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Einführung

Mathematik für Informatik I

WS 2022/23

Prof. Dr. Bernhard Steffen (LS 5)

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 1


Einführung

Team
Dozent:
Prof. Dr. Bernhard Steffen (LS 5)

WiMis:
Dr. Andrej Dudenhefner (LS 14), Gerrit Nolte, Dr. Oliver Rüthing,
Maximilian Schlüter, Jonas Schürmann (alle LS 5)

Studentische Tutoren:
Dennis Anton, Mohammad Siwar Alibrahim, Sadoun Alsinou,
Valentin Bart, Maik Dute, Nouha Mataoui, Finn Meinschien,
Martin Misch, Hang Nguyen Nguyen, Julian Roß, Jonathan Schill,
Florian Wellner, Zeyu Yang

Helpdesk:
Mohammad Siwar Alibrahim, Valentin Bart, Andrej Dudenhefner,
Gerrit Nolte, Oliver Rüthing, Jonathan Schill, Maximilian Schlüter,
Jonas Schürmann
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Einführung Organisation

Organisation

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Einführung Organisation

Organisation: Vorlesung

Vorlesungstermine:
Dienstag 16:15 Uhr - 17:45 Uhr
Donnerstag 10:15 Uhr - 11:45 Uhr
Präsenzvorlesung im SRG 1, H.001
Anfangsphase: Via Zoom-Webinar + Übertragung in den Hörsaal
Platzkapazität des Hörsaals ist einzuhalten
Tragen einer medizinischen Maske wird dringend angeraten
Online via Zoom-Webinar.
Nur zu ausdrücklich angekündigten Terminen.
Einladungslink Di 16-18 Uhr
Meeting Id: 969 4950 0122, Kenncode 516465
Einladungslink Do 10-12 Uhr
Meeting Id: 948 3413 3986, Kenncode 237432

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Einführung Organisation

Organisation: Material

Vorlesungsseite
Lehrstuhl 5 → Lehre → WS22/23
Wichtige Ankündigungen, Termine
Weblinks (Moodle, AsSESS,..)
Keine Vorlesungsmaterialien
Moodle Arbeitsraum
Skript, Folien, Übungsblätter
Anmeldung erforderlich über LSF (Online-Vorlesungsverzeichnis)
Abgabe der Übungsaufgaben
Einsicht des erreichten Punktestandes
Musterlösung (PDF, ggf. Videoclips)
Forum für Diskussionen

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Einführung Organisation

Organisation: Material
Trilogie Mathematical Foundations of Advanced Informatics
Band 1: Inductive Approaches
Über den Buchhandel oder
via Springer-Link
Deutschsprachige Vorgängerversion verfügbar
Band 2: Algebraic Thinking (in Vorbereitung)
Band 3: Perfect Modelling (in Vorbereitung)

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Einführung Organisation

Organisation: Material
Skript(en)
Separate Skripten für Vorlesungsteile Algebra und Lineare Algebra
älterer Stand
Nicht weiter gepflegt
Wie im Buch: klausurrelevanter Haupttext und grau unterlegtes
Zusatzmaterial
Folien
Weniger ausführlich als das Buch/Skript
Foliensätze vor der Vorlesung verfügbar
Vollformatige Folien mit Animationen
Vollformatige Folien ohne Animationen
Handoutformat - 4 Folien pro Seite ohne Animationen
Übungsblätter
Nur als Download (Moodle)
Veröffentlichung: Donnerstags bis 18:00 Uhr
Abgabe: Freitags in der Folgewoche bis 16:00 Uhr
Abgabe ausschließlich online in Moodle
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Einführung Organisation

Organisation: Übungen

Ausschließlich als Präsenz-Übungen


Keine Anwesenheitspflicht
Musterlösungen erscheinen später
AsSESS Anmeldungssystem
Registrierung erforderlich
Prioritätsbasierte Auswahl von Übungsterminen (9 Zeitslots)
Cliquenbildung für Abgabegruppen möglich
Zuordbarkeit zur Moodle-Anmeldung sicherstellen
Deadline Montag, 17.10.2022, 14:00 Uhr
Benachrichtigung per Email

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Einführung Organisation

Organisation: Übungen

30 Gruppen einrichtbar
Termine für die Übungsgruppen:
Mi, 8-10 Uhr (4 Gruppen)
Mi, 10-12 Uhr (4 Gruppen)
Mi, 14-16 Uhr (2 Gruppen)
Do, 8-10 Uhr (2 Gruppen)
Do, 16-18 Uhr (4 Gruppen)
Fr, 8-10 Uhr (5 Gruppen)
Fr, 10-12 Uhr (3 Gruppen)
Fr, 12-14 Uhr (4 Gruppen)
Fr, 14-16 Uhr (2 Gruppen)
Anmeldung bis Montag, 17.10.2022, 14:00 Uhr über das
AsSESS-System.

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Einführung Organisation

Organisation: Übungen

Modalitäten der Übungen:


Start der Präsenzübungen erst in KW 42 (2.11. bis 4.11.)
Abgabe in Gruppen 3-4 Studierende
Gruppenbildung ist obligatorisch (ggf. zugeordnet)
Dafür initialer online-Termin zwecks Gruppenbildung im Zeitraum
20.10. bis 22.10 (auf Einladung der Gruppenleiter).
Je Übungungsblatt 3 Aufgaben plus eine Zusatzaufgabe a 4 Punkte
Musterlösung später online als PDFs, ggf. Videos
Erfolgreiche Übungsteilnahme ist Studienleistung

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Einführung Organisation

Organisation: Prüfungen und Studienleistung

(Benotete) Modulprüfung (Klausur, Bearbeitungszeit 180 Minuten)


40% der Punkte zum Bestehen
Klausurtermine (voraussichtlich)
Erstklausur: Dienstag, 14.2.2023, ca. 13:00 - 16:15 Uhr
Zweitklausur: Montag, 27.03.2023, ca. 8:00 - 11:15 Uhr
Zulassungsvoraussetzung (Studienleistung):
40% der regulär erreichbaren Punkte in je 2 Übungsblöcken
Zusatzaufgaben bringen Zusatzpunkte
Block 1: Serien 1-6
Block 2: Serien 7-12
Im Vorjahr erbrachte Studienleistungen sind gültig!
Sonderregelung für Corona-Bonusversuche existiert.

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Einführung Organisation

Organisation: Zusatzangebote

Helpdesk:
Teilweise vor Ort, teilweise online (BigBlueButton)
Zeiten und Modalitäten nach Ankündigung im Moodle und HelpCenter
Informatik.
Start: t.b.a
Repetitorium MafI 1
Regelmäßig im Sommersemester angeboten
Gezielte Klausurvorbereitung (z.B. für Nichtbesteher)
Studienleistung nachholbar
zusätzlicher Klausurtermin Juli/August (geringere Kapazität)

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Einführung Organisation

Motivation

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Einführung Themenübersicht

Themenübersicht

Einige Beispiele Lernziele


Euklidischer Algorithmus Zweifelsfreies Verstehen
Türme von Hanoi Einsatz wiederverwendbarer
Suche von Objekten Muster

... Prinzipielles Vorgehen


Beherrschung von
Trennung von Modellierungsspielräumen
Syntax und Semantik
Inhalte der Vorlesung

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Einführung Themenübersicht

Euklidischer Algorithmus

Euklid, ca. 360 - 280 v. Chr.

Eingabe: Natürliche Zahlen


n, m
Ausgabe: ggT (n, m)
solange n 6= 0 und m 6= 0 tue
wenn n > m dann
n ← n−m
sonst
m ← m−n
Ende
Ende
Gib n + m aus.
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Einführung Themenübersicht

Euklidischer Algorithmus

Kern: Invariante bezüglich gemeinsamer Teiler

GT ({a, b}) = GT ({a − b, b}) falls a ≥ b

→ Siehe Satz 2.1

Mathematische Berührungspunkte:
Natürliche Zahlen, ganze Zahlen
Ordnungen
Induktives Definieren
Induktives Beweisen

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

A H Z

Wie bekommt man den Turm vom Ausgangsstab (A) zum Zielstab (Z)
wenn man ..
den Hilfsstab (H) benutzen darf
nur eine Scheibe pro Schritt bewegen darf
nur kleinere Scheiben auf größere gelegt werden dürfen
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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

Einfach für 2 Scheiben

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

Einfach für 2 Scheiben

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

Einfach für 2 Scheiben

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

Einfach für 2 Scheiben

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

A Z H

Nun mit 3 Scheiben


Für obere 2 Scheiben Problem schon gelöst
Vertausche Rollen von Stab H und Z

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

A Z H

Nun mit 3 Scheiben


Für obere 2 Scheiben Problem schon gelöst
Vertausche Rollen von Stab H und Z

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

A H Z

Nun mit 3 Scheiben


Bewege die größte Scheibe auf den Zielstab

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

H A Z

Nun mit 3 Scheiben


Für die Scheiben auf dem Hilfsstab ist das Problem schon gelöst
Vertausche Rollen von Stab A und H

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

H A Z

Nun mit 3 Scheiben


Für die Scheiben auf dem Hilfsstab ist das Problem schon gelöst
Vertausche Rollen von Stab A und H

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

A H Z

Problem gelöst!

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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

Kernfragen:
Finden des rekursiven
Algorithmus
Finden/Einhalten der
Invarianten
Ermittlung der Komplexität

Hanoi (n,a,h,z) ≡
Wenn (n > 0)
dann Hanoi(n-1,a,z,h);
Verschiebe oberste Scheibe von a nach z;
Hanoi(n-1,h,a,z);
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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

Kernfragen:
Finden des rekursiven
Algorithmus
Finden/Einhalten der
Invarianten
Ermittlung der Komplexität

Hanoi (n,a,h,z) ≡
Wenn (n > 0)
dann Hanoi(n-1,a,z,h);
Verschiebe oberste Scheibe von a nach z;
Hanoi(n-1,h,a,z);
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Einführung Türme von Hanoi

Türme von Hanoi

Kernfragen:
Finden des rekursiven
Algorithmus
Finden/Einhalten der
Invarianten
Ermittlung der Komplexität

Hanoi (n,a,h,z) ≡
Wenn (n > 0)
dann Hanoi(n-1,a,z,h);
Verschiebe oberste Scheibe von a nach z;
Hanoi(n-1,h,a,z);
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Einführung Suche von Objekten

Suche von Objekten

Wie oft muss man höchstens in den Sack greifen, um festzustellen, ob sich
ein bestimmtes Objekt darin befindet?

Einfache Antwort: Man muss alle Objekte herausholen.

Geht das auch besser?

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Einführung Suche von Objekten

Suche von Objekten

Effiziente Suche im Internet


Kern: Geeignete basiert auf massiver Vorarbeit
Umstrukturierung des Problems,
z.B. sortieren Bei Google: Indizierung,
Page Ranking,...

Wichtig: Klarstellung der jeweiligen Spielräume zur Umstrukturierung!

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Einführung Terminierung von Funktionen

Terminierung von Funktionen


Collatz-Funktion
Für n = 27:
Eingabe: Natürliche Zahl 27, 82, 41, 124, 62, 31, 94,
n>0 47, 142, 71, 214, 107, 322,
Ausgabe: 1 161, 484, 242, 121, 364, 182,
solange n 6= 1 tue 91, 274, 137, 412, 206, 103,
wenn n gerade dann 310, 155, 466, 233, 700, 350,
n ← n/2
175, 526, 263, 790, 395,
sonst
n ← 3n + 1 1186, 593, 1780, 890, 445,
Ende ...
6154, 3077, 9232, 4616,
Ende
...
Gib n aus.
40, 20, 10, 5, 16, 8, 4, 2, 1

Terminierung unbekannt!

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Einführung Terminierung von Funktionen

Terminierung von Funktionen

Nochmal Euklidischer Algorithmus..

Eingabe: Natürliche Zahlen


n, m
Ausgabe: ggT (n, m)
solange n 6= 0 und m 6= 0 tue
wenn n > m dann
n ← n−m
sonst
m ← m−n
Ende
Ende
Gib n + m aus.

Beobachtung: n+m nimmt in jedem Schleifendurchlauf echt ab!

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Einführung Umgang mit beschränkten Ressourcen

Umgang mit beschränkten Ressourcen

Beispiel: Schwarmintelligenz: Lösen komplexer Aufgaben im Kollektiv

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Einführung Umgang mit beschränkten Ressourcen

Umgang mit beschränkten Ressourcen

Beispielszenario:
Ausgangspunkt:
Die Einzelgeräte haben beschränkte Arithmetik (z.B. 32 Bit).
Es soll präzise mit ganzen Zahlen bis zu dieser Grenze gerechnet
werden (+, −, ∗, /)
Problem: Zwischenergebnisse können viel grösser sein!

Wie könnte das gehen?

Kern: ’Teile und herrsche’-Prinzip, z.B.: (semantische) Dekomposition


des Problems ( Chinesischer Restsatz).

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Einführung Eigenfaces

Lineare Gleichungssysteme

Aus der Schule bekannt:


x + 3y − 2z = 2
2x + 4y =3
−3x − 5y + 2z = 6

Systematische Lösung durch geeignetes ‘Framework’

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Einführung Eigenfaces

Eigenfaces

Kern:
involvierteres ’Teile und herrsche’-Prinzip.
auch eine semantische Dekomposition des Problems.

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Einführung Trennung von Syntax und Semantik

Trennung von
Syntax und Semantik

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Einführung Trennung von Syntax und Semantik

Trennung von Syntax und Semantik

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Einführung Trennung von Syntax und Semantik

Trennung von Syntax und Semantik

Kern: Etablierung von Modellierungsspielräumen

Beispiel: Rechnen Sie einmal mit römischen Zahlen

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Einführung Lernziele

Lernziele

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Einführung Lernziele

Lernziele

Zweifelfreies Verstehen: Einsatz wiederverwendbarer


mathematische Präzision, Muster:
dazugehörige Formalismen, Beschreibungsmuster
sowie Strukturierungsmuster
mathematisches Vorgehen. Beweismuster
algorithmische Muster

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Einführung Lernziele

Lernziele

Prinzipielles Vorgehen:
Was ist der Kern des Problems?
Was sind angemessene Lösungsmuster?
Wie kann man diese Muster gezielt zur Problemlösung einsetzen?
Wie erhält man ein spezifisches Lösungsszenario
(Domänenmodellierung)

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 42


Einführung Lernziele

Lernziele

Beherrschung von Modellierungsspielräumen:


I Trennung von Syntax/Semantik: WIE vs. WAS
II (Induktives) Strukturieren
III Generalisierung und Abstraktion
als Grundlage für ’teile und herrsche’-Prinzipien wie:
IV Invarianz
V Kompositionalität
mit dem Ziel:
VI Effizienz
VII Korrektheit (z.B.(induktive) Beweisbarkeit)
VII Skalierbarkeit

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Einführung Aufbau der Vorlesung

Aufbau der Vorlesung

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 44


Einführung Aufbau der Vorlesung

Vorlesungsinhalte

Einführung, Übersicht Matrizen


Aussagen und Mengen Lineare Gleichungssysteme
Relationen und Funktionen Invertierbarkeit von Matrizen
Induktives Definieren Vektorräume
Darstellung und Bedeutung Erzeugendensysteme, Basen
Induktives Beweisen Dimension eines Vektorraumes
Ordnungsstrukturen Lineare Abbildungen
Algebraische Strukturen Determinanten
Halbgruppen, Monoide Eigenwerte und Eigenvektoren
Gruppen
Ringe, Integritätsbereiche
Körper

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 45


Aussagen und Mengen

2. Aussagen und Mengen - Themenübersicht

Aussagen
Aussagenlogik
Anwendung: Digitale Schaltkreise
Prädikatenlogik
Logische Beweisprinzipien
Mengen
Mengenbeziehungen
Mengensysteme
Mengenverknüpfungen
Antinomien

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 45


Aussagen und Mengen 2.1. Aussagen

Aussagen

Definition 2.1
Aussagen sind (schrift-)sprachliche Gebilde, für die es sinnvoll ist, ihnen
einen Wahrheitswert wahr (w) oder falsch (f) zuzuordnen.

Beispiel 2.1
1 Delphine sind Fische. (f)
2 5 ist eine Primzahl. (w)
3 Es gibt nur endlich viele Primzahlen. (f)
4 Jede gerade natürliche Zahl grösser als zwei ist Summe zweier
Primzahlen. (?)
5 Die USA ist Olympiasieger im Eishockey. (?)

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 46


Aussagen und Mengen 2.1. Aussagen

Keine Aussagen

Beispiel 2.2
1 Wie spät ist es?
2 Kommt her!
3 Diese Aussage ist falsch.

Bei Satz 3) liegt ein logisches Paradoxon vor.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 47


Aussagen und Mengen 2.1. Aussagen

Unklare Aussagen

Beispiel 2.3
1 Heute ist das Wetter schön.
2 Verdi hat die bedeutendsten Opern komponiert.

Solche Uneindeutigkeiten sind in der Mathematik und Informatik in der


Regel nicht von Bedeutung.
Grund: Strenge Anforderungen an Syntax und Semantik.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 48


Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Aussagenlogik

Prinzip: Zusammensetzen von Teilaussagen zu komplexeren Aussagen.

Dabei gilt:
1 Existenz elementarer (atomarer) Aussagen. Deren innere Struktur ist
nicht relevant. Entscheidend ist, dass ihnen ein Wahrheitswert
zugewiesen werden kann.
2 Extensionalitätsprinzip: Der Wahrheitsswert zusammengesetzter
Ausssagen ergibt sich eindeutig aus dem Wahrheitswert der
Teilaussagen.

Formal präziser: Syntax und Semantik Boolescher Terme


(Kapitel 4.3 und 4.4)

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 49


Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Verknüpfung von Aussagen

Definition 2.2
Seien A und B beliebige Aussagen, dann auch die
Negation von A : (¬A ). Der Wahrheitswert von A wird invertiert.
Disjunktion von A und B: (A ∨ B). Wahr genau dann, wenn
mindestens eine der beiden Aussagen wahr ist.
Konjuktion von A und B: (A ∧ B). Wahr genau dann, wenn beide
Aussagen wahr sind.
Implikation von A und B: (A ⇒ B). Wahr genau dann, wenn falls A
wahr ist auch B wahr ist.
Äquivalenz von A und B: (A ⇔ B). Wahr genau dann, wenn beide
Aussagen den gleichen Wahrheitswert besitzen.
Die Symbole ¬, ∨, ∧, ⇒, ⇔ heißen Junktoren.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 50


Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Implikation

Konvention: Bei Implikation A ⇒ B heißt


A die Prämisse (Voraussetzung) und
B die Konklusion (Folgerung)

Semantik der Implikation


Falls die Prämisse nicht gilt, so ist die Implikation gültig! (Ex falso
quod libet). Demzufolge ist
10 ist eine Primzahl ⇒ Elefanten können fliegen
eine wahre Aussage
In natürlicher Sprache wird die Implikation oft im Sinne der
Äquivalenz (genau dann, wenn) verwendet
Falls die Sonne heute scheint, gehe ich schwimmen.
Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 51
Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Klammereinsparung

Konvention bei der Auswertungsreihenfolge:


1 ¬ vor ∧ vor ∨ vor ⇒ und ⇔
2 Bei gleicher Operatorstärke Auswertung von links nach rechts

Beispiel
1 A ∨ ¬B ⇒ C ∧ ¬D = ((A ∨ (¬B)) ⇒ (C ∧ (¬D)))
2 A ∨B∧C ∨D ∧E = ((A ∨ (B ∧ C )) ∨ (D ∧ E ))

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 52


Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Wahrheitstafel der Junktoren

A B ¬A A ∨B A ∧B A ⇒B A ⇔B
f f w f f w w
f w w w f w f
w f f w f f f
w w f w w w w

Beweisprinzip 1 (Inkrementelle Wahrheitstafeln)


Seien A und B Aussagen (über k ≥ 1 atomaren Aussagen). Aus den zu
A und B gehörigen Spalten der Wahrheitstafel lassen sich die
Spalteneinträge der Wahrheitstafeln von ¬A , A ∨ B, A ∧ B, A ⇒ B und
A ⇔ B konstruieren, ohne dabei auf die Einträge von weiteren
Teilformeln von A oder B Bezug zu nehmen.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 53


Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Semantische Äquivalenz

Aussagen A und B, deren Spalteneinträge in der Wahrheitstafel


übereinstimmen, werden semantisch äquivalent genannt (in Zeichen:
A ≡ B).

Beispiel
1 A ∧ B ≡ ¬(¬A ∨ ¬B)
2 A ⇒ B ≡ ¬A ∨ B

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Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Wahrheitstafel für semantische Äquivalenz

A B ¬A ¬B ¬A ∨ ¬B ¬(¬A ∨ ¬B) A ∧B ¬A ∨ B A ⇒B
f f w w w f f w w
f w w f w f f w w
w f f w w f f f f
w w f f f w w w w

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Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Semantische Äquivalenzen

Lemma 2.1
Es gelten für beliebige Aussagen A , B, C die folgenden Äquivalenzen:

A ∧B ≡ B∧A (Kommutativität)
A ∨B ≡ B∨A

(A ∧ B) ∧ C ≡ A ∧ (B ∧ C ) (Assoziativität)
(A ∨ B) ∨ C ≡ A ∨ (B ∨ C )

A ∧ (A ∨ B) ≡ A (Absorption)
A ∨ (A ∧ B) ≡ A

A ∧ (B ∨ C ) ≡ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C ) (Distributivität)
A ∨ (B ∧ C ) ≡ (A ∨ B) ∧ (A ∨ C )

A ∧ ¬A ≡ F (Negation)
A ∨ ¬A ≡ T

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Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Semantische Äquivalenzen

Lemma 2.1
A ∧A ≡ A (Idempotenz)
A ∨A ≡ A

¬ ¬A ≡ A (Doppelnegation)

¬(A ∧ B) ≡ ¬A ∨ ¬B (deMorgansche Regeln)


¬(A ∨ B) ≡ ¬A ∧ ¬B

T ∧ A ≡ A (Neutralität)
F ∨ A ≡ A

Gesetze auf Seite 56 sind Grundlage für axiomatisches Beweisen in der


Aussagenlogik.

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Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Axiomatisches Beweisen

zu Zeigen: T ∨ A ≡ >
Beweis (axiomatisch, d.h. Grundannahmen (Lemma 2.1) verwendend)
T∨A ≡ (A ∨ ¬A ) ∨ A (Negation)
≡ A ∨ (¬A ∨ A ) (Assoziativität)
≡ A ∨ (A ∨ ¬A ) (Kommutativität)
≡ (A ∨ A ) ∨ ¬A (Assoziativität)
≡ A ∨ ¬A (Idempotenz)
≡ T (Negation)

Zum Vergleich:
A T T∨A
w w w
f w w

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Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Axiomatisches Beweisen

Beweisprinzip 2 (1) (Axiomatisches Beweisen)


Basierend auf einer Menge von Axiomen, also als gültig vorausgesetzten
Sätzen, wird die Behauptung bewiesen, indem gültige Beweisregeln auf
Axiome und bereits bewiesene Sätze angewendet werden.

Theorie des axiomatischen Beweisens mit Gleichungen (Meta-Level)


1 Reflexivität: A ≡ A
2 Symmetrie: A ≡ B impliziert B ≡ A
3 Transitivität: A ≡ B und B ≡ C impliziert A ≡ C
4 Kompositionalität: A ≡ A 0 impliziert B ≡ B[A 7→ A 0 ]
Ersetzen von Gleichem durch Gleichesa
a B[A 7→ A 0 ] steht für die syntaktische Ersetzung aller Vorkommen von A

in B durch A 0 .
Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 59
Aussagen und Mengen 2.1.1 Aussagenlogik

Anendungsdomäne Digitale Schaltkreise

Beispiel: Halbaddierer

C D E Z Ü
z }| { z }| { z }| { z }| { z }| {
A B A∧ ¯B A∧ ¯C C∧¯B D∧ ¯E C∧¯C
0 0 1 1 1 0 0
0 1 1 1 0 1 0
1 0 1 0 1 1 0
1 1 0 1 1 0 1

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Aussagen und Mengen 2.1.2 Prädikatenlogik

Prädikatenlogik

1+2 = 2+1
2+3 = 3+2
6 + 14 = 14 + 6
:

∀x ∈ N. ∀y ∈ N. x + y = y + x

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Aussagen und Mengen 2.1.2 Prädikatenlogik

Prädikatenlogik über natürlichen Zahlen

Bestandteile:
1 Junktoren der Aussagenlogik
2 Relationale Ausdrücke mit freien Variablen (Prädikate oder
Aussageformen). Bsp.: A (n) =df (n + 1 ≤ 3)
3 Quantoren für All- und Existenzaussagen

Allaussage: ∀ n. A (n). Diese ist genau dann wahr, wenn A (n) für alle
Werte n ∈ N wahr ist.

Existenzaussage: ∃ n. A (n). Diese ist genau dann wahr, wenn A (n) für
mindestens einen Wert n ∈ N wahr ist.

Vereinbarung: Quantoren binden schwächer als Junktoren.

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Aussagen und Mengen 2.1.2 Prädikatenlogik

Beispiel - Quantoren

Prädikat für ggT

Zunächst Prädikat für “teilt”

n|m =df ∃k. n · k = m

Darauf aufbauend:

ggT (n, m, x) =df x|n ∧ x|m ∧ ∀y . (y |n ∧ y |m) ⇒ y ≤ x

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Aussagen und Mengen 2.1.2 Prädikatenlogik

Negation quantifizierter Formeln

Lemma 2.2
1 ¬(∀x.A (x)) ≡ ∃x.¬A (x)

2 ¬(∃x.A (x)) ≡ ∀x.¬A (x)

Beweis (intuitiv semantisch)


¬(∀x.A (x)) ist wahr gdw . ∀x.A (x) ist falsch
gdw . A (x) ist falsch für mindestens ein x
gdw . ¬A (x) ist wahr für mindestens ein x
gdw . ∃x.¬A (x) ist wahr

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Aussagen und Mengen 2.1.2 Prädikatenlogik

Konventionen

Bindungen
Freie Variable werden von innen nach außen gebunden. Namenskonflike
vermeiden!
∃ m. ∀ n. n = n + m vs.
∃ n. ∀ n. n = n + n

Notationen
∀ x1 , . . . , xn . A (x1 , . . . , xn ) statt ∀ x1 .∀ x2 . . . . ∀ xn . A (x1 , . . . , xn )
6 ∀ x. A (x) statt ¬(∀ x. A (x))
∀ x ∈ M. A (x) statt ∀ x. (x ∈ M ⇒ A (x))
... und analog für ∃ Quantor

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Aussagen und Mengen 2.1.2 Prädikatenlogik

Prädikatenlogik im allgemeinen

Strukturen
Prädikatenlogik operiert relativ zu Strukturen.
Strukturen bestehen aus einer Menge (Individuenbereich) A,
Operationen f1 , . . . , fn , Relationen r1 , . . . , rm
Interpretation der Operationen und Relationen auf A (hier nicht näher
ausgeführt)
Beispiel: Natürliche Zahlen mit Operationen + und 0 (als nullstellige
Operation) und Relation ≤.

Auswertung von prädikatenlogischen Formeln


relativ zu einer zugrundliegenden Struktur und
relativ zu einer Belegung der freien Variablen (sofern vorhanden)

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Aussagen und Mengen 2.1.2 Prädikatenlogik

Prädikatenlogik im allgemeinen

Semantische Äquivalenz
Gilt nur, wenn unabhängig von der Struktur
Bspl.:
¬((∀ x. ∃ y . x ≤ y ) ∧ (¬∃ z. z < 0)) ≡ (∃ x. ∀ y . ¬(x ≤ y )) ∨ (∃ z. z < 0)
Weitere Vereinfachung von ¬(x ≤ y ) zu y < x gilt z.B. nicht für
andere Interpretationen von ≤ und < (Teilbarkeit). Aber:
(N, +, 0, ≤, <) |= ¬((∀ x. ∃ y . x ≤ y ) ∧ (¬∃ z. z < 0))
⇔ (∃ x. ∀ y . y < x) ∨ (∃ z. z < 0)
Weitere semantische Äquivalenzen

∀ x.∀ y . A (x, y ) ≡ ∀ y .∀ x. A (x, y )


∀ x. (A (x) ∧ B(x)) ≡ (∀ x. A (x)) ∧ (∀ x. B(x))
:

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Aussagen und Mengen 2.1.4 Prinzipien des Beweisens

Direktes vs. Indirektes Beweisen

1 Bislang: Beweisprinzipien 1 und 2 folgen dem Stil des direkten


Beweisens
2 Nicht immer anwendbar
3 Beispiel Satz von Euklid: Es gibt unendlich viele Primzahlen

Beweisprinzip 3 (6) (Widerspruchsbeweis)


Sei A eine zu beweisende Aussage. Falls aus der Annahme, dass A nicht
gilt, F geschlossen werden kann (etwa, indem gezeigt wird, dass eine
Aussage B zusammen mit deren Negation ¬B gilt), so muss A gelten.

(¬A ⇒ F) ⇒ A

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Aussagen und Mengen 2.2. Mengen

Mengen

Georg Cantor (1845-1918)

”Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung M von


bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung
oder unseres Denkens (welche die Elemente) von M genannt wer-
den) zu einem Ganzen.” (Definition 2.4 (2.3) im Buch)

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Aussagen und Mengen 2.2. Mengen

Mengen

Elementbeziehung
1 Für eine Menge M steht m ∈ M für die Aussage, dass m ein Element
der Menge M ist.
2 m∈
/ M steht abkürzend für die Aussage ¬(m ∈ M).

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Aussagen und Mengen 2.2. Mengen

Aufzählung endlicher Mengen

Beispiel
1 F = {♣, ♠, ♥, ♦}
2 W = {Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag,
Samstag, Sonntag}
Kann, sofern unmissverständlich, auch auf unendliche Mengen übertragen
werden, etwa:
Nger = {0, 2, 4, 6, . . .}.

Achtung
1 Reihenfolge der Aufzählung ist nicht relevant: {1, 2, 3} = {3, 1, 2}
2 Elemente haben keine Häufigkeit: {1, 1, 1, 2, 2} = {1, 2}

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Aussagen und Mengen 2.2. Mengen

Beschreibung von Mengen

Beschreibende (intensionale) Form

M = {m | A (m)},
wobei A (m) ein Prädikat über m ist.

Beispiel
Die Menge der Primzahlen:

Prim = {p | p ∈ N ∧ p 6= 1 ∧ ∀ n ∈ N. n | p ⇒ n = 1 ∨ n = p}

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Aussagen und Mengen 2.2. Mengen

Beschreibung von Mengen

Konvention
{x ∈ M | A (x)} statt {x | x ∈ M ∧ A (x)}
Ebenso
∃ x ∈ M. A (x) statt ∃ x. x ∈ M ∧ A (x)
und
∀ x ∈ M. A (x) statt ∀ x. x ∈ M ⇒ A (x)

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Aussagen und Mengen 2.2. Mengen

Die leere Menge

Die Menge, die keine Elemente besitzt, heißt leere Menge.


Notation: 0/ oder { }
Intensional: 0/ = {x | F}

Zu beachten:
0/ 6= {0}
/
/ A (x) gilt immer.
∀ x ∈ 0.

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Aussagen und Mengen 2.2.1 Mengenbeziehungen

Mengenbeziehungen

Definition 2.5 (2.4)


Seien A und B Mengen.
1 A ⊆ B (sprich A ist Teilmenge von B) ⇔df (∀x.x ∈ A ⇒ x ∈ B)
2 A = B (sprich A ist gleich B) ⇔df A ⊆ B ∧ B ⊆ A.
3 A ⊂ B (sprich A ist echte Teilmenge von B)
⇔df A ⊆ B ∧ A 6= B.

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Aussagen und Mengen 2.2.2 Potenzmenge

Potenzmenge

Mengen, deren Elemente selbst Mengen über einer Grundmenge M sind


heißen Mengensysteme.

Definition 2.6 (2.5)


Sei M eine Menge. Die Potenzmenge von M ist definiert durch
P(M) =df {M 0 | M 0 ⊆ M}.

Beispiel 2.4
Für M = {1, 2, 3} ist

P(M) = {0,
/ {1}, {2}, {3}, {1, 2}, {1, 3}, {2, 3}, M}.

Anwendung in der Informatik:


Nichtdeterminismus, Abstraktion, Typsysteme, ...
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Aussagen und Mengen 2.2.3 Mengenverknüpfungen

Mengenverknüpfungen/Operationen

Definition 2.7 (2.6)


Seien A und B Mengen. Dann sind folgende Mengenverknüpfungen
definiert:
Vereinigung A ∪ B =df {x | x ∈ A ∨ x ∈ B}
Schnitt A ∩ B =df {x | x ∈ A ∧ x ∈ B}
Differenz A\B =df {x | x ∈ A ∧ x 6∈ B}
Symmetrische Differenz A∆B =df (A ∪ B)\(A ∩ B)

Zusätzliche Begriffe
Mengen A und B heißen disjunkt, falls A ∩ B = 0.
/
Für eine gegebene Grundmenge M und A ⊆ M ist die
Komplementmenge von A (bezüglich M) definiert als: A{ =df M \ A.

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Aussagen und Mengen 2.2.3 Mengenverknüpfungen

Venn-Diagramme

A∩B A∪B A∆B

A B A B A B

A\B B \A

A B A B

Figure: Venn-Diagramme

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Aussagen und Mengen 2.2.3 Mengenverknüpfungen

Verallgemeinerte Vereinigung/Schnitt

Definition 2.8 (2.7)


Sei M ein Mengensystem über einer Grundmenge M. Dann gilt:
M 0 =df {m ∈ M | ∃ M 0 ∈ M. m ∈ M 0 }
[
1
M 0 ∈M

M 0 =df {m ∈ M | ∀ M 0 ∈ M. m ∈ M 0 }
\
2
M 0 ∈M
[ \
Verkürzt können dieses Operationen auch als M bzw. M geschrieben
werden.
\
Man beachte, dass M = 0/ nicht heißt, dass die Mengen in M
paarweise disjunkt sind!

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Aussagen und Mengen 2.2.3 Mengenverknüpfungen

Mengengesetze

Lemma 2.3
Seien A, B, C Teilmengen einer gemeinsamen Grundmenge M. Dann gilt:

A∩B = B ∩A (Kommutativität)
A∪B = B ∪A

(A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C ) (Assoziativität)
(A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C )

A ∩ (A ∪ B) = A (Absorption)
A ∪ (A ∩ B) = A

A ∩ (B ∪ C ) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C ) (Distributivität)
A ∪ (B ∩ C ) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C )

A ∩ A{ = 0/ (Komplement)
A ∪ A{ = M

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Aussagen und Mengen 2.2.3 Mengenverknüpfungen

Mengengesetze

Lemma 2.3
Seien A, B, C Teilmengen einer gemeinsamen Grundmenge M. Dann gilt:

A∩A = A (Idempotenz)
A∪A = A

A{ { = A (Doppelkomplement)

(A ∩ B){ = A{ ∪ B { (deMorgansche Regeln)


(A ∪ B){ = A{ ∩ B {

M ∩ A = A (Neutralität)
0/ ∪ A = A

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Aussagen und Mengen 2.2.3 Mengenverknüpfungen

Abstrakte Theoriebildung

A∩B = B ∩A A ∧B ≡ B∧A
A∪B = B ∪A A ∨B ≡ B∨A

(A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C ) (A ∧ B) ∧ C ≡ A ∧ (B ∧ C )
(A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C ) (A ∨ B) ∨ C ≡ A ∨ (B ∨ C )

A ∩ (A ∪ B) = A A ∧ (A ∨ B) ≡ A
A ∪ (A ∩ B) = A A ∨ (A ∧ B) ≡ A

A ∩ (B ∪ C ) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C ) A ∧ (B ∨ C ) ≡ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C )
A ∪ (B ∩ C ) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C ) A ∨ (B ∧ C ) ≡ (A ∨ B) ∧ (A ∨ C )

A ∩ A{ = 0/ A ∧ ¬A ≡ F
A ∪ A{ = M A ∨ ¬A ≡ T

A∩A = A A ∧A ≡ A
A∪A = A A ∨A ≡ A

A{ { = A ¬ ¬A ≡ A

(A ∩ B){ = A{ ∪ B { ¬(A ∧ B) ≡ ¬A ∨ ¬B
(A ∪ B){ = A{ ∩ B { ¬(A ∨ B) ≡ ¬A ∧ ¬B

M ∩ A = A T ∧ A ≡ A
0/ ∪ A = A F ∨ A ≡ A

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Aussagen und Mengen 2.2.3 Mengenverknüpfungen

Korrektheit und Vollständigkeit

Zentrale Zielstellung bei Regel/Gleichungssystemen (Axiomatisierungen)


Korrektheit: Alles was aus den Regeln/Gleichungen durch Ersetzen
von Gleichem durch Gleiches abgeleitet werden kann gilt.
Vollständigkeit: Alles was gilt kann aus den Regeln/Gleichungen
durch Ersetzen von Gleichem durch Gleiches abgeleitet werden.

Syntaktisches Vorgehen als Schritt zur Automatisierung (Stichwort:


Termrewriting)

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Aussagen und Mengen 2.2.4. Mächtigkeit endlicher Mengen

Mächtigkeit endlicher Mengen

Für eine endliche Menge M wird die Anzahl der Elemente von M als
Mächtigkeit von M bezeichnet, in Zeichen |M|. Es gilt insbesondere
|0|
/ = 0.
Satz 2.2
Seien A und B endliche Mengen. Dann gilt:
1 |A\B| = |A| − |A ∩ B|
2 |A ∪ B| = |A| + |B| − |A ∩ B|
3 |A∆B| = |A| + |B| − 2|A ∩ B|

Begriff der Mächtigkeit wird später verallgemeinert.

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Aussagen und Mengen 2.2.4. Mächtigkeit endlicher Mengen

Antinomien

Russelsche Antinomie:
R = {M|M ∈
/ M}
“Menge” aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten

Allmenge:
“Menge” aller Mengen

Konzeptuelles Problem: Selbstreferenzierung


Halteproblem
Selbstanwendung

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Relationen und Funktionen

3. Relationen und Funktionen - Themenübersicht

Relationen
Kartesisches Produkt
n-stellige Relationen
Binäre Relationen
Funktionen
Eigenschaften von Funktionen
Mächtigkeit von Mengen
Partiell definierte Funktionen
Äquivalenzrelationen
Partitionen

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Relationen und Funktionen 3.1.1 Kartesisches Produkt

Kartesisches Produkt

Definition 3.1
Seien A und B Mengen. Das Kartesische Produkt von A und B ist
definiert durch:

A × B =df {(a, b) | a ∈ A ∧ b ∈ B}

Elemente (a, b) ∈ A × B heißen geordnete Paare. Auf diesen ist die


Gleichheit definiert durch:

(a, b) = (a0 , b 0 ) ⇔df a = a0 ∧ b = b 0 .

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Relationen und Funktionen 3.1.1 Kartesisches Produkt

Spielkarten

Beispiel 3.1
A = {♣, ♠, ♥, ♦}
B = {As, König, Dame, Bube, 10 , 9 , 8 , 7 }

A × B = { (♣, As), . . . , (♣, 7),


(♠, As), . . . , (♠, 7),
(♥, As), . . . , (♥, 7),
(♦, As), . . . , (♦, 7) }

Die Menge der 32 Spielkarten in einem Skat-Spiel.

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Relationen und Funktionen 3.1.1 Kartesisches Produkt

n-faches kartesisches Produkt

n-faches kartesisches Produkt (n ≥ 1)

M1 × M2 × . . . × Mn =df ((. . . (M1 × M2 ) × . . .) × Mn )

n-Tupel: (m1 , m2 , . . . , mn ) =df ((..(m1 , m2 ), . . .), mn )

A2 =df A × A

An =df |A × .{z
. . × A}
n mal

Beispiel: {0, 1}n (Endliche Bitvektoren)

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Relationen und Funktionen 3.1.2 n-stellige Relationen

n-stellige Relationen

Definition 3.2
Seien M1 , . . . , Mn Mengen (n ≥ 1).

Eine Teilmenge R ⊆ M1 × . . . × Mn heißt n-stellige Relation auf


M1 × . . . × Mn .

Beispiel (3-stellige Relationen)


1 Direktflüge ⊆ Flughäfen × Airlines × Flughäfen
(F1 , A, F2 ) ∈ Direktflüge gdw. ein direkter Flug von F1 nach F2 mit
der Airline A existiert.
2 ggT ⊆ N × N × N wie definert auf Seite 63
(n, m, x) ∈ ggT gdw. x ist größter gemeinsamer Teiler von n und m
(85, 51, 17) ∈ ggT, (37, 144, 1) ∈ ggT, aber (12, 30, 3) ∈
/ ggT

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Relationen und Funktionen 3.1.3 Binäre Relationen

Binäre Relationen

Im Falle von n = 2 spricht man von einer binären Relation.

Also R ⊆ A × B

Beispiel: Zuordnung Beschäftigte - Position

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Relationen und Funktionen 3.1.3 Binäre Relationen

Exkurs: Endliche Bitvektoren

Charakteristischer Bitvektor
Sei M = {m1 , . . . , mn } endliche Menge und
A ⊆ M Teilmenge von M.

Charakteristischer Bitvektor (b1A , . . . , bnA ) ∈ {0, 1}n :

biA = 1 ⇔df mi ∈ A.

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Relationen und Funktionen 3.1.3 Binäre Relationen

Exkurs: Endliche Bitvektoren

Beispiel
Menge der Monate M =df {Januar , . . . , Dezember }.

Monate mit 31 Tagen: M31 =df {Januar,März,Mai,Juli,August,


Oktober, Dezember}.

Merkregel:

Als Bitvektor: b M31 =df (1, 0, 1, 0, 1, 0, 1, 1, 0, 1, 0, 1)

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Relationen und Funktionen 3.1.3 Binäre Relationen

Exkurs: Endliche Bitvektoren

Beispiel
Menge der Monate M =df {Januar , . . . , Dezember }.

Monate, die Buchstaben “r” enthalten:


Mr =df M \ {Mai, Juni, Juli, August}.

Als Bitvektor: b Mr =df (1, 1, 1, 1, 0, 0, 0, 0, 1, 1, 1, 1)

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Relationen und Funktionen 3.1.3 Binäre Relationen

Umkehr- und Produktrelationen

Definition 3.3
Für R ⊆ A × B ist Umkehrrelation R −1 ⊆ B × A ist definiert durch

R −1 =df {(b, a) | (a, b) ∈ R}.

Definition 3.4
Für R1 ⊆ A × B und R2 ⊆ B × C ist die Produktrelation R1 ; R2 ⊆ A × C
definiert durch

R1 ; R2 =df {(a, c) | ∃ b ∈ B. (a, b) ∈ R1 ∧ (b, c) ∈ R2 }.

(Im deutschen Band wird statt ; verwendet.)

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Relationen und Funktionen 3.1.3 Binäre Relationen

Beispiel: Produktrelation

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Relationen und Funktionen 3.1.3 Binäre Relationen

Konventionen, Begriffe

..für binäre Relationen

Infixnotation: a R b statt (a, b) ∈ R

Bildmenge: R(a) =df {b | (a, b) ∈ R}

Urbildmenge: R −1 (b) =df {a | (a, b) ∈ R}

Homogene Relation: R ⊆ A×A

Identische Relation: IA =df {(a, a) | a ∈ A} ⊆ A × A.

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Rechts- und Linkseindeutigkeit

Definition 3.6
Eine Relation R ⊆ A × B heißt
1 rechtseindeutig ⇔df
∀ a ∈ A, b1 , b2 ∈ B. (a, b1 ) ∈ R ∧ (a, b2 ) ∈ R ⇒ (b1 = b2 )

2 linkseindeutig ⇔df
∀ a1 , a2 ∈ A, b ∈ B. (a1 , b) ∈ R ∧ (a2 , b) ∈ R ⇒ (a1 = a2 )

Nicht rechtseindeutig Nicht linkseindeutig


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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Rechts- und Linkstotalität

Definition 3.7
Eine binäre Relation R ⊆ A × B heißt

1 linkstotal ⇔df ∀ a ∈ A. ∃ b ∈ B. (a, b) ∈ R

2 rechtstotal ⇔df ∀ b ∈ B. ∃ a ∈ A. (a, b) ∈ R

Definition 3.8 (Funktion)


Eine rechtseindeutige, linkstotale Relation heißt Funktion.

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Bezeichnungen

Funktionsdefinition: f : A → B statt f ⊆ A × B

Funktionsanwendung: b = f (a) statt {b} = f (a)

Funktionskomposition: Für f : A → B, g : B → C ist


g ◦ f =df f ; g insbesondere (g ◦ f )(a) = g (f (a))).

Menge der Funktionen: B A =df {f | f : A → B}

Identische Funktionen: idA : A → A durch idA (a) =df a.

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Restriktion einer Funktion

Definition 3.9
Sei f : A → B eine Funktion, A0 ⊆ A und B 0 ⊆ B.
1 Die Restriktion von f auf A0 wird bezeichnet mit f |A0 : A0 → B und ist
definiert durch:

f |A0 (x) =df f (x) für alle x ∈ A0 .

2 Falls f (A) ⊆ B 0 so ist die Restriktion von f auf B 0 wohldefiniert. Sie


0
wird mit f |B : A → B 0 bezeichnetund ist definiert durch:
0
f |B (x) = f (x) für alle x ∈ A.

3 Die Kombination aus der Restriktion auf A0 und B 0 wird bezeichnet


0 0
mit f |B
A0 0. Hier wird 0 zunächst der Argumentbereich auf A beschränkt,
B B
also f |A0 =df f |A0 | .
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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Injektivität, Surjektivität und Bijektivität

Definition 3.10 (3.9)


Eine Funktion f : A → B heißt:
1 injektiv ⇔df f ist linkseindeutig

2 surjektiv ⇔df f ist rechtstotal

3 bijektiv ⇔df f ist injektiv und surjektiv

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Beispiele: Injektivität, Surjektivität und Bijektivität

Beispiel 3.2
1 Die Funktion f1 : N → N mit n 7→ 2 n ist injektiv und nicht surjektiv

8
7
6
5
4 f1 bildet nicht auf diese Werte ab
3 ⇒ nicht surjektiv
2
1

0 1 2 3 4
Surjektivität erlaubt, zu jedem y ein x mit f (x) = y zu finden, da
jeder Wert des Wertebereichs mindestens einmal getroffen wird.
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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Beispiele: Injektivität, Surjektivität und Bijektivität

Beispiel 3.2
2 Die Funktion f2 : Z → N mit z 7→ |z| ist surjektiv und nicht injektiv
4
3
2
1

−4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4
=
=
f2 bildet mehrere x auf das gleiche y ab
⇒ nicht injektiv
Injektivität erlaubt, zu jedem f (x) eindeutig ein x zu bestimmen, da
jeder Wert des Wertebereichs höchstens einmal getroffen wird.
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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Beispiele: Injektivität, Surjektivität und Bijektivität

Beispiel 3.2
3 Die Funktion f3 : Q → Q mit q 7→ 2 q ist bijektiv.

8
7
6
5
4 f3 weist je genau ein x und y einander zu
3 ⇒ bijektiv
2
1

0 1 2 3 4
Bijektivität erlaubt, zu jedem y genau ein x mit f (x) = y zu bestim-
men, da jeder Wert des Wertebereichs genau einmal getroffen wird.
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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Beweisprinzip Kontraposition

Beweisprinzip 4 (2) (Kontraposition)


Seien A , B Aussagen. Dann gilt:

(A ⇒ B) ≡ (¬B ⇒ ¬A )

In Worten: Eine Implikation A ⇒ B kann man beweisen, indem man die


umgekehrte Implikation über die negierten Aussagen beweist.

Hier verwendet für Beweis der Injektivität von f1 .

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Erhaltungssatz

Satz 3.1
Seien f : A → B und g : B → C Funktionen. Dann gilt:
1 g ◦ f ist injektiv, falls f und g injektiv sind.
2 g ◦ f ist surjektiv, falls f und g surjektiv sind.
3 g ◦ f ist bijektiv, falls f und g bijektiv sind.

Hier nur hinreichende Bedingungen.


Hinreichende und notwendige Bedingungen existieren.

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Beweisprinzip Quantorenauflösung

Beweisprinzip 5 (3)
Allaussage ∀ x. A (x):
Wähle Variable x beliebig aus der Struktur und beweise dann A (x).
Formulierung: “Sei x beliebig, aber fest gewählt”.

Existenzaussage ∃ y . A (y ):
Wähle Variable y geeignet aus der Struktur und beweise dann A (y ).
Formulierung:“Wähle y als ..” oder “Setze y = ..”.

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Vereinfachter Nachweis von Bijektivität

Satz 3.2
Seien A und B endliche Mengen mit |A| = |B| und f : A → B eine
Funktion. Dann sind äquivalent:
1 f ist injektiv
2 f ist surjektiv
3 f ist bijektiv

Beweis
Durch Schubfachprinzip.

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Beweisprinzip Schubfachprinzip

Beweisprinzip 7 (4) (Schubfachprinzip)


Seien A und B endliche Mengen und f : A → B eine Funktion. Dann gilt:
1 Falls |A| > |B|, so ist f nicht injektiv.
2 Falls |A| < |B|, so ist f nicht surjektiv.

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Relationen und Funktionen 3.2.1 Eigenschaften von Funktionen

Komposition und Bijektivität

Satz 3.3
Seien f : A → B und g : B → A Funktionen mit
g ◦ f = idA und
f ◦ g = idB .

Dann sind f und g bijektiv. Inbesondere gilt f −1 = g und g −1 = f .

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

Mächtigkeitsbeziehungen von Mengen

Definition 3.11 (3.10)


Seien A und B Mengen.
1 ∼ B, falls es eine
A und B heissen gleichmächtig, in Zeichen A =
bijektive Funktion f : A → B gibt.
2 A ist nicht mächtiger als B, in Zeichen A 5 B, falls es eine injektive
Funktion f : A → B gibt.
3 Falls A 5 B und A =6∼ B so heißt A (echt) weniger mächtig als B, in
Zeichen in Zeichen A  B.

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

Mächtigkeitsbeziehungen von Mengen

Beispiel
∼ {♣, ♠, ♥, ♦}
{1, 2, 3, 4} =

6 {2, 3, 4, 5}
{gelb, rot, blau} 5 {2, 3, 4, 5} und {gelb, rot, blau} =

{gelb, rot, blau}  {2, 3, 4, 5}.

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

Mächtigkeiten von unendlichen Mengen

Satz 3.4 (Cantor-Bernstein-Schröder)


Seien A und B Mengen. Dann gilt:
A =∼ B ⇔ A 5 B ∧ B 5 A.

Beweis:
“⇒” klar.
“⇐” anspruchsvoll. 

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

Endliche und unendliche Mengen

Definition 3.12 (3.11)


Eine Menge M heißt unendlich genau dann, wenn sie eine echte Teilmenge
M 0 ⊂ M besitzt, sodass M und M 0 gleich mächtig sind.
Andernfalls ist M endlich.

∼ N.
M heißt abzählbar unendlich genau dann, wenn M =

Es gilt: ∼ Z =
N = ∼ N×N =
∼ Q.

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

Beweisprinzip Ringschluss

Beweisprinzip 8 (5) (Ringschluss — Speziell)


Seien A1 , A2 , . . . , An Mengen mit A1 5 A2 5 · · · An−1 5 An 5 A1 .
Dann gilt A1 = ∼ A2 = ∼ · · · An−1 =
∼ An .

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

N ∼
= Z

Betrachte bijektive Funktion:

fZ : N → Z
n

2 falls n gerade
n 7→
− n+1
2 falls n ungerade

Dann: 0 7→ 0, 1 7→ −1, 2 7→ 1, 3 7→ −2, 4 7→ 2, . . . .

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

N ∼
= N×N

1. Cantorsches
Diagonalverfahren

1
Explizit: d(m, n) =df 2 (n + m)(n + m + 1) + m.

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

N×N ∼
= Q ∼
= N

Weitere Schritte im Ringschluss

∼ Z =
N = ∼ N×N =
∼ Q.

siehe Buch.

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

N  P(N)

Satz 3.5
N  {0, 1}N .

Allgemeiner:
Satz 3.6
Sei M eine Menge. Dann gilt M  {0, 1}M .

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

N  P(N)

Satz 3.6
Sei M eine Menge. Dann gilt M  {0, 1}M .

Beweis:
6∼ {0, 1}M .
Offensichtlich gilt M 5 {0, 1}M . Also ist zu zeigen, dass M =
/ denn {0, 1}M = {0}
Das ist klar falls M = 0, / (als leere Relation). Für
nichtleeres M gilt per Widerspruchsbeweis:
Angenommen g : M → {f | f : M → {0, 1}} bijektiv.
Definiere h : M → {0, 1} durch h(m) =df 1 − g (m)(m).
Wg. g surjektiv: ∃ m0 ∈ M. g (m0 ) = h (*)
Nach Konstruktion g (m0 )(m0 ) 6= h(m0 ).
Also g (m0 ) 6= h im Widerspruch zu (*). 
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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

Cantorsches Diagonalverfahren

2. Cantorsches Diagonalverfahren speziell für M = N:

Funktionstabelle
g (a)(b) 0 1 2 ... i
y
0 0 1 g(0)(1) g(0)(2)
y g(0)(i)

y
1 0 1
y
...
2 ..
.
..
.
..
.
Aufzählung der Funktionen

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Relationen und Funktionen 3.2.3 Mächtigkeit unendlicher Mengen

Überabzählbare Mengen

Definition 3.13
Eine unendliche Menge M, die nicht abzählbar ist, heißt überabzählbar.

Buch: ∼ P(N) =
{0, 1}N = ∼ (0, 1) =
∼ R

Aber beachte: N  P(N)  P(P(N))  . . .

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Relationen und Funktionen 3.2.4 Partiell definierte Funktionen

Partiell definierte Funktionen

Eine rechtseindeutige Relation f ⊆ A × B heißt partiell definierte


Funktion.

In der Informatik relevant (z.B. Ein-/Ausgabefunktion).

Notation f : A 99K B.

Definitionsbereich Def (f ) =df {a ∈ A | ∃ b ∈ B. (a, b) ∈ f }.

a ∈ Def (f ◦ g ) ⇔df a ∈ Def (g ) ∧ g (a) ∈ Def (f ).

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Relationen und Funktionen 3.3 Äquivalenzrelationen

Äquivalenzrelation

Definition 3.14 (3.12)


Eine Relation ∼ ⊆ A × A heißt Äquivalenzrelation ⇔df
1 ∼ ist reflexiv, d.h.: ∀ a ∈ A. a ∼ a
2 ∼ ist symmetrisch, d.h.: ∀ a1 , a2 ∈ A. a1 ∼ a2 ⇒ a2 ∼ a1
3 ∼ ist transitiv, d.h.: ∀ a1 , a2 , a3 ∈ A. a1 ∼ a2 ∧ a2 ∼ a3 ⇒ a1 ∼ a3

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Relationen und Funktionen 3.3 Äquivalenzrelationen

Beispiele: Verwandtschaftsbeziehungen

Beispiel 3.3
1 Die Geschwisterbeziehung ist eine Äquivalenzrelation.
2 Die Freundschaftsbeziehung ist i.A. keine Äquivalenzrelation, da sie
nicht transitiv ist. Wenn Anna mit Bob befreundet ist und Bob mit
Charlotte, so müssen Anna und Charlotte nicht unbedingt befreundet
sein.
3 Die Bruderbeziehung ist keine Äquivalenzrelation, da diese nicht
symmetrisch ist. Andreas ist zwar Bruder von Beate, aber natürlich
nicht umgekehrt.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 124


Relationen und Funktionen 3.3 Äquivalenzrelationen

Anwendung: Konstruktion von Zahlbereichen

1 Konstruktion ganzer Zahlen durch ∼Z ⊆ (N × N)2 :

(a, b) ∼Z (c, d) ⇔df a + d = b + c.

2 Konstruktion rationaler Zahlen durch ∼Q ⊆ (Z × Z \ {0})2 :

(a, b) ∼Q (c, d) ⇔df a · d = b · c.

3 Dann ist Z =df (N × N)\ ∼Z und Q =df (Z × Z \ {0})\ ∼Q


(→ Def. siehe Satz 3.7(2)).
4 Operationen wie Addition und Multiplikation können auf Z und Q
geeignet definiert werden. Unabhängigkeit von Repräsentanten muss
sichergestellt werden!
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Relationen und Funktionen 3.3.1 Partitionen

Partitionen

Definition 3.15 (3.13)


P ⊆ P(M) heißt Partition ⇔df

1 0/ ∈
/P (Die Partitionsklassen sind nichtleer)
S 0
2 M 0 ∈P M = M (Die Partitionsklassen überdecken M)
3 ∀ M1 , M2 ∈ P. M1 6= M2 ⇒ M1 ∩ M2 = 0/
(Die Partitionsklassen sind
paarweise disjunkt)

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 126


Relationen und Funktionen 3.3.1 Partitionen

Partitionen

Beispiel 3.4
Für M = {1, 2, 3} gilt:

P1 =df {{1}, {2}, {3}} ist Partition von M.


P2 =df {{1, 2}, {3}} ist Partition von M.
P3 =df {{1}, {3}} ist keine Partition von M.
P4 =df {{1, 2}, {2, 3}} ist keine Partition von M.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 127


Relationen und Funktionen 3.3.1 Partitionen

Dualität Äquivalenzrelationen ↔ Partitionen

Satz 3.7
1 Sei P ⊆ P(A) eine Partition auf A. Dann ist

∼P =df {(a1 , a2 ) ∈ A × A | ∃ A0 ∈ P. a1 , a2 ∈ A0 }
eine Äquivalenzrelation.

2 Sei ∼ ⊆ A × A eine Äquivalenzrelation. Dann ist


A\∼ =df {[a]∼ | a ∈ A}
wobei [a]∼ =df {a0 | a ∼ a0 } die zu a gehörige Äquivalenzklasse ist
eine Partition auf A.

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Relationen und Funktionen 3.3.1 Partitionen

Urbildpartition

Jede Funktion f : A → B induziert eine Äquivalenzrelation ∼f auf A durch:

a1 ∼f a2 =df f (a1 ) = f (a2 ).

Die zugehörige Partition wird als Urbildpartition bezeichnet.

Beispiel:
f :N→N mit f (n) =df n mod 3 (n modulo 3)

Die Urbildpartition ist: {{0, 3, 6, . . .}, {1, 4, 7, . . .}, {2, 5, 8, . . .}}

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 129


Induktives Definieren

4. Induktives Definieren - Themenübersicht

Induktives Definieren
Natürliche Zahlen
Operationen auf natürlichen Zahlen
Induktive Algorithmen
Induktiv definierte Mengen
Binärbäume
Boolesche Terme
Syntaktische Substitution
Darstellung und deren Bedeutung
Zeichenreihen
Semantikschemata
Backus-Naur-Form
Induktive Semantikschemata
Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 130
Induktives Definieren 4.1.1 Peano Axiome

Natürliche Zahlen

Definition 4.1 (Peano-Axiome)


P1 0 ist eine natürliche Zahl: 0 ∈ N.
P2 Jede natürliche Zahl n besitzt eine eindeutig bestimmte natürliche
Zahl s(n) als Nachfolger:
∀ n ∈ N. ∃ m ∈ N. m = s(n)

P3 0 ist nicht Nachfolger einer natürlichen Zahl:


@ n ∈ N. 0 = s(n)

P4 Verschiedene natürliche Zahlen haben verschiedene Nachfolger:


∀ m, n ∈ N. n 6= m ⇒ s(n) 6= s(m)

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 131


Induktives Definieren 4.1.1 Peano Axiome

Natürliche Zahlen

Definition 4.1 (Peano-Axiome)


P5 Induktionsaxiom: Ist M ⊆ N mit 0 ∈ M und der Eigenschaft, dass aus
n ∈ M auch s(n) ∈ M folgt, so muss M = N gelten.
   
∀ M ⊆ N. 0 ∈ M ∧ ∀ n ∈ N. n ∈ M ⇒ s(n) ∈ M ⇒ M = N

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 132


Induktives Definieren 4.1.1 Peano Axiome

Existenz und Eindeutigkeit des Vorgängers

Lemma 4.1
Jede von 0 verschiedene natürliche Zahl n ist Nachfolger einer eindeutig
bestimmten anderen natürlichen Zahl. Diese wird auch als Vorgänger von
n bezeichnet.

Beweis
Sei n ∈ N von 0 verschieden. Zunächst zeigen wir, dass n Nachfolger einer
natürlichen Zahl m ∈ N ist bzw. in der Menge M 0 liegt, die definiert ist
durch:
M 0 =df {s(m) | m ∈ N}.
Sei weiter M =df M 0 ∪ {0}. Wegen (P2) impliziert m ∈ M auch s(m) ∈ M.
Damit liegen die Voraussetzungen des Induktionsaktioms (P5) vor und es
folgt M = N. Wegen (P3) gilt außerdem M 0 = N\{0}. Somit gilt n ∈ M 0 .
Die Eindeutigkeit des Vorgängers folgt direkt aus Axiom (P4).

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 133


Induktives Definieren 4.1.2 Operationen auf natürlichen Zahlen

Operationen auf natürlichen Zahlen

Definition 4.2 (Addition natürlicher Zahlen)

Die Addition zweier Zahlen aus N ist induktiv definiert durch

0 + m =df m (a)
s(n) + m =df s(n + m) (b)

Beispiel (Addition von 2 und 1)

(b)
s(s(0)) + s(0) = s(s(0) + s(0))
(b)
= s(s(0 + s(0)))
(a)
= s(s(s(0)))

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 134


Induktives Definieren 4.1.2 Operationen auf natürlichen Zahlen

Operationen auf natürlichen Zahlen

Definition 4.3 (Multiplikation natürlicher Zahlen)


Die Multiplikation zweier Zahlen aus N ist induktiv definiert durch

0 · m =df 0
s(n) · m =df m + (n · m)

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Induktives Definieren 4.1.2 Operationen auf natürlichen Zahlen

Operationen auf natürlichen Zahlen

Definition (Induktiv fortgesetzte Summen und Produkte)



k  0 falls k = 0
k−1
∑ ni =df  ( ∑ ni ) + nk sonst
i=1
i=1


k  1 falls k = 0
k−1
∏ ni =df  ( ∏ ni ) · nk sonst
i=1
i=1

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 136


Induktives Definieren 4.1.2 Operationen auf natürlichen Zahlen

Operationen auf natürlichen Zahlen

Beispiel 4.1 (Fakultät und Potenzen)


n
n! =df ∏ i = (. . . (1 · 2) . . .) · n)
i=1

n
mn =df ∏ m = (. . . (m · m) . . .) · m) .
i=1 | {z }
n mal

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 137


Induktives Definieren 4.1.2 Operationen auf natürlichen Zahlen

Operationen auf natürlichen Zahlen

Lemma 4.2
Für alle n ∈ N gilt: n + 1 = s(n).

Beweis
Wir definieren die zu der obigen Gleichheit gehörige Menge M durch:

M =df {n ∈ N | n + 1 = s(n)}.
(Def . 4.2.a)
Offensichtlich gilt 0 ∈ M, denn 0 + 1 = 0 + s(0) = s(0).
Für n ∈ M ist auch s(n) ∈ M, denn:
(Def . 4.2.b) (n∈M)
s(n) + 1 = s(n + 1) = s(s(n)).

Also folgt M = N nach Induktionsaxiom (P5).

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Induktives Definieren 4.1.3 Induktiv definierte Algorithmen

Induktiv definierte Algorithmen

Eingabe: Natürliche Zahl n


Ausgabe: Verschiebeschritte zur Lösung des Problems

Hanoi(int n, char a, char h, char z) ist


wenn n > 0 dann
Hanoi(n − 1, a, z, h);
Verschiebe oberste Scheibe von a nach z;
Hanoi(n − 1, h, a, z);
ende

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Induktives Definieren 4.1.3 Induktiv definierte Algorithmen

Induktiv definierte Algorithmen

Eingabe: Natürliche Zahl n


Ausgabe: Verschiebeschritte zur Lösung des Problems

Hanoi(int n, char a, char h, char z) ist


wenn n > 0 dann
Hanoi(n − 1, a, z, h);
Verschiebe oberste Scheibe von a nach z;
Hanoi(n − 1, h, a, z);
ende

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 139


Induktives Definieren 4.1.3 Induktiv definierte Algorithmen

Induktiv definierte Algorithmen

Eingabe: Natürliche Zahl n


Ausgabe: Verschiebeschritte zur Lösung des Problems

Hanoi(int n, char a, char h, char z) ist


wenn n > 0 dann
Hanoi(n − 1, a, z, h);
Verschiebe oberste Scheibe von a nach z;
Hanoi(n − 1, h, a, z);
ende

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 139


Induktives Definieren 4.1.3 Induktiv definierte Algorithmen

Türme von Hanoi — Rekursionsbaum

H(3,A,H,Z)

H(2,A,Z,H) V(A,Z) H(2,H,A,Z)

H(1,A,H,Z) V(A,H) H(1,Z,A,H) H(1,H,Z,A) V(H,Z) H(1,A,H,Z)

H(0,A,Z,H) V(A,Z) H(0,H,A,Z) H(0,Z,H,A) V(Z,H) H(0,A,Z,H) H(0,H,A,Z) V(H,A) H(0,Z,H,A) H(0,A,Z,H) V(A,Z) H(0,H,A,Z)

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Induktives Definieren 4.2 Induktiv definierte Mengen

Induktiv definierte Mengen

Definition 4.4
Sei
1 At eine Menge elementarer oder atomarer Bausteine
2 Op eine Menge von Operatoren (oder Konstruktoren) mit zugehöriger
Stelligkeit k ≥ 1, die es erlauben, kleinere Bausteine zu größeren
Einheiten zusammenzusetzen.
Die durch At und Op induktiv definierte Menge M ist die kleinste Menge,
für die gilt:
1 At ⊆ M ,
2 Ist o ∈ Op ein Operator mit Stelligkeit k und sind m1 , . . . , mk ∈ M ,
dann ist auch o(m1 , . . . , mk ) ∈ M .

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Induktives Definieren 4.2.1 Anwendung in der Informatik

Induktiv definierte Mengen: Binäre Bäume

Beispiel 4.2
Binäre Bäume sind die kleinste Menge mit
1 Der leere Binärbaum ◦ ist ein atomarer Binärbaum und
2 Falls T1 und T2 Binärbäume sind, so ist auch •(T1 , T2 ) ein
Binärbaum, und zwar mit einem linkenTeilbaum T1 und einem
rechten Teilbaum T2 .

•(•(•(◦, ◦), •(•(◦, ◦), ◦)), •(◦, ◦)) '

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Induktives Definieren 4.2.1 Anwendung in der Informatik

Induktiv definierte Mengen: Boolesche Terme

Definition 4.5
Sei V eine Menge von Booleschen Variablen, z.B. V = {X , Y , Z , ...}. Die
Menge BT aller Booleschen Terme über V ist die kleinste Menge mit:
1 T, F und Boolesche Variable aus V sind atomare Boolesche Terme.
2 Sind t1 und t2 Boolesche Terme, so sind auch
(¬t1 ), die Negation von t1 ,
( t1 ∧ t2 ), die Konjunktion von t1 und t2 und
( t1 ∨ t2 ), die Disjunktion von t1 und t2
Boolesche Terme.

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Induktives Definieren 4.2.1 Anwendung in der Informatik

Syntaktische Substitution

Definition 4.6
Die Substitution ist eine dreistellige Abbildung

·[· 7→ ·] : BT × V × BT → BT .

t1 [X 7→ t2 ] intuitiv: Der Term, der entsteht, wenn in t1 die Variable X an


allen Stellen durch den Term t2 ersetzt wird.

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Induktives Definieren 4.2.1 Anwendung in der Informatik

Syntaktische Substitution

Definition 4.6
Die Substitution ist eine dreistellige Abbildung

·[· 7→ ·] : BT × V × BT → BT .

t1 [X 7→ t2 ] formal: Induktiv über den Aufbau von t1


T[X 7→ t] =df T
F[X 7→ t] =df F

t falls Y = X
Y [X 7→ t] =df
Y sonst
(¬t1 )[X 7→ t] =df (¬t1 [X 7→ t])
(t1 ∧ t2 )[X 7→ t] =df (t1 [X 7→ t] ∧ t2 [X 7→ t])
(t1 ∨ t2 )[X 7→ t] =df (t1 [x 7→ t] ∨ t2 [X 7→ t])

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Induktives Definieren 4.2.1 Anwendung in der Informatik

Syntaktische Substitution

Beispiel 4.3

(¬(Y ∧ X ))[X 7→ t] = (¬(Y ∧ X )[X 7→ t])


= (¬(Y [X 7→ t] ∧ X [X 7→ t]))
= (¬(Y ∧ X [X 7→ t]))
= (¬(Y ∧ t))

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Induktives Definieren 4.3 Darstellung und deren Bedeutung

Repräsentation

Repräsentanten der natürlichen Zahl “vier”:


Dezimal: 4
Binär: 100
Unär: ||||
Römisch: IV

Umgekehrt: Unterschiedliche Interpretation der Repräsentation ”‘IV”’:


Römische Zahl
Akronym (Individualverkehr, Intravenös,..)

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Induktives Definieren 4.3.1 Zeichenreihen

Zeichenreihen

Definition 4.7
Sei A eine endliche Menge von Zeichen (auch Alphabet genannt). Eine
Zeichenreihe (auch Wort) w der Länge n ∈ N über A ist eine Funktion
w : {1, . . . , n} → A. Für n = 0 ist {1, . . . , n} leer. Man bezeichnet die
Zeichenreihe als das leere Wort ε.
Die Menge aller Zeichenreihen über A mit Länge n wird mit An bezeichnet
(A0 = {ε}).
Kleenesche Hülle A∗ von A:
A∗ =df An .
[

n∈N

Positive Kleenesche Hülle A+ von A:


A+ =df An .
[

n∈N\{0}
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Induktives Definieren 4.3.1 Zeichenreihen

Zeichenreihen

Definition 4.8
Seien w1 und w2 Zeichenreihen der Länge n und m über A. Dann ist die
Konkatenation von w1 und w2 definiert durch:
w1 w2 : {1, .
. . , n + m} → A
w1 (i) falls 1 ≤ i ≤ n
w1 w2 (i) =
w2 (i − n) falls n + 1 ≤ i ≤ n + m

Sei mit |w | die eindeutig bestimmte Länge einer Zeichenreihe bezeichnet,


so gilt offensichtlich für alle v , w ∈ A∗ :

|v w | = |v | + |w |.

→ Surjektiver Monoidhomomorphismus (später in Kapitel 7)

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Induktives Definieren 4.3.1 Zeichenreihen

Sprachen

Eine Menge von Zeichenreihen W ⊆ A∗ heißt (formale) Sprache über A.


Das Sprachprodukt von W1 , W2 ⊆ A∗ ist definiert als:
W1 · W2 =df {w1 w2 | w1 ∈ W1 , w2 ∈ W2 }

Für n ∈ N ist das n-fache Sprachprodukt einer Sprache W ⊆ A∗ induktiv


definiert:
W 0 =df {ε}
n
W =df W · W n−1 für n > 0

Schließlich kann auch die (positive) Kleenesche Hülle definiert werden. Es


W ∗ =df W n, W + =df W n.
[ [

n∈N n∈N\{0}

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Induktives Definieren 4.3.2 Semantikschemata

Semantikschemata

Definition 4.9
Ein Semantikschema ist ein Tripel (R, I , [[ · ]]) mit
R: Menge der Repräsentationen,
I : Menge der Informationen,
[[ · ]] ⊆ R × I : Semantikrelation oder Interpretation.
Statt [[ · ]](r ) schreibt man [[ r ]].

Nicht rechtseindeutige
Semantikrelation

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Induktives Definieren 4.3.2 Semantikschemata

Darstellungen natürlicher Zahlen

Beispiel 4.4 (Unärdarstellung)


Ru =df {|}+ = {|, ||, |||, . . .}
Iu =df N\{0}
[[ · ]]u ist definiert durch [[ || . . . | ]]u =df n
| {z }
n

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Induktives Definieren 4.3.2 Semantikschemata

Darstellungen natürlicher Zahlen

Beispiel 4.5 (Dezimaldarstellung)


Rd =df {0, . . . , 9}+
Id =df N
[[ · ]]d ist definiert durch
n
[[ w ]]d =df ∑ 10n−i · [[ w (i) ]]z
i=1

Dabei bezeichnet [[ · ]]z den Wert einer Dezimalziffer, also


[[ 0 ]]z =df 0, . . . , [[ 9 ]]z =df 9.

Beachte: [[ 1 ]]d = [[ 01 ]]d = [[ 001 ]]d = . . . = 1

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Induktives Definieren 4.3.2 Semantikschemata

Darstellungen natürlicher Zahlen

Beispiel 4.6 (Binärdarstellung)


Rb =df {0} ∪ {1 w | w ∈ {0, 1}∗ }
Ib =df N
[[ · ]]b ist definiert durch
n
[[ w ]]b =df ∑ 2n−i · [[ w (i) ]]bz .
i=1

Dabei bezeichnet [[ · ]]bz den Wert einer Binärziffer, also


[[ 0 ]]bz =df 0 und [[ 1 ]]bz =df 1.

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Induktives Definieren 4.3.2 Semantikschemata

Darstellung endl. Mengen natürlicher Zahlen

Beispiel 4.7
Rbs =df {0} ∪ {1 w | w ∈ {0, 1}∗ }
Ibs =df P(N)
[[ · ]]bs ist definiert durch

[[ w ]]bs = {|w | − i | i ∈ {1, . . . , |w |} ∧ w (i) = 1}

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Induktives Definieren 4.3.3 Backus-Naur-Form

Backus-Naur-Form

Definition (BNF)
BNF besteht aus endlich vielen Regeln der Form
<N> ::= w .

Linke Regelseite: Nichtterminalsymbol


Rechte Regelseite: Zeichenreihe (ggf. auch leer), die sowohl
Nichtteminalsymbole als auch Terminalsymbole enthalten kann.
Notation: Statt
<N> ::= w1
...
<N> ::= wn
schreibt man kurz
<N> ::= w1 | . . . | wn
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Induktives Definieren 4.3.3 Backus-Naur-Form

Beispiel zur Backus-Naur-Form

Beispiel 4.8 (BNF für natürliche Zahlen)


Die natürlichen Zahlen (gem. Peano) sind durch die folgende BNF
definiert:

<Nat> ::= 0 | s(<Nat>)


Beispiel: Ableitung der Zahl 3 (intuitiv)

<Nat> =⇒ s(<Nat>)
=⇒ s(s(<Nat>))
=⇒ s(s(s(<Nat>)))
=⇒ s(s(s(0)))

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Induktives Definieren 4.3.3 Backus-Naur-Form

BNF als Generator

Definition (Ableitungsrelation)
Seien T die Terminalzeichen, N die Nichtterminalzeichen und R die Regeln
einer BNF, so ist die Ableitungsrelation

v =⇒ w ⇔df ∃ v1 , v2 ∈ (N ∪ T)∗ . ∃ (<A> ::= u) ∈ R.


v = v1 <A> v2 ∧ w = v1 u v2

=⇒k : Ableitungsfolge in k Schritten (k ∈ N)


=⇒∗ =df =⇒k : Beliebige Ableitungsfolge
S
k∈N
Von Nichtterminal A erzeugte Sprache:
L(A) =df {w ∈ T∗ | A =⇒∗ w }.
Anmerkung: Die Ableitungsrelation =⇒ ist nicht mit der Implikation ⇒ zu
verwechseln!
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Induktives Definieren 4.3.3 Backus-Naur-Form

BNF als Generator

Beispiel 4.9

<N> ::= a | a <N>


<M> ::= b b | b b <M> | b <N>

Beispiel 4.10

L(<M>) = {b 2k | k ≥ 1} ∪ {b 2k+1 al | k ≥ 0, l ≥ 1}

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Induktives Definieren 4.3.3 Backus-Naur-Form

Beispiele zur Backus-Naur-Form

Beispiel 4.11 (4.9) (BNF für Dezimalzahlen)

<DezimalZahl> ::= <DezimalZahl><Ziffer > | <Ziffer >


<Ziffer > ::= 0| . . . |9

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Induktives Definieren 4.3.3 Backus-Naur-Form

Beispiele zur Backus-Naur-Form

Beispiel 4.12 (4.10) (BNF für Boolesche Terme)


<BT >::= T | F | <V > | ( ¬ <BT > ) | ( <BT > ∧ <BT > ) | ( <BT > ∨ <BT > )
<V >::= X0 | X1 | . . .

Beschreibung der unendlichen Variablenmenge ist auch ohne “..”-Notation


möglich:

<V > ::= X <DezimalZahl>


<DezimalZahl> ::= <DezimalZahl><Ziffer > | <Ziffer >
<Ziffer > ::= 0| . . . |9

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Induktives Definieren 4.4 Induktive Semantikschemata

Induktive Semantikschemata

Beispiel 4.13 (4.11) (Dezimaldarstellung natürlicher Zahlen)


Rd =df {0, . . . , 9}+
Id =df N
[[ · ]]d ist induktiv definiert durch

[[ z ]]d =df [[ z ]]z


[[ w z ]]d =df 10 · [[ w ]]d + [[ z ]]d

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Induktives Definieren 4.4 Induktive Semantikschemata

Induktive Semantikschemata

Semantikfunktion Boolscher Terme (naiv)


Naive Festlegung:
[[ · ]]B : BT → {w , f }
ist nicht möglich, weil der Wert von Variablen in Booleschen Termen
unbekannt ist.

Semantikfunktion Boolscher Terme


Statt dessen Auswertung relativ zu einer Belegung der Variablen:

[[ · ]]B : BT → (BV → {w , f }),

wobei
BV =df {β | β : V → {w , f }}.

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Induktives Definieren 4.4 Induktive Semantikschemata

Induktive Semantikschemata

Definition 4.10 (Semantik Boolescher Terme (1/2))


Die Semantikfunktion für Boolesche Terme ist eine Funktion

[[ · ]] : BT → (BV → {w , f }),

die einem Booleschen Term unter Zuhilfenahme einer Belegung einen


Wahrheitswert zuordnet. Sie ist wie folgt induktiv definiert:
[[ T ]]B (β ) =df w
[[ F ]]B (β ) =df f
[[ X ]]B (β ) =df β (X ) für alle X ∈ V
[[ (¬t1 ) ]]B (β ) =df ¬([[
˙ t1 ]]B (β ))
[[ (t1 ∧ t2 ) ]]B (β ) =df ([[ t1 ]]B (β ) ∧˙ [[ t2 ]]B (β ))
[[ (t1 ∨ t2 ) ]]B (β ) =df ([[ t1 ]]B (β ) ∨˙ [[ t2 ]]B (β ))

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Induktives Definieren 4.4 Induktive Semantikschemata

Induktive Semantikschemata

Definition 4.10 (Semantik Boolescher Terme (2/2))


Dabei sind ¬, ˙ ∨˙ semantische Operationen auf den Wahrheitswerten
˙ ∧,
{w , f }, die durch folgende Wahrheitstafel beschrieben sind:

b1 b2 ¬b
˙ 1 b1 ∨˙ b2 b1 ∧˙ b2
f f w f f
f w w w f
w f f w f
w w f w w

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Induktives Definieren 4.4 Induktive Semantikschemata

Anwendung Semantikfunktion

Beispiel 4.14 (4.12)


Sei β ∈ BV eine Variablenbelegung mit β (X ) = f . Dann gilt:

J((¬X ) ∨ F)KB (β )
= ˙
J(¬X )KB (β )∨JFKB (β ) (Def. J · KB für Disjunktion)
= ¬JX ˙
˙ KB (β )∨JFKB (β ) (Def. J · KB für Negation)
= ¬β ˙
˙ (X )∨JFKB (β ) (Def. J · KB für Variablen)
= ¬β ˙
˙ (X )∨f (Def. J · KB für Konstante F)
= ¬f ˙
˙ ∨f (Auswertung β (X ))
= w (Auswertung mit Operatoren ¬, ˙
˙ ∨)

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Induktives Definieren 4.4 Induktive Semantikschemata

Semantische Äquivalenz Boolescher Terme

Definition 4.11
Seien t1 , t2 ∈ BT Boolesche Terme über einer Variablenmenge V . Dann
heißen t1 und t2 genau dann (semantisch) äquivalent (geschrieben
t1 ≡ t2 ), wenn Folgendes gilt:

∀β ∈ BV . [[ t1 ]]B (β ) = [[ t2 ]]B (β )

Anmerkung: ≡ ⊆ BT × BT ist eine Äquivalenzrelation.

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Induktives Beweisen

5. Induktives Beweisen - Themenübersicht

Ordnungsrelationen
Partielle Ordnungen
Quasiordnungen
Totale Ordnungen
Striktordnungen
Ordnungen und Teilstrukturen
Noethersche Induktion
Anwendung: Terminierungsbeweise
Verallgemeinerte Induktion
Anwendung: Fibonacci-Funktion
Strukturelle Induktion
Anwendung: Boolesche Terme
Vollständige Induktion
Anwendung: Gesetze natürlicher Zahlen
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Induktives Beweisen 5.1.1 Partielle Ordnungen

Partielle Ordnungen

Definition 5.1
Eine homogene Relation v ⊆ A × A heisst partielle Ordnung oder auch
Halbordnung, gdw.
1 v ist reflexiv: ∀ a ∈ A. a v a
2 v ist antisymmetrisch: ∀ a1 , a2 ∈ A. a1 v a2 ∧ a2 v a1 ⇒ a1 = a2
3 v ist transitiv: ∀ a1 , a2 , a3 ∈ A. a1 v a2 ∧ a2 v a3 ⇒ a1 v a3

Beispiele
⊆ auf P(M) für beliebige Grundmenge M.
Teilbarkeitsbeziehung | auf N.
Teilzeichenreihenbeziehung auf A∗ definiert durch:

w 0 v w ⇔df ∃ w1 , w2 ∈ A∗ . w1 w 0 w2 = w .

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 169


Induktives Beweisen 5.1.1 Partielle Ordnungen

Partielle Ordnungen

Definition 5.2
Für n, m ∈ N definieren wir eine Relation ≤ durch
n ≤ m ⇔df ∃ k ∈ N. n + k = m.

Satz 5.1
≤ ist eine partielle Ordnung auf N.

→ Später: ≤ ist total.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 170


Induktives Beweisen 5.1.1 Partielle Ordnungen

Partielle Ordnungen

Satz 5.1
≤ ist eine partielle Ordnung auf N.
Beweis (Reflexivität): Sei n ∈ N. Für k = 0 gilt dann n + 0 = 0 + n = n,
also auch n ≤ n.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 171


Induktives Beweisen 5.1.1 Partielle Ordnungen

Partielle Ordnungen

Satz 5.1
≤ ist eine partielle Ordnung auf N.
Beweis (Antisymmetrie (1/3)): Seien m, n ∈ N mit n ≤ m und m ≤ n.
Dann existieren Zahlen k1 , k2 ∈ N mit :

n + k1 = m

m + k2 = n
Setzt man m aus der ersten Gleichung in die Zweite ein, erhält man
(n + k1 ) + k2 = n. Wegen der Assoziativität und Kommutativität der
Addition folgt (k1 + k2 ) + n = n.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 172


Induktives Beweisen 5.1.1 Partielle Ordnungen

Partielle Ordnungen

Satz 5.1
≤ ist eine partielle Ordnung auf N.
Beweis (Antisymmetrie (2/3)): Gemäß der Definition der Addition
natürlicher Zahlen (siehe Definition 4.2(a)) folgt daraus

(k1 + k2 ) + n = 0 + n

und weiter (mit der Rechtskürzungsregel der Addition)

k1 + k2 = 0

Es bleibt noch nachzuweisen, dass dies bereits k1 = 0 impliziert.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 173


Induktives Beweisen 5.1.1 Partielle Ordnungen

Partielle Ordnungen

Satz 5.1
≤ ist eine partielle Ordnung auf N.
Beweis (Antisymmetrie (3/3)): Angenommen k1 wäre von 0 verschieden.
Dann gäbe es nach Lemma 4.1 eine natürliche Zahl k10 mit k1 = s(k10 ) und
damit wegen der Definition der Addition natürlicher Zahlen auch mit:
Def.4.2.(a)
k1 + k2 = s(k10 ) + k2 = s(k10 + k2 ).

Also wäre k1 + k2 ein Nachfolger einer natürlichen Zahl und damit von 0
verschieden, im Widerspruch zu k1 + k2 = 0.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 174


Induktives Beweisen 5.1.1 Partielle Ordnungen

Partielle Ordnungen

Satz 5.1
≤ ist eine partielle Ordnung auf N.
Beweis (Transitivität): Seien n, m, p ∈ N mit n ≤ m und m ≤ p. Dann
existieren Zahlen k1 , k2 ∈ N mit:

n + k1 = m

m + k2 = p
Setzt man m aus der ersten Gleichung in die Zweite ein, so erhält man
(n + k1 ) + k2 = p. Mit der Assoziativität der Addition folgt

n + (k1 + k2 ) = p

und damit n ≤ p.
Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 175
Induktives Beweisen 5.1.2 Quasiordnungen

Quasiordnungen

Definition
Eine homogene Relation @ ∼ ⊆ A × A heisst Quasiordnung oder auch
Präordnung, gdw.
1 @ ist reflexiv: ∀ a ∈ A. a @ a
∼ ∼
2 @ ist transitiv: ∀ a1 , a2 , a3 ∈ A. a1 @ a2 ∧ a2 @ a3 ⇒ a1 @ a3
∼ ∼ ∼ ∼

Beispiele
“Kleiner oder gleich groß”-Beziehung auf Mengen von Personen.
Teilbarkeitsbeziehung | auf Z (Beachte −1|1 und 1| − 1).
Implikation “⇒” auf Booleschen Termen.
“Nicht mächtiger als”-Beziehung 5 auf Mengensystemen.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 176


Induktives Beweisen 5.1.2 Quasiordnungen

Quasiordnungen

Beobachtung
Quasiordnung @
∼ ⊆ A × A induziert Äquivalenzrelation auf A durch:
a1 ∼ a2 ⇔df a1 @ @
∼ a2 ∧ a2 ∼ a1 .
Man spricht hier auch vom Kern der Quasiordnung.
@ bildet partielle Ordnung auf A/ ∼.

Beispiel
Kern von “⇒” ist die semantische Äquivalenz auf Booleschen Termen.
Kern von 5 auf Mengensystemen ist =.∼

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 177


Induktives Beweisen 5.1.3 Totale Ordnungen

Totale Ordnungen

Definition
Eine Quasiordnung @ ∼ ⊆ A × A, in der alle Elemente vergleichbar sind,
heißt totale Quasiordnung oder auch Präferenzordnung, d.h.

∀ a1 , a2 ∈ A. a1 @ @
∼ a2 ∨ a2 ∼ a1

Beispiel
Personen nach ihrer Größe geordnet.
“Weniger mächtig”-Beziehung 5 auf Mengensystemen.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 178


Induktives Beweisen 5.1.3 Totale Ordnungen

Totale Ordnungen

Definition
Eine partielle Ordnung v ⊆ A × A, in der alle Elemente vergleichbar sind,
heißt totale Ordnung oder auch lineare Ordnung, d.h.

∀ a1 , a2 ∈ A. a1 v a2 ∨ a2 v a1

Beispiele
≤ auf N.
Lexikographische Ordnung auf A*.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 179


Induktives Beweisen 5.1.4 Striktordnungen

Striktordnungen

Definition
Zu einer gegebenen Quasiordnung @
∼ lässt sich die zughörige Striktordnung
@ definieren durch:

a1 @ a2 ⇔df a1 @
∼ a2 ∧ a1 6∼ a2 .

Lemma 5.1
1 @ ist asymmetrisch, d.h.: ∀ a1 , a2 ∈ A. a1 @ a2 ⇒ a2 6@ a1

2 @ ist transitiv, d.h.: ∀ a1 , a2 , a3 ∈ A. a1 @ a2 ∧ a2 @ a3 ⇒ a1 @ a3


Folgerung: @ ist irreflexiv, d.h.: ∀ a ∈ A. a 6@ a

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Induktives Beweisen 5.1.4 Striktordnungen

Striktordnungen

Definition
Zu einer gegebenen Striktordnung @ lässt sich die zughörige partielle
Ordnung definieren durch:

a1 v a2 ⇔df a1 @ a2 ∨ a1 = a2 .

Definition
Reduziert man eine Striktordnung auf die unmittelbar benachbarten
Abhängigkeiten erhält man die Nachbarschaftsordnung @N definiert durch:

a1 @N a2 ⇔df a1 @ a2 ∧ @ a3 ∈ A. a1 @ a3 @ a2 .

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 181


Induktives Beweisen 5.1.4 Striktordnungen

Striktordnungen

Für unendliche Ordnungen ist @N u.U. leer,


etwa für Q mit üblicher <-Ordnung dichte Ordnungen
Für endliche partielle Ordnungen v gilt: @∗N = v .
Graphische Darstellung von @N ist als Hasse-Diagramm bekannt.
Konvention: Kleinere Elemente sind unterhalb größerer angeordnet.
Mit Einschränkungen auch für unendliche Mengen anwendbar (z.B.
Teilbarkeitsordnung auf N).

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 182


Induktives Beweisen 5.1.4 Striktordnungen

Teilbarkeitsordnungen

Teilbarkeitsordnungen auf {1, 2, 3, 4, 6, 12} als


(a) Partielle Ordnung (b) Striktordnung (c) Nachbarschaftsordnung

Konsequenz: Nachbarschaftsordnung enthält volle Information.


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Induktives Beweisen 5.1.4 Striktordnungen

Hasse-Diagramme

Hasse-Diagramme zu (a) ≤ auf N, (b) ⊆ auf P({1, 2, 3}), (c) | auf


{1, 2, 3, 4, 6, , 12}.
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Induktives Beweisen 5.2 Ordnungen und Teilstrukturen

Ordnungen und Teilstrukturen

Definition 5.3 (Minimale, maximale Elemente)


Sei @
∼ ⊆ A × A Quasiordnung und B ⊆ A. Ein Element b ∈ B heißt
1 minimales Element in B ⇔df @ b 0 ∈ B. b 0 @ b und

2 maximales Element in B ⇔df @ b 0 ∈ B. b @ b 0 .


{1, 2, 3}

{1, 2} {1, 3} {2, 3}


maximal

{1} {2} {3}


minimal

0/
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Induktives Beweisen 5.2 Ordnungen und Teilstrukturen

Ordnungen und Teilstrukturen

Definition 5.4 (Kleinstes, größtes Element)


Sei @
∼ ⊆ A × A Quasiordnung und B ⊆ A. Ein Element b ∈ B heißt
1 kleinstes Element in B ⇔df ∀ b 0 ∈ B. b @ b 0 und

2 größtes Element in B ⇔df ∀ b 0 ∈ B. b 0 @ b.

{1, 2, 3}
größtes Element

{1, 2} {1, 3} {2, 3}

{1} {2} {3}


kleinstes Element

Prof. Dr. Bernhard Steffen


0/
Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 186
Induktives Beweisen 5.3 Noethersche Induktion

Noethersche Quasiordnungen

Definition 5.5
Eine Quasiordnung @∼ ⊆ A×A heißt Noethersch (oder wohlfundiert) genau
dann, wenn jede nichtleere Teilmenge von A ein minimales Element besitzt.

Satz 5.2 (Absteigende Kettenbedingung)


Eine Quasiordnung (M, @ ∼) ist genau dann Noethersch, wenn es in M keine
unendliche, echt absteigende Kette x0 A x1 A x2 . . . gibt.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 187


Induktives Beweisen 5.3 Noethersche Induktion

Noethersche Quasiordnungen

Satz 5.2 (Absteigende Kettenbedingung)


Eine Quasiordnung (M, v) ist genau dann Noethersch, wenn es in M keine
unendliche, echt absteigende Kette x0 A x1 A x2 . . . gibt.
Beweis “⇒” durch Kontraposition: Sei x0 A x1 A x2 . . . eine unendliche,
echt absteigende Kette in M. Dann ist A =df {x0 , x1 , x2 . . . } nichtleer.
Angenommen es gäbe ein minimales Element amin ∈ A. Dann existierte ein
Index i mit xi = amin . Wegen xi A xi+1 wäre xi aber im Widerspruch zur
Annahme nicht minimal. Folglich gibt es kein minimales Element in A und
M ist nicht Noethersch.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 188


Induktives Beweisen 5.3 Noethersche Induktion

Noethersche Quasiordnungen

Satz 5.2 (Absteigende Kettenbedingung)


Eine Quasiordnung (M, v) ist genau dann Noethersch, wenn es in M keine
unendliche, echt absteigende Kette x0 A x1 A x2 . . . gibt.
Beweis “⇐” durch Kontraposition: Sei A eine nichtleere Teilmenge von
M, die kein minimales Element enthält. Da A nicht leer ist, existiert
mindestens ein Element x0 =df a ∈ A, also eine “minimale” Kette. Jedes
Anfangsstück x0 A x1 . . . A xn einer beliebigen, endlich absteigenden Kette
in A können wir verlängern. Da A nach Voraussetzung kein minimales
Element besitzt, ist auch xn nicht minimal in A. Folglich existiert zu xn ein
echt kleineres Element a0 in A, das wir als xn+1 nutzen können.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 189


Induktives Beweisen 5.3 Noethersche Induktion

Noethersch partielle Ordnungen

Beispiel 5.3 (Noethersch partielle Ordnungen)


1 ≤ auf N ist Noethersch, denn jede nichtleere Teilmenge enthält sogar
ein kleinstes Element.
2 Die Teilzeichenreihenbeziehung auf A∗ ist Noethersch.
3 ⊆ ist Noethersch auf P(M) für jede endliche Grundmenge M.

Beispiel 5.4 (Nicht Noethersch partielle Ordnungen)


1 ≤ auf Z ist nicht Noethersch, denn Z besitzt kein minimales Element.
2 ≤ auf Q≥0 ist nicht Noethersch, denn { 21 , 13 , 14 , . . .} besitzt kein
minimales Element.
3 ⊆ auf P(N) ist nicht Noethersch, denn
{N, N\{0}, N\{0, 1}, N\{0, 1, 2}, . . .} besitzt kein minimales Element.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 190


Induktives Beweisen 5.3 Noethersche Induktion

Beweisprinzip: Noethersche Induktion

Beweisprinzip 9 (7) (Noethersche Induktion)


Sei @∼ ⊆ M ×M eine Noethersche Quasiordnung. Lässt sich eine Aussage
A über M für jedes m ∈ M aus der Gültigkeit der Aussage für alle echt
kleineren Elemente ableiten, dann ist sie für jedes m ∈ M wahr.

 
∀ m ∈ M. ∀ m0 ∈ M. m0 @ m ⇒ A (m0 ) ⇒ A (m) ⇒ ∀ m ∈ M. A (m).


Beweis: Per Kontraposition.


Falls ∀ m ∈ M. A (m) nicht gilt, existiert nichtleere Menge G ⊆ M von
Gegenbeispielen.
G =df {g ∈ M | ¬A (g )}.
Weil @
∼ Noethersch ist, existiert ein minimales Gegenbeispiel gmin ∈ G .
gmin verletzt dann den Induktionsschluss.

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Induktives Beweisen 5.3 Noethersche Induktion

Anwendung: Kommutativität der Addition

Satz 5.4(2)

∀ n, m ∈ N. n + m = m + n.
Beweis durch Noethersche Induktion über komponentenweise Ordnung auf
N × N.
(n, m) ≤ (n0 , m0 ) ⇔df n ≤ n0 ∧ m ≤ m0 .

Details: Buch.

Prof. Dr. Bernhard Steffen Mathematik für Informatik 1 - WS 2022/23 192


Induktives Beweisen 5.3.1 Terminierungsbeweise

Anwendung: Terminierung

Euklidischer Algorithmus

ggt : N × N → N

 n+m falls n = 0 oder m = 0
ggt(n, m) = ggt(n − m, m) falls 0 < m ≤ n
ggt(n, m − n) falls 0 < n < m

Terminierung: Noethersche Quasiordnung auf N × N:

(n, m) .sum (n0 , m0 ) ⇔df n + m ≤ n0 + m0 .

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Induktives Beweisen 5.3.1 Terminierungsbeweise

Anwendung: Terminierung

Ackermann-Funktion

ack : N × N → N

 m+1 falls n = 0
ack(n, m) = ack(n − 1, 1) falls n > 0, m = 0
ack(n − 1, ack(n, m − 1)) falls n > 0, m > 0

Terminierung: Lexikographische Ordnung (Noethersch und total) auf


N × N:

(n, m) ≤lex (n0 , m0 ) ⇔df n < n0 ∨ (n = n0 ∧ m ≤ m0 ).

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Induktives Beweisen 5.3.1 Terminierungsbeweise

Anwendung: Terminierung

Collatz-Funktion

col : N\{0} → {1}



 1 falls n = 1
col(n) = col(n/2) falls n gerade
col(3n + 1) falls n ungerade

Terminierung: Keine geeignete Noethersche Ordnung bekannt.

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Induktives Beweisen 5.3.1 Terminierungsbeweise

Beweisprinzip: Kleinster Verbrecher

Aus Beweisprinzip 3 (Widerspruchsbeweis) und dem Beweis zu


Beweisprinzp 9 (Nothersche Induktion) folgt unmittelbar:

Beweisprinzip 10 (7) (Kleinster Verbrecher)


Sei @∼ ⊆ M ×M eine Noethersche Quasiordnung und A eine Aussage
über M. Wir zeigen, dass die Aussage A (m) für alle m ∈ M gilt, indem
wir annehmen, es gäbe Gegenbeispiele. Also:

{g ∈ M | ¬A (g )} 6= 0.
/

Falls die Existenz eines minimalen Gegenbeispieles g0 zu einem


Widerspruch führt, so ist ∀ m ∈ M. A (m) bewiesen.

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Induktives Beweisen 5.4 Verallgemeinerte Induktion

Beweisprinzip: Verallgemeinerte Induktion

Beweisprinzip 11 (8) (Verallgemeinerte Induktion)


Lässt sich eine Aussage über natürliche Zahlen für jede natürliche Zahl aus
der Gültigkeit der Aussage für alle kleineren natürlichen Zahlen ableiten,
dann ist sie für jede natürliche Zahl wahr.
 
∀ n ∈ N. (∀ m ∈ N. m < n ⇒ A(m)) ⇒ A(n) ⇒ ∀ n ∈ N. A(n).

Spezialfall der Noetherschen Induktion

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Induktives Beweisen 5.4 Verallgemeinerte Induktion

Anwendung Fibonacci-Zahlen

Definition 5.6
fib(0) =df 0
fib(1) =df 1
fib(n) =df fib(n − 1) + fib(n − 2) für n ≥ 2

Es gilt: ∀ n ∈ N. fib(n) < 2n .


Beweis:
Def.
n = 0. Dann fib(0) = 0 < 1 = 20 .
Def.
n = 1. Dann fib(1) = 1 < 2 = 21 .
n ≥ 2. Dann gilt:

Def. IA
fib(n) = fib(n − 1) + fib(n − 2) < 2n−1 + 2n−2
≤ 2n−1 + 2n−1 = 2 · 2n−1 = 2n .
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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Strukturelle Induktion

Erinnerung: Induktiv definierte Mengen (Folie 141)


Definition 4.4
Sei
1 At eine Menge elementarer oder atomarer Bausteine
2 Op eine Menge von Operatoren (oder Konstruktoren) mit zugehöriger
Stelligkeit k ≥ 1, die es erlauben, kleinere Bausteine zu größeren
Einheiten zusammenzusetzen.
Die durch At und Op induktiv definierte Menge M ist die kleinste Menge,
für die gilt:
1 At ⊆ M ,
2 Ist o ∈ Op ein Operator mit Stelligkeit k und sind m1 , . . . , mk ∈ M ,
dann ist auch o(m1 , . . . , mk ) ∈ M .

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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Strukturelle Induktion

Gegeben:
Induktiv definierte Menge M mit Atomen At und Konstruktoren Op
Eigenschaft A über M .

Ziel: Beweise, dass A (m) gilt für alle Elemente m ∈ M .

Vorgehen:
1 Man beweist, dass A für jedes Atom a ∈ At gilt.

2 Man beweist für jeden Konstruktor o ∈ Op, dass unter der


Voraussetzung, dass A für beliebige m1 , . . . , mk ∈ M gilt, A auch
für o(m1 , . . . , mk ) gilt.

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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Beweisprinzip: Strukturelle Induktion

Beweisprinzip 12 (9) (Strukturelle Induktion)


Sei M induktiv definierte Menge (mit Atomen At , Konstruktoren Op).
Lässt sich eine Aussage A über M für jedes Atom a ∈ At beweisen, und
lässt sich für jeden Konstruktor o ∈ Op aus der Gültigkeit der Aussage für
m1 , . . . , mk ∈ M die Gültigkeit für o(m1 , . . . , mk ) ableiten, dann ist A für
jedes m ∈ M wahr.
  
∀ a ∈ At . A (a) ∧ ∀ o ∈ Op, m1 , . . . , mk ∈ M .

A (m1 ) ∧ · · · ∧ A (mk ) ⇒ A o(m1 , . . . , mk )


⇒ ∀ m ∈ M . A (m)

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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Strukturelle Induktion

.. als Spezialfall Noetherscher Induktion.

Nachbarschaftsordnung @N durch induktive “Bauanleitung” der


Strukturen:

m1 @N m2 ⇔df ∃ o ∈ Op. m2 = o(m10 , . . . , mk0 ) ∧ m1 ∈ {m10 , . . . , mk0 }.

“Ist-Teilstruktur”-Relation v als reflexiv-transitive Hülle von @N , d.h:


v = @∗N .

Klar: v ist Noethersch.

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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Anwendung: Aussagenlogik

Satz 5.4 (5.3) (Funktionale Vollständigkeit von ¬ und ∧)


Wir betrachten aussagenlogische Formeln (Definition 2.2, Folie 50),
aufgefasst als induktiv beschriebene Menge aus den Atomen a, b, c, . . .
(elementare Aussagen) sowie dem einstelligen Konstruktor ¬ und den
zweistelligen Konstruktoren ∧, ∨, ⇒, ⇔.

Zu jeder aussagenlogischen Formel φ existiert eine semantisch äquivalente


Formel φ 0 , so dass φ 0 lediglich die Junktoren ¬ und ∧ enthält.

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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Anwendung: Aussagenlogik

Beweis: (Strukturelle Induktion)


Über den induktiven Aufbau von φ :
Fall 1: φ = a. Trivial, denn φ enthält keine Junktoren.
Fall 2: φ = ¬ψ. Nach der Induktionsannahme (IA) existiert Formel
ψ 0 ≡ ψ, so dass ψ 0 nur ¬ und ∧ enthält. Dies gilt dann auch
für φ 0 = ¬ψ 0 , und es gilt φ 0 ≡ φ .
Fall 3: φ = ψ1 ∧ ψ2 . Dann existieren nach der IA ψ10 ≡ ψ1 , ψ20 ≡ ψ2
mit der gewünschten Eigenschaft, und φ 0 = ψ10 ∧ ψ20 ≡ φ
enthält ebenfalls nur ¬ und ∧.
Fall 4: φ = ψ1 ∨ ψ2 . Dann existieren nach der IA ψ10 ≡ ψ1 , ψ20 ≡ ψ2
mit der gewünschten Eigenschaft, und
φ 0 = ¬(¬ψ10 ∧ ¬ψ20 ) ≡ φ enthält ebenfalls nur ¬ und ∧.

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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Anwendung: Aussagenlogik

Beweis: (Strukturelle Induktion)


Über den induktiven Aufbau von φ :
Fall 5: φ = ψ1 ⇒ ψ2 . Dann existieren nach der IA ψ10 ≡ ψ1 ,
ψ20 ≡ ψ2 mit der gewünschten Eigenschaft, und
φ 0 = ¬(ψ10 ∧ ¬ψ20 ) ≡ φ enthält ebenfalls nur ¬ und ∧.a
Fall 6: φ = ψ1 ⇔ ψ2 . Dann existieren nach der IA ψ10 ≡ ψ1 ,
ψ20 ≡ ψ2 mit der gewünschten Eigenschaft, und
φ 0 = ¬(¬(ψ10 ∧ ψ20 ) ∧ ¬(¬ψ10 ∧ ¬ψ20 )) ≡ φ enthält ebenfalls
nur ¬ und ∧.b
a Aufgrund der Äquivalenz A ⇒ B ≡ ¬A ∨ B und der deMorganschen

Regeln.
b Aufgrund der Äquivalenz A ⇔ B ≡ (A ∧ B) ∨ (¬A ∧ ¬B) und der

deMorganschen Regeln.

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Induktives Beweisen 5.5 Strukturelle Induktion

Anwendung: Boolesche Terme

Satz 5.6 (5.5) (Kompositionalität von [[ · ]]B )


Seien t, t 0 , t 00 ∈ BT mit t 0 ≡ t 00 . Dann gilt

t[X 7→ t 0 ] ≡ t[X 7→ t 00 ],

dass heißt man darf (simultan) Gleiches durch (semantisch) Gleiches


ersetzen.

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Induktives Beweisen 5.6 Vollständige Induktion

Beweisprinzip: Vollständige Induktion

Beweisprinzip 13 (10) (Vollständige Induktion)


Ist eine Aussage A über natürliche Zahlen für 0 wahr und lässt sich ihre
Gültigkeit für jede größere natürliche Zahl aus der Gültigkeit der Aussage
für ihren Vorgänger ableiten, dann ist sie für jede natürliche Zahl wahr.

A(0) ∧ ∀ n ∈ N. A(n) ⇒ A(n + 1) ⇒ ∀ n ∈ N. A(n).

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Induktives Beweisen 5.6 Vollständige Induktion

Vollständige Induktion

Satz 5.5 (5.4)


Seien n, m, k ∈ N. Dann gilt:
Assoziativität:
1) (n + m) + k = n + (m + k)
2) (n · m) · k = n · (m · k)
Kommutativität:
1) n + m = m + n
2) n · m = m · n
Neutrale Elemente:
1) n + 0 = n
2) n · 1 = n
Distributivität:
(n + m) · k = n · k + m · k

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Induktives Beweisen 5.6 Vollständige Induktion

Beispiele

Beispiel 5.5
Für alle n ∈ N gilt:
1 Es gibt 2n Teilmengen von n–elementigen Mengen.
n
n·(n+1)
2 ∑i= 2 , Summe der ersten n natürlichen Zahlen.
i=1
n
3 ∑ (2i − 1) = n2 , Summe der ersten n ungeraden Zahlen.
i=1

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