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Originalveröffentlichung in: Wolfram Hoepfner (Hrsg.): Antike Bibliotheken (Zaberns Bildbände zur Archäologie.

Sonderbände der ANTIKEN WELT), Mainz am Rhein


56 2002, S. 56-62; Online-Veröffentlichung auf Propylaeum-DOK (2022), DOI: https://doi.org/10.11588/propylaeumdok.00005485

Wolfram Hoepfner
Platons Akademie
Eine neue Interpretation der Ruinen

Die große, vom Dipylon-Tor nach Westen litik ab.1 390 v. Chr. trat er als Vierzig­ «baumreichen Gymnasion vor der Stadt,
führende, ungewöhnlich breite Straße jähriger eine Reise nach Unteritalien an, das seinen Namen von dem Heros Heka-
war der Heldenfriedhof Athens. Einige die dem Wirken und den Nachfolgern des demos hat» (Diog. Laert. 3,7). Das ei­
der Staatsgräber sind inzwischen dort ge­ Philosophen Pythagoras galt. Er erwarb gentliche Gymnasion stammt aus archai­
funden worden. Auf der auch Dromos drei Bücher des Pythagoräers Philolaos scher Zeit (6. Jh. v. Chr.) und war damals
genannten Straße fanden Fackelläufe an Über die Natur, die er später für seine ei­ offensichtlich die einzige bauliche Ein­
drei Festen statt, bei den Panathenäen, gene Schrift Timaios verwandte. In Sy­ richtung in dieser Gegend, so daß na­
dem Fest des Prometheus und dem des rakus kaufte er die bis dahin unbeachtet mentlich nicht zwischen dem Gebäude
Hephaistos. Die Straße mündete mehr als gebliebenen Bücher des Sophron, der und der Örtlichkeit unterschieden wurde.
2 km vom Dipylon-Stadttor entfernt in sich der seltenen literarischen Gattung Platon kaufte im Park einen «kleinen
die Akademie, wo sich eines der drei al­ des mimus (Nachahmung, Schauspieler) Garten» (Diog. Laert. 3,20). Das Musen­
ten Gymnasien Athens befand. Aus den gewidmet hatte. Sie wurden für die Form heiligtum mouseion und das Lehrlokal
Quellen ist auch bekannt, daß dort die seiner Dialoge wichtig. Dort fiel er we­ (EgiAoa) wurden ebenda eingerichtet.2 In
heiligen Ölbäume standen, deren Öl für gen seiner Offenheit gegenüber dem Ty­ diesem mouseion, das ausdrücklich «von
die Preise am Fest der Panathenäen ge­ rannen Dionysios in Ungnade und soll Platon in der Akademie gegründet (ge­
nutzt wurde. Kimon hatte die Akademie dann auf ein Schiff gebracht und in Ägina baut) worden war» (Diog. Laert. 4,1), hat
mit Anpflanzungen vieler Bäume, Plata­ als Sklave verkauft worden sein. Glückli­ sein Nachfolger Speusippos Statuen der
nen, Pappeln und Ulmen, in einen Park cherweise erkannte ihn der zufällig anwe­ Grazien aufstellen lassen. Wenig später
verwandelt. Richtig berühmt wurde der sende Annikeris aus Kyrene und kaufte hielt sich der Philosoph Polemon ständig
Ort erst, als Platon dort seine Philoso­ ihn frei, wie Diogenes Laertius 3,19-20 im Garten auf (Diog. Laert. 4,19), und
phenschule einrichtete. in seiner Lebensbeschreibung berühmter seine Schüler bauten sich Hütten und leb­
Platon hatte 399 v. Chr. in Athen den Philosophen berichtet. Im Sommer 388 ten nicht weit von mouseion und exedra
Prozeß gegen seinen Lehrer Sokrates mit­ v. Chr. war Platon wieder in Athen und entfernt.1
erlebt und wandte sich nach dessen Ver­ gründete seine Schule. Als Diogenes Laertios in alten Büchern
urteilung zunächst enttäuscht von der Po­ Er lehrte in der «Akademeia», dem stöberte, um das Leben der Philosophen
darstellen zu können, waren seit der Ein­
richtung der Akademie Platons bereits
500 Jahre vergangen. Es wäre erstaun­
lich, wenn sich nach so langer Zeit noch
alle Ereignisse und Zustände lückenlos
klären ließen. Sicher ist, daß bei Dioge­
nes Laertius immer wieder die Worte
Mouseion und Exedra im Zusammen­
hang mit Platon vorkommen, nicht aber
das alte Gymnasion, wie oft angenom­
men wird. Gymnasion und Mouseion
oder Didaskaleion (Lehrgebäude), wie es
an anderer Stelle heißt, sind verschiedene
Bauten. Auch aus einem Text bei Cicero
(De finibus bonorum et malorum 5,2) ist
nicht ablesbar, daß das alte Gymnasion
im Zusammenhang mit den Philosophen
eine Rolle spielte. Cicero erwähnt die be­
sondere Stimmung, die ihn und seine Be­
gleiter erfaßte, als sie im Jahr 79 v. Chr.
bei einem Spaziergang durch die Akade­
mie daran dachten, daß Platon hier unter
den Bäumen zuerst seine philosophischen
Vorlesungen zu halten pflegte und daß
seine Gärten in der Nähe lägen. Ob mit
diesen Gärten die Ruinen von Mouseion
und Exedra gemeint sind, bleibt offen.
Vom alten Gymnasion ist jedenfalls nicht
die Rede.
Ein Mosaik aus Pompeji, das sich jetzt
in Neapel befindet, zeigt Platon, wie er
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Platons Akademie 57

mit Schülern und Kollegen unter den


großen Bäumen der Akademie diskutiert
(Abb. 72). Einige der Gelehrten halten
Buchrollen in der Hand, und andere sit­
zen auf einer Exedra, auf einer runden
Bank. Im Vordergrund sind eine Kapsa,
ein Behälter für Rollen, und auch ein
Globus zu sehen. Im Hintergrund werden
die Stadtmauern von Athen angedeutet.
Hinter der Bank ist auf einer runden
Säule eine Sonnenuhr zu erkennen, die
in philosophischen Zirkeln selten fehlt.
Links im Bild sind zwei Pfeiler darge­
stellt, auf denen ein verbindendes Gesims
liegt. Das muß das Tor zum Mouseion,
dem eigentlichen Lehrgebäude sein. Die
Exedra befand sich also im Park unter
Bäumen und wurde an heißen Sommerta­
gen aufgesucht.
Die Schule von Platon war nach atti­
schem Recht ein Kultverein der Musen,
dazu des Apollon und vielleicht auch des
Eros unter der Leitung des Stifters. Platon
war nicht arm, aber erst später wurde der
Verein durch weitere Zueignungen sehr
vermögend.
Philologen und Historiker haben darü­
ber gestritten, wie der Betrieb in der Aka­
demie zu beurteilen ist. Namhafte Ge­
lehrte wie W. Jaeger haben Platons Aka­
demie nicht den Charakter einer wissen­
schaftlichen Anstalt im Sinn eines Vor­
läufers unserer Universitäten zuerkannt.4
Heftig widersprachen v. Wilamowitz, M.
Pohlenz, P. Friedländer, Herter und viele
andere. Denn anders als bei Sokrates und
seinem Zirkel kam es Platon mit der
Gründung der Akademie in einem festen
Gebäude zweifellos auf eine große Bi­ 73
bliothek an, ohne die wissenschaftliche
Studien z.B. über die pythagoräische mie fußen. Das gilt für die Bibliothek des trotz der großen Bedeutung des Ortes nie
Zahlenlehre, mathematische Astronomie Aristoteles beim Lykeion-Gymnasion am erfolgt. Es zeigte sich, daß der Platz uralt
oder Geographie ebensowenig möglich entgegengesetzten Ende der Stadt, ferner war, und schon in geometrischer Zeit gab
wären wie die deutlich erkennbar ange­ für das nur aus Quellen bekannte Mou­ es dort ein Heiligtum. Aus der späteren
strebte Ordnung und Systematik in den seion und die Bibliothek in Alexandria Zeit wurden drei Baukomplexe freigelegt
Einzelwissenschaften. Ferner ist wichtig, sowie die große Bibliothek im Athena- (Abb. 73): Im Nordwesten ein Stück der
daß die späteren derartigen Einrichtungen Heiligtum in Pergamon, die weiter unten Umfassungsmauer, die im 6. Jh. v. Chr.
alle auf dem Vorbild von Platons Akade- ausführlich beschrieben wird. So schließe Hipparch, der Sohn von Peisistratos ge­
ich mich der Meinung von Leisegang baut haben soll, im Süden ein rechtecki­
an, daß Platons Akademie wie eine mo­ ges Peristyl mit angrenzenden Räumen
derne Akademie arbeitete: wissenschaft­ und weiteren baulichen Resten, und nörd­
liche Forschung, Dialog als Unterrichts­ lich davon im Abstand von 240 m ein
methode, Vorträge, Beziehungen zu Ge­ quadratisches Peristyl sowie ein isolierter
lehrten, die in der Akademie berichteten, Raum.
gemeinsame Mahlzeiten und Feste. Ph. Stavropoulos hat in einem langen
Abb. 72 Mosaik aus Pompeji im Museo Ausgrabungen am Ort der Akademie Artikel das relativ gut erhaltene lang­
Nationale in Neapel, Inv. Nr. 124545. Es wurden im Auftrag der Akademie Athens rechteckige Peristyl im Süden ohne je­
zeigt Platon diskutierend im Kreis seiner und der Archäologischen Gesellschaft den Zweifel als «Gymnasion» bezeich­
Kollegen und Schüler in der parkartig ge­ durchgeführt. Von 1929 bis 1940 leitete net, und bei dieser Benennung ist es ge­
stalteten Akademie vor den Toren Athens. K. Kourouniotis die Grabungen und 1955 blieben.5 Auch John Travlos sah in die­
nahm Ph. Stavropoulos mit J. Travlos als sen Ruinen das berühmte Gymnasion der
Abb. 73 Athen. Gebiet der Akademie mit
Architekt die Arbeiten wieder auf. Spä­ Akademie.6 Zwar sind nur Fundamente
Platons «Mouseion und Exedra» im Süden
tere Notgrabungen wurden von der 3. erhalten, und diese sollen von einer späte­
und dem in archaische Zeit zurückgehenden
Gymnasion sowie der Umfassungsmauer im
Ephorie Athens durchgeführt. Eine aus­ ren Erneuerung stammen, aber es schien
Norden. (Zeichnung J. Travlos) führliche Publikation der Grabungen ist ganz naheliegend, daß das alte Gymna-
58 Wolfram Hoepfner

Abb. 74 Akademie bei Athen. Gebäude mit


langrechteckigem Hof, Platons «Mouseion»,
nach den Ausgrabungen. (Zeichnung J.
Travlos)

Abb. 75 Akademie bei Athen. Rekonstruk ­


tionsversuch von Platons Akademiegebäude
auf der Grundlage der erhaltenen Baureste.
(Zeichnung W. Hoepfner)

Abb. 76 Akademie bei Athen. Platons Aka­


demiegebäude während der Ausgrabung von
Ph. Stavropoulos. Im Vordergrund sind die
mit Holzrahmen geschützten Fundamente
der Tische in den Hallen zu sehen.

Abb. 77 Akademie bei Athen. Rekonstruk ­


sion später nochmals repariert wurde. daß es sich offensichtlich ebenfalls um
tionsversuch der Lesehallen in Platons Aka­
Das nördlich gelegene andere Gebäude ein Gymnasien handele. Tatsächlich ist
demiegebäude. Wie im Lesesaal der großen
mit einem quadratischen Peristyl von das aus alter Zeit stammende Gymnasion in
Bibliothek in Pergamon sind zwischen den
40 m Seitenlänge bezeichnet Stavropou­ eben diesem Bau zu sehen, der offen­ Säulen Brüstungen und Vorhänge für eine
los in der Überschrift als «Peripatos» sichtlich im 4. Jh. v. Chr. erneuert wurde. variable Belichtung anzunehmen. (Zeich­
oder «Didaskaleion», meint aber im Text, Merkwürdig bleibt allerdings, wie Evi nung W. Hoepfner)
Platons Akademie 59

Lygkouri freundlicherweise mitteilt, daß Exedra» zu sehen, die Stätte der For­ 3. Es gab neben dem Hauptraum für Ori­
in einem neuen, von ihr durchgeführten schung für den «Akademie» genannten ginalschriften Nebenräume (apothekes)
Suchschnitt keine Spuren angrenzender Verein. Zwar sind auch hier nur Funda­ für weniger wertvolle Abschriften. Dort
Hallen festgestellt werden konnten. Der mente erhalten (Abb. 74. 75), aber Funde standen Bücherschränke in der Raum­
Raum neben dem Peristyl ist mit 12,70 x und Einzelheiten bestätigen diese neue mitte (z. B. Villa dei Papiri).
8,70 m ziemlich groß und war für viele Deutung. Der zentrale Raum im Norden 4. Zum Studieren gab es neben der Bi­
Zwecke geeignet. Genau an dieser Stelle war demnach kein Ephebeion und kein bliothek Lesehallen (in Pergamon im
dieses Baus wurden archaische Dachzie­ Propylon, sondern eine Bibliothek. Hallen-Obergeschoß mit Brüstungen, um
gel gefunden, ein Hinweis auf das hohe Was zeichnet eine solche große Bib­ den Wind abzuhalten und mit Vorhängen
Alter der Anlage. Gymnasien waren öf­ liothek aus? Wir können nur aus späte­ gegen das Sonnenlicht).
fentliche Räume und ein beliebter Ort ren Beispielen auf diese erste Bibliothek Die Ruine in der Akademie erfüllt alle
der Aufstellung von Ehrenstatuen. So er­ zurückschließen: Bedingungen. Eine Besonderheit ist der
staunt es nicht, daß hier mehrere Ehrenin­ 1. Bücherschränke waren wegen der Ge­ zentrale und hervorgehobene Hauptraum,
schriften unterschiedlicher Epochen ge­ fahr der Durchnässung der Wand nicht in dem es vor der Außenwand eine wei­
funden wurden. Schülerübungen, Kritze­ in Außenwänden untergebracht. Schutz tere innen umlaufende Wand oder ein
leien auf Stein aus dem 5. oder 4. Jh. vor Feuchtigkeit gewährten nur trockene Podest gibt. Dieses Fundament ist 1,35 m
v. Chr. wurden in nicht großer Entfer­ Innenwände oder Sockel für Bücher­ stark und entspricht dem Sockel für
nung an der Umfassungsmauer der Aka­ schränke (z. B. königliche-Bibliothek Per­ Bücherschränke in Pergamon. Im Norden
demie entdeckt. Daß sie im nahegelege­ gamon). Auch späte Bibliotheken haben gab es offensichtlich keine Bücherschrän­
nen Gymnasion benutzt wurden, ist also hinter den Schrankwänden noch umlau­ ke, vermutlich um mehr Licht über Fen­
überzeugend.7 fende Lüftungskammern (z. B. Celsus Bi­ ster hereinzulassen. Der Raum hat unge­
Zurück zu dem besser erhaltenen, süd­ bliothek, Nysa). fähr die Größe des großen Saals der Bi­
lich gelegenen Bau. Dieser ist sicher 2. Der Raum mußte Fenster aufweisen, bliothek in Pergamon. Leider ist die Tür
kein Gymnasion gewesen. Es spricht al­ aber direktes Sonnenlicht war schädlich nicht erhalten und dem Fundament nicht
les dafür, in diesem Bau «Mouseion und (Vitruv). abzulesen. Sie kann nur im Süden gele-

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Platons Akademie 61

gen haben und verband die Bibliothek


mit einer Halle. Deren Säulenstellung
war dem Fundament aus unregelmäßi­
gen Steinen abzulesen und ist von J.
Travlos mit einem Joch von etwa 2,95 m
ergänzt worden. Über die Säulenordnung
ist nichts bekannt.
Der Hof war nach den Plänen von
Travlos 44.40 m tief und 23.40 m breit.
Die Hallen im Osten, Westen und Süden
weisen jeweils dieselbe Tiefe von etwa
5,20 m auf. Die Phantasie angeregt haben
Reihen von quadratischen Fundamenten
von je 72 cm Seitenlänge, die in Abstän­
den von 2,75 m (Joch) angelegt wurden
(Abb. 76). Sie sind aus unregelmäßigen
kleinen Steinen gesetzt, aber sorgfältig
ausgeführt. Homer Thompson vermutete
als erster, daß es sich um Tische handeln
könne.8 Da Stützen wegen der geringen
Tiefe unnötig sind, ist diese Erklärung
plausibel. Daß es auf die große Zahl sol­
cher Tische ankam, zeigt die Südhalle,
die nach Osten und Westen erweitert ist,
um noch je einem weiteren Tisch Raum
zu geben. Wir müssen uns auf dem Fun­
dament einen gemauerten Sockel aus
großen Quadern vorstellen, auf dem je­
weils eine Marmorplatte, die in hellenisti­
scher Zeit sehr beliebt waren, oder viel­
leicht auch eine Holzplatte auflag (Abb.
77). Insgesamt waren in den Hallen etwa
40 Tische aufgestellt. Sie waren offen­
sichtlich so angeordnet, daß immer eine
Stütze oder Säule der Halle zwischen ih­
nen stand. Stavropoulos hat Stützen aus 79
Holz vermutet, wohl zu recht, weil sich
keine Spuren steinerner Säulen finden wir uns ebenso das Gebälk der Hallen in Brunnen installiert war. Offen bleibt, ob
ließen. Im übrigen hat das nur zwei Jahr­ Platons Akademie vorzustellen. Es steht es sich dabei um eine spätere Installation
zehnte vorher errichtete Pompeion-Gym- ja auch außer Frage, daß der Charakter handelt.
nasion am Dipylon eine ähnliche «zweit­ des Akademie-Baus den Gymnasien ver­ Wie in Pergamon sind auch in der Aka­
rangige» Hallenarchitektur.9 Dort sind wandt war, da auch dort gelehrt und ge­ demie kleine Räume neben dem Haupt­
zwar die Säulenschäfte und ionischen Ka­ lernt wurde. Bei der Bibliothek in Per­ raum angeordnet. In diesen sind apo-
pitelle aus Stein, es gibt aber keine Kan- gamon befindet sich die entsprechende thekai zu vermuten, bei denen Bücher­
neluren, und die Basen sind einfache Zy­ Lesehalle im Obergeschoß, und eine Brü­ schränke abgerückt von den Wänden in
linder aus Marmor. So wie auch das Ge­ stung und auch Vorhänge schützten die der Raummitte standen. Hier war die
bälk am Pompeion aus Holz war, haben Leser vor Regen, Wind und Sonne. Auch große Zahl der weniger wertvollen Schrif­
in der Akademie hat es zwischen den ten untergebracht. Die langrechteckigen
Säulen ohne Zweifel Brüstungen und Räume, immerhin 5,20 m und 15 m tief,
Vorhänge gegeben. sind als Räume für Vorträge anzusehen.
Im Norden des Hofs liegt ein schmales Hier fanden auf Bänken mehr als 100
Fundament (Abb. 78), das im Innern, wie Personen Platz. Es sei erwähnt, daß in der
Photos zeigen, große Quader aufweist. Hadriansbibliothek in Athen, die dem Ty­
Mit 12,40 m Breite ist an einen Altar pus der Akademie auffallend ähnelt, ne­
Abh. 78 Akademie hei Athen. Rekonstruk ­ kaum zu denken, zumal das Fundament ben dem großen mittleren Bibliothekssaal
tionsversuch des Akademiegebäudes von Pla­ dicht an der Nordhalle steht. Hier haben beiderseitig Vortragssäle angeschlossen
ton. Die Lesehallen gruppieren sich um sehr wahrscheinlich Statuen der neun waren.10
den Hof, im Zentrum im Nordosten befin­ Musen gestanden, die in einem solchen Die gemeinsamen Mahlzeiten in dem
det sich die Bibliothek, angeschlossen sind Heiligtum nicht fehlen durften. Jede Sta­ oikos genannten Raum waren in Perga­
Hörsaal, Oikos und Nebenräume. (Zeich­ tue wäre etwa 70 cm breit und damit et­ mon und Alexandria wesentlicher Be­
nung W’. Hoepfner) was überlebensgroß gewesen. standteil der Einrichtungen. In der Aka­
Das große Rechteck in der Hofmitte demie kommen dafür die beiden fast qua­
Abb. 79 «La Logica e la Dialettica», Pla­
macht vollends deutlich, daß es sich nicht dratischen Räume an beiden Seiten der
ton und Aristoteles im Streitgespräch. Tonre­
um eine Palästra handeln kann. Eine Ton­ großen Vorhalle in Frage. Mit einer Tiefe
lief von Luca della Robbia für den Campa­
nile von Giotto. Florenz, Dom-Museum. rohrwasserleitung zeigt, daß hier ein von 5,20 m waren sie bestens für die Auf­
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nähme von je sieben Klinen geeignet. Aristoteles war der berühmteste und de genauestens untersucht und die lei­
Das war die auch in den meisten Häusern bei weitem bedeutendste unter Platons der nur schlecht erhaltenen Ruinen eines
übliche Größe für Banketträume. Weil in Schülern. Mit 17 Jahren trat er in die Aka­ Baus aus dem 4. Jh. v. Chr. ans Licht ge­
Pergamon der Platz fehlte, wurde dort ein demie ein und gehörte ihr 18 Jahre lang bracht (Abb. 80). Sofort war ihr die Ähn­
größerer Bankettraum in unmittelbarer an. Unterschiedliche Auffassungen und lichkeit mit dem südlichen Peristylbau
Nähe, aber getrennt von der Bibliothek Streitgespräche waren unter den Philoso­ in der Akademie aufgefallen, der bislang
errichtet. phen sicher nicht selten (Abb. 79). Nach als Gymnasion gedeutet worden war.
Unklar bleibt der Eingang, das Tor oder Platons Tod 348 v. Chr. verließ Aristoteles Nach der hier jetzt vorgelegten Identifi­
Propylon. Es kann nur im Süden gele­ Athen und folgte einem Ruf nach Assos zierung mit Platons Lehrgebäude zweifle
gen haben, und war vielleicht sogar in der Nähe von Troja. Er sollte dort eine ich nicht, den neu aufgedeckten Bau
ein Vorbau mit Säulenstellung, wie ihn philosophische Schule gründen. Nach im Lykeion-Park als das von Aristote­
an entsprechender Stelle die schon ge­ dem Sturz des dortigen Herrschers Her- les 335 v. Chr. errichtete Forschungs- und
nannte Hadriansbibliothek zeigt. Der mitt­ meias ging er 345 v. Chr. in das benach­ Lehrinstitut anzusehen. In der Mitte einer
lere Teil der Südhalle konnte bisher lei­ barte Mytilene (Lesbos), und wenig spä­ Schmalseite des von Hallen umgebenen
der nicht ausgegraben werden, weil das ter rief ihn Philipp II. als Erzieher seines Hofs liegt dominierend ein Raum mit
Grundstück nicht zur Verfügung stand." Sohnes Alexander an seinen Hof. 335 doppelten Wänden: Hier war die größte
Platon war ein vermögender Bürger v. Chr. - Alexander war bereits König - wissenschaftliche Bibliothek der späten
Athens. Wie eingangs erwähnt, hat er ging er zurück nach Athen. Da er sich mit Klassik untergebracht, und in diesen
schon vor der Gründung der Akademie Xenokrates, dem Leiter von Platons Aka­ Mauern verfaßte Aristoteles sein (Euvre,
Bücher gesammelt. Mit seiner wissen­ demie, nicht verstand, gründete er ein ei­ dessen Deutung noch heute viele Gelehrte
schaftlichen Einrichtung hat er das erste genes Forschungsinstitut. Er wählte dafür beschäftigt und fasziniert.
große Forschungsinstitut geschaffen, eine das entgegengesetzte Ende der Stadt, eine
Tat, deren Bedeutung nicht überschätzt Gegend vor den Stadtmauern im Osten,
werden kann. Denn damit war der Typus die nach dem dort befindlichen alten
der wissenschaftlichen Bibliothek und Gymnasion «Lykeion» genannt wurde.
des Forschungsinstituts geboren. Platon Bisher waren weder dieses Gymnasion
Abb. 80 Athen. Neue Ausgrabungen unter
hatte zahlreiche Schüler. Diogenes Laer- noch das Forschungsinstitut von Aristo­
der Leitung von Evi Lygkouri. In der nach
tius nennt 16 Namen und spricht von vie­ teles bekannt. Kürzlich erst ergab sich
dem alten Gymnasion «Lykeion» genannten
len weiteren. Er erwähnt auch zwei Frau­ die Gelegenheit, auf einem großen Ge­
Gegend kamen die Ruinen eines Bauensem­
en, von denen eine sich in Männerklei­ lände, das bisher als Exerzier- und Reit­ bles ans Licht, das sehr wahrscheinlich
dung bewegte. Diese Schüler arbeiteten platz diente, großflächige Ausgrabungen Aristoteles für seine Bibliothek und seinen
selbst und hatten an den Tischen der Hallen durchzuführen. Evi Lygkouri von der 3. Lehrbetrieb errichtet hatte. Aufnahme aus
ihren Platz gehabt. Archäologischen Ephorie hat das Gelän­ dem Jahre 2001.

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