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Anorganische Bindemittel

Baustoffkunde 2 – Grundlagen der Betontechnologie

Prof. Dr.-Ing Thomas Matschei


Institut für Bauforschung der RWTH Aachen University (ibac)
Lehrstuhl für Baustoffkunde
Lernziel

• Kenntnis der wichtigsten anorganischen Bindemittel, welche im Bauwesen verwendet werden (Gips, Kalk,
Zement)

• Vertiefte Kenntnisse zur Herstellung von Zement und dessen Anwendung im Bauwesen als Funktion seiner
Zusammensetzung

2 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Beton – vom Ausgangsstoff zum Bauteil
Ausgangs-
Betontechnologie Ausführung Bauteilentwurf
Materialien

Gesteinskörnung Mischungsentwurf Ingen. Techn.


Element design
Art Proportionen Ortbeton Bemessung
Sieblinie Zement (Festigkeit) Bewehrung
Fertigteil
W/Z Rissbreiten-
Zement/Zusatz- Max. Wassergehalt beschränkung
stoff Zusatzmittel Betondeckung
Art Bauausführung
Feinheit Schalung Architekt.
Bewehrung Design
Mischen
Element/Sektions-
Wasser
grössen
Qualität
Oberflächen-
Cl- Limit, etc.
Frischbeton Einbau beschaffenheit

Umweltein-
Zusatzmittel Verdichten flüsse
Art
Fertiggestelltes
Nachbehandeln
Bauteil
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Zutaten für einen guten Beton

Gesteinskörnung Wasser Zusatzmittel

Wasser +
Zusatzmittel

Grobe Zement
(+Zusatzstoff)
Gesteins-
körnung
Luft

Feine
Gesteins- Zement (+Betonzusatzstoffe)
körnung

4 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Agenda

Einleitung
Gips und Anhydrit
Kalkbindemittel
Zement

5 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Einteilung der Bindemittel nach ihrem Erhärtungsverhalten

Anorganische
Bindemittel

Hydraulische Nichthydraulische
Bindemittel Bindemittel

• Erhärten an Luft
• Erhärten an Luft und unter Wasser
• Sind nach Erhärtung relativ gut
• Sind nach Erhärtung wasserbeständig
wasserlöslich (d.h. prakt. nicht
(d.h. prakt. unlöslich unter Wasser)
beständig unter Wasser)

Hydraulischer
Zement Luftkalk Gipsbaustoffe
Kalk
• Kalkmörtel • Baugips
• Beton • Kalk-Zement-Putz • Gipskartonbauplatten
• Zementputz • Mauermörtel • Anhydritestrich
• Trockenmörtel
Magnesiabinder Lehm

• Magnesiaestrich • Lehmputz

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Agenda

Einleitung
Gips und Anhydrit
Kalkbindemittel
Zement

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Gipsvorkommen

natürlich künstlich
•Industrielles Anfallprodukt aus Rauchgas-Entschwefelungs-
•Gips als natürliches Gestein / Mineral weltweit verbreitet Anlagen
= REA-Gips
•Abbau unter und über Tage (z.B. im Harz)
•Kohleverbrennung
 SO2-haltige Abgase Reinigungsprozess
Ca(OH)2 + SO2(g) + O2 (g) + H2O CaSO4.2H2O

http://naturgips-im-harz.de/

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kraftwerk_Weisweiler_Luftbild.jpg
http://www.mineral-exploration.com/maps/deutschgipsanhydritde.gif
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27018016

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Gips- und Anhydritbaustoffe – Herstellung und prinzipielle Reaktionen

Brennen
Halbhydrat 300 - 600°C
CaSO4 . ½H2O
=„Stuckgips“
Brennen
100°C
Wasserzugabe
Gipsstein
CaSO4 . 2H2O Anhydrit
CaSO4

Erhärtung
„Hydratation“ CaSO4 . ½H2O + 1½ H2O Wasserzugabe

CaSO4 + 2H2O + Anreger


(Na2SO4, Kalk, Zement)

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Gips- und Anhydritbaustoffe – Prinzipielle Unterscheidung

Aus Müller 2007 nach Gipsdatenbuch 2003

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Beispiel: Hydratation von β-Halbhydrat (Stuckgips)

CaSO4⋅0.5H2O + 1.5H2O  CaSO4⋅2H2O


β-Halbhydrat + Wasser  Gips

Erstarrung nach 10 – 15 min durch Gipsbildung


Verzögerung durch:
β-Halbhydrat + H2O nach 1min Zitronensäure, Alaun, Zucker …
Beschleunigung durch:
NaCl, K2SO4, KOH, Rohgipsstein als Keimbildner

Druckfestigkeiten: max. 10 N/mm²


therm. Ausdehnungskoeff.: 20 . 106 K-1
Fast vollständige Umwandlung zu
Gips nach 15 min
chem. Dehnung beim Abbinden: 1 mm/m
Aus Dissertation M. Müller BU Weimar 2007
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Gips- und Anhydritbaustoffe – Typische Eigenschaften
- sehr gute bauphysikalische Eigenschaften bzgl. rascher Feuchteaufnahme und –abgabe
(bis zu 50 M.-%)
- nach dem Versteifen kein Feuchthalten notwendig
- schall- und wärmedämmend
- feuerhemmend
- Ästhetik (weiß, beliebig einfärbbar)

Aber:
- bei Durchfeuchtung starker (vorübergehender) Festigkeitsrückgang
- Lösungserscheinungen bei Kontakt mit fließendem Wasser
- korrosionsfördernd bei Eisen und Stahl (Sulfat-Ionen)
- nicht zusammen mit hydraulischen Bindemitteln einsetzen
(Gefahr der Ettringitbildung)

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Gips- und Anhydritbaustoffe – Typische Anwendungsgebiete
Bezeichnung Mineralphase Herstell- Erhärtungs- Festigkeit Anwendung
temperatur zeit
Stuckgips β-Halbhydrat 130-180°C Stuckarbeiten,
CaSO4.0.5H2O 15-30 min 3-5 N/mm2 Gipsbauplatten
Mehrphasen- gips β-Halbhydrat 130-180°C Wandputz,
(Putzgips) CaSO4.0.5H2O >30 min >3 N/mm2 Trockenmörtel
Anhydrit III und II >180°C
Anhydritbinder Anhydrit II 300-600°C >30 min 5-20 N/mm2 Estrich, Putz

Bauplatten (Stuckgips) Gipsputz Estrich (Anhydrit)

Knauf.de www.de.weber www.lafarge.ca

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Agenda

Einleitung
Gips und Anhydrit
Kalkbindemittel
Zement

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Kalkkreislauf - Branntkalk
Achtung
Branntkalk Stark exotherm +1150J/g
-CO2 CaCO3  CaO + CO2 (g) Volumenzunahme +70 Vol.-%

Brennen Löschen
900°C +H2O

Kalkstein Gelöschter Kalk


CaCO3 „Weisskalkhydrat“
Ca(OH)2 + H2O
+CO2
Langsames
Erhärten
-H2O

Achtung: Carbonatisierung
sehr langsamer Prozess – Ca(OH)2 + CO2  CaCO3 + 2H2O
1800 m³ Luft für 1 m² Putz

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Hydraulischer Kalk
Natürlicher hydraulischer Kalk

Mergelkalk bis Branntkalk Wasserkalk CL 80 1)


Mergel CaO +H2O CL 70
bzw. Brennen Dicalciumsilikat Löschen hydraulische NHL 2 2)
Kalkstein + Ton < 1250°C 2CaO . SiO2 Kalke NHL 3,5
CaCO3 Tricalcium-
aluminat +H2O
SiO2 3CaO . Al2O3 Löschen hochhydraul. NHL 5
Al2O3 Kalke
Fe2O3 1) Kalkhydratanteil
2) Festigkeit [N/mm2]

Künstliche und formulierte hydraulische Kalke

künstliche hydraulische Kalke


Zement HL 2; HL 3,5; HL 5
Kalkhydrat + Vermahlung
Puzzolane formulierte Kalke
Hüttensand FL 2; FL 3,5; FL 5

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Luftkalk vs Hydraulischer Kalk
Luftkalk Hydraulischer Kalk

• Erhärtung durch Carbonatisierung • Erhärtung durch Carbonatisierung und


• Sehr langsame Reaktion Hydratation (chem. Wasserbindung)
• Nicht wasser- und frostbeständig • Schnellere Erhärtung
• Keine hydraulischen Eigenschaften • Teilweise hydraulische Eigenschaften
(d.h. kein Wasserbindevermögen) • Je nach Formulierung höhere Festigkeiten
• sehr große Feinheit, hohe Ergiebigkeit und höheren Widerstand gegen
• gute Verarbeitbarkeit (Geschmeidigkeit, Feuchtebelastung
Wasserrückhaltevermögen)

Anwendungsgebiete im Bauwesen
• Mauermörtel für niedrige Beanspruchung, • Mörtel und Putze mit höheren Anforderungen
• Putzmörtel ohne längere Feuchteeinwirkung (z.B. Aussenputz)
• Zusatz zu Zementmörtel und Beton zur • Mörtel für schlagregenbeanspruchtes Mauerwerk
Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften (z.B. Schornstein)
• Herstellung von Kalksandsteinen und • Fahrbahnunterbau, Bodenverfestigungen
Porenbeton
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Agenda

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Gips und Anhydrit
Kalkbindemittel
Zement

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Joseph Aspdin‘s Patent 1824 als Grundlage für die moderne Zementproduktion

Auszug aus dem Originalpatent von


Aspdin 1824
Joseph Aspdin (1778 – 1855)

Schachtofen
• Methode zur Herstellung eines künstlichen Steins
• Name: Portland Stein
 Ursprünglich verwendet für einen leistungsfähigen Naturkalkstein aus
der Isle of Portland / UK

• 1843 Start der industrialisierten Produktion des Port-


landzementes durch William Aspdin (2. Sohn von J. Aspdin)
mittels Schachtöfen in der Nähe von London

• 1850 1. Portlandzementproduktion in Deutschland (Firma


Brunkhorst & Westfalen in Buxtehude)

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Aber: „Zement verantwortlich für ca. 8% der weltweiten CO2 Emissionen“

Warum?

Typische Zusammensetzung
eines Zementrohmehls CaCO3  CaO +CO2
Fe2O3 others

Al2O3

SiO2 ~25% Ton +


Korrekturstoffe
CaO

~75% Kalkstein
(CaCO3)

CO2

Die Produktion von 1 Tonne Portlandzementklinker hat einen Ausstoss von ~800kg CO2 zur Folge

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Zementherstellung ist ein relativ schneller aber energieintensiver Prozess
2min @ Vorwämer-
 Grösster Energiebedarf für die
turm Calcinierung von CaCO  CaO + CO 3 2
300°C -1000°C
CaCO3 CaO + CO2 [~3.1GJ/t]  Theoretisch braucht man ca 1.8 GJ zur
Herstellung von 1t Zementklinker
 Infolge von Wärmeverlusten, zusätzlicher
Trocknungsenergie ist der praktische
Energiebedarf >3GJ/t Klinker

~30min @ ~30 min@ Klinkersilo/


Rohmehl- Drehrohrofen Klinkerkühler Zementmahlung
1000°C -1500°C 1500°C – 100°C
Herstellung Clinker reactions [+0.2GJ/t] Cooling [-1.5GJ/t]

Zementsilos

21 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Zementherstellung ist ein energieintensiver Prozess

Weltweit wurden 2018 ca 4’500’000’000 t Zement produziert


Entspricht der Menge an Kohle
eines Zugs von 51’000km Länge

Energiebedarf von
ganz Deutschland
2018

1.8 Mio Lang-


streckenflüge
Scrivener ea. UNEP Report - Eco-efficient cements:
Potential economically viable solutions for a low-CO2
Frankfurt New-York
cementbased materials industry - 2016 22

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Portlandzementklinker

23 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Zusammensetzung des Portlandzementklinkers

Zementchemie Nomenklatur others (alkalisulfates, CaO, etc.)


2-5%

C CaO S SO3 C4AF


1-20%
C3A
S SiO2 H H 2O 2-15%

A Al2O3 C CO2 C2S C3S


5-30% 40-75%
F Fe2O3 P P2O5

Alit (C3S), Belit (C2S), Aluminat (C3A) und Ferrit (C4AF) sind die Hauptbestandteile des
Portlandzementklinkers

Generelles Ziel ist es den Anteil an Alit zu maximieren

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Warum?
…Je höher der Alitgehalt des Klinkers desto höher die Festigkeit im Zement (insbesondere Frühfestigkeit <2 - 7d)

Druckfestigkeit in N/mm²
80
3CaO . SiO2 = C3S
70

60
2CaO . SiO2 = C2S
50

40

30

20

10 3CaO . Al2O3 = C3A

4CaO . Al2O3 . Fe2O3 = C4AF


0 7 28 90 180 360 Alter in d
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Aus dem Drehrohrofen kommt kein fertiger Zement…

…dieser wird erst durch Mahlen unter Zugabe eines Sulfatträgers und möglichen
Zusatzstoffen erzielt
Kugelmühle

Vertikal Roller Mill

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Unterschied zwischen Portlandklinker und Portlandzement

Portlandklinker Portlandzement
others (alkalisulfates, CaO, etc.)
2-5% CaSO4 others (alkalisulfates, MgO, etc.)
2-5% 2-5%
C4AF
1-20% C4AF
C3A
2-15% 1-20%
C3A
2-15%
C2S C3S C2S
5-30% 40-75% +Gips C3S
5-30%
40-75%

Alit (C3S), Belit (C2S), Aluminat (C3A), Ferrit (C4AF) und Gips (CŠ) sind die Haupt-
bestandteile des Portlandzements
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Zumahlstoffe

Gesteinsmehle
(Kalkstein, Quarz, Flugasche Mikrosilica Hüttensandmehl
etc.)

Chemische Reaktivität während des Abbindens


inert Puzzolanisch Latent hydraulisch

inaktiv Reagiert mit Ca(OH)2 zu festig- Reaktiv in Anwesenheit von


keitsbildenden Calcium-Silikat-Hydrat Wasser mit basischem pH

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Derzeitig in Deutschland/ Europa 36!! Zementsorten genormt nach EN 197 (Teile 1, 5 und 6)

Bezeichnung nach Hauptzementarten und Hauptbestandteilen (EN 197-1):

CEM I Portlandzement (Klinkeranteil: 95…100%)


CEM II/A, B Portlandkomposit-Zement (II/A 80…94%, II/B 65…79%)
CEM III/A, B, C Hochofenzement (III/A 35…64%, III/B 20…34%, III/C 5…19%)
CEM IV Puzzolanzement und
CEM V Komposit-Zement

Zusatzstoffe: …-L, -LL Kalkstein


…-T Gebrannter Schiefer
…-D Silicastaub
…-V, -W Flugasche
…-S Hüttensand
…-P, -Q Puzzolane

Weitere Bezeichnungen:

Festigkeitsklasse 32.5, 42.5, 52.5:Anfangsfestigkeit N (normal), R (hoch)


Hydratationswärme LH, VLH (niedrig);
Sulfatwiderstand SR/HS (hoch);
Niedriger wirksamer Alkaligehalt; na

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Beispiel: Genormte Zemente nach DIN EN 197-1

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Klassifizierung von Zementen

Festigkeits- Festigkeits-
Zementart
klasse entwicklung
Zusätzlich
Bezeichnung Festigkeit Zeitliche Besondere Eigenschaften
nach Entwicklung
28 Tagen der Druckfestigkeit

CEM I LH → niedrige Hydratationswärme


CEM II
22,5 N → normal
32,5 VLH → sehr niedrige Hydratationswärme
CEM III R → schnell
CEM IV
42,5 SR → hoch sulfatbeständig
52,5 L → langsam
CEM V na → niedriger Alkaligehalt

31 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Beispiel: Bedeutung der Zementbezeichnung

Mischzement S…Hüttensand („slag“)


„multiple blend“ LL … Kalkstein („limestone“)

CEM II A – M (S-LL) 32.5 R

Portland- Zusatzstoffanteil Festigkeitsklasse Schnell erhärtend


kompositzement 0…19% 32.5 N/mm2 nach („r … rapid“)
28d

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Die heute am meisten verwendeten Zemente sind Portlandkompositzemente mit variablen
Zusatzstoffanteil

40 700

35 600

30
500
Production [Mio t]

kgCO2/tcement
25
400
20
300
15
200
10

5 100

0 0
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

CEM I (Portlandzement) CEM II (Portlandkompositzement) CEM III (Hochofenzement)

33 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Welcher Zement für welche Anwendung? -Festigkeit-

[N/mm2]
Hochofenzement (CEM III)
Portlandflugasche-
zement (CEM II A/B -V)
Portlandzement (CEM I)
Druckfestigkeit

Portlandkalkstein-
zement (CEM II A/B L/LL)

1d 2d 7d 28d 90d 365d


Zeit
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Zement im Beton
• Im Normalbeton ~250 – 350kg Zement/m3 Beton
• Verantwortlich für die Festigkeitsentwicklung durch Hydratationsreaktionen zwischen Zement und Wasser
• Ca 50% des Anmachwassers warden durch Hydratation chemisch gebunden

Zementleim
als Klebstoff
des Betons!

Typische Zementhydratations-
produkte (C-S-H and Ettringit)

35 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Hydratation: Calciumsilikate (C3S, C2S)

Alit:
C3S + H2O -----> C-S-H + Ca(OH)2

Belit:
C2S + H2O -----> C-S-H + Ca(OH)2

Alite and Belit reagieren prinzipiell ähnlich mit Wasser Calcium-Silikat-Hydrat


und bilden Calcium-Silikat-Hydrate (C-S-H) und
(C-S-H)
Portlandite (CH)

Wichtig:
 C-S-H ist hauptverantwortlich für die
Festigkeitsentwicklung
Portlandit
 Ca(OH)2 ist verantwortlich um einen hohen pH (=Ca(OH)2)
Wert einzustellen und so die Bewehrung vor
Korrosion zu schützen
36 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023
Hydratation: Aluminat (C3A)

C3A + Gips + H2O  Ettringit (nach wenigen Sekunden)

Monosulfat

Ettringit

Ettringit  Monosulfate (nach ~1d)

Ettringit und Monosulfat sind die wichtigsten Hydratationsprodukte des C3A


37 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023
Hydratation: Aluminat (C3A)

Wichtig
• C3A ist die reaktivste Klinkerphase

• Die Zugabe von Gips und die Bildung von Ettringit verzögern die
Hydratationsreaktionen des C3A’s

38 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Warum müssen wir dem Zement Sulfat (z.B. als Gips) zugeben?
Antwort: Um die Reaktionskinetik der Aluminatphase zu kontrollieren!

Zu wenig Sulfat vorhanden  Flash set

Bildung von grossen plattigen AFm Kristallen welche


zum sofortigen Ansteifen des Betons führt

Keine Verarbeitung des Betons mehr möglich

In Anwesenheit von Sulfat (z.b. durch Gipszugabe beim Mahlen

Hydratation des C3A ist verzögert

 Bildung kleiner Ettringitkristalle, die nicht negativ


auf die Rheologie des Betons wirken

Optimale Verarbeitbarkeit gewährleistet


39 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023
Hydratation: Ferrit (C4AF)

C4AF + Gips  Ettringit oder Monosulfat

Wichtig:
 C4AF reagiert prinzipiell ähnlich wie C3A - nur viel langsamer

40 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Was passiert wann?

41 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Prinzipielle Erhärtungsphasen des Betons

Holcim Betonpraxis 2018

42 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Hydratationskinetik der Klinkerphasen

Hydratationskinetik der Klinkerphasen:


C3A > C3S > C4AF > C2S

43 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Welche Hydratphasen bilden sich wann?

Hydratationsschema
nach Möser/Stark 2002

VDZ Kompendium
Zement&Beton 2008

44 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Hydratationskinetik: Was passiert wann in Bezug zur Praxis??
Sekunden Minuten Stunden 1-2 Tage > 2 - 100 Tage und mehr
Zeit

Reaktion C2S C4AF


Klinkerphase + C3A + Gips C3S
Wasser

C-S-H + C-S-H +
Hydrata- Monosulfat
Ettringit Portlandit Portlandit
tionsprodukt

Beton-
eigenschaft Ansteifen Frühfestigkeit Spätfestigkeit/
Verarbeitbarkeit
Nacherhärtung
Praxis Mischen Betoneinbau Ausschalen

45 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Betoneigenschaften vs. Hydratationswärme

Beton- Vearbeitbar- Ansteifen/ Frühfestigkeitsentwicklung


eigenschaft keit Abbinden
Mischen Einbau Ausschalen
Praxis

10

8
heat flux [J/(g·h)]

0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24
time of hydration [h]

46 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Hydratationswärme – Praktische Konsequenzen

Beispiel: Anstieg der Betonkerntemperatur


in einem BetonPylon
Source: FHWA US

Zementhydratation kann mit einer enormen Wärmeentwicklung verbunden sein die beim Entwurf
berücksichtigt warden muss (hauptsächlich relevant für massige Bauteile z.B. Dämme,
Fundamente, Stützen etz.)
47 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023
Mikrostrukturentwicklung

49 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Rolle der Zementhydrate während der Erhärtung - schemata

Hydratations-
beginn

Wasserzugabe

Zementpartikel

50 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Rolle der Zementhydrate während der Erhärtung - schemata

2-3 h

Wassergefüllte Poren
Zementleim (Ettringit und C-S-H)
Zementpartikel

Zementleim inkl. Hydratphasen führt zum Ansteifen des Betons

51 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Rolle der Zementhydrate während der Erhärtung - schemata

12 h

Wassergefüllte Poren ↓
Zementstein (hauptsächlich C-S-H)
Zementpartikel
Weitere Verfestigung der Struktur, Verringerung der Porosität
und Frühfestigkeitsentwicklung

52 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023


Rolle der Zementhydrate während der Erhärtung - schemata

24 h und
später

Wassergefüllte Poren ↓
Zementstein (hauptsächlich C-S-H)
Zementpartikel

Weitere Verringerung der Porosität, “Austrockung” der


wassergefüllten Poren und weiterer Festigkeitszuwachs
53 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023
Porenverteilung im Beton

Gelporen „zwischen“
den Hydratphasen
(≤10nm)

Kapillarporen inner-
halb der Mikrostruktur
(≥ 10nm)

Zementhydrate
mit chemisch und
adsorptiv
gebundenem
Metha and Monteiro, Concrete: microstructure,
Wasser properties and materials

Zusätzlich: Luftporen ≥ 0,1mm (nicht gezeigt)


54 Anorganische Bindemittel | BSK 2 | T. Matschei | ibac | 17.04.2023
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