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Originalien

Z Gerontol Geriat Gianna Herrmann1 · Karolina Müller2 · Michael Behr1 · Sebastian Hahnel1


DOI 10.1007/s00391-015-0968-y 1 Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland
Eingegangen: 28. Juli 2015 2 Zentrum für Klinische Studien, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland
Angenommen: 1. Oktober 2015

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015


Xerostomie und ihr Einfluss auf
die mundgesundheitsbezogene
Lebensqualität

Mundtrockenheit ist ein Phänomen, vielen Fällen die Ätiologie der Mundtro- Daten zur Mundtrockenheit in der schwer
das gerade bei älteren Menschen ckenheit auch nicht abschließend geklärt zugänglichen Gruppe von pflegebedürfti-
häufig auftritt. Während die meis- werden kann. Darüber hinaus wird gera- gen Senioren. Aus diesem Grund bestand
ten Untersuchungen sich mit einer Er- de beim Gros der Senioren Mundtrocken- das Ziel der vorliegenden Arbeit darin zu
fassung der objektiv bestimmbaren heit durch eine Vielzahl xerogener Medi- untersuchen, inwieweit die mundgesund-
Speichelfließrate beschäftigen, wird kamente ausgelöst [4], was vor dem Hin- heitsbezogene Lebensqualität von in Pfle-
der Erfassung der subjektiven Kom- tergrund der zunehmenden Zahl poly- geheimen lebenden Senioren vom Aus-
ponente der Mundtrockenheit häufig pharmazeutisch behandelter geriatri- maß einer etwaigen subjektiven Mund-
wesentlich weniger Aufmerksamkeit scher Patienten relevant erscheint. Pa- trockenheit beeinflusst wird. Der Stu-
geschenkt. Aus diesem Grund wird in tienten mit Hyposalivation klagen neben die lag die Hypothese zugrunde, dass die
der vorliegenden Arbeit über den Ein- den typischen zahnärztlichen Befunden mundgesundheitsbezogene Lebensquali-
fluss der subjektiven Mundtrocken- wie Karies, Parodontopathien, mikrobi- tät mit steigender Ausprägung einer Xe-
heit auf die mundgesundheitsbezo- ellen Infektionen der Mundhöhle oder rostomie sinkt. Ferner sollte in einem
gene Lebensqualität von Senioren in mangelnder Retention von herausnehm- zweiten Punkt untersucht werden, in-
Pflegeheimen berichtet. barem Zahnersatz häufig über Probleme wieweit die subjektive Mundtrockenheit
im zwischenmenschlichen Bereich sowie von Faktoren wie der Zahl der eingenom-
Hintergrund über Probleme bei der Nahrungsaufnah- menen Medikamente, dem Trinkverhal-
me und über Sprach- und Schluckstörun- ten und dem Konsum von Nikotin beein-
Verschiedene internationale epidemiolo- gen [5]. Derartige Symptome bedingen in flusst wird.
gische Erhebungen konnten zeigen, dass vielen Fällen einen Circulus vitiosus und
die Prävalenz der Mundtrockenheit mit können zur sozialen Isolation der Betrof- Studiendesign und
zunehmendem Alter stark ansteigt [7, 13]. fenen oder zur Genese einer stomato- Untersuchungsmethoden
Dabei wird von einer Prävalenz von weit logisch bedingten Malnutrition führen,
mehr als 30 % bei Seniorinnen und Senio- die letztlich eine erhebliche Verschlech- Studiendesign
ren mit einem Alter von mehr als 60 Jah- terung des Allgemeinzustands bewirken
ren berichtet [2, 13, 19]. Während die ob- kann. Da insbesondere bei pflegebedürf- Die Studie wurde in 7 kooperierenden
jektive Komponente der Mundtrocken- tigen Senioren die zahnärztliche Betreu- Pflegeheimen einer deutschen Großstadt
heit, die als Hyposalivation bezeichnet ung nicht immer mit der erforderlichen mit etwa 140.000 Einwohnern durchge-
wird, mit einer messbaren Verringerung Regelmäßigkeit erfolgt [16], erscheint es führt. Aufgenommen wurden alle Be-
der Speichelfließrate des Probanden ein- notwendig, im Sinne eines geriatrischen wohnerinnen und Bewohner der jewei-
hergeht, ist es häufig die subjektive Emp- Gesamtkonzepts Mundtrockenheit als ty- ligen Pflegeeinrichtung, die nicht an De-
findung, dauerhaft einen trockenen Mund pischen oralen Befund mit Auswirkungen menz oder kraniomandibulären Dysfunk­
zu haben (Xerostomie), die für die Betrof- auf den Allgemeinzustand von Senioren tionen litten. Dies wurde anhand der Do-
fenen eine signifikante Verringerung der zu betrachten. kumentation in der Patientenakte sowie
Lebensqualität bewirkt [5]. Nicht not- in Rücksprache mit der Heimleitung und
wendigerweise leiden betroffene Men- Fragestellung dem betreuenden Pflegepersonal sicher-
schen gleichzeitig an subjektiver und ob- gestellt. Seniorinnen und Senioren, die
jektiver Mundtrockenheit. Kausal für die Bis dato existieren für Deutschland kaum Medikamente zur Linderung einer etwai-
Genese von Mundtrockenheit können Daten zur Häufigkeit von Mundtrocken- gen Mundtrockenheit verwendeten, wur-
typische Erkrankungen des alten Men- heit sowie ihrer Auswirkungen auf die Le- den von der Teilnahme an der Studie aus-
schen wie Hypertonie, Diabetes mellitus bensqualität des Betroffenen. Darüber hi- geschlossen. Die Befragung der teilneh-
oder psychische Störungen sein, wobei in naus existieren auch weltweit nur wenige menden Senioren erfolgte an einem ein-

Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 1


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Tab. 1  Epidemiologische und klinische Daten der Teilnehmenden wurden wie natürliche Zähne behandelt.
Patienten (n) 62 Die Versorgung mit Zahnersatz wurde in
 Davon Frauen (n; %) 47 (75,8 %)
2 Subgruppen differenziert, die sich dar-
an orientierten, ob im Ober- bzw. Unter-
 Davon Männer (n; %) 15 (24,2 %)
kiefer kein oder festsitzender Zahnersatz
Alter [Jahre (Mittelwert, SD; Range)] 84,4 (8,6; 60–95)
vorhanden bzw. herausnehmbarer Zahn-
Raucher (n; %) 6 (9,7 %)
ersatz auf Zähnen oder Implantaten ab-
 Anzahl der Zigaretten/Tag (Mittelwert; SD; Range) 14,1 (5,6; 6–19)
gestützt war (zahn- oder implantatge-
Trinkverhalten [l/Tag (Mittelwert; SD; Range)] 1,5 (0,4; 1,0–3,0)
tragener Zahnersatz) oder ob bei weni-
GOHAI-Score (Mittelwert; SD; Wertebereich) 53,6 (7,9; 23–60)
gen Restzähnen (< 4) bzw. im zahnlo-
sXI-D-Score (Mittelwert; SD; Wertebereich) 7,9 (2,2; 5–15)
sen Kiefer herausnehmbarer Zahnersatz
Anzahl eingenommener Medikamente (Mittelwert; SD; Wertebereich) 8,3 (3,9; 0–18)
ausschließlich schleimhautgetragen war
Anzahl der Zähne/Implantate im Oberkiefer(Mittelwert; SD; Wertebereich) 4,2 (5,4; 0–14)
(schleimhautgetragener Zahnersatz).
 Zahnlose Teilnehmer (n; %) 36 (58,1 %)
Anzahl der Zähne/Implantate im Unterkiefer (Mittelwert; SD; Wertebereich) 5,3 (5,5; 0–14) Statistik
 Zahnlose Teilnehmer (n; %) 27 (43,5 %)
Zahnersatz Die in der Studienklientel erhobenen kli-
 Zahn- bzw. implantatgetragen (n; %) 17 (27,4 %) nischen Daten wurden als Mittelwerte
 Partiell oder komplett schleimhautgetragen (n; %) 45 (72,6 %) dargestellt; ferner wurden die Standard-
GOHAI modifizierte deutsche Version des Geriatric Oral Health Assessment Index, SD Standardabweichung, abweichung (SD) und der Wertebereich
sXI-D modifizierte deutsche Version des Xerostomia-Inventory-Fragebogens.
(Range) angegeben. Darüber hinaus wur-
de Cronbachs α zur Bestimmung der in-
zigen Termin; dabei wurden die Teilneh- her GOHAI-Score korreliert mit einer ho- ternen Konsistenz der Fragebogen GO-
mer jeweils von einer geschulten Person hen mundgesundheitsbezogenen Lebens- HAI und sXI-D berechnet. Einfache li-
(G.H.) befragt und – wenn notwendig – qualität. neare Regressionsanalysen wurden ver-
wurde Hilfestellung bei Unverständlich- wendet, um Prädiktoren des GOHAI und
keiten in den Fragebogen gegeben. Im Bestimmung der subjektiven sXI-D zu identifizieren. Das Signifikanz-
Case-Report-Form wurden ferner Ge- Mundtrockenheit niveau (α) wurde auf 0,05 festgelegt. Die
schlecht und Alter, das Trinkverhalten in statistischen Analysen wurden mit dem
Liter/Tag und der regelmäßige Konsum Die Xerostomie als Maß der subjekti- Programm SPSS 21.0 für Windows (SPSS
von Nikotin durch Befragung der Senio- ven Mundtrockenheit wurde mithilfe des Statistics, IBM) durchgeführt.
rinnen und Senioren sowie die gegenwär- sog. Xerostomia-Inventory(XI)-Fragebo-
tigen Erkrankungen und die aktuelle Me- gens nach Thomson [20] erfasst. Diese ist Ergebnisse
dikation gemäß der Akte des jeweiligen von einem der Autoren der Studie (S.H.)
Bewohners erfasst und in anonymisierter in eine deutsche Version (sXI-D) über- Einen Überblick über die epidemiolo-
Form ausgewertet. setzt und in Analogie zum GOHAI mit gischen und klinischen Daten der Pa-
dem Büro für Leichte Sprache der Lebens- tientenklientel gibt .  Tab. 1. Es nahmen
Bestimmung der mundgesund- hilfe Bremen hinsichtlich seiner Verständ- 62 Senioren (n = 47; 75,8 % weiblich) mit
heitsbezogenen Lebensqualität lichkeit optimiert worden. Die Beantwor- einem mittleren Alter von 84,4 Jahren
tung der 5 Fragen des Fragbogens erfolg- (± 8,6; Range: 60 bis 95 Jahre) an der Stu-
Die mundgesundheitsbezogene Lebens- te mithilfe einer 3-stufigen Likert-Skala: die teil. Sechs Patienten waren Raucher
qualität wurde mithilfe der deutschen 1: „nie“, 2: „ab und zu“ und 3: „oft“. Die (9,7 %), wobei im Mittel 14,2 Zigaretten/
Version des Geriatric Oral Health Assess- Punktwerte zu den einzelnen Fragen wur- Tag (± 5,6 Zigaretten; Range: 6 bis 19 Zi-
ment Index (GOHAI, [6]) durchgeführt. den addiert und ein sXI-D-Score gebildet. garetten) konsumiert wurden. Im Mittel
Dieser wurde von den Autoren in Zusam- Hohe Werte für den sXI-D-Score korre- nahmen die Probanden 8,3 (± 3,9) unter-
menarbeit mit dem Büro für Leichte Spra- lieren mit einer ausgeprägten subjektiven schiedliche Medikamente ein.
che der Lebenshilfe Bremen im Sinne einer Mundtrockenheit. Der mittlere GOHAI-Score betrug
besseren Verständlichkeit modifiziert. 53,6 (± 7,9; Range: 23–60), der mittlere
Die Beantwortung der 12 Fragen des mo- Zahnärztlicher Status sXI-D-Score 7,9 (± 2,2; Range: 5–15). Die
difizierten GOHAI erfolgte mithilfe einer interne Konsistenz (Cronbachs α) betrug
5-stufigen Likert-Skala: 1: „sehr oft“, 2: Der zahnärztliche Befund der teilneh- 0,59 (GOHAI) bzw. 0,66 (sXI-D), wobei
„oft“, 3: „ab und zu“, 4: „selten“ und 5: menden Seniorinnen und Senioren wur- die interne Konsistenz des GOHAI bei
„nie“. Die Antworten zu den Fragen 3, 5 de in einer kurzen klinischen Untersu- Ausschluss des ersten Item auf 0,80 gestei-
und 7 wurden invertiert und die Punkt- chung erhoben, wobei insbesondere die gert werden konnte. Die Anzahl der Pro-
werte der 12 Fragen zum GOHAI-Score Zahl vorhandener Zähne im Ober- und banden, die auf die einzelnen Fragen des
addiert (Range: 12 bis 60 Punkte). Ein ho- Unterkiefer erfasst wurde. Implantate GOHAI mit „sehr oft“, „oft“ oder „ab und

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Zusammenfassung · Abstract

zu“ antworteten, gibt . Tab. 2 an, . Tab. 3 Z Gerontol Geriat  DOI 10.1007/s00391-015-0968-y
gibt die Anzahl der Probanden an, die auf © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
die einzelnen Fragen des modifizierten
G. Herrmann · K. Müller · M. Behr · S. Hahnel
Xerostomia-Inventory-Fragebogens mit
„oft“ oder „ab und zu“ antworteten. Die Xerostomie und ihr Einfluss auf die mund-
lineare Regressionsanalyse zeigte, dass gesundheitsbezogene Lebensqualität
der sXI-D-Score die einzige signifikan-
Zusammenfassung
te Einflussvariable auf den GOHAI-Sco- Hintergrund.  Mundtrockenheit ist bei Se- lität wurde signifikant von der Xerostomie
re darstellte (p < 0,001; . Tab. 4). Kein si- nioren eine häufige Erscheinung, die zu ver- beeinflusst (p < 0,001), wohingegen kein si-
gnifikanter Einfluss konnte für die Zahl schiedenen klinischen und sozialen Proble- gnifikanter Einfluss der Zahl vorhandener
der vorhandenen Zähne und Implanta- men führt. Zähne und Implantate sowie des Zahnersat-
te im Ober- (p = 0,192) bzw. Unterkiefer Ziel der Arbeit.  Es soll untersucht werden, zes nachgewiesen werden konnte. Die Xe-
inwieweit das Ausmaß einer subjektiven rostomie wurde signifikant von der Zahl ein-
(p = 0,305) sowie für die Art des vorhan-
Mundtrockenheit die mundgesundheitsbe- genommener Medikamente beeinflusst
denen Zahnersatzes (p = 0,055) nachge- zogene Lebensqualität von pflegebedürfti- (p = 0,039).
wiesen werden. Die Zahl eingenommener gen Senioren beeinflusst. Diskussion.  Die subjektive Empfindung von
Medikamente war ein signifikanter Prä- Material und Methoden.  Es wurden 62 Se- Mundtrockenheit hat einen entscheidenden
diktor des sXI-D-Scores (p= 0,039), wo- niorinnen und Senioren in 7 kooperierenden Einfluss auf die Lebensqualität von im Pflege-
hingegen das Trinkverhalten (p = 0,454) Pflegeheimen unter Verwendung modifizier- heim lebenden Senioren. Aus diesem Grund
ter Fragebogen zur mundgesundheitsbezo- sollten Maßnahmen zur Linderung der sub-
und der Konsum von Nikotin (p = 0,636) genen Lebensqualität (GOHAI) und Xerost- jektiven Mundtrockenheit getroffen werden,
keinen signifikanten Einfluss auf den sXI- omie (sXI-D) befragt; ferner wurden die Zahl um die Lebensqualität der Senioren zu ver-
D-Score hatten (. Tab. 5). vorhandener Zähne und Implantate, die Art bessern.
eines etwaig vorhandenen Zahnersatzes, das
Diskussion Trinkverhalten und die Medikation der Pro- Schlüsselwörter
banden untersucht. Hyposalivation · Zähne/Zahnersatz ·
Ergebnisse.  Der mittlere GOHAI-Score be- Medikation · Trinkverhalten ·
Die Ergebnisse der vorliegenden Unter- trug 53,6 und der mittlere sXI-D-Score 7,9. Zigarettenkonsum
suchung zeigen, dass die mundgesund- Die mundgesundheitsbezogene Lebensqua-
heitsbezogene Lebensqualität von Senio-
ren signifikant vom Ausmaß der Xerost-
omie beeinflusst wird. Damit kann die der
Xerostomia and its impact on oral health-related quality of life
vorliegenden Studie zugrunde liegenden Abstract
Hypothese akzeptiert werden. Background.  Dry mouth is a frequently oc- dry mouth (p < 0.001), whereas no significant
Im Rahmen des Projekts konnten ins- currence in elderly people and causes numer- impact of the number of residual teeth or im-
gesamt 62 Senioren in 7 unterschiedli- ous clinical and social problems. plants or the character of prosthetic restora-
Objective.  To investigate the quality of life in tions could be identified. Xerostomia was sig-
chen kooperierenden Pflegeheimen einer
geriatric patients living in nursing homes de- nificantly influenced by the number of medi-
deutschen Großstadt befragt werden. Al- pending on the subjective sensation of dry cations consumed (p = 0.039).
lerdings wäre es wünschenswert, noch mouth and associated oral parameters. Conclusion.  Xerostomia has a significant im-
umfassendere Daten zur Erfassung der Material and methods.  A total of 62 male pact on the oral health-related quality of life
mundgesundheitsbezogenen Lebens- and female elderly patients living in 7 coop- of elderly people living in nursing homes.
qualität von pflegebedürftigen Senioren erating nursing homes were interviewed em- Thus, dental treatment should focus on the
ploying questionnaires with regard to their alleviation of xerostomia to improve the oral
in Deutschland zu haben. In dieser Hin-
oral health-related quality of life (GOHAI) and health-related quality of life in the elderly
sicht wäre die Durchführung von Multi- their subjective perception of dry mouth (sXI- population.
zenterstudien anzudenken, da – der Ver- D). Dental status, drinking habits and current
wendung hinsichtlich der Übersetzung medication were documented. Keywords
in leichte Sprache modifizierter Frage- Results.  The mean GOHAI score was 53.6 Hyposalivation · Teeth/dental prosthesis ·
and the mean sXI-D score was 7.9. Oral Medication · Drinking behavior ·
bogen zum Trotz – ein erheblicher Zeit-
health-related quality of life was significant- Cigarette smoking
aufwand notwendig war, um die Befra- ly influenced by the subjective sensation of
gung der Bewohner durchzuführen. Da-
rüber hinaus leidet ein wesentlicher Teil
der Bewohner eines Pflegeheims an De- gen internen Konsistenz mit einer gewis- zeigt. Damit sind Studien zur Prävalenz
menz und ist nicht für eine Aufnahme in sen Zurückhaltung interpretiert werden. der Xerostomie, die unterschiedliche Me-
eine Studie, die sich mit der Erfassung der Im Gegensatz zur Hyposalivation als thoden anwenden, auch nur sehr schwer
mundgesundheitsbezogenen Lebensqua- objektive Komponente der Mundtrocken­ vergleichbar. Im internationalen Kon-
lität in den Wochen vor dem Befragungs- heit, die bei einer stimulierten Speichel- text befand sich der in der vorliegenden
termin beschäftigt, geeignet. Insgesamt fließrate von weniger als 0,7 ml/min an- Studie beobachtete mittlere sXI-D-Score
müssen die Daten der vorliegenden Stu- genommen wird [8], existiert kein Wert, von 7,9 in einem vergleichbaren Rahmen
die aufgrund der verhältnismäßig gerin- der das Vorliegen einer Xerostomie an- wie bei internationalen Untersuchungen

Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 3


Originalien

Tab. 2  Fragen des modifizierten GOHAI sowie Anzahl und prozentualer Anteil der Probanden, den Untersuchung auf die Bestimmung
die auf die entsprechende Frage mit „sehr oft“, „oft“ oder „ab und zu“ geantwortet haben der Speichelfließrate verzichtet.
Fragen des modifizierten GOHAI n Prozent Der beobachtete signifikante Ein-
Wie oft können Sie nur wenig essen oder gar nicht essen: 5 8,1
fluss der Zahl eingenommener Medika-
wegen Ihrer Zähne oder wegen Ihres Zahnersatzes? mente auf die subjektive Mundtrocken-
Wie oft können Sie nur wenig oder gar nicht beißen oder kauen: z. B. 18 29,0 heit unterstreicht die in etlichen interna-
festes Fleisch oder Äpfel? tionalen Studien gemachten Beobachtun-
Wie oft können Sie gut schlucken? 57 91,9 gen und spiegelt ein wissenschaftlich mit
Wie oft können Sie nur wenig oder gar nicht reden: 1 1,6 zunehmender Intensität diskutiertes Phä-
wegen Ihres Zahnersatzes? nomen wider [3, 9, 11, 12, 14, 20]. Dabei
Wie oft können Sie alles essen ohne Probleme? 59 95,2 wurden verschiedene gerade bei Senioren
Wie oft wollen Sie nicht mit anderen Personen reden oder andere treffen: 1 1,6 verwendete, häufig verschriebene Medi-
wegen Ihrer Zähne oder wegen Ihres Zahnersatzes? kamente mit Mundtrockenheit assoziiert,
Wie oft ging es Ihnen damit gut, wie Ihre Zähne aussehen? 57 91,9 darunter insbesondere Antidepressiva,
Oder wie Ihr Zahnfleisch aussieht oder wie Ihr Zahnersatz aussieht? Neuroleptika, Antihypertensiva, Antidia-
Wie oft haben Sie Schmerzen im Mund und nehmen Medikamente? 10 16,1 betika oder Antithrombotika [1, 17, 18].
Wie oft machen Sie sich Sorgen um Ihre Zähne, Ihr Zahnfleisch oder Ihren 19 30,6 Die Vierte Deutsche Mundgesund-
Zahnersatz? heitsstudie (DMS-IV) konnte zeigen, dass
Wie oft sind Sie unsicher wegen Ihrer Zähne, Ihres Zahnfleischs oder Ihres 8 12,9 immer mehr Senioren immer mehr eige-
Zahnersatzes?
ne Zähne besitzen [10]. Allerdings wird in
Wie oft fühlen Sie sich beim Essen nicht gut: wegen Ihrer Zähne oder we- 7 11,3
dieser Studie die kontinuierlich wachsen-
gen Ihres Zahnersatzes?
de Zahl hochbetagter Senioren mit einem
Wie oft tun Ihre Zähne weh oder Ihr Zahnfleisch: wenn Sie etwas Heißes, 4 6,5
Kaltes oder Süßes im Mund haben? Alter von mehr als 75 Jahren nicht erfasst.
GOHAI modifizierte deutsche Version des Geriatric Oral Health Assessment Index.
In diesem Kontext zeigen die Daten der
vorliegenden Untersuchung, dass gerade
Tab. 3  Fragen des modifizierten Xerostomia-Inventory (sXI-D)-Bogens sowie Anzahl und hochbetagte Senioren zu mehr als 40 %
prozentualer Anteil der Probanden, die auf die entsprechende Frage mit „oft“ oder „ab und zu“ zahnlos und regelmäßig mit schleimhaut-
geantwortet haben getragenem Zahnersatz versorgt sind;
Frage des modifizierten Xerostomia Inventory n Prozent demgegenüber wird in der DMS-IV von
Mein Mund fühlt sich trocken an: wenn ich esse 10 16,1 einer Zahnlosigkeit von 22,6 % bei Senio-
Mein Mund fühlt sich trocken an 46 74,2 ren im Alter zwischen 65 und 74 Jahren
Ich habe Probleme, trockene Nahrung zu essen 15 24,2
berichtet [10]. Vor diesem Hintergrund
Ich habe Probleme, bestimmtes Essen zu schlucken 9 14,5
muss das Vorhandensein von Speichel in
geeigneter Qualität und Quantität als we-
Meine Lippen fühlen sich trocken an 41 66,1
sentliche Voraussetzung für die Retention
von schleimhautgetragenem Zahnersatz
Tab. 4  Lineare Regressionsmodelle zur Erfassung von Einflussvariablen auf den GOHAI-Score
gelten. Dabei überrascht das Ergebnis der
B 95 %-KI p R2
vorliegenden Untersuchung insofern, als
sXI-D-Score − 1,810 − 2,589/− 1,030 < 0,001 0,264
– trotz des signifikanten Einflussfaktors
Anzahl Zähne/Implantate im Oberkiefer 0,192 − 0,183/0,568 0,310 0,017
der Xerostomie – kein signifikanter Ein-
Anzahl Zähne/Implantate im Unterkiefer 0,305 − 0,054/0,664 0,095 0,046 fluss der Art der prothetischen Versor-
Zahnersatz (Zahn-/Implantat- vs. Schleim- 0,055 − 4,468/4,578 0,981 0,000 gung auf die mundgesundheitsbezoge-
haut-getragen)
ne Lebensqualität nachgewiesen werden
GOHAI deutsche Version des Geriatric Oral Health Assessment Index.
B Regressionskoeffizient, p Signifikanzwert, R2 Bestimmtheitsmaß, 95 %-KI 95 %-Konfidenzintervall.
konnte. Dieses Phänomen spiegelt sich
auch in dem erheblichen Anteil der Be-
fragten wider, die keine oder nur gerin-
mit ähnlicher Klientel [20]. Neben der tät gering ist [5]. Darüber hinaus ist die ge Probleme mit ihrem Zahnersatz beim
Bestimmung der subjektiven Mundtro- Durchführung der Sialometrie zur Be- Essen oder Sprechen äußerten. Diese Er-
ckenheit mithilfe eines Fragebogens wä- stimmung der Speichelfließrate gerade in gebnisse bestätigen damit frühere Unter-
re es denkbar, auch die Speichelfließra- einer sehr alten Klientel, die häufig auch suchungen unserer Arbeitsgruppe, die
te als Maß einer objektiven Veränderung erhebliche motorische Einschränkun- einen ähnlichen Sachverhalt bei ambulan-
der Speichelsekretion zu messen. Aller- gen hat, mit erheblichen Schwierigkei- ten Patienten einer Universitätszahnkli-
dings konnte in früheren Untersuchun- ten verbunden. Deswegen hätte solchen nik mit einem Alter von mehr als 60 Jah-
gen unserer Gruppe gezeigt werden, dass Daten auch nur eine geringe Aussage- ren belegen konnten [5]. Damit verdeutli-
der Einfluss der Speichelfließrate auf die kraft beigemessen werden können. Aus chen die Ergebnisse der vorliegenden Stu-
mundgesundheitsbezogene Lebensquali- diesen Gründen wurde in der vorliegen- die, dass die mundgesundheitsbezogene

4 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie


Tab. 5  Lineare Regressionsmodelle zur Erfassung von Einflussvariablen auf den sXI-D-Score 13. Nederfors T, Isaksson R, Mörnstad H, Dahlöf C
(1997) Prevalence of perceive symptoms of dry
B 95 %-KI p R2 mouth in an adult Swedish population – relation
Trinkverhalten (Liter/Tag) 0,539 − 0,893/1,971 0,454 0,009 to age, sex and pharmacotherapy. Community
Dent Oral Epidemiol 25:211–216
Anzahl Zigaretten/Tag − 0,030 − 0,158/0,097 0,636 0,004 14. Österberg T, Landahl S, Hedegard B (1984) Salivary
Anzahl eingenommener Medikamente 0,150 0,008/0,292 0,039 0,069 flow, saliva, pH and buffering capacity in 70-year-
sXI-D modifizierte deutsche Version des Xerostomia-Inventory-Fragebogens. old men and women. J Oral Rehabil 11:157–170
15. Pistorius J, Horn JG, Pistorius A, Kraft J (2013) Oral
B Regressionskoeffizient, p Signifikanzwert, R2 Bestimmtheitsmaß, 95 %-KI 95 %-Konfidenzintervall.
health-related quality of life in patients with re-
movable dentures. Schweiz Monatsschr Zahnmed
Lebensqualität nicht allein durch offen- Einhaltung ethischer Richtlinien 123:964–971
sichtliche zahnärztliche Determinanten 16. Rädel M, Walter M, Bohm S, Hartmann A (2014)
Barmer GEK Zahnreport. Asgard Verlagsservice
wie die Zahl von Zähnen oder Implanta- Interessenkonflikt.  G. Herrmann, K. Müller, M. Behr
GmbH, Siegburg, S 27
und S. Hahnel geben an, dass kein Interessenkonflikt
ten oder die Art von Zahnersatz bestimmt besteht.
17. Scully CBE (2003) Drug effects on salivary glands:
wird. Diese Überlegungen befinden sich dry mouth. Oral Dis 9:165–176
Das Studiendesign wurde durch die Ethikkommission 18. Scully CBE, Bagan-Sebastian JV (2004) Adverse
im Einklang mit den Ergebnissen anderer der Universität Regensburg gebilligt (# 14-101-0354). drug reactions in the orofacial region. Crit Rev Oral
Untersuchungen, die neben rein zahnme- Alle Teilnehmer gaben ihr schriftliches Einverständ- Biol Med 15:221–240
dizinischen auch psychosoziale und wirt- nis, an der Studie teilzunehmen. 19. Ship JA, Pillemer SR, Baum BJ (2002) Xerostomia
and the geriatric patient. J Am Geriatr Soc 50:535–
schaftliche Faktoren als wesentliche Ein- 543
flussfaktoren für die mundgesundheits- Literatur 20. Thomson WM, Van der PUtten GJ, De Baat C, Ikebe
bezogene Lebensqualität älterer Patien- K, Matsuda K, Enoki K, Hopcraft M, Ling GY (2011)
  1. Djukic LJ, Roganovic J, Brajovic MD, Bokonjic D, Shortening the Xerostomia Inventory. Oral Surg
ten nachweisen konnten [15]. Stojic D (2015) The effects of anti-hypertensives Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 112:322–
and type 2 diabetes on salivary flow and total anti- 327
Fazit für die Praxis oxidant capacity. Oral Dis 21:619–625
  2. Gerdin EW, Einarson S, Jonsson M, Aronsson K, Jo-
hansson I (2005) Impact of dry mouth conditions
Die vorliegende Untersuchung konnte on oral health-related quality of life in older peop-
zeigen, dass le. Gerodontology 22:219–226
  3. Gilbert GH, Heft MW, Duncan RP (1993) Mouth
55Xerostomie ein mit einer erheblichen dryness as reported by older Floridians. Communi-
Einschränkung der mundgesund- ty Dent Oral Epidemiol 21:390–397
heitsbezogenen Lebensqualität ein-   4. Hahnel S (2012) Mundtrockenheit. Spitta, Balin-
gen, S 62
hergehendes Problem bei pflegebe-   5. Hahnel S, Schwarz S, Zeman F, Schäfer L, Behr M
dürftigen Senioren ist, (2014) Prevalence of xerostomia and hyposaliva-
55die konsiliarische Einbindung eines tion and their association with quality of life in el-
derly patients in dependence on dental status
Zahnarztes in das geriatrische Assess- and prosthetic rehabilitation: a pilot study. J Dent
ment dazu beitragen könnte, Xerost- 42:664–670
omie und Hyposalivation sowie asso-   6. Hassel AJ, Rolko C, Koke U, Leisen J, Rammelsberg
P (2008) A German version of the GOHAI. Commu-
ziierte Probleme bei Seniorinnen und nity Dent Oral Epidemiol 36:34–42
Senioren zu erkennen,   7. Johansson AK, Johansson A, Unell L, Ekbäck G, Or-
55im Sinne eines geriatrischen Gesamt- dell S, Carlsson GE (2012) Self-reported dry mouth
in Swedish population samples aged 50, 65 and 75
konzepts Maßnahmen zur Linderung years. Gerodontology 29:e107–e115
der Xerostomie getroffen werden soll-   8. Laaksonen M, Ramseier A, Rovò A, Jensen SB, Ra-
ten. Diese könnten etwa eine kriti- ber-Durlacher JE, Zitzmann NU, Waltimo T (2011)
Longitudinal assessment of hematopoietic stem
sche Hinterfragung potenziell xero- cell transplantation and hyposalivation. J Dent Res
gener Medikamente oder die Anwen- 90:1177–1182
dung von Speichelersatzmitteln zur   9. Locker D (2003) Dental status, xerostomia and the
oral health-related quality of life of an elderly insti-
Linderung der Xerostomie umfassen. tutionalized population. Spec Care Dentist 23:86–
93
10. Micheelis W, Schiffner U (2006) Vierte deutsche
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Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5

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