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Hoepfner Platons Akademie 2002
Hoepfner Platons Akademie 2002
Wolfram Hoepfner
Platons Akademie
Eine neue Interpretation der Ruinen
Die große, vom Dipylon-Tor nach Westen litik ab.1 390 v. Chr. trat er als Vierzig «baumreichen Gymnasion vor der Stadt,
führende, ungewöhnlich breite Straße jähriger eine Reise nach Unteritalien an, das seinen Namen von dem Heros Heka-
war der Heldenfriedhof Athens. Einige die dem Wirken und den Nachfolgern des demos hat» (Diog. Laert. 3,7). Das ei
der Staatsgräber sind inzwischen dort ge Philosophen Pythagoras galt. Er erwarb gentliche Gymnasion stammt aus archai
funden worden. Auf der auch Dromos drei Bücher des Pythagoräers Philolaos scher Zeit (6. Jh. v. Chr.) und war damals
genannten Straße fanden Fackelläufe an Über die Natur, die er später für seine ei offensichtlich die einzige bauliche Ein
drei Festen statt, bei den Panathenäen, gene Schrift Timaios verwandte. In Sy richtung in dieser Gegend, so daß na
dem Fest des Prometheus und dem des rakus kaufte er die bis dahin unbeachtet mentlich nicht zwischen dem Gebäude
Hephaistos. Die Straße mündete mehr als gebliebenen Bücher des Sophron, der und der Örtlichkeit unterschieden wurde.
2 km vom Dipylon-Stadttor entfernt in sich der seltenen literarischen Gattung Platon kaufte im Park einen «kleinen
die Akademie, wo sich eines der drei al des mimus (Nachahmung, Schauspieler) Garten» (Diog. Laert. 3,20). Das Musen
ten Gymnasien Athens befand. Aus den gewidmet hatte. Sie wurden für die Form heiligtum mouseion und das Lehrlokal
Quellen ist auch bekannt, daß dort die seiner Dialoge wichtig. Dort fiel er we (EgiAoa) wurden ebenda eingerichtet.2 In
heiligen Ölbäume standen, deren Öl für gen seiner Offenheit gegenüber dem Ty diesem mouseion, das ausdrücklich «von
die Preise am Fest der Panathenäen ge rannen Dionysios in Ungnade und soll Platon in der Akademie gegründet (ge
nutzt wurde. Kimon hatte die Akademie dann auf ein Schiff gebracht und in Ägina baut) worden war» (Diog. Laert. 4,1), hat
mit Anpflanzungen vieler Bäume, Plata als Sklave verkauft worden sein. Glückli sein Nachfolger Speusippos Statuen der
nen, Pappeln und Ulmen, in einen Park cherweise erkannte ihn der zufällig anwe Grazien aufstellen lassen. Wenig später
verwandelt. Richtig berühmt wurde der sende Annikeris aus Kyrene und kaufte hielt sich der Philosoph Polemon ständig
Ort erst, als Platon dort seine Philoso ihn frei, wie Diogenes Laertius 3,19-20 im Garten auf (Diog. Laert. 4,19), und
phenschule einrichtete. in seiner Lebensbeschreibung berühmter seine Schüler bauten sich Hütten und leb
Platon hatte 399 v. Chr. in Athen den Philosophen berichtet. Im Sommer 388 ten nicht weit von mouseion und exedra
Prozeß gegen seinen Lehrer Sokrates mit v. Chr. war Platon wieder in Athen und entfernt.1
erlebt und wandte sich nach dessen Ver gründete seine Schule. Als Diogenes Laertios in alten Büchern
urteilung zunächst enttäuscht von der Po Er lehrte in der «Akademeia», dem stöberte, um das Leben der Philosophen
darstellen zu können, waren seit der Ein
richtung der Akademie Platons bereits
500 Jahre vergangen. Es wäre erstaun
lich, wenn sich nach so langer Zeit noch
alle Ereignisse und Zustände lückenlos
klären ließen. Sicher ist, daß bei Dioge
nes Laertius immer wieder die Worte
Mouseion und Exedra im Zusammen
hang mit Platon vorkommen, nicht aber
das alte Gymnasion, wie oft angenom
men wird. Gymnasion und Mouseion
oder Didaskaleion (Lehrgebäude), wie es
an anderer Stelle heißt, sind verschiedene
Bauten. Auch aus einem Text bei Cicero
(De finibus bonorum et malorum 5,2) ist
nicht ablesbar, daß das alte Gymnasion
im Zusammenhang mit den Philosophen
eine Rolle spielte. Cicero erwähnt die be
sondere Stimmung, die ihn und seine Be
gleiter erfaßte, als sie im Jahr 79 v. Chr.
bei einem Spaziergang durch die Akade
mie daran dachten, daß Platon hier unter
den Bäumen zuerst seine philosophischen
Vorlesungen zu halten pflegte und daß
seine Gärten in der Nähe lägen. Ob mit
diesen Gärten die Ruinen von Mouseion
und Exedra gemeint sind, bleibt offen.
Vom alten Gymnasion ist jedenfalls nicht
die Rede.
Ein Mosaik aus Pompeji, das sich jetzt
in Neapel befindet, zeigt Platon, wie er
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Lygkouri freundlicherweise mitteilt, daß Exedra» zu sehen, die Stätte der For 3. Es gab neben dem Hauptraum für Ori
in einem neuen, von ihr durchgeführten schung für den «Akademie» genannten ginalschriften Nebenräume (apothekes)
Suchschnitt keine Spuren angrenzender Verein. Zwar sind auch hier nur Funda für weniger wertvolle Abschriften. Dort
Hallen festgestellt werden konnten. Der mente erhalten (Abb. 74. 75), aber Funde standen Bücherschränke in der Raum
Raum neben dem Peristyl ist mit 12,70 x und Einzelheiten bestätigen diese neue mitte (z. B. Villa dei Papiri).
8,70 m ziemlich groß und war für viele Deutung. Der zentrale Raum im Norden 4. Zum Studieren gab es neben der Bi
Zwecke geeignet. Genau an dieser Stelle war demnach kein Ephebeion und kein bliothek Lesehallen (in Pergamon im
dieses Baus wurden archaische Dachzie Propylon, sondern eine Bibliothek. Hallen-Obergeschoß mit Brüstungen, um
gel gefunden, ein Hinweis auf das hohe Was zeichnet eine solche große Bib den Wind abzuhalten und mit Vorhängen
Alter der Anlage. Gymnasien waren öf liothek aus? Wir können nur aus späte gegen das Sonnenlicht).
fentliche Räume und ein beliebter Ort ren Beispielen auf diese erste Bibliothek Die Ruine in der Akademie erfüllt alle
der Aufstellung von Ehrenstatuen. So er zurückschließen: Bedingungen. Eine Besonderheit ist der
staunt es nicht, daß hier mehrere Ehrenin 1. Bücherschränke waren wegen der Ge zentrale und hervorgehobene Hauptraum,
schriften unterschiedlicher Epochen ge fahr der Durchnässung der Wand nicht in dem es vor der Außenwand eine wei
funden wurden. Schülerübungen, Kritze in Außenwänden untergebracht. Schutz tere innen umlaufende Wand oder ein
leien auf Stein aus dem 5. oder 4. Jh. vor Feuchtigkeit gewährten nur trockene Podest gibt. Dieses Fundament ist 1,35 m
v. Chr. wurden in nicht großer Entfer Innenwände oder Sockel für Bücher stark und entspricht dem Sockel für
nung an der Umfassungsmauer der Aka schränke (z. B. königliche-Bibliothek Per Bücherschränke in Pergamon. Im Norden
demie entdeckt. Daß sie im nahegelege gamon). Auch späte Bibliotheken haben gab es offensichtlich keine Bücherschrän
nen Gymnasion benutzt wurden, ist also hinter den Schrankwänden noch umlau ke, vermutlich um mehr Licht über Fen
überzeugend.7 fende Lüftungskammern (z. B. Celsus Bi ster hereinzulassen. Der Raum hat unge
Zurück zu dem besser erhaltenen, süd bliothek, Nysa). fähr die Größe des großen Saals der Bi
lich gelegenen Bau. Dieser ist sicher 2. Der Raum mußte Fenster aufweisen, bliothek in Pergamon. Leider ist die Tür
kein Gymnasion gewesen. Es spricht al aber direktes Sonnenlicht war schädlich nicht erhalten und dem Fundament nicht
les dafür, in diesem Bau «Mouseion und (Vitruv). abzulesen. Sie kann nur im Süden gele-
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nähme von je sieben Klinen geeignet. Aristoteles war der berühmteste und de genauestens untersucht und die lei
Das war die auch in den meisten Häusern bei weitem bedeutendste unter Platons der nur schlecht erhaltenen Ruinen eines
übliche Größe für Banketträume. Weil in Schülern. Mit 17 Jahren trat er in die Aka Baus aus dem 4. Jh. v. Chr. ans Licht ge
Pergamon der Platz fehlte, wurde dort ein demie ein und gehörte ihr 18 Jahre lang bracht (Abb. 80). Sofort war ihr die Ähn
größerer Bankettraum in unmittelbarer an. Unterschiedliche Auffassungen und lichkeit mit dem südlichen Peristylbau
Nähe, aber getrennt von der Bibliothek Streitgespräche waren unter den Philoso in der Akademie aufgefallen, der bislang
errichtet. phen sicher nicht selten (Abb. 79). Nach als Gymnasion gedeutet worden war.
Unklar bleibt der Eingang, das Tor oder Platons Tod 348 v. Chr. verließ Aristoteles Nach der hier jetzt vorgelegten Identifi
Propylon. Es kann nur im Süden gele Athen und folgte einem Ruf nach Assos zierung mit Platons Lehrgebäude zweifle
gen haben, und war vielleicht sogar in der Nähe von Troja. Er sollte dort eine ich nicht, den neu aufgedeckten Bau
ein Vorbau mit Säulenstellung, wie ihn philosophische Schule gründen. Nach im Lykeion-Park als das von Aristote
an entsprechender Stelle die schon ge dem Sturz des dortigen Herrschers Her- les 335 v. Chr. errichtete Forschungs- und
nannte Hadriansbibliothek zeigt. Der mitt meias ging er 345 v. Chr. in das benach Lehrinstitut anzusehen. In der Mitte einer
lere Teil der Südhalle konnte bisher lei barte Mytilene (Lesbos), und wenig spä Schmalseite des von Hallen umgebenen
der nicht ausgegraben werden, weil das ter rief ihn Philipp II. als Erzieher seines Hofs liegt dominierend ein Raum mit
Grundstück nicht zur Verfügung stand." Sohnes Alexander an seinen Hof. 335 doppelten Wänden: Hier war die größte
Platon war ein vermögender Bürger v. Chr. - Alexander war bereits König - wissenschaftliche Bibliothek der späten
Athens. Wie eingangs erwähnt, hat er ging er zurück nach Athen. Da er sich mit Klassik untergebracht, und in diesen
schon vor der Gründung der Akademie Xenokrates, dem Leiter von Platons Aka Mauern verfaßte Aristoteles sein (Euvre,
Bücher gesammelt. Mit seiner wissen demie, nicht verstand, gründete er ein ei dessen Deutung noch heute viele Gelehrte
schaftlichen Einrichtung hat er das erste genes Forschungsinstitut. Er wählte dafür beschäftigt und fasziniert.
große Forschungsinstitut geschaffen, eine das entgegengesetzte Ende der Stadt, eine
Tat, deren Bedeutung nicht überschätzt Gegend vor den Stadtmauern im Osten,
werden kann. Denn damit war der Typus die nach dem dort befindlichen alten
der wissenschaftlichen Bibliothek und Gymnasion «Lykeion» genannt wurde.
des Forschungsinstituts geboren. Platon Bisher waren weder dieses Gymnasion
Abb. 80 Athen. Neue Ausgrabungen unter
hatte zahlreiche Schüler. Diogenes Laer- noch das Forschungsinstitut von Aristo
der Leitung von Evi Lygkouri. In der nach
tius nennt 16 Namen und spricht von vie teles bekannt. Kürzlich erst ergab sich
dem alten Gymnasion «Lykeion» genannten
len weiteren. Er erwähnt auch zwei Frau die Gelegenheit, auf einem großen Ge
Gegend kamen die Ruinen eines Bauensem
en, von denen eine sich in Männerklei lände, das bisher als Exerzier- und Reit bles ans Licht, das sehr wahrscheinlich
dung bewegte. Diese Schüler arbeiteten platz diente, großflächige Ausgrabungen Aristoteles für seine Bibliothek und seinen
selbst und hatten an den Tischen der Hallen durchzuführen. Evi Lygkouri von der 3. Lehrbetrieb errichtet hatte. Aufnahme aus
ihren Platz gehabt. Archäologischen Ephorie hat das Gelän dem Jahre 2001.