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Orthopädische Klinik

Antibiotikaprophylaxe bei zahnärztlichen Ein-


griffen bei Patienten mit Gelenkprothesen

Häufig tritt die Frage auf, ob eine antibiotische Prophylaxe bei zahnmedizinischen Behandlungen von
Patienten mit Hüft- oder Knieprothesen durchgeführt werden sollte.
Protheseninfekte durch Erreger der oralen Flora sind sehr selten (3-10 von 10'000 Patienten mit Pro-
thesen). Ein tägliches mehrfaches Zähneputzen hat eine höhere kumulative Bakteriämie Inzidenz als
eine einzelne Zahnextraktion. Dennoch kann es sinnvoll sein, das Risiko eines Protheseninfektes durch
eine septische Streuung während oder nach einem zahnärztlichen Eingriff mittels einer Antibiotikapro-
phylaxe zu verringern.
Basierend auf den Empfehlungen der Expertengruppe Infektionen der Schweizerischen Gesellschaft für
Orthopädie und Traumatologie werden hiermit die wichtigsten Aspekte zusammengefasst. Für eine aus-
führliche Abhandlung der Thematik wird auf die Publikation von Sendi et al. verwiesen, welche diesem
Dokument beigefügt ist.

Empfehlungen zur Anwendung von Antibiotika bei zahnärztlichen Eingriffen vor- und nach der
Implantation von Gelenkprothesen

Zahnmedizinische Massnahmen Anwendung Antibiotika

Vor Implantation einer Gelenkprothese

- Frühzeitige zahnärztliche Untersuchung, insbesondere bei Patienten mit schlechtem Zahnsta-


tus und schlechter Mundhygiene.
- Erkennen und Behandlung von potentiellen Infektfoci.
- Regelmässige zahnmedizinische Kontrollen vereinbaren.

02.12.2020 Büchler/Lindenlaub
Nach Implantation einer Gelenkprothese

- Regelmässige Mundhygiene.
- Regelmässige zahnärztliche Kontrollen.

Kein Infektfokus, keine Risikofaktoren

- Zahnmedizinische Kontrollen inkl. Dentalhygi- - Keine Antibiose.


ene.
- Alle zahnmedizinischen Eingriffe (Zahnextrak- - Vorgängige Mundspülung mit 0.2%
tion und Zahnwurzelbehandlungen). Chlorhexidin.

Kein Infektfokus, mit Risikofaktoren

Zahnmedizinischer Eingriff <3 Monate nach Pro- Intervention sofern möglich >3 Monate nach
thesenimplantation Prothesenimplantation verschieben.
- Zeitintervall einziger Risikofaktor - Mundspülung mit 2% Chlorhexidin.
- Mehrere Risikofaktoren - Zusätzlich zur Mundspülung systemische
Antibiotikaprophylaxe erwägen.

Immunkompromittierung/ Komorbiditäten
- Leichte Komorbiditäten (z.B. Diabetes Melli- - Mundspülung mit 2% Chlorhexidin.
tus, low-dose Steroidbehandlung).
- Schwere Komorbiditäten, schwere Immun- - Multidisziplinäres Festlegen des Procede-
suppression (z.B. Aplasie nach hämatologi- res (Arzt zuständig für Immunsuppression,
scher Grunderkrankung, St. nach Organ- Orthopädie, Infektiologie).
transplantation, Neoplasie).

Zahnmedizinischer Eingriff >60 Minuten Dauer


- Art und Dauer des Eingriffs einziger Risikofak- - Mundspülung Chlorhexidin 0.2%.
tor.
- Zahnmedizinischer Eingriff in einem Zent-
- Mehrere Risikofaktoren.
rum durchführen.
Infektbedingter zahnmedizinischer Eingriff (apikale Parodontitis, etablierter Abszess)
- Amoxicillin/Clavulansäure 3 x 1g pro Tag
Rasche zahnärztliche/ zahnchirurgische Sanie- oder
rung. - Clindamycin 3 x 600mg pro Tag
für 3 bis 5 Tage.

02.12.2020 Büchler/Lindenlaub
RICHTLINIEN 764

Empfehlungen der Expertengruppe Infektionen der Swiss Orthopaedics

Patienten mit Gelenkprothesen:


Antibiotikaprophylaxe vor
zahnärztlichen Eingriffen
PD Dr. med. Parham Sendi a,b , PD Dr. med. Ilker Uçkay c,d , PD Dr. med. Domizio Suvà d , Prof. Dr. med. Markus
Vogt e , Prof. Dr. med. Olivier Borens f , Dr. med. Martin Clauss g , für die Expertengruppe Infektionen von Swiss
Orthopaedics *
a
Universitätsklinik für Infektiologie, Inselspital, Bern; b Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern; c Service des Maladies infectieuses, Hôpitaux
Universitaires de Genève, Genève; d Service de chirurgie orthopédique et de traumatologie de l’appareil moteur, Hôpitaux Universitaires de Genève, Genève;
e
Medizinische Klinik, Zuger Kantonsspital, Baar; f Service d’orthopédie et de traumatologie de l’appareil locomoteur, Département de I’appareil locomoteur,
Université de Lausanne et Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne; g Orthopädie und Traumatologie, Kantonsspital Baselland, Liestal.

* Mitglieder der Experten- In der vorliegenden Arbeit werden pathogenetische


In diesem Konsensus-Dokument werden pathogenetische und
gruppe Infektionen von
epidemiologische Überlegungen sowie Empfehlungen der Exper-
und epidemiologische Überlegungen sowie Empfeh-
Swiss Orthopaedics
sind (in alphabetischer tengruppe Infektionen der Swiss Orthopaedics wiedergegeben. lungen zur Indikation einer antibiotischen Prophylaxe
Reihenfolge): Paul Bodler, Die Artikel in der Rubrik «Richtlinien» geben nicht unbedingt die wiedergegeben.
St. Gallen, Olivier Borens, Ansicht der SMF-Redaktion wieder. Die Inhalte unterstehen der
Lausanne, Ivan Broger, redaktionellen Verantwortung der unterzeichnenden Fachgesell-
Chur, Martin Clauss,
Liestal, Gerhard Eich,
schaft bzw. Arbeitsgruppe. Zahnärztliche Untersuchung vor der
Zürich, Hubert Nötzli, Implantation einer Gelenkprothese
Bern, Peter Ochsner,
Frenkendorf, Parham Die Expertengruppe empfiehlt vor der Implantation
Sendi, Bern, Domizio Suvà, Einleitung
Genf, Ilker Uçkay, Genf,
einer Gelenkprothese eine zahnärztliche Begutach-
Markus Vogt, Baar. Im klinischen Alltag wird von Zahnärzten und Haus- tung. Das Ausmass und die Details dieser zahnärzt-
ärzten oft die Frage gestellt, ob bei Patienten mit Kunst- lichen Begutachtung können nicht allgemeingültig
gelenken bei zahnmedizinischen Eingriffen (inklusive definiert werden, da sie unter anderem stark vom in-
Dentalhygiene) eine prophylaktische Antibiotikagabe dividuellen Zahnstatus und von Hygienefaktoren ab-
notwendig ist. Die Evidenz für die Beantwortung dieser hängen. Das Rational dieser Empfehlung beruht dar-
Frage wurde von Uçkay et al. zusammengestellt [ ]. auf, dass potentielle Infektfoci frühzeitig entdeckt und
Gleichzeitig existieren auch Empfehlungen in anderen vor Einbringung des Fremdmaterials behandelt werden.
Ländern, die von verschiedenen Fachgesellschaften Zudem kann der zahnmedizinische Status beurteilt
publiziert wurden (siehe Tab. S im Anhang des Online- und auf regelmässige Mundhygiene hingewiesen wer-
Artikels unter www.medicalforum.ch). den (Tab. ).
Dennoch zeigen Beobachtungen im klinischen Alltag Die Empfehlung sollte differenziert umgesetzt werden.
wie auch Befragungen von Fachpersonen [ ], dass eine Es ist nicht klar, wie viel ein Patient mit gutem Zahn-
Divergenz zwischen Empfehlung und Praxis besteht status und regelmässigen zahnmedizinischen Besu-
[ , ]. Zum einen folgt auf ein Statement einer Arbeits- chen (inklusive Dentalhygiene) von einer zusätzlichen
gruppe [ ] oft ein Gegenstatement einer anderen Inte- Untersuchung unmittelbar vor Implantation profi-
ressensgruppe [ ], was zu Verwirrungen führt [ ]. Des tiert. Auch bestehen keine Kosten-Nutzen-Analysen
Weiteren ist der Wortlaut von Empfehlungen einzelner und keine «Number needed to investigate»-Studien,
ausländischer Fachgesellschaften zwar juristisch kor- die aufzeigen können, wie viele Gelenkprothesenin-
rekt, aber im klinischen Alltag nicht hilfreich (siehe fektionen durch eine zahnmedizinische Untersuchung
Tab. S im Anhang des Online-Artikels). Zum anderen verhindert werden könnten. In gewissen Fällen kann
wächst die Anzahl polymorbider Patienten in unserer aus zahnärztlicher Sicht nicht eindeutig zwischen ei-
Gesellschaft und somit auch die Population mit poten- nem (radiologischen) Herd und einem nicht infektiö-
tiell erhöhtem Anästhesie- und Operationskomplikati- sen Geschehen differenziert werden.
onsrisiko. Entsprechend möchten involvierte Ärzte Dennoch erachtet es die Expertengruppe bei Patienten
und Zahnärzte gerade bei diesen Patienten eine Ge- mit schlechtem Zahnstatus und suboptimaler Mund-
lenkprotheseninfektion vermeiden. hygiene als sinnvoll, eine zahnmedizinische Untersu-

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chung und allenfalls eine Fokussanierung durchzu- Die Empfehlung beruht nicht auf klinischer Evidenz,
führen. sondern auf pathogenetischen Überlegungen. Bei Vor-
liegen eines apikalen Prozesses oder eines Abszesses
wird postuliert, dass die Keimzahl hoch ist. Es wird
Antibiotische Therapie einer apikalen vermutet, dass diese – allenfalls verstärkt getriggert
Parodontitis oder eines Abszesses durch den zahnchirurgischen Eingriff – auch während
der Bakteriämie höher sein wird, als dies bei einem
Es ist wichtig zu unterscheiden, ob der zahnmedizini-
zahnmedizinischem Routineeingriff der Fall wäre. Da-
sche Eingriff wegen einer Infektion (zum Beispiel einer
durch wäre das Risiko einer septischen Streuung auf
apikalen Parodontitis oder eines etablierten Abszesses)
ein Kunstgelenk erhöht.
oder einer zahnmedizinischen Krankheit ohne Infek-
In einem Tiermodell konnte mit einer Keimdichte von
tion stattfindet. Bei einer Infektion stellt sich die Frage
– Kolonie-bildenden Einheiten (CFU) Staphylo-
nach einer antibiotischen Therapie. Bei einem zahnme-
coccus aureus pro Milliliter Blut eine hämatogene In-
dizinischen Eingriff ohne etablierte Infektion stellt sich
fektion eines extravaskulären Implantates simuliert
die Frage nach einer Prophylaxe.
werden [ ]. Diese Keimdichte wird in der Regel bei ei-
Bei Patienten ohne Gelenkprothese ist die Notwendig-
nem Routineeingriff nicht erwartet. Aber es ist vorstell-
keit einer systemischen antibiotischen Therapie auf-
bar, dass die Keimdichte höher ist, wenn ein Abszess
grund einer apikalen Parodontitis oder eines klar be-
vorliegt.
grenzten, submukösen Abszesses in der Regel nicht
gegeben. Insbesondere, wenn eine zahnärztliche Inter-
vention für die Behandlung der Infektion angewendet
Theoretischer Zusammenhang zwischen
wird, ist die Evidenz für den Nutzen einer zusätzlichen
Zahneingriff und Protheseninfektion
systemischen Antibiose eher fraglich [ ].
Die Expertengruppe empfiehlt, zwischen Patienten mit Kurz nach einer Zahnwurzelbehandlung kann es zu
und ohne Kunstgelenken zu unterscheiden. Bei Patien- einer asymptomatischen Bakteriämie kommen ( – %
ten mit Kunstgelenken empfiehlt die Expertengruppe, in [ ]). Somit besteht das Potential einer hämatogenen
die orale Infektion – neben der eigentlichen zahnärzt- Streuung, unter anderem auch auf ein Kunstgelenk.
lichen Therapie – systemisch antibiotisch zu behandeln Deshalb ist es möglich, dass der identische bakterielle
(Amoxicillin/Clavulansäure g pro Tag oder bei Pe- Klon sowohl aus der Probe der Gelenkflüssigkeit wie
nicillinallergie Clindamycin mg pro Tag für auch aus jener der Zahnplaque nachgewiesen werden
bis Tage; danach klinische Reevaluation bezüglich kann [ ].
Fortführung oder Sistierung der Therapie). Die Thera- Basierend auf dieser Pathogenese wird in Fallberichten
pie kann Minuten vor dem zahnmedizinischen Ein- über Gelenkprotheseninfektionen nach zahnmedizi-
griff begonnen werden. nischen Eingriffen berichtet. In diesen Fällen gehört

Tabelle 1. Empfehlungen vor und nach Implantation einer Gelenkprothese.

Zahnmedizinische Massnahmen vor Implantation einer Gelenkprothese Systemische antibiotische


Prophylaxe
Zahnärztliche Untersuchung (inkl. Panoramaschichtaufnahme). Nein
Zahnmedizinische Pathologien sollten vor Implantation therapiert werden.
Regelmässige zahnmedizinische Kontrollen vereinbaren.
Zahnmedizinische Massnahmen nach Implantation einer Gelenkprothese Systemische antibiotische
ohne Infektionsfokus Prophylaxe
Regelmässige Mundhygiene, regelmässige zahnmedizinische Kontrollen. Nein
Alle zahnmedizinischen Eingriffe (inkl. Zahnextraktion und Zahnwurzel- Nein
behandlung) bei gleichzeitigem Fehlen von mehreren Risikofaktoren:
vorgängige�Mundspülung mit 0,2% Chlorhexidin.
Zahnmedizinische Massnahmen nach Implantation einer Gelenkprothese Systemische antibiotische
und�identifizierter Infektionsfokus (apikale Parodontitis oder etablierter Therapie
Abszess) im zahnmedizinischen Bereich
Rasche zahnärztlich-chirurgische Therapie. Amoxicillin/Clavulansäure 3 × 1�g pro Tag
oder
Clindamycin 3 × 600�mg pro Tag für 3–5 Tage*
* Danach klinische Reevaluation und Fortführung beziehungsweise Sistierung der Therapie.

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der Erreger, der aus den periprothetischen Proben iso- quantifiziert werden. Im Folgenden soll dies in zwei
liert wurde, typischerweise zur Mundflora [ , – ]. verschiedenen Berechnungsmodellen veranschaulicht
Dadurch wird zwar mit überwiegender Wahrschein- werden.
lichkeit der Ausgangspunkt der septischen Streuung Die kumulative Inzidenz einer Hüft- oder Kniegelenk-
nachgewiesen, nicht aber zu welchem Zeitpunkt die protheseninfektion beträgt je nach Beobachtungsperi-
«verantwortliche» Bakteriämie stattfand. So kann es ode, Studie und Land (unabhängig von der Pathoge-
auch ohne zahnmedizinische Intervention zur septi- nese) ca. , % [ ] – , % [ ]. Der mögliche Anteil an
schen Streuung auf das Gelenk kommen [ ]. Infektionen, die durch einen Erreger der oralen Flora
Solche transiente asymptomatische Bakteriämien verursacht werden, beträgt in der Regel weniger als %,
können nach dem Zähneputzen, Kaugummikauen, einzelne Studien berichten von maximal % (d.h. abso-
beim Benutzen von Zahnseide oder spontan auftreten lut < , % respektive < , %) [ – ]. Rechnerisch
[ – ]. Zudem kommen viele orale Bakterien auch im bedeutet dies, dass ca. – von Personen mit
Gastrointestinaltrakt vor, was die Zuordnung einer et- einem Kunstgelenk eine Infektion mit einem Keim der
waigen oralen Herkunft erschwert. In Fallberichten oralen Flora haben. Diese Zahlen sind vergleichbar mit
wird oft eine zeitliche Assoziation zwischen zahnmedi- jenen von retrospektiven Studien ( , % in [ ], , %
zinischem Eingriff und Auftreten der Symptome einer in [ ]) [ ]. Es bleibt aber unbekannt, bei wie vielen die-
Gelenkprotheseninfektion als Argument eines kausa- ser Patienten die Infektion unabhängig von einem
len Zusammenhanges erwähnt. Dieses Argument ist zahnmedizinischen Eingriff stattfindet. Entsprechend
zwar bei virulenten Erregern überzeugend [ ], viele würde eine antibiotische Prophylaxe nur bei einem
Bakterien der Mundflora gelten aber als niedrig-viru- Teil der Patienten wirksam sein, da eine hämatogene
lent und würden allenfalls chronische, sogenannte Streuung sowohl vor wie auch nach dem zahnmedi-
«low-grade»-Infektionen verursachen. zinischen Eingriff stattfinden kann. Selbst wenn %
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Bakterien [ ] dieser – Infektionen durch eine antibiotische
der oralen Flora auf ein Kunstgelenk streuen können, Prophylaxe verhindert werden könnten, müssten
aber der direkte kausale Zusammenhang mit einem (rechnerisch) – Personen mit Gelenkprothe-
einzelnen zahnmedizinischen Eingriff nicht möglich sen behandelt werden, um eine einzige Infektion zu
ist. Die zeitliche Assoziation ist in seltenen Fällen ein verhindern.
überzeugendes Argument, aber kein Beweis, da die ur- In einer anderen Betrachtungsweise kann man versu-
sächliche Bakteriämie auch unmittelbar vorher oder chen, das Risiko einer Gelenkprotheseninfektion nach
nachher auftreten kann. Eine gute Mundhygiene ist Bakteriämie abzuschätzen, da man gerade diese Patho-
mit einem tieferen Risiko für Gelenkprotheseninfekti- genese beim zahnmedizinischen Eingriff fürchtet. Bei
onen assoziiert [ ]. Staphylococcus aureus (gehört typischerweise nicht zur
Entsprechend wird Patienten mit Gelenkprothesen Mundflora) ist dieses hoch ( – %) [ ], bei anderen
gute und regelmässige Mundhygiene mittels zahnärzt- Bakterien insgesamt tief (ca. , %) [ ]. Das Streupoten-
licher Nachsorgekontrollen empfohlen (Tab. ). tial und die Infektiosität von gewissen Bakterien der
Mundflora (zum Beispiel Peptostreptokokken und an-
dere Anaerobier) werden als sehr tief eingeschätzt. Dies
Epidemiologische Überlegungen
ist insofern relevant, da eine Studie über die Verteilung
Im Bemühen, eine ungelöste Frage zu beantworten, von Erregern bei infiziertem Wurzelkanal in % der
wird oft die Durchführung von prospektiven randomi- Isolate entweder ein strikt anaerobes oder mikro-
sierten Studien vorgeschlagen. Im vorliegenden Fall ist philes Bakterium fand [ ]. Ainscow und Denham ver-
eine solche Studie unrealistisch. Die Untersuchung folgten prospektiv Patienten nach Gelenkprothe-
würde mehrere hunderttausend Personen mit künstli- senersatz während einer mittleren Beobachtungsdauer
chen Gelenken benötigen, die zahnmedizinischen Ein- von sechs Jahren [ ]; dieser Patienten unterzogen
griffe müssten in etwa vergleichbar sein und Follow- sich in der Beobachtungsphase mindestens einem zahn-
up-Untersuchungen von mindestens zwei Jahren medizinischen Eingriff, wobei kein einziger Patient eine
wären notwendig [ ]. Deshalb basieren die Empfehlun- Infektion entwickelte.
gen auf retrospektiven Analysen (zusammengefasst in Basierend auf diesen Argumenten sowie der Häufigkeit
[ ] sowie in Tab. S im Anhang des Online-Artikels) und von asymptomatischen Bakteriämien bei alltäglicher
Fall-Kontroll-Studien [ , , ]. Mundhygiene und dem daraus resultierenden kumu-
Gelenkprotheseninfektionen nach zahnmedizinischen lativen Risiko [ , ] (siehe unten «Evidenzlage bei soge-
Eingriffen sind in Anbetracht der Anzahl Personen mit nannten Risikogruppen» / «Art des zahnmedizinischen
künstlichem Gelenk sehr selten und können nicht genau Eingriffs» und «Dauer des zahnmedizinischen Eingriffs»)

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RICHTLINIEN 767

wird postuliert, dass das Risiko einer Gelenkprothe- Gelenkprotheseninfektionen nach einem zahnmedizi-
seninfektion nach Bakteriämie aufgrund eines zahn- nischen Eingriff sind äusserst selten und rechtfertigen
medizinischen Eingriffes deutlich < , % liegt. Es ist gut deshalb keine antibiotische Prophylaxe. Um eine In-
möglich, dass die berichteten Inzidenzen – basierend fektion zu verhindern, würde die Anzahl antibiotisch
auf retrospektiven Studien – von , % [ ] und , % [ ] zu behandelnder Patienten im Bereich von mehreren
das Risiko überschätzt darstellen. Aber auch bei diesen Tausend liegen. Bei diesem Verhältnis übersteigt das
Zahlen müssten, in Analogie zur obigen Rechnung, Risiko von unerwünschten Wirkungen den Nutzen der
oder Personen antibiotisch behandelt werden, antibiotischen Prophylaxe bei Weitem.
um eine Infektion zu verhindern [ ].

Evidenzlage bei sogenannten


Potentielle unerwünschte «Risikogruppen»
Nebenwirkungen
Vier Parameter werden häufig erwähnt, um das Risiko
Im vorherigen Abschnitt wurden Argumente hervor- einer hämatogenen Infektion nach zahnmedizinischem
gebracht, die zeigen, wie viele Patienten behandelt wer- Eingriff als erhöht zu beurteilen:
den müssten, um eine Infektion zu verhindern. Dieser . Zeitintervall zwischen Gelenkimplantation und
Argumentation folgend sollten auch alle Konsequenzen, zahnmedizinischem Eingriff;
inklusive Nebenwirkungen einer antibiotischen Thera- . Immunsuppression / Komorbidität des Patienten;
pie, berücksichtigt werden. . Art des zahnmedizinischen Eingriffs;
Jede antibiotische Therapie ist mit einem bakteriellen . Dauer des zahnmedizinischen Eingriffs.
Kollateralschaden und Resistenzentwicklungen im Es liegen keine oder ungenügende Daten vor, um das
Mikrobiom assoziiert. Deshalb hat auch der Einsatz einer Risiko bei dieser Population beur teilen zu können.
antibiotischen Prophylaxe einen Einfluss auf die Penicil- Meist dienen Analogien, pathogenetische Überlegun-
linempfindlichkeit der oralen Streptokokken [ , – ]. gen oder Angst vor einer Infektion als Argumente für
Die Anzahl unerwünschter Nebenwirkungen (Allergien den Einsatz einer antibiotischen Prophylaxe.
unterschiedlichen Ausmasses, Übelkeit, Erbrechen,
Durchfall etc.) übersteigt klar jene verhinderter Gelenk- Zeitintervall von Gelenkimplantation und
protheseninfekte pro Prophylaxeverschreibungen. zahnmedizinischem Eingriff
Diese Nebenwirkungen treten gehäuft bei der älteren Pathogenetisch stellt man sich vor, dass nach Implan-
Population auf [ ], also bei denjenigen Personen, die tation einer Gelenkprothese und dem durch die Opera-
typischerweise auch eine Gelenkprothese brauchen. tion entstandenen Gewebeschaden die anatomische
Gleiches gilt für die Inzidenz von Clostridium difficile- Barriere noch nicht vollständig hergestellt ist. Dadurch
Infektionen. Diese treten bei einer einzelnen antibioti- wäre die Migration der Erreger in das Gelenk bei einer
schen Prophylaxe selten auf, aber das Risiko ist bei Bakteriämie eher möglich. Parallel dazu geht man
mehreren zahnmedizinischen Eingriffen über eine davon aus, dass nicht nur exogene, sondern auch häma-
kurze Zeit erhöht [ , ]. togene Infektionen im ersten Jahr nach Implantation
Letztendlich ist es nachvollziehbar, dass die antibio- häufiger sind als in der späteren postoperativen Phase
tische Prophylaxe nicht kosteneffizient ist, wie eine [ ]. Entsprechend wurde in früheren Empfehlungen
Studie mit einem mathematischen Modell («Markov die Zeitperiode bis [, ] oder Monate [ ] nach
decision modelling») aufzeigte [ ]. Eine US-Einschät- Implantation als erhöhtes Risiko kategorisiert.
zung beziffert die jährlichen Kosten für eine antibioti- Als Gegenargument kann hervorgebracht werden,
sche Prophylaxe vor zahnmedizinischen Eingriffen bei dass grosse Kohortenstudien gezeigt haben, dass die In-
Patienten mit Gelenkprothesen auf über Millionen zidenz von Gelenkprotheseninfektionen im ersten
US-Dollar [ , ]. Jahr auch < % ist [ ], und dass bei hämatogenen Infek-
tionen der Anteil von Anaerobiern oder vergrünenden
Streptokokken nur ca. % von diesen < % beträgt [ ].
Grundsätzliches Fazit
Oft wird älschlicherweise die Zeit zur Gewebeheilung
Aufgrund der Seltenheit von Gelenkprotheseninfek- auch mit der Zeit zur Wiedererlangung der gewünsch-
tionen und der Tatsache, dass diese nur in einem ten Gelenksfunktion gleichgesetzt. Letztere wird auf
kleinen Prozentsatz durch Bakterien der oralen Flora ca. Jahr geschätzt. Es ist aber anzunehmen, dass bei
verursacht werden, sowie dem tiefen Risiko einer guter Wundheilung die anatomischen Barrieren be-
hämatogenen Streuung aufgrund der oft niedrigen reits wieder viel früher hergestellt sind (wahrschein-
Virulenz dieser Bakterien kann empfohlen werden: lich nach bis Wochen).

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RICHTLINIEN 768

Tabelle 2: Postulierte Risikofaktoren für hämatogene Streuung auf Kunstgelenk nach zahnmedizinischer Intervention.
Empfehlungen bei nicht infektbedingtem zahnmedizinischem Eingriff.
Eine systemische Antibiotikaprophylaxe wird nicht empfohlen (Ausnahme siehe�Tab.�3).

Konstellation / Empfehlung Subkonstellation Empfehlung vor zahn-


medizinischem Eingriff
Zeitintervall von ≤3 Monate nach Im- Intervention (sofern möglich)
Gelenkimplantation plantation. verschieben bis >3 Monate
und zahnmedizinischem nach�Implantation.
Eingriff Intervention nicht verschiebbar. Zeitintervall ist einziger Vorgängige Mundspülung
Risikofaktor. mit�0,2% Chlorhexidin.
Intervention nicht verschiebbar. Mehrere Risikofaktoren. Tabelle 3.
Immunsuppression / Abhängig vom Kontaktaufnahme mit dem Arzt, Viele Komorbiditäten Vorgängige Mundspülung
Komorbidität des Schweregrad der der den Patienten bezüglich (zum�Beispiel Diabetes mellitus, mit�0,2% Chlorhexidin.
Patienten Krankheit. der�Krankheit/Immunsuppression low-dose Steroidbehandlung)
betreut, um den Schweregrad werden als nicht schwere
der�Immunkompromittierung Immunkompromittierung
abzuschätzen. betrachtet.
Schwere Immunsuppres sion Tabelle 3.
(zum�Beispiel Medikation
aufgrund Organtransplantation
oder Neoplasie).
Art und Dauer des Komplexe und lang- Art und Dauer ist einziger Risikofaktor. Vorgängige Mundspülung
zahnmedizinischen dauernde mit�0,2% Chlorhexidin.
Eingriffs zahnmedizinische Mehrere Risikofaktoren. Tabelle 3.
Eingriffe.

Keine evidenzbasierte
definierte Zeitdauer.
Konsensus: Eingriffe,
die >60 Minuten
dauern, gelten
als�langdauernder
Eingriff.

Da keine substantielle fachliche Grundlage für die


Tabelle 3. Vorgehen bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren.
Dauer vorliegt, können – in Anlehnung an die australi-
schen Guidelines (siehe Tab. S im Anhang des Online- Bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren (Tab. 2) sollte zusätz-
Artikels, [ ]) – die ersten drei postoperativen Monate lich zu einer Mundspülung mit 0,2% Chlorhexidin eine
systemische antibiotische Prophylaxe erwogen werden.
als Risikophase betrachtet werden (Tab. ). Es ist gut
Die Konstellation mehrerer Risikofaktoren (inkl. nicht
möglich, dass diese Zeitperiode in zukünftigen Empfeh- verschiebbarer Eingriff) wird als sehr selten eingeschätzt.
lungen und bei Vorliegen neuer Erkenntnisse weiter re- Aufgrund der Rarität erscheint eine generelle Empfehlung für
eine systemische Antibiotikaprophylaxe nicht sinnvoll.
duziert wird.
Multidisziplinäre Kontaktaufnahme (Arzt zuständig für
Immunsuppression oder Behandlung der Krankheit,
Immunsuppression / Komorbidität Orthopädie sowie Infektiologie).
des Patienten In Betracht ziehen, den zahnmedizinischen Eingriff an einem
Patienten mit immunsuppressiven Medikamenten, Zentrum durchführen zu lassen.

Diabetes mellitus, rheumatoider Arthritis, fortgeschrit-


tener Leberzirrhose, Hämophilie oder anderen im- siko einer Infektion beeinflussen (zum Beispiel Dosis
munkompromittierenden Krankheiten haben per se und Art der Immunsuppression, Blutzuckereinstel-
(und unabhängig vom zahnmedizinischen Eingriff) ein lung, Dauer der Erkrankung etc.). Entsprechend kann
erhöhtes Infektionsrisiko. Naturgemäss sind aber keine generelle Empfehlung zur antibiotischen Pro-
mehr Fälle (absolute Zahl) von Gelenkprotheseninfek- phylaxe abgegeben werden. Bei vielen Krankheiten
tionen nach zahnmedizinischen Eingriffen bei nicht wird keine antibiotische Prophylaxe benötigt [ ].
immunkompromittierten Patienten beschrieben als Die Expertengruppe empfiehlt vor dem zahnmedizini-
bei jenen mit einer Immunkompromittierung [ ]. Die schem Eingriff eine Rückfrage zum Schweregrad der
Anzahl von Fallbeschreibungen lässt keine Risikoana- Krankheit und zum Infektionsrisiko bei der Ärztin
lyse zu. Des Weiteren sind die Krankheitsbilder sehr bzw. dem Arzt, welche(r) die Krankheit diagnostiziert
heterogen und haben zusätzliche Faktoren, die das Ri- oder die Immunsuppression verordnet hat. In der

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RICHTLINIEN 769

Schweiz ist dies typischerweise ein Spezialist (zum Diese Argumente hinterfragen den Nutzen einer syste-
Beispiel Onkologe, Rheumatologe), manchmal auch mischen antibiotischen Prophylaxe. Auch wenn es
der Hausarzt. Das Rational dieser Empfehlung beruht vorstellbar ist, dass ein «komplexer» Eingriff ein er-
auf dem zu erfragenden Fachwissen, ob die Immunab- höhtes Risiko einer septischen Streuung mit sich trägt,
wehr des Patienten derart schwer eingeschränkt ist, rechtfertigt diese theoretische Überlegung eine anti-
dass sie eine kurzzeitigen Bakteriämie ohne antibioti- biotische Prophylaxe in der Regel nicht.
sche Therapie nicht eliminieren kann. Bei schwerer Durch das präinterventionelle Anwenden einer , %
Immunkompromittierung (zum Beispiel Aplasie auf- Chlorhexidin-Mundspülung kann die Bakteriämiein-
grund hämatologischer Grunderkrankung) sollte Kon- zidenz nach Zahnextraktion (nach ca. bis Minuten)
takt mit einem Zentrum aufgenommen werden (Tab. ). im Vergleich zu Plazebo deutlich gesenkt werden ( %
versus %, p = , in [ ]; % versus %, p < , in
Art des zahnmedizinischen Eingriffs [ ]). Diese Reduktionszahlen sind vergleichbar mit
Wie bereits erwähnt finden nach zahnmedizinischen jenen einer systemischen antibiotischen Prophylaxe
Eingriffen häufig Bakteriämien statt [ ]. Auch neuere [, ].
Arbeiten zeigen eine kumulative Bakteriämieinzidenz Aus Sicht der Expertengruppe wird deshalb eine prä-
nach Zahnextraktion von ca. % ( % mit antibio- interventionelle Mundspülung mit , % Chlorhexidin
tischer Prophylaxe). Die Bakteriämie dauert ca. bis empfohlen (Tab. ).
Minuten (bei wenigen Patienten bis zu Minuten)
[ , , ]. Die Inzidenz der Bakteriämie nach einmali- Dauer des zahnmedizinischen Eingriffs
gem Zähneputzen lag in dieser Studie bei %[ , ]. In Analogie zu anderen chirurgischen Eingriffen geht
Diese Arbeiten lassen folgende Schlussfolgerungen zu: man davon aus, dass bei länger dauernden Eingriffen
Eine antibiotische Prophylaxe kann zwar einen Anteil das Infektionsrisiko zunehmend steigt.
der Bakteriämien reduzieren, aber nicht vollends ver- Für den Begriff «langdauernder zahnmedizinischen
hindern. In der Regel kann die Immunabwehr des Kör- Eingriff» gibt es keine Definition. In einer Arbeit, bei
pers (auch bei Vorliegen von Komorbiditäten wie zum der drei Patienten mit Gelenkprotheseninfektionen
Beispiel Diabetes mellitus) diese kurzzeitigen Bakteri- nach zahnmedizinischem Eingriff beschrieben wer-
ämien ohne antibiotische Therapie eliminieren. Das den, dauerte die Intervention Minuten [ ]. In einer
tägliche mehrfache Zähneputzen hat eine höhere ku- weiteren Arbeit wurden die Krankengeschichten von
mulative Baketeriämieinzidenz als eine einzelne Zahn- neun Patienten analysiert. Die zahnmedizinischen
extraktion. Eingriffe dauerten bis Minuten [ ]. Aufgrund
dieser kleinen Fallserien wurde in früheren Empfeh-
lungen ein zahnmedizinischer Eingriff, der länger als
Das Wichtigste für die Praxis Minuten dauert, als erhöhtes Risiko bezeichnet.
Eine statistische Assoziation ist jedoch bei diesen Fall-
• Eine zahnärztliche Untersuchung vor Implantation einer Gelenkprothese zahlen nicht möglich. Gegen eine fixe Zeitgrenze
ist empfohlen. Dadurch könnten potentielle Infektfoci frühzeitig entdeckt spricht auch, dass bei einem kleinen Prozentsatz von
und vor Einbringung des Fremdmaterials behandelt werden. Probanden ( %) auch noch Minuten nach dem Zäh-
• Nach Implantation einer Gelenkprothese sollte der zahnmedizinische neputzen oder einer Zahnextraktion eine Bakteriämie
Status regelmässig beurteilt und auf entsprechende Dental- und Mund- nachgewiesen werden konnte [ ].
hygiene hingewiesen werden. Arbiträr wird der Begriff «langdauernder zahnmedi-
• Es ist wichtig, zwischen Interventionen wegen einer Infektion und Ein- zinischen Eingriff» im Sinne eines Konsensus als
griffen aufgrund einer zahnmedizinischen Krankheit ohne etablierte Infek- > Minuten definiert. Hierfür gibt es keine wissen-
tion zu unterscheiden. schaftliche Grundlage. Aus Erfahrungswerten kann
• Bei Gelenkprothesenträgern mit einer etablierten Infektion (zum Beispiel gesagt werden, dass ein zahnmedizinischer Routine-
Abszess) wird eine antibiotische Therapie nach zahnmedizinischem/-chi- eingriff selten länger als Minuten dauert.
rurgischem Eingriff empfohlen.
• Eine antibiotische Prophylaxe bei einem zahnmedizinischen Eingriff ohne
Fazit bei sogenannten «Risikogruppen»
etablierte Infektion wird nicht empfohlen.
• In Ausnahmefällen (Patienten mit multiplen hypothetischen Risikofaktoren Keiner dieser erwähnten Parameter rechtfertigt als
für eine septische Streuung mit konsekutiver Gelenkprotheseninfektion) einzelner Risikofaktor die Anwendung einer antibio-
kann eine antibiotische Prophylaxe erwogen werden. Diese Ausnahme- tischen Prophylaxe. In sehr seltenen Fällen kann es zu
fälle sollten mit Fachspezialisten besprochen und eher an einem Zentrum einer Kumulation von mehreren Risikofaktoren kom-
behandelt werden. men (zum Beispiel: Patient mit mehreren immun-

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RICHTLINIEN 770

suppressiven Medikamenten aufgrund einer Lungen- des Departments für Infektiologie, Inselspital Bern, vorgestellt.
Wir danken Prof. M. Bornstein (Zahnmedizinische Kliniken der
transplantation plus Hüft-Totalprothesen-Implantation
Universität Bern) für wertvolle Anregungen. Auch danken wir
vor Monaten plus komplexer und langer zahnärzt- Dr. med. med. dent. Christoph Villiger, Basel, und Dr. med. Raphael
licher Eingriff geplant). Tièchie, MHA, Grenchen, für die kritische Durchsicht des Manuskripts
und wertvolle Anregungen.
Die Expertengruppe erachtet es nicht als sinnvoll, für
diese Einzel älle eine generelle Empfehlung bezüglich Disclosure statement
einer antibiotischen Prophylaxe abzugeben. Eher soll- Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
ten diese Fälle sowohl zahnmedizinisch wie auch in-
Korrespondenz:
PD Dr. P. Sendi fektiologisch mit Fachspezialisten besprochen und Literatur
Die vollständige nummerierte Literaturliste inkl. Tabelle S finden Sie
Universitätsklinik für eher an einem Zentrum behandelt werden (Tab. ).
Infektionskrankheiten, als Anhang des Online-Artikels unter www.medicalforum.ch.
Inselspital Bern, und
Institut für Infektionskrank- Danksagung Eine englische Version dieser Empfehlungen wurde im Journal of Bone and Joint
heiten, Universität Bern Wir danken dem directive committee der Schweizerischen Gesellschaft Infection publiziert: Sendi P, Uçkay I, Suvà D, Vogt M, Borens O, Clauss M.
CH- Bern für Infektiologie für die Durchsicht und Unterstützung dieser Antibiotic Prophylaxis During Dental Procedures in Patients with Prosthetic
Parham.Sendi[at]ifik. Empfehlungen. Der Inhalt dieses Artikels wurde am interdisziplinären Joints. J Bone Joint Infect. ;: – . doi: . /jbji. . Available from
unibe.ch Seminar der zahnmedizinischen Klinik der Universität Bern und http://www.jbji.net/v p .htm

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