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Rudolf-Strukturbezogene Psychotherapie 2020

Rudolf, Gerd (2006): Strukturbezogene Psychotherapie


Leitfaden zur psychodynamischen Therapie struktureller Störungen

Das topografische Strukturmodell: Freud spricht, z.B. in „Das Ich und das Es“ (1923 b),
oder in den „Neuen Vorlesungen“ von den „Strukturverhältnissen der seelischen
Persönlichkeit“ (1933 a [1932], wenn er das Zusammenspiel von Ich, Es und Über-Ich
beschreibt. Anliegen dieses Strukturmodells ist es nicht, einzelne Inhalte zu beschreiben,
sondern das Zusammenspiel verschiedener Inhalte, das Regelwerk des psychischen
Funktionierens in der Topographie des „psychischen Apparats“, z.B. um die Systeme
Bewusst/Unbewusst zu unterscheiden. (OPD (2001) (Operationalisierte Psychodynamische
Diagnostik) Seite 70)

Kurzdefinition zu Abgrenzung einiger wichtiger Begriffe:

Das Ich: Der zentrale Organisator des Psychischen, welcher zugleich intentional auf die
Objekte ausgerichtet ist.

Das Selbst: Die reflexive psychische Struktur: Das Ich nimmt sich selbst zu Objekt der
Wahrnehmung und wird dadurch zum Selbst (Selbstbild). Das Selbst bewertet sich und fühlt
sich von anderen bewertet (Selbstwert). Das Selbst erlebt sich als konstant und kohärent
(Identität). Das Selbst integriert alle psychischen Funktionen Dispositionen zu einem
Ganzen, es steuert sich selbst und organisiert die Beziehung zu Anderen.

Struktur: Die Gestaltung und Funktionsweisen des Selbst in der Beziehung zum Anderen.

(OPD (2001), Seite 71)

Das neurotische Verhalten ist eine Anpassungsversuch durch Übersteuerung: Eigene


Bedürfnisse, Vorstellungen, Handlungsimpulse und Emotionen werden unterdrückt und
verdrängt, weil anstehende konflikthafte Auseinandersetzungen gefürchtet und vermieden
werden. (Rudolf (2006), Seite 48)

Während das konfliktneurotische Geschehen charakterisiert ist durch die blockierte


Eigenaktivität und daraus abgeleitete pathogene Überzeugungen und dysfunktionale
Verhaltensbereitschaften, liegt der Akzent der strukturellen Beeinträchtigung auf der
eingeschränkten Verfügbarkeit über jene Funktionen, die zur Regulation des Selbst und

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seiner Beziehungen erforderlich sind. Die strukturellen Funktionen betreffen die


Fähigkeiten,

 sich selbst und andere kognitiv differenzieren zu können,


 sich selbst, sein Handeln, Fühlen und den Selbstwert steuern zu können,
 sich selbst und die anderen emotional verstehen zu können,
 zu anderen in emotionalen Kontakt zu treten,
 emotional wichtige Beziehungen innerlich zu bewahren,
 sich selbst im Gleichgewicht zu halten und eine Orientierung zu finden.

(Rudolf (2006), Seite 49)

In der strukturellen Störung resultiert das Leiden weniger aus den blockierten Ansätzen des
eigenen Handelns (wie im neurotischen Konflikt) als vielmehr aus dem Tun der anderen,
das schwer zu ertragen ist. Es ist die von den anderen versagte Befriedigung, die
verweigerte Bestätigung, die entzogene Zuwendung, die gerichtete Forderung, die Leiden
verursacht. Das Leiden wird als unerträgliche Erregungsspannung mit ängstlicher oder
ärgerlicher Gefühlstönung erlebt. Es ist ein Leiden, das wegen seiner Unerträglichkeit zu
raschem Handeln zwingt, zu wütenden Angriffen gegen die Objektwelt, zu Flucht und
Rückzug in Gegenwelten, zu forcierten Eigenaktivitäten, die häufig autoaggressiver Art sind
(Rüger 2000).

Wenn der neurotische Modus betont: „Ich bin unfähig, etwas für mich Wichtiges im Umgang
mit anderen zu erreichen“, dann betont der strukturelle Modus: „Die Objektwelt ist für mich
unerträglich; sie versetzt mich in eine Verfassung, die ich nicht aushalten kann“.

Der neurotische Modus ist der des Internalising, wo das Ich intrapsychische konflikthafte
Spannungen erlebt. Der strukturelle Modus ist der des Externalising, da die Spannungen
dem Aussen zugeschrieben und dort bekämpft werden, ebenso wie innere
Spannungszustände durch äussere Aktionen beantwortet werden. ….

Konflikt: Aktive Wünsche, Bedürfnisse, Impulse aus inneren (neurotischen) Gründen nicht
realisieren können (neurotisch blockierte Eigenaktivitäten)

Struktur: Das passiv Erfahrene emotional nicht ertragen können (strukturell beeinträchtige
Regulationsfähigkeiten)

(Rudolf (2006), Seite 49-50)

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Struktur und Funktion: Struktur beschreibt nicht Inhalte (z.B. bestimmte Typen des
neurotischen Selbsterlebens oder der konflikthaften Beziehungsgestaltung), sondern das
Organisationsniveau der psychischen Funktionen, die das Selbsterleben und das
Beziehungsverhalten regulieren. Die Auflistung der strukturellen Funktionen ist in den
vorausgegangenen Abschnitten erfolgt. Die diagnostische Frage lautet nicht: „Was
beschäftigt diesen Menschen inhaltlich?“, sondern „Wie funktioniert seine Persönlichkeit
in bestimmten Situationen?“ (Rudolf (2006), Seite 50)

(Rudolf (2006), Seite 51)

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(Rudolf (2006), Seite 52-53)

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Grundkonflikt der Nähe: (gleich wie Kopie oben in der Kopie)

„Konflikt“: Widersprüchlich stehen sich das instinktive Bedürfnis nach einer nahen
Beziehung und die Unmöglichkeit einer emotionalen kommunikativen Beziehung
gegenüber.

Strukturelle Folgen:

 Es besteht scheinbar kein Erleben und kein Bild des Selbst, speziell das Körper-
Selbst erscheint fremd.
 Die selbstreflexive Wahrnehmung, speziell für eigene Affekte, ist erheblich erschwert.
 Es besteht keine Toleranz für die andrängenden, intensiven und undifferenzierten
Affekte.
 Die Objekte erscheinen fremd, häufig bedrohlich oder sogar als Verfolger.
 Das Selbst muss sie fürchten und sich vor ihnen schützen.
 Es gelingt nur schwer, einen verstehenden Kontakt, eine empathische Beziehung
zwischen Selbst und Objekten herzustellen.
 Beziehungen hinterlassen keine Spuren im Sinne der Internalisierung.

(Rudolf (2006), Seite 52)

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(Rudolf (2006), Seite 132-133)

Rudolf, Gerd (2006): Strukturbezogene Psychotherapie – Leitfaden zur psychodynamischen


Therapie struktureller Störungen. Schattauer, Stuttgart.

OPD (2001): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik – Grundlage und Manual, 3


aktualisierte Auflage. Verlag Hans Huber, Bern.

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