihre
Entfernung von Zeit und Ort. Lessings übt dadurch Kritik an seiner Zeit, da seine
Realität ganz anders aussieht.

HINTERGRUND ZUR LESSINGS ZEIT


Lessing veröffentlicht sein Stück Nathan der Weise 1779 in einer Zeit, in der
das Bürgertum an Macht gewinnt. Die Bürger sind nicht länger bereit, die
Vorherrschaft des Adels in politischer sowie kultureller Hinsicht hinzunehmen.
Durch das absolutistische Herrschaftssystem und den sich daraus ableitenden
Abhängigkeiten ist politische Macht nicht erreichbar. Aber das Bürgertum bildet

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eine eigene kulturelle Identität aus, indem es sich bildet und sich an Werten wie
Aufrichtigkeit, Großzügigkeit und Fleiß orientiert. Damit bildet es einen starken
Gegensatz zum Adel, der seine Untergebenen ausbeutet und sich dadurch einen
verschwenderischen Lebenswandel finanziert.

Mit dieser Bewegung in der Gesellschaft geht auch eine Veränderung der Literatur
einher, deren Ziel nicht mehr das Lob des Fürsten und die Unterhaltung der
Adligen ist, sondern nun stehen das bürgerliche Leben und die Aufklärung des
Bürgers im Zentrum. Da zu Beginn des 18. Jahrhunderts aber kaum jemand lesen
und schreiben kann, ist Bildung eine wichtige Voraussetzung, die verstärkt
vorangetrieben wird. Es bilden sich dann Lesezirkel, Lesegesellschaften und
öffentliche Leihbibliotheken, die den Bürgern den Zugang zu Literatur
ermöglichen. Damit werden auch die Schriftsteller von ihren adligen Gönnern
unabhängig, müssen nun aber andererseits mit erfolgreichen Publikationen für
ihren Lebensunterhalt sorgen.

Auch die Theaterkultur verändert sich, da es nur zwei Formen von Theater gibt. Es
gibt zum einen das Hoftheater, an dem meistens französische Stücke oder
italienische Opern aufgeführt werden und zum anderen das Wandertheater für die
Bevölkerung. Hier werden oft Mundartstücke gespielt und die Schauspieler
arbeiten mit einfachsten Mitteln, da sie ihre Kostüme und Kulissen selbst
herstellen müssen. Daraus entsteht dann das Bedürfnis Schauspielhäuser zu bauen
und Stücke mit relevanten Inhalten zu schreiben.

Johann Christoph Gottsched entwickelt daher in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts eine Theatertheorie. Sie orientiert sich an der Antike und dem
französischen Theater. Stücke sollen gleichzeitig Freude bereiten und belehren.
Ganz nach seinem Vorbild Aristoteles soll im Theater die Natur imitiert werden,
was bedeutet, dass Phantastisches und Unrealistisches hier keinen Platz hat.
Wichtige Regeln seiner Theorie sind die Einheit von Zeit, Ort und Handlung sowie
eine Einteilung in fünf Akte, die alle eine festgelegte Funktion innerhalb des
Stücks haben.

Dadurch sollen sich die Zuschauer besser mit den handelnden Personen
identifizieren können, was zur Katharsis (= innere Reinigung) der Zuschauer führt.
Der Held eines solchen Stücks kann auch bei Gottsched nur aus der Oberschicht
stammen und das Versmaß soll ganz nach antikem Vorbild der Alexandriner sein.

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Lessing übernimmt später einiges von Gottsched, orientiert sich aber am
englischen Theater, das tragische und komische Elemente vermischt. Außerdem
sagt ihm die offenere Bühnenform mehr zu. Er verwendet im Gegensatz zu
Gottsched Prosasprache oder Blankverse wie in Nathan der Weise und er schafft
die Ständeklausel ab. Sie passt auch nicht zu seinen Stücken, da er das Bürgertum
ins Zentrum rückt. Alles andere behält Lessing jedoch bei.

INTERPRETATION / ANALYSE ALLER


AUFTRITTE
Erster Aufzug
1. Auftritt:
Gleich zu Beginn wird der reiche Jude Nathan, der auch der Namensgeber des
Stücks ist, eingeführt. Er erfährt von Daja, der christlichen Gesellschafterin seiner
Tochter Recha, dass diese beinahe bei einem Brand in seinem Haus ums Leben
gekommen wäre, aber von einem beherzten Tempelherrn gerettet wurde, während
er selbst auf Geschäftsreise war. In diesem Gespräch zwischen den beiden deutet
sich auch bereits an, dass Recha nicht Nathans leibliche Tochter ist.

Daja weiß davon und sagt, dass sie ihr Gewissen plagt. Nathan gelingt es aber zum
wiederholten Male, sie mit teuren Geschenken zu kaufen und ihr Gewissen zum
Schweigen zu bringen. Daraus lässt sich schließen, dass wohl niemand sonst von
diesem Geheimnis weiß.

2. Auftritt:
Nathan wird als weiser Erzieher dargestellt. Seine Tochter Recha glaubt nämlich,
dass der Tempelherr ein Engel gewesen ist, da sie ihre Rettung als Wunder sieht.
Nathan zeigt ihr aber, dass es einfältig ist, sich zu wünschen, dass Gott extra einen
Engel schickt. Aber dennoch sei die Rettung ein Wunder, da der Tempelherr zuvor
selbst durch ein Wunder vor dem Tod bewahrt wurde. Sultan Saladin, der gerade
während des dritten Kreuzzuges die Macht über Jerusalem innehat, hat den
Tempelherrn nämlich als einzigen Gefangenen begnadigt, weil er ihn an seinen
verschollenen Bruder erinnert hat.

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Bei seiner Erziehung lässt Nathan seiner Tochter aber Raum für ihre eigenen
Erkenntnisse. Er fragt und argumentiert so geschickt, dass sie selbst darauf kommt,
dass ihre Rettung auch so schon ein Wunder war und diese nicht noch mehr
aufgebauscht werden muss. Darin zeigt sich Nathans Weisheit und sein Beiname
erklärt sich so ebenfalls.

3. Auftritt:

Die Vorurteilsfreiheit Nathans zeigt sich dann im dritten Auftritt, da er mit dem
muslimischen Bettelmönch Al-Hafi befreundet ist. Mit diesem spielt er oft Schach
und schätzt ihn sehr. Als er jedoch erfährt, dass sein Freund sich vom Sultan so hat
einwickeln lassen, dass er dessen Schatzmeister geworden ist, macht er deutlich,
dass er nicht bereit ist, dem chronisch von Geldmangel geplagten Sultan Geld zu
leihen.

Al-Hafi kann das verstehen und wäre sein undankbares Amt gerne wieder los. Er
kritisiert den Sultan, da dieser auf der einen Seite die Bettler großzügig unterstützt,
aber auf der anderen sein Volk unterdrückt. Das bringt ihn in Konflikt mit seiner
Mitmenschlichkeit.

4. Auftritt:
Daja ist ganz aufgeregt, da Recha den Tempelherrn aus einem Fenster gesehen hat.
Er hat zuvor Daja immer abgewimmelt, wenn diese versuchte, ihm für die Rettung
Rechas zu danken. Sie weiß daher auch, dass er antisemitisch eingestellt ist, was
aber weder ihre noch Rechas Begeisterung für ihn etwas anhaben kann.

Die Gedanken der beiden kreisen nur noch um ihn und sie stehen oft am Fenster,
um ihn endlich wieder sehen zu können.

5. Auftritt:
Der Tempelherr geht unter den Palmen spazieren und wird vom Klosterbruder
angesprochen. Dieser wurde ihm vom Patriarchen hinterhergeschickt und er macht
keinen Hehl daraus, dass er weder der Laufbursche des Patriarchen sein möchte
noch dessen Meinung teilt. Er gehorcht aber vordergründig, weil er vom
Patriarchen abhängig ist. Er hält aber nicht viel von dessen Machenschaften, denn

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er distanziert sich von diesem durch die wiederholten Formulierungen „sagt der
Patriarch“ und „meint der Patriarch“.

Der Patriarch will, dass der Tempelherr Saladin ausspioniert und sich zudem noch
an einem Mordkomplott gegen diesen beteiligt. Das kann der Tempelherr aber
nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, da Saladin ihm durch die Begnadigung
das Leben geschenkt hat und er ihm nun seines nicht nehmen will. Mit seinen
Plänen verstößt der Patriarch nicht nur gegen den geschlossenen Waffenstillstand,
sondern er begeht auch Verrat an Saladin, da dieser versprochen hat, die Christen
in Jerusalem zu schützen. Für den fanatischen Patriarchen ist dies aber problemlos
mit seinem Gewissen vereinbar, da die Feinde des Christentums vernichtet werden
müssen. Für dieses höhere Ziel ist ihm jedes Mittel recht und er meint auch, dass
Gott auf seiner Seite steht.

Den Tempelherrn erschreckt diese skrupellose Haltung und steigert sich in große
Ablehnung seines Kirchenoberhaupts, als er vom Klosterbruder erfährt, dass
Saladin ihn begnadigt hat, weil er dessen verstorbenen Bruder ähnlich sieht. Da der
Sultan in ihm einen Verwandten sieht, kann er ihm noch weniger etwas Schlechtes
antun und schickt daher den Klosterbruder weg. Dieser freut sich, dass der
Tempelherr seine eigene Meinung teilt und nicht bereit ist, sich für die Zwecke des
Patriarchen missbrauchen zu lassen.

6. Auftritt:
Daja spricht den Tempelherrn an, worauf dieser genervt reagiert, denn Daja erzählt
ihm zum wiederholten Male von ihrem schweizerischen Ehemann, der zusammen
mit Kaiser Friedrich auf dem Kreuzzug in einem Fluss ertrunken ist. Außerdem
erzählt sie ihm von Nathan, der den Beinamen „der Weise“ trägt. Sie betont, wie
reich und gut er ist, schafft es aber nicht, die ablehnende Haltung des Tempelherrn
zu ändern.

Dieser ist mittlerweile sogar so genervt davon, dass sie ihn anspricht, dass er sie
fortschickt und deutlich macht, dass er kurz davor ist, die Rettung Rechas zu
bereuen. Er gibt ihr die Schuld dafür, dass er das nächste Mal vielleicht erst
Erkundigungen einzieht, bevor er jemanden rettet. Daja lässt sich aber von seiner
abweisenden Art nicht abschrecken und bleibt in seiner Nähe.

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Zweiter Aufzug

1. Auftritt:
Die Geschwister Sittah und Saladin spielen Schach um Geld, aber der Sultan ist
nicht bei der Sache und verliert, obwohl Sittah ihn auf seine Spielfehler
aufmerksam macht. Er möchte gar nicht gewinnen und sich auf das Spiel
konzentrieren, da er mit den Gedanken bei dem gebrochenen Waffenstillstand ist.
Dadurch werden seine Pläne durchkreuzt, den Frieden mit einer Doppelhochzeit
zwischen zwei seiner Geschwister und zwei Geschwistern von Richard I. zu
besiegeln.

Außerdem hat er Geldsorgen und weiß nicht, wie er den weiteren Krieg finanzieren
soll. Andererseits ist er aber extrem großzügig zu Sittah, da er ihr, wenn sie das
Schachspiel verliert, die doppelte Prämie auszahlen lässt, um sie zu trösten. Seine
Schwester wird als kluge und scharfsinnige Frau vorgestellt. Sie hinterfragt die
Motive der Kreuzzüge, da die Christen nur den Namen „Christus“ verbreiten
wollen, sich aber kein Beispiel an seinem vorbildhaften Leben nehmen.

2. Auftritt:
Als Al-Hafi dazukommt, soll er Sittah das verlorene Geld auszahlen. Da er selbst
Schach spielt, sieht er auf den ersten Blick, dass Saladin noch gar nicht verloren
hat und weist diesen darauf hin. Da zeigt sich die sture und auch aufbrausende Art
des Sultans, denn er will davon nichts hören und wirft zuletzt sogar das
Schachbrett um.

Al-Hafi ist kein typischer unterwürfiger Diener und sagt Saladin offen, dass etwas
hinter seinem Rücken vorgeht. Sittah versucht es zwar zu verhindern, muss ihrem
Bruder, dann aber gestehen, dass sie in letzter Zeit nicht nur auf das gewonnene
Geld verzichtet hat, sondern auch sämtliche Aufwendungen des Hofes von ihrem
Geld bezahlt hat, da die erwarteten Gelder aus Ägypten noch nicht eingetroffen
sind und Saladin pleite ist. Ihr Bruder ist ihr dafür zutiefst dankbar, obwohl sie sich
damit als Untergebene und Frau in seine Belange eingemischt hat. Dies zeigt zum
einen, dass Sittah mehr vom Wirtschaften versteht als ihr Bruder und zum anderen,
dass sie eine emanzipierte Frau ist, die selbst die Initiative ergreift.

Bei Saladin sieht man, dass er großzügig ist. Er ist zwar bereit Geld einzusparen,

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aber er will dies nur bei sich selbst tun. Da er sehr bescheiden lebt und nur ein
Schwert, ein Gewand und ein Pferd sein Eigentum nennt, ist hier kein
Einsparpotenzial. Nicht zu vergessen ist aber, dass er in einem riesigen Palast mit
vielen Dienern lebt und von Reichtümern umgeben ist. Die Lösung des Problems
soll sein, dass Al-Hafi Geld borgen soll. Dabei darf er aber nur zu Leuten gehen,
die der Sultan nicht reich gemacht hat, damit es nicht wie eine Rückforderung
wirkt. Das erschwert die Suche nach Geldgebern.

Sittah fällt dann ein, dass ihr Schatzmeister einen reichen Juden zum Freund hat,
von dem er sonst immer in höchsten Tönen spricht. Da Al-Hafi bereits weiß, dass
Nathan dem Sultan nichts leihen wird und er nicht Saladins Zorn auf diesen
herabbeschwören will, redet er schlecht von seinem Freund. Er versucht ihn so vor
dem Zugriff des Palastes zu schützen und erklärt, dass Nathan sämtlichen
Vorurteilen gegenüber Juden gerecht wird. Das heißt, dass er zwar den Armen gibt,
da es ihm die Thora gebietet und er gut vor Gott dastehen will, aber er nichts
verleiht, um eben immer genug zum Verschenken zu haben. Damit interpretiert er
Nathans Weisheit in Berechnung um. Außerdem behauptet er dann, dass er einen
reichen Schwarzen kennt, den er aufsuchen will und eilt schnell davon, damit nicht
mehr über seinen Freund gesprochen wird.

3. Auftritt:
Sittah hat durchaus bemerkt, dass Al-Hafi nun ganz anders über Nathan
gesprochen hat als sonst. Sie fragt sich, ob er sich in dem Juden getäuscht hat oder
ob er sich für ihn schämt. Sie zieht es aber auch in Betracht, dass er nicht über
Nathan reden wollte. Darin zeigt sich wieder ihr Scharfsinn und auch ihre
Menschenkenntnis, denn sie hat den Derwisch durchschaut. Allerdings sind ihm
ihre Motive schlussendlich egal, da sie Nathans Geld haben will.

Ihr Bruder, der nicht so listig ist wie sie, fürchtet, dass sie es ihm mit Gewalt
nehmen will, doch ihr Plan sieht so aus, dass sie seine Schwachstelle finden und
ausnutzen will. Diese ist Recha, was Sittah aber noch nicht weiß. Daher will sie
noch darüber nachdenken.

4. Auftritt:
Während Nathan und Recha auf Daja warten, damit diese ihnen sagt, wo sich der

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Tempelherr aufhält, zeigt sich das innige Vater-Tochter-Verhältnis der beiden.
Nathan bemerkt nämlich, dass Recha für ihren Retter schwärmt, was er aber nicht
als bedenklich ansieht und diese auch zugibt. Er bittet sie darum, auch in
Liebesdingen keine Geheimnisse vor ihm zu haben und allein die Vorstellung
ihrem Vater nicht alles zu sagen, ist für Recha undenkbar, da er ihr engster
Vertrauter ist.

5. Auftritt:
Obwohl Nathan bereits weiß, dass der Tempelherr keinen Kontakt zu ihm will,
spricht er ihn dennoch an. Dabei ist er völlig vorurteilsfrei und unterstellt ihm nur
das Beste. Ganz anders ist es bei dem Tempelherrn, denn er ist judenfeindlich
eingestellt und würdigt Nathan herab, indem er ihn mit „Jude“ anspricht, was er
verächtlich meint. Außerdem fällt er seinem Gegenüber ins Wort, um ein Gespräch
im Keim zu ersticken.

Er macht deutlich, dass er mit der Rettung Rechas nur seine Pflicht als Tempelherr
getan hat und es ihm zudem gerade egal war, ob er lebt oder stirbt. Daher war er
gerne bereit, es sogar für eine Jüdin aufs Spiel zu setzen. Damit beleidigt er Nathan
zusätzlich, was diesen jedoch nicht abschreckt. Er erkennt darin im Gegenteil die
Bescheidenheit des Tempelherrn, da er die Beleidigung als Flucht vor
Bewunderung interpretiert. Dann bietet er ihm Geld als Dank an, was dieser aber
direkt ablehnt.

Da Nathan nicht locker lässt, sagt er, dass er sich Geld oder Stoff leihen will, wenn
sein Mantel kaputt ist. Damit will er Nathan abwimmeln, denn bis auf einen
kleinen Brandfleck ist dieser noch völlig intakt und es ist nicht zu erwarten, dass er
überhaupt kommt. Nathan fällt eine Träne auf den Mantel, als er den Brandfleck
sieht, da dieser ihn daran erinnert, dass er sein geliebtes Kind beinahe verloren
hätte. Er bittet den Tempelherrn, den Mantel auch einmal Recha zu schicken, dass
sie den Fleck küssen kann, da der Tempelherr selbst ja nicht kommen will, um
ihren Dank zu erhalten. Durch diese Worte beschämt er den Tempelherrn, der
seine Überheblichkeit ablegt und Nathan nun mit seinem Namen anspricht.

Eine weitere Annäherung der beiden findet statt, als Nathan den Tempelherrn
erneut durchschaut, dass er nur nicht in sein Haus gekommen ist, weil der Hausherr
weit weg war und er Recha nicht durch seinen Besuch in Verlegenheit bringen
wollte. Das wäre die Denkweise eines jeden guten Menschen und gute Menschen

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sollen sich vertragen ohne zu streiten. Dagegen wendet der Tempelherr aber ein,
dass er die Juden für überheblich hält, weil sie in seinen Augen zu stolz darauf
sind, Gottes auserwähltes Volk zu sein und er wirft ihnen vor, diesen Stolz an die
Christen und Muslime weitergeben zu haben.

Denn dies führte zu den Kreuzzügen, die er als blutiges Aufzwingen des eigenen
Gottes empfindet. Diese Kritik an dem heiligen Krieg ist sowohl für die damalige
Zeit als auch im Besonderen für einen Tempelherrn äußerst ungewöhnlich.
Eigentlich müsste er als christlicher Mönch und Ritter voll und ganz hinter den
Kreuzzügen stehen, da sie Ungläubige aus der Ketzerei holen und somit dem
Himmelreich näherbringen. Außerdem galt die Befreiung Jerusalems als höchstes
Ziel überhaupt und sollte der Lebensinhalt eines Tempelherrn sein.

Diese Sichtweise auf den Krieg und die Religionen deckt sich mit der Nathans,
weshalb er will, dass sie Freunde werden. Denn zuallererst ist jeder ein Mensch
und erst danach der Anhänger einer Religion, wobei noch hinzukommt, dass man
sich seine Religionszugehörigkeit nicht aussuchen kann.

Am Ende ihres Gesprächs hat der Tempelherr eine vorurteilsfreie Sicht auf Nathan
und erst auf dieser Basis ist es möglich, dass beide Freunde werden. Diese
Freundschaft schließt die Familien mit ein, weshalb der Tempelherr nun doch
gespannt ist, Recha kennenzulernen, was er vorher rigoros abgelehnt hat. Er wollte
nicht einmal mit Nathan sprechen, doch dieser hat als weiser Erzieher auf ihn
eingewirkt und ihn so Schritt für Schritt zu einer vorurteilsfreien Begegnung
geführt.

6. Auftritt:
Daja kommt zu dem Gespräch dazu, weil sie es vor Sorge und Aufregung nicht
abwarten kann, bis Nathan ins Haus kommt. Der Grund dafür ist, dass der Sultan
nach Nathan schicken lässt, aber entgegen aller Erwartung nicht dessen Waren
oder Geld will, sondern er möchte mit dem Juden sprechen.

7. Auftritt:

Nathan hatte bisher nichts mit dem Sultan zu tun und hat Al-Hafi gegenüber
deutlich gemacht, dass er ihm kein Geld leihen wird. Diese Einstellung hat sich
nun aber geändert, da er sich durch die Begnadigung des Tempelherrn an Saladin
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gebunden fühlt. Denn nur dadurch war es möglich, dass dieser Recha rettete.
Nathan ist daher voller Erwartung, wie er dem Sultan zu Diensten sein kann.

Zuvor bespricht er mit dem Tempelherr noch, dass dieser noch am selben Tag zu
Besuch kommt und er erfährt auch dessen Name: Curd von Stauffen. Dieser und
die Gesten des Tempelherrn wecken bei ihm Erinnerungen an eine Person namens
Wolf und er will nähere Nachforschungen anstellen. Nathan vermutet nämlich,
dass der Tempelherr Wolfs Sohn sein könnte. Er versucht seine Neugier zwar vor
seinem Gegenüber zu verbergen, aber es gelingt ihm nicht recht und der
Tempelherr will noch nicht seine ganze Familiengeschichte vor ihm ausbreiten.

8. Auftritt:
Nathan durchschaut, dass Daja und auch Recha wissen wollen, was er mit dem
Tempelherrn besprochen hat und dies sie viel mehr beschäftigt als der Ruf des
Sultans. Nathan erzählt, dass der Tempelherr demnächst vorbeikommt und bittet
Daja nochmal eindringlich, Recha nichts von dem Geheimnis zu sagen, da er selbst
einen Plan hat, den er aber nicht weiter erläutert. Er spürt, dass es Daja immer
schwerer fällt zu schweigen.

9. Auftritt:
Al-Hafi kommt erneut zu Nathan und dieser denkt, dass der Sultan ihn als zweiten
Boten geschickt hat, weil er zu lange braucht. Dem ist aber nicht so, denn Al-Hafi
kommt, um sich zu verabschieden. Er legt heimlich sein Amt als Schatzmeister
nieder, da er es nicht mitansehen kann, wie seine Freunde von Saladin
ausgenommen werden. Er entschuldigt sich bei Nathan dafür, dass er es nicht
abwenden konnte, dass der Sultan sich Geld von ihm leihen will.

Zusätzlich warnt er ihn noch, dass Saladin keinen Rat annimmt und führt als
Beispiel das Schachspiel an. Nathan reagiert darauf etwas spöttisch, da er meint,
dass sich sein Freund in seinem Stolz als guter Schachspieler gekränkt fühlt. Das
wehrt der aber ab und führt weiter aus, wie schlimm das Borgen für ihn ist. Er
kommt sich vor wie ein Dieb und will so nicht mehr leben. Deshalb will er seinen
Lebenstraum verwirklichen und als Bettelmönch bei Lehrern seines Glaubens am
Ganges leben.

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Er bietet Nathan an mitzukommen, was eine große Ehre ist und seine
Wertschätzung gegenüber diesem ausdrückt. Als dieser aber zögert, nimmt er es
ihm nicht übel, sondern stellt fest, dass sich ihre Wege trennen werden. Nathan
verspricht ihm noch, die geringen Schulden, die er noch hat, zu begleichen und er
bewundert seinen Freund, der einfach alles stehen und liegen lässt, um ein
selbstbestimmtes und freies Leben zu führen.

Dritter Aufzug

1. Auftritt:
Recha kann es kaum erwarten, dass der Tempelherr endlich zu Besuch kommt.
Auch Daja geht es so, wobei sie allerdings bereits eine mögliche Hochzeit der
beiden im Blick hat. Sie wünscht sich, dass Recha mit dem Tempelherrn nach
Europa zieht und deutet Recha gegenüber an, dass ihr wahres Volk dort lebt. Ihr
Schützling versteht das natürlich nicht und kritisiert Dajas Denkweise, die so
anders ist als die vernünftige, die Nathan lehrt. Recha fühlt sich daher von Dajas
Reden manchmal regelrecht benebelt, da diese es auch war, die ihr eingeredet hat,
dass der Tempelherr ein Engel ist.

Sie kann auch mit den christlichen Märtyrern, von denen Daja ihr oft erzählt hat,
nicht viel anfangen. Sie bewundert zwar deren Glauben, aber die beschriebenen
Wunder lassen sich nicht mit ihrem Vernunftdenken vereinbaren. Sie erinnert Daja
daran, dass sie ihr doch gemeinsam mit Nathan vieles beigebracht hat und dass sie
nun nicht dagegen sprechen soll. An diesen Reden Rechas erkennt man, dass sie
sich wieder ganz auf das besonnen hat, was ihr Vater ihr beigebracht hat und seine
Anwesenheit ausreicht, dass Dajas Einfluss auf sie sinkt.

2. Auftritt:
Der Tempelherr kommt zu Besuch und Recha empfängt ihn sehr spöttisch. Sie
vergleicht ihn in Bezug auf ihre Rettung mit der Passivität eines Wassereimers und
dem Abgerichtetsein eines Hundes, der Dinge apportiert. Ihre Ablehnung ist aber
nur gespielt, da sie vorher sein Erscheinen kaum erwarten konnte. Bei dem
Tempelherrn bewirkt das, dass er sie bewundert und sich in sie verliebt. Sie bringt
ihn dermaßen in Verlegenheit, dass es ihm während des Gesprächs teilweise sehr
schwer fällt in ganzen Sätzen zu antworten.

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Da er sich zunehmend unwohl fühlt, sucht er eine Ausrede, um zu gehen. Er
behauptet, er habe sich mit Nathan am Kloster verabredet und es sei sehr wichtig,
dass er nun dorthin geht und auf ihn wartet. Außerdem spricht er noch davon, dass
sie alle in Gefahr sind, wenn er nicht geht. Um welche Gefahr es sich handelt, führt
er allerdings nicht aus.

3. Auftritt:
Der Tempelherr lässt Recha verwirrt zurück, da sie die angedeutete Gefahr und
sein Verhalten nicht versteht. Daja durchschaut allerdings die Gefühle des
Tempelherrn und forscht bei Recha nach, ob diese sich ebenfalls verliebt hat. Das
ist aber nicht der Fall, was Recha selbst erstaunt. Sie schätzt ihren Retter weiterhin
sehr, fühlt sich aber lediglich nur noch freundschaftlich mit ihm verbunden, im
Gegensatz zu ihren Gefühlen vor seinem Besuch.

4. Auftritt:
Saladin wartet ungeduldig auf Nathan. Außerdem ist sehr aufgeregt, da er Nathan
in eine Falle locken will, um an sein Geld zu kommen. Darin ist er aber nicht geübt
und spricht mit Sittah darüber, was passiert, wenn Nathan tatsächlich so weise ist,
wie Al-Hafi mal behauptet hat. Sittah beruhigt ihn, indem sie sagt, dass die Falle
nur zuschnappt, wenn der Jude geizig und furchtsam ist. Außerdem hat ihr Bruder
das Vergnügen zu sehen, wie Nathan sich aus der Falle windet. Sie macht ihm
weiterhin noch Mut, indem sie ihm klar macht, dass Saladin als Moslem über dem
Juden steht.

Sie kann seine Zweifel zwar nicht ganz zerstreuen, aber der Sultan fühlt sich nun
bereit, Nathan entgegenzutreten. Allerdings schickt er Sittah weg, da er sich unter
Beobachtung unwohl fühlen würde. Er will auch nicht, dass sie im Nebenzimmer
lauscht. Dies tut sie wohl öfter und Saladin sagt ihr, dass er nachsehen wird, dass
sie wirklich nicht da ist.

5. Auftritt:
Saladin schmeichelt Nathan, worauf dieser aber bescheiden reagiert. Nathan bietet
dem Sultan dann seine Waren an und als dieser darauf ablehnend reagiert, meint er,
dass Saladin von ihm wissen will, was er über den Feind auf seiner Reise erfahren
hat. Aber auch das will der Sultan nicht wissen, sondern er fragt ihn rundheraus,

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welche Religion er für die wahre hält. Als Begründung führt er noch an, dass
Nathan als weiser Mann darüber nachgedacht haben muss und Gründe dafür hat,
welche die beste Religion ist.

Er bedrängt ihn, ihm eine Antwort zu geben, gestattet ihm dann aber doch einen
kurzen Moment Bedenkzeit. Er geht derweil ins Nebenzimmer, da er erwartet, dass
Sittah trotz seines Verbots lauscht. Er will die Bestätigung von ihr, dass er die
Falle geschickt ausgelegt hat.

6. Auftritt:
Nathan ist allein und wundert sich, dass Saladin nicht sein Geld wollte, wie Al-
Hafi es ihm gesagt hatte. Er wundert sich außerdem über die Frage nach der
wahren Religion und in ihm keimt der Verdacht auf, dass diese Frage eine Falle
sein könnte, da Saladin zu schnell darauf gekommen ist. Er hat sich nicht
vorsichtig in Richtung Religion vorgetastet, sondern ist direkt mit der Tür ins Haus
gefallen.

Nathan befindet sich nun in einem Dilemma, denn wenn er sagt, dass das Judentum
die wahre Religion ist, beleidigt er den Sultan und wenn er sagt, dass der Islam die
wahre Religion ist, dann müsste er eigentlich dorthin konvertieren. Als Ausweg
fällt ihm ein, dass er dem Sultan eine Geschichte erzählen kann. Diese waren im
Orient sehr beliebt und Geschichtenerzähler waren sehr angesehen. Nathan
erwartet Saladin zurück und gibt sich kämpferisch.

7. Auftritt:
Der Sultan kommt zurück und fordert eine Antwort von Nathan. Dabei betont er,
dass er ganz offen reden könne, da sie niemand hören kann. Für Nathan spielt das
aber keine Rolle und er bittet darum, dem Sultan zuerst eine Geschichte erzählen
zu dürfen. Dieser willigt ein und Nathan erzählt die Ringparabel. Darin hat ein
Vater einen wertvollen Ring, der die Zauberkraft hat, vor Gott und den Menschen
angenehm zu machen, wenn man ihn im Glauben an diese Kraft trägt. Der Ring
wird immer an den liebsten Sohn vererbt und dieser wird dann zum Vorsteher der
Familie. Eines Tages hat aber ein Vater seine drei Söhne alle gleich lieb und kann
sich nicht entscheiden. Deshalb lässt er zwei Duplikate anfertigen und kann die
Ringe selbst nicht mehr unterscheiden. Er schenkt jedem Sohn einen Ring und
stirbt. Die Söhne streiten sich, ohne zu einer Lösung zu gelangen.

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Nathan sagt, dass sich die Söhne in der gleichen Lage befinden, wie er und Saladin
in Bezug auf die richtige Religion. Der Sultan kann nicht glauben, dass das die
Antwort auf seine Frage sein soll. Er führt an, dass die Religionen sich doch im
Gegensatz zu den Ringen durch Kleider- und Speisegebote sehr wohl
unterscheiden. Dem stimmt Nathan zu, jedoch entgegnet er, dass sich die
Religionen alle auf ihre Geschichte gründen und jeder der Überlieferung seiner
Familie glaubt, da er von diesen Menschen geliebt wird und sie deshalb nicht lügen
würden. Dies trifft auf die Anhänger jeder Religion zu. Diese Antwort beschämt
Saladin und er schweigt.

Dann erzählt Nathan seine Geschichte weiter. Die drei Söhne ziehen nun vor
Gericht, aber auch der Richter kann ihnen nicht helfen, denn sonst müssten ja zwei
Brüder einen am meisten lieben. Da das nicht der Fall ist, vermutet er, dass der
echte Ring gar nicht mehr existiert. Er gibt ihnen dann aber den Rat, dass jeder von
ihnen glauben soll, dass sein Ring der echte ist und im Laufe der Zeit wird sich
dann zeigen, welcher Ring der echte war. Sie sollen in einen Wettstreit um den
wahren Ring treten und vorurteilsfrei und gut leben.

Dann wird irgendwann ein weiserer Mann sagen können, welches der echte Ring
ist. Nathan fragt darauf den Sultan, ob er dieser Mann ist. Er gibt die Frage nach
der wahren Religion also an diesen ab. Saladin reagiert betroffen und fühlt sich gar
nicht mehr überlegen. Im Gegenteil sieht er sich als ein Nichts an und will Nathans
Freund sein. Er hat also einen Erkenntnisprozess durchgemacht und ist nun in der
Lage, dem Juden auf Augenhöhe zu begegnen.

An der Reaktion des Sultans erkennt Nathan, dass die Frage nach der wahren
Religion tatsächlich eine Falle war und ihm ist klar, dass dieser eigentlich sein
Geld wollte. Da sie nun Freunde sind und er nichts mehr zu befürchten hat, tut er
so, als ob er sein Geld loswerden will. Er bietet es Saladin an und behauptet, dass
dieser ihm einen Gefallen täte, wenn er es nähme, da er zu viel Bargeld daheim
habe, um es sicher zu verwahren. Darauf reagiert Saladin erneut betroffen und
gesteht, dass er genau das von ihm wollte.

Nathan lenkt dann noch geschickt des Gespräch auf den Tempelherrn, indem er
sagt, dass er diesen erst bezahlen müsste, bevor er Saladin den Rest des Geldes
schicken kann. Dabei will der Tempelherr gar kein Geld, aber Nathan kann mit
Saladin über diesen sprechen. Damit bringt er ihn wieder in dessen Erinnerung und

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bewirkt, dass der Sultan von der guten Tat des Tempelherrn erfährt und ihn
schnellstmöglich sehen will, um ihn auch Sittah zu zeigen.

8. Auftritt:
Der Tempelherr wartet unter den Palmen in der Nähe des Klosters auf Nathan und
ist sehr aufgewühlt durch die Begegnung mit Recha. Er hat sich sofort in sie
verliebt und will nicht mehr ohne sie leben. Er ist bereit, seine Vorurteile
gegenüber den Juden ganz und gar abzulegen. An seinen Orden sieht er sich nicht
mehr gebunden, da er durch seine Gefangennahme bereits für diesen verloren war.

Außerdem fühlt er sich wie ein neuer Mensch und vieles, was ihm vorher wichtig
war, wie z.B. der Kreuzzug, erscheint ihm nun wie Einflüsterungen. Er hat sich
davon befreit und denkt nun anders und erinnert sich an die Geschichten über
seinen Vater, dem er sich sehr verbunden fühlt.

9. Auftritt:
Nathan trifft den Tempelherrn und will ihn mit zum Sultan nehmen, nachdem er zu
Hause das Geld für diesen angewiesen hat. Der Tempelherr will aber sein Haus
nicht eher betreten, als bis Nathan ihm eine Hochzeit mit Recha versprochen hat.
Nathan reagiert aber wider Erwarten verhalten und will erst genaueres über den
Vater des Tempelherrn wissen.

Mehr als dass dieser den gleichen Namen trägt und ebenfalls Tempelritter war,
findet Nathan allerdings nicht heraus. Er kannte den Vater aber und betont, dass er
doch noch gar nicht nein gesagt hat und ihm bisher noch keine Bitte abgeschlagen
hat. Da beruhigt sich der Tempelherr wieder und will auf Nathan warten, während
dieser kurz nach Hause geht.

10. Auftritt:
Der Tempelherr wartet immer noch aufgewühlt von der Begegnung mit Recha auf
Nathan, als Daja ihn aus einem Versteck heraus anspricht. Sie zieht ihn hinter
einen Baum, damit Nathan sie nicht sehen kann. Dann sagt sie ihm, dass es um ein
doppeltes Geheimnis geht, das sie mit ihm besprechen will. Ein Geheimnis habe er
und das andere sie. Der Tempelherr hat keine Ahnung, wovon sie eigentlich spricht
und Daja rückt erst nach und nach damit heraus, dass sie wissen will, ob der
Tempelherr sich in Recha verliebt hat.

39
Als er dies zugibt, fordert sie ihn auf, Rechas Seele zu retten, indem er sie heiratet.
Das versteht der Tempelherr nicht, zumal auch Nathan der Heirat noch im Wege
steht. Daja versichert aber, dass das kein Problem sein wird und Nathan nachgeben
wird. Sie zögert noch ein wenig, ihr Geheimnis preiszugeben, da sie doch ihr
Gewissen gegenüber Nathan plagt, aber dann offenbart sie dem Tempelherrn, dass
Recha eine Christin ist und Nathan nicht ihr leiblicher Vater.

Der Tempelherr kann das erst nicht recht glauben und verfällt in seine alten
Vorurteile, als er hört, dass Nathan nie vorhatte, Recha die Wahrheit zu sagen. Das
sieht er als Sünde an und will nun überlegen, wie er mit diesem Wissen umgeht.
Außerdem will er Nathan erstmal nicht begegnen, weshalb Daja ihm sagen soll,
dass sie sich beim Sultan treffen.

Daja bittet ihn noch darum, sich Nathan gegenüber nichts anmerken zu lassen. Sie
hat nun doch ein schlechtes Gewissen und betont, dass dieses Geheimnis nur dazu
dienen soll, dass er und Recha heiraten können. Sie ist an einer Hochzeit so
interessiert, weil sie hofft, dass der Tempelherr Recha dann mit nach Europa
nimmt und sie selbst dann auch wieder zurück in die Heimat kann.

Vierter Aufzug

1. Auftritt:
Der Tempelherr kommt zum Kloster und trifft in den Kreuzgängen den
Klosterbruder, der mit seinem Schicksal als Bote des Patriarchen hadert. Als er den
Tempelherrn sieht, befürchtet er, dass er sich nun doch dem Mordkomplott an
Saladin anschließen will, aber der Tempelherr kann ihn beruhigen und erklärt, dass
er den Rat des Patriarchen in einer religiösen Angelegenheit braucht.

Als er ansetzt, die Situation mit Recha und Nathan zu erklären, unterbricht ihn der
Klosterbruder sofort, da er sich nicht noch mit den Sorgen des Tempelherrn
belasten will. Er stiehlt sich damit aus der Verantwortung, dem Tempelherrn helfen
oder raten zu müssen. Ihm ist es schon unangenehm, dass er sich um die
Angelegenheiten des Patriarchen kümmern muss, da er eigentlich der Welt den
Rücken kehren will, um als Eremit zu leben.

40
2. Auftritt:
Als der Tempelherr den Patriarchen sieht, bereut er schon, dass er ihn überhaupt
aufgesucht hat, da er ihm sein Prunk unsympathisch ist. Der Patriarch freut sich
allerdings den Tempelherrn zu sehen, da er erwartet, dass dieser seinen Wünschen
gemäß handeln will und seinen Rat annimmt. Der Tempelherr wendet aber ein,
dass es nicht gut ist, wenn man blindlings handelt, nur weil es einem gesagt wird.
Damit schränkt er die Überlegenheit des Patriarchen ein, für den nicht die
menschliche Vernunft als oberstes Prinzip gilt sondern Gottes Wort, wobei er sich
selbst als dessen Sprachrohr sieht. Damit steht in krassem Gegensatz zu dem
vernünftigen Nathan, der zwar gläubig ist, aber immer auch seine Vernunft benutzt
und sich von dieser leiten lässt.

Als der Tempelherr den Fall von Recha schildert, tut er so, als ob es nur um ein
Gedankenspiel geht. Der Patriarch will ihm aber nur darauf antworten, wenn er
sicher sein kann, dass es sich um einen realen Fall handelt, da er der Meinung ist,
dass man sonst nicht weiter darüber nachdenken muss. Dies wäre etwas für das
Theater, also pure Unterhaltung. Er ahnt aber, dass sich die Geschichte in
Jerusalem tatsächlich ereignet hat und den Tempelherrn beschäftigt, denn sonst
wäre dieser nicht zu ihm gekommen. Daher verweist er auf das Kirchenrecht, das
besagt, dass der besagte Jude verbrannt werden muss.

Der Tempelherr bringt darauf mehrere Einwände, wie beispielsweise, dass der
Jude das Mädchen wirklich liebt und es gestorben wäre, wenn er es nicht zu sich
genommen hätte. Das lässt der Patriarch aber alles nicht gelten, da Gott laut ihm
keinen Juden benötigt, um ein Kind zu retten. Er ist hart und unmenschlich, was
den Tempelherrn zunehmend abstößt. Daher will er nicht weiter darüber sprechen
und gehen. Dies erzürnt den Patriarchen, da er wissen will, um wen es sich handelt.

In seinem Eifer will er zu Saladin gehen, um das Kirchenrecht durchzusetzen.


Dieser hat nämlich versprochen, die Christen sowie ihre Rechte und Gesetze zu
beschützen. Dadurch hat er einen mächtigen Verbündeten, sodass der Jude seiner
Strafe nicht entgehen kann. Der Tempelherr tut so, als ob er die Meinung des
Patriarchen teilt und sagt ihm, dass er zu Saladin gerufen wurde und diesen auf das
Treffen mit dem Kirchenfürsten vorbereiten will.

Da lenkt der Patriarch ein, da er bemerkt hat, dass der Tempelherr seinen Eifer
nicht in diesem Maße teilt. Er vergewissert sich, dass der Fall nur ein theoretisches

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Gedankenspiel war und entlässt den Tempelherrn, um den Klosterbruder auf den
Juden anzusetzen. Er soll herausfinden, um wen es sich handelt, damit diese Person
entsprechend bestraft werden kann. Er ist sich nämlich sicher, dass er sich um
einen realen Fall handelt und ist nicht bereit, den Juden ungestraft zu lassen.

3. Auftritt:
Sklaven tragen im Palast das von Nathan geschickte Geld herein. Saladin schickt
Sittah die Hälfte davon und will den Rest seinem Vater schicken, da er nicht gut
mit Geld wirtschaften kann. Er befürchtet, dass es ihm sonst einfach durch die
Finger rinnt und beschließt, den Armen erstmal nichts mehr zu geben, um zu
sparen, bis die erwarteten Gelder aus Ägypten eintreffen.

Unterdessen kommt Sittah und zeigt Saladin ein Bild ihres verschollenen Bruders
Assad, das die beiden mit dem Tempelherrn vergleichen wollen. Sittah setzt sich
an die Seite, als der Tempelherr angemeldet wird, um nicht zu stören. Sie zeigt
dadurch, dass sie ihren Bruder als Oberhaupt akzeptiert.

4. Auftritt:
Der Tempelherr kommt herein und sieht sich als Gefangener des Sultans. Dieser
betont aber, dass er ihm neben seinem Leben auch die Freiheit geschenkt hat, was
den Tempelherrn dazu veranlasst, sein Leben als Dank in seinen Dienst zu stellen.
Damit macht er sich von Saladin abhängig, ohne dass dieser es von ihm fordert. Er
will lediglich, dass der Tempelherr es nicht gegen ihn einsetzt, was er auch gar
nicht vorhat, da er sich nicht an der Verschwörung des Patriarchen beteiligen will.

Saladin fragt ihn, ob er bei ihm bleiben möchte. Dabei ist es ihm wichtig zu
betonen, dass daran keine Bedingungen wie eine Konversion zum Islam gebunden
sind, da er tolerant ist. Diese Bitte und die damit verbundene Toleranz veranlassen
den Tempelherrn ihm nicht nur sein Leben zu unterstellen sondern seine ganze
Person. Er ist Saladin gegenüber nun noch positiver eingestellt. Die beiden reichen
sich als Zeichen ihrer Freundschaft die Hand.

Dann lenkt Saladin das Gespräch auf Nathan, der noch nicht da ist. Als der
Tempelherr sehr kühl darauf reagiert, hakt der Sultan nach und bittet ihn, ihm
anzuvertrauen, was passiert ist. Nach und nach erzählt der Tempelherr von seiner
Enttäuschung, als Nathan zögerlich auf seinen Heiratsantrag reagiert hat. Er denkt

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nur Schlechtes von seinem Freund und steigert sich in seine Ablehnung so weit
hinein, dass er sogar damit droht, ihn durch das Kirchengericht bestrafen zu lassen.
Das würde bedeuten, dass Nathan auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird.

Saladin erkennt, dass der Tempelherr sich lediglich in Rage geredet hat und wirkt
beruhigend auf ihn ein, indem er ihn daran erinnert, wie wichtig Toleranz ist. Seine
Worte fallen fruchtbaren Boden und der Tempelherr beruhigt sich wieder.
Außerdem gibt er zu, dass ihn die Blutgier des Patriarchen abgeschreckt hat.
Saladin ist zwar ein wenig enttäuscht, dass er zuerst zum Patriarchen gegangen ist,
bevor er ihn um Rat gefragt hat, aber er verspricht zwischen seinen beiden
Freunden zu vermitteln und versichert dem Tempelherrn, dass er Recha heiraten
kann. Dann schickt er ihn los, um Nathan zu holen.

5. Auftritt:
Sittah und Saladin unterhalten sich über den Tempelherrn und auch Sittah ist die
große optische Ähnlichkeit zu Assad aufgefallen. Saladin betont noch die
Ähnlichkeit ihres Charakters, da sein Bruder genauso aufbrausend war wie der
Tempelherr. Sittah bedauert, dass er nicht nach den Eltern des Tempelherrn gefragt
hat, da die Ähnlichkeit so groß ist, dass der Tempelherr Assads Sohn sein könnte.
Saladin hält das ebenfalls für möglich, da sein Bruder bei den Christinnen sehr
beliebt war und er sie selbst auch sehr anziehend fand.

In Bezug auf Recha ist Saladin der Meinung, dass Nathan als nichtleiblicher Vater
kein Recht dazu hat, die Hochzeit mit dem Tempelherrn zu verweigern. Sittah ist
neugierig auf das Mädchen und bittet ihren Bruder nach ihr schicken zu lassen.
Außerdem wäre es leichter möglich, die Hochzeit durchzusetzen, wenn Recha
nicht mehr in Nathans Einflussbereich ist. Grundsätzlich teilt der Sultan diese
Einstellung, aber er will seinen Freund Nathan auch nicht vor den Kopf stoßen und
bittet seine Schwester daher um Behutsamkeit, damit Nathan nicht das Gefühl hat,
dass man ihm das Mädchen wegnehmen will.

Sittah verspricht es und Saladin will nun selbst nach Al-Hafi suchen, da dieser
schon länger nicht mehr aufgetaucht ist. Er weiß nicht, dass sein Schatzmeister
einfach gegangen ist, da dieser sich nicht abgemeldet hat, sondern einfach
verschwunden ist.

6. Auftritt:
Nathan zeigt Daja die wertvollen Stoffe, die er für sie von seiner Reise mitgebracht
hat. Sie denkt aber nur an die Hochzeit von Recha und dem Tempelherrn. Sie sagt

43
Nathan, dass sie sich nicht mehr bestechen lässt und nicht mehr länger über Rechas
wahre Herkunft schweigen kann, da es ihr wichtig ist, dass sie wieder als Christin
unter Christen lebt. Nathan betont, dass er nichts gegen den Tempelherrn als
Schwiegersohn einzuwenden hat, er aber noch ein paar Dinge herausfinden will.
Daher bittet er Daja darum, noch ein paar Tage zu schweigen.

Bevor sie darauf aber antworten kann, kommt der Klosterbruder, um mit Nathan zu
sprechen. Während Daja ihn fragt, was er will, überlegt Nathan, wie er mehr über
den Tempelherrn in Erfahrung bringen kann, ohne zu verraten, warum er das
wissen will. Er will nämlich nicht riskieren, dass vielleicht unnötigerweise zu viele
Leute wissen, dass er nicht Rechas leiblicher Vater ist. Er hätte dann nämlich zu
befürchten, dass man ihm das Mädchen wegnehmen könnte.

7. Auftritt:
Während Nathan noch immer grübelt und sich wünscht, dass er für Recha immer
ihr Vater bleibt, nähert sich der Klosterbruder. Nathan erkennt ihn nicht, weswegen
er ihm seine Lebensgeschichte rückwärts erzählt und andeutet, Nathan etwas
Wertvolles gegeben zu haben. Dieser kann mit seinen Andeutungen nichts
anfangen und wird ein wenig ungeduldig. Der Klosterbruder erklärt ihm aber erst,
in welcher Gefahr sich ein gewisser Jude befindet, da dem Patriarchen zu Ohren
gekommen ist, dass es einen gäbe, der ein Christenmädchen aufgezogen habe und
dies sei eine schwere Sünde.

Nathan ahnt daraufhin, dass der Klosterbruder etwas weiß und dies bestätigt sich
auch, da er es war, der Nathan damals die wenige Wochen alte Recha im Auftrag
seines Herrn Wolf von Filnek brachte. Dieser war Nathans Freund und konnte sein
Kind nicht mit in den Krieg nehmen und ließ es Nathan bringen, da seine Frau bei
der Geburt des Mädchens gestorben war. Er selbst starb auch kurz darauf und der
einstige Reitknecht wurde zum Einsiedler, der vor kurzem von Arabern überfallen
und verschleppt wurde. Er konnte fliehen und wurde vom Patriarchen
aufgenommen, der ihm eine neue Siedelei versprochen hat. Nun ist er aber schon
seit einer Weile in Jerusalem und muss unbequeme Aufträge für diesen erledigen,
wie beispielsweise den besagten Juden ausfindig machen.

Der Klosterbruder ist zwar der Untergebene des Patriarchen und von diesem
abhängig, aber er hat Nathan dennoch nicht verraten, obwohl er sofort wusste, um
wen es sich handelt. Ihn schrecken das pompöse Auftreten und seine
Skrupellosigkeit ab, weshalb er sich regelmäßig von diesem distanziert. Auch

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Nathan macht er klar, dass er dessen Ansichten nicht teilt, da er selbst der Meinung
ist, dass Nathan gut und richtig gehandelt hat. Denn nur wenn er das Kind als sein
eigenes aufzieht, kann er ihm die Liebe schenken, die es braucht. Seine Toleranz
geht sogar noch weiter, indem er sagt, dass er die Streitereien und Kämpfe
zwischen Juden und Christen sehr bedauert. Außerdem vergessen die Christen oft,
dass Jesus selbst auch Jude war und sich das Christentum somit auf das Judentum
aufbaut.

Dies veranlasst Nathan dazu, ihm seine eigene Lebensgeschichte anzuvertrauen. Er


erzählt, dass seine Frau und seine sieben Söhne drei Tage bevor er Recha bekam
von Christen bei einem Pogrom verbrannt wurden. Er selbst verfluchte darauf die
Christen und haderte mit Gott. Als er gerade bereit war, sich diesem wieder
zuzuwenden und sein Schicksal zu akzeptieren, wurde Recha zu ihm gebracht. Der
Klosterbruder ist tief beeindruckt und nennt Nathan einen wahren Christen. Damit
macht er ihm das größte Kompliment überhaupt und drückt seine Wertschätzung
aus.

Nathan geht es mit dem Klosterbruder genauso und gemeinsam überlegen sie, wer
aus Rechas Familie noch lebt. Denn Nathan will ihr ihre leibliche Familie nicht
vorenthalten. Sie kriegen noch zusammen, dass Rechas Mutter die Schwester eines
Conrad von Stauffen war. Dem Klosterbruder fällt nach einigem Nachdenken noch
ein, dass er ein kleines Gebetbuch seines Herrn hat, in welchem dieser sämtliche
Verwandte auf Arabisch notiert hat. Während er geht, um es zu holen, überlegt
Nathan, wer ihm bei Patriarchen angezeigt hat. Er befürchtet, dass es Daja war, da
sie nun schon mehrfach gesagt hat, dass sie nicht mehr über Rechas Herkunft
schweigen kann.

8. Auftritt:
Daja kommt aufgeregt herbei und erzählt, dass Sittah nach Recha schicken lässt.
Nathan ist gedanklich noch mit dem Patriarchen beschäftigt und fragt mehrfach
nach diesem. Daja beteuert, von diesem weder etwas gehört noch gesehen zu
haben. Nathan will aber sicherheitshalber selbst mit den geschickten Boten
sprechen, da er eine Falle des Patriarchen befürchtet.

Dajas Ängste gehen derweil in eine ganz andere Richtung. Sie kann sich nämlich
vorstellen, dass der Sultan Recha für seinen Harem haben möchte. Dadurch wäre
aber ihr Plan, wieder zurück nach Europa zu kommen, gefährdet. Deshalb

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beschließt sie, Recha unterwegs von ihrer Herkunft zu erzählen. Sie denkt in
diesem Moment wieder nur an sich selbst und nicht daran, was sie dadurch in
Recha auslöst und welche Folgen dies auch für Nathan haben kann.

Fünfter Aufzug:

1. Auftritt:
Al-Hafi ist für den Sultan immer noch unauffindbar, weshalb er vermutet, dass er
irgendwo mit jemandem Schach spielt und darüber alles vergessen hat. Er
beschließt, geduldig zu sein, als er von einem Mamelucken (= Diener) die
Nachricht überbracht bekommt, dass die erwartete Karawane aus Ägypten gerade
eintrifft. Saladin bedankt sich für die Nachricht und schickt den Diener fort. Dieser
geht aber nicht, sondern erwartet eine Belohnung. Dabei wird er regelrecht frech
gegenüber dem Sultan, da es ihm als Untergebenen nicht zusteht, eine Belohnung
zu fordern. Außerdem hat er nichts Außergewöhnliches getan.

Saladin fühlt sich aber an seiner Ehre als edler Gönner gepackt und will ihm einen
Beutel Gold schenken. Als der Diener nun trotzig ablehnt, will er ihm sogar zwei
schenken. Der Mameluck lehnt aber erneut ab und es kommt ein zweiter, der
Saladin genau das gleiche sagt wie der erste.

Saladin veranlasst das, ihm zu erlauben sich einen oder zwei Beutel Gold zu
nehmen. Der wird daraufhin aber ebenfalls dreist und fordert drei. Saladin erlaubt
das sofort und erfährt, dass sie zu dritt waren und sich ein Wettrennen lieferten,
wer dem Sultan zuerst von der Ankunft der Karawane erzählt. Einer ist dabei
gestürzt und zwei kamen zu unterschiedlichen Zeiten an. Der Mameluck verspricht
das Gold mit dem gestürzten zu teilen.
Saladin bleibt mit dem Gefühl zurück, gute und edle Diener zu haben. Er
durchschaut nicht, dass sie ihm lediglich möglichst viel Gold aus der Tasche
ziehen wollten.

2. Auftritt:
Die Karawane ist eingetroffen und Emir Mansor kommt zu Saladin, um ihm Rede
und Antwort zu stehen. Er berichtet von Unruhen, die ihre Reise verzögert hätten.

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Saladin glaubt ihm sofort und schickt ihn mit dem Großteil des Geldes weiter in
den Libanon zu seinem Vater. Er soll aber genug Bewacher mitnehmen, da die
Tempelritter den Waffenstillstand gebrochen haben und es in dieser Region
Kämpfe gibt. Hier zeigt sich das Vertrauen, das Saladin in seine Untergebenen
setzt. Er kontrolliert sie kaum und kann sich auch nicht vorstellen, dass sie ihn
täuschen könnten, wie es die Mamelucken zuvor getan haben.

3. Auftritt:
Der Tempelherr geht unter den Palmen vor Nathans Haus auf und ab und denkt
darüber nach, weshalb er so böse auf Nathan ist, da dieser die Hochzeit noch gar
nicht verboten hat. Außerdem hat sich sogar Saladin für ihn verwendet. Diese
Aspekte bringen ihn dazu, sich wieder zu beruhigen und sich an seine neue
Toleranz zu erinnern. Er kommt zu dem Schluss, dass nur der Jude Nathan Rechas
wahrer Vater ist, da er sie zu dem Menschen gemacht hat, der sie heute ist. Und
genau so liebt er sie.

Mittlerweile schämt sich der Tempelherr auch für seinen Auftritt vor Saladin. Da
sieht er Nathan mit dem Klosterbruder aus dem Haus treten und befürchtet, dass
der Patriarch nun weiß, von welchem Juden er gesprochen hat. Er bereut sein
aufbrausendes Temperament, das ihn dazu verleitet hat, zum Patriarchen zu gehen,
da er nun die Tragweite seines Handelns versteht. Während er darüber nachdenkt,
was er tun kann, um Nathan zu schützen, wartet er darauf, dass der Klosterbruder
geht.

4. Auftritt:
Der Klosterbruder hat Nathan das versprochene Buch gebracht und hofft, dass
dieser es nach allem, was ihm die Christen angetan haben und der Patriarch vorhat
ihm anzutun, niemals bereut, Recha aufgezogen zu haben. Nathan kann ihn
beruhigen, da er das Mädchen viel zu sehr liebt. Er hat außerdem erfahren, dass
sein Freund, der Tempelherr, ihn beim Patriarchen angezeigt hat. Das kann er
anfangs nicht glauben, da er ihn ganz anders einschätzt, aber der Klosterbruder ist
sich sicher.

Mit dem Buch will Nathan direkt zum Sultan gehen und ist erleichtert, dass er nun
nichts mehr verbergen muss. Er will nämlich bei Saladin Rechas Herkunft
aufklären und hat dann keinen Grund mehr, sich zu verstecken. Auch den

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Patriarchen muss er dann nicht fürchten, da der Sultan ihn vor diesem beschützen
wird.

5. Auftritt:
Der Tempelherr spricht Nathan an, nachdem der Klosterbruder gegangen ist, und
will mit ihm zusammen zum Sultan gehen. Er fragt Nathan, ob der Klosterbruder
etwas über ihn gesagt hat, worauf Nathan ihm erzählt, dass ihn ein Tempelherr
beim Patriarchen angezeigt hat. Er macht deutlich, dass er nicht glauben kann, dass
dies sein Freund war. Der Tempelherr gibt daraufhin sofort zu, dass er beim
Patriarchen war und ohne Namen über Nathan und Recha gesprochen hat.

Er macht dabei auch deutlich, wie sehr er das bereut und betont, dass er nur dorthin
gegangen ist, weil er sich über Nathans Zurückhaltung in Bezug auf den
Heiratsantrag so geärgert hat. Sein aufbrausendes Temperament ist mit ihm
durchgegangen, als Daja ihm dann auch noch anvertraut hat, dass Recha eigentlich
Christin ist. Um seine unbesonnene Tat wieder gut zu machen, will er Recha auf
der Stelle heiraten, damit der Patriarch sie nicht in ein Kloster schicken kann und
Nathan sie nicht verliert. Außerdem verspricht er, Nathan nie genauer nach ihr zu
fragen und es spielt für ihn auch keine Rolle, welcher Religion sie nun tatsächlich
angehört.

Nathan reagiert aber auch hier wieder zurückhaltend und macht deutlich, dass es
für eine Hochzeit mit seiner alleinigen Zustimmung zu spät ist, da er nun weiß, wer
Rechas Verwandte sind. Zu ihrem Bruder will er sie bringen und dieser hat dann
auch zu entscheiden, wen sie heiratet. Damit erteilt Nathan dem Tempelherrn
wieder eine Abfuhr, aber dieser beschwört ihn, das nicht zu tun, indem darauf
hinweist, dass Recha dann nicht mehr die ist, die Nathan erzogen hat, sondern dass
das Gute in ihr erstickt werden könnte. Nathan weist diese Bedenken aber zurück,
da Recha ihn und auch den Tempelherrn immer als Freunde an ihrer Seite haben
wird.

Da der Tempelherr unter diesen Umständen wahrscheinlich nicht der Ehemann


Rechas werden kann, will er zu ihr, um mit ihr durchzubrennen. Er ist sogar bereit,
zum Islam zu konvertieren, nur um mit ihr zusammen zu sein. Damit bezweckt er,
dass sie nicht gefunden werden. Aber Nathan bremst ihn auch hier wieder, indem
er ihm mitteilt, dass Recha beim Sultan ist und der Tempelherr ihn dorthin

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begleiten soll, weil er dann auch ihren Bruder kennenlernen kann. Das bedeutet,
dass alle Pläne des Tempelherrn Recha zur Frau zu bekommen, gescheitert sind.

6. Auftritt:
Sittah freut sich, Recha kennenzulernen und fordert sie auf, weniger zurückhaltend
zu sein und offen mit ihr zu sprechen. Für Recha ist das sehr überraschend, aber
Sittah macht deutlich, dass es ihr damit ernst ist, denn sie will nicht als Prinzessin
sondern als Mutter oder Schwester angesprochen werden. Damit will sie als völlig
Fremde die Vertrauensstellung einer nahen Familienangehörigen haben. Sie
schmeichelt Recha, indem sie ihre Klugheit und Belesenheit lobt. Da widerspricht
Recha aber, da sie kaum Bücher liest, weil ihr Vater davon wenig hält.

Er bringt ihr Dinge bei, wenn er es für notwendig erachtet und bildet dadurch auch
ihre Seele, was Sittah bewundert. Recha gerät förmlich ins Schwärmen über
Nathan, bricht dann aber plötzlich in Tränen aus, wirft sich Sittah zu Füßen und
stammelt, dass sie ihren Vater verlieren soll. Die Prinzessin ist mit dem weinenden
Mädchen etwas überfordert und bittet sie, sich zu beruhigen und aufzustehen. Sie
verspricht auch, ihr als Freundin und Schwester beizustehen. Das bringt Recha
dazu aufzustehen und sich zu sammeln.

Sie erzählt, dass ihre christliche Erzieherin Daja daran schuld ist, dass sie Nathan
als Vater verlieren könnte. Dabei ist sie hin und hergerissen zwischen Groll und
Liebe zu ihrem Mutterersatz. Sie erkennt, dass Daja eine christliche Schwärmerin
ist, die es nicht mitansehen kann, wenn sie meint, dass ein geliebter Mensch ins
ewige Verderben rennt. Das Seelenheil geht ihr nämlich über alles.

Recha erläutert weiter, dass Daja ihr unterwegs zum Palast in einer verfallenen
Kirche offenbart hat, dass sie eigentlich Christin und Nathan nicht ihr Vater ist.
Dabei übermannen sie erneut ihre Gefühle und sie wirft sich der Prinzessin wieder
zu Füßen. Sittah ist nicht so erschüttert, da sie bereits vom Tempelherrn wusste,
dass Recha Christin ist, dennoch bedauert sie ihr Unglück. Als das Mädchen vor
ihr auf dem Boden liegt, beschwört sie es erneut aufzustehen, da ihr Bruder gerade
kommt und diese Situation sehr merkwürdig auf ihn wirken muss.

7. Auftritt:
Saladin kommt zu Sittah und ist verwundert über das kniende und weinende
Mädchen, das sich nicht beruhigen will. Recha schleppt sich zu Saladin und will

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ihn nicht eher anschauen geschweige denn aufstehen, als bis er ihr etwas
versprochen hat. Der Sultan ist sichtlich überfordert mit der Situation und
verspricht ihr alles, wenn sie nur aufsteht. Sie sagt dann, dass sie Nathan nicht als
Vater verlieren will und es ihr völlig egal ist, wer sonst einen Anspruch auf sie
erhebt, da nicht nur die leibliche Verwandtschaft eine Vaterschaft ausmacht.
Saladin hilft ihr aufzustehen und ist sehr verständnisvoll.

Er pflichtet ihr bei, dass eine Blutsverwandtschaft nichts über die Beziehung
aussagt und bietet sich selbst als Vater für sie an, falls sich je zwei Väter um sie
streiten. Auch Sittah ist ganz begeistert von dieser Idee, da sie selbst ja Rechas
Schwester bzw. Mutter sein will und das Mädchen dann wirklich zu ihrer Familie
gehören würde.

Saladin hat dann aber eine noch bessere Idee, indem er vorschlägt, dass Recha
heiraten soll, da Väter sterben können. Er fragt sie direkt, ob es jemanden gibt, in
den sie sich verliebt hat. Er denkt dabei an den Tempelherrn, den er zusammen mit
Nathan zu sich bestellt hat. In ihrer Begeisterung lassen die Geschwister Recha
keine Möglichkeit zu antworten und verhalten sich auch sehr übergriffig, zumal sie
das Mädchen eigentlich gar nicht kennen.

Letzter Auftritt:
Nathan und der Tempelherr kommen zu den vorigen und Saladin begrüßt seine
Freunde. Nathan sagt er, dass er ihm sein Geld zurückgeben wird und ihm darüber
hinaus noch weiteres Geld zur Verfügung stellen will, damit dieser noch besser
Handel betreiben kann. Seinen Freund erstaunt, dass er über so etwas
Nachrangiges mit ihm spricht, während Recha da ist und offensichtlich geweint
hat. Er geht zu ihr und sie umarmen sich. Außerdem versichern sie sich gegenseitig
weiterhin Vater und Tochter zu sein.

Als Recha erklärt, dass ihr nun nichts Schlimmes mehr passieren kann, fühlt sich
der Tempelherr zurückgesetzt und sagt beleidigt, dass er sich wohl in Rechas
Gefühlen getäuscht hat. Als er gehen will, hält Saladin ihn zurück und versucht ihn
erstmal zu beruhigen. Er führt Recha zu ihm und fordert diese auf, ihm ihre Liebe
zu gestehen. Damit will er dem Tempelherrn zeigen, dass er Unrecht in Bezug auf
Rechas Gefühle hatte. Bevor sie aber etwas sagen kann, schaltet sich Nathan ein
und weist darauf hin, dass Recha einen Bruder hat, der zu einer Verlobung seine

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Zustimmung geben muss. Beim Tempelherrn löst das Bitterkeit aus, da er sich
erneut abgewiesen fühlt.

Nathan nimmt ihm das aber nicht übel, sondern erklärt, dass er sowohl die gesamte
Familiengeschichte des Tempelherrn sowie dessen wahren Namen kennt, welcher
Leu von Filnek lautet. Er wurde von seinem Onkel an Kindes statt aufgezogen,
nachdem seine Eltern zurück nach Palästina gegangen sind. Mit dem Vater des
Tempelherrn war Nathan sogar befreundet und er offenbart, dass Recha und der
Tempelherr Geschwister sind. Recha freut sich über diese Nachricht und will ihren
Bruder umarmen, der aber zurückweicht und es nicht fassen kann. Recha fühlt sich
dadurch zurückgesetzt und ist verletzt.

Auch der Sultan ist mit seiner Reaktion nicht zufrieden und will ihn fortschicken,
weil er Recha nicht als Schwester anerkennt. Der Tempelherr entschuldigt sich
daraufhin bei Saladin und eilt zu Nathan, um ihm zu erklären, dass er ihm die
Geliebte zwar genommen hat, ihm aber dafür eine Schwester geschenkt hat.
Letztere ist ihm sogar wichtiger und er umarmt Recha. Dass ihm dieser Wechsel
von der Geliebten zur Schwester keinerlei Schwierigkeiten bereitet, befremdet erst
einmal, spielt aber im Stück keine Rolle, da hier das Ideal der Liebe und
Nächstenliebe gezeigt wird und wie es durch die beteiligten Personen gelebt wird.

Nathan offenbart dann noch Rechas richtigen Namen, die eigentlich Blanda von
Filnek heißt. Der Tempelherr befürchtet zuerst, Nathan wolle sie verstoßen, weil er
ihren christlichen Namen benutzt, aber er will im Gegenteil auch ein Vater für ihn
sein, wie er es für Recha ist. Die drei umarmen sich gerührt und glücklich.

Auch Saladin und Sittah berührt diese Familienzusammenführung, wobei der


Sultan andeutet, dass es noch mehr zu enthüllen gibt und sich Sittah auf noch mehr
Emotionen vorbereiten soll. Er nimmt dann auch direkt Nathan beiseite und fragt
ihn zu Wolf von Filnek aus. Als er erfährt, dass dieser aus dem Morgenland kam
und Persisch sprach, ist er sich ganz sicher, dass es sich bei diesem Mann um
seinen Bruder Assad handeln muss.

Nathan zeigt ihm dann noch das Buch, das er vom Klosterbruder erhalten hat, und
Saladin erkennt darin Assads Handschrift. Nathan weist ihn darauf hin, dass er
Recha und dem Tempelherrn nicht sagen muss, dass er ihr Onkel ist und die beiden

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somit auch von königlichem Geblüt sind. Saladin möchte aber nicht hinter Nathan
zurückstehen und auch seinen Anteil an den beiden haben.

Deshalb ruft er laut zu Sittah, dass die beiden ihre Nichte und ihr Neffe sind. Sittah
ist überglücklich und Saladin freut sich ebenfalls, dass die beiden zu seiner Familie
gehören. Der Tempelherr erinnert sich an Träume aus seiner Kindheit, von denen
er dachte, sie seien nicht real und erkennt, dass sie doch der Wahrheit entsprachen.

Er hatte demnach schon eine Ahnung vom Leben seiner Eltern, an dem er
allerdings nicht teilhatte. Alle umarmen sich und der Vorhang fällt. Trotz aller
Verwicklungen und Verletzungen endet das Stück nicht nur in größter Harmonie,
sondern es stellt sich sogar heraus, dass alle miteinander verwandt sind. Damit sind
nicht nur die Personen gemeint, sondern auch die drei Weltreligionen, die sie
repräsentieren.

SZENENÜBERSICHT
I. Aufzug
1
Rückkehr Nathans in sein Haus in Jerusalem;
Rettung Rechas beim Brand des Hauses durch Tempelherrn;
Recha nimmt Tempelherrn als rettenden Engel wahr.
2
Gespräch über Wunderglauben;
Nathan tritt als Lehrer und Erzieher auf.
3
Gespräch zwischen Nathan und Al Hafi;
Al-Hafi (Derwisch und nun auch Schatzmeister des Sultans Saladin) bittet Nathan
um einen Kredit für den Sultan.
4
Recha hat den Tempelherrn wiedergesehen.
5
Gespräch zwischen dem Tempelherrn und dem Klosterbruder; der Tempelherr soll
Saladin ermorden, so der durch den Klosterbruder übermittelte Auftrag des
Patriarchen.
6
Der Tempelherr lehnt die Einladung Dajas in das Haus Nathans ab; er will mit
einem Juden nichts zu tun haben.
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II. Aufzug
1
Schachspiel und Gespräch zwischen Saladin und Sittah; politische Ziele des
Sultans.
2
Finanzielle Probleme des Sultans; Al-Hafi, Saladin und Sittah diskutieren über
Nathan als potenziellen Geldgeber.
3
Sittahs Plan, bei Nathan Geld zu borgen.
4
Recha wartet auf den Tempelherrn.
5
Gespräch zwischen Nathan und dem Tempelherrn über Pflichtbewusstsein, die drei
großen Religionen und Intoleranz; die beiden schließen Freundschaft.
6
Nathan wird zu Saladin eingeladen.
7
Nathan fühlt sich Saladin zu Dank verpflichtet (der Sultan hatte den Tempelritter,
der Recha rettete, begnadigt);
Nathan erfährt den Namen des Tempelherrn: Curd von Stauffen.
8
Nathan bittet Daja, Recha auf den Besuch des Tempelherrn vorzubereiten.
9
Al-Hafi hat das Amt des Schatzmeisters aufgegeben;
er verabschiedet sich von Nathan; Gespräch über die Freigebigkeit des Sultans
sowie über das Leben als Mönch.

III. Aufzug
1
Recha und Daja warten auf den Tempelherrn;
Gespräch über Wunderglauben und Vernunft.
2
Aufeinandertreffen von Recha und dem Tempelherrn;
der Tempelherr bricht unerwartet auf.
3
Recha denkt über die Begegnung mit dem Tempelherrn nach.

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4
Der Sultan und Sittah erwarten Nathan;
Sittah überredet Saladin, Nathan eine Falle zu stellen.
5
Saladin fragt Nathan nach der wahren Religion.
6
Nathan denkt über die richtige Antwort auf die Frage nach.
7
Nathan erzählt Saladin die Ringparabel; der Sultan erkennt, dass Nathan ein
besonderer Mensch ist; er bittet ihn um seine Freundschaft.
8
Der Tempelherr gesteht sich seine Liebe zu Recha ein.
9
Der Tempelherr offenbart Nathan seine Gefühle gegenüber Recha; Nathan ist
zurückhaltend und wünscht Informationen über die Familie des Tempelherrn.
10
Gespräch zwischen Daja und dem Tempelherrn über dessen Heiratswunsch und
Rechas christliche Herkunft.

IV. Aufzug
1
Gespräch zwischen dem Klosterbruder und dem Tempelherrn.
2
Der Tempelherr und der Patriarch diskutieren, ob ein Jude ein Christenkind
erziehen dürfe; der Patriarch fordert dafür die Todesstrafe, da der Jude das
Mädchen zum Abfall vom Glauben geführt habe.
3
Die Anleihe Nathans trift ein;
Saladin und Sittah erinnern sich ihres Bruders Assad.
4
Der Tempelherr beklagt sich, dass Nathan ihm die Hand Rechas verweigere;
der Sultan will sich für den Tempelherrn einsetzen.
5
Sittah und Saladin mutmaßen angesichts der Ähnlichkeiten, dass der Tempelherr
ein Sohn ihres Bruders Assad sein könnte;
Recha soll in den Palast geholt werden.

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Daja bittet Nathan, die Heirat zwischen dem Tempelherrn und Recha zu
ermöglichen.
7
Der Klosterbruder kommt zu Nathan;
Rechas Herkunft wird geklärt.

8
Daja berichtet Nathan von Sittahs Wunsch, Recha am Hofe des Sultans zu sehen;
Daja will Recha über ihre Abstammung informieren.

V. Aufzug
1
Die Geldnot Saladins wird beendet.
2
Saladin lässt sich vom Krieg im Libanon berichten und schickt Geld dorthin.
3
Der Tempelherr wartet vor Nathans Haus; er fürchtet, dem Patriarchen zu viel
anvertraut und Nathan dadurch in Gefahr gebracht zu haben.
4
Der Klosterbruder überbringt Nathan das Buch von Rechas Vater, das die
Verwandtschaftsverhältnisse aufklären soll.
5
Gespräch zwischen dem Tempelherrn und Nathan;
Geständnis des Tempelherrn, Rechas Herkunft zu kennen sowie mit dem
Patriarchen gesprochen zu haben;
erneute Bitte des Tempelherrn, Recha heiraten zu dürfen.
6
Gespräch zwischen Recha und Sittah;
Recha hat von Daja ihre wahre Herkunft erfahren.
7
Recha befürchtet, ihren Vater zu verlieren; Saladin versucht, sie zu beruhigen.
8
Alle Hauptpersonen sind versammelt;
Nathan legt die verwandtschaftlichen Beziehungen offen:
Der Tempelherr ist in Wahrheit der Bruder Rechas; sein Geburtsname war Leu von
Filnek.
Recha und Leu sind Kinder von Assad, dem Bruder von Saladin und Sittah;
alle umarmen sich.

55
Aufklärung Epoche (1720-1785)

„Aufklärung“ – Um was geht’s? 


Die Epoche der Aufklärung geht von 1720 bis 1785. Hintergrund der
Epoche war der aufgeklärte Absolutismus und der Aufstieg des Bürgertums. 

Immanuel Kant, einer der wichtigsten Vertreter der Epoche der


Aufklärung formulierte den Spruch „Habe den Mut, dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen!“, der die Epoche als Leitmotiv grundsätzlich
beeinflusst. In der Aufklärung gibt es zwei philosophische Strömungen. 

Der Empirismus, der auf den Sinneswahrnehmungen basiert und der


Rationalismus, der zum Benutzen des eigenen Verstandes anregt. In der
Aufklärung bekennen sich die Menschen der Vernunft, sie üben Kritik an
Autoritäten und wollen sich aus Abhängigkeiten wie der Kirche befreien. Das
autonome Ich glaubt an die Bildungsfähigkeit und die Autoren plädieren für
Toleranz. Das Gute und das Vernünftige wird gleichgesetzt und der
menschliche Verstand soll die Wahrnehmung beherrschen.

Hintergrund der Aufklärung


Woher hat die Aufklärung ihren Namen? 
Im Französischen wird das Zeitalter der Aufklärung als Siècle des
lumières (Jahrhundert der Lichter) bezeichnet. Der Begriff ist eigentlich
treffender für diese Epoche. Die Menschen bringen Dunkelheit in die
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jahrhundertelange Unwissenheit. Die Autoren der Aufklärung sind bemüht
den Menschen, die zu dieser Zeit vollkommen in ihrem Glauben gefangen
sind, zum richtigen Umgang ihres Verstandes zu verhelfen und zur Vernunft
anzuregen.

Der historische Kontext der Aufklärung


Im territorial zersplitterten Deutschland treiben absolutistische Fürsten
nach eigenen Interessen Politik, führen Kriege oder gehen Bündnisse ein.
Jedoch kommen nur einzelne Herrschaftsträger den Bedürfnissen der Bürger
nach. Das Bürgertum bleibt vielfach unterwürfig, spießig, intrigant und vom
Wohlwollen des Fürsten abhängig. Auf allen Gebieten finden Umschwünge
statt.

Das literarische Leben zu Zeiten der Aufklärung


Viele Autoren kommen aus protestantischen Pfarrhäusern. Die
finanzielle Lage ist zu dieser Zeit sehr kompliziert. Allein von der
Schriftstellerei zu leben erweist sich als sehr schwierig, auch dadurch, dass
noch kein Urheberrecht existiert. Das Bürgertum der Handels- und
Universitätsstädte gilt als die Zielgruppe der Aufklärung. Eine breite
Leserschaft finden moralische Wochenschriften, die nach englischem Vorbild
Ratschläge zur praktischen Lebensgestaltung geben. Die Epoche wird durch
zahlreiche unterschiedliche literarische Strömungen bestimmt. Sie gehen von
kritischer, unterhaltender und erbauender Literatur bis zu den Werken, die
religiös und empfindsamen Gemütern einen Ausdruck verleihen.

Themen und Motive der Aufklärung 


Die Themen der Aufklärung sind vielfältig. Sie behandelt die Kritik an
Autoritäten wie der Kirche und der Religion, aber auch an staatlichen und
gesellschaftlichen Ordnungen. Das Gute und das Vernünftige wird gleichgesetzt
und der menschliche Verstand soll die Wahrnehmung beherrschen. Es herrscht ein

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unbändiger Fortschrittsglaube. Die kritische Vernunft der Aufklärung kann keine
Standesunterschiede akzeptieren. So werden das Verhältnis zwischen Adel und
Bürgertum angesprochen und Themen wie Erziehung und Bildung behandelt. Das
Gespür für seelische Empfindungen und ein Hang zur psychologischen
Selbstbeobachtung in den Werken ist sichtbar.

Sprache der Aufklärung 


Figurenreichtum des Barocks werden abgelehnt, klare Syntax und sachlicher
Stil wird bevorzugt. Gottsched tritt für eine deutsche Hochsprache ein. Die
Vielzahl der Mundarten und das Hoffranzösische werden kritisiert, weil sie
regionale Schranken errichten. Die zur Aufklärung dazugehörige Empfindsamkeit
verwenden eine nuancenreiche Gefühlssprache, auch Seelensprache genannt.

Formen der Epoche 


Lyrik 

In der Lyrik äußern sich unterschiedliche Einstellungen: Rokoko-Geist,


Didaktisches und Empfindsames.

Rokoko-Lyrik

Hier wird der Einfluss der antiken Mythologie und der Schäferdichtung spürbar
und es drückt sich verfeinerter Lebensgenuss aus.

Gedankenlyrik

Sind didaktische Oden, Lehrgedichte und Epigramme, die in ihrer


Reflexionspoesie um die Schönheit und Zweckmäßigkeit der Natur kreisen.

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Drama

Im Drama kommen die gegensätzlichen Auffassungen von Gottsched und


Lessing besonders zum Ausdruck. Gottsched orientiert das Drama an den
fanzösischen Klassizisten. Er kritisiert das Überzogene und Possenhafte auf der
Bühne. Seine Absicht ist es, das Theater zu einem Forum der aufgeklärt-
vernünftigen bürgerlichen Welt zu machen. Lessing dagegen verweist auf
Shakespeare, somit leitet er das bürgerliche Trauerspiel in Deutschland ein.

Epik

Die Epik der Aufklärung hat meist einen belehrenden und unterhaltenden


Charakter. Dies zeigt sich in Kleinformen wie der Fabel. Lichtenberg nimmt in
seinen Aphorismen politische, moralische und pädagogische Unzulänglichkeiten in
humorvoller Weise in seine Werke auf. Der Roman gewinnt zunehmend an
Beliebtheit und Bedeutung. In ihm kann man philosophische, didaktische und
moralische Vorstellungen ansprechen und persönlichen Empfindungen Ausdruck
verleihen.

Bekannte Vertreter der Epoche der


Aufklärung
Wichtige Autoren
 Johann Christoph Gottsched (1700 - 1766)
 Johann Jakob Bodmer (1698 – 1783)
 Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)
 Johann Jakob Breitinger (1701 – 1776)
 Friedrich Gottlieb Klopstock (1724 – 1803)
 Immanuel Kant (1724 – 1804)
 Christoph Martin Wieland (1733 – 1813)

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Wichtige Werke
 Nathan der Weise (1779) - Gotthold Ephraim Lessing
 Emilia Galotti (1772) - Gotthold Ephraim Lessing
 Miss Sara Sampson (1755) - Gotthold Ephraim Lessing
 Der Zürchersee - Friedrich Gottlieb Klopstock
 Versuch einer kritischen Dichtkunst vor die Deutschen (1730) - Johann
Christoph Gottsched

Merkmale der Aufklärung – Das Wichtigste auf einen Blick


 Hintergründe: (aufgeklärter) Absolutismus; Säkularisierung und Deismus
(rationaler Zugang zu Gott); Aufstieg des Bürgertums

 Orientierung an der menschlichen Vernunft & distanziertes Verhältnis zu


Emotionen; dagegen Empfindsamkeit mit Aufwertung des Gefühls als
Gegenbewegung

 Autonomes Individuum mit Menschenrechten im Zentrum & Toleranz als


zentraler Wert

 Lehrhafte Kurzformen der fiktionalen Literatur: Fabel, Parabel,


Lehrgedicht, Epigramm & Literatur soll nützlich sein

 Themen: Ständekritik, Toleranz, Bildung, Humanität, Erkenntnisfähigkeit


des Menschen

 Stilideal der Klarheit und Verständlichkeit

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Ein Tipp

Versuche die Jahreszahlen von wann bis wann eine Literaturepoche


vorherrschte auswendig zu lernen. So kannst du schon mal grob einordnen, zu
welcher Epoche das Werk gehört. 

!!Aber pass auf!! Manche Literaturepochen überschneiden sich ein paar Jahre. Die


Aufklärung bekennt sich zur Vernunft und übt starke Kritik an den Autoritäten, um
sich von Abhängigkeiten zu befreien.

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