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Schwerpunkt D ive rsi t y a uf dem Pr üfstan d

Heike Mensi-Klarbach/
Edeltraud Hanappi-
Egger
Diversitätsmanagement 2.0
Die individuellen Bedürfnisse rücken in den Fokus

Viele Unternehmen wollen Diversität in ihrer Organisation fördern. Wenn sie sich dabei
jedoch allein auf Sozialkategorien wie Alter, Geschlecht und Religion beziehen,
übersehen sie, dass diese sozialkategorischen Gruppen in sich auch heterogen sind.
Zudem verfestigen sich so stereotype Annahmen. Der Beitrag stellt einen Diversitätsansatz
vor, der sich auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konzentriert, nicht auf
deren demografische Merkmale.

Diversitätsmanagement, ein Konzept für den stra- Definition von Diversität im Arbeits­
tegischen Umgang mit Vielfalt in Organisationen, kontext
ist seit zwei Jahrzehnten im deutschsprachigen
Raum angekommen und gehört zunehmend zum Der Begriff Diversität und die Synonyme Vielfalt
»State of the Art« von (zumindest großen) Organi- oder Diversity sind Teil des allgemeinen Sprachge-
sationen.1 Diversität wird dabei meist über der Sozi- brauchs, und werden so auch in der wissenschaftli-
alkategorien Alter, Behinderung, Ethnizität, Ge- chen Literatur verwendet.2 Dennoch ist es nicht
schlecht, sexuelle Orientierung und Religion/Welt- einfach, diesen Begriff zu definieren, da seine
anschauung definiert. Allerdings stellt sich eine Defini­tion letztlich vom jeweiligen Kontext und den
Konzeptualisierung von Diversität nur anhand die- darin handelnden Akteurinnen und Akteuren ab-
ser Kategorien in zweierlei Hinsicht als problema- hängt.3 Vereinfacht gesprochen versteht man unter
tisch dar: Diversität Unterschiede zwischen Individuen.4 Har-
1. Stereotype Zuschreibungen zu den einzelnen rison/Sin betonen, dass Diversität immer nur in ei-
Kategorien verfestigen bzw. reproduzieren sich ner sozialen Einheit gemessen werden kann.4 Ein
durch diese »Zielgruppendefinition«. Mensch allein ist noch nicht divers oder vielfältig,
2. Die unter einer bestimmten Sozialkategorie zu- vielmehr kann nur eine soziale Einheit/Gruppe, die
sammengefassten Zielgruppen sind in sich so aus mehreren Individuen besteht, divers sein.
heterogen, dass davon abgeleitete Maßnahmen
zu deren Förderung/Unterstützung Gefahr lau- Ein Mensch allein ist noch nicht divers;
fen, als wenig treffsicher bzw. als ungerechtfer- nur eine soziale Gruppe, die aus mehreren
tigt zu erscheinen. Individuen besteht, kann divers sein.

In diesem Beitrag wird daher die sozialkategori- Daraus ergeben sich folgende Fragen: Inwiefern ist
sche Definition von Diversität kritisch beleuchtet die soziale Einheit, also eine Gruppe divers? Wel-
und alternative Ansätze der intersektionalen und che Unterschiede sind jeweils relevant? Welche Be-
anti-kategorialen Konzeptualisierung und deren dürfnisse lassen sich daraus ableiten? Und wie
Bedeutung für die Praxis diskutiert. Dieses Ver- können diese Bedürfnisse gemessen werden? Ein
ständnis von Diversität und die davon abgeleiteten und dieselbe Gruppe kann hinsichtlich unter-
Maßnahmen ermöglichen einen proaktiven Um- schiedlicher Charakteristika homogen oder divers
gang mit Vielfalt, der sich an den Lebensrealitäten sein. Eine soziale Einheit könnte also z. B. homo-
orientiert und dabei nicht Gefahr läuft, Stereotype gen hinsichtlich der Unternehmenszughörigkeit
zu verfestigen. Gleichzeitig wird dem Argument, Di- sein, wenn alle im selben Unternehmen arbeiten.
versität bevorzuge pauschal gewisse Gruppen und Sie könnte aber hinsichtlich des Alters ihrer Mit-
sei damit nicht immer zielgerichtet, die Grundlage glieder sehr heterogen sein, auch hinsichtlich der
entzogen, indem nicht soziodemografische Ziel- Position im Unternehmen oder etwa hinsichtlich
gruppen im Fokus stehen, sondern Menschen mit des Einkommens. Es zeigt sich also, wie schwierig
ihren spezifischen Bedürfnissen. Diversität letztlich zu fassen ist.
Eine inzwischen weitverbreitete Definition von
Diversität folgt, wie schon angesprochen, den »gro-

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Diversitätsmanagemen t 2. 0 Schwerpunkt

ßen sechs Dimensionen« Alter, Ethnizität/Rassisie-


rung6, Gender, Religion/Weltanschauung und se- Impulse für die Praxis
xuelle Orientierung. Diese Dimensionen waren his-
• Der anti-kategoriale Ansatz von Diversität orientiert sich an individuellen Be-
torisch der Grund für Diskriminierungen und finden
dürfnissen und nicht an soziodemografischen Merkmalen.
sich daher in der Antidiskriminierungsrichtlinie der
• Diversitätsmanagement aus dieser Perspektive reflektiert, ob gesetzte Maß-
Europäischen Union wieder, die in allen Mitglieds- nahmen Stereotypen verfestigen und Ungleichheiten reproduzieren.
staaten Gültigkeit hat. Zumeist fokussiert Diversi- • Aber auch gelebte organisationale Praktiken und strukturelle Rahmenbedin-
tätsmanagement in Organisationen daher auf die- gungen im Unternehmen werden daraufhin geprüft, ob sie bestimmte Perso-
se Dimensionen, wenngleich die Relevanz der Di- nen und deren Lebensrealitäten benachteiligen.
mensionen unterschiedlich eingeschätzt wird. So • So kann z. B. das Thema »Vereinbarkeit von Beruf und Privatem« umfassend
zeigt sich z. B., dass viele Organisationen Maßnah- für alle Personen behandelt werden, und es wird nicht unterstellt, dass ent-
men der Gleichstellung der Geschlechter treffen, sprechende Maßnahmen zur Frauenförderung gehören.
sexuelle Orientierung aber nur selten Teil des Diver- • Durch Leistungsevaluierung nach dem Prinzip »Performance related to oppor-
sitätsmanagements ist.7 tunities« werden Karrieremodelle und -möglichkeiten im Unternehmen jen-
Oft wird auch zwischen sichtbaren und nicht un- seits von Sozialkategorien ermöglicht. Dabei werden die spezifischen Lebens-
mittelbar bemerkbaren Diversitätsdimensionen umstände der zu beurteilenden Person berücksichtigt und es wird anerkannt,
unterschieden.8 Erstere beziehen sich auf erkenn- dass das Potenzial und die Leistung einer Person von den jeweiligen Lebens-
bare Unterscheidungsmerkmale wie etwa Alter, Ge- umständen abhängen.
schlecht, Hautfarbe, gegebenenfalls Religion oder
Ethnizität. Sogenannte Deep-Level-Dimensionen
umfassen unsichtbare Charakteristika wie etwa Solche Verallgemeinerungen lassen sich
Glauben, Einstellungen, Werte, Erfahrungen, Sicht- empirisch nicht belegen. Sie reproduzieren
weisen. Die sichtbaren Dimensionen sind solche, und verfestigen stereotype Annahmen.
die potenziell Diskriminierung und Ausschlie-
ßungsmechanismen hervorrufen, und daher mit Die Kritik an einem ausschließlich sozialkategori-
negativen Auswirkungen von Vielfalt (z. B. Konflik- schen Verständnis von Diversität bezieht sich vor
ten) in Zusammenhang gebracht werden. Deep-Le- allem auf folgende Punkte:10
vel-Dimensionen hingegen spiegeln Charakteristi- • die Zuschreibung von Stereotypen,
ka wider, die in Unternehmen als mögliche Wert- • die Heterogenität innerhalb von Gruppen wird
treiber gesehen werden. Vielfalt an Erfahrungen übersehen,
und Sichtweisen wird in der Regel mit den positiven • homogene Bedürfnisse der zu dieser Gruppe ge-
Auswirkungen von Diversität gleichgesetzt. hörenden Individuen werden unterstellt.
Im organisationalen Kontext wird Diversität sehr
oft unter einer Business-Case-Perspektive disku- Aus diesen Gründen werden zunehmend viel-
tiert, also der Frage, ob Diversität in Unternehmen schichtigere Diversitätskonzepte gefordert.
positive oder negative Effekte auf den Unterneh-
menserfolg hat.9 Ein Problem bei der Messung der
Effekte von Diversität auf die Leistung von Organi- Intersektionalität und anti-
sationen oder Teams ist jedoch der fehlende Link kategorialer Zugang
zwischen sichtbaren und Deep-Level-Diversitätsdi-
mensionen. Zumeist wird davon ausgegangen, Im Gegensatz zu eindimensionalen Sozialkatego-
dass sichtbare Diversität (etwa hinsichtlich Ge- rien bezieht sich das Konzept der Intersektionali-
schlecht) als Stellvertreter für »deep-level« verwen- tät auf das Zusammenspiel mehrerer Diversitäts-
det werden kann. Dabei werden Frauen schlichtweg kategorien und verweist auf die daraus resultie-
als »anders« als Männer konzeptualisiert und es renden besonderen Bedürfnisse bzw. Ein- und
wird unterstellt, dass diese »Andersartigkeit« hin- Ausschließungsmechanismen. Kimberlé Cren­
sichtlich Erfahrungen und Einstellungen einen Ein- shaw zeigte in ihren wissenschaftlichen
fluss auf die Leistung hat. In der Regel wird jedoch Arbeiten auf, dass z. B. eine Fokussie-
Intersektionalität
nicht über die unterstellten Kausalitäten reflektiert. rung auf die Dimension »Frau« die spe-
(engl. intersection = Überschneidung, Ver-
Sie werden letztlich aus pragmatischen Gründen – zifischen Lebensrealitäten von afro- schränkung) Ein Individuum gehört stets
eine leichtere Messbarkeit – angenommen. Solche amerikanischen Frauen außer Acht lässt mehreren Gruppen an. Daher reicht es
Verallgemeinerungen sind jedoch problematisch, und damit einen wesentlichen Diskrimi- nicht, nur eine Sozialkategorie zu betrach-
nicht nur, weil sie empirisch nicht belegt werden nierungsgrund (nämlich Rassisierung) ten. Gerade die Überschneidung und Wech-
können, sondern auch, weil sie stereotype Annah- ausblendet.11 Sie diskutierte als Erste, selwirkung verschiedener Diversitätskatego-
men reproduzieren und verfestigen. dass das »Zusammentreffen« unter- rien sollte stattdessen in den Fokus rücken.
schiedlicher sozialer Identitäten. Aus-

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schließungsmechanismen potenzieren ableiten lassen. Diversitätsmanagement aus dieser


anti-kategorialer Ansatz
kann. Abstrakter gesprochen zeigt der Perspektive soll einerseits bereits beschlossene
Einer der drei Ansätze beim Umgang mit so-
Intersektionalitätsansatz, dass soziale Maßnahmen, andererseits aber auch gelebte orga-
zialer Komplexität, die die Soziologin und
Politikwissenschaftlerin Leslie McCall her-
Diversitätsdimensionen nicht vonein- nisationale Praktiken oder strukturelle Rahmenbe-
ausgearbeitet hat. Der anti-kategoriale An- ander unabhängig existieren, sondern dingungen hinterfragen und untersuchen, inwie-
satz hält das soziale Leben für zu komplex, miteinander verwoben sind. Die jeweili- fern sie im Widerspruch zu den Bedürfnissen der
als dass es mit fixierten Kategorien abgebil- gen Gruppen entlang der »großen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen oder mög-
det werden könnte. Vielmehr trägt der Ein- sechs« Diversitätsdimensionen sind al- licherweise sogar bestehende Ungleichheiten im
satz von Kategorien selbst dazu bei, Un- so, je nach deren Zusammenspiel, in Unternehmen reproduzieren. So kann z. B. das The-
gleichheiten zu reproduzieren. sich so heterogen, dass nicht immer ma »Vereinbarkeit von Beruf und Privatem« umfas-
geteilte Bedürfnisse aus der Gruppen- send für alle Personen, die es betrifft, behandelt
zugehörigkeit zu einer einzigen Dimension abge- werden, und es wird nicht unterstellt, dass entspre-
leitet werden können. chende Maßnahmen zur Frauenförderung gehören.
Vielmehr könnte sich herausstellen, dass die Rück-
Das jeweils zu beachtende Bedürfnis und nicht sichtnahme auf Beruf und Privates für Menschen
die Sozialkategorie sollte im Fokus stehen. unterschiedlicher Altersgruppen und beiderlei Ge-
schlecht relevant ist (Lebensphasenmodell), so-
Der anti-kategoriale Ansatz geht einen Schritt wei- dass das, was heute häufig unter »Frauenförde-
ter und stellt die Ableitung von Bedürfnissen auf rung« firmiert, auch Teil des Age Management sein
Basis von Zugehörigkeiten zu Sozialkategorien ge- kann. Unter einer anti-kategorialen Perspektive
nerell infrage. So kann z. B. leicht nachvollzogen würde keines der beiden Label verwendet, sondern
werden, dass eine alleinerziehende Mutter aus so- es etwa schlicht »Vereinbarkeit« oder »Beruf und
zial prekären Verhältnissen mehr Gemeinsamkei- Privatleben« genannt werden.
ten hinsichtlich ihrer Bedürfnisse mit einem allein- Des Weiteren ermöglicht ein anti-kategorialer An-
erziehenden Vater aus sozial prekären Verhältnis- satz und die Wahrnehmung bzw. Berücksichtigung
sen hat als etwa mit einer Frau aus der Oberschicht. der unterschiedlichen Bedürfnisse auch einen kriti-
Wenngleich die Empirie zeigt, dass die Kategorie schen Blick auf die Definition von Leistung bzw. auf
»Frau« wesentlich häufiger mit Betreuungspflich- Karrieremodelle und -möglichkeiten im Unterneh-
ten, Teilzeitarbeit, diskontinuierlichen Karrieren men jenseits von Sozialkategorien. Die Leis-
und letztlich Armutsgefährdung verbunden ist, ar- tungsevaluierung nach dem Prinzip »Performance
gumentieren wir, dass dennoch das jeweils zu be- related to opportunities« berücksichtigt die spezifi-
achtende Bedürfnis und nicht die Sozialkategorie schen Lebensumstände der zu beurteilenden Per-
im Fokus stehen muss. Insbesondere weil, um bei son und erkennt damit das Potenzial und die Leis-
dem Beispiel Geschlecht zu bleiben, eine spezifi- tung einer Person als abhängig von den jeweiligen
sche Bedürfnislage eben nicht für alle Frauen gilt Lebensumständen an. Dadurch verschiebt sich der
und es darüber hinaus zu einem Ausschluss von Handlungsfokus auf die internen Prozesse (hier:
Männern in einer gleichen Lebenssituation führt. Leistungsevaluierung) und Strukturen (hier: Hierar-
Hanappi-Egger/Kutscher-Studenic verweisen in chie als Ergebnis der Leistungsevaluierung) des
diesem Zusammenhang auf Anti-Solidarisierungs- Unternehmens und weg von den »zu kurierenden
tendenzen und die Gefahr, echte Verteilungspro- Defiziten« vermeintlicher Zielgruppen.
bleme auf einer (irrelevanten) sozialkategorischen
Ebene abzuhandeln.12 Ein anti-kategorialer Zugang
zu Diversitätsmanagement nimmt also Bedürfnisse Fazit
in den Blick. Was das für die Praxis bedeutet, soll in
der Folge kurz skizziert werden. Diversität anhand von tatsächlichen Bedürfnissen
und Lebensumständen zu erfassen, wie durch den
anti-kategorialen Zugang vorgeschlagen, ermög-
Folgen für das Diversitätsmanagement licht einen aktiven Umgang mit Vielfalt, ohne dabei
stereotype Zuschreibungen vorzunehmen oder so-
Der anti-kategoriale Ansatz orientiert sich also an ziodemografische Gruppen festzuschreiben. Damit
Gruppenbildungen entlang individueller Bedürfnis- verschiebt sich der Fokus von vorab definierten
se und nicht entlang soziodemografischer Merkma- Zielgruppen (etwa »die Frauen«) auf neue Gruppen,
le.13 Dadurch werden jene für Unternehmen rele- die über ihre jeweilige Bedürfnislage angespro-
vanten Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und Mit- chen werden können. Zudem verschiebt sich der
arbeitern wahrgenommen bzw. berücksichtigt, die Fokus von individuellen Defiziten (bezogen auf per-
sich aus deren Lebensrealitäten bzw. -entwürfen sönliche Eigenschaften wie Alter, Geschlecht oder

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Behinderung) auf die Bedürfnisse einer Gruppe Dennoch soll nicht geleugnet werden, dass die sta-
hinsichtlich der Erfüllung ihrer Arbeit. Die Defizite tistische Verteilung aufgrund von historisch ge-
werden somit in der Arbeitsorganisation gesehen, wachsenen Diskriminierungen und Benachteili-
welche entsprechend angepasst wird, nicht aber in gungen innerhalb der nach Bedürfnissen zusam-
den Personen selbst. Mit diesem Verständnis von mengefassten Gruppen (noch) nicht ausgeglichen
Diversität kann über die Arbeitsorganisation reflek- ist. Entsprechend bedarf der vorgeschlagene Zu-
tiert und sie gegebenenfalls gemäß den relevanten gang immer der kritischen Reflexion, welche histo-
Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbei- rischen Diskriminierungen gegebenenfalls beson-
tern angepasst werden. dere Berücksichtigung brauchen und welche Be-
dürfnisse in Unternehmen als relevant anerkannt
Die Defizite werden in der Arbeitsorganisation werden.
gesehen, die es anzupassen gilt, nicht in den
Personen selbst.

Zusammenfassung Summary
Ausgehend von der »üblichen« Definition von Diversität Based on the »usual« definition of diversity along the so-
anhand der Sozialkategorien Alter, Behinderung, cial categories of age, disability, gender, ethnicity/race,
Geschlecht, Ethnizität/Rassisierung, Religion/Weltan- religion/belief and sexual orientation, the paper discuss-
schauung und sexuelle Orientierung diskutiert der Bei- es the risk of reproducing inequalities in diversity man-
trag die Gefahr der Reproduktion von Ungleichheiten agement. The authors suggest an anti-categorical ap-
eines darauf aufbauenden Diversitätsmanagements. proach to aligning diversity management with employ-
Die Autorinnen schlagen einen anti-kategorialen Zu- ees’ needs and realities in the workplace, not just based
gang vor, um Diversitätsmanagement stattdessen ent- on social categories. This new understanding of diversity
lang der in Unternehmen relevanten Bedürfnisse und and measures derived from it allow a proactive approach
Lebensrealitäten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern to diversity without the risk of stereotyping, reinforcing
auszurichten. Dieses Verständnis von Diversität ent- and deficit orientation. At the same time, the argument
zieht dem Argument, Diversität bevorzuge pauschal ge- that diversity prefers certain groups, and thus, leads to
wisse Gruppen und sei damit nicht immer zielgerichtet, reverse discrimination, is removed from the ground, as
die Grundlage, indem nicht länger soziodemografische the focus shifts from socio-demographic target groups to
Zielgruppen im Fokus stehen, sondern Menschen mit people with their specific needs.
ihren spezifischen Bedürfnissen.

Anmerkungen zu den Begriffskästen Europe. In: European Management Journal, 21. Jg.,
anti-kategorialer Ansatz – Walgenbach, K.: Intersektiona­ 2003, H. 6, S. 750–761; Prasad, P./Pringle, J. K./Konrad,
lität – eine Einführung, (www.portal-intersektionalität. A. M.: Examining the contours of workplace diversity –
de), https://tinyurl.com/ybgyfqge (letzter Zugriff: Concepts, contexts and challenges. In: Konrad, A. M./
8.5.2018). Prasad, P./Pringle, J. K. (Hrsg.): Handbook of workplace
Intersektionalität – Walgenbach, K.: Intersektionalität – diversity. London 2006, S. 1–22.
eine Einführung, (www.portal-intersektionalität.de), 4 Hanappi-Egger, E.: Theoretical Perspectives on Diversity
https://tinyurl.com/ybgyfqge (letzter Zugriff: 8.5.2018). in Organizations. In: Danowitz, M. A./Hanappi-Egger, E. /
Mensi-Klarbach, H. (Hrsg.): Diversity in Organizations:
Anmerkungen Concepts and Practices, Basingtoke 2012, S. 9–31.
1 Vedder, G.: Die historische Entwicklung von Diversity 5 Harrison, D. A./Sin, H. P.: What is diversity and how
Management in den USA und in Deutschland. In: Krell, should it be measured? In: Konrad, A. M./Prasad, P./
G./Wächter, H. (Hrsg.): Diversity Management – Impul- Pringle, J. K. (Hrsg.): Handbook of workplace diversity,
se aus der Personalforschung, München/Mering 2006, London 2006, S. 191–216.
S. 1–23; Süß, S.: Die Einführung von Diversity Manage- 6 Der englische Begriff race stellt sich in der deutschen
ment in deutschen Organisationen: Diskussionsbei­ Übersetzung mit »Rasse« als problematisch heraus, zu-
träge zu drei offenen Fragen. In: Zeitschrift für Personal- mal dieser Begriff unumgänglich mit faschistischen
forschung, 21. Jg., 2007, H. 2, S. 170–175; Hammermann, Ideologien verwoben ist. Aus diesem Grund entschie-
A./Schmidt, J.: Diversity Management: Empirische den sich die Autorinnen stattdessen »Rassisierung«
Evidenz zur aktiven Förderung der kulturellen Vielfalt in zu verwenden – einen Begriff, der auf die Herstellung
deutschen Unternehmen. In: IW-Trends – Vierteljahres- und Konstruktion rassistischer Markierungen und
schrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, 41. Jg., Zugehörigkeiten verweist, vgl. Gender et alia (www.
2014, H. 4, S. 19–32. genderetalia.net), https://tinyurl.com/yat6wyxl (letzter
2 Zanoni, P./Janssens, M.: Deconstructing Difference: Zugriff: 7.5.2018).
The Rhetoric of Human Resource Managers’ Diversity 7 Köllen, T.: Part of the Whole?: Homosexuality in Compa-
Discourses. In: Organization Studies, 25. Jg., 2003, H. 1, nies’ Diversity Policies and in Business Research: Focus
S. 55–74. on Germany. In: International Journal of Diversity in Or-
3 Point, S./Singh, V.: Defining and Dimensionalising ganizations, Communities and Nations, 7. Jg., 2007,
Diversity: Evidence from Corporate Websites across H. 5, S. 315–322.

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Schwerpunkt D ive rsi t y a u f dem Pr üfstan d

8 Vgl. z. B. Harrison, D. A./Price, K. H./Bell, M. P.: Beyond University of Chicago Legal Forum, 140. Jg., 1989,
relational demography: Time and the effects of surface S. 139–167; Crenshaw, K.: Mapping the Margins: Inter-
and deep-level diversity on work group cohesion. In: sectionality, Identity Politics, and Violence against
Academy of Management Journal, 41. Jg., 1998, H. 1, Women of Color. In: Stanford Law Review, 40. Jg., 1991,
S. 96–107. S. 1241–1299.
9 Mensi-Klarbach, H.: Diversity und Diversity Manage- 12 Hanappi-Egger, E./Kutscher-Studenic, G.: Entgegen
ment – die Business Case Perspektive, Hamburg 2010. Invidivualisierung und Entsolidarisierung: Die Rolle
10 McCall, L.: The Complexity of Intersectionality. In: der sozialen Klasse als suprakategorialer Zugang in
Signs: Journal of Women in Culture and Society, 30. Jg., der Diversitätsforschung. In: Hanappi-Egger E./Bendl
2005, H. 3, S. 1771–1800. R.: Diversität, Diversifizierung und (Ent)Solidarisierung:
11 Crenshaw, K.: Demarginalizing the Intersection of Race Eine Standortbestimmung der Diversitätsforschung im
and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination deutschen Sprachraum, Wiesbaden 2015, S. 21–35.
Doctrine. Feminist Theory and Antiracist Politics. In: 13 McCall, L., a. a. O.

Dr. Heike Mensi-Klarbach Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Edeltraud Hanappi-Egger


Institut für Gender und Diversität in Organisationen, Rektorin, Wirtschaftsuniversität Wien,
Wirtschaftsuniversität Wien edeltraud.hanappi-egger@wu.ac.at
heike.mensi-klarbach@wu.ac.at

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