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J(Umm
Endodontologie
l.dwbuc:h ftlt Stvdium und tsmd
Dtuti<ht.r bhn.htteVerfas
W. Klimm
Endodontologie
navra pet.
Alles fließt.
II
W. Klimm
Endodontologie
Lehrbuch für Studium und Beruf
2. überarbeitete Auflage
Copyright o 2011 by
Deutscher Zahnarzte Verlag
Dieselstraße 2, 50859 Köln
54 3 21 0 / 612
Vorwort zur 1. Auflage
Oie ~ndodontologie gilt als inte!,'Tale wissen- Jung, der Qualitätsrichtlinien der Schwci-
schaftliche Disz.iplln der Zahncrhallungs- z.erischen Zahnäflte-G~ellschaft und der
1..-unde und Be~tandteJ I des zahnarztliehen Erkenntnisse der beweisgestützten (evi-
Curriculums. Sie ist die Lehre von Gesund- dence-based) Zahnmedizin
heit und Krankheit des Pulpa-Dentin-Sys- ~ Darlegung allgemeiner Voraussetzw1gen
tems sowie der peri- und Interradikulären für eine erfolgreiche Endodontie: Qualifi-
Gewebe. Ausgehend von ihren morpholo- kation und ~pczialisierung, Indikation
gisch-physiologischen Grundlagen b€fasst und Kontraindikation, Standardisierung,
sie sich mit der Diagnostik, Prävention und Rationalisierung tmd Visualisierung,
Therapie der Erkrankungen und Verlet.wn- Asepsis und Anti ~epsis
gen der genannten Gewebe. Dabei dürfen ~ Abhandlung der ätiologisch-pathogene-
Entwicklungsstörungen nicht unberücksich- tischen, hlstopathologischen, histobak-
tigt bleiben. Die Endodontie ist gleid15am teriologischen und diagnostischen
der praktische J<ern der Endodontologie. Grundlagen der endodonllschen 1llera-
Somit wendet sich das vorliegende Fach- pie
buch an den Studierenden, Wh~en~ct1aft ier ~ Vermittlung ('iner präventionsorientier-
Die 2003 erschienene I. Auflage der nEndo· Kieferheilkunde trafen 2007 eine Koope-
dontologie - Grundlagen und Praxl\" stand rationsvereinbarung 7.ur Einführung ei-
unter dem Mono lleraklits "Alles fließt". Ge- nes modularen Systems der postgradua-
treu dieser Sentenz war es an der Zeit, das len 7ahnär7.tlichen Fort- und Weiterbil-
Buch zu aktualisieren. Handlungsbedarf be- dung.
stand insofern, als eine Reihe von neuen Er· .4 Der Wissenschaftsrat veröffentlichte
kenntnissen, Entwicklungen, Richt- und 2005 Empfehlungen zur Weiterentwick-
Leitlinien, Fmpfehlungen sowie Verordnun- lung der Zahnmedizin an den Universitä-
gen und Stellungnahmen benicksichtigt ten in Deutschland.
werden mu\\te: .4 Die Association for Dental ~ducatlon ln
.4 Die f.mopäische Gesellschaft flli Endo- Europc stellte 2008 das Konzeptpapier
dontologie legte 2006 neue Qualitäts- .,Profile and Competences for Dental
richtlinien endodontischer Behandlung Education in Europe" zur Diskussion.
als Konsensuspapier vor. Der Enclodon- .4 Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
tie- l~eirat der Deutschen Gesellschaft für - 1-lerz- und Kreislaufforschung und die
Zahnerhaltung veröffentlichte 2005 die l,aui-Ehrlich-Geselbchaft fUr Chemothe-
Stellungnahme "Good clinical practice: rapie gaben 2007 eine aktuelle Stellung-
Oie Wur7ell..andlbehandlung". nahme zur Prophylaxe der infektiösen
.4 lm Auftrag der Deutschen Gesellschart Endol..arditis ab.
für Mund-, Kiefer- und Ge\icht~chirmgie .4 Das Robert Koch-Institut publizierte 2006
und der Zahnärztlichen Zentralstelle die aktuelle E.rnpfehJung zur lnfektions-
Qualltätssichenmg erfolgte 2007 die Ver- prcivention in der Zahnheilkunde.
öffentlichung der Leitlinie "Wurzelspit· .4 Selbstredend ging auch die Entwicldung
7enresel..tion". auf dem Sektor der endodontischen Ma-
.4 Nach dem Entwurf der neuen Approba· terialien, Instrumente, Geräte und Tech-
tit>nsordnung für 7.ahnär7te gelten im niken weiter.
fächerkanon der Zahnerhaltung die Ka-
riologle/Zahnhartsubstanzlehre, Endo- Mit diesen Al..tualisierungen erhebt die 2.
dontologie, Parodontologie und Kinder- Auflage der" Endodontologie - Lehrbuch tür
7ahnheilkunde als eigenständige Prü- Studium und Beruf" wie ihre Vorgangerin er-
fungsfächer. neut den hohen Anspruch einer evidcm:ge-
.4 Die :-.lovelle der Röntgenverordnung ~tüt7ten und universellen Endodontologie.
wurde im zahnärztlichen Bereich umge- Somit verfolgt sie die Intention, sowohl wis-
setzt. senschaftliche Grundlagen des Fachs als
.4 Die Bundeszahnärztekammer, die Deut- auch eine durch wissenschaftliche Beweise
sche Gesellschaft fur Zahn-, Mund- und untermauerte (evidence-based) klinische En-
Kieferheilkunde und der Verband der dodontologie zu vermitteln. Dabei werden
Hochschullehrer der 7..ahn-, Mund- und unterschiedliche F\idenzgrade akzeptiert,
VIII Vorwurt
die von der Expertenmeinung bis zur Meta- Klimm, meiner Ehefrau, G. Oßwald, G. Bell-
analyse randomisierter kontrollierter Stu- mann \owie den Herren Dr. med. G. Gart~
dien reichen. Von dem Ziel einer systemati- und Dr. med. G. Buchmann gebührt mein
~chen, verständlichen und praxisbezogenen herzlicher Dank für ihre konstruktive Untl•r·
Darstellung wurde auch in dieser Auflage Stützung bei der Erarbeitung dieses Werkes.
nicht abgewichen. So musste denn auch an Außerdem bedanke ich mich aufrichtig bei
den zielsicheren Behandlungssystematiken den Damen Dr. I. jachmann und ß. Pietsth
festgehalten werden, die Behandlungsschrit- mwie bei den Herren J>rof. Dr. H. Wegner (t),
te, Behandlungsmittel, Behandlungsmodus, Prof. Dr. R. Koch, IJr. T. Klinke und IJr. IJr. M.
Behandlungsziel und Behand lung~bedin Schneider. Der Deut~che Ärzte-Verlag hat d1e
gungen beinhalten. Als Lehrbuch soll diese Entstehung des Werkes verständnisvoll und
aktuali~ierte ~ndodontologie in bewährter großzügig begleitet. Frau U. Blechschmidt
Weise die endodontologische Ausbildung und der Abteilung llerstellung bin ich zu be-
der Zahnmedizinstudenten und als Fach- sonderem Dank verpflichtet.
buch die postgraduale fort- und Weiterbil-
dung der endodontisch täUgen Kollegen Dresden und Leipzig, September 20 10
hilfreich begleiten. Hermann Wolfgang Klimm
Den Damen Dipl.-lng. M. Staat, meiner
ehemaligen Chefsekretärin, Dr. med. E.l.
_.- ,x
Autorenverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
3 Ätiologie und Pathogenese der Pulpitis und Parodontitis apicalis . . . . .. . ... . . . ... . 113
3.1 Ursachen der Pulpitis und Pulpanekrose - 115
3.1.1 Mikrobielle Ursachen - 115
3.1.2 Physikalische Ursachen - 122
3.1.3 Chemische Ursachen - 124
3.2 Pathogenese der Pulpitis - 129
3.3 Mikroflora des infizierten Wurzelkanals und der apikalen Parodontitis - 134
3.4 Pathogenese der Parodontitis apicalis - 142
3.4.1 Pathogenese der Parodontitis apicalis acuta - 142
3.4.2 Pathogenese der Parodontitis apicalis chronica - 143
3.4.3 Pathogenese der radikulären Zyste - 144
Literatur - 145
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . 461
1 Struktur- und molekularbiologische
Grundlagen der Endodontie
Literatur . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . 83
.
3
II. w: Klimm
1.1 Morphogenese der Zähne Die Zuwachszähne (M1. M2, ~hl sind Pro-
dukte der dhtal verlängerten generellen
jeder Zahn entsteht durch lntera!..tionen Zahnleiste (s. Abbildung 1.2). Die Zuwachs-
von Zellen de~ Fktoderms und Ektome- .tahnanlage des I. bleibenden Molaren ent-
scnchyms.
Mundhohl..
q><thel
primattS Ep.thfolb.ll'd
(4.-6 WO<he)
Z.hnk.\ppt
(1.-12. Wach<)
ZuwxMza~Nnlilge
I Mol>r
{11.-1\ Wach<)
Xl!m<l>glock<
(12.-16. Wach<)
~reit Zill'l"lelrtt:
liltef"iiiC Zilllnk-l~te
Eniltn~hnl<'•ste
(~ Monat nxh Ovu,.tlOtl)
Epöthcl
oplthcl J Zierung wahrend der
Z.lhnentwicklung (Mo-
Epll~··· I
~~ J DENTI N difikation nach Thesleff
•trdockullj! v Odonto et al 1995)
1,1-utrn
Mur>d
.., lh<l J V ''•odo.\to
I>WIItn
VW.n
v Mown<""f'r>-
vetdd'lt~Jfti
popollo
Mesenchym
Entwicklungszeit
9. l)u~ Odontobla\ten veranla\\tm die Pra- ren Bmp2 und Bmp4 .1us. Bmp4 lässt sich be-
amcloblas ten zur Bildung der Ameloblas- reits im verdickten l'.plllwl nachweisen und
ten (Srh mellbildung). wandert in da~ ve rdichtete \1esenchyrn (Vai-
nio et al. 1993[. Bmp2 und Bmp4 stimulieren
die Expression der llomeohoxgene MSXI
1.1.5 M olekulare Vorgänge der [Macl<.enzie ct al. 1991( und \1!1XZ ('-'1acken-
Morphogenese 7ie et a I. 1992] (Homologe du l lomroboxge-
ne der fruchtf11ege Drosophila) im benach-
Die molekularen \ orgänge der epllhelial-me- barten Mesenchrm [\\..tng et al. 1998[. Die
sench) malen Interaktionen der lahnmor- \'erdichtung der Mesenchymzellen in der
phogene\t.' wt>rden seit den 90er-Jahren dc~ Umgebung der epithelialen Zahnknospe
20. Jahrhunderts mit rasa ntem Tempo aufge- wird außerdem von der Expression des Zello-
1-.. l,irt. Dic\c In teraktionen werden durch Sig- berflächenprotcogl} !..an\ Syndecan (Vainio,
nalmolckule vermittelt, welche die Zelll-..om- TllCSieff 1992), des l'Xtrazellul;iren Ma trix-
munlkatlon bei fmbryonen- von der Fliege proteoglykans Tena~dn (Vainio ct a l. 19891
bis zum Menschen regulieren Die meisten sowie der Transkriptiomfal-..toren I grl
bloal-..thcn \1olel-..ulc gehören 4 Proteinfami- (Krox20), 1'\-Myc und Lcfl (I ymphoid en-
lien an Hmp (Hone morphogenetic pro- hanccr-binding factor) begleitet ['1 hesleH
tcm~). Fgf (llbroblast growth factor), Hedge- et al. 19951 ~1sx 1 konnte eine "ichtige Rol-
hog und \\ nt (Wingless-typc). Kurzlieh \\ur- le bei der Bildung des bere1ts erwahnten
den vef\chicdene Genmutationen, d1c nut S<:hmelzknotem wahrend des Kappensta-
dem ~ignalnetzwerk assoziiert sind, als Ur~ diums spielen Die lxprl'\\1011 der c.ene SHH
the fur Zahnfehlbildungen erl-..annt (ThesleH (SonJC hedgehog), BMP und I'GF im Schmelz-
20001 1-..noten impliziert, d.m der ~chmelzknoten
Die epithelial-mesenchymalen lntl'rak- als SignaiLentrum dl'r 7..ahnrnorphogencse
tionen w.ihrend der Zahnentwicl-..lung kön· gelten kann [Tucker, ~harpe 1999].
m·n nach I hl'~leff et al. (1995] al\ Ka\1-..:ade Fgf stimuliert die Mesl'nchymprolifera-
wechselseitiger mo lekularer !lig nalwir- lion während des k.appemtadiUJm. l\och
1-..ungen h\>trachtet werden (\. \bb1ldung 'or der Odontoblastcndiffercn7ierung findet
I 6). l'rimare ~ignalwirkung geht nach \il'i· die Expression \'On 8\11'2 und T<.. Fp 1 (Trans-
nung der \utoren \On den Wachstumsfal-..to- forming grO\\ th factor) stall l)ie epithelial-
1.1 Morphogcne5c der Zahne *fj.jiGII 7
BMP-2
Z..hn~pll<
BMP-4
M esenchym
IArsen<hym·
rc;n TCf i)H
8/AP-2
vttdlchtung
SMP-4
J
FGF-l
BMP_.
TGF-j\1
zervikale Schlinge
Zahnsackehen
- - - lntertubulares Dent•n
M•n~r•l ~t100sf•011l
•lies Pr~ntin
- Junges P~dent~n
?oi--1~--::::;~J--~--:-,JA:....Io!~- Sthtu,sleistenn.tz
1----+-- Ntrvtnend gung
-+-- Odontobb~ Odonto
bl.l\ttn
zone
Wt.l
Zone
b po~re
Zone
10 1 Struktur· und moltkularbiologosche Grundlagen der Endodontie
Abb. 1.10: Randzonen der normalen Pulpa: (a) Odon- Abb. 1.11: Kernzone der norm.alen Zahnpulpa
toblastenzone, (b) kernarme subodontoblast osche
Zone (Weilsche Zone), (c) kernreiche (bipolare)
Zone
12 O~s Pulpa Oenlon·S~tem *:;).11011 11
llt:rten Mesench}mzellcn liegen sie in akti- pulation der pulpalen lmmu111ellen. l\ach
\l'm (llbroblasten) oder inal-.11\ cm (fihrory- der lmtdeckung von (.1)4•- und CD8•-T-
tcn) Funktionszustand vor [Da\ is 1986]. Das Lymphozyten in der norm,lien menschli-
Zylopla,ma der akliven Fibroblasten er- chen Pulpa durch Jontcll l'l al. (1987] sind
scheint vergrößert. Es enthalt ein ausgepräg- heute T-lymphozyten bel..annt, die
tes endoplasmatische\ Rctil..ulurn und einen <..D4SRO exprimieren (lromi et al. 1995]. R-
gut entwickelten Golgi-,\pparat. Das Zyto- Lympho7yten werden in der intal..ten l'ulpa
pla,rna der inaktiven fibrozyten r'>t verkler- nur veremzelt (I Iahn et al. 1989[, MastLeiJen
nert, seine Organellen sind redu?jert oder gar nicht angetroffen. Die von jontell et al.
nicht mehr vorhanden. Drc Hbroblasten sind [I 987[ in der norma len menschlichen Pulpa
Kollagenproduzenten [Weinstock, Leblond erstmalig beschriebenen dcntrltischen Zel-
1974[ t\ußerdem produzieren sie Proteogly- len \prelen in der pulpalen Immunabwehr
kane und LlykosaminoglykJnc. Da sie ande- eine bedeutende Rolle.
rcr~ils ubt'~hüssiges Kollagen rl'50rbieren
konncn [ Iomeck 1978[, sind die I ibroblasten Grundsubstanz
für den Kollagenumsat.' verantwortlich Die gel· oder gallertartrgc amorphe Grund-
[Trowhridge, Kim 1998[. Die Bildung sekun - sub\tan7 der Pulpa wird als extrazelluläre
d:lrer OdorHoblasten ,rus Fibrobla~ten Ist Matrix bezeichnet (Trowbrldge, Kim 1998[.
denl..bar (Fitzgerald et al. 1990). Diese cnth.ilt Glykmaminoglykane (Hyalu-
\1\ I· rsatz- oder Reser' e7ellen der Pulpa romaurc <..hondroitlnsultat) und andere
werden \'Oll einigen Autoren undifferenzier- Glykoproteine (Embcry 1976; Mangkom-
tc Mcwnch)m?ellen betrachtet !>ie smd ent- l..arn, Stemer 1992). Drc (,rundsubstan7 um-
lang der Kapillaren und in der l..crnreichen gibt und stützt die pulpalen Strul..turen und
Zone angC\iedelt. Als plurrpotcnte Zellen ist Iransportweg fur Nah~toffe ~owie Stoff-
J..önncn ~ie sich je nach Bedarf in Fibroblas- Wt'<.hwl- und Ausscheidungsprodukte (Pash-
ten, sckundare Odontoblastcn, Makropha- ley, Walton 1994]. Sie "ist der UmschlagplaiL
gen oder Dentinoklastcn differenzieren und Vermittler im Zcll~toffwechsel ?whchen
(Smul\on, Sierasl..i 1996) \ndere Autoren der (,efaßwand und /ellcn~ (Schumacher ct
sind der Ansicht, das\ das Rescn epotenzial al. 1990). Die langen Glyl..maminogl} kan-
din:l..t l>t:r den Fibroblasten liegt [Trowbridgc, kcttcn \Orgen fur \\'a~wrretention . Durch ih-
Klm 19911(. ren hohen Waswrgehalt (etwa 90'lt>) bildet
ln den Maschen de'> l'ibro7ytennetLes der die (,rund~ubstall? gleichsam ein \\'asserkis-
gesunden Pulpa liegen freie Zellen wie Ma- scn, das Zellen und Gefäße schüt:Lcnd um-
l..rol>hagen [Avt>ry 1976), l .ymphozyten grbt [I rowbridge, Kim i99R).
(Selt7l'r. Bender 19841 und deniritisehe Zel-
len Uontcll et al. 1987). Src gelten al~ im- F;aser;apparat
munl..ompetente Zellen der Pulpa UonteU Die Bindegewebsfasern der Pulpa bilden ein
et al I998). Die Mal..rophagen oder Histio- dreidimensionales C.itternctz, das die Lefaßc
Z) ten sind offenbar dre haufigsten Immun- und Nerven stützt w1d nutrili\'e runl..tionen
LeUen de r norma len Pulpa Sie sind von run- crfullt (Schumacher et al. 1990). L.s handelt
der, ovaler, spindeiförmiger oder deniriti- \Ich um kollage ne ribrillen, Fasern und Fa-
seher Ge~tah. Al~ MonoLytcn \ind sie aus serbundel \'Om J<ollagcnt~(l I und 111 Dre
dt-m Klutstrom ausge,,andert und pcrivasku- l..ollagcnen raserbündel sind im apil..alen Ieil
l:ir lol..ali~rcrt Sie fungrercn al\ \a\fresser" der \\'ur7elpulpa besondtr'l dicht angeordnet
[Trowbridge, Kim 1998(. lkr den Makropha- (TrO\\ bridge, Kim t 99R, 'i<:hr~der 2000). Al-
gen handelt es sich um die zahlreich~te Po- lerding\ wird die t:.xisten7 eines Mischgewe-
12 1 Struktur und molelcularboologosche Grundl;agen der Endodontie
Abb. 1.12: Nervenfaserbundel (n) der Pulpöt Abb. 1.13: Gef.lßbaum der normalen Pulpöt
1.2 Das Pulpa-Dentin-System e;;J ,IIQII 13
0 D
NCP
Dentin
PG
t-- - - Prädentin
Ca++
l 1- - - - Odontoblastenfortsatz
r - - - Schlussleistennetz
1r---oc:;--tJ1f=~5===t= Desmosom
Sekretgranula
00
0 E--- +--
~---+--Nexus
apikales Er
0 - - f- - supranukleares Er
/'"""".,...--:--1-- Zona occludens
-J'--- Odontoblastenkörper
•
\
(a+<
die Zellkorper miteinander vert:mt und sie Die organhelle cxtratellularc \1atrix dc~
vom Odontobla\tt-nfortsau abgrcn?t. Oentms wird von dem reifen Odmlloblastcn
Der Odon toblastenfort!><ltz •~t der sl'kreto- und dem Odontobla'>tcnfortsat7 auf 2 Ebe-
n"<he Pol dt:\ Odontoblasten (\J..aiJ, Garant nen ~e7erniert an der Basi~ dt-s Odontoblas-
1996). Er dureillicht das Pradcntm und pene- llnfortsat7~ m der Nachbarschaft der Odon-
triert die Denlinkanakhen. F.r !)\:steht au~ ei- tobl.l~tenkör~r und am distalen Ende des
nem dickeren Stamm, der ~ich teilen kann, Odontoblastenfort\atll!~ in der '\aht> der Mi·
und mehreren dunncren lateralen A\ten [Lin- neralisationsfront. Die extrazellulare Matrix
de. Goldberg 1993). Der Odontoblastenfort- be~teht aus cint>m <.emisch von Kollagenen,
\dll enthalt keine Organellen fm die Synthe- nich t kollage nen J>roteineo INCP), ande-
se von Makromolekulcn, wohl aber \ esikel, ren Matrixkomponenten und \\achstums-
die an der Lxo1yto~e und F.ndolytose teil- faktoren (Butler, Ritchie 1995; Goldberg ct
nehmen. Die Vesikcl sind in ein Netzwerk al. 1995). Oie Kollagene liegen ulx'rwit'gcnd
von \iikrotuhuh und Hlamentcn eingebettet. al\ Typ-I-Kollagen, in geringen Mengen als
lyp-V-Kollagen (Sodek, \1andt'lll9H2) \OI\JC
lkr Odontnhla~t Ist fur di(· \vnthl·'c. Se- als lyp-VI-Kollagen vor. Zu dt'n nicht kol-
kretion und Rcabsorption der organi- lagcm:n Proteinen tdhlen die dentinspezi-
\<hen Matri \ lx'i d er l)f;'n tmlllklung " er- fischen Proteine wie De n linp hmphopro-
an l\\ Ortl k h (Linde, Goldlx'rg 199.i). tei ne CDPP), Dentin sialoproteine (OPP)
l2 o~s Pulpa Dentin System •:m;n11 n
sern im Manteldentin ist nach wie \·or ~lrit· Mmcralisationsfront vollzieht ~iLh eme glo-
tig [Schroeder 2000). Die anorganische Phase bulare Minerali~ation . Zunäch~t sind daher
de~ Manteldentins besteht au\ Hydro.\-ylapa- ehuelne Mineralisationsbä.lle oder Kalkglo-
tit. Da.~ Manteldentin enthalt keine Dentin· buli (s. Abbildung I 2 1) feststellbar 1.he aber
kanalchen, manchmal jedOth dunne Canali- ~pdter zu einer weitestgehend homogenen
culi. Seine mineralischen Glol>ular~trukturen Dentinmasse konfluieren. l\1cht oder hypo-
sind in etn Net1.werk interglohulären Den- mineralisierte Bereiche he ißen lnterglobu·
tins eingebettet [I inde, Goldberg 1993). larbc.:irke oder interglobuläres Dentin und
'ICht oder nundermineralislertt' lnterglobu- gelten al~ StruJ..turfehler (s. Abbildung 1.22).
larbezirke de' \lanteldentins der Zahnwurzel Die Ausbildung de\ ZuJ..umpulpaldentim er-
werden als Tomessche Kornc"'ch icht be· folgt rhythmisch [Schroeder 2000[ Ausdruck
7cichnet (~. Abbildung 1.20). der Sekretiom- und MlnerahsatiomrhytlumJ..
Das zirl..u mpulpale Den tin stellt die \ind die von P.bnerschen Linien oder
Hauptmasse dö Dentins dar und reicht ,-on Wach stumslinien. Der Abstand ;whchen 2
der Odomobla\temchicht b1\ Lum \lantel- Wachstumslinien IMragt etwa 20 1Jm. Die im
dentin. Goldberg et al. (1995) haben es in \b~tand von 4 1-1m dazwischen hegenden fe•·
intertubularc\ und peritubuH~rc~ Zirkum- nen Schichtlinien eriJaren die tägliche Den-
pulpaldcntin eingeteilt. Da~ intertubuläre tinhildung in einer Schicht~tluke von 4 1-1m
/irkumpulpaldentin wird, wic ~re1ts be· [Kawa~aJ..i et al. 1980]. Hypomineralisierte
schrieben, durch 2 simultan ablaufende Pro- versta.rkte Wach~tum\hnien sind als Owen-
le\se geb1ldct· I durch d1e ßerc•t,tellung dc~ \che Konturlinien bekannt. Sie entstehen
organischen PrJtlentins und 2. durch die Mi· wahrend der ( .cburt oder durch pmtnataJe
neralisalion dc~ Pradentim an der Minerali- KlnderJ..rankhciten . Indiz fur die ruhende
~tionsfront. Somit sind 3 Schichten betei- Dentinbildung w.ihrend der Gehurt ist die
ligt· die Odontoblastensch•cht mit /ellkörper ~eonatal- oder Geburtslinie der \lilchlilhne
und Zellfort~tz, da.s Prädentin und da.s mine- und ersten bleibenden ~lolaren.
ralisierte Dentin. Das intertubu!Jre ZirJ..um- Die Denti n kanalehen (Dent intubuli)
pulpaldentin wi rd erst dann mineralisiert, durchziehen al\ Rohrcheruystem ;u Hun-
wenn das Pr<~dcntin einen lx>\tlmmten Reife- dl.'rttau~endcn das 7irkumpulpa le Dentin (s.
grad erreicht hat [Schroeder 2000). Dadurch 1\bbildung 1.2.i). ~ie beanspruchen b•s JO'~
ist die Minerali'>.ltionsfront Ch\.l S-20 1-1m dl'\ gl'Silrnlt>n Dt'ntin\'Olumem JTrowbridge.
vom Odontoblasten~um entfernt. An der Klm 1998]. Im KronenbereiCh \CTiaufen sie
Abb. 1.19: Manteldenim (m) als erstes Produkt der Abb. 1.20: Tomessche Komerschocht (lk) o~ls Aus-
jungen Odontoblasten mot Gabelung der Odonto- druck ungenügender Dentinmineralisation im
blastenfortsatze (g) und Schmelz Oentln-Grenzl! Manteldentin der Zahnwurzel
(sdg)
l2 Das Pulpa-Dentin-System *MIQII 11
Abb. 1.lS: Anlagerung von pentubularem Zirkum pul· Abb. 1.26: Tertl;udentin mit irregularen Dentin
paldentin (pzd) an die Wand des Dentinkanälchens st rukturen in Form unregelmaßig angeordneter
und verbliebenes Lumen des Tubulus (I) {REM) und nummerisch reduzierter Dentinkanälchen
1.2 Das Pulpa-Dentin-System *:fj.JIOII 19
Tab. 1.1: Physikalische Eigenschaften des Dentins im Vergleich zum Schmelz (nach Bowen und Rodri-
guez 1962, Lehman 1967, Smith und Cooper 1971, Craig 1993, Sano et al.1994, Watanabe et al. 1996)
Param~er Schmelz Dentin
Insgesamt oberflächliches mittleres pulpanahes
Knoop-Härte 343 68
Elastizitätsmodul (GPa) 84 11-19
Scherfestigkeit (MPa) 93 138 90 45
Zugfestigkeit (MPa) 10 37-94
ubemiegend vom lyp l und nur geringfügig Schwano-Zellen umgeben, ohne dass eine
\'Om Typ V. Die nicht kollagene Matrixkom- Myelinspirale vorliegt [Smulson, Sieraski
ponente set7t sich aus Proteoglykanen, J>hos- 1996]. ln jugendlichen Prämolaren konnten
phoprotcincn, Gla-Protcincn (y-Carboxyglu- oberhalb des Apex 312 myelinisierte Ach-
tamiruaure), Glykoprotemen, Pla~maprotei sem:ylinder (Axone) nachgewiesen werden
nen, Lipiden, Zitronen- und Milchsäure r>~air Cl al. 1992), in Ecklähnen 361 und in
zusammen [Schumacher et al. 1990). Schneidezahnen 359 Uohnsen, Johm 19781.
Dentin zei!,rt eine geringere llärte als Mehr als 93% der myelinisicrtcn apikal ein-
Schmelz. Allerdings sind die physikalischen mtindenden Axone stellen AS· I'asern dar,
Parameter de~ Dentim lokalisationsabhängig weniger als 7% Afl-Fase rn [Nair et al. 1992].
{s. Tabelle 1.1 ). Mydinisicrte Fasern sind durchschnittlich
3 J.lm dick. Die nicht myelinisierten C-Fa-
Dentin dient ah Stres~hrecher oder Stoß- sern sind mit einem Durchmesser von
dämpfer des Schmelzes (Pashley 1996]. 0,25 11m wesentlich dünner INair, Schrocder
1995]. Die 7..ahl der nicht myelinisierten l·a-
sern im apikalen Drittel des Wur.:clkanals be-
1.2.6 Sensorische Funktion trägt bei Eckzähnen 2240, bei Schneidezäh-
nen 1591 Uohnsen, Johns 1978]und bei Prä-
Die Nerven der Pulpa munden in enger molaren 2000 INair, Schroeder 19951. Der
Nachbarschart mit den Gefäßen als Nerven- Raschkowsche Plexu\ enthält myelini~ierte
raserbundel am Foramen apicale in das i\ö- und nicht myelinisierte C-Fasern. ln der
Zahninnere und durchziehen dieses bis zur kernreichen Zone verlieren die myelinisier-
Peripherie der Kronenpulpa. Hier vcm,eigen ten Fasern ihre Myelinscheide. Die Axone
sie sich unterhalb der kernreichen Zone und de~ Nen·enplexus passieren al~ freie Nerven-
formieren sich zum Raschkowschcn 1\cr- endigungen die kernarme Weilsehe Lone,
venplcxus (s. Abbildung 1.9). Die Ner\en- enden an den Odontoblastenkörpern oder
bt.indel führen \Owohl myeli nisicrte als liehen an ihnen vorüber und umwinden
auch ni cht m yelinisicrte Fasern Uohnsen, ihre Fortsätze korkenzieherartig in den Den-
Johns 1978; Nair 1995; l'rowbridge, Kim tinkanalchen ITrowbndge, Kim 19981. Ver-
1998; Schrocder 2000]. Die afferenten sensi- einzelte Nervenendigungen können 100-
blen '\erven sind endaste des V. Hirnnervs, 200 pm in die Dentinkanalehen eindringen
des N. t rigeminus. Sie werden in myelini- IByers 1984, 19851. La Flecheet al.l19851 ha-
siert {A-Fa~em) und nicht myelinisiert (C-l a- ben transmissionsoptisch festgestellt, dass
sern) unterteilt. Uie Myelinscheiden der A- die koronalcn Nen·enendigungen sogar bis
Fasem werden von Sch wa on -Zellen gebil- in die Nahe der Schrnelz-Oentin-Greme n>r-
det, aber auch die C-fasem sind \·on dringen können. Es schien sich dabei offen-
20 1 Struktur- und molekularbiologische Grundlagen der Endodontle
bar t!her um die Verzweigung eines Odonto- Usche und entliindliche Reize wie in einem
blastenfortsatzes denn um eine Nervenendi- noziz.eptiven Organ zur Wahrnehmung von
gung zu handeln [Nair 1995]. Schmerz. Dabei wird zwischen Dentin- und
Allerdings enthält nicht jedes Dentinka- Entzündungsschmen unterschieden (Raab
nälchen eine Nervenendigung. Im Bereich 1991]. Obwohl die Innervation von Pulpa
der Pulpahörner sind mehr als 40%, im late- und Dentin heute hinlänglich bekannt ist,
ralen Kronendentin +-8%, im Zahnhalsden- bedarf der MC(hanismu~ der Reizübertra-
tin 1% und im Wurzeldentin nur vereinzelte gung im Dentin nach wie vor der endgülti-
Dentinkanälchen Innerviert [Lil)a 1979; gen Klärung. Oie Unsicherheit hinsichtlich
Byers 1984[. Der Abstand zwischen den Ner- der Dentinsensibilität wird durch 3 Theo-
venfasern und Odontoblastenfortsätten be- rien reflektiert (~. Abbildung 1.28): Die neu-
trägt nur 20 nm [Ochi, Matsumoto 1988]. ronale oder Konduktionstheorie besagt,
Bei aller Nähe zwischen Nervenendigung dass freie Nervenendigungen an der Schmelz-
und Odontoblastenfortsatz (s. Abbildung Dentin-Grenze direkt gereizt werden. Diese
1.27) bestehen keinerlei synaptische oder Theorie konnte sich allerdings nicht durch-
elektrotonische Verbindungen [frank et al. setzen, da freie NervenendigLUlgen in der
1972; Arwill et al. 197J; Corpron, Avery Nähe der Schmei7-Dentin-Grenle niemah ~i
1973; Byers 1984; llolland 1990). eher nachgewiesen wurden. In der später
Haupt~ächlich nicht myelinisierte Ner- entwickelten 'I ramduktionstheorie fungiert
ven enthalten vaseaktive Peptide wie CGRP der Odontoblast als Rezeptor und ist über
(Calcitonin gene-related peptide) (Gazelius Syn apsen mit der ervenendigung verbun-
et al. 1987), SP (Substance P) [Oigart et al. den. Auch diese Theorie war nicht aufrecht·
1977]. NKA (Neurokinin A) (Wakisaka et aJ. zuerhalten, weil der Nachweis der Synap~en
1988) und NPY (Neuropeptid Y) [Edwall et ausblieb. Oie meisten Autoren favorisieren
al. 1985j. Zu den nicht myelinisierten Axo- heute die hydrodynamische Theorie
nen zählen auch autonome ~ympathische (ßränmtröm 1966[. Es wird angenommen,
Fasem aus dem Ganglion cervicale superi- dass unterschiedliche externe Stimuli die
ll' des Halssympathikus [Schumacher et al. Dentinflüssigkeil in den Dentinkanäld1en
1990). Sie liegen als Plexus in der Umgebung nach außen (Kälte) und nach innen (Wärme)
der Blutgefäße und als Ncrvenendigungen in in Bewel,•\mg versetzen. Dies führe zur Rei-
Odontoblastennahe. zung der freien Nervenendigungen im mne-
Im J>ulpa-Denlin-System führen über- ren Dentin und in der Nachbarschaft der
schwellige thermi\Che, mechani~che, mmo- Odontoblasten.
Im Rahmen von Sensibilitätstests (s. Ab-
biklung 1.29) applizierte Kälte 7\vischen -20
und -7o•c vermag sogar bei vorhandener
Schmelzintegrität derartige hydrodynami-
sche Mechanismen auszulösen. Auf erhöhte
Temperat\lfen über 45 •c (Nahri 19851 rea-
gieren die C-Fasern aufgrund der tempera-
turbedingten Schädigung der Pulpa (Trow-
bridge, Kim 1998(. Deshalb wird von War·
metests in der Praxis Abstand genommen.
Bei elektrischer Sensibilitätstestung liegt die
Abb. 1.27: Enge Nachbarschaft von Odontoblasten-
fortsatz (of) und Nervenendigungen (n) Im Dentin- Reizschwelle der pulpalen Neurone zwischen
kanälchen (TEM x 14000) 6 und 40 11A [Raab 1991].
1 2 Oas Pulpa· Oentin-System *WIGII 21
Konduktionstheorie ([} l es
.::::::. J_
n A
(• ~?
Transduktionstheorie ... \l
Scaling, Zahnpnege), che m ische (Säure) und den Al>· und Aß-Fasern durch hydrodynam i-
osm otische (Zuckerlösungen) Reil:e ausge- sche Kräfte gereizt. Es kommt dabei zur
löst werden (s. Abbi ldung 1.29}. Nur so lässt druckabhängigen Iinderung der Ionenper-
sich der Dentinschmerz bei freiliegenden meabilität in der rezeptiven Membran der
Zahnhälsen, keilförmigen Defekten, Erosio- Fa~ern. Da~ resultierende Rezeptorpotenzial
nen, Dentinkaries und Füllungen mit Rand- wird bei entsprechender Amplitudengroße
spalten (Mlcroleakage) erklären (Raab 1991). in eine AklionspotenziaUrequen7 umge~etzt
Testergebnis +
Schmerz- reizgebunden reizgebunden reizüberdauernd
qualität lokalisiert kurz lang
stechend dumpf
ertraglieh unerträglich
lokalisiert ausstrahlend
Abb. 1.29: Ergebnis des Sens1bohtätstests und Schmerzqualitat nach Reizung von M-und C-Fasern der Pul-
pa {Modifikation nach Rgdor 1994}
22 1 Struktur· und molekularboologische Grundlagen der Endodontoe
und in den afferenten sensiblen Bahnen des Folge hat. Die~e werden also di rekt durch
1\. trigeminus nun Zen t ralnervensy~tem Noxen und weiterhin durch Neuropeptide
fortgeleitet IDeußen 20011. Die 2. Umschal· und Entzündungsmediatoren (Kinine) ge-
tung der sensiblen Bahnen erfolgt in der Me- reizt. Durch Entzündung und Gewebesthä-
dulla oblongata (Nucleus spinalis K V). Zur digung werden die sensiblen l·asern mit ho-
Projektion auf die Grol~hirnrinde (Gyrus her Reizschwelle, die C-Fasern, erregt. Dabei
postccntralis) erfahren die dur<:h die Brii<:kc werden reizüberdauernde (Klimm 1997J,
(Pons) aufsteigenden Bahnen im Thalamus spontane, unun terbrochene, dumpfe bis po-
ihre letLte Umschaltung (Smulson, Sieraski chende, ausstrahlende, brennende, schier
1996). Nach der Reizung von A-Fasern wird unerträgliche Schmerzen empfu nden [Figdor
ein heller, kurzer, stechender, heftiger, lokali- 1994; Pashley, Walton 1994; Smulson, Sie-
sierter und reiLgebundener Schmerz (s. Ab- raski 1996; Trowbridge, Kim 1998) (s. Abbil·
bildung 1.29) empfunden [Figdor 1994; dung 1.29).
:--:gassapa 1996). Hydrodynamische Stimuli
setzen TUelern an den freien Nervenendigun-
gen Neuropeptide (SP, CGRP) frei. Lctltere 1.2.7 Trophische Funktion
induzieren eine Vasodilatation, die TU erhöh-
tem Pulpadruck führt. Der verstärkte Gewe- Die trophische oder nutritive Funktion im
bedruck wiederum hat eine verstarkte zentri· Pulpa-Dentin-System bedarf einer morpho-
fugale Flüssigl..eitsbewegung in den eröffne- logischen Gnmdlage, des Blutl..reislaufsys-
ten Dentinkanälchen zur 1-olge. Dadurch tems der Pulpa: Die A. dcntalis teilt sich
"'ird die Pulpa vor exogenen Noxen ge- meist in mehrere Pulpaarterien, die über da~
schützt [Mjör, lle}'craas 1998[. Foramen aplcalc oder apikale Ramifikatio-
Die Ursachen für den pulpalen EntLlin- nen in den Wur.1.elkanal eintreten. Außer-
dungsschmerz sind nach Raab (1991] vielfal- dem wi rd die Pulpa durch kleinere Arterien
tig und die Schmerzentstehung läuft in meh- versorgt, die über akzessorische pulpo-des-
reren simultanen Kaskaden ab: Zunachst modootale Seitenkanäle (s. Abbildung
werden die freien Nervenendigungen durch 1.30) oder Kanäle der ßi- und Trifurkatio-
bakterielle Noxen direkt gereizt. Durch dle nen in das Zahninnere gelangen. Die an der
Entzündung der Pulpa freige~etzte Entliin- Wand oder im Zentrum des Wunelkanals wr
dungsmediatoren (Prostaglandine, Hista- Kronenpulpa aufsteigenden Arterien ver-
min, ßradykinin) bewirken Vasodilatation zweigen sich dort mehr und mehr und bil-
und l'lasmaextra vasation. Diese Entzün- den Arteriolen, denen ein dichtes netzartiges
dungsphänomene werden durch 1'\europe(>- KapillargeAe<:ht folgt. Dieser Kapillarplexu\
tide (SP, CGRP) der freien ervenendigun- befindet sich größtenteils in den subodonto-
gen direkt verstärkt. Außerdem werden Vaso- blastischen Gewebszonen der Kronen- und
dilatation und Plasmaextravasation durch Wurzelpulpa [Schroeder 2000j. Seine Schlin-
Neuropeptide auf indirektem Weg erhöht, gen berühren die Odontoblastenkörper (s.
indem Substanz P die Monozyten anregt, Abbildung 1.9). Die peripheren Kapillaren
Hbtamin au~zu\chütten. lmofem gelten die :,ind )tark gefemtert [Dahl, Mjür 1973(. An
Neuropeptide als Entzündungsmediatoren, die Kapillaren schließen sich Venolen an,
die eine "neurogene Enlzilndung" auslö- die .1.unächst mit kleineren und zunehmend
sen. Vasodilatation und Plasmaextravasation größeren Venen verbunden sind. Die Venen
führen zu Druckanstieg und pii-Absenl..ung verlaufen im Gegen~atz zu den Arterien ge-
in der Pulpa, was die Senkung der Reiz- wundener und zeigen ein größeres Lumen.
schwelle der freien Ncrvenendigungen zur Die Gefäßwände enthalten eine verglelchs-
1.2 Das Pulpa·Dentin·System *#hliijll 23
Magistralarterie
- - - Kapillare
1---- - Präkapillare
b - - -- Postkapillare
' - - - - Arteriole
~=-~----=~-J:}---- Venole
l - - - - - - - - - - Anastomose
------ --~
tin und die femteru ng der KapWarwand ge· gegeben, allein der zentrale parasympathi·
deckt werden. Nach ngetaner Schuldigkeit" sehe cholinerge EinOuss auf die Blutzirkula-
ändern die Kapillaren ihr ~.pithel vom ge· tion der Pulpa ist sch wach. Somit wird die
fensterten zum geschlossenen Typ und retra- physiologische Relevan;. dieses autonomen
hieren sich. Systems als gering eingestuft [Oigart 1996j.
Die llämodynamik der Pulpa unterliegt Dagegen ist die vasomolorische Funktion
sowohl der 7entralen als auch der lokalen Re· des sympathischen adrenergen Ncrvcns ys·
gulation du rch das Nervensystem (Oigart tcms unumstritten. Die ~ympathi~chen Ner-
1996j. Von der nervalen Steuerung der Pul- ven bewirken die pulpale Vasokonstriktion
padurchblutung hängen wichtige Funktio- jOgilvie et al. 1966; Ileyeraas T0nder I980J.
nen wie die Ernährung der Pulpazellcn, der Diese l·unktion ist an die Exi~ten7 von Re-
Abtransport von Metaboliten und die Auf. zeptoren und Mediatoren geknüpft. Bei
rechterhaltungdes Gleichgewichts zwischen Katzen und Hunden wird die sympathische
Blut- und Gewebedruck der Pulpa ab. Als Vasodilatation von o. 1-VasoreLeptoren \ 'Cf·
7entrale Steuerung~faktoren der pulpalen rnittelt [Edwall, Kindlava 1971]. Uie o.-Adre-
Durchblutung werden Parasympathikus und norezeptorcn ~i nd bei Ratten offenbar ~o
Sympathikus, als lokale Regulatoren sensible wohl in Arteriolen als auch in Venolen loka·
Nerven und endotheliale Faktoren (Endo- lisiert (Kim et al. 19891, woraus eine selektive
tlleline) der Pulpa diskutiert. In der Tat ~ind Regulation prä- und postkapillarer Sphinkter
alle Voraussetzungen für die parasympathi· resultieren könnte. Existierende ß·Adrenore-
sehe Regulation der pulpalen Hamodynamik zeptoren spielen offenbar keine Rolle in der
12 Das Pulpa-Dentin-System *WJQII 25
Tubulusinhalte
1.2.8 Defensive Funktion Nagaoka et aL [1995] führten die seltenere
bakterielle Besiedelung der Dentinkanalehen
Eigentlich ~ollte man das J>ulpa-Dentin-Sys- bei vitalen Zähnen auf den Inhalt der Den-
tem mit einem .,weinendenu und einem "la- tinkanälchen und dessen Funktion zurud.:
chenden Auge" betrach ten. So \teilte\ einer- die Kinetik der Dcntinflüssigkeit, ihr Jm-
seits eine denkbar schlechte Barriere gegen munpotenzial sowie die Präsenz von Odon-
exogene Schadfaktoren dar [Pashley 1996], toblastenfortsätzen und Fibrinogen.
andererseits ergreift es eine Reihe von Vertei- Die 7.entrifugale Bewegung der Oentin-
digungsmaßnahmen gegen diese Noxen. flüs\igkeit ist, wie bereits dargestellt, das Er-
Wenn es einmal du rch Karies oder Trauma gebnis des erhöhten Gewebedrucks 1n der
entblößt ist, lösen die bereits genannten ex- Pulpa. Die~e Flussigkeitsbewegung, die aller-
26 1 Struktur· und molekularb•ologische Grundlagen der Endodonlle
dings als sehr gering eingeschätzt wird, durch d ie Tätigkeit vitaler Odontoblasten,
könnte die bal..terielle l nva~icm behindern. füllt da\ l.umen der Dentinkanälchen
Der achweis von lmmunglobulinen im manchmal völlig aus, bildet Transparenzzo-
kariösen Dentin Ist zwar erbracht [Acker· nen und gilt als Abwehrmechanbrnu~ des
mans et al. 1981), allein ihr Einfluss auf die Pulpa-Dentin-Systems. Smulson und Sieraski
Kariesentwicklung blieb ungeklärt. Da der [1996] bezeichnen diese Abwehrleistung als
Odontoblastenfortsatz den größten Teil des Tubula rsklerose (DentinskJerose), die als
Dentinl..anälchens einnimmt [Trowbridge, Reaktion auf milde bis moderate Reize beige-
Kim 1998), ist anzunehmen, dass er als Bar- ringer Kariesprogression, Kavitätenpräpara-
riere gegen eindringende Mikroorganismen tion, Abrasion, Attrition, F.rosion und als Al·
dient. Durch die Auskleidung der fubulus- tcrnsverändcrung aufgefasst wird. Sie diffe-
wand vitaler Zähne mit Fibrinogen sinl..t die renzieren zwischen plly.~iologiwller und
Dentinpermeabilität [Pashley et al. 1984), patllologiscller Sklerose. Unter physiologi·
wa~ die mikrobielle Penctration der Dentin· scher Sklerose verstehen sie die Bildung von
kanälchen ebenso reduzieren könnte. perltubulärem Dentin durch Odontoblasten-
Wie bereits erwähnt, entsteht peritubu· tätigkeit. Pathologische Sklerose entsteht ih·
läres Dentin als Bindegewebsmineralisation res Erachtens durch intratubuläre Minerali-
ohne Kollagenfa\ern (Goldberg et al. 1995] sation als l:rgebnis eines physikalisch-che-
mischen Prozesses. Dabei komme es zur
Au~fäll ung von Mineralien (Kal7iumpho~
phate), die zuvor d urch den kariösen Prozess
aufgelö\t wo rden wären. Diese Tubulusinhal-
te lägen als nadelförmige oder rhomboedri-
~chc (Whitlockitc) Kristalltypen vor. Eine
andere Quelle der intratubulären Mineralisa-
tion könnte die Prä7ipitation von Kal?ium-
phosphaten aus der übersä ttigten Dentin-
Oüs~igkeit sein.
Zur Thematik der Transparenzzone liegen
mehrere Beiträge der Dre~dner Sthulc vor.
Hier wurde die Bildung der Transparenzzone
(s. Abbildung 1.32) friiher als passiver Schutz·
Abb. 1.32: Transparenzzone als Schutzwall gegen waJJ INatusch 19771. später mehr als passiver
exogene Reize (Natusch 19n) chemi\cher Au~fcillung,pro1e~s denn ah akti-
ve Schut7leistung fNatusch et al. 1969] und
heu te mehr als al..tiver Prozess )ßuchmann
19931 aufgefasst. Indizien für eine duale
Theorie lieferte Wippich 11998], die in der
Transparenzzone der Dentinkaries nur selten
offene Dentinkanalehen (\. Abbildung 1.33)
beobachten konnte. Oie wenigen nicht obli·
terierten, \erengten Tubuli enthielten u.a.
Whitlockit-Kristalle. ln der supratranspa-
renten Zone nahm dle Zahl und Größe der
Abb. 1.33: Fast ausnahmslose Vermauerung der Whitlockit-Kristalle (s. Abbildung 1.34) in
Dentinkanälchen in der Transparenzzone (REM) den Dentinkanalehen pulpawärts zu. in der
1 2 Das Pulpa-Dentin-System 27
Abb. 1.34: Präsenz von rhom~drischen Whitlockit· Abb. 1.35: Intratubuläre Fasernetze der subtranspa·
Kristallen in den Dentinkanälchen der supratrans- rentenZoneals Ausdruck aktiver Schutzmechan is·
parenten Zone als Zeichen passiver Mineralisat ion men des Pulpa-Dentin-Systems
aktive Mineralisation
(peritubuläres Dentin)
Pulpa
Abb. 1.36: lntratubularc globulare Mineralisation Abb. 1.37: Bildung der Transparenzzone durch passi-
als Schutzreaktion des Pulpa-Dentin-Systems ve und aktove M oneralisation
28 1 Struktur- und molekularbiologische Grundlagen der Endodontie
Mikrophagen '
Myelopoese
• polymorphkernige neutro-
M akrophagen
. Blut monozyten
'
Lymphopoese
. B- Lymphozyten
!
1999b)
Oie Pulpitis stellt die dritte Abwehrreak- Die quantitativen Veränderu ngen des Pulpa.
tion im Pulpa-Dentin-Sy\tem dar. 'M be- Den tin-Systems werden unter dem Begriff
~teht in Protektion und Destruktion. der Atrophi e msarnrnengefasst. Daru nter
versteht man die Rückbildung eines Orgam
Hierbei greift d ie Pulpa generell auf die be- oder Gewebes durch Verkleinenmg oder
reits im gesunden Zustand vorliegen den u n- nummeri~che Abnahme der Zellen. Die qua-
spczifischen und spezifisc hen Im m u n fa k- li tativen Veränderungen stellen sich als De-
toren lurück. Liegt eine aku te exsuda t ive generati on dar, was die sog. tntartung 7ellu-
Pulp itis vor, übernehmen die Mikrophagen iärer Strukturen oder Funktionen illiolge
(PM:-JL) sowie Mak rophagcn aus dem Blut Schädigung der Zelle bedeutet lPschyrembei
und Gewebe Abweh rfunktionen. Die ch ro- 1994). ln diesem Kontext sei die Bezeich-
u isch e prolifera t ive Pulpitis wird durch die nung der Veränderungen als .,regressiv"
Aktivität von Makrophagen, Lymph ozyten denkbar ungeeignet, da der Bewei\ dafür,
und Plasmazellen cha rakteri~iert [Smulson, dass d ie gealterte Pulpa anfä lliger wä re oder
Sicraski 1996; Schroedcr 1997J. ln der ent- schlechter heile, noch ausstehe [Pashley,
7ündeten Pulpa liegen außerdem die Im - Walton 1994]. Wie auch immer be7eichnet,
m ung lobuline lgG, IgA und lgM sowie die das Pulpa-Dentin-System ändert sich mit zu-
En t.zü ndung~fakto ren Elastase, Prostag- nehmendem Alter. Dabei können das Altern
landin E2, lnterlcukin-la , lnterleukin -lß, pcr se oder die Kombination aus Altern, Pa-
In terleuld n -6 und TNF-<r. vor [Nakanishi et thologie und l'herapie zu Metamorphosen
al. 1995). an Dentin und Pulpa führen IBurke, Samara-
Die immunologischen A\pekte der Pulpi- wickrama 1995). Die Autoren haben in ei-
tis werden in den Kapiteln 3 (A tiologie und nem Uberblick die progressiven Veränderun-
Pathogenese) und 4 (Pathomorphologie) gen und die Kon\equenzen für die Kl inik
ausführlicher beschrieben. ausfuhrlieh beschrieben.
1.2 Das Pulpa-Dentin-System e:tmiQII 31
ln der Pulpa sind mit zunehmendem Le- in der menschlichen Pulpa als Determinante
bensalter die Abnahme der Zahl der Pulpa- der Odontoblastenfunktion nachgewiesen
zellen und die Zunahme der Faserdichte, be- werden (Ranly et al. 1997]. Neben quantitati·
sonders in der Wurzelpulpa, festzustellen. ven Veränderungen [Saunders, Sauncler~
Die Zunahme der kollagenen Fasern wird al- 19881 zeigen auch Fibroblast en Degenera-
lerdings o ffenbar durch die Verkleinerung tionserscheinungen [Bhaskar 1980]. Von
des l>uJpaka\·ums relativiert (Burke, Samara- quantitativen und qualitativen Veränderun-
wickrama 1995[. Neben quantitativen Ver- gen im Verlauf des Lebens sind ebenso die
anderungen wird die Qualität aJicr PulpaLel- Blutgefä ße und Nerven der Pulpa betroffen.
Ien eingeschränkt. Die Od e ntoblasten als Während Bernick und Nedelman (1975] die
Indikatoren fü r die Vitaütat der Pulpa [Ranly Reduktion der Blutgefäße und Nerven fest-
et al. 1997] nehmen an Zahl und Größe ab. stell ten, wie~en Sauncler~ und Rockert [1967]
Am Boden der Pulpakammer über den Bi· auf Arteriosklerose der Blutgefäße in der
und Trifurkalionen verschwinden sie ~ogar ~ubodon toblastischen Region der Pulpa hin.
ganzlich. Alternde Odentoblasten reduzie- Mangelhafte Durchblutung führt offenbar
ren ihre sekretorische Aktivität und zeigen zur d yst rophischen Ve rkalku ng von Kolla-
vakuo läre Degeneration [Taatz 1980; C:ou- genfasem, Nerven und arteriosklerotischen
ve 1986]. Damit wird ?war weniger zusätzli- Blutgefäßen [Burke, Samarawickrama 1995]
ches Dentin gebildet [Massler, Schour 1946], {s. Abbildung 1.41 ). Degenera tive Verfet-
aber diese Schut.tfunJ..tion gegen Karie~ und tung und retikul ä re Atrophie der Pulpa
Trauma bleibt erhalten. So konnte auch im können altersassoziiert sein oder Artefakte
Alter über SO Jahre Osteocalcin-Expres\iOn darstellen [Mo~e 1991] .
Insgesam t lassen sich die altersassoziier-
ten atroph isch-degenerativen Veränderun-
gen des Pulpa-Dentin-Systems auf die redu-
zierte Blutver~rgung der Pulpa zurüdJiihren
IGeurtsen, Hilimann 1993J. Die Ursachen lie-
gen hierbei in der Sklerosierung der Gefäße
w1d der Einengung des Pulparaums bis zur
Finmaueorung der am Arex eintretenden 1'\er-
ven und Gefäße. Insofern liegt es nahe, dass
die Sensibilität des gealterten Zahns herabge-
setzt ist und dass Vitalerhaltungsmaßnall·
men in höherem Alter an Grenzen stoßen.
ln jedem Lebensalter können im Zahn-
mark \olitäre oder multiple Pul pasteine (s.
Abbildung 1.-12) vorgefunden werden. Sie
bestehen hauptsächlich aus Kalzium und
Phosphor, zu geringeren Anteilen aus Fluor,
Na trium und Magnesium und in Spuren aus
Kalium, Chlor, Mangan, Zink und Eisen ILe
~1ay, Kaqueler 1993]. :-.lach ihrer Lage Lurn
umgebenden Dentin wurden sie in freie (s.
Abbildung 1.43), ad hä rente (s. Abbildung
1.44) und intersti tieUe (s. Abbildung 1.45)
Abb. 1.41: Degenerative Verkalkung der Pulpa (Pfeil) Pulpastei ne eingeteilt [Taatz 1980]. Die Ein-
1.2 Das Pulpa-Dentin-System
physlologasches Foramen
]f~C-.--'\--\-...""'C'"-- (apikale Konstriktion)
anatomaseher Apex
36 1 Struktur- und mol~kularbiologisch~ Grundlag~n d~r Endodonti~
-" Typ 1: f..~ liegt ein Wurzelkanal vor, der -" Typ IV: 2 separate Kanäle erstrecken sich
vom Pulpakavum zum Apex führt. vom Pulpakavum bis zum Apex.
-" Typ II: 2 separate Kanäle verlassen das -" Typ V: Ein Kanal verlässt das Pulpakavum
Pulpakavum und fusionieren kurz vor und verzweigt sich kurz vor dem Apex in
dem Apex zu einem Kanal. 2 separate Kanäle mit separaten Forami-
-" Typ 111: 2 separate Kanäle entspringen na.
dem Pulpakavum und münden in 2 api- -" Typ VI: 2 separate Kanäle entspringen der
kale Foramina. Pulpakammer, fusionieren im Lentmm
-" Typ IV: Ein Kanal verlässt das Pulpaka- der Wurzel und teilen sich erneut kurz
vum, teilt sich aber in 2 separate Kanäle vor dem Apex, um ihn als 2 getrennte Ka-
mit 2 separaten apikalen Foramina. näle zu verlassen.
-" T)'P VI I: f.in Kanal beginnt im Pulpa~a
Im Gegensatz daw hat Vertucci 119841 eine vum, leilt sich und t..onfluiert dann im
Klassifikation der Wurzelkanalkonfiguratio- Zentmm der Wu rzel, um sich abermals
nen auf der Grundlage von 2400 extrahier- ~urz vor dem Apex in 2 separate Kanäle
ten, entkalkten, mit Hämatoxylin gefüllten au(zuteilen.
und transparent gemachten bleibenden Zäh- -" Typ VIII: 3 ~eparate Kanäle erstrecken
nen entwickelt. Er unterschied in der Einzel- sich vom J>uJpaka,·um bis zum Apex.
wurzel zwischen 8 Wurzelkanall ypen (s. Ab-
bildung 1.49): Für die Bestimmung der Arbeitslänge im
-" Typ 1: Ein Einzelkanal verläuft vom l>ul- Rahmen der Wurzelkanalbehandlung ist die
pakanJm zum Apex. vorherige Orientierung an den durchschnitt-
-" 1yp ll: 2 separate Kanäle verlassen das lichen Zahnlängen einzelner Zahntypen
Pulpakavum und vereinigen sich kurz außerordentlich hll(relch {s. Tabelle 1.2). Au-
vor dem Apex zu einem Kanal. ßerdem sollen hier die anatomischen Varia-
-" Typ lll: Ein Kanal entspringt dem Pulpa- tionen der Wurzeln und Wurzelkanalsyste-
kavum und teilt sich innerhalb der Wur- me der Zahntypen ~urt. verbal charakteri-
7el in 2 Kanäle, die konfluieren und als ~iert, mit Abbildungen exemplariKh belegt
ein Kanal die Wurzel verlassen. und zur Gewinnung eines schnellen und
Abb. 1.49: Klassifikation
der Wurzelkanalkonfi-
gurationen (Modifika
tlon nach Vertucci
1984)
1 2 V 4,9
Oberer Eckzahn 1 1 100 Vertucci (1984},
1 1 I, 111 97,8 <;ali~kan et al. (1995}
1 2 V 2,2
Oberer 1 1 1,11 26 Vertucci und Gegauff
1. Prämolar 1 2 IV 13 (1979}, Vertucc/ (1984)
1 3 VIII 0,5
2 (b, p) 2 IV 56
2 (b, p} 3 VIII 0,5
3 (mb,db, p) 3 VIII 4
1 1 1,11 9,7 Kartal et aI. (1998}
1 2 IV, V, VI, VII 27,7
2 2 IV, V 61
2 3 IX 0,3
3 3 VIII 1,3
3 (mb,db, p) 3 Fall Hülsmann (1994)
3 3 Fall Biggs!Benenoti (1995)
Oberer 1 1 1,11 55 Kartal et al. (1998)
2. Prämolar 1 2 IV, V, VI 14,6
2 (b, p) 2 IV, V 29,7
3 (mb,db, p) 3 VIII 0,7
1,11 75 Vertucci et al. (1974)
2 IV, V, VI, VII 24
3 VIII 1
3 (mb,db, p) 3 Fall Hülsmann (1994), Kai·
3 (mb,db, p} 3 Fall witzki/Weiger (1996}
Oberer 1. Molar 2 (b, p) 3 Fall Malagnino et al
1b (Fusion) 1mb,lmd lb (1997}
1p lp 1p
42 1 Struktur· und molekularbiologische Grundlagen der Endodontie
1 mb 1 34,43
II 40,98
2 IV 11,48
V 1,64
VI 11,48
l db 1 98,36
2 VI 1,64
1p 1 93,44
1 II 3,28
2 V 3,28
2 verbunden 33,3 Stropko (1999)
separat 66,7
3 verbunden 0,04
separat 99,6
4 verbunden 45,1
separat 54,9
mb2 73,2
3 (mb,db, p) 4 Fall Hiilsmonn (1996)
1mb 1mb
1db 2db
1p lp
3 (mb,db, p) 5 Fälle Ho/tzmonn (1998)
1 mb 1 mb1,1mb2 1 oder 2
ldb 1dp
1p 2p 1 oder 2
1.2 Das Pulp;~-Oentin·Sy<;tem 43
1 II 7,55
1 111 3,n
2 IV 7.55
2 V 9,43
2 VI 1,89
3 VIII 5,66
2 C (I, IV) 14 Boisden et al. {1992)
2 2 {b,l) 2 Fall Ricucci (1997)
3 0,5 Zillich/Dowson (1973)
3 (mb,db, I) Fall Hülsmann (1994)
2 4 Fall Yang (1994)
Unterer 1 97,5 Vertucci (1978)
2. Prämolar 2 V 2,5
1 93,62 ~OiiJkan et al. (1995)
2 V 6,38
2 2 (m,dl) 2 Fall Gasmomi et al. (1997)
3 0,5 Zillich!Dowson (1973)
4 Fall Brom/Fieisher {1991)
5 Fall Mocrillmener (2000)
46 1 Struktur- und molekularbiologische Grundlagen der Endodonlle
1m 1 4,00
II 37,29
111 1,69
2 IV 44,07
2 V 1,69
2 VI 6,78
2 VII 5,08
3 VIII 3,39
1d 1 60,46
1 II 33,29
1 111 1,69
2 IV 10,17
2 V 5,08
2 VII 1,69
3 VIII 1,69
2 (m,d) 4 Fälle Holtzman (1997),
3m Ricucci (1997)
1d
2 (m, d) 4 Fall Hülsmann/Schäfers
2m (1996)
2d
2 (m,d) 5 Fall DeGrood/Cunning-
3 m (mb, mm, ml) ham (1997)
2d
1.2 Das Pulpa-Dentin-System *:nt11QII 47
nimmt [Burns, Herbranson 1998[.Das apika- ~ali~kan et al. [1995) noch andere Wur1elka·
le Foramen liegt meist lateral von der Wur- naiJ...onfigurationen (s. Tabelle 1.3).
zelspitze. Die Wurzelspitze ist selten nach
distal oder lateral gekrümmt flngle et al. Oberer Eckzahn
1994[. Extreme Umgen von 32 und 33 mm Der obere Eckzahn gilt als längster Zahn des
sind bei oberen zentralen Schneidezähnen menschlichen Gebisses (s. Tabelle 1 .2). Er ist
selbstredend die absolute Ausnahme [Co- in i.d.R. einwurzelig und wird von einem
henca et al. 1996]. Sponchiado et al. [2007[ einzigen Wurzelkanal durchzogen (s. Abbil-
berichteten über den seltenen FaU eines dung 1.52), der durchga ngig liber einen ova-
lWeiwurzeligen oberen .lentralen Schneide- len Querschnitt verfügt. Es liegt hauptsäch-
za hns mit 2 Wurzelkanälen. lich der Wurzelkanaltyp I vor. Anastomosen
können durchaus vorhanden sein [~ali~kan
Oberer lateraler Schneidezahn et al. I 995]. Die Wurzeln verlaufen zumeist
Er ist grundsätzlich dem zentralen Schneide- gerade oder zeigen dista le oder laterale
zahn ahnlieh u nd krummt sich apikal in Krummungen. Allerdings sind extreme
53% der Fälle nach distal (s. Abbildung 1.5 I a Krümmungen nicht auszuschließen (s. Al>·
und b) llngle et aJ. 1994[. Die Pulpakammer bildung 1.53).
bildet beim jugendlichen Zahn zurnei$t 2
spitze Pulpabörner. Der Querschnitt des Oberer 1. Prämolar
Wurtel kanals i\t .lerYikal von ovaler und api- Die~er Zahn stellt gleichsam eine Übergangs-
kal von nmder Gestalt. Das apikale Foramen form zwtschen Schneidelähnen und Mola-
weicht wen iger häufig vom anatomischen ren dar [Burns, Herbranson 1998] und weist
Apex ab als beim mittleren Schneide7.ahn. hinsichtlich seiner Wurzeln und Wurzclka·
i'Jeben dem Kanaltyp I nach Vertucci fanden nalkonfigurationen eine starke Variations-
L
Abb. 1.51: Oberer lateraler Schneidezahn. Abb. 1.52: Schematische Abb. 1.53: Korkenzieher·
il) Schem~tische Darstellung des Zahns 12 von Ia· Darstellung des oberen artige Konfiguration
bial (l), b) Zahnschliff in labial-palatinaler Richtung Eckzahnes von labial {l) der Wurzel emes obe-
ren Eckzahns
l2 Das Pulpa-Dentin-System
*l"""" 49
Oberer 2. Prämolar
Der Grundtyp dieses Zahn~ ht m it einer
Wurzel und einem Wurzelkanal ausgestattet
(s. Abbildung 1.56a und b), weist aber darii·
ber hinaus eine Reihe von morphologischen
Abb. 1.55: Dreiwurzeliger oberer 1. Pr.imolar (Mola-
Spielarten auf (\. Tabelle 1.3). Der längere risation)
....L_ b m
50 1 Struktur· und molekularbiologische Grundlagen der Endodontie
\'On den beiden oberen Prämolaren (s. Tabel- die Form eines Vierecks und ist in bukkopa-
le 1.2) hat nur selten 2 Wur.teln, wobei die lallnalcr Richtung breiter als in mesiodistaler
Bifurkation erst im apikalen Drittel liegt. [Harty 19901. Sie lauft in 4 Pulpahörnern aus.
Dreiwurzelige obere 2. Prämolaren sind die Der Kammerboden wölbt sich zum Pulpaka-
Ausnahme. Die bukkopalatinale Dimension vum und enthält die Orifizicn der Wurzelka-
der J>ulpakammer ist erheblich größer als die näle sowie Furchen und Verengungen. Die
mesiodistale. Der zentral liegende Wurzelka- anatomische Varianr des Wurzelkanalsys-
nalei ngang i~t mehr sch litzförrnig ah ovoid tems ist besonders bei der mesiobukkalen
gestaltet. Verbi ndungskanäle sind auch hier Wurzel ausgeprägt (s. Tabelle 1.3), was die
!.eine Seltenheit [<;ali~J..an et al. 1995]. Die Forschung immer wieder benügelt und hciu-
Wurzeln zeigen hä ufig distale, bukkale und fig zur Frustration geführt hat. Das Nichter-
ba jonettförmige Krummungen [Vertucci et kennen und ~ich tbehandeln des 2. m esio-
al. 1974j. bukkalcn Wurzelkanals (s. Abbildung 1.58)
führt denn offenbar auch Lu der hohen Miss-
Oberer 1. Mo la r erfolgsrate bei der endodonti~chen Behand-
lung de~ oberen 1. Molaren [Weine 1982).
"Der 6-Jahres-1\lolar ist möglicherweise Dabei wurde auch auf di e extreme IIä ufigkeit
der mehtbehandelte und am wenig~ten eines 2. Wur.:elkanals in der mesiobul.kalen
verstandene Seitenzahn." [Burns, Her- Wurzel hingewiesen IKulild, Petcrs 1990). ~o
bramon 1998) konn te bei 95,2% ex trahierter 1. und 2. Mo-
laren am Boden der Pulpakammer ein 2. me-
Dieser Zahn ist der größte und J..ompliziertes- siobukkaler Kanal gefunden werden: in
te bleibende 7..ahn mit der höchsten endo- 54,2% mit der Sonde, in 31,3% mit dem
dontischen !vllsserfo lgsrate. Er gilt im Allge- Bohrer und in 9,6% mit dem !vfikroskop. fer-
meinen als dreiwurzeüger und vierkanaliger ner stellten die Autoren fest, dass in 71,1%
7ahn (s. Abbildung 1.57). Oabei $ind die me- der Fälle am Apex der mesiobukkalen Wurzel
siobukkale, distobukkale und palatinalc 2 Wurzelkanäle vorlagen. Der Abstand zwi-
Wu rte! von unterschiedlicher LJngc (s. Ta- ~chen den Orifizien de~ I. me\iobul.kalen
belle 1.2). Der Umriss der l>ulpakammer hat und 2. mesiobukkalen Wurzelkanals betrug
du rchschnittlich I ,82 mm.
Das Orifizium des 2. mesiobukkalen Ka-
nah la~\t \ich durch 3 Geraden lokali:.iercn
b m
Abb. 1.57: Schematische Darstellung eines rechten Abb. 1.58: Zahn 26 mot 4 Wurzelkanalen: (mbl) me-
oberen 1. Molaren (16) von bukkal (b) und mesial (m) siobukkalerl, (mb2) mesiobu kkaler2, (db) distobuk-
kaler, (p) palatlnalerWurzelkanal
1.2 Das Pulpa-Dentm-System *:fj.jl$11 51
Oberer 2. Molar
Beim oberen 2. Molaren handelt es sich
meist um da~ verkleinerte Abbild des I. Mo-
laren [Harty 1990) (s. Tabelle 1.2). Häufig
enthalten seine 3 Wur.:eln auch 3 Wur7elka-
näle (s. Abbildung 1.62). Allerdings fusionie-
ren diese Wurzeln häufiger als die seine~ vor-
deren Nachbarn. Der Boden des Pulpaka- b m
vums zeigt eine starke Konvexität und wird Abb. 1.62: Schematische Darstellung eines rechten
häufig von 3 Orifizien in trian1,rulärer und oberen 2. Molaren (17) aus bukkaler (b) und m~ia
ler (m) Sicht
manchmal in linearer J.-onstellation durch-
brochen. Wie beim oberen I. Molaren zeigt
die Wurzelkanalkonfiguration der mesiobuk·
kalen Wurzel eine starke Formvariabilität (s.
Tabelle 1.3). Von 73 extrahierten oberen 2.
Molaren hatten 91,8% 3 und 8,2% 2 Wur-
zeln (s. Abbildung 1.63). Bei den dreiwurzell-
gen Molaren wiesen die mcsiobukkalen Wur-
zeln nach Weine (1982] zu 59,7% den Wur-
zelkanaltyp I, zu 20,9% Typ II, zu 16,4% Typ
111 und zu 3% Typ IV auf (~skoz, Weine
1995). Auf die mögliche Existenz eines 2. Abb. 1.63: Zahn 17 mit 2 Wurzeln und 2 Wurzelkanä-
mcsiobukkalen Kanah bei oberen 2. Molaren len: (b) bukkal, (p) palatinal
wurde bereits hingewiesen (Kulild, Petcrs
1990]. vom Zahnhals bis 1ur Wurzelspil7e 7u einer
langen Pfahlwurzel versctunolzcn. Der obere
Oberer 3. Molar Wei~heltv-<~hn kann als ein-, .lwei- oder drei-
Die Wurzelform und Wurzelkanalmorpholo- kanalige Variante vorliegen. C-Konfiguratio·
gie des oberen Welsheilszahns sorgen in ih- nen des Wurzelkanals sind möglich Oafar7a-
rer extremen Variabilität in der Praxis immer deh, Wu 2007).
wieder flir Überraschungen (s. Abbildung
1.64). Leider sind sie bisher recht stiefmüt· Unterer zentra ler und lateraler Schneidezahn
terlich unter\ucht worden. Dabei i$t die Er- Da sich <.ler un tere lentrale und laterale
haltung dieses Lahns oftmals die Ultima ra- Schneidezahn morphologisch sehr ahneln,
tio bei der Versorgung des Liickengehi ~)es. werden sie hier gerneinsam beschrieben. Al-
Manchmal ist der obere 3. Molar hinsicht- lerdings ist der zentrale Schneidezahn ge-
lich seiner Morphologie nicht vorn 2. Mola- wöhnlich etwas kür7er als der laterale (s. Ta-
ren w unterscheiden. So besitzt er 3 Wurzeln belle 1.2). Die im Vergleich zu den oberen In-
(mb, db, p), die getrennt voneinander ver- zisiven kleinere Pulpakammer der unteren
laufen. Häufig jedoch fusionieren diese Wur- Schneidezähne hat einen ovalen Quer-
L.eln (\. Abbildung 1.65) und sind manchmal \chnitt un<.l ist in labiolingualer Richtung
54 1 St ruktur und molekularbiologische Grundlagen der Endodontie
Abb. 1.64: Extreme Wurzelkrümmung bei einem Abb. 1.65: Wurzel fusion bei einem rechten oberen
oberen 3. M olaren 3. M olaren (nach operativer Entfernung)
L m
L m
Abb. 1.68: Schematische Darstellung eines unteren Abb. 1.69: Zahn 33 mit 2 Wurzeln und 2 Wurzelka-
Eckzahns aus labialer (l) und mesialer (m) Sicht nälen (Wurzel kanalfüllung ab altera manu)
Unterer Eckzahn
Oer un tere Eckzahn (s. Abbildung I.68) erin-
nert zwar in morphologischer Hinsicht an
den oberen, i~t aber geringer dimensioniert
(s. Tabelle 1.2). lm Gegensatz z.um oberen
Eckzahn kann der untere mit 2 Wurzeln be-
stuckt sein (s. Abbildung 1.69). Teilungen
des Wurzelkanals (s. Tabelle 1.3, Abbildung
1. 70) werden ebenso angetroffen wie trans·
versale Anastomosen [<;:ali~kan ct al. I 995).
Unterer 1. Prämolar
Der un tere 1. Priunolar gibt dem Endodonto-
logen insofern Rätsel auf, als sich auf unter-
schiedlicher Höhe der Wurzel eine Teilung
des Wurzelkanals vollziehen kann IRums,
Herbranson 1998]. Seine runde bis eiförmige Abb. 1.70: Zahn 33 mit Teilung des Wurzelkana ls
Pulpakammer lädt bukkolingual \\eiter aus (labial/l ingual) im mittleren Wurzeldrittel
als mesiodistal und bildet bukkal ein größe-
res Pulpahorn. Angesichts heterogener Län-
genangaben i~t unklar, welcher der beiden
56 1 Struktur- und molekularbiologi~che Grundlagen der Endodontie
Unterer 2. Prämolar
Der in Kronenform und Zahnlänge (s. Tabel-
le 1.2} dem unteren 1. Prämolaren sehr ähn-
liche Zahn beherbergt jedoch ein wesentlich
unkompli7ierteres Wurzelkanalsystem {s. Ta-
Abb. 1.73: Zweiwurzeliger (bu kkal/lingual) 1. unterer
belle 1.3). Folglich ist seine endodonti\che Prämolar
Behandlung im Allgemeinen auch unproble-
matischer. Meistens liegt ein WurzeiJ..anal figste Kandidat für die endodontische Be-
vor, der am Apex selten 2 Foramina bildet. handlung 7u sein [Nehammer 1994; Burns,
Als Ausnahmen von dieser Regel können al- llerbranson 19981. ü ist größer als der unte-
lerdings 2 (s. Abbildung l.74a und b), 3, 4 re 2. Mola r (s. Tabelle 1.2, Abbildung 1.75)
oder gar 5 Wurzelkanäle existie ren. Eine und verfügt über ei n variation~reiches Wur-
neuere Li teraturrecherche un ter ßcn.icksich- ze lkanalsystem (s. 'labelle 1.3). Im Normal-
tigung von 7700 Zahnen fa~~te für den unte- fall besitll er 2 Wurzeln, eine mesiale und
ren 2. Prämolaren folgende l:.rkenntnisse zu- eine distale, wobei die mesiale Wurte I ~tarker
saJI1Jnen: eine Wurzel 99,6%, 2 Wurzeln gekrümm t isl. Die mesiale Wurlet en thält
0,3%, 3 Wur7eln 0,1%; ein Wurzelkanal i.d.R. 2 Wu rzelkanäle, d1e distale einen (s.
91%, ein Foramen 91,8%, mehr als ein Wur- Abbildung 1.76). Die beiden mesialen Wur-
lelkanal 9,9%, mehr als ein Foramen 8,2% zelkanäle können durch den besagten Ist h-
[Cieghorn et al. 20071>]. mus kommun izieren. Das Orifizium des d is-
talen Kanals ist breiter angelegt als die rnesia-
Unt erer 1. M olar len WurzeiJ..analeingängc und leichter
Der untere 6-jahres-Molar bricht als erster lokalisierbar. ~lanchmal mmmt es die ge-
bleibender Zahn durch und scheint der hau- samte Breite der Pulpakammer von bukkal
58 1 Struktur- und molekularbtologtsche eirundlagen der Endodontie
b m
Abb. 1.77: Zahn 36 mit 4 Wurzelkanälen (links in or- Abb. 1.78: Zahn 36 mit SWurzelkanälen, 2 mesialen
thoradialer, re<hts in exzentrischer Strahlenrich- und 3 distalen {links: Masterpolntaufnahme, re<hts:
tung) Zustand nach definitiver Wurzelkan~lfüllung)
Abb. 1.79: Zahn 46 mit 4 separat endenden Wur<el- Abb. 1.80: Zahn 46 mit 4 Wur<el kanälen, von denen
kanälen Je 2 apikal konfluieren
L Molaren (s. Abbildung L81a), i.d.R. dlllch· chen getrennt den Apex lBurns, Herbranson
ziehen 2 Wurlell..anäle die me~iale Wurzel (\. 19981. Das c-förmige Orifizium kann von
Abbildung 1.81 b); die distale Wurzel ist im mesiolingual uber mesiobukkal und disto-
Gegensatz zum I. Molaren meist einkanalig bukkal bis nach distolingual reichen (lingual
(s. TabcUe 1.3). Die meisten mesialen Kanäle geschlossen) [Weine et al. 1998]. ln der spie-
ucigen im apikalen Drittel 7ur Konfluen7 gelbildlichen Situation erstreckt ~ich die
und bilden ein apikales roramen. Wurzelfu- schlitzförmige Kommunikation von mesio-
sionen können zu Pfahlwurz.eln mit einem bukkal über me~iolingual und distolingual
Wurzelkanal (s. Abbildung 1.82) oder zu bis nach distobukkal (bukkal geschlossen) (s.
C-Konfigurationen des Wurzelkanals rühren. Abbildung 1.83a, h und c). Probleme berei-
C-förmige Wurzelkanäle werden haufigcr in ten C-Konfigurationen mirunter bei der
der asiatischen ße\ölkerung angetroffen Schmerzbehandlung, Blutstillung mwie bei
(Yang et al. 1988; Manning 1990). 1::s handelt Aufbereitung und Füllung der Wurzelkanäle
sich dabei um die c-förmlge Konfluen.r. von 2 [Simon 1993; l.ö~t. Reichenmiller 19961. Oie
oder mehreren Orifizien oder Wurzelkanä- C-Konfiguration wird relativ häufig in China
len. Die C-Formen werden in 2 llauptgrup- und im Libanon gefunden Uafarzadeh, Wu
pcn eingeteilt: I. E.in solitarcr bandförmiger 20071. Die Prävalenz kann bis 44,5% betra-
c-konflgurierter Wurzelkanal reicht vom Ori- gen Uin et al. 2006].
fizium bis zum Apex. 2. Oie \\-urzclkanäle
bilden ein c-formiges Orifi.r.ium und errei-
60 I Struktur- und molekutarboologosche Grundtagen der Endodontoe
b m
Unterer 3. Molar
Untere Weisheitslahne sind längerahuntere
2. .Molaren (s. Tabelle 1.2). Ihre meist wohl-
Abb. 1.82: Zahn 47 mit einkanaliger Pfahlwurzel geformten Kronen werden oft von fusionier-
ten (s. Abbildung 1.84), l.:urzen und stark ge-
1-nlmmten Wurzeln getragen [ßurns, lier-
branson 1998]. Durch den leichteren Zugang
zum Wurzelkanalsystem aufgnmd ihrer Me-
sialneigung lassen sich die unteren Weis-
heitszahm~ leichter endodontl\ch behandeln
1.2 Das Pulpa-Oentan-System •:flrhOII 61
Abb. 1.86: Starke Krümmung des Wurzelkanals nach Schneider (1971). a) Krümmung von 47" im apikalen
Drittel des mesiolingualen Wurzelkanals eines 47, b) Krümmung von s3• im apikalen Drittel des distalen
Wurzelkanals von 38
Cunningham und Sen.ia 11992) haben bei Diese Methode ist nicht für den klinischen
den mesialen Wurzeln von Unterkiefermola- Einsatz, sondern für die praxisorientierte
ren eine größere durchschnitUiche Kn.im- Forschung vorgesehen. Hier ermöglicht die
mung des Wurzelkanals in der approximalen Klassifikation die Auswahl standardisierten
als in der klinischen F.bene festgestellt. Die natürlichen Zahnmalcrials, geeigneter Auf·
größten Schwankungen der Wurzelkanal· bereitung\instrumente und adäquater t\uf-
krümmung betrafen Wurzelkanaltyp II nach bereilungstechniken sowie den Vergleich
Vertucci in der approxirnalen Ebene. t:ine von Frgebni!.sen verschiedener Studien.
starke Korrelation zwischen den sekundären
Krümmungen des rne~iobukka l en und me-
siolingualen Kanals in klinischer Ebene be- 1.3 Entwicklungsstörungen
sland nur für den Vertueci-Typ II [Kartal, Ci-
milli 1997]. Die bisher beschriebenen Formvariationen
Durch 7weidimensionale Messung von 7 des Pulpa-Dentin-System~ gelten als Spielar-
Punkten, die in mesiodistaler Ebene über ten der Natur. r:ntwicklungsstörungen sind
den ge)amten Wur7elkanal verteilt waren, Abweichungen von der Norm, die mit Funk·
wu rde nach Füllung und Röntgenografie des tionsveränderungen oder -verlusten einher-
Wur7.elkanals über rechnergestützte Bildver- gehen können. Die Kenntnis des Erschei-
arbeitung der Verlauf der Wurzelkanalachse nungsbildes und der Prognose der Entwick·
in ihrer ge~amten Länge ermillelt [Nagy et lung~\törungen i!>l die Voraussetzung fur
al. 1995]. Auf der Grundlage dieser Messung mögliche präventive Interventionen sowie
unterschieden die Autoren zwischen -1 Wur- geeignete und rechtzeitige endodontische
zelkanalformen: Therapiemaßnahmen. Bei einer Reihe von
1. I-Form: gerader Wurzelkanal Anomalien ergeben sich durch anatomische
2. J-Form: Kr\Jmmung des apikalen \Vurzel- und struktureUe Gegebenheiten Besonderhei·
kanaldritteh ten in der endodonti)chen Behandlung. Der-
3. C-Form: Krümmung des Wurzelkanals artige Lotwicklungsstörungen mit endodon-
über seine gesamte Länge tologischer Spezifik sind in Tabelle 1.4 zusam-
4. S-Form: Mehrfachkrümmung des Wur· mengefasst. Dabei wurde die .. Application or
7elkanals (s. Abbildung 1.87a und h) the International Classiflcation of Dlseases
to Dentistry and Stomatology" der World
Health Organlzatlon (1995] bcrucksichtigt.
1.3 Entwicklun8sstorun8en e:mttJII 63
Abb. 1.87: Mehrfachkrümmung von Wurzelkanälen. <~)unterer Molar in toto, b) Zahnschliff mit s-formi8en
Wurzelkanalen
Tab. 1.4: Entwicklungsstörungen der Zähne mit endodontologischer Spezifik unter Berücksichtigung
der WHO·Kiassifikation (1995)
Anomalien der Zannform (K 00.2) Anomalien der Zannstruktur
Erblicne Entwicklungsstörungen (K 00.5)
Makrodontie (K 00.20) Amelogenesis lmperfecta (K 00.50)
Mikrodontie (K 00.21) (Witkop 1989, Schroeder 1997}
Mehrfachgebilde Schmelzhypoplasie und -aplasie
Zahnverwachsung (K 00.22) Schmelzhypomaturatlon
Zahnkeimpaarung (K 00.23} Schmelzhypomineralisation
Zwill ingsbildung Scnmelzhypomaturation und Schmelzhypomine-
Zahnverschmelzung (K 00.23) ralisation in Kombination mit Taurodontlsmus
Dens evaginatus (K 00.24) Dentindysplasien {Shields et al. 1973}
Dens invaginatus (K 00.25} Dentinogenesis imperfecta (K 00.51} Typ I, II, 111
Furkationsfurche (Brandywine-Typ)
Palatinale Wurzelfurche Dentindysplasie (K 00.58} Typ I {Shell t eeth) und
Prämolarlsatlon (K 00.26) Typ II
Molarisabon (K 00.27) Schmelz- und Dentindysplasien {Schroeder 1997)
Taurodontismus (K 00.28} Odontodysplasie
Dilazeration • Odontogenesis imperfecta (K 00.52}
64 1 Struktur und molekularbiologische Grundlagen der Endodontie
Makrodontie und Mikrodontie Abbildung 1.89) kbnnen Fiste lbild ung und
Unter diesen Formanomalien werden ledig- fo llikulä re Zyste n verursachen. Mikrodon-
lich Extreme ~ubsumiert. Generalisierte Ma- tie von l:.inzel.;:ähnen konnte auf die phylo-
krodontie dürfte eine Ausnahme darstellen gen etisch e Geb is_ueduktion zurückgeführt
[Schroeder 1997]. Von der Mikrodontie (Zap- werden. Generalisierte Mikrodontie steht oft
fenzähne, Dentes embol iformcs) sind häufig im Zusammenhang mit a ngebore nen Jferz-
laterale Schneidezahne (s. Abbildung 1.88) vitien oder Trisomi e 21. ~owohl Makro- als
und Weisheitszähne betroffen. Der Mes io- auch Mikrodonlic bedürfen der besonderen
dens ist ein iiberzahliger Zapfenzahn, der Beachtung bei der Imtrumentation de~ Wur-
zwischen den oberen zentralen Schneidezäh- zelkanals.
nen lokali~iert ist. Retinierte Mikrodentes (s.
Mehrfachgebilde
Zu den dentalen Mehrfachgebilden gehbren
die Zah nke impaarun g, Zw illi ngsbildung,
Lahnverschmelzu ng und Zahnverwach -
su ng [Schroede r 1997] (~. Abbildung 1.90).
Bei der inkompletten l'eilung eines Zahnkei-
mes (Gemination) entsteht meist ein Gebil-
de mit einer sehr brei ten, eingekerbten
Zahnkrone, die von nur einer Wurze l getra-
gen wird (s. Abbildung 1.9la und b). Es kön-
Abb. 1.88: Zapfenzahn (Mesiodens) 22 und fehlen- nen aber auch 2 separate Kronen vorl iegen.
der 12 offenbar als Zeichen der phylogenetischen Die komplette Teilu ng eines Zahnkeimes
Gebissreduktion (Zwillingsbildung) führt 7U 2 vollständig ge-
trennten Einzelzähnen und Zahnüberzahl (s.
Abbildung 1.92a und b). Zahnverschmelzun-
gen sind das Ergebnis der Fus io n zweie r no r-
1 m a ler Zahnke ime während der Zahnent-
wicklung. Die Fusion kann sich entweder auf
die 7ahnkronen beschränken oder die Zahn-
wurzeln 7usätzlich einbeziehen. Klinisch
können extrem breite Kronen (s. Abbildung
l.93), röntgenografisch ein gemeinsame~,
getrenntes (s. Abbildung 1.94a und b) oder
konfluierendes Wurzelkanalsystem festge-
stellt werden. Eine bilaterale Fusion (Dun-
can, Helpin 1987] oder eine Fusion mit über-
zäh ligen Zähnen fPeyrano, Zmener 1995; Tu-
rell, Zmener I 999] sind nicht ungewöhnlich.
Zahmwwachsung entsteht durch Verei-
n igung :tweicr e ng ben ach barter Zä hn e
au5~chließlich im Wurzelbereich durch zellu-
lares Wurzelzement oder entzündungsbe-
dingte Hyperzementase (Schroeder 1997].
Mehrfachgebilde bedürfen der subtilen kJj.
Abb.l.89: Retinierter Mesiodcns zwischen 11 und 21 nisch-röntgenografischen Diagnostik w1d
1.3 Entwicklungssierungen *:mtnll 65
cb I
CJD C) 00
1 Zahnkeim 1 Zahnkeim 2 Zahnkeime 2 Zahn keime
L 1Zahn 2 Zähne Dentin- und Zementver-
Schmelzfusion w achsung
net. Durch die zu'>ätzlichen höckerähnlichen für Mikroorganismen) (s. Abbi ldung
Ausstülpungen ergeben sich Plaque-Reten- 1.97a, b und c).
tionsstellen fl lulsmann 2004]. .oll Typ 111: Die Invagination durchlauft die
gesamte Wurzel und bildet apikal oder la-
Dens invaginatus teral ein 2. Foramen zum apikalen Paro·
Beim Dens invaginatus, früher fälschlicher- don t (Fintrittspforte für Mikroorganis-
wei~e als ,.Den~ in dente" bezeichnet, han· men). Gewohnlich besteh t keine Ve rbin-
delt es sich urn eine fehlerhafte Invagina- dung zur vita len Pu lpa. Die Invagination
tio n (Einstu lpung) de~ Schmelzepithels. Das kann komplett mit Schmelz bedecl-1 ~ein.
Schmelzepithel wird vom Foramen caccum
unter~chiedlic h tief in den Pulparaum einge-
stülpt, woraus sich nach Oehlers 11 957] 3
unterschiedliche Im aginationst}'J>en erge-
ben (s. Abbildung 1.95):
.oll Typ 1: Die geringfugige Invagination ist
mit Schmelz ausgekleidet, a uf die Zahn·
krone begrenzt und reicht bis ~ur
Schmelz-Zement-Grenze (s. Abbildung Typ I Typ II Typ 111
1.96a und b).
Abb. 1.95: lnvaginationstypen nach Oehlers {1957)
.A Typ 11: Die Invagination ist schmelzbe- (M odifikat ion nach DeSmit und Oemaut 1982
deckt, dringt in die Wur7el ei n und bildet sow ie Hülsmann 1995): SZG - Schmelz-Zement·
Grenze), Typ 1- geringfugige (koronale) lnvagina·
einen blinden Sack. Manchmal kommu- tion, Typ II- t iefe (radi kulare) Invagination, Typ 111-
niziert sie mit der Pulpa (f.intritt~pforte durchgangige Invagination
68 1 Struktur- und molekularbiologische Grundlagen der Endodontie
zelkanal geteilt. ln einem klinischen Fall war durch das DentaJmikroskop verbessert wer-
die palatinale Wuu.elfurche an einem oberen den, um präventive und therapeuti5che
zentralen Schneidezahn mit einer lokaUsier- Maßnahmen durchführen zu können.
ten Parodontitis und Pulpanekrose \·erge-
sellschaftet !Santa Cecilia et al. 19981. Die Prämolarisation und Molarisation
sch\~ierige klinische Diagnostik konnte Pramolarhation von Frontzähnen und Mola-
risalien von Prämolaren (s. Abbildung 1.99)
treten durch fehlgesteuerte Invaginatlon de~
Schmelzorgans und der Hertwigschen Epi-
thelscheide ein. Veränderte Kronenform und
Wurzelzahl erfordern besondere Aufmerk-
samkeit bei der Schaffung de~ endodonti-
schen Zugangs und der Aufbereitung der
Wurzctkanäle.
Taurodontismus
Taurodonlismus (griech. tauros: .,Stieru) ist
Abb. 1.99: Molarisation des Prämolaren 35 möglicherweise eine autosomal-dominant
vererbte Formanomalie der Molaren und
Pramolaren, die wahrscheinlich durch einen
Defekt der Hertwigschen Epithelscheide und
des Diaphragmas hervorgerufen wird [Schro-
eder 1997). Sie liegt in 3 Expressivi tätsfor-
men als Hypo-, Meso- und Hypcrta urodon-
tismus vor [Shaw 19281 (s. Abbildung 1.100).
Hypo- Meso- Hype r- Dies bedeutet, dass die Bi- oder Trifurkation
Taurodontlsmus
des Zahns unterschiedlich weit von der
Abb. 1.100: Expressivitätsformen des Taurodontis- Schmelt-Zcment-Grenze entfernt ist, was
mus nach Shaw (1928)
teilwei~e zu ~tremer Vergrößerung des Kro-
ncnkavums zu Ungunsten des Wurtclka-
vums führt (s. Abbildung 1.101). Demnach
bt bei der endodontischen Behandlung der-
artiger Zähne mit einer übergroßen Pulpa
und tief liegenden Wur;elkanälen w rech-
nen.
Dilazeration
Abknickungen von Kronen und Wur1eln
bleibender Zähne (Sichelzähne) können
durch ein a!..utes Milchzahntrauma aufgrund
der topografiscJ1en Nachbarschaft von Milch-
zahnwurzeln und Keimen bleibender Zähne
verursacht werden. Extreme Wurzelkanalab-
knickungen bereiten erhebliche Schwierig-
Abb.1.101: Mesotaurodont mit stark vergrößerter keiten bei der WurzelkaJ1albehandJung.
Pulpakammer
1.3 entwicklungsrtorungen 1 :m!GII 11
Amelogenesi s imperfecta
Der Begriff geht auf Weinmann et al. I 1945]
rorück. Witkop I 19891 teilte diese erblich be-
d ingten Schmelzdy~plasien in 4 G11.1ppen ein
und Schroeder 11997) gab einen Überblick
über die einzelnen Formen der 4 Gruppen.
Allein die ~auf Hypoplas ie beruhende Ame-
logenesis imperfecta" umfasst 7 ver~chlede·
ne Formen, die autosoma l-dominant, auto-
somal-regre~siv und geschlechtsgebunden
vererbt werden können. Die Schmelzoberflä·
ehe der weiß bh bräunlich gefärbten, norma l
konfigurierten oder konischen bis zylindri·
sehen Kronen ist glatt (s. Abbildung 1. 102),
grübchenartig-hypoplastisch oder zerfurcht
(s. Abbildung 1.103). Bei der Aplasie fehlt
der Schmelz gänzlich (s. Abbildung 1.10-1).
Aufg11.1nd die\er Tatsache bildet die Pulpa zu-
sätzliches Dentin in l'orm von Sekundär-
und Tertiärdentin, was die endodonthche
Behandlung erschwert. Abb. 1.104: Aplastische Form der Amelogenesis im·
Zur nauf Unreife (Hyp omaturation ) be· perfecta hereditaria
11.1henden Amelogenesis impcrfecta" gehö·
rendie pigmentiert-unreife und ge\chlechts- ver~tärkten Abra~ion und Att rilion. Pulpa
gebunden-unreife Form sowie die sog. und Wurzel bleiben unverändert [Schroeder
Schneekappenzä hn e. Die Slrul.turanoma- 1997].
lien dieser Gruppe entstehen durch unvoll- Bei der "auf Unterverka lkung (Hypokal-
ständige Mineralisation (Reifung) der nor- zifikation) beruhenden Amelogene\i~ im-
mal sezernierten Schmelzmatrix bei ausblei- pcrfecta" liegen Schmelzmatrixdefekte und
bender RLicl.resorplion von Matrix und imuffi1iente Kri\tallithildung vor. Der opak-
Wasser durch die Ameloblasten. Folglich ist weißliche bis dunkelbraun verfärbte Schmelz
der opakweiße bis tiefbraune Schmelz rwar kann ~o weich ~ein, dass er mit zahnärztli·
nom1al dick, aber wesentlich weicher. Da- ehern Instrumentarium eingedrüci-1 und ab·
durch splittert er leicht ab und unterliegt der gehoben" erden kann. Das somit exponierte
12 1 Struktur· und molekularboalogische Grundlagen der Endodontie
Abb. 1.105: Dentinogenesis imperfecta hereditaria. a) Hondurchschlllern des fehlgebildeten braunlieh bläu
Iichen Dentins durch den Schmelz (Opaleszenz}, b) Fraktur des im perfekten Dentinkerns von 11 und Oblite-
ration des Wurzelkana ls durch atypisches Dentin
1.4 G~nes~. Struktur und Funktion des apikalen Parodonts *J-!.HQIJ 73
durch dünnen hypop lastischen mindermine- Inzisiven sowie in Forrn von auffälligen kol-
ralisierten Schmelz, andcrer~eits durch tell- benartigen Wur7elverdickungen und Pulpa-
weise oblitericrte Pulpakammern und verzö- steinen an anderen Zähnen (s. Abbildung
gerte Wurzelbildung. Sie kommt meist nur in 1.107a, b, c, d, e und f). Die histologischen
einem Quadranten an l:.inzel- oder mehreren Veränderungen der unteren Schneidezähne
zahnen vor und beruht offenbar nicht auf ei- erinnerten an eine Dentindy~plasie vom Typ
nem Gendefekt. Bei der Odontogenesis im- I. Pulpakammer und Wurzelkanäle waren
perfecta führen autosomal-dominant oder re- durch irreguläres Dentin oblitcriert. Der
zessiv vererbte Gendefekte zu Strukturano- Schmelz zeigte keine Veränderungen.
malien von Schmelz und Dentin. Schmclz-
bzw. Dentindysplasien kommen auch bei sys-
temischen Erl.rankungcn und Syndromen 1.4 Genese, Struktur und Funktion
vor [Schroeder 1997]. So fand ßarabas (1969] des apikalen Parodonts
beim Ehlers-Danlos-Syndrom, einer erbli-
chen Kollagcndysplasie, die u.a. mit Hyper- Der Halteapparat des Zahns (Parodontium)
elastizität, Vulnerabilität und Wundheilung)- (S. Abbildung 1.1 08) be\teht au~ den Struktu-
störungen der I-laut einhergeht [Pschpembel ren Wu rzelzem ent, Desmodo nt (l>eri odon -
1998], SchmciLhypopla'>ie, irreguläres Den- tall iga m en t), Alveola rknoch en und Gingi-
tin, fibröse Pulpadegeneration, diffuse Ver- va, die sämtlich ektomesenchymaler Her-
ka lkung und Dentikel. ;.Jach Pope et al. kunft sind [Schroeder 2000].
[19921 außerte sich die Dentindysplasie beim
1-.hlers-Danlos-Syndrom röntgenografhch ah Da\ Parodont \ teilt eine strukturell-
Aplasie oder Hypoplasie der Wurzeln unterer funktionelle Einheit dar.
74 1 Struktur· und molekularbiologisch~ Grundlagen d~r Endodonti~
Abb. 1.107: Ehlers-Oanlos-Syndrom. a) klinisches Bild der unteren Frontzahnregion mit pathologischer Be·
weglichke•t von 32, 31,41 und 42 sowie lokalisierter Gingivitis, b) Verkürzung der Wurzeln von 32, 31,41 und
42, Verdickung der Wurzel von 43, Prasenz von Pulpasteinen in den Zahnen 43,44 und 45, c) Verkürzung der
Zahne 11 und 21, Vorliegen von Pulpasteinen m den Zahnen 12, 11,21 und 22, d) Existenz von Pul pastein~n in
d~n Zähnen 47,46 und 45, e) Uberstreckbarkeit der Fingergelenke, f} Veränderungen der Haut als Zeichen
ih rer erhöhten Vulnerabilität
zervikalen Drittel der Wurzeloberfläche. Oie- eingeschlossenen Zementozytcn und ihre zy-
se Fa5ern sind radiär angeordnet und verlau· toplasmatischen Forts.itze mei ~t verloren
fen im zervikalen und mittleren Wurzeldrit· (Berkovitz et al. 1980]. Sie füllen sich mit
tel einwur.:eliger Zähne in horizontaler Rich- Luft und erscheinen dadurch tlunkel (s. Ab-
tung. Zelluläres Gemischtfaserzement (s. bildung 1.111) (von lven 1992].
Abbildung 1.110) befindet sich vorwiegend
oder ausschließlich in den apikalen Wurzel- Funktion des Zements
abschnitten und an den l·urkatlonen. E!. ist
das Produkt abwechselnder Zementobiasten- Das Zement dient der Befestigung, Adap-
und fihrohlastentatigkeit und besteht daher tation und Reparatur de;/.ahn\.
aus alternierend angelagerten Schichten von
zellulärem Eigenfaserzement und azellulil· Oie Befesti~,'·ung de~ Zahn~ erfolgt durch die
rem rremdfaserzement. Die Sharpeyschcn Verankerung der kollagenen Faserbündel des
Fasern verlaufen apikal in horizontaler Rich- Desmodont~ im Zement. Durch Zementap-
tung, die zementeigenen Fasern sind vertikal position am Apex wird den zunehmenden
angeordnet. Der Mineralisationsgrad des rel- okklu~alen Zahnhartsubstanz-Verlusten be-
lulären Gemischtfa\er.:emcnts ist geringer als gegnet. Ausdruck der Uberschrcitung dieser
der des azellulare n l-remdfa~er7ements. Bei physiologischen Adaptation sind lokalisierte
der llcrstellung von Zahnschliffen gehen die oder generalisierte Hyperzementasen (s. Ab-
bildung 1.112) im Zusammenhang mit loka-
len EntzündungsproLessen oder systemi-
schen Erkrankungen. Oie Reparaturfunktion
des Zements kann bei Wurzelfrakturen oder
Wurleiresorptionen wirksam werden rMjör,
lleyeraas 1998].
Abb. 1.110: Zelluläres Gemischtfaserzement (zz) und Abb. 1.111: Durch Lufteinschluss schwarz dargestell-
azelluläres Zement (az). Alveolarknochen (ak), Des- te Räume ehemaliger Zementozyten des zellularen
modont (d) (Kunststoffeinbettung, ungefärbt, x 45) Zements (Kunststoffeinbettung, ungefärbt, x SO)
(von lven 1992) (von lven 1992)
1.4 Genese, Struktur und Funktion des apikalen Parodonts *:f!.H(JII n
1.4.2 Desmodont
Bildung des Desmodonts Abb. 1.113: Bindegewebiges Desmodont (d) mit sei-
nen Faserbündeln zwischen Zement (z) und knö·
Die Entwicklung des Desmodonts seut un- eherner Alveole (a) (Polmi)
mittelbar nach dem Beginn der Wurzelbil-
dung ein. Zu diesem Zeitpunkt differenzie- teilt sich in 5 Gruppen von Faserbündeln
ren sich die ektomesenchymalen Zellen de~ [Davis 1986]:
Zahnsäckchens zu r.ibroblastcn, die relativ 1. Die Alveolarkammfasern verbinden das
kleine Kollagenfasern hervorbringen. Wenn Zement mtt dem Alveolarkamm.
der Zahn seine Funktion aufnjmmt, verdi- 2. Die Horizontalfasern verlaufen im rech-
cken sich die Kol lagenfasern und finden ihre ten Winkel zur Zahnachse und verbin-
endgültige Richtung (Da\·is 1986(. den Zement und Alveolarknochen im
zervika len Wurzell>ereich.
Struktur des Desmodonts 3. Die Schrägfa~ern bewegen sich vom Al-
Das komplexe De\modont beinhaltet Zellen, veolarknochen aus im Winkel von etwa
kollagene Fibrillen und Fasern sowie Grund- 45° zur Zahnachse sduäg in Richtung Ze-
substanz, Blutgefäße, Nerven und Epithelres- ment und stellen die Hauptmasse der Fa-
te. Die Fibroblasten stellen die zahlreichste serbündel dar.
Zellpopulation dar und sind pluripotenten 4. Die Api ka lfa~ern breiten ~ich radiär um
Charakters. Außerdem sind im Desmodont den gesamten Apex herum aus, um im
Makrophagen, Mastzellen , asso:d iertt: Zy- Alveolarl.nochen zu Inserieren.
tokine, Lymphozyten, Präosteoblasten , 5. Die Interradikularfasern verbinden Ze-
Präosteoklasten , Osteop rogerutorze!Jen so- ment und Alveolarknochen der l'urkatio-
wie Ost eoblasten und Osteoklasten zu fin- nen.
den. Der kollagene zemcntoalveolare I-aser-
apparat des intraalveolaren Parodonts unter-
78 1 Struktur- und molekularboologische Grundlagen der Endodontie
Das De~mod<mt ist reich an Blutgefäßen, die MaJassezsche Epithelreste ~tehen in en-
aus 3 Quellen versorgt werden [Schrocder ger Verbindung zu Mechanore1eptoren und
2000]: freien 'ervenendigungen und enthalten
1. Aus der A. alveolaris entspringt die A. Neuropeptide wie CGRP und SP [Heyeraas
dentaUs, die einerseits die Pulpa speist, Tender et al. 19931.
andererseits am Boden der Alveole die
Aa. periodontales longitudinales ab- Funktion des Desmodonts
gibt, um das Desmodont w versorgen.
2. Der A. alveolari~ entstammen außerdem Das Desmodont fungiert ah Anker, Stut-
die Aste der Aa. interalveolares und Aa. ze, Stoßdampfer und Hihler des Zahns
intcrradk uJares, d1e das Desmodunt und erfüllt nutritive, taktile, sensori·
über die Volkmann-Kanäle der Lamina sehe, formative, reparative und defensi-
cribriformis als Rami perforanti alveola- ve Aufgaben.
res seitlich erreichen.
3. Supraperiostale Arterien, die senkrecht Mit seiner amorphen Grundsubstanz, sei·
in der Schleimhaut der Al\·eolarfortsätze nem Wassergehalt und ~einem Faserapparat
zur Gingiva ziehen, stellen die J. Quelle dien t das Desmodont als hydraulisches Sys-
der desmodontalen Blutversorgung dar. tem zur Kompensation mechanischer Kräfte
(Zug, Druck, Rotation) [Davis 1986]. Im Ge-
Die Al1eriolen und Venolen des desmodonta- gen)atzzur Pulpa verfügt es über ~echano
lcn GefaßS}'Stems bilden in der Umgebung re7eptoren, die ßen.ihrung, Druck und Bewe-
der gesamten Zahnwurzel ein korbartiges Ge- gung registrieren [~fjör, Heyeraas 1998). Das
flecht. Dabei verlaufen die llauptgefaße zirku- Desmodont ist ein hochempfindliches Tast-
lär (A. pcriodontalis circulata) oder vertikal. organ [Schumacher et al. 1990]. Erhöhter
Das Desmodont wird reichhaltig inner- Blutdruck im Desmodont führt zu erhöhtem
viert. Dabei besteht himichtlich des Verlauf\ Gewebedruck und 7u daraus folgender Zahn-
und der Konfiguration eine starke Ähnlich· extrusion. Schmerzempfindungen werden
keit zum desmodontalen Blutgefäßsystem. über ~en~ible Al>· und C-Fasern \'ermittelt.
Somatoscruorische afferente 'ervenfasem Die Zellen des l'eriodontalligaments synthe-
des Plexus dentalis (N. trigeminus) gelan- tisieren Zement (Zementob la~ten), Knochen
gen analog zu den Arterien als Seitenäste des (Osteoblasten) und Bindegewebe (Fibroblas-
'. dentalis oder als interalveoläre ~erven ten). E.o. unterliegt dE'r ständigen Erneuerung
durch die Lamina cribriformis in das Desmo- (Turnover, Remodellierung). Dabei laufen
dont. Sie bilden ein grob- bis feinmaschiges Aufbau- und Abbauvorgänge meist simultan
Netz markhaltiger Nervenfasern, die ihre ab. ln diesem Kontext spielen die fibroblas-
M)elinscheide verlieren. Es liegen freie Ner- ten eine Schlü~~elrolle. Bei einer Verletzung
venendigungen oder ll.uffini-Körperchen des Desmodonts besitzen sie die Fähigkeit,
ähnliche Mechanorezeptoren vor [Schroe- Kollagen und andere Komponenten der ex-
der 2000]. NPY-haltige Nervenfasern kom- trazellulären Matrix zu synthetisieren, aber
men im Desmodont selten, in den Wänden auch zu phagozytiercn, zu migrieren und
der Ge(aße des Mandibularkanals häufig vor. sich zu differenzieren, was der Aufrechter-
CGRP-Fasern werden im Desmodont häufi- haltung des biologischen Gleichgewichts
ger angetroffen als SP-~asern IHeyeraas T0n· im Desmodont dient. Hierbei kommt es zur
der et al. 19931. Aktivierung der Fibroblasten durch Mal.ro-
Die Existenz von Lymphgefäßen wird phagen, Lymphozyten, mechanische Krafte
bejaht [Schrocder 2000). und Mikroorganismen. Die aktivierten Fibro-
1.4 Genese, Struktur und Funktton des apikalen Parodonts 79
ö'
13,04 45,65 2,17 6,52 6,52 21,74 0 2,17 6,52 ~ah~kan et al (1995) "
Oberer !.Prämolar 3,2 49,5 4,7 10.3 74 11 Vertucci (1984)
21,57 33,33 1,96 21,57 3,92 5,98 0 0 0 ~ah~kan et al. (1995)
7,66 26 3,66 5,33 17 Karta l et al. (1998)
Oberer 2. Pramolar 15,1 59.5 4 16,2 78,2 1,6 Vertuccl (1984)
26 34 8 6 2 6 0 2 10 ~al i~kan et al. (1995)
5 19 2 3,66 13,33 Karta l et al. {1998)
Oberer 1. Molar mb 8 51 10,7 13,1 58,2 t Vertuccl {1984)
db 2 36 10,1 12,3 59,6 18
p 4 48 9,4 11,3 61,3
mb 13,11 45,90 14,75 14,75 11,48 1,64 0 3,28 0 ~a l i~kan et al. (1995)
db 3,28 32,79 11,48 11,48 6,56 1,64 0 0 1,64
p 9,84 52,46 1,64 19,67 8,20 8,20 4,92 4,92 4,92
Oberer 2. Molar mb 3 50 10,1 14,1 65,8 A
Vertuccl (1984)
db 2 29 9,1 13,3 67,6 10
p 4 42 8,7 11,2 70,1 ,J.
mb 10,42 29,17 14,58 4,17 8,33 2,08 0 0 0 ~ali~kan et a l. (1995)
db
p
4,17
0
14,58
37.50
6,25
0
2,08
2,08
0
2,08
6,25
20,83
0
2,08
0
4,17
0
6,25
I
~
......
Ta b. 1.5: Fortsetzung
Zahntyp Wurzel Apikales laterale Lokalisation lateraler Kanlile Furka· Autor
Delta% Kanäle Zervix% Mitte% Apex% Zervix + Zervix + Mitte + Zervix + tions·
" -12-
Mitte% Apex% Apex% Mitte+ kanäle
Apex%
"
Unterer zentraler Schneide· 5 20 3 85 Vertucci (1984)
zahn 9,80 31,78 3,88 3,76 8,92 9,61 1,96 1,96 1,69 c;:al i~kan et al. (1995)
8.6 1,7 1,7 6,9 Gomes et al. (1996)
Unterer lateraler Schneide· 6 18 2 15 83 Vertucci (1984)
zahn 23,53 31,66 1,96 4,76 9,84 9,22 0 3,92 1,96 <;al i~kan et al. (1995)
15,1 3,8 Gomes et al. (1996)
Unterer Eckzahn 8 30 4 16 80 Vertucci (1984)
7,84 33,33 3,92 7.84 3,92 7,86 0 5,88 3,92 c;:ali~kan et al. (1995)
Unterer 1. Prämolar 5,7 44,3 4,3 16,1 78,9 0,7 Vertucci (1984) -..."'
-
~
c
16,98 52.83 3,77 16,98 7.55 11,32 0 5,66 7.55 c;:ali~kan et al. (1995)
~
Unterer 2. Pramolar 3,4 48,3 3,2 16,4 80,1 0,3 Vertucci (1984) c
:J
Q.
21,28 38,30 0 2.13 8,51 4,26 2,13 2,13 19,15 c;:ali~kan et al. (1995)
3
0
Unterer 1. Molar m 10 45 10,4 12,2 54,4 ""23 Vertucci (1984) ;;
,...
d 14 30 8,7 10,4 57,9 c
V ;;;
~
m 8,47 25.42 6.78 10,17 1,69 5,08 0 1,69 0 <;ali~kan et al. (1995)
~
d 10,17 33,90 3,39 13,56 8,47 5,08 0 3,39 0 ö
OQ
;;;-
Unterer 2. Molar ,.:r....
A
m 6 49 10,1 13,1 65,8 Vertucci (1984)
11
d 7 34 9,1 11,6 68,3 J, C\
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c
m 13,73 52,94 13,73 7,84 1,96 19,61 5,88 1,96 1,96 <;ali~kan et al. (1995) :J
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' .
2 Endodontologie und Epidemiologie
2.2 Studien zur Epidemiologie von Pulpit is und apika ler Parodontitis . . . . . . . . . . • . . . . . 101
2.2.1 Indexsysteme und Variablen - 101
2.2.2 Prävalenz der Pulpitis - 103
2.2.3 Prävalenz und lnzidenz der Parodonti tis apicalis - 103
2.2.4 Parodontit is apicalis und Mundgesundheitsverhalten - 104
2.2.5 Parodontitis apicalis, Mundgesundheit und Allgeme inerkrankungen - 104
2.2.6 Quantität und Qualität endodontischer Behandlungen - 104
2.2.7 Parodontitis apicalis und Wurzelkanalbehandlung - 105
2.2.8 Parodontitis apicalis, Überkronung und Stiftversorgung - 106
2.2.9 Ursachen und lnzidenz des Zahnverlusts - 107
2.2.10 Erfolg und Misserfolg endodontischer Therapie - 107
H. W. Klimm
Hl:.pidemiology nwy /:x> viewed as based 011 two 2.1.1 Ziele epidemiologischer Forschung
(wtdcmteutal n~\lllttplillm: first, tltat lmmcm
disease does 1101 occur at rawtom, and second, Oie moderne Epidemiologie befasst sich
tlwt l11mtc111 tliseme 1111\ wu\al and P"-'''C'IItil't' nach Burt [1981 1 sowie nach Manji und fe-
(acu~rs tlzat can be ide11ti{ied tlmmglt systemalle jerskov [ 19941 mit folgenden Zielsetzungen:
investigation of diftermt fXJpulatimt\ ar wb- 1. Be~chrei bung des Gesu ndhei tsro~tands
groups o( indh'iduals witlrin a populatiOtt in dif- einer Population (regional bzw. zeitlich)
{m'ltl plan'\ or at different times." 2. Klassifikation von Erkrankungen
lllennel-.ens, Buring 1987] 3. Bestimmung der Verbreitung von Krank-
heiten
Nach wie vor ist die Endodontologie arm an 4 . Crklärung der lltiologie von Erkrankun-
epidemiologi~chen Studien. ~rlksen [19981 gen (u.a. Bestimmung von Risiko- und
bedauert, dass selbst renommierte Lehrbü- Prä ven tionsfa ktorcn)
cher der Endodontologie da~ Thema ,.f.pide- 5. Vorhersage von Kran kheitsentwicklun-
miologie" ignorieren. insofern scheint es gen
dringend geboten, die endodontische Epide- 6. Fntwlcklung von Kon7epten und Metho-
miologie in dieser Schrift abzuhandeln. Da den zur Prävention und Kontrolle von
:.ich die Epidemiologie mit der Verbreitung Krankheiten sowie EvaluatJon realisierter
und Kontrolle \'On Erkranl-.u ngen auf Popu- Konzepte
latiomebene gleichermaßen befasst, ist das 7. Organisation des Gesundheitswesens und
Kapitel bereits an dieser Stelle angesiedelt Planung des Gesundheit~schutzes
und greift da her mit seinen Ausführungen
zur Erfolgsbewertung endodontischer Thera- Cin wesentliches Instrumen t stellen epide-
pie tellwei~e dem Kapitel übe r die l herapie miologische Studien da r. Im Gegematt. zu
vor. klinischen Studien beruhen sie meist auf Be-
obachtung ohne Intervention. Kl inische Stu-
dien sind dagegen nach Möglichkeit experi-
2.1 Allgemeine Aspekte der mentell und dienen vorwiegend dem Ver-
Epidemiologie gleich verschiedener Behandlungen.
Methodisch gibt es jedoch viele Gemeinsa m-
lpidemiologie ist die Lehre \On der Ver- keiten. Ziel ist bei beiden die Verallgemeine-
breitung. den lJr\a<:hen und der Be- rung empirischer Beobachtungsergebnisse
kämpfung infektiöser und nicht in- auf eine Population. llaupthindemisse sind
fektiöser Erkrankungen in dt'finierten dabei Bia\ durch \y~tcmatische Ver7errung
Be,·ölktorungsgruppen (Kohorten) oder ''On Effekten und Zufälligkeit du rch Schwan-
Po pulationen in e1nem be~timmten 1-.ungen der Beobachtung\phänornene und
Raum und einer bestimmten Zeit. durch zufällige Auswahl \'On l'alienten und
Probanden. Bias wird durch geeignete Wahl
98 2 Endodontologie und Ep1demiolog1e
und Umsetzung des Studiendesigns und Zu- sein. Indem epidemiologische Studien Häu-
falligkett durch die Anwendung zttfallskriti· figkelten oder andere Zielparameter in einer
scher Methoden beherrsch bar. Beides zusam- Stichprobe beschreiben und dieselben über
men umfasst die biometrische Methodik. ~taththche Prüfverfahren der Verallgemeine-
rung un terziehen, stellen sie sowohl ein de-
skripti ves als auch ein an alytisches Instru-
2.1.2 Arten epidemiologischer Studien ment dar. Die aufwendige Kohortenstudie
verfugt liber das anspruchvollste Stud iende·
Epidemiologische Studien lassen sich haupt· sign (s. Abbildung 2.2), schätzt das relative
sächlich in 3 Arten (Desit,'IlS) einteilen [Koch Ri siko (RR) und ermöglicht da her Aussagen
2001]: zur Kausalität.
I. Kohortenstudien (l;ollow-up-Studien) Oie Fall-Ko ntroll-Studie (s. Abbildung
2. Fall-Kontroll-Studien (case-control stu- 2.3) basiert auf der Gruppenparallelisicrung
dies) (z.B. gleiche Alters- und Ge~ch lechtwertei
3. Prävalenzstudien (Querschnittstudien, lung) oder der Bildung geeigneter biostatisti·
CrosHectionaJ studies) scher Zwillingspaare (Koch 1995]. Mit der
näherungsweisen Schatzung des relativen Ri·
t\ach dem Grad ihrer Beweiskraft (..evi- sikos durch das Od<h Ratio (OR) liefert sie
dence") ergibt sich die in Abbildung 2.1 dar- Hypothese n, die beweisgestützt (,.evi-
gestellte Hierarchie. Wichtige Aspekte der dence-based") sind.
Beweiskraft sind Repräsentativität und Zufäl· Präval en zstudi en sind am meisten
ligkeit in der Auswahl der Patienten oder durch Systemfehler gefahrdct und führen le-
Probanden sowie interne und externe Validi- diglich zur Feststellung von Assoziationen .
tät der Schlussfolgerungen. Die gewonnenen Hypothesen sind oft bar
Unter zeitlichem Aspekt können epide- jeglicher Beweiskraft.
miologische Erhebungen entweder als rctro· Kontrollierte klini~che Studien (Con·
spekti ve oder prospekti ve Studien angelegt trollcd clinical triaJs, Random ised clinical
trials) werden heute teilweise der klinischen
Epidemiologie zugeordnet (Schäfer et al.
Beweiskraft 1999]. Aufgrund bestimmter methodi~cher
Gemeinsamkeiten mit den beschriebenen
Randomisierte kontrollierte ~tudienarten ist die Zuordnung der kontrol-
klinische Studie lierten klinischen Studien zu r Epidemiologie
zulassig und ih re Darstellung an dieser Stelle
Kohorten -Studie vertretbar. Kon trollierte klinische Studien {s.
Abbildung 2.4) werden als Diagno~c\tu dic n,
Prognosestudien und Therapiestudien
konzipiert und besit1en dte höchste Bewets·
kraft (s. Abbildung 2.1). 1 herapiestudien die-
nen dem 'achweis der Wirksamkeit von \1e-
dikamcntcn und 'I herapieverfahren und
~ind au~schlaggebend für die Zulassung der-
selben. Die Wirksamkeit von McdiJ\amenten
und Verfahren wird im Rahmen von Blind-
Abb. 2.1: Hierarchie der Beweiskraft epidemiologi· und Doppelblind versucben im randomi·
scher Studien sierten Vergleich gegenüber einem Placebo
2J Allgemeine Aspekte der Epidemiologie •a """f1 99
L
dene bene dene bene
lnzidenzverglelch
Stichproben-
l Referenzpopulation I !rollierter klinischer
Studien nach Koch
(2001)
auswatll
(sampling)
I Experimentalpopulation I
·······-····--............_ Ve
u·•~
Aufklärung rweigerer
I Freiwillige
·-·-·······-·····
I
Rekrutierung : ··- -.........._ Ungeeignete
(Einschlusskriterien)
I Studienpopulation I
~
Randomisieru ng /
~
Versuchsgruppe Kontrollgruppe
(Verum) (Placebo)
··...._
··., Auss1eiger, Abbrecher , drop-outs
····....
(d rop-outs)
I
l I Effektvergleich I
er, Beobachtungszeitpunkte, Lwischen- zu erhalten, sollte nac h Möglichkeit das
auswertung, Studienabbruch Prin.tip der Zufall!.auswahl (Random sam-
"' Studienorganisation und Verantwortlich· pling) venvirklicht werden. Außerdem ist
keiten eine au~reichend hohe Zahl von Probanden
A Ethik und Datenschut7 bzw. Patienten in die Studie eimubeziehen
A Qualitäts- und Datenmanagement fFriksen 19981.
A Gewährleistung von Probanden-/Patien-
tensic herheil Untersuchungsmethodik
A Diskussion der Erfolgsaussichten Die Untersuchungsmethoden der Epidemio-
A Einhaltung publi.tierter Fmpfehlungen logie stellen l.d.R. Indexsystem e dar, für die
und Guidelines in Anlehmmg an f.rikscn [ 199tl] folgende
A Publikation der Ergebnisse Anforderungen gelten:
A Praktikabilität
Im Anhang wm Studienprotokoll \ollen Un- A Me~~barkeil
2.1.3 Bestandteile epidemiologischer Die Validität ist ein Gutekri terium für ein
Studien Testsystem, das seine Eignung fur die Abbil-
dung eines Sachverhaltes beschreibt [Pschy-
Stichprobenauswahl rembel 1998]. Sie vdrd anhand von Scnsiti·
Um eine repräsenta ti ve Stichprobe einer vltät und Spezifität des Te~tverfahrem beur-
definierten Gnrndgesamtheit (Population) teilt. Die Sensitivität eines Tests besteht in
2.2 Studien zur Epidemiologie von Pulpitis und apikaler Parodontitis • :mtntJ 101
seiner Fähigkeit, Personen mit fraglicher l:::r· Parametrisierungen des medizinischen For-
krank'Ung als krank zu erkennen. Sie wird schungs.liels wie l.B. Wirk~amkcitsbeurtei
durch den Quotienten der Anzahl der Perso. lung anhand von Mittelwertun ter~chieden
nen mit positivem Te~tergebnis unter den Verum vs. Placebo und benutzen oft die an-
Kranken (A) und der GeS<lmtzahJ der Kran- genäherte Normalverteilung der Zielvaria-
ken (A + C) geschätzt. Mit der Spezifität kön- blen. Nic htpara metrische Verfa hren sind
nen Personen ohne fragliche Erkrankung als indiziert, wenn solche Verteilungsannah·
Gesunde erkannt werden. Sie wird durch den men nicht vertretba r sind. Multivariatc sta·
Quotienten des Anteils der Personen mit ne- tistische Methoden untersuchen kombi·
gativem Testwert (D) an der Gesamtzahl der nierte Effekte unterschiedlicher Variablen in
Gesunden (ß + D) geschätzt. Die Schätzge- ihrem Zusammenwirken und ihrer relativen
nauigkeit anhand der Studienergebnisse soll- Bedeutw1g [f..riksen 1998[.
te stets durch Angabe von Konfidenzinter-
vallen verdeutlicht werden.
2.2 Studien zur Epidemiologie von
Tra ining, Kallbrierung, Re liabilität Pulpitis und apikaler
Die Qualität epidemiologischer Untersu- Parodontitis
chungen ist an ausreichendes Trajning und
qualifizierte Ka librierung sowie an Reliabi· Eine bemerkenswerte Übersicht zu epide·
lität:sprufun gen geknüpft. lm Rahmen der miologisd1en Studien über die ~rävalenz
Kalibrierung erfolgt eine Abgleichung der er- von perlapikalen Veränderungen und Wur-
hobenen Befunde mit vorgegebenen Stan· zelkanalbehandlungen sowie die Qualität
dardbefunden (klinische Realbildcr, Rönt· der endodontischen Verso rgung und des en-
genaufnahmen). Unter Reliabilität versteht dodontischen Behandlungsbedarfs in den
man das Maß der Wiederholbarkeil eines Ländern USA, Großbritannien, Israel,
'lests mit identischen Ergebnissen [Pschy- Schweiz, Österreich, Niederlande, ~olen,
rcmbel 1998]. Für Reliabilitätsprüfungen Finnland, Norwegen und Schweden hat
nach Ooppelbefundungen durch Untersu· Hülsmann [1995a, bj vorgelegt. Aud1 er ver·
eher und Experten wurden Kendall'\ Tau und weist auf die nach wie vor dürftige Oatenla-
der Kappa-Index herangelogen (Schroeder ct ge, die sich allerdings in den letzten Jahren
al. 1999). leicht gebessert habe. Außerdem bedauert er
die begrenzte Vergleichbarkeit der Studien
Biometrische Methodik angesichts heterogener Studiendesigns. Da-
Biometrische Methodik liefert Verfahren und ruber hinaus seien viele Studien nicht bevdl·
F.ntwürfe zur Sicherung von Validität und kerungsrepräsentativ, da ~ie wmei~t nur be-
Reliabilitat der angestrebten Verallgemeine- stimmte Gruppen erfassten und auf begrell7·
rung empirischer Beobachtungsdaten. Ne- tem Röntgenmaterial basierten.
ben der Studienplanung ist die zufallskriti-
sche Bewertung der Beobachtungsdaten mit
stati~tischen Methoden Hauptinstrument 2.2.1 Indexsysteme und Variablen
der Biometrie. Dabei bestimmt das zugrunde
gelegte Gedankenmodell über die Zufallsver- fur die Einschätzung der perlapikalen Ver·
teilung der Zielvariablen die Wahl des adä· hältnisse und endodontischer Behandlung
quaten statistischen Prufverfahrens. Para- stellten Reit und Gröndahl [1983] den rönt-
metrisch e Verfa hren fUr den Vergleich zwei· genografischen Probability Index (PRI) vor.
er Stichproben beruhen auf bestimmten Er enthält die Kriterien-
102 2 Endodontologie! und Epidemiologu!
gle et al. 1994]. Eine Umfragl bei Schweizer raum 191B-1992die Zahl der wuuclkanalgt.>-
Zahnarllcn in eigener Niederlassung auf der fullten L.ihne bei Palienten de r Universitäts-
Grundlage von 1293 Fragebügen ergab, dass klinik Marburg von 0,5 auf 0,8 pro Person an
pro /.ahnarzt an 10 aufeinander folgenden [Schulte et al. 1996). Nach Klimek et al.
Arbeitstagen 4,4 PulpacxMirpationen mit [1995) waren 1983 3,2% und 1991 4,6')\t al-
/wJ\cheneinlage oder begonnenen Revisio- ler Z..hne von Patienten des Zentrums fur
nen, 2,2 [inlagewech~el , 'U Wurzelkanalful- 7..ahn-, \1und- und Kieferkrankheiten der
lungcn oder Wurzelkanalbehandlungen in justus-Licbig-Universitat Gießen wur7elka-
eint.'r ~it10ng, 0,8 abgeschlcl\\t.'ne Revisionen nalgefullt.
und 0, I Pulpotomien als definitive Versor- Uber die Qualit.il von Wurzelkanalfül-
gung durchgeführt wurden. Für die Gesamt- lungen lnfonniert die Tabl•lle 2.2.
bevölkerung ergibt sich daraus jahrlieh pro
12, 1 Einwohner eine Wurzelkanalfüllung
oder Revision IBarbakow et al. 19951. 2.2.7 Parodontitis apicalis und
In der Bundesrepublik Deutschland wur- Wurzelkanalbehandlung
den ~ Studien zur Quantitat von Wurzelka-
nalfullungcn vorgelegt. Von insgesamt 4845 lki der Gegenuberstellung der Haufigkeit
111 der Abteilung Parodontologie am Len- von Wurzelkanalbehandlungen mit der Prä-
trum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde valent apikaler Parodonlltidcn wird deut-
der Urmers1tat Göttingen ertassten Zähnen lich, dass perlapikale L.l~ionen relativ häufig
wart.'n nur 156 (3,2%) cnd<>donti\Ch behan- m1t Wurzelkanalbehandlungen vergesell-
delt worden. Dabei entfielen auf die Alters- ~chaftet sind (s. Tabelle 2..i). So zeigten in ei-
gruppe der 20- bis 29-jährigcn 0,4 endodon- ner Zutallsstichprobe \"()11 'iO-Jahrigen Oslo-
tl\Ch behandelte Zähne und auf die älteste crn 15'll• der endodonusch behandelten lah·
Altersgruppe (> 60 Jahre) 0,7 Zahne pro Pa- nc eine perlapikale Ver<inderung. Zwi\chen
tu~nt [Hulsmann et al. 199 11. Auch die Zu- der Qualität der Wur7ell.analfullung und der
nahme der lläufigkell von Wur7elkanalbt!- PrJvalent der apik,llen Parodontitis bestand
handlungen wud belegt ~ stieg im Zeit- emt statistisch signifikant!! negative Korrela-
11011 JlriJ...sen, Bjertness 1991). Dabei nahm sundheil bei Jugendlichen seit den 1970er-
d1e Zahl der \\'unelkanalbehandlungen mit Jahren und d1e I rhöhung dt!r Qualitat der
steigendem I ebensatter Lu IHugoson ct al endodonti\Chen Behandlung 7urtick. Eine
19951. Dies traf für die Pravalenz endodon- schwedische l'rava1enötudle JHugoson ct al.
ti\th l~h.mdelter Zähne mit periap1kal~r 1995) dokumentierte einen generellen Karics-
oder periradikulärer Destruktion nicht ruckgang in den Jahren 197 ~ 1 99J sowie eine
durchweg zu. Beachtenswert sind in die\em prozentuale Rccluktlon emlodontisch behan-
Kontext epidemiologische Studien in Norwe- delter Zähne in einzelnen Altef)gruppen .lWi·
gen und ~chweden, die uber die rucklaufige sehen dem 20. und 80. Lebensjahr. Der Pro-
Pr,IVah~nl apikaler Parodontitiden und endo· zentsatz endodontisch behandelter zahne
dontisch behandelter Zahne bcnchtetcn mit perlapikaler oder periradikularer Destruk-
JEriJ...scn ct al. 1995; Hugoson et al 199SJ tion blieb allerding5 im \\hcntlichen um·er-
~rikscn rt al. [19951 komtat1erten in ihrer andert.
Follow-up-Studie in den Jahren 1973 1993
an .i~·Jo~hrigen emen Ruckgang der J>arodon-
lltispravalcnz von 30% auf 14')1, bei einem 2.2.8 Parodontitis apicalls, Überkronung
Rud.gang der Zahl endodontisch b~hamll;'l · und Stiftversorgung
tcr Patienten von 50% auf 24%. Die Anlilhl
cndodontisch behandelter /Jhne ging ln Populationsstudien 7ur PrJvalenl apikaler
d ie\em Zeitraum von 3,4% auf I ,3% zurück, Parodontitiden im Zusammenhang mit Kro-
die L.ahl dCI zahne mit apikaler Parodontiti~ nen- und Stifl\er.orgung sind selten. Ecker-
rl'<IUlicrtl sich von I ,5% auf 0,6%, und die bom et al. [ 1991) sind dic\er fragestcllung in
,\n7ahl endodonhsch behandelter zahne einer follow-up-Studie an 200 Patienten
m1t apikaler Parodontitis verringerte \ich nachgegangen, die 1wcimal 1m Abstand von
\'On 0,6'11, auf 0,5' '· Oie Unterschil'(le waren S-7 Jahren untersucht wurden Bei der I.
statistisch signifikant. Die Autoren fuhrten Untersuchung waren 41 7 (2, 1 /..ahne 1m
die~e Veranderungen in der I p1demiologie Durchschnitt) und bei der 2. Un tersuchung
der Parodontiti) apicalis und ihres ßehand- 529 (2,6 Zähne 1m Durchschnitt) überkront.
lung\bedarfs auf d ie verbe\~erte Zah ngc- Kronenversorgunl\en wurtlen häuriger am
Obcrkaefer angetroHen. 59,4 der endodon- 2.2.9 Ursachen und lnzidenz des
lisch behandelten Zahne war«:n 7ur I. Unter- Zahnverlusts
suchung und 64,4% in der 2. Untersuchung
mit Wur7elkanalstiftcn \er~orgt. "{4,59\, \'On Anhand der unter 2.2.8 l>c\thrlebenen l·oi-
255 lähncn mit apikaler Parodontitis wiesen IO\\ ·Up-Studie haben Cckerbom et al. [19921
LUm I. Untersuchungszeitpunl..t und 41% Ur\Jthcn und Inzidenz de) Zahn\ erlu~t'>
\'On 268 /.ahnen zum 2. Untersuchungster- anai}'Siert Das Ergebnh dac~er \nalyse wur-
min eine Stiftversorgung auf Aus den Unter- de wit- folgt zu~mmengcfasst·
!>uchungen wurden folgende Schlussfolge- 4111 Die Zahnverluste waren gleichmäßig
rungen gezogen: über die eln7elnen \lhmgruppen 7Wi-
4111 Kronen- und Stiftvl'rsorgung sind Ther< l· \chen 29 und 2! 60 Jahren verteilt.
pie\tandard. 4111 Molaren und Prämolaren gingen öfter ah
der l'atienten. :"Jach 5 Jahren betrug die lr· zurückgeführt. Ocr lkhandlung\Crfolg war
folgsrate noch 93,05'"1. ln einer wt1tu~n ~P•· im Unterkiefer nicht \ignifikant hoher als im
dcmiologhchcn Studie wurden die trgcbnis- Oberkiefer (lnglc ct al 1994).
~c der cndodonthchen Beh.Jndlung an
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3 Ätiologie und Pathogenese der Pulpitis und
Parodontitis apicalis
3.3 Mikroflora des infi zierten Wurzelkana ls und der apikalen Parodontitis . . . . . . . . . . . 134
Ut eratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . 145
*Jj.jihll 115
~ Wer weiß, wie Leielen enbteht, kmm lx'Sser 3.1.1 Mikrobielle Ursachen
/Jel(e11. H
[A. Gerber, G. Steinhardt 191\91 Die ursächliche Bedeutung der oralen Mikro-
flora bei der Entstehung der meisten ent-
zündlichen Veränderungen der Pulpa und
3.1 Ursachen der Pulpitis und des api kalen Parodonts haben die klassi-
Pulpanekrose schen Tierexperimente von Ka kehashi et al.
[1965) belegt. Aus experimentellen Gri.inden
Solange das Pulpa-Dentin-System durch in- freigelegte Pulpen von keimfreien Ratten
takten Schmelz und gesundes Zement ge- 7eigten weder Pulpanekrosen noch perlapi-
schlitzt ist, kann es nicht von mi krobicllcn, kale Granulome oder Abszesse. Sie bildeten
physikalischen und chemischen Noxen ir- sogar llarhubstan:rbrücken. Dagegen waren
ritiert werden. Alle Faktoren, die zur Zerstö- die mit oraler Mikroflora kontaminierten
rung oder zum Verlu~t dieses natürlichen Pulpen der Kontrolltiere purulent ent.wndet
Schutzes und damit zur Entblößung des Pul- und nekrotisch; perlapikal lagen chronische
pa-Dentin·S)1Stems rüh ren, liefern es der Entzündungsläsionen vor. ln einem anderen
Wirkung der genannten !>chadfaktoren aus. Tierwrsuch wiesen die Pulpen von Affen
Als Infektionspforten gelten Schmelz- und nach der Kontamination fre igele&rten Den-
Dentinsprünge, durch Ka ries und Trauma ti ns in Kavi täten der Klasse V mit supragingi-
freigelegte Dcntinkanälchen, die trauma- \ alem Plaquematerial \chwere entzündliche
tisch oder iatrogen eröffnete Pulpakammer, Veränderungen auf IBergenholtz 19771.
pulpo-desmodontale Seitenkanäle und das
apikale Foramen. Iatrogene Ursachen ste- Karies
hen im Zusammenhang mit ärztlichem I-lan-
dein, im Rah men dessen die Pulpa durch mi- Als häufig~te und unbestrittene Ursache
krobielle, ph)'Sika l i~che und chemische No- d<'f Pulpitis gilt die karie~bedingte mi-
xen geschädigt werden kann. krobielle Invasion des Pulpa-Dentin-Sys-
Der Begriff .,idiopathisch" bedeutet: tem\.
ohne bekannte Ursache entstanden. Wir be-
nutzen ihn aus Gründen unserer Verlegen- Schon im Stadium der lnitialkarie~ wird der
heit, wenn wir die Ursachen einer Kra nkheit kreidig veränderte Schmelz (White spot) von
nicht kennen und signalisieren damit die Mikroorganismt>n durchdrungen [Kiimm
Grenzen unseres gegenwärtigen Wissens. 1997]. Sie penetrieren die subfiziell demine-
ralisierten Prismenzentren und -peripherien
(Mikrodefekt) und gelangen bereib bei noch
makroskopisch intakter Schmelzoberflache,
also vor der Schmelzkavitation, in das Den-
tin. Dort rufen sie eine friihe Denti nläsion
116 3 Ältologle und Pathogenese der Pulpitis und Parodontitis apicalls
Abbildung 3.3): •
Abb. 3.3: Zonen der fortgeschrittenen Dentinkaries
I. Zone der Nekrose
nach kariösem Makrodefekt des Schmelzes (Modi
2. Zone der Penetration fikation nach Furrer 1922, Silverrtone et al. 1981,
3. Zone der Demineralisation Schroeder 1997, Klimm 1997): (1) Zone der Nekrose,
(2) Zone der Penetration, (3) Zone der Deminerali-
4. Zone der abgestorbenen Odontoblasten- sation, {4) Zone der Transparenz. {5) Zone des Nor-
fortsätze (Dead tract~) maldentins, (6) Zone des Tertiärdent ins
5. Zone der Transparenz
6. Zone des t\ormaldcntins
7. Zone des Tertiärdentim
Abb. 3.6: Verdrängung der Dent int ubuli durch Am- Abb. 3.7: Perlschnura rtige Aneinanderreihung von
pullenbildung im kariösen Dent in Ampullen (Rosenkranze) bei fortgeschrittener Oen-
tinkaries
Abb. 3.8: Kavernen (k) und große Am pullen (a) im Abb. 3.9: Spaltenbildung quer zu den Dentinkanal-
kariosen Oent'" ehen des karlosen Oent'"s
Gasbildung entstehen quer zu den Dentinka- Schwere der Pulpaentzündung in der Nach-
nälchen halbmondförmige Spalten oder barschaft einer kariösen Lision wird von der
Zapfen (~. Abbildung 3.9). F.!> findet gleich- Tiefe der bal-teriellen l nva~ion und dem Grad
sam eine Sprengung des Dentins statt [Schro- der Durchdrtngbarkeit des Dentins in Abhän-
eder 1997[. Die am weitesten vorgedrunge- gigkeil von Transparenz- und Tertiärdt>ntin
nen Mikroorganismen werden als Vorpos- bestimmt [Kim, Trowbridge 1998). So war die
tenba kterien (Pio ni erpil7e) be7eichnet. Pulpaent7ündung bei einem Ab~tand von
Die Zon e der Demineralisation entsteht ~ 1, 11 mm zwischen penetrierten Bakterien
durch ba h.terielle Säuren. Sie Hdiffundieren und der Pulpa (ferliärdentin einbezogen) zu
der Penetrationsfront immer etwas voraus" vernachlässigen, während bei einer Entfer-
[Schroeder 1997]. nung von 0,5 mm dil' SchwNe der l>ulpitisru-
In der Zon e der abgestorbenen Odonto- nahm. Voraussetzung für die irreversible Pul-
bla\tenfortsä tze liegt>n ll'l're Dentinkanal- pitis war die bakterielle lnva\ion de.\ Tertiär-
ehen vor. Diese Zone verschwindet mit zu. dentins IReevcs, Stanlev 1966]. Wenn die
nehmender Dentinpenetration. Es <;ehließen Karie~ die Pulpakammer erreicht hat (Caries
sich die Zonen der Transparenz, des Normal- pcnetrans). gilt diese als eröffnet. Nun kann
d entins und des TertiärdenUns an. Daruber sich die gesamte Mundflora uber das zugäng-
wurde im Kapitel 1.2.8 ausführlich berichtet. liche Zahnmark Hergief~en". Es werden \"Or-
Nicht nur die Kronenka ri cs, sondern rangig a-hämolyslerende Streptoko kken,
auch die Wunelkarics stellt eine Infektions- Enterokokken und La ktobazillen isoliert.
quelle der Pulpa dar [lngll' ft al. 199-1). Oll' Andere fakultative An aerobier sind weniger
3.1 Ursachen der Pulpitis und Pulpanekrose M:®IQII 119
~
GradO Grad 1
Abb. 3.11: Grade der mikrobiellen Besledelung von Fullungsrandspalten: Grad 0- keine Mikroorganismen in
der Kavität, Grad 1- vereinzelte Mikroorganismen an der Kavitätenwand und/oder im abgelösten Häut-
chen, Grad 2- inseiförmige Anordnung der Mikroorganismen über die Kavitätenwand oder im abgelösten
Häutchen verteilt, Grad 3- homogener, dünner Bakterienrasen an der gesamten Kavitätenwand oder ho-
mogene Besiedelung des abgelosten Hautchens, Grad 4- homogener Bakterienrasen, von dem Penetra-
tion der Dentlntubuli ausgeht
Weitere Pulpaverletzungen
Im Rahmen der Kavitäten- und Kronenprä-
paration sowie bei der Versorgung mit para-
pulpären Stiften kann es 7ur artifiziellen
(akzidentellen) Eröffnung der Pulpa kom-
men. Neben der mechanischen Verletzung
besteht die Möglichkeit der Infektion, auf die
Pulpitis und Pulpanekrose folgen können.
Chronisches Trauma
Pulpitis und Pulpanekrose bei artifizieller
Abra.~ion, Attrition und keilförmigem De-
fek't sind selten, aber nicht ausgeschlossen.
Die Infektion der Pulpa erfolgt tiber eröffne-
te Dentinkanalehen oder die durch extre-
men Zahnhartsubstanz-Verlust eröffnete
Pulpiikammer [lngle et al. 1994] (s. Abbil-
dung 3.13). Bei keilförmigen Defekten führte
die mikrobielle Invasion des Dentins in
Abhängigkeit von Defekt- und Penetrations- Abb. 3.12: Meslodistale Schmelz-Dentin-lnfraktion
ticfc zu unterschied1id1en Entztindwlgsreak- (Pfeil) als Eintrittspforte für Mikroorganismen. die
tionen in der Pulpa, die zwischen Odonto- eine irreversible Pulpitis ausgelöst haben
blastenuntcrgang und Mikroabszcdierung
variierten [Buchmann 1993). suchten 60 kariesfreien Zähnen manifestier-
te sich der kumulati\'e Einfluss der Parodon-
Parodontal-endodontale Verbindungen titis unterschiedlicher Schwere auf da~ Pul-
Obwohl eine eindeutige Ursache-Wirkungs- pagewebe als Entzündung, Verkalkung und
Beziehung zwischen der Wurzelkanalinfek- Resorption. Infektionen tiber Seitenkanäle
tion und der apikalen, pcriradikulären, !ale- und Dentinkanälchen bei Wurzelkaries ver-
rahm und Interradikulären Parodontiti\ be- mochten durchaus eine Pulpaentzlindung
steht, wird der umgekehrte Infektionsweg aus7Uiösen. Solange die Parodontitis zumin-
vom Parodont zur Pulpa noch kontrovers dest einen Hauptwurzelkanal verschonte,
diskutiert (Kettering, Torabinejad 1998(. Al- blieb die Pulpa vital. Die Blutversorgung der
lerdings räumen Sirnon und Werk~man entzündeten Pulpa in dem Wurzdkanal, des-
[1994] ein, dass Mikroorganismen einer pri-
mären Parodontalläsion dureilaus sekundär
die Pulpa über pulpo-desmodontale Seiten-
kanäle und freigelegte Dentinkanälchen infi-
zieren können, um eine Pulpitis oder ~ekro
se auszulösen (s. Kapitel 1.5). Bender und
Seitzer (19721 haben bei intakten Zähnen,
deren Zahnhalteapparat erkrankt war, ent-
zündllche J>uJpaveränderungen unterschied-
lichen Schweregrades konstatiert, die von
Abb. 3.13: Chronisches arttfizielles Zahnhartsub-
der Pulpitis bis zur Pulpanekrose reichten. stanz-Trauma mtt Pulpaeroffnung durch Quarz-
Bei den von Langeland et al. [ 197-l] unter- staubexposition in einer Elsengießerei
122 3 Ätiologie und Pathogenese der Pulpitis und Parodontitis apocilhs
Umfeld des pulpalen Entzündungsbezirks ßen (Kim, lrowbridge 1998]. Nach der An-
(Law et al. 1999]. wendung eines Erbium, Chrom:YSGG-Ia-
Das ,.Errötenu des Lahns als klinisches scrverstärktcn hydrokinetischen Systems
Zeichen während und nach der Kavitäten- zur Kavitätenpräparation wurden bei weißen
oder Kronenpräparation wird auf die Entste- Kaninchen keine J>ulpa\'erändcrungen nach-
hung der Reibungswärme zurliekgeführt gewiesen [Eversole et al. 1997].
(KJm, Trowbridge 1998(. Der rosa Farbton ist Im Rahmen von Wurzels-pitzenresektio-
Au\druck einer Hämostase im ~ubodonto nen t..önnen angrenzende vitale Zähne bei
blastischen Gefäßplexus. Dieses Phänomen der Kürettage ausgedehnter t"Jeriapikalcr Lä-
wird durch Vasokonstrit..toren der Lokalanäs- sionen devitalisiert werden. Außerdem wur-
thetika verstärkt. Vasoaktive Substanzen den Pulpanekrosen nach Gefäßverletzungen
(z.B. Substanz P) und Stoffwechselprodukte durch umfangreiches Scaling und Wu rzel-
können somit schwer aus der Pulpa evaku- glättung beobachtet.
iert werden. Pulpaschäden sind die Folge. Nach maxlllären und mandibulären Seg-
Bei der Kavitäten- und Kronenpraparati- mentosteotomien an 26 Pavianen waren
on können die Odontoblastenfortsät7e abge- postoperativ der Verlust der Odontoblasten-
trennt werden, was zur Odontoblastenschä- schicht sowie entzündliche Zellinfiltrate und
digung führt. Der Untergang der Odonto- Nekro~ebezirt..e in der Pulpa eruierbar. Viele
blasten wird auf einen Komplex weiterer Pulpaentzündungen heilten allerdings spon-
Noxen zuruct..gefUhrt: Reibung~wärme, Vi- tan aus [Lownie et al. 1999].
bration, Austrocknung, bakterielle foxine, Die Wirkung enormer physikalischer
chemische Substanzen rKim, Trowbridge Kräfte bei der kieferorth opädi~chen Be-
1998(. handlung kann durch Strangulation oder
Pulpaschädigende Wärmeentwicklung Abriss der dm Foramen apicale eintretenden
entsteht selbstredend auch bei der ~achbear Blutgefäße u.a. zu Hämorrhagien, Degenera-
beitung von Füllungsoberflächen (Politur). tion, Verkalt..ung und Nekrosen der Pulpa
führen. Intru.~ive Kräfte verursad1en externe
Dehydratation Wurzelresorption und pulpale Gefäßdegene-
Die Austrocknung des freigelegten Dentins ration [Küt;ükkelc~. Okar 1994[. Paradoxer-
durch den Einsatz des Luftbläsers wirkt sich weise i~t der obere F.ck1ahn, der durch ande-
zusätzlich negativ auf den Pulpazustand aus re naumata selten devitalisiert wird, am
[l~ränmtröm 1960(. Auf die Odo ntobla~ten hJufigsten betroffen [Ingle et al. 1994]. Da-
aspi ration ist schon im Kapitel 1.2.8 hinge- gegen zog die elektrothermische Entfernung
wiesen worden: Durch den Trocknungspro- von Hrackets keinerlei Pulpaschäden nach
zess wird die Dentinflussigkeit nach außen sich Uost-ßrinkmann et al. 1997].
in Bewegung gesellt. Die Flüssigkeitsbewe- Durch Schwant..ungen des Umgebungs-
gung vermag die Odontoblasten in die Den- drucks der Luft kann Barodontalgie (Aero-
tinkanäkhen hineinzuziehen, wo 'ie ab\ter- doutalgie) hervorgerufen werden. Es han-
ben [Kim, lrowbridge 19981. delt sich dabei um Schmerzsensationen, d ie
nicht in der gesunden, ~omlern in der vorge-
Andere physikalische Ursachen schadigten Pulpa ausgelöst werden. Die
Beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung Druck\chwankungen sind nicht Ursache,
sind Nutzen und Sicherheit der C0 2-Laser wohl aber Anlass. Das Phänomen ~teht im
fllr die Bearbelh.mg der 7.ahnhart~ubstan7en Zu~ammenhang mit Karies, apikaler Paro-
fraglich. Auch beim Einsatz von Nd:YAG-La- dontitis, ausgedehnten Füllungen, Zysten
~ern !>ind Pulpa\chäden nicht auSLu~chlle- und Sinusitidcn. Daher i~t die ab'>Oiute Höhe
124 3 Ätiologie und Pat hogenese der Pulpitis und Parodontitis apicalis
weniger bedeutend aJs die Höhenänderung. Phosphorsäure nachgewiesen. Auf jeden Fall
Betroffen sind besonders Militärflieger. Sie wurde die Pulpa von aus kieferorthopädi-
sind in Höhen von etwa 12000 m (40000 ft.) schen Gründen extrahierter Zähne durch
2- bis 3-mal höherem Druck ausgeset7t als eine 20 s dauernde Atzung des Dentins mit
Passagiere und Crews in der zivilen Luftfahrt 10%iger Phosphorsäure nicht gefährdet.
[llolowatyj 1996). Barodontalgie wurde auch Zwischen Versuchs-, Kontroll- und konven-
bei Marinetauchern, Froschmännern und U- tioneller (Dentinlincr) Gruppe bestand hin-
Root-Fahrern beschrieben [Goethe et al. ~ichtlich der J>ulpahhtologit: kein ~taththch
19891 und in Dekompressionskammern her- signifikanter Unterschied [Gilpatrick et al.
vorgerufen [Gros\man 19651- 1996]. Phosphorsäure vennag den Smear lay-
Zwischen lufthygienischen Einflüssen er komplett aufzulösen [Kanca lll 1990; Re-
und odontogenen ~chmer77uständen (Me- tief et al. 1992]. 37%ige Phosphorsäure redu-
teorotropie) besteht offenbar kein unmittel- zierte sowohl die Haftfestigkeit am Dentin
barer Zusammenhang [Schmädicke et al. als auch das Microleakage von Farbstoffen.
1990]. Mildere Dcntinkonditionierer beließen tu-
mindest Schmierschichtpfropfen am Ein-
gang der Dentinkanälchcn, wodurch die
3.1.3 Chemische Ursachen Haftfestigkeit am Dentin und da~ Microlea-
kage erhöht wurden [l{etief ct al. 1992]. Als
in den let?ten Jahren hat sich mehr und Konditionierer mit milderer Ätzwirkung gel-
mehr die Meinung durchgesetzt, dass Pulpa- ten 2,5-10%ige Maleinsäure sowie Alumi-
schäden im Zu~ammenhang mit der Fül- niumnitrat und Oxalsäme [I lamlin et al.
lungstherapie primär auf das mikrobielle Mi- 1990).
croleakage zurOcki.ufuhren sind. Gleichwohl Die schädigende Wirkung von Säuren auf
konnte hisher die pulpaschädigende chemi- die eröffnete Pulpa konnte im Tierversuch an
sche Wirkung von Füllungsmaterialien nicht Bärenpavianen (Papio ur~inus ursinu~) de-
endgilltig widerlegt werden JKim, Trowbrid- monstriert werden [Pameijer, StanJey 1998).
ge 1998j. Und so mü~sen 1-"üllungsmateria- Nach Ätzung (Total etching) der experimen-
lien einerseits unter dem Aspekt der Rand- tell eröffneten Pulpen mit 3S%igem Phos-
spaltbildung (Microleakage) und anderer- phorsäure-Gel und direkter Überkappung
seits unter dem Gesichtspunkt ihrer Toxizität mit Kalziwnbydroxid (Ca(Oiihl starben
betrachtet werden [lngle et al. 1994). Außer- 21% der Pulpen im Verlauf von 25-75 Tagen
dem ist die Anwendung d1emischer Mittel ab und 71% bildeten eine Dentinbrückc.
im Rahmen der Füllungstherapie zur Dentin- Demgegenüber wu rden in den Kon trollgrup-
konditionierung oder l{einigung, Desinfekti- pen nach alleiniger Überkappung mit
on, Trocknung und provisori~chen Versor- Ca(0H)2 ohne Säureätzung nur 7% der Pul-
gung präparierter Kavi täten einer kritischen pen avitaJ, 93% überlebten und 82% zeigten
Bewertung zuunter7iehen. Dentinbrucken. 2%ige~ Chlorhexidin er-
wies sich als effektives t-lämostatikum, des-
Konditionierung sen Effektivität durch die Säurewirkung dra\-
Die Atzung vitalen DenUns durd1 Säuren Usch reduziert wurde.
bleibt nach Aussagen dt:r mei~ten Autoren
ohne Folgen für den i'ulpa?Ustand [Kanca 111 Kavitätendesinfektion und -trocknung
1990; Bertololli 1991). Zu\ or jedoch hatten 7ur Kavitatenreinigung bzw. -desinfektion
Relief ct al. (1974j Pulpairritationen nach 1- werden Wasserstoffperoxid (3%), eine
minutiger Ätzung des Dentins mit 509t••ger O,S%ige wawige l.ösung von Chlorhexidin-
3.1 Ursachen der Pulpitis und Pulpanekrose 1 fi.UCII 12S
dig lukonat ((.(IX) IKlimm 1997) und da~ phat- und Siükat-Zcment schle<hter ab [Kiöt-
Ferhgpraparat Tubulicid (Red labd) (Brann- zer, Langeland 1973). Einige t\utorl!n ~hcn
ström, ~}borg 1976] empfohlen. Letzteres die Versorgung tiefer J..avitilten mit Zink-
enthalt Chlorhexidindiglukonat, Dodecyl- m.id-1' ugenol lo..rittsch [Kim, lrowbridge
diam inO.ilh)lglycin und Natriumfluorid. 19981 oder fordern einen C.a(OII)z Li ner als
1\ach der Applikation dieses baktemid und Zwi~chenschicht vor der Applikation des
grcnzfl:ichenal..tiv wirl..cnden Präparates 7inkoxid-:\elkcnöls lßrannström, Nyborg
wird dll• Sd1rnier\chlcht 1.war weite\tgehend 1976).
entfernt, wohl aber bleiben die äußeren l:in-
g<utge der Denllnlo..anälchen durch Schmier- Kavitätenliner
schichtpfropfen verschlossen. ~ach direlo..ter Kalziumhydroxid als Suspemion oder Ze-
Applilo..atlon von Chlorhexidindtglukonat mcnt gilt als ldassischl!r Kavitatenliner. ln
auf die 1\Jipa zur Desinfektion und Blutstil- sehr dunoer Schicht (auf dem pr.1panerten
lung waren tmmerhin 82''b der Pulpen tn der Dcntin) stellt es einen idealen l.._tlpa~chutL
I agc, nach Ol>l!rlo..appung mit C3(0llh eine dar [lngle et al. 1994). Im Tierversuch an
Dentinbrucke 7U bilden [Pameljer, 'itanley Rhesusaffen zeigten nur 2 von 17 Pulpen
1998). Die direlo..tc Einwirkung von Natrium- nath Versorgung des experimentell freigeleg-
fluorid auf die freigelegte Pulpa blieb ohne ten Dentins mit C:a(OH)z nach kur7er Zelt
rolgen fur das ~larkorgan [Walton et al. cnt1.ündliche Veränderungen (Cox et al.
1979]. Alkohol und Chloroform trocknen 1998). 1ertiärdentinbildung '' urde nicht be-
das Dentin aus, diffundieren schnell, dena- obachtet. Da die Kalziumhydroxidpraparate
turieren Ei\~eiße und schädigen Odontoblas- mei\t nicht saurestabU ~ind und amgewa-
ten (Schr~d~r 1997(. schen werden können, mu!>SCn sie mit emcr
wilden Unterfüllung au~ Zinkpho\phat-, Po-
Temporärer Vers~hluss der Kavität lycarboxylat- oder Glasionomer-Zement ab-
/.inkoxid-fuge nol t\t em nach Y.ie vor be- gedl'lkt werden. Dic Unterfullung ist ~Jure
\70rzugtes universelles Behandlungsmittel in rcsi~tent w1d sorgt für ausrrichende Stabili-
der Zahnheilkunde. AJs tcmporares Ver- t:tt.
schlu~s- und Rcfc\tigungsmatcrial ist C\ aus Die Kombination 1uhulitcc Primer und
dreierlei (,nmden beliebt: l.s wirkt ana~the l.l ncr wurde \'Oll der Pulpa ml'mt"hli<:her
~ieH:nd, verfugt ubcr antibakterielle Eigen- i'.Jhne amnalunslos toleriert ('lorstenson
Slhaften und \er\Chließt Kavitatcn pralo..ti<.ch 1995).
bakterlendlcht. \llcrdings gilt der Bestandteil
Eugenol ( 1-Allyl-3-methox}-4-ox)bcn7ol) Dentinadhäsive und die nicht eröffnete Pulpa
(Hoffmann Axthelm 1983), ein Phenoldrri- l~ntmadhäsiw haben die \ulgabc. sich che-
vat, al~ pulpatoxisch [I<anca 111 1990). ln der misch bZ\,. mechani~ch an SthnH:It, Dentin
PulpagewebckuJtur zeigte Zinkoxid-Eu~enol und Zement sowie chemisch an Kompo~ite
denn audt toxi\thc Wirlo..ungen. Sellht rcmes 1u bindrn. Dentinobertla..:hen Lu vrrsicgeln
Zinkoxtd vrrfllgt über toxische figenschaf- und somit chemisches und milo..robtcllcs Mi-
ten (Das 19811 Brännström und Nyborg noleakage LU verhindern. ln vitro ~onn te
(1977) vertraten die Ansicht, dass Zinlo..oxid- ge1eigt werden, dass Ocntinadh.istve das mi-
l:.ugenol die i>ulpa starker mitlere ,,1\ krobielle Microleakagc \tarlo.. rl'tlu11ercn
Zinkphosplhlt-Zemeo t. Dementgegen wur- [Prcußker ct al. 20001 IS Abbildung 3.14).
de 7mkoxtd-lugenol im Tiere:.:pcrirnent an Dabei !x-standen F\\l\l.hcn Ein - und Mehr-
Rh~usaffen eine gute 1\Jlpavertraglichlo..cit korn ponentenadh ash ·<'n keine \ignifilwn-
tlt'\lhemigt. Hicr \chnitten Zinl.:oxidpho~- ten llntcr\ch•ede Angestellt~ der cindeuli-
126 3 Atlologlt! und P~thogenese der Pulp•t1s und Parodont1t1s ~picalis
gen Optimierung der Fullung\th~rdpl~ mrt dem System Scotch bond 2/PSO leigten I I
neuen Dentinadha\iven muss allerdrngs die von 16 Pulpen mcml hlither 7ähne, die aus
Frage n.tch der biologisch en Unverträglich- kiefe ro rthopädischer Indi kation extrahiert
kei t drcser llaftvcrmittler erla ubt sein. Vo- wurden , keine Pul pi tistcichw. ln 4 Fällen, in
rau\\l'llung fur einen möglichen to.xhthen denen ein mikrobielle~ \olicroleal.agc vorlag,
1-rnfluss der Den tinadhäsive a uf da.\ l'ulpage- hatte sich auch prompt eine Pulpaenuün-
wctx· ist die Diffu\ion ihrer nicht polymwi· dung en twickelt [Tof\ten\(lll 199SJ
\icrtt:n \ionomere und Lösltchkertsprodul..tc Oie Pulpa von Affen wies 90 Jage nach
dur'h da~ lkntrn. Die~\ Phanomen wurde der Anwendung ein~ Dcntrnadha\1\S als Ka-
erndcutrg in vitro belegt. So konnte mittels ' itiitcnliner und lnkorpmation \'Oll indirek-
n u\\igl..eitschro m atografie und Ma \\Cn · ten 1\omposilrnlays der Kavilatenklasse V
Spektrometrie festgestellt werden, d<m ein keine oder leichte EntLUndungsreal..tionen
f LC,DMA crllhaltendes Dentinadh,isiv in und eine vergleich\weiw \ t ar~e lertiärden-
Kombination mit einem TEGDMA ha ltigen ti nbild ung a uf. Daher wurde das Adhäsiv zw
Komposit die 'I LGD~IA-Diffu~ion durch da~ Versiegclung fri\lh pr.lpdrierten Dentim
Dentin be\chleunigte und erhöhte ((;ewna, empfohlen, um nath \micht der Autoren
llumc 1996]. l'rot7 der möglichen Drffu\ion mechanische, thermi~che und ba l..terielle
in die l'ulpa beantworteten rm Tit:rvemKh Noxen während der Abdrucl..nahme, tempo-
an Affen nur 2 \'On 30 Pulpen die Apphl.atl· raren Versorgung und ßdt:\trgung der Res-
on ernl'\ .\dha\iv-l<omposit-~ntems in Ka\1 taurationen von der Pulpa abzuhalten (lno-
t.r ten der l<lasse \' mit einem ll'ithten f nt· koshi et al 19951
zundungsinfiltrat (Kitasako et al 20001 ln Zu a.nderen f.rgebrm~cn Relangten Heb-
e rncm ''dteren llerexpcriment an Arfcm be- finget al. (1999a) in pathomorphologischen
standen 1u i-einem Zeitpunkt in der nicht er- Untersuchungen der Pulpa extrahierter
öffneten Pulpa Unte r\chietle ?wischen den mcmch licher Pramoi.Jrt•n. Da\ prapanerte
Real.tionen au f das Adhäsiv-Komposil-S) \ Den ti n tiefer Kaviltllen der Klasse V erfuhr in
tem Clearfi l Liner Bo nd 2/C.Ica rfil AP· X 3 Gruppen folgende ßl'lrandlu ug. l. Kondi·
und Ca(OH h nach Beha.ndlung der Kavrta tronierung mit 1O'liorger l'ho\pho rsäure und
tenl..la\\t'n I und V: Toxische Eff~kt~ blrl'hen Applikation des Oentrnadha\M Allbond 2
in bl:iden Gruppen aus [Akimoto et al. 199HJ. (\'ersuchsgruppe 0 .\ ), 2. Kontaminatio n mit
:o-:.Jch Dcntinfr~ilegung und Versorgung mit eigener Plaque, Ko ntlrtronierung und Apph·
3.1 Ursachen der Pulpitis und Pulpanekrose •$j.jlQII 127
kation des lJentinad häsivs (Versuchsgruppe tilladhäsive Clearfill Liner Bond 2 und
DAC) sowie 3. Versorgung mit Kalziumhy- Single Bond im subkutanen Bindegewebe
droxidzemen t (Kontrollgruppe CH). Später als nicht bioko mpatibeL Noch nach 60 Ta-
wurden die Kavitäten mit dem Mikrohybrid- gen 1eigte das Bindegewebe eine persistente
komposit Z 100 gefi.illt. Oie histopathologi- l:.lllzundungsreaktion mit Makrophagen und
sche Unter~uchung ?eigte, dass in den Ver- Riesenzellen. Das Kalziumhydroxidpräparat
suchsgruppen DA und DAC eine stärkere Dycal wurde besser vom Bindegewebe tole-
F.ntLündungsantwort gegeben wurde als in riert [Costa ct al. 20001- Auch an direkt über-
der Kontrollgruppe. Zwischen den Versuchs- kappten Pulpen von aus kieferorthopädi-
gruppen bestanden keine signifikan ten Un- schen Gründen ext rahierten Zähnen zeigte
terschiede. Oie Intensi tät der Pulpareaktion sich Ca(OH)z gegenüber dem Oentilladhäsiv
nahm mit abnehmender Stärke des Residen- All Bo nd 2 überlegen [Hebling et at. 1999b].
tins 7 U . Aus den Ergebnissen kon nten folgen- Da dieses die Ausheilung der Pulpaentzun-
de Schlussfolgerungen gezogen werden: So- d ung und die Bildung von Dentinbrücken
wohl penet rierte Mi kroorganismen als auch hemmte, sei es nach Mei nung der Autoren
d iffundierte Adhäsivkomponenten vermö- rü r die di rekte Übcrl<appung menschlicher
gen eu1e gleichartige Pulpareaktion auszulö- Pulpen ungeeignet. Ähnliche Erfahrungen
\en. Let.:tere verur~achen eine lang anhal- machten Pereira et al. [2000): Die Langzeiter-
tende chronische Entzünd ung mit charakte- gebnisse nach direkter Übcrkappung mit ei-
ri~tbchen Makro phagen und Riesen telien nem Dentinadhäsiv bestanden in einer per-
IGwinnett, Tay 19981. Dabei beeinträchtigen sistierenden Pulpitis und (ehlender Brücken-
d ie Monomere das Immunsystem, bewirken bildung, nach direkter Überkappung mit
eine Immunsu ppression !Luster 19891. Wie Ca(Ollh in Entzündungsfreiheit und Den-
von Gerzina und Hume [1 996] bereit~ de- tinbridging in 80% der Fälle. Dagegen verlief
monstriert, karu1 weder die Hybridschicht bei Cox et al. 11998] und Kitasal<O et al.
noch da\ Re~tdentin o~.wischen Kavitätenbo- [ 1999] die direkte Überkappung mit Dentin-
den und Pulpagewebe die Monomerdiffusi- adhäsiven überaus erfolgreich. Im bereits er-
on durch die Dentinkanälchen verhindern. wähnten Tierversuch an Rhe\u\affen bestan-
Das Ausmaß des zytotoxischen Effekts ist den bezüglich der Pulpareaktion zwischen 9
von der Stärke des Restdentins abhängig. Bei Dentinadhä\iven und Ca(OIIh, die in den
einer Dicke von < 300 l.llll Liegt eille persis- Kavitätenklassen I und V angewendet wu r-
tente Pulpitis vor. den, keinerlei Unterschiede (Cox et al. 1998).
90 97 Tage nach direkter Überkappung
Die Versorgung des Kavilatenbodens mit fehlten bei ~ 1 von 4'1 Pulpen jedwede Cnt-
einem biokompatiblen Material ist un- zündungs7eichen u nd 33 von 41 ad häsiv
abdingbar, um die Pulpa vor dem Ein- überkappten Pulpen präsentierten eine Den-
fluss chemischer Noxen in Form von tinbrücke. Kitasako et al. (1999] erzielten
Re~tmonomeren und l.ö~lichkeil\pro ähnliche Ergebnisse. Die Dentinadhäsive
duktcn der Adhäsivsysteme 7u schützen. vermoch ten das Pul pa-Dentin-~ystem vor
bakteriellen Irrita tionen zu schützen.
Dentinadhäsive und die eröffnete Pulpa Ätzung mit JS%iger l>hosphorsäure und
Auch hinsichtlich der Reaktion der offenen Überkappung der Pulpa mit den Adhäsiven
Pulpa auf Dentinadhasive bestehen ange- All Bond 2, Pro Bond und Permagen A & 13
sichts unter\Chiedlicher f.rgebnis~e teilwei~ führten bei Bärenpavianen in 45% der fälle
diametrale Auffassungen. So erwiesen sich in zu m Pulpatod und nur 25% der l'älle wiesen
lmplantationwer!>uchen an Ratten die Den- eine Dentinbrücke auf [Pameijer, Stanley
128 3 Atlolog•e und Pathogenese der Pulpitis und P;~rodont•t•s ap•cahs
1998). ln\Ofem wurden 'l(>tal etching und direkt mit der eröffneten llttlpa in lo;ontakt
Dentinadhäsiw zur direkten U~r~ppung gebracht. Da\·on wurden 4 rullungen mit
der Pulpa abgelehnt. linkoxid-Eugenol W~ll'gelt. Nach 7 Tagen
teigten 3 der 8 amalgamüberkappten l)ulpen
Unterfüllungs- und Befestigungsmaterialien eine l:.ntzundung. Nach 21 ragen waren .3
Zinkpho\phat-, Polycarboxylat- und Glas- von 4 Pulpen unter den unver\iegelten
lo nomcr-/.ement werden als Untcrfi.tllung\· Amalgamfüllungen maßig bis schwer ent-
und llcfestlgung~rnaterialien verwemlt't. Bei 7ündct und bakteriell kontaminiert, wäh-
Ihrem F.in\itt7 als Befestigungsmaterialien !ur rend die Pulpen unter den versiegelten
Inlay~ in 1u extrahierenden Prarnolaren teig- Amalgamfüllungen wc'<lcr ß.1ktcrien noch
tcn sowohl Zinkphosphat- als auch Polycar- f.ntzundungen aufwte\en.
bo\ylat-7ement trotz geringer Rc~tdcnhn k onventio nelle v lasionom er-7emen te
starke (0,42-0,44 mml eine whr gute l'ulpa- (C...IZ) zeichneten sich 111 der GC\\Cbckultur
vcrtragli(hkeit. So wurden in 76 von 78 im Vergleich 1u 7inkmdd-1 ugcnol und Pol)'·
/.ahnen pulpale f.ntzundung\LCtchcn ver- carboxylat-Zement durch eine bessere biolo-
mi\~1. D.!IJt>i war in 37 Zähnen /inkpho~ gi\che Vertraglichkeil au\ (Ka\\dhara et al.
phat- und in 39 Zahnen Polycarboxylat-/c- 1979). 1m Tierexperiment an Affen lagen
ment appli..dcrt \\Orden. ln nur elnN von hinsichtlich der PulpaHrtr.lglichkeit gegen-
82 Kavitäten ließ sich eine bakterielle Konta- über GIZ und Zinkox:id-Lugenol keine signi-
mination nachweisen. Letliglich in 4 Fällen fikanten Unter~chicde vor. D1e Pulpareakti-
lag e.ne milde hi~ mäßige lnftltration mit on auf beide ~laterialil'n fiel mtld aus. Aller-
Fntwndungszellen vor. Oie Entzundung he- ding~ bestand auch hier ein /u~mmenhang
traf 2lahne mit Zinkphosphat- und 2/.<~hne zwischen dem mikrobiellen ~licroleakage
mit Pulycarhoxylat-Zement. 17 der mll Zlnk- und der Pulpili\ [Tohia\ ct al 1989) Hybrid-
phmphat- und 6 der nut Polycarboxylat glasionomer-lem en te (lichthJrtende Gla-
Zement vcr\orgten Zähne wie<;en l'ine Re- sionomer-Zemente) erwtc\en \ich im Tier-
duktion der Odontoblastenzahl aul (ßrann- \·e"uch an Rhesu~affen sowohl gegenüber
~trtim, Nyborg 1977(. ln der bereit\ erwähn- der verschlossenen al~ auch gegenuber der
ten Arbeit von Klötzerund Langeland (197 J) eröffneten Pulpa als biokompatibel. 6 Tage
r<tngiertl'n Polycarboxylat-Zemente h in- nach der Füllung~therapte be~t.anden in der
sichtlich ihrer J>ulpa\·erträglichkeit noch vor geschlossenen Pulpa keine Unterschiede
/tnko\idphosphat-Zement. hinsichtlich der Reaktion auf llyhridgld\io-
nomer-Zement und Zmko.xid 1-.ugenol: Die
Weitere Füllungsmaterialien Pulpen waren ent7undungsfrei. Die eröffnete
Moderne ("amm a-2-freie Am algo~ me mit l»ulpa reagierte auf den <...IZ mit unterschied-
hohem Kupfergehalt (5-30''111 J..onnen teii· lichem Entzundung\grad lx·i pmitiVl'm Rak-
\Wiw inakzeptable J»ulparcaktionen h~r\·or teriennachweis. Die Ausheilung der Pulpitis
ruf~n (Skogcdal, Mjör 1979). De\halh wurde verlief ahnlieh der nad1 direkter Üherkap-
dl~ I orderung erhoben, stets emc Un terlul- pung mit Kalziumh}·dro\id. 22 von 26 eröff.
lung untt•r Amalgam zu legen. Auch be1 der netl.'ll Pulpen hatten nach 21 und 97 Tagen
Amalg~mlullungstherapie ist an das mikro- eine Dentinbnlcke gebildet [Tarim et aL
bil'lle \lluoleakage al~ mögliche Ur~ache fur 1998).
l»ulpa\·eranderungen zu denken !lngle et al. ln dieser Darstellung wurde eindeutig !Jt?.
1994 (. Oafur liderten Cox et al . IJ91!7] im legt, dlb~ die Pult>a duflh l'ine Reihe von
ltcre\periment an Rhesusaffen den cmdcuti· I aktoren geschädigt werden kann. Dazu zah-
gcn lk'\\eis: 8 Amalgamfullungen \\urd~·n len mikrobielle, ph)~ikah\lhe und lhemi-
32 P01thogtn~e der Pulpolos M fi.:lOI I 129
sehe Noxen, die auch im Rahmen arztliehen Zellen) gel..ennzeichnet. Da\ sind lym pho-
Ham.lclm wirksam werden könn~n. Von al- 7}1en , Makrophagcn und Plasmazellen
len Schadfaktoren ist der m ikrobielle am ix'· ['lrowbridge, Emling 1997J. Dabei wird in
dcutcndsten. Oie SchJdlgung der Pulpa kann d~n fruhen Kariespha~en die 7elluläre lm-
einmalig oder mehrmalig in großen Zeiträu- rnunantwort auf Antigene der !..ariosen l..J.
rm:n erfolgen. Oie ein malige ~hadigung sion v-on T-l ymp horyten gegeben [lromi et
lulnn allerdings so stark sem, dass sie in rela- aL 1995). Die Proliferation der kleinen Blut-
11\ lur1er /eit den Geweb\un t~rg<mg der Pul- gcfaße und Fibroblasten sowrc die Bildung
pa hervorruft. Bei wiederholter Wirkung von Kollagenfasern sind Zeichen für einen
glekh· oder verschiedenartiger Schadfakto- en tnindhch-reparathen 11rozess Jl<im,
ren slellt sich d ie Frage, ob die Pulpa zurück- Trowbridge 1994]. Bei der duonischen ge-
liegende Schadigungen .. vergisst". Da!> \thlo\\enen Pulp1tls werden chronische [>ul-
,.Schadensgcdächtnis" der Pulpa könnte an- paabszesse fibrös-narbig \'Oill ubrigen Pulpa-
gezweilelt werden, rumal aufgrund ihres gro- gewebe abgeriegelt. Be• chromscher offener
ßen Regenerationspotenzials viell Schäden ulzerierender Pulpitis fuhrt crne t<olliquati·
tempor;iren, rever)ibl~n ( h.trakters sind onsnekrose zu einem lol..ali~ierten Ulkus.
Gleichwohl wird die Pulpa n icht jede Vor- Aufgrund der möglichen Drainage dureil die
,,h,idlgung vergessen, soda" e\ Im Verlauf Pulpaeröffnung bleibt die Destruktion der
des l'ulpalebens zur An haufung und Potcn- Pulpa .lUf ihre Oberfl;iche beschränkt. Die
llerung \Oll Schäden kommt, welche d1e l hroni\che offene hyperplastische Pulpitis
Selbslhcilung gefahrden, Therapieerfolge (l'ulpapolypl ist Au..Orucl.. der hohen Ab-
SChmalern und den Pulpatod allmahlich her- wehrfah•gke•t der l'ulpa gegenubcr der bak·
beiführen. teriellen Noxe. Die reithc Blutversorgung
ubcr ein weites Fo1amen apic<~lc hei jugendli-
Pulpen \terben oft langsam und leise. rhcn bleibenden Zähnen befähigt die Pulpa,
Ih>r l'ulpatod hat mei\t mehrere Ursa- der b.lktericllen Infe ktion Paroli w bieten
chen, die im Laufe de' l'ulpalcbens ku- und nicht der :\'ckrme .Jnheim7ufallen. Von
mulieren. Als ßehandler sind wir gut be- der MundKhle1mhaut abgeschilferte Ep1·
raten, eher vorsichtig, bedacht und thelzellen werden gh:ich\am auf da\ prolife-
'>l.' hOnl•nd mlt der Pulpa um1ugehen. ncr~nde Bindegewebe Haufgcpfropft• [Trow-
hridge, l:mling 1997) .
Lirl..ulalion. Zu den Enllundungsmcdlatoren tion der Arteriolen )\Cht mit einem verringer-
7ahlen d1e 'europep tide ('lleuralfaktor) ten Stromungswiderstand in d1e..en Gefaßen
und die IJassischen chemi~chen fntllln- einher. Vasodilatation und verringerter Ge-
dung\llll'thatorcn (Gewebefalo.tor) (Smul- faßwiderstand der Arteriolen fuhren zu einer
son, ~ierao;ki 1996(. Sie gelten als primäre pa- Erhöhung des Blutdrucks und Blutnusses in
thogcnctlsche ~aktoren (s. Abbildung 3. 15). den Kapillaren, der in der i ntzundung~7one
Sell\ori\che mariJose Pulpanerven expri mie· um das l 0-Fache anstei)\en kann ITrowbrid·
rcn, wie bereits beschrieben, die Neuropcpti- ge, ~.mling 1997). Oann dllath.•ren d1e post-
de SP (Substanz P), CGRP (Ca Ieiion in gcnc kapillären Venolen, da mehr ßlu 1 durch die
related peptide) und NK\ ('lleurolo.in in A), Kaplilaren nießt. Dadurch kommt e~ w er-
vq;ctatlve Fasern 'lPY (l"europeptid Y) und höhter Gefäßpermcabilit.Jt, indem die f.n-
VIP (Va\oa<:th e intestinal peptide) l!>tas- dolhelzeUen der pmtl..apillartn Venolen
henko 19981 Die 'leuropeptidc liiwn in der l..ontrahteren und dadurch interzelluläre Lü-
l'ulpa e1ne lokalisierte neurogene lnt zun - cken bilden Werm d1c Endothelzellen
dung aus, indem sie eine entlundlich~ lol..a- ~hwer geschädigt werden, lecken nicht nur
le VasodHata Uon hervorrufen, die sich als d1e Venolen, ~ondern auch die Artenoien
Hyperämie äußert. Die Neuropeptide CGRP, und Kapillaren. Die erhöh te Gcfo~ßpcrmeabi
SI' und NKA bewirken die Vamdi l,ltation litat fUhrt zunächst zum Austritt der Serum-
entweder durch den direkten Einflus~ auf die proteine durch die Gdi1l~wand (Serumdia-
Gefaßrezeptoren oder indirekt ubt•r va\oal..ti· pedese). Danach tritt lllutplil\ma mit Fibri-
\C Sub~tantcn der Endothel?ellen fl teyeraa\, nogen aus (Piasmadiapcdese) rraatz 1980).
Kvinn\land 1992). Zudem gilt es als bewie- Auf diese Weise wird da\ l'ulpagewebe serös
sen, dass die sensorischen '\euror~ptide da- durchtränkt (Pulpaödem). Kim ct al. (1996)
rubt:r hinaus die hciscLZung der klassischen lassen die 1-'ulpa al~ Organ mit geringer
chemhdwn Fnt7tindungsmediatorcn "ic 5· Nachgiebig keit seiner l; mgebung auf und
llydro;\ytryptamin (5-H I) (~c rotonin ), der 11ehen Parallelen zum <Jchirn, Knochen-
Pro~t <~gla ndine PG[z und PG-1·., sowie ßra- mari.. und Nagelbett. Dic\c eing~chränkte
dykinin und Histamin in untcr~chiedlichen mterstitieJJe Nachgiebigkeit re\ultiert gleich-
Gt•webcn initiieren [Holzer 1988; Villarreal ~am au~ der .,Einmauerung" der Pulpa durch
et al. 1988; Kim Cl al. 1992[. <.:C.I'R und SP Schmelz. und Dentin. Dle\cr \ tarre llartge-
können Ma~t7ellen neutrophile (,ranuluzy· wcb~panzer wurde der Pulpa denn auch Ltlm
tcn, Monoryten, 1-lbroblasten und da\ Ge \'erhangnts. ln der eingemauerten Pulpa
Iaßendothel stimulieren (Trowbridge. lm- kommt es nach Ansicht der \utoren durch
ling 1997). PGE1 kommt m der entzundcten das Pulpaödem1um erhehhchcn ..\n\ttcg de)
Pulp.1 1n höherer KonTentration vor ah in intrapulpalen Gewcbedrucl-5, da d1e Pulpa
der gesunden, was als lndikator fur die lrre- nicht anschwellen t..ann Dadurch werden
ver\ihlhtltt der Pulp1tis gelten l..önnte [:'\at..a- d1e Venolen komprimiert. Die t>assive Kom-
nishi ct al 1995). Die chemi~chen ~nttun pre~sion der Venolen fuhrt 7u einer Vermin-
dung~mediatoren erzeugen die gleichen I O· denmg oder 7U einem Still~t.md der Blutzir-
ka leHel..te wie die ~europeptidc (Smul\on, kulation (Hämostase). ln dlewr Pha)c der
Sieraskl 1996). Somit rufen sowohl dil' \!(·u· akuten Pulpitis emigrieren die polymorph-
rorepude als auch die geweblichcn 1 nt7un· kernigen neutrophilen lcul..ot.ytcn (P\1\!L)
dung\nwdiatoren eine Gefäßdilatation ht:r· aus den Kapillaren und \'rnolen der Pulpa
vor. D1ese resultiert aus der Rela\ation der und bilden lnhltrate llll rntzundungsfeld.
glattt:n \lu\l..ulatur der Arteriolen und Sie entfalten folgende ,\l..tl\ 1t.1ten (Trowbrid·
Sphinl..ter der t'ral..apillaren. Die (,efaßdilata- ge, E.mling 19971:
3.2 P~thogenese der Pulpitis *:fj,j!OII Bl
NKA
Enzymen
NPY Chemobixinen
VIP
Chemotuis
Serumdiapedese Leukozytenadhäranz
Plasmadlapedese Leukodiapedese
Ion)
Pulpanekrose
Digestion
(Kolliquationsnekrose)
seits Mikroorganismen, andererseits baut Die Heimostase führt nicht nur zur Lcukodia·
~ie Proteoglykane und Typ-111-Kollagcn, pedcse, sondern außerdem über die h chä-
die wichtigste extrazelluläre Komponen- mie zur lokalen Pulpan ckrosc. Verlangsa-
te der Pulpa, ab. Die~ 1-ann 7u ihrer De- mung und Stillstand de~ ßlutstrorns haben
struktion füluen. Der Elastasegehalt der die Aggregation der roten Blutkörperchen
Pulpa nahm eindeutig mit steigendem zur Folge, was die Blutviskositiit drastisch er-
~.ntJ.tindungsgrad zu [Rauschenberger et höht. Erhöh te Blutviskositat wiedenam ver-
al. 1991; Nakanishi et al. 1995]. Außer- langsamt den ßlutstrom. Dieser Circulus vi-
dem wird pulpales Bindegewebe durch tiosus ruft eine Hypoxie (Anoxie) hervor,
Matri x-Metallprotease- 1 (interstitielle die den zellulären Stoffwechsel im Cntzün-
Kollagenase) der Pulpafibroblasten abge- dungsfeld erheblich einsehrankt [Kim et al.
baut. Oie Kollagenase-Expression wird 19961. Der Abfall des Sauerstoffpa rtial-
von Interleukin-la reguliert [Tamura et drucks (p0 2 ) geht m it steigendem Ko hl en-
al. 19961. lnterleu kin-6 ist am Abbau der dioxidpartiald m ck (p C02 ) und sinkendem
extrazellulären ~atrix der Pulpa durch pH-Wcrt einher. Der Anstieg des Kohlendi-
die Stimulation des J>l asm inogen -A kt i- oxidpartialdruck.' resultiert aus dem beein-
va tor-Plasm io-Systcms der Pulpazellen trächtigten Abteansport der Abfallprodukte
beteiligt [Hosoya et al. 1998]. des Stoffwechsels. Die Einschränkung des
!>toffwechsels wiedenam zieht Vasodliatation
3.2 Pathogenese drr PulpitiS •:m1n11 nJ
und damit die \usbreitung der lokalisierten brcxhen. Ware die Selb\1\trangulatiomtheo-
Pulp.tentrondung nach steh. Bei Fortbüte· rie tu treffend, was \'On Irowbridge und l:.m·
hen der bakteriellen Invasion weitet \ich dil.' ling (19971 angezweifelt wird, mu'>\le die
lokale Pulpanekro\t' zur totalen l>ulpane· Pulpaentzundung durch arteriellen oder ve-
kro~e .tu~. Oie lokalen Pulpanet.rosen wer- nö\en \'erschluss zum Pulpainfarkt fuhren.
den durch die oben genannten proteoly· Das komme be1 einem akuten Trauma der
tischen Faktoren eingeschmoi7Cn (Kolli· apikalen Gefäße eher vor al\ bel einer I nt·
quatloO\nekrose). ln dem abge~chlmwnen zundung. Die Pulpanekrose entwickelt sich
llohlraum sammelt sich Eiter (P\INI. und nach Meinung der letztgenannten Autoren
einge~chmol1ene~ Gewebe). Es hat )iCh ein immer dann, wenn das Wirtsgewebe nicht
lokalisierter Pulpaabszess gebildet. mehr in der Lage isl, die :--loxe LU eliminie-
Im Gegematl dazu lehnen l'rowbndge ren Es handelt sich dabe1 hauptsachlich um
und Emling [ 1997) die Selbststrangul.tti· die bakterielle Infektion der Pulpa bei Karies
onsthcorie der Pulpa ab. Wie soeben be· und Irauma. Die Abve~\blldung findet statt,
schricl~n. führt die t-.:ompression der \'~no· wenn neutrophile Granui07) ten ihre proteo-
len durch das Pulpaödem laut d1e~er I heorle l}1ischen Lnzyme lreisell.en und da\ Pulpa·
zu erhohtcm GefJßwiderstand, was eine gcwebe wnächst begren7t cin\Chmel7en.
Blut~tauung hervorruft. Dies verursacht Hy- Wenn der kariöse Prozess die Pulpa pcne-
poxie und ~chließlich Pulpanekrose. '-l:~ch llicrt und dadurch eine 1>ermt1nente und
F\m~tht der beiden <\utoren ersd1eint die~e wachsende Invasion des 1\Jipagewebes statt·
I heorie wenig plausil~l. Sie be7weifeln, dass findet, wird die WirtsabMhr fruher tlder spä-
dte Komprc~\ion der Venolen emen Punkt ter unterhegen. Da~ ht der fall, wenn das Ge·
erreiche, ;m dem sich ein pas)i\ er Blut\t.tu fäR\ystem der f\tlpa nicht mehr in der Lage
ent\\lckelt. lltns•chthch des Pulpaödems, tst, den steigenden Bedarf an ncutrophilen
der Pulp.mckm~e und des Pulpaabszesses au· Granuloryten und anderen lnt7undung\fak·
ßem \ie '>ich wie folgt: Der Re1dltum der Pul- toren an der bakteriellen Penetrationslront
pa an l>roteoglykJnen ermöglicht ihr die ßin· 1u decken. Die mikrobielle Rc\h:dclung füh -
dung von Wa~\er aus dem Gewebe. Somit re schließlich 1ur Nekrosc. Dies steht im Ein·
wird die Pulpa zu einem resilienten Gewebe. !.;lang mit der Auffassung liniger Autonta·
Dadurch befinden sich die pulpalen Venolen len, weldle die mi krobu~l i e Koloni\ierung
durchau) in nachgiebigN Umgebung, die \ie der f'>ulpakammer als lleginn dC'r irrt'\ N~i
vor plötzlichen Druckverimdenmgen blen Pulpitis betrachten. \\ 1e auch immer
~chutzt. Zudem sei nachge\,;ewn, dass aus pathogenetischer Sicht interpretiert -
Druchcranderungen in einem l'eil der Pulpa 1\tlpaödem, Leuködiapedcw, 1\Jipanekrose
nicht .mang\l,wfig zu Druckänderungen in und PulpaabSJess sind reale pathogenettschc
anderen leilcn fuhren. Es ~cheinen ihres l.r· Phanomene (s. Abbildung l l 'i), die Ietzt·
achtens cffekti\'e Mechanismen zu e\htie· endlich zum kompletten Geweb,untergang
ren, ehe da~ Pulpaödem bcseittgen. '\ach der l'ulpa füh ren. lndi7 fur die Rcalitat dieser
Heyeraas und Berggreen IJ999J kann der Entzündungserscheinungen i't dJ\ im
steigende Gewebedruck zur h höhung dc\ n<~c h ~ten Kapitel da rge~tellte pathomorpho·
Lymphnmscs nach Aufnalune der lilwr- logi\che Substrat der akuten 1>utp1 ti~.
schussigen <.ewehenu\sigkeit und 1ur Ab-
sorption der Gewebenussigkelt durch f..apil· Die akute Pulpiti\ wird mrrangig von
larrn der en tzundung~frcten Bezirke fuhren . ex\udativen Vorgangcn gekennzeichnet.
Dadurch werde der Gewebedruck reduziert
und der \.1rwlus \'itiosus der l'ulp1t1\ durch·
134 3 Atiologie und Pat hogenese der Pulpitis und Parodontitis apicalis
Tab.: 3.1: Bakterielle Phyla und Spezies endodontischer Primärinfektionen Stand 2003-2008)1
Adinobacteria Baderiodeies
Actinomyces Bacteriodales·Oralklon
gerencseriae Bacteroidesähnl. sp.
• israelii Capnocytophaga
naeslundil gingivalis
odontolytlcus ochracea
radicidentis sputigena
Atopobium rimae Porphyromonas
Corynebacteri um matruchotii endodontalis
Cryptobaderium curtum gingivalis
Eggerthella lenta Prevotella
Olsenella spp. buccae
• profusa dentalis
Propionibacterium denticola
• propionicum Intermedia
acnes loescheii
Rothia dentocariosa melaninogenica
Sc:ardovla inopinata nigrescens
Slackia exigua oralis
oris
tannerae
Tannerella forsythia
Firmicutes Fusobacteria
Oialister Leptotrichia buccalis
lnvisus Fusobacterium
• pneumosintes nucleatum
Centipedia periodontil nucleatum ssp. nucleatum
Enterococcus faecalis nucleatum ssp. polymorph um
Eubacterium nucleatum ssp. vlncentii
infirmum • periodonticum
minutum
nodatum
saphenum
sulci
1 SiquttroJ'· (2003), SiquetroJ' et al. (2004). Siqvelfo Jf. u /l6fos (2005b), ll6fos u Srqueiro jr (2006), Sokomolo et al.
(2006),Jocinlo et al. (2007}, Sokomolo et al. (2007), Biome et al. (2008), Vionno et al. (2008)
3.3 Mikroflor.J des infizierten WurzeilGin als und der apikalen Parodontitis *lH'"'' 137
Streptococcus
angonosus
• constellatus
lntcrmcdous
onfant os
mrt os
mutans
• oraiis
• salivauus
sanguis
sobnnus
Veillonella
caviae
dlspar
• parvula
Proteobactert. Splroch~es
lyw dö Phanotyps der Mikroorganismen ten der Polymcrasel..eltt'n real..tio n (PCR) [S•-
und der ge1ielten Hinwt>ndung .wr Unter- qut'ira jr., R~~ 2005al, die Denaturierende
suchung des Gen otyps. Wahrend die Mi- Gradk ntcn-Gclelektropho rese (DGG L) [Si-
lo.roorganl\men ur~pnlngllch nach Ihrer queira jr., R~a' 2005a], die Chcclo.erboard-
Gramf.~rbung,lell· und Koloniemorphologic, DNA-01 A-Hybridi?.ation IVianna et al.
Ri<x:lwmic und ihrem Sauersloftbedarf idcnti- 2008], die Term in ale Re,trlktlons-Frag-
fi7iert und klassifiziert wurden, bedient sich men t-längen polymorph ismm-Analyse (f-
die moderne \1ikrobiologit' heute mold.ular- RflP) [Sakamolo et .tl. 20061. die Fluores-
geneto'>Chcr \'erfahren, dlc auf der ·\nal)·se zenz-ln-situ-Iiybrldisierung (IISH) [S•quc1ra
von .SuiJt'in~urt'n basier~:n. Zu dil~n Me- 1r., RO{as 2005a), d1c RISA-Anal) t ik (Ribo~·
lhodm zahlen u.a. unterschiedlicht' Sp•elar- mal Intergenie Spaccr analyml [Siqucua ct al.
3.3 Mlkroflor~ des mfiz1erten Wurzelkanölls und der ap1blen ~rodontrtis 4 t).i ldll 139
2008) und die 165 rDNA-Sequem a nalyse (Si· A Prascnz ,·iruJenter Klone einer vermeint-
quc1ra 20<BJ. Die molel..ularbtologischcn lich pathogenen Spem?~
Technil..en ermöglichen die Lotdeckung neu- A Synergistische und additive Ufekte mi-
er Spl'7ies, die Umbenennung altl'r Spezies krobieller Interaktionen
und die Andcrung der Taxonomie endodonti- A UmwandJung der zunehmenden mikro-
'>ther Frreger (s. ·rabclle J.l ). biellen QuantHat in eine neue klinhche
Qualltat (z.B. Schmer.t)
9 . Die von einigen Autoren a~tro A \ktlvierung mikrobieller VIrulenter Gene
phirrte absolute Korrelation zwischen durch Umwelteinflusse im llabitat
einer bestimmten kliniM·hcn Sympto- A Reduktion der Wirt'>.Jhwchr
matik und gewissen Mikroorganismen A Simultane 1-lerpcsvirus-lnfcktion ISiquei-
•Khrlnt fraglich ):-:air 1997). ra jr., Ro~as 20061
2. ,\diJJrenz planktonischer Bakterien (l'ri- Präsenz \'Oll Candida albicans und Entero-
marbt-~iedler) coccus faecali~ \teht aho im Zusammenhang
3. Koaggregation, Sekundärbesiedelung mit therapieresistenten oder theraptcrefrak-
-1 Vermehrung (Wachstum), Stabtli~ierung taren chroni)then apikalen Parodontitiden.
durth EPS, Ablösung Oas Vorliegen von L faccalls tn bereits wur-
Lelkanalgefüllten 7..'thrwn mit Parodontitis
Hckanntermaßen entwickeln d ie in Lliont- apicalis erforderte die Reviston der Wurzel ka·
men organiste rlen ses~ilen Mikroorgani~men nalbehandlung [Pt>t·iuliene el al. 2000]. 1-1
durth die [inbettung in extrazellulare ~13· von 20 Wunelkanälen mit positiven Bakte-
trh und durt·h phy~iologi~the \'eranderun- rienkult\Jfen enthielten vor der erneu ten Be-
gen eine starken~ Resistenz gegen antimil..ro· handlung L faecalis in Reinkultu r oder als
btelle \ ftttel \\le Aminfluoride, Amo\illin, Hauptkomponente der \li~hflora "\ach der
Dox)·cyclin und \ietronidazol al\ planktoni- mechanischen Aufbereitung und ~pulung
\t·he Mikroorganismen [Shani et al. 2000; mit 2,5'll.tgem 'l:atriumhyp<xhlorit und
Lar~en 20021. 17%igem EDT \ wuch~ L. faccalis immerhin
noch in 7 von 20 L.thnen an. Dabei waren 5
10. Filr die Persistcn.t intrakanalärer In- Stämme Rein kulturen. Wie Gomes et al.
lektionen sind offenbar polyrnikrohidlc [ l 996] zeigten, überleiH F.. fdecall~ am besten
ßlofihne des cndodontischen Systems die lm trumen tati on und Spulung m it
\'l'rantwortlirh. 2,511\oigem atriumhypot:hlorlt Peciuliene et
al. 120001 nahmen an, dass die mikroökolo-
Iu dl'n ()Cf'\1\tterenden ~l ikroorganismen bei gt\chen Verhaltnisse des inkomplett gefüll-
Vorliegen perlapikaler Läsionen und WurLcl- ten Wurzelkanals da\ Überleben von E.
kanalbchandlungen, die in emer Di\tan1 faecalts ermoglichen Im \'t>rgleich LU E.
von> 2 mm vor dem Apex endeten, whlten faceaUs war C. albiGlnS gegen :-latriumhypo-
u.a. 1 nterococcus faecalis (100'111), Pwudora- chlont noch weniger empfindlich (Sm ilh,
mihactcr alactoiyticus (80'!6), Propionibac tc- Waymann 19861.
rium propionicum (50%), Filifactor a loci~
(56'.K•), Oialister pneumosinte~ (40%), Strcp- II. Die prädominantt• 'ipt•Jie~ JX:rsislie·
toroccu~-Sr<:zie} (40%), Tannerella for\y- render intraradikularl'r Infektionen ht F..
then~i~ (]0%). Candida albicam lag in 10'~• faccali~.
der therapierefraklaren Falle \'or, ,\ctinorny-
cc~ fehlte. E. faccalis prä\"alierte mit durdt· !'\eben der Biofilmbildung 1.ählt die mikro-
~rhniltlic h 77% in der Gesamthett dN peria· btelle Penetrat10n tu den mikrookolQbri'>Chen
ptkalen Lasionen. Bei Prim..trinfektioncn i~t l'hanomenen des endodontt\chcn Systems.
dte~ ~pcllCS ubrigens nicht oder in niedngcr
1\eiml...thl \crtrcten. Die llunderts.ttze der 12. Die Tiefe der mikrobiellen l'enetra-
Pravalenz per~i~tenter Keime waren in Wur· tion der Dentintuhuli in der WurLetka-
.tell..anäkn mit einer Wur7elkanalfullung, nalwand ist unterschil-dlich.
die in einer Di\t<lrlz von 1-2 mm vor dem
\pcx endete, signifikant geringer al\ bl:i der Je größer die Z<lhl der \fikroorganismen und
Dl\t,uu > 2 mm ISiqueira jr., Ro~as 200-11. thre Vennehrungsralc stnd, dc\to tiefer kön-
Mit der empfindlichen Polym erase-Kctten - nen sie das Dentin penetrieren (Akpata,
rea l..tion konnte in 5 (21 ~~\'On 24 \\'urlel- Bl~hman 1982] S \Jngul\ konnte in vitro
kJnalproben C..andida albicans nachgewie- menschliche Dentink.lnalchen bis zu einer
sen werden [ßaumgartner ct al. 20001. Die Tiefe von 382,3 11m durthdringen , wahrend
3.3 Mlkronora des lnnzierten Wurzelkanals und der apikalen Parodonhhs *f!.I!Gpl 141
Prevotella Intermedia nur etne Tiefe von 70,&% l>revotella Intermedia und in 50%
25,9 11m erreichte rBeriJten et al. 2000). Re- Capnocrtophaga spp. (teilweise alte Nomen-
gionale Unterschiede der Dentinpenetration klatur). Abou-Rass und Bogen 11998) gelang
komtatierte Love [1996]: ln vitro vermochte der Nachweis von Mikroorganismen au~ 13
S. gordonii 200 pm tief in das koronal und m therapierefrak'tären geschlossenen perlapika-
Wurzelmitte gelegene Dentin einzudringen, len Läsionen mit chirurgischen TI1erapiein-
Im apikalen Dentin betrug die renetratiom- dikationen. Die~e l.itsionen erfüllten folgen-
tiefe lediglich 60 IJm. Entgegen der Auffas- de Kriterien: 1. Die geschlossene perlapikale
sung von Akpata und Blechman 119821 L..'ision stand im Zu.\ammenhang mit einer
besiedelte Fusobacterium nucleatum zwar Pulpanekrose nach Trauma oder VerJ..:alkung.
üppig die Wurzelkanalwand, drang aber auf- 2. Es lag eine akzeptable Wurz.elkanalbe-
grund seiner ~-pindelförmigen Morphologie handlung vor. 3. Es waren keine parodonta-
nur selten in das Kanalwanddentin ein ISi- len Defekte oder Fistelgänge vorhanden. Die
queira jr. et al. 1996]. Die pulpaseilige Pene- aus den geschlossenen Läsionen isolierte Mi-
tration ist tiefer als die zementseilige [Haapa- kroflora bestand 1u 63,6% aus obligaten und
salo, 0rstavil.. 19&7; Adriaens et al. 1988]. zu 36,4% aus fakultativen Anaerobiern. Da-
Die nach der Wur7elkanalauibereitung, Zwi- bei ergab sich folgende Verteilung: 31,8%
scheneinlage und Wurzell..analfüllung in Actinomyces sp., 22,7% Propionibacterium
den Dentinkanälchen verbliebenen Mikroor- sp., 18,2% Streptococcus sp., 13,6% Staphy-
ganismen können offenbar den Erfolg der lococcus sp., 4,6% Porphyromonas gingiva-
Wurzelkanalbehandlung nicht gefährden lis, -1,6% Pcptostreptococcus rnicros und
IPeter~ et al. 1995]. 4,6% Enterobakterien. Schwarz pigmentierte
Hinsichtlich der Etablierung extraradi- anaerobe Stäbchen scheinen in geschlosse-
kulärer Infektionen bestehen kontroverse nen perlapikalen lllsionen relativ selten vor-
Positionen [Siqueira jr., R~as 2005b, 2006). zukommen [Bogen, Slots 1999). Während
Porphyromonas endodontalis bei 40% der
U. Das Pmtulat: "1\ granuloma is not an Patienten in subgingivalen Plaqueproben
area in which bacteria live, but in which identifiLiert wurde, fehlte er in den geschlos-
they are destroycd" timt \ich in die\er ~enen perlapikalen Läsionen gimzlich. Au-
Absolutheil nicht mehr aufrechterhalten. ßerdem sind Mikroorganismen in infiLierten
radikulären Zysten [Nair 1987], in perlapika-
So konnten Wayman et al. 11992] in 51 von len Taschenzysten rNair et al. 1996] und im
58 therapierefraklaren perlapikalen Läsionen Perlapex nach Kontamination mit infi.dcr-
nach chirurgischem Eingriff kulturell Mi- lem Wurzelkanaldentin im Rahmen der
kroorganismen nachweisen. Der histologi- Wurzelkanalaufbereitung [Valderhaug 1974]
sche Nachweis von Mikroorganismen gelang nachweisbar. Aus dem aspirierten Exsudat
dagegen nur in 8 von 58 Fällen. Von den 133 oraler Abs7esse von 50 Patienten wurden im
Isolaien waren 87 strikte Anaerobier, 37 fa- Durchschnitt 3,6 mikrobielle Spezies isoliert
kultative Anaerobier und 9 Aerobier. Oie [Schuman, 'l urner 1999). ln 78% der Proben
Mikroorganismen wurden in perlapikalen konnten fakultative und obligate Anaerobier
Granulomen, radlkull1ren Zy~-ten und peria- nachgewiesen werden. Die am häufigsten
pikalcn Abszessen gefunden. Krauner und isolierten fal..ultativ-anaeroben Mikroorga-
C:onrads [1995] isolierten aus 24 perlapika- nismen waren Vertreter der S.-viridans-Grup-
len Granulomen mit akuter Symptomatik in pe (a-Hämolyse), während pigmentierte
66,6% der Fälle S. milleri, in 87,5% Bifidob- gramnegatJ\·e Stäbchen l>e1 den ~trikten
acterium spp., in 54,2% Bacteroides spp., in Anaerobiern dominierten. Auffällig war das
142 3 Ahologoe und Pathogenese der Pulpitis und Parodontotis apkalos
I .J. Das miiJobielle Microleakage ist Die akute Reaktion de\ apikalen Parodonts
eine der Hauptursachen ftir den Mi~~er wi rd rumeist durch Mikroorganismen ausge-
folg der Wurzeli-.analbehandlung. löst, die im WurLelkanal etabliert sind oder
3.4 Pathogenese der Parodontitis aplcalis 1tm1QII 143
handelten Zähnen [Aiavi et al. 19981. Wah- möglichen Sturm". Der Sturm bricht los,
rend in den Anfangsstadien der periapikalen wenn sich das empfindliche Gleichgewicht
Läsion CD4•-Lymphozyten überwogen, wa- zwischen Abwehr und Mikroflora zugumten
ren in späteren Stadien CD8•-Lymphozyten der kanalären Mischflora verschiebt. Die Mi-
und Plasmazellen dominant [Kawashima et kroorganismen invadieren nun zuhauf das
al. 1996] . ln der aktiven Phase der Parodonti- perlapikale Gewebe. Dieses befindet sich
tis apicali~ ist die Knochenresorption stärker jetzt in der Phase eines akuten Entzlindungs·
ausgeprägt als in der chronischen [Stashenko schubs (Exazerbation).
et al. 1992]. Oie erhöhte Resorptionsaktivität
ist an die Präsenz von IL· l und TNF<1 gebun-
den. ln der cluonischen Phase hingegen pro- 3.4.3 Pathogenese der radikulären Zyste
duzieren die aktivierten T-Helferzellen I
(TH l) lntcrferon y (IFNy) und die T·Helfer- Obwohl die perlapikale Zyste als direkte Fol-
zellen 2 (TH2) Interleukin 4, wodurch die ge des perlapikalen Granuloms betrachtet
I L-1-stimuherte Knochenresorption durch ·wird, muss sich das perlapikale Granulom
Osteoklasten gehemmt wird rrakahashi et al. nicht zwangsläufig zur Zyste weiterentwi-
1986; Watanabe et al. 1990]. Außerdem re- ckeln [Nair 1995). Es ist vielmehr ein kleine-
gen von T-Lymphozyten produzierte Zytoki- rer Teil der perlapikalen Läsionen (< 10%),
ne die Bildung von TGflJ (Transforming der sich aus noch ungeklärten Grtinden zur
growth factor ~) an, der die fibrobl asten- Zyste fortentwickelt.
prolifcration und Mikrovaskularisienang
der apikalen Granulome ~timuliert fNair Perlapikale wahre Zyste
1997]. TGl~l gilt als Schlüsselmediator des Die Entstehung der wahren Zysten (geschlos-
immunologischen Gleichgewichts, was die sene Zysten ohne Kommunikation zum
Reaktionen in Pulpa und Periapex gleicher- Wurzelkanal) m 3 Stadien wurde von Nair
maßen betrifft [Stashenko et al. 1998]. llinzu (1995] auf der Grundlage der Mitteilungen
kommt die antibakterielle Wirkung durch von Shear 11992) beschrieben:
Antikörper (Immunglobuline). Sie werden 1. Phase der F.pithelproliferation: Reste der
du rch Plasmazellen als Differenzierungsfor- Hertwigschen Epithelscheide, die ruhen-
men der B-Lymphozyten exprimiert. Hin- den Mala.ssez-Epithelreste, proliferieren
sichtlich der Häufigkeit der Immunglobuline wahrscheinlich unter dem Einfluss von
rangieren lgG vor lgA und lgM [Stern et al. Wach~tumsfaktoren, EntLündungsme-
198 1; Smith et al. 1987]. Für die Plasmazel- diatoren und Metaboliten der perlapika-
len mit IgG-Expression ergab sich hinsicht- len Läsion. In Zysten mit hyperplasti-
lich des perlapikalen Granuloms bzw. der ra- schem Epithel konnten hohe Zahlen von
dikulären Zyste nachstehende Reihenfolge: T-llelferzellen 2 festgestellt werden. Da·
lgG I (57,4 bzw. 55,5%), lgG2 (34, I bzw. her wird angenommen, dass sie mit der
34,6%), lgG3 (4,0 bzw. 4,3%), lgG4 (4,0 bzw. Zystenbildung in Zusammenhang stehen
5,5%). Zwischen den Hundertsätzen der ean· [Cury et al. 1998].
zeinen Subklassen bestand kein statistisch 2. Phase der llohlraumbildung: Hierbei
signifikanter Unterschied [Takahashi 1998). wird grundsätzlich nvischen zwei Theo-
Summa summarum wird die pathogene Mi- rien unterschieden.
kroflora durch Makrophagen, Lymphozyten - Mangelcrnähru ngstheorie: Es wird
und Plasmazellen in die ,.Schranken" des angenommen, dass die Lpithelstränge
Wurzelkanals gewie~en und das perlapikale von ihrer Ernährungsquelle abge-
Granulom befindet sich in ,.Ruhe vor dem schnitten und dadurch nekrotisch
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4 Pathomorphologie der Pulpitis und
Parodontitis apicalis
4o1 Pathomorphologische Formen der Pulpitis 00000. 00. 00oo•• o0. 0. 00. 0000000000000.. 155
4o1.1 Pulpitis acuta serosa partialis (coronalis) - 155
4.1 02 Pulpitis acuta serosa totalis (radicularis) - 156
4 ol.3 Pulpitis acuta purulenta partialis (coronalis) - 156
4.1.4 Pulpitis acuta purulenta totalis (radicularis) - 156
4 ol.5 Pulpitis chronica clausa - 156
Literatur 0000. 000. 00000. 000. 00000.• 00. 000.. 0. 000. 00. 0. 00• 00000. 00000000. 0000• 0000•• 0. 170
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nein Lll wr{olgm. N
f
.....
+Exazerbation
'
P. aeuta purulenta
totalis (radle.)
-
P. chronlea clausa P. ehronicil ilperta J
..... Chronische I I I I
Pulpitis P. ehr. P. ehr. clausa P.ehr. P. ehr.
clausa granulo- aperta gra- ~ aperta
purulenta matosa nulomatosa ulcerosa
156 4 Pathomorphologie der Pulpitis und Parodontitis apicalis
'V:
',I
u;
I
I \
'
I •I
Abb. 4.2: Pulpitis acuta serosa partialis mit Gefäß- Abb. 4.3: Pulpitis acuta purul~nta partialis m it ko-
erweiterung (ge), entzimdlichem Infiltrat (i) und ronalem Mikroabszess (m), Vasedilatation (v) und
verwaschener Pulpastruktur entzündlichem Infiltrat (i)
4.1 ~thomorphologische Formen der Pulprtos M:fi.HC(I t>l
Abb. 4.4: Pulpolos acuta purulenta partialis im Uber Abb. 4.5: Pulpitis chronica ctausa purulent.l mit pe·
gangsstadiumzur Pulpotos acuta purulenta totahs netrierter K.lrres, chronoschem (kalten) Abszess (a),
mot penetroerender Karies (c), oberflachhcher Pul chronischer Hyperamoe (h) (starke Zeochnung des
panekrose (n). Abszesshohle (a). entzündlichem ln GefaSb<~ums), chronischem Infiltrat (i) und Oenti·
filtrat (i), V<~sodrl.ltalion (v) und Thrombosierung kel (d)
der Gefaße (th)
Abb. 4.6: Ex.;nerbahon emer Pulpitis chronica clau Abb. 4.7: Pulpitis chrontca aperta ulcerosa mit frei·
sa purulenta mit bakteneller Penetrallon des Den· gelegter exulzenerter Pulpa, oberfl.Jchl~eher Pulpa·
tins (b), massiver Tertiärdentinbildung (td), ausge und Dentinnekrose (n). entzundltcher Infiltration (i)
pragter Gefaßerwetterung (ge) und Harnostase und massiver Dentikelbildung (d)
(hst), Mtkroilbszedterung (a) und entzundhcher ln·
fillrat•on (i)
Pulpanekrose
Die Pulpanekrose als Final\tadium der Pulpiti\
(s. Abbildung -1.10) wi rd durch die vollständige
und unwiederbringliche Zer.;tbrung der Pulpa
infolge des pulpalen Zelltodes charat..1eri siert
fMtttennayer 19931. Da bei dem Prozess fast
ausnahmslos Mikroorganismen im Spiel sind
(van der Waal, van der Kwast 1987], spricht
Abb. 4.10: Koronale Pulpanekrose, die in die Wurzel·
man von einer infizierten Pulpanckrosc. Bei pulpa hineinreicht, und angrenzende radikuiare
der Pulpanekrose kommt~ 7ur Karyopykn o- chronische Pulpitis
160 4 Pathomorphologte der Pulpitts und Parodontitis aptcalis
~esov.1e !'ragmentierung und Auflösung der re, laterale und interradikuläre Entzllndungs-
Nervenfasern. Allein die Nervenscheiden blei- prozesse.
benerhalten [England et aJ. 19741.
-------
Parodontitis apicalis acuta
Exazerbation
-------
Parodontitis apicalis chronica
'
Periodontale Phase Resorptive Formen
I I
Produktive Form
(Pt. ap. ehr. sclerosa)
'
Enostale Phase
(Enostaler Abszess)
I'
Abgegrenzte Formen
I
Nicht abgegrenzte
Formen
'
Subperiostale Phase
(Subperiostaler Abszess
I
Pt. ap. ehr. fibrosa
I
I
Pt. ap. ehr. granulo-
matosa diffusa
' -
Submuköse Phase
(Submuköser Abszess)
Pt. ap. ehr. granulo-
matosa localisata
I
I
Pt. ap. ehr. granulo-
matosa progresslva
I I
Laterale parodontale ZystE Med•ane Zysten
-
tcrer Kicfcrlysten abge~;:1enzt werden (s. Ab- in der odontopla~tischen Periode gebildete
bildung 4.18). Dabei wird auf die häufigsten Zysten enthalten Zahruudimente, in der Ko-
Zysten wie die follikulä re Zyste und die Ke- ronarperiode initiierte Zysten beinhalten ei-
ratozyste näher emgegangcn. Auskunft tiher nen fast vollständig ausgebildeten Zahn
weitere Kieferzys ten und glatt begrenzte Er- [~ itlermayer 1993].
krankungsprozesse des Knochens erhält der Eine pathomorphologische Oifferenzie-
Leser im einschlägigen Schrirttum der Patho- rung zwischen radikulä rer und follikulärer
logie und Kieferchirurgie [Becker, Morgen· Zyste kann i.d.R. nicht vorgenommen wer-
roth 1986; van der Waal, van der Kwast den. Cn t~cheidend für die Oifferen7ialdiag-
1987; Mittermayer 199.3; Soames, Southam nostik ist allein die Zuordnung des Zysten-
1993; Morgenroth, Philippou 1998]. hoh lraums wm Zahn und Zahnfollikel
[Morgenroth, Philippou 19981. Auf dieser
Follikuläre Zyste Grundlage werden folgend!.' Typen der folli-
Oie follikulären Zysten machen etwa 12% al- kulä ren lyste unterschieden [ßeckcr, Mor-
ler Zrstenformen des Kieferknochens aus genroth 19861:
[Morgcnroth, Philippou 1998] . Sie entstehen L KoronaJe (zentral e) follikuläre Zyste:
i.d.R. im Rcreich der Zahnl.rone de~ noch Hier ragt die Zahnkrone zen tral in den
nicht durchgebrochenen Zahm aus dem l· pi- Zystenhohlraum hinein.
thel der Zahnanlage [ßccker, Morgenroth 2. Laterale follikuläre Zyste: Der Zysten-
1986; Mittermayer 199.3]. Sie entwickeln ~ich hohlraum lieg! lateral der Zahnkrone, ist
zwischen der Zahn"-rone und dem \'~:'reinig aber mit dieser verbunden.
ten ciußeren und inneren Schmelzepithel 3. Follikuläre Ourchbruchszyste: Es han-
oder zwischen beiden Epithelien oder als delt sich dabei um koronale Zysten de~
Aussprossung des Zahnfollikels IMorgen- durchbrechenden Zahns.
roth, Philippou 1998]. Allhand des Zystenin- 4. Peri radikuläre follikuläre Zyste: Sie
halts kann man die ~ ntwicklungsgeschichtc entwickelt sich aus dem Schmelzepithel,
der Zrste ablesen: ln der Embryonalperiode ~\ächst von korema l nach radikulär und
entstandene Follikularzysten ~ind zahnlos, umgibt die Wurzel zi rkulär.
168 4 Pathomorpholog1e der Pulpitis und Parodontitis apicalis
5. ExtrafoiJikuläre Zyste: Sie entsteht lotische Verho rnung kann derart extrem
durch Aussprossung der Zahnanldge und sein, dass das gesamte Zystenlumen mit db-
ist lateral der Zahnkrone lokalii.iert. gestoßenen Hornlamellen (Keratin) gefüllt
6. Follikuläre Zyste mit Zahnrudi ment: ist[Becker, Morgenroth 19861. ln der Zysten-
Ihre IJildung bricht d ie Entwicklung der wand können manchmal l~ntziindungszei
Zahnhartsubstanzen zu einem frühen chen nachgewiesen werden [Garlock et al.
Zeitpunkt ab. 1998]. Zuweilen findet man Cholesterin-
kristalle, Entzundungszellen und Hyalin-
Keratozyste körperchen [van der Waal, van der Kwast
Die odontogene Keratozyste entsteht durch 1987). Von 239 histologJsch diabrno\tizierten
eine EntwiciJungsstörung der zahnleiste Keratozysten waren 2 1 (9%) pcriradikulär lo-
[Morgenroth, Philippou 19981. Während kalisiert. Somit sind durch die Vortau~chung
Mittermayer fl993] zwischen Primordial- perlapikaler Läsionen endodontischen Ur-
zysten und Keratozysten differenziert, fassen sprungs fatale Fehldiagnosen möglich [Gar-
Soames und Southam [1993] sowie Morgen- locket al. 1998]. Die hohe Aktivität des Epi-
roth und Philippou (19981 beide Lystenarten thels und die Anwesenheit von Satelliten-
unter dem BegriH "Keratozysten (Primordial- zysten in der Bindegewebszone bedingen die
zystent zusammen. Nach den radikularen hohe Re.t.idivneigung der Keratozyste ['Ait-
und follikulären Zysten stellen sie mit einem termayer 1993).
Anteil von 4-6% an allen Zystenformen des
Kieferknochens die dritthäufigste Zysten- Parodontitis apicalis chronica granulomatosa
form dar (Morgenroth, Philippou 1998). Im diffusa
Gegensatz zu den radikulären Zysten ist die Die diffuse Form der Parodontitis apicalis
Keratozyste ..:ahnlos, tritt multipel auf und chronica granulomatosa zeigt im Gegensatz
hat meist mehrere Kammern (Schwesterlä- wr Parodontitis apicalis chronica granulo-
sionen), die girlandenförrnig begrenzt sind. matosa localisata keme Tendenz zur Abgren-
Außerdem wird sie von bis zu 10 Lagen di- zung [Schug-Kösters 1973). Da.~ Granula-
ckem J>lattenepithcl ausgekleidet, das keine tionsgewebe wächst schier ungebremst, in-
Reteleisten (s. Abbildung 4.19), jedoch Ver- dem es die Spongio\aräume durchdringt, die
hornung zeigt. Das Plattenepithel verfugt Knochenbälkchen resorb1ert und damit den
iiber eine gul differenzierle Ba~a l zellschicht Alveolarfortsatz progredienl de~truiert.
aus gleichmäßig großen, palisadenfönnig
angeordneten kubischen bis zylindrischen Parodontitis apicalis chronica granulomatosa
Lellen mit großen Zellkernen. Das breite progressiva
Stratum spinosum besitzt gut sichtbare lnter- Die~er mit Fistelbildung (s. Abbildung 4.20)
zellularbnickcn. Die para- oder o rthokera- einhergehende rarefizierende chronische
apikale Cntziindungsprozess ist in der US-
amerikanischen Literatur als chronischer
Apikalabszess [Torahinejad, Walton 1994;
Smulson et al. 1996] oder suppurative (eitri-
ge) apikale Parodontitis [Simon 1998] be-
kannt. Mikroskopisch wird d ie chronisch-de-
struktive Entzündung durch Granulations-
gewebe mit resorbierendem Charakter,
Abb. 4.19: Keratozyste mit mehrschichtigem Plat- proliferierendes Epithel, massenhaft auftre-
tenepithel ohne Retele1sten tende polymorphkernige neutrophile Leu-
42 Pathomorphologisch~ Formen der Parodontitis apiulis 4 #_!.!lQ(I 169
Pathomorphologische Differenzialdiagnostik
der Parodontitis apicalis chronica
granulomatosa diffusa
Hinter thcrapicrefral..taren diffuwn und fis-
tulierenden periap1kalen I:ntzundungspro-
7C\\en können sich Sl>llifi\the F.nt?ündun-
gen verbergen, die nur mittels pathomorpho-
logi\ther Diagnostik von du umt>etifischen
Parodontitis apicalis chromca abgegrenzt
werden konnen.
Perlapikale Aktinomykose
Die J>Criapikale AktinOm}kose gilt ah seltene
F.nt7ttndung [Stockd,lle, C:h,mdler 1988].
Dennoch fanden Nair und ~chrocder [198<1]
hci ihren licht- und tran\llll\\iomelel..tro-
ncnmikroskopuchcn L ntcf\uc hungcn unter
-15 perlapikalen Lasionen Z al..tmomykoll-
Abb. 4.20: Fistelbildung (f) al~ Kanesfolge be1 1nfi·
\chc Prcm.'S\e Charaktcmll\che Actinomy- z1ertem Wurzelkanal (Kunststoff. ungefärbt)
ces- l>ru ~en waren cntwt·dt·r im apikalen
Wurletkanaldrittel oder 1111 perlapikalen Gra- tTani 1\hii ct al. 1996]. !lic bestanden au\
nulom lokJii~iert. Die Actinomycc\-Kolc>- Gr.mulalionsgewcbc, d.J~ mit tahlreichen
nh.•n hatten einen Durchme\\er von etwa I ymphOZ)1Cn, ~iakroph.1gen und l'lasmazcl·
0,4 mm reagierten pmitiv mit PAS und zeig- ll:n infiltriert war. Obwohl Mycobacterium
ten rddlcH angeordnete pcnpherc nadelfor- leprac in J..emem der Granulome gefunden
mige I Harnente (Aclinom\ te\-1 aden), den wurde ~land die Spw1f1k der untersuchten
I} rischcn Strahlenkralll':. \oichrcrc Schich- C.ranulome durch die l'rasenz ,·on Epilhc·
ten \ on PM :'III umgaben die Kolonien des loid7ellen und Langhans-7ellen 7U keinem
'ltrcJhlenpil?es. Sie enthielten tl'ilweise pha- /.c1tpunkt außer Zweifel.
goz)·tierte ~fikroorgani\mcn. \uch mononu-
J..IccJre l.l'ukozyten wurden angctroffl'n. Parodontitis apicalis chronica sclerosa
s~ non~ m tragt die\e produl..tlvc l:ntzundung
Perlapikale Lepra dll Re7eichnung ..Condcnsing osteitis•,
Bei 12 I eprakranken au~ Thc11land wurden le· Chron1c focal ~clero\ing mtenmyelills [Tora-
prosc pcnap1J..ale GC<mulomc nachgewiesen blllejad, Walton 1994]. Hierbel reagiert da~
170 4 Pathomorphotogie der Pulpitis und Parodontitis apicatis
perlapikale Gewebe auf geringgrad ige Relz.e ICD-10-GM 2009: Systematisches Verzeichnis.
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I.ClU IS 1996
5 Diagnostik in der Endodontie
Uteratu r . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
4JJ.jlCJ1 175
tf. W. Klimm
" Non intl'ilecti nulln est wmlio morbi." (F.ine 3. Reghtrlerung von Infektionskrankheiten,
niclrl erkannte Krankheit kmmma/1 nicht lleile11.) die den besonderen SchutL des Lahnme-
[MaximianJ dizinischen Per~onah erfordern
Oi~ Dit~gnmtik in der l:.ndodontie sollte Diverse Anamnesebögen, die vorn Patienten
systematisch, bei ausreichender Be- oder dem Zahnmedizinischen Personal aus-
leuchtung, an belt~g- und speichelfreien gefüllt und im Dialog mit dem Zahnarzt
Oberflächen, mit bewaffnetem Auge erörtert werden, gehören heute zum Stan-
(Lupenbrille oder Oentalm ikroskop) da rd der Zahnmedizinischen Betreuung. Im
und unter ausreichendem lnfektions- Rahmen der endodonti~chen Behandlung
~chutz erfolgen sind nachfolgend aufgeführte Krankheiten,
Medikationen und Zustände IBelliui et al.
Die diagnostischen Maßnahmen in der En- l994; Weine 1996; Cohen 1998; Rahn 1998;
dodontie tunfassen allgemeine und spe1ielle Kirch 19991 in einem endodonlischen
Ge~ichtspunkte. Dabei werden durch die me- Diagnostik- und Therapieblatt (s . Abbil-
dizinische Anamnese allgemeine Erkrankun- dung 5 .1 ) fe~tzuhalten:
gen erfasst. Diezahnmedizinische Anamnese A An fa llsleidcn/~pil cpsie
sowie adäquate visuelle, taktile und physika- A Allergien
lische Mittel sollen der Erkundung endodon- - Allergi~che Reaktionen auf Antibioti-
tisdler Erkrankungszustände dienen. ka, Aspirin , Codein, Lokalanästhetika
- Anaphylaktischer Schock
A Atemwegserkranku ngen
5.1 A namnese - Chronische Bronchitis
- Lungenemphysem
5.1.1 Medizinische Anamnese - A~thrna bronchiale
A Ulutgerin nungsstörungen
Die medizinische Anamnese hat folgende - Hämophilie
Ziele: - Antikoagulantiengabe
I. Erfassung von Krankheiten und Zustän- A Endokrine Stönmgen
den, die eine endodontischc Behandlung - Diabetes mellitus
oder damit in Verbindung stehende Maß- - Hyperthyreose
nahmen aktuell verbieten A Erkrankungen des Bewegungsappara-
2. F.rfa\sung von Erkrankungen und Medi- tes
kationen, bei denen vor der endodonti- - Osteoporose
schen Behandlung die Konsultation ei- - Rheumatoide Arthritis
nes Medizincrs sowie die Veränderung Gelenkendoprothesen
oder Abseuung bestehender Medikatio- A Glaukom
nen angezeigt ist A Gravidität (~onat)
176 5 Diagnostik in der Endodontie
A Hämatologische Erkrankungen
- Anämien Oie Erhebung der ;\ rzneirnittelanamne-
- l.eukiimien se sollte in der Zahnarztpraxis wr Routi-
A Herz-Kreislauf-Erkrankungen ne werden IEbert, Kirch 1999] .
- Links- und Re·chtsherzinsuffizienz
- Koronare Herzkrankheit, Angina
pectoris, Herzinfark-t 5.1.2 Zahnmedizinische Anamnese
- llerzrhythmusstörungen
- Hypotonie Familienanamnese
- llypertonie llier äußert sich der Patient zu endodonticre-
- Apoplexia cerehri levanten Entwicklungsstörungen bei Großel-
- Endokarditis tern, Eltern und Geschwistern.
- Angeborene und erworbene llerzklap-
penfehler Eigenanamnese
Zustand nach Herzoperation ln der Eigenanamnese schildert der Patient
- Herzklappener~atz sein bisheriges Mundgesundheitsverhalten
- Herzschrittmacher und seinen Mundgesundheitszustand. Er
- Bypa\~ berichtet über bisherige Erkrankungen, Be-
A Infektionserkrankungen handlungen, Revisionen, Komplikationen,
- Virushepatilis (A, B, C, 0, E, G) operative Eingriffe, akute und chronische
- HIV/AlDS Traumata im orofazialcn System und mögli-
- Lues che Parahmktionen.
Gonorrhoe
- Herpes genitalis Jetzige Anamnese
- 'J uberkulose Sie dient der Darstellung des aktueUen Anlas-
- Creut.tfeldt-Jakob-Krankheil ses für den Zahnarztbesuch (füllungsverlust,
A Kopfschmerz, Migräne Zahnfraktur, Zahnlockerung, Schwellung,
A Lebererkra11kungen Fistelbildung) und der Äußerung von Be-
- Alkoholhepatitis schwerden. I lierbei hat der Zahnschmerz oft
- Leberzirrhose eine zentrale Bedeutung. Unabhängig von
.A Medikamente, Drogen, Alko hol der starken Subjektivität der Schmerzemp-
A Nierenerkran kungen findung und des begrenzten diagno:.thchen
- Chronische Niereninsuffizienl Wertes des Schmerzphänomens in der Pulpi·
- Dialyse ti~diagno~tik erheben wir eine differenzierte
A Organtransplantationen (Herz, Niere, und systematische Schmer7anamnese {s.
Leber) Abbildung 5.1). Dabei spielen diagnostische,
.A Psychische Erkrankungen psychologische und didaktische l:.rwägun-
A Tumoren gcn eine Rolle. Im wichtigen Dialog zwi-
schen Zahnarlt und Pattenten hat der Pa·
Angesichts des heutigen multimedikamen- tient einen wesentlichen Anteil bei der
tierten Patienten kann es durch Medikamen- findung der Verdachtsdiagn ose. Das Zwie-
te, die vom Zahnarzt verordnet oder verab- gespräch fördert das Vertrauensverhältnis
reicht werden, zu Arzneimittelinteraktionen zum ßehandler und vermittelt Geborgenheit
kommen. Daher muss der Zahnarzt die Palet- für den Patienten. Die didaktische Bedeu-
te seiner Arzneimittel genau kennen und tung der ausführlichen Schmerzanamnese
über mögliche Interaktionen informiert sein. ergibt sich aus ihrer Systematik. Die Systema-
5.1 Anamnese •:fi.IIQJ1 1n
UnNWII&IlUIRkum Car1 Gl.l.ltiY CM\11 • PoMIIinill hlr ZIIVW'......hlng • DlrWIOr: Pral. Or. rMd. W. KIIII'Wft
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Abb. 5.1: Diagnostikteil des endodontischen Diagnostik~ und Therapieblattes (Diagnosen im Therapieteil,
s. Abbildung 7.7)
T78 5 Diagnostik in d~r Endodonti~
tik veranlasst zur DisTiplin und fordert die flstel). Bei der visuellen Untersuchung kann
Untcrsuchungsl..ultur. außerdem die Weitung und Verengung der
Pupillen fe~tgestellt werden. Mittels ext rao-
Keine Suggestivfragen stellen! raler Palpation wird der Zustand der regio-
---- nären Lymphknoten eruiert (s. Abbildung
5.2). Die submentalen und submandibulä-
5.2 Klinische Befunderhebung ren Lymphknoten werden am \itzenden Pa-
tienten von vorn palpiert (Karl 1978]. Der
5.2.1 Einschätzung des l>atient wird gebeten, den Kopf nach vorne
Allgemeinzustands zu beugen, um die Mundbodenmuskulatur
zu ent~pannen. Dabei legt der Untersucher
Schon beim Lrscheinen des Palienten im die flache linke Hand auf die Stirn des Pa-
Sprechzimmer verschafft sich der Klinil..er ei- tienten, um dessen Kopf zu stützen. Wäh-
nen Überblick über den Allgemeinzustand renddessen palpieren die Fingerspitzen der
des Patienten. ln Abhängigkeit vom endo- rechten I land die linke Regio submentali)
dontischen Krankheitsbild kann ~ich der Pa- und submandibularis. Beim Palpieren der
tient in einem normalen, reduzierten oder rechten Seite stiit7t die rechte Hand und ta~
schledlten Allgemeinzustand befinden (s. tet die linke. Das Abtasten der submandibu-
Abbildung 5.1 ). Zudem können Allgemeiner- lären Lymphknoten ~ollte vorzugs~ eise bi-
l..rankungen den physischen Zustand des Pa- manuaJ von extra- und intraoral erfolgen.
tienten in unterschiedlichem Maß beein- Zur Palpation der rechten Seite drängt der
trächtigen, was Konsequenzen für ein diife- auf dem Mundboden liegende rechte Zeige-
renziertes Vorgehen bei der endodontischen finger das Gewebe den Fingern der linken
Behandlung ha t (American Sodety of Ane\- Hand entgegen, die den rechten Unterkiefer
thesiologists 19631 (s. Tabelle S. I). umfassen. Die 7ervikalen und Supraklavi-
kulären Lymphkno ten tastet der Untersu-
cher, der hinter dem Patienten steht, mit der
5.2.2 Extraorale Befunderhebung gleichseitigen lland.
Tab. 5.1: Klassifikation des korperliehen Allgemeinzustandes (nach American Society of Anesthesio-
logists 1963)
ASA-Kiasse Allgemeinzustand des Patienten Therapeutisches Vorgehen
Gesunder Patient Routinebehandlung
2 Patient mrt leichter Allgemeinerkran- Routrnebehandlung mit Begrenzung von Stress
kung und Behandlungszeit
3 Patient mit schwerer Allgemeinerkran- Strikte Begrenzung komplexer Behandlungsmaß-
kung ohne Behinderung nahmen
4 Patient mit lebensbedrohlicher Allge- Notfall· oder Palliativmaßnahmen im Krankenhaus
meinerltrankung
5 Moribunder Patient Ausschließliche Unterstützung der Vitalfunktionen
5.2 Klinische Befunderhebung 1 $hi!DJ1 179
Abb. 5.2: Palpation der regionären Lymphknoten (nach Karl1978). a) Palpation der submandibularen und
submentalen Lymphknoten, b) Blmanuelle extra-Intraorale Palpation der submandibulären Lymphknoten,
c) Palpation der zervikalen Lymphknoten
prüfung mit der the rmischen (Kältetest) der Reizschwelle ein leichtes Kribbeln oder
kombiniert werden. Falsch positi ve Ant- Wärme. Die Sensibilitälstestung umfasst fol-
wo rten auf den elektrischen Reiz können bei gende Schritte [Analytic 200 1):
Gingiva- und Speichelkontakt sowie pulpaler 1. ln Abhängigkeil von Zahntyp und
Kolliquationsnekrose erfolgen. Falsch nega- Schmerzsituation wird die Ge~chwindig
tive Antworten sind unter den gleichen keil der Spannungszunahme (1-9) ge-
Bedingungen wie beim Kältetest möglich wählt.
[Cohen 1998). Bei der elektrischen Sensibili- 2. Fixierung der Lippenklemme (passive
tatstestung werden Rechteckimpulse, 1.\:ie- l:.lektrode) an der Unterlippe des Patien·
derfrequenzwechselstrom mit überlagerten ten oder Erfassen derselben mit der
Dreieckimpulsen, Hochfrequenzströme, fa- Hand.
radischer und galvanischer Strom ange- 3. Rela tive Trockenlegung (Watterolle, Ab·
wandt [Gängler 1995]. saugung) und Trocknung (ZellstofO des
Uas von uns eingesetzte Gerät (Analylic Zahns.
Technolog)' Vitality Scanner Modell 2006/ 4. Benetzen der aktiven Elektrode mit Iei·
2007, Analytic, Orange/USA) besteht u.a. aus tendem Medium (Zahn- oder Reini·
einer aktiven und passiven Elektrode, einer gungspastc).
Anzeige und einem Regler (s. Abbildung S. Kontaktaufnahme .:um Prüfahn mit der
S.4a). Der Sensibilitatsprurcr schaltel sich au- aktiven Elektrode.
tomatisch ein, wenn die aktive Elekt rode die 6. Unterbrechung des Kontakts zur Zahn-
Zahnoberflache bcnihrt (s. Abbildung 5.4b). oberflache beim Erreichen der Reiz-
Danach wird die Rci..:intcmität langsam au- schwelle.
tomatisch erhöht (0-80) und im Display an· 7. Ablesung des Schwellenwertes am Dis·
gezeigt. Der Patient verspurt beim Erreichen play.
Abb. 5.4: Elektrische Sensibilrtatsprüfung. a) Gerät zur elektrischen Sensibilitatsprüfung mrt aktiver und
passiver Elektrode, b) Akt1ve Elektrode in Kontakt mit isoliertem Zahn, passive Elektrode in Kontakt m it der
Unterlippe
182 5 Diagnostik in der Endodontoe
kurze (10-12 mm) sterile Kanülen mit einem dokarditisprophylaxe angezeigt [~aber et al.
Außendurchmesser von 0,3 mm (30 Gauge 2007). Nach Reader (1995] sind die Leitungs-
lgeid3] :: 0,4 mm). Als Anästhetikum setzen und Infiltrationsanästhesie nicht Lur Schmerz-
wir Articain 4% mit geringem Adrenallruu- differenzierung zwischen benachbarten Zäh-
satz von I :200000 (Ultracain D-S, Sanofi nen, sondern zwischen Ober- und Unterkie-
Aventis Deutschland, Frankfurt am Main) fer der Quadranten 1 und 4 bLw. 2 und 3 ge-
ein [Rietschel et al. 2007J. Zunächst erfolgt dacht. Wenn im Unterkiefer der Schmerz
die Desinfektion der Injektionsstelle mit ei- au~geschaltet wird, liegt die Schmerzursache
ner 0,5%igcn wässrigen CHX-Lösung. Die denn auch im Unterkiefer. Rei ausbleibender
Injektionsstelle mu\\ frei von Plaque ~owie SchmerLausschaltung wird der Schmerz ver-
von supra- und subgingivalem Zahnstein mutlich im Oberkiefer verursacht. Da dort
sein. Auf Oberflächenanä\thesie kann \<er- kein Taubheitsgefühl besteht, könnte dort
lichtet werden, wenn ein Tropfen des Anäs- der schuldige Zahn lokalisiert werden. Die
thetikum~ an der vorgesehenen Injektions- Leitungs- und Infil trationsanästhesie \eien
stelle appliZiert wird. Lokalisationsabhängig kein Routinetest zur PuJpilisdjagnostik und
werden Injektionspunkte festgelegt: sollten der Lb~ung schwieriger diagnosti-
.il Einwurzelige Zähne und obere Prämola- scher Probleme (nicht odontogener Schmerz)
ren: mesial-vestibulär und distal-oral (2 vorbehalten ~ein.
Punkte)
.il Obere Molaren: me~lal· und di~tal-vestl
bulär und palatinal (3 Plmkte) 5.2.4 Befunderhebung am Parodont
.il Untere Molaren: me~ial- und distal-' esti·
bulär sowie mesial- und distal-oral (4 Angesichts potenzieller lateraler und retro-
Punlo.te) grader parodontal-pulpaler Infektionswege
(s. Kapitc13.1.1) ist die Untersuchung de~ Pa-
Die Injektionskanüle wird 1unächst bis 7um rodontalnt~tand) von essenzieller Bedeu-
deutlichen Widerstand in den Sulcus gingi- tung. Hierbei sind kl inisch die Sondierungs·
vae eingeführt und dann 1-2 mm in den Pa- tiefe, der Furkationsbefall, der At tachement-
rodontalspalt vorgeschoben. Die Freisetzung ,.erlust und der Lockerungsgrad der Zähne zu
von 0,2 ml de~ An<i~thetilo.ums pro Injekti- bestimmen.
onsstelle ent~pricht etwa einem Durchzug
des Auslösehebels (> 20 s). Oie erforderliche Sondierungstiefe
Injektionskraft von etwa 100 N wird durch Mittels schonungwoller (0,25 !'\) und syste-
den im Handgriff integrierten Mechanismus matischer Sondierung kann die lntegritat des
vorgegeben und begren7t. Da das Taubheits- Gingivasulkus, die Tiefe parodon taler ra-
gefühl bei der ILA fehlt, wurde die Wirksam· schen und P5eudota~chen, die Reizblutung
keit des Lokalanästhetikums 1 nun nach ln· der Gingiva, das Vo rhandensein von subgin-
jektion mittels Kältetest gepruft. ln der eige- givalem Zahnstein und der Grad des Interra-
nen Studie wurde der schmerzende Zahn diku lären Knochenabbaus (Furkationsbefall)
10-mal im Oberkiefer und 9-mal im Unter- festgestellt werden. Als Untef\uchungsin-
kiefer eindeutig bestimmt. Dabei lag in 3 Fäl- strument findet die graduierte stumpfe Para-
len eine rever~ible Pulpitis, in 14 Fällen eine donta lsonde (WHO-~es~sonde) Anwen-
irreversible Pulpitis und in 2 Fällen ein aku- dung. Außerdem werden graduierte Mess-
tes perlapikales Geschehen vor [Rietschel et ~treifen eingesetzt. Die Sondierungstiefe
al. 2007]. Aufgrund des erhöhten [ndokardi- wird heute an 6 Stellen pro Zahn em1ittelt:
tisristkos ist bei der ll.A die antibiothche F:n- dtstobukkal, mediobukkal, ml'siobukka l, dis-
184 S Diagnostik in der Endodontie
Abb. 5.5: Befunderhebung am Parodont. a) Bestimmung der Sondierungstiefe und Auslösung der Reizblu-
tung durch graduierte stumpfe WHO-M esssonde, b) Feststellung des Furkationsbefalls mit Nabers-Furka·
tionssonde PQ 2N. c) Visuelle und palpatorische Feststellung der Zahnbeweglichkeit
tooral, mediooral, mesiooral (s. Abbildung .oll Grad F2: horiwntale Sondierungstiefe
5.5a). Die Sulkustlefe beträgt bei gesunder > 3 mm, aber nicht durchgehend
oder entzündeter Gingiva 2-3 mm. ßei ei- .o11 Grad F3: durchgängige SondierbarJ..eit
nem Sondienmgswert > 3 mm liegt bereits
eine Parodontitistasche vor. Taschen zwi· Nach Freilegung wird vertikaler Knochenver-
sehen 3 und 5 mm Tiefe gelten als nach, die lust ab Furkationsdach gemessen und in 3
über 6 mm als tief [Gängler 1995, lloffmann Kla.~sen eingeteilt [Tarnow, Fleteher 1984):
2006). Der Attachmentverlust ergibt sich .o11 Klasse A: 1-J mm
aus der Sondierungstiefe plus Rezession oder ..,. Klasse B: 4-6 mm
rninu~ P~eudotasche. .oll Kl a~)e C: <: 7 mm
Furkationsbefall Zahnbeweglichkeit
Der Furkationsbefall kann klinisch mit gcbo· Erhöh te Zahnbeweglid1J..eit kann durch de-
genen Parodontalsonden festgestellt werden )truktive Prozesse im Parodont verursacht
(s. Abbildung 5.5b). Am häufigsten wird hier werden. Die Zahnbeweglichkeit wird festge-
die Nabe ~- ßifurkati on~sonde mit einer stellt, indem man mit dem Griff der Sonde in
Einteilung von 3, 6, 9 und 12 nun eingesetzt. vestibulär-oraler Richtung Druck auf die Fazi-
Für den FurkaUonsbefall besteht eine Eintei- alfläche des Zahns ausübt und seine .o\uslen-
lung in 4 Grade, die in horizontaler Messung kung visuell oder palpatorisch erfasst (s. Ab·
ermittelt werden [nach llamp et al. 19751: bildung 5.5c). Reich [1997) gibt für d1e Zahn-
.o11 Grad FO: ohne horizontale Sondierungs- mobilität folgende Grade an, die auf der
tiefe Einteilung der Gesellschaft für Parodontolo-
.o11 Grad Fl: horizontale Sondierungstiefe I- gie von 1969 [Schulte et al. 19831 basieren:
3mm .oll Grad 0: physiologische Beweglichkeit
5.3 Rontgenografische Befunderhebung 1Dffl011 185
Die indirekte Radiografie arbeitet mit einem titis apicalis" fDGZMK 1993). Die Interpreta-
lichtempfindlichen Sensor, der nach dem tion de~ Röntgenbildes beruht auf ärztlichem
Prinzip der Paralleltechnik mittels Filmhalter Wissen, är7tlicher Kunst und ärztlicher Intui-
(Visierring, Führungsstange) im Mund posi- tion fCohen 1998]. Fehlinterpretationen ~ind
tioniert wird. Der Sensor wandelt die Rönt- nicht au~geschlo\sen . Oftmals ~i nd Verände-
genstrahlung durch eine Leueiltfolie in licht rungen im Röntgenbild ZuraUsbefunde und
um, da~ durch einen CC'D-Chip in elektri- lassen nur einen Verdacht zu. Mit intra· und
sche Signale transformiert wird. Nach der Di- extraoralen Röntgenaufnahmen können fol-
gitalisierung der elektrischen Signale werden gende Befunde erhoben werden:
diese zu einem Monitorbild verarbeitet. Uei
der direkten digi talen Radiograne fällt der Zannnartsubstanz-Befunde
Leuchtstoff weg. Die I umineszcnz-Radiogra- All Vermutliche Integrität \'On Schmelz und
fie bedient sich der Speicherfolie ab Bildme- Dentin
dium. All Ausdelu1w1g okklusaler kariöser Defekte
All Progression der i\pproximalkaries
All Wurzelkaries oder ßurn-out-E.ffekte?
5.3.3 Interpretation des Röntgenbildes All Sekundärkano~e Defekte an Fullungen
und Kronen
Das Röntgenbild ist nur ein Mittel der Diag- All Chronische Zahnhartsubstanl-Verlu)te
nostik, manchmal das Einzige. Die Notwen- bei Abrasion und Attrition
digkeit einer Röntgenuntersuchung ergibt All Defekte, Frakturlimen, Dislokationen be1
sich bei Verdacht auf klinisch nicht erkenn-
N akutem Zahnhartsubstanz-Trauma
bare Approximalkariesu oder .,vor der Be- All Einengung des Pulpakavums durch Bil-
handlung eines pulpatoten Zahnes oder einer dung zusätzlichen Dentins und Dentikel-
Zahmvunel und Verdacht auf eine Parodon- bildung
5.3 Rontgenografische Befunderhebung 187
2 \'cr\uch der Lokalisierung des lntzun- schem Bild zu erhalten" (s. 'Iabelle 5.2). Aus
dung\pro7C)ses in der Kronenpulpa c><.ll'r der Tabelle '-ann entnommen \\crdcn, dass
der g~amten Pulpa mit der klinischen Diagno~tik lediglich Zu-
3. VCI")UCh der Be<.timmung der Rcversibill- falhtreffer emelt werden konnen. Ausge-
tat oder lrreversibilität der Pulpiti\ an- nommen beim Pulpaulkus und -polypen be-
hand klini~cher Kriterien steht eine hohe (um 91l'.Ko) und bei der Pulpi-
tis acuta purulen ta totalis eine etwa 50%ige
lrefferquote. Der Schmcrzanamnese kommt
5.4.1 Klinik und Pathomorphologie der eine untergeordnete Bedeutung zu. Ihre Rol-
Pulpitis le lässt sich wie folgt charaktcmiercn:
~ Ocr Schmerz ist ein schl(.'(hter ., !Jiagnosti-
~Ocr \"t>r,uch, durch einzelne Symptome ke~ weil er den wahren morpholog1schen
cht' pathologische \"erandcrung (der Pul- Pulpazustand nicht 1u ~rfa~sen vermag.
paI fc\tlulcxen, dit> im hi\tologischen ~ \1\ .unsicherer Kantonistk liefert er lu·
Bilde im Vordergrund steht, war glekh· meist unzu, erlassigc Oiagno~en.
lall\ ohne Erfolg." [Greth 19H) ~ Als. Warner" J..ommt er manchmal nicht
in Frage, da schwerwiegende Pulpaverän-
In seiner Monografie .,Oiagnmtik der Pulpa- derungen nicht ohhgat mit ~rhmerzen
erkrankungen im Lichte neuerer q~rglei einhergehen müssen.
dJcndcr klinischer und hi>tologl\ch-andto- ~ Als .Bummelant" tritt cr manchmal erst
mischer Untersuchungen" hatte <...reth LU einem Zeitpunkt auf, da ein chroni-
I19.BI dt:n eindeutigen Beweis erbracht, dd~\ sches ~ntwndungsgeschehen 111 die Pha-
es anhand der klinischen S} mptomatik mcht se der hazerbation mundet.
moglich i)t, eine exakte klinische Diagnose ~ \ls .SubJektivl\t" \piegelt er den wahren
lU >teilen: "lrot1 genaucster und ~rgfaltig\· Zustand des l'ulpagc" t:l>cs indh-iduell
trr Diagnosestellung nach der allgemein (x>. sehr untei")Chiedlilh \\lder
kannten bisherigen Symptomatik war es ~ Al~ .. Egoist" vcm·andelt er den Schmerz-
nidll miiglich, eine Überein~tlmmung twl- pa tienten in ein auf da\ eigene Ich 7u·
schen klimschem Befund und hlstologi- rückgezogenes Wc~cn.
Tab. 5.2: Vergleich zwischen klinischer und pathomorphologischer Pulpitisdiagnostik (Greth 1933)
Dlasnose Übereinstimmuns Anam· Obereinstimmung Klinik/ klinische Fehl· Bewertung
nese/Hirtologie (") Histologie (") diaJnose (")
Pas p. 19 22,5 n,5
P.a s t. 4,5 6,3 93,7
P.a PP· 10 15.3 84,7
Pa p.t 30 54,6 45,4 +
P.chrcl 11 28 73
Pulpaulkus 94,6 5,4 +
Pulpapolyp 6 88,2 11,8 +
P.~;s p • Pulp!IIS acuU ~ro!>a ~rtt~bs
P.~ s t.• Pulp!tis acuta ~~~ toUI•s
P.a p p • Pulpot•s acuu purule.nti ~rt~<~bs
P~ p t • Pu pot•s acuta purulenu totahs
Pchrcl • Pulpot•schronou dausa
S4 Diilg~tok der Pulprtos •mttfJ 191
~ Ab .. Peiniger" lässt er den Patienten 4. Welche Teile der erkrankten Pulpa zeigen
manchmal un\ilglich lerderl. cntlllndliche Verandcrungen?"
~ Als ,. rausch er" strahlt er in emen Kiefer,
\On einem in den anderen Kiefer oder ln Die\C Fragestellungen flndl'n \ich in ~einer
andere Schädelregionen au~. Linteilung der Pulpopaihlen fur die Klinik
wiL'dcr·
Der S<:hmcrz kann in folgende Regionen irra- I. Gesunde Pulpa
dueren (Kumel 1973, 1974(: II lote Pulpa
Sch mera usstrahlu ng im Ki eferbe reich 111. Lrkrankte Pulpa
(+ - ot>t'rkrefer,- = Unterktefer): A Pulpitis acuta
+:l -+ +4, 5, 6, 7 a) coronalis
-4,5 b) radicularis
+4, (5) -+ -4,5 8. Pulpitis chronica apcrta
-4 s -+ +6, 7, 8 Kinn, Unterkiefer- a) ulcerosa
winkel b) granulomatosa
l, 2 , J, 4 -+ J..:inn
l~t der Diagnostik der erkrankten Pulpa wird
Schm cmrusstra hlung in ahgelegcn c auf den ln~pektion~- und Perkussionsbefund
Gchicte: besonderer Wert gelegt. "Dic Pulpitis chroni-
+ 1, 2 > Stirn fa ukero\3 und die Pulpills chronica granu-
+J,4 -+ NaiD-I.ahial- \ugenbereich lomatosa sind bei sorgfaltrger Untersuchung
+5,6 --) Oberi.Jclcr, 'lchlafe leil:ht und ~icher durch the lmpekhon zu di-
+7, 8 ) Untcrkider, Ohr, Schläfe agnosti7icren, da sie immer eine Pulpitis
6, 7 ~ Unterkicferwinkel, Ohr apcrta dar~tellen." Leider bleibt in der Eintei-
-R ) Ohr, Keh lkopf lung die Pulpitis chronica clausa unberück-
~ich t lgt Bei der Oiagnu\ tik der akuten Pulpl-
Au\ den dargelegten Gnmden ist die Anwen- uden stellte der \utor fe\t, das~ bei melu als
dung pathomorphologhchcr Klassifikatio- kO"'o dl'r \ on ihm untersuchten Fälle mit
nen in der Klinik überholt. a\ialer Klopfempfindlichkeit auch im histo-
logr\chen Bild eine l'ulprti\ tt>tdh~ 'orlag.
Kriti)ch muss angemerkt werden, dass in der
5.4.2 Partielle und totale Pulpitis Klinik nur etwa 50% der totalen Pulpitiden
Klopfempfindlichkeit Lcigtcn (G reth 19J3].
llarndt (19 ~8] ,·ertrat die Amlcht, die klini- Aut Jl'<len Fall spricht dre po,itive Klopfemp-
sche Diagnostik der Pulpaerkrankungen müs- findlichkeit bei Vorliegen einer \'italen Pulpa
~ .die prakllschen Bedurfm\w der Wurlet- für eme radikulare Pulprti).
und Pulpabchandlung bcnrcksichtigenw. Er
pmtulierte .die khni\Che Or.tgnosc braucht
nur soweit sicher differen1it:rt zu werden, 5.4.3 Reversibilität und lrreversibilität
daß \kh iiU\ ihr der bestmögliche nehand-
lung~weg ergibt". Unter dh.:ser lnlenlion for- Therapieorientierte Klassifikationen
derte er, folgende Fragen 7U tx>antworten: Dre therapieorientierte Dragnmtik reversib-
.1. 1\t die Pulpa lebend oder tot 1 lcr und irre"ersibler l:nt7undungsvorgange
2. Ist dre Pulpa erkrankt oder ge\und? in der Pulpa fußen auf den lrkenntnh\en
3 Wie \\eil erstrcxkt sich die Bakterieninva- de) Ungarn Lörlnczy-Landgraf ( 1956. 1957]
sion und l.r 1werfelte die alte Lchrwctsheit, da~\ ei n e
192 S Diagnostik in der Endodontie
entzündete Pulpa ein verlorenes Organ sei ne Restitutio ad integrum, sondern nur
IPed.ert 1923], an und betrachtete sie als eine Re~Litutio ad sanationem und eine
überholt und unhaltbar. Diese Überzeugung partielle Restitutio ad functionem rLö·
gewann er aus einer eigenen l..linisch kon- rinczy-Landgraf 1956}.
trollierten Studie. Dabei gelang es, 1S9 von Baume und riore-Donno [19621 nahmen
164 Pulpitisfällen nach indirekter Überkap- die Ideen von Lörincry-Landgraf auf und be-
pung "nach dem baldigen Abklingen der schränkten sich in Ermangelung von Biop-
Schmerzen mit lebendem lahnmark funl..ti- sien der Pulpa auf eine .. klassische Einteilung
onsfähig" zu erhalten. ln die Studie wurden der Pulpaerkrankungen (nach den Sympto-
nota bene Patienten mit starkem ausstrah- men) zu Behandlungszwed;en" [Baume
lenden Nachtschmerz und stundenlang an- 1965). Ihre Klassifikation beinhaltet 4 Kate-
haltendem, au~strahlenden Schmerz auf Käl- gorien [Baume, Fiore-Donno 1962]:
teeinwirkung eingeschlossen. Vor der indi- I. Kategorie der symptomlosen Pulpa in der
rekten Übcrt.:appung mit Ca(OHh wurde da~ :'-Jähe tiefer Karies oder ..:ufällig verletzt
kariöse Dentin der pulpitischen zahne am 2. Kategorie der reversibel geKhcidigten
Kavitätenboden unter Vermeidung einer Pul- Pulpa
paeröffnungweitestgehend entfernt. Auf der 3. Kategorie der irreversibel entZÜndeten
Grundlage seiner klinischen Beobachtungen Pulpa
unterschied Lörinczy-Landgraf 119561 zwi- 4. Kategorie der JluJpanekrosen
\Chcn einer langen reversiblen und einer
kurzen irreversiblen Phase der Pulpitis, die Ktinzel 11974] hat seiner Klassifikation eine
er als Hyperbole dclr~tellte (s. Abbildung 5.8). weitere Kategorie, die partiell-irreparable
ln der reversiblen Phase traten bereits Spon- Pulpitis, hinzugefügt. Sie lautet:
tanschmerzen und Schmerzanfcille auf. nSo- 1. Artifi7ielle I::ntblößung des lahnmarks
mit wird der Spontanschmerzrom Mithclfer, 2. Tiefe Karies bei klinisch symptomloser
der den Patienten in einer Zeit zum Zahnarzt Pulpa
treibt, in welcher sich die Pulpitis meist in ei- 3. Reversible Pulpitis
nem bereit\ fortgeschrittenen, aber noch re- 4. lrrever~ible Pulpit i ~
versiblen l.l1stand befindet." Der Ausgang 5. Particll-irrepc1rablc Pulpitis (J>ulpaulkus
der Entzündung des lahnmark~ nach der in- und -polyp)
direkten Überkappung ist logischerweise kei· 6. Nekrose oder Gangrän
Totaler
Abb. 5.8: Hyperbel der
Pulpatod Pulpitis nach Lörlnczy·
Landgraf (1956)
lntensitat
der Pulp•tis
Pulpaer6ffnung
Wir favorisieren diese Einteilung und ergän- zontal, horizontaJ-,·crtikal odl'r orovl'stibu-
len sie dun:h die traumallsehe Pulpaeröff· lar verlaufen [Geurtsen 200 I I Auch Kombi·
nung (s. Abbildung 7.7). n.11ionen aus mesiodistalcm u nd o rove~tibu
lären Verlauf (s. Abbildung 5. 10) und die
Zustand des Kavitätenbodens Einbetiehung des Wurzeldentins sind mög-
\1it dt'C Beurteilung de!> li.avitatenbodens lich ~ie sind oft erst nach l ntfemung von
nach Entfernung erweichter Kariesbezirke Fullungcn und freilegung des Kavitätenbo-
\\Urde em wJChhgcs Hilfsmittel in die thera- dem ~ichtbar. lnfraktronen können mit dem
pieorientierte klinische Pulplti'idiagnostik bewaffneten Auge (lupcnbrilte, Oentalmi-
cmgcfuhrt [Kun7el 1962; Kröncke 1964]. Bei kro\kop), mit der faseroptischen l'ransillumi-
Künzcl ~prechen ein geschtos\ener, verfärb- n.llion (1'01'1) und mit Farb\toffen {L.B. Me-
ter, harter oder zuminde\t fe\ter t-a\itatenbo- thylenblau) besser diagnostiziert werden.
den der Sondenklirren verursacht, in der 04.:r durchweichte Kavilatcnboden kann mit
Homontalen mit Löffele.\kavatoren mcht l~lpaschmerz. Schmertarmut und Schmerz-
mehr abschalbar ist und mit der ~lillernadel freiheit \ ergesellschaftet sein. Seine Trepana-
r1icht durchdrungen werden kann - sow1e tion fuhrt zu Blut· oder l)usentleerung aus
leniardcntinbildung mehr für eine re\"CrSible der Pulpa. Bei offenem K.wit<rtenboden kann
Pulplti~. Bei einer möglichen irreversiblen ern Pulpauik·us oder -polypfeststellbar sein.
Pulpitis hingegen liegen eine penetrierend('
Erweichung (Durchwelchung) des Kanes- Exspektative Reaktionsdiagnostik
re)t~. ein erheblicher Konsistentunterschied r>er Regnerwurdevon Wannenmather [1960,
zum gesunden Dentrn und '>ondierbarke~t 19681 eingefuhrt. Hierbei will der Diagnosti-
des Pult>agcwebes mit der Mitlernadel vor. ker durch Abwarten der Pulpareaktion auf
zahnärztliche~laßnahmen vmcilige Schlusse
I tat die weiche Karie\ die l'ulpa erreicht, vermeiden und 7U einer Sicherung der vor-
gilt diew al\ mikrobiell kontaminiert. laufigl'n Diagnose gelangen. Bei Wannenma-
cher handelt es sich um eine Diagnosis ex ju-
Damit ist auch mer\t der Ubcrgangspunl.t va ntibus, d.h. dre l)ia~:nose \\ird anhand der
Lur mever\iblen Pulpitis erreu;ht (Simon et Reaktion auf thera(>l:uti\lhe \.faßnahmen
at. 1994} \httcls lJirmch-therapeuhscher oder ~led.ikamcnte gestellt Da\ auf den Ka\.i·
Untersuchungen ~0\\ie ldini\ch-histologi- tatenboden aufgebrachll' /lnkoxid-l:ugenol
\chcr Vergleichsstudien erbrachte Kuruel kann allerdings anästhesierend auf die cnt·
(19621 den "'achweis, dass un ter c.lem harten 7.undcte l">trlpa wirken, wa~ tu einer Vcrfal-
J..:ariesn.•st vorwiegend \eröw und damit aus- schung der Diagno~e fuhrt. Wir bevorrugen
heilbJre Pulpitiden ablauf4.:n. Dagegen domi- dJhcr den indifferenten \ 'cnchluss der Ka-
nierten in Fallen mrt zuruc kgt:la~~cner wei- vrtat (Wattebausch, Ül\'il, c.tZ) und warten
cher J..:ari~ am Ka\ itätenbodcn und mit Er- 24-18 Stunden ab, ob drl 'i<:hmer7en abklin-
öffnung der Pulpa im karros erweichten gen Beim Eintreten \'On Schmcrz.frcihe1t
Dcntrn purulente Prozö~c . .,c.lercn Au\hei- würde d ie klinische Diagno\e .,rcver\ible Pul-
lung nur 1r1 Au~n dhmcfJIIen möglich sein pitis" ge!>tcllt. Andere verwenden Ca(OH)z.
durfte•. Außerdem kann der harte Ka\ itäten-
hoden frakturbedmgtc R1\W aufweisen, die Klinik der reversiblen und irreversiblen
bei gcfullten und ungefulltcn Pramolaren Pulpitis
und Molaren im koronalcn xhmelz und 'eben dem Vorliegen ein~ harten oder festen
Dentin meistens \·ertikal rn mcsiodistaler KJvitJtenbodens kann die CC\ cl"\ible Pulpitis
Richtung (\. Abbrldung 3.12), seltener hori- durch provoziene oder spontane, manchmal
194 S Diagnostik in drr Endodontie
5.4.4 Synopsis der Pulpitisdiagnostik ben. 11amit wird gleichzeitig die Beurteilung
des Desmodontalspalts und des Zustands des
Trotz der festgestell ten Unschärfe der IJini- marginalen Pamdont~ möglich. Die selekti-
schen J>u lpitisdiagnostik benötigt der Klini- ve Anästhesie kann zur Einkreisung des
ker Anhaltspunkte für seine En tscheidung zu schuldigen Zahns oder Kiefers dienen.
J Therapiestrategien:
l. Vitalerhaltung der Pulpa ,.Zünglein an der Waage'' ist die Beurtei-
2. Vitalexstirpation der Pulpa lung de~ Kavitätenbodens nach vollstän-
3. Partielle Vitalerhaltung der Pulpa diger En tfernung der weichen Karies.
ln Anlehnung an den Diagnosekeil von Liegt ein geschlo,~ener, fester, häufig ver-
Kröncke 11 9641 haben wir ein klinisches Di- färbter Kavitätenboden neben den oben
agnostik- und Th erapieschema d er Pulpi- beschriebenen klinischen Zeichen einer
tis (s. Abbildtmg 5.9) erarbeitet, das die Ent- möglichen reversiblen Pulpitis vor, wird die
scheidungsfindung des Diagnostikers und exspektative Pulpitisdiagnostik durchge-
I herapeuten erleichtern soll. folgendes sy~ führt. nie Kavität erhält, wie bereits er-
tematischcs Vorgehen wird empfohlen: wähnt, einen indifferenten, dichten Ver-
Oie klinische Vcrdachtsdjagnose ,.Pulpi- schluss (Wattebausch, Cavit, Glasionomer-
tis" wird auf der Grund lage der klinischen Zement) oder wird mit Ca(OH}z versorgt.
ßasisruagnostik gestellt. Diese greift neben Klingen die Schmerzen binnen 24-48 h ai>,
der gründlichen Schmeranamnese auf die wird von einer rever~ible n PulpiHs au~ge
Inspektion, Sensibilitätsprüfung und ver- gangen. Es schließen sich Therapiemaßnah·
gleichende Perkussio n des möglichen men zur volhtandigen Vitalerhaltung der
schuldigen Zahns zurück. Auskunft über Pulpa an.
fragliche Karies oder Sekundärkaries im Ap- Beim Vorliegen eines kariös durchweich-
proximalbereich kann das Röntgenbild gc- ten Kavitätenbodens (lnspektionsdiagnos-
Vitalerhaltung
reversible Pulpitis
der Pulpa
irreversible Pulpitis
• akut
Vitalexstirpation
• chronisch
der Pulpa
• resorptiv
• retrograd
ViL"llamputation
partiell-irreversible
der Pulpa
Pulpitis
bl.
Klinische Basisdignostik Inspektionsdiagnostik Endgültige klini· Therapie
Trepanationsdiagnostlk sehe Diagnose
Röntgendiagnostik
Parodontitisdiagnostik
A.bb. 5.9: Eigenes klinisches Diagnostik- und Therapieschema der Pulpitis (in A.nlehnung an den Diagnose-
keil von Kroncke 1964)
196 5 Diagnostik in der Endodontoe
lil\1 und cml!r Symptomatik, die mehr fur krone (Pink \potl ~~ supragmgivaler l.age
eine irreversible l>ulp1tis spricht,\\ .rd einl ir- und röntgenografisch festgc teilte interne
reversible l' ulpitis mit akutem J..linht hcn Rt-\orptionen (meist scharf l>togrenltt! Aussa-
Verlauf diagnostiziert. Bei chronischer ckungen des f>ulp;uaum~) (s. \bbildung
!x:hmer7~ymptomatik oder Sc:hmcr.dreihcit 5 12a und b) in komrlillcr, radikuldCer oder
gehen wir von einem irreversiblen 1-.ntztin- kombinierter 1\oronaler und radikulärer
dungsge\t:hchcn mit chronischem Verlauf Lokalisation (Rüntgcndi.tgnostik) sind bei
aus. llintcr frakturbedingten Ris~en des hM· schmerzsymptomfreiem Verlauf fur eine ir-
ten K<Jvilatcnbodens (s. Abbildung 5. 10) rewr~ible Pulpitis chronisch-resorptiven
verbirgt sich unabhängig von der Schmcn- Charakters (internes Granulom, Rosa-lle-
\ymptomatil.: haufig ebenfalls eine irrewr,i- t:ken-Krankheit) typisch \\eitere hilfreiche
ble l'ulpasLhädigung. Die Schmtrzsvmpto- Kriterien zur Röntgendwgnosllk und -diffe-
rnatil. der lnfrakllon ist ~hr hett•rogen und rcnlialdiagnostik haben Jo"o~ k<~pan und Ro-
abh.mgig von du Tiefe des Risses: Bei dekirchen 120061zu\3mmengctragen:
'Khmcl7sprungen liegt i.d.R J...emc und l~i .4 Symmetrische l'orm und gleit:hmaßige
pulpafernen Dentininfraktionen meistem Radioluolenz der scharf begrenzten Re-
keine Schmer7\ytnptomatik vor. ~ur pulpa- sorption
nahe Dentininfraktionen gilt ah I eitsymp- .4 Fehlen der Konturen des Wurzel kanals
tom ein J...ur~er stechender Aufblssschml'f/ Innerhalb der Uhion
r.-tanchmal werden ein sog. fntla\tungs- .4 Ortsstabilität der l.asion l~i unterschied-
'duncr" und fakultatw erhohte ll.altt't'mp- licher ProjeJ...tion
findlichJ...eit komtatiert. Ist die J>ulpa im·ol-
vlcrt, tnfft dl(~ 'Khmcr?'i)mptnmatiJ... der irrt!· F.s bestehen Perforation\tt'ndent [Arnold et
vcr\iblcn J>ulpitis zu rl..öst et al 1989). Zeigt al. 2000) und dit Gefahr der Spontanfrakiur.
sich Ot'i der Trepanation des Kav•tatcnbo- PeriapiJ...ale Iramlu1en/tll \ind bd irreversib-
dLns J>us (s. Abbildung 5.1 1), wird hci erhal ler Pulpitis eher selten (s. Abb1ldung 5.13).
tener Semibilitat w1ederum eine irreversible Die irreversible Pulplh\ ht retrograden Ur-
Pulpitis diagnostiziert (Trepanationsdiag- sprungs, wen n angc\ilht\ einer akuten
nm lik). Be• der 1repanation kann auRerdem Schmerzsymptomatik klinisch abnorm<>
eine ••hgc\torhcne Pulpa (Pulpanekrose) Sondierungstiefen und röntgenografisch
\'otgcfundt-n werden. Ro\dfarbung dl•r Z..hn- marginale J<nochenwrlu\h.' vorliegen (Paro-
Abb. S.10: Frakturbedingte Risse am l<avtlo~tenbo Abb. 5.11: Pusentleerung nach Trepanation bei irre-
den als Voraussetzung für mikrobielle irreversible versobler Pulpitos
Pulpaschad,gung
5.4 Diagnostik der Pulpitis *f!.I'h" 197
dontitisd iag nostik). ln allen die\en rallen lokalisiert ist, lautet die Oiagnow· partiell-
wud die nilht erhaltungsfahigc l'ulpa 111 toto irreversible Pulpitis. Beim Jugendlichen
mittel\ \ italc xstirpat io n entfernt. hle1bt'nden l.ahn mit um ollcndt:tcm Wur-
Objclo.tiv ht du! Fe~tstellung eines l'ulpa· zelwachstum wird die \\'ur1elpulpa vital er-
pol} pen <>der -ulku~ bei offenem Ka' itaten- halten, l>e1m bleibenden /.1hn un Lr\\achse-
boden durch lnspcktionsdiagno~tik (s. \b- nenalter ist die \ italexstirpahon angezeigt.
bildung 5. 1 1). n.~, chronisch--exul7cricrtc
oder chron isch-proliferierende Pulpagewebe
ist zwar bcni hrung\empfindlich, verur~cht
aber mei~t keine Schmerzen. Da der Lnl
ziJndung\(H07e~~ i.d.R. im Kronenk.IVum
Abb. s.u,lrr~rsrble (purulente) Pulpolis an 46 mrt Abb. S.14: Pulpapolyp bei partoell-trreversrbler Pulpo-
periilpikaler Aufhellung an der mesialen und dosta liS rm Erwachsenenalter
lenWurzel
198 S Oiagnost•k in der Endodontoe
Wie in der Pulpalisdiagnostik fehlt es auch an Im ~olgenden sollen dre klimschen und
der klimschen Dlfferen7ialdiagno\hk der Pa- röntgenografischen 1\rankheiiSleichcn dar-
rodontiti ~ apicalis an ausreichend 7uverl,issi- gestellt werden, die mehr oder mmder fu r
gen Krite rien. Da~ trifft für die Pa rodon til i~ den Verlauf, die Stadien und Formen der Pa-
apicalis acuta ebenso zu wie fur dre lmochen- rodontitis apicalis ~prechen. \ufgrund des
abbauenden ronnen und die knoche nver- fließenden Ubergangs zwischen infizierter
drehtende Form der Parodontiti\ aprcalis l'ulpanekrose und Parodemiltis apicalis wird
chronira Frstere nicht als nosologr~che Einheit be·
trachtet und daher nicht gesondert beschne-
Allein die pathomorphologi'K he Diag- ben. Kicht infizierte l':ekrown, die sich oft
no\tik erlaubt eine sichere Abgrenzung zufallig bei der l'raparauon herauNellen,
der formen der l'arodnntiti\ .tpil·aJi\. y,erden i.d.R. nicht vun einer Parodontitis
Dt•r Kliniker i\t lediglich auf \'erdacht\· ••p•calis begleitet.
diagnosen angcY.ie">en.
Parodontitis apicalis acuta
F~ J..ann sich dabei um eine schwere Frkran-
5.5.1 Klinisch-röntgenografische Klassi- kung des orofazialen Sy\tcms handeln Den
fikation der Parodontitis apicalis unertr.tglichen Schmer7 bei der wl\iefcrhaut-
entzundung• hat der tschechische Schnft-
\uf der C..rundlage klinischer und röntgcno- ~teller Karel Capek (1890-19.18) treffend be-
grafi~hcr Kriterien bieten wir unter ßenick- 'IChrieben: wfur einen \lenscht•n, der leidet,
sichtlgung der 4 Fntzündung'>'>tadicn nach gibt t'~ nur den Sdlmcrl und nichts andt'-
Wanntnmacher (1952) folgende fintcilung res", dabei ..sitzt das wahre Ich tusarnmenge·
der l'arodontith aprcalis an: kauert wie ein Tier, windet sich und versteht
I Parodontitis apicalis acuta nichts als seinen Schmerl". Im Allgemeinen
1.1 Ohne Infiltrat (pcriodontale und enmta- gehören .wm klini~chen 1\ild der Parodonti-
le l'hase) tis apicalis acuta folgende (.harakteri~tika:
I 7. Mit lnfrltrat (\ubperiostah.' Phaw)
I.:J Abszess (submuköse Phase) Klinik
2 Parodo ntith apicalis ch ro nica Anamnese:
2.1 Knochenabbauende Fom1en ""' \llgemeinzustand rl'tluziert bis 'IChlecht
2. 1 I Abgegren1te Läsiont>n -"" Spontanschmt>r7 lnkJII\icrt oder aus-
""' Verdacht auf schwielige Verdi- strahlend
ckung ""' Berührung\\thmerz
-"" Granulomverdacht
""' Zy\tenverdacht 1\efund:
2.1.2 \licht abgegrenzte Läsionen -"" Körpertemperatur erhöht
-"" Drffuse Läsion ""' ZahnkroM \·erfarbt, karlü\ oder sekun-
""' fistel därkaiiös, frakturiert , abradiert
2.2 k.nochem·erdichtende rorm -"" Pt>rkussionsbefund p<>siti\
3 r.AaLerbation der Pa rodo ntitis apica li~ ""' l)mphknoten vergroßert, drutkst.hmcrz-
chronica haft
5.5 Diagnostik d~r Parodontitis apicalis •:tm1Qf1 199
Abb. 5.15: Kollateralödem bei akutem periapikalen Geschehen ausgehend von 22. a) Gesichtsschwellungen
face, b) Gesichtsschwellungen profil
200 5 Diagnostik in der Endodontie
Röntgenbild
JA Aufhellungen untemhledlicher Größe
und Konfiguration pcriapllo.al, periradi-
kular, interradikular, latcrallolo.alisicrt
JA WurLeiresorption
Abb. 5.16: Verbreiterter Desmodontalspalt an 46 als
JA \erschattungcn periap1kal
Ausdruck eoner magliehen ~hwiehgen Verdoekung
Die Differenzierung zwischen den einteinen
Klinik begrenzten lo.mxhenJhho~u~.:ndtn Formen
JA !>rmptomarmut der l'arodonuus ap1cah~ chromca 1st vage
JA Sduncrl.frcihelt oder unmöght.h. Ein \Cthreiterter Desmo-
JA /.ahnvcrfilrbung dontalspalt kann i\u\druclo. der schwieligen
JA 'lcmibilitatwerlust (Regel) Verdid.ung sein (s. Abbildung 5.16). Hinter
JA Wuuelkanalgerucb meistens fötid kre1~runden bis ovalen pcriapilo.alen Aufhel-
JA Pcrlo.U\\ioml~fund ncgati' lungen können ~ich pcriaJHio.alc Granulomt'
Abb. 5.18: Zystenverdacht a) Ausstroch 110n Zystennu~sogkeot auf schwarzem Papier und mokroskopi~her
Nachweos 1100 Cholesterinkristallen, b) kirschkerngroße und kirschgroße zystenverd..chtoge Aufhellungen
mot r..dooopaker VerdKhtungszone im Seotcnz..hngcbu:t dc:s rechten Oberkoefers
55 Oo~gnostik d~r Parodontitis ~picalis •: !.hGJ' 201
Abb. 5.20! Fostelbildung bet Parodontetas apo<:alis chronoca a) geschlossene Schleomhautfistel, b) Kennfistel
nach <1kutem Trauma bei eonem MJiergesellen (Sturz von der leoter), c) diffuse pe11<1pokale Aufhellungen an
31 und 32 als Ursache fur d•e Kinnfistel, d) Einführung eines Guttaperchastift~ in das Festelmaul bei 36,
e) Darstellung des doffusen penapikalen Prozesses an 36 durch den Guttaperchastaft
202 5 D1agnosllk 1n der Endodontie
haltspunkte bieten lediglilh eine positi,·e gcr Begrenzung und uni- oder polyzvsti·
Sem1b1litdt der .wgren1enden Zahne und der \l her Konfiguration ohne Zahnkontal..t
Rontgenbefund in oder außerhalb der Api- .A Differemialdiagnoslil..: follikuläre Zysten
k,llreglon. Angesich ts dieserSt hwierigkeiten (starl..ere Tran~pare111, 7ahngebunden),
und der haufig daraus resultierenden Konfu- t\meloblastom, Kar1inom {llistologie)
\lon 1\t der ll.!lniker gene1gt, die pcnapikalen
Veranderungen mit avitah.:n 1...1hnen in Ver- Laterale Parodontalz.yste [Winil..er-Bianck
bindung LU bringen. lorabmejad und Wal- 1979,jundt et al. 1997; Rother 20011
ton {19941 warnen allerdu1g\ vor dieser .fal- .A Vorl..ommen: seltl:n, ra,t ausschließlich
le". Aus Platzgründen l..ann hier nur ein im Unterkiefer
Überblick gegeben werden. Detaillierte ße- .A Klinik: symptomarm, ggr. Druckgefühl,
\threlbungen sind im eum:hHtglgen Schrift- vitaler Zahn
tum der Mund-, Kiefer- und <.esichtschirur· .A Rön tgenografie: runde oder ovale Aufhel-
jo\ll' /U finden. lung im lateralen Panxlunt unmittelbar
am Zahn als Zufallsbefund (s. Abbildung
Röntgenografische Aufhellungen 'i.25)
l'ollikultlre Zyste [Winiker-ßlanck 1979; .A DlfferenLialdiagnostil..: laterale radikuläre
Rot her 200 II Zy\tl' (/.ahn avltal), Parodontitis (vertika-
.A Vorkommen: \'Vcchsclgebis\, 2. Denti- ler Knochenabbau)
tion, \'Orrangig im Unterl..iefer, be' orzugt
.111 l. Molaren, außerdem an oberen Fck-
7ahnen
A KJin•l..: wie bei nicht infizierter radil..ula-
rer Zy\te, langsamer und \Chmer7IO\er
Verlauf, Auftreibung de\ Knochens ol1ne
Veranderung der Schleimhaut, Infektion,
l.ntammg und I<icfcrbrudt möglich
.A Rontgcnografie: glatt begrenne Aufhel-
lung in Be1iehung mit rclinicrtem oder
verlagertem, \'Ollstamltg <xll'r unvollstan-
d•g ausgebildetem l.Jhn untcrschicdU-
chcr Konfiguration, wobei d1e Zysten-
wand an der Schmelz-Zement-Grenze an-
wt7t (S. Abbildung 5 24) Abb. 5.24: Follikulare Zyste an 48
.A Dilfcrenzialdiagnostil..: 1\meloblastom,
K.lr1inom (Histologie)
In der Klinik hat sich eine vereinfachte Ein- "' Exsudatentleerung durch die Fistel
teilung der Endo-Paro-l.il~ionen durchge- "' Sondier- und darstellbarer Fistelgang, der
setzt: im Sulkusbereich [Löst 1994] oder in ei-
I . Primäre endodontale Läsion mit sekun- nem Fistelmaul an der freien [Löst 2001 ]
därer parodontaler Läsion oder befe~tigtcn [Kresic 1998) Gingiva
2. Primäre parodontale Läsion mit sekundä- endet
rer endodontaler Lä\ion "' Knochenverlust im Furkationsbereich
3. Kombinierte endodontal-parodontalc Lä·
sion Primäre Pulpaläsion mit sekundärer
Parodontalerkrankung
Hierbei handelt es sich um eine langwierige
5.6.2 Klinik und Röntgenografie der Pulpaerkrankung mit periapikaler Drainage.
pulpo-parodontalen Läsion Typhch für die Pathologie sind:
"' Sensibilitätsverlust (Pulpanekrose)
ln die klini~th -röntgcnografi\che Diagnostik "' Akuter oder chronischer Verlauf
der Lndo-Paro-Läsionen wu rden u.a. Arbei- "' Suppuration aus einer Parodontaltasche
ten 1·on Sirnon et al. (1972], Flelk und Gut- (eitrige Exsudation)
mann 11990) sowie llulsmann und Schäfer "' Mögliche Röntgenbefunde
(2007) einbezogen. - Bis zum Apex reichende solitäre Kno-
chentasche
Primäre Pulpaläsion - Furkationsbefall oder laterale Läsion
Charakteristisch für die Läsion ist ein Fistel- (retrograde Parodon titis)
gang Im Desmodont. Er beginnt am Apex, ei- - Wurzelrt!sorplion und Knochende-
nem Seiten· oder Furkationskanal. Hierbei strukt ion
sind folgende Merkmale nachwei~bar:
"' Kariöser, gefüllter, uberkappter oder pul- Primäre Parodontalläsi on
potomierter Zahn Bei Vorliegen einer mäßigen bis schweren
"' Geringe oder keine Schmerzen Parodontitis ht noch keine Pulpabeteiligtmg
"' Minimale oder fehlende Zahnsteinbil- nachweisbar, d.h.:
dung "' Normale Pulpareaktion
"' Schwellung der befestigten Gingiva "' Mas\lve Plaque- und Zahnsteinbildung
5.7 Diagnostik el<terner Wurzelre~rptionen
- 207
hinein und bilden eine Ankylose. Später Röntgenografisch weist die externe R~orpti
kommt es zu einer vollständigen Resorption on folgende Merkmale auf [K~kapan, Rode-
der Wur;.el (s. Abbildung 5.28). Klinisch- kirchen 2006):
röntgenografisch liegen folgende Symptome A Undeutliche und unregelmäßige Begren-
vor (Tronstad 1988): zung
~ Zumeist langer Verlauf A Asymmetrische ~orm und unregelmäßige
~ Unbeweglichl..eit des Zahns Radioluzenz
..o11 Infraokklusion A Häufig sichtbarer Verlauf des Wurzelka-
A Kronenverlust bei vollständiger Ersat?re- nals durch die Lä.sion
sorption der Wurzel A Veränderte Lage bei unterschiedlicher
A Metallischer Perkussionsschall Projektion
A Röntgenografie: Fehlen des Desmodon-
tahpalt), Resorptionslal..unen ("~ollen
fraß"), Ersatz der gesamten Wurzel im 5.7.1 Apikale externe Wurzelresorption
Spätstadium
Die apikale Wurzelresorption ist zumeist cnt-
Tronstad (19881 unterteilt die externen Re- ;.ündlicher Genese. Sie kann aber auch durch
sorptionen wie folgt : kieferorthopadische Behandlung und post-
~ Progressive entzündliche Resorption traumatisch entstehen. Praktisch unterliegen
- Mechanische !ltimulation (scharfkan- alle Wurzeln mit angrenzender Paradoniltis
tige Wurzelfragmente) apicalis chronica der Wurzelresorption. Das
5.7 Diagnostik externer Wurzelresorptionen 209
Vorkommen Klinik
.J. Beginn in früher Kindheit, häufig zwi- .J. Streng einseitige stärkste Schmer7anfalle
schen dem 20. und 40. Lebensjahr, meist im Orbita- und J>eriorbitalbereich von
bei Frauen 15-180 min Dauer 1-8-mal täglich
.J. Serienmaßiges Auftreten in Wochen oder
Ursachen Monaten (lläufungsschmcrz), dann lang-
.J. Stress, Lrschöpfung, Wetterumschwung zeitige Remissionen von Monaten oder
(Tief, Föhn), M~nstruation, Genussmittel Jahren
(schlechte Weine) .J. Auf der Schmerzseite: Konjunktivarö-
tung, Tränenfluss, verstopfte Nase, Rhi-
Klinik norrhoc, Miosis, Udödem
Aura (< 60 min)
.J. Einseitig verstopfte Nase Akute Otitis media
.J. . Aufgekratztsein", ,.Aufgczogcnscin" [Luckhaupt 1992; Oeken 1994; Zenner 1996;
oder extreme Reizbarkeit (.Fliege an der F.versole 1998; Hauset al. 20001
Wand stört")
.J. Sehstörung: Flimmerskotom: Gesichts- Vorkommen
feldausfälle mit visuellen Sensationen .J. Kinder (Ursache: Pneumokokken)
(Blitze, Funken, Ringe; gleißender Punkt .J. Erwachsene (Ursadle: P-hämolisierende
-+ Zad.cn -+ Zackenband) Streptokokken der Gruppe A)
.J. Schwindelgefühl
.J. Somatoscnsorische Störungen: unilatera- Klinik
le Parästh esie n (Hand, Gesicht, 1'\ase, .J. Fieber, i\bgeschlagcnheit
Zunge) .J. Plötzlich beginnende, starke stechende
.J. Motorische Störungen: Dysphasie (,.Kau- oder klopfende ausstrahlende permanerl-
derwel~ch") te Ohrenschmerzen, die sich nachts und
.J. Vegetative Störungen: Polyurie beim Blicken verstärken
.J. Ohrgeräu~che
Migränephase (4-72 h) .J. Herühnmgsempfindlichkeit des Warzen-
.J. Meist einseitiger, anfallarliger, krampfar- fortsatzes
tiger, vernichtender Kopfschmerz h inter .J. Rötung und Vorwölbung des Trommel-
oder über dem Auge (He mikranic) fell\ (Oto~kop)
.J. Rotes Auge mit Lidödem ~ .Ohrenlaufen" nach Spontanperforation
.J. Übelkeit, Crbrechen als ,. Ventil" des Trommelfells am 2. oder 3. Tag mit
.J. Photo- und Phonophobie (Liegen im 1'\achlassen der Schmerzen
dunklen Zimmer)
Akute Sinusitis maxillaris
Cluster-Kopfschmerz [}iofer 1968; \·Vatzek, Ulm 1997; F.versule 1998]
lDrechsel, Gerbershagen 1992; l:.versolc 19981
Ursachen
Vorkommen .J. Dentogene und rhinogene Infektion
.J. Oberwiegend bei Männcrn zwischen
dem 30. und 50. I ebensjahr, m eist durch Klinik
Alkoholkonsum, Ruhe (REM-Phase des .J. Redu1iertes Allgemeinbefinden mit Ab-
Schlafs: Rapid eye movement), Dunkel- geschlagenheit, Antriebslosigkeit und
heit, Kälte Fieber
212 5 Dlagnostok in der Endodontoe
Klinik
~ Konstanter unterschwelliger Schmerz 5.8.2 Chronischer Schmerz
mit heftigen kurzzeitigen Schmerzanfäl-
len bei Speichelstimulation (Nahrungs- Erkrankungen des Kiefergelenks
aufnahme, Zitrone) im hinteren Unter- IJ>ertes, Gross 1995; l'ertes, Heir 1995)
kieferbereich (Speichel~ r ise), der ein en-
dodontisches Geschehen vortäuscht Ursachen
~ Schwellung im Submandibulargebiet, die ~ Makrotrauma (Unfall\ erletzung)
mit einer Lymphknotenbeteiligung ver- ~ Mikrotraurnn (chronische Überbelas-
wechselt werden kann tung, z.B. Bruxismus)
5.8 Abgren1ung des nicht odontogenen Gesichts· und Kopfschmenes *$j.]IGJ1 213
Einteilung Vorkommen
..,. Formabweichung A Kau-, Kopf- und 1-lalsmuskulatur, isoliert
..,. Oi~kuwerlagerung mit und ohne Reduk- oder in Kombination mi t Kiefergelenker-
tion kranktmgen
..,. EntLündliche Erkrankungen
..,. Degenerative Erkrankungen (Arthritis, Ursachen
Arthrose, Polyarthritis) A Pressen und Knirschen
..,. Ankylose
Klinik
Klin ik A Permanenter, dumpfer Schmerz von un-
..,. Diskusverlagerung mit Reduktion te rschiedlicher Stärke: leicht, qualvoll,
- ~Ieist schmerzlos, ansonsten präauri· unerträglich, vernichtend
kulärer Schmerz mit Am~trahlung A Trigger-Punkte schmerzhaft bei Palpation
zum Ohr, Gesichtund Kopf, der durch _.. . Ggf. Gelenkgeräusche
Funktion verstärkt wird
- Gelenkknacken ohne Dysfunl<tion Gestörte Halswirbelsäule
..,. Di~kusverlagerung ohne Reduktion (Zervikobrachi alsyndrom)
- Starker Gelenkschmerz im ai..'Uten Sta- [Wolff 1992; Pertes, Heir 1995; Pschyrembcl
dium 1998)
- Bewegungseinschränkung und masti-
katorische \llyalgie Vorkommen
_.. . Kopfgelen1<
Rheumatoidarthritis A llalswirbclsäule
Klinik Ursachen
A Dumpfer, unterschwelliger, präaurikula- A Plötzliche Fehlbelastung, dauernde Fehl-
rer Schmerz oder ausstrahlender Spon- haltung de~ Kopfe:, (,.Giraffenhal\"), ein-
tanschmerz vorwiegend im Oberkiefer, seitige Überbelastung, Summationseffekt
ZahnKhmeu vortäuschend, im Ruhc.w- der Ursachen, ,.bis ein letzter Tropfen das
stand des Kiefergelenks Fass zum Überlaufen bringt"
A Blitzartig einsetzender, brennender oder
bohrender ausstrahlender Schmerz wäh- Klini k
rend der Gelenkfunktion unahhängig _.. . Heterogenes Kranl heitsbild
von deren Ausmaß und Art A Heftiger, unerträglicher, in Kopf, Gesicht,
A SchmerLhaftigl..eit de~ Gelenlo.s bei latera- Jlals, Schulter und obere üctremitäten
ler Palpation ausstrahlender Schmerz
..,. Rötung, Schwellung, I Iitzeentwicklung ..,. Lokalisierte Parästhe\ie im Arm hi~ .-:ur
A Bewegungseinschränkung, Krepitation, Fingerkuppe
Knacken, Morgensteifigkeit ..,. Motorische und vegetativ-trophische Stö-
A Möglicherweise starke Störung der stati- rungen
\Chen und dynami\Chen Okklu\!On A Gelenkgeräusche
..,. Generalisierte Gelenksymptomatik, posi- A Möglicherweise zervikogener Kiefer-
the Rheumatests schmerz
214 5 Diagnostik in der Endodonlte
.4 Weitere Symptome: Schwindel, Gleichge- Bcndcr, I. 8.: Pulpa I pain diagnosis- a review. J
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218 5 Diagnostik in dtr Endodontit
Uteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . 222
.
M:t!.I!Cij 221
II. W. t..limm
,.Die (illtakte) l'ulpc1 ist dir beste IVurzel(kmw/)- 1\uf der Grundlage der bereit\ au~fuhrl tch be-
ßllluus. • \chriebenen Ätiologie und J>athogene\e der
U- J(luczka, H. Riede! 1968] Pulptlis und rarodontih~ apicalis sollen hier
10 V!!rhaltensregcln zur J>ravention von me-
Dieses Kapitel bt dezidiert der Primarpr.l- vcrsiblen Pulpaschäden und deren periapika·
' cntion , namltch der Gesunderhaltung der len Folgen empfohlen werden (L.tngeland
Pulpa, gewidmet. AS!>CI..te der Scl..undärpra- 1972; Roulet 1979; lnglc ct al 1994; Klimm
vcntlon (l·rulll'rl..ennung und -behandlung) 1997; Klm, Trowbridge 1998, P.uncijer, ~tan
sowie der Tcrtiarpr.ivcntion (Komplikati- ley 1998; Stachle 1998a, b; Weiger 2001 1:
onsvorbeugung) finden sich in den Kapiteln I . l'athologische Verlinderungen am Pulpa-
rur Therapie. ~Die vitale Pulpa ohne infck- Dentin-System mü~wn fruhzcilig er-
hm bedingte pathologische Veränderungen kannt und behandelt werden. Die früh-
ist die biologisch wern·ollste Rarricrc lWi· crkennung ,·on Dentinveranderungcn
\Chen Außenwelt und apikalem l,arodon- ermoglicht deren minimallnvc~\IW Fruh·
tium, al~o dem Organismus." (Wannenma- therapie (Klimm 2006).
cher 1960( ~lt' ist nach Ketterl [ 198-1I ~cm 2. Dtc hochtourige Praparatlon dt..-s Zahns
heilige~ Organ", das, wie bereits dargestellt. sollte unter guter Beleuchtung, mit be-
uber em hoh~ 1\bwehrpotenzial gcgenuber waffnetem Auge, bti au\rcichender Wa~
e~ogenen 'lo:~.en verlügt. Muss da~ ~iarkor scrkühlung und intermittierend erfolgen.
gan geopfert werden, geht der l:ndodontl~t .t Fur die Bearbeitung de~ kMiöwn pulpc~
Kompromlm.• \'in. Angc~ichts der oben bc· nahcn Dentins empfiehlt sich der Einsat7
~chncbcncn kompli7ierten Anatomie dc~ von niedertourigen rotit•rt•ndcn lmtru-
Endodonb l.tuft der Bchandler eincrsclt~ (o<.'· mcntcn und llandinstrumt•nten: Je na-
fahr, \Ich 1um Nachteil seiner Patienten /wi- her die Pulpa, desto niedriger dae Dreh-
schcnfalle und Komplikationen einzuhan- zahl• Beim Jugendlichen wtrd vor7ugs-
deln, die ~fort einen \lisserfolg dar\tellcn. weise die schrittwei'>t.' Karn~wntfernung
,\nderer\eib konncn sch\\ ierigc anatomische vorgenommen, um eine 1'ulpaeroffnung
Vcrhaltni~se und techmsch~ Unwrmogen ilUS7USCh ließen.
dit: Ursache lür spate ~lisserfolge sein. Somit t Das präparierte Dentin darf ntcht mtt dem
schliegen du~ Mdßndhmen, die der Lrhaltung l.ufthla\er ausgetrocknet werden. i\u\ die-
der PulpaintegritJt dienen, das Risiko derarti- sem Grund verbietet \ICh auch die An-
ger Mi\\erfolge aus. Dtesem Ziel dient bert•ih wendung von Al koholund Chloroform.
die primare l'ravention der Karies sowie des 5. Die pulpanahe Dentinwunde sollte mit
al..utcn und chronischen 7...ahnhart\uh\tJrll· Kalziumhydroxld\U\J>cn\aon bLw mit
Trauma\. Immer dann, wenn der Zahnar7t Kalaumhydroxidzement vef\orgt wer-
thera(X'utisch am !..ahn tahg i\t, \ollte er ge- den. Der Wund\ erband "ird mit einer
genubl.'r der Pulpa ein ~schlecht~ Gewis\tn- stabilen Unterfüllung au\ /cment ubcr-
habt>n und \Ich pulpa\Chonend 'orgehen. \Chichtet
222 6 Pr.lvention und Endodontie
6. Bei der Applikation von Dentinadhäsi- 10. Nach Trauma und vitalerhaltenden Maß-
ven soll die Reststärke des Dentins min- nahmen Ist der Pulpazustand regelmäßig
destens 300 1-1m betragen. zu kontrollieren.
7. Um da~ mikrobielle Microleakage zu m i-
nimieren, bedarf es der sorgfältigen Aus- ,.Pulps need only a little ,tendcr lo ving
wahl ei ne~ adäquaten definitiven fü l- care' - rather than extirpation - to kt't'p
lungsmaterials und seiner fachgerechten themalive and weil." (Stanley 1992]
Verarbeitung im Rahmen der Füllung~
therapie. Nur bei ei ner möglichst soforti-
gen und randd ichten definitiven Füllung Literatur
besteht ein ausreichender Pulpaschutz Bränn~tröm, M.: Reducing the risk of sensitivi-
gegen d ie mikrobielle Invasion. Dieses ty and pulpal complications after the pla-
.soU durch die Versorgung mit adhäsiven cement of crowns and fixed partial dentu-
Re~taurationsmaterialien erreicht wer- res. Quintessence lnt 27,673 (1996)
den. Auch beim temporären Verschlus~ Ingle, J. 1., Stanlc)', I I. R., Lange land, K.: Etiolo-
gy and prevention of pulp inflammation,
der Kavität )OIIten dich t abschließende
necrosis and dy~trophy. ln: lngle, J. 1.,
und .stabile Materialien verwendet wer- ßakland, L. K.: Endodontics. Fourth ed.
den. Zur Vorbeugung von Infraktionen Will iams 1:i Wi lkins, Saltimore 1994
werden die ad häsive Versorgung mit Kettcrl, W.: Oie Wurzelbehandlmlg. Quer-
direkten Kompositfüllungen und Kera - schnitts-Meßtechnik und andere Metho-
den. Zahnärztebl. Baden-Württemb 5 ( I 0).
mikrestaurationen, adhäsive Komposit-
349 {1984)
aufb.tuten sowie Overlays und Kronen Kim, S., Trowbridge, H. 0.: Pulpa! reaction to
empfohlen. Bei asymptomatischen In- carles and denta l proccdu res. ln: Cohen,
fraktionen i)t eine protektive Versorgung S., ßurns, R. C. {ed.): Patln'l'ays of thc
(Schienung, Adhasivtecllnik) indiziert. pu lp. Mosby, St. Louis 1998
Klimm, W.: Karlologie. Leitfaden für Studieren-
8. Die Nachbearbeitung der definitiven Hit-
de und Zahna rzte. Hanser, !\lunchen,
lungen erfolgt i.d.R. mittel- und nieder- Wien 1997
tourig sowie feucht. Klimm, W.: Kariesdiagnmtik und Kariesthera-
9. Bei der Versorgung mit Kronen ist Fol- pie am bleibenden Zahn. ln: Reitemeier
gende\ tu beachten [Rrännström 1996]: ß., Schwenzcr N., Chrenfeld M. (llrsg.):
- Hinsichtlich der Entfernung des Sme- Einführung in die Zahnmedizin. Thieme,
Stutlgart 2006
ar layers bestehen kontroverse Po\itio- Langeland, K.: Prcventlon of pulpal damage.
nen: ßrannström [1996] fordert seine Dent Clin Xorth Am 16, 709 ( 1972)
Entfernungaufgrund der bakteriellen Pameijcr, C. H., Stanley, II. R.: The di~s t rous
Kontamination, Pashley (19901 seine effects of the ,.total etch" technique in VJ·
Erhaltung als ,.natürl ichen Kavitäten- tal pulp capping in primates. Am J Dent
II , 545 (1998)
liner".
Pashley, D. H.: Clinical considcrations of mi-
- Der Kronenstumpf sollte durch einen croleakage. J Endod 16, 70 {1990)
Liner versiegelt werden. Riede!, H.: Überkappung und Vitalamputation
- flrovi-.<nische Kronen sollten exakt der Pulpa. Zahnärztl Milt II, 551 (19611)
passen und auch das zervikale Dentin Rou let,j.-F.: Endodontische Prophylaxe, l'ul-
penschutz. ~hwei1 \.lonatsschr Zahn-
bedecken.
heilkd 89,841 (1979)
- Randdichte definitive Kronen müssen Staehle, H. J.: Pulpaschutz unter Komposit-Rcs-
so schnell wie möglich inkorporiert taurationcn. Stellungnahme der DG7.MKJ
werden. DG7.. Stand 20.10.1998 (a), http://www.
dgzmk.de/stellung/9819.htm
üter;~tur •:t!.!lt§l1 223
709 Therapie der Endo-Paro-Läsion . 0000. 00000. 000000000000. 00000000.... .. .. ... . . .. . 375
7o10 Endodontische Behandlung im Milchgebiss 00000. 000. 0000000000000•• 0•• 0o•• 0000. 375
7.10.1 Ziele - 375
7.10.2 Gren zen - 376
7.1003 Diagnostik - 377
7.10.4 Therapie - 379
701005 Temporäre M aßnahmen - 387
Literatur 00000000• .. 0.... . .. 00. . 000. 0. 000. 00• •• 00000•• 0• ••• •• 0. 0. 0. 0000000000. • . 0. 0. 0 388
7 Endodontische Therapie
N/11 diesl'r Stunde lra/te iclr das Geheimnis aller tiges Prüfungsfach der Zahnärztlichen Prü-
großeil Kumt, ja eigentliclr jeder irdisclren Leis- fung. Die Ausbildung in der Endodontulo-
trmg aufgetan xesefrell: KOIIlentmtioll, die Zll- gie vollzieht sich an den Hochschulen der
sarrrrnell{cl!>SI/118 aller Krd{te, aller Sinne. Wenn Bundesrepublik Deutschland nach der ge-
eine Aufgabe, sei sie groß oder klein, erfii/11 sei11 genwärtigen Approbationsordnung zusam-
ll'ill, muß mall sei11e11 gmuen Willen einer einTi- men mit der Kariologie oder als spezielles
gen Sache widmen wrd Herr wertlen iiber jedl' Curriculum Lndodontologic tSchriever et al.
Ableukrmg, /C'tle Lerstrewmg!u 1999]. Die Vorlesung "Finnihnmg in den
[Stefan Zweig] Phantomkurs der Zahnerhaltungskundc" so-
wie das Hauptkolleg der Zahnerhaltungst.:un-
de d ienen i.d.R. der Vermittlung des grundle-
1.1 Allgemeine Voraussetzungen genden Wissens für die Tätigkeit in der Diag-
nostik, Prävention und Therapie der
H. W. Klimm Erk'Jankungen der l'ulpa und des apikalen
Parodonts. Fähigkeiten und Fertigkeiten in
Der Behandlungserfolg der Endodontie i~t in der fJldodontie werden im Phantomkurs der
An lehnung an die Therapieempfehlungen Zahnerhaltungskunde, dem IJinischcn Ku rs
für die Endodontie [l97J] an eine Reihe von der Zahnerhaltungskunde I und dem klini-
grundsätzlichen VoraussetLungen geknüpft schen Kurs der Zahnerhaltungskunde 11 ent-
(s. Abbildung 7.1). wickelt. An einzelnen Hochschuleinrichtun-
gen ist der letltgcnannte Kur\ mit dem Kurs
der zahnärztlichen Prothetik II zu einem in- ..;1. Förderw1g des aktiven Erkenncns von
tegrativen Kurs veremt. Bereits der Phantom- Lusammenhängen
kurs der Zahnerhaltungskunde hat in der ..;1. Steigerung der Lernmotivation in freudi-
Endodontieausbildung einen hohen Stellen- ger Atmosphäre
wert. :-Jeben der Übung der Kofferdamtcch- ..;~. Entwicklung der Fähigkeit zu selbständi-
nik werden endodontische Behandlungen ger und systematischer I'roblemlösung
an Kunststoffmodellen simuliert und am ex- ..;~. Training des fachlichen Dialogs
trahierten natürlichen Zahn mit geraden ..;1. Befähigung zu Teamarbeit und Kollegiali-
und gekrümmten Wur1.elkanälen d urchge- tät
führt. Dabei finden maschinelle i\ufberei- ..;1. Schulung der selbstimdigen Beschaffung
tung\techniken und die Arbeit am Dentalmi- problembezogener und aktueller Infor-
kroskop eine gebührende Beachtung. ln der mationen fur Diagnostik- und Therapie-
Endodonlieausbildung der Dresdner Zahn- entscheidungen, die dem neuestenStand
medizinstudenten wird das Dentalmikro- der Wissenschaft entsprechen
skop seit Jahren im Phantomkurs und im ..;~. Vermittlung interdisziplinärer Diagnos-
Spezialkurs für Endodontologie des 7. Semes- tik- w1d Therapieansatze
ters angeboten [Arnold, Klimm 2004). Auch
im lntegrativen Kurs des 9. und 10. Semes- Im Zalmmedizinsn1dium ist auf Ausgewo-
ters findet das Praktikum 11 Mikro~kopge genheit zwischen traditioneller und pro-
stütztc Endodontic" statt. Das innovative blemorientierter Lehre zu achten. Der Er-
I ehrformat .,Drei~prung" (Kunststoffmodell werb von Wissen sollte sich nach wie vor an
- natürlicher Lahn -klinischer Zahn) in der der beweisgestützten Zahnmedizin (Evi-
rnlkroskopgestütLten Endodontie erfreut dence-based dentistry) orientieren. Nach Sa-
sich bei den Studenten großer Akzeptanz ckett et al. (1996] versteht man darunter die
und Beliebtheit. Verbindung der eigenen klinischen Erfah-
Das in der Dresdner Zahnmedizinausbil- rung mit der größtmöglichen Beweiskraft
dung bestehende Hybridcurriculum berück- \ystemati~chcr Forschung [Prchala 2000).
sichtigt neben den traditionellen Lehrfor- Die Hierarchie der wissenschaftUchen ße-
men das Problemorientierte Lernen (POL, weist..raft besteht in folgenden Graden
auch l'ßL: Problem-based leaming) [Priehn- (Agency for Health Care Policy and Research
Kupper 2000). Dabei werden lediglich POJ.- 1992):
Elnführungsvorlesungen vom exemplari- ..;1. Ia: Beweis aufgrund von Metaanalysen
schen Typ (Schellong 200 II gehalten. in Tu- randomisierter kontrollierter Studien
torien erkennen, diskutieren und lösen die (stärkster Beweis)
Studenten einer kleinen Gruppe anhand von ..;~. lb: Beweis aufgrund mindestens einer
geschriebenen Patientenfäll en Probleme ge- randomisierten kontrollierten Studie
meinschaftlich und selbständig. Dadurch ..;~. Jla: Beweis aufgrund mindestens einer
werden die im Tutor guide formulierten gut angelegten kontrollierten Studie
Lernziele erreicht. Da~ zur Problemlösung er- ohne Randomisierung
forderliche Wissen wird aus Nachschlage- ..;1. llb: Beweis aufgrund mindestens einer
werken und den modernen Medien (z.ß. In- gut angelegten qua~iexperimentellen
ternet) gewonnen. Der Tutor vermittelt kein Studie
Wissen, sondern moderiert und strukturiert ..;1. 111: Rewei\ aufgrundgut angelegter nicht
die Lehrveranstaltung. Im Vergleich zum experimenteller deskriptiver Studien (z.B.
konventionellen Frontalunterricht zeigt da~ Vergieichsstudien, Korrelationsstudien,
Problemorientierte Lernen folgende Vorteile: fall- Kon troUstudien)
7.1 Allgemt!int! Vor.~usst!tzungen •:t h!IQIJ 229
A IV: Beweis aufgrund von Uerichten/ Die Frage der Speliallsierung in de r Endo-
Meinungen von l:.xpertenJ..reisen, Kon- do nto logie w ird nach wie vor kontrovers
sensuskonferenzen und/oder klinischer diskutiert, obwohl sich der Wissenschaft~rat
Erfahrung anerkannter Autoritäten prinzipiell fu r weitere Spezialisierungen aus-
(schwächster neweis) gesprochen hat [20051. Aus der täglichen
Überweisungspraxis an die Hochschule und
Die Möglichkeit für Zahnmcdizinstudcnten, innerhalb der Hochschule wissen wir aller-
in der kl inischen Ausbildung am Wettbewerb di ngs, dass f.ndodon tie·Spezialisten durch-
.,Goldene Iledströmfeile" (Zeitschrift I:ndo- aus gefragt sind und ihre Hilfe von der Kolle-
dontie, Dentalfirmen) teilzunehmen, hat ei- gemchaft und den Patienten dankbar ange-
nen hohen Motivationswert bei den Studie- nommen wird. Es handelt sich dabei um
renden. Für die Qualifikation der Lehrenden f.ndodontisten, die bei komplizierten diag·
eignet sich u.a. die Tagungsreihe .,Ausbildung nostischen Sachverhalten und schwierigen
fur Ausbilder". Der 2008 gegründete Arbeits· anatomischen Gegebenheiten oder Kompli-
kreis für Weiterentwicklung der Lehre in der kationen wirl..~am werden, wenn der "Gene-
Zahnmedizin soll die Lehrak-tivitäten aUer Fä- raUst" mit seiner ärztlichen Kunst .,am Ende"
cher der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist. Das Erfolg~rezept die~er Kollegen liegt in
bündeln und von der Vereinigung der Hoch- ihrer absoluten Jiingabe an d ie I:ndodontie:
schullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheil- Diese Enthusia~ten sind gleichsam von Ihrer
kunde (VHL..'11lK) und der Deutsd1en Ge.~ell Aufgabe beseelt. Außerdem verfügen sie zu-
schaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde meist über moderne Behandlungsmittel (LB.
(DGZMK) gleichermaßen begleitet und aktiv Dentalmikroskop). Somit e rgibt sich nicht
unterstützt werden. Die Ziele de~ Arbei t~krei zuletzt aus der täglichen Praxis die Notwen-
ses sind: Qualitäts.~icherung und Qualitäts- digkeit eines dualen endodontischen Versor-
entwicklung, Professionalisierung der Lehre gungskonzepts, das durch ,.Generalisten"
und lchr-/Lernforschung, Kooperation und und "Spezialisten" getragen wird. Insofern
Austausch llvi~chen den Universitäten, Stei- ist der Erwerb der Zu~atlqualifikation in Fn-
gerung der Bedeutung der Lehre an den Uni- dodontologie nach den "Richtlinien für die
versitäten, Zusammenarbeit mit anderen Or- Ernennung zum/zur Zahnarlt/Zahnafltin
ganisationen und Mitarbeit an der Verbesse- mil Zusatzqualifikation in Endodontolo&rie
rung der politischen Rahmenbedingungen. der Deutschen Gesell~chafl für 7.ahnerhal-
Im Rahmen der za h närztlic h e n Fo rtbil- tung" (Endodontologie-!>pczialisten der DGZ)
dung hat der Zahnarlt die Mögl ichkeit, das eine logische Konsequenz [DGZ 2001]. Die
überreiche Angebot an Fortbildungsmög- Arbeitsgemeinschaft Endodontologie und
lichkeiten in der Endodontie mit den belich- Traumatologie (AGE1), der Verband deut-
ten praktischen Übungen (Ha nds-on} zu scher zertif1zierter Endodontologen (VDZE)
nutzen. Prinzipiell sollte jeder Zahnarzt vor und die Arbeitsgemeinschaft Prax is und Wis-
der Einfl1hrung neuer endodontischer Tech- senschaft (APW) haben das gemeinsame in-
niken und Materialien Erfahru ngen an novative Endodontie-Fortbildung\konLept
Kunststoffmodellen oder extrahierten natür- "EndoAdvance" entwickelt. 1-..s richtet sich
Lichen Zähnen sammeln. an alle Kolleginnen und Kollegen, die ihre
Kenntnisse erweitern und aktualisieren, ihre
Übungen am Phantom sollten da~ ge- prakti\chen Fähigkeiten und ihre Expertise
samte Berufsleben des Za hnarztes beglei- auch bei endodontischen Problemfällen ver-
ten. bessern möchten. Da\ fortbildungscontinu-
um ist primär für Absolventen der bisher ab-
230 7 EndodontischeTherapie
Material in den ersten 6 Monaten nach hen, die zur tra n sitorischen Ba kte riä mie
der Operation (in diesem Punkt unter- führen können. Das sind alle Eingriffe an der
scheidet sich das Positionspapier von den Gingiva, in der perlapikalen Region oder ~ol
AHA-Leitlinien; nach 6 Monaten wird che, die m it Perforation der oralen Mukosa
eine suffiziente Endothelialisierung der einhergehen. Dazu zählen auch Biopsien. Bei
Prothesen angenommen) den oben genannten Patienten wird bei
~ Patienten mit überstandener Endokardi- diesen Eingriffen im Rahmen der endodonti-
tis schen rherapie eine antibiotische Prophyla-
~ l'alienten mit angeborenen Herzfehlern xe empfohlen (F.mpfehlungsgrad/Evidem-
- zyanotiKhe Herzfehler, die nicht oder grad Jla/C: l:.videnzen/Meinungen favorisie-
nur palliativ m it systemisch-pulmona- ren den Nutzen bzw. die Effektivität einer
lem Shunt operiert sind Maßnahme/ Konsensusmeinung von Lxper-
- operierte Herzfehler mit Implantation ten, basierend auf Studien und klinischer Er-
von Conduits (mit oder ohne Klappe) fahrung). Keine Prophylaxe •.-.rird bei Lokal-
oder residuellen Defekten, d.h. turbu- anästhesie im gesunden Gewebe empfohlen.
len ter ßlutstrbmung im Bereich des Ausgenommen ist die intraligamentä re An-
prothetischen Materials ästhesie, für die hohe Hakterämieratcn nach-
~ alle operativ oder interventioneil unter gewiesen worden sind. Außerdem besteht
Verwendung von prothetischem Material keine Indikation zur Prophylaxe beim zahn-
behandelten Herzfehler in den ersten 6 ärztlichen Röntgen. Die Antibiotikaprophy-
Monaten nach Operation (nach 6 Mona- laxe bei ahndrztlichen Eingriffen mu~~ im
ten wird eine suffiziente Endot helialisie- Wesentlichen vergrünende Streptokokken
rung der Prothesen angenommen) bekämpfen. Tabelle 7.1 enthält die empfoh-
~ herztransplantierte Patienten, die eine lenen Antibiotika sowie deren Oosierung
kardia le Valvulopathie entwickeln und Applikation. Bei Eingriffen an oralen
Abszessen mit zu vermutender S.-aureus-Be-
Als Risikoprozeduren werden laut Po~itions teiligung sind mit der Antibiotikaprophyla'<e
papier alle zahnärztlichen Eingriffe angcse- Staphylokokken und ß-hamolisierende Strep-
Tab. 7.1: Empfohlene Endokarditisprophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen• (Naber et al. 2007]
Situation Antibiotikum Einzeldosis J0- 60 min vor dem Eingriff
Erwachsene Kinder
Orale Einnahme Amoxicillinb 2 g p.o. 50 mg/ kg p.o.
Orale Einnahme nicht möglich Ampicillinb ' 2g i.v. 50 mg/kg i.v.
Pemcillin- oder Ampicillinallergie- Cllndamycind.r 600mgp.o. 20 mg/kg p.o.
orale Einnahme
Penicillin- oder Ampicilllnallergoe - Clindamycin'-• 600 mgi.v. 20 mg/kg i.v.
orale Einnahme nicht möglich
• zu B~sonderheit~n der Prophylaxe vor Eingriffen an Infizierten Haut· und Hautanhangsgebolden und am muskulo-
skelettalen Systems. Text
b Penicillin G oderVklinn weiterhin ~ls Altem~tive verwendet werden
' alterni\ov Cefazolon, Ceftroaxon 1g i.v. für Erwachsen~ bzw SO mglkg i.v. bei Kindem
4 alternahv Cefalexon 2g p.o. fur Erwachsene bzw. SO mg/kg p.o. bei Kindern oder Clarilhoomycon SOO mg p.o. fur
Erwachsene bzw. 15 mgtkg p.o. bei Kindern
• Cave:Cephalosporine sollten generell nicht appliziert werden bei Patienten mit vorangegangener Anaphylaxie.
Angooodem oder Urtokaria nach Pentcillin- oder Ampiciilingabe
l32 7 Endodentische Therapoe
tokokken zu erfassen. Hier werden staphylo- hat. Lokalanästhetika soUtcn Adrenalin in der
koJ..kenwirksame Penicilline oder Cephalo- Verdünnung von 1 :200000 enthalten. Adre-
sporin, bei ß-Laktam-AIIergie Clindamycin nalinhaltigc liämostyptika und Retra.ktions-
sowie Vancomycin und andere J\1RSA-Anti- faden sollten bei Hypertonie nicht angewen·
biolika bei Beteiligung von methicillinresis- det werden [Kirch 1999]. Der Hausarzt oder
tenten S.-aureus-Stilmmen empfohlen. Internist entscheidet auch über eine mögli·
ehe Prämedikation zur Angstminimicrung.
<ienert!ll sollte vor der Endokarditispro-
phylaxe mit Antibiotika der behandeln- Blutgerinnungsstörungen
de Aut ko nsultiert werden. Bei Dialrsepatienten, Alkoholikern und Pa-
tienten mit Aspirinmedikation können
Herzschrittmacher durch Kofferdamklammern, Vitalexstirpati-
Bei der Anwendung \'Oll endametrischen on und chirurgische Maßnahmen Blutungen
Geräten sind elektrische Interferenzen mit auftreten. Hier ist die Zusammenarbeit mit
dem Schrittmacher nicht auszuschließen. ln dem Hausarzt oder Internisten (Hämatolo-
Zweifelsfällen ist eine Rücksprache mit dem gen) erforderlich. Unter sehr strengen Sic:her-
Kardiologen erforderlich [l lülsmann 2008]. heitsvorkeh rungen können Wurzelkanalbe-
ln einerneueren Studie interferrierten weder handlungen auch bei Patienten mit Blutge-
Endometriegeräte noch eleJ..trische Sensibili- rinnungsstörungen durchgeführt werden
tatstester mit der Funktion von Herzschritt- [Schulte, Ott 1990]. ln keinem Fall war sei-
machern und Kardioverter-Defibrillatoren tens de~ Internisten eine Faktorsubstitution
[Wilson et al. 2006). bei Hämo philiepatienten und dle Anhe-
bung des Quickwerts bei Antikoagulantien-
Hypertonie patienten erforderlich. AIJerdings gehört die
Behandlung in die Hand des erfahrenen En-
..Jftler /.ahnarzt mu~\ ein Blutdruck- dodontisten. Sie ist nach Meinung der Auto-
\lcssgerät und ein Stethoskop in der Pra- ren an die Einhaltung aseptischer Kautelen,
xis haben." [Kirch 19991 die Röntgenmessaufnahme, Vermeidung der
Überinstrumenlierung, die temporäre medi-
Die American Dental Association (Al>A) hat kamentö~e fJnlage mit Ca(OHh und die An-
~ich ~ogar dafür einge~etlt, dass der Zahnarzt wendung der Intraligamentären Anäsll1csie
routinemäßig bei seinen Patienten den Blut- gckmipft. Eine raktorsubstitution vor der
druck misst [Weine 1996]. fjne Hypertonie Leitungsanästhesie kann bei Patienten mit
liegt bei einem arteriellen Blutdruck ab schwerwiegenden Blutungs~törungcn durch-
140 mmHg (systolisch) bLw. 90 mmllg (dia- aus indiziert sein [Schäfer ct al. 2000].
stolisch) vor [Pschyrembel 1998]. Bei der
zaJ1närzllichen Behandlung kann der Hyper- Diabetes mellitus
toniker infolge des vorliegenden hyperadrc- Zur Vermeidung des hypoglykä mischen
nergen Zustands einen Herzinfarkt oder apo- Schocks oder des hypergl ykäntischen Ko-
plektischen Insult erleiden. Deshalb muss mas bei der zahnärztlichen Behandlung ist
sich der 7.ahnarzt vergewi~sern, ob der Patient die orale Gabe von Antidiabetika bzw. die In-
seine reguläre Medikation eingenommen hat. sulin menge bei unveränderter Diät beizube-
Im Zweifelsfall muss der Blutdruck gemessen halten [Kirch 1999]. Conditio sine qua non
und ggf. die zahnärztliche Behandlung ver- fur die Ausheilung periapikaler l:.ntzündungs-
schoben werden, bis der I Iausarzt oder Inter- prozesse ist die Einstellung des Diabetes, um
nist den Blutdruck de~ Patienten eingestellt normale Blutzuckerv.·erte zu erreichen.
7.1 Allgtmtlnt Vor.~us~tzungtn •:m;ntl 211
I ~~~~
• Hedstrom-Feile
• K-Felle
• K·Reamer
•
I,
Rattenschwanzfeile
Wurzelkanalfüller (lentulo}
tion 1992(. Feilen und Reamer werden durch Abb. 7.3: Symbole zur Identifikation von Wurzelka-
nalinstrumenten nach ISO 3630 1:1992 (E)
Durchmesser und Ulngen standardisiert (s.
i\bbiJdung 7.2). Anhand des Durchmessers d 1 Tab. 7.2: ISO-Größen von Feilen und Reamern
werden die ISO-Größen der lmtrumente fest- und deren Farbcode {ISO 3630-1:1992E) (Inter-
national Organization for Standardizat ion 1992)
gelegt (s. Tabelle 7.2). Die Instrumente wer-
ISO-Größe Durchmesser Farbkodierung
den in den standardisierten Längen von 21,
d1 ± 0,02 mm
25 , 28 und 31 mm (:t 0,5 mm) hergestellt. Zu
ihrer Identifikation dienen Symbole (s. Abbil- 008 O,OS grau
dung 7.3). Auch Gu ttapercha~tifte sind ge- 010 0,10 lila
normt und farbcodiert. Zur Standardisierung OlS 0,15 weiß
in der Endodontie gehören zweifelsfrei die
020 0,20 gelb
Qualitllbrichllinien endodonthch er ße-
handJung als Konsenspapier der Europäi- 025 0,25 rot
schen Gesellschaft fü r Endodontologie (Euro- 030 0,30 blau
pean Society of Endodontology (ESE) 2006].
035 0,35 grun
Der bedeutende Therapiestandard gilt gleich-
040 0,40 schwarz
sam als tragende Siiule dieses Kapitels.
Rati o nalisieru ng bedeutet vernunftige 045 0,45 weiß
Gestaltung von Arbeitsabläufen im Sinne der 050 0,50 gelb
Zweckmäßigkeit, Effektivität, Berechenbar-
055 o,ss rot
kelt und ßehcrrschbarkeit (Brockhaus 1998).
060 0,60 blau
Hier ordnet ~kh die rationale Gestaltung des
endodontischen Arbeitsplatzes ein (s. Abbil- 070 0,70 grün
dung 7.4a, b, c). Bei seiner Gestaltung ist Fol- 080 0,80 schwa rz
gendes zu berücksichtigen (Guldener 1992):
090 0,90 weiß
.; Übersichtlic hkeit
100 1,00 gelb
..A Vorhandensein sämtlicher Instrumente
und Materialien für die endodontische 110 1,10 rot
Behandlung 120 1,20 blau
A optimale Anon.lnung des Instrumentari-
130 1,30 grun
ums zur effektiven Zusammenarbeit zwi-
140 1,40 schw arz
schen Behan dlerund Zahnar1thelferin
236 7 Endodontische Therapoe
~
Diagnost ik· und Thera-
pieblattes
~
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7.1 Allgemeone Voraussetzungen e:mJSfl 239
.J. 1 hennoapplikator zur vertllo;alen dodontie erlaubt die "Lösung vieler bisher
Kondensation nur schwer oder überhaupt nicht lösbarer
.J. Absaugung Probleme" [Velvart 1996] .
~ Mikroabsaugung
~ Mehrfunktionsspritze Der Einsall de~ Dentahnikroskop\ nutzt
~ Stropko-Luftbläser dem Behandler, der zahnärztlichen Hel-
~ Materialien und Medikamente ferin und nicht zuletzt dem Patienten.
- Pulpaanästhetikum
- ISO-genonnte Papierspitzen Das Dentalmikroskop bietet eine Reihe von
- ISO-genormte farbige Guttaper- Vorteilen [Seiden 1986; Mouncc 1995; Vcl-
chaspitzen vart 1996; Ruddle 1997; Saunders, Saunders
- Chelator/ Gieitmittel 1997; Khayat 1998; Knowles et al. 1998;
- Kochsalz-Lösung Friedman et al. 1999; Steffel 1999/ 2000, Co-
- Überkappungsmittel elho de Carvalho, Zuolo 2000; Arnold,
- Reparaturmaterial Klimm 2001; Walsch 2001; Arnold 2007a/b;
- Wurzelkanalspülmittel Schröder-Rom 2008; i\rnokl 2009]:
- Mittel für Zwischeneinlage 1. Es liegt ein variabel vergrößerbares drei-
- WurLelkanalfüllpaste dimemionales Rild von hoher Qualität
- provisorische Füllungsmaterialien vor: Mit dem Dentalmikroskop sind im
(Cavit, GIZ, Komposit) Vergleich zur Lupenbrille ( l ,S-8-fach)
- Aufbaumaterial (Komposit) Vergrößerungen bis 30-fach möglich. Die
- definitives Therapiemittel Vergrößerungen können leicht einge-
stellt und aufgabenspezifi~ch genutzt
Des Weiteren dienen der Therapieteil des en- werden. So kann bei 3-facher Vergröße-
d od ontisch en Diagnost ik - un d Th erapie- rung, ausreichender Tiefenscharfe und
blattes (s. Abbildung 7 .7) ~owie Therdpi e- notwendiger Obersicht die Zugangskavi-
em pfehlu nge n in Form tabellarischer Bc- tä t präpariert werden. Zur Inspektion des
b andlungssystem aüken (Step-by-step) der Pulpakavums und zum Auffinden der
Rationalisierung der endodontischen Thera- Wurzelkanaleingänge ist die 16-fache
pie. Vergrößerung geeignet. Für die Entfer-
nung frakturierter Wurzelkanalimtru-
• You ca11 only treat wlwt )'Oll cau Sl'l'. • men te ist die 24- 30-fache Vergrößerung
[S. Kim] hilfreich. Durch die variable Vergröße-
rung werden zudem Frakturlinien, lsth-
Erkennen, Begreifen, Behandeln mu)bildung, akzessorische Wurtelkandle
Die Visualisierung endodontischer Objekte, und Komplikationen sichtbar und be-
die mit dem bloßen Auge schwer oder nicht handelbar.
sichtbar sind, kann mit dem "bewaffneten " 2. Das Behandlungsfeld wird schattenfrei
Au ge verbt:s~ert b1.w. erst ermöglicht werden. und tief ausgeleuchtet: Die Lichtstrahlen
Als vergrößernde Sehhilfcn dienen das Den - der Lichtquelle werden außerhalb des
talmj kroskop, die Lupenbrille und da~ En- \lfikroskops durch einen l.ichtleiter wm
dosko p. Das Operationsmikroskop wurde Hauptobjektiv geleitet und dort mittels
erstmals 1921 von Nylen bei einem oto-rhi- Prismen in die optische Achse umgelenkt
no-laryngologischen Eingriff eingesetzt und [Velvart 1996). Damit wird das häufig
1950 in die Ophthalmologie eingefuhrt. D1e nach der Trepanation sichtbare "schwar-
Einführung des Dentalmikroskops in die En- ze Loch" schattenfrei erhellt. Bei erhöh-
240 7 EndodontiS<he Therapie
ter Uchlintensität kann der Wurzelkanal 4. Die tmddokumentation wird durch tradi-
bis zum Foramen apicale inspiziert wer- tionelle Fotoapparate und digitale Kame-
den (s. Abbildung 7.8). ra~ ~owie uber Videokameras gewährleis-
3. Es ist eine erhöhte Präzision beim Arbei- tet, die über spezielle Adapter mit dem
ten bzw. Führen der Instrumente gegeben: Dentalmikroskop verbunden sind.
Dadurch wird eine schadensgerechte, sub- 5. Die Bildübertragung des Behandlungsab-
stanzschonende Behandlung im Sinne laufs uber die VIdeokamera auf den Mo-
der minimalinvasiven Therapie möglich nitor eröffnet folgende Möglichkeiten:
[Winkler 200 l). Stift-Stumpf-Aufbauten - Motivation und Information des Pa-
können sich unter dem Einsau von Ultra- tienten durch die anschauliche Dar-
schaU gezielt entfernt werden. Unvoll- stellung des Behandlungsgegenstands
ständige Wurzclkanalfüllungen, lntraka- - Optimierung der Assistenz seitens der
naläre Stufen, lnstrumentenfragmente, zahnär:.:tJichen llelferin durch die
Perforationen und Resorptionen lassen bildliehe Wiedergabe des Behand-
sich besser diagnostizieren und gezielt re- lungsablaufs
vidieren, korrigieren, entfernen bzw. the- - praxisorientierte Demonstration der
rapieren. Verformungen von Aufberei- endodontischen Live-Behandlung in
tungsinstrumenten können frühzeitig er- Aus- und Fortbildung (Arnold, Klimm
kannt werden. Die Arbeit mit dem 2001).
Dentalmikroskop erfordert aus Sichtgrün- 6. Das Dentalmikroskop ermöglicht eine er-
den den Einsatz von grazilen, miniaturi- gonomische Behandlungsweise (Beleuch-
~ierten Instrumenten: Lang- und Dünn- tung. Arbeitshaltung) (Michaelides 1996).
hals-Rosenbohrer sowie Langschaft-Ro- Die an eine optimale Arbeitshaltung ge-
senbohrer mit kleinen Köpfen, feine stellten Anforderungen werden erfüllt
Ultraschallansatze, Microopener, Winkel- [llokwerda 2000; Schröder-Born 2008j:
stücke der Endomatoren mit kleinen Köp- - Oberkörper symmetiisch, aufrecht (s.
fen, Mikroabsaugung, Stropko-Luftbläser, Abbildung 7.9)
kleinere Mundspiegel - Oberarme am Oberkorper herunter-
hangend
- Entlastung der Schultermust-.ulatur
durch Armstutzen
- Unterarme nicht mehr als zs• geho-
ben
Abb. 7.8: Blick i n den Wurzelkanal bis zur apikalen Abb. 7.9: Ergonom1sche Arbeitshaltung eines Stu
Konstriktion on Scharfeinstellung mithilfe des Oen- denten der Zahnmedizin am Dentalmikroskop
talmlkroskops (x 20) (rechts)
7.1 Allgemeine Voraussetzungen *:tm'fJ'' 241
- Beine mäßig gespreizt: maximal 45° neleltfadens des Deutschen Arbeitskreises für
- Winkel von Ober- und Unterschenkel Hygiene in der Zahnmedizin [DAIIZ 2006)
< 105-llO" und die Überslcht~arbeit "Praxi~hygiene; Ak-
- Füße flach auf dem Boden tuelle Anforderungen und ihre Umsetzung"
- Beine \enkrecht auf dem Uoden oder Oatzwauk ct al. 2008]. Aus diesen Veröffent-
etwas nach hinten lichungen sollen hier einige für die Endo-
dontie relevante infektionspr~ventive Maß-
Dentalmikroskope sind an Boden-, Wand- nahmen dargestellt werden wie Anamnese,
oder Deckenstativ montiert. Alle Montageva- Mundhöhlenanti~epti k, Händehy1,riene,
rianten bieten Vor- und Nachteile. Sci1Utzhandschuhe, Mund-Nasen- und Au-
Die Lupenbrille ist billiger und flexibler genschutz, Absaugung, Abdeckung von Flä-
einsetzbar, belastet aber durch ihr Gewicht chen und Gegenständen, Kofferdam und
den Kopf, veranlasst zu unphysiologischer Aufbereitung von Medizinprodukten.
Arbeitshaltung und beansprucht die Augen-
muskulatur durch fortwährendes fokussie- Anamnese
ren. Infektionsrisiken können durch eine in re-
Kritikwü rdig am heutigen endodonti- gelmäßigen Abständen wiederholte akt1.1elle
schen Arbeitsplatz ist der Mangel an integra- Anan1nese erkrulllt werden {s. endodonti-
tiven Lösungen (z.B. Endo-~otoren) und der sches Diagnostik- und Therapieblatt, s. Ab-
zu hohe Platzbedarf (z.ß. Dcntalmikroskop). bildung S.l).
Abb. 7.11: Kofferdam und Röntgenaufnahme. a) Klapprahmen nach Sauveur und Kofferdam in situ,
b) Röntgenaufnahme bei aufgeklapptem Kofferdamrahmen
Abb. 7.12: Bereitstellung von Kofferdamrahmen Abb. 7.13: Bimanuales Überstülpen des Kofferdams
nach Sauveur mit gespanntem und perforiertem über den zu isolierenden Zahn 15
Kofferdam, Kofferdamserviette, Zahnseide und Kof-
ferdamklammerzange mit Kofferdamklammer als
Vorbereitung zur primären Applikation von Koffer-
dam und Kofferdamrahmen
Tab. 7.3: Schrittweises Vorgehen bei primärer Applikation von Kofferdam und Kofferdamrahmen
Arbeitsschritt Arbeitsmittel und -modus
1. Vorbereitung des Patienten
1.1 Psychologische Vorbereitung Gespräch
1.2 Lagerung des Patienten
Tab. 7.4: Risikoklassen von Instrumenten der Endodontie und Verfahren ihrer Aufbereitung {Modifi -
kation nach Jatzwauk et al. 2008)
Risikoklasse Art des Instruments Reinigung/Desinfektion Sterilisation
Krit isch C Instrumente aus der Behand· Aufbereitung in Einrichtungen mit extern
lung von Patienten mit Ver- zertifiziertem Qualitätsmanagement nach
dacht auf oder Manifestation DIN EN ISO 1348Sn3488
einer übertragbaren spongi·
formen Enzephalopathie (CJK,
v.CJK)
248 7 Endedontische The rapie
7.2 Vitalerhaltungsverfahren im
Da~ häufigste Sterillisationsverfahren in bleibenden Gebiss
der Zahnmedizin ist die Damptsterilisa-
tlon (Autoklavieren). H. IV. KUmm
Die erforderlichen Parameter der Dampfste- Oie \'OIIständige Vitalerhaltung der Pul-
rilisation sind Uatzwauk et al. 2008J: pa sollte vorrangiges Anliegen der cndo-
~ Vorhandensein von gesättigtem Wasser- dontischen Behandlung win.
dampf
~ Temperatur: 134 °C ln Abhängigkeit von der Tiefe der Karies, der
~ Zeit: > 3 min Schwere de~ 7.ahnhart~uhstan7-Traumas,
~ Dmck: > 2 bar dem Zustand der Pulpa und des ParodonLS,
~ Kondensation des Wasserdampfs an jeder der Dauer dt'f l'ulpaexposition, der Stillbar-
Stelle der lnstn•mente keit der Pulpablutung, dem Stadium der Ap-
cxogencsc und dem Alter des Patienten wer-
Die Schneideeffizienz endodontisd1er Stahl- den die Therapieverfahren der abgestuften
instrumente wird durch Desinfektion, Reini- Vitalerhalnmg der Pulpa praktiziert {s. Abbil-
gung und Sterilisation herabgesetzt lllaikel dung 7.17). Dabei wird die totale, subtotale
ct al. 1996]. Die empfohlene Lagerdauer der und partielle Vitalerhaltung angestrebt. Wie
Sterilverpackung beträgt 5 6 Monate. Außer- bereits beschrieben (s. Kapitel 1.2.8), errich-
dem kommt in der Cndodontic eine Reihe tet die Pulpa gegen die vorrückende Bakte-
von Einmalartil..eln zum Einsau (z.B. lnjekti- rienfront Barrieren veränderten und zusätLii-
onskanülen, l>ulpaexstirpatoren, Spülkanu- chcn Dentins, baut Dentinbrücken über der
len, SpUisprilzen). traumatisch und artifiziell freigelegten oder
amputierten Pulpa und überwindet re\ ersi-
Antiseptisc he Therapie ble Entzündungszmtände.
Im Rahmen der eigenen Pentas der Wurzel-
kanalbehandlung werden antiseptische Bei der vitalerhaltenden endodonti-
Maßnahmen in diesem Kapitel dargestellt. \Chcn Therapie schaffl'n wir durch me-
chanische und medikamentöse Mittel
_MediCII\ mrat, 11nt11ra mnat." lediglich die Bedingungen, die c~ der
Pulpa ermöglichen, eigene Überleben~
ml'Chanismen zu entwickeln. E.s ist .,I til-
fe 7ur Selbsthilfe''.
Stuf~nd~r Lolr.allutlon d~r Artd~r Verfahren der Abb. 7.17: Schema der
Vitalerhaltung O.ntinbani~re O.ntinbanler~ VItalerhaltung abgestuften Vitalerhal-
PulpJdach Tertiardentln- Carles-profunda- tung der Pulpa
~nlagerung Ther~poeNersorgung
Totale pulp~nahen Oenlins
Erhaltung
Pulpadach direkte
Oberhppung
Pulpahorn/ Tertiärdentin p~rtielle
koronale Pulpa brucke Pulpotomie
Wurzelkanal- totale
eingang Pulpotomoe
(Votalampubtlon)
j
72 Vot<llerhaltungs~rfahren im blei~nden Gcboss • f hht '' 249
Selh\trt.'dend bieten die \"On der Pulpa errich- 1996(. Außer Zweifel steht, dass die Dentin-
teten Barrieren nur einen relativen Sd1u1z brucke letztendlich durch eine Ka~k.ade zel-
gegen d1e bakterielle Invasion, wenn dun:h lularer Vorgange der l)ulpa al~ al.tm~r Repa-
eine randundich te fullung (Microleal.age) raturproze)) gebildet wird II llgashi, 01-;amo-
mikrobieller Nad1\chub möglich ist. Dies to 1996b; T7iafa~ et al. 2000[.
tri fit fur die lertiardentinschich t bei der Ll-
ries-profun da-Thcraple eben so zu wie fur die Der Dauererfolg vitalerhaltende r Lle-
Dentinhrucl.(' b<.'i der direkt('n Üb('rl.appung handlung der Pulpa h .mgt cnl\dwidcnd
und Pulpotomie. In der rat zeigt die Dentin- vom Randschluss der dehnatJ\l' n l·ul-
brücke eine unter~chiedliche Qualitat (s. \b- lung ab.
blldung 7 18a, b und c). Sie i\t teihH'l\t' m-
homogcn, dJ \ic \Oll Weichgewebestrangen
durchzogen wud [l.angeland 1972J. 89 ~der 7.2.1 Vita lerhaltung - Ge ge nwart und
Oentinbrucl.en nach Ca(OH)z-Apphl\ation Ausblick
zeigten multiple Tunneldefekte [Cox et al.
1996[. Die rad1ografisch akzeptable Dentin- Vita le rhaltung mit Kalziumhydroxid und
brud.e ~teilte sich im histologischen Bild MTA
perforiert oder w1e ein Pfan nkuchen mit 1en- Hermann hat da\ Kal1lumh) tl roxid
tr.llem IAKh [Mass ct al. 1995] dar. L>er Ver- (C'.c~(OII)z) 1920 im Wurzelkanal eingesetzt
gleich mit einf.'m Schweizer Kase fehlte bis- und I9.30 mitgeteilt, das\ Ca(OII h die Den-
her. Daher ~ci die Dentinbrücke gar keine tinbildung durch die Pulpa anrege. Die anti-
Barril.'re und \\erde von chemischen und mi- mi krobielle und die Dentinbildung induzie-
krobiellen 'oxen penetriert (Langeland rende Wiri."Ung des ~ ledikament\ hangt von
14 hg
t
Zt'lchfftfrnzleruna
Pulpa - TGFf31, TGT'ß3 (Transforming
growth factor)
1 r.1
t
Vnkul.ifiWtion - BMP2, BMP4, BMP6 (Bone mor-
phogenetic protein)
- BMI-'7 (OPI) (Osteogenic protein)
Abb. 7.19: Feingewebliche Reaktionen der Pulpa auf
Kalziumhydroxid (Berman und Massler 1958, Modi - JGF (Insulin growth factor)
fikation nach Künzel1973/1974) - EGF (Epithelial growth faclor)
7.2 Vttal~rhaltungsv~rbhrcn im bleibenden G~biss - fi.hbiJ 251
- aiGf (Acid fibroblast growth fal1m) (Liang et al. 1990; \1anin et al. 19911, T.liafas
- bFGF (Binic fibroblast gr0\\1h factor) et Jl. 1998). Allerdings 1\önnen s1e die Wir-
A Applikation von Wach~tumsfal..toren kung der oben genannten Protemc modellie-
gemlschen ren, M:-shalb sie als akzes\ori\dw F.11..torcn
- mit FOTA oder Kollagenase behan- einge\Ctlt werden.
delte allogene Dentinmatrix Uercits in den 30er-jahren dc\ 20.jahrhun-
dem wurde Dentinmatrix als \ltcmatlve lU
2. Pndogenc Aktlvierung lokaler Wachs- Kal7iumhydroxid angewendet JPribyl 1931).
tumsfal..torcn Seit dem Nachweh der Knochenbildung im
"" durch Applikation dentinlösender extra~l..clettalen Gewebe durch allogene\ Den-
Sub\tan7rn wie tin (BJng. Urist 1967Jiagdle Vermutung nahe,
- IDlA dass Dentin Wachsrumsfal..1oren enthalt. ln
Zitronensäure der Tat gelang es, im Dentin IGll , 101'2 und
- Phosphorsaure I Glil (Finkelman et al 1990) und BMP [Bes-
- Pol yacl'} Isaure 'ho et al. 1991) nachzuweisen. '\either gilt die
- 1\alziumhydroxidsu~pcn~ion Dentinmatrix als naturlichcs Rcscrvou von
Wachstumsfak'toren (Smith et al. 1990; Ca~si·
3. Exogene Applil..ation von cxtrazellultHcn dy et al. 1997; Roberts-Ciarl.., Smlth 2000]. Da-
Matrixproteinen her war es möglich, durch Dentinmatrix nach
"" KoiiJgcn Behandlung mit LD JA oder Kollagenase l'ul-
"" l"ibron~:ctin pafibroblasten zur Ten1ardentmbildung anzu-
regen (Annerotll, Bang 1972; Smith, l.ea\er
Dabei ubten die unter 1. genannten ß\1Ps, 1979; Tziafas, Kolokuris 19tJO; Smith et al.
OPI und I GIs einen wachstumsstimulieren- 199-l; I ziafas et al. 1992a; 1995(.
den Einnuss auf die Odontobla~ten und P\11- l leganter und sinnvoller fur die rraxh
pafibrohla\tcn dU\. So gingen Odontoblastcn warc allerdings die i\ktivierung lokaler
beispielsweise nach transdentinaler StimuiJ Wachstumsfaktoren 1m verbliebenen Dentin
t ion nut OP I aus 1hrer Ruheform in eine ak- durch Säuren oder Kalzlumhydroxld\u\pen-
tive rorm Ober und ~ynthctisicrten neue \ion. Von allen aufgefuhrtcn Sauren löste
Dentinmatrix !Ruthcrford et al. 199SJ. Nach LD l'A den größten Anteil an TC.. Fß I aus der
dem Vcrlu\t des Odontoblastensaums he· Dentmmatrix herau~ (Smith, 'imilh 1998].
wirl..tcn c:>.<>gl!n applizierte Wachstumsfakt<>· Allem die oberOächlichc llenellung der ent-
ren die l..i mwandlung undifferenlierter l'ul· blößten Pulpa mit Kalliumhydroxidlosung
palibroblasten m odontobla~tenahnhchc bcwtrkte im 11ere\penmrnt cindtuttgc Tcrti·
Zellen, die Ocntmmatrix sezernierten und !irdentinbildung (Cvek ct al. 1987(.
minerah\icncn (Tziafas, Papadimitnou r\aturliches t-.:ollagen allein ist olfcnbar
1998; lzialas ct al. 1998). Seit den \patcn 111cht fur cmcn molekularen I hcrapil'illl!><ltz
191\0er-jahren wurde sowoW in vitro al\ tur Vitalerhaltung der Pulpa gc."Cignet [Ruthcr-
auch in vivo mit den genann ten Wachs- ford, Fit7gerald 199SJ. Dagegen induzierte xe-
tumsfal..toren erfolgreich 'Jeniärden tinhll- rogenes Fibronectin beim llund die llildung
dung indulll'n !Rutherford et al. 1993; 1994; atuhularen und tubularcn Dentim Ir/liifil\ ct
~akashima 1994; Jep\en et al. 1995; !Iu ct al al. 1992b). Durch wine hohe Alfinitat zu
1998; Sloan, SmiU1 1999). Die weiteren TGFJl und seine chemotakti!><:he W1rkung auf
Wach\tum\fal..toren (IGF, EGF, FC.I) pcr sc M~cnch}mzellen könnte es als ideale Irager-
fuhnen l..cme spez1fi~he Tertiardcntinhil- subst.Jnz rür \\'ach\tum\rat..tun:n rungieren
dung herbei, jl-doch osteoide Ablagerungen l •\lbcn~ et al. 1995; Tziafas ct al. 1992b).
252 7 Endodentische Therapie
triumhypochlont. Das rot gefarbte Gel löst Vdlton lassen sich haufigcr denaturierte Den-
kariöse\ Dentin auf Dte Ammosauren und tinbe7irke nachwehen ab bei mechanischer
der hohe pli-Wert der Flüs~igkeiten sollen Kariesentfernung (Hahn ct al. 20021. fest
d ie i\uno~ung gesunden Dentins durch Na- \teht allerdings, dass d ie Gefahr der Pulpaer-
triumhypochlorit und \Chadliche Wirkun- öfrnung hei Karic~entfcrnung minimiert
gen auf orales Weichgewebe verhindern. Die \\ird (ßanerjee et al. 2000]. Dic~em Ziel dient
chemo-mechanische Behandlung besteht auch dte sduittweise Karirsentfernung. Ihr
aus lroplen, Kürettieren, Fullen LUp to dent liegen folgende F.rlenntni~se zugrunde:
199R; \laragalis et al. 20011. Die bisherigen I. Unter dichtem provi~orischen und end-
Erfahrungen mit dem Carisolv-System fan- gultigen Kavitiltenverschluss reduziert
den tn 2 wissenschaftlichen Studien ihren sich die /.ahl der Mllroorganlsmen des
Nieder\<.:hlag: ln einer kltnischen Multicen- hela~scncn erweichten und \'Crfärhten
tre-Studie \\•urden für die Behar1dlung mit kariösen Dentins (Plathner 195.3].
Cari~olv 10,62 min, hingegen fur die mecha- 2. Das verbliebene en,·cichte Dentin wtrd
nische Kariesentfernung 4,42 min benötigt. durlh Austroclnung und erneute ~fine
Wahn.:nd nur 3% der Carisolv-Patienten eine ralisation ,.,.;eder hart (Kothe 1960J.
Lokalanasthe._\ie eJbaten, musste bei 45% der l. DH:se Vorgange vollziehen sich ohne d1e
mcchantsch behandelten Palienten anästhe- Wirkung irgendeine\ Medikaments
)i('rt Wt!rden. In der carisolv-Gruppe ver- (Piathner 1980].
spurten 541l•u der Patienten leinen, 41% nur
geringen Schmerz. In der tradttionellen Tatsachlich wurden het der \Chrittweisen l<a-
Grupt~ bt!trugen '.hc llundertsatze "er- riewxla\'ation in der 2. Sitnmg durch end-
gleichswcise 5 bzw. 45 11 ~> Jfric\On et al. 1998; gültige Kariesentfernung nur 17,5% der l'ul-
19991. ln etner anderen klinischen Studie er- pcn eröffnet. Dagegen kam ö be1 der voll-
wiesen \ich 26 von 34 C'amolv-ßehandlun- \t,indigcn Kariesentfernung in der 1. Sit7Ung
gen bei Wurzelkaries al~ angenehm, 8 als in 40'!6 der Fälle zur Entblößung der Pulpa.
ai..Jeptabel und keine als unangenehm. Im Die l'rcquenz der Pulpaeröffnung bei schritt-
Gegensatz dazu wurden nur 4 von 26 Be- weiwr Kariesentfernung war unabhang•g
handlungen mit dem Bohrer al~ angenehm von der ßehandlung\t.laucr mit Kalziumhy-
empfunden, 18 als alzeptabel und 4 als un- droXId (8-10 oder 11-24 \\'o.). Das schntt-
angenehm (fure et al. 2CX>OI. Seit 200 I btetet wet\1: Vorgehen wurde al~ ~ichere Therapte-
der schwedi~che Her\teller zu~atLlich zu den maßnahme beim jugendlichen bleibenden
llandln~trumenten da~ drehmomentkon- Zahn empfohlen (l.ck~ell et al. 19961. ln ei-
trollierte Rotationssystem <.:ansolv Power ner 1-Jahres-Follow-up-Studle, die von 24
Drivt> an l\itediTeam 20011 pralti\chcn L!hnar.tten durchgeführt \\1Jr·
Eine abschließende ßcurtt>ilung der viel- de, kam es bei der endgultigcn Kariesentfer-
versprechenden Methode ist noch nicht nung tn der 2. Sitzung nur in S \'On 94 Fallen
möglich (DGlM K 1999J. ln \ telen Fallen zur Pulpaeröffnung (Ujurndal, Thylstrup
rnm\ der Zugang zur Dentinkarie~ erst durch 19981. 4-6 Monate n.tch dl!r Primärbehand-
rotierl•nde Instrumente ge~lhaUen werden. lung hatte das gelbliche bis hellbraune wci·
Auch zur l:.ntfemung alter l'ullungen bedarf ehe Dentin am Kavitatenboden eine dunkle-
e\ nath wie vor rotierender ln~trumente Die r~ Farbe und härtere Kon\i\tenl.. Ursprung-
endgliltige Kavitätenpraparauon erfolgt mit lieh dunlel wrfarbtes Dentin zeigte in der
rotierenden bzw. schwingenden Instrumen- 2 Stt1Ung zwar keine F.Jrbvcranderung, war
ten Krth\ch wird ~. der Cansolv-Methodl' Jl'doch trocJ..;en Pa\ wcil·he Dt>ntin enthielt
der /.eitfaltor g~ehen . Ndt:h Carisolv-uJ..;a- in der 1. Sitzung die I) pisehe Mischflora tie-
254 7 Endodonlosclle Therapie
fer Karieslcl~iont!n. 7()')(, grampo\IIIVC ~tab Dentin entfernt wt>rden, ~ass nur e1ne
thcn (davon 50% Laktobaz.illen), grampmi- Schicht leicht erweichtlll, vermutlich nicht
t•vc 1\okken (Kancsstreptokokl..en) sowie infiZierten Dentim ul>u der Pulpa wrbleibt.
gramnegative litabchen und Kokken ln der 1m Rahmen dcr Vcrwrgung des pulpana-
2. Sillung war die charakteristische Karlt!\flo- hen Oentins werden \'Orrangig K.!lziumhy-
ra (~treptokokken, Lal..tobazillen und Al..ti- droxidpraparate einge\et7t IStaehle 1998). Es
nomyzeten) \ta rk redu7iert, was mit dem kil- handelt sich dabc• um wässrige Kalziwnhy-
ni~thfi'n Kariesstillstand einherging lßjmn- droxidsuspensioncn (l.B. C'alxyl rot,~- Abbil-
dal, Larscn 2000). Bei der ~chrlttweisen dung 7.20a) und Kaltiumsalirylat-Zcmente
Kariewntfernung steht der diagnosti.dercndl (~.Abbildung 7.20b). Oas popularc Zinkoxid-
und behandelnde Endodontologe gleilh\am Lugenol (ZOE) i!>l aufgrund JlO\Itiver l:igen-
\·or emcm biologhchen Dilemma: lmersdts \Chaften als Dentinverbandmittel gleichsam
J.;ann ~•eh unter einer tiefen karlosen IJision pradestiniert. Es verschl1cßt Kavitaten baktt>-
emc gesunde Pulpa \Crbergen, andererseitS riendicht, wirkt antimikrobiell und anasthe-
bc\tcht die Möglichkeit, dass sich unter ~!in er \ierend, ist wasscrab)togcnd, rontgemicht-
tiefen Karies eine still verlaufende 1\Jipane- bar, lhermoisoliucnd und volumenkonstant
krosc vollzieht. Um die Frage der lndil..ation Allerdings ist I ugenol als Phenolderivat to-
dl'f \chrl tt welsen Kariesentfernung endgul- xisch, was bei moglithcr Pulpaexposition in
tig zu !..Iaren, bedarf es nach Ujorndal (2008] liefen Kavitä ten tur /.ells{hadigung führen
htx:hwertiger rilndomisierter klin~hcr Stu- kilnn (Kim, Trowbridge 1998). Daher ist ZOE
dien (RCI") (Cochrane Collc~boration) Daher als Überkappung~nuttt.'l ungeeignet.
wird z. Zt. in Dänemark und Schweden eine
diesbe7llgliche randornisierte klinische \lul- Behandlungssystematik
llcenter-~tudte durchgefuhrt IBrnmdal ct al. Oie srstemati)Che Versorgung des pulpana-
2007) Vmlaufige F.rgebnisse spre<hcn !ur die hen Dentins ist in den l.Jbcllcn 7.5 (defimtt-
zwei7citige schrittweise Karicsexkavation. ,·es Vorgehen), 7.6 ()thnthHi~e~ Vorgehen)
Laut f..Sc 120061 sollte infiziertes kariöses und 7.7 (exspektatives Vorgehen) dargelegt.
Tab. 7.6: Schrittweises Vorgehen bei der Versorgung pulpanahen Dentms bei Karies (zweizeitrge Be·
handlung)
Behandlungsschritt Behandlunpmlttel Behandlungsmodus/ Bel"ncllunpzlel/
Behancllunpbedingunaen
1. Sttzuna
Schntte 1. und 2. Tab. 7.5
Erster Schritt der Entfernung der Hauptmasse und Belassen eines
Kariesentfernung kleinOachigen Areals kartos erweichten Dentins zur
Vermeidung einer Pulpaeroffnung
Schritte 5. und 6. Tab. 7.5
Applokatton der GIZ oder Zuverlässige Abschirmung exogener Noxen durch
temporc1ren Fullung Kompost! dicht abschloeßende, chemisch und mechanosch
(Langzeitprovisorium) stabile sowie thermoisolierende temporäre Füllung
2. Sttzuna
Entfernung der hoch- und niedertouriges Fruhestens: 8-10 Wochen
temporären Fullung Mikromotorwinkelstuck spatestens: 24 Wochen
Diamantschleifer
Hartmetallbohrer
Exkavator
Zweiter Schritt der scharfer Exkavator Vorsichl oge Entfernung des belassenen kariösen
Karoesentfernung Dentins
Schntte 4. bts 12. Tab. 7.5
T~b. 7.7: Exspektatives Vorgehen zur Versorgung pulpanahen Dentins bei reversibler Pulpttis (zwei·
zetttge Behandlung)
Beh~ndlunguchritt Behandlungsmittel Beh~ncllungsmodus/Beh~ndlungszlel/
BeNndlungsbedlnaunaen
1. Sitzung
Schritte 1 bis 6. Tab. 7.5
Indifferenter temporärer Wattepellet Exspektative Reaktionsdiagnostik
Verschluss der Kavität provisorisches Fullungsmate
rial: Cavtt ggf zusatzlieh GIZ
oder Ca(OHh Suspension
2. Sitzung
Kontralndi~Jtloncn flir die direkte Übcrkap- thcl et al. 2000]. ln einer aktuell<:n Studie
pung \lnd : w.tr die direkte Überkappuns nach Pulpacx-
1. Pulpacrottnung bd irre\er\ibler Pulpiti\ pmition im kariösen Dentin und revervihler
2 Pulpaeroffnung bei Carics profunda Pulpitis bei 97,96% der l>aticnten im Alter
l~traehh.• 199KJ von 7 -1 S Jahren erfolgreich Der Behand-
lung~lgorilhmus war der Folgende \nwen·
Allcrding\ wtrd die direkte Ubcrkappung dung von Kariescletektor - Jllut\tillung mit
auch bt>i l'ulpacroffnung im Rahmen der l'.JOU (5,25-6%) innerhalb von 10 min di-
lntfcrnung tlcf~ r Karie~ empfohlen IKa- rekte Uberkappung mit grauem oder weißem
letsch 199SJ. rinc retrospektive klinhchc MTA - Applikation cim•v wa\~crgetränkten
Studie an /..ihnen mit Pulpaeröffnung im kJ Wattebauschs- provisorischer adh.J~ivcr Ver-
riösen Dtntin und direkter f1'lt'rkdppung \chluss- dcflrutiver adhll\iver \t.•f\chluss im
zeigte nach S Jahren in 44,5·)(, und nach 10 \'crlauf H>n S-10 Tagen [Rogen ct al. 20081.
Jahren in 79.7% der Falle einen Misserfolg. 1'\ach den QuaütatsrichUinicn der Europ.li-
Allerding~ wunlcn nur .l0,7% aller behandel· schen Cr~ellschaft fur F.ndodontologie ist
ten Falle im l .tngv~hnitt kontrolliert !Bar· die direkte Übcrkappung nur dann induiert,
2S8 7 Cndodontische Therapie
wenn die Pulpa im nicht infizierten [)(:nhn leitraum ,·on 1-5 Jahren cme F.rfolg~uote
eroffnet wurde (f.SE 2006). von 73!1\, an, Reuver (1992) konnte im 7eit-
raum bis zu 24 Jahren 68'11• dtrclo.t liberkapp-
Medi kamente ter Pulpen vital erhalten Die J..om entionelJe
Ah Medii-<~ment der Wahl gilt seit Jahrzehn- direJ..te ÜberJ..appung mit Ca(OII)z zeigte
ten das Kalziumhydroxid. f:.) ~ollte als \\assri- nach einem Jahr eine F.rfolg~rate von 68%,
ge Su~pcnsion appliziert werden, da sie die nach der Anwendung eines C0 2-l.asers blie-
st;trk\te alkalisterende und antimikrobielle ben 89% der Pulpen vital (Moritz et al.
Wirkung zeigt [Staehle 1990). Al\ Alternative 1998a). Bei kombinirrter Anwendung von
gtlt ~iTA. flir Dentinadhäsive als L'b<•rkap- C02 -Laser und Ca(011)2 lag der I rfolg nach
pungsmittel besteht keine Indikation lllors- zwei Jahren bei 93't!• [\loritl ct aJ. 1998b].
ted-Bindsh~' 2001] Der klini~che F.in'klu ~ach der direkten Überkappung von Pulpen,
von \\'adl\tltm\faktoren v.circ \Crfruht. dte bei der Karie\entft:rnung eröffnet wur-
den, konnten langfristige I rfolg~uotcn von
Behandlungssystematik 79,2% [Kaletsch 19951 und J..urzfnstige von
ln Ia bellt• 7.8 ist die Schrittfolge der direkten 81,8% fMatsuo et al. 1996) fc\tge~tcllt wer-
Ül>cri-Jppung ausgewiesen. den. Generell steigt die Misserfolg~quote bei
der Hildung eines extrapul(lalcn 131utkoagu-
Erfolgsbewertung lums (Schröder 1973), bri einem Durchmes-
Der ßelldndlungserfolg der din•ktcn Über- ~er der Eröffnungsstelle im kariösen Dentin
kappung liegt zwischen 70 und 9(J'It•. Lrfolgs- > 1 mm, bei starker l'ulpablutung (Matsuo ct
kntcricn sind Schmerzfreiheit, positiver Sen- al. 1996] und bet der definili\'en Veoorgung
sibilitatste\t und Dentinbrilcke Gulzow und erst nach 2 Tagen (BJrthel ct al. 2000).
Mullcr ( 1966) gaben in einem Beobachtungs-
7. Nachkontrolle •
7.2 VitaiNhallungsverf<lhren im bleobenden Gebiss *WIAII 259
Kompositfüllung
- Regel d e\ r arbunterschiedes· Dte Far- Ellv.dhne. Bei oberen und unteren Jlramola-
be des l'ulpakammerbodem i\t \tct\ ren ~ind Zugangskavilc~tcn mit elltplt\t:hcm
dun kler als dte der Pulpakammerwan- I.Jmriss zu präparieren (s. \hbildung 7.26b).
dc. Ote llauptachse der F.lhpsc liegt in bukko-
- Regel 1 d er Lokalisation d er Wur~el oraler Richtung. Die Zugang~J...a, ilaten ohe-
ka n a lcingange: Die Wurzelkanalein- rcr und un terer Molaren }ind uberwiegend
gange ~i nd immer an der Übergang)· me,iallokalisiert. Als Kavitatcnumriss oberer
stelle von Wand und Boden der flulp<t· Molaren sind 3 gcomctrhche Figuren mög-
kammer loJ...ali~iert. lich: gleichschenkliges Orl'ied., Trapezoid
- Regel 2 de r Lokalisat ion der Wuuel- (\. \bbildung 7.26c) oder lllipsc. Das glclch-
kanaleing.inge: Sie liegen in den scheniJige Dreiecl.. m1t abgerundeten ~cken,
Ecken von Boden und Wänden der dC\\ln Basis bukkal liegt, reflektiert mit den
l'ulpakammer. fd.punkten A und 8 bc1de bukkale Kanale
- Regel 3 d er Lokalisation der ·w urzel- und mit dem Punkt C den palatinalen 1\anal.
kanaleing!inge: Sie sind am Ende der Da\ Trape1oid schließt mit seinen Eckpunk-
cntwiciJungsbcdingten Verbindungs- ten 4 Wurzelkanäle ein: die beiden mesio-
llnhm (.. ~traßenkarte") anzutreffen bukkalen (mbl und mb2), den dtstobukka-
7. Die Kenntnis der Anatomie einer Jeden len und palalinalen. Die lllip\c, deren
Zahnart ermöglicht eine adäquate sub- llaup tachse in bukkopalatinall'r Richtung
\tamKhoncndc Präparation wld ge- angeordnet ist, erfasst die Lingangc zweicr
wJhrleistet eine au~reichende Wlder- Wurzelkanale. Oie Zugangskavitaten der Un-
standsfonn der Zugangskavität, um das terktefermolaren werden entwe-der durch em
Frakturrisiko des Zahns zu minimieren. Trapezoid (3 Kanäle) (s. Abbildung 7.26<1)
8. Sekundare und tertiiue Dentinanlagentn· oder ein Quadrat (4 Kanale) (s. \bbildung
gcn \OY. ie Oentikel, die den Zugang zum 7 26c) begrenzt. Fehler bei der Gestaltung
Wur7.clkanal behindern, sind zu entfer- der Zugangska"ität sind in Al>btldung 7.27a
nen und b festgehalten.
Ua~rwMobr
Oberer Molar
Abb. 7.27: Fehler bei der Gestaltung der Zugangskavotat. a) Unvollstandoge Entfernung des Pulpakammer-
dachs (Pfeil} bei oberem Prämolaren (lonks), vollstandige Entfernung d~ Pulpakammerdachs (rechts),
b) Unvollstandige Prilparation des Pulpakammerdachs {Pfeil) beo oberem Molaren {links), vollständige Ent-
fernung des Pulpakammerdachs (rechts)
7 4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss *Jhh$11 269
7.1. Praparation der hochtouriges Mikromotor· Gestaltung der Zugangskavität nach anato·
Umrissform winkelstück mischen Gesetzmäßigkelten (Krasner und
Rankow 2003}
7.1.1. Zahnhartsubstanz kugelförmiger Diamant- Beginn der Präparation:
schie1fer obere Frontzahne: Zentrum der Palatinal-
Universaldiamantschleifer fläche, schräg zur Zahnachse, um Schneide-
(z.B. Endo Access Bur) kante zu erhalten
(s. Abb. 7.28a) untere Schneidezahne: Zentrum der lingu-
alfläche, möglichst parallel zur Zahnachse
obere und untere Prämolaren: Zentrum des
zentralen Grübchens, parallel zur Zahnachse
obere und untere Molaren: Zentrum des
mesialen Grübchens, parallel zur Zahnachse
Kavitäten umriss: s. Abb. 7.26
71.2. Metallische Restaura- Hartmetallfräser
tionen
7.1.3. Metallkeramische Res- Diamantschleifer
Iaurationen Hartmetallfräser
7.1.4. Vollkeramische Diamantschleifer
Restaurationen
7 2. Trepanation der hochtouriges Mikromotor- Trepanation in Richtung der Zahnachse.
Pulpakammer winkelstück Cave: Perforation bei Kronenversorgung
Universa ldiamantschleifer
(s. Abb. 7.28b)
7.3. Entfernung des Pulpa- konischer Hartmetallfräser Vollständige Entfernung des Pulpakammer-
kammerdachs Universaldiamantschleifer dachs, Reste des Pulpakammerdachs unter-
Langschaft- und Dunnhals- halten Infektionsnischen und behindern die
rosenbohrer (s. Abb. 7.28b} Suche nach den Wurzelkanaleingängen
7.4. Entfernung des Kammeunhalts
7.4.1. Entfernung der vitalen Exstirpationsnadel Frontzähne: Entfernung der vitalen Pulpa in
Pulpa (s. Abb. 7.29a} toto (s. Abb. 729b)
Exkavator Seitenzähne: Entfernung der vitalen koro·
nalen Pulpa
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss 271
Abb. 7.28: Instrumente zur Gestaltung der Zugangskavität und Da rstellung derWurzelkanaleingange:
a) EndoAccess Bur nach Dr. Howard Martin (links), EndoZ (extralang. konisch, inaktive Spitze) nach
Dr. Zekrya (rechts), b) EndoAccess Bur, EndoZ,lang- und Dünnhalsrosenbohrer ISO 006 und 012,Langschaft-
rosenbohrer, diamantlerte Ultraschallspitze, Microopener (v.l.n.r.)
Abb. 7.30: Darstellung der Wurzel kanaleingänge (Erkennen). a) Oiamantiertc Ultraschallspitze zur Freile-
gung eines Wurzelkanaleingangs, b} .Straßenkarte" entwicklungsbedingter Furchen als Orientierungshilfe
beim Erkennen der Orifizien der Wurzelkanäle
274 7 Endodontische Therapoe
Kegels soll an der apikalen Konstriktion, (s. Abbildung 1.48). Daher ist die bekannte
Grundfläche am Wurzelkanaleingang lie- Fesllegung, die apikale Konstriktion liege
gen) 0,5-1,0 mm vom Röntgenapex entfernt, nm
20. Ab~chließende Glättung der Wurzelka- eine Schätzung. Neuerdings wird empfoh-
nalwände in gesamter Arbeitslänge mit len, bei der Vitah~x,tirpation einen i>ulpa-
\·orgebogenen lnstmmenten geringerer stumpf von etwa 3 mm Länge zu belassen.
Flexibilität Für infizierte Kanale sollte die Arbeitslänge
idealerweise nicht länger sein als der tiefste
Bestimmung der Arbeitslänge Punkt der bakteriellen Kontamination [Wu,
Wesselink 2001j. Außerdem kann sich die
Röntgenografische Längenbestimmung Distan7 zwischen apikaler Konstriktion und
Röntgenapex durch Resorptionen an der
IJie Röntgenmessaufnahme ist eine un- Wurzelspitze verringern. Daher ist die Lage
abdingbare Vorau\wtzung jeder \Vurzel- der apikalen Konstriktion im Röntgenbild
kanalbehandlung. Sie liefert Informatio- nicht exakt zu bestimmen [Voß, DG7 2004).
nen über die Zahnlänge und Anatomie Sitzmann (1993] hat die Notwendigkeit der
des Wurzelka nal~ und hat foren~ische Röntgenmessaufnahme im Rahmen der
Bedeutung. Wurzelkanalbehandlung in einer Stellung-
nahme der DGZMK besonders hervorgeho-
Als Endpunkt der Wurzelkanalaufbereitung ben.
und Wur~elkanalfüllung gilt heute die api- Bei der Anfertigung der Röntgcnmessa uf-
kale Konstri ktion (physiologisches Fora- nahme wird ein röntgenopake~ :\le\Sin~tru
men) [Schäfer et al. 2000; DGZ 2005]. Sie ist ment bekannter Länge in den Wurzelkanal
gewöhnlich 0,5-2,0 mm vom röntgenogra- eingeführt, um die tatsachliche Länge des
fischen Apex entfernt [ESE 2006]. Dic~e Zahns bis zum Röntgenapex 711 bestimmen
Variabilität ergibt sich aus folgenden Tatsa- und letztendlich die endodontische Arbeits-
chen: Die Distanz zwischen apikaler Kon- lange fur die Wurzelkanalaufbereitung fest-
striktion und apikalem Foramen (anatomi- zulegen. Bei der Durchführung der Rönt-
sches Foramen) beträgt altersabhängig 0,5- genmessaufnahme sollten folgende Anror-
1,0 mm (zunehmende Zementapposition). derungen erfullt werden [Hülsmann 200 I;
Der röntgenografische Apex wiederum kann Hülsmann, Rödig 2001; Hülsmann 2008];
0-3 mm vom apikalen Foramen entfernt ~ Wählen eines geradlinigen Zugangs in
sein, da es möglicherweise leicht lateral liegt das Wu rzelkanalsystem
276 7 Endodontlsche Therapte
~ Anfertigung der Röntgt!nmt!\saufnahme (l.ZT: länge des Zahm tat~chlich, LIT: Lange
mit Langtubus in Rechtwinkeltechmk (s. dl'S Instruments tatsachlich, LLU: L;Jnge des
Kapitel 5.1.1) Lahns im Bild, UB: l.<~nge des Instrumentes
~ I· rmoglichung eines ausreichenden Ront· im Bild)
genl..ontrasls des Messinstruments durch
ad,rquate Instrumentengroße (mindes· Ber der klassischl•n ~ rmittlung der endo-
tcns ISO 0 15) donthchcn Arbdl\J,rngl' wird in <.l~r Re·
~ Gcwilhrlei\tung eines festen Sitzes des gcl 1 mm nm der tatsathlichen Zahn·
Messinstruments im \\'urzell..anal und lange abgezogen, lx·r <rprkalcn Wuudre-
de) Stoppers (s. Abbildung 7..B ) \Otptio nen betragt der Ablllg hi\ 2 mm.
~ 'lotwt>ndigl..eit einer exal..ten ju\tierung
des Stoppcrs am reprodu7ierhartn I..oro- Beim Abstand der lnstnrmentcmprtze \'Om
nahm Rdercnzpunl..t (Hocker, Schnerde· Rontgenape.x von nu:hr als 2 rnm in die eine
kante, adaquate~ Platt!du) oder andere Richtung 1\t <.Ire Wiederholung
~ ggf Anlcrtigung exzentrischer Röntgen· der Röntgenmessaufnahme mit korrigierter
mes\aufnahmen bei ObcriJefcrpramola· Instrumentenlange erforderlich [Voß, DGZ
ren und Un terkiefermolaren (20°) \OWil~ 2004]. Bei jeder Wur7el(.;analhehandlung \oll
L n terkleferfrontzähnen (30°) die api l..ale Kon~tril..tion (physiologisches Fo-
~ Verwendung un terschiedlicher lnstru- ramen) erhalten bleiben [Schafcr et a l. 2000].
mentent} pcn bei ubcrcinander proji7ier- Mrt der digitalen Rö ntgentechni k (~.
ten Wur7ell..analen Kapitel 5.3.2) können untu Verwendung
~ \'crmcidung \On Überin,trumentierung von Speicherfolien und Sensoren so\\;e der
durch Kontrolle mittels elektrischer Ln· ~utzung von Soft\\aremodulen schneU, di-
dometrie rel..t, zuverlässig und \trahlenrffiULiert die
~ \'crmcidung von Verbiegungen d~ Ront· Bestimmung der endodontischen Arbeitslän-
genfrlms ge und \\'inl..elberechnungcn der \\urzei-
I..rummung vorgenommen werden [Stoll et
Die tat\ächliche länge des Zahne~ bi\ 1um al. 2001].
ltön tgcn.rpcx errechnet sich mit der rormel
nach Ucst: Elektrische Lä ngenbestimmung
I.! I _ i rr ,. 178 Di~ el~ktrische Langwbc\timmung in der
l.lß Endodontie (End omct rie) geht auf Sunada
[ 1962] zu ruck. Serther h.rt man \ersucht, die
Bl:\timmung der endodontr~chcn \rbeiblim-
ge mithilfe der elekt rische n \\ iderstands-
messung als f.rgamung b/\\. -\lternatr\·e zur
Ro ntgenmessaufnahmc durcl11ufuhren [Hör,
\ttin 2001]. D.r\ Verfahren beruht auf der
-
\
ratsache, dass 7wi~chen einem Aufbcrei·
tung\instrument, das apikalen vew~bekon
tal..t ha t, und einer Mund\chlcimhautclek·
trodc ein konstanter elcktri..cher Widerstand
vorliegt. Fruhere GlcKhstro rn· und Wechsel-
Abb. 7.n : Diverse Stopper und Messgnffe zur Lin· strommessger.ttt' lieferten 111 feuchten Wur·
genemstellung 110n Wurzelkana linstrumenten
Endo·Controi·System, rutschsicherer St<~hlstopper, Leikanälen (Eicktrolytlosungenl ungenaue
Sohkonstopper, Messgriff Modell Z (v I n. r.) \lcssergebmsse. \lodcme Gtrate arbeiten
7.4 Wurzelkanal ~handlung im bleibenden Gebiss e:mttJil 2n
Rehpitul.ltlon
auf Arbeitstange
CJ Ausgolngsfeile mit ISO 30
Hauptfeile
D (Meisttrfei~)
D S<hlussfeile
280 7 Endodontische Thera pte
Stcp-back-1cchnik, Crown-down-prcssure-
l e\~·TE..'Chn i k und Balan<:ed-force-Tcthnik war
der Reinigungsgrad des Apikalteils stets
schlechter als im mittleren oder koronalcn
Wunelkanalabschnitt. Allerdlr1gs erwies sich
der Apikalteil bei der ßalanced-force-Technik
verglcichswelse als sauberer [Wu, Wesselink
1995]. Die besten Ergebnisse bei der Aufberei-
tung gekrümmter Wurz.elkanäle wurden
durch ein kombiniertes Vorgehen erreicht,
bei dem sich an die rotierende Aufbereitung
mit nexoreamer (Bau-Spitze) oder Flex-R-Fei· Abb. 7.40: Gezielte Substanzabtragung im Bereich
le der ISO-Größen 15 und 20 die Balanced- der Sicherheitszone beim Ant1curvature filing
Wurzeln (s. Abbildung 7.40). Sie empfehlen in den koronalen zwei Dritteln de~ Wur-
folgende~ Vmgehen: zelkanals und erleichtert dadurch die In-
~ Orientierung der Aufbereitung auf die Si- strumentierung.
cherheitszone, Schommg der Gefahren- Die Hauptmasse infizierten Gewebes
.o1111
möglicher I Iandinstrumentation
Starre Aufbereitungssysteme. Es handelt sich ..111 Initiale Erweiterung ~ehr enger und starl..
[Thomas jovicich)
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss ,e:mtrst' 2as
Der Behandlcr ist nach wie vor gut bera- ProFile. Die Pronle-lnstrumente nach Ben
ten, V<>r~kht bei der Anwendung der johnson (~laillefer, Ballaigues/Schweiz) ha-
maschinellen Wurzelkanalaufbereitung ben den Querschnitt eines dreifadH•n U und
mit ~ickci-Titan-lmtrumenten zu üben. eine breite seitliche ~ührungsfläche (Radial
land) (s. Abbildung 7.44a und b) sowie eine
Für den Umgang mit maschinellen l'ickei- modifizierte FührungsspilLe olme Über-
Titan-Systemen gelten folgende Regeln gangswinkel. Die drei u-förmigen Aus~pa
(Jiulsmann 1998; West, Roane 1998; Schäfer rungen sollen den Ausstoß der Oentinspane
et al. 20001: ermöglichen. Die passive Schneidekante ver-
... Die Anwendung von maschinellen Ni- hindert, dass sich da~ Instrument in die Wur-
ckcl-1itan-lnstrumenten am Patienten zelkanalwand hineinschraubt und gewähr-
erfordert ein intensives Literaturstudium, leistet, dass das Instrument seine Zentrie-
fachlichen Austausch, Fortbildung, Spe- rung im Wurzelkanal beibehält. Die
zialisierung und Übung am extrahierten modifizierte nicht schneidende SpitTe fi.ihrt
Zahn und Kunststoffmodell. da~ lnMrument an der Wurzelkanalwand
... Vorau~~etzung für den Einsatz der I'ickel- entlang und beugt den beschriebenen Aufbe-
ntan-lnstrumente ist die Beherrschung reitungsfehlern vor [~lailleferj. Es liegen 3
der manuellen Aufbereitung. lmtrumententypen vor:
.oll Für die Aufbereitung d~ apikcllen Drittels .oll Profile O.S. (Orif1ce shaper, KoniLit<it 5-
gekrümmter Wurzelkanäle mit rotieren- 8%)
den lmtrumenten bedarf es reicher ~.rfah .oll Profile .06 (KoniLitat 61)11)
rung. Wenn diese nicht vorliegt, sollte das .oll ProFile .04 (Konizität 4%)
apikale Drittel manuell aufbereitet werden.
286 7 Endodontische Therapie
Der Kehandlungsablauf urniasst 4 Phasen: ~ Durch eine t;bungsphase \'Or dem klini·
1 CrO\HHlown-Pha\e [O.S. ~ (.06/-40) -+ sehen f.Jnsatl konnte d1e Frakturhaufig.
0 S. 2 ( 06/30) ~ .06/ZS -+ .06/20 - • keit der PmFile-lmtnunente rt>duziert
.04/251 werden. ln der \nwendungsphase
2. Rc\llmmung der exakten Arbelt~liinge (K· schnitten die Generali\ten hin~ichtlich
Ft•lle ISO I 5) der Frakturhäufigkeit schlechter ab als
3. Apil.:ale Wurzelkanalaufbereitung bl\ 7ur die Spezialisten (~landcl ct al. 19991.
exakten \rbeitslimge (.04/20 • 04/25) ~ Bei stärker gekrummtcn Kanä len fand an
4. Abschließende Au)formung de' Wurtel- der Kana laußemeue des ap11\alen Drittels
kanah 1m Sinne der Step-back-lechniJ,; ein verstärl..ter Materialabtrag \tatt (Schä·
(.06. 20 oder größer in Abhang•gkeit von fer, Fritzemchaft 19991.
den anatomJKhen Verhaltm\~n) ~ 1\"jickel-Titan·Systeme (Profile, üght·
Speed und MaXI\!) t'rhit'lten den ur-
I ur die \ufbcreitung wurden ursprunglu.:h \priinglichen Wurzelkanalverlauf besser
\llotorcn mit geringer und kon~tanter Ar· als Hex-R-IIandlcilen und bereiteten die
belt\ge\rhwtndlgkeit (150-350 U/min) und \Yurlelkanale \Jgnifik.mt \Chncller auf
hohem Drehmoment empfohlen (TC Motor als I etztere (Short ct al. 19971.
3000). D1e Winkelstücke sollten mit leichter ~ ProHJe lieferte Aufbereitungen ohne Blo-
H,md (Drut k wie beim Schreiben mit dnl'lll cl.:adcn, mit nur geringtm Verlust der Ar·
Blei\tift) und vor- und rückwärts (Amplitude beitslänge, mit deutill'hem apikalen
2-J mm) im Wurzelkanal bewegt werden. Stopp und in 1\onusform I J hompson,
Bl\her konnten u.a. folgende l rl..enntnisse Dummer 19971. Der Wuuelkanal zeigte
Lu Pml•le gewonnen werden: eine gutt' drt'Jdlmemionale form und
~ Die nicht akzeptable Frakturhaufigkeit glatte Wände [Br) ant et al. 19981.
(Barthel et al. 1999) 1st wahrscheinlich ~ D1e kuneste 1\ufbcrcitungvcit und die
auf die Abnachung der Schneidel..antc 1m be)te Konusfo rm l.;onnte im \llittelteil
Querschnitt (U-Profil) und damit auf l'tn stark gekrtunmter \\'urzclkanäle durch
Verklemmen im Wurzelkanal zuruckzu· ProFile .04 und den Prototyp einer U-l'ei-
hlhren [SchMer, Fritzenschaft 1999(. le erreicht werden (~7ep et al 20011.
~ I rakturcn und Aufdrehen von Instru- ~ Zwischen der manuellen ·\ufl>ereitung mit
menten traten bei rourenzahJen von !\-Feilen und dt:r ma.'K.hmellen t\ufbcrei-
166.67 U/ m1n v•ennal \eltcncr auf al\ be1 tung rrut l'rol ile bc~tand hms•chtJich der
333.33 U/min (Gabelet al. 1999; D1et1 et KeimreduktiOn im Wuuclkanal kem \igni-
aI. 2000j. fikanter Unterschied (Dalton et al. I998).
7.4 Wurzelk~nalbehandlung im bleabenden Gebass e:mtpfl 287
Weitere Nickel-Titan-Fellen-Systeme
Kl. KJ·lnstrumente (Kerr, Karlsruhe) haben
HERO 642. HERO 642 (MicroMega, Oberur- den Querschnitt einer dreifachen Helix (s.
sel) (s. Abbildung 7.49) bedeutet High elasti- Abbildung 7.50a und b) mit breiter dreifa-
city in Rotation und 3 KonizitJten (6, 4, 2%). cher radialer Phase (radial land). Der po~itive
Der Querschnitt zei&rt J positive Spiralkan- Spanwinkel sorgt für eine aktive Schneidwir-
ten, die eher schalen als schneiden (Miere- kung, die inaktive Sicherheitsspitze für we-
Mega). Die passive Spit?e tritt nicht mit der niger Präparationsfehler fKerr 2001]. Das
Kanalwand in Kontakt. Bei der Crown- Winkelstück mit integrierter DrucJ...l..nopf-
down- rechnik wird zwischen 3 Schwierig- spannung wird durch das Gerat K-1 etcm ge-
keitsgraden differen7icrt (~-Tabelle 7.13). Im steuert. Oie Aufbereitung erfolgt nach Vor-
Vergleich zwischen l>roFile, IIERO 642 und wahl von 3 Drehmomenten bei 300 U/min.
K-Flexofiles aus Edelstahl erzielten die Folgende Arbeit~schritte werden bei der
II ER0-642-In~trumente unabhängig vom Crown-down-Technik empfohlen:
Krümmungsgrad die am besten zentrierte A Darstellung des Wurzelkanaleingangs
Aufbereitung. Instrumentenfrakturen ließen A Sondierung des Wurzelkanals mit K-Fiex
\ich nicht au~schließen [Schäfer, I ritzen- ISO lO
schart 1999]. Bei Einhaltung des system~pe A Initiale Erweiterung des koronalen Drit-
zifisdlen Präparationskonzepts und a~rei tel~ mit Kl 10 taper orifice opencr
chender Übung lassen sich mit HI:.RO 642 in A Vertiefung der E.rweiterung um 1-3 mm
vivo durchaus gute Präparationsergebnisse rni t Kl 08 taper orifice opener
erreichen [lfülsmann, Schade ZOOOJ. A Bestimmung der Arbeitslänge
290 7 Endedontische Therapie
Tab. 7.13: Schema der Aufbere1 tung mit HERO 642 in Abhcingigkeit von der Krümmung des Wurzel-
kanals (Modifikation nach M lcroMega)
Krümmung des Instrumentengröße Koni zität und Aufbereitungstiefe
Wurzelkanals 6 4 2
30 AL-X~ -
>25' 20 Al-2mm Al
25 AL-X~ Jio
30 Al
35 Al
40 Al
45 Al
Al! Arbeitslange
X: maximal erreichbare Tiefe
Abb. 7.SO: Merkmale der K31M·Instrumente a) Querschnitt der K3™-lnstrumente (Kerr) mit dreifacher Helix,
dreifacher radialer Phase und positivem Spanwinkel, b) Inaktive Sicherheitsspitze der K3TM.Jnstrumente (Kerr)
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss *NIQII 291
Tab. 7.14: Schema der Aufbereit ung mit FlexMaster in Abhangigkeit von der Weite des Wurzelkanals
Weite des Wurzelkanals Arbeitsschritte und Instrumentensequenz
Eng 1. Crown down Präparation
Sequenz: .06/20, .04/30, .04/25,.04/20
2. Röntgenmessaufnahme
K·Feile ISO 15
3. Apikale Aufbereitung
Sequenz: .02/20, .02125, .02130, .02/35
Mittel 1. Crown-down-Präparation
Sequenz: .06/25, .06/20, .04/30,.04/25
2. Röntgenmessaufnahme
3. Apikale Aufbereitung
Sequenz: .02125, .02/30,.02135
Weit 1. Crown-down-Präparation
Sequenz.; .06/30, .06/25, .06/20,.04/30
2. Röntgenmessaufnahme
3. Apikale Aufbereitung
Sequenz: .02/30, .02/35
Pulpasteine [Piotino et al. 2007]. Im Ver- chanbelle und chemische Reinigung sowie
gleich zu rotierenden Instrumenten bietet die Desinfektion zusammenwirken. Dieser
die mikroskopgestützte Ultraschallpräpa- Synergieeffekt wird durch die passive Ultra-
ration bei der Arbeit am Kavitatenboden schallspüluiig erreicht (s. .,Chemische Mit·
mehr Sicherheit bei hoher Präparalionsleis· tel der Wur7elkanalaufbereitung").
tung. llierbei werden trockene diamantierte
Ultraschallspttzen eingesetzt. Ihre Effekti vi- UltraKhall emebt ~ich besonders bei der
tät ist höher als die von Stahlspitzen oder formgebung gekrümmter Wur7elkanäle
von Spitzen mit Zirkoniwnnitrid-Belag. als nachteilig ist unentbehrlich bei Pra-
Martin und Cunningham [1984] betrach- parationsmaßnahmen in der Zugangska-
teten die endodonttsche Ultraschallmethode " itat und verbessert die Reinigung und
als synergistisches System, bei dem die m~ De~infektion de\ WurLclkanals.
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss 295
Bei den Wurzcl kanaldesintizienzien ran- Pulpareste entfernt wurde, verblieben ei-
girrt Natriumhypochlorit wdt\ve•t an nige Pulpafibrillen an der Kanaloberflä·
erster Stelle und gilt als Mittel der ersten ehe [Baumgartner, Cuenin 1992]. Lus~i et
Wahl. al. 119931 gelang die Reinigung des Wur-
zelkanals durch 2- und .{tltlige NaOCI·
Es ist seit mehr als einem Jahrhundert als Spüllösung ohne den Flnsat7 von Wur-
wirksame~ Desinfektionsmittel bekannt und zelkanalinstrumenten mittels einer Ma-
74 Wurzelhn~lbehandlung Im bleibenden Gebiss **J.I'G*' 297
len rl'dulicrtc die Belagmenge, blieb aber Als nachteilig erwiesen sich folgende Eigen-
ohne I mflu\\ auf den Smear layer (I um- '>Chaften:
ley et al 1992]. Ultra">Chall in Kombinati- ~ 1'\aOCI 1eigt neben w1ner konzentrati-
on m1t Natriumhypochlorit emie\ \ICh onsabhängigen antimrl.robiellen Wir-
bei der Bekämpfung der \fikroflora im kung einen korucntrationsabhangigen
\Vurzelkanal als effektiv [Marhn 1976; zytotoxischen rFfekt. In der Gewebekul-
Sjügren, Suntlqvist I 987]. Dabei war die tur uberlcbten llautfibrobla~tcn Konzen-
Ultraschallinstrumentation wirksamer trationen > 0,01 1lb nicht [lleling et al.
ai~ d1c I Iandaufbereitung [Cunningham 2001]. Allerdings ~land .lUllt die von
N al. 1982). Dagegen wurden ?WISChen Spängberg et al. [19H) in vitro festge-
S<:hall-, Ultraschall- und Handin\trumen- stellte Zytotoxintat in l..ra~)cm Gegensatz
tation hm~JChtlich der 1\eimreduktion zu den Befunden 1n ,·ivo. So lag be1 \Ieer-
im Wur1elkanal keine "gn1fikantcn Un- schweinchen kein Signifikanter Unter-
lcr~chiede gefunden (ßametl et al. 19RS[. schied in der lnt7undung~twort des
A Die UltraschallaJ..-tivierung erfolgt heute subkutanen Rmdcgewcbes auf \laOCI in
1111 Rahmen der bereits erwahnten ,,a\\i- unterschiedlicher Kon1entration und
ven Wuuelkanalspülu ng. Ihr Wir- Koch~aiL \Or (ThC cl al. 1980).
kungsprinzip beruht auf a ku ~tisch cn A in hoher Ko111entratlon (5,25%) kann
Mi kro~trömungen [Ahmad et al. 19!!7b) Natriumhypochlorit lexti l ~chaden, die
und tra m ienter Kavitation [Roy ct al Verätzung der !laut und Schleimhaut so-
19941 durch frei im \\'ur7elkanal \Chwm- wie schwere Irritationen d~ periapil<alen
gende ln~trumcntc. Das akustische ~li Gewebes 'erursachcn IJiulsmann, Rödig
crostreammg be~teht in der Bildung in- 2007; Hul~mann 2008[. Unseres [rach-
ncru und außerer Wirbel. Bei der trdn- tens reicht die von Spängbcrg et al. (19731
sientcn Ka,'itation entstehen Blasehen empfohlene O,S'"'''ge Kon7entrahon von
(Ka\ ililten), die bei aku\tl\lher Dnlck- ~aOCI wr Wur7elk.Jnal~pulung nicht
~leigerung kollabieren und radiale aus, da die minimale Hemmkonzentrati-
Druckwellen auslösen können. Diesfuhrt on für einige Stamme von L. fae<alls und
zur Oruck- und lemperatur\tcigcrung. C. albicans bei I oder 2% lag [KIImm ct al.
Seide hydrodynamischen Phanonwne 2001 ). D1e llll•igc ~aOCl-l.ömng i)t einer
sind fur folgende J:ffekte verantwortli(h: hochprozmtigcn Lchung \\'l'gen geringe-
- Entfernung der planktonischen MI- rer Zytotoxi1itat und guter anttmlkrobiel-
kroorganismen durch nwchani\che ler Wirkung vor7u7iehen (\'el\art 1987].
Spulwirkung BeeretaL (19881 propagierten die 21Mge
- \btotung von ~likroorganismen 1\aOC.I-l.ösung. 'l.;ach Moorcr und Wesse-
- Zcrstorung des Biofilms bnk r1982) sollte die ll.cm/entration zwi-
- Entfernung der Schmierschicht schen 0,5 und 2,0% liegen.
Auch gekrummte Wurzelkandle und A Nach sechsmonatiger Lagerung von Na-
schlecht wgängliche Wur7elkanalaredle OCI kommt es zum i\hfall de\ pH-Wert!>
(z.R. 1\thml) konnten damit effektiver und zum Zerfall der Lösung (l lulsmann
gereinigt werden [van der Sluis 2006]. 2008). IJie NaOCI-I.thungen sollten da-
I IImichtUch der Reinigung~wirkung im her in duniJen Ha~hen (Velvart 1987)
Wur7elkanal war die pa~~lvc ultraschall- und kuhl gelagert Mrden (AGLT 2006].
gestutzte Spulung der pa~~ivcn Khallge- A 5%iges :\atriumhypochlont senkt die
stutztt:n Spulung libcrlcgen [Sabms et al. Kompo~it-Dcntln-Haftwerte dra~tisch .
2003) Entweder I O'lb1ge A\korbinsaure und
74 Wurzelk;m~lbehandlung im bleibenden Gebiss
*:t '·""'' 299
Chlorhexid1n
- 10
0
-
Chloramin
,.... -
NaOCI
- ,_!
..
l
Chlorhex1d1n
2,0% 2,5% 0,5% 2,0% 2,5% O,S%
b) Enterokokken d) Peptostreptokokken
Hemmhof[mm) Hemmhof (mm]
60 60
so 50
40 40
30 30
20
-
-- 20
- ~~
·-
10
0
r-
Chloramin
i -I
NaOCI
--1
Chlorhexidtn
10
0
r-
Chloramin
.-
I! :-
Chlorhexidin
NaOCI
2,0% 2,S% 0,5% 2,0% 2,S% 0,5%
Abb. 7.SS: Antimikrobielle Wirkung von Chloramin (2,0%), NaOCI (2,5%) und Chlorhexidin (0,5%) ~uf Vertre-
ter der Wurzelkanalflora im Agard•ffusionstest (Khmm et al. 1989a)
in vitro ihre bakterizide \\'trl..ung gegen Wirkung von 2%igem CH\ mindestens
F faeca lrs (E.\·anov et al. 2004]. -18 h [Leonardo ct al. 1999]. Ure antimi-
Der Vortell des bakteriziden Wirl..stofls krobielle Wirkung hlll'h in Rinder-Den-
besteht in seiner prolongierten Dl'\infl'l..· tin· Wurzelblöcken bi~ 7U l \llonate nach
horbwtrkung, da er durch seinen l..ationi· der WurLe ll..analspulung erhalten. IJie
\( hen Charakter an negati\ geiJdcne rlil· CHX-Menge rcduzlcrtl' ~1ch dabei um
chen a<horhieren und cinl' Dcpotwir· 80'to fRosen thal et o1l. 2004]. Im simulier-
l..ung entfalten kann. Dadurch i\t er ah ten l..linischen Ver~uch gelang ~. etwa
mcdil..amentöse Zwisd1eneinlage glocig- I00"11 der Te~tl..eime nach 41$-stundiger
net (Komorow~l..i et al. 20001 Du~ \crlan- intrakanalarer finlage \'On 2%igem Cl IX
gcrh.: antimikrobielle Al..tivitat (Sub\ la n- in der unmittelbar angren1enden Den-
ti vitat) hielt eine Woche an (Parsons ct tinschicht (50 pm) ablutöten (~chäfer,
al. 191$0]. l>re \;\ irkungsdauer ht aller- BOßmann 2000) ln l'incr Tiefe von
dings l..on7entrationsabh<tngig: J'ine 100 pm war die Zahl der \hkroorgani~
2%ige Cl IX-Lösung behielt ihre antlmi· men nach der Spulung mit 0,2% Cl IX re-
krobielle AkUvitat 72 Stunden, eine duziert, jedoch blieben SO% der Denim-
0, 12%tge Losung nur etwa 6-24 h f\.\ hlte proben infi1lert (Vahdaty ct al 1993].
et al. 1997]. 0,2%ig~ CHX war als mc- Eine eigene khni\ch-mikrobrologischc
drkamcntöse Unlagc mindesten\ 24 h Studie welche die ln·\'1\'o-!,.tuation d~
wtrl...-.am (l>clan} et al. 1982] . 1n erner an- rnfizierten \\'urzelkJnah rcali\liSCh erfass-
deren Arbeit wJhrte die antimil..robielle te, war ausschlaggebend für umere Ent-
7.4 Wunelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss *ff.!!Gfl 301
Tab. 7.15: Empfindlichkeit mikrobieller Spezies {M HK) gegen Chlorhexidindiglukonat {CHX) und Na-
triumhypochlorit {NaOCI) [Kiimm et al. 2001]
Spezies
.. Minimale Hemmkonzentr.Jtion (MHK) {%) Signifikanz
.
E
,E
~
CHX NaOCI
<0,125 0,125 0,2S <0,12S 0,125 0,25 0,5 1
p-Wert
2 unadjustiert adjustiert•
Candida albicans 15 14 1 2 2 7 4 0,000 global sign.
Enterococcus faecalis 15 10 3 2 3 8 3 0,000 global sign.
Streptococcus mutans 12 12 1 4 6 0,000 global sign.
S. constellatus 12 11 4 7 0,0084 ' n.s.
Tab. 7.16: Letale Dosis (LD10) von Wurzelkanal- A Der Einsatz von Chlorhexidin als letzte
desinfizienzien bei Albinomäusen Spüllösung scheint besonders bei Revi-
Te1tsubstanzen LD10 (mg/kg Maus) sionen, wo grampositive Bakterien zu er-
Chloramin 800 warten sind, von Vorteillll sein [Zehnder
Natriumhypochlorit 880 2006].
A Als medikamentöse Lwischeneinlage er·
Chlorhexidindiglukonat 1700
wies sich eine 2%ige Ch lorhcxidinlösung
in \'itro als effektiv bei der F.liminierung
A CHX ist gering toxisch. Im Vergleich zu von E. faccalis aus Dentinkanälchen
NaOCI und Chloramin war die letale Do- [Schäfer, Büßmann 2005).
sis (LDso) \ on Cl IX bei Albinomäusen A Chlorhexidin kann bei Patienten mit lly-
doppelt so hoch [Klimm et al. 1989cJ (s. persensitivität gegen ;-\atriumhypochlo·
Iabelie 7.16). Im Subkutantest bei Meer- rit angewendet werden [l<aufman, l<eil<a
schweinchen riefen CI-IX (0,12%) und 1983J .
1:\aOCI (0,5, 2,5 und 5,25%) nach zwei A Wurzelkanaldentin, das mit 0,2%igcm
Tagen nur eine mäßige Lntzündungsre· Chlorhexidinglukonat behandelt wurde,
aktion hervor lYe~iloy et al. I 995]. Im Leigte im Vergleich 4U 5%igcm Natrium-
Tierexperiment an Hunden führte die hypochlorit und zu einem Gemisch aus
Wurzelkanalspulung mit 2%igcrn Chlor· NaOCI und H20 2 signifikant höhere
hexidindiglukonat 1u besseren histologi· l<umtstoff-Haftwerte. Daher sei CHX als
sehen Heilungsergebnissen als mil Spüllösung vor der adhäsiven Befesti·
5,25%igem Natriumhypochlorit [Tano- gung von Wurzelstiften geeignet [Erde·
maru Filho et al. 20021. Daher wird mir et al. 2004j.
Chlorhexidin als alternative Spullösung A Die Mikrohärte von Wurzelkanaldentin
bei weitem roramen apicale empfohlen wird von 0,2%igem Chlorhexidingluko-
Ucansonnc, Whitc 1994]. nat im Gegensatz zu aOCI, H20z und
A CHX wirkt wie Chloramin und NaOCI f.DTA nicht herabgesetzt, 3%iges II202
nicht genatoxisch lKiimm et al. 1989d]. und 0,2%ige~ CHX hatten keinen Ein-
A Die grenzflächenaktive Wirkung von fluss auf die Rauigkeit des Dentins [Ari et
CI-IX [Neiders, Weiss 19721 durfte die Rei· al. 2004].
nigungswirkung im Wurzelkanal för-
dern. Als nachteilig erwiesen sich folgende Tatsa-
A Chlorhexidin (0,12%) und Natriumhy· chen:
pochlorit (2,6%) konnten in vitro durch A CIIX verfiigt nicht über die Cigcnschaft,
Hydrolyse l'ndotoxin (Lipid A) aus der vitales oder avitales Gewebe aufzulösen.
äußeren Zellmembran gramnegativer Diese Wirkung wird aber von den meis·
Bakterien nur geringfügig entgiften [Buck ten l<linikern als besonders wichtig für
eta1.200!J. den Erfolg der Wur7elkanalbehandlung
A Dentinmatrix vermochte die antimikro- betrachtet. Allerdings wurde in einer
bielle Wirkung von Chlorhexidin gegen neueren Arbeit gefunden, da\~ die An-
L faccalis Lu hemmen [Portcnier ct al. wendung eines 2%igen CHX-Gels im
2002). Dagegen waren in Anwesenheit Vergleich Lu einer gleichprozentigen
von H!% Hydroxylapatit in einsttindiger CHX-I.ösung und einer 5,25%igen Na-
Inkubation mit 0,5%igem CI-IX 95% aller OCI-Lösung im Rahmen der mecha·
E.-faecalis-Zellen abgetötet [Portenier et nisch-chemischen Aufbereitung zu den
al. 2001). saubersten Wurzelkanalwanden mat offe-
7.4 Wurzelkanalbehandlung om bleibenden Gebiss •:t.J.liQII 303
ncn Dcntintubuli führte [Ferraz et al. \'ermag der Chelator laut Gulabivala Biofil-
20011. me von der Wurzelkanalwand abzulösen
""" Chlorhexidin war nicht in der Lage, ei- [Zehnder 2006]. Mit ult raschallaktivierter
nen polymiluobiellen Biofilm in vi tro zu 40%iger Zitronensäure wurde d ie Schmi er-
zerstören [Ciegg et al. 20061. schicht in vitro effektiver entfernt [Petschelt
et al. 1987].
Chlorhcxidin gilt ht?ute in alleiniger ,\n- Die verbreiteten pa\tenfürmigen Chela-
wendung nur als Wurzcll.:analdesinfi- toren RC-Prep (Premier Dental, Norristown/
tienL. der 2. Wahl, ah Ultima ratio bei USA) und Glyde File Prep (Dentsply Maille-
Tilerapiere\i\tent., als ;.u~ät7liche\ Mittel fer, Rallaigues/Schwei;.) enth alten 1S% F.DTA
zur Abschlusssplilung besonders in Re\'i- und 10% Ilarnstoffperoxid in wässriger Lö-
sionsfällen oder als i\1temative bei be· sung (s. Abbildung 7.56) Die Pasten werden
sanderer Indikation. Seine Vorteile beste· im Rahmen der Wurzelkanalaufbereitung
hen zweifelsfrei in der geringen Toxizitat, zur Auflösung der Schmierschicht oder als
im breiten antimikrobiellen Wirb:ungs- Gleitmittel für die Instrumente empfohlen.
spcktrum bei sehr niedriger Dosis und in 1S-17%ige EDTA-Losungen dienen als Ab-
der hohen Suh\tantivität. Sein 'achteil schl u\~\pülung <.le!> mechani\ch -chemi~ch
hen. Sowohl im direkten E.xpositionstest als -"' Der Raum für ihr Wachstum wird ihnen
auch im Agardiffusionstest entfaltete m durch die ZwischeneinJage entzogen.
Kochsalz gelöstes Ca(OH)z seine antimikro· -"' Der ahrungsnachschub in Form perla-
bielle Wirkung gegen S. aureus, E. faecalis, P. pikaler Exsudate wird abgeriegelt.
aerugenosa, ~- subtilis und C. aJbicans [F.stre· -"' Hydoxylionen wirken bakterizid [Wesse-
Ia et aJ. 2000]. ln anderen ln-viLro-Untersu- llnk, Bcrgcnholtz 2003].
chungen zeigten E. faecalis und C. albicam
eine gleich hohe Resistenz gegen wässriges ln einer klinisch-mikrobiologischen Studie
Kalziumhydroxid. Dennoch waren ~ 99,9'lt waren nach siebentägiger medikamentöse r
von C. guilliermondli in S-20 min, E. faeca- Zwi~cheneinlage m it Ca(Oll)z 33 Bakterien-
lis in 10-20 rnin, C. glabrata in 20 min-I h, kulturen (73,3%) von 45 abgestorben (Barbo-
C. krusei in 20 min-3 h, C. albicans in sa et aJ. 1997j. ln vitro benötigte Ca(OHh 2
20 min-6 h und C. tropicalis in 3-6 h abge- Tage, um seine antimikrobielle Wirkung voll
tötet [Waltimo et al. 1999J. Niedrigvisköse zu entwickeln fEstrela et al. 2001], während
Ca(Oil)z-Gemische (0, lg/ml H20) können das Mittel er~t nach 2 Wochen seinen höchs-
in den Dentinkanälchen innerhalb von 24 h ten pH-Wert erlangte (Hosoya et al. 2001]. ln
eine stärkere antimikrobielle Aktivität gegen einer randomisierten kl inischen Studie war
E. faecalis entwickeln als hochvisköse die antimikrobielle Wirksamkeit von medi·
(1,0 g/ml H20) (Behnen et al. 2001 1. kamenlösen Zwischeneinlagen mit Ca(OHh
Neben seiner bakteri1iden Wirkung könn- und CHX allein :>owie mit einem Ca(OH)z}
te Ca(OH)z die Funktion der ~lakrophagen CII X-Gcmisch vergleichbar [Manrur et al.
hemmen und damit die Entzündungsreaktio- 2007(. Die bereits zitierte beweisgestützte
nen im Perlapex reduzieren [Segura et al. Analyse (evidence-ba~ed) erbrachte, dass
1997]. Außerdem ist bekannt, dass Ca(OIIlz Ca(OH)2 von allen heute verfügbaren Medi-
im Wurzelkanalsystem die biologi ~che A1:1ivi· kamenten zur Zwischeneinlage (Chlorphc·
tat von Upopolysacchariden (LI>$) neutrali· nol-Kampfer-Menthol, Jod-Ka lium-Jodid,
~lert oder hemmt (Barthel et al. 1997; Tano- Cl IX, Formokrcsol) am besten die mikrobiel-
maru et al. 2003j. Proinflammatorische Zyto- le Restflora reduziert. Es sollte vor der defini-
kine (ll-la, DIF-a) und Neuropcptide tiven Wurzelkanalfüllung 7 Tage im WurLel-
(CG PR) werdtm ru SO-l 00% denaturiert kanal verbleiben fLaw, Messer 2004).
[Khan et al. 2008]. Angeblich können aus Allerdings darf Ca(OH)z nicht als Allheil-
Ca(Oilh freigesetzte Kalziumionen in das mittel aufgefasst werden und kann eine
Dentin diffundieren [Coelho Gomcs ct al. gründliche mechanische Aufbereitung und
1996]. Kalziumhydroxid wird im Ra lunen der Spülung des Wuuelkanals keineswegs erset-
Wurzelkanalbehandlung als medikamentöse zen [Chong, Pitt Ford 1992J. Gleichwohl ist
Zwisd1eneinlage eingesetzt JDGZ 2005(. Die die medikamentöse Zwischeneinlage mit
Notwendigkeit seiner Anwendung als Routi- Ca(Oll)z unverzichtbar, was tierexperimen-
nemaßnahme nach Vitalexstirpation ist an- tell und klinisch bewiesen wurde. An Hwl-
zuzweifeln. Die Vitalexstirpation und die an- dcn wurde gezeigt, dass perlapikal weniger
:.chließende Wur?elkanalfüllung ~ollten mög- Entzündungen auftraten, wenn infizierte
lichst in einer Sitzung erfolgen. Im infizierten Wurzelkanäle vor der Wur7elkanalfüllung
WurLelkanaJ dient Kalziumhydroxid zur fro- eine Woche durch eine Ca(OH)z-Zwischen-
ckenlegung feuchter Wurzelkanäle und zur einlage behandelt wurden (Katebladeh et al.
Keimbekampfung. Im Wurzelkanal verbliebe- 1999]. Ca(OH)z ist außerdem in der Lage, ne-
ne Mikroorganismen werden durch Ca{Olih· krotisches Gewebe aufzulösen (llassclgrcn et
Zwischeneinlagen wie folgt bekämpft: al. 1988). Lang7eitmedikationen von Ca(OHh
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss 307
erhöhten das Risiko von Wurzelfrakturen [Byström, Sundqvist 198SJ. Bei der Auflö-
IAndreasen et al. 20021. Schmerzen nach der sung der präparationsbedingten Schmier-
mechanisch-chemischen Wurzelkanalbc· schicht war die kombinierte alternierende
handJung wurden durch Ca(OH)z weder ver- Anwendung von NaOCI und Zitronen!>Jure
hindert noch reduziert (\'\lalton et al. 2003J. effektiver als der alleinige F.insatz von NaOCI
IBaumgartner ct al. 1984; Baumgartncr, Ma-
Ca(011)2 gilt nach wie vor aufgrund sei· der 1987] . Im koranalen und mittleren Wur-
ncr antimikrobiellen und nekrolyti- zelkanaldrittel befreite die Kombination von
schen Wirkung als höchst effektives Me- NaOCI (5,25%) und EDTA (15%) die Kanal·
dikament .rur Intrakanalaren Zwischen- wände von Pulparesten und der Schmier-
einlage LRergenholtz, Spänberg 2006] schicht [O'Connell et al. 2000]. Bei der Kom-
und als Goldstandard. bination des Natri umhypochlorit~ mit EDTA
und Zitronensäure waren signifikant mehr
Wirkst offkombinationen Dentintubuli geöffnet als bei alleiniger Na-
Da .lllrzeit !-.ein ideales Wurzelkanaldesinfi- OCJ-Spülung LZaccaro Scelza et al. 2000]. Es
ziens existiert, wird versucht, die chemische wurde bereits darauf hingewiesen, dass so-
Wurzelkanalaufbereitung durch Kombina- wohl Zitronensäure als auch EDTA in vitro
tionen von Desinfektionsmitteln 7.U optimie- unver1.üglich das verfügbare Chlor im 1a-
ren. Diese Präparate werden entweder zeit· OCI reduzieren, wodurch die antimil-.robielle
gleich als Stoffgemische oder zeitlich ' 'ersetzt und nekrolytische Wirkung von NaOCI un-
als separate IJesinfektionsmiltel im Wurzel- terdriickt wird. Gleichwohl lässt sich NaOCI
kanal appliziert. llierbei kötlnen allerd ings in der Klinik in seiner antimil-.robiellen und
neben erwünschten Synergismen uner- gewebeauflösenden Wirkung nicht beein-
wünschte Interaktionen stattfinden. trächtigen, da reichliche Spülmengen von
:-./aOCI Re~te der Chelatoren aus dem Wur-
Natriumhypochlorit und Wasserstoffperoxid. zelkanal ausschwemmen. Das Vorliegen von
:-.laOCI kann mit Wasserstoffperoxid als NaOCI in Chelatorlösungen hat keinen ne-
Wechselspülung kombiniert werden IGross- gdtiven Elnflu~~ auf deren dekaJ;ifiL.ierende
man 1965]. Dabei wird NaOCJ in 5,25%iger, Wirkung oder auf deren rähigkeit, Schmier-
1-120 2 in J%iger Konzentration angewendet schichten aufzulösen [Zchnder ct al. ZOOS].
ISvec, 1-larrison 19771. Die~e Kombination
entfernte im Apikalteil des Wurzelkanals (1- Natriumhypochlorit und Chlorhexidin. In ei-
J mm vom Apex entfernt) mehr Pulpareste ner klinisch-mikrobiologischen Untersu-
und Dentinspäne als Kochsali. Bei der Reak- chung bewirJ..te die Kombination von
tion zwischen NaOCJ und H20 2 wird Sauer- 2,5%igem NaOCI und 2%igem CHX eine
stoff freigesetzt: stärkere Redukt ion der Wurzelkanalflora
NaOCI + HzOz --. Na Cl + HzO + 02 i (84,6%) im Vergleich zu 2,5%igem NaOCI
(59,4%), 0,2%igem CHX (70%) und physio-
Da NaOCI im Stotrgemisch mit H20 2 kein logischer Kochsalzlösung (25%). Die stärkere
Chlor freisetzt IBaumgartner, lbay 19871, Keimabnahme wurde auf die Bildung von
nimmt man heute von die~er Kombination .,Chlorhexidinchlorid" 7urückgeführt. Im
Abstand [llülsmann 2008J. Gegensatz zur Keimreduktion durch NaOCI
war die durch die Kombination erzielte Re-
Natriumhypochlorit und Chelatoren. Die duktion statistisch signifikant. Gegenüber
Kombination von ~aOCI (5%) und EDTA der CIIX-Gruppe bestand keine Signifikanz
wirkt stärker antimikrobiell als aOC I allein [Kuruvilla, Kamath 19981. ln einer randomi-
308 7 Endodontische Therapoe
2003a]. Im Gegensatz zu EDTA ist MTAD ge- faecal is be~tand zwi\chen der Kombination
gen E. faecalh noch in einer Verdunnung 1,3% 1\'aOCl/lliopure MTAD und der Kombi-
von I : 200 wirksam (Torabinejad 2003bl. nation 5,25% NaOCI/15% EDTA kein Unter-
MTAD in der Verdünnung von l :8192 schied [Kho, Baumgartocr 2006].
hemmte d ie meisten E.-faecalis-Stämme, in
der Verdünnung 1:512 wurden die meisten Chlorhexidin und Kalziumhydroxid. Die anti-
Stämme dieser Spezies abgetbtet fNewbcrry m ikrobielle Hfektivität einer Kombination
et al. 2007]. Wiihrend in vitro nach der Des- von mechanisch-chemischer Aufbereitung
infektion mit 5,25%igem NaOCI noch 23 mit 0, 12%igem CHX und siebentägiger me-
von 60 Wurzelkanälen mikrobiell kontami- dikamentbser Zwischeneinlage mit einer
niert waren, wie~ nur noch ein Wur7elkanal Ca(OHh/CliX-Paste konnte in einer kli·
von 60 nach MTAD-Spülung Mikroorganis- nisch-mikrobiologi~chen Studie unter Ver-
men auf (Shabahang et al. 2003]. Die Substi- wendung der 16S-rRNS-Scquenzanalyse
tution von Doxycyclin im MTAD durch CHX nachgewiesen wen.Jen. Vor der Behandlung
reduzierte d ie antimikrobielle Effektivität waren sämtliche 13 Wurzelkanäle (100%)
\"Oll MTAD (Shabahang et al. 2008]. MTAD mit durchschnittlich 3,5 Spezies besiedelt.
wirkte weniger zytotoxisch gegen Fibroblas- Nach der mechanisch-chemischen Aufberei-
ten al!. F.ugenol, 3%iges Hz02, Ca(OH)z-Pas- tung konnten noch in 7 Wurzelkanälen
te, 5,25%iges NaOCl, 0,12%iges CHX (Peri- (53,8%, durchschnittlich 1,5 Spezies pro
dex) und EDTA, jedoch toxischer als KaOCl Wurzclkanal) und nach der medikamentö·
in 0,66%iger, 1, ~ 1%iger und 2,63%1ger Kon- sen Zwi~cheneinlage nur in einem Wurzelka-
tentration (Zhang et al. 2003]. nal (7,7%) Mikroorganhmen nachgewiesen
werden. Die Unterschiede waren zwischen
Natriumhypochlorit und MTAD. M"l \D als Ab- der I. und der 2. Sitzung, der 2. und 3. Sil·
~chlussspulung bewirkte die Entfernung der zung und der I. und 3. Sit?Ung statistisch sig-
Schmierschicht und veränderte nicht die nifikant. llicraus wurde ersichtlich, dass die
Struktur der Dentinkanälchen, wenn der mechanisch-chemische Aufbereitung des
Wurzelkanal .cuvor mit Natriumhypochlorit Wurzelkanal~ mit 0,12%1gem CHX die lntra-
gespült wurde [Torabinejad et al. 2003]. Aller- kanaläre Keimflora verringerte und die I lälf-
dings muss die antimikrobielle Hfektivität te der Fälle dekontaminierte. Die Zwischen-
der empfohleneil Kombination 1,3% NaOCI/ einlage m it Ca(OH) 2 führte 7u einer weiteren
BioPure MTAD relativiert werden: Nach der deutlichen Zunahme der Intrakanalären
Spülung des Wurzelkanals mit 5,25%igem Keimfreiheit (Sequeira jr. et a1. 2007b]. Ein
NaOCI während der Wurzelkanalaufberei- Gemisch von CHX (0,2%) und CaOIIz wirk-
tung und der Abschlussspülung mit 15%iger te in vitro stärker gegen E. faecalis als die al-
EOH und 5,25%igem NaOCI waren sämtli- leinige Ca(OH)z-Suspcnsion. Der Vorteil die-
che 20 Proben keimfrei. Die Kombination ser Kombination bzgl. ihrer gewebeauflösen-
der Wurzelkanalsplilung mit 1,3%igem Ka- den Wirkung war nicht feststellbar [Zehnder
OCI mit der Abschlusssplilung mit RioPure et aL 20031. ln vivo bestanden hinsichtlich
MTAD führte nur in SO% der FäUe zur Keim- der Bekämpfung von Enterokokken im Rah-
freiheit von L faecalh [Baumgartner et al. men der Revisionsbehandlung von 7.ähnen
2007]. llülsmann [2008] wies auf rötliche mit Parodontiti~ apicalis !..eine statistisch sig-
Dentinverfärbungen durch NaOCI-induzier- nifikanten Unterschiede zwischen einer
te Photooxidation des Tetrazyklins (Ausfal- Kombination von Ca(OH)z/CHX (2%) und
lung \·on Parachioranilin) hin. I tinsichtlich einer Paste aus Ca(OH) 2 und NaCI als Zwi-
ihrer antimikrobiellen Effektivität gegen E. scheneinlage (ZereUa et al. 2005).
310 7 Endodentische Therapie
Ch lorhexidln und Chelatore n. Die dekalzifi· Ozon J...önnte möglicherweise als Alternative
zierende Wirkung von 10%iger und 20%iger zu NaOCI eingesetzt werden [Stoll et al.
Zitronensäu re oder 17%iger I· OTA wurde 2008).
durch die Zugabc von 0, I% CHX in vitro Die Depotphore~e als ,.Kombination von
n icht eingeschränkt (Gon.üllez-L6pez et al. Elektrophorese keimtötender Kolloide und
2006]. Bei der Interaktion zwischen CIIX lontophorese von llydroxylcuprat- und Jly-
und EDTA konnte Parachloranilin nicht droxylionen" wird heute n icht als w issen-
nachgewiesen werden (Rasimick et al. 2008]. schaftlich gesicherte endodontische Behand-
lungs technik angesehen lll ülsmann 20001.
Es ist bewiesen, dass die effektive Keim- Unstrittig ist die antimikrobielle Wir-
bekämpfung Im Wtnzelkanal an de$sen klang der Laser . Sie beruh t scheinbar aur
mechanische Aufbereitung und den S}·- thermischen und photoclynarnhchen Effek-
nergismus von Kombinationen chemi- ten [Frentzen 2002]. in Abhängigkeit von der
scher Wirkstorfe geknüpft ist. Dabei füh- Bestrahlungszeit entwickelte ein Er:YAC-La-
ren in de r Klinik unterschiedlirhe Wege ser in vitro antimikrobielle F.igemchaften
zum Erfolg. Eine sinnvolle Kombination (Meh l et al. l 999al. Ein Nd:YAG-Laser (s. Ab·
ist nicht mit J>olypragmasie gleichzuset- bildungen 7.54a und b) zeigte auch in tiefe-
zen. ren Dentinschichten noch antibakterielle
Effekte (Klinke et al. 1997; Berkiten e t al.
Ele ktrophysi kal ische Desinfektionsverfahren 2000]. ln der Klinik entfaltete ein Diodenla-
ser eine starke antimikrobielle Aktivität [Mo-
Die klinische Effektivität sogenannter ritzet al. 1997). Die endodonthche Behand-
elektrophysikalischer Maßnahmen ist lung mit einem :-Jd:YAG-Laser im Tierexperi-
abgesehen von der ultraschallaktivierten ment rief nekrotische Veränderungen im
Spulung nicht au~reichtmd nachgewie- Desmodont, Ankylose und Auflösung von
..en (DZZ 200.5). Zement hervor [ßahcall et al. 1992). Dies is t
jedoch von den technischen Parametern ab-
Eine Veröffentlichung ltlr antimikrobiellen hänf.: ig IKoba et al. 19991. Dennoch scheint
Wirk1.mg von Ozon gegen E. faecal is in vitro der l'insatz des Er:YAG-Lasers aufgrund sei-
zieh t nachstehende Schlussfolgerungen: ner starken antimikrobiellen Wi rkung, kom-
"" ln Wasser gelö~te~ Ozon wirkte nach pletten Schmierschichtentfernung und ge-
240 s antibakteriell gegen planktoni- ringen thermi~chen Schädigung des Perlapex
schen E. faecalis. als adjunkti\'es oder alleiniges Mittel der
"" Die Wirkung gegen im Biofilm organi- WurzelkanalauJbereitung siilJwoll und mög-
sierten E. faecali!. war offenbar wegen der lich [Mehl et al. 1999b]. Ein Er,Cr:YSGG-La-
Schutzschicht aus extrazellulären Poly- ser und ein Nd:YAG-Laser wirkten bakterizid
sacchariden gering. gegen 1:. faecalis. Dabei war der Nd:YAG-La-
A Biofilme von E. faecalis blieben von ser überlegen [Wang et al. 2007].
Ozon in gasförmigem Zustand unbeein- Die p ho todynam ische 111e rapi e könnte
flusst. sich als eine adjunktive Maßnahme zur Ab-
A Dagegen entfalteten 0,05%iges NaOCI tötung der Restflora nach klassischer Wurzei-
gegen planktonischen E. faecalis und J.. analbehancllung entwickeln. Beim Ein!kltz
2,5%iges NaOCI gegen E.-faecalis-Biofil- \'On Methylenblau in Kombination mit ro-
me einen eindeutigen antimikrobiellen tem Licht (30 JfcmZ) wurden in vitro alle
Effekt [llems et al. 2005]. Bakteriempe7ie~ mit Au\nahme von f.. faeca-
lis (53%) abgetötet. Bei höherer Cnergie
7.4 Wun:elkanalbchandlung im bleibenden Gebiss *:fHlQII 311
(222 J/cmZ) tötete das rote l.icht 97% der 1..- D<?Trcy, Konstanz), Glasionomer-h:mente,
fae<.ali~-Population im Biofilm ab [Soukos et ferrnit (lvoclar \'i\'adcnt, !>chaan Licchten-
al. 2006) stein) und l.c.R.\1. (l)ent\ply <.aull.., ~fil
Da~ I ndox-L ndomet rie-System ll.}~i\ ford, Delaware/USA).
Srl, :-.IO\ a 1\lilanese/ltalien) arbeitet mit laut einer Umfrage des American Board
hochfrequenter Wechselspannung. Oie Ar· of l:.ndodontics aus demjahrc 2<X>6 g1 lt Cavit
beltselektrode des Elektrochlmrglegeräts al\ Vcr)chlussmittel der Wahl. H3% der Be-
wird endometri\dt kontrolliert. Im Vergleich fragten kombinierten da~ Verschlussmittel
zu \11 ·\D und HeaiOzon 7eigte die EndO\· mit einem Wattepellet [Vail ct al. 2006).
Behandlung den geringsten antimikrobiel- <avit war denn auch im mikrobiologischen
len Fffel..t [V1rte1 et al. 2007]. Hinsichtlich \ficroleakage-Te$t mit S \dngul\ und ohne
der keimreduzierenden Wirkung gt>gen 1.. fa- thermische Wechselbelastung am 2. Ver-
ecalis und C albicans ergab sich eine aufstei- suchstag randdichter als IRM, fl.RM und fer-
gende RJngfolgt>: F.ndox < '!aCI < H20 2 (.\%) mit und am 7. Tag weniger randdurthla\\ig
< NaOCI (0,5%) (Traichel 2008]. al\ TFRM und rRM. Am 7. Tag war l'ermit
hinsichtlich der Randdichtigkeit IRM uberle-
Temporärer Verschluss gen. Unter Thermocycling 7eigte ( av it am 7.
Oer har..teriemlidtte, kau~tabile und biokom- lag das gering\te mikrobielle Microlcakage
patible temporäre Verschluss der Zugangska- im Vergleich zu den anderen provisori~chen
vitat nach medikamentöser z\,ischeneinlage Vrr~chlussmitteln. Die Schichtstarke der Pro-
Ist ht·deut\am fur den Erfolg der mehr.tciti· vi~rien von durchschnittlich 4, I 111111 blieb
gen \\'urzelkanalbchandlung. ln Anlehnung hier ohne signifikanten LinOuss auf das Mi·
an Dcveau\ et al (19921 sowie Rödig und croleakage [Deveaux et al 1999) Dam1t wur-
Hulsmann [2<X>6) sollte das temrx>rare Ver- de das Lrgebnis einer fmheren 'itudie besta-
schlu<,smaterial folgende Ogenschaften auf- tigt [Ocveaux et al. 1992) ln einer weiteren
wei\cn. In-vitra-Studie bestanden hmsichtlich des
~ dichter Verschluss gegenuber gelö\ten marginalen Leakages von l'arh~toff an der
l'\ahm ng~bc~tandteilen, pcrl:olh.•renden Grentnache Material/Dentin (farbstoffpene-
Flli\~ig(..c l ten und penetrierenden ~ti trationstest) zwischen Cavit, IRM und Kar-
l:roorgan•smen (fehlendes ma rginale~ boxylalzement keine statistisch \ignlfikanten
und korpor.tle\ l eakage) llntet\chiede. Korporale I arh\toffpcnrtrati-
~ Stablli\icrung der Zahnhartsubstan7cn on de\ rüllungsmattrials trat nur bei einigen
1ur \ erringemng ihrer frakturanfalligl..e1t IR.\1-l'robcn auf {Lmener ct al 2004). Der ln-
~ \bras1onsres1Henz und f>ruclfestigl..eit vitro-Penetrationste~t mit \t epiderrnidh
~ OunemitHl\\tabilitat n•igte, dass Cavit nach mcdikamlntö~cr Zwi-
~ einfache \'erarbeitung und EntfernbJr. scheneinlage mit unterschiedlichen ML-dika-
ke1t menten einen adaquaten ~dtut1 gegen da!>
~ antimlkmh1elle Wirkung milrobielle \licroleakagc von weniger als ei-
~ orale Biokompatibilität nem Monat bot. 1-.r betrug bei Ledermix 27,
~ fehlende Interaktion mit 1\.ledikamenten hci ChKM 19, bei U-IX Hl und be1 Ca(OH)z
~ gutl' A\thetik und angenehmer Ge· allerdlng~ 36 Tage [Barthd et al. 2006].
schmad. 'leben der thermischen \Vl'<:h\dbelas-
tung \Oilten ln-vitro-Unter~uchungen auch
\ls temporart: \'cr~chlu~smaterialien gelten l.:aufunktionelh.• I influ\\e \imuheren. Unter
Zmko\id-Lugcnoi-Zement. Cavit, Cavit-\\', \imuliertem Kaudruck war IR\1 in ein0dchi-
Ca' it-C. ( i\1 f\(X', Sedeld), 1~1 (l.)cntsply gen Ka'l.itaten einem dem Cavit ahnliehen
312 7 Endodentische Therapie
~ Rontgenopazitat
~ leithte Einfuhrbarkeil
~ leichte f ntfcmbarke1t
~ Autosterilitc~t
~ Rah.terio\ta\e oder fehlende mikrobielle
\Vachstumsförderung
~ Unresorblcrbarkcit
~ h.elnf.' Mu tagtmltä t und Kam~erogenlt,lt
der m Koni11t.it und Volumen dem Wur- scgmenten mithilfe ent\prl>chender Plug-
/elkanal entsprechen soll und dem~n gcr
SpitLc 0,5 1,0 mm gckurzt wird. wo- "" ~.nvarmung der Guttapcr(ha~cgmente
durch dlt.> \'Olle \r~iblange nicht er- mit Wärmeapplikatoren
reicht wird "" vertikale Kondensation der erwarmten
Guttapercha~egrnen te b•s lUnt Wurzelka·
l)l'r m htl~\f ~~~~
dr'> Haupt\tlft'> t\l nalelngang
der !llhlusselzum Erfolg der verlil\a- "" t.liLhter Verschluss der Zugangskavitat
lcn Konden'ldtion Jingle, West 1994).
Im Rahmen der von ihm inauguril•rten C:on-
"" Prufung der Beweglichkeit und Eindring- t i nuou~-Wave-of-Conden~a 1Ion-Technik
tiefe der Stopfinstrumente (Eindringticfc: seut ßuchanan (1996) al\ I hermoapphkator
stJrkster Plugger 10 mm. mittlerer !'Iug- da~ System B Hea tsource (Anal) tic, Oran-
ger 15 mm, dunmter Plugger 3-4 mm ,·or ge U$.\) und Sy~tem- 8- Piugger unterschied·
phy~iologischem Foramen) lil.:hcr Starke ein (s. Abbildung 7.62). Fine
"" Einrolleren geringster ~Iengen des ~ea Modifikation der verhkaJen Kondensation
lers mit dem (Hand-)Lentulo turn Be· nach ~childer wird im Rahmen der S) \tema-
strt~khen der Wul'zelkanalwand ti k der Wurzelkanalfüllung un ter Kapitel
"" ßenet7cn der Stift~pi tze mit Scalcr und 7.4.4 beschrieben.
Unfuhrung des Meisterstifts in den Wur-
lclk.lndl
"" röntgl·nngrafi\che Kontrolle des Sille)
des Meistcrslifts
"" Ah\chmeiLen de~ koronalen Endö dl~
\lei\tt.>rstifts am \\'ur?elkanalcmgang
und [rwarmung des oberen Drittels de\
Mei~ter\tift\ mit einem Wilrmcapplikator
"" vertik,lle Kondemation der erw.trmlcn
GuttJpercha mithilfe des stärksten Jllug-
ger~
Thermomechanische Kondensation. Dte<.~ ~~} 1984) hat den Vorteil, dass es mit gerin-
Technik geht auf ~lcSpadden ( 1979) zu ruck, geren Temperaturen (70. C) arbeitet. Unter-
d~r emen nach ihm benannten Compactor suchungen mrt Radtoi\otopen zei&1en einen
entwickelte (Gutmann, Withel'\poon 1998). guten apikalen Verschluss mit mmnnalern
L) handelt sich dabei um eine umgel..ehrte Microleakage )Czon~tl.owsi..y et al. 1985).
He<htrt>mfetle, dte bei etwa 800 U/mtn nn Die Qualität der Wur7t'lkanalfüllung nach
Uhrzeigersinn durch entstehende Reihung\- Guttaperchainjektion und Sealcrappllkatlon
wJrme den (iuttaperchastift im Wurzelkanal war ebenso gut odt-r he,~cr al~ dit' bei latera-
erweicht. l)urch die umgekehrt angeordne- ler Kondensation [Michanowicz ct al. 1986].
ten Schneiden wird die pla~hflzterte Gutta- Beim Vergleich twi\chen Hochtempera-
per<:ha nach apikal transportiert Die ~lctho· tur-, ~iedrigtemperatur- und lateraler Kon-
de tSt zwar einfach und effektiv, Jedoch 'ind densation wies die laterale Kondensation
Uberfullungen nicht auszuschheßen . Beim cme sigrufikant geringere I arb\toffpenetra-
l.ngine Plugger (VO\\', ~fundlen) lldndt>lt tion auf. Spektrophotometrisch heßen sich
e) sich um eine umgekehrte K-feile. IJei einer jedoch I..eine \ignifi~.mten Unterschiede
Hybridtec hnik wird die laterale Kondensa- twischen den 3 ~lethoden nachweisen. Al-
tion mit der thermomechanhchen Konden- lerdings traten bei der lateralen Kondensa-
sation (Cngine Plugger) kombiniert jlaggcr tion weniger Ühcrfüllungl'll auf [LaCombe et
et al. 1984). Bei der Multi-Fiii-Tcchnik wer- al. 1988).
den Nid.~I-Tltan-Kornpal.'toren in Form ei-
ner umgekehrten Hedströmfeile nachcintln- Thermafi I-Methode
der mtt j}- und a-Guttapercha ummt~ntelt, !Iei der ThermafiJ-Methode, die auf Johnson
die mvor in einem Heizgerat plastifiztert (1978) zuruckgeht, werden vorgefertigte
wmde Hel Drehzahlen von 3000~5000 U/ kunst\toffstifte mit Guttapercha-Ummante-
min erfolgt die Kondensation der Guttaper- lung in einem Spc1ialofcn crhillt und dann
cha im Wurzelkanai[ReU\·er 1998) in den Wurz.elkanal eingeführt. in der über-
arbeiteten Version des Verfahrens, Therma-
Injektionsmethoden fil Plus, I..ommt ein Ofen 1ur Anwendung
Ob tu ra-~ystcm (Thermaf>rcp Plus, Dcnt~ply Maillefer, Bal-
I>as lloc htcmpe ratur-G uttapercha-lnjek- laigues/Schweiz), der die Guttapercha inner-
tiomverfahren fußt auf der originl'lll•n ldl'e halb von 2 min erw.Irmt (\ \bhildung 7.63a,
thcrmopla~tifizierte Guttapercha (I 60 C) b und c). Die Thermafii-Obturatoren liegen
rmt einer InJektionsspritze in den \\uuell.a- in den ISO-Großen 20-140 vor und smd auf
nal zu inJilreren (Yce et al. 1977). Da\ ht-uti- die größere KoniLitat von ProFile 0-1 abge-
gc Obt ura-11-System (s. Abbildung 7.62) er- stimmt. ISO-genormte Verifier dienen der
warmt f\-(,uttapercha bei l'emperaturen von Überprüfung der Aufbereitung und dN Aus-
160-ZOO•c und verwendet lnj~ktion\~anu wahl des cntsprcchu1dcn Obturatoß. Hm-
len, die den ISO-Größen 40 und 60 entspre- sichtlich de~ Gradt-\ der Farb\toffpenetration
chen. Die \ilethode ist zur Ablullun~ interner und der Überfüllung bestand zwischen der
Resorptlomhohlen, c-förrnigcr Wurzelkana- I hermafii-Methodc und der lateralen Kon-
lc, a!..tcm>rh(her Kanäle und apikaler Rami- densation ~ein \ignlflkantl'r Unterschied
fikatronen geergnet llngle, West 1994). (Abarca et al. 200 1). ln einer anderen Studie
lullte 1 hermafLI Plu~ laterale R.tume und den
Lltrafii-Sy\tem Hauptl..anal besser aus und 1ergte weniger ln·
Das :>.i~rigtemperatur-Guttaper,ha-ln homogenitäten der WurLclk."lnalfullung als
jel.tionssystem (~fichano"icz, Czonst~ow- die laterale Kondensation . }t'doch produzier-
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss *iH'"'' 319
fällen ein Blutgerinnsel als Gerüst für Gew- Die künftige Forschung der regent-ratlven Fn-
ebeneubildung und vitales Gewebe, das Fo- dodontie sollte also auf die Regeneration ei-
ramen apicale wurde geschlossen, und die nes funktionierenden Pulpa-Dentin-System~
Parodontitis apicalis heilte aus. Diese Fäll~ ausgerichtet sein LHargreaves et al. 2008].
könnten als wichtiges klinische~ Modell für
die Erprobung der Anwendung von Konzep-
ten des ·n ssue cng ineerings in der Regenera- 7.4.4 Systematik der
tion des Pulpa-Dentin-Systems dienen. Da- Wurzelkanalbehandlung
bei sind 3 Komponenten der ln-vitro-Vcr-
mehrung autogener Zellen e~~enziel l : H. W. Klimmunrl M. Amolrl
1. Zellgewinnung (Oclontoblasten, undiffc-
renzierte Mesenchymzellen der Zahnpa- Im Folgenden wird die Wurzelkanalbehand-
pille) lung Schritt für Schritt beschrieben. Die fol-
2. Ri ldung eines Gen•sts (dreidlmenslonale genden Sy~tematiken tragen Empfehlungs-
Matrix) charakter, d .h. sie weisen bei mehreren We-
3. Prä.~enz von Signalmolekülen (Wachs- gen lediglich einen gangbaren Weg, der rum
tumsfaktoren) Erfolg führt. Die Systematiken sind in den
Tabellen 7.17-7.22lusammengefasst.
Tab. 7.17: Systemat1k der Initialphase der Wurzelkanalaufbereitung (Erkundung, Messung und Er-
schließung)
Behindlungsschritt Beh<~ndlungsmittel Beh<~ndlungsmodus/Beh<~ndlungsziell
Behandlungsbedingungen
1. Schätzung der Arbeits- Diagnostische Röntgenauf- Bedingung: vollständige Abbildung der
länge nahme (s. Abb. 7.64) Krone und Wurzel in Paralleltechnik
Cave: veränderte Zahnlänge durch Abra -
sion, Restauration, Frakturen
Nota bene: maximale Eindringtiefen anhand
durchschnittlicher Zahnlängen (s. Tab.1.2)
2. Erweiterung der Wur- Dentalmikroskop muldenförmige Präparation der Wurzel-
zelkanaleingänge Lupenbrille kanaleingange (s. Abb. 7.65a)
niedertouriges Mikromotor- Erweiterung des Wurzelkanaleingangs in
winkelstück aufsteigender Instrumentengroße
Langschaft-Rosenbohrer (s. Abb. 7.65c)
Gates-Giidden-Bohrer
(s. Abb. 7.65b)
3. Ggf. Exstirpation der s. Tab. 7.12
vitalen radikulären
Pulpa
4. Reinigung und Desin - Natriumhypochlorit (1-2%) Entfernung von Dentinspänen zur Vorbeu-
fektion des koronalen oder Chlorhexidindiglukonat gung von apikalen Blockaden und Desinfek-
Wurzelkanaldrittels (0,5- 2% wässrig) tion
Spülspritze
Spülkanüle
glattes Ultraschallinstrument
Mikroabsaugung
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss
3.3 Auswahl des Menüs zur Län- Softw are (z.B. VixWin,
genbestimmung (s. Abb. 7.67c) Sidexis)
Abb. 7.65: Erweiterung des Wurzelkanaleingangs. a) Erweiterung des Orlflziums mit Langschaftrosenboh-
rer. b) Sortiment von Gates-GIIdden-Bohrern, c) Erweiterung des Wurzelkanaleingangs mit Gates-Giidden-
Bohrern in aufsteigender Instrumentengröße
324 7 Endodentische Therapie
Tab. 7.19: Systematik der Hauptphase der Wurzelkanalaufbereitung (Erweitern, Reinigen, Desinnzie·
ren, Formen, Glätten) mit manuellen Mitteln
Behandlungsschritt Behandlungsmittel Behandlungsmodus/Behandlungszlel/
Behandlungsbedingungen
1. lnitialphase:
Erkunden s. Tab. 7.17
Messen Erschließen s. Tab. 7.18, s. Tab. 7.17
2. Ha uptphase: Dentalmikrosop oder 2.1. Balanced-force·Technik (s. Abb. 7.69b)
Erweitern Lupenbrille schrittweise manuelle Erweiterung des engen und
Desinfizieren flexible K·Feilen aus gekrümmten Wurzelkanals auf Arbeitslänge bei Er·
(flankierung durch Edelstahl mit Zwi· haltungder apikalen Konstriktion und der Form des
hochvolumige schengrößen (Goi- apikalen Wurzelkanaldrittels bis zur ISO-Größe 032
intermittierende den Mediums): ISO (hier Meisterfeile) unter Verwendung von lnstru·
passive ultraschall· 015, 017, 020, 022, menten mit Batt·Spitze und Zwischengrößen
aktivierte Spülung) 025, 027, 030, 032 Bewegung der Instrumente unter sanftem Druck
(s. Abb. 7.68) nach apikal bei gleichzeitiger Vierteldrehung nach
Gummistopper rechts (im Uhrzeigersinn)
Interimstinder mit Ausführung einer halben Drehung nach links {ent·
Messeinrichtung gegen dem Uhrzeigersinn) unter Beibehaltung der
(s.Abb. 7.69a) Arbeitslänge
Gleitmittel (EDTA) Reinigung des Instruments nach jedem Arbeitsgang
NaOCI (1-2%) Benetzung der Instrumentenspitze mit Gleitmittel
oder CHX (0,5-2% intermittierende Spülung mit CHX oder NaOCI.
wässrig) Spülregime:
Spülspritze (Luer- Längenjustierung der Spülkanüle und des Ultra·
Lock-System) schalhnstruments m1t Gummistoppern
glatte, stumpfe, dün· Verklemmen der Kanüle durch Zurückziehen um
ne flexible Spülkanü· 1-2 mm lösen
le (30G) mit term i· 3 x Zufuhr von 2 ml Spüllösung pro Instrument und
naler oder seitlicher Wurzelkanal mit Handspritze
Austrittsöffnung (s. 3 x passive Ultraschallsequenz il 20 s
Abb. 7.70a-b)
glattes, nicht schnei·
dendes, dünnes En-
dodontie·lnstrument
ständige Instrumentenkontrolle
Rekapitulation (Erreichen der Arbeits länge) mit 1-2
ISO-Größen kleineren Instrumenten zur Verhinde·
rung apikaler Dentinblockaden
326 7 Endedontische Therapoe
Tab. 7. 20: Systematik der Wurzelkana laufbereitung mit maschinellen Mitteln (nach Arnold)
Behandlungsschritt Behandlungsmittel Behandlungsmodus/ Behandlungsziell
Behandlungsbedingungen
1. Gestaltung der Zu· Dentalmikroskop
gangskavität oder: Lupenbrille
(s. Tab 7.12) (s. Abb. 7.73a-o)
Ultraschall Alternative:
Ultraschallansätze Ultraschallpräparation mit Mikroinstrumen
ten aus Titan oder Stahl oder Kombination
Unter Beruhrung der Zahnhartsubstanz in
tupfender und streichender Bewegung
schichtweiser Dentinabtrag
vertiefende Praparation derWur1elkanalein-
gänge erfolgt mit ProUltra 1
Freilegung von Isthmen mit ProUltra 2 und 3
alternativ kann der Ansatz RTI (EMS) Anwen-
dung finden
330 1 Endodentische Therapie
Ta b. 7.20: Fortsetzung
Behandlungnchrltt Behandlungsmittel Behandlungsmodus/ Behandlungsziell
Behandlungsbedingungen
2.6 Rontgenmess- Handfeilen Röntgenografische Kontrolle (s. Abb. 7.73u)
aufnahme oder: NiTi-Feilen
2.7 Prüfung der Durch- Handfeile ISO 008 Passives Prüfen der Durchgängigkeil des Fora·
gängigkeit (Patency) men apicale zur Vermeidung apikaler Blocka -
den aus Debris und zur Aufrechterhaltung ei-
ner vollständigen Intrakanalaren Desinfektion
Cave: keine aktive Erweiterung des Foramen
apicale
Gefahr des apikalen Überpressens von Debris;
Begünstigung von postendodontischen Be-
schwerden (Fiare-up)
3. Hauptphase: NiTi-lnstrumente Wechsel der Desinfektionslösung von CHX zu
Erweiterung des Endametrie Zitronensäure als Zwischenspülung auf NaOCI
Wurzelkanalsystems Desinfektionslosungen sofortige intermittierende Spulung nach je·
auf Al Mikroabsaugung dem Feilenwechsel oder nach einem starken
Reinigen Dentinabtrag (optimal ist ein kontinuierlicher
Desinfizieren Flüssigkeitsaustausch während der gesamten
rotierenden Wurzelkanalaufbereitung)
Einbeziehung der Assistenz bei Zufuhr und
Mikroabsaugung der Spüllösung
3.1 Erweiterung mit verschiedenen Techniken
3.1.1 Erweiterung des Wur- NiTi-lnstrumente: Führung aller 6%igen Feilen passiv nach api-
zelkanalsystems auf z.B. FlexMaster kal und aktiv in der Auswärtsbewegung in
Al in Crown-down- Richtung Außenkurvatur
Technik Ziel:
koronale konische Erweiterung
Schonung der weniger konischen Instrumente
mit 4 und 2% Kon izität durch Verkleinerung
der aktiv schneidenden Oberfläche
Feilen mit 4%iger Konizität sollen nur 4-5 mm
an der Spitze aktiv arbeiten
Einsatz rotierend in Achsrichtung mit wenig
apikalem Druck in der Einwärtsrichtung
in der Auswärtsbewegung die Instrumente in
Richtung Außenkurvatur führen
Ziel:
aptkal gerichtetes, substanzschonendes Er-
schließen und Erweitern
schrittweise Erweiterung von koronal nach
apikal am Beispiel: ) 06.25 .-. 06.20 -404.25
) 04.20 ) 02.20 auf Al
apikale Erweiterung als Beispiel bei IAF ISO 15:
) 02.25 ) 02.30 ) 04.25 __. 06.20 .... 04.30
4 02.35 4 04.35
J32 7 EndodontiS<he Therapie
3.1.2 Erweiterung des Wur- NiTi-lnstrumente: sequenzielles, nach apikal gerichtetes Erwei-
zelkanalsystems auf z.B. Kombination ProFile tern mit flexiblen, passiven, im Wurzelkanal
ALin 5tep-down-Tech· (PF) mit FlexMaster (FM) zentrierten Instrumenten unter Verw endung
nik (Hybridtechnik) von Profile
koronale Erweiterung (Kiss and·go Technik)
m1t schne1denden, stark konischen Instrumen-
ten unter Verwendung von FlexMaster
Ziel:
größere apikale Erweiterung bei gekrümmten
Wurzelkanälen
Erhaltung des originalen Wurzelkanalverlaufs
weniger Begradigung
wenigerunbearbeitete Wurzelkanalw ande
weniger Belastung für Instrumente
Abfolge:
PF 04.20 -t Pf 04.25 -t PF 04.30 -t FM 06.20
-t FM 06.25
PF 04.25 -t PF 04.30 -. PF 04 35 -t FM 06.25
-t FM 06.30
PF 04.30 -t PF 04.35 ) PF 04.40 -t PF 06.30
-t PF 06.35
Abb. 7.73: Klin ische Abfolge von Behandlungsschritten im Rahmen der maschinellen Wurzelkanalaufberei-
tung eines oberen Molaren (M. Arnold). a) Instrumentensortiment für die Wurzelkanalaufbereitung mit
vorwiegend maschinellen Mitteln: Instrumente zur Gestaltung der Zugangskavität, Nm-Instrumente Pro-
File, FlexMaster•• und GT Series x~ sowie f lexible K-Feilen. b) Klinisch!! Ausgangssituation am Zahn 26 mit
provisorischem Versch luss aus Zinkphosphatzement; mesial Gingivitis als Folge einer Retentionsnische.
c) Röntgenausgangsaufnahme des Zahnes 26: gekrümmte Wurzclform, Verlauf der Wurzelkanäle nicht er
kennbar, perlapika le Aufhellung, intrakanaläre röntgenopake medikamentöse Einlage. d) Nach Teilentfer·
nung des Provisoriums und Korrektur des Füllungsrandesam Zahn 25 erfolgt eine schmelz· und dentinad·
häsive Restauration der mesialen Kronenwand: Konditionierung der gesäuberten Kavitätenwande mit
PhosphorsauregeL e) Polymerisation des Zweikomponentenadhiisivs Optlbond FL f) Anlage des Koffer
dams Dermadam (Stärke medium, Ultradent), Strukturen und Farben sind durch das Gummituch erkenn-
bar und ermoglichen eine Orientierung.
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss 335
Abb. 7.73: Klinische Abfolge von Behandlungsschritten im Rahmen der maschinellen Wurzelkanalaufbereitung
eines oberen Molaren (M.Arnold). l) Tertiäre Zugangskavität: Der Wurzelkanal mb2 ist nach Abtragung des Se·
kundärdentins erkennbar. Eingedrückte Dentinspane markieren den Wurzelkanal. Mit einem Langschaftrosen·
bohrer in absteigenderGroße ISO 008 zu 005 wird die gesamte Ausdehnung des Wurzelkanals dargestellt.
m) Tertiare Zugangskavitat Mit dem weitervertiefenden Prapaneren des stark verengten Wurzelkanals mb2
fällt die ovale Form und die Ausdehnung in Richtung mbl auf (PFeil). Ei n verdeckter Isthmus mrt akzessori·
sehen Wurzelkanalen kann vermutet werden. Es erfolgt eine vollstimdige Freilegung des Wurzelkanals mb2
mit langschaftrosenbohrer der Große ISO 005. n) Die endodontische Zugangskavitat ist fertig präpariert. Es
folgt eine ultraschallaktovierte Spülung mit Chlorhexidindiglukonat in wassriger Lösung, bevor die Wurzelka·
näle manuell oder maschinell mechanisch erweitert werden. o) ln der vergrößerten Ansichtost das sehr breite
und schlitzformige Wurzelkanalsystem in der mesiobukkalen Wurzel erkennbar. Ein mechanisches Erweitern
von der palatlnalen Begrenzung aus erhöht die Möglkhkeit ei ner wirkungsvollen Desinfektion. p) Koronafes
Preflaring 1: Mit rotierenden NiTi-lnstrumenten wird der Zugang vom koronalen zum mittleren Wurzelkanal·
drittel vorbereitend sequenziell erweitert. q) Koronales Preflaering 1: Der Einsatz der NiTi-Feilen erfolgt nur im
feuchten Milieu unter elektrometrischer Kontrolle {VDW.Gold-Motor). Plastische Verformungen der Feilen er·
fordern einen sofortigen Austausch. Der Spanraum der Feilen muss frei von Oebris sein, da sonst ein effektives
Arbeiten der Feilen verschlechtert wird und der Stress auf den Werkstoff Nickel-Titan erhoht wird.
7.4 Wurzelkanalbehandlung Im bleibenden Gebiss
•
J~ 2
• tr -
Abb. 7.73: Klinische Abfolge von Behandlungsschritten im Rahmen der maschinellen Wurzelkanalaufberei·
tung eines oberen Molaren (M. Arnold). r) Koranales Preflaering 1: Ergebnis der Initialen Erweiterung bis
zum mittleren WurzelkanaldritteL Der Wurzelkanal mb21asst sich sicher auffinden und instrumentieren.
s) Koranales Preflaenng 2: Mit der sequenziellen konischen Erweiterung mit Gates·Giidden-Bohrern Große
S • 4 > 3 wird die koronale Erweiterung abgeschlossen. ln der Auswartsbewegung werden die Bohrer in
Richtung der Außenkurvatur gefuhrt (pfeil), um einen einseitigen Substanzabtrag in der inneren Kurvatur
zu vermeiden. t) Bestimmung der Arbeitslänge. Mit Handfeilen aus flexiblem Edelstah l oder NiTi-Feilen
wird unter endametrischer Kontrolle der apikale Endpunkt des Wurzelkanals ermittelt und rontgenogra-
phlsch kont rolliert. u) Erste orientierende Röntgenmessaufnahme mit endametrisch eingemessenen Wur-
zelkana linstrumenten. DerWurzelkanal mb21ässt sichtrotz Einsatz klemster Handfeilen der Größe ISO
006 vorerst nicht vollständig Instrumentieren. Anhand der Röntgenaufnahme lasst sich der weitere Ver-
lauf des Wurzelkanals bestimmen (Pfeil), so dass Instrumente auf den vermuteten Verlauf für ein weiteres
Instrumentieren vorgebogen werden können.
Ta b. 7.21: Fortsetzung
Behandlungsschritt Behandlungs- Behandlungsmodus/ Behandlungsziel/
mittel Behandlungsbedingungen
2. Korrektur K-Feilen Durch Veränderung des Referenzpunkts im laufe der Be-
Skalpell handlung sowie durch Fehlen der apikalen Konstriktion
(Zustand nach WSR, Resorption) oder des apikalen Stopps
ergeben sich Korrekturen der Arbeitslange
Zur Verkürzung der Arbeits länge:
Wahl eines größeren Masterpoints oder
Kürzung des bisherigen ISO-genormten Stifts
Präparation eines apikalen Stopps mit Handfeilen
Zum Erreichen der Arbeitslange:
RekapitulatiOn mit K-Feilen der ISO-Größe 008-012
be1 stärkeren Blockaden: Einsatz vorgebogener K-Feilen
ISO 020 oder 025 mit schneidender Spitze
Präparation eines neuen apikalen Stopps
3. Reinigung, NaOCI1% Reinigung und Desinfektion des Wurzelkanals und des
Desinfektion und CHX 0,5% wässrig Meisterstifts
Trocknung Spülspritze Trocknung des Wurzelkanals mit Papierspitzen in der Grö-
Papierspitzen ße des Meisterstifts
Kontrolle der Papierspitzen: müssen frei von Dentinspä
nen, Weichgewebe und Medikamenten und trocken sein
4. Laterale ISO-genormte gleichmäßig dünne Benetzung des Meisterstifts mit Wur-
Kondensation Haupt- und Zu- zelkanalfullpaste
satzstifte Einrotieren des Sealers mithilfe des Masterpoints von ko-
Fingerspreader ronal nach apikal, wobei der Wurzelkanaleingang sealer-
ISO 015,020, 025, frei sein muss
030 Fixierung des Masterpoints auf Arbeitslänge anhand von
oder Handsprea- Markierung und Referenzpunkt
der laterale Kondensation des Masterpoints mit längenmar-
Exkavator kiertem Spreader (Stopper):
Spiritusbrenner enge und gekrummte Wurzelkanäle: ISO 020 oder 010
oder GuttaCut weite Wurzelkanäle: ISO 025
(VDW) Einfllhrung des Spreaders etwa 2 mm kürzer als die Ar-
(s. Abb. 7.75) beitslänge
laterale Verdichtung des Masterpoints mit dosiertem
Druck, wobei er sich der Wurzelkanaloberfläche anpasst
und den Sealer in Isthmus und Seltenkanäle verdrängt
Viertelkreisdrehung des Spreaders nach rechts und links,
um ihn von der Guttapercha zu lösen und aus dem Wur-
zelkanal zu entfernen
laterale Kondensation der Zusatz- oder Gesellenstifte:
Einführung der auf Spreadergröße angepassten ISO-ge-
normten Stifte (oder eine Größe kleiner als der Spreader)
in den durch den Spreader geschaffenen Hohlraum
14 Wurzelka nalbehandlung Im bleibenden Gebiss *:tt.l'"'' 339
Abb. 7.74: Laterale Kondensation. Abb. 7.75: GuttaCut (VDW) zum Abtrennen überste-
a) Masterpointaufnahme zur Kontrolle der Lage hender Guttaperchastifte (links). Prototyp eines
des Melsterstlfts. b) Röntgenkontrollaufnahme der Pluggers zur vertikalen Kondensation
Wurzelkanalfüllung
Tab. 7.22: Systematik der vertikalen Kondensation nach Schilder, modifiziert (nach Arnold)
Behandlungsschritt Behandlungs- Behandlungsmodus/Behandlungsziell
mittel Behandlungsbedingungen
0 Vorbereitung Petrischale mit Desinfektion der Guttaperchastifte fur mindestens 10 min
CHX-Losung
1. Einprobe Dentalmikroskop Auswahl des Meisterstifts (Masterpoint) entsprechend der
oder: Lupenbrille ISO-Größe der apikalen Erweiterung der apikalen Master-
Guttaperchastrfte feile (AMF}
in 4 und 6% Koni- geradlinige Einführung des Meisterstifts ohne Knickung
zltat und Stauchung
Gutta & Fit Kontrolle der Passgenauigkeit des Meisterstifts (s. Abb.
Guttapercha- 7.76a}:
schneider visuell:
Skalpell und Kontrolle am Referenzpunkt; Erreichen der Arbertslänge
Glasplatte (Markierung der Arbeitslänge am Stift durch Druckmarke
der Pinzette)
Kontrolle des apikalen Endes der Guttapercha; Verformun-
gen, Einkerbungen und einseitige Schliffmuster als Zei-
chen eines inhomogenen apikalen Foramens
taktil: apikale Friktion (etwa 1-2 mm) des Stifts (tugback)
7.4 Wurzelkanalbehandlung im ble1benden Gebiss 341
Abb. 7.76: a) Einprobe der M eisterstifte und M arkierung des Referenzpunktes mit der Prinzette zur Kont rol-
le der Arbeitslänge. b) Korre ktur der Länge der M eisterstifte. Kü rzung des bukkalen M eisterstifts um 0,5
mm mit Hilfe eines Scalpells für einen gratfreien glatten Schnitt. c) Einmessen der Plugger und Längen-
markierung der Eindringtiefen mit Gummistopper. RP 1: Referenzpunkt bu kkal; RP 2: Referenzpunkt palati-
na l. d} Rontgenographische Darstellung der Eindringtiefen der ausgewählten Handplugger und M arkie
rung der Länge mit emem Gummistopper. e) Darst ellung der Sealerapplikation mit Hilfe einer Papierspitze.
Obw ohl das Wurzelkanaldentin gleichmaßig mit Sealerbenetzt ist, lässt sich dies röntgenographisch nicht
eindeutig reproduzieren. Große Seitenkanale werden bereits bei dieser Technik mit Sealer gefullt.
f) Einsetzen der Meosterstifte unter Kontrolle der Referenzpunlcte.
7.4 Wurzelkilnalbehandlung rm ble•benden Gebiss M;;J ,!IQIJ 345
Abb. 7.n : a) Abtrennen der am Wurzelkanaleingang ubcrstehenden Guttapercha mit dem W.irmeträger.
Ore Frrktlon des Meisterstrfts am ap•kalen Endpunkt der Aufbereitung (Iug back) verhindert die gleichzeitl·
ge Entfernung des apikal noch klemmenden M eisterstiiftes. b) Die abgetrennte und noch erwarmte Gutta
percha wrrd mit dem ersten eingemessenen Plugger zu e•ner gleichmäßigen und wandstandigen Platt·
form als Basis für die weitergehende thermoplastische Wurzelkanalfüllung geformt. Dieser kroronale Ver
schluss hilft, den eingeschlossenen Sealer und die erwetchte Guttapercha optimalrn Serienkanale und
Isthmen zu verdrängen. c) Darstellung des sequenziellen Kompaktrerens der zuvor jeweils thermrsch plas·
t inzierten Guttapercha mrt Hilfe der erngemessenen Plugger. d) Rontgenographrsche Darstellung der se-
quenziellen Verdichtung der Wurzelkanalfüllung in der Down pilck Phase. Seitenkanale und breite Isthmen
werden vollstandig gefüllt. e) Darstellung des Backpackings Im Schhffpraparat und rontgenographisch. Oie
Berührung der erwärmten Applikationsnadel mit der bereits erkal teten Guttapercha fuhrt zur oberflachll
chen Erweichung und stellt die Grundlage fur dre Verbindung mrt der neuen warm ausgepressten Gutta·
percha dar. E•ne ilnschließende Kompaktrerung erfolgt in ilufsteigender Größe mrt den eingemeuenen
Handpluggern. f) Im Ergebnrs der thermoplastrschen Wurzelkanalfullung konnen schwer zu fullende Hohl·
raumehomogen und wandstandig gefullt werden. RilmrOkatronen und Aussackungen werden mit Sealer
gefullt (Pferle).
J46 7 Endodontische Therapie
Abb. 7.n : g) Die Entfernung der Sealerreste gelingt mit Alkohol und M ikrobürsten. Nach der Konditionie-
rung des Dentins kann in einzelnen Schicht en die endodont ische Zugangskavität gegen den Neuzut ritt
von M ikroorganismen adhäsiv mit Komposit verschlossen werden. h) Röntgenographische Gegenüberstel-
lung von Ausgangs- und Endbefund. Die Wurzelkanalfüllung erscheint vollst ändig, w andständig und ho-
mogen. Der schw er zugängliche Isthmus im apikalen Bereich der Wurzel konnte nach ultraschallaktivierter
Spülung gereinigt und im Anschluss vollständig gefüllt werden. Mehrere akzessorische Wurzelkanäle wur-
den mit Sealer ausgefu llt.
4. Wurzelkanalbehandelte Zähne mit infi- Patienten war 6-40 Monate nach der Wurzcl-
ziertem Wurzelkanal und assoliierter pe- kanalbehandlung unter Verwendung von
riapikaler Läsion nach Revision: 50-70% 0,5%iger wässriger Chlorhexidindiglukonat-
5. Zähne mit nicht abgeschlossenem Wur- lö~ung in 30 Fällen der perlapikale Knochen
Letwachstum nach Apexifikation durch komplett wiederhergestellt. ln 12 fällen war
medikamentöse Einlage mit Kalzium hy- die perlapikale Lasion nach 3-8 Monaten
droxid: 75-95% deutlich verkleinert. 8 Fälle konnten nicht
nachgeröntg1 werden. K1inisch b<>stand in
Entscheidendes röntgenografisches Kri- 49 Fällen Symptomlosigkcit, in einem Fall
terium fur eine erfolgreiche Wurzelka- kam es w einer F.xverhation de~ chroni-
nalb~handlung ht di~ Erhaltung oder schen Entzündungsprozes~es. Exemplarisch
Wiederherstellung des Desmodontal- soll der röntgenografisch sichtbare Bel1and-
spalts. lungserfolg in J Fällen demonstriert werden
(s. Abbildung 7.78-7.80). Hinter zystenver-
in einer klinisch-mikrobiologisch kontrol- dächtigen Prozessen kann sich sowohl eine
lierten Studie (I<limm et al. 1989bl an 50 perlapikale Taschenzyste als auch eine pe-
Abb. 7.78: Wurzel kanalbehandlung bei zystenver- Abb. 7.79: Wurzelkanalbehandlung bei einer zys-
dächtigem Perlapikalprozess an 22 {s1t uat ionsglei· tenverdächtigen perlapikalen Lasion ausgehend
ehe Aufnahmen): a) Zust and vor der Behandlung, von 31 (situatlonsgleiche Aufnahmen): a) Zustand
b) Zustand 21 Monate nach mechanisch-chemi- vor der Behandlung, b) Zustand 4 Monate nach Be-
scher Wurzelkanalaufbereitung unter Verwendung handlungsbeglnn: W urzelkanal ungefllllt, periapi·
von O,S%iger wässriger CHX-Losung {fehlende Wur- kale Läsion deutlich verkleinert, c) Kontrollbefund
zelkanalfüllung w egen mikrobiologischer Materlai- nach 16 Monaten: weitere drastische Verklemerung
entnahme aus dem W urzelkanal): deut liche Ver- der perlapikalen Uislon, d) Zustand nach Wurzelka-
kleinerung der perlapikalen Läsion, c) Zustand nach nalfüllung (Guttapercha/Oia ket): komplette Wie·
Wurzelkanalfüllung {Guttapercha/ Oia ket) und 28· derherstellungder periapikal!!n Knochenstruktur
monatiger Beobachtungszeit, d) Zustand nach 52 und des Desmodontalspaltes {mit freundlicher Ge·
Monaten: vollständige Knochenregeneration im nehmigung des Springer-Verlags, Wien)
Bereich der ehema ligen perlapikalen Läsion (Kiimm
et al. 1989, mit f reundlicher Genehmigung des
Springer Verlags, Wien)
348 7 Endodontische Therapie
Abb. 7.81: Wurzel kanalbehandlung bei diffusl!r Parodontitis apicalis chronica mit Ki nnfistel nach Frant-
zahntrauma an 31 und 32 durch Sturz von der Leiter: a) Zustand nach tl!mporärerWurzelkanalfüllung: dif-
fuse periapikall! Aufhl!llung, b) Zustand nach 3 Jahrl!n: komplette Knochenrl!generation mit durchgehend
verfolgbarem Desmodontalspalt, c) Verschluss der Kinnfistel (vergleiche mit Abb. 5.20b)
Ko ntrai ndikation der Revision 4. l~tder e>rthograde Zugang bis zur apika-
Als Kontraindikation gelten [Hülsmann, len Konstriktion nicht möglich, wird der
Weiger 2004): endochimrgische \'\'eg eingeschlagen.
~ nicht endodontlschc Ur~achen der Paro-
dontitis apicalis Wenn denn keine periradikuläre Parodontitis,
~ fehlende Lrhaltungswürdigkeit und -fä- progrediente externe Resorptionen und expo-
hlgkeit nierte Wur7elkanalfüllungen vorliegen, rnus~
~ infauste PrQbrnose bei geplanter Restauration des Zahns und un-
zureichender Qualität der Wurzelkanaliüllung
Art der Revision die Wurzelkanalbehandlung konservativ-or-
thograd re,·idiert werden. Bei zufriedenstel-
Grundsätzlich gilt, dass bei Vorliegen ei- lender Qualität der Wurzelkanalfüllung ist die
nes Misserfolgs der Wurzelkanalbehand- Revision im Kahmen der Neuversorgung
lung zunächst stets die Revision der selbstredend nicht erforderlich.
Wurzelkanalbehandlung, also der kon-
servativ-orthograde Weg, anzustreben Durchführung der Revision
ist. Re\isionen der Wurzelkanalbehandlung sind
meist ein schwieriges Unterfangen und erfor-
Es wird zwischen 3 Arten von Revisionen un- dern Ausdauer und manuelles Geschick. Es
terschieden: sind dabei prinzipiell <llle für die primi.lre
I. Orthagrade Revision (orthograde Wur- Wurzelkanalbehandlung zutreffenden Re-
zelkanalbehandlung) gehl zu beachten. Als besondere Empfehlun-
2. Chirurgische Revision (Wurzelspitzen- gen gelten IHülsmann, Weiger 2004):
resektion mit retrograder \VurzelkanaJ- ~ Oie Patienten müssen umfassend über
füllung) Probleme, Zeitaufwand, Frfolgsaussich-
3. Orthograd-chirurgische Revision (or- ten, Kosten und Alternativen der Revi-
thograde Wurzelkanalfüllung und Api- sion aufgeklä rt werden.
kalchirurgie) ~ Oie definitive koronale Restauration
kann g.~;f. erhalten werden.
Oie endodontische Chirurgie wird im Kapitel ~ Bei Revisionen in der Tiefe des Wurzelka-
8 behandelt. nal~ i>t die ;\nwendung des Dentalmikro-
Für die Tilerapieentscheidung sind fol- skops wegen der guten Ausleuchtung
gende latsachen maßgeblich [Hülsmann, und Vergrößerung unabdingbar.
Weiger 200-t; Hillsmann 20081: ~ Oie Zugangskavität soll ausreichend groß
1. Bei Vorliegen mn periradikulärer Paro- sein.
dontitis, externen progressiven Resorptio- ~ Das Pulpakavum ist gründlich von der
nen und exponierter Wurzelkanalfüllung ursprungliehen Fullung zu befreien. Da-
i\t die Revision grundsätzlich indi7iert. bei können Kosenbohrer und diaman-
2. Bei suffizienter koranaler Restauration tierte Ultraschallspitzen durchaus hilf-
kann diese bei der Revision belas~en wer- reich sein.
den. ~ Wurzelkanalstifte dürfen nicht rotierend
3. Ist der orthograde Zugang zum Wurzelka- mit 7.angen entfernt werden lllül~mctnn
nalsystem bis zur apikalen Konstriktion 2008).
gegeben, wird die orthograde konservati- ~ ln Abhi.lng1gke1t von der Art des \VurL.Cl·
ve Revision der Wurzelkanalbehandlung Stifts erfolgt ~eine Entfernung: Metallische
gewählt. Stifte werden mit rotierenden lnstrumen-
7.4 Wurzelkanalbehandlung im bleibenden Gebiss *IH'"'' 353
riaten ,\nal)·<>e erwiesen ~ich die praop<:rah\ e netun ,·erl\urzte Wtedergabc der lndii.atjon
Pl.'rforatton, die inadäquate Quaht.tt der und S)stematil. der postendodontischen
Wuudl.analfullung und der postoperatin> Therapie am \;talen Zahn wwchtet werden.
Restaurattonwerlust als stattstisch signifi-
i.Jiltl.' Pradil.toren fur den \lisserfolg (od<h
ratlo\. 26,5, 6,6, 14,0 resp.). Außerdem hing 7.5.2 Restaurative Therapie nach
der l'rfolg OC>i l ehlen der präoperativen Per- Wurzelkanalbehandlung
foration von der Länge der Wur7elkanalflil-
lung ab (odds ratio 6,R). Der Prä~cnl. der apt- Veränderungen am wurzelkanalbehandelten
1\alen Parodontitis kam nur eine sel..und,ue Zahn
lk'deutung zu (l'art.aneh et aJ 20041. ln einer \\'urzelkanalbehandlungcn fuhren zum zu-
anderen 2-jahres-Studie ~trug die Frfolg\ra- ~lllichcn Verlust an /ahnhart\ub~tanJ~
te in\gc\.lmt nur 69,03'111 [Gorni, <..agliani phy\ikaliKhen Verdnd~rungcn und astheti-
20041 Wenn die ursprüngliche Wurzelkanal- schen Mängeln (Wagntld, \lucller I 9981. ln
anatomie durch die fnthere \\'ttr7ell\dndlhc- der Tat fuhrt die Praparallon der /ugang~ka
h.mdlung um crandert blieb, war der Revi- vität durch den \'erlu\t dc~ Pulpal.ammer-
sionserfolg größer (86,8%). Ver;mdcrungen dachs zu einer Destabihsierung der Zahnkro-
de\ Wurzelkanalverlaufs fuhrten zu einem ne, die in Funktion \t.trl..cr als l.uvor der Bie-
schlechteren I rgebni\ (-17%). gung unterliegt. Dies führt tu erhöhter
rrakturgefahr. llinl.u l..ommcn die veränder-
ten physikalischen Figenschaften durch
7.5 Postendodontische Wa:o\er"erlust und k.ollagenveränderungen,
Restauration die sich in erhöhter Sprooigkcit der Zahn-
hartsubstanzen außern. I arbwranderungen
H. I\~ 1</imm wurzelkanalbehandelter Lahne sind allge-
mein bekannt. Die\1.' (,c,ithgpunl.te mussen
<..rundsat7lich tst hierbei 7Wischen der Re~ bei dN postendodontischen Re~tauration be-
tauralion des vttalen Zahns nach Vitalrrhal- rucksichtigt werden. Allerdings seien die zu-
tungwcrfahren und der re~tauralhen Versor- nehmende Ver\prüdung \\ ur~dkanalbchan
gung des avitalen Zahns nach Wurlcll.anal- delter Zähne und die Dehydrierung c.les Den-
bchandlung .ru differenzieren. tim nie nachge\\ ic\t'n worden (h.rastl 2006).
wur.telgefüllten Zahns bei ~ehlen eines koro· 2. Pmtendodontische Therapie erfolgt stets
nalen Verschlusses nicht verhindert werden differenziert in Abhängigkeit von den in-
fforabinejad et aJ. 1990). Trotz Vorliegens Ci· dividuellen Gegebenheiten des Patienten.
nes koronalen Verschlus~ö der Zugangskavi- 3. Schon bei der Präparation der Lugangska-
täten wurz.elkanalgefOIIter Zähne zeigten alle vität ist die spätere restaurative Therapie
Wurzelkanalfüllungen im Tierversuch an Af. tu bedenken (s. Kapitel 7.4.1).
fen nach einer Woche Farbstoffpenetration 4. Nach e1folgreich abgeschlossener Wurzel·
[Madison, Wilcox 1988). In einer klinischen kanalbehandlung M>ll eine möglichst um-
Studie erwies sich die Qualität des koHmalen gehende definitive koronale Versorgung
Verschlusses als wichtiger für die perlapikale erfolgen. Dies gilt gleichem1aßen für die
Gesundheit als die Qualität der Wurzelkanal- irreversible Pulpitis und den infizierten
fi.lllung. Bei der Kombination von gutem Ko- Wurzelkanal mit oder ohne Apikalprozess.
ronalverschluss und guter WurzelkanalfiiJ- 5. Die längerfristige temporäre Restauration
Iung lagen in 91,4% der Fälle keine periapi· ist nur in Ausnahmefällen indiziert. Pro-
kalen Veränderungen vor, bei schlechter visorische Stifte erhöhen das Infektions-
Koronalrestauration und schlechter Wurzel- risiko.
kanalfullung war der Perlapex nur in 18,1% 6. Der postendodontische Aufbau erfolgt
der Fiille entzündungsfrei [Ray, Trope 1995). vorwgsweise in Adh;hivtechnik.
Aus einer weiteren klini~chen Studie geht 7. Die Adhäsion des Füllungsmaterials erhöht
hervor, dass der perlapikale Status sowohl seine Retention, senkt das Frakturrisiko
von der Qualität der endodontischcn Be- und hemmt das mikrobielle Microleakage.
handlung als auch von der Güte der korana- 8. Zur adhäsiven VersiegeJung des Zugangs·
len Restauration abhängt [Kirkevang et al. kavitätenbodens und der Wurzelkanal-
2000). Mikrobielles Microleakage lässt sich eingänge dienen dünn fließende Kompo-
offenbar nicht ausschließen [Klimm et al. site. Als Aufbaumaterial finden dual· und
1996; Preussker et al. 2003). Es kann aber lichthärtende Komposite Verwendung.
durch die hohe Qualität des Koronal- Sie werden schichtweise appliz.iert und
ver~chlus~es und der Wurzelkanalfullung reichen 2-3 mm in den Wurzelkanal hi-
minimiert we rden, um einen Qua nUt..'its- nein. Als geeignete Adhäsive werden
Qualiläts-UmschJag w verhindern. !Iei selbstkonditionierende Adhäsive und
po~tendodontischen adhäsiven Seitenzahn- Systeme der bewährten ÄtL· und Ab-
ver~orgungen liegen übrigens der geringste spruhtechnik in 3 Schritten (Ätzung/
Evidenzgrad und das höchste Risiko des Res- Primer/Adhäsiv) empfohlen.
taurationsversagens vor (Ernst 2007]. 9. Die Farbe des Aufbaumaterials soll sich in
Prin7ipiell sollten in Anlehnung an Haller ästhetisch weniger sensiblen Uereichen
[2001]. Weigl und Heidemann (2001], von der naturliehen Zahnfarbe abheben.
DGl.\1K (2003), Klimm et al. (2003], DGZ Das erleichtert die Entfernbarkelt im He-
[2005], Edelhoff et al. [2005), Krastl [2005), visionsfall und die Unterscheidung zwi-
Schwarze [2007), Klinke et aL (2007), Hüls- schen Aufbaumaterial und Dentin bei der
mann [2008] SOY.ie Natmlann et al. [2008] fol- Stumpfpräparation.
gende F.mpfehJungen fur die postendodonli- 10. Komposite als Aufbaumaterial können
sche l11erapie thesenhart festgehalten werden: bei entsprechender Indikation .,nahtlos"
1. Die postendodontische koronale Restau- mit der definitiven Kompositfüllung \-er-
ration muss heute als integraler Bestand- bunden werden.
teil der endodonti\chen Behandlung auf- 11. \\'ur7elkanalstifte sind nicht obligat. Mit
gefasst werden. der Stiftversorgung sind Risiken wie Wur-
356 7 Endodentische Therapie
zelperforation, Wurzelfraktur, Reten tions- ment als auch adhasiv m it \elbst- und
verlust und Korrosion (Metallstifle) asso- dualhärtenden Befestigungskompositen
ziiert. und den entsprechenden Dentinadhäsi-
12. Wurzelkanalstifte sind dann indiziert, ven erfolgen.
wenn hoher Suhstamverlu)t der klini- 16. Die adhäsive Befestigung der Wur?.elka-
schen Krone (sta rker Destrul-lionsgrad) nalstifte ist der konven tionellen überle-
vorlie&rt und damit eine ungenügen de gen. Sie n•rbessert die Reten tion des Stifts
Reten tion des resta urativen Therapiemit- und die Abdichtung des Wurzelkanals,
tels gegeben ist. ermöglicht ein minimalinvasives Vorge-
13. Hei der Versorgun g mit ad häsiven un d hen und nutzt dünn auslaufende und
nicht ad häsiven Stiftaufbauten ist ein unter sich gehende Dentinbereiche als
m indes tens 2 mm breiter Dentinsaum zusätzliche Retentionsßächen.
apikal des inkorporierten Stiftaufbaus zu 17. Glasfaser- und Carbonfascrstiitc sind zu
präparieren, der später von der defini ti- bevorzugen, da sie im Vergleich zu Kera-
ven Krone gleichsam umfas\t wird. Da- mikstiften eine dentinähnliche Elasti71-
durch wird die Zahnwurzel stabi lisiert tät besit7en (Biegemodul) und wen iger
(ferrulc effect, Fassreifendesign). Spaltbildungen im Bereich der unter-
l-!.lm Apikalteil des Wurzelkanals muss ein ~uchten Verbindungszonen aufweisen.
Wunelkanalfüllungsanteil von ca. 4 mm 18. Die konventionelle Dentinkonditionie-
Länge erhalten bleiben. rung ist der Selbstätzung vorzuziehen, da
15. Oie definitive Insertion von Wurzclka- die Qualität der Verbundzone zwischen
nal~tiften kan n ~owohl kornentlon ell Dentinadhäsiven und Dentin bei adhä\ i-
mit Zinkphosphat- und Glasionomer-Ze- ver Befestigung der Glasfaserstifte in vi-
tro nach konventioneller Säureätzung
besser war als nach dem F.insatz \elb~tät
Lender Befestigungssysteme. Die Ver-
bundzone zwischen Befestigungskompo-
-f-\:- -\-- defi nitive slt und C.lasfaserstift zeigte keinerlei
Kompositfüllung
Mängel.
19. Hauptindikationsgebiet metallfreier Wur-
Kompositaufbau
zelkanalstifte ist die postendodontische
Ver5orgung de\ Oberkteferfrontzahns.
20. Als definitive postendodontische Thera-
piemittel gelten indikationsabhängig
direkt e Kompo~itfüllungcn, Kera mi k-
venecrs und -inla y~. Keramikteil- und
-vollkronen sowie metallisch e Overlays
und Teilkro nen.
Tab. 7.23: Indikation der postendodontischen Restauration der Frontzähne (nach Haller 2001; Weigl,
Heidemann 2001; DGZMK 2003; Edelhoffet al. 2005; Krastl 2005)
Ausgangssituation nach Wurzelkanalbe- Art der Restauration
handlung Aufbau Restauration
Metallstift·Metallstumpf· Metallkeramikkrone
aufbau Vollkeramikkrone
Glasfaserstrfte: Mirafit Whote (Hager & Werken), FRC Postee Plus (lvoclar Vivadent) EasyPost (Dentsply DeTrey), ER Sys·
tem/OentonPost (Brasseler)
Carbonfaserstofte: Mirafit Cilrbon (Hager & Werken)
Carbon-Giasfaser-Stifte: Bonafit (BonaDenl)
Quarzfaserstofte: Radix FiberPost (Dentsply OeTrey), OT White Post, OT Light Post (VOW)
Keram okstofte (Zlrkonoxid); ER System/CeraPast (Brasseler)
Vollkeramikkrone
2mm
adhäsiv befestigter
1- -4-- Glasfaser- oder 1-- -lf.- adhäsiv befestigter
Keramikstift Glasfaser- oder
Keramikstift
Abb. 7.91: Prinzop der postendodontischen Versor- Abb. 7.92: Prinzip der postendodontischen Versor·
gung bei subtotalem Kronenverlust am Frontzahn gung bei totalem Kronenverlust unter Erhaltung
eines 2 mm breiten Dentinsaums (Fassreifen-Oe·
sign) am Frontzahn
358 7 Cndodontische Ther.~pie
Tillb. 7.24: Indikation der postendodontischen Restauration der Seltenzahne (nach Haller 2001; Weigl,
Heidemann 2001; DGZMK 2003, Edelhoffet al. 2005, Krastl 2005)
Ausgii"'SSituilltion nill<h Wune!· Art der Restilluriltlon
kiiiNibehillndlung ~u
Priimolillren
Geringer Destruktionsgrad Direkte Kompositfüllung
(ein· und zweiflachige Kavität) Kompositaufbau Direkte Kompositfüllung
Kompos1taufbau Keramikinlay
Kompos1taufbau Keramikinlay
Moliiren
Geringer bis mittlerer Direkte Komposetfullung
Destruktionsgrad Kompositaufbau Keramikinlay (s Abb. 7.94)
{ein·, zwei ·, dreiflächige Kavität)
Komposetaufbilu Metallisches Overlay (s Abb. 7.93)
bukkal oral
r----1--1-- - - - Wunelkanal-
füllung
7.5 ~t~ndodontosche Restaur~tion ·=· f.iiüll 359
+ - 1--1-- Kompositaufbau
r----1--.J----- Wurzelkanal·
füllung
Keramik
1-- -+-i-- - teilkrone
Wurzelkanal-
füllung
H-- ll - - - Wurzelk;~nal
fullung
360 7 Endodontische Therapie
Abb.7.97!Abgestimmtes
System aus Bohrern und
konfektionierten Glasfa
serstiften zur postendo·
dontischen Versorgung
3. Praparation des Stift- praoperativer Röntgenstatus anzustrebende Stiftlänge! 2J3 des Wurzel-
kanals nach Wurzelkanalfüllung kanals (zementierte Stifte), Hälfte des Wu r-
zelkanals > 6 mm (adhaslve Stifte)
2. Best immung der Stift- s. Tab 7.25 anzustrebende Stiftlimge: 2fJ des Wur-
länge und -stä rke zelkanals
St iftdurchmesser: entsprechend der
funktionellen Belastung
3.2 Direktes Verfahren konfektionierter Metallstift M odeli ierung des direkten St umpfauf·
baus in der Klin ik, Guss im Labor
dontischer Chirurgie bei der Behandlung von Besteht keine Verbindung ?whchen Invagi-
Zähnen mit fortgeschrittenen internen Re- nation und Pulpa (Typ 111), wird die vitale
sorptionen haben aud1 Arnold ct aJ. 120001 Wurzelkanalpulpa unberuhrt gelassen, die
hingewiesen. Hül~mann [2004] hat ein vor- lm·aginatlon bis zum apikalen Parodont hin-
trefniches Therapieschema beim Ocns irwa- gegen endodontisch behandelt.
ginatus entwickelt. Demnach sollten beim t:xemplarisch für die endodontische Be-
i'chlcn einer Parodontitis apicalis und bei handlung von Zahnanomalien soll hier das
vorhandener Sensibilität Maßnahmen der therapeutische Vorgehen bei einem Dens in-
Sekundärprävention durchgeführt werden: vaginatus dargestellt werden (s. Abbildung
Reinigung der Invagination, Versiegelung, er- 7.99a, b und c).
weiterte Versiegelung, Komposilfüllung, re- Sekunclärpr'clvention und Therapie des
gelmäßige Kontrolle (Röntgen- und Sensihili- Oens evaginatus bestehen in Abhängigkeit
tätskontrolle). Bei Vorliegen einer Parodonti- von Lokalisation, Ausdehnung, Funktion
tis apicalis und beim Verlu~t der Sensibilität und Pulpazustand in folgender Palette: The-
ergeben sich 4 Therapievarianten: rapia nulla bei fehlender Indikation, Fissu-
1. Wurzelkanalbehandlung bei regulärem renversiegelung, Optimierung der Mund-
Kanal und Erreichen des Apex durch die hygiene, Lokalapplikation von Huoriden,
Invagination unter Verwendung eines schrirtwei\e~ F.inschleifen und DenUnversle-
endodontischen Ultraschallsystems gelung mit fließfähigen Kompositen, direkte
2. Ape>..ifikation bei nicht abgeschlossenem und indirel-te Überkappung, PuJpotomlc mit
Wurzelwachstum Ca(OHh und MTA sowie Wurzelkanalbe-
3. Wurzelkanalbehandlung und WSR: bei handlung [1 lülsmann 200-1; Levitan, Himel
anatomischen Problemen und endodon- 2006]. ln jüngster Zeit wurden Berichte über
tischern Misserfolg die nicht chirurb>ische Redsion bei einer in-
4. Extraktion bei endodontischem und chi- J.. omplettcn Gemination eines oberen late-
rurghchern }vlisserfolg, überzähligen Zäh- ralen Schneidezahm [Yücel, GüJer 20061 und
nen und schwierigen anatomischen Ver- uber die kombinierte endodontisch-paro-
hältnissen donti~che Behandlung bei einem Zahn mit
Unter einer Kompli kation ver\teh t man ein Die Kompl ikationen bei der endodontischen
Ereignis oder einen Umstand, wodurch der Behandlung lassen sich in Anlehnung an
durchschnittliche Ablauf einer Erkrankung, <..uldener 11993), Frank (1994] sowie fuss
eines ärztlichen Eingriffs oder naturliehen und Trope ll998j wie folgt einteilen:
Vorgangs ungünstig beeinflusst werden kann 1. Schädigung der vitalen Pulpa
U>schyrembcl 1998). Auf jeden fall handelt ...1111 Präparationstrauma
C) ~ich um ein unerwartetes, storendt::) und ...1111 artifizielle Eröffnung
Irritierendes Ereignis, das möglicherweise ...1111 chemische Schädigung
dem Patienten zum Schaden gereicht. Die 2. Komplikationen im Zusammenhang mit
Komplikation kann durch einen Behand- der Zugangskavität
lungsfehler verursacht werden. "Der BGH ...1111 mangelhafter Randschluss von Fül-
(Bundesgerichtshof) mis~t den Behandlungs- lungen
fehler daran, ob der Za hn(Arzt) un ter tinsatz ...1111 Behand lu ng des falschen Zahnes
366 7 EndodontischeTherapie
ein äußerst negatives Ereignis ist. Daher <~~ Lupenbrille, Kaltlichtquelle oder D~ntal
kommt der Prawntion dieser Komplikation mikroskop m r Sichtbarmachung des
eine große Bedeutung zu [Wesselink 1992]. Fragments
Diese beinhaltet den geradlinigen Zugang <~~ Langschaft-Rosenbohrer zur Freilegung
zum apikalen Wurzelkanaldrittel, die sorgfäl- des koranalen 1-ragmentteils
tige Kontrolle der benutzten Aufbereitungs- <~~ Gates·Glidden-Bohrer mit entfernter
instrumente und eine adäquate Aufberei- Zentrief)piue oder feine Ultraschallspil-
tungstechnik JWcsselink 1992; Hülsmann zen zur Präparation einer Plattform und
1999J. partiellen Passage
Die t:ntfernung fraktu rierter Wur?elka- <~~ \Vurzelkanalaufbereitungsinstrumen te
nalin)trumente stellt eine große llerausfor- der !SO-Größe 10 und 15: Ream~r zur
derung im Rahmen der orthograden Wurzel- Sondierung, Feilen zum Freiprapaderen
kanalbehandlung dar und bleibt häufig er- und Fntfernen des Fragmenb
folglos JHülsmann 1996J. E.ine höhere <~~ Stropko-Luftbläser zur Trocknung des
Erfolgsquote der Entfernung von abgebro- Wurzelkanals nach \\;ederholter u ltra-
chenen Instrumenten war an folgende Be- schallal.tivierter ~pillung
dingungen geknüpft [Schinkel, Hülsmann <~~ Masserann-Sesteck (~licro-~ega) (s. Ab-
20001: bildung 7.102). E.ndo-Ex:traktor, Metrac
gerade oder wenig gekrümmte Wurzelka- (!Iager & Meisinger) und Instrument Re-
"' näle moval Sy\tem nach Ruddle tur Entfer-
einkanalige Zähne nung koronal lokalisierter Fragmente aus
"' distale Kanäle unterer Molaren kräftigen Wurzeln
"'"' Oberkieferzahne Canal-finder-Sy~tem zum Umgehen de~
"' Hineinreichen de) Fragments bis in) ko- "' Fragments und freipräparieren
ronale Wurzelkanaldrittel Ultraschallinstrumente zur Lockerung
Fraktur des Instruments koronal der Wur- "' des Fragments nach teilweher Passage
"' 7elkanalkrümmung
"' Chelatoren zur Erweichung des Wurzel-
Länge des Fragments> 7 mm kanaldentins
"' frakturierte Reamer oder Lentulos langen, l)inzetten, 'ladelhalter, Injekti-
"' "' onsnadeln lllealer, O'Connor 1999] zum
llülsmann [1996; 2007; 2008) hat \iCh über fixieren und Entfernen des Fragments
die Strategien zur Entfernung fmkturierter
i\ufbereitungsin~trument e ausfuhrlieh geäu- Wir messen der substanzschonenden Entfer-
ßert. Dabei spielen folgende Mittel eine nung frakturierter lmtrumente durch Locke-
wichtige Rolle: nmg mit Ultraschallspitzen, kräftiger Spli-
lung und Entfernung mit dem Micro·Opener
unter dem Dentalmikroskop große Bedeu-
tung bei (s. Abbildung 7.103a-c). Bei Instru-
mentenfrakturen sollte tolgendermaßen vor-
gegangen werden: Wichtig i)t .runächst die
Feststellung, ob eine vitale oder nekrotische
Pulpa\ orgelegen hat. Es sollte generell ange-
strebt werden, das frakturierte lmtrument tu
entfernen. Gelingt die [ntfcrnung nicht,
sind folgende ~laßnahmen angezeigt: Desin-
Abb. 7.102: Masserann·Besteck (Mocro·Mega) fektion des Wurzelkanals. Integration des
7.7 Komplikationenbel der endodontischen Behandlung *:fj.)IDII 369
Abb. 7.104: Überfullung ln den MandibularkanaL a) Perforation des distalen Wurzelkanals von 37, b) Überfül-
lung des Wurzelkanals in den Canalis mand1bulae mit nachfolgender Parasthesie des N alveolaris inferior
für erforderlich gehaltenen Sicherungsmaß- und die genannten Symptome auftreten, ist
nahmen unterlässt, handelt auch dann fahr- nach Gabka [ 1986] die Kopfhängelage des
lässig, wenn diese Maßnahmen mit gewissen t>atienten mit leichter Überstreckung anzu-
Unbequemlichl..eiten oder Zeitverlust ver- streben. Danach werden Rachen, Tonsillen
bunden sind und deshalb in der Praxis übli- und Epiglottis subtil ausgelastet, um den
cherweise nicht angewendet werden. • (.,Na- Fremdkörper zu lokalisieren und zu entfer-
dei"-U rtcil BGII27.11.19S2- VI ZR 2S/S2) nen. Is t dieser nicht mehr lU erreichen und
sind Stridor, Zya nose und Husten abgeklun-
Die ungenügende Sicherung von endo- gen, wird eine Cito-Röntgenaufnahme ange-
dontbchen lmtrumenten gilt ah Be- fertigt. Besteht der Verdacht auf Verschlu-
handlungsfehler. cken, kann der Patient in Anwesenheit einer
Begleitperson sitzend transportiert werden
Oie effektivste Sicherung gegen Aspiration bzw. kur1e Strecken laufen. Bei Vorliegen des
und Verschlucken (s. Abbildung 7.106) von Instruments in der Speiseröhre wird eine
Kleininstrumenten ist das Anlegen von Kof- Ösophagoskopie, bei seiner Lokalisation im
ferdam rHulsmann 1992]. Zur lnstrumenten- Magen eine Gastroskop ie durchgefuhrt.
~icherung werden außerdem noch Zahn- Liegt der Fremdkörper bereits im Darm, ver-
seide, Sicherheitskettchen und Endobelt lässt er demelben fast immer per \'ias natura-
(VDW) eingesetzt. Gottlob ist das Verschlu- les nach Gabe ballaststoffreicher Kost ILam-
cken und die Aspiration von Wurzelkanalin- brianidis, Bettes 1996]. Bestehen Hu~tenan
strumenten eine seltene Komplikation, wo- fälle, Stridor und Zyanose fort, ist der Patient
bei das Versdllucken wiederum häufiger ist zum Otorhinolaryngologen zur Laryngo-
als die Aspiration. Es handelt sich dabei alle-
mal um lebensbedrohliche Zwischenfälle.
bzw. Bronchoskopie zu begleiten. Der Trans- Schmerzen [Kiimm 1997). Diese werden
port des Patienten erfolgt liegend [Schäfer durch die Kariesentfernung und den dichten
2007]. Der Fremdkörper ist vom Zahnarzt an Verschluss der Kavität mit einer provisori-
Ort und Stelle zu identifi..:ieren [Gabka schen oder definiti\•en Füllung beseitigt.
1986]. Zur Pneumonieprophylaxe wird die
antibiotische Abschirmung mit Breitbandan-
tibiotika empfohlen. Wenn der Fremdkörper 7.8.2 Reversible Pulpitis
nicht auf endoskopischem Weg zu entfernen
ist, muss operiert werden. Bei schwerer Pa- Im Rahmen der exspektativen Pulpitisdiag-
renchymschädigung ist eine Lungenresek- no)tik ''· Kapitel 5) wird die weiche Karies
tion erforderlich (Zeidler, llornberger 197-t]. zunächst \'OIIständig ausgeräumt und der
harte, geschlossene und verfärbte Kavi täten-
boden indifferent oder mit Ca{OH)z fur 24-
7.8 Endodontische 48 h verschlossen. Bei Schmerzausschaltung
Schmerzbehandlung liegt eine re,·ersible Pulpitis vor.
Abb. 7.107: Eigenes Anästhetikum zur Schmerzbe- Abb. 7.108: N. Sherpa mit Gewürznelke nach er folg·
handlung bei Irreversibler Pu lpitis reicher Behandlung pulpitiseher Schmerzen bei ei-
ner Himalaja-Tour des Verfassers
Unter extremen nicht klinischen Bedingun- Sdlmerzbehandlung). Gegen die sofortige de-
gen können GC\\ii rznelken (Flores Caryophyl- finitive Wurzelkanalfüllung wäre fachlich
li) wertvolle Hilfe zur Sclunerzbckämpf1mg nichts einzuwenden. Bei Vorliegen der puru-
leisten, wenn sie täglich in die kariöse Kavität lenten ~onn der irreversiblen Pulpitis mit Per-
appliziert werden (s. Abbildung 7.I 08). Als ku\Sion~empfindlichkeit wird nach der Pul-
Minimaltherapie gilt außerdem d ie partielle paexstirpation der Wurzelkanal um 2- 3 ISO-
oder totale Pulpotomie in folgender klini- Größen mechanisch aufberei tet, chemisch
~cher Vorgehensweise: Lokalanästhe~ie -+ behandelt, mit einer medikamentösen Zwi-
Koffcrdamanlage -) Kariesexkavat ion -+ Tre- scheneinlage versehen und dicht verschlos-
panation ) Abtragung des KavumdadlS ) sen llleidcmann 2001). Ein Offenlassen des
partielle oder totale Entfernung der Kronen- Wurzelkanals \erbietet sich wegen der statis-
pulpa -+ BlutstUiung -+ Spülung der llulpa- tisch signifikanten Zunahme \On Exazerba-
kammer mit l"aOCI ) Trocknung ~ Applika- tioncn und Sitzungen [Weine et aJ. 1975).
tion von Ledermix-Paste -+ Abdeckung mit
Wattepellet -+ dichter temporärer Verschluss
(alternativ: mit Eugenol oder anderem Anäs- 7.8.4 Akute apikale Parodontitis
thetikum getränktes Wattepellet) [Schäfer
200RI. Oie effektivste Schmerzbehandlung Unabhängig von der Form der Parodontitis
bei irreversibler f>ulpitis vollzieht sich durch apicalis acuta (ohne Infiltrat, mit Infiltrat,
die komplette Vitalexstirpation (Pulpekto- submuköser 1\bszess) ist der stark klopfemp-
mie) nach exakter Längenmessung mithilfe findliche schuldige Zahn 7U trepanieren, um
der Röntgenmessaufnahme und medikamen- eine Schmerzlinderung zu erreichen. Bei
töse Zwischeneinlage mit Ca(Ollh (kausale Vorliegen eines purulenten EntzLindungsge-
374 7 Endodontische Therapie
Tab. 7.27: Ent scheidungskriterien für oder gegen die endodontische Behandlung von Milchza hnen
Allsemeine Faktoren Lokale Faktoren
Kooperationsbereitschaft des Patienten und dessen Morphologische und physiologische Besonder-
Eitern heoten der Milchzahne
Abb. 7.109: Lagebeziehung zwischen zweitem Abb. 7.110: 4-jähriges Kind; zw eiter Prämolar in ei-
Milchmolaren,dem Zahnkeim des zweiten Prämo- nem f rühen Mineralisatlonsstadium. Der lahnkeim
laren und dem ersten bleibenden Molaren sowie w ird von den Milchmolarenwurzeln umschlossen
morphologische Unterschiede zwischen Milchzahn
und bleibendem Zahn: gekrümmte Milchmolaren-
wurzeln umschließen den Zahnkeim, Hartsub-
stanzmantel am M ilchzahn deutlich geringer, me-
siales ..Pulpahorn" am M ilchzahn
Abb. 7.112: Karlös zerstörte Milchfrontzähne bei ei· Abb. 7.113: Fistel bei chronischer apokaler Parodonli·
nem 3-jährigen Jungen. Fistel bei chronischer api- tos am Zahn 84 bei einem 8-jährigen Mädchen
kaler Parodontitis am Zahn 61
7.10 Endodonttscht BthiiOdlung im Milchgebiss * t i.lJGII 379
Abb. 7.n 4: 8-Jilhnges Kind,zweiter Milchmolar mtt Abb. 7.115: S·Jahnges Kind; tnterradikuläre Aufhel·
profunder Kanes und interradtkularer Parodonlttts Iungen an betden Mtlchmolaren: typ•scher rontge-
nogriilphischer Befund etner ap•killen Parodont ttis
an MtIchmolaren
liefert Informationen zu Lagebeziehungen
mi\Chen Milchzahn und Zahnkeim de'
'\Jachfolger\.
Ein weiteres objektives Kriterium fur die
Diagno~e i~t der Befund am Ka vitätenbo·
den. Dies bedeutet, d.ts~ die endgültige kllni-
~che Diagnoseort erst während der Behand·
lung des Milch7.Alhns gestellt werden kann.
Ein harter, verschlossener Kavitätenbodl'n
nach re\thl\l'r Kariesentfernung spricht fur
eine re,·ersible l>ulpaerkran}..ung. Bei Pulpa
eroffnung konnen Intensität und I arhe der Abb. 7.116: Ausgedehnt e Zyste in regione 73 bis 36
(pathohistologisch bestat•gt) nach endodontischer
Blutung Hinweiw auf da\ Ausmaß der t:nt· Behandlung von 74 und 75 ohne regelmaß•ge Kon ·
wndung sein. I ine massi,·e Blutung, die trollen des Behandlungsergebnisses
nicht innerhalb kurzer Zeit zum Still~tand
kommt, deutet .tuf eine irrever5iblc F.ntlun- eher \eltenes Vorkommni\. 1\u~rdcm mus-
dung der Pulpa IWaterhouse ct .tl. 20001. scn in diesen Fallen i nterr<~tlikul:tre~ (,ranu-
l benso kann nach Entfernung der profun- latiomgewebe oder bis in das l'ulpakavum
den Karic' da~ Pulpakavum eröffnet sein und gt•wucherte Glngiva differcnLiJlthagnmlhch
sich die nl'l\rotl\(he Pulpa zeigen. ausgeschlossen werden.
Line pathohistologische Diagno~c lasst Fur die durchzufuhrende I herapie erfolgt
sich durch d1c klinischen Befunde nicht ~tei de\halh eine klinische Differenzierung zwi-
len hfahrung\gt:m<~ß lassen sich im ~1ilch· \c;hen:
gebiss pathohistologisch folgende r rkran- .A re\ersibler l>ulpitls
kungsformen am haufigstcn nachwe1sen: .A irrever.ibler Pulpitb
.A Pulpitis acutil purulenta totali\ .A Pulpanekrose (mit mehr oder weniger
.A Pulpitis chronicd aperta ulcerosa amgcdehnter apikaler bzw. intcrradi kulä·
.A Pulpanci-.rmc rcr l'arodontitis)
Die einzeln~n \rbcitsschritte der Pulpotomie totalen Pulpitis. In die\en I allen \ollte eine
SUld tn der nachfolgenden Systematik zu- Pulpektomie oder die E\traktion des !'.1ilch-
)ammengefa~~t und in den Abbtldungen zahns vorgenommen werden (Carotte, \\a-
7. 117a-f dargestellt. terhouse 20091 Du.• fruher in die~en Fallen
\'orau\\etzung für den l:rfolg der Pulpo- durchgeführte IWCi?eitige \lortalamputa-
tomle tst eine gesunde Wurzelpulpa. Eine tion ist aus heutiger Sicht tmht mehr vertret-
m<mi\\.', ~chw~r w Millende Blutung der bar. llierbei wurde die Pulpa mit einer form·
Wurzelpulpa \pricht für das Vorliegen einer aldchydhaltigen Paste devitallsi~rt, und in
' ,-/ :
Abb. 7.117: Ourchfuhrung einer Pulpotomie am Milchzahn Ote Sanierung des Gebisses erfolgte in diesem
Fall unter lntubateonsnarkose. a) Zahn 74 bei einem 3·Jahrigen Madchen Restlose Entfernung kariös er
weichten Oentens, Freilegung der Pulpa. Mit etnem sterilen Fissurenfraser erfolgt Jetzt dte Entfernung des
Pulpadaches b) Oie Amputation der koranalen Pulpa wird met etnem sterilen kugelförmigen Diamant
schleiferunter Kochsalzberieselung durchgefuhrt. Zur Blutstillung wird ein in physeotogescher Kochsalz!~
sung getranktes WJttepellet auf die Kanaletngange apphz•ert. c) Zustand nach Blutstellung d) Applikatton
von Ca(OH)z-Suspension auf die Kanaleingange.e) Uberdeckung mtt Zinkoxid Eugenoi-Zement Nach dem
Legen etner dtehten Unterfüllung erfolgt der definotive Kavotätenverschluss. f) Definittve Versorgung des
Zahnes mtt emem Kompomer
710 Endodontische Behandlung im Milchgebiss •:tt·*G*' Js l
wendete ~ethodc bei der Pulpatornie am D904) appll.::lert. Zur Wundver<,mgung dien-
Milchzahn. , ach Lokalanästhesie wurde die te eine Zinkoxid-Eugenoi-Formok.resol-Paste.
koronale Pulpa entfernt und auf dle radlku- Trot7 klinlscher Erfolgsraten von 55-98%
läre Pulpa wurde mit einem Wattepellet für nach Kontroll.::eiten von mehreren Jahren
5 min Formok.resol-Lösung nach ßucklcy steht die Verwendung formaldehydhaltiger
Dentalpräparate in den letzten Jahren zu-
nehmend unter Kritik. In einer Reihe tierex-
perirnenteller Studien zeigten sich systeml-
sche Effekte und die Absorption des Formal-
dehyds in inneren Organen [Pashley ct al.
1980; Myers ct al. 1983; llata et al. 1989J.
Formaldehyd wirkt zytotoxisch und hat mu-
tagene, karzinogene, immunogene und aller-
glsierende Eigenschaften [Wu, Wang 1989;
Sun et al. 1990; Lewi~ 1998; IARC 2004]. Aus
diesem Grund wurden die Verwendung ver-
Abb. 7.118: S-j ähriges Kind; röntgenographische
Kont rollaufnahme nach Pulpotomie mit Kalzium- dunnter Buckleyscher Lösung, die Reduzie-
hydroxid an einem zweiten unteren M ilch molaren: rung der Applikationszeit der Formol.resoi-
Hartgew ebsbildung Im Bereich der Amputat ions-
wunde
Lösung auf die Amputationswunde und ein
reiner Zinkoxid-Eugenoi-Wundverband als
Kompromiss empfohlen [ßeaver et al. 1966;
Morawa et al. 19751. Die Progression der Ge-
websfixation nach apikal und eine cvtl. Pe-
netration über den Apex hinaus konnten da·
mit aber auch nich t ausgeschlossen werden.
Der Einsatz der einzeitigen Formol.resoi-
Technik mit I :5 verdünnter ßuckleyscher
Losung und einem formokresolfreien Wund-
verband wird deshalb in der aktuellen Stel-
lungnahme der deutschen wissenschaftli-
chen Fachge~ellschaften auf Ausnahmeftlllc
begrenzt IBorutta, Heinrich-Wel t.::ien 2002].
Kalziumhydroxid ist nach wie vor das
Übcrkappungsmittel der Wahl. Es schafft
keimfreie Verhältnisse im Bereich der Ampu-
tationswunde. Die vitale Wurzelpulpa reagiert
mit Bildung einer Hartsubstanzbarriere (.,ßrid·
ging") (s. Abbildungen 7.118-7. I 20a-<l).
Das Belassen eines Blutkoagulum~ 7Wi·
sehen der Kalziumhydroxidpaste und der
Wur7elpulpa verhindert diesen Vorgang und
fördert interne Rc\orptionspron•sse [Schro-
Abb. 7.119: Histologischer Befund: Wurzelpulpa ei- der 1973; 1978) (s. Abbildungen 7.121 und
nes Milch molaren, Hartgewebsbildung nach Pulpo- 7.122). Strenge lndil.ationsstellung und sorg-
tomie mit Kalziumhydroxid. Der Milchmolar wurde
im Rahmen einer kieferorthopädischen Behand- faltiges Arbeiten sind somit Voraussetzungen
lung extrahiert. für den Behandlungserfolg.
7.10 Endodontische Behandlung im Milchgebiss *=tH'Afl 1ss
Abb. 7.120: Dokumentation der Behandlung eines 2-jährigen Mädchens. a) Profunde kariöse Uisionen an
den oberen Schneidezahnen (Saugerflaschenkaries), labiale Ansicht. b) Kariöse Uisionen von palatinal.
c) Zustand nach Sanierung in ITN. An den Zähnen 51 und 61 wurde eine Pulpotomie mit Kalziumhydroxid
durchgeführt. Oie Restauration der Zahnkronen erfolgte mittels Frasacokronen und Kompomer.
d) Rontgenographische Kontrollaufnahme 16 Monate nach der Behandlung. Die Ausbildung einer Hartge-
websbrucke an beiden pulpotomierten Schneidezähnen ist deutlich erkennbar.
Abb. 7.121 : 5-jahriges Kind; rontgenographlsche Abb. 7.122: 7-jahnges Kind; Mtsserfolg nach etner
Kontrolle 18 Monate nach Pulpotomie: interne Re- Pulpotomte am Zahn 84: penaptkale und interradi-
sorptionen im mesialen Wurzelkanal und lnterradl- kuläre Aufhellungen
kuläre Aufhellung
386 7 Endodontische Therllpie
~ Trodmung mit Papierspitzen al. 20001. Allerd ing~ ~tehen klini~che Lang-
~ Wurzelka na lfüllu ng zeitstudien zum Ausschluss ?.ahn keimschädi-
~ dichter Verschluss des koronalen Pulpa- gender Wirkungen noch aus.
kavums mit GIL Komplikationen nach einer Wurzelkanal-
~ definitive Füllung: konfeJ..tionierte Kro- behandlung wie anhaltend!.' Beschwerden,
ne, Kompomer la hn lockerung, Auftreten einer Fistel und
~ Crfolgskontrolle (klinisch, röntgenogra- die En stehung perlapikaler bzw. interradiku-
fhch) llirer l'arodontitiden bzw. die Nich taushei-
lung bestehender entzündlicher Verände-
ln Abhängigkeit von der klinischen Situation rungen sind lndLkationen zur Extraktion des
(Schmerzen) kann die Therapie auch in 2 Sit· J\.tilchzahns.
lungen durchgeführt werden. ln diesem Fall
wird nach der Trocl-n ung der Wurzelkanäle
eine Zwischeneinlage mit Ca(0H)2-Suspen- 7.10.5 Temporäre Maßnahmen
~ion appliziert und die Kavität dicht ver-
schlo~..en. Die Trepanation von Milchzähnen und ihr
Die Arbeitslänge der Wurzelkanalin- Belassen bzw. Herunterschleifen auf Gingiva-
strumente wird i.d.R. am diagno~tischen Niveau ist eine kurzzeitige Kompromisslö-
Röntgenbild eingestellt. l)ie Aufbereitung sung. Sie hat ihre Berechtigung bei der Über-
der Wurzelkanäle sollte bis Ln Apexnähe er- führung eines akuten Krankheits7ustands in
folgen bzw. ca. 2 Drittel der Wurzellänge be- einen chronischen. Ist dieses Ziel erreicht,
tragen. Damit wird die Gefahr einer Zahn-
keimschädigung minimiert.
Nach Entfernung der Pulpa werden die
Wurzelkanäle gründlich gereinigt und mit l-
2,5%iger Natriumhypochlori t- Lösung ge-
spült. 1ormalerweise wird auf eine mechani-
sche Kanalerweiterung verzichtet.
Das definitive Wurtclkanalfüll material
mu~s besonderen Anforderungen genügen.
Es sollte v.a.
~ resorbierbar, radiopa J..,
~ ungefährlich für die peri.tpikalen Gewebe
und den Keim des bleibenden Zahns
sein,
~ die Resorption der Milchzahnwurzel
nicht behindern.
Abb. 7.124: Turner-Zahn 25 bei einem 12-jährigen Abb. 7.125: Rontgenographische Kontrollaufnahme
Mädchen. Die Extraktion des Milchzahnes 65 er- bei einem 7-jahrigen Knaben. Die Extraktion der
folgte im Alt er von 5 Jahren wegen einer akuten Milchmolaren 74 und 75 erfolgte Im Alter von 4
apikalen Parodontitis. Jahren wegen apikaler Parodontitiden. Entwick·
lungsstörung bei Zahn 34 erkennbar (Turner-Zahn)
muss die Extraktion de.~ Milchzahm erfolgen A(,l:.f: lJie Wurzelkanalspulung. SteUungnah-
oder eine Wurzelkanalbehandl ung durchge- mc der DGZMK. Zahnärztl Mitt 96, 52-53
(2006)
fü hrt werden. Nur so können Exazerbationrn
Ahmad, M., Pitt Ford, Th. R., Crum, L. A.: Ul·
und rezidivierende Abszedienmgen vermie·
trasonic dcbndcment of root canals: An
den und der Entstehung von Zahnkeimschä- insight into the me<:hanisms involved. J
digungen (Tumerzähne) (s. Abbildungen Endod 13, 93 (1987a)
7.123-7. 125) vorgebeugt werden. Im Falle Ahmad, M., Pitt Ford, Th. R., Crum, L. A.: Ul-
der Extraktion eines Milchzahns muss die Lu- trasonic dcbridemcnt of root canals:
acoust ic streaming and its possiblc role. J
cke kontrolliert und ggf. mit einem Platzhal-
Endod 13, 490--199 (1987b)
ter versorgt werden. Längeres Belassen trepa- Alunad, M., P1tt ford, Th. R.: Companson of
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8 Endodontische Chirurgie
8 Endodontische Chirurgie
S. (ii!bler
HWenn sic/1 eitle Tiir I'Or um scllließt, öffnet sicll 8.1 Grundlagen und Prinzipien der
eine andere'." endodontischen Chirurgie
(Andre Gide 1861- 1959)
8.1.1 Vorbereitung
Wem1 der konventionellen Endodontie
Möglichkeiten oder Mittel fehlen, die Rege- ln Vorbereit ung auf einen chirur),>ischen Ein-
neration periapikaler Läsionen zu erreichen griff mü~sen eine zeitnahe Anam nese des
und den betroffenen Zahn zu erhalten, ste- Patienten vorliegen und ein aktueUer Status
hen die chirurgischen Verfahren zur Diskus- praescns erhoben werden. Alle ll<AR UZ-Fra-
sion . gen mü\\en klar beantwortet werden kön-
Neuen Aufwind bekommt die Diskussion nen:
über chirurgische Verfallren durch eine Me-
taanalyse [T~esis et al. 2009], die für ein mo- 1 Welche Indika tion he\teht tu t!inem
dernes chirurgisches Vorgehen über 919(, Er- chirurgischen Eingrift7
fo lg angibt. Vergleich t man diesen Wert mit K Welche Ko ntra in dikatio nen und
den Erfolg~raten, die fur orthograde endo- ~ebenerkrankungen \ind vorhan-
dontische Verfahren angeführt werden, mü~ den?
~en aber dringend auch die zugrunde liegen- A Sind Ananmese und Status praesens
den Zeiten und Erfolgskriterien bet rachtet vollstandig?
werden. Entscheidend ist, da~s fü r diese Ana- R Reihe nfo lge: Welches Vorgehen i\t
lyse die Verwendung von Vergrößerung, geplant?
Lich tsystem und retrograder UltraschaUpra- U \:Velchen Umfang kö nnte die Opera-
paralion der Wurzelkanalsysteme vorausge- tion im schlimm\tcn Fal l anm·h-
setzt wird. num?
7 Welches genaue Ziel hat der geplan-
Die Anwendu ng von Vergrößeru ng, te Li ngri rr?
l.ichby~tem und retrograde r Ultra-
schallpräpara tio n ~teilen conditioncs Vor der Operati on m us~ die Aufklärung des
sine qua non, also unver7ichtbare Vo- Patienten und ggf. die des Vonnundes
ram~etzungen , fur heutige endochirur- durc hgeführt und individuell dokumentiert
gische Wrfahren dar. werden. Darauf aufbauend wird die Ein ver-
ständniserklärung eingeh olt und dok-u-
mentiert. Die~e schließt das pos topcrati \ e
Verhalten und da~ gesamte Vorgehen zur
Medikation mit ein, da unmittelbar vor und
nach der Operation d ie Aufnalunefahigkeit
des Patienten eingeschränkt ist. Nich t 1uletzt
aus forensischen Gründen muss dieses Vor-
416 8 Endodontische Chirurgie
gcspräch dem Patienten auch IJar die Mög- Grent.werten liegen, da erhebliche Schwan-
lichkeit einräumen, die Operation abzuleh- k'llngen möglich sind. Oie chirurgische rhe-
nen oder eine Alternative auszuwählen. rapie unter abgesenkter Gerirmung ist von
lokalen blu11mgsh indernden Maßnahmen
zu begleiten {s. Kap itel !U.ll).
8.1.2 Medikation Die Ablehnung der Ändemng der Gabe
von Antikoagulantien begründet sich damit,
Im Gegen~atz zum anglo-amerikanischen dass die gesundheiLliehen Risiken einer abge-
Raum hat in Deutschland die Medikation setzten Antikoagulation die einer abgesetz-
eine geringere Bedeutung und nimmt übli- ten chirurgischen Zahnerhaltung deutUch
cherweise einen kleineren Umfang ein. überwiegen und ggf. die ~tati onäre Behand-
Auf eine Unterteillulg in prä-, intra- und lung rechtfertigen. Unabhängig davon kann
postoperativ wird bewusst verzichtet, um zu die Indikation zu einer chirurgischen Zahn·
verdeu tlichen, dass Medikationsstrategien erhaltung Anla~\ fü r eine generelle Überpnl-
immer präoperativ erarbeitet werden müs- fung der Notwendigkeil der Antikoagulation
sen. durch den AllgemeinmediLiner oder Kardio-
Patienten mit medikamentb~er Antiko- logen sein.
agulation und Patienten mit der Notwendig-
keit zur Endokarditisprophylaxe sind relativ Endokarditisprophylaxe
häufig. Eingriffe bei diesen Risikogmppen Sie dient der Vorbeugung einer letztendlich
können bei Nichtbeachtung der Besonder- lebensbedrohlichen F.rkrankung und hat
heiten zu Komplikationen führen. E.s exi~ deshalb eine hohe medi7inische Bedeutung.
tiert eine Reihe weiterer Erkrankungen, die Seit der dramatischen ::--!eubewertung der Ri-
mit ihren Auswirkungen hier nicht bespro- sikolage du rch die American Heart A~socia
chen wt>rden. tion im Jahr 2007 hat nur wenige Monate
später die Deutsche Gesellschaft fiir Kardio-
Medikamentöse Antikoagulation logie {DKG) in Zusammenarbeit mit den be-
Patienten mit medikamentö\er Ant ikoagula- troffenen Fachorganisationen d iese Auffas-
tion sind eine immer größer werdende Grup- sung im Großen und GanLen übernommen
pe, bei denen vor einem operativen Eingriff tNaber et al. 2007]. Das neue Positionspapier
dit' Vorgehenswelse zu klären ist, da die empfiehlt eine Prophylaxe nur noch bei
durchaus bedrohliche Situation einer Nach- tl ochri~iko-Patienten, d.h. bei Patienten mit
blutung ausgeschlossen werden muss bestimmten HerLklappenfehlern, mit be-
[Schmelzeisen 20021. stimmten angeborenen Herzfehlern oder bei
Patienten nach einer llerztransplantation
Eine präoperative Anderung des Regimes oder einer bereits stattgefundenen Endokar-
einer Anti koagulantienthcrapie i~t mcht ditis (s. Kapitel 7.1.2).
ange;eigt. Hier gilt: ~ ntwedl.'f ist die
Durchführung der Operation mit den Allgemeine operative Medikation
vorhandenen Gerinnungw;erten (bis Außer bei sehr umfangreichen (d.h. mehrere
INR l) möglilh oder es muss \tationar Zähne betreffenden) Operotionen wird auf
eine lleparinisierung vorgenommen eine Prämedikation 7ur Analgesiemng und
werden. :>edation "erzichtct.
ln der Literatur di\kutlert und vom Autor
Die Gerinnungswerte sollen tage~kt11ell erfolgreich angewendet wird die präoperati-
sein, besonders, wenn sie dicht an den ve Gabe von 4 mg Dexamethasone. Andern-
81 Grundlagen und Prinzipien der endodontischen Chirurgoe •&Hit§l:t 411
Orts wird die Dosierung präoperativ 8 mg Wirkung Tuge\chrieben wird. Rein antJphlo-
und je 4 mg am 1. und 2. postoperativen Tag gistisch wirkt z.B. Acemetaein (1-3-mal teig-
empfohlen [Un et al. 20061. Das Medika- lieh 60 mg) fur 3 Tage.
ment soll die inflammatorische Reizantwort Ein 7ügiges und schonendes Vorgehen
mit den Zeichen nach Celsus und Galen re- bei klaren Vorstellungen über das OP-Ziel
duzieren. bietet dem Patienten auch ohne weitreichen-
Eine Antibiose ist nu r bei ?eitlich oder de perloperative Medikationen ein hohes
räumlich ausgedehnten Eingriffen erforder- Maß an Komfort.
lich. Zur perloperativen Prophylaxe 1vird die
Onc-shot-Prophylaxe 60-30 min präoperativ
empfohlen [Merten et al. I 993]. Ansonsten 8.1.3 Minimalinvasive und
wird auf die Ausführungen zur F.ndokarditis Mikrochirurgie
in Kapitel 7.1.2 verwiesen.
Intraoperativ besteht das Ziel der Analge- Einer der Hauptkritikpunkte an der chirurgi-
sie und der Hämostase. Bei Injektionen ist schen Zahnerhaltung ist die hohe lnvasivität
die Aspiration zur Vermeidung intravasaler im Vergleich zur orthograden F:ndodontie.
Medikamentengaben obligat. Mit Rücksicht So ist es nur konsequent, wenn wir \'Crsu-
auf die Grunderkrankungen kann zusätzlich chen, durch Verkleinerung des Verfahren~
nach einer Leitungsanästhesie mit einem An- die lnvasivität zu reduzieren.
ästhetik'Um (Adrenalinzusatz 1: 100000) ter- Die cndodontischc Mikrochirurgie ist ge-
minal noch eine Infiltration mit I ml eines kennteichnet durch die Trias von optischer
Anästhetikums (Adrenalinzu~at7 1 : 50000) Vergrößenmg, Beleuchtung und Anwen-
gegeben werden. dung von Spezialinstrumenten IKim 1997].
J:.ine zusätzliche Medikation zur Blutstil- Die Hauptvorteile der Mikrochirurgie beste-
lung in Kmx:henkavitäten kann hä ufig hen in einer verbesserten Prognose und in
durch Tamponaden für S-7 min, die Appli- blanderen lleilungsverläufen. Sie ist gekenn-
kation von Knochenwachs oder der Verbol- zeichnet durch minimierten kortikalen Zu-
zung größerer Gefäße umgangen werden. gang und kleinere Resektionswinkel. Eine
Die lokale Applikation von 1-2 ml Adrenalin Rese~lionsnache unter starker Beleuchtung
oder Epinephiin 1: 10000 als Tamponade in und hoher Vergrößerung offenbart anatomi-
die Knochenkavität wird wegen der systcmi- sche Details wie l ~thmi, Kanalausläufer, Sei-
schen Wirkung kritisch gesehen (VIckers et tenh:anäle und Längsfrakturen, die sonst oft
al. 20021. Die Applikation von 20%igem Ei- verborgen bleiben w1d zum Misserfolg füh-
~ensu l fat [Carr, ßentkover 1998] in die Kno- ren können. Kim verlieh bereits 1997 seiner
chenkavität führt ?war zu einer sofortigen ehrlichen Überzeugung Ausdruck, dass en-
Gerinnung des Blutes in der Ka\ itätenwand, dochirurgische Eingriffe nicht ohne Dental-
wird aber wegen der zelltoxischen Eigen- mikroskop ausgeführt werden sollten. An
schaften kritisiert. Hier sollte mindestens ein der Pennsylvania University ist das Dental-
Anfrischen der Kavitätenwände vor dem mikroskop für solche Eingriffe Pflicht [Kim
Wundverschluss erfolgen. 1997). Die für die minimalinvasive oder Mi-
Ziele für die postoperative Phase sind krochirurgie verwendeten lnstrwnente und
Analgesie, Antiplilogistik und lnfektions- Techniken führen außerdem zu einer bes~e
proph ylaxe. Analgesie wird durch l'araceta- ren Umsetzung der rherapieprinzipien ge-
mol (3-5-mal täglich 500 mg) oder lbupro- genuber dem klassischen chirurgischen Vor-
fen (3-5-mal täglich 200 mg) erreicht, wobei gehen. Diesen Vorteilen, die mit der Mini-
lbuprofen eine stärkere antiphlogistische mierung des Eingriffs verbunden sind, steht
41 8 8 Endodontische Chorurgie
aber umtreitig auch ein deutlich erhöhter Die Arbeit mit Lupenbrille und mehr
Aufwand an Technik, Zeit und Training ge- noch unter dem Dentalmikroskop erfordert
gemiber. einen erhöhten Zeitaufwand und eine lange
ln den letzten Jahren hat die Bedeutung Trainingsphase. Die Verwendung speziellen
des Dentalmikroskops ~tetig ;.ugenommen, Instrumentari ums, welches sich durch Grazi-
was auch die Entwicklung spez.iellen lnstru- lität, lange Griffe und Reflexionsarmut aus-
mentanums beschleunigte. Die Verbesse- zeichnet, 1st unverzichtbar.
rung durch das Dentalmikroskop besteht in Ocr Rehandlerstuhl ~ollte eimtellbare
der Vergrößerung, die auch mittels Lupen- Armstützen aufweisen. Eine interessante Er-
brille nur teilweise erreicht wird, aber mehr gänzung Sind flexibel justierbare Handaufla-
noch in der vollständigen Ausleuchtung des gen am OP-Tisch oder Patientenstuhl, da
betrachteten Gebiet~. Durch den Einsau mi- hier der Abstand .~:wischen festem Punkt und
niaturisierter Instrumente kann die Operati- OP-Gebiet noch einmal verringert wird; v.a.
onstechnik verfeinert werden und die Opera- unter hoher Vergrößerung ist jede zusätzli-
lion wird weniger traumatl~ch verlaufen. Bei che Abstüt.t:tmg .~:ur sicheren Manipulation
~tärkerer Vergrößerung ist die Unterschei- wichtig.
dung zwischen Zahnhartsubstanz und Kno-
chen, die unter konventionellen Bedin-
gungen manchmal ein Problem darstellt, 8.1.4 Konventionelle endodontische
einfacher. Zahnsubstanz erscheint dann Chirurgie
gelblicher als Knochen (s. Abbildung B.6g).
Zusammen mit der Nutzung von Ultraschall- Trot.t: der unbestreitbaren Vorteile der Endo-
geräten wi rd erst durch die Mikrotechnik die dontie unter dem Dentalmikroskop wird
kontrollierte und koaxiale retrograde Wur- heute noch ein feil der endochirur~,rischen
zelkanalaufbereitung möglich [Kim 1997; Maßnahmen konventionell ausgeführt. Die
Velvart 1997a, bj. erheblichen Verbesserungen in den Erfolg~
Die Au~wahl an Mikrospiegeln ist inzwi- raten ITsesis et al. 2009]1assen aus ethischen
schen groß: Der klassbche Stahlspiegel hat Erwägungen nur eine Konsequenz zu: Mikro-
au~gedient. Den Nachteil der Anfälligkeit für chirurgische Techniken sind State of the art.
Kratzer haben auch die polierten StahJansät- Aus diesem Grund erfolgt hier keine Diskus-
ze, jedoch sind sie viel filigraner und auf- ~ion kJas~ischer \'orgehensweisen melu.
grund des niedrigeren Preises eher aus7utau- Die Unterschiede zwischen Mikroendo-
schen. Sie können gut als Backup-System chirurgie und konventioneller endodonti-
verwendet werden. Rhodium-Front-Spiegel scher Chirurgie sind jedoch nießend: Eine Lu-
bestehen aus einem Stahlträger, auf dem ein penbrille kann die Vergrößerung erhöhen.
\Orderseitig mit Rhodium verspiegeiles Glas Kaltlicht an Instrumentenhaken oder als
aufgeklebt ist. Di e~e Spiegel haben eine deut- Stirnlampe kann die Auslcuchtung verbes-
lich bessere Lichtausbeute und sind wesent- sern. Ein Ultraschallgerät kann zu achsgerech-
lich krat.~:fester. Die beste Lichtausbeute bie- ten und minimierten Retrokavitäten Führen.
ten Saphirspiegel, die jedoch am teuer~ten
sind. Jleute ermöglichen Spiegel mit sog.
HR-Oberflclchen (für .,High reflective") eine 8.1.5 Zugang
sehr gute Uchtau~beute bei moderaten Prei-
sen. Empfehlenswert sind ~piegel mit J und Hir J lcmiscklionen und Wurzelamputatio-
5 mm Durchmesser und fur Übersichten nen reicht eine Freilegung des Furkationsbe-
evtl. noch Rechteckspiegel von ca. 3 x 8 mm. reichs vom Gingivalsaum au~. Wichtig ist die
8.1 Grundlilgcn und Prinzipien der cndodontischen Chirurgie M;t ).i!ijl:l 419
Sichtkon trolle der Furkalion während der erfolgen. Häufiges Nachsetzen des Skalpells
Sektion. Für d ie Wurzelresektion ist die aus- er.:eugt unsaubere Lappenränder, die eine
reichende Freilegung der zu entfernenden primäre Wundheilung stören und ausgepräg-
Wurzel zum sicheren fassen entscheidend. tere Narben zur Folge haben. lm Unterkiefer
Häufig kan n dieser Zugang durch ei nen h t die Lage des N. mentalis zu beachten. Die
Zahnneischrand-Schnitt ohn e Entlastungs- Darstellung des Nervs empfiehlt sich bei
inzisionen geschaffen werden. Wurzelspit- Ausdehllung des Mukoperiostlappem über
zenresektionen erfordern in den meisten Fäl- die unteren Prämolaren. Damit kann die
len einen Zugang von vestibulär. Die palati- ,.blinde" Verletzung des Nervs vermieden
nale Wur.:el der oberen Molaren kann hiJUfig werden.
besser vom Gaumen her erreicht werden. l)a Folgende Kriterien spielen eine entschei-
ausreichende Übersicht für ein gutes Opera- dende Rolle filr die Schnittführung:
tionsergebnis entscheidend ist, mtL~s auch .Ii Übersicht des Zugang~
bei mikrochirurgischem Vorgehen auf eine A Versorgung des Schleimhautlappens
ausreichend große Schnittfilhrung geachtet .Ii Verletzung von Nachbarstruktu ren
werden. i\uch bei genauer Planung kann sich .Ii Ästhetisches Ergebnis
intraoperativ eine Ausdehnung des knöcher-
nen Zugangs als notwendig zeigen. Für die Oie 4 Prinzipien der Lappengestaltung
l nva~ivität und die Wundheilung sind die (ßarne~ 1991] sind:
Größe der Knochenkavität, die Zeitdauer des I . Der Schleimhautlappen muss eine
Eingriffs und die Schonung der Weichgewe- adäquate Blutv ersorgung haben .
be bei der Re tra ktion wichtiger als die Lap- 2. Der Schleimhautlappen mu'~ von
pengröße. Prinzipiell gilt: atmelehender Größe ~ein .
.Ii Tiefer gelegene Objekte benötigen größe- 3 . Der Schleimhautlappen muss sauber
re Lugänge. pnipariert werden .
.Ii Distal liegende OP-Gebiete benötigen oft 4. Die Ränder de~ Schleimhautlappens
einen nach mesial ausgedehnten Zugang müssen außerhalb der Knochenwun-
fur Einsicht und Instrumentation. de liegen.
.Ii Apikal liegende OP-Gebiete benötigen
aus gleichen Gründen oft eine Zugangs- Versorgung des Schleimhautlappens
ausdehnung nach koronal. Die orale Schleimhaut ist gut va~kularisiert .
.Ii Die Osteoly~e in der SpongJOsa kann Ischämische l\'e 1-.ro~en sind deshalb ~elten.
deutlich au.sgedehnter sein, als die Rönt- Die Gefäßver~orgtmg läuft vertikal in Girlan-
genaufnahme vermuten lässt. den (s. Abb ildung B.la, b und c), soda.~s für
.Ii Intraoperativ kann sich die Kotwendtg- d ie Blutversorgung vertikal e In zisionen
keit ergeben, Wurzeln stärker zu re&ezie- günstig er~cheinen. Am den allgemeinen Re-
ren als präoperativ geplant. geln des Lappendesigns folgen die rorderun-
gen nach breite rer Basis als Lappenspitze
und einem Verhaltnis von Länge zu Basis =
8.1.6 Prä paration des W eichgewebes 2: 1. l lorizontale Schnittführ1.1ngen sollen
nidlt d urch parodontalc Taschen laufen.
Für alle chirurgischen Verfahren, ausgenom- Vertikale Inzisionen werden geeigneterwehe
men die Zahnextraktion, ist eine Schnittfllh- paramedial gefUhrt, da so die Papillen ge-
rung zur Bildung des Mukoperiostlappens schont we rden.
notwendig. Die .)chnittfuhrung soll dabei in Unabhangig von der Art des geplanten
einem Zug durch Schleimhaut und Pcrio~t Eingriffs wi rd 1whchen ver~chiedenen Lap-
420 8 Endodentische Chirurgie
penformen unterschieden, die jeweils beson- Zur Präparation haben sich bei größeren
dere Vor- und Nachteile aufweisen. Generell Lappen ein Raspatorium, zum Präparieren
ist für eine gute Wundheilung und eine ge· des ersten l.appenrande\ ein Löffel nach
ringe Narbenbildung wichtig: J>artsch bewährt. Die Instrumente werden
All Scharfe und schonende Präparation des immer so angewendet, dass die scharfe Kan-
Lappens te dem Knochen zugewandt ist und die Wöl-
.A Vorsichtige Retraktion des Lappens wäh- bung d1e Weichgewebe abhält.
rend der OP Die Retraktion der Lippen- bzw. Wangen-
All Passgenaue und zugfreie Adaptation des weichteile wahrend der Schnlttfuhrung er-
Lappens nach der OJ> folgt bis zum Pramolarenbereich durch Ha-
8.1 Grundlagen und Prinzipien der endodontischen Chirurgie 4$).] 101:1 421
ken nach Middeldorpf, distal davon durch Die paramarginale Schnittführung ver-
Haken nach Kocher-Langenbeck. Der eigent- lduft ca. 2 mm apikal des knöchernen Lim-
liche Lappen kann durch Langenbeck-llaken bus alveolaris. Vorteil ist eine Schonung der
oder z.B. durch Retraktoren nach Velvart parodontalen Gewebe und ein kaum sicht-
oder Carr ahgehaltm werden. barer Narbenverlauf, da der vorhandene Ver-
Prinzipiell sind die Lappen mit margina- lauf des ZahnOeischrands und der Muko-
ler Schnittführung von denen mit gingivaler gin!,>ivallinie in der Schnittführung wieder-
Schnittführung zu unterscheiden. kehren. 'achteilig sind Probleme der
Der Zahnfleischrand-Schnitt alleine ist Schnittführung bei tiefen parodontalen Ta-
gelegenUich für die Darstellung der Furkati- schen. Diese Schnittführung erfordert hohe
on bei Heinisektionen und Wurzelresektio- chirUigische Übung und kleine Skalpelle
nen ausreichend. Daw wird im Ta~chen~ul (}.,Ii J;.roskalpelle).
ku~ der Schnitt mit einem Skalpell Nr. II Ein einfacher Schnitt zur Schonung des
oder Nr. 15 bis auf den knöchernen Limbus marginalen Parodonts ist der \•\linkelsclmitt
alveolaris geführt. Oie Praparation des oder mit beidseitiger Entlastung der Trapez-
Mukoperiostlappens erfolgt mit dem Partsch- schnitt. Er verläuft gerade in llöhe der Mu-
Löffel. kogingivallinie. Vorteil ist die Einfachheit
l'ür Zugänge zu den Wurzelspitzen kann der Schnittführung und die gute Repositio-
der ZahnOeischrand-Schnitt mit ein oder 2 nierbarkeit aufgrund der ~chlichten Iappen-
vertikalen F.ntla~tungsinzisi onen versehen geometrie. Hier wird das Parodont noch
werden. ln diesem Fall wird man die Präpara- besser als beim paramarginalen Schnitt ge-
tion des MuJ;.operiostlappens bes~er im Re- ~chont. Als achteil muss die fehlende E.x-
reich der freien Muko~a an der mesialen Fnt- tensionsmöglichkeit nach koronal gelten.
lastungsinzision beginnen. Damit wird das Die Identifikation der richtigen Wurzelspitze
parodontale Gewebe am Lappen geschont ist gegenüber einem marginalen ~chnitt
und die Präparation erleichtert, da auf einer schwieriger.
glatten rläche ohne Kante prapariert wird. Der Bogenschnitt nach Partsch verläuft
Vorteil eines Lappens mit Zahnfleischrand- in der freien Gingiva. Vorteilhaft ist die
Schnitt ist die erhöhte Übersicht, da der leichte Extension der Schnittenden entweder
Wurzelverlauf von der Krone aus kon tinuier- mehr nach apikal oder meh r nach lateral
lich verfolgt we rden kann. Weiterhin besteht entsprechend den Erfordernissen während
kein Problem, den Knochenrugang nach ko- der OP. Oil.' bogcnförmige Geometrie fligt
ronal zu erweitern. Bei liefen parodontalen sich aus ästhetischer Sicht unauffälliger ah
Taschen ist dieser Lappen besonders ange- ein Trapezschni tt in die oral vorhandenen
zeigt. Nachteilig ist der Eingriff in die paro- Strukturen ein. Ocr behauptete Vorteil der
dontalcn Strukturen. Immer wieder wird auf besseren Lappenversorgung, da dem Schnitt
das unterlegene Abschneiden d~ Zahn- nach Part~ch die scharfen Ecken des Trape7-
Aeischrand-Schnitts gegenüber anderen lappcns fehlen, ist bedeutungslos. Der
Schnittflihrungen bei der Auswertung paro- Nachteil des hogenförmigen Schnitt\ liegt in
dontologischer Parameter hingewiesen (von den fehlenden l.andmarJ;.en für die Lappen-
Arx et al. 2009J. Die Abwägung muss hier un- adaptation. Dadurch kann es bei der Adapta-
bedingt zwischen der höheren Sicherheit des tion zu Triangeln kommen, die Narben bil-
Zahnflebchrand-Schnitt\ und dem oft mar- den und der Keimretention Vorschub leis-
ginalen Ausmaß der Beeinträchtigung von ten.
l\sthetik und Parodont erfolgen.
422 8 Endodontische Chirurgie
8.1.7 Prä parat ion des Knoche ns Knochen bei der Wurzelsuche auf ein Mini-
mum L.U reduzieren.
:-lach Ansicht des kortikalen, vom Periost
entblößten Knochens beginnt die Orientie- Knochench irurgische Merkmale:
rung zur Abschätzung der dreidimemiona- Beim Ta~ten mit \!)iller Sonde ist Kno-
len Stelle, an der die zu behandelnde Wurzel- chengewebe weich und Zahngewebe
spitze liegt. Manchmal findet sich ein Areal (Wurzel) hart.
weicheren Knochens oder die Stelle über Knochen hat eine hellere Farbe als Zahn-
dem schuldigen Apex Ist rauer als die Kno- wurzeln, die sich gelblicher zeigen.
chenobernäche der Umgebung. Oft ist auch 1'\ach Austupfen der OP-Ka\·ität mit ei-
ohne Schleimhautfistel eine Perforation der nem kleinen in \iethylenblau getränk-
Kortikalis erkennbar, von der au~ die Präpa- ten Pellet stellt sich vorzugsweist> dt>r
ration starten karu1. ßei fortgeschrittenen De,modontalspalt dar.
Prozessen muss die Öffnung der Kortikalis
nur etwas erweitert werden und nach Entfer- Im Anschluss an die Präparation des Kno-
nung de) Weichgewebes ist die schuldige Re- chens ist die Knoch(>nkavität exakt von allen
gion der Wurzelspitze gefunden. Helfen die- vorhandenen WeicJ1geweben durch Küretta-
se Merkmale nicht weiter, kann aus den Auf- ge zu befreien. Entfernte Weichgewebe müs-
zeichnungen wr Vlurtelkanalbehandlung sen zum Ausschluss seltener Zystenformen
die Arbeitslänge entnommen werden. F.ine und maligner Entartungen immer histolo-
graduierte rarodontalsonde oder ein Wurzel- giSCh untersucht werden.
kanalinstrument mit Stopper 1ur Markierung
der entsprechenden Länge 7eigt jetzt das
Zielareal an. Nun sollte nad1 Beachtung von 8.1.8 Präparat ion des Dentins
Merkmalen wie Kronennucht und Wurzel-
krummung der Apex genau lokalisiert wer- Der Schnitt wird i.d.R. mi t rotierenden, fein
den können. Bei überklonten oder ansons- diamanlierten oder glatt schneidenden I lart-
ten massiv rekonstruierten 7..ähnen muss mit rnetallinstrumenten ausgeführt. Klassisch
abweichenden Wurzelverläufen gegenüber werden chirurgische Hand~tticke \ erwendet.
der Kronenform gerechnet werden. I Ii er Für das minimalinvasive Vorgehen eignen
lohnt ein ßlick auf nicht rekonstruierte sich Winkelstucke mit 90•- oder 45•-Winkel
Nachbarzahne und auf Rontgenbilder besan- häufig bes~er. Die retrograde Präparation des
der\. F..'> gilt: Die Aplces der frontZähne lie- Wur7elkanalsy~tems erfolgt mit Ultra~cha ll
gen dicht unter der Kortikalis. Die Knochen- und speziellen Ultraschallspitzen. Diese Spit-
schicht tiber den Molarenwurzeln, v.a. bei Jen liegen enn.veder in verschiedenen Angu-
den un teren 2. und 3. Molaren, kann dage- llerungen vor oder ~ind biegbar. Sie erlauben
gen sehr massiv sein. die retrograde Aufbereitung der Wurzelkanä-
Die Kriterien zur Auffindung des Apex le und Isthmen auf etwa 4 mm länge. Grö-
sind einfach, jedoch ebenso wie die oben ge- ßere Längen sind mit Ultraschallfeilenhal-
nann ten anatomischen Punl..te unter dem tern und vorgebogenen Ultraschallfeilen bei
Dentalmikroskop schneller und deutlicher entsprechendem Training und Zeitaufwand
zu erkennen. Trotzdem sollte die Fcstlegung zu erreichen. Eine sorgfältige Kontrolle aller
des geplanten Zugang~ immer in geringer Wände der Retrokavität ist für einen langfris-
oder ohne Vergrößerung überprüft werden. tigen Erfolg unabdingbar (s. Abbildung 8.12
Das Dentalmikroskop hilh dem erfahrenen bis 8.14).
Opcrateur, die Entfernung von gesundem
8.1 Grundlagen und Prinzipien der endodontischen Chirurgie 4:f!.HGI:I 423
gewertet werden. jet.Lt mu\\tn die Instruktio- Die intraorale lnZJ>ion wird hori1ontal
nen /Um postoperativen Verhalten wieder- bh auf dre J..ni>cheme Loterlagern der aprka-
holt werden. Neben der Verordnung von Jen Region des schuldigen 7A~hn\ au~geführt.
Ruhe gchoren der Verlicht auf Alkohol-, Kof- Im Unterkiefer ist auf dre Schonung des ).1.
fein- und Nikotingenu>s sowie die lokale mentali\ ro achten Die L'inge der lnlision
Kühlung 7U den StandardinstruJ..lionen. Je -;oll au~reichend sein, um na<:h erner desinfi-
nach xhwercgrad des Eingriff~ ist die Ar- zierenden Spulung der t\b~7esshöhle Platz
~rbunfahigJ..eitsbeschemrgung bis vorerst fur eine Dramage zu breten. Dre Drainage
1ur \lahtentfernung angezergt, die i.d.R. am solllose in d1e Absze\\höhle rerchen und den
2.- 7. postoperativen Tag stattfindet. Die post- weiteren Pusabflm~ gewahrlelsten. Sie kann
operative Röntgenkontrolle soll spätesten> aus Gaze oder (besser:) Gummistreifen beste-
zur Nahtentrernung erfolgen, wenn die fol· hen und kann je nach 'Khweregrad in der
genden :-.!.tch~orgetermi ne festgelegt werden. xhleimhaut mittels 'l:aht ll\lcrt werden. Zu
Anfang ist eine tägliche 'ipulung der Wunde
durch den Rehandlcr angezeigt. Klingen die
8.2 Verfahren der endodontischen fnt7undungs7eichen ab und teigt ~ich bei
Chirurgie den Spulungen der Ahwl'\Shöhle ein IJarer
Reflux, können l)rainage und Splilung ent-
8.2.1 Inzision fallen und die Kontrollintervalle verlangcrt
wudw. Der wichtigste reil der Therapie be-
Oie lntl\ron allein kann nicht als ahnerhal- steht nun in der Identifikation und Beseiti-
tende \laßnahmc im lkn~ich der chirurgi- gung der Abszessursache.
\then Endodontie gewertet werden. Sie ist
allenfalls eine erste :\otfallrnaßnahme im
Zusammenhang mit einem dentogenen Abs- 8.2.2 Chirurgische Wurzelfreilegung
I.C\\ 11.1ch dem Grundsatz: ,.Ubi pu'>, ibi eva- und apikale Kürettage
cua" (.Wo Liter ist, mu\\ er entweichen.u)
Die Indikation fur eine Entlastungsinzision Drc chrrurgische Wurzelfreilegung umfaut
geht \Oll der Oiagno~stcllung .dentogener die Operation zur Dar~tellung der Wurzel ei-
.\b:.1e''" aus. Anamnesthch und drfferenzial- ne\ l..:~hns oder eine\ Teil\ der,elben, ohne
diagnostisdt sind andere raumfordernde da\~ ein Subslanzabtra~; Jn der Wur1el erfol-
Prote\W wie entlündlichcs Infiltrat, lläma- gen \Oll. Die apikale Kurettage umfasst die
tom, Zy,te, Emphysem oder Tumor aus:>u- Reinigung der freigelegten '.Vuueloberfläche
schließen. Symptome fur tirwn i\bwess sind und die Entfernung unphysiologischer Ge-
kurlfrhtlgl' F.nh\;cklung, lluktuatron und wc~ und \faterialien aus dem l'eriapcx.
mu~~ Lur Pcrforation~reparatur ein Plat7hal- Diese Auffassung spiegelt sich auch an der
ter in den Wur1elkanal eingebracht werden. neuen Fassung der Leitlinie Wurzelspitzenre-
~ektion \'Oll 2008 wider (Kunkel llulsmann
2008).
8.2.4 Wurzelspitzenresektion Anders ist die Situation im Rahmen von
l.ystenoperationcn, hier ist die Operation
Di(;.' Re\l!ktion der Wuuel\pitze(n) dient dazu, der Zyste llauptanUegen. Die Wu rtel~pitzen
~ einen gut lnspizierbaren Neoapex zu rcsektion dient dabei 7llr Verbc~serung <.!er
schallen, Übersicht im Zystenlumen.
~ da\ t~pak.lle Delta des Wurzelkanalsys- Wenn eine orthogmde Wur7elkanalful-
tems zu eliminieren, lung eine apikale Parodontiti\ nicht verhin-
~ bca pcriradikul.uen Zrstenoperationcn dert oder nicht zur ,·ollen Rt!gent.>ralion ge-
ggf eme \.erbcsserung der ubcrsicht Im bracht hat, ist zuerst eme ReviSIOn der Wur-
Z) sttnlumen LU erLJelen. 7elkanalfüllung angeze1gt (S \bbildung R.2a
und b).
l.m dcn Knochenhalt nicht zu beeintrachti· Indikationen der Wurzelspillenresek-
gen, )Oll nur wenig (ca. 2.-3 rnm) reseziert tion nach den derleit gtiltlgen Leitlinien der
werden. Die Re)('ktionsebcne soll möglich)! DGZMK (Kunkel, Hühmann 20081sind:
senkrecht lur WurLetkanalachse liegen und ~ Persistierende apikale Paro<.Jontlti~ mit
dabei cane voll~tiindage Inspektion der Resek- klinischer Symptomatik oder Tu nehmen-
tiomn<~che ermöglichen. Dank de~ indirek- dem r<~diografischen Befund, Wf/111 eine
ten mikrodururgischen Vorgehens i~t dafur Wurzelkanalfüllung \·orhanden l\t rmd
keml' \tarke \ngulation der Resekuonsebcne diese nur unter unverhaltnismaßigcn Ri·
mehr notwendag. ~iken verbessert werden kann
~ ,\,11c/1 Wurzelkanalfullung 11111 uberpress-
Die Wurn•l\ptt7Cnrescktion ist erst dann tem Material 1111d klinischer ~) mptoma-
Ihl."rapac der \\ ahl. wenn ein periaplkJ· tik oder Beteiligung von Kieferhohle oder
II."r l:ntl undung\(lfll/t'\\ vorliegt und die Mandibularkanal
Mi>glirhkl'iltn zur Beseitigung der Ur\J· ~ Bei urthograd nicht durchfuh rbarer Wur-
ehe ubcr dcn orthograden Zug<mg er· 7el kana lb<' ha nd Iu ng
\l hopft \ llld .
--------------------------
Abb. 8.2; 01) 45 Fragm~nt ~~n~r ntanfe le (pfeil). Selbst bei d1~er ap•k.ll~n Lage k.lnn ~ln~ konventionell~
Fragmententfernung erfolgreich sein. Nachtell hoher Z~•taufwand und hoher Substanz11~rlust
b) Z n. Fragmententfernung und Wurzelfullung
428 8 Endodontlsc~ Chirurgie
"" Bea l.Jhnen mit obliteriertcm, nidll ,.moglichen Indikationen" tum Versuch der
mehr imtrumentierbaren Wurzelkanal zunachst rein orthograden cndodonb!lchen
b.:i kli naseher mul/odt'r radaologischcr Therapie. Der \utor rat dU\ pral..lischen und
<i> mptomatil\ fort'nsisthen Grunden dll' rean orthogradc
I herapie,·ariante 111 den Vordcrgnand der Be-
ln der Leitlinie werden weitere mbgliche ln· ratung zu stellen und die Ubcrweisung zum
dikationen genannt: 'Pt!tiali~it!rten Lndodontologt.>n 1umindest
"" \ls \ltl•rnative tur orthograden endc- ,·orzuschlagen.
dontischen I herapie bei Läsionen ab J ln jedem kom·entionell behandelten Fall
4 mm; Neukam w1d ßcckcr [20001 r;aten i\t emt' rontgcnologi~chc \ eri,IUf\bcobach-
ab 10 mm 1u die<>em Vorgehen tung bis zur \'Oihtilndigen Regeneration des
"" ,\I, ,\lternativc zur orthograden Re' 1\aon apikalen Prozesses gefordert. Ansonsten ist
"" ßea orthograd nicht entfernbarem Instru- eine ftir den Patienten unbemerkt verlaufen-
mentenfragment in Apexnahe de Vergrößerung de\ pt'rl.apikalen Prozes~
"" llea nilht ver~chließbarer \'ia falsa in nicht auszuschließen (s. \bbildung 8.3).
Apexnahe l'\ach I riedmann 120011 tx:~teht dae lntschei·
"" Bei rrakturen im apikalen Wur7eldrittel, dungsfindung zur I herapiew.Jhl hei einer
insbesondere bei lnfel..tion des apikalen pmttherapeutischen cndodontischen Cr-
Frilgamnt~ oder Notwendigkeit ;um re- krankung immer au~ der i\hwagung der Um·
trograden Versdlluss des orthograden \tände und Erfolgsau~sichtcn, 1 l.t bei ma~~i
l'ragments gen Wur7el~tiften (\. \hhildung 8.4a und b).
"" Wenn Behandlung ausschließlich unter Wahre Zysten und maligne Ge'><.hehen erfor-
'\arkose möglich ist dern eme charurgischc t::ntlcrnung. -\lle Indi-
"" ßca pcrsistaerender Schmerz~ymptomatil\ kationen bei per\i\tierender Pilrodontitis api·
bei l..lini\ch und radaografisch cinwand· calis und der Unmöglichkeit der voiiHändi·
freier Wuoelkanalfüllung gcn orthogradcn Aufbcreatung bedurfen
"" Bea I rcalegung oder Verletzung der Wur- keiner l:rklanang. \\ar fruher der Arll fur die
;el\pitlen am Rahmen chi rurglsche1 I in· Therapiewahl des Palienten alleine verant-
griffe wortlich, liegt diese Cntschcidung heute mit
"" Bei per)iSiierender apikaler Parodontlla\ an der Hand des l'atient<'n. Der t\rtt mu~s die
an hcrt:lb rc:.et:aerten Zähnen rel('\anten Informationen flar dle~e I nt\chei-
dung liefern.
Die \'ertretu der endodontolog,~chen Fath· Dass eine retrograde Wuuclkanaltullung
ge~dl\chaften raten bei den mea~ten der am lusammcnhang mll der \\'uuehpitzenre-
scktion die l'rogno-,c deutlich 'erbessert,
tt:igt z.B. Christiansen I2009J. Kann der \\"ur·
zelkanal \'On orthograd voll er\t hlo\\en wer·
den oder zumindc\t bi\ Lum l'unkt der ge-
planten Resektion, ist eine orthograde \\'ur-
7elkanalbehandlung Indiziert. h gabt aber
nur wenige lndil..atiom•n, hci denen dann
noch eine Wurzclspitn·nrt•wktion angezeigt
ist (z.B.Zysten-OP, maligne Geschehen). \lle
anderen falle fordern dw /U\dtlliche retro-
Abb. 8.3, Oentog~n~ Ki~f~rzyste ausgehend von 42,
43.44 und 45 Oi~ Therapie so ausgepragter Befun· grade \\'urLelkanalfullung.
de ~steht oft tn Ki~f~rteilr~~kt•onen
8.2 Verfahren der endodontischen Chirurgie 4$1.11QI:I 429
Abb. 8. 4: a) 15 präoperativ mit deutlicher perlapikaler Aufhellung und ohne sichtbare Wurzelkanalfüllung
apikal des Wurzelstlftes. Der Patient lehnte prothetische Neuversorgung ab. b) 15 postoperativ nach retro-
grader Wurzelkanalfüllung mit MTA, die fast bis an den Wurzelstift heranreicht
Apikaler Zugang und Wurzelspitzenresektion !ernten 1-ragmcnts ist dann die llöhe der Re-
Die Fntscheidungsfindung zur Schnittfüh- r.cktion nachvollziehbar und der Querschnitt
rung, die Lappenbildung und da~ Vorgehen kann noch einmal auf Risse und Nebenkanä-
zur Knochenpräparation wurden bereits le untersucht werden. Im Falle einer eröffn e-
oben beschrieben. Die DarsteUung des zu re- ten Kieferhohle oder freigelegten Schneidcr-
sezierenden Apex ht von vestibulär, mesial, sehen Membran ist es besser, die Wu rzel
di ~tal und apikal notwendig, um später die nach Markierung der Resek.tion~~telle von
gesamte Wurzelspitt.c entfernen zu können apikal her \\'egzufräsen. Damit wird \'erhin-
(s. Abbildung 8.Sa und b). Hierbei sind die dert, dass das Fragment in die Kieferhöhle
Eröffnung der Kieferhöhle und des Canalis entschwindet. Ein )Oirht's Fragment erfor-
mandibulae sowie eine Verletzung der Nach- dert seine sofortige operative Entfernung
harwurLeln ru vermeiden. Nun kann die Re- oder die Überweisung des Patienten zum
sektionsstelle festgelegt und markiert wer- Oral- oder Kieferchirurgen .
den; i.d.R. empfiehlt sich die Abtrcnnung
der gesamten Spitze mit einer glatten und
dünnen lindcmannfräse. Anhand de!> ent-
Abb. 8.6: Sequenz einer Wurzelspitzenresektion bei persistierenden Beschwerden nach orthograder Revi·
sion 25.j) Positionierung des Ultraschallarbeitsendes, k) genaueallseitige Inspektion der Retrokavität 1,
I) genaue allseitige Inspektion der Retrokavitat 2, m) genaueallseitige Inspektion der Retrokavitat 3,
n) Trocknung der Kavität mit schwacher Druckluft und steriler Wegwerfkanüle, o) platzsparender Portland·
Zement-Kegel auf Hetdemannspatel zur Applikation in der Retrokavitat, p) Inspektion der gefullten Retro·
kavität in sehr hoher Vergrößerung (24-fach), q) Situation nach Wundverschluss mit 6·0 Nähten, r) post·
operalive Röntgenkontrolle
434 8 Endodontische Chirurgoe
Abb. 8.9:26 Ausg;~ngsrontgenbefund, Z.n Wurzel· Abb. 8.10: 26 Rontgenkontrolle nach orthograder
spitzenresektton ca. 2 Jahre zuvor und persiStieren- Revts1on der Wurzelkanalfullung Hier •sl v.a . .n der
der Fistel meslalen Wurzel eine m;~sstve Uberpressung auf-
grunddes offenen Foramens sichtbar
Abb. 8.11: 26 perslst1erende f•stel nach orthograder Abb. 8.12: 26 Ultraschallpraparat1on der retrogra·
Wurzelkanalfullungsrevlsion den Kavität unter sterilem Wasser
Abb. 8.13:26 erste Kav•t.ltenkontrolle nach retro- Abb. 8.14: 26zweite Kavtliitenkontrolle; saubere
grader Prilparat•on. Es fällt verbliebenes Wurzelfull· mesiopalatinale Kavitatenwand
matenil11m Bereich der mesiopalatinalen K.lvita·
tenwand 01uf
8 2 Verfahren der endodonttschen Chirurgie 4$!.h01:1 437
Abb. 8.15: 26 zweite Kavitätenkontrolle: separate Abb. 8.16: 26 retrograde Wurzelkanalfüllung mit
Kontrolle der vestibulären Kavität enwand (pfeil), MTA
da alle Kavitätenw ände auf Sauberkeit kontrolliert
werden müssen, um ein Leakage zu vermeiden
8.2.6 Hemisektion
Abb. 8.8: Bildsequenz zum Heilungsverlauf nach WSR 23. il) Postoperativ, b) 6 Monate postoperativ, c) 1Jahr
postoperativ
tens höher bewertet. Anders ist die Situation 6-12, teilweise bis zu 48 Monaten angege-
nach traumatiKhem Zahnverlust. Hier wird ben. Eine fortlaufende rontgenografische
durch die Replantation dem Patien ten die Kontrolle alle 6 Monate bis zur Beseitigung
Option der Zahnerhaltung in der akuten Si- der Aufhellung ist geboten. Auch vorerst sich
tuation gesichert und auch eine hohe Miss- verk leinemde Prozesse können erneut proli-
erfolgsrate in Kauf genommen. Es wird eine ferieren (s. Abbildung 8.4)! Der Heilungsver-
Wgige Replantation nach behutsamer Reini- lauf ist in den Abbildungen 8.7 und 8.8 do-
gung der Alveole und der Zahnwuncl ange- kumentiert.
~lrebt. Vorau~setzung ist, das~ die Wurzel in-
takt ist. Prophylaktisch wird eine Antibiose
für die ersten Tage angesetzt. Erst nach Re- Literatur
plaJllallon und SchierlUng soll die endodon-
tische Versorgung erfolgen, die nur bei ju- i\rens, 0 . 1-..: l'ractical lessons in endodontic
surgcry. Quintessence Publishing, Chicago
gendüchen mit reproduzierbarem SensibiH-
1998
tät~nachweis unterbleiben kann. Samt:~. I. E.: Opcr,ttivc R-chniquc: Flap Oe·
sign; Renection; Closurc. ln: Barncs, I. 1:.:
Surgical Endodontics. Wright, London
8.2.9 Erfolgsbewertung Boston Singapore Sydney Toronto WeJ.
lington 1991
\.arr, G. B., Bentkover, S. K.: Surgical Fndodon-
Zur Erfolgsbewertung nach endodontischer tics. ln: Cohcn, S., Bums, R. C.(ed.): Path·
Therapie wurde weiter oben schon Stellung ways of th!' Pulp. Mosby, St. I ouis 1998
genommen. Fur die chirurgbelle Fndodontie Christian~n. R., Kirkevang, L L., Hor;ted-
gelten die gleichen Maßstäbe für Erfolg und ßindslev, P., Wenzel, A.: Randomizcd clini-
Misserfolg wie für die konventionelle Endo- cal rrial of root-end resection followed by
root-end filling with mineraltrioxidc ag·
dontie. gregate or smoothing of the orthogradt>
Cin wichtiges Kriterium ist neben ~,rutta-percha root filling- 1-year foUow-
Schmerzfreiheil und Funktion dje ra ruologi· up. lnt rndod J 42, 105 (2009)
seh e Beurteilung. Haufig wird auch eine sog. l'eller, K. U., Gäbler, S., !'.ekelt, U.: Irritationen
halbmondförmige Aufhellung als Erfolg ak- des Nervus alveolaris mfcrior nach zahn-
arztlicher Behandlung. Qwnte.ssenz SO,
7eptiert. Von vielen Autoren werden Zeiträu-
237(1999)
me bis zur vollständigen Regeneration von
440 8 Endodontische Chirurgie
Fricdmann, S.: Orthagrade Revision von Wur- Lode, I I., Mehlhorn, U., Moreillon, 1'.,
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H.-H., K\lhl, S., lfpper, P. M., Leyh, lt <...,
9 Akutes Zahntrauma
9.2 Grundsätze zur Diagnostik und Therapie von Verletzungen bleibender Zähne . . . . 446
Literat ur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . 454
9 Akutes Zahntrauma
G. \'irrgll!z
nNO t\110 dental illjuries arr alikl'. M loziertem Milchzahn können Aus~agen zur
IJ. 0. Andreasen 19811 Verlet7ung des Zahnkeim~ getroffen werden.
Eine Milchahnwurzel, die in das Zahnsäck-
chen eingedrungen ist und den Zahnkeim
9.1 Grundsätze zur Diagnostik tangiert, bewegt sich von der Strahlungs-
und Therapie von Milchzahn- quelle fort und wird verlängert projiziert. In
verletzungen diesen fällen ist die Extraktion des Milch-
zahns indiziert. Eine Milchzahnwurzel, die
Verletzungen der Milchzähne sind relativ nach vestibuiär luxiert ist, wird verkürzt pro-
häufig. Aufgrund der hohen Ela~tizität des jiziert; der Zahnerhalt ist möglich.
Alveolarknochens kommt es i.d.R. zu Luxati- Oie Therapie von ~lilchzahnverletzun
onsverletzungen, seltener zu Frakturen. gen sollte unter Beachtt~ng von Aufwand
Wegen der engen Lagebeziehung zwi- und Nutzen bzw. Risiko durchgeführt wer-
schen dem Milchzahn und dem Keim des den. Alter und Kooperationsbereitschaft des
bleibenden l..ahns kann jede Verletzung des Patienten spielen dabei eine wesentliche Rol-
Milchzahns eine Gefahr für den Zahnkeim le. Diagnostik und Therapiegrundsätze der
darstellen. Eine Schädigung des Zahnkeims verschiedenen Verletzungsarten sind in der
kann entweder direkt durch das )\.filchzahn- Tabelle 9. 1 zusammengefasst.
trauma erfolgen oder indirekt durch eine In- Nach einem MilchzahJllrauma müssen
fektion bei gestörter Wundheilung im Verlet- die Eltern über zweckmäßiges Verhalten in
wng~bereich oder durch eine infizierte der lleilungsphase, über Komplikationen am
Milchzahnpulpa. Aus diesem Grund zielt die verletzten Milchzahn und liber mögliche
Behandlung von Milchzähnen nach einem '>pätfoigen an den nachfolgenden bleibenden
Trauma primär auf den Schutz des Zahn- Zähnen aufgeklärt werden. Die Aufrechter-
keims, auf die Sicherung seiner regelrechten haltung der ~undhygiene und die Aufnah-
Entwicklung und erst sel-.undär auf den Er- me einer welchen Kost innerhalb der ersten 2
halt des Milchzahns. Wochen nach dem Trauma sind vorrangige
Die diagnostischen Maßnahmen um- Maßnahmen. Die zusatzliehe lokale Anwen-
fassen: dung einer Chlorhexidin-Mundspullö\ung
.oll Anamne~e (Wann? Wo? Wie?) (z.B. 0, l%ige Lösung 1um Spülen oder zur
...11 Klinische Untersuchung (Inspektion, Pal- Touchierung mit einem Wattestabehen durch
pation, Perkussion, Sensibilitatstcst un- die Eltern) dient der lnfektionsprophylaxe.
7uverläs~ig) Verletzte Milchzähne sollten regelmäßig
.oll Röntgenografische Untersuchung nachuntersucht werden. Folgende Zeitab-
stande nach dem Trauma werden empfoh-
Anhand der Beurtei lung der symmetrischen len: 1-3 Wochen, 6-8 Wochen, 6 Monate,
Lage der Zahnl-eime im Röntgenbild und der 12 Monate und weiter jätulidl bis zum
Lagebeziehung zwischen Zahnkeim und dis· Durchbruch der bleibenden Zähne.
444 9 Akutes Zahntrauma
Kronenfraktur
Schmelzfraktur Glätten scharfer Kanten
ohne Dislokat ion des koranalen Fragments: Schienung, wenn möglich: Miniplastschiene für 2 Wochen
(auch ohne Schienung i.d.R. bindegewebige Heilung)
mit Dislokation: Fraktur in Wurzelmitte oder im Extraktion des koranalen Fragmentes, apikales Fragment
apikalen Drittel kann belassen werden {physiologische Resorption)
Frakt ur Im koranalen Wurzeldrittel Extraktion von koronalern und apikalem Fragment
Kontusion
Dislokation, hiiUfig Okklusionsstorung, erhöhte Extraktion (bei Extrusion <3 mm und offenem Biss ist
Beweglichkeit, Blutung aus dem Gingivasulkus kontrollierendes Abwarten möglich}
Intrusion (Abb. 9.2, 9.3)
Avulsion
Abb. 9.1: 3·Jahriger Junge; fxtrusion des Zahns 51 a) Dislokation der Zahnkront nach palatonal, Okklusions-
storung, b) Blutung aus dem Gingivasulkus,lndikatoon zur Extraktion
Abb. 9.2: it) 3 jahrigts Madchen mit Intrusion der Zahne 52 und 51, b) Kontrollbefund nach 2 Monaten mot
fast vollst<~ndlg wieder durchgebrochenen M ilchzahnen Verfilrbung am Zahn 51 (Röntgenkontrolle erfor·
derlich)
Abb. 9.3: a) 2 jahriger Junge; Intrusion der Zahne 52, 51 und 61, b) Kontrollaufnahme 3 Jahre nach spontaner
Reeruption. Pulpaobliteration und Wurzelresorptoon an den Zdhnen 51 und 61, Fistelbildung beo Zahn 52
(Beachte. unterschiedliches Wurzelkanallumen zwoschen den Zahnen 52 und 62)
,; \\'urtel rt">OI"Jlll<men
,; \nk) lose luxierter ~hlchzähne
446 9 Akutes Zahntrauma
Tab. 9.2: Diagnose und Therapiegrundsätze bei Kronen- und Wurzelfrakturen bleibender Zähne
Diagnose Therapie
Unkomplizierte Kronenfraktur
Infraktion Fluoridierung, ggf. Versiegelung. Sensibilitätskontrolle
Schmelzsprünge, inkomplette Fraktur
ohne Hartsubstanzverlust
Schmelzfraktur Glatten scharfer Kanten, Fluoridierung, Sensibilitatskontrolle
Schmelz-Dentin-Fraktur ohne Schutz der Pulpa durch möglichst rasches Abdecken der Den-
Pulpafreilegung tinwunde und Kronenrestauration
pulpanahe Dentinbezirke: Abdecken mit Ca(OH)z-Zement
adhasive Wiederbefestigung eines Zahnfragmentes möglich
Sensibilitätskontrolle
Komplizierte Kronenfraktur (Abb. 9.5, 9.6)
Schmelz-Dentin-Fraktur mit direkte Überkappung oder partielle Pulpotomie (p.P., Tiefe ca.
Pulpafreilegung 2 mm): Behandlung am Unfillltag, unreife und reife Zähne
Versorgung der Pulpawunde: Ca(OH)l oder MTA (weiß)
Pulpotomie bei Behandlungsbeginn nach >24 Stunden
Pulpotomie bei unreifen Zähnen bis zu einer Woche nach
Trauma möglich
Pulpektomie: reife Zähne mit komplizierter Kronenrestauration
(Stiftverankerung) und bei verzögerter Erstvorstellung
Kontrolle (Sensibililätstest, Röntgen)
------------------
Kronen-Wurzel-Fraktur
koronales Fragment beweglich, haftet Entfernung aller beweglichen koronalen Fragmente, weitere
meist nur noch an der Gingtva (kann Versorgung entweder wie unkomplizierte oder wie komplizier·
aber auch verlorengegangen sein) te Kronenfraktur, zuvor Freilegung der subgingivalen Bruchflä-
• apikales Fragment in der Regel nicht che durch
disloztert Gingivektomie,Osteotomie (Bruchfläche bis ca. 4 mm sub-
• multiple Frakturen möglich gingivalliegend) oder durch
Pulpa häufig freiliegend chirurgische oder orthodontische Ex'lrusion des apikalen
Temperaturempfindlichkeit bei Fragments (reife Zähne), evtl. vorherige Pulpaexsttrpation
Pulpafreilegung und temporäre Wurzelkanalfullung
Druck- und Aufbissschmerz Extraktion, wenn oben beschriebene Therapie nicht durchge-
Röntgen. intraalveolärer Bruchlinien- führt werden kann
verlauf häufig nicht erkennbar
Kontrolle {Sensibilitätstest, Röntgen)
448 9 Akutes Zahntrauma
Abb. 9.6: ;a) komplizierte Kronenfrakturen an den Zahnen 11 und 21, Wurzelwachstum nrcht abgeschlossen.
b) Kontrollbefund 4 Jahre nach Pulpotomie an beoden Z.;~hnen: Hartgewebsbildung und Abschluss des Wur.
zelwachstums
Abb. 9.7: a) 8-jahr.ger Junge: Wurzelfrakturen (Wurzelmotte) an den uhnen 11 und 21, nocht abgeschlosse·
nes Wurzelwachstum, b) Kontrollbefund nach 5 Jöihren· Wurzelwachstum abgeschlossen. Ausbildung ein~
neuen .ApeK" an berden koronalen Fragmenten
450 9 Akutes Zilhntrö~uma
Abb. 9.8 : a)S·Jahroger Junge: Subluxatoon d~ unreofen Zahns 21 b) Kontrollbefund nach 3 Jahren: Ab-
schlussdes Wurzelwachstums, Pulpaobliteration
tion von l nlgl'\t hadcn im Desmodont und in Nur 1~1 unreifen Zahnen:
der Pulpa. D1c I lcilung ist abhängig von: ~ Rcvaskularisation und Rcinm:n ·•tiun der
~ der Dauer extraalveolarer trockener i\uf- l)ulpa (Beginn nach 4 Tagen, Ab~chluss
bewahnmg de~ Iahns, nach ca. 30-40 Tagen)
"" dem Auflll:wahrungsmedium
~ dem ßchandlung\management. 1--omplikationen können >owohl \citens des
Desmodonts (Re~orptioncn: Oberflachenrc-
Die I lealungsvorgange umfa\\en: 'orptionen, entzundlichc Rc\orpliunen, F.r-
~ die Rcvo.~\J..ularisation der zerrissenen Dcs- satzresorption) a ls auch \eitcm der Pulpa
modontallasem (ca. nach einer Woche), (NcJ.. rose) auftreten. Für einen langfristigen
~ die ~.rncucrung Sharpey>cher Fa>em (Be- /.ahnerhalt sind die Vorgange 1m De~mo
ginn nach einer Woche, Zweidrittel der dont au~schlaggebend. Die Pulpavatalitat ist
ursprungliehen rcstigkcit sind nach 2 von untergeordneter Bedeutung Die daraus
Wochen crrc~tht ), re~ult1erende Therapie bct i\vuh•onen \\ird
"" d1e Frneuerung des gingivalen ..\ttach- in der Tabt'lle 9.4 darge\tellt.
ments.
454 9 Akulei Zahntrauma
10.3 Mittel des Walking Bleach .... 0 •••• 0 •••••• 0 •••• • 0 ••••••••••••••••••••• 0 • 0 ••• 457
10.4 Systematik des Walking Bleach ••• 0 ••••• 0 ••••• 0 ••• 0 ••••••• 0 ••••••••••••••••• 457
H l\~ 1\limm
• Womit lwglclcll icll tlci11e Zälme, Lieb~te? 0.1bci kann die Verfärbung schon viele Jahre
Mit eim•r sdi<JIII'II, Rllillllllt'mdm Perlt>mclmur 7uruckliegen. Das Verfahren wird bevorzugt,
0./rr mit 1\11(1\f't'" ll't'i~ser Hvazi11tll1'11?• da c~ wenig Behandlung~7t~it fordert, ~icher
(Hans l.kthge (19121 nach einem unbel.ann- i\t und vom Patienten als angenehm cmp-
ttm arabi'>Chcn D1chter) lunden wnd.
Der Lrfolg der cm!Ollontischen Behandlung J>as Walking Blcach i\t ~lethode der
w1rd an kurativen, hmktioncllen und aslhe- \.\'ahl !ur das interne Bleichen avitalcr
tischen Kriterien gcmes\en. Allerding' kann l..lh ne.
d1c ~\,thclik der Zahne vor und nach der cn-
dodontischen Behandlung durch Zahm er-
llubungen bccintrachtigt sein. Dafur werden 10.2 Indikation des Walking Bleach
folgend~ Ur'>.IChcn angegeben (Rotstein
1998, Kielbassa ct al. 2000; Peters 2001): 1\ach Rot~tein (1998] bc~tehcn fur die Wal-
~ Pulpanekro\~ durch mikrobielle, mccha- kmg-Bicach-Methodc folgende Indikatio-
ni\the und chemische Noxen nen:
~ Pulpablutung bei Trauma, Vitalamput.J· ~ Verfarbungen, die ihren Ut\prung im
tion und VItalexstirpation l~lparaum haben
Tab. 10.1: Systematik der Walking-Sieach-Methode (in Anlehnung an Rotstein 1998, Geurtsen 2000,
Peters 2001, Hülsmann 2008)
Behandlungsschritt Behandlungsmittel Behandlungsmodus/Behandlungsziell
Behandlungsbedingungen
1. Anamnese Ausschluss von Parafunktionen
2. Aufklärung des Patien- Hinweis auf Nachdunkeln, Überbleichung, Ver-
ten sprödung, Frakturrisiko
3. Kontrolle der Wurzelka- Kontrollrontgen- Revision der Wurzelkanalfüllung bei perlapikalem
nalfüllung aufnahme Befund und unzureichender Qualltat (Gefahr der
Penetration des Bleichmittels ins Parodont)
4. Inspektion der Zahnhart- Vorliegen ausreichender Stabilität erforderlich
substanzen
5. Farbbestimmung Farbring
Foto
Karteikarte
6. Absolute Trockenlegung Kofferdam Schutz des Patienten vor Bleichmittel, Aspiration,
Zubehör Verschlucken
7. Entfernung der definiti- Turbine
ven Füllung und Freile- Mikromotorwinkel-
gung der Zugangskavitat stück
8. Reduktion derWurzelka- langschaftrosenbohrer Kürzung um 1-2 mm unter Schmelz-Zement-
nalfüllung Grenze
9. Reinigung und Trock- NaOCil-3% Auflösung m<igllcher nekrotischer Pulpareste,
nung der Zugangskavität Lösungsmittel Entfernung von überschüssigem Sealer
Alkohol70%
Wattepellet
10. Abdeckung der Wurzel- lichthärtender GIZ Ende der Barriere in Höhe des Gingivarandes,
kanalfüllung Komposit Schutz des Parodonts vor Bleichmittel
11. Anmischen des Bleich- • Natriumperborat Anrühren zur Konsistenz.feuchten Sands"
mittels Wasser oder HjÜ2 3% Natriumperborat:Wasser • 2:1
Anrührspatel
12. Applikation des Bleich- Füllspatel Andrucken des Bleichmittels
mittels Wattepellet
13. Provisorischer Verschluss Wattepellet oder dichter Verschluss unabdingbar
Schaumstoffpellet
GIZ
Komposrt
14. Bestrahlung des Zahns Licht polymerisations- Bestrahlung von bukkal zur Beschleunigung des
gerät Bleichvorgangs
15. Wiederholung des s. 6.• 11., 12., 13., 14. nach 3- 5 Tagen an Abhängigkeit vom Bleicheffekt
Bleichvorgangs
16. Alkalisierung des Kro- Ca(OH)l für 14 Tage vor der definitiven Füllung
nenkavums
17. Definitive Versorgung Kompositfüllung randdichte Versorgung als Garant für Erfolg
18. Kontrolle nach 6 Monaten, 1Jahr und 4 Jahren, frühzeitige
Erkennung von externen Resorptionen und Kon -
trolle des Bleicheffekts
Literatur •i!.!'""'' 4 59
10.5 Erfolg des Walking Bleach lllilsmann, M.: Checld i ~ten der Lahnmedi1in.
En dodontie. "l llieme, Stuttgart, l\cw York
2008
ln Abbildung lO. l a, b u nd c wird der Erfolg
Kiclb<L~sa, A. :\11., Wrbas, K.-Th.: Extrinsische
dieses Bleichverfahrens exemplarisch darge- und intrimbche Zahnverfärbungen. Teil
stellt. 1: Urm·hen. ZWR 109,177 (2000)
J>eters, 0. A.: f.ndodontischc Behandlung un d
internes Bleichen- zwei Fall berich te. En-
cJocJon tie 10, 179 (2001)
Literatur
Rotstein, 1.: Blcaching nonvttal and vital disco-
Geurtsen, W.: Bleichen und Venecrs aus hcuti· lorcd teeth. ln: Cohen, S., ßurns, R. C.
gcr Sicht: Biokompatibilität, Indikation (cd .): Pathways to the pulp. Seventh ed.
und Methodik. Vortrag Hcrbmagung der Mosby, St. Louis 1998
Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kiefer-
heilkunde Dresden c.V., Dresden
04.11.2000
. . . - 461
Stichwortverzeichnis
- mesioex?entrisch 185 n
Bifurkation 22,
- orthoradialc 185 Bilddokumentation 240
- situationsgleiche 185 Bildübertragung 240
Aufzeichnungspflichten 188 Bindegewebe 166
Auge. bewaffnetes 175. 193, 239 Bindegewebskapsel 163
Augenwinkelfistel 178 Bindegewebsneubildung 157
r\ura 211 Bindegewebszone 166
Ausgangsfeile 279 ßiofilm 242
Ausgießverfahren 36 Biofilmbildung 140
Avulsion 122,207, 451, 454 Biofilme, polymikrobielle 139
Axone 19 lliopsie 23 1
Biozönose, mikrobielle 119
B
Bispho~phonatmcdikation 234
B-l.}'mpholyten 11, 143 Ki~pho~phonattherapie 21-1
ß-Tdcalciu mphosphat 261 Bissflugelaufnahme 185
Bactcroidcs 135, 141 Bleichen
- for..ythus 142 - internes 457
Bakteriämie, transitorische 122, 231, 376 - intrakoronatcs 209
B.Jktcrien Blickdiagnostik 178
gramnegative 143 Blindversuch 98
- planktonische 140 Blutdruck-Messgerät 232
Baktcrio?inc 134 Blutgerinnungsstörungen 175, 232
llalanced-force-Technik 280 Blutkoagulum 258
Barium 18 Blutstillung 257,417, 424
Rarodontalgu: 123 BMP 28,250
Ba sie fibroblast growth factor 251 BMP-2 250
Basisdiagno~tik 195 Bogenschnitt 42 1
1\att-Spitze 278 Bologna-Prozess 230
Befestigungskomposit 119 bonc morphogcnetic proteim 6, 250
Befragu n~:: 3 77 bone sialoprotein 75
llefund 198 Uox:ensystem 236
Befunderhebung 179 ßrackets 123
- kl irllsche 178 Bradykinin 22, 29, 130, 143
röntgenografische 185 Bronchitis 175
1\ehandlung llronchmkopie 372
- chirurgische 234 IJrückenb•ldung 127
- endodontischc I 04, 233 Bruxismus 209
- kicferorthopädi~che 123, 209 Bupivacain 233
llehandlungseinrichtung 108 ßurn-out-Ufekte 186
Behandlungserfolg 108f., 227 Bypas~ 176
Behandlungsfehler 165, 371
Behandlungssystematiken 239 c
!l(>handlungMechnik 108 C-Fa~ern 19f.
Bchandlung~weise, ergonomische 240 C-Fonnen 52, 57
Beleuchtung 240 C-Konfigurationen 53, 59, 61
Beruhrung~)chmerl 198 C. alblcans 308
Besiedelungsfolge 134 Ca(OH)z 193, 195, 2.l2
Bestrahlung 233 Ca(OH)z-Einlage 426
Bewl>gungsemschrankung 213 Ca(OHh-Liner 125
Beweiskraft 228 Ca(OH)z-Suspension 309, 380, 387
Bias 97 Ca(OH)z-Zement 380
Bifidobactcrium H 1
l
464 St ichwortverzeichnis
I
466 Stichwortverzeichnos
l
468 Stichwortverzeichnis
l
470 Stichwortverzeichnis
l
472 Stichwortverzeichnis
l
474
Stichwortverzerchnrs
N 1\oxcn
' · dent.1lts 78 - chemi~che 115, 129
1\. mentalls 4 J9 - mrl..rohrellc 115, 128f.
'\. trigcminus 19, 22, 78,210 pll\ ~ikalischc 11 'i. 1281.
1\aber~·Bifurkatiormonde 1114 Nudeoli 13
i\achblutung 416
\!'achsorge 424
0
Na(kenfi~tel 178 Obt:rflachenandsthc~re 183
:\adel·Lrteil 371 Obertlächenresorplion 207, 209
l\ahrung\angebot 134 Ob(l'l.ldimen~ton, dritte 187
!\lahnrngsketten l.i.J Obtura II·Systcm 318
l'\ahrun~o:~konkurrcn7 1.14 Odds Ratio 9!l
'ahlenlfcmung 425 Ö<kmbildung 162
XaOCJ i53, 170 Odontobiasten 5. 8, 10, 14, 111. 28, .12
Narbe, Jll.>rldpll..a le 166 sekundart 11
1\arbeng~welxc 161 Odontohla\tena~piratlon 28 123
'a trium 18 Odontoblastenforts.1tz I lf., II!, 20, 26f.
'\atnumnuorid 125 Odontobla~tenl..örpcr 13f.
Nalriwnhyp<><:hlorlt 140, 296, 307, 309, 170 Odontoblastenreihe 10
"-:atriumhypochlorit-lö~ung 186 Odontod)~p1a~rl 72
Xatnumpt·rborat 457 Odontogenesi\ lmpc.:rfcll,t 72
Nd:YAG·laser 123, 310 Odontomc 205
'\cll\•nlultoffnung 242 Offcni<~~Stn 374
Nel..rose 192, 194 Okklu~ion
'\eoapex 430 - d)nami~he 213
\!'eonatallinie 16 - ~tati\thc 213
Xerw gr0\\1h tactor 7 traumatische 209
'\cn cn \l'JlSibll 19 One-\hot-Prophylaxe 41 7
'erven endigungen 17, 22 Oprordc 1-IJ
'\'ervenfa~rn. somatosenwri!><.he afft~nte 78 Opportunistenmfcktion, polymikrobleUe 135
'-"crvensy~tem, ~ympath l ~che adrenerge~ 24 Opsontne 131
'euralfal.tor I .10 Opsoni\ierung I il
'\'euralgie 214 Organ, no7i7cptrve~ 20
'\euraller~te 5 Organtramplantation 176
Xeuroi.Jnin \ 20, I 10 Ortfi71Cil .i5
Neuropeptid Y 20, 25, UCI Orthodentin 28
1\'europeplrde 7.2. I 10, 14 I, 306 OrthoTact-Verfahren l!l7
Nt'AU\ ll Osophagosl.opre J71
Nicl.el-1itan 277 0\tl'OI.>Jastc.:n 77
Nidel-Titan-feilen 217 <hteocalcin 15, J2
Nidei.'J1tJn-Feilcn·Sy\tem 285 Osteogene\is imperfe<:ta 72
'l:ickcl- litan-lmtrumcnte 353 0\tco~o:enk protcin 2SO
' rckeJ-Titan-Srstem 283 lliteokla5tcn 77 H3f , 162, 207
\; il'drig te m pcra I ur-Gu 11apcrc ha -ln je!.. t iorm v~- 0\teol..la stenaktivicrung\fal..tor 79
tem 3 18 · 0\tOOm 20Ci
'rercnerl.ranbmg 1'6 O~teone 80
\:ikotinamid·Adcnin-J>Inukleolrd-Pho~phat- <hteon~tin 15
Diaphorase 122 0\teonekrO\e 214 2.!4
'\itinol 2711 O~tcopt·trosl 170
\:rtmollegierungcn 285 <.ht~pont111 15, 75
'oradrcnalin 25, 233 O~teoporose 175
\:ormung 2.!4 o~tcoporOSI.•patienlen 2.J4
Stichwortverzeichnis ..- 475