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Michael Tonsor
Cantiones Ecclesiasticae
(1590)
Maximiliano Y. Pacheco
Matrikelnummer: 2018142
Master of Music – Historische Aufführungspraxis
Laute
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort ................................................................................................................. 3
3. Aufführungspraxis ................................................................................................. 6
7. Besonderheiten .................................................................................................... 29
8. Lateinische Aussprache........................................................................................ 31
9. Schluss ................................................................................................................ 37
2
1. Vorwort
In den letzten Jahren habe ich das Wort „unbekannt“ sehr oft gelesen und gehört.
Mein Beruf als Musiker gibt mir die Möglichkeit, Namen von Komponisten zu
finden, die ich persönlich noch nie zuvor gehört habe. Dabei handelt es sich um etwas,
das als "alte Musik" bezeichnet wird, der wir uns mit Ernst und Hingabe nähern müssen,
und das ist keine leichte Aufgabe.
Michael Tonsor ist, abgesehen davon, dass es eine Menge gedruckter Musik von
ihm gibt, eines der Beispiele für einen Komponisten, der heutzutage sehr wenig bekannt
ist. Dennoch gibt es Informationen, die uns zeigen, dass zu seiner Zeit wahrscheinlich
das Gegenteil der Fall war, und zwar aufgrund seiner Arbeit in wichtigen Positionen in
verschiedenen Städten und auch durch seine Verbundenheit zu Orlando di Lasso als
sein möglicher Schüler.
Obwohl es sehr schwierig ist, über andere Komponisten seiner Zeit zu sprechen
(dieses Werk legt den Fokus hauptsächlich auf Tonsor), ist es wichtig, sie zu erwähnen,
wie wir später sehen werden, um die technischen Ressourcen der Komposition und die
stilistischen Merkmale, die schließlich den Wert und die Kreativität dieses geschätzten
Komponisten widerspiegeln, in einen Kontext zu stellen.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, der Arbeit von Tonsor einen größeren
Bekanntheitsgrad zu verschaffen. Alle seine Werke sind in verschiedenen Bibliotheken
erhältlich, und solange sie jedem zur Verfügung stehen, der den Wunsch oder das
Bedürfnis hat, seine Stücke aufzuführen oder seiner Stimme Gehör zu verschaffen, wird
Tonsor niemals ein "Unbekannter" sein.
3
2. Biografie von Michael Tonsor
Michael Tonsor wurde um 1540 in Ingolstadt geboren und starb dort um 1605. Sein
eigentlicher Name war wohl Michel Scherer. „Der Name ist die latinisierte Form des
in der Region ausweislich der Rats- und Steuerbücher häufigen Namens »Scherer«
bzw. (nach FétisB, EitnerBg u.a.) ‚Bartscherer‘“1. Er widmete sein Leben der Musik,
spielte Orgel, sang, leitete Chöre und war ein Komponist und Musikpädagoge.
Gesicherte Angaben über sein Leben sind allerdings nur aus den gedruckten
Werktiteln, den Widmungen und Vorreden in zeitgenössischen Sammelbänden sowie
den Rats-, Rechnungs- und Steuerbüchern und der erhaltenen Bestallungsurkunde von
1583 (M. Gebhard 1966) zu entnehmen.2
So bietet uns beispielsweise die Pfarrei St. Georg in Dinkelsbühl aus ihrem Archiv
Informationen über das persönliche Leben von Michael Tonsor außerhalb seines
Dienstes als Musiker, zum Beispiel über sein Familienleben. “Das älteste Taufbuch,
das mit dem Jahre 1568 beginnt, verzeichnet von ihm fünf Kinder. […] Die Ehefrau
Michael Scherers ist in den Taufeinträgen nicht angegeben.”3
Abgesehen von diesen offiziellen Einträgen ist über das Privatleben von Michael
Tonsor, wie bereits erwähnt, nicht viel mehr bekannt. Es gibt aber wertvolle Fakten
über die Orte, an denen er arbeitete und über seinen Beruf.
Im Jahr 1566 veröffentlichte Michael Tonsor sein erstes Werk mit dem Titel
Cantiones Aliquod Sacrae. Dies sind Motetten, die später in der Spezifikation aller
seiner Werke beschrieben werden. Es „[…] ist […] zugleich das erste eigene
Druckerzeugnis des Notendruckers Adam Berg in München“.4 Dadurch, dass Berg die
Werke von Tonsor druckte, war er eine der Personen, die für sein Schaffen eine große
Rolle spielten. Berg wurde ein so bedeutender Drucker, dass er für den Hof der Herzöge
Albrecht V. und Wilhelm V. sowie für Orlando di Lasso arbeitete, für den er eine Reihe
von Drucken anfertigte, sodass zwischen ihm und di Lasso in diesen Jahren eine sehr
enge Beziehung entstand.
1
Hans Rectanus, Artikel Tonsor, in: Finscher, Ludwig, Die Musik in Geschichte und Gegenwart:
allgemeine Enzyklopädie der Musik, hg. von Ludwig Finscher, Personenteil Band 13, Kassel 2006, Sp.
928.
2
Ebd.
3
Gebhard, Max: Michael Tonsor, ein Zeitgenosse Orlando di Lassos, als Organist an der St. Georgskirche
in Dinkelsbühl, in: Jahrbuch des historischen Vereins Alt-Dinkelsbühl, 1966, S. 77f.
4
Hennemeyer, Kurt: Michael Tonsor, ein vergessener Meisterschüler Orlando di Lassos?, in: Ingolstädter
Heimatblätter, 12 1964, S. 46.
4
Doch wie war die Beziehung zwischen Tonsor und di Lasso? War er sein
Schüler?
Wenn man bedenkt, dass Michael Tonsor und Orlando di Lasso den gleichen Beruf,
wie auch den Verleger teilten, ist es schwer vorstellbar, dass die beiden sich nie
begegnet sind. In einer Internetquelle ohne Autorangabe wird behauptet, dass Michael
Tonsor einer der bedeutendsten Schüler von Orlando di Lasso war.5 Boetticher jedoch
widerlegt diese Aussage und behauptet, Tonsor wäre kein Schüler O. de Lassus
gewesen, „gleichwohl muß er dessen »geistigem Schülerkreis« (W. Boetticher 1999,
Bd. 1, S. 877) zugerechnet werden“.6
Wir werden nie erfahren, wie nahe sie sich standen. Betrachten wir jedoch ihr Werk,
ihre Arbeit und die stilistische Charakteristik ihrer Komposition, die als
Hauptelemente von großer Bedeutung Polyphonie und Kontrapunkt hat, vermuten wir,
dass es eine Verbindung gab.
Neben den wichtigen Persönlichkeiten, die sein Leben prägten, spielte auch ein
Ort eine große Rolle, die Stadt Dinkelsbühl. Sie wird für Michael Tonsor ein wichtiger
Punkt in seiner Entwicklung als Komponist und Musiker sein. Dort schrieb er viele
seiner Werke. Deshalb ist “[a]uf dem kleinen Chörlein über der Sakristei der St.
Georgskirche zu Dinkelsbühl […] im Mauerwerk mit ziemlich grossen Buchstaben
der Name ‘Tonsor‘ eingraviert.“7 Aus den rund zwei Jahrzehnten seiner Dinkelsbühler
Lebensjahre hat uns Tonsor eine Reihe musikalischer Werke hinterlassen,
möglicherweise sind nicht alle gedruckt worden. Die vorhandenen Drucke seiner
Kompositionen sind unter anderem in der bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrt.
In vielen Kompositionen kann man das Wachstum und die Reife von Michael
Tonsor als Motettenkomponist und gleichzeitig die Einflüsse verschiedener
Komponisten aus der gleichen Zeit erkennen.
Als Komponisten einer Umbruchzeit im Zeitalter von Reformation and
Gegenreformation steht Tonsor zwar auf dem Boden der überlieferten
vokalpolyphonen Stiltradition, lässt jedoch zunehmend Einflüsse der "modernen"
homophonen Strömungen (Terzparallelen, textbedingte Chromatismen, Neigung zur
Hervorhebung melodisch dominierender Linien) erkennen, gerade auch Dienste der
5
Vgl. „Di Lasso, Orlando“ (2007), https://web.archive.org/web/20070710002944/http://www.musik-
biografien.de/di-Lasso.html [aufgerufen am 05.01.2021].
6
Wolfgang Boetticher, Orlando di Lasso und seine Zeit I, Teil B, Wilhelmshaven 1999, S. 877.
7
Max Gebhard, Michael Tonsor, ein Zeitgenosse Orlando di Lassos, als Organist an der St.
Georgskirche in Dinkelsbühl ”, in: Jahrbuch des historischen Vereins Alt-Dinkelsbühl, 1966, S. 74.
5
bemühten Beachtung eines neuen Wort-Ton-Verhältnisses. 8
3. Aufführungspraxis
Über die Aufführungspraxis der Werke von Tonsor gibt es kaum konkrete Hinweise.
Allerdings können wir einige Informationen aus dem Wirken von Tonsors berühmten
Zeitgenossen Orlando di Lasso gewinnen.
Einen Teil seines Lebens war Orlando di Lasso in München als
Hofkapellmeister beschäftigt. Massimo Troiano berichtet uns in seinen discorsi delli
trionfi über die Hochzeit von Wilhelm mit Renate von Lothringen9. Er beschreibt
beispielweise, dass Messen-Aufführungen an Sonntagen von der Hofkapelle
instrumental begleitet wurden10. Ein Bild der Hofkapelle in München hat Hans Mielich
im sogenannten Bußpsalm-Codex geliefert11.
Nicole Schwindt hat diese Darstellung analysiert und einige damals übliche
Ensembles zusammengestellt12. Eine der üblichen Besetzungen für die Begleitung von
vokalen Gruppen waren Posaunen und Cornetti. Noch Michael Praetorius behandelt in
seinem Traktat Syntagma musicum den Chor der Posaunen13.
8
Hans Rectanus, Artikel Tonsor, in: Finscher, Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil
Band 13, Kassel 2006. S. 929.
9
Massimo Troiano, Discorsi Delli Triomfi, Monaco 1568, S.130ff.
10
Nicole Schwindt, Hans Mielichs bildliche Darstellung der Münchener Hofkapelle von 1570, Acta
Musicologica, Vol. LXVIII (1996), S. 63-67.
11
Schwindt, Nicole, Hans Mielichs bildliche Darstellung der Münchener Hofkapelle von 1570, in: Acta
Musicologica, Vol. LXVIII, 1996, S. 48-85. https://acta.musicology.org/pdfs/archive/acta1996.pdf
[aufgerufen am 24.06.2021]
12
Michael Praetorius, Syntagma Musicum Band 2, Wittenberg 1615, S. 30f.
6
4. Cantiones Ecclesiasticae
14
Grafik 2 – Michael Tonsor, Cantiones Ecclesiasticae, München 1590: Tenorstimme
Der Druck befindet sich in der Münchner Staatsbibliothek. Die ungefähre Größe
beträgt 20,27 x 15,82 Zentimeter. Sie besteht aus 4 Büchern. Jedes Buch repräsentiert
eine andere Stimme, so besteht das Buch für die Stimme Discantus (in unserer
Ausgabe nennen wir sie Sopran) aus 52 Seiten; die Stimme Altus (in unserer Ausgabe
nennen wir sie Mezzosopran) besteht aus 48 Seiten; die Stimme Tenor (sie enthält
auch den Tenor 2) besteht aus 64 Seiten und die Bassstimme umfasst 49 Seiten. Das
Hauptverzeichnis der einzelnen Stimmen enthält 26 Motetten in alphabetischer
Reihenfolge. Es ist wichtig klarzustellen, dass dieser Index zwei Fehler hat. Der erste
ist, dass wir im Index zweimal die Zahl 20 finden, die für zwei verschiedene Werke
steht, nämlich Confitebor und Quem Vidistis. In Wirklichkeit finden wir insgesamt 27
14
https://stimmbuecher.digitale-sammlungen.de/view?id=bsb00087003 [aufgerufen am 09.01.2020]
7
Werke und nicht 26. Der zweite Fehler ist, dass das Werk mit dem Titel Hierusalem
Surge in keinem allgemeinen Index der Stimmen erscheint. Aus diesem Grund schlage
ich im Folgenden eine neue Organisation des Index vor:
Zusammen mit der Verwendung von melodischen Imitationen ist der Text von
grundlegender Bedeutung, da er einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis der
Komposition hat. Jede Phrase des Textes stellt eine melodische Linie dar. Wir müssen
uns vor Augen halten, dass in dieser Zeit das Wort wichtiger war als die Musik.
Es ist von grundlegender Bedeutung, zu berücksichtigen, dass der Takt, wie wir
8
ihn heute kennen, damals noch nicht existierte und nicht mit einer eigenen
Akzentuierung verbunden war. Der Takt dient uns dazu, die rhythmischen Werte, die
uns die weiße Notation vorschlägt, zu verstehen und zu ordnen.
Die Notenwerte, die wir finden, sind ohne Taktstriche notiert, wie man in folgender
Grafik sieht:
15
Grafik 3 – Spiritus Sanctus, Stimme Discantus
16
Grafik 4 – Heinrich, Faber, Compendiolum Musicae
Viele der melodischen Motive beginnen mit Figuren wie Breve oder Semi-Breve. Auch
die Verwendung von kleineren Zahlen wie Minima und Semi-Minima sind zu finden;
diese Zahlen bewegen sich fast immer in eine abwärts gerichtete Richtung. Man kann
sagen, dass diese Art von Figuren häufig für Verzierungen und Kadenzen verwendet
15
https://stimmbuecher.digitale-sammlungen.de/view?id=bsb00087003 [aufgerufen am 09.01.2020]
16
Heinrich Faber, Compendiolum Musicae, Nürnberg 1548, S.7.
9
werden.
Die Melodien sind in einem modalen Kontext geschrieben. Das modale System
hat eine melodisch-horizontale Entwicklung. Zwei Merkmale, die besonders wichtig
sind, wenn über eine modale Melodie gesprochen wird, sind der Umfang und die
Endnote. Es gab 8 Toni und Michael Tonsor hat mit jedem von ihnen ein spezifisches
Werk geschaffen. Sie sind von I bis VIII aufgelistet.
In allen Melodien finden wir die von der ‚geraden Musik‘ etablierten Klänge, wie die
Klänge des Hexachords plus das ‚fa super la‘ oder Bb. Natürlich werden auch andere
Klänge, die zur sogenannten ‚Ficta-Musik‘ gehören, präsentiert (Fis, Cis, etc.). Die
meisten dieser Klänge finden sich bei der Ausführung von Kadenzen. Im Allgemeinen
haben die Konsonanzen zwischen den Intervallen der Stimmen und zwischen den
rhythmischen Figuren einen größeren Wert. Wir finden auch Dissonanzen. Sie werden
durch kleinere rhythmische Figuren dargestellt, die eine andere Stimmung vermitteln
und die allgemeine Qualität des Werkes nicht verändern. Dies geschieht zum Beispiel
im Werk Laudate Pueri zwischen den Takten 9 und 10 in einer kleinen Kadenz
zwischen der Stimme des Tenors 2 und dem Bass.
Grafik 5 – Ligaturenstrich
10
Der in der Ausgabe von 1590 gefundene Text kann den Noten nicht immer eindeutig
zugeordnet werden. In der Transkription wurde der Text deshalb so neu positioniert,
dass eine eindeutige Zuordnung möglich ist.
Spiritus Sanctus
In Takt 27 in der Discantus-Stimme wurde die Note B zu H geändert.
Cantabo Domino
In Takt 42 wird in der Altus-Stimme der Ton Fis vorgeschlagen, um die Kadenz
aufzulösen.
In Takt 47 wird in der Discantus-Stimme der Ton Cis vorgeschlagen.
Domine ne in Furore
In Takt 47 wird in der Tenorstimme der Ton B vorgeschlagen.
In Takt 65 wird im Altus die Note Fis vorgeschlagen.
In Takt 104 wird im Altus der Ton Fis vorgeschlagen.
Elisabeth
In Takt 23 wird in der Discantus-Stimme der Ton H anstelle von B vorgeschlagen,
genauso wie in Takt 63 der Discantus-Stimme.
11
Celestis Medicus
In der Discantus-Stimme befindet sich der Violinschlüssel in der dritten Zeile des
Notensystems. Dies wurde in der Transkription korrigiert.
Die Note C wurde im Takt 101 der Altstimme zu D geändert, um eine perfekte
Konsonanz im letzten Akkord zu erreichen.
In Nomine Jesu
In Takt 22 der Tenorstimme werden die Noten Cis und H vorgeschlagen.
In Takt 28 der Stimme Discantus I wird der Ton Fis vorgeschlagen.
In Takt 34 der Altus-Stimme wurde ein Oktavwechsel für eine bessere Lesbarkeit
vorgenommen.
In Takt 38 der Altus-Stimme wird die Note Es vorgeschlagen, für Takt 38 der Bassus-
Stimme gilt der gleiche Vorschlag.
In Takt 42 der Stimme Discantus I wird der Ton Fis vorgeschlagen.
Hierusalem Surge
In Takt 73 der Stimme Tenor II wird der Ton Cis vorgeschlagen.
In Takt 107 der Stimme Discantus wird der Ton Fis vorgeschlagen.
Quem Vidistis
In den Takten 23 und 40 der Altus-Stimme, sowie in den Takten 52 und 56 der
Discantus-Stimme wird der Ton Fis vorgeschlagen.
Dixit Dominus
In den Takten 4, 25 und 45 der Altus-Stimme wird der Ton Cis vorgeschlagen.
12
Confitebor
In Takt 4 der Stimme Tenor II wird der Ton Fis vorgeschlagen.
Beatus Vir
In Takt 4 der Stimme Discantus wird der Ton Gis vorgeschlagen.
In Takt 34 der Stimme Discantus werden die Töne Gis und Fis vorgeschlagen.
Laudate Pueri
In Takt 10 der Stimme Tenor II werden die Töne Gis und Fis vorgeschlagen.
Nisi Dominus
In Takt 7 der Stimme Discantus werden die Töne Gis und Fis vorgeschlagen.
In Takt 38 der Stimme Discantus wird der Ton Cis vorgeschlagen.
Lauda Hierusalem
In Takt 48 der Discantus-Stimme werden die Töne Gis und Fis vorgeschlagen.
In Takt 61 der Discantus-Stimme wurde die Note E für die perfekte Konsonaz im
letzten Akkord zu D geändert.
Beatus Vir
In Takt 34 der Discantus-Stimme werden die Töne F und Gis vorgeschlagen.
Nisi Dominus
In Takt 39 der Discantus-Stimme wird der Ton Cis vorgeschlagen.
13
6. Texte des Werkes von Tonsor
Die folgenden Texte wurden aus der Originalquelle17 entnommen und auf
verschiedenen Webseiten18 konsultiert und überprüft.
1. Spiritus Sanctus
Motette. Responsorium für die Messe am Pfingstsonntag. Der Text stammt aus der
Bibel, Apostelgeschichte 2:4.
Mit Pfingsten bezeichnet man das christliche Fest am fünfzigsten Tag der Osterzeit.
Ein Responsorium ist eine Form des gregorianischen Gesangs, der mit den Lektionen
des Stundengebetes vereinigt ist. Sie unterscheidet sich von der Antiphon (verbunden
mit der Psalmodie) dadurch, dass nur die zweite Hälfte der Antwort als Refrain nach
den Versen wiederholt wird.
2. Cantabo Domino
Motette für Freitag der fünften Woche der Fastenzeit. Text entnommen aus Psalm
17
Tonsor, Michael: Cantiones Ecclesiasticae, Qvatvor Et Avinave Vocvm Ex Sacris Literis desvmptae,
Qvibs Additi Svnt Psalmi DA Uidis, Qui In Vesperis Catholicorum Decantari Solent, Ingolstadt, 1590.
18
https://gregorien.info , https://www.cpdl.org/ , https://cantus.uwaterloo.ca/ ,
http://www.esegesidellescritture.it/ , https://www.santinocara.com/ , http://cantusindex.org/ [alle
abgerufen am 10.10.2020]
14
103:33- 34 (Vulgata).
3. Domine ne in Furore
Motette für Mittwoch der 2. Fastenwoche. Text entnommen aus Psalm 6: 1-4.
Antiphon zum Benedictus und Laudes für das Fest „Corpus Christi". Text entnommen
aus dem Evangelium nach Johannes Kap.6:51-52a.
15
Si quis manducaverit ex hoc pane, vivet in æternum:
et panis quem ego dabo, caro mea est pro mundi vita.
Alleluia
5. Date Siceram
6. Gabriel Arcangelus
Motette. Responsorium zum Fest der Geburt des heiligen Johannes des Täufers.
Bibeltext basierend auf dem Evangelium nach Lukas 1:13-15.
16
Trauermotette. Die Verse sind aus dem Buch Hiob 30:31 (ca. 5. Jh. v. Chr.)
entnommen. Der Klang der als Versa est in luctum bekannten Trauermotette ist
repräsentativ für die religiöse polyphone Musik während des 16. Jahrhunderts. In ihrer
vollständigen Fassung besteht die Motette aus vier Versen, die der lateinischen
Übersetzung des Buches Hiob entnommen sind: Verse, die bereits im Mittelalter
unabhängig voneinander als Responsorialgesang in der katholischen liturgischen
Tradition des Officium Defunctorum vertont wurden.
8. Elisabeth
Motette für das Fest des Besuchs der Jungfrau Maria bei ihrer Cousine Elisabeth (31.
Mai). Text entnommen aus den Versen AH 24, 90 „Maria: Visitatio 89“.
9. Celestis Medicus
Motette. Responsorium für das Fest der Maria Magdalena. Text entnommen aus Buch
VI ff. 136-146v, "Explicit liber quintus. Incipit sextus de medicina sacramentorum" aus
dem Buch Compendium theologicae veritatis von Albertus Magnus.
17
10. Ecce Ego
11. Altiora
Motette. Text entnommen aus dem Buch Ecclesiasticus 3 des Alten Testaments.
Motette. Responsorium der Matutin für das Fest Mariä Himmelfahrt. Text des
Hohelieds (Altes Testament) Kapitel 06 Vers 09.
18
13. O Quam Pulchra Est
Antiphon für das Fest der "Gewöhnlichen Jungfrauen". Text entnommen aus dem Buch
Sapientia 4:1
Motette für die Kommunion am XI. Sonntag nach Pfingsten. Text aus dem Buch der
Sprüche, Kap. 03, Vers 09.10
Motette. Responsorium des Amtes der Finsternis (Ostern). Text entnommen aus Buch
I der Korinther, Kapitel 05 Verse 07-08.
19
una Deitas,
et ante omnia saecula, et
nunc et in perpetuum.
Amen
19
De duobus praestanissimis monasticae disciplinae autoribus et magistris, divo Benedicto scilicet,
Benedictini instituti fundatore, et beato Bernhardo Cisterciensis religionis autore, abbate Clarevallensi,
carmina heroica encomiastica. München 1597.
Mein Dank gebührt P. Lorenz Gadient, der mir diese Informationen hat zukommen lassen.
20
Motette für die Zeit der Kommunion, gesungen am zweiten Adventssonntag. Text
basierend auf den Versen von Baruc 5:5 und 4:36 (das Buch Baruc ist ein
deuterokanonisches Buch, das zum biblischen Kanon der katholischen Kirche gehört
und im Alten Testament zu finden ist; es gehört zu der Gruppe von Büchern, die von
Protestanten als Apokryphen bezeichnet werden).
Motette für Vespern an Festtagen und Sonntagen. Auswahl von Versen aus Psalm 110,
21
1-7, und der Doxologie.
Vollständiger Text des Dixit Dominus
22. Confitebor
In consilio justorum,
Et congregatione.
Confessio et magnificentia opus ejus;
Et justitia ejus manet
In saeculum saeculi.
Memor erit in saeculum
Testamenti sui.
Annuntiabit populo suo. Fidelia
22
omnia mandata ejus
Confirmata in saeculum saeculi
Facta in veritate et aequitate.
Sanctum et terribile nomen ejus:
Initium sapientiae timor Domini;
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto.
Motette. Eine Auswahl von Versen aus Psalm 111 und der Doxologie. Es ist einer der
fünf Psalmen für die Vesper an Festtagen und Sonntagen.
23
Veritas et judicium.
Fidelia omnia mandata ejus,
Confirmata in saeculum saeculi,
Facta in veritate et aequitate.
Redemptionem misit Dominus
Populo suo;
Mandavit in aeternum testamentum suum.
Sanctum et terribile nomen ejus:
Initium sapientiae timor Domini;
Intellectus bonus omnibus
Facientibus eum.
Laudatio ejus manet
In saeculum saeculi.
24
Sicut erat in principio, et nunc, et
semper, et in sæcula sæculorum,
Amen.
Motette. Der Beatus Vir ist der lateinische Incipit von Psalm 111 und die Doxologie ist
einer der fünf Psalmen der Vesper an Festtagen und Sonntagen. Die Doxologie (Sicut
erat usw.) ist nicht Teil des eigentlichen Psalms, sondern eine normale Ergänzung in
der katholischen Liturgie.
25
Peccator videbit et irascetur,
Dentibus suis fremet et tabescet;
Desiderium peccatorum peribit.
Motette für den Ostersonntag. Auswahl von Versen aus Psalm 112 und der
trinitarischen Doxologie.
26
collocet eum cum principibus,
cum principibus populi sui.
Qui habitare facit sterilem in domo,
matrem fliorum laetantem.
25. Laetatus Sum
Motette der Vesper zum Fest der heiligen Jungfrau Maria. Auswahl von Versen aus
dem Buch der Psalmen Nr. 121, dem Lied der Pilgerfahrten und der Doxologie.
27
Quia illic sederunt sedes in judicio,
sedes super domum David.
Rogate quae ad pacem sunt Jerusalem
et abundantia diligentibus te.
Fiat pax in virtute tua
et abundantia in turribus tuis.
Propter fratres meos et proximos meos
loquebar pacem de te.
Propter domum Domini Dei mei
quaesivi bona tibi,
In vanum laboraverunt
qui edificant eam.
Vanum est vobis ante lucem surgere
surgite post quam sederitis
qui manducatis panem doloris.
Sicut sagitte in manu potentis ita filii escussorum.
Gloria patri et filio, et spiritui sancto.
Motette für die Vesper zum Fest der Jungfrau Maria. Text entnommen aus Psalm 127
und der Doxologie.
Lauda, Hierusalem,
Dominum; lauda Deum
tuum, Sion.
Qui posuit fines tuos pacem et adipe frumenti
satiat te. Qui dat nivem sicut lanam,Nebulam
sicut cinerem spargit Emittet verbum suum et
liquefaciet ea,
28
Flabit spiritus eius et fluent aquae.
Non fecit taliter omni nationi
Et iudicia sua non manifestavit eis.
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto
Sicut erat in principio
Et nunc et semper
Et in saecula saeculorum. Amen.
Motette. Text des Psalms 147 (148), Autor unbekannt; die Strophen stammen aus
dem Lourdes-Repertorium. Psalm 147 wird oft in Bezug auf das Wort Gottes
eingesetzt, das "schnell" über das Antlitz der Erde läuft, aber auch auf die
Eucharistie. Origenes hat in einer seiner Predigten, die vom heiligen Hieronymus
übersetzt und im Westen verbreitet wurde, diesen Psalm kommentiert und dabei
konkret auf das Wort Gottes und die Eucharistie Bezug genommen.
7. Besonderheiten
Im Allgemeinen haben die Motive, die wir in den meisten Werken finden, einen
Anfang mit langen Notenwerten.
29
Z.B.: 9. Celestis Medicus (Bassus, Takte 90 - 94)
Wir können das Motiv auch im unbetonten Teil des Takts finden.
Die Minimas sind für das Dirigieren der Bewegung der Stimmen zuständig. Die
Silben des Textes werden auch über sie gesungen. Sie können mit wiederholten
Noten gefunden werden, die eine "Rezitation" über einen Klang darstellen.
SM werden manchmal in Gruppen von drei oder mehr gefunden. Sie können
auch nach einem gepunkteten Minimum locker erscheinen. Ihre Bewegung
erfolgt nicht immer nach gemeinsamen Grad. Sprünge können innerhalb der
Gruppen von SM vorkommen. Auch als konsonante oder dissonante
Durchgangsnote.
30
Z.B.: Gloria Tibi Trinitas, (Bassus, Takte 22 -25)
8. Lateinische Aussprache
Wie wurde Latein zur Zeit von Tonsor in Deutschland ausgesprochen? Wir sind nicht
sicher, wie es wirklich ausgesprochen wurde. Dies ist eines der Probleme, die
angesichts dieser Motetten zu lösen sind. Im Laufe der Zeit wurde Latein auf
unterschiedliche Weise ausgesprochen, und im 19. Jahrhundert empfahl die Kirche, die
römische Aussprache zu übernehmen. Ist diese Empfehlung für die Aufführung der
Texte in Tonsors Musik richtig?
Wahrscheinlich nicht, aber zumindest können wir uns ein wenig annähern.
Mit Luthers Revolution begannen sich die deutschen Staaten und Städte aus Staatsräson
in evangelisch und katholisch zu teilen. Das hatte keinen direkten Einfluss auf die
Aussprache des Lateinischen (was in der lutherischen Kirche zusammen mit dem
Deutschen lange weiter benutzt wurde), aber es gab wahrscheinlich lokale Variationen
im 16. und 17. Jahrhundert, als niederländische und dann italienische Sänger an der
Hofkapelle engagiert wurden; tatsächlich entwickelte sich in Wien, Dresden und
anderen Zentren eine Mode für den italienischen Musikstil, die die Aussprache im
31
Gesang am Ende unserer Zeitspanne beeinflusst haben könnte.20
Der folgende Abschnitt aus dem einschlägigen Standardwerk von Timothy J. Mcgee
zusammen mit A. G. Rigg and David N. Klausner beschreibt die damalige Aussprache
lateinischer Laute.21
Vokale
20
Timothy J. Mcgee with A. G. Rigg and David N. Klausner: Singing Early Music. Indiana University
Press 2004, S. 259. (Eigene Übersetzung)
21
Meine Beschreibung der lateinischen Aussprache ist eine Übersetzung aus: Timothy J. Mcgee with A.
G. Rigg and David N. Klausner: Singing Early Music. Indiana University Press 2004, S. 261-264.
32
Israel) wurde im Süden [e:] benutzt. Es wurde in betonten offenen Silben [e:]
ausgesprochen, im Norden neigte es zu [i:], aber [ɛ:] in Sachsen und
Österreich/Bayern. In einem großen Bereich im Zentrum und Süden wurde das lange
e zu einer Vielzahl von Diphthongen, wie ei (wahrscheinlich [ɛj]), was von
Ornithoparcus für Niedersachsen und Schwaben zitiert wird, und einige dieser
beeinflussten das Lateinische; er nennt das Beispiel Deius für Deus. Es wird [e]
ausgesprochen, wenn es unbetont in einer offenen Silbe ist, aber kurz und zu einem
offeneren Klang tendierend. Möglicherweise auch [ɘ] am Ende.
i In betonten Silben, [ɪ] wenn die Silbe geschlossen ist und [i:], wenn sie offen
ist. Das lange i wurde im Zentrum und Süden weitgehend diphthongiert;
Ornithoparcus nennt Mareia für Maria in Teilen des Rheinlands ([ei] oder [ej]).
Unbetont ist es normalerweise [ɪ], aber [i:] in einer offenen Endung.
33
zumindest in Sachsen und im Süden, wird [ɛ:] bevorzugt, ähnlich ist bei pœnas, [ø]
eher ungewöhnlich in den meisten Teilen unserer Zeitspanne; es könnte nur aus dem
späten 18. Jahrhundert stammen.
u In der geschlossenen Silbe, [u]; in der offenen betonten Silbe, [u:], aber dies
scheint dem französischen [y] im Norden geähnelt zu haben (berichtet von Erasmus
in Holland), Ornithoparcus/Dowland schrieb „Das Ändern von Vokalen ist ein
Zeichen von einem ungelehrten Sänger. … Die aus Niederdeutschland sagen alle u &
e, anstatt des Vokals u. [Das könnte [y] oder [uɘ] heißen.]. Die lateinische Sprache,
die eine Affinität mit unserer hat, verabscheut diese Fehler überaus, obwohl die
deutsche Sprache sie oft erfordert.“ In offener unbetonter Silbe normalerweise [u],
aber [u:] in offenen Endungen (mugitu) [u:r] in -ur.
Konsonanten
c [k] vor a, o, u oder r, l, t, c; [ts] vor e, ae, oe, i, y. Diese Laute entsprechen der
mundartlichen Aussprache in Wörtern, in denen das Deutsche c benutzt (Cassel,
Celle).
cc [kts] vor e, i.
34
süddeutsches g). In Sachsen und in Teilen des Nordens klang es oft wie der ein oder
andere der Frikative, ähnlich dem deutschen j/ch.
i/j Normalerweise [j], es könnte jedoch [g] im Norden sein (hauptsächlich vor e, i),
und ein ch Frikativ in Sachsen (z.B. Jesus wie Cheses); dies könnte [ç] sein, oder wie
der starke Anlaut [h] in Hugh. In eia wird es nicht konsonantisch behandelt, sondern
wie [ɛi.a].
35
wurden.
36
9. Schluss
Es ist offensichtlich, dass Tonsor heutzutage nicht den gleichen Ruhm wie Orlando di
Lasso genießt, sodass seine Musik nicht so oft aufgenommen oder in Konzertsälen
aufgeführt wird wie die Musik bekannterer Komponisten derselben Zeit, zum Beispiel
di Lasso oder Palestrina. „Am Ende des Jahrhunderts, die stilistische Bahn über sechs
Generationen einer musikalischen krönend, stehen Lasso und Palestrina, die beide 1594
verstorben sind. Für die Motette ist Lasso (ca. 1532 zu Mons geboren) der Grösste“22.
Auf jeden Fall wurde bewiesen, dass seine Arbeit, die sich in seiner
Kompositionstechnik widerspiegelt, wie in dieser Ausgabe zu sehen ist, eine große
Ernsthaftigkeit, Hingabe und Qualität hat, die es uns erlaubt zu bestätigen, dass Tonsor
die Musik seiner Zeit sehr gut zu interpretieren und zu komponieren wusste.
22
Wolfgang Boetticher, Geschichte der Motette. Darmstadt 1989, S. 90.
37
10. Literaturnachweis
Boetticher, Wolfgang , Orlando di Lasso und seine Zeit I, Teil B, Wilhelmshaven 1999.
Rectanus, Hans, Artikel Tonsor, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart:
allgemeine
Enzyklopädie der Musik, hg. von Ludwig Finscher, Band 13, Kassel 2006, Sp.
928 – 930.
Gebhard, Max, Michael Tonsor, ein Zeitgenosse Orlando di Lassos, als Organist an der
St.
Georgskirche in Dinkelsbühl, in: Jahrbuch des Historischer Vereins Alt-
Dinkelsbühl 1966, S. 77f.
Timothy J. Mcgee with A. G. Rigg and David N. Klausner, Singing Early Music.
Indiana
38
University Press 2004.
Schwindt, Nicole, Hans Mielichs bildliche Darstellung der Münchener Hofkapelle von
1570,
in: Acta Musicologica, Vol. LXVIII (1996), S. 48-85.
39
Ehrenwörtliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt habe,
dass diese Arbeit noch nicht anderweitig als Prüfungsarbeit vorgelegt wurde, und dass
alle verwendeten Quellen und Zitate korrekt und vollständig angegeben sind.Darüber
hinaus bin ich damit einverstanden, dass ein Exemplar der Bachelorarbeit in der
Bibliothek der Hochschule für Musik und Theater München veröffentlicht wird.
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