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Was versteht man unter dem Begriff "Spracherwerb"?

Sprache(n) erlernen und sie kreativ und situationsangemessen


gebrauchen zu können, ist eine nur den Menschen gegebene
Fähigkeit.
Die Begriffe Spracherwerb, Sprachbildung und Sprachentwicklung
werden häufig als Synonyme verwendet.
Viele Menschen verbinden den Begriff "Spracherwerb" mit kleinen
Kindern, die gerade ihre Muttersprache erwerben. Andere denken als
erstes an den Fremdsprachenunterricht, den sie in der Schule hatten.
Wieder andere assoziieren damit Sprachkurse (z.B. in Goethe-
Insttitut), in denen sie ihre Sprachkenntnisse (über die deutsche
Sprache) erweitern können. "Spracherwerb" ist also ein vieldeutiger
Begriff.
Im Allgemeinen wird "Spracherwerb" als Oberbegriff betrachtet. Er
bezeichnet jede Form der Aneignung von Sprache, unabhängig
vom situationellen und kommunikativen Kontext, von
Lernmethoden oder Erwerbsstrategien.
Der Begriff "Spracherwerb" umschließt also die Aneignung der
Muttersprache und die Aneignung von weiteren Sprachen
(Fremdsprachen).
Was ist der Unterschied zwischen den Begriffen "Spracherwerb"
und "Sprachlernen"?
In einigen linguistischen Arbeiten wird terminologisch zwischen
"erwerben" und "lernen" differenziert.
"Erwerben" und "Lernen" bezeichnen verschiedenen Formen der
Aneignung einer Sprache.
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"Erwerben" bezeichnet die Aneignung einer Sprache ohne
systematische Belehrung (d.h. ohne Unterricht), während unter
"lernen" die Aneignung von Sprache durch formale Lehrverfahren
(d.h. durch Unterricht) verstanden wird.
Der "Spracherwerbprozess" wird dann als ein unbewusster Prozess
betrachtet. Kinder können sich allein durch Zuhören und
Interaktion (sprachliche Kommunikation mit ihren Eltern und
Familienmitgliedern) ihre Muttersprache aneignen.
Im Gegensatz dazu wird das "Sprachlernenprozess" als eine bewusste
Aneignung von Wissen über eine Sprache (durch formale
Institutionen wie Schule u. Universität).
Zumeist wird der Begriff "Spracherwerb" jedoch als Oberbegriff
(erwerben + lernen) verwendet.
Die Aufgaben beim Spracherwerb:
•Laute erkennen
•Silben und die Bildung von Silben erkennen
•Laute und ihre Formen mit Begriffen verbinden
•die Möglichkeiten des Kombinierens der Wörter erkennen
•die Struktur und die Kombinationen von Sätzen erkennen
•die Bedeutung von Wortkonstruktionen verstehen
•die gelernten Laute, Wörter, Sätze u. Ä. in einer bestimmten
Situation verwenden
•die sprachlichen Muster variieren

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Spracherwerbstypen:
Wir können eine Reihe von "Spracherwerbstypen" bestimmen, die
sich danach unterscheiden, unter welchen Bedingungen der
"Spracherwerb" erfolgt. Der wichtigste Aspekt beim "Spracherwerb"
ist also, welche Voraussetzungen jeweils bei dem Menschen
vorliegen, der eine Sprache erwirbt ( Wo und in welchem Alter?).
Bei Kindern unterscheidet man zunächst zwischen:
1. Erstspracherwerb:
Man benutzt auch die Bezeichnung "primärer Spracherwerb".
Darunter versteht man den Erwerb der Muttersprache, der ersten
Sprache nach der Geburt.
Der Terminus "Erstsprache", auch "L1" (L1-Erwerb = first language)
genannt, bezeichnet dabei den Erwerb der Muttersprache oder der
Muttersprachen (2L1).
2. Zweitspracherwerb:
Zweitspracherwerb ist ein Sammelbegriff für den Erwerb einer
Zweitsprache (L2) als Mittel der alltäglichen Kommunikation, das
neben der Erstsprache (Muttersprache) gewöhnlich in einer sozialen
Umgebung erworben wird.
Man spricht also von dem Erwerb einer zweiten Sprache (L2-Erwerb
= second language), nachdem der Erwerb der Muttersprache
bereits ganz oder teilweise abgeschlossen ist.
Es werden vier verschiedene Typen des Zweitspracherwerbs in
Abhängigkeit vom Erwerbsalter und der Erwerbsart unterschieden:
A. Simultaner Spracherwerb: .
Der simultane Spracherwerb (auch doppelter oder bilingualer
Erstspracherwerb) erfolgt bis zum 4. Lebensjahr des Kindes. Dabei
werden gleichzeitig und gleichwertig zwei oder mehr Sprachen
erworben.
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Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Erstsprache der Mutter
und die Erstsprache des Vaters sich unterscheiden und das Kind
(mehr oder weniger von Geburt an) die Muttersprache und die
Vatersprache erwirbt.
B. Sukzessiver Zweitspracherwerb: .
Beim sukzessiven Zweitspracherwerb wird die zweite Sprache erst
nach dem 4. Lebensjahr des Kindes erworben, wenn die
Grundkompetenzen der Erstsprache vollständig angeeignet
wurden. (Das Kind wächst unter Umständen bereits in der Familie
simultan zweisprachig auf.) Die Umgebungs- oder Verkehrssprache
außerhalb der Familie ist nicht die Sprache der Eltern.
Diese Konstellation kommt häufig bei Migrantenkindern vor.Das
Kind wird mit der Verkehrssprache ‟Deutsch„ erstmals mit dem
Eintritt in die Kindertagesbetreuung oder in die Schule
konfrontiert.
Die Eltern wechseln zwischen den Sprachen und mischen diese
sprachen (Code-Switching und Code Mixing).
C. Ungesteuerter Zweitspracherwerb:
Der ungesteuerte (natürliche) Zweitspracherwerb (DaZ- Deutsch als
Zweitsprache) vollzieht sich implizit von Geburt an in der
natürlichen, alltäglichen Kommunikation. (Bei allen bisher
dargestellten Typen ist davon auszugehen, dass die Sprachen auch
tatsächlich zur Verständigung in Alltagssituationen genutzt werden).
Von ungesteuertem Zweitspracherwerb spricht man, wenn keine
systematische Unterstützung durch Unterricht erfolgt.Menschen
können fremde Sprachen in Alltagssituationen erwerben. Damit meint
man, dass sie diese Sprachen ohne formalen Unterricht aneignen. So
haben viele Gastarbeiter, die in den 60er und 70er Jahren nach
Deutschland kamen, ihre Deutschkenntnisse ohne Anleitung
erworben.
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D. Gesteuerter Zweitspracherwerb: .
Der gesteuerte Erwerb der Zweitsprache findet im Unterschied zu
dem ungesteuerten Zweitspracherwerb explizit innerhalb eines
formalen unterrichtlichen Kontextes statt. Diese Form wird auch als
Fremdsprachenerwerb (DaF- Deutsch als Fremdsprache)
bezeichnet.
In Schulen, Universitäten und in Sprachkursen findet ein gesteuerter
Fremdsprachenerwerb statt, d. h. die Aneignung der neuen Sprache
erfolgt unter Anleitung und unter dem Einsatz formaler Lehrverfahren.
Die Fremdsprache wird nicht für die alltägliche Kommunikation
benötigt, zumeist werden die Schülerinnen und Schüler nicht von
Muttersprachlern in der Fremdsprache unterrichtet und haben damit
auch geringe Chancen, ein muttersprachliches Niveau zu erreichen.

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