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KYKLOS FESTSCHRIFT R.

KEYDELL

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DE
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KYKLOS
G R IEC H ISC H E S U N D BYZANTINISCHES

RUDOLF KEYDELL
ZUM N E U N Z IG ST E N GEBURTSTAG

Herausgegeben von
H. G. BECK - A. KAMBYLIS ■P. M ORAUX

WALTER DE GRUYTER · BERLIN ■NEW YORK


1978
Gedruckt mit Unterstützung der Ernst-Reuter-Gesellschaft
der Förderer und Freunde der Freien Universität Berlin e. V.

ClP-KurztiteLtufnahmt 4er Deutschen Bibliothek

Kyklos ; Griech. u. Byzantin, ; Rudolf Keydell zum 90. Geburts­


tag am 30. März 1977 / hrsg. von H. G. Beek . . . - Berlin, New
York : de Gruytcr, 1978.
ISBN 3-11-007211-4
N E : Beck, Hans-Georg [Hrsg.]; Keydell, Rudolf: Festschrift

1978 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen’sehe Verlagshandlung · J. Gutten -


tag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübncr - Veil & Comp., Berlin 30
Printed in Gennany
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, Vorbehalten. Ohne aus­
drückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile
daraus auf photomechanischem Wege (Phoiokopic, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen.
Satz und Druck: Walter de Gruyter 6t C o., Berlin 30
Buchbinder: Lüdcritz 6c Bauer, Berlin
Hochverehrter Herr Keydell,

im Grunde ist es unser Dezimalsystem, das die großen Geburtstage schafft.


Doch wir sollten dafür dankbar sein, denn dieses mechanische System
setzt jene Punkte der Besinnung, auf die wir sonst so leicht vergessen.
Tage, an denen w ir jener Menschen gedenken, denen wir in Freundschaft
verbunden sind, und denen wir viel zu danken haben. Festschriften sind
der eingebürgerte Ausdruck dieses Dankens und Gedenkens in der
akademischen Welt. O ft ist über diese Einrichtung gewettert worden,
berechtigt immer dann, wenn sie in kleiner Münze wahllos in die Land­
schaft gestreut werden.
Eine bescheidene Münze ist gewiß auch die kleine Festschrift, die wir
Ihnen zum 90. Geburtstag verehren wollen. Aber sic ist kein „Q uod­
libet um “ ; denn wir widmen sie Ihnen in einer Phase des Dezimalsystems
in Ihrem Leben, das schon Gnade ist. Und wir widmen sie einem Manne,
der sie längst verdient hat, als Lehrer, Kollege und Freund, als Mensch —
nehmt alles nur in allem! — als Zeichen unseres tiefen Dankes und, unzu­
reichend wie sie ist, als Zeichen zugleich unseres guten Willens, auf seiner
Spur zu bleiben.

Berlin, den 30. März 1977 Hans-Georg Beck


Athanasios Kambylis
Paul Moraux
InhaltsVerzeichnis

W erner Pie k , Halle: Rudolf Keydell zum 30. III. 1977 ............. VII
V o r w o n ..................... IX
R udolf Ke y d e l l .......................... XIII
H artmut E rbse, Bonn: Hektor in der Ilias . ................... 1
E rnst H eitsch , Regensburg: Der delische Apollonhymnus und
unsere Ilia s..................................................................... 20
V olkmar Schmidt , Hamburg: τεκνσϋσ{υ)α bei Sophokles und
Theophrast und Verwandtes ................................ 38
R udolf K assel, Köln: Aristophanischesbei L ibanius............... .. 54
W infried B ühler , Hamburg: Tendenzen nachdemosthenischer Be­
arbeitung der 3. Philippischen Rede desDem osthenes....................... 59
H ans G ärtner, Regensburg: Zur byzantinischen Nebenüberlieferung
von Demetrios, Περί έρμηνείας......................................................... 78
H. L oyd-Jones et P. J. P arsons, O xford: herum de ,Catabasi
Orphica*................................................................................................... 88
M artin L. W est, London: Die griechischen Dichterinnen der Kaiser­
zeit ................................................................... 101
H ans-G eorg Beck, München: Marginalien zum byzantinischen
R o m an ................................................................... 116
A thaNasio S KambyuS, Hamburg: Epiphyllides. Neunzig kritische
Bemerkungen zu byzantinischen Prosatexten (Mit einigen «Zu­
gaben*) ......................................................................................................... 129
Verzeichnis der Schriften von Rudolf K eydell........................................... 171
N ach w o rt.............................................................................................. 183
RUD OLF KEYDELL

Max Rudolf Keydell wurde am 30. März 1887 als Sohn des Eisenbahn­
betriebssekretärs Carl Keydell und dessen Ehefrau Minna, gcb. Jung­
mann, in Cracau bei Magdeburg geboren. Nach dem Besuch der Vor­
bereitungsschule in Magdeburg trat er dort ins Paedagogium Zum Kloster
Unser Lieben Frauen ein, wo er 1905 sein Abitur erwarb. Im Frühjahr
desselben Jahres immatrikulierte er sich an der Universität Bonn, um bei
Franz Bücheier, August Brinkmann und Georg Loeschcke Klassische
Philologie zu hören. Im Herbst 1906 ging er zum weiteren Studium nach
Berlin, mußte jedoch bald wegen einer langwierigen Krankheit für viele
Monate aussetzen. An die Universität zuriickgckchrt, studierte er bei
Eduard Norden, Johannes Vahlen und vor allem bei Ulrich von Wilamo-
witz-Moellendorff, bei dem er 1911 mit der Dissertation „Quaestiones
metricae de epicis Graecis rcccntioribus. Accedunt critica varia“ prom o­
vierte. Nachdem er 1913 das Staatsexamen in Klassischer Philologie und
Hebräisch abgelegt hatte, trat er als Volontär in den Dienst bei der
Preußischen Staatsbibliothek. D ort wurde er nach seiner Rückkehr aus
dreijährigem Kriegsdienst 1918 zum Hilfsbibliothekar befördert, zwei
Jahre später zum Bibliotheksrat an der Universitätsbibliothek. Während
der dreißig Jahre, die Rudolf Keydell bis zu seiner Flucht nach West-
Berlin als Bibliothekar tätig war, hat er sich nicht nur mit seinen
bevorzugten Gebieten, der hellenistischen und der spätgriechischen
Dichtung befaßt, sondern sich auch jene reiche Kenntnis der gesamten
griechischen Literatur erworben, an welcher er, um Belehrung gefragt, so
viele andere Gelehrte teilhaben ließ. Seit 1951 seiner Berufspflichten ledig,
widmete er sich zuerst als Lehrbeauftragter, seit 1961 als Honorarprofessor
für Klassische Philologie an der Freien Universität Berlin ausschließlich
der Lehre und Forschung. Als er 1973, fünfundachtzigjährig, beschloß,
sich aus der Lehre zurückzuziehen, war es sowohl für ihn wie für das
Klassische Seminar kein leichter Abschied, Nicht nur mußten fortan die
Studenten auf einen Lehrer verzichten, der mit seinem feinen Gespür für
griechische Dichtung angehende Philologen an die antike Literatur heran­
zuführen und zu begeistern verstand. Mit ihm ging auch ein Teil jenes
Geistes, der gerade in bewegten Zeiten eine wohltuende Ruhe um sich
verbreitet. Doch der Abschied von der Universität, gleichzeitig mit der
XIV

ehrenvollen Ernennung zum Korrespondierenden Mitglied der British


Academy, war für ihn nur Anlaß, seine Kräfte auf die eigene philologische
Arbeit zu konzentrieren.
Aus seinem Schaffen, für dessen Breite und Vielfalt die lange Bibliographie
selbst spricht, seien hier nur zwei Werke hervorgehoben. Die Ausgabe der
„Dionysiaka“ des Nonnos von 1959 ist zur Grundlage jeglicher Beschäfti­
gung mit diesem späten Epiker und, zusammen mit den einschlägigen
Parerga, eine unentbehrliche Hilfe zum Verständnis spätgriechischer
Dichtung überhaupt geworden. Daß sein Beitrag auf dem Gebiet der
frühbyzantinischen Prosa nicht weniger bedeutend ist, zeigt seine Ausgabe
der Historien des Agathias von 1967. Zu weicher Einheit in Rudolf
Keydell gelehrtes Wissen und offene Menschlichkeit zusammengewachsen
sind, erwies sich ganz besonders, als er sich 1967, achtzigjährig, bereit
erklärte, die von Felix Jacoby begonnene und von Ernst Grumach weiter­
geführte Neuausgabe des Stephanus von Byzanz zu übernehmen. Die
ungebrochene geistige Kraft erlaubt es ihm, noch heute an dieser Edition
zu arbeiten.
HARTMUT ERBSE

Hektor in der Ilias*

Offenbar ist es nicht leicht, dem Wesen des homerischen Helden Hektor
gerecht zu werden. Das zeigen die Versuche, ein einheitliches Bild dieser
Gestalt zu entwerfen, deutlich genug. Der Homerleser hat freilich Gründe,
sich über die Vielfalt der Deutungen zu w undem ; hat doch der Dichter
gerade Hektor ins Zentrum seiner Erzählung gestellt und zahlreiche An­
gaben über die A n seines Wirkens und der Gründe seines Handelns ge­
macht. Man sollte erwarten, daß ein eindeutiges Charakterbild dieses
Mannes kenntlich ist. Doch die Meinungen der modernen Forscher gehen
weit auseinander.

Drei repräsentative Auffassungen seien beispielsweise genannt:


1. Die antiken Interpreten, besonders die Verfasser der sog. exegetischen
Scholien, bemühen sich um den Nachweis, daß Hektor ein grausamer
Barbar sei: Er treibe seine Mannen rücksichtslos ins Verderben, leiste aber
im Kampf selbst nur dann etwas, wenn Zeus ihm beisteht*1. Diese Exegese
ist durchaus chauvinistisch und berührt sich eng mit den vielfältigen Ver­
suchen der antiken Interpreten, die Troer Homers herabzusetzen.
2. Eine in vielen Punkten ausgewogenere, aber kaum ganz befriedigende
Charakteristik Hektors hat Schadewaldt3 entworfen. Er weist zunächst
richtig darauf hin, daß man das sentimentale Heldenbild der Romantik
femhalten müsse und in den Kampfszenen der Ilias kein subjektives Todes-

* Die italienische Übersetzung dieses Aufsatzes habe ich im März 1977 in Pisa als Gast der
Scuola Normale Superiore vonragen dürfen.

' Vgl. z, B, die Scholien zu O 348-51. 502 λ. P 125 a. 129-31- 187. 198-203. 201 b und
viele andere.
1 W. S., Hellas und Hesperien1, Zürich 1960, 21-38; vgl. dens, Von Homers Welt und
Werk4 (HWW4), Stuttgart 1965, 177; zurückhaltender urteilte Schadewaldt in seinen llias-
studien (Lpzg. 1938), 103-109.
2 Hartmut Erbse

bewußtsein bei H ektor suchen dürfe1*3. Dann aber bestimmt er die objektive
Todesverfallenheit des Troers» auf die der Dichter mehrfach deutet» als Ate.
Diese wieder, so meint Schadewaldt, äußere sich in Verblendung, ja in
ständig wachsendem Wahn. Erst kurz vor dem Zweikampf mit Achill
erkenne H ektor seine „wilde Vermessenheit" und ziehe die Konsequenzen
aus seiner Torheit. Schadewaldt zeichnet also das düstere Gesamtbild eines
Mannes, der nicht weiß, was er tut und infolgedessen während seiner
langen Kämpfe in der Skamanderebene auch kein Bewußtsein von der
Nähe seines Todes haben kann. Zwar ist der radikalen Analyse Jachmanns
nun der Boden entzogen, aber nur um den hohen Preis eines befremden­
den Ergebnisses.
3. Nüchterner, aber auch einseitiger urteilt Μ. I. Finley4: Für ihn ist
Hektor nur an die Vorschriften des ritterlichen Ehrenkodex gebunden.
Um seiner persönlichen (individuellen) Ehre willen handele er, so führt
Finley aus, nicht nur gegen die Vernunft, sondern auch gegen die
Interessen der Gemeinschaft. Sein hehres W ort (M 243: „N u r ein einziges
Zeichen gilt; das Vaterland schützen” ) werde durch sein gesamtes
Verhalten Lügen gestraft. Hektors Ehre habe mit der Ehre eines Gemein-
wesens nichts zu schaffen. Diese „w ar völlig anderer Art und erforderte
eine andere Anordnung der Fähigkeiten und Tugenden: Das Gemeinwesen
konnte nur wachsen, indem es den Heros zähmte und die freie Ausübung
seiner Tapferkeit unterdrückte. Aber ein gezähmter Heros war ein Wider­
spruch in sich“ (a. Ο. 125)5.
Diese drei Deutungen haben» von mehr oder weniger auffallenden Ver­
zerrungen abgesehen, vor allem eines gemeinsam: Sie setzen den Haupt­
gegner Achills systematisch herab und machen damit dem Dichter
implicite einen bitteren Vorwurf. Hom er müßte nämlich, um Achill zu
preisen, versucht haben, H ektor zu erniedrigen, ohne zu ahnen, daß er
seinem Gedicht so den denkbar schlechtesten Dienst erwies. Schon aus
diesem Grund können die vorgetragenen Lösungen nicht zutreffen. Wir
müssen uns bemühen, angemessenere Formulierungen zu finden. Zu
diesem Behuf empfiehlt es sich, zunächst Hektors Weg durch das Kampf­
geschehen zu verfolgen und seine strategischen Absichten zu ermitteln.

1 Das als Antwort auf Jachmanns Homerische Einzclliedcr (in: Symbola Coloniensia, Köln
1951), 1-70. Hier (24ff.) hat Jachmann beobachtet, Hektor lasse während der langen
Handlungsstrecke zwischen Z und X nicht erkennen, daE er ein Todgeweihter ist. Jach­
mann hat jedoch aus dieser zutreffenden Observation analytische Schlüsse gezogen, die
kaum gerechtfertigt sind.
4 M. F., Die Weh des Odysseus» Dannstadt 1968, 123-125.
s Vortreffliche Einwände gegen F-$ These vom Fehlen jeglichen vaterländischen Gefühls in
der Welt Homers bet P. A. L. Greenhalgh, Historia 21, 1972, 528 - 537.
Hektor in der Ilias 3

In der Presbeia (1351—355) hören wir aus Achills Munde, daß H ektor die
offene Feldschlacht vermeiden mußte, solange er, Achill, sich am Kampfe
beteiligte. Weiter als bis zur Eiche am skäischen Tor sei der Troer nicht
vorgedrungen. Als er dort einst wagte, Achill entgegenzutreten, sei er nur
mit knapper N ot dem Verderben entronnen. Diese Worte bestätigen eine
Vermutung, die sich dem Iliasleser von Anfang an aufdrängt; Die mit dem
vienen Gesang einsetzenden Schlachten in der Skamanderebene stellen
eine neue Entwicklungsphase dar, die sich von der bisherigen Form des
Belagerungskrieges gründlich unterscheidet. Ermöglicht wird die jetzige
A rt des Kampfes durch den Groll Achills. Schon die Andeutungen der
Exposition (A —H) weisen auf diese Sachlage hin: Noch bevor Zeus sein
folgenschweres Versprechen gibt (A 528-530), hält sich Achill von allen
Kampfhandlungen fern (A 488-491), so daß das Zerwürfnis der Könige
auch beim Gegner ruchbar werden kann6. Die Troer sind jedenfalls
alarmiert, postieren Polites als Späher ins Vorfeld (B 786ff.) und rücken
den ausmarschierenden Griechen sofort entgegen. Dadurch kommt es
nicht zu einem Sturm auf die Mauern Troias - Agamemnon meinte ja, die
Stadt heute noch einnehtnen zu können (vgl. B 12f. u. ö.) —, sondern zu
groß angelegten Feldschlachten, in denen sich beide Seiten mit aller Kraft
aneinander messen. Die Monomachie Menelaos - Paris und die Wieder­
aufnahme der Feindseligkeiten durch den Pfeilschuß des Pandaros kenn­
zeichnen den Beginn dieses neuen Abschnittes im Kampf um die Feste
Troia.
Die Weise dieses nun einsetzenden Kampfes wird durch das Verhalten der
Troer bestimmt, genauer gesagt durch den Wunsch ihres Befehlshabers
H ektor (vgl. B 802-810): Augenscheinlich erblickt er in dem Ausscheiden
des gefährlichsten griechischen Helden eine besondere Chance zu erfolg­
reicher Bekämpfung der Belagerer. Was Hektor beabsichtigt, ist den
Griechen am Abend der Κόλος μάχη völlig klargeworden: Man vergleiche
den Bericht des Odysseus tn Achills Zelt, die Verse 1236-243 und
304—306, daraus besonders 1241—243:
„Denn er verheißt, von den Schiffen die krönenden Schnäbel zu schlagen.
Selbst sie mit flammender Glut zu verbrennen, und alle Achaier
Niederzubaun bei den Schiffen, betäubt vom Rauche des Brandes.“
Die Griechen sollen also in eine Stellung gedrängt werden, aus der sie selbst
Achill nicht mehr erretten kann (auch das hat Odysseus richtig erkannt,
vgl. 1244-251). *

* Mit den Worten oöte Λθί ές πόλεμον (A 491) ist offenbar gemeint, daß Achill auch zu
keinem Beutezug ausrückt. Anders Krischet (Formale Kriterien der homerischen Epik
(= Zetemata 56), München 1971,108), der mit der „grotesken Folge'' rechnen muß, Achill
enthalte sich des Kampfes zu einer Zeit, in der gar keine Schlachten stattfinden.
4 Hartmut Erbse

Der Dichter läßt freilich den trojanischen Haupthelden nicht von Anfang
an in aller Deutlichkeit auf dieses Ziel tosgehen: N ur allmählich tritt
Hektor aus der Masse der Troer hervor. Beim ersten Zusammentreffen der
Heere weicht er, nicht anders als alle übrigen, einem kurzen Angriff des
Odysseus aus (Δ 505), im nächsten Gesang muß er sich von Sarpedon zu
entschlossenerem Vorgehen aufrufen lassen (E 470-498), und erst im
weiteren Gefecht erzielt er zweimal einen Erfolg (E 590—609 und 680—710).
Eine entscheidende Wendung der Schlacht führt er dann im nächsten Buch
(vor seinem Gang nach Troia) herbei ( Z 102-109): Die trojanische Flucht
kommt zum Stehen und die Achaier weichen zurück, da sie meinen, ein
Gott sei dem Gegner zu Hilfe gekommen7. Sofort nach der Rückkehr aus
der Stadt greift er wieder erfolgreich in die Schlacht ein ( H 11-12). Der
folgende Zweikampf mit Aias gibt dem Dichter dann Gelegenheit,
Hektors gefährliche Stärke (vgl. H 109—114), seine Fertigkeiten im
Toum ier (vgl. H 237-241), aber auch die Grenzen seiner Fähigkeiten (vgl.
besonders H 307-308) darzulegen.
In dieser Exposition des Gedichts schiebt Hom er den wichtigsten Gegner
Achills in wirkungsvollem Crescendo immer weiter in den Vordergrund.
Aber noch verlautet nichts von dem Operationsplan, den wir oben aus der
Odysseusrede des 9. Buches zitiert haben. Das ist nicht verwunderlich;
denn Hektors ganze Wirksamkeit bleibt notwendig auf die Defensive
beschränkt, solange sich die Götter am Kampfe beteiligen dürfen®. Erst
nach deren Ausscheiden (vgl. Θ 5—27} ergibt sich ein knappes, aber klares
Übergewicht der Troer. N un erst kann Hektor seine Landsleute und die
Hilfsvölker zur Vernichtung des Feindes aufmfen. Der Gedanke, die
einzigartige Gelegenheit (eben das Fehlen Achills) zur Befreiung Troias zu
benutzen, bestimmt seine Kriegsführung während der folgenden drei
Hauptkampftage: H ektor deutet den Plan zum ersten Mal in der Heeres­
versammlung am Abend der Κόλας μάχη an, wo die Troer erfahren, daß
das Ziel, zu dem sie heute nicht gelangten (vgl. Θ 497-499), morgen er­
reicht werden solle (vgl. Θ 517—527). Er kommt am folgenden Tage durch
den Einbruch in das befestigte Schiffslager der Verwirklichung des Vor­
habens näher (Λ, M). Nach mehreren Rückschlägen (N, Ξ ) gelingt es ihm,
Feuer in eines der Schiffe zu werfen. Während dieses blutigen Kampfes
wird er nicht müde, seinen Untergebenen die Pflicht zum Durchhalten
einzuhämmern, freilich in einem barschen und harten Ton, wie ihn die

7 Zum Problem der Verse Z 102-109 vgl. D. Maronitis, Gnom. 37, 1965,328f ,; Rezension
von Brocöa, Strom)r» e spirito dei libro VI dell’ Iliade, Sapri 1963. Broccia (a. O. 64 -72)
weist lediglich die Echtheit de•* überlieferten Textes nach.
• Vgl. V erl, Rhein. Mus. 104, 1961, 185.
H«ktor in der Ilias 5

Lage fordert (vgl. 0 4 9 3 -4 9 9 . 557—558). Selbst am Abend, als nach


Patroklos* Tod die Rückkehr Achills für den nächsten Tag zu erwarten ist,
gibt er den Glauben an den Erfolg seines Unternehmens nicht auf. Statt
eines trojanischen Sieges folgen freilich Auflösung der eigenen Reihen und
völlige Flucht. H ektor aber zieht die Konsequenzen aus dem Scheitern
seines Angriffs.
Diese ganze Strategie ist von bewundernswerter Folgerichtigkeit. Man
mag sie als Tat eines Starrkopfs oder eines Verblendeten bezeichnen, gerät
mit einem solchen Urteil aber in Widerspruch zu mehreren Aussagen des
homerischen Textes: Gerade die Stellen, auf die sich jenes herabsetzende
Urteil zu stützen pflegt, enthalten auch hektorfreundliche Nuancen,
Diesen müssen wir nachgehen und fragen, ob Homer Hektors strate­
gischen Plan nicht auch als sinnvoll angesehen wissen wollte.
Da ist zunächst die von Iris überbrachte Botschaft des Zeus ( Λ 187-194
-2 0 2 -2 0 9 ), Hektor solle verhalten, bis Agamemnon verwundet werde
und den Kampfplatz verlassen müsse (Λ 206-209):
„Aber wenn jener, vom Speere verwundet oder vom Pfeile,
Endlich den Wagen besteigt, dann wird er (seil. Zeus) mit
Stärke dich rüsten,
Tötend hinan zu den wohlgebauten Schiffen zu dringen,
Bis die Sonne sich senkt und heiliges Dunkel heraufzieht“ .
Zeus* Absicht, Hektors Sieg zu begrenzen, kann vom H örer nicht miß­
verstanden werden; denn er hat in der Vorankündigung der Verse
Θ 470-477 gehört, in welcher Richtung die Handlung sich entfalten
wird9. Aber darf man Hektor, dem unmittelbar Betroffenen, den Vorwurf
machen, er habe die Befristung seines Sieges nicht beachtet101? Sollte er als
Feldherr annehmen, es werde ihm ein nur vorübergehender Sieg ver­
sprochen ? Damit er nach Ankunft bei den Schiffen nach Troia zurück­
kehre? Dann wäre es wohl klüger, die Opfer zu sparen und sofort heim­
zuziehen! In Wahrheit ist die Botschaft des Zeus doppeldeutig wie ein
Orakel11, und H ektor kann, vom höchsten G ott begünstigt und von Iris

* Eine spätere Bestätigung liefern die Zeusworte P 453-455, die der G on zu sich selbst
spricht (P 454-455 - Λ 193-194 - Λ 208-209).
10 So Schadewaldt, Hellas und Hesperien1 34.
11 Erkannt von Reinhardt, Die Ilias und ihr Dichter, Gottingen 1961, 179f. (Zeus* „Bot'
schaft ist wahr und falsch zugleich*', „keine andere Botschaft der Iris ist so zweideutig wie
diese - und zugleich so auszeichnend"). Übrigens befindet sich Priamos wenig später in
einer ähnlichen Situation: Er reagiert fast ebenso wie Hektor (vgl. £2 220-224), hat aller­
dings das Glück, von Iris eine eindeutige Aufforderung erhalten zu haben.
6 Hartmut Erbse

persönlich verständigt, den letzten Worten nichts anderes entnehmen, als


daß er sein Ziel, die Schiffe, noch vor Dunkelheit erreichen und natürlich
mit Beginn des Tages erobern wird. Er hat also ein volles Recht, sich auch
am Abend auf diese Verheißung des Zeus zu verlassen, als Pulydamas
nochmals zur Umkehr mahnt (Σ 293—295). Woher soll er wissen, daß
Zeus ihm nur beisteht, bis die Ehre Achills wiederhergestellt ist? - Wir
lernen schon aus dieser Stelle: Man muß unterscheiden zwischen dem, was
die Götter beabsichtigen (und was der rechtzeitig aufgeklärte H örer weiß
oder sofort durchschaut), und dem, was der begrenzte Bück des im Epos
handelnden Menschen als folgerichtig und notwendig ansehen muß.
Man könnte nun einwenden: Wenigstens am Abend hätte H ektor durch
die Warnung des Pulydamas stutzig werden und nachgeben müssen.
Dieser Ein wand veranlaßt uns, die bekannten Mahnreden des ungleichen
Freundes (des „W arners") zu betrachten. Viermal wendet sich Pulydamas
mit wohldurchdachtem Ratschlag an H ektor und die Troer (M 61—79.
211—229; N 726—747; Σ 254—283). Da er mit dem ersten und dritten
Vorschlag Gehör findet, beschränken wir uns auf die zweite und vierte
Stelle12.
Im M wird der Vormarsch der Heeresabteilung um Hektor und Pulydamas
durch ein Vogelzeichen auf gehalten, das den Warner veranlaßt, einen un­
glücklichen Ausgang des bevorstehenden Sturmes auf das Schiffslager
vorherzusagen. Hektor weist diesen Gedanken barsch zurück; denn er
erblickt in ihm eine Aufforderung, die Botschaft des Zeus (vgl. Λ 186—194
und 200-209) zu mißachten (M 257-240. 243):
„D u hingegen berätst mich, den breitgeflügelten Vögeln
Mehr zu vertrauen; ich achte sie nicht, noch kümmert mich solches,
O b sie zur Rechten fliegen, zum Tagesglanz und zur Sonne,
Oder zur Linken gewandt, ins neblige Dunkel des Abends . . .
N ur ein einziges Zeichen gilt: das Vaterland schützen!"
Auch in diesen Worten findet Schadewaldt nicht Stolz und Selbstvertrauen,
sondern Anmaßung (Hellas und Hesperien* 32): Hektors „Vermessenheit"
werde durch „seine ebenso großartige . . . wie blasphemisch barsche
Verwerfung der Vogelzeichen" bewiesen. Gewiß - das böse Zeichen kann
nicht hinweggedeutet werden, und in Hektors Sieg ist - wie der Hörer

12 Zu den Venen N 726-74? vgl. die sorgfältige Behandlung von C. Michel, Erläuterungen
zum N der Ilias, Heidelberg 1971, 123. Daß Hektor in der Reaktion auf diese Rede als ein
Mann charakterisiert sei, der „nicht auf vernünftigen Rat hört“ (Schadewaldt, Iliawtudien
105, vgl. Hellas und Hesperien' 32), trifft, wie Michel a. O . 127 gezeigt hat, nicht zu.
Hektor in der Ilias 7

weiß - die Niederlage verborgen13. Aber was sollte H ektor tun? Den bis­
herigen Erfolg preisgeben? Das hieße auf den Plan verzichten, in dem er
eine (vielleicht die einzige) Rettungsmöglichkeit für Troia sieht. Hektors
Größe besteht doch wohl gerade darin, daß er keine Zweifel am Erfolg auf-
kommen läßt und den Bedenken des Sehers seine begründete Zuversicht
entgegensetzt. Er kann sie sogar aus einem W on des Zeus herleiten und
wird in den Versen M 252—255 vom höchsten G ott bestätigt, der den
Feind durch einen Wirbelwind verwirrt.
Vielleicht versteht man Hektor besser, wenn man sich mit Reinhardt
(a. O . 276) daran erinnert, daß die Gestalt des Pulydamas aus der Hektors
entwickelt, die Stimme des Warners also die eigene Gegenstimme des
Helden ist. Ihr aber gibt er nicht Raum, sondern setzt ihr einen starken
Trumpf entgegen: Δμύνεσθαι περί πάτρης. Mag seine Auffassung von
»Vaterland* auch noch so nüchtern sein (darüber werden wir später noch
sprechen) — die heimatliche Gemeinschaft bildet jedenfalls einen W en,
den H ektor höher stellt als alle persönlichen Belange. Wer so denkt wie
er, kann sich verrechnen und seine Möglichkeiten überschätzen, aber er
unterliegt dann eben deshalb, weil er sich getäuscht hat, nicht weil er ver­
messen oder verblendet ist.
Schwieriger ist es, Hektors Antwort auf die vierte Warnung des Puly­
damas gerecht zu werden. Am Abend vor dem letzten Schlachttag rät der
Warner zum sofortigen Rückzug in die Stadt, da auf Feindesseite Achills
Teilnahme am Kampf für den folgenden Morgen zu erwarten ist. Auch
dieses Mal lehnt H ektor ab - ein Entschluß, der ihm den härtesten Tadel
von seiten der Homerinterpreten eingebracht hat14. Aber man sollte nicht
vergessen, daß H ektor in seiner Antwort an Pulydamas handfeste Argu­
mente vorweist: Die finanziellen Mittel Troias sind erschöpft, die Bewoh­
ner haben das kümmerliche Dasein satt, das sie, zusammengepfercht mit
den Hilfstruppen, hinter den Stadtmauern führen müssen (vgl. Σ 285—292),
Wenn wir die Zeusbotschaft des 11. Buches oben richtig gedeutet haben,
darf sich Hektor mit gutem Recht auf sie berufen (vgl. Σ 293-296); er

« Vgl. Reinhardt a. O . 274,


14 Vgl. vor allem Schadewaldt, Iliasstudien 106; dem. H. W. W.4 177 und 260; dem. Hellas
und Hesperien1, neuerdings auch F. G Schnitzer, Politische Leidenschaft im homerischen
Epos, in: Studien zum antiken Epos, Meisenheim 1576, 13-18. G. betrachtet die Puly-
damasszenen, besonders die des M, in der Vereinzelung, ohne die Irisbotschaft des Λ zu
berücksichtigen. Dabei gerät Hektor natürlich in eine ungünstige Beleuchtung. — G.s
Versuch, die Funktionen der einzelnen Situationen unbeachtet zu lassen und in den
divergierenden, aber vom Gang der Handlung bestimmten politischen Äußerungen der Ilias
Konfessionen verschiedener Dichter zu finden, unterliegt m- E. schweren Bedenken. Hier
ist allerdings kein Raum für die Behandlung dieser Frage.
s Hartmat Erbse

paraphrasiert sie jetzt so, wie er sie von Anfang an glaubte verstehen zu
müssen: ,Je tz t aber, da mir Zeus Sieg / D ort bei den Schiffen verlieh und
ans Meer die Achaier zu drängen ., (κύθσς άρεσβΡ έπι νηυσί, θαλάσσπ
ΐ §λσαι Α χαιούς). Auch sollte man nicht von Überheblichkeit sprechen,
wenn er am Schluß der Rede erklärt, er sei bereit, selbst mit Achill zu
kämpfen (vgl. Σ 305-309). Zwar mag Agamemnon übertrieben haben,
wenn er zu Menelaos sagte, Hektor zu begegnen vermeide sogar Achill
(vgl. Η 113—114), und H ektor gibt später (seil. Y 434) selbst zu, daß er
schwächer sei als der größte Held der Griechen. Jedoch in einem ent­
scheidenden Zweikampf haben sich beide bisher offenbar noch nie anein­
ander gemessen, und was Hektor vor der Heeres Versammlung des
18. Buches zusagt, führt er am kommenden Tag aus: Er tritt Achill bereits
im Kampf der Massen zweimal entgegen (vgl. Y 353-380 und 419-454).
Allerdings wird er von Apollon das erste Mal zurückgehalten, das zweite
Mal entführt (erst die dritte Begegnung im 22, Gesang, in die der be­
freundete G ott nicht mehr eingreifen darf, wird dann tödlich für ihn sein}.
Das sind nun freilich Entwicklungen, die Hektor nicht voraussehen kann,
und durch den Gedanken an solche Möglichkeiten darf er sich in seinen
Entschlüssen nicht beirren lassen. — Bei Berücksichtigung der genannten
Gesichtspunkte ist es also gar nicht so erstaunlich, daß sich die Troer,
ungeachtet ihrer anfänglichen Furcht (vgl. Σ 247—248), durch die Rede ihres
Befehlshabers umstimmen lassen. Wenn der Dichter sie als Toren bezeich­
net (Σ 311), will er offenbar nicht sagen, daß ihnen Einsicht fehle, sondern
Wissen (Information); er deutet also auf das unselige Verhängnis der tod­
geweihten Stadt.
Pulydamas hat seiner Mahnrede einen aufschlußreichen Gedanken ein­
gefügt (Σ 259—260): Während des Grolles Achills sei es leichter gewesen,
die Achaier zu bekämpfen; mit Freuden habe er, Pulydamas, bei den
Schiffen biwakiert, auch er in der Hoffnung, man werde das Griechenlager
erobern. Mit diesen Worten ebnet er seinem Gefährten Hektor den Weg
zur Umkehr: Hektor könnte sich in ehrenhafter Weise der Gefahr ent­
ziehen ; denn auch sein heftigster Kritiker erklärt sich ja mit der bisherigen
Kriegführung einverstanden. Wenn H ektor trotzdem ablehnt, dann also
sicherlich nicht aus Gründen persönlichen Ehrgeizes, sondern im Interesse
der Heimat; denn mit einem Rückzug würde er zugeben, daß alle
bisherigen Opfer vergeblich waren. In der Fortsetzung des Angriffs aber
sieht er die einzige Möglichkeit für die Rettung der Stadt.
Diese Betrachtungen leiten über zum Monolog des 22. Gesangs. Die Troer
sind geschlagen worden und in die Stadt geflüchtet. N ur H ektor wartet vor
den Mauern, um den Zweikampf mit Achill aufzunehmen. Vergeblich
beschwören ihn die Eltern, das nicht zu tun. In seiner Verlassenheit erwägt
Hektor in der Ilias 9

H ektor zwei Möglichkeiten des Verhaltens gegenüber Achill: Beide führen


zu dem Ergebnis, daß der Kampf unvermeidlich ist. Die erste lautet
(X 99-110):
„Wehe mir! Wollt* ich zum Tor hinein in die Mauern mich retten,
Würde Pulydamas gleich mit kränkendem Hohn mir begegnen.
Der mir gebot, zur Feste zurück die Troer zu führen,
Während der schrecklichen Nacht, als zum Kampf sich erhob der Pelide.
Doch ich gehorchte ihm nicht; es wäre wohl besser gewesen.
Jetzt aber, wo ich das Volk so unbesonnen verderbte,
Scheu ich die Troer und troischen Frauen in Schleppengewändem,
Daß nicht irgendein andrer, gemeiner als ich, von mir sage:
»Hektor verderbte das Volk, der eigenen Stärke vertrauend.'
Also werden sie sprechen; für mich aber w ir es dann besser.
Offen im Kampf den Achilleus zu töten und wiederzukehren
O der mit Ruhm von ihm selbst vor der Stadt erschlagen zu werden,"
Zunächst sieht es so aus» als ob H ektor in bitterer Reue sein ganzes bis­
heriges Tun verwerfe und Pulydamas nachträglich in allen Punkten recht
gebe15*. Doch dieser Findruck ändert sich, sobald man folgendes bedenkt:
1. H ektor urteilt als Verlierer in einem gefährlichen Spiel. E r weiß, daß
politische und militärische Maßnahmen nur durch den Erfolg gerechtfertigt
werden, dann freilich vollständig. Wer dagegen unterliegt, büßt seinen
bisherigen Einfluß ein; Hinweise auf seine Motive oder Argumente helfen
ihm wenig. Auch H ektor steht unter dem Einfluß einer solchen düsteren
Katastrophensituation; denn eigentlich hat er keine Veranlassung, die
Richtigkeit seiner früheren Überzeugungen (vgl. Σ 287ff., dazu Ω 662)
anzuzweifeln. Anderenfalls könnte er nicht wenig später (scit. X 301 —302)
alle Schuld bei den Göttern suchen und behaupten, Zeus und Apollon
hätten seinen Untergang längst beschlossen (daß diese Worte auf Zeus zu­
treffen, weiß niemand besser als der Hörer des Gedichts)14. Hektor tut sich
also selbst unrecht, wenn er im oben zitierten Monolog sagt, er habe die
troischen Mannen durch seine Unbesonnenheit (άτασθαλίΐΐσιν, X 104)
zugrunde gerichtet. Er nimmt mit dieser Behauptung die Beschuldigungen
der Troer vorweg, deren mutmaßliche Worte er danach anführt (X 107):

15 Vgl. Schadewaldt, Hellas und Hesperien1 28.


,f‘ Richtig Schadewaldt, Hellas und Hesperien1 34,1: „Ich dichte, dieses .Schon lange* reicht
mindestens zu der befristeten Siegverheifiung des Zeus an Hektor im 11. Buch zurück.“
Kurz vor dem Tode geht Hektar also der wahre Sinn der zweideutigen Botschaft auf, die
ihm Iris Ln Zeus' Auftrag überbrachte. Wieder einmal ist Homer der echte Vorläufer der
Tragödie. - Zum oben behandelten Zusammenhang vgl. auch L. Quaglia, La figura di
Eitore e l’etica deU’ Iliade, Ani della Accadentia delle Scienze di Torino 94, 1959- 60,
Torino 1960, 232.
10 Hartmut Erbse

Έ κ τω ρ ήφι βίηφι πιθήοας &λεσε λαόν. Beide Nomina, άτασθαλίαι


ebenso wie βίη, sind demütigende Benennungen der großen Zähigkeit, mit
der H ektor den Angriff vorangetragen hat, da er ihn für die beste (und
einzige) Verteidigung Troias hielt. In Wahrheit bedeutet das Scheitern
seines Unternehmens nun nicht nur diesen eigenen Tod, sondern auch
Troias Untergang (vgl. X 381—384. 409—411 u. a. Stellen).
2. Die Formulierung, die Homer für den Tadel des Volkes gewählt hat
(vgl. X 107), beweist, daß sich Hektor der öffentlichen Beschuldigung nicht
aus unklugem Heroismus oder aus bloß individuellem Ehrgefühl ent­
zieht17: Hektor fühlt sich den Troern gegenüber am Tod der Vielen
schuldig, den er nur durch einen Sieg hätte rechtfertigen können. Das
bedeutet: Sein Kummer über den Verlust seiner Stellung innerhalb der Polis
(homerisch gesprochen: über den Verlust seiner Ehre) leitet sich aus dem
Gefühl der öffentlichen Verantwortung ab. Diese Relation entspricht
Hektors früherem Verhalten, besonders seiner Antwort auf die zweite Rede
des Pulydamas, als er sein höchstes Prinzip in den Worten άμΰνεσθαι περί
πάτρης (Μ 243) zusammenschloß. Wenn er jetzt dem Zweikampf mit
Achill ausweichen und sich in Sicherheit bringen würde, auch auf die
Gefahr hin, Vernichter des Volks und der Stadt zu heißen (vgl. X 107),
müßte er sein eigenes Wesen aufgeben und sich gänzlich verleugnen; denn
als ϊκτω ρ ist er der eigentliche Beschützer Troias (vgl. X 433—434 und
£2 730 mit deutlicher Anspielung auf die Etymologie des Namens). So darf
er denn sich (und dem Hörer) Wege der Feigheit lediglich vor Augen
führen, so etwa wie man verlockenden Unmöglichkeiten in Gedanken
nachhängt, aber er kann sich seiner heroischen Aufgabe ebensowenig ent­
ziehen wie Achill in der bekannten Szene des 18. Buches (98 ff.). N ur die
Motivierung ist bei Hektor komplizierter, ja (wie wir sehen werden) auch
moderner als bei seinem Gegner; denn H ektor fühlt sich nicht nur dem
üblichen ritterlichen Ehrenkodex verpflichtet, sondern er stellt diese
Pflichten in den Dienst seiner Heimat und deren Bevölkerung. Vergeblich
sucht man bei Achill nach der Reife dieser Gesinnung: Ihn schmerzt die
Kränkung, die ihm Agamemnon zugefügt hat, heftiger als der Tod un­
zähliger, an dem Streit der Könige unbeteiligter Landsleute. Seine Ver­
söhnung mit Agamemnon wird nur durch Patroklos’ Tod erzwungen, und
auch dann hat Achill für sein eigenes trotziges Verhalten kein W ort des
Tadels oder gar der Reue, vgl. T 59—62:
„H ätte sie (seil, die Briseis) Artemis doch mit dem Pfeil bei den
Schiffen getötet.

17 Beide Vorwürfe bei Finley a. O . (vgl, Aiun. 4) 124 und 125. Vgl. Übrigens auch Aristot.
E. N. 3, 11 p. 1116a 21.
Hektor Ln der Ilias 11

Jenes Tags, als ich selber sie raubte, Lyrnessos zerstörend:


Nicht so viele Achaier wohl hätten, vom Feinde bezwungen.
Dann in den Boden gebissen, weil ich im Zorne verharrte.“
Mit diesen Worten gibt Achill wohl zu, daß er am Tode vieler Achaier
schuld sei, aber er verurteilt nicht sich oder seine Leidenschaft, sondern
verwünscht die Existenz der Briseis. Und Hektors Gedanke, daß der
Verlust vieler Mannen das Ansehen des verantwortlichen Heerführers
schmälern oder vernichten könne, liegt ihm fern.
Das alles soll freilich nicht besagen, daß den Achaiem Homers ein öffent­
liches Verantwortungsbewußtsein, besonders gegenüber ihrer heimatlichen
Stadtgemeinde, ganz fremd sei: Man braucht nur an die Meleagererzählung
des Phoinix zu denken (vgl. besonders 1 590—598), um sich vom Gegenteil
zu überzeugen18. Indessen spielt ein solches lokalpatriotisches, über die
Belange der persönlichen Ehre hinausgreifendes Pflichtgefühl im Verhalten
der griechischen Helden unserer Ilias nur zeitweilig eine Rolle, in den
entscheidenden Handlungen Achills gar keine.
Um das bisher gewonnene Bild von Hektors Verhalten abzurunden und zu
sichern, müssen wir nachträglich noch folgende Iliasstellen kurz be­
sprechen; denn auch sie hat man als Zeugnisse seines angeblichen Wahnes
angesehen.
Da ist zunächst der Vers P2Q5: H ektor hat Achills göttliche Waffen er­
beutet und angelegt. Zeus sieht voll Mitleid auf ihn herab und sagt
(P 201-207):
„Armer, so gar nichts ahnest du noch vom Tod im Gemüte,
Und schon kommt er dir nah! Da legst du des herrlichen Mannes
Göttliche Waffen dir an, vor dem auch andere zittern.
Ihm erschlugst du eben den Freund, den tapferen, milden.
Zogst die Waffen auch wider Gebühr von H aupt ihm und Schultern.
Dennoch will ich dir jetzt noch gewaltige Kraft zum Entgelte
Leihen“ usw .19.
Den präpositionalen Ausdruck οΰ κατά κόσμον (205) pflegt man (trotz
Leafs Widerspruch) auf die A rt der Waffenerbeutung zu beziehen und
daraus ein Unrecht Hektors abzuleiten; hat er doch Patroklos nicht ohne

“ Vgl, Greenhalgh a. O . (ob. Anm. 5) 530, dazu Tyrt. 10,3-10 W. und R. Harder, Kl.
Schriften (München i960), 186,9, Übrigens stellt Greenhalgh richtig fest, daß die Achaier
ihr Gemeinschaftsgefühl nicht auf Belange ganz Griechenlands ausdehnen (a. O. 533):
„Apart from the Atridae there is no expression of Panachiean responsibility in the Hiad."
'* Die Verse 205-207 lauten: τβνχία S οό κατά κόσμον άπό κρατός τε καί ώμων / είλευ-
άτάρ τοι νυν γε μέγα κράτος έγγναλίξω / ιώ ν ποινήν κτλ,
12 Hartmut Erbse

fremde Hilfe erschlagen Ϊ Doch dieser Gedankengang ist abwegig. Schon


der Aorist etXcu sollte bedenklich machen (man würde ein Imperfektum
erwarten). Vor allem aber gerät die genannte Interpretation in Widerspruch
zum Realismus homerischer Darstellung: Nirgend sonst macht der Dichter
einem Sieger im Kampf einen Vorwurf daraus, daß ihm Götter oder Zufälle
zum Erfolg verholten haben. Offenbar ist es nicht nur ein gutes Recht,
sondern sogar ein Verdienst des Helden, die Schwächen (das Pech) des
Gegners zu nutzen; sie gelten ja auch als Zeichen dafür, daß die Gottheit
den Sieger begünstigt. In unserem Zusammenhang können also die Worte
ού κατά κόσμον nur die Tatsache betreffen, daß H ektor diese Waffen nicht
zustehen (er nahm sie ,wider die Ordnung*, ohne von der Ungebührlichkeit
seines Handelns zu wissen). Sobald das erkannt ist, wird deutlich, daß Zeus
dem Helden keinen Vorwurf macht, sondern ihn nur deshalb bedauert,
weil seine Siegesfreude befristet ist. Von „verblendeter Vermessenheit des
Mannes“ 20 sollte man nicht sprechen. Anderenfalls könnte man nicht ver­
stehen, weshalb Zeus dem H ektor die Waffen ausdrücklich anpaßt und ihn
mit Kampfesmut erfüllt (vgl, P 210-214). ln Wahrheit ist H ektor nicht
schuld daran, daß Patroklos Achills Waffen trug, sondern die Entwicklung
der Dinge hat nun einen Verlauf genommen, durch den das Mitleid des
höchsten Gottes (und damit auch das des beobachtenden Hörers) geweckt
wird. Es bewahrheitet sich, was wir bereits festgestellt haben: Auch hier
(wie an anderen Stellen, vgl. P 450. 473. 483ff.) m uß man unterscheiden
zwischen den voraussetzungsreichen Motiven des Handelnden und der
Deutung des Geschehens, die der Dichter gibt oder durch die G ötter geben
läßt.
U nter diesen Bedingungen können die vielgerügten Prahlereien Hekcors, in
denen er die Truppe mitzureißen trachtet oder die Gegner einschüchtern
möchte, gebührend eingeordnet werden (vgl, vor allem Θ 526—541, N
824-832. Ξ 366-367. O 493 -4 9 9 u. a.). Man hat sie wohl nur deshalb
notiert, weil sie in ihrer Schroffheit über das Maß der üblichen Feldherren-
und Schcltrcdcn hinausgehen. Aber gerade dadurch verdeutlichen sie
Hektors unbedingte Hingabe an seine Sache; außerdem enthalten auch sie
den Gedanken an das Wohl des Ganzen, den H ektor unermüdlich nicht nur
seinen Landsleuten, sondern auch den Hilfsvölkcm einschärft (vgl, O
494-499. 556-558 und P 220-228).
Selbst Hektors Antwort auf die Warnungen des sterbenden Patroklos hat
man in diesem Zusammenhang zitiert. Schadewaldt21 meint, sie sei „Ver-

10 So Schadewaldt, H ell« und Hesperien1 29.


31 W. S., Hellas und Hesperien1 30.
Hektor in der Ilias 13

messenheit und vollkommener Ausdruck des von der Ate ergriffenen Tod­
verfallenen“ . Die Verse lauten (Π 859—861):

„Patroklos, was kündest du mir ein jähes Verderben?


Denn wer weiß» ob Achilleus* der Sohn der lockigen Thetis,
Eher nicht fällt, von meiner Lanze zu Tode getroffen?“

Was sollte Hektor stattdessen sagen? Wenn er weiterkämpfen und sein Ziel
(όμννεοθαι περί πάτρης) erreichen will, muß er an die Möglichkeit
glauben dürfen, daß er Achill gewachsen sei. Solange er mit der Hilfe der
G ötter rechnen darf, hat er keinen Grund, diese Überzeugung aufzugeben.
Woher soll er wissen, daß Zeus ihn als Werkzeug eines mit Thetis abge­
sprochenen Plans mißbraucht? Wie bereits erwähnt» erhält er erst kurz vor
dem Tode Gewißheit darüber, daß der Göttervater ihn endgültig preis-
gegeben hat.

Hektor hat keinen Zugang zur Welt der Götter, keinen Einblick in den
verborgenen Lauf des Geschehens. Das ist seine empfindlichste Schwäche
gegenüber Achill, der durch seine göttliche M utter sogar auf Zeus ein­
wirken kann (vgl. Heres Worte Q 56—63!). Auch die Pläne der Himm­
lischen sind Hektor unbekannt22. Wie jeder Sterbliche könnte er sie nur aus
Zeichen (d. h. aus Opfer oder Vogelflug, vielleicht auch aus Träumen) er­
schließen. Die Botschaft des Zeus, die ihm Iris überbringt (Λ 200-209),
muß er als besondere Gnade ansehen, und es ist sein Verhängnis, daß er
nicht auf den Gedanken kommt, Zeus könne ihn betrügen. Der Dichter
aber sorgt dafür, besonders durch die Vorankündigungen der Bücher Θ
(470—477), O (53—77) und Φ (296—297), daß dem Hörer die Unterschiede
zwischen göttlichem und menschlichem Blickfeld stets bewußt sind: N ur
so wird die Gebundenheit (das heißt aber die Menschlichkeit) Hektors
kenntlich, nur so auch die besondere A rt seines Ringens: Weil er von allem
Anfang an vergeblich für die Rettung Troias kämpft, besitzt er die beson­
deren Sympathien des Hörers, der in den verzweifelten Bemühungen des
Helden ein Gleichnis seines eigenen Strebens erblicken darf33.
Mit der besonderen Einstellung Hektors mag es auch Zusammenhängen»
daß ihn Homer in der Volksversammlung des 7. Buches nicht auftreten
läßt, in der die Troer zum letzten Mal die Frage erwägen, ob man den Krieg
durch Rückgabe Helenas beenden könne. Paris widersetzt sich dem Vor-

M Vgl. die bereits besprochenen Passagen Λ 186-194 und 200- 209. M 236. O 488-493.
718 - 725. P 448 - 449 und 483ff.; X 226-248 und 294-305.
Vgl. auch Quagtia a. O. (oben Aron. 16) 234,2.
14 Hirtm ut E rb»

schlag Alltenors, Helena auszuliefern, energisch und findet die Unter­


stützung seines Vaters (vgl. H 347-379). Hektor müßte, falls er zugegen
wäre, bei dieser offiziellen Erörterung des schwerwiegenden Problems in
heftigen Konflikt mit seinem Bruder geraten; denn es ist ihm kein Geheim­
nis, daß der Raub Helenas der Anfang allen Unheils war (vgl. X 114—116),
und als Vertreter des Gemeinwohls würde er ein vermutlich entscheidendes
W ort zugunsten von Antenors Vorschlag sprechen. Aber es ist, als ob
Homer eine solche Auseinandersetzung umgangen habe, weil er den Ein­
wand Herodots (2, 120, 2 -4 ) ahnte: Es sei doch nicht denkbar, so meint
der Historiker, daß Hektor das Unrecht seines Bruders zum Schaden des
Reiches geduldet hätte. Jedenfalls berühren wir hier einen Punkt, an dem
sich Homers eigene Erfindungen (Gestalt und Wirken Hektors) mit den
Grundzügen der Helenasage überschneiden. Augenscheinlich hat sich der
Dichter gehütet, diese Diskrepanzen unnötig hervortreten zu lassen.
So darf Hektor denn wenigstens einmal, vor dem Zweikampf Paris—Mene­
laos, heftige Kritik an der Tat seines Bruders üben (Γ 3 9 - 57)14. Aber
sobald ihn Paris darauf hinweist, daß er die Gaben der Aphrodite schmähe
(Γ 64—66), gibt er sich zufrieden und erkennt das Unglück des Krieges als
Fügung der G ötter an25. Er muß sich nun darauf beschränken, die Existenz
dieses Bruders zu verwünschen (vgl. Z 281-285). Er begnügt sich im
übrigen damit, seine Lässigkeit zu tadeln (vgl. Z 326—331 und 523—525);
denn er weiß wohl, daß Paris ein tüchtiger Krieger ist (vgl. Z 521-522.
N 775 - 780).
Eine einzige homerische Szene scheint sich unseren bisherigen Betrach­
tungen nicht einzufügen, die Homilie; denn hier sagt ja H ektor zu Andro­
mache, die ihn flehentlich gebeten hat, sich nicht weiterhin der Gefahr des
Kampfes im offenen Felde auszusetzen, folgende W orte (Z 441-4 5 4 )26;
„Frau, an all das denk auch ich! Aber zu fu rch tb a r schäm’ ich mich
vor den Männern und schleppetragenden Frauen Troias, wollte ich
mich wie ein gemeiner Mann aus dem Kampfe draußen halten. Auch
drängt mich dazu nicht mein H erz, denn man hat mich gelehrt, immer
ein Edler zu sein und im vordersten Feld der Troer zu kämpfen, um
den großen Ruf meines Vaters zu wahren und meinen eigenen. Zwar,*1

14 Vgl. W. Höffmann, Die Polls bei Homer, Festschrift B. Snell, München 1956, 160.
11 Ganz ähnlich fügt sich Helena wenig später gegen ihr besseres Wissen der Liebesgöttin:
vgl. Γ 395—418, dazu O. Lendle, Antike und Abendland 14, 1958, 63 - 72.
34 Übersetzt von Schadewaldt, H. W. W.4 210; vgl. auch seine VersÜbertragung in: Homers
Ilias, Frankfun 1975, 108. Die metrischen Übersetzungen von Voß und Rupi entfernen
sich zu weit vom Original.
Hektor in der Utas 15

das weiß ich gut in H err und Gemüt; Es kommt einmal der Tag, wo
die heilige Ilios und Priamos und das Volk des speererprobten Priamos
untergeht. Allein, nicht um das künftige Leid der Troer sorge ich mich
so furchtbar, selbst um Hekabe nicht und den Herrscher Priamos und
meine Brüder, so viele und edle dann in den Staub sinken vor den
ergrimmten Feinden, so wie um dich . .

Hier nun scheint sich H ektor auf den persönlichen Ehrenpunkt zu berufen
(vgl. Z 444-446), außerdem In den Andeutungen vom bevorstehenden
Untergang Troias eine klare Vorstellung vom eigenen Tod vorauszusetzen.
Es wäre jedoch falsch, die zitierten Verse so isoliert zu betrachten; denn
sie sind als Entgegnung auf die Rede der Frau konzipiert. Diese Rede hat
Schadewaldt (H. W. W .4 219) treffend als „weitausschwingende Bitte um
Erbarmen" bezeichnet. Sie zerfällt in zwei Hauptteile: Aus dem Rückblick
auf ihr und ihrer Familie unseliges Los leitet Andromache den Gedanken
her, daß Hektor ihr nun, nach dem Tod aller Angehörigen, alles bedeute
(Z 429-430):
„H ektor, siehe, du bist mir Vater und waltende Mutter
Und auch Bruder zugleich, du bist mein blühender Gatte!“
Deshalb aber solle er nun, so sagt sie im zweiten Abschnitt, Mitleid mit ihr
haben, auf der Mauer bleiben und dort in allen Ehren kämpfen*7.
Hektor wählt in seiner Antwort die umgekehrte Reihenfolge:
1. Andromaches strategischen Ratschlägen setzt er nicht ein ähnlich ge­
artetes militärisches Argument entgegen. Was würde auch aus dem Ab­
schiedsdialog, wenn sich die Gatten nun über die Möglichkeiten der Krieg­
führung unterhielten! Wir dürfen also nicht erwarten, daß H ektor auf
seinen großen Angriffsplan hinweise oder auf die besondere Chance, die
sich den Troern durch den Zorn des Achill bietet. Stattdessen sagt er etwas,
was Andromache sofort verstehen und würdigen muß: ,E$ ist meine
Gewohnheit geworden28, so führt er aus, in vorderster Front zu kämpfen.
Dort nur gewinne ich Ruhm. Der Ruhm bleibt, auch wenn die Mauern
vergehen4 (vgl. H 91). Diesen Sätzen schickt er die Worte voraus: »Ich ver­
stehe deine Bitte wohl, aber ich schäme mich vor Männern und Frauen

17 Arwwchs Atheiesc der Verse Z 433-439 ist falsch, nicht nur aus dem von Schadewaldt
(H. W. W.* 219) genannten Grund, sondern auch deshalb, weil Andromache nicht in die
Versuchung geraten darf, einen ähnlichen Gedanken nach Hektor* Rede, doch noch zu
äußern.
M So Snell, Joum. Hell. Stud. 93, 1973, 182; ähnlich Schadewaldt, H. W, W.« 220 (es ist
mir „durch die Zucht längst zur zweiten Natur geworden"). Zum Inhalt vgl. Q 215-216
und 500.
16 Hartmut E rb»

Troias, wenn ich mich wie ein Gemeiner fern von der Gefahr halten
würde.1 Dieses Argument ist nicht widerlegbar; denn auch Andromache
gehört ja zu diesen Frauen einer heroisch denkenden Gemeinschaft, die
keinen Feigling zum Mann haben wollen. Man darf also nicht unter Ver­
nachlässigung des Gesamtzusammenhangs in unseren Versen die einzigen
Motive für Hektors Handeln finden wollen und sie mit Strasburger**
folgendermaßen beschreiben: „Hektors Gründe, entgegen der Bitte der
Andromache in den Kampf zurückzukehren, sind ganz persönliche: Furcht
vor dem Tadel der Feigheit seitens der Troer und der Wunsch, innerhalb
dieser Gemeinschaft den Ehrenplatz des tapfersten Mannes zu behaupten/*
Wie wir sahen, beschränkt sich H ektor auf den persönlichen Aspekt seines
Verhaltens nur deshalb, weil er dafür bei Andromache unmittelbares Ver­
ständnis zu finden hofft. Diese seine Sätze entsprechen ja doch den üblichen
Anschauungen der homerischen Zeit30.
2. Den Gedanken ,die Stadt ist nicht unvergänglich* (vgl. Z 448-449)
wendet Hektor so, daß er Andromaches große Liebesbeteuerung (vgl.
Z 429-430) in seiner Art angemessen erwidern kann. In der Weise einer
düsteren Vision setzt er den schlimmsten Fall: Troias Eroberung unmittel­
bar nach seinem Tode. Er darf sich diese Freiheit nehmen; denn noch ist es
nicht ausgemacht, daß die Stadt so bald und so schrecklich untergehen
werde31. Und er muß so sprechen, nicht nur weil Andromache selbst dieses
düstere Bild beschworen hat (vgl. Z 409-413), sondern vor allem weil er
ihr nur auf diese Weise sagen kann, daß er sich mehr um sie als um alle
anderen sorge, mögen jene ihm blutsmäßig noch so nahe stehen. N u r dieser
Vergleich, projiziert in eine Situation äußerster N ot, läßt die Stärke seiner
Leidenschaft sichtbar werden: Der Versicherung der Frau ,Du bist mir
Vater, Mutter und Bruder* entspricht also das noch innigere Bekenntnis des
Mannes ,Für keinen der Troer, nicht für Hekabe, nicht für Priamos, nicht
für einen meiner Brüder fürchte ich so wie für dich!* Auch in diesem Zu­
sammenhang bleiben die Hoffnungen auf Erfolge in der bevorstehenden*1

w Histor. Zeiuchr. 177, 1954, 236.


w Vgl, F. Morginte, L’eroismo nell' Iliade, Giomale Italiano di Filologia I, Napoli 1968,
176 f., besonders aber Quaglia (s. ob. Anm. 16) 175. - Den Einwand, Hektors zeitweiliges
Zurückweichen (vgl. Glaukos in P 142-168) siebe nicht in Einklang mit »inen Worten
Z 441-446, hat Quaglia (a. O . 183 -200) mit vorzüglichen Argumenten zuriiekgewiesen.
Hinzugefügt sei die Beobachtung, daß auch Hektors Bestreben, Ruhm (κλέος) zu ge­
winnen, nach Ausweis der Gesamthandlung der Pflicht, die Heimat zu verteidigen, unter­
geordnet ist.
11 Dichter und Hörer wissen freilich besser Bescheid. - Zu unseren Versen vergleiche man
Schadewaldts richtige Deutung (Ti. W. W .4 221): „Hinter diesem Wissen um den einmal
kommenden Untergang steht unausgesprochen ein ,Und doch*!“ ; dens. Der Aufbau der
Ilias, Frankfurt 1975, 13. Siehe auch Greenhalgh a. O. (ob. Anm. 5) 529.
Hektor in der Ilias 17

Schlacht unausgesprochen; denn solche trivialen Mutmaßungen würden die


Innigkeit des Gesprächs zuschanden machen. Die Zuversicht kommt wenig
später viel passender wieder zu Worte, wenn Hektor für die glückliche
Zukunft seines kleinen Sohnes zu Zeus betet. Jedoch auf diese Wendung
der Szene gehen wir nicht mehr ein. Es ist aber hoffentlich jetzt schon
deutlich geworden, daß wir Strashurgers Beurteilung der soeben analysier­
ten Partie nicht zustimmen können (a. a. O.» nach dem oben zitierten
Satz): „Sein (seil, Hektors) Gemeinschaftsgefühl ist ein vemunftbegründe-
tes, insofern nämlich, als mit dem Fall der Stadt seine eigene Frau der
Willkür des Siegers preisgegeben wäre; dies ist der e in z ig e 32 Gedanke, den
er erklärt, nicht ertragen zu können." So vortrefflich Strasburger die sozio­
logische Ordnung des heroischen Zeitalters in der genannten Arbeit
beschrieben hat33, so wenig scheint er mir den Möglichkeiten gerecht zu
werden, die Homer zur Weiterführung und Überwindung jener Ordnung
gefunden hat.
In dem historischen Prozeß, den der Dichter im Auge hat, dürfte das auf-
keimende Zusammengehörigkeitsgefühl derer, die Mitglieder derselben
Stadtgemeinde waren, eine wesentliche Rolle gespielt haben. Eine Polis in
homerischer Zeit ist freilich noch nicht das, was die kommenden Jahr­
hunderte aus ihr werden ließen. Jedenfalls ist sie im griechischen Mutter­
land kaum mehr als „Siedlungsmittelpunkt einer Stammesgemeinschaft, die
vom Landbesitz lebt"34, sie ist „mehr Treffpunkt und Schutzburg als
geistiges Zentrum "3*. Und doch genügen diese Bestimmungen, in denen
das .Noch nicht1 vorherrscht, keineswegs. Wie die Schildbeschreibung des
18. Buches der Ilias zeigt, haben die Bewohner einer Polis gemeinsame
Sitten und ein alle bindendes Recht, mag dieses auch nicht kodifiziert
sein36. In Zeiten der Bedrohung raffen sich die „Bürger“ zu gemeinsamen
Beschlüssen und gemeinsamen kriegerischen Unternehmungen auf37. Man
darf vermuten, daß die Entwicklung von der Schutzburg zum Stadtstaat in
den bedrohten Gricchenstädten Kleinasiens rascher voranschritt als im
Mutterland, wenn anders man es überhaupt wagen konnte, vor den Toren

13 Sperrung des Verfassers, der dann aber durchaus richtig übersetzt: „Doch soll michs
nicht so sehr um die Troer schmerzen noch um Mutter und Vater und Brüder . . . als um
Dich, Einzige" (das letztgenannte Wort steht nicht bei Homer).
33 Vgl. noch den wichtigen Aufsatz „Der soziologische Aspekt der homerischen Epen", in:
Gymnasium 60, 1953, 9 7 - 1H.
34 So Strasburger, Gymn. 60, 1953, 99.
** Strasburger, Histor. Zeitschr. 177, 1954, 233; vgl, ebenda 234,
Vgl. C. G. Thomas, Homer and the Polis, La Paroli de! Passato 21, 1966, 11 (die
Gerichtsszene Σ 497-508 sei „a typical incident of public life").
11 Vgl, Σ 490- 540, ferner Hoffmann a. O . (ob. Arun. 24) 157,
18 Harttnut Erbse

der asiatischen Reiche bloße „Siedlungsmittelpunkte“ (Strasburger) zu er­


richten3®. Jedenfalls wird der Dichter des ausgehenden 8. Jahrhunderts
äolische und jonische Gemeinden gekannt haben, die unter dem Zwang der
Verhältnisse Ordnungen für das Zusammenleben ihrer Mitmenschen ge­
schaffen hatten. Doch mag das umstritten bleiben. Sicherlich aber mußte in
Notzeiten der militärische Widerstand gegen den andringenden Feind
organisiert werden, sei es von einem König, sei es von einer Gruppe adliger
Grundherren. Diese Volksführer und Feldherren, die auf die Anerkennung
durch die Gemeinde angewiesen waren, wenn sie Erfolge erringen wollten,
mochten der Größe ihrer Verantwortung sehr rasch innewerden, zumal sie
immer wieder erkennen mußten, daß ihr eigenes Interesse mit dem der
anderen verbunden war. Sie waren also gehalten, ihre ritterlichen Ehr­
begriffe mit dem Wohl und Wehe der Stadt in Einklang zu bringen, ja ihre
persönlichen Belange denen der Allgemeinheit unterzuordnen.

Unter solchen ritterlichen Herren, den Führern der städtischen Aufgebote,


müssen wir die Vorbilder des homerischen H ektor suchen. Dabei braucht
uns die Frage nach der sozialen Ordnung einer derartigen Gemeinde, nach
den Rechten des Königs, der Geronten oder gar nach denen des Demos in
diesem Zusammenhang nicht zu beschäftigen; denn das Bewußtsein der
Verantwortung, das wir bei den führenden Männern des militärischen
Widerstandes voraussetzen dürfen, galt in erster Linie dem Land, den
Göttern und dem Leben der ihrer Tapferkeit anvertrauten Bewohner,
gleichgültig wie die Verwaltung der Stadt organisiert war.

Hom er hat einen solchen Stadtschützer (£κτωρ)39 in den Mittelpunkt seiner


Erzählung von der Bedrohung Troias gestellt. Hektors höchste Tugenden
richten sich auf die Errettung dieser Polls, und durch seinen vom Schicksal
vorbestimmten Untergang wird das Ziel dieses Strebens noch verdeutlicht,
ja verklärt. Kein anderer homerischer Held widmet sich mit solcher Kraft
einer überpersönlichen Aufgabe. Die Absichten des Dichters, der eine
solche, das bisherige Maß des Heldentums überschreitende Gestalt
geschaffen hat, lassen sich wohl kaum verkennen. Er wollte nicht nur den
einseitigen Ehrenkodex des alternden Rittertums kritisieren40, sondern

" Vgl. Thann* a. O. (ah. Λ. 36) 5-14. Thomas weist zusätzlich auf die Frühzeit der
griechischen Kolonisation hin.
M Neben der bereits genannten Stelle 0 729-730 vgl. noch Q 214-216. 499-501. 705 - 706;
dazu Hoffmann a. O . (ob. A. 24) 158.
Vgl. hierzu Verf-, Antike u. Abendland 16, 1970, 100ff. Im Mittelpunkt der homerischen
Kritik steht das Verhalten Achills, dessen Persönlichkeit sich auch im Q nicht ändert; vgl.
hierzu P. Händel, Hektors Lösung, in: Festschrift K. Vretzka, Heidelberg 1970, 50f.
Hektor in der Ilias 19

auch ein in die Zukunft weisendes Vorbild, gewissermaßen ein ernsteres


Heldenideal errichten. Vielleicht hat er selbst erleben müssen, daß die
persönlichen Ehrbegriffe der Vergangenheit den Erfordernissen einer
härteren Gegenwart nicht mehr entsprachen*41.

41 Die hier vergangenen Gedanken sind nick neu. Bereits W. Jaeger (Paideia I, Bin. 1936,
41 und bcs. 75) hat sie angedeutet, und W. Hoffmann hat sie in dem mehrmals genannten
Aufsatz (vgl. ob. A. 24) näher ausgefuhrt. Leider hat Hoffmanns wichtige Arbeit inner­
halb der Homerforschung nicht den Einfluß gehabt» der ihr gebührt. Auf ihre Bedeutung
nachdrücklich hinzu weisen, war eines der Hauptanliegen dieser Blätter.
ERNST HEITSCH

Der delische Apollonhymnos und unsere Ilias


I

W er den Moment der endgültigen schriftlichen Fixierung umerer Ilias zu


bestimmen sucht, für den wäre es ein entscheidender Schritt, wenn für
mindestens eine, besser für mehrere Formulierungen der Ilias der Nachweis
gelänge, daß sie abhängig sind von Formulierungen eines anderen
erhaltenen Werkes der frühgriechischen Dichtung,
Nun scheinen allerdings einem Unternehmen, identische oder ähnliche
Formulierungen der frühgriechischen Epik auf ihre Abhängigkeit hin zu
untersuchen, unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenzustehen. Denn:
„Zwischen zwei vergleichbaren Formulierungen des friihgricchischen Epos
braucht kein Verhältnis direkter Abhängigkeit zu bestehen, sondern beide
Formulierungen können von einem nicht erhaltenen Vorbild abhängen.“
Und dieser Grundsatz, der im übrigen schon der alten Analyse bekannt
war, hat heute unter dem Einfluß der Theorie der oral poetry etwa folgende
Form gefunden: „Alle Junkturen, die im frühgriechischen Epos mehr als
einmal begegnen, sind Formeln und stammen aus dem vorhomerischen
Repertoire der oral poetry." N un ist zwar dieser Grundsatz, wiewohl all­
gemein akzeptiert, nicht mehr als eine Hypothese; denn ein Beweis, daß er
auf alle Fälle zutrifft, daß also alle mehrmals belegten Junkturen vor­
homerische Formeln sind, ist bisher nicht geführt worden und kann bei
Lage der Dinge auch nicht geführt werden. Zudem wäre die Behauptung, es
gäbe in der frühgriechischen Epik Überhaupt keine Fälle direkter Abhängig­
keit, a priori unwahrscheinlich; denn kaum einer wird die Möglichkeit, daß
auch zu jener Zeit, da unsere Epen entstanden, einem Rhapsoden hin und
wieder originale Formulierungen gelingen konnten, die dann von anderen
Rhapsoden aufgegriffen wurden und erst so - gleichsam vor unseren
Augen - zu Formeln werden, grundsätzlich leugnen wollen; und kaum
einer wird behaupten wollen, daß es das Verhältnis von Vorbild und Nach­
ahmung im früh griechischen Epos überhaupt nicht geben könne1. N u r ist1

1 Der kritische Punkt ist genau bezeichnet von M. D. Reeve, CI. Quart. 22, 1972, 1 -4 , der
als Beispiel für vorschnelle Verallgemeinerung J. B. Hainsworth (Greece & Rome, New
Der delische Apollonhymnos und unsere Ilias 21

eben im Einzelfall ein positiver Beweis für direkte Abhängigkeit außer­


ordentlich schwierig, da wir heute unter Berücksichtigung der Theorie der
oral poetry insgesamt kritischer geworden sind als unsere Vorgänger. Mit
anderen W orten: D er oben genannte G rundsau hat als Arbeitshypothese
inzwischen so viel Geltung gewonnen, daß heutzutage derjenige, der
zwischen mehreren identischen oder ähnlichen Formulierungen direkte
Beziehungen annehmen will, zu Recht die Last des Beweises zu tra­
gen hat.
Ansatzpunkt eines jeden Versuchs, direkte Beziehungen und damit Ab­
hängigkeiten festzustellen, ist gegebenenfalls die Beobachtung, daß eine
mehrmals belegte Junktur nicht überall gleich gut und passend verwendet
ist; vielmehr läßt sich gegebenenfalls beobachten, daß der eine oder andere
Beleg einen metrischen, semantischen, syntaktischen oder morphologischen
Anstoß bietet oder aber seinem unmittelbaren Kontext nicht angemessen
ist. In einem solchen Fall sprechen wir im folgenden von .sekundärer Ver­
wendung*. .Sekundäre* und ,primäre Verwendung* sind Termini, die einen
Befund beschreiben, aber keine Aussage über ein zeitliches Verhältnis
enthalten; .primär' und .sekundär* bedeuten also keineswegs .früher* und
,Später*. Der primäre Beleg einer Junktur bei Hesiod kann durchaus später
sein als der sekundäre Beleg in der Ilias.
,Primär* und .sekundär* bezeichnen immer nur einen phänomenalen
Befund. Die Frage ist, ob dieses phänomenale Verhältnis im Einzelfall auch
einmal Ausdruck eines zeitlichen Verhältnisses ist. Lassen sich Bedingungen
angeben, unter denen der phänomenale Befund temporal interpretiert
werden darf? Ich habe diese Frage seinerzeit in .Epische Kunstsprache und
homerische Chronologie**12 diskutiert, und das methodische Problem ist
dann noch einmal an einem ausgesuchten Beispiel vorgeführt worden3.
In seiner Untersuchung .Ilias und Apollonhymnos* hat nun Joachim
Schröder4 für den Nachweis, daß uns unter mehreren Belegen einer Junktur
gelegentlich wirklich das Original erhalten ist, einen neuen Weg einge­
schlagen ; auf ihm kann er m. E. überzeugend zeigen, daß von mehreren in
Frage kommenden Partien der Ilias jedenfalls eine unter dem Einfluß des

surveys in the Classics 3, Oxford 1969, 30) zitiert: „The h e t tkat formulae, or most of
them, are common property means that no occurrence of a line or phrase is in any sense a
quotation or a reminiscence of another occurrence"; Reeve bemerkt lakonisch: „for ,is‘
read ,need be*" (4, Anm. 3).
1 Heidelberg 1968.
i .Eine junge epische Formel*: Gymnasium 76, 1969, 34-42 (θεών μεθ? όμήγνριν Αλλων:
Υ 142, h. Apoll. 187, h. Dem. 484, h. Merc. 332).
4 Beiträge zur klassischen Philologie 59, Meisenheim 1975.
22 Erasi Heitsch

delischen Apollonhymnos steht, daß also unsere Ilias ihre endgültige


Gestalt erst später gefunden hat. Doch abgesehen von diesem Ergebnis
verdient besondere Beachtung gerade auch der Weg, auf dem dieses Ergeb­
nis gefunden worden ist. Da der Gegenstand schwierig und die Darstellungs­
weise des Verfassers streckenweise fast formelhaft ist, soll hier zunächst der
methodische Ansatz an einem fiktiven Beispiel entwickelt werden (II); mit
Hilfe des so gewonnenen Schemas seiner Argumentation wird, wie ich
hoffe, die Stringenz der Untersuchung, die hier nur kurz rekapituliert
werden soll (III), deutlich.

II

Gegeben seien die drei epischen Werke N O P . Über ihr zeitliches Ver­
hältnis sei nur bekannt, daß N früher ist als O und P. Zu bestimmen bleibt
das zeitliche Verhältnis von O und P; wir vermuten, daß P früher ist als O .
In den genannten Werken begegnen zahlreiche Junkturen, die entweder in
allen drei oder in nur zwei von ihnen, z. T. mehrmals, belegt sind. Prüft
man diese Belege, so erweisen sich die einen als primär, die anderen als
sekundär. Die möglichen und belegten Verteilungen von primärer und
sekundärer Verwendung einer Junktur innerhalb der genannten Werke
lassen sieb folgendermaßen darstellen.

a) Junktur in N O P belegt
a 1) N primär, O primär, P primär
2) N primär, O primär, P sekundär
3) N primär, O sekundär, P primär
4) N primär, O sekundär, P sekundär
5) nicht belegt: N sekundär, O primär, P primär
6) nicht belegt: N sekundär, O sekundär, P primär
7) nicht belegt: N sekundär, O primär, P sekundär
8) nicht belegt: N sekundär, O sekundär, P sekundär

Für die unter a 1—a 4 genannten Fälle nehmen w ir der Einfachheit halber
an — obwohl es im Einzelfall nicht oder kaum bewiesen werden kann,
d. h . : obwohl grundsätzlich für die eine oder andere der in N Ο P belegten
Junkturen mit der Möglichkeit gerechnet werden m uß, daß der Beleg in N
dort überhaupt erstmals formuliert und die Belege in O und P von diesem
.Original* abhängig, also ,Zitat* sind daß die Junktur aus x, d .h . aus
dem gemeinsamen Reservoir der oral poetry stammt. Wir betrachten also
alle Junkturen, die in jedem der drei Werke belegt sind, als Formeln.
Der delische Apollonhymnos und unsere Ilias 23

Der sprachliche Befund» wie er in a l - a 8 beschrieben ist» und das für


N Ο P bekannte oder vermutete zeitliche Verhältnis können demnach
gemeinsam folgendermaßen dargestellt werden5;

b) J m k tu r nur in N O belegt
b 1) N primär» O primär
2) N primär» O sekundär
3) nicht belegt: N sekundär, O primär
4) nicht belegt: N sekundär» O sekundär

ln Fällen nach b 1 und b 2 stammen die Junkturen möglicherweise durch­


weg, jedenfalls aber in ihrer Mehrzahl aus x. Immerhin kann in Fällen nach
b2 die direkte Beziehung N —►O vorliegen» was dem ohnehin bekannten
zeitlichen Verhältnis von N und O entsprechen würde. Die Tatsache, daß
Fälle nach b 2 belegt» Fälle nach b 3 aber nicht belegt sind, steht jedenfalls in
(zufälliger?) Übereinstimmung mit der bekannten zeitlichen Abfolge der
beiden Werke: N ist früher als O .
Der sprachliche Befund, wie er in b 1—b 4 beschrieben ist» und das für N O
bekannte zeitliche Verhältnis können demnach gemeinsam folgendermaßen
dargestellt werden: *

* Der durchgezogene Pfeil bedeute! eine als sicher» der gestrichelte eine als möglich an­
genommene Beziehung.
24 Ernst Heiuch

c) Junktur nur in N P belegt


c 1) N primär» P primär
2) N primär, P sekundär
3) nicht belegt; N sekundär, P primär
4) nicht belegt; N sekundär, P sekundär
In Fällen nach c 1 und c 2 stammen die Junkturen möglicherweise durch­
weg, jedenfalls aber in ihrer Mehrzahl aus x. Immerhin kann in Fällen
nach c 2 die direkte Beziehung N —*■P vorliegen, was dem ohnehin be­
kannten zeitlichen Verhältnis von N und P entsprechen würde. Die Tat­
sache, daß Fälle nach c 2 belegt, Fälle nach c 3 aber nicht belegt sind, steht
jedenfalls in (zufälliger?) Übereinstimmung mit der bekannten zeitlichen
Abfolge der beiden Werke; N ist früher als P.
Der sprachliche Befund, wie er in c 1—c 4 beschrieben ist, und das für N P
bekannte zeitliche Verhältnis können demnach gemeinsam folgender­
maßen dargestellt werden:
x
Der detische Apollonhymnos und unsere Ilias 25

d) Junktur nur in Ο P belegt


d 1) O primär, P primär
2) O sekundär, P primär
3) nicht belegt: O primär, P sekundär
4) nicht belegt: O sekundär, P sekundär

In Fällen nach d 1 und d 2 stammen die Junkturen möglicherweise durch­


weg, jedenfalls aber in ihrer Mehrzahl aus x. Immerhin kann in Fällen
nach d 2 die direkte Beziehung P —»O vorliegen. Die Tatsache, daß Fälle
nach d 2 belegt, Fälle nach d 3 aber nicht belegt sind, steht jedenfalls in
Übereinstimmung mit der vermuteten zeitlichen Abfolge der beiden
Werke: P soll früher sein als O .
Der sprachliche Befund, wie er in d 1- d 4 beschrieben ist, und das für
Ο P vermutete zeitliche Verhältnis können demnach gemeinsam folgender­
maßen dargestellt w erden:

Folgerungen

(1) Dem für N und O gesicherten Verhältnis (N ist früher als O) ent­
sprechen besonders Fälle nach a 4 und b 2; ebenso aber die Tatsache, daß
Fälle nach a 7 und b 3 nicht belegt sind.
(2) Dem für N und P gesicherten Verhältnis (N ist früher als P) ent­
sprechen besonders Fälle nach a4 und c 2 ; ebenso aber die Tatsache, daß
Fälle nach a 6 und c 3 nicht belegt sind.
26 Emst Heitsch

(3) Dem für O und P vermuteten Verhältnis (P soll möglicherweise früher


sein als O) entsprechen besonders Fälle nach d 2 ; ebenso aber die Tat­
sache» daß Fälle nach a 7 und d 3 nicht belegt sind.
Die Frage ist, ob sich die Richtigkeit der unter (3) erörterten Vermutung
beweisen läßt. Gibt es Gründe, die dafür sprechen, daß der unter a 7, d 2
und d 3 notierte Befund seinen Grund tatsächlich in der (bislang ja nur
vermuteten) Tatsache hat, daß P früher ist als O ? Mit anderen W orten:
läßt sich der gestrichelte Pfeil zwischen P und O in einen durchgezogenen
überführen ? — In der Tat sprechen für eine solche Deutung des Befundes
die folgenden beiden Argumente.
Zunächst: Wenn, wie unter (1) gezeigt, der für N und O geschilderte
sprachliche Befund dem für diese beiden Werke gesicherten zeitlichen
Verhältnis entspricht, und wenn ferner, wie unter (2) gezeigt, auch der für
N und P geschilderte sprachliche Befund dem für diese beiden Werke
gesicherten zeitlichen Verhältnis entspricht, so ist die analoge Annahme
nahegelegt, daß auch der für O und P unter (3) geschilderte sprachliche
Befund einem zeitlichen Verhältnis entspricht. Was bedeuten würde, daß
P tatsächlich früher ist als O .
Viel wichtiger aber ist folgendes. Es gibt, wie gezeigt, Junkturen, die P
mit N und O (unter a) oder nur mit N (unter c) gemeinsam hat. Diese
Junkturen stammen entweder möglicherweise durchweg» jedenfalls aber in
ihrer Mehrzahl aus x, oder sie sind von P - möglicherweise direkt - aus
der in N erhaltenen Vorlage übernommen; auf jeden Fall sind diese
Junkturen für P vorgegeben, spielen für P also die Rolle von Formeln.
Die Summe dieser Junkturen beträgt insgesamt 100. Von diesen 100 Junk­
turen verwendet P insgesamt 25, also jede vierte Junktur sekundär. Wollte
man nun annehmen, daß auch jene 20 Junkturen, die nur in O und P
belegt sind (unter d), sämtlich aus x stammen» wollte man also annehmen,
daß auch diese Junkturen für P Formeln sind, so wäre zu erwarten, daß P
auch von ihnen etwa jede vierte, also insgesamt etwa 5, sekundär ver­
wendet. Das ist jedoch nicht der Fall. Statt dessen zeigt sich, daß P alle 20
Junkturen, die ihm nur mit O gemeinsam sind, durchweg primär verwen­
det : es gibt nur Fälle nach d 1 und d 2, nicht aber nach d 3 oder d 4. Dieser
Tatbestand läßt sich in folgender Ungleichung darstcllen:
1 0 0 :2 5 « 20:0.
Unter der Voraussetzung nun, daß auch die 20 Junkturen sämtlich aus
x stammen, bleibt der geschilderte Tatbestand ein Kuriosum; würde uns
doch die Annahme zugemutet, daß der Dichter von P mit den zwei Teil­
mengen, in die die Gesamtmenge aller ihm vorgegebenen Junkturen auf-
geteilt werden kann, völlig unterschiedlich umgeht: die Elemente der
Der deJisehe ApolJonhymnos und unsere Ilias 27

einen Teilmenge - nämlich jene, die ihm mit N und O oder nur mit N
gemeinsam sind — verwendet er teils primär, teils sekundär; die Elemente
der anderen Teilmenge — nämlich jene, die ihm nur mit O gemeinsam
sind — verwendet er durchweg nur primär. Unter der Annahme, daß auch
die zuletzt genannten Junkturen sämtlich aus x stammen, ist der uner­
wartete Befund also nicht verständlich zu machen.
Wohl aber wird der Befund verständlich, wenn wir annehmen, daß die 20
nur in O und P belegten Junkturen keineswegs alle aus x stammen,
sondern einige in P neu formuliert und dann von O übernommen worden
sind. In diesem Fall ist der Beleg der betreffenden Junktur in P das
Original, und die Tatsache, daß originale Formulierungen — Formu­
lierungen also, die von P für seinen Zusammenhang erstmals formuliert
worden sind - in P primär, nicht aber sekundär verwendet sind, ist ver­
ständlich.
Mit Hilfe dieser Argumentation können wir zwar nicht beurteilen, welche
der 20 Junkturen in P nicht Formeln, sondern originale Formulierungen
sind. Doch ist das für die Bestimmung des zeitlichen Verhältnisses von O
und P auch gar nicht notwendig. Denn wir können jedenfalls schließen:
Wenn unter der Annahme, daß jene 20 Junkturen, die nur in O und P be­
legt sind, sämtlich aus x stammen, etwa 5 von ihnen in P sekundär ver­
wendet sein müßten, wenn aber genau das nicht der Fall ist, so trifft eben
die Annahme, daß diese Junkturen sämtlich aus x stammen, nicht zu; viel­
mehr sind einige6 von ihnen in P nicht Formeln, sondern original. Das
bedeutet: O ist später als P und an einigen Stellen direkt von P abhängig.

III

Um das skizzierte Argumentationsschema auf den konkreten Fall


anwenden zu können, führen wir folgende Bezeichnungen ein:
N : ältere Iliasschicht
O : jüngere Iliasschicht7
P: Delischer Apollonhymnos (die Verse 1-178)8

* Die statistische Berechnung gibt freundlicherweise mein Regensburger Kollege £ . Schaich


(letzt Tübingen) unten S. 34 ff.
7 Gegen die grundsätzliche Annahme einer jüngeren und alteren Schicht kann ernsthaft auch
von unitarischer Seite nichts eingewendet werden, seitdem gerade auch ein Mann wie
K. Reinhardt in unser«' Ilias die Spuren davon gezeigt hat, daß eine ältere Fassung
bearbeitet und erweitert worden ist — wenn auch nach Reinhardts Meinung von Homer
selbst.
' Dafür, daß als ursprünglicher Umfang des delischen Apollonhymnos nur dieser Verse
—ohne 96 und 136—138 — berücksichtigt werden, s. Schröder 10—12.
28 Emst Heitsch

Von N - also von weiten Teilen unserer Ilias - wird entsprechend der
opinio communis angenommen, es sei vor Hesiod, im 8. Jhdt. entstanden.
P gilt entsprechend der opinio communis als verfaßt im 7. Jh d t.910*
Beweisziel ist die These, O - und damit eben auch die endgültige Fixierung
unserer Ilias - sei später als P. Dieses Beweisziel kann als erreicht gelten,
wenn mit Hilfe der in II entwickelten Argumentation der Nachweis gelingt,
daß P die Menge jener Junkturen, die ihm nur mit O gemeinsam sind, in
charakteristischer Weise anders verwendet als jene Junkturen, die in N Ο P
oder N P belegt sind; mit anderen W orten: wenn der Nachweis gelingt, daß
mindestens eine der nur in O P belegten Junkturen in P nicht Formel,
sondern original formuliert und dann von O übernommen ist.
Für einen solchen Nachweis ist zunächst unsere Ilias in N und O zu
scheiden. Zu diesem Zweck werden alle Junkturen erfaßt, die sowohl in der
Ilias als auch im h. Ap. belegt sind; ihre Gesamtzahl beträgt 954Φ. Von
ihnen werden 12, die auch in Hesiods Theogonie verwendet sind, in den
weiteren Untersuchungen nicht berücksichtigt, da sie jedenfalls älter als
h. Ap., dort also nicht original formuliert, sondern Formel oder Zitat sind.
Die verbleibenden 83 Junkturen*1 werden auf ihre primäre und sekundäre
Verwendung hin untersucht13. Dabei ergibt sich: 60 Junkturen sind in
beiden Werken ohne Anstoß, also primär verwendet; 19 Junkturen sind in
der Ilias primär, im h. Ap. aber sekundär, 4 im h. Ap. primär, in der Ilias
aber sekundär verwendet13.
O rdnet man nun diese drei verschiedenen Fallgruppen in das oben ent­
wickelte Schema ein, so gilt:

9 Für die Datierung nach Hesiods Theogonie $. Schröder 13 f.


10 Schröder 28-30.
11 Für die folgenden Überlegungen nehmen wir der Einfachheit halber an, daß die einzelne
junktur in beiden Werken immer nur jeweils einmal begegnet; eine Annah rtie, die für die
entscheidenden Falle tatsächlich zutrifft. Im übrigen werden dann, wenn eine Wendung in
einem der beiden Werke mehrfach belegt und der eine oder andere dieser Belege sekundär
ist, hier selbstverständlich nur die primären Belege berücksichtigt, da nur bei ihnen die
Möglichkeit besteht, daß sie das Original sind. Dabei wird die theoretisch bestehende
Möglichkeit, daß dann, wenn eine Wendung in der Ilias mehrfach belegt und der eine
oder andere dieser Belege sekundär ist, gerade einer dieser sekundären Belege der älteste
Beleg in der Ilias ist, in der Tat durch den kompositioncllen Befund ausgeschlossen. Um
den Sachverhalt exakt zu erfassen, sagt Schröder, er wolle immer nur die jeweils älteste
Belegstelle berücksichtigen und spricht demzufolge von ,ältesten Iliasbelegsteilen' (ä. I.),
,primären ältesten Iliasbelegstellen' (p. ä. 1.), «sekundären ältesten Iliasbelegstellen*
(s. ä. I.).
« Schröder 15-27.
« Schröder 27.
Der delische ApoIIonhymncw und unsere lü « 29

Für den einzelnen Fall aus der Gruppe der


60 Junkturen: entweder a 1 oder c 1 oder d 1,
19 Junkturen: entweder a2 oder c 2 oder d 3 ,
4 Junkturen: entweder a 6 oder c 3 oder d 2.
Damit sind zunächst lediglich Möglichkeiten genannt» die vom Schema
angeboren werden. Entscheidend ist, ob sich für die 19 Junkturen d 3,
für die 4 Junkturen aber a 6 und c 3 ausschließen lassen.
Tatsächlich ist a 6 dadurch ausgeschlossen, daß jede der 4 Junkturen in der
Ilias nur einmal belegt ist. Der Ausschluß aber von d 3 (und damit der
Nachweis, daß für die 19 Junkturen entweder a2 oder c 2 gilt) und der
Ausschluß von c 3 (und damit der Nachweis, daß für die 4 Junkturen nur
d 2 gilt) beruhen - um es zunächst in etwas vereinfachter Form zu
sagen — auf dem Nachweis, daß innerhalb der Ilias die 19 Junkturen in
Zusammenhängen stehen, die die 4 Junkturen und ihren Kontext nicht
voraussetzen, daß aber umgekehrt die vier Junkturen in Zusammenhängen
stehen, die die 19 Junkturen und ihren Kontext durchaus voraussetzen.
Genauer formuliert Schröder die Beziehungen, die angenommen werden
müssen» wenn wir innerhalb der Ilias berechtigterweise mit N und O
rechnen und die Gruppe der 19 Junkturen N , die der 4 Junkturen O
zu weisen wollen, etwa so :14
I. Möglicherweise gibt es p. ä. I., die zu den s. ä. I. in folgender Bezie­
hung stehen:
a) Bei mindestens einer der s. ä. I. rechtfertigt der kompositioneile
Befund die Aussage, daß die p. ä. I. im Rahmen einer Konzeption,
die älter ist als der Plan, zu dem die s. ä. I. gehört, erstmals in ihren
heutigen Kontext gestellt worden sind ( - A); und
b) bei den übrigen s. ä. I, spricht der kompositioneile Befund jeden­
falls nicht gegen A.
1L Ferner gibt es möglicherweise p. ä. L, deren kompositioneUes Ver­
hältnis zu den s. ä. 1. so zu beschreiben ist:
a) alle s. ä. I. stehen zu diesen p. ä. I. in der Beziehung Ib , und
b) bei mindestens einer s. ä. 1. gestattet der kompositioneile Befund
die Aussage, daß die Konzeption, zu der sie gehört, nicht älter ist
als der Plan, zu dem die p. ä. I. gehören (= B).
Eine genauere Erörterung dieser theoretischen Möglichkeiten liefert
Schröder in der .Einleitung' (S. 1ff.)* deren Lektüre allerdings nicht ohne
Schwierigkeiten ist. Die konkrete Untersuchung der Beziehungen, in

14 a. O. 3f. und 4. Für die verwendeten Abkürzungen t, Arun. 11.


30 Emst Heitsch

denen innerhalb der Ilias die Gruppe der 4 Junkturen, also d e r ,sekundären
ältesten Iliasbelegstellen', zur Gruppe der 19 Junkturen, also d e r ,primären
ältesten lliasbelegstellen', steht, gibt dann das Kapitel V : Die kompositio-
nellen Beziehungen der sekundären zu den primären ältesten Iliasbeleg­
stellen15. Dabei zeigt sich, daß die in der Einleitung beschriebenen Be­
ziehungen tatsächlich bestehen.
Ist auf diese Weise die Berechtigung, innerhalb der Ilias eine ältere (N)
und eine jüngere (O) Schicht anzunehmen, und damit also die Existenz
von N und O gesichert, so stehen wir vor folgendem Befund: 79 Junk­
turen sind entweder in N O P oder nur in N P belegt: von ihnen ver­
wendet P 19 sekundär; 4 Junkturen sind nur in O P belegt: von ihnen
verwendet P keine sekundär. Dieser Befund laßt sich in folgender U n­
gleichung darstellen:
79:19 = 4 :0 .
Beziehen wir uns jetzt auf die oben16 entwickelten Überlegungen, so führt
die Annahme, sämtliche Junkturen, die sowohl in der Ilias als auch im
h. Ap. belegt sind, stammten aus dem Reservoir der oral poetry (= x), zu
der Folgerung, daß der Dichter von P mit den Elementen der zwei Teil­
mengen, in die die Gesamtmenge aller ihm (angeblich) vorgegebenen
Junkturen aufgeteilt werden kann, unterschiedlich umgeht: von den 79
Elementen der einen Teilmenge verwendet er 19, also durchschnittlich
jede vierte, sekundär; von den 4 Elementen der anderen Teilmenge ver­
wendet er keines sekundär. So spricht denn eine gewisse Wahrscheinlich­
keit dafür, daß jedenfalls nicht alle vier Junkturen dieser Teilmenge dem
Dichter von P vorgegeben, für ihn also Formeln waren, sondern daß er
mindestens eine von ihnen selbst formuliert hat: mindestens an diesem
einen Punkt wäre dann O , wo im übrigen alle vier in Frage kommenden
Junkturen sekundär verwendet sind, direkt von P abhängig.
Nun läßt sich dieses Resultat, wie Schröder sagt17, wegen der relativ
kleinen Zahl von vier Junkturen, die nach dieser Berechnung als einzige nur
in O und P belegt sind, allein mit statistischen Argumenten nicht über alle
Zweifel erheben1®. Doch lassen sich durchaus im Rahmen der hier ent­
wickelten Argumentation weitere Argumente zugunsten dieses Resultats
anführen.
1, Nach der sutis tischen Wahrscheinlichkeit soll jedenfalls eine der vier
Junkturen, die O und P gemeinsam sind, in P erstmals formuliert und dann *14

» a. O. 31-45.
14 oben S. 26 f.
” a. O . 47.
,e s. unten S. 34-37.
Der delische Apollonhymnos und unsere Ilias 31

von O übernommen worden sein. Auf welche der vier Junkturen das zu­
trifft, ist mit den hier benutzten Argumenten nicht zu entscheiden. Doch
bezeichnenderweise erfüllen die Belege aller vier Junkturen in O die für
eine mögliche Abhängigkeit von P notwendige Voraussetzung, in O nicht
original formuliert worden zu sein, insofern optimal, als sie ίη O sekundär
verwendet sind.
2. Schröder hat für P nur die Verse 1—178 des delischen Apollonhymnos
in Anspruch genommen. Hätte er die Verse 179—206, die offensichtlich
bei einem Vortrag des Hymnos außerhalb von Delos als ,Variante* an die
Stelle der Verse 140ff. treten sollten” , berücksichtigt, so hätte er
jedenfalls eine weitere Junktur nennen können, die jeweils einmal im
h. Ap. (187) und in der Ilias ( Y 142) — und später dann noch h. Dem. 484
und h. Merc. 332 — belegt und in der Ilias sekundär, im h. Ap. aber
primär verwendet ist20. Da nun für diese jun k tu r bzw. für die kompo­
sitioneile Stellung ihres unmittelbaren Kontextes innerhalb der Ilias ohne
weiteres derselbe Beweis hätte geführt werden können, den Schröder für
die vier ,sekundären ältesten Iliasbelegstellen* der nur in O P belegten
Junkturen geführt hat, gehört auch Y 142 mit Sicherheit zu O . Was be­
deutet; Für die statistische Berechnung haben wir in Wahrheit nicht mit 4 ,
sondern mit 5 Junkturen zu rechnen, die allein in Ο P belegt und jeweils
in P primär, in O aber sekundär verwendet, also unter d 2 einzuordnen
sind.
3. Nach den von Schröder gemachten Voraussetzungen gehören aus der
der Berechnung zugrundegelegten Menge von 83 Junkturen zu O lediglich
jene vier, die in der Ilias sekundär verwendet sind. In der Tat war eine
solche rigorose Beschränkung zunächst notwendig21, da mit Hilfe dieser
vier Junkturen, also der vier »sekundären ältesten Iliasbelegstellen*, die
Notwendigkeit, in unserer Ilias zwischen N und O zu scheiden, erst
einmal erwiesen werden mußte. Ist aber jetzt die Existenz von O gesichert,
so ist nicht einzusehen, weshalb es unter jenen Junkturen» die allein in O
und P benutzt sind, nur Fälle nach d 2 geben soll. Vielmehr ist mehr als
wahrscheinlich, daß die eine oder andere jener 60 Junkturen, die in der
Ilias und im h. Ap. primär verwendet sind und die wir aus Gründen
methodischer Strenge zunächst einmal sämtlich N zuweisen mußten, in*1

19 Auch wer gegen diese von L. Devbner begründete und z. B. auch von A, Lesky (Gesch.
d. gr. Lit. *109) übernommene These Bedenken haben sollte, muß zugeben, daß die Verse
jedenfalls nicht älter sind aU die Verse 1-178; und das genügt für den Beweisgang.
30 s. oben Anm. 3.
11 Davon, daß als Fälle nach d 2 eigentlich fünf in Ο P belegte Junkturen zur Verfügung
stehen, wird hier abgesehen.
32 Ernst Heitsch

Wahrheit zu O gehört22. Konkret gesprochen: Die eine oder andere dieser


60 Junkturen wird nicht unter a 1 oder c 1, sondern unter d 1 einzuordnen
sein. Eine nur geringfügige Verschiebung aber um 1, 2, 3 oder 4 Ele­
mente — und eine Verschiebung in dieser Größenordnung ist von der
Sache her ohne weiteres gerechtfertigt, zumal wir ohnehin ja eigentlich mit
fünf Junkturen rechnen dürfen — ändert sehr schnell den statistischen
Befund, der sich dementsprechend in den folgenden Ungleichungen
präsentiert:
79:19 = 4 :0
78:19 = 5 :0
77:19 = 6 :0
76:19 = 7 :0
75:19 = 8 :0 »
4. D er Beweis dafür, daß jedenfalls eine Junktur in P nicht Formel,
sondern erstmals formuliert worden ist, ist unabhängig von aller Analyse
und unabhängig von allen Abhängigkeitsuntersuchungen geführt worden.
Einziges Argument ist die Beobachtung, daß P mit den Elementen der
einen (kleineren) der beiden Teilmengen, in die die Gesamtmenge der in
Ilias und P gemeinsamen Junkturen aufgeteilt werden kann, anders
umgeht als mit den Elementen der anderen Teilmenge. Daß nun die be­
treffende Teilmenge sehr viel kleiner ist als die andere Teilmenge und daß
die Belege der diese Teilmenge bildenden Junkturen - (von denen jeden­
falls eine im Apollonhymnos original, in der Ilias aber von dort über­
nommen sein soll) — innerhalb der Ilias nicht in N , sondern immer nur in
O stehen, stimmt in erfreulicher Weise mit der opinio communis überein,
welche besagt, daß der größere Teil unserer Ilias älter ist als Hesiod und
aus dem 8. Jhdt. stammt.
5. Falls es Junkturen gibt, die erstmals vom Dichter des Apollonhymnos,
also im Rahmen der frühgriechischen Epik relativ spät formuliert worden
sind, so hatten sie nur noch wenig Zeit und Gelegenheit, von einem
anderen frühgriechischen Epiker übernommen zu werden. Weitere Belege1

11 In Frage käme hier von den 60 Junkturen aus einsichtigen Gründen in erster Linie die
eine oder andere jener 30 Junkturen, die - wie die vier s. ä. I. - in der Ilias nur einmal
belegt sind: s* dafür die Angaben bet Schröder 28-30. Der scheinbar naheliegende Ver­
such, durch eine Gesamtanalyse unserer Ilias den Umfang von O und so auch die Gesamt­
zahl der nur in O P belegten Junkturen genauer zu bestimmen, verbietet sich deshalb, weil
ein solcher Versuch sogleich mit allen Hypotheken der Homerforschung belastet wäre;
Hypotheken, denen die statistische Argumentation entgeht.
u Die statistische Berechnung unten S. 34. Dabei ist besonders eindrucksvoll, wie schnell
eine Veränderung der empirischen Daten um jeweils ein Element die statistische Wahr­
scheinlichkeit von 65% über 74%, 80%, 85% bis 89% erhöht.
Der deKsche Apollonhymnos und unsere Ilias 33

sind daher, wenn sie überhaupt vorhanden sind, jedenfalls sehr selten und
zu erwarten allein in den anderen homerischen Hymnen, die offenbar
jünger sind als der Apollonhymnos, und in den späten Partien von Ilias
und Odyssee. Es ist auch kaum damit zu rechnen, daß die Ilias, die in
weiten Teilen älter ist als die übrige frühgriechische Epik, mehr als einen
Beleg der fraglichen Wendung enthält. Und dieser Beleg steht, so ist zu
erwarten, innerhalb der Ilias in einem Kontext, der von der kompo-
sitionellen Analyse als relativ spät oder sekundär betrachtet wird. Sprach­
lich kann der betreffende Iliasbeleg sekundär sein, doch muß er es nicht
sein (nur ist er in diesem Fall von uns nicht als abhängig vom Apollon­
hymnos zu erkennen!). Im ganzen wird es sich nur um wenige Fälle dieser
Art handeln können.
Was die Ilias angeht, so kommen demnach in erster Linie solche Junk-
turen in Betracht, die in der Ilias und im Apollonhymnos jeweils nur
einmal und sonst allenfalls in der Odyssee und in den Hymnen belegt
sind.
Nun gibt es 34 Formulierungen, die nur je einmal in der Ilias und im
h. Ap., sonst aber überhaupt nicht belegt sind24. Von ihnen sind 23 in
beiden Werken jeweils ohne Anstoß verwendet. In 7 Fällen ist der Beleg
in der Ilias primär, im h. Ap. sekundär; in 4 Fällen ist der Beleg im h. Ap.
primär, in der Ilias sekundär. Eine weitere Junktur ist im h. Ap. primär, in
der Ilias sekundär und außerdem noch im Demeter- und im Hermes-
hymnos verwendet. Die zuletzt genannten 5 Junkturen stehen innerhalb
der Ilias in Zusammenhängen, die von der kompositionellen Analyse als
relativ spät betrachtet werden (s. auch Punkt 6). Der Befund ist demnach
insgesamt genau so, wie es für den Fall, daß es überhaupt eine erkennbare
Abhängigkeit der Ilias vom Apollonhymnos gibt, die allgemeinen Er­
wägungen erwarten lassen.
6. Schließlich sei kurz vermerkt, wie die betreffenden fünf Iliasstellen —
E 778, N 521-524, N 685, Ξ 270, Y 142 - bzw. ihr unmittelbarer Kontext
bisher beurteilt worden sind. Für Bethe15 stehen E778, N685 und Y 142
in Partien, die v o m ,Verfasser unserer Ilias* (6. Jhdt.) stammen; N 521-525
sind von ihm „zur Verklammerung eingesetzt**; Ξ270 steht in einem
Einzelgedicht, das der Verfasser unserer Ilias übernommen hat. Für
Wilamowitz2* ist N 521-525 ,Rhapsodenzusatz, Interpolation*, N685
steht in einer .mutterländischen Erweiterung* und Y 142 in einer ,späten

14 S. die Angaben bei Schröder 28-30.


« Homer 1, Leipzig 1914. 274-276; 2 » ; 303; 284. 293; 288. 297.
** Oie Ilias und Horner, Berlin 1916; 226. 513.
34 Ernst Heitsch

Überarbeitung des Epos*. Nach Von der Mühll17 stehen alle fünf Stellen in
Zusammenhängen, die dem Dichter B (um 600) gehören.

IV

Das Ergebnis: Unter den fünf Formulierungen, die der delische Apollon-
hymnos (16, 97—99, 114, 147, 187) primär, die Ilias aber sekundär ver­
wendet, ist jedenfalls eine, die nicht aus x, dem Formelreservoir der oral
poetry stammt, sondern vom Dichter des Hymnos erstmals formuliert
worden ist. Entsprechend ist von den fünf Parallelstellen in der Ilias, die
im übrigen alle die für eine mögliche Abhängigkeit vom Apolionhymnos
notwendige Bedingung, in der Ilias nicht erstmals formuliert worden zu
sein, erfüllen, jedenfalls eine abhängig vom Apolionhymnos.
Ein gewisses Gewicht gewinnt dieses Ergebnis dadurch, daß keine dieser
Stellen sich als Bestandteil einer Interpolation aus unserem Iliastext einfach
streichen läßt, sondern daß mit ihrer Einarbeitung immer auch eine mehr
oder weniger weitgehende Umformung des vorgegebenen Zusammen­
hanges verbunden war18.

Statistischer Anhang
von Eberhard Schlich

Die Hypothese H ,: „P ist früher als O “ wird in eine Hypothese im Sinne


der Statistik übergeführt, welche besagt: „D er Anteil der in P sekundär
verwendeten aus den nur in O und P vorkommenden Junkturen ist signi­
fikant verschieden vom entsprechenden Anteil aus den in N , O und P
oder nur in N und P vorkommenden Junkturen“ . Es wird also, anschau­
licher formuliert, statistisch überprüft, ob der Unterschied der beiden An­
teile wesentlich ist oder zufällig zustandegekommen sein kann. Dabei geht
man zur Komplementärhypothese H 0: „Die beiden Anteile unterscheiden
sich nicht wesentlich“ , die hier, wie üblich, mit Nullhypothese bezeichnet
wird, über. Gelingt es, diese Hypothese H 0 durch ein statistisches Prüf­
verfahren zur Ablehnung zu bringen, so ist damit die Ausgangshypothese
H | statistisch gesichert.
Übernimmt man zunächst zur Veranschaulichung der Vorgehensweise die
oben in II (S. 22) genannten Werte (absolute Häufigkeiten), so ergibt sich
Tabelle 1.

17 Kritisches Hypomnema zur Ilias, Basel 19S2, 98; 103; 217; 222f.; 298.
“ So Schröder 48.
Der ddisehe Apollonhymnos und unsere Ilias 35

Junkturen in P primär in P sekundär Summe

in N, O und P 75 25
100
oder nur N und P (79,2) (20,8)

20 0
nur in O und P 20
(15.8)

Summe 95 25 120

Tabelle 1

Bei den Häufigkeiten von Tabelle 1 sind die Voraussetzungen erfüllt,


diese Überprüfung mit Hilfe des y?-Prüfverfahrens vorzunehmen. Man
bezeichnet mit fjj(i, j = 1,2) die als beobachtet unterstellten Häufigkeiten
in Tabelle i und mit ff; die zugehörigen unter H 0 zu erwartenden Häufig­
keiten, die sich als Produkt der zugehörigen Randhäufigkeiten, dividiert
durch die Gesamtzahl der Fälle, ergeben, und die in Klammern angegeben
sind. Man vergleicht den Wert

T 0 1 '¥
X2
y tl
(75 - 79,2)* (25 - 20,8 f (20 — 15, 8)2 (0 —4,2)3
=«6,39
79,2 + 20,8 15,8 4,2

der Prüfvariablen dieses Testes, welche unter H 0 asymptotisch xf-verteilt


ist, mit dem 0,98-Quantil 5,412 der χί-Verteilung und kann wegen
χ2 « 6 ,3 9 > 5,412 folgern: Wäre der empirische Befund von Tabelle 1
gegeben, könnte die Nullhypothese H 0 als widerlegt bei einem Irrtums­
risiko von weniger als 2% gelten. Die Ausgangshypothese H | wäre damit
statistisch bestätigt.
Die tatsächlichen empirischen Befunde sind nicht so eindeutig wie im
Veranschaulichungsbeispiel. Außerdem liegt, wie oben unter III (S. 28 f,
und 31f.) ausgeführt, eine gewisse Unsicherheit bezüglich der tatsächlich
gegebenen empirischen Häufigkeiten vor. Daraus ergeben sich einige
statistisch-methodische Konsequenzen: Zunächst muß der sehr übersicht­
liche %2-Test durch den Exact ProbahÜity Test von R. A . Fisher ersetzt
werden, der dasselbe leistet wie der χ -Test, aber nicht, wie dieser,
„große“ erwartete Häufigkeiten voraussetzt. Dieser Test wird außerdem
auf sämtliche in III (S. 32) alternativ genannten empirischen Befunde a
bis e von Tabelle 2 angewendet. Schließlich müssen die Resultate einer
speziellen Argumentation zugeführt werden. Letzteres rührt daher, daß
36 Emsi Heiuch

hier, anders als bei den meisten statistischen Fragestellungen, eine Ver­
größerung der empirischen Basis (eine Erhöhung des Stichprobenumfanges,
wie man sonst sagen würde) nicht möglich ist.

in P in P in P inP inP inP in P in P in P inP


Junkturen Su, Su, Su. Su. Su.
pr. sek. pr. sek. pr. sek. pr. sek. P*· sek.

in N, O u. P
oder nur 60 19 79 59 19 78 58 19 77 57 19 76 56 19 75
in N u. P
nur in O
4 0 4 5 0 5 6 0 6 7 0 7 8 0 8
und P

a b c d e

Tabelle 2

In Anwendung des Fisher’schen Testes errechnet man mit Hilfe der hyper-
geometrischen Verteilung geeigneter Parameterlage die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß sich bei Gültigkeit von H , (und gegebenen Randhäuftgkeiten)
der vorliegende empirische Befund ergibt. Je niedriger diese Wahrschein­
lichkeit ist, um so mehr spricht der empirische Befund für die Ausgangs­
hypothese. Für die empirischen Verhältnisse a gemäß Tabelle! errechnet
man beispielsweise

h(0)
(«>0 0. 35;

alle diese Wahrscheinlichkeitswerte enthält Tabelle 3.

Empirische Befunde gemäß Tabelle 2

a b C d e

Wahrscheinlichkeiten unter H«, 0,35 0,26 0,20 0,15 0,11

Tabelle 3

Bei statistischen Prüfverfahren wird üblicherweise eine geringe Irrtums­


wahrscheinlichkeit (ein Signifikanzniveau) von 1%, 5% oder 10%, je nach
Der «Mische Apollonhymnos und unsere Ilias 37

Sachzusammenhang, konzediert. Auch für den Fall e, das deutlichste


empirische Verhältnis, wird eine so niedrige Wahrscheinlichkeit nicht
erreicht. Legt man also übliche statistische Maßstäbe an, läßt sich die Aus­
gangshypothese statistisch nicht bestätigen. Da jedoch die empirische Basis
der Untersuchung nicht erweitert werden kann, bleibt nur der Ausweg, die
Resultate von Tabelle 3 unter Verzicht auf einen üblichen Level der Irr­
tumswahrscheinlichkeit zu interpretieren, je nach zugrundegelegtem
empirischem Befund a, . . e sprechen nur 35%, . . 11% Wahrschein­
lichkeit für die Nullhypothese; damit 65%, . . ., 89% Wahrscheinlichkeit
für die Ausgangshypothese H |. Dies ist ein statistischer Beleg für deren
Gültigkeit.
VOLKMAR SCHMIDT

τεκνοϋσ(σ)α bei Sophokles und Theophrast


u n d V e rw a n d te s

I
ώ δυστάλαινα, χίς π β ϊ εϊ νεανίδων;
άνανδρος ή τεκνοΰσσα; πρός μέν γάρ φύσιν
πάντων άπειρος τώνδε, γενναία δε τις,
so begrüßt Deianeira in den sophokleischen Trachinierinnen (v. 307—9)
die ihr noch unbekannte Iole, die Lichas als eine der Kriegsgefangenen des
Herakles aus Oichalia herbeiführt. Die Worte sind so überliefert mit Aus­
nahme von τεκνοΰσσα, das Brunck1 konjiziert hat, ausgehend von der
Marginalvariante γρ. τεκνούσα im Parisinus 2712 (= A)12, die auch im
Lemma der Scholien des Laurenti an us 32,9 (= L) erscheint: άνανδρος ή
τεκνούσα; τέκνα έχουσα δπερ Καλλίμαχός φησι παιδοϋσα2*, Im Text
hat derselbe Laurentianus τεκνοϋσα durch Korrektur, ursprünglich
jedoch ebenso wie der Parisinus τεκονσα. Bruncks Emendation, gedacht als
Kontraktionsform von *τεκνόεσσα (zu *τεκνόεις) und bis in neueste 2!eit
so gut wie allgemein anerkannt, hat jetzt Kamerbeek zuerst in einer Mis­
zelle3, dann in seinem Kommentar4 mit mehrfacher Begründung abgelehnt
und darin von verschiedener Seite Beifall gefunden5. N ur O . Longo6 kehrt
zu Bruncks Lesung zurück, geht jedoch nur teilweise auf Kamerbeeks
Argumente ein. Unter diesen Umständen scheint eine Nachprüfung ange­
bracht, umso mehr als wesentliche Punkte in Vergessenheit geraten oder
ganz übersehen worden sind.

1 In seinen beiden 1786 in Strafiburg erschienenen Ausgaben: Sophoclis quae exstant


omnia . . . 1 2, 234 (cd. mai.) —Sophoclis tragoediae septem . . . II 435f. (cd. min).
I Diese bei den neueren Herausgebern (Jebb, Pearson, Dain) für A nicht mehr vermerkte
Variante wird von Blaydes, der die Handschrift nachkollationiert hat, bestätigt (The
Trachiniae of Sophocles, London 1871, 75).
II Scholia in Sophoclis tragoedias vetera, ed. P. N . Papageorgius, Lpz. 1888, 298.
3 Mnemosyne 1957, 117.
4 The Plays of Sophocles. Commentari«. Part II; The Trachiniae. Leiden 1959, 87f-
* T. B. L. Webster, JHSt 80, I960, 206. E. Des Places, Ant. d a s s. 29, I960, 450. P,
Chantraine, RPh 35, 1961, 138. H. F.Johansen, Lustrum 7, 1962, 263.
6 Commento Unguistico alle Trachinie di Sofocle, Padua 1968, 131.
τ*κνοΰσ(σ)α bei Sophokles und Theophrast und Verwandtes 39

Kamerbeek hatte positiv argumentierend beide Überlieferungen, sowohl


τεκοϋσα wie τεκνοϋσα (von τεκνόω), für möglich erklärt. Longo weist
einerseits τεκοϋσα als „forma banalizzata“ , also lectio facilior zurück und
protestiert anderseits gegen τεκνοϋσα ,fumishing (a man) with children'7
im Namen des „buon sm so". Beide Einwände sind m. E. berechtigt j aber
man ist noch nicht am Ziel, wenn man nicht zugleich Kamerbeeks nega­
tive Argumentation entkräftet, die darauf hinausläuft, daß Bruncks
τεκνοϋσσα sprachlich bedenklich sei. In dieser Hinsicht ist mit Longos
bloßem Hinweis auf Kall. fr. 431 Schn. (= 679 Pf.), d. h. auf die von eben
unserem Scholiasten zitiene Parallele παιδοϋσα (παιδσϋσσα Brunck),
wenig geholfen, da die richtige Lesung und Deutung dieser Form selbst
ebenso ungeklärt ist8. Sollten sich aber wirklich die Bedenken gegen
τεκνοϋσσα als unbegründet erweisen, so wäre noch zu fragen, wie schwer
oder leicht der Eingriff wiegt, gegen die Überlieferung in τεκνοϋσα das
Doppel-σ herzustellen.
Welches sind nun Kamerbeeks Einwände gegen τεκνοϋσσα?
Zunächst „it would mean »well-provided with children'“ : dieser hypo­
thetische Bedeutungsansatz, den auch O . Schneider vertrat9, ist zu eng.
Das Suffix -Ρεντ-101*, um das es bei *τεκνόεις geht, bedeutet von Haus aus
nur „versehen mit etwas" ohne Rücksicht auf dessen Anzahl, ζυγόν
όμφαλόεν bei Homer Q26$f. bezeichnet ein Joch mit einem Buckel,
δμφαλός (v. 273)n , τρ ίποδ’ ώτώεντα ψ 264.513 den zweihenkeligen
Dreifußkessel1z. So wie hier ist auch für κερόεσσα „gehörnt“ als
Epitheton der kuhgestaltigen Io bei Eur, Phoen. 828 oder der Selene bei
späteren Epikern (Maximus, Manetho, N onnos)13*, von der Form der

7 Zu dieser „instramentativen" Bedeutung des Verbs (Emst Fraenkel, Griechische Deno­


minativs, 19%, 72) nahm Kamerbeek wohl deshalb Zuflucht, weil in faktitiver Bedeu­
tung bei femininem Subjekt klassisch das Medium zu erwarten wäre (vgl. Fraenkd 75,
auch Kühner-Gerth 1 108f,; das Aktiv so anscheinend zuerst Lykophr. 867. 963).
O . Schneider, der unser teicvowo mit „quae partum edit (i, e. edere solet)" wiedergibt
(Caliimachea II, 604 f.), haue diesen Unterschied (an dem auch Kamerbeeks Hinweis auf
das ambivalente τικτω nichts ändern kann) vernachlässigt.
B S. zu dem Fragment Schneider („ad vocis teicvoüou normam Callimachus suum illud
Μ ίδούββ satis temere finxisse videtur") und Pfeiffer (ohne Entscheidung über die
W oran, ob Adjektiv oder Partizip). Wir werden später auf παιδοϋσα zurückkommen.
9 Zu Kall. fr. 431: „significabit mulierem liberis abundantem, at abundantiae notio in
Sophoclis loco parum apta est . . .“
1,7 Schwyzer, Gr. Gr. 1 526-28; Buck-Petersen, A reverse index of Grcck nouns and
adjective$ 460-63; Chantraine. Formation des noms 270-74; Buck, Class. Phil. 16,
1921, 367-83.
11 Zum Technischen s. J. Wiesncr, Fahren und Reiten, Archaeologia Homerica I F (1968) 7.
11 Dazu Gerda Bruns, Küchenwesen und Mahlzeiten, Archaeologia Homerica II Q (1970)
37f. mit Anm„ bei. 332 (Brommer, Hermes 77, 1942 , 367) und 335.
11 Belege bei Bmchmann, Epitheta deorum 207 und Drexler in Roschers Lexikon Π 1176,1 ff.
40 Volkmar Schmidt

Mondsichel14, die Zweizahl sachlich gegeben. Σειρηνοϋσσαι hießen (siehe


Pape-Benseler) „drei kleine Inseln oder Klippen an der Südküste Kampa­
niens, Wohnsitz der Sirenen“ , nämlich der drei dort auch kultisch ver­
ehrten Sirenen Parthenope, Leukosia, Ligeia15; die Benennung eines Ortes
nach den daselbst vorkonunenden Dingen oder Lebewesen mithilfe des
Suffixes -Ρεντ- ist geläufig16. Diese Beispiele dürften genügen zum Beweis,
daß -Ρεντ- nicht notwendig die Vielzahl bezeichnet, so häufig dies auch
ursächlich der Fall ist. Es zeigt sich hier die Nähe zum verwandten Alt­
indischen1718, wo etwa — um ein genaues Analogon zu *τεκνο-Ρεντ- zu
geben - putm -vant- einfach nur „einen Sohn, Söhne, Kinder habend“
bedeutet.
Sodann „the contraction would be an excepdon (cf. Chantraine,
Formation des Noms, p, 272)“ : diese Feststellung trifft zwar für die große
Masse der poetischen Adjekdve auf -όεις bei Epikern und Lyrikern zu,
hingegen „die att. Dichter gebrauchen die kontrahierten und an lyrischen
Stellen auch die offenen Formen" (Kühner-Blaß I 529f.),e, wie denn
schon Brunck selbst und dann Blaydes zur Stelle (s. Anm. 2) aus den
Tragikern Parallelen auf -οΰσαα (hier vervollständigt) beigebracht hatten:
αίθαλοϋσσα Aesch. Prom. 992, κεροϋσοα Soph. fr. 86 N .2 =* 89 P. (und
Eur. fr. 857 N ,2), πτερσϋσσα Eur. Hipp. 733 (und Phoen. 1019. 1042).
Dabei sei schon jetzt notiert, daß an fast allen diesen Stellen Varianten mit
einfachem σ Vorkommen, was von vornherein eine adjektivische Deutung
auch der Form τεκνοΰσα bei Sophokles und möglicherweise anderen
Autoren erlaubt. Näherhin wird uns das Verhältnis σσ :σ später
beschäftigen.
Schließlich ,,τεκνόείς is not very well attested“ : diesen Eindruck hat man
in der Tat nach LSJ s. v. τεκνοϋς, auch wenn man, nach dem eben
Gesagten, Feminina mit einfachem σ gelten läßt. Es fehlen dort jedoch
(wie auch in den übrigen Lexika) wichtige Belege aus älterer Zeit, und
zwar aus dem Corpus Hippocraticum. Das W ort begegnet dort an zwei
Stellen der Schrift Περί άφόρων (De Sterilibus) und ebensooft in dem
von dieser abhängigen Teil der Schrift Περί έπικυήσιος (De Super-

M Vgl. Roscher in seinem Lexikon II 3130u. bis 31310.


·* Weicker in Roschers Lexikon IV 603,42ff.; Philipp, RE III A,1 (1927) 308,17«. s.v .
Sirenianus mons; H. Flashar in: Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 18
(1972) I20f, (zu Mirab. 103) mit Lit.
16 S. außer der Anm. 10 angeführten Litentur M. Leumann, Homerische Wörter (1950)
299—302 und speziell zu den Inseln A- Fick, 8ezz, Bcitr. 22, 1897, 15-19.
,T Der einschlägige Abschnitt bei Wiehern agel-Debrunner, Altindische Grammatik 11,2
(1954) 871-94.
18 Vgl. auch Buck, d a ss. Phil. 16, 1921, 373 f. (wo jedoch πνροΰσσα zu streichen ist).
τΕκνονο(α)α bei Sophokles und Theophrast und Verwandtes 41

fetatione)19, bei nahezu wörtlicher Übereinstimmung der einander ent­


sprechenden Textstücke. Zunächst Steril, c. 217 Anf. (VIII 418,2 L.), mit
den Lesarten der beiden maßgebenden Handschriften, des Marc. gr. 269
(= M) und des Vat. gr. 276 (= V), nach den im Besitz des Thesaurus
Linguae Graecae in Hamburg befindlichen Mikrofilmen: θεραπείαi
κυήσιος πειρητήριοι καί παιδογονίης, ήτις δειται, καί άτεκνος έοΰσα,
καί ήδη κυήσασα έσϋοα δε τεκνοϋσα (V : τεκνοϋσσα Μ) ,Behandlungs­
arten zum Versuche der (Herbeiführung von) Schwangerschaft und
Kindererzeugung (bei einer Frau), welche Verlangen danach trägt, sowohl
wenn sie kinderlos ist, als auch wenn sie bereits schwanger gewesen war
und (noch) gebärfahig ist*20. Zur Parallelstelle in Superf. c. 29 (VIII
494,5 L. = 86,2 Lienau) ist vorauszuschicken, daß dieser Traktat ebenfalls
in M und V, in V jedoch zweimal überliefen ist, wobei im Stemma Va auf
gleicher Stufe mit dem Hyp archetypus von Vb und M steht31. Das uns
interessierende Wort ist überliefert als τεκνοϋσα in Va, τέκνουσα in V b,
τέκνουσσα (sic, wiederum nach dem hiesigen Mikrofilm) in M. — ln der
Reihenfolge der Originalschrift Steril, folgen auf die oben zitierte An­
kündigung (c. 217 Anf.) Indikation und Anweisungen für eine Behandlung
am Körper insgesamt und am Uterus. In c. 219 wird sodann ein Prüfmittel
angegeben, das im Anschluß an die vorausgehende Behandlung erkennen
lassen soll, ob die Frau nunmehr konzeptionsfähig ist oder nicht. Das
Kriterium besteht darin, daß eine bestimmte Einlage im positiven Fall am
Kopf der Patientin einen Geruch erzeugt. In zwei Fällen stellt sich dieser
Befund nicht ein (VIII 424,9 L,): εΐ (ήν L.) Öfe μή τεκνούση (V: τεκνούσ-
ση Μ) προσθης, ούδεποτε δζει . . . ούδ’ εί (ήν L.) κυούση προσθης,
ούδ’ οϋχως όζέσει »wenn man aber einer Frau, die keine Kinder be­
kommt, eine solche Einlage macht, riecht sie niemals danach . . . » und
auch dann, wenn man einer schwangeren Frau eine Einlage macht, wird
kein Geruch vorhanden sein*. Die Parallelstelle in Superf. c. 25 (VIII
488,22 L. * 82,8 Lienau) hat den Vordersatz in der Form καί ήν μή
τεκνοϋσα (Va Vb: τέκνουσα Μ) ή . - An diesen Hippokratesstellen fällt
die Bedeutung „Kinder zu bekommen imstande“ auf, die aus ursprüng­
lichem „Kinder habend“ , „ein Kind tragend" abgeleitet sein muß. Zu
einem solchen Übergang der Bedeutung von ένεργείφ zu δυνάμει konn­
ten bestimmte Sinnzusammenhänge Anlaß geben, wo beide Auffassungen

19 Kritische Ausgabe von C. Lienau: Hippokrates, Uber Nachempfängnis, Geburtshilfe


und Schwangerschafuleiden, Berlin 1973 (Corp. Med. Gr. I 2,2); dort S. 37—42 über das
Verhältnis zu Steril
20 Die Übersetzung nach Robert Fuchs, Hippokrates, Samtntltche Werke, Bd. 111 (1900) 596
und Rieh. Kapfercr, Die Werke des Hippokrates, Bd. V (1940), Teil XXIV/112.
u Siehe Lienaus Ausgabe 21.
42 Volkmar Schmidt

gleich gut möglich waren. Vgl. die Ambivalenz von τοκήεσσα, eigentlich
„Kinder (τόκος) habend**22, in Steril, c. 226 (VIII 434,26 L.) ήν γυναίκα
μή δυναμένην τεκείν τοκηεσσαν έθέλης ποιήσαι, σκέψασθαι χρή usw.,
und von έγκυος, gewöhnlich „schwanger“ , in Nat. Mul. 94 (VII
412,7 L. = 120,7 Trapp) ήν βουλή έγκυον ποιήσαι γυναίκα, καθήρας
αυτήν usw,; hier ist „machen, daß die Frau ein Kind bekommt“ von-
seiten des Arztes soviel wie „machen, daß sie ein Kind bekommen kann“ .
D er Nachweis von τεκνούσ(σ)α in der ionischen Prosa bedeutet für
unsere Frage, daß nun nichts mehr im Wege steht, dieses W ort auch bei
Sophokles anzuerkennen. Gerade im Wortschatz steht ja die Sprache der
Tragiker dem Ionischen nahe23, und für Sophokles gilt dies in besonderem
Maße24. Die Bewahrung einer richtigeren Lesung im Zitat der laurentia-
nischen Scholien gegenüber dem Text der Handschriften ist im übrigen
nicht ohne Beispiel25.
Von Hippokraces fällt Licht auch auf eine andere umstrittene Stelle. Bei
Theophrast, Hist, plant. IX 18,10 liest man nach dem letzten Herausgeber
dieses Abschnitts, Fr. Wimmer2*, mit einem Teil der handschriftlichen
Überlieferung (Genaueres darüber später) folgendermaßen: έν Ή ρακλείφ
δέ, ώς φασι, της Α ρ κ α δ ία ς οίνός έστιν, δς τούς μέν άνδρας πινόμενος
έξίστησι, τάς δέ γυναίκας άτέκνους ποιεί. Hier hatte Wimmers Vor­
gänger J. G. Schneider27 mit der Nebenüberliefening bei Athen. 31 f, nach
der Empfehlung Früherer2®, vielmehr τεκνούσας ποιεί geschrieben.
Mit mehrfacher Begründung glaubt Wimmer29 diese Lesung zurück weisen
zu können. Aber seine Ein wände verfangen nicht, bzw. nicht mehr.*38

12 In dieser Bedeutung belegt bei Hippokr. Nat. Mul. ί (VII 314,18 L. ■* 71,18 Trapp)
ήν νέοι έοΰσαι καί ιοκήεσσαι χηρεΰσωαιν (Text nach θ) „wenn sie jung und mit
Kindern verwitwen“ . Zur Bildung vgl. Bechtel, Dial. III 127.
13 A. Meidet, Geschichte des Griechischen, Heidelberg 1920, 214-217.
** W, Schmid, Gesch, d. griech. Lit. I 2 (1934) 485f.
33 Zu den Trachinierinnen $. Jebbs Ausgabe S. LII; insgesamt vgl. Gustav Wolff, De
Sophoclis scholiomm Laurentianomm variis lectionibus, Leipzig 1843.
36 Zuerst in: Theophrasti Eresii Historia plantarum, Breslau 1842, 342; danach in den
Gesamtausgaben bei Teubner (Theophrasti Eresii Opera quae supersunt omnia, Leipzig
1854-62, I 259) und bei Didot (gleicher Titel, Paris 1866, 161). ln der Loeb-Ausgabe der
Historia plantarum (Theophrastus, Enquiry imo plams, 2 Bde,1916) von A. H on ist
unsere Stelle mit dem größeren Teil von Kap. 18 weggelassen (II 310). Die italienische
Übersetzung von F. F. Mancini (Teofruto, La storia dede piante, volgarizzau e annouta,
Rom 1901, 343) folgt Wimmers Text.
2t Theophrasti Eresii quae supersunt opera I (1818) 324, dazu der kritische Kommentar III
(1818) 827.
38 Schon Casaubonus in seinen Animadversiones z. St. (Lyon 1600) 44, dann J. Bodaeus a
Stapel (f 1636) in seiner Ausgabe der Historia plantarum (Amsterdam 1644) 1172, und
nochmals Meursius {+ 1639), Theophrastus (Leiden 1640) 103,
38 In der kommentierten Ausgabe von 1842,
τεκνοΰσ(σ)α bei Sophokles und Theophrut und Verwandtes 43

Erstens „in Athenaeo adest scripturae varietas, quae sensum contrarium


habet": diese Bemerkung kann sich nur auf die — in Kaibels Ausgabe nicht
mehr erwähnte - Variante κυούσας ποιεί έξαμβλώσαι (für τεκνούσας
ποιεί) beziehen, von der Schneider berichtete: „Van Goens ad Porphy-
rium de Antro Nympharum p. 115 varietatem istam unice probat, quam
ait esse in Codtce optimo, cuius collatio servetur in Bibliotheca Aca­
demiae Traiectinae" (111 827), Diese Angabe über die Herkunft der
Variante ist zu überprüfen an dem, was W. Dindorf30 genauer in Er­
fahrung gebracht hat: „In bibliotheca Traiectina duo asservantur Athenaei
editionis Basileensis exemplaria. Quorum prius , . . notis praecipue in­
structum est et in calce haec habet adnotata ,Per A Angeli Caninii casti­
gationes notamur ex libro Mariani Sabelli Ep. Eug, Romae 1566. Junio m.
Reliquae castigationes ex codicibus manuscriptis, altero quidem Vaticano,
altero vero ex Famesiana bibliotheca exscriptae a M. Ant. Mureto*". Auf
Anfrage erhielt ich von der Utrechter Universitätsbibliothek freundlicher­
weise eine Fotokopie der betreffenden Seite des eben genannten Athenaeus-
exemplars (Δειπνοσοφισταί, Basel 1535, S. 16; Signatur: W. fol. 158).
Dort findet sich am Rand die erwähnte Lesung beigeschrieben und mit
einem A gekennzeichnet. Demnach handelt es sich um Konjektur des
Caninius, die wohl aus dem folgenden Text (s. unten) gewonnen ist, und
nicht um Oberlieferung.
Zweitens „participio hic locus esse nequit, ubi infinitivus esse debet": in
der Tat hatte Schneider τεκνούσας auf τεκνοΰν bezogen, mithin als
Partizip aufgefaßt. Betrachten wir es aber stattdessen — gestützt auf die
hippokratischen Belege - als Adjektiv, so ist syntaktisch alles in O rd­
nung und zugleich den Bedenken Rechnung getragen, die ein feminines
Subjekt bei τεκνόω haben würde (vgl. Anm. 7).
Drittens nimmt Wimmer sachlichen Anstoß „si vinum efficere dicitur ut
feminae liberos pariant". Auch dieser Anstoß verschwindet, wenn wir
τεκνοΰσ(σ)α zugrundelegen, und zwar in der Bedeutung „fruchtbar,
gebärfähig“ wie bei Hippokrates.
Auch daß viertens den Begriff άτέκνοχις „ea quae sequuntur per parti­
culam πάλιν (non άνάπαλιν!) nexa confirmare videntur", ist nicht zu­
zugeben. Was im Kontext folgt, ist ein Bericht von der Wirkung eines
anderen Weines; πάλιν δ’ έν ’ Αχαΐςι καί μάλιστα περί Κερυνίαν
άμπελον τι γένος έστιν άςρί ής δ οίνος έξαμβλοΰν ποιεί τάς
έγκνμονας* κάν α ί κΰνες φάγωσι των βοτρύων, έξαμβλοΰσι και αύται.
Wimmer übersetzt das verbindende πάλιν mit „item*31, sieht also darin,*1

J0 Athenaeus, ex recensione Guiliefani Dindorfii, I (1827) S. XII mit Anm.


11 In der zweisprachigen Ausgabe von 1866.
44 Volkmar Schmidt

wie es scheint, den Begriff der Wiederkehr eines Gleichartigen aus-


gedrückt; dies aber könnte in seinem Sinne wohl nur eine beiden Wein­
sorten gemeinsame Eigenschaft, nämlich ihre Schädlichkeit sein, wodurch
im Vorangehenden die Lesung Ατέκνους notwendig impliziert wäre.
Nicht notwendig ist jedoch die vorausgesetzte Bedeutung von πάλιν, das
vielmehr gerade bei Theophrast häufig nur zur Satzüberleitung dient32;
wir können also verstehen „dann wiederum", ohne daß irgendetwas sach­
lich Bestimmtes über den Gegenstand des vorhergehenden Satzes daraus
zu entnehmen wäre.
Das verbleibende Argument Wimmers zugunsten von Ατέκνους: „tum
hoc magis aptum esse videtur si idem vinum maribus rabiem feminis steri­
litatem afferre dicatur, noxium in utroque sed diverso modo", entstammt
einer m. E. dem Zusammenhang nicht angemessenen Betrachtungsweise.
Denn es geht in diesen pharmakologischen Kapiteln IX 8 -2 0 33 um die
Wirkungen der pflanzlichen Drogen als solche, nicht primär unter dem
ihrer Natur an sich fremden Gesichtspunkt des Nützlichen oder Schäd­
lichen. Soweit aber die N atur des von Theophrast geschilderten achäischen
Weines aus seiner Wirkung auf die Männer (έξίστησι) faßbar wird, könnte
man eher auf stark anregende Wirkung — nur in anderer Weise - auch bei
den Frauen schließen34, d. h. auf die sachliche Richtigkeit von
τεκνούσ(σ)ας.
Doch genügt diese Überlegung noch nicht zur Entscheidung. Erst eine
vollständigere Übersicht über die Überlieferung kann uns dazu weiter­
helfen.
Ατέκνους ist nach ausdrücklicher Angabe des H . Amati35 die Lesung von
U», d. h. der im Urbinas 61 angehängten Doppelfassung des pharmazeu­
tischen Teils von Buch IX36. — Für den Hauptteil (= U) derselben Hand­
schrift gelangt man aufgrund von I. Bckkers Kollation37 zu dem Schluß ex
silendo, daß U - wie die Aldina - άτεκνούσας liest. Dies wird mir von

32 Siehe C. Malicki, De πάλιν particula, Dias. Greifswald 1907, 34f. (hier auch unsere
Stelle).
” Zur Disposition vgl. G. Senn, Die Pflanzenkunde des Theophrast von Eresos, Basel 1956,
19.
24 Ober verschiedene Wirkungen des Weins bei verschiedenen Konstitution·typen vgl. Arist.
Probi. III 16, 873 a 23 ff.
” In Schneiders Ausgabe V 77 (zu I 324),
16 Zu dieser Oberlieferungslage s. O . Regenbogen, RE Suppi. VII (1940) 1435,58ff.; G, Senn
a, O . (zit. Anm. 33).
37 In Schneiders Ausgabe V 69 (zu I 324), Es ist zu beachten, daß sich diese Kollation nicht
auf Schneiders Text, sondern auf die Vulgata des Bodacus (zit, Anm. 28), d, h. praktisch
die Aldina, bezieht.
τεκνοϋα(σ)α bei Sophokles und Theophrast und Verwandtes 45

Herrn D r. P. Schreiner ausdrücklich bestätigt, der auf meine Bitte freund­


licherweise die Handschrift im Vatikan nachgesehen hat38. — Um die
Lesung der übrigen Handschriften brauchen wir uns nicht zu kümmern,
da sie - soweit sie unser Textstück enthalten - nach neuerer Erkenntnis
alle von U und U* abhängen39. N ur diese beiden sind wechselseitig
unabhängig40, ihre Varianten also gleichrangig.
Dazu tritt die Nebenüberlieferung τεκνούσας bei Athenaeus 31 f, zwei­
fach gestützt durch Plinius Nat. hist. XIV 116 fecunditatem . . . importet
und Aelian Var. hist. XIII 6 τεκνοπο ιοΐις τίθησιν, Es wäre wichtig für
uns zu wissen, wie wett das Zeugnis dieser beiden Autoren eigenes Ge­
wicht hat, d. h. von dem des Athenaeus bzw, einer zwischen diesem und
Theophrast liegenden Quelle unabhängig ist. Eine solche vermittelnde
Quelle nimmt man in der Tat für die Plinius und Athenaeus gemeinsamen
Zitate aus Theophrasts Pflanzenschriften wegen übereinstimmender Ab­
weichungen von unserem Theophrasttext an41. Beweisend sind hierfür
natürlich nur diejenigen Abweichungen, die Änderungen gegenüber dem
Original darstellen; es trifft sich, daß gleich im folgenden (H. P. IX 18,11)
die beiden Gewährsmänner einen solchen Bindefehler zeigen42. Das Ver-

M Irrtümlich also wird bei LSJ s. v. τεκνοΰς das nur für U* (und Abkömmlinge) geltende
Ατέκνους für die „codd, Thphr,“ schlechthin in Anspruch genommen. Die Angabe
beruht auf Interpretation des unzulänglichen „conspectus scripturae" von Wimmers
Teubneriana (1854) S. XXX, wo für d u abweichende ΑτεκνοΑοας nur die Aldina, nicht
auch U namhaft gemacht wird. Wimmer, der die Lesungen des Urbinas nur aus den
Kollationen in Schneiders S. Band kannte (s. seine Ausgabe von 1842, $. XIV), hatte den
Schluß ex silentio nicht gewagt.
39 Siehe B. Emarson, The manuscripts of Theophrastus’ Historia plantarum, Cllss. Phil. 71,
1976, 67-76.
*° S. die Gegenüberstellung von Lesungen bei O . Kirchner, De Theophrasti £resii libris
phytobgteis, Diss. Breslau 1874, 21-25.
4i P. W im , De Theophrasti Etesii libris phytologicis, Diss. Straßburg 1898, 2 -1 2 ; Regen­
bogen, RE Suppi. VII (1940) 1444 f.; Kroll, RE XXI 1 (1951) 325. 328.
41 Der Text nach der direkten Überlieferung o. S. 43; dazu Ath. 31 f περί Κερυνίαν
τής ’Αχαίας Αμπέλου η γένος είναι, Αφ" ής töv οίνον έξαμβλοΰν ποιεΐν τΑς γυναίκας
τΑς έγκύμονας- κΑν τών βοτρΰατν 6έ, φηοί, φάγωσιν, έξαμβλσΑοιν und Plin. Ν . Η.
XIV 116 at in Acham maxime a r m Ceryniam abigi partum vino atque etiam si uvam edant
gravidae. Wie man sieht, schreiben Athenaeus und Plinius die Wirkung der Trauben, die
unser Theophrasttext auf Hündinnen bezieht, vielmehr schwangeren Frauen zu. Wirtz
(zit. vor. Anm.) 8 gibt ohne weiteres der Nebcnüberliefcrung recht, indem er a l κύνες
als Korruptel von έγκΑμΟνές und έξαμβλοΰοι καί αΑχαι als Interpolation auffaßt (nach
Ed. Schwanz). Auch Schweighäuser (Animadversiones in Athenaei Deipnosophistas 1,
1801,236) batte die Version des Athenaeus und Plinius für die ursprüngliche erklärt, mit
der Begründung: „Quis quaeso hic serio de canibus possit cogitare? aut, ubinam locorum
canes uvis vulgo vescuntur?'* Sein Einwand ist allerdings ohne Gewicht. Er trifft wohl
für unsere Gegenden zu, wo Trauben wertvoller sind und daher selten verfüttert werden;
anders im Süden: so bezeugt ein italienischer Zoologe ausdrücklich, zur Nahrung des
46 Volkmar Schmidt

haltnis von Aelians Varia Historia zu Athenaeus ist umstritten43; mit der
Möglichkeit, daß Aeltan direkt von Athenaeus abhängt, muß gerechnet
werden44, In diesem ungünstigsten Fall schrumpfen die drei Zeugnisse der
Nebenüberiieferung auf ein einziges, nämlich das τεκνούσας des Athenaeus
zusammen.
Zu entscheiden ist also zwischen den Lesungen τεκνούσας (Ath.),
άτεκνούσας (U), άτέκνσυς (U*), von denen wir keiner aufgrund der
Uberlieferungslage ein Übergewicht geben können, d. h. wir müssen
gemäß Kriterien der Wahrscheinlichkeit abschätzen, welche der drei
Formen aus welcher anderen durch Verderbnis oder Änderung am
ehesten entstanden sein kann. Es dürfte klar sein, welcher Weg sich an­
bietet: zunächst wurde das unverstandene τεκνούσας, ein W ort also,
dessen Anfälligkeit wir schon aus der Sophoklesüberlieferung kennen,
durch Vorsetzen eines α privativum zu dem durchsichtigen Partizip
άτεκνούσας (von άτεκνέω); für diese Korruptel bietet die oben (S. 41)*V I

Hundes gehörten u, a. „fmtta e specialmeme uva“ (A, Ghigi, in: Enciclopedia italiana
VIII 714 s. v, Cane). Freilich ist damit die Textfrage nicht entschieden. Es muß aber fest-
gestellt werden, daß die Lösung von Wirtz formal nicht befriedet: nach 6 οίνος
Ιξαμβλοϋν ποιεί τάς έγκΰμανας bringt κάν έγκϋμονες φάγωσι τών βοτρύων eine lästige
Wiederholung und ein unlogisch bezogenes καί, ganz im Gegensatz zu der tadellosen
Formulierung des Athenaeus. Man müßte also andern verfahren und o l κάνες ersatzlos
streichen. Doch warum sollte dieses Subjekt interpoliert worden sein? Wahrscheinlicher
ist doch wohl, daß es ursprünglich ist und beim Exzerpieren verloren ging oder getilgt
wurde; denn der Gedanke, daß die besondere Wirkung eines Weines schon in der Traube
liegt, ist bei Identität der Betroffenen eingängiger als bei Verschiedenheit. Wenn aber αί
κάνες als lectio difficilior zu halten ist, so sind Athenaeus und Plinius hier durch einen
gemeinsamen Fehler verbunden.
Siehe W. Schmid, Gesch. d. griech. Lit. II 2 (1924) 788. 790; L. Nyikos, Athenaeus quo
consilio quibusque usus subsidiis dipnosophistarum libros composuerit, Diss. Basel 1941,
68 A. 229 ; 85 A. 301; beide mit Lit.
** Speziell unser Aeliankapitel (XIII 6) führt freilich F, Rudolph, Leipz. Stud. 7, 1884, 14
unter denjenigen auf, „quae ab Athenaei locis similibus adeo discrepant, ut inde repeti
nullo modo possim“ (12). Für diese Entscheidung war vermutlich der mittlere Sau bc
stimmend: δχι tv θ ά σ φ όύο γένη φασίν γίνεσθαι οίνω ν καί xöv μέν έτερον πινόμενον
είς ύπνον κατάγειν εύ μήλα βαθύν καί διά τούτα ήδύν, xöv δέ έτερον άντίπαλον
είναι τού βίου καί άγρνπνίαν έμποιεΐν καί άνιώσθαι παρέχειν ist wesentlich ausführ­
licher ab Ath. 31 f fcv θ ά σ ψ 61 λέγει ώς αίτιοί ποιοϋσιν οϊνόν τινα ύπνωτικόν καί
έτερον άγρυπνείν ποιούντο τούς πίνοντας (dies fast wörtlich wie Theophrast). Macht
man sich jedoch klar, daß die Unterschiede, soweit nicht nur stilistischer Natur, sich doch
im Rahmen von Ausschmückungen halten, und bedenkt man die Arbeitsweise Aelians,
der nach H. Lübbe, De Aeliani Varia historia, Diss. Münster 1886, „ea quae ex Athenaei
libris excerpserat, luminibus rhetoricis uberrime distinxit“ (4, vgl. 20), und „simili modo
capita quae ab aliis scriptoribus mutuatus est ita auxit, ut . . , verbis ca amplificaret ct
exornaret“ (25), so steht von daher der älteren Annahme des J. Perizonius, daß c. XIII 6
aus Athenaeus geschöpft sei, m. E. nichts »m Wege (Ö . Aeliani Varia Historia, Leiden
1701, unpaginiette Praefatio S. 13 und Kommentar S. 802f.).
τεκνούο(ο)α bei Sophokles und Theophrast und Verwandtes 47

zitierte Stelle aus Hippokrates, Steril. 217 (VIII 418,2 L.) eine Parallele45.
In einem zweiten Schritt wurde dann das gleichbedeutende, aber syntak­
tisch normalere Adjektiv άτέκνους hergestellt. D er umgekehrte Weg hat
jede Wahrscheinlichkeit gegen sich. Die Nebenüberlieferung ist also vor­
zuziehen, und dies tu t neuerdings B. Einarson46, wenn er das Ad­
jektiv in der von Brunck auch für Theophrast geforderten Form τεκ-
νούσ (σ )α ς, mit unattischem oo also, unter mehreren Beispielen für poe­
tische Diktion am Schluß der Pflanzengeschichte anführt: „ln the pharma-
cological part . . . poetical words are numerous, perhaps because
Theophrastus is citing the root-cuttcrs and druggists, who used inflatcd
speech to vend their wares“ . Für diese stilistische Wertung des Wortes
war offenbar sein Vorkommen bei Sophokles maßgebend. Ich würde eher,
in Anbetracht der hippokratischen Belege, an einen lonismus denken. Auf
die engen Beziehungen von Theophrasts Wortschatz zum Ionischen,
besonders des Hippokrates, weist L. Hindenlang hin47 und folgert: „Auf
diese Weise erklärt sich auch die Berührung mit der dem Ionischen ent­
sprungenen Dichtersprache“ . D er größte Teil der ionischen W örter bei
Theophrast, ob auch poetisch oder nicht, stammt ohne Zweifel aus der
frühen Koine4®. Daneben mögen einzelne Ausdrücke literarisch vermittelt
sein. Das von Theophrast meist gemiedene ion. σσ blieb in τεκνοΰσ(σ)α
erhalten wie bei ihm z. B. auch in νάρκισσος.
Ganz ähnlich zu beurteilen ist ein späterer Beleg, den erst Liddell-Scott-
Jones hervorgezogen haben; Dio Cass. LVI 10,2 (II 526,17 B.) και ταΐς
άειπαρθένοις πάνθ* δσαπερ a t τεκνούσαι (τεκοΐσαι die Herausgeber)

** άιεκναυοα, nach Litue dic Lesung der Vulgata, ist am frühesten- bezeugt in den
M-Deszendentcn I und R, wie ich den Materialien des Hamburger Thesaurus entnehme.
Zwischen diesem άτεκνοΟσα und dem «κνοΰοσα von M ist die Lesung ιεκνοϋοα in H,
der Llttre folgt, wohl ab notwendige Zwischenstufe vorauszusetzen.
*" Theophrastus, De causis plantarum, with an English translation by Benedict Einarson
and George K. K, Link, Bd. I (1976) S. XXV (Loeb Class. Libr.).
47 Sprachliche Untersuchungen zu Theophrasts botanischen Schriften, Strafiburg 1910
(Dissertationes philologicae Argentoratenses XIV/2) 18lf. (Fazit aus den vorangehenden
Listen). Die bei vielen Wörtern möglichen Zweifel an tonischer Herkunft bleiben natür­
lich dann am sichersten ausgeschaltet, wenn eine eigene Dialektform existierte, so bei
βέρεθρον, άλήθω, ΙΘΟτατα (Caus. pl. 111 5,1 nach Einarson a. O.).
4® Zu diesen Beziehungen vgl. grundsätzlich Debrunner-Scherer, Gesch. d. griech. Sprache
II1 (1%9) 66f., im einzelnen die Wortlisten bei Mayser-Schmoll, Gramm, d. griech, Pap.
I1 1(1970) 18-25. Ein beliebiges Beispiel ist das von Einarson ebenfalls .in seinem Sinne
gedeutete άμάω „ernten“ (Hist, pl, IX 11,7.9) nebst δμητος ,,Emte{zeit)“ (III 4,4):
erster« steht sonst vor allem bei Hom., He*., Trag., Hdt., letzteres bei Hom., Hes.,
Hdt,, Hippokr,, beide aber u, a. auch in den Zenon-Papyri (P. Coi. Zenon II 91,9; PSI V
490,7) und in der Septuaginta. Vgl. Moulton-Milligan, The vocabulary of the Greek
Testament, London 1930, 25f.
48 Volkmar Schmidt

ειχον έχαρίσατο (sc. Augustus)49. Gelegentliche lexikalische Ionismen


sind diesem Autor nicht fremd, so wenig wie anderen Attizisten50; auch
ist ihm σσ in bestimmten Wörtern geläufig, z, B. θάλασσα, τέσσαρες.
Schließlich ist noch das Zeugnis der Hesych-Glosse x 384 χεκνούσα-
τέκνον Ιμβρυον έχουσα zu nennen, die wegen ihrer Glossierung offenbar
auf eine uns nicht erhaltene Stelle zielt.
Nachdem also ein Adjektiv τεκνούσ(σ)α mit den Bedeutungen „Kinder
habend“ , „schwanger“ und „fruchtbar“ hinreichend sicher scheint, sollte
nichts mehr daran hindern, auch ein damit synonymes παιδοϋσ(σ)α oder
παιδιούσ(σ)α, von πα ΐς bzw. παιδίον, wo es vor kommt, gelten zu lassen,
παιδοϋσα wird, wie wir schon sahen (o. S. 39), aus Kallimachos zitiert
(fr. 679); zu diesem Fragment hat Pfeiffer die wenigen übrigen Belege ge­
sammelt. Für H ippokr., Nat. Mul. 99 (VII 416,1.3 L.) ist die hand­
schriftliche Grundlage jetzt durch Helga Trapp erschlossen51; fjv βουλή
γυναικός έκπειρηθήναι, εί Ιστι παιδοϋσα (sic V : παιόίουσα Μ) είχε μή,
χή έρυθρά λίθφ τούς όφθαλμούς ύπαλείψαι, καί ήν μέν έσέλθη xö
φάρμακον, παιδοϋσα (παιδασοϋ sic V : παιδίουσα Μ) γίνεται’ ήν δέ μή,
οΰ. Littre schreibt beide Male παιδοϋσα; Trapp παιδιοΰσα, also nach M,
mit korrigiertem Akzent. Eine sichere Entscheidung zwischen den beiden
Formen ist kaum möglich, und auch die genaue Bedeutung ist nicht klar,
da die Interpretation des Kapitels zwischen Schwangerschafts- und
Fruchtbarkeitstest schwankt52. Mit έγκύμων wird παιδούσ(σ)α (auch
παίδουσα geschrieben) bei byzantinischen Lexikographen erklärt, die
Pfeiffer angibt.

II

Wir haben es bisher als gegeben hingenommen, daß -οϋσα in den


Appellativen wie τεκνοΰσα bloß orthographische Variante von -οϋσσα
sei, ohne danach zu fragen, wie es zu dieser Einfachschreibung der
Doppelkonsonanz kommen konnte, und ob sie etwa schon für die behan-*102

** Es handelt sich um eine Bestimmung der Lex Papia Poppaea. Vgl. Max Kaser, Rom.
Privatrecht l J (1971) 320 A. 20; P.Jörs, Festschr. Mommsen (1S93) 55.
10 Vgl. E. Kyhniusch, De ladis apud Dionem Cassium vestigiis, in: Griech. Studien Her­
mann Lipsius dargebracht, Leipzig 1894, 173-179; W. Schmid, Atticismus IV (1896) 658.
” Die hippokratische Schrift De natura muliebri, Diss. Hamburg 1967, 122. Ich berichtige
zwei Versehen in der Wiedergabe der handschriftlichen Akzente.
12 Für emeres H. Fasbender, Entwickelungsichre, Geburtshülfe und Gynäkologie in den
hippoknttixhen Schriften, Stuttgart 1897,95 mit A. 1 sowie Trapp a. 0 . 188; für letzteres
P. Diepgen, Die Frauenheilkunde der Alten Welt, München 1937 (Handbuch der Gynä­
kologie, hsg. v. W. StoeckeJ, Bd. Xll/1) 242 mit A. 6.
τίκνοΰσ(σ)α bei Sophokles und Theophrast und Verwandtes 49

delien Autoren anzunehmen sei. W ir können versuchen auf diese Fragen


eine Antwort zu finden, indem wir die auf derselben Bildung beruhenden
Ortsnamen auf -οϋσσα (s. oben S. 40) zum Vergleich heranziehen, deren
Schreibung sich dank größerer Häufigkeit der Belege von den byzantini­
schen Handschriften bis zu den antiken Papyri und Inschriften zurück-
verfolgen läßt.
Am Anfang steht Τειχιόσης (Gen.), der Name einer milesischen O rt­
schaft53, auf einer ionischen Inschrift des VI*S4, aus einer Zeit also, in der
sich die graphische Wiedergabe der Doppelkonsonanz noch nicht durch­
gesetzt hatte55, sodaß aus diesem Beispiel nichts zu entnehmen ist. Später
jedenfalls, auf den Urkunden des attischen Seebundes aus dem V*, schreibt
man mit σσ Τειχιόσοα5*. Keine Gegeninstanz hierzu bilden die in der­
selben Gruppe von Inschriften vorkommenden Ethnika ’ Ελαιόσιοι
(Ερυθραίόν) und Σιδοσιοι57, die neuerdings beide mit Insel- oder O rts­
namen auf -οϋσσα, ’Ελαιοϋσσα und Σΐ-δοϋσσα, in Verbindung gebracht
werden55: sie gehören vielmehr mit der regulären ion.-att. Lautentwick­
lung -ούσιος < *-οΡέντιος, wie »n den attischen Demotika Μυρρινούσιος
von Μυρρινοΰς, ' Ραμνούσιος von *Ραμνοϋς, zu den maskulinen
vt-Stämmen Έ λ α ιο ΰ ς und Σιδοϋς59. Ebenfalls auf ionischem Sprach­
gebiet treffen wir später, zu Beginn des II*, den Flurnamen Δρνοΰσσα
an60. Desgleichen schreibt man auf Münzen und Steinen seit den frühesten
Belegen im IV* gewöhnlich Σκοχοϋσσα und Σκσχσυσσαίος61. Doppeltes*iS

“ Rüge, RE V A (1934) 126.


** Inschr. Didyma 6 ■ Schwyzer, Ex. 723,3.
iS Siehe Larfeld, Griechische Epigraphik, *1914, 252 f. (besonders ‘Αηόλωνι, Inschr.
Didyma 1 = Schwyzer, Ex. 723,1, nach Rehm ebenfalls aus dem VI*).
» IG P 64,1 12; 191, V 22; 222,17.
ST IG P 196, II 36; 198, 1 62. 64.
*· B. D. M eritt-H . T. W ade-Gery-M. F. McGregor, The Athenian Tribute Lists 1 (1939)
485-87; H. Engelmann-R. Merkelbach, Die Inschriften von Erythrai und KJazomeiui I
(1972) 33-37.
** Demgemäß setzt in der Tat Biirchner RE V, 2 (1905) 2226f. unter Elaius 1) ein Städtchen
Έ λα ιοΰς in der Erythraia an, dessen Lage „nicht näher bestimmt werden“ kann; und
ΣώοΟς ist sogar als Name wahrscheinlich desselben Ortes der Erythraia, der sonst
Σιδοϋσσα heißt, wirklich bezeugt, s. die Lit. der vorigen Anm. Da es solche Doppel-
benennungen öfters gab (z. B. auch Τειχιοΰς neben Τειχιοΰοσα), wäre es denkbar, daß
man durch Verwechslung -ούσιος auf -οΰσοα beziehen konnte. Doch berührte dies
nicht die Lautgestalt des Omnamensuffixes.
*° Inschr. Priene 37 (■ Schwyzer, Ex. 289), 104. 105, 123.
61 Head, Historia Numorum, *1911, 309f,; Fouilles de Delphes III 5 nr. 62,2; aus Delphi
auch SEG XVIII 179,3;SGD I 2581, 113; 2651, 1; BCH 45, 1921, 16 col. HI 22; IG IX
(2) 519 col. III 9 (Larisa); V (2) 11,4 (Tegea); XII (9) 1138. 1140 (Chalkis); IBM 1154a,
50 Volkmar Schmidt

σ begegnet bei Namen dieser Art ferner auf literarischen Papyri62*und


wird von dem Grammatiker Herodian bezeugt62. Für die mittelalterlichen
Handschriften bedarf es keiner Beispiele.
Seit dem ΙΓ findet sich gelegentlich auch nur ein o; inschriftlich Σκοτοΰσα
und Σκοτοιχκχϊος64, in literarischer Überlieferung um ΙΟΟ1' Ά ργινούσας
von erster Hand im Londoner Papyrus des Arist,, Resp. Ath. 34»1, von
zweiter Hand in Ά ργινούσσαις verbessert6*, und im IF Κ]ισσσί>σης bei
Kall. fr. 43,86 Pf. im P. Oxy. 2080. Ebenso bietet am Ausgang der Antike
der Strabo-Palimpsest Φαρμακοϋσαι und Κραμβονσα66. In den byzan­
tinischen Handschriften schließlich sind solche Schreibungen mit
einfachem σ ganz geläufig, z. B. Πιτυούσα; vielfach geht damit eine Ver­
lagerung des Akzents einher, also Πιτΰουοα; daneben entstehen Misch­
formen vom Typ Πιτύουσσα67*. - Zur Erklärung dieses handschriftlichen
Befundes scheint mir nur eine Bemerkung Ficks (s. Anm. 67) den richtigen
Weg zu weisen: „für die Aussprache ist beides gleich" (nämlich -ουσσα
und -owcc). In der Tat läßt sich an dem vorstehenden chronologischen

21 (unbek. Ort). Fast alle Belege sind datiert und zwar zwischen IV und II*. (Großen­
teils nach Fr. Stählin, Das hellenische Thessalien, Stuttg. 1924, 109 A, 2, doch ohne die
Form Σκοτοοοαϊος, die aus Σ κοτοεοο- wohl nicht durch Kontraktion, sondern Hyphü-
rese des e entstanden ist, vgl. Schwyzer I 253).
« Aus dem IF : Thiii, VIII 24, 2 im P. Ony. 2100 fr. 8 coi. II 17 Oivowxxuv; Schol. Kall,
fr. 43, 33 (I 47 Pf.) im P, Oxy. 2080 Σελινουσαα. Aus dem I V : Kall. fr. 75,58 im
P. Oxy. 1011 Υ&ρουοοαν,
M (Arkadios,) 'Επιτομή της καθολικής προσφ&ας Ήρω&ιανοΰ ree. Μ, Schmidt (1860),
im Buch XI περί τόνον τών είς Α θηλυκών όνομάτων S. 111,9: χά δ ί παραλήγσντα
τη ΟΥ, εΐ μέν Ιχοιεν |ν Σ, προπαροξύνεται' Φαέθουσα Άρέθουσα Αίθουσα’ el 61
δύο Ιχοιβν, προπεριοπώνται’ Παυσύαοα ' ΡοΛοϋοοα (Ονόματα νήοων) πλήν τον
Έμποϋσοα καί Συράκουοοα.
64 B. Helly, Gonnoi II: Les inscriptions (Amsterdam 1973) nr. 91,8 έξ Σκοτο[ύ)/σης
(Π* Mitte). IG I1J 10367 Κλεομένης Τιμασιθέου Σκ(οτ)ονοαΐος (attische Grabschrift
des I‘) nach wahrscheinlicher Ergänzung (die beiden Personennamen sind in Thessalien
gut belegt, $. die Indices von IG IX 2 und Gonnoi II). BCH 99, 1975, 648 nr. 2, 7
Σκοτουσαίου (Freilassungsurkunde aus dem phthiodschen Theben, nach 27* wegen der
in Denaren angegebenen Freilassungsgebühr, vgl. Helly a. Ο. i, 1973, 124 mir A, 3).
is Nach der Ausgabe von H. Oppermann, Leipzig 1928.
** W. Aly, De Strabonis codice rescripto, Vatikanstadt 1956, S. 27 coi, I I 28 ΦΑΡΜΑΚΟΥ/
CAI, 110 coi. I 27 KPAMB[0]YCA, 113 coi. I 3 KPAM/BOYCA, zu den Stellen Str.
IX 1,13; XIV 3, 8. 5, 5. Die Schrift wird ins V Ende datiert, Aly X llf., vgl. 265 - 70.
61 Πιτυούσα Paus. II 34, 8 codd.; Arkad. a. O . (vgl. Anm. 63) in einer jungen Handschrift,
aufgrund des Zusammenhangs mit Sicherheit falsch. Πιτύουοα Strabo X I I I 1,18 Variante
neben Πιτυονσσα; St. Byz. 410, 18. 452, 9. 660, 5 Mein, neben Πιτύσνοσα, - Zum
ganzen Cobet, Mnemosyne 1859, 125—29 und Miscellanea critica (1876) 210f.; MeWke
(1861) zu Kall. Hymn. Ap. 91 ( Fick, Beiz. Beitr. 22, 1897, 18f.; Buck, d a ss. Phil. 16,
1921, 375; Hatzidakis, Άκαδημεικό άναγνώσμαχα I3 (Athen 1924} 527f.
ιεκνοίσ(α)α bei Sophokles und Theophrast und Verwandtes 51

Überblick wohl trotz seiner durch den Mangel eines neueren Namen­
lexikons bedingten Zufälligkeit ablesen, daß hier die allgemeine Tendenz
der Koine zur Vereinfachung der Geminaten am Werke war6*. Man muß
sich allerdings fragen, warum eine vulgäre Orthographie, die gegen die
Regeln der Hochsprache verstieß, so sehr gerade bei den Namen auf
-οϋσσα eindringen konnte. Der Grund liegt wohl darin, daß -Ρεντ- außer
bei Dichtern längst aufgehört hatte produktiv zu sein. Bei Verdunkelung
des etymologischen Bewußtseins ist aber oft zu beobachten, daß die
Orthographie unhistorisch, d. h. lautgerecht wird. Parallelen mit Gcmi-
natenvereinfachung wären etwa das häufige έκλησία6* oder Ιλιγμα (> lat.
eligma) - Ιλλειγμα „Latwerge"70, In dem vorgezogenen Akzent der
Handschriften darf man wohl eine sekundäre Anpassung an das Vorbild
der Partizipien auf -ουσα sehen. — O b und seit welcher Zeit diese
Neuerungen auch von Autoren (nicht nur Kopisten) angenommen wurden,
ist ungewiß71*.
Dem Verhalten der geographischen Namen auf -οϋσσα in der
Überlieferung läuft nun das der Appellativa wie τεκνοϋσσα genau parallel,
sowohl was die Tendenz zur Vereinfachung des σ wie auch zur Vorver­
legung des Akzents betrifft (ιεκνοϋσα und τέκνουσα, auch τεκνοϋσσα,
entsprechend παιδούσα und παίδουσα, παιδίουσα, s. oben). Demgemäß
stellt sich auch hier die Frage der richtigen Schreibung bei den antiken
Autoren, die wenigstens für den späten Dio Cassius offen bleiben muß.
Dagegen Sophokles, die Autoren des Corpus Hippocraticum, Theophrast,
Kallimachos müssen analog den gleichaltrigen Inschriften τεκνοϋσσα.

** Zu dieser s, Schwyzer I 230f. und Mayser-Schmoll, Gramm, d. griech. Pap. I* I (1970)


186-91, mit Lit.
" G. Meyer, Griechische Grammatik, *1896, 375.
*« V. Langholf, Ant. Cliss. 40, 1971, 661-67.
71 Neuere Herausgeber korrigieren gewöhnlich zu -οϋσσα außer im Namen der Arginusen,
der meist nur mit o geschrieben wird (wohl infolge der undeutlicheren Etymologie: vom
homerischen άργινόεις, Weiterbildung von *άργιν6ς, Bcchtel Lexil. 55, Risch Wortb.*
154, das in dem Namen des Vorgebirges"Αογινον - so bei Thuk. VIII 34 zu betonen;
bei anderen dafür Ά ργεννον, vgl. unten - noch erhalten ist), obwohl gerade zu diesem
Beispiel Kühner-Blaß I 530 Fußn. 1 auf das Muster Ταχιοΰσσα der attischen Tributlisten
verweisen. Wenn dieselben andererseits .Herodiin' I 270. 11 477 als Gewährsmann für
Άργέννουοαι zitieren (statt Άργεννοϋσοαι, was der vorausgesetzten Ableitung aus
άργεννόεις eigentlich entsprechen würde; dieses Adjektiv - bei Pind. Py, IV 8 nach
Schröders Emendatiori - beruht auf äol. άργεννός, als Name von Votgebiigen’Agyevvov,
Herwerden Lex. luppl.2 195 u.), so ist zu bemerken, daß die betreffenden Partien zu den
Lentzschen Interpolationen aus Meinekos Stephanus gehören, welche allgemein zurück­
gewiesen werden (Schultz RE VIII, 1912, 962; Honigmann ebd. III A, 1929, 2380). -ουοα
mit Slammbetonung (neben ·θνσσα mit Suffixbetonung) schreibt Meineke auch sonst bei
Stephanus (S. 95, Anm. zu Z. 9), was Buck gutheißt, während Fick durchwegs -οϋσσα
für richtig hält (zu beiden s. Anm, 67).
52 Volkmar Schmidt

παιδ(ι)αΰσσα geschrieben haben. Die Abweichungen der Handschriften


hiervon erklären sich als orthographische Varianten der späteren Zeit sehr
leicht. Brunck ist damit auf ganzer Linie bestätigt.

111

Noch in einem anderen Fall hat die erwähnte byzantinische Schreib- und
Betonungsweise Verwirrung hervorgerufen. Dioskurides» De mat. med.
IV 165 behandelt in seinem Pflanzenkatalog eine Wolfsmilchart
πιτύουσα72. So jedenfalls nach Weltmann (II 314,1); und auf dieser
Lesung beruht die Etymologie, die Ström berg73 von dem W ort gibt;
„Daß πιτύουσα . . . zu πίτυς ,Pinus* gehört, ist offensichtlich. Der
Grund des Namens ist, daß die Blätter den Nadeln ähneln: φυλλαρίοις
όξέσι καί λεπτοΐς κατειλημμένον, έμφερέσι τοίς τής πίτυος κτλ., man
vergleiche zur Bildung Pflanzennamen wie σφζουσα . . . φέρβουσα . . .
άπολύουσα . . . Das eigentümliche mit πιτύουσα ist aber, daß wir kein
Verbum *πιτυω belegt haben. Ich glaube trotzdem, daß man das W ort in
diesem Zusammenhang betrachten muß. Während man z. B. μεθύουσα:
μεθύω: μέθυ hatte . . . bezog man πιτύουσα ohne das Zwischenglied direkt
auf πίτυς“ . Die beiden etymologischen Wörterbücher von Frisk74 und
Chancraine75 verweisen lediglich auf Strömberg. Mir scheint aber zu
Bedenken Anlaß zu sein. Erstens ist die Annahme eines solchen durch
Analogie entstandenen Pseudo-Partizips ohne Stütze durch Parallelen
ziemlich gewagt. Zweitens ist auch die Bezeugung des Pflanzennamens
bei Dioskurides nicht einhellig. Es begegnen nämlich sowohl in der
direkten Überlieferung wie in der indirekten bei Oribasius, Coli. ΧΪΙ
T 11 (II I51,22R.) auch Formen mit σσ75\ verschieden betont als
πιτύουσσα oder πιτυούσσα; daneben bei Oribasius auch πιτυούσα.
Dasselbe Schwanken finden wir an den übrigen Stellen, wo das W ort vor­
kommt: ebenfalls πιτύουσα bietet die Nebenüberlieferung des Paul. Aeg.
VII 3 (II 252,19 Hbg.) zu Galen, De simpl. VIII 24 (wo Kühn XII 103
πιτυούσα schreibt, über die Lesung der Handschriften aber nichts
bekannt ist), während für Rufus bei Orib. Coli. VII 26,59 (I 234,10 R.)

11 Zum Botanischen auch Plin. Nat. hist. XXIV 31 mit dem Kommentar von Andre (in
seiner Ausgabe, Paris 1972, 105) und A. Camoy, Dictionnatre etymologique des noms
grecs de plantes, Louvain 19S9, 219.
T1 Griechische Pflanaennamen, Göteborg 1940, 43.
74 Griech. etym. Wörterb. II 54«.
75 D ia. etym. de la langue grecque III 908,
,p Dies wird von Frisk a. O. immerhin erwähnt.
τεκνοθο(σ)α bei Sophokles und Theophrast und Verwandtes 53

πιτυούσσης bezeugt wird74. Dieses charakteristische Verhalten der Hand­


schriften, das in allen Einzelheiten zu den Beobachtungen beim Insel­
namen Πιτυοϋσσα stimmt (s. Anm. 67), deutet auf ein damit formal
identisches Adjektiv πιτυοϋσσα, welches z. B. Liddell-Scott-Jones
ansetzen und Stephanus im Thesaurus (VI 1131 D s. v. Πιτυόεις) folgen­
dermaßen erklärt: „Rursum Πιτυοϋσσα, species Tithymalli, cujus folia
sunt έμφερή χοΐς τής πίτυος, ut inter alia tradit Diosc. 4,166. Ubi
πιτυόεις et πιτυόεσσα non amplius significat Pinis abundans, Pinei fruticis
ferax, sed Pini speciem gerens. Pinum forma s. figura sua repraesentans“ *
Die hier vorausgesetzte Bedeutung des -Fevt-Suffixes „die Gestalt von
etwas habend“ ist tatsächlich - wenn auch selten - zu belegen: πλακοϋς
„en forme de plaque“ *77, >Ιχνούσσα „Sardinien, weil in seinen Umrissen
(als Kartenbild!) ähnlich einem ίχνος“ 78, Τραπεζοϋς „Tafelberg“ (in der
taurischen Chersones)79, κυκλόεις „circular“ Soph.80, τροχόεις „rund"
Kall.81; σκινόαψόν λυρόεντα Theopomp v. Kolophon bei Ath. 183 a. Die
engsten Parallelen bietet Nikander, der in άμαρακόεσσα χαίτη Ther. 503,
φύλλα κισσήεντα ebd. 51082 Pflanzen ebenso durch Vergleich mit
anderen beschreibt, wie ihn auch πιτυοϋσσα zum Ausdruck bringt.
Wegen seines (ursprünglichen) oo muß dieses, wie ja häufig Pflanzen­
namen, ein Dialektwort sein.

78 Entsprechende Formen werden in 2 wei anderen Stellen des Rufus durch Konjektur her-
gestellt, Orib. VH 26, 58 u. 37 (I 234, 7 u. 232, 14 R.).
77 Lejeune, REA 60, 1958, 6.
78 Fick, B a z . Beitr. 22, 1897, 18. 26; vgl. Georg Fuchs, Geographische Bilder in griechi­
schen Ortsnamen, Diss. Erlangen 1932, 132 f.
78 Fkk, Bczz. Beitr. 21, 1896, 243; Fuchs a. O . 112f. Ebenso ist wohl auch Τραηεζοΰς
als Name von Städten zu verstehen, ursprünglich (Gelände) „in Form eines Tischs“ , d. h.
einer Hochfläche, s. Fick, Bezz. Beitr. 23, 1897, 195 und Fuchs a. O .; zu den nunen-
gebenden geographischen Verhältnissen der Stadt am Pontus jetzt noch E.Janssens,
Trebizonde en Colchide, Brüssel 1969, 22f, (unentschieden Rüge RE VI A, 1937, 2221).
Ohne Beleg bleibt die Vermutung von Leumann, Hom. Wörter 301: τράπεζα im Städte­
namen Trapezunt „ein Tier oder eine Pflanze?“ , genauer „Vierfüßler“ , etwa „Molch,
Salamander, Eidechse" nach Risch, Mus. Helv. 22,1965, 197 A. 15, mit Beispielen dieser
Bedeutungsentwicklung aus dem Romanischen (Dialcktfoimai, die auf dem ins
Femininum überführten Neutrum plur. ^quattuorpedta, Erneuerung des alten quadrupedia
[Neue-Wagener II 122], beruhen); aber im Griechischen zeigt nicht einmal τά τετράποδα
eine solche Spezialisierung.
80 Buck-Petersen, Reverse Index 460.
81 Vgl. Rüdiger Schmitt, Die Nominalbildung in den Dichtungen des Kallimachos von
K yrene, W iesbaden 1970, 60 Λ. 15.
81 Zu den beiden Stellen s. A. Bartalucci, Studi dass, e Orient. 12, 1963, 123. 128.
RUDOLF KASSEL

Aristophanisches bei Libanius


Die Neubearbeitung der griechischen Komikerfragmente1 gibt mehr als
einmal Anlaß, den Jubilar um seine ebenso ausgebreitete wie tiefgreifende
Kenntnis der spätgriechischen Literatur zu beneiden. Ein Trost ist freilich,
daß es nicht gerade schwerfällt, auf diesem Felde über die Sachkenntnis
von Vorgängern wie Kock und Edmonds hinauszukommen. Wieviel
Ικκόπρωσις deren Umgang mit den zitierenden Autoren hier nötig
macht, mag ein Beispiel illustrieren.
Niemand muß sich mehr den Kopf darüber zerbrechen, warum die
athenischen Preisrichter die Wolken nicht besser abschneiden ließen, wenn
wirklich in dem aufgeführten Stück so schlechte Verse standen, wie man
sie bei Edmonds als fr. 378A liest2: Liban. I. 8 3 .1 3 R [π. Πρίσκου]· α ίθ έ
συνουσίαι λόγους τε ήμΐν τους ύ π ίρ λόγων είχαν και έπαίνσυς τών eh
πραττομένων έκείνφ καί μέμψεις τών ώλιγωρημένων. ήτουν bk ούδέν,
οίι τών έν θησαυροϊς, ούκ οικίαν, ob γην, ούκ άρχάς* καί τό τού
Ά ριστοφ άνους
λόγος (γά ρ ) ήν
ούκ Ιών κακόν ιό ν ο ύ (χί) τοιοΰτον δοκείν.
Was der Zusatz π. Πρίσκου bei diesem Zitat aus der Autobiographie des
Libanius (or. 1,125) soll, erfahren wir aus der englischen Übersetzung:
My conversationi with Priscus. . . Es handelt sich aber um Unterhaltungen
des Libanius mit Julian, die der zuvor (123) genannte Priscus lediglich
vermittelt hat. Um einen Platz im Stück ist Edmonds für diese anderthalb
Verse nicht verlegen: perh. ref. to tbe contest between the Just and Unjust
Logics, corresponding to U. 889f f o f our Clouds; i f so, the latter passage

1 Uber die Anlage unserer auf neun Bände geplanten Edition der Poetae Comici Graeci s.
Colin Austin, Com. Graec. Fragen, in papyris reperta. Bin. 1973, X, dazu den Katalog
der Komödiendichter in Zeitschr. f. Pap. u. Epigr. 14 (1974) 201-225, Die Vorarbeiten
sind jetzt so weit vorangekommen, daß wir bald einen ersten Band herauszubringen
hoffen; es wird der in der Numerierung vierte sein, dar vor allem die Fragmente des
Aristophanes und Kratinos enthält. Zu Aristophanes s. in der genannten Zeitschrift 25
(1977) 54 - 94.
1 The Fragments of Attic Comedy 1, Leiden 1957, 680.
Aristophanisches bei Libanius 55

was substitutcd in the second Version fo r something similar in the first usw.
So weit wollte Kock nicht gehen, dem Edmonds das Bruchstück verdankt.
Bei Kock gehört es zu den Fragmenten άδηλων δραμάτων, unter die es sich
erst in den im dritten Band gedruckten Zusätzen als N r, 594 b einge­
schlichen hat3: Liban. / 83, 15R. fjrouv δ έ ο ύ δ έ ν . . . ούκ οΙκίαν, ού γ η ν . . .
και τδ τοΰ Ά ριστοφ άνους λόγος ήν ούκ έών κακόν τον τοιοΰτον δοκεΐν
.sermones nostri contexebantur e praeceptis sapientiae, quae non paterentur
malos rumores de eo exire, qui tantis virtutibus tantam fam am sibi
peperisset, h. e. de luUano‘. quamquam facile est trimetrorum reliquias
restituere (λόγος, / 5ς τόν τοιοΰτον ούκ έ<? κακόν δοκεΐν), ea verba neque
Aristophanis esse praestiterim neque omnino satis intellego. Die von Kock in
Anführungszeichen gesetzte Paraphrase ist wörtlich Reiskes Ausgabe ent­
nommen4. Kocks eigene Worte zeigen jedoch, daß ihm bei der Sache gar
nicht wohl war. Kein W under; dieser Aristophanes ist nicht der Komiker,
wie Reiske annahm5, sondern der korinthische Freund des Libanius, dem
der Kaiser unter dem Eindruck einer von Libanius gehaltenen Rede eine
Wohltat zukommen ließ. Dies hätte Kock aus einer schon zwanzig Jahre
vor seinem dritten Band erschienenen wohldokumentierten Lebensbeschrei­
bung des Libanius erfahren können6, deren Verfasser die richtige Identifi­
zierung durch eine schlagende Parallele aus einem Brief des Redners an
Julian jedem Zweifel entrückt7*: ούδ εστιν είπεϊν ώς δραχμή πλουσιώτε-
ρος έκ των βασιλείων έγενόμην , . . το 6fe δσθέν έκεϊνο τό μικρόν
’Αριστοφάνει Ιργον ήν λόγου τινός, ούκ έμή δέησις. Dieser λόγος, der
λόγος ούκ έών κακόν τόν ούβ τοιοΰτον δοκειν, ist unter dem Titel
Π ρόςΊουλιανόν ύπέρ Ά ριστοφάνους erhalten (or. 14). Förster verweist
auf die Rede im Testimonienapparat zu der Stelle der Autobiographie, die
das falsche Aristophanesfragment geliefert hat9, ebenso auf den von Sievers
herangezogenen Brief. Hätte Kai bei seine Comicorum Graecorum Frag­
menta vollenden können, so wäre der von Edmonds gehätschelte
Wechselbalg schon damals spurlos verschwunden. Denn in dem nahezu
druckfertigen Manuskript der Aristophanesfragmente10 ist Kocks N r. 594b

* Comicorum Atticorum Fragmenta III, Bin. 1888 , 724 (Supplementa vol. I).
4 Libani■sophistae orationes et declamationes I (Altenburg 1791) 84,
* Er gibt Tb toO Άριστκχράνους mit ut älo Aristophanis nur wieder (p. 83).
6 J. R Sievers, Das l eben des Libanius, Bin, 1868, 934i, vgl. 97.
T Epist. 1039 ■* 1154,3 Förster (XI p. 245, in etwas anderer Textfassung, worauf in unserem
Zusammenhang nichts ankommt).
* Die von einer Handschrift daxgebotene und auch in der Morelliana gedruckte Negation
hat Reiske entfernt, Förster (s. nächste Anmerkung) wieder in den Text eingesetzt.
9 Libanii opera I (1903) p. 143,2.
10 Kaibels nachgelassene Aufzeichnungen zu den Komikerfragmenten sind mir von K. Gaiser
übergeben worden (C. Austin a. Ο . IX1*); für sein großzügiges Entgegenkommen danke
ich ihm auch an dieser Stelle sehr herzlich.
56 Rudolf Kassel

stillschweigend weggelassen; Kaibel erwähnt sie nicht einmal in einer am


Schluß gegebenen Zusammenstellung vermeintlicher Aristophanesfrag-
mente, die mit den Worten superest u t ea breviter enumerem quae cautum
velim ne quis in hac Aristophanis reliquiarum collectione desideret beginnt.
Offenbar war ihm der wahre Sachverhalt so selbstverständlich, daß er es
nicht für nötig hielt, ein W ort darüber z u verlieren.
H at Libanius überhaupt aristophanische Stücke gekannt, die uns verloren
sind? Wenn wir Wilhelm Schmids Literaturgeschichte glauben, ist die
Sache ohne weiteres klar11: „Libanios hatte noch mehr als die uns erhalte­
nen 11 Stücke (J. Malchin, De Choricii Gazaei veterum scriptorum Grae­
corum studiis, Diss. Kiel 1884, 63).“ D ort liest man in der Tat den Satz
Operum deperditorum Libanius magnum numerum cognovit, aber falls in
den etwas mißverständlich plazierten Worten überhaupt Aristophanes
eingeschlossen ist, so gibt doch Malchin keinen einzigen Beleg einer
solchen Kenntnis. M usten man die von Malchins Lehrer Förster im
Testimonienapparat gegebenen Hinweise auf verlorene Aristophanesko-
mödien durch, so wird man mit einer, wie sich zeigen wird fraglichen
Ausnahme nichts finden, was die von Schmid aufgestellte Behauptung
rechtfertigen könnte, χρυσός Κολοφώνιος (I p. 519,15) und άνθ’
Έ ρμίω νος (X p. 35,15) sind sprichwönlich, die Vokabeln έλλόβιον (VII
p .5 9 ,5 )12 und δυσγάργαλις (X p. 217,17) auch anderweitig belegt. Der
Vergleich mit den κηλώνεια VI p. 563,2 hat sich als Reminiszenz aus
Mcnanders Dyskolos (v. 536) herausgestellt. Warum Förster zu I p. 128,6
einen Vers aus dem Gerytades zitiert, ist mir dunkel; mehr Übereinstim­
mung als in dem Gebrauch des Wortes οΐχήσεται ist nicht zu entdecken.
Den langen Katalog der θηλυδρ(αι und Päderasten in der Rede pro salta­
toribus (IV p. 473), der beweisen soll, daß vor dem Aufkommen des
angeblich sittenverderbenden Pantomimus auch nicht alle ein Leben von
Priestern und Propheten fühnen, hat Libanius natürlich nicht aus den
Originalquellen zusammengesucht13. So bleibt als auffallende Singularität
eine Briefstelle übrig, die seit Dindorfs erster Bearbeitung der Aristo-
phanesfragmente14 auf den Aiolosikon bezogen wird: φρονεί μέν μεΐζον
Ά λκιβιάόου, ποιεί δέ τά Σίκωνος. 6 τι 6έ οίιτος έδρα, τόν Ά ριστο-
φάνην έρου13. Aiolosikon wird nach Analogie von' Η ρακλειοξανθίας16,

11 I 4 (1946) 457*.
“ Förster, PhUol. 76(1920) 349-351.
w Vgl. J. Mesk, W. St. 30 (1908) 73.
M Aristophanis fragm. ex rec. G. Dindorfii, Lpz. 1829, 81. Dindorf folgte einem Hinweis
von Toup.
»* Epist. 506,4 (X p, 482,14) Förster.
“ Frösche 499.
Aristophanisches bei Libanius 57

Σφιγγοκαρίω ν17, Ό ρεσταυτοκλείδης18 und Ίκαρομένιππος ,Sikon in


der Rolle des Aiolos“ bedeuten. Daß die Tragödie Aiolos, gewiß die
euripideische, im Aiolosikon verspottet wurde« bezeugt Placonios19. Sikon
ist in den Ekklesiazusen ein Sklavenname (867). Der Koch des Dyskolos
heißt so vielleicht nach dem Sikon, der von Sosipater als Archeget der
höheren Kochkunst gefeiert wird20. Daß dieser Sikon im Aiolosikon
steckt, wiid meist angenommen21. Aber wie ist die Ltbaniusstelle des
näheren zu verstehen? Die Editoren der Aristophanesfragmente schweigen
sich darüber aus22 oder begnügen sich mit vagen Andeutungen23*. Förster
verweist auf seinen Aufsatz im Hermes 12 (1877), wo er Themist. or.
34,17 verglichen hatte (S. 211). Dort heißt es xö και τοΐς χρήσασθαι
δεηθεΐαι δούναι δωρεάν . . . τίνα Ά λκιβιάδην ούχ υπερβαίνει; τίνα
Σίκωνα ούκ άποφαίνει Σμικρίνην; So die einzige Handschrift, aber die
Herausgeber schreiben mit Recht Κίμωνα statt Σίκωνα, denn Meinekes
Verteidigung des überlieferten Namens als einer Figur aus der Neuen
Komödie, hominis Uberalker prodigi74, scheiten daran, daß Themistius die
Freigebigkeit des Kaisens Theodosius preisen will, wozu neben Alkibiades
der ebenso berühmte Kimon, aber nicht ein obskurer Sikon eine würdige
Vergleichsfigur abgeben konnte. Um so größer ist der Kontrast zu dem no­
torischen Filz Smikrines. Jedenfalls kann dieser Passus nichts für den Sikon
des Libanius lehren. Ja ich fürchte, daß dessen Existenz hei Libanius nicht
sicherer gegründet ist als bei Themistius. Die Person, die in dem Brief mit
Alkibiades und ,Sikon* verglichen wird, ist ein Onkel des Adressaten, eines
Schülers und Freundes des Libanius, Andronikos. Von dem Onkel, der ein
hohes Amt bekleidete und von Seeck mit dem Comes Orientis Nebridius
identifiziert worden ist25*, heißt es in einem wenig später geschriebenen
17 Titel de» Eubulos, II p. 201 Kock.
'· Titel des Timokles, II p. 462 Kock,
i» Proleg. de com. 128 p. 4 Koster.
20 Fr. 1,14 (III p. 315) Kock. Handley zu Dyskolos 889.
11 Zuerst von G. H. Grauen, Rh, Mus. 2 (1828), 60. Kaibel (ms.) blieb skeptisch.
22 Dindorf, Kock. Blaydes, Kaibel (ms.).
23 Bergk bei Meineke, Fr. Com. Gr. II 2 (1840) 943. Er scheint einen Zusammenhang mit
der von ihm als Hauptinhalt des Stückes vermuteten Kritik am luxuriösen Leben der
Athener nach dem peloponnesischen Krieg anzunehmen. Wie schnell man mit Spekula­
tionen solcher Art im Bodenkue geraten kann, zeigt das Beispiel Th. Zidinskis (Die
Märchenkomödie in Athen, St. Petersburg 1885, 37ff., 69ff.). Er glaubt das Verhältnis
des Aiolosikon zur Aiolossage mit Hilfe der Libaniusstelle so bestimmen zu können, „daß
bei Aristophanes Sikon selbst einen Incest mit der entsprechenden Kanake unterhielt oder
unterhalten wollte, also mit seiner eigenen Tochter“ (S, 38), und unternimmt es dann in
halsbrecherischen Kombinationen, die ganze Geschichte nach Analogie eines Märchens zu
rekonstruieren.
« Fr. Com. Gr. III 264.
25 O. Seeck, Die Briefe des Libanius zeitlich geordnet, Lpz. 1906, 73. Vgl. W. Enßlin, RE
Suppi. VII (1940) 549.
58 Rudolf Kassel

Brief an Andronikos26: δύναται δέ πολλά καί πλουτεΐ' τδ δ δθεν, Ισιε,


mit ähnlicher Verschweigung wie in ö τι öfe ούχος έδρα, xöv Ά ριστοφάνην
έροΰ. Einige Sätze weiter wird Libanius deutlicher (§4); πανταχόθεν
άρπάζει. Wenn wir uns nun entschließen, Sikon in den aus den Wolken
bekannten άρπαξ τών δημοσίων Simon zu verwandeln27*, wobei uns paläo*
graphisch nichts im Wege steht als der oft genug kaum wahrnehmbare
Unterschied von κ und μ, so gewinnen wir in diesem sprichwörtlich ge*
wordenen Raffer38 einen gewiß nicht übel passenden Gegensatz zu dem
bis zur Verschwendung freigebigen Alkibiades29. Ich will diese Ver­
mutung nicht als sichere Emendation ausgeben, meine aber, daß ihr außer
dem Gesagten noch ein weiterer Umstand zur Empfehlung dient. Mit
Sikon, dessen Gegensatz zu Alkibiades dunkel bleibt, hätten wir die wie
gesagt einzige Erwähnung einer uns nicht erhaltenen aristophanischen
Komödie in dem gesamten umfänglichen Werk des Libanius, und δ τι δέ
ούτος έδρα, τδν Ά ριστοφάνην έροϋ müßte als ziemliche Zumutung an
Andronikos erscheinen* Der Aufforderung, sich an die Wolken zu
erinnern, konnte er dagegen leicht nachkommen; das war die Lieblings­
komödie seines Lehrers Libanius30.

** Epm. 515,1 (X p. 489,10) Förster.


12 551 (vgl. die Scholien) und 199.
2® Suda σ 447 Σίμωνος άρπακζικώτερος.
29 Ähnlich verwendet den Alkibiades Themisüus an der im Text zitierten Stelle. Vgl. Hugo
Schneider. Die 34. Rede des Themistios, Winterthur 1966, 130. Zu φρονεί μείζον
’Αλκιβιάδου verweist Förster auf die Midiana des Demosthenes, or. 21,143. Vgl. noch
Φφβνήμαη in der ersten Einführung des Alkibiades bei Thukydtdes, V 43,2; Xen. mem.
1 2,25 (Kritias und Alkibiades) ώγκωμένω μέν έηΐ γένει, Ιηηρμένω 0' έπί χλούτω,
Ael. ν. h. III 28 τετοφωμένον fort τφ πλούτφ καί μέγα φροΥΟϋντα foti τη περιουσίά,
vor allem bei Libanius selbst decl. 12 (Ημών (ρών 'Αλκιβιάδου έαυτδν προσαγγέλλει,
V ρ. 529 Förster), 29 p. 551,7 μείζω Περικλίους Αξιών φρονεϊν, dazu 28 p. 550, 12-16;
51 ρ. 563,5; decl. 1,137 (apol. Socr., V p. 91,14f.).
M Förster, Herrn. 12 (1877) 214.
WINFRIED BUHLER

Tendenzen nachdemosthenischer Bearbeitung der


3. Philippischen Rede des Demosthenes
Zu den Hauptproblemen der Demosthenesüberlieferung gehört die Frage
nach dem Verhältnis der Handschrift S (Parisinus 2934, s. xm) zu den
übrigen Handschriften, repräsentiert durch F (Venetus Marcianus 416, s. x
vel xi“ ·), Y (Parisinus 2935, s. xi) und A (Monacensis 485, s. xi)1. S ist die
älteste Handschrift12 und bietet durchweg einen knapperen, mitunter
schwerer lesbaren Text, während der der Vulgata abgerundeter und
leichter verständlich ist. Man hat daher $, seit seiner Entdeckung durch
Bekker, nach dem Prinzip der lectio difficilior grundsätzlich den Vorzug
gegeben, ohne ihm in allem sklavisch zu folgen3. In letzter Zeit sind
jedoch Stimmen laut geworden, die vor einer Überschätzung von S
warnen. Exponent dieser Richtung ist H. Erbse, der in seinem kenntnis­
reichen und wertvollen Überblick über die Überlieferung der klassischen
und hellenistischen Literatur sagt4: „O ft ist nicht der knappere, kompak­
tere Text demosthenisch, sondern die vollere und auch wuchtigere Formu­
lierung der Vulgata“ (mit weitreichenden textgeschichtlichen Folgerun­
gen)5. Die Begründung, die Erbse dort nicht geben konnte, hat für ihn
D. Inner in seiner im gleichen Jahr erschienenen, von Erbse betreuten
Hamburger Dissertation Zum Primat des Codex S in der Demostheneskritik

1 AUe Angaben über die Handschriften nach der tditio rmior von C. Fuhr (Demosthenis
orationes, 1, Lipsiae 1914). Der Laurentianus conv. soppr. 136, s. xiii, der weitgehend mit
S übereinitimmt, ist entweder eine ZwiUingshandschrift oder eine Kopie von S; seine
Lesarten werden, in Übereinstimmung mit Fuhr, nicht besonders angeführt. Zur Über­
lieferung vgl, zuletzt D. Inner, Beobachtungen zur Demosthenesüberlieferung, Philol.
112, 1968, 43ff., deni., Zur Genealogie der jüngeren Demostheneshandschriftcn, Ham­
burg 1972 (Hamburger Philologische Studien 20).
* Der zeitliche Vorsprung vor der Zweitältesten, F, beträgt jedoch im Höchstfall 100 Jahre,
* Vgl. das abgewogene Urteil von S. H. Butcher, Demosthenis orationes, I, Oxonii 1903,
praef. ix- Zeitweise haue man sich allerdings zu stark an S geklammert.
4 Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur (Simmel-
band), 1, Zürich 1961, 263.
* Ähnlich kurz vorher: . . kann man nicht sehen nach weisen, daß die Vulgata dem Text S
gleichberechtigt, sehr oft sogar überlegen ist.“
60 Winfried Bühter

(1961, maschinensch r, vervielfältigt) durch eine Untersuchung einer


größeren Anzahl von Einzelstellen zu liefern versucht, mit dem Ergebnis,
daß aus dem ,oft' von Erbse ein ,meist' bzw., bezogen auf die unter­
suchten Stellen, ein ,fast immer* wurde6.
Als Musterfall für derartige Analysen nennt Erbse die 3. Phiiippische
Rede. In der Tat treten die Diskrepanzen dort nicht nur gehäuft auf,
sondern sie erstrecken sich - im Gegensatz zu den anderen Reden - auch
auf ganze Satzglieder und gelegentlich sogar auf noch größere Abschnitte.
Dies hat freilich schon in der Vergangenheit zu einer Sondereinschätzung
der Überlieferung dieser Rede geführt. Da man sich scheute, die größeren
Pluspartien Demosthenes abzusprechen, hat man seit langem zur H ypo­
these einer Autoren-Doppelfassung Zuflucht genommen, wobei nur
unklar blieb, ob die kürzere oder die längere Fassung am Anfang stand.
Konsequenterweise werden in den maßgebenden Ausgaben7*die größeren
Überschüsse der Vulgata en petit gedruckt (nicht jedoch die kleineren®).
Doch läßt Inner einen solchen Unterschied zwischen größeren und
kleineren Abweichungen nicht gelten und unterwirft alle der gleichen
Betrachtungsweise; auch Erbse sieht in der 3. Philippischen Rede einen
Paradefall, dessen Beurteilung er auf die übrigen Reden ausweitet.
Im folgenden soll nun eine repräsentative Auswahl von Stellen der
3. Philippischen Rede erneut daraufhin untersucht werden, ob der kürzere
W ortlaut von S oder die breiteren Formulierungen der Vulgata mehr
Anspruch darauf haben, von Demosthenes zu stammen. Nachdem das
Vertrauen in S durch Erbse und Inner in Frage gestellt worden ist, scheint
eine solche retractatio geboten: es kann uns schließlich nicht gleichgültig
sein, wie Demosthenes sich in seiner 3. Rede gegen Philipp, einem
Höhepunkt seiner Redekunst, im einzelnen ausdrückt. D er durch die
Überlieferung auferlegte Zwang, durch Vergleich zweier Formulierungen
den echten W ortlaut zu ermitteln, bietet zugleich die Chance, einen
tieferen Einblick in den Stil des Demosthenes zu gewinnen.

6 Für die Reden in Zivilprozessen behauptet L. Gemet, Demosthene, Plaidoy e n civils, 1,


Paris 1954, 18 eine Supcriorität von Λ gegenüber S. Ob hier ein Wechsel stattgefunden
hat, lasse ich offen.
7 Die A. 1 und 3 genannten von Fuhr und Butcher; ähnlich schon F. Blass, Demosthenis
orationes ex recensione G- Dindorfii, ed. quarta correctior, 1, Lipsiae 1903. Vgl. auch
Demosthene, Har angues, 2, texte etabli et traduit par M. Croiset, Paris 1925.
* Mit der (ungerechtfertigten) Ausnahme von $ 40 πρόσοδοι (YF, πρόσοδος A und s. I. F:
om. S und pap. Fayum [s. Λ. 45]). Das Wort ist übrigens verdächtig, da die umgebenden
Substantive πλήθος und άφθονία Afengenbegriffe sind, was auf πρόαοδοι/ος nicht
zutrifft.
Tendenzen nachdemosthenischer Bearbeitung der 3. Philippischen Rede des Demosthenes 61

Die Frage der Doppelfassung muß bei den größeren Abweichungen im


Textbestand miterörtert werden (für die kleineren hat sie bisher noch
niemand erwogen). Sollten sich dabei jedoch ähnliche Tendenzen wie bei
den kleineren Zusätzen zeigen, die nicht auf Demosthenes selbst
zurückgeführt werden können, ist dort ebenfalls mit einer späteren Über­
arbeitung - nur eben in größerem Stil - zu rechnen.
Im übrigen verteilen sich die Diskrepanzen nicht immer reinlich auf S und
die übrigen Handschriften (zu denen meist die jüngere Hand von S hinzu­
kommt), sondern es geht mehrfach die eine oder andere ,Vulgatahand-
schrift* mit S; das gilt vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, für die
kleineren Abweichungen, Da jedoch kein prinzipieller Unterschied zu
erkennen ist, werden alle Fälle gleich behandelt. Die Folgerungen für die
recensio liegen auf der Hand, sollen uns aber hier nicht beschäftigen.
Maßgebende Kriterien für die Beurteilung sind der Sprachgebrauch des
Demosthenes9 sowie der jeweilige Zusammenhang. Neben den Unter­
suchungen von Inner werden vor allem die Kommentare von Weil und
Rehdantz-Blass101herangezogen, in denen sich zu einer Anzahl von Stellen
gute Bemerkungen finden11. Trotzdem bleibt noch viel zu tun: die
Argumente sind noch längst nicht ausgeschöpft, viele Stellen bisher noch
gar nicht in eine systematische Betrachtung einbezogen worden. Wenn es
gelingen sollte, einige Punkte definitiv zu klären, in anderen die bisherige
Argumentation zu verstärken und darüber hinaus Gesichtspunkte zu ge­
winnen, die eine einheitliche Gesamtdeutung nahelegen, würde man in der
schwierigen Frage vielleicht einen Schritt weiterkommen.
Mit Sicherheit läßt sich über den Zusatz der Vulgatahandschriften §34
entscheiden: o{s Κορι,νθίων fejf Ά μ β ρ α κ ία ν Ιλήλ,υθε καί Λευκάδα; ούκ
Α χα ιώ ν Ναύπακτον ά φ ε λ ό μ ε ν ο ς όμώμοκεν Αίτωλοις παραδώσειν;
Das von FAY und dem Pap. Michigan 91812 gebotene, von S ausgelassene

9 Die wichtigsten Hilfsmittel zu seiner Erfassung sind S. Preuss, Index Demosthenicus,


Lipsiae 1892 {Hildesheim 1963) und die beiden Indices der erklärenden Ausgabe von
Rehdantz-Blass (Demosthenes* neun Philippische Reden, erklärt von C. Rehdantz, 2 , 2,
4. Aufl. besorgt von F. Blass, Leipzig 1886 [Hildesheim- New York 1973]).
10 Les har angues de Demosdiene, texte grec avec un commentaire emique et explicatif par
H. Weil, Paris 1912 (Hildesheim-New York 1973) und Demosthenes, Neun Philippische
Reden, erklärt von C. Rehdantz, 2 ,1 , 6- Aufl. besorgt von F. Blass, Leipzig-Berlin 19®
(Hildesheim—New York 1973).
11 Weitere Literatur bei Inner 4 ff. Zuletzt hat einige textkritische Fragen L. Canfora im
Anhang zu seiner italienischen Übersetzung der 3. Philippischen Rede (Demostene,
Discorso all’assemblea per ambascerie in Asia e in Grecia, Bari 1971) 29ff. besprochen
(auf Canforas phantastische Rekonstruktion der Rede kann ich hier nicht cingchen).
« Ed.}. G. Winter, CLass. Philol, 20, 1925, 97ff. (4. Jh. n. Chr., enthält SS 2 9 - Anfang 35,
61-68; in den o. genannten Ausgaben noch nicht berücksichtigt).
62 Winfried Buhler

άφελό μένος ist nur sinnvoll, wenn Philipp das Versprechen nach der
Eroberung gab. Irmer, der dies S. 173 richtig betont, fährt freilich fort:
„Sachlich läßt sich gegen den VuJgatatext nichts einwenden" - gerade als
ob das Datum der Eroberung von Naupaktos durch Philipp unbekannt
wäre! Es besteht Einigkeit unter den Historikern, daß die Stadt erst 338 in
Philipps Hand fiel13. Da die 3. Philippische Rede im Jahr 341 gehalten
worden ist, handelt es sich eindeutig um einen unzutreffenden Zusatz14*,
dessen Ursache auch noch klar erkennbar ist: der (in Wirklichkeit von
Ν αύπακτον abhängige) Genetiv *Α χαιών schien frei zu schweben und
sollte an einem Verb verankert werden19; dafür bot sich das folgende
άφήρηται an.
N ur selten ist die Entscheidung so einfach16. Ein weiterer — allgemein
anerkannter - Fall liegt vor §45: (im Zusammenhang mit Arthmios, der
die Peloponnesier mit persischem Geld bestach) έκόλαζον δ’ ούτω και
έτιμωροϋνθ’ ους17*αισθοιντο δ ω ρ ο δ ο κ ο ν ν τ α ς (FAY: om. S), ώστε
και στηλίτας ποιεΐν. Da δωροδοκεϊν in der Bedeutung «bestechen' un­
klassisch ist (frühester Beleg bei LSJ s. v. ii ist Diod. 13,64,6) und bei
Demosthenes stets ,sich bestechen lassen' bedeutet (9,37.39, weitere 17
[18] Belege), w a s a u f Arthmios nicht paßt, muß das W ort interpoliert sein
(Weil, LSJ 1. c .ie). Uns interessiert hier vor allem der G rund für die Ein­
fügung: offenbar stieß sich ein Grammatiker an der Knappheit des Aus­
drucks ούς αισθοιντο - zu dem aus dem vorhergehenden Satz δια-
φθείροντας zu ergänzen ist - und suchte dem Verständnis durch Vervoll­
ständigung nachzuhelfen.
Ein ähnlicher Grund dürfte zu einer Erweiterung in §44 geführt haben: S
(und Harpocration p. 39, 10 B.) bietet t£ γάρ τφ Ζελείτη (d. h. Arthmios
aus Zeleia), τών Α θηναίω ν κοινών εΐ μή μεθέξειν Ιμελλεν; Dafür haben
FAY (und S von jüngerer Hand) f l γάρ τφ Ζελείτη το ΰ τ' Ιμ ε λ ε ν ,
εί τών Άθήνησι κοινών μή μεθ. Ein Pedant konnte im Hauptsatz das

13 Vgl. F. R. Wüst, Philipp II. von Makedonien und Griechenland in den Jahren von 346
bis 338, München 1938 (Münchener Historische Abhandlungen 1, 14), 164 mit weiterer
Literatur, Jacoby zu Theopomp (FgrHist 115} F235; zuerst A. Schiefer, Demosthenes
und seine Zeit, *2, Leipzig 1856, 515'.
14 Die Bezeugung der falschen Lesart durch den Pap. Michigan braucht nicht zu verwun­
dern: Lesarten der Vulgatfassungen finden sich schon bei Dionys v. Hai. (vgl. auch am
Schluß des Aufsatzes).
,s Trotz des parallelen Κορινθίων έπ* Άμβρακίαν.
16 Ein ebenso eindeutiger, aber ziemlich mechanischer Fehler ist $ 42 das Eindringen der
Worte ούκ Ά θή να ξΐ (FA, in Y nur am Rand) ins Arthmiosdekret aus § 43.
tr σ$ς άν FA.
** Irmer hat die Stelle nicht behandelt.
Tendenzen nichdemosthenischer Bearbeitung der 3, Philippischen Rede des Demosthenes 63

Verb vermissen (zu ergänzen natürlich ήν19), obwohl Demosthenes zwei


weitere Beispiele für τί c. dat. ohne Kopula aufweist (20,20 und 54,27,
vgl. Rehdantz-Blass): er setzte kurzerhand έμελεν ein (aus §45?). Doch
damit nicht genug: auch die etwas gewaltsame, aber keineswegs un-
demosthenische Voranstellung von των 'Αθηναίων κοινών wurde nor­
malisiert und das neben dem Genetiv κοινών in seiner Substantivfunktion
nicht ganz klare Α θηναίω ν durch Ά θήνησι ersetzt. Damit wurde aber
eine Feinheit des Textes beseitigt: die bewußte Gegenüberstellung der
gegensätzlichen Begriffe τφ Ζελείτη (Bürger von Zeleia) und των
Α θη να ίω ν κοινών (athenisches Bürgerrecht)20.
Erleichterung des Verständnisses durch Einfügen von Worten liegt auch
§ 48 vor: πρώτον μέν γαρ άκούω Λακεδαιμονίους τότε και πάντας τους
άλλους21 τέτταρας μήνας ή πέντε, τήν ώραίαν αυτήν, σ τ ρ α τ ε ίιε σ θ α ι
κ α ί τ ο ΐ τ ο ν ι ό ν χ ρ ό ν ο ν (Α, γρ. Υ, in S von jüngerer Hand: om.
SFY1” *) έμβαλόντας &v και κακώσαντας την χώραν όπλίταις καί
πολιτικοϊς στρατευμασιν άναχωρεϊν επ’ οίκου πάλιν. Die gespem
gedruckten Worte sind nicht nur schlecht bezeugt, sondern tragen auch
wegen der müßigen Wiederholung der Zeitangabe den Stempel der Inter­
polation an der Stirn. Anlaß für die Einfügung war zweifellos, daß man
einen zusammenfassenden Begriff ,zu Felde ziehen* vermißte (die Verben
έμβαλόντας, κακώοανιας, άναχωρεϊν heben nur Anfang und Ende sowie
einen Einzelaspekt hervor); ein solcher Begriff scheint auch durch den
Akk. der Ausdehnung τέτταρας μήνας ή πέντε gefordert zu sein. Aber
Demosthenes hat es voigezogen, stellvertretend für die Gesamchandlung
anschauliche Einzelmomente anzuführen, und dadurch für einen unge­
duldigen Leser das Verständnis erschwert. Der Interpolator mußte freilich
nach Einfügung von στρατεύεσθαι die Zeitangabe wiederholen und hat
sich damit verraten.
Ich füge einige weitere Falle von Verdeutlichung durch Hinzusetzen eines
einzelnen Wortes an. (A) §41: . . . δηλωοω, οΰ λόγους έμαυτου λέγων,
άλλα γράμματα των προγόνων των ύμετέρων δ ε ικ ν ύ ω ν (FAY, S von
jüngerer Hand: om. S, Ar ist id. rhet. 1, 27 p. 13, 22 Schm.), άκείνοι κτλ.
Das Verb λέγω bedeutet in der Verbindung mit λόγους .sagen*, in der
Verbindung mit γράμματα — streng genommen — ,zitieren* (vgl. Dem.*10

l* Zu fehlendem ήν vgl. 6, 35,


10 Vgl. Rehdantz-Blass z. St, Dagegen scheint gegen den — als Wortspiel sinnlosen -
Gleich klang ίμελεν - Εμελλζν nichts clnzuwenden zu sein. vgl. 8 , 27, Hermog. id. 2, 5
p. 342, 7 R. und Rehdantz-Blass zu 8, 2? sowie Index 37f. - Inner 125 gibt die Vulgat-
fassung ohne Rechtfertigung.
11 Statt άλλους steht in A, als Variante in PY und in S von jüngerer H and,'Ελληνας. Vgl.
dazu auch u. S. 64.
64 Winfried Bühler

21,8 λέγε τόν νόμον, LSJ s. v. iii 13), Es liegt also ein leichtes Zeugma
vor. Aber ein Pedant konnte daran Anstoß nehmen und hat es getan.
Durch die Einfügung von δεικνύων hat er jedoch der schönen Antithese,
bei der es allein um die Gegenüberstellung der Objekte geht, einen Teil
ihrer Wirkung genommen. Ein solches Füllsel mag zu Isokrates passen,
nicht jedoch zum gedrängteren Stil des Demosthenes. (B) Gleich im
1. Paragraphen liest man in S und zweimal bei Dionys v, Hai. (Demosth.
9 p. 144, 17 U .-R .22, Thuc. 54 p. 415,13) ού μόνον ύμάς, άλλά καί τούς
άλλους άδικεϊ (sc. Philipp), in FAY folgt jedoch auf άλλους noch
"Ελληνας. Inner 108f. führt mit Recht aus, daß mit άλλοι die anderen
Griechen gemeint seien (und mit dem Unrecht die Verletzung des Philo-
kratesfriedens durch Philipp). Aber entscheidend ist doch, ob dies auch
ausdrücklich gesagt werden mußte. Der athenische Bürger in der Volks­
versammlung brauchte eine solche Nachhilfe sicher nicht (vgl. 9,10 εΐπερ
οίς πρός τους άλλους πεποίηκε δεϊ τεκμαίρεσθαι23). Man könnte allen­
falls daran denken, daß Demosthenes das Έ λληνας fü r die Publikation
hinzusetzte. Andererseits findet sich auch 9,48 Έ λλη να ς als Variante (A
und, jeweils γρ., FYSrfC), diesmal stau άλλους (gemeint sind die Bundes­
genossen der Spartaner, das waren aber nicht alle Griechen), in § 32 in A
nach πό λ εις:' Ελληνίδας. Und wer sollte schon Interesse daran gehabt
haben, ein überliefertes "Ελληνας wegzulassen? Dagegen liegt der Grund
für eine nachträgliche Hinzufügung auf der Hand. (C) § 48 heißt es an der
o. ausgeschriebenen Stelle in S κακώσαντας την χώραν; dagegen bieten
FAY ein präzisierendes τήν τών άντιπάλων χώραν. In Wirklichkeit ist
auch dieser Ausdruck noch reichlich allgemein, denn gemeint ist nach dem
Zusammenhang Attika24. Entscheidend ist aber der Sprachgebrauch. Bei
Demosthenes kommt das Wort άντίπαλος nur 5mal vor (8,33; 16,5.31;
23,8.102, immer acc. pl. [doch zweimal im a. c. i.]), davon 4ma! in der
festen Wendung Jemanden zum Gegner haben, jemandes Gegner sein*,
und 8,33 in dem Doppelausdruck τούς έχθρούς καί τούς άντιπάλους.
Aus diesem eingeschränkten Gebrauch fällt die Verwendung an der vor­
liegenden Stelle heraus. Also stammt der Genetiv nicht aus der Feder des
Demosthenes, sondern aus der eines ängstlich um Verdeutlichung
bemühten Bearbeiters. (D) Dieser konnte wohl auch den Ausdruck ά
συμφέρει (§ 4) ohne Ergänzung nicht ertragen und fügte ein τοϊς
πράγμασι (FY, in A und als Variante in F dafür xf| πόλει) hinzu: dabei*13

22 Usener-Radcnnachcr fugen bei Dionys zu Unrecht 'Ελληνας aus Demosthenes ein, nach
dem Vorgang von Sylburg, der S noch nicht kannte.
13 Von Timer 109 verglichen, der aber anders entscheidet.
34 Vg). die von Rehdantz-Blass angeführten Thukydidess teilen. Für den korinthischen
Krieg, der hier gemeint zu sein scheint, ist das übrigens nicht bezeugt.
Tendenzen nachdemosthenischer Bearbeitung der 3. Philippijchen Rede des Demosthenes 65

hat er übersehen, daß die Wendung für τα συμφέροντα steht und dem
πάντα πρός ήδανήν άκούουσιν im vorhergehenden Satz gegenübergestellt
ist. Um wessen Nutzen es geht, ist aus dem Zusammenhang völlig klar.
Dagegen erhält die Antithese hie Angenehmes — hie Nützliches erst durch
die Reduzierung auf die Grundbegriffe ihre eigentliche Schärfe25.
Ein weiteres Mittel zur Erleichterung des Verständnisses ist die Norm ali­
sierung der Wortstellung, für die sich mehrere Beispiele in FY (ohne A)
finden. O ft handelt es sich nur um die Vertauschung zweier benachbarter
W örter wie § 17 έγώ öfe τοσοΰτου δέω . . . έκεΐνον άγειν δμολογεΐν (SA:
δμολογεΐν άγειν FY) την πρός ΐμ ά ς εΙρήνην, wo offenbar die Trennung
des άγειν von την . . . εΙρήνην Anstoß erregte. Zugegeben, die W ort­
stellung in SA wirkt »verquer*. Aber wenn man im folgenden λύειν φημι
τήν εΙρήνην liest und sich klarmacht, daß es auf die Gegenüberstellung
der beiden Verben ankommt, kann man nicht mehr im Zweifel sein, was
Demosthenes geschrieben hat. Ähnlich dürfte § 19 πολεμεΐν όρίζομαι
(SA: όρίζομαι πολεμεΐν FY) zu beurteilen sein, wo man zwar für die
Wortstellung von FY geltend machen kann, daß durch sie das πολεμεΐν
mehr Gewicht erhält (Gegensatz εΙρήνην άγειν, §18), jedoch όρίζομαι
(.ich behaupte*, ,stelle fest*) noch größere Betonung beanspruchen kann
(vgl, im Vorhergehenden έγώ φώ . . . ; ) : erst durch die Endstellung wirkt
die Feststellung so abrupt, daß kein Widerspruch aufkommen kann - und
darauf dürfte es Demosthenes vor allem angekommen sein. Durchsichtig
ist die Normalisierung § 15 τών δντων έν Χερρονήσψ vöv άπεσταλμένων
(SA), wofür FY τών έν X. νΰν δντων άπ. bieten (zur Endstellung von νϋν
bei Demosthenes vgi. den Index von Rehdantz-Blass S. 29 unten), übrigens
mit dem unschönen Nebeneffekt des Aneinanderrückens der beiden Parti­
zipien. Eine stärkere Versetzung findet sich §24 ύμίν . . . πάντες φοντο
δεΐν, καί ol μηδέν έγκαλεϊν έχοντες αίη οϊς, μετά τών ήδικημένων
πολεμεΐν (SA). Die gewaltigen Hyperbata des Demosthenes waren schon
der antiken Stilkritik ausgefallen26. Aber für dergleichen hatte der
Redaktor der in FY überlieferten Fassung keinen Sinn: er konnte es nicht
ertragen, daß πολεμεΐν so weit von dem übergeordneten δεΐν abgeschla­
gen war und versetzte es kurzerhand direkt dahinter ohne zu bemerken,
daß die dazu gehörende Ergänzung μετά τών ήδικημένων dann schmäh­
lich nachhinkt.

** Vgl. noch $ f> πραχτόντων, sc. ύμών (vorher κοιούντων ύμών): π ρα πύνυον ύμών tat­
sächlich FAY und $ 18 t b v ' Ελλήσποντον άλλοτριωθήναι SA: xdv *Ε. Ομών άλλ. FY,
wo die Kurzfassung durch 18,88 gestützt wird. - Aber $ 9 ist die Einfügung eines άγειν
vor λέγει (AYF (in F ist λέγει nur Variante]) im Zusammenhang des ganzen Satzes sinnlos.
» Z. B. Π. t y . 22, 3f.
66 Winfried Buhler

Pedanterie verrät auch die mehrfache Einfügung eines μέν, um eine formal
genaue Entsprechung zu einem δέ-GHed herzustellen. Ein Musterfall ist
§2 ούδέν άλλο ποιονσιν ή δπω ς ή πόλις π α $ αύτής δίκην λήγεται καί
περί τ ο ν ί Ισται, Φ ιλίππφ δ1 Ιξεσται και λέγειν και πράτχειν δ χι βούλε­
τα ι: so S, während in FAY vor πόλις noch ein μέν steht (und dahinter αύ-
τή27). Zweifellos besteht ein starker Gegensatz zwischen Athen, das sich
selbst zerfleischt, und Philipp, der tun kann, was er will. Aber es fragt sich,
ob dieser Gegensatz auch formal durch μέν — &έ ausgedrückt werden
mußte, ja ob er überhaupt von vornherein so intendiert war. Das scheint
mir nicht der Fall zu sein. Die Aussage zielt zunächst nur darauf (man be­
achte das ausschließende ούδέν άλλο . . . ή, durch das der Gedanke auf eine
einzige Wirkung konzentriert wird), daß es gewisse Leute durch Anklage
und Verleumdung der führenden Politiker dahin bringen, daß die Stadt sich
selbst bestraft (statt Philipp zu bestrafen); daraus entwickelt sich ein
zweiter Gedanke, der zwar eng mit dem ersten zusammenhängt, aber
doch eigene Aussagekraft hat, daß die Stadt nicht nur (was an sich schon
schlimm genug ist) solches überhaupt tut, sondern damit ausschließlich
beschäftigt ist, sodaß sie keine Zeit hat, Maßnahmen für die Abwehr
Philipps zu treffen. Entscheidend ist, daß das mit δέ angeschlossene Glied
einen Gegensatz nicht zum ersten, sondern zum zweiten Gedanken dar­
stellt: weil die Stadt ganz mit sich beschäftigt ist, hat Philipp unbegrenzte
Handlungsfreiheit. Den formalen Beweis für die Richtigkeit dieser Auf­
fassung liefert die Paronomasie Ισται — έξέοται26, d .h . die Wieder­
aufnahme des Verbs des zw eiten Gedankens in der Form eines Kompo­
situms. Der Gegensatz erwächst also erst aus der Entfaltung des Gedan­
kens; ein μέν am Satzanfang würde dagegen voraussetzen, daß die Anti­
these schon dort planvoll eröffnet würde. Weitere Fälle von Einfügung
eines μέν sind §5 vor φρΟυμίας (FAY), 19 nach dem ersten lov (FAY),
33 nach εύχόμενοι (FAY2) (hier ist das δέ-Glied wegen des Singulars
ούδείς έπιχειρών auch formal nicht genau koordiniert); im übrigen vgl.
zum fehlenden μέν Rehdantz-Blass, Index 104.
Man kann die bisher betrachteten Fälle unter den Gesichtspunkten der
Verdeutlichung und Normalisierung zusammenfassen und mühelos
w eitere Stellen anfügen (z. B. die Ersetzung der erlesenen, gut für
Demosthenes bezeugten29 Konstruktion §27 είς τάς έπιοχολάς γράφει
durch die gewöhnlichere έν ταϊς έπισχολαϊς γράφει [FAY] oder die eines
allgemeineren τούτων § 2 durch ein etwas papieren wirkendes τού ταύθ*
ούτως έχειν [FAY], usw.). Nicht selten juckt es den B earbeiter aber auch.

17 Zur Verstärkung hinzugesetzt.


29 Vgl. Rehdantz-Blass, Index 38 unten.
29 19,40 und 68. γ^άφειν fev (τή) έχαοΐΟλή 7, 33 und 34, 8 in unechten Reden.
Tendenzen nachdemonhentscher Bearbeitung der 3. Philippischen Rede des Demosthenes 67

den schlichten Text des Demosthenes — scheinbar — stilistisch zu ver­


bessern. §31 liest man in SY δσφ μάλλον δεινόν και δργής άξιον; FA
haben vor όργής noch πολλής. Nun gibt es tatsächlich die Verbindung
δεινόν καί πολλής όργής άξιον 19,7 (allerdings auch ein einfaches όργής
άξιον 45,20). Aber neben 6σψ μάλλον ist πολλής unerträglich. Der
Bearbeiter hat eben nicht gesehen, daß die Steigerung für den ganzen
Ausdruck gilt. Ähnlich dürfte zu beurteilen sein § 20 βουλεύεσθαι μέντοι
περί πάντων τω ν 'Ε λ λ ή ν ω ν ώς έν κινδύνψ μεγάλψ καθεστώτων (S:
μεγίσιφ καθεστηκότων30 FAY). Demosthenes betont, daß nicht einzelne
Städte, sondern alle Griechen bedroht sind. Dieser Gedanke scheint aber
klarer zum Ausdruck zu kommen, wenn nicht mit dem Superlativ gleich­
sam noch ein Nebenakzent gesetzt wird.
Die Fälle, in denen ein einfacher Ausdruck von S in den anderen Hand­
schriften um ein zweites Glied erweitert oder sonst irgendwie »aufgefüllt*
ist, sind zahlreich und nicht immer leicht zu entscheiden. So gleich § 1 καί
λέγειν δείν καί πράττειν όπως κτλ. (S), wo in FAY nach πράττειν noch
άπασι προσήκειν folgt. Für das Nebeneinander von δείν und προσήκειν
verweisen Rehdantz-Blass auf 4,19 & πάοι δεδόχθαι φημί δείν καί
παρεσκευάσθαι προσήκειν οίομαι, für άπασι. im 2. Glied darauf, daß
Handeln, anders als Reden, allen zukomme. Aber ist das schon ein Beweis,
daß Demosthenes den breiteren Ausdruck auch wirklich gebraucht hat?
Reden und Handeln ist ein so elementarer Gegensatz, daß weitere Diffe­
renzierungen bei ihm eher stören, auch wirkt die Wiederholung eines
Verbs für ,müssen* bei den kurzen Infinitiven reichlich umständlich (4,19
unterscheidet sich auch dadurch, daß eine stärkere Interpunktion folgt
und der Satz breiter ausschwingen kann). So neige ich — im Gegensatz zu
Rehdantz-Blass und Irmer — der kürzeren Version zu. Ein anderes Bei­
spiel findet sich § 14 εί τών άδίκουμένων Όμων μηδέν έγκαλούντων
αύτφ, άλλ’ δμών αίτιων τινας αίτιωμένων, έκεινος κτλ. (S), wo FY und
A2 31 nach αίτιωμένων noch καί κρίνειν βουλομένων bieten. Es geht
Demosthenes darum, daß die Athener widersinnig handeln, wenn sie
Philipp, der ihnen Unrecht tut, nichts vorwerfen, wohl aber einige ihrer
eigenen Bürger anklagen. αίτιωμένων mag etwas schwach erscheinen (9,2
heißt es αίτιώμενοι καί διαβάλλοντες): wollte Demosthenes also die
Aussage durch die abschreckendere Erwähnung des Willens zur Ver­
urteilung verstärken?32 Aber man kann auch umgekehrt argumentieren:*1
M Die Formen καθεστώς und καθεατηκώς sind beide bei Demosthenes belegt.
11 Der ganze Passus ist in A von 1. Hand ausgelassen und später am Rand nachgetragen
worden,
11 Zu κρίνειν in Verbindung mit αΐτιαοθαι vgl. 2, 25 (von Inner 111 herangezogen) und
27, aber κρίνειν ist natürlich eine zweite Stufe, die hier noch nicht vorausgesetzt ist,
weshalb Voemels Konjektur κρινόντων von Irmer mit Recht abgelehnt wird.
68 Winfried Buhler

der Hauptakzent liegt auf υμών αύτώ ν; die Antithese ist klarer (und lapi­
darer), wenn jedes Glied nur ein Partizip hat; schließlich enthält αΐτιάσθαι
als terminus für gerichtliche Anklage bereits in sich eine Steigerung gegen­
über έγκαλεΐν. Mir scheinen die Argumente für die Kurzfassung zu über­
wiegen. §43 bieten FAY statt des schlichten Ausdrucks λογίζεαθε δη
προς θεών, τίς κτλ. von S die doppelt erweiterte Formulierung λογίζεσθε
δη προς Δ ιός καί (Δ ιάς καί om. Υ) θεών και θεωρείτε (καί θεωρείτε
om. Α) παρ' ύμίν αύτοϊς, τίς. Für die längere Schwurformel bietet der
Index von Rehdantz-Blass 133 zahlreiche Parallelen, auch sind ähnliche
Doppelausdrücke für ,überlegen/betrachtena gut belegt (vgl. 21,73
σκέψασθε δή πρός Δ ιός καί θεών, ώ άνδρες Α θη να ίο ι, καί λογίσασθε
παρ’ ύμίν αύτοϊς33, ferner 8,18; 20, 87.163). Immerhin kommt die Ver­
bindung θεωρείτε παρ' ύμίν αύτοϊς bei Demosthenes nicht mehr vor,
und die Auslassung einzelner Glieder der volleren Fassung in zwei Hand­
schriften lassen doch erhebliche Zweifel an ihrer Echtheit aufkommen. Es
kommt hinzu, daß cs sich hier um formelhafte Wendungen handelt, die
jedem mit Demosthenes Vertrauten geläufig waren und bei denen eine
Vervollständigung nach anderen Stellen (z. B. 21,73, aber es braucht gar
kein genaues Vorbild vorzuliegen) nahelag. So steht § 12 in SA v o o o ü o l
καί στασιάζουσι, was in FY noch um έν αύτοϊς (d. h. αύτ-) erweitert ist.
9 ,5 0 heißt es πρός νοσούντας έν αύτοϊς34, und bei σταοιάζειν ist die Er­
weiterung um έν αύτοϊς, wenn auch nicht bei Demosthenes selbst, so
doch sonst mehrfach belegt (Xen. hist. Gr. 1 ,5 ,9 , Plat. reip.
465b)35. Solche Stellen konnten leicht zur Erweiterung inspirieren. Im
übrigen findet sich das Hendiadyoin νοοεΐν καί σταοιάζειν ohne Er­
weiterung auch Plat. reip, 470c. Um das in sich vielleicht etwas schwache
νοσείν zu verstärken bot sich Demosthenes entweder, wie hier, die Er­
weiterung um σταοιάζειν oder, wie 9,50, die um έν αύτοϊς an. Dem
Bearbeiter genügte dies jedoch nicht: er wollte beides.
Der Gesichtspunkt der Ergänzung nach einer bestim mten anderen Stelle
ist §53 zu berücksichtigen, wo eine Formulierung der zuvor im gleichen
Jahr gehaltenene Rede 8, §61, fast wörtlich aufgenommen ist:
9,53 8,61
ότι ούκ ένεσα των τής πόλεως ού γάρ έστιν, ούκ Ιστιν τών έξω
έχθρών κρατησαι, πριν δν τούς της πόλεως έχθρών κρατήσαι, πριν
έν αύτή τή πόλει κολάσηθ5 ύπ- άν τους έν αύτή τή πόλει κολάσητ*
ηρετούντας έκείνοις. έχθρούς.

Μ Darauf verweisen Rehdantz-Blass zu unserer Stelle.


34 In A und {von jüngerer Hand} in S um καί «ταραγμένους erweitert!
35 Inner 39 behauptet irrtümlich, diese Verbindung sei nicht belegt.
Tendenz«« nachdemosthenischer Bearbeitung der 3. Philippischen Rede des Demosthenes 69

FA (nicht jedoch Y) haben 9, 53 konform mit 8,61 vor τής πόλεως noch
έξω, und FAY am Ende statt έκείνοις: έκείνψ, Rehdantz-Blass halten das
έξω auch 9,53 für unbedingt notwendig, während Inner 117 (ohne diese
Variante überhaupt zu erwähnen) sich für έκείνψ stark macht (was
wiederum Rehdantz-Blass nicht aufgenommen haben). Bei unbefangener
Betrachtung erweist sich der Text von SY als durchaus sinnvolle Abwand­
lung der Formulierung von 8 ,6 1 (das Richtige hat schon Weil gesehen):
έξω ist nur dann notwendig, wenn, wie 8, 61, auch die Philippanhänger in
der Stadt als Feinde bezeichnet werden. 9 , 53 fehlt jedoch dieser O ber­
begriff: den »Feinden der Stadt* (die sich natürlich außerhalb der Stadt
befinden) werden die gegenübergestellt, die sich in der Stadt zu deren
Werkzeug machen - eine in sich folgerichtige Antithese, bei der sich die
beiden Abweichungen wechselseitig bedingen (auch έκείνοις ist dabei
notwendig, έκείνψ ist eine Banaltsierung, wohl nach § 56 πάνθ^ ύπηρετοΰν-
τες έκείνψ). Das έξω ist also aus 8,61 hier falsch eingefügt worden.
(Umgekehrt bieten FAY und S von jüngerer Hand 8 ,6t nach έχθρούς
noch ύπηρετοΰντας έκείνψ und eine längere weitere Ergänzung, das
erster« klar nach 9, 53.)
Es ist nun an der Zeit, den Blick geschärft durch die voranstehenden
Beobachtungen, sich den Fällen zuzuwenden, in denen die Vulgathand-
schriften gegenüber S einen Überschuß an ganzen Satzgliedern aufweisen.
§ 38 liest man in S und Y : τόν ouv καιρόν έκαστου τών πραγμάτων, ον ή
τύχη και τοίς άμελοΰσι κατά τών προσεχόντων36 πολλάκις παρασκευάζει,
ούκ ήν πρίασθαι παρά τών λεγόντων ουδέ τών στρατηγούντων. FA
(und von jüngerer Hand S) haben hier zwischen προσεχόντων und
πολλάκις noch die W orte καί τοϊς μηδέν έθέλουσι ποιεΐν κατά τών
πάνθ’ ά προσήκει πραττόντων. Es geht darum, daß die Griechen früher
nicht bestechlich waren, man also die Vernachlässigung des rechten Zeit­
punktes von ihnen nicht kaufen konnte (vgl. Weil z. St.). Von diesem
rechten Zeitpunkt heißt es im Relativsatz, daß ihn die Tyche selbst den
Nachlässigen gegenüber den Wachsamen an die Hand gibt - eine all­
gemeine Sentenz, die aber vielleicht einen Seitenhieb auf die gegenwärtige
Situation enthält. Die nur in FA überlieferten Worte bringen gegenüber
dem ersten Glied nichts Neues, sondern wiederholen dessen Formulierung
nur in einer etwas umständlichen Weise, mit Wendungen, die Demosthenes
ähnlich mehrfach gegenüber den Athenern gebraucht (z. B. 9,67 μηδέν <bv
προσήκει ποιεΐν έθέλοντας u, a, m .37). Weil bemerkte scharfsinnig, der
Zusatz enthalte einen Widersinn, da „pour qui ne veut rien faire, toutes

** «ροσεχόντον s irrtümlich (später korrigiert).


iT Vgl. Inner 123. Die von Weil u. a. verglichenen Stellen 4, 5 und 2, 23 sind weniger nah.
70 Winfried Buhler

les occasions sont perducs“ . Ich möchte dem zustimmen (obwohl sich
natürlich darüber streiten läßt, wie weit man die Worte pressen darf). Es
gibt aber noch andere Verdachtsgründe38, und zwar 1. der Zusatz wieder­
holt eine prägnante Formulierung m it banaleren, ähnlich auch sonst bei
Demosthenes vorkommenden W orten; 2, bei dem Relativsatz handelt es
sich um eine Nebenaussage, die eine so starke Ausweitung — um nicht zu
sagen «Auswalzung* — schwerlich verträgt39; 3. (diesem Argument messe
ich besondere Bedeutung zu) das καί vor τοΐς άμελοΰσι ist steigernd;
wenn nun noch ein weiteres Glied mit καί angeschlossen wird, entsteht
Unsicherheit, ob es nicht als zu diesem korrespondierend aufgefaßt
werden muß (auf die Steigerung kann aber nicht verzichtet werden).
Andererseits bedarf auch τοΐς μηδέν έθέλουσι ποιεΐν einer Steigerung; sie
fehlt - denn die Kraft des ersten καί reicht nicht bis ins zweite Glied —
und dies Fehlen ist ein deutlicher Hinweis, daß die Worte nicht echt sein
können40 (ebenso wenig ist natürlich an einen nachträglichen Zusatz des
Demosthenes zu denken).
Wenig früher, zu Beginn von § 37, bieten die gleichen Handschriften FA
(und S von jüngerer Hand) gegenüber SY den Zusatz οδδεν ποικίλον
ούδέ σοφόν, άλΧ ότι41; der Zusatz fehlt auch bei Aristid. rhet. 1,13
p .8 ,2 Schm.42 und 1,24 p. 13,9, doch scheint ihn Aelius Aristides
or. 16 p. 2 4 6 ,17J. (1,399 Ddf.) ώς öfe και ήμεΐς νΰν ούδέν ποικίλον
ούδέ σοφόν λέγομεν πρός ύμάς gekannt zu haben. Die Entscheidung
hängt ganz vom Kontext ab § 36 ab, der hier nicht in extenso abgedruckt
werden kann. Der Abschnitt setzt ein mit der Frage τί οδν αίτιον
τουτωνί; (daß Philipp in Griechenland frei schalten und walten kann.)
Nicht ohne Grund seien die Griechen früher anders eingestellt gewesen als
jetzt. Die Darlegung dieses Grundes beginnt Demosthenes emphatisch
und zugleich geheimnisvoll mit den Worten ήν τι τό*, ήν ώ άνδρες
Α θ η ν α ίο ι έν ταίς τών πολλών διανοίαις, δ νΰν ούκ Icruv. Was dies war,
wird dann in einem mehrere Zeilen langen Relativsatz — nicht etwa be­
stimmt, sondern in seiner Auswirkung gezeigt: damals, als es da war, hat
es Griechenlands Freiheit bewahrt, jetzt, wo es fehlt, geht alles drunter
und drüber. Die Spannung des Hörers ist nunmehr auf das äußerste
gestiegen: er will endlich wissen, was das war. Vor der Antwort gibt
Demosthenes dem noch einmal in der bohrenden, das ήν τι τότε auf-

M Von dem Fehlen in Y will ich absehen.


M Rehdantz-Bia$$ eliminieren sogar den ganzen Relativsatz.
Anders Irmer 123, nach dem „sich der ausgefallene Satr.[?| durchaus in den Zusammen
hang fügen" würde.
41 δτι fehle in A,
41 Der Gesamnexi wird allerdings mit Auslassungen zitiert.
Tendenzen nachdemostheniseher Bearbeitung der 3. Philippischen Rede des Demosthenes 71

nehmenden Frage Ausdruck (Anfang §37) τί οδν ήν τούτο; Jetzt, so er­


wartet man, muß die Antwort kommen. Sie kommt auch, jedenfalls nach
SY: τούς παρά τών άρχειν43 βουλομένων ή διαφθείρειν τήν Ε λ λ ά δα
χρήματα λαμβάνοντας άπαντες έμίσουν, κτλ. — nicht jedoch nach FA,
denn dort wird noch einmal eine allgemeine Negativfolie vorgespannt
ούδέν ποικίλον . . . , erst dann kommt die konkrete positive Aussage. Es
ist natürlich letztlich eine Geschmacksfrage, ob man es gut oder nicht gut
findet, wenn die Antwort noch einmal hinausgezögert wird, und ich kann
mir denken, daß manche gerade in diesem letzten Vor-Satz den Gipfel
demostheniseher Retardationskunst erblicken. Etwas kommt es freilich
auch auf die Worte an: „Nichts Listiges und Erklügeltes44, sondern“ .
Paßt das wirklich zu der Stilhöhe? Mir kommt es wie ein Abfall vor. Es
besteht der dringende Verdacht, daß hier jemand Demosthenes habe über­
trumpfen wollen, vielleicht auch die Abruptheit der in einem Hauptsatz
gegebenen Antwort (die doch in ihrer Direktheit viel wirkungsvoller ist)
abm ildern.
Noch an zwei anderen Stellen dieses Abschnitts ist der Text in den Vulgat-
handschriften gegenüber S erweitert; beide hängen zusammen (obwohl Y
einmal mit S, einmal mit FA geht). In der »Antwort* des Demosthenes
(§ 37) folgt auf die o. ausgeschriebenen Worte in allen Handschriften καί
χαλεπώτατον ήν τό δωροδοκούν^ έλεγχθήναι., καί τιμω ρίρ μεγίστη
τούτον έκόλαζον, daran schließt sich nur in FA (und von jüngerer Hand
in S) noch das Glied an καί παραίτησις ούδεμΓ ήν ούδέ συγγνώμη. Das
Wort παραίτησις (bei D em osthenes sonst nicht belegt) bedeutet eigentlich
,Losbitten‘, erst bei Philo spec. leg. 1,67 (5,17,11 C .-W .“3 m” ) .Los­
sprechen* (dort auch in der Verbindung mit συγγνώμη) und müßte hier
wohl in dem erst später bezeugten Sinn verstanden werden. Wichtiger
noch scheint mir die Frage, ob sich das Satzglied als ganzes gut in den
Zusammenhang fügt. D er einheitlich überlieferte Text besteht aus drei
Gliedern, die inhaltlich sorgfältig abgestuft sind: man haßte die, die sich
bestechen ließen, der Bestechung überführt zu werden galt als schlimm,
den Uberführten bestrafte man schwer. Alle Glieder sind stark akzen­
tuiert: das erste durch άπαντες, dic beiden folgenden durch die Super­
lative χαλεπώτατον und μεγίστη. Der Sachverhalt Ist klar, in sich folge­
richtig und mit der Bestrafung auch abgeschlossen dargcstellt. D er Neben­
gedanke einer möglichen Verzeihung und seine Verneinung wirkt hier
ziemlich überflüssig, ja er scheint mir gegenüber der lapidaren Aussage des
letzten Gliedes fast etwas Kleinliches zu haben. Nun steht er klar in

45 Nach Αρχειν noch άει FAY und $ von jüngerer Hand, nach dem folgenden ή noch και
FY; beides kaum echt.
44 Vgl. PI«. Phaedr. 236b etneiv παρά την έκείνου σοφίαν έτερόν τι ποικιλώτερον u. a. m.
72 Winfried Buhler

Zusammenhang mit der Schilderung der gegenwärtigen Verhältnisse in § 39.


An die Stelle der früheren Haltung, so heißt es dort, ist jetzt eine getreten,
die Griechenland ins Verderben gebracht hat. Worin diese bestehe, wird
folgendermaßen beschrieben: ζήλος, εϊ τις είληφέν τ ι- γέλως, άν
όμολογή' σ υ γ γ ν ώ μ η τ ο ΐ ς έ λ ε γ χ ο μ έ ν ο ις (dies Glied nur in FAY
und, am Schluß vermehrt um die Worte εν τούτοις, pap. Fayum 84a am
Rand von 2. H and)1 μίσος, άν τούτοις τις έπιτιμρ* τ&λλα πάνθ* 6σ’ έκ
τοϋ δωροδοκείν ήρτηται. Ist dieses συγγνώμη-Glied echt? Man hat
dagegen schon immer die Inkonztnnität des Dativs τοΐς έλεγχομένοις
anstelle eines άν-Satzes eingewandt44. Andererseits scheint das folgende
τούτοις, sofern es maskulin ist, τοΐς έλεγχομένοις als Bezugspunkt voraus­
zusetzen und damit das ganze Glied zu stützen. Um dem zu entgehen,
fassen die Vertreter der Unechtheit τούτοις neutral auf. Vielleicht hilft
folgender Gesichtspunkt noch einen Schritt weiter, Demosthenes hat seine
Anprangerung auf die paradoxen Momente konzentriert: wenn einer
Bestechungsgelder genommen hat, löst das — Neid und Nacheifern aus;
über ein Geständnis - lacht man; wenn einer sich darüber entrüstet,
findet er keine Zustimmung, sondern — macht sich verhaßt. Dabei kann
cs kein Zufall sein, daß die Substantive der drei einheitlich überlieferten
Glieder ausnahmslos A ffekte betreffen: ζήλος, γέλως, μίσος (das letzte ein
besonders starker Affekt) - aus dieser Kette fällt συγγνώμη deutlich
heraus. Bedenkt man schließlich, daß »Geständnis* eine höhere Stufe als
.Widerlegung* ist, erweist sich das συγγνώμη-Glied sogar als Antiklimax.
An beiden Stellen dürfte also ein spaterer Zusatz vorliegen*47, dessen Ver­
fasser den Text des Demosthenes um jenen Aspekt vervollständigen,
vielleicht zunächst auch nur §39 einen Bezug für τούτοις hersteilen
wollte4·.
Gehäuft treten Textüberschüsse in den Vulgathandschriften auch im
Arthmiosabschnitt § § 4 1 -4 6 auf. §44 sind es gleich zwei Satzglieder:
to ö to S (der Begriff άτιμος im Arthmiosdekret) iertiv ούχ ήν ούτωοί τις
άν φήσειεν άτιμίαν* τί γάρ τφ Ζελείτη, των Α θηναίω ν κοινών εΐ μή
μεθέξεων έμελλεν4*; άλλ* ο ύ τ ο ύ τ ο λέγει (FAY, S von jüngerer Hand:
fehlt S und Harpocr. p. 39,11 B.), άλλ* έν τοΐς φονικοΐς γέγραπται

** Fayum Towns and iheir Papyri, by B. P. GrenfeLI, A. S. Hunt, D. G. Hogarth, London


1900, 95 f. (Ende 2. Jh. n. Chr., enthält $ 58-40 und zwei Wörter aus $43).
44 Nach Inner 123 ist dies gerade ein Beweis der Echtheit: ein geschickter Fälscher hätte
sich besser der Umgebung angepaßt.
47 Anders Inner a. O.
“ Die neutrale Auffassung von τούτοις scheint die glatteste zu sein. Für unmöglich würde
ich allerdings die maskuline nicht halten» da ja der Fall „wenn einer Geld genommen hat”
allgemein vorgestellt wird.
4’ S. o. S. 62i.
Tendenzen naehdemosthenischer Bearbeitung der 3. PhilippiscKen Rede des Demosthene 73

νόμοις, ύπέρ ών άν μή δ ιδφ 50 φόνου δικάσασθαι, ά λλ’ ε ύ α γ έ ς ή τό


ά π ο κ τ ε ί ν α ι (fehlt SY [später in beiden nachgetragen], Harpocr. 1. c.),
‘και άτιμος* φησιν ’τεθνάτω’ . τούτο δή λέγει, καθαρόν τον τούτων τιν’
άποκτείναντ’ είναι. Gegen den zweiten (auch in Y fehlenden) Satz, bei
dem selbst In n e r 125 die Entscheidung offen läßt, spricht, daß er die fol­
gende Erklärung antizipiert und praktisch überflüssig macht. Sinngemäß
steht das gleiche auch schon in dem Relativsatz ύπέρ ών , . . δικάσασθαι.
Aber das war jemandem offenbar noch nicht deutlich genug. Oder wollte
hier ein juristisch Bewanderter mit seinen Kenntnissen prangen? Nicht
besser steht es mit dem Sätzchen άλλ’ ού τοΰτο λέγει. Demosthenes weist
zu Beginn des Paragraphen die herkömmliche - übrigens richtige - Deu­
tung von άτιμος zurück, was der γά ρ-Satz mit dem Aufweis ihrer (angeb­
lichen) Sinnlosigkeit begründet. Dann folgt jedenfalls nach S - un­
mittelbar die Gegenthese. Wenn man steh einmal klar gemacht hat, daß
die Spannung der negativen Aussage τούτο & έστιν ούχ ήν ούτωσί τις άν
φήσειεν άτιμίαν noch über den y ä g -S a t z hinaus anhält und sich erst mit
der positiven Aussage löst oder, anders ausgedrückt, daß sich das άλλ vor
έν τοίς φονικοΐς auf das ούχ des ersten Satzes bezieht51, erkennt man
leicht, daß der Satz άλλ' ού τούτο λέγει den Fortschritt des Gedankens
eher hemmt, da der H örer längst davon überzeugt ist, daß die herkömm­
liche Bedeutung gar nicht vorliegen k a m und gespannt auf die richtige
Deutung wartet. Was also auf den ersten Blick aussieht wie ein rhetori­
sches Einhämmem (άλλ ού τούτο λέγει — τούτο δή λέγει), erweist sich
bei schärferem Zusehen als nachträgliche Konstruktion eines pedantischen
Grammatikers, der für die Spannkraft demosthenischer Perioden keinen
Sinn hat. Über § 46 will und kann ich mich kurz fassen. Es besteht heute
Einigkeit darüber, daß die N otiz Ε Κ Τ Ο Υ Γ Ρ Α Μ Μ Α Τ Ε ΙΟ Υ Α Ν Α ­
Γ ΙΓ Ν Ω Σ Κ Ε Ι interpoliert ist von jemandem, der die unmittelbare Ein­
lösung der Ankündigung, jetzt etwas Ungeschminktes zu sagen (ειπω
κελεύετε; και ούκ δργιεΐσθε;) im Text vermißte. Bei dem Angekündigten
handelt es sich entweder (wenn man den Text der Vulgata zugrunde legt)
um eine βουλή άγαθή52 oder (wenn man S folgt) um ein Anprangern des
Verhaltens der Athener. N un ist aber von einem Ratschlag in den nächsten
Paragraphen weit und breit nichts zu sehen, wohl aber geißelt Demosthenes
die Willfährigkeit der Athener gegenüber Philipp — nach einem Anlauf —

Nach διδψ bieten SF und Y von 2. Hand am Rand noch ein - überflüssiges - δίκας,
zwei Handschriften von Harpocr. I. c. δίκην.
Mit Recht setzen Weil, Rehdantz-Blass und Fuhr nach Ατιμίαν keinen vollen Punkt,
sondern eine Ανω στιγμή. — Die durch den Zusatz sich ergebende Verdoppelung des άλλ'
auf so kurzem Raum ist ein weiteres Verdachtsmoment.
f2 Irmers Vorschlag (68ff.), τίνος als Frage nach dem Urheber der βουλή aufzwfassen (Ant-
w o n : 6 δήμος), halte ich für völlig abwegig.
74 Winfried Buhler

§ 54 mit ungewöhnlicher Schärfe. Hierauf muß sich die Ankündigung be­


ziehen. Dann aber kann der Text der VuIgathandschriften nicht echt sein.
Noch schlimmer als das inhaltlich unmotivierte Abbiegen ist die klägliche
Unterbrechung des Elans, der nach άλλά πώ ς; konsequent mit den Fragen
εϊπω κελεύετε; καί ούκ όργιεΐοθε; fortgesetzt wird. Der Grund für die
Einfügung ist nur in seiner negativen Komponente durchsichtig; die An­
kündigung schien ins Leere zu laufen. Von der neuen ,Lösung* kann man
nur soviel sagen, daß sie erst recht in die Irre führt. So bleibt ausnahms­
weise einmal die volle Absicht des Bearbeiters dunkel. Hervorheben
möchte ich noch das Kittwort τίνος am Ende des Einschubs, mit dem eine
scheinbar glatte Verbindung zum Originaltext hergestellt wurde.
Gegen den Text der Vulgata am Anfang des Arthmiosabschnitts (§41) ούχ
cv' . . . γράμματα läßt sich vom Inhalt her nichts einwenden (Parallelen bei
Inner 124), auch vom Zusammenhang her nicht (die Entfaltung eines
Nebengedankens in relativ komplizierter grammatischer Abhängigkeit
vom Hauptsatz ist nicht undemosthenisch). Auffällig ist immerhin der
Plural ύπομνήματα καί παραδείγματα, wo doch nur von dem einen
Arthmiosdekret die Rede ist (an der Parallelstelle Din. 2,24 steht
παράδειγμα). Auch handelt es sich um einen bei Demosthenes und
anderen mehrfach vorkommenden Gedanken, auf den jemand, der den
Text bereichern wollte, leicht verfallen konnte. Schließlich ist die
Häufigkeit der Interpolationen gerade in diesem Abschnitt z u berücksich­
tigen. Trotzdem ist zuzugeben, daß ein entscheidendes Kriterium für eine
Unechtheitserklärung fehlt (wenn man das nicht in dem erwähnten Plural
sehen will).
Nach dieser relativ ausführlichen Diskussion zweier Abschnitte mit zahl­
reichen größeren Textüberschüssen muß ich mich bei den übrigen auf
einige knappe B em erkungen beschränken, die z. T . n u r M öglichkeiten
einer Deutung aufweisen wollen. Das Sätzchen §2 σύκοΰν ού$ ύμας
οίσνται 6εΐν Ιχειν verrät sich durch den Gebrauch der Partikel als Inter­
polation; ούκούν steht bei Demosthenes nur am Satzanfang nach starker
Interpunktion. - Der größte Uberschuß der ganzen Rede, § 6 - 7 , be­
dürfte einer eigenen Untersuchung. Die Mehrheit hält ihn heute für
echtM. Es sollte immerhin erwogen werden, ob der Passus nicht
eingeschoben wurde, um den Übergang vom Proöimum zum Hauptteil
(vgl. § 8 ΐν ’ έντεΰθεν άρξωμαι) stärker zu markieren und die Alternative,
mit der § 8 einsetzt, vorzubereiten. - § 20 stellen die Worte καί τοίς . . .
άποστείλαι eine in ihrer Konkretheit hier unangebrachte Vorwegnahme

M Die Hypothese Weil* (aufgenommen von Butcher und Crotset), am Ende von § 7 liege
eine Kontamination zweier Fassungen vor, überzeugt mich nicht.
Tendenzen nachdemosthenischer Bearbeitung der 3. Philippischen Rede des Demosthenes 75

des späteren Antrags (§ 73) dar und stören den Zusammenhang


(Demosthenes drängt zum Hauptgedanken, man müsse für das Wohl aller
Griechen sorgen). - Bei dem Satz §26 καί to ü f έκ βραχέος λόγου
φφδιον δεΐξαι entsteht der Verdacht, daß jemand den etwas abrupten Ein­
satz der folgenden Aufzählung abmildern wollte (zu dieser Tendenz vgl.
o. S. 71 zu § 37). —§ 32 κύριος . . . μέτεστιν geht es um sachliche Details,
die in dieser Rede nicht mehr Vorkommen. Man hat am vollen Text ge­
legentlich die unklare Anordnung bemängelt. Ich möchte auf einen
formalen Aspekt aufmerksam machen; die einheitlich überlieferten
Glieder beginnen mit den Verben τίθησιν, γράφει und πέμπει, die alle
eine aktive Tätigkeit ausdrücken, was bei κύριος und έχει nicht der Fall
ist. Nicht ganz unbedenklich erscheint mir auch die Länge der Glieder­
kette (fünf statt drei), besonders im Hinblick auf die Voranstellung der
Verben, die eine stärkere Übersicht erfordert54, - Die Worte §58
τότε . . . Παρμενίωνος betreffen wieder historische Einzelheiten, die sonst
überhaupt nicht überliefert sind, also zumindest von einem guten Kenner
der Verhältnisse stammen müssen. Unklar ist jedoch das Verhältnis zum
Hauptsatz έξελήλακεν . . , δις ήδη βουλομένους σφζεοθαι, dessen Inter­
pretation selbst stark umstritten ist55. Sollten diese Worte bedeuten, daß
die Eretrier (βουλομένους) sich schon zweimal hatten retten wollen und
beim drittenmal endgültig vertrieben wurden, würde der Zusatz nicht
passen, weil sich die Partizipien dann auf βουλομένους, nicht auf das
Hauptverb beziehen würden, was grammatisch nicht angängig ist. (Hat
jemand das δίς konkret ausfüllen wollen?) — §65 ruft Demosthenes
emphatisch aus: τεθνάναι δέ μυριάκις κρεϊττον ή κολακείρ τι ποιήσαι
Φ ιλίππου56. Diese großartige Antithese — man fühlt sich an unser ,lieber
tot als Sklav* erinnert - wird in FAY und pap. Mich, verwässert durch ein
angehängtes και προέσθαι των ύπέρ ύμών λεγάντων τινάς (bei dem
zusätzlich das einschränkende τινάς stört). Der im gleichen Paragraphen
vorher von 1. Hand nur in A und pap. Mich, überlieferte, jedoch auch
von Harpocr. p. 64,9 und 179,6 B. bezeugte Satz και τούς . . . πόλιν, von
dem behutsamen Weil rundweg als ,mauvaise Interpolation* bezeichnet,
enthält das undemosthenische W on δρρωδεΐν und unterbricht in höchst
prosaischer Weise das Pathos der Stelle57. - § 71 werden in der Vulgata

** Das an sich Demosthenes wohl zuzutrauende Wortspiel κατέχει; έχει (»gl. Rehdantz*
Blass, lndez 38f.} wirkt im Zusammenhang der Kette mit vorangestelltem Verb eher
störend.
s* Fast jeder Kommentar und Übersetzer hat eine andere Auffassung. Rehdantz-Blass
streichen ήβη.
** Φιλίππου S und s. 1. F: -ψ AYF, S »on jüngerer Hand und pap. Mich. Der Dativ ver­
teidigt von limer 174.
57 Für die Echtheit tritt Inner 126f. ein.
76 Winfried ßiihler

die einzelnen O rte, zu denen Gesandte geschickt werden sollen, genannt;


die Gesandtschaften sind fast alle bezeugt (vgl. Weil z. St.). Bedenken
gegen die Verfasserschaft des Demosthenes erregt lediglich, daß die
anderen Vorschläge sehr allgemein gehalten sind (z. B. fehlt bei der
Rüstung jede Zahlenangabe). Unmittelbar vorher heißt es auch nur τούς
άλλους ήδη παρακαλώμεν. Sollte hier ein - zugegeben - guter Kenner
der Geschichte nachträglich präzisiert haben? - In den Schlußparagraphen
gibt es noch drei Textüberschüsse, die nur in A und, als Variante von
3. Hand am Rand, in Y enthalten sind: §72 handelt es sich um zwei
zusätzliche Namen von Gesandten (zu Lykurg vgl. [Plut.] vita decem
or. 841*) - also gleicher Fall wie § 71; der Plustext § 75 steht nicht nur an
falscher Stelle, sondern erweist sich auch durch das sinnlose Ινεκά γε τού
μηδέν ύμάς αύτοίις ποιεΐν έθέλειν als unecht58; in § 73 schließlich mögen
die W orte καί πρώτους & χρη ποιουντας τότε καί τούς άλλους auf den
ersten Blick als Verdeutlichung erwünscht erscheinen, aber die vier
asyndetischen Verben am Schluß zeigen, daß jetzt doch ein starker Akzent
auf der Gewinnung von Verbündeten liegt, der sich mit dieser vorgeschal­
teten, ganz anders akzentuierenden Aussage schwer verträgt.
Die hier mitgeteilten Beobachtungen erheben - auch im Hauptteil -
keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Erschöpfung aller Argumente;
auch ist der Grad der Sicherheit der Feststellungen im einzelnen unter­
schiedlich. Ich hoffe aber doch, daß aus ihnen zweierlei deutlich geworden
ist; 1. bei den kleineren Abweichungen erweist sich der Text von S fast
immer59 als der originale, die Zusätze zeigen eindeutige Tendenzen einer
späteren Bearbeitung (Verdeutlichung, Normalisierung, Ausweitung,
Vervollständigung); 2. auch bei den größeren Überschüssen konnten
mehrfach die gleichen Tendenzen nachgewiesen, in anderen Fällen
wenigstens ihre Annahme als möglich aufgewiesen werden. Hier müßten
künftige Untersuchungen ansetzen. Jedenfalls scheint mir — in Überein­
stimmung mit Erbse und Inner, wenn auch bei anderer Deutung — die
strikte Trennung in der Beurteilung der kleineren und größeren Textüber­
schüsse nicht mehr haltbar. Demosthenischer Ursprung ist allenfalls bei
den sachlichen Zusätzen und bei einigen wenigen umfangreichen Partien
(§ 6 —7, 41) zu erwägen, wobei außer der Überlieferungslage kaum etwas
für eine Doppelfassung spricht. Die nachdemosthenische Bearbeitung, für
die Mehrzahl der Fälle unbestreitbar, ist nach Ausweis der Papyri und der
indirekten Überlieferung vor dem Ende des 1. Jhs. v. Chr. (Dionys v. Hai.)
anzusetzen, wahrscheinlich schon viel früher. Das entspricht auch den

*· Mißlungen«· Rechtfertigungsversuch bei Inner 128 ff.


B S hat natürlich Sonderfehler, darunter mindestens eine sichere Auslassung ($31 πρίασθαι).
Tendenzen nachdetnosthenischer Bearbeitung der 3, Philippischen Rede des Demosthenes 77

Überlieferungsverhältnissen bei anderen Autoren. O b ein oder mehrere


Bearbeiter am Werk waren, läßt sich nicht sicher entscheiden (bei FY hat
man den Eindruck einer Sonderredaktion), die Tendenzen sind immerhin
weitgehend die gleichen. Die Gründe für eine derartig extensive Über­
arbeitung gerade dieser Rede können nur vermutet werden. Wahrschein­
lich hat die frühe Erkenntnis ihrer überragenden Qualität60 schon bald zu
einer intensiven Beschäftigung mit ihr geführt61. Der oder die Bearbeiter
wollten dem Text die Form geben, die ihm Demosthenes ihrer Meinung
nach hätte geben müssen. Auch wer diesen Versuch zurückweist, sollte
nicht verkennen, daß er ein Zeugnis echter — freilich irregeleiteter —
Hingabe an Demosthenes ist62.

*° AU ή μεγίστη των κατά Φιλίππου δημηγοριών bezeichnet sie Dion. Hai. Thuc. S4
p- 415, 8 U.*R. Die» Urteil gilt auch heute noch uneingeschränkt.
41 Alexandrinische Beschäftigung mit Demosthenes weist nach M. Lossau, Untersuchungen
zur antiken Demosthenesexegese, Bad Homburg u, a. 1964 (Palingcncsia 2}.
6i Index der behandelten Stellen in der Reihenfolge der Rede:
S 1: S. 64,67---- 2: 66.74-----5: 65“ -----6/7: 74-----9: 63“ -----12 : 68---- 14 : 6 7 /.— 15:
65— 17: 65 — 18: 63“ — 19: 63— 20: 67.74/ — 24: 63— 26: 73---- 27: 66-----31:
6 7 — 32: 73 — 34; 6 tf . — 37 : 70ff. — 38 : 69f. — 39 : 72 — 40 : 60· — 41:
6 3 fJ t ---- 42 : 62‘*---- 43 : 68-----44: 6 2 / 72/.---- 45 : 62---- 46 : 7 3 / ---- 47 ; 64-----48:
63.64 ---- 53: 6 8 / — 58, 65, 71, 72, 73, 76 ; 7 5 /
Korrekturzusatz;
Die hohe Qualität von S verteidigt gegen Irmer soeben auch F. Wankel, Demosthenes,
Rede für Kusiphon über den Kranz, Heidelberg 1976, Einleitung (1. Halbbd.) 66ff.,
wobei er jedoch die 3. Rede gegen Philipp als Sonderproblem heraushalten möchte.
HANS GÄRTNER

Zur byzantinischen Nebenüberlieferung von Demetrios,


Περί έρμηνειας*
Die eigenwillige Abhandlung Περί έρμηνείας, in den Handschriften
fälschlich Demetrios von Phaleron zugewiesen, hat bei den sonst durchaus
zitierfreudigen antiken Theoretikern der Rhetorik keine sicheren, in der
frühbyzantinischen Literatur nur sehr wenige Spuren hinterlassen1. Ledig­
lich zwei Autoren aus der Zeit um 500 bzw. der Mitte des 6, Jh.s n. Chr.
nehmen ausdrücklich auf die Schrift Bezug*12, so daß man ansprechend ver­
mutet hat, damals sei überhaupt erst ein vereinzeltes Exemplar des Textes
zum Vorschein gekommen3. Kurz vor der Jahrtausendwende entstand
dann das nächste Zeugnis, nämlich der berühmte Parisinus gr. 1741
(P, 10. Jh.)4, dem in großem Abstand zahlreiche, zumeist unselbständige

* Die folgende Skizze bietet im wesentlichen eine Zusammenfassung des 3. Kapitels meiner
ungedruckten Regensburger Habilitationsschrift von 1970. — Die Demetrioszitate be­
ziehen sich auf die Ausgabe von L. Radertnacher, Leipzig 1901 ( - Stuttgart 1967).
1 Alle Versuche, Kenntnis und Benutzung der Schrift etwa bei Lollianos oder Hermogenes
nachzuweisen, sind unverbindlich geblieben. Dasselbe gilt wohl auch im falle des Lachares
(frg. 2 Studemund = Rhet. Gr. V II930,26-29 Walz) —Demcir. 2, wo O . Schissei, Philol.
82, 1927, 181 ff., Abhängigkeit vermutete,
1 Phoibammon in der Vorrede zu Hermog. n. löeoiv (Proleg, Syll. Nr. 28, p. 377, 12-14
Rabe * VII 9 3 ,9f. Walz) und Ammonios im Prooemium zu Ariscot. de interpr. (CAG
IV 5, p. 4, 2 9 -5 ,1 Busse). Während Phoibammon den Autor, in einer Aufzählung zu­
sammen mit Dionys von Halikarnaß und einem so gut wie unbekannten Hipparchos, in der
Form 6 ΔημήτρίΟς einführt und damit wohl zu erkennen gibt, daß er ihn für den Phalercer
hält (vgl. H, liers, De aetate et scriptore libri qui inscribitur Demetrii Phalerei ΠΕΡΙ
ΕΡΜ Η Ν ΕΙΑ Σ, Diss. Breslau 1880, 6; G. Μ. A. Grube, A Greek Critic: Demetrius Qn
Style, Toronto 1961. 55), scheint der Zusatz des Ammonios 6 tö περί τής λογογραφικής
Ιδέας βφλίον σνγγράψας καί σύτος αύτό Ιπιγράφας Περί έρμηνείας (die früheste
Bezeugung der selbständigen Form des Titels unserer Schrift!) eher darauf zu führen, daß er
über die Identität zumindest im Zweifel war (anders Liers und Grube a. O.).
3 B. Keil, Pro Hermogene, NGG 1907, 220.
* Uber diese Handschrift und ihre Geschichte zuletzt ausführlich D. Harlfinger-D. Reinjch,
Die Aristotclica des Parisinus Gr. 1741, Philol. 114, 1970, 28ff.
Zur byzantinischen Nebenüberlieferung von Demetrio«, Περί ίρμηνείας 79

rcccmiores folgen*45. Trotz vereinzelter Hinweise auf die Existenz mehrerer


Dem etrios - Handschriften zur Entstehungszeit von P6 muß - aufgrund
durchgehender Korrupt den in sämtlichen erkennbaren Fassungen —damit
gerechnet werden» daß nur ein äußerst schmaler Traditionsstrang den Text
zu den byzantinischen Rhetoren des lO.Jh.s gerettet hat. Daher wird jede
zusätzliche Quelle, die der schwachen Textbezeugung zu Hilfe kommen
kann, Anspruch auf Berücksichtigung und Auswertung erheben dürfen.
Das gilt insbesondere für eine Reihe von Zitaten, die in byzantinischen
Kommentaren zu Ps. Hermogenes Περί μεθόδου δεινότητος in unter­
schiedlicher Genauigkeit und Ausführlichkeit begegnen7*9. Insgesamt ist es
leider weniger als ein Zehntel des Textes, das wir in den Scholienmassen
wiederfinden, mit denen byzantinische Gelehrte den von ihnen als genuin
betrachteten ,Hermogenes‘-Traktat versehen haben“.
Die älteste aus dieser Gruppe von Erklärungsschriften, der Kommentar
des vielseitigen Johannes Geometres aus dem 10. Jh,*, wurde in der Folge
oft benutzt, schließlich aber durch jüngere Werke überlagen und ver­
drängt. Eingewirkt hat seine »Hermogenes*-Erklärung vor allem auf die
weitschweifige Kompilation, die unter dem Titel άπό τής έξηγήσεως τής
είς τό περί μεθόδου δεινότητος τού μητροπολίτου Κορίνθου κυρίου
Γρηγορίαυ σχόλια überliefert ist und deren vollständige Fassung erstmals
im Jahre 1834 von Chr. Walz publiziert wurde10. Eine kürzere Fassung
hatte, auf anderer handschriftlicher Basis, bereits J .J . Reiske heraus-

* Mir sind 39 Handschriften des 15.-17. Jh.s bekannt, darunter 6 fragmentarische und
Exzerpt-Handschriften. Einige wenige gehen nicht auf P, sondern auf eine selbständige,
freilich P sehr nahestehende Vorlage zurück. Hinzukommt eine unvollständige lateinische
Version des 13. Jh.s in einer Handschrift der Universi ty of Illinois (B. V. Wall, A Medieval
Latin Version of Demetrius’ De Elocutione, Washington 1937).
4 Neben den in Anm. 5 erwähnten Spuren liefert vor allem das Vorkommen zweier Text­
fassungen in P (Grundtext P1, Varianten Pa) einen deutlichen Hinweis darauf. Die richtige
Beurteilung des Sachverhaltes bereits bei Rädermacher (p. Vf.); ein ausführlicher Ver­
gleich sämtlicher in Frage kommender Stellen bestätigt seine Einschätzung.
’ Unberücksichtigt bleiben hier einige - nicht immer eindeutig zuweisbare - sporadische
Verweise auf Dcmctriossteilen, wie sie bei Maximos Planudes (V 366, 2 - 4 . 407, 7 -2 7
Walz) und in mehreren anonymen rhetorischen Lehrschriften, vor allem solchen zur
Figurenlehre(VII64,25 - 27.846, 12 - 847, 26. 762,8-12 Walz; ferner I I I 111, 2 1 -1 1 2 , 2.
114, 1 -6 . 117,16-18 Spengel) vorliegen.
9 Den Nachweis der Unechtheit führte E. Bürgi, Ist die dem Hermogenes zugeschriebene
Schrift Περί μεθόδου όεινότητος echt?, Wien. Stud. 48, 1930, 187ff. 49, 1931, 40ff.
9 Über ihn F. Scheidweiler, Studien zu Johannes Geometres, Byz. Ztschr. 45, 1952, 277ff,,
bcs. 300 f. Vgl. H .-G . Beck, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich,
München 1959» 553 f.
*° Rhet. Gr. VII 1090-1352. - Zur Abhängigkeit mancher Partien im Kommentar Gregors,
darunter auch der Demetrioszitate, vom Kommentar des Johannes Geometres vgl,
Th. Gerber, Quae in commentariis a Gregorio Corinthio in Hermogenem scriptis vetustio­
rum commentariorum vestigia deprehendi possint, Diss. Kiel 1891.
80 Ham Gärtner

gegeben11. Allgemein identifiziert man den Verfasser mit Gregorios (oder


Georgios) Pardos» dessen Lebenszeit, wie sich neuerdings durchgesetzt
hat, am ehesten in den Zeitraum zwischen 1070 und 1156 fällt1112. Zu den
verschiedenen Rezensionen seines Kommentars sowie zu weiteren, diesem
nahestehenden, teils anonym überlieferten, teils uns nicht recht greifbaren
Verfassern zugeschriebenen Kompilationen sollen nun hier einige sehr
summarische Bemerkungen folgen13.
W ir beginnen mit Fragen der Überlieferung. Den ausführlichen Text, wie
ihn Walz abdruckte, enthalten nur der Laur. gr. 57,5 (La, 14. Jh.)
f, 340*—378v, dort als Marginalscholien zum ,Hermogenes*-Text notiert14*»
und der Vindob. phil. gr. 16 (16. Jh.) f. l r—107ris, eine direkte Kopie von
La16 ohne den .Hermogenes‘-Text.

11 Oratores Graeci VIII, Leipzig 1773, 877ff. Vgl. auch unten Aiun. 18!
li Georgios ist vielleicht sein ursprünglicher, Gregorios sein nachmaliger (Mönchs-)Name
gewesen. Der Familienname wird u. a. im Cod. Paris, gr. 1969 genannt. Uber sein Leben
und Wirken vgl. J. K. Bogiatzides, Γρηγό^ιοι Μητροπολΐται Κόρινθόν, Byz. Zuchr.
21, 1912, 145 ff. A. Kominis, Gregorio Pardo, metropolita di Corimo c Ia sua opera,
Roma I960; ergänzend D. Donnet, Pr&tsions sur les Oeuvres profanes de Gregoire de
Corinthe, Bull, de Einst. hist. Beige de Rome 37, 1966, 81 ff. Ein knappes Referat des
spärlichen biographischen Materials auch in Donners Ausgabe von Gregors Schrift Περί
συντάξεως λόγου, Bruxelles 1967, 13 f.
11 Die Bemerkungen tragen den Charakter des Vorläufigen; dies vor allem deswegen, weil
ihnen nur Teilkollationen (an Mikrofilmen) zugrundeliegen.
11 Vgl. A. M. Bandini, Catalogus Codicum Graecorum Bibliothecae Mediceae Laurentianae
II, Florenz 1768 (= Leipzig 1961), 339ff.: ,bombycinus, folio max.‘ Die Handschrift
enthält auf ihren 412 Blättern weitere rhetorische Schriften, darunter solche des Johannes
Doxapatres, Hermogenes (η. σχάσεων und n. εύρέσεως mit Kommentar) und Johannes
Sikeliotes (Kommentar zu Hermog- Π. Ιδεών).
ls Beschrieben von H. Hunger, Katalog der griechischen Handschriften der österreichi­
schen Nationalbibliothek 1: Codices historici. Codices philosophi et philologici, Wien
1961, 148 f. Diese Papierhandschrift (Format 330 x 220/25) enthält auf ihren 362 Blättern
außerdem noch den Aphthonios-Kommentar des Johannes Doxapatres.
14 Das Abhängigkeitsverhältnts hat schon Walz (vgl. VII t088f.) bemerkt, jedoch vor­
wiegend anstelle von La den - viel besser lesbaren — Vindobonensis reproduziert» nicht
immer zum Voneil seines Textes. So fehlen z. B. bei Walz VII 1180, 29 nach ζητσύμενσν
die vom Schreiber des Vindobonensis übersehenen, da in La am Rande von erster Hand
nachgetragenen Worte μάλα ήθικώς καί έναργώς τόν te άγγελον έμφήνας άκουσίως
λέγοντα καί tfjv συμφοράν άησγνέλλονχα καί tf|v μητέρα eie Αγωνίαν έμβαλόντα, - Als
besonders folgenreich erwies sich die Bevorzugung der Abschrift in dem berühmten
Hekauioszitat Demetr. 12 (FGrHist 1 F 1): La hat, wie die gesamte übrige Überlieferung
auch, die richtige Fassung . . . ώς έμοί φαίνονται, είσίν, nur ist ώς durch ein Kürzel be­
zeichnet, das vom Abschreiber als καί mißdeutet worden ist. Den fehlerhaften Text griff
Walz auf und .korrigierte* ihn zu . . . καί έμοί φαίνονται (καί) είσίν. Diese vermeintliche
Variante, als solche durch die undeutliche Notiz im kriüsdien Apparat (,καί Vind. om.‘)
scheinbar erwiesen, gelangte in Radermachcrs Text und immerhin noch in Jacobys
Apparat, obgleich bereits Gerber (a. O. 16 Anm. 1) auf den Irrtum aufmerksam gemacht
hatte.
Zur byzantinischen Nebenüberlieferung von Demetrio«, Περί ίρμηνείσς 81

Eine wesentlich knappere — und ältere — Fassung Hegt vor »m Laur.


gr. 56,1 (Lb, 13. Jh.) f. 52r~81v 17 und in seiner Abschrift, dem Monac.
gr. 101 (16. Jh.) f. 288r-3 3 0 ris. D er Kommentar trägt hier die Überschrift
άπό τής Ιξηγήσεως τοΰ μητροπολίτου Κορίνθου εις τό περί μεθόδου
δεινότητος τού έρμογένους βιβλίον.
Die Kenntnis einer weiteren Gruppe von Handschriften, die Walz großen­
teils unbekannt geblieben war, verdanken w ir Hugo Rabe, dem besten
Kenner und gründlichsten Erforscher der spätantiken und byzantinischen
rhetorischen Literatur. Es handelt sich um den Escorial, gr. 170, früher
T. III. 10 (Ec, 12. Jh.) f.228v-2 6 7 v” und den Vatic. gr. 105 (Mitte des
13. Jh.s) f. 371r—418V2°. Der Kommentar, dessen Überschrift in Ec infolge
mechanischer Beschädigung mitsamt dem Anfang des Textes ausgefallen
ist*14*21, trägt im Vatic. 105 den Titel έρμηνεία* τοΰ Κορίνθου είς τό περί
μεθόδου δεινότητος έξηγησις22. Wir werden hinter dieser Verfasser-

17 Bandini a. O. I89ff.: ,pap. folio'. Auf seinen 292 beschriebenen Blattern findet sich ein
buntes Gemisch von Schriften verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Neben
weiteren rhetorischen Traktaten (Menandros; Inhaltsangaben demosthenischer Reden)
gehören dazu Reden (Polemon der Sophist; Theophylaktos von Bulgarien), das O no­
mastiken des Pollux und Polyaens Strategemata.
18 Dieser von Reitke benutzte Codex ist beschrieben bei J. Chr. L, Baro de A retin-J, Hardt.
Catalogus codicum. manuscriptorum Bibliothecae Regiae Bavaricae I. München 1806.
538ff. Die Papierhandschrift enthält noch u. a. die Eutrop-Ubersetzung des Paionios und
Memnon-Exzerpte. Seine Abhängigkeit von Lb blieb trotz durchgehender Übereinstim­
mung beider Fassungen unbemerkt, weil zahlreiche in Lb von späterer Hand am Rande
notierte Stücke aus einer reichhaltigeren Rezension nicht in den Monacensis übernommen
worden sind und weil hier die Synopsis (VII 1349-1352 Walz) fehlt, obwohl sie in Lb
vorhanden ist. Dort folgt sie freilich auf die Worte τίλος τού περί μεθόδου δεινότητος, so
daß der Kopist denken konnte, das Weitere gehöre zu einer anderen Schrift.
14 P. A. Revilla, Catälogo de los Codices griegos de la Bibliotcca de El Escorial I, Madrid
1936, 522f.: Petgamemhandschrift mit 267 Blättern im Format 240 x 221. - Vgl.
H. Rabe, Aus Rhetorenhandsdiriften 6., Rhein. Mus. 63, 1908, 512. Der - prachtvoll
geschriebene - Codex enthält nur Schriften des Hermogenes mit umfangreichen Marginal­
scholien aus mehreren Jahrhunderten -
10 J. M ercati-P. Franchi de' Cavalieri, Bibliothecae Aposiolkae Vaticana* Codices manu
scripti recensiti 1, Roma 1923, 126: Papier, 256 X 170, 420 Blätter. Sein Inhalt besteht aus
rhetorischen Schriften verschiedener Zeiten (u. a. Aphthonios; Hermogenes, dazu Scholien
des Georgios Diairetes; Romanos Sophistes),
21 Die Schäden wurden teils durch den Brand vom Jahre 1671, teils durch Wasser hervor-
gerufen. Nachträglich wurden die Ränder der Handschrift unter Textverlust beschnitten. -
Mikrofilmaufnahmen verdanke ich der freundlichen Vermittlung von P. G. Schmidt/
Güttingen.
21 Ohne den Zusatz έρμηνεΕα kehrt diese Überschrift wieder in einer - wohl von Ec bzw.
dem Vaticanus abhängigen — Gruppe unvollständiger Gregor-Handschriften, die nur den
Anfang de« Kommentares bieten. Da sie keine Demetrios-Zitate enthalten, bleiben sic
außer Betracht. Es handelt sich um den Vatic. gr. 14] (13./14. J h .; sein Text reicht bis VII
1109, 24 Walz τό μ*ν πρώτον), Ambros, gr. 738 (S 90 sup., 16. Jh.; sein Te*t, wie auch
82 Hans Gärtner

angabe ebenfalls Gregor, den Metropoliten von Korinth, erkennen dürfen,


der auch in manchen Handschriften seiner Abhandlung Περί διαλέκτων
in dieser Weise bezeichnet w ird ". Der Vaticanus, der den ,Hermogenes‘-
Text nicht enthält, steht Ec so nahe, daß ich ihn, ungeachtet einiger
kleinerer Abweichungen24, für einen Nachkommen des Escorialensis
halten möchte.
Zu diesen mehr oder minder deutlich mit Gregors Namen verbundenen
Kommentaren treten zwei weitere Erklärungsschriften zu ,Hermogenes*,
beide ebenfalls von Rabe aufgefunden und in wesentlichen Zügen
bekanntgemacht. Im Messan. S. Salv. 119 aus dem Basilianerkloster
S. Salvatoris bei Messina {Me, 13. Jh.) ist f. 136Γ-1 7 6 Ϊ ein ohne den
,Hermogenes1-Text geschriebener, anonymer, gegen Ende stark ver­
stümmelter Kommentar είς τό περί μεθόδου δεινότητος überliefert25, der
mit den Worten διά τής V I I 1163,30 Walz abbricht. Der Verlust des zwei­
ten Teiles ist sehr bedauerlich, weil Me alle Demetrioszitate aufweist, die
in der reichhaltigsten Rezension La Vorkommen, somit vermutlich
wichtiges Vergleichsmaterial enthalten hat. Im übrigen weichen Wortlaut
und Bestand streckenweise erheblich von La ab.
Ein letzter ,Hermogenes‘-Erklärer ist uns zwar mit Namen bekannt,
jedoch bislang nicht eindeutig identifiziert: Im Cod. Vatic. gr. 2228 (Va,
14. Jh.) f. 420r—503' steht ein fortlaufend ohne den ,Hermogenes'-Text
geschriebener, an klassischen Zitaten besonders reicher Kommentar unter
der Überschrift Ίω ά ννο υ διακόνου καί λογοθέτου τής μεγάλης
έκκλησίας εις τδ περί μεθόδου δεινότητος έρμογένους, der ebenfalls
Stücke aus Demetrios enthält2*.

der der beiden folgenden Codices, endet schon VII 1107, 9 Walz ή λίχνοις), Salamine,
gr. 1-2-10 (16. Jh.), Mus. Brit. gr. 16D 12 (16. Jh.); zu ihnen gehörte auch der im Jahre
1904 verbrannte Taurin, gr. 236, den Walz, zusammen mit dem Vaticanus und dem
Ambrosianus, als einzigen Vertreter dieser Gruppe berücksichtigt hat. - Vgl. im übrigen
H. Rabe, Rhein. Mus. 63, 1908, 512f.
H Kominis a. O. 17. 64 f.
14 Vgl. H. Rabe, Rhein Mus, 63, 1908, 514 f. Auch in den Demetrioszitaten fehlen gelegent­
lich einzelne Wörter (καί VII 1189, 16; 6έ 1213, 5 Walz), doch erklärt sich ihr Ausfall als
Flüchtigkeitsfehler: Die MzrginaJscholien von Ec bestehen fast durchweg aus Kürzeln und
sind in winziger Schrift geschrieben.
ls H. Rabe, De Christophori commentario in Hermogenis librum περί σχάσεων, Rhein.
Mus. 50, 1895, 242f., ferner Rhein Mus. 63, 1908, 5l6f. - Die starke Beschädigung der
Handschrift, deren letzte, weitgehend zerfetzte Blätter nur notdürftig repariert wurden,
und die Ursachen ihres gegenwärtigen Zustandes (Brandschäden im Zusammenhang mit
dem Bombardement von 1848, aber auch unsachgemäße Behandlung der Klosterbibliothek
durch die Mönche) beschreibt H. Rabe, Aus Rhetorenhandschriften 8., Rhein. Mus. 63,
1908. 529f.
“ H. Rabe, Aus Rhetorenhandschriften 5., Rhein. Mus. 63, 1908, 127ff.
Zur byzantinischen Nebenüberlieferung von Demetrios, Περί Ιρμηνεία; 83

Somit haben wir es mit fünf Kommentar-Rezensionen zu tun, die in


unterschiedlicher Reichhaltigkeit und mit wechselnder Genauigkeit
Abschnitte aus περί έρμηνείας reproduzieren. Eine Übersicht mag deren
Verteilung verdeutlichen:27
Demetrios Walz VII Vorkommen in Rezension
86-88 1160, 17-25 La Me
84 1160, 25 - 30 La Me
78 1160, 30-1161, 6 La Me
83 1161,6-11 La Me
241 1170, 10-15 La
(1179, 24 -29) La
263 1170,15-21 La Va Ec
292-294 1179, 6-21 La
288-289 1179,29-1180, 20 La
(1179,2-4) La
216 1180,20-1181, 1 La
243 1181,2-5 La
283 1181,6-10 La
261 1181,14-17+ 1170,8-10 La
61-62 1189, 13-1190, 8 La Va Ec' Lb' ('»n u r bis 1189,
54-58 1213, 1-1214,5 La Va Ec*(' = bis 1213,9)
64 (+ 63) 1214,25-1215,4 La Va Ec' Lb (' = bis 1215,1)
12—15 1215,21-1216, 18 La Va Ec" Lb' (" = bis 1215,24
und 1216,5-8.
' - bis 1215, 24)
162 1236, 11-15 La Va Ec Lb
Wie ersichtlich, liegen leider zu keiner einzigen Demetriosstelle sämtliche
Rezensionen zugleich vor, so daß ein durchgehender Vergleich auf der
Grundlage unseres Materials nicht möglich ist. Trotzdem lassen sich, bei
aller Vorsicht, die angesichts solcher, notorisch instabiler Scholienmassen
angebracht ist, folgende Feststellungen hinsichtlich der Beziehungen der
verschiedenen Fassungen zueinander wagen:
1. Ungeachtet zahlreicher und teils sogar sehr erheblicher Divergenzen im
einzelnen zeigt sich an charakteristischen, in allen Rezensionen nachweis­
baren Verformungen des Demetriostextes, daß für alle fünf Fassungen eine
gemeinsame Urvorlage anzusetzen ist28.

11 Diese Zusammenstellung stutzt sich im wesentlichen auf Radermacher (Angaben im


kritischen Apparat) und Gerber (a. O. Hff.). Beim Kollationieren der Mikrofilme durch­
geführte Stichproben ergaben in den von Walz (und damit auch von Radermacher) nicht
berücksichtigten Handschriften keine weiteren Entlehnungen aus Demetrios.
** AU Belege mögen hier, statt vieler, stehen: VII 1213, 12f. Walz (aus Demetr. 56)
άπσαπασθείς τών προτέρατν μεγαλειότητα εΐργάσατο statt άποσπάσας τ. ιτρ. τα έχόμενα
μεγαλειόν τι είργ. - V II1189, 14 f. (aus Demetr. 61) die einleitenden Worte zu ll. B671 f.:
τούτο tv xfi Βοιωτίρ icritat. διηγηοάμτνος γόρ περί ιώ ν όλλω ν. . . - VII 1160,30-1161,2
(aus Demetr. 78) συμβάλλονται 0 t a i μεταφοραι πρός ή&ονήν και όγκον κοκ μέγεθος
84 Hans Gärtner

2. La, der von Walz abgedruckte Kommentar, repräsentiert eine ziemlich


späte Ansammlung verschiedenster Bestandteile; zu den wahrscheinlich
nach Gregors Zeit vorgenommenen Erweiterungen gehören Teile der so­
genannten P-Scholien zu Hermogenes29 und der Φλυαροστιχίδια des
Johannes Tzetzes30. Lb, u. a. durch die gleiche Form des Titels (άπό της
έξηγήσεως . . .) mit La verbunden, enthält diese Erweiterungen - wie
auch sonst vieles andere — nicht, dürfte somit eine Gregor näherstehende
Fassung bieten. Beide sind jedenfalls, was den Grundbestand angeht, aus
einer gemeinsamen Quelle geflossen31.
3. Me gehört in die Nähe von Lb und La, ist aber von beiden unabhängig,
am ehesten wohl ebenfalls auf deren gemeinsame Vorlage zurückzu-
fuhren32.
4. Va, der Kommentar des Johannes Diakonos, nimmt insofern eine
Sonderstellung ein, als er mit einer Fülle erlesener Klassikerzitate durch­
setzt ist, die Rabe seinerzeit im Hinblick auf ihre sensationelle Bedeutung
sofort veröffentlichte33. Fraglos gehört zu seinen Vorfahren eine literar­
historisch ausgerichtete, hochgelehrte Quelle, daneben aber auch die ver­
mutete gemeinsame Vorlage von Lb und La (sowie Me)34.
5. Die Kontamination beider Überlieferungen scheint schon vor Johannes
Diakonos vorgenommen worden zu sein. Von dieser Vorstufe hängen Ec,
der Va in manchem sehr nahesteht, und seine »Nachkommenschaft' ab35,*V
I
τοϊς λόγοις, καί χοή λαμβάνειν αύτάς μή πόρρωθεν stau αδται γάρ μάλιστα και (Ρ : πρός
reerntiomm nonnulli) ήδονήν συμβάλλονται τοΐς λόγοις και μέγεθος, μή . . . μήτε μήν
πόρρωθεν μετενηνεγμέναις (sc. μεταφοραϊς χρηστέον).
19 Vor allem aus den Parisiru Pc und Pa, vgl. Rabes Hermogenes-Ausgabe; Gerber a. O.
10 ff. Die Zusätze verraten sich, wie üblich, durch einleitende Floskeln wie £n, είς tö
αύχό, άλλως, αύθι,ς, έιέρου έΙηγητού oder gar (VII 1129,29) t u διά ττλείσνα σαφήνειαν.
VII 1098,23-1099,9 (vgl. Gramer, Anecd. Ozon. IV I3l,17ff.). 1186,12-15 (Cramer
135, 1ff.), 1157,25-1158, 12 sind die Verse Cramer 133, iff- sogar im Wortlaut aus­
geschrieben,
Jt So schon Gerber 3 ff. und 10, die gemeinsame Vorlage von ihm mit A bezeichnet. Es muß
offen bleiben, ob A für den genuinen Kommentar Gregors oder bereits für eine jüngere
Bearbeitung, eine verlorene Zwischenstufe also, steht. A muß bereits die Zitate aus Michael
Psellos Περί χών δνομάτων τών δικών (VII 1119, 1 -9 . 1120,22 -24. 1121,12 -2 0 Walz)
sowie aus Gregor von Nazianz und Symeon Metaphrastes (z, B. VII 1337, 3—5) enthalten
haben, die - allerdings in wechselnder Gestalt und Genauigkeit - in La, Va, Lb und Ec
vorhanden sind.
»* Vgl. H. Rabe, Rhein. Mus. 63, 1908, 5l6f.
,} Rhein, Mus. 63, 1908, 133ff. Zu diesen Zitaten gehören die Prologe von Euripides’
Sthencboia und Melanippe, dazu zahlreiche Partien aus attischen Rednern.
w So würden sich die zahlreichen Übereinstimmungen zwischen La und Va erklären; etwas
anders Rabe a. O.
M Diese Annahme würde begründen, weshalb Ec und Va einerseits starke Ähnlichkeit
aufweisen, andererseits ihre Kommentare unter verschiedenen Verfassernamen gehen.
Zur byzantinischen Nebenüberlieferung von Demetrias, IltQi Ερμηνείας 85

Die Abhäigigkeitsverhältnisse lassen sich so veranschaulichen;

Johannes Geometres

,Literarhist. Gregors Kommentar P-Scholien,

In allen Fassungen hätten wir, falls die Skizze das Richtige trifft, demnach
zwar mit Elementen aus Gregors Kommentar zu rechnen, ohne jedoch
seine ursprüngliche Gestalt in allen Einzelheiten sicher bestimmen zu
können. Immerhin mag aber deutlich geworden sein, daß die bei Walz ab­
gedruckte Version, von den Flüchtigkeitsfehlern ganz abgesehen94, nur
einen Ausschnitt aus einem wesentlich reicheren Spektrum bietet. Zugleich
wächst das Bedauern darüber, daß Hugo Rabe seine umfangreichen Er­
mittlungsarbeiten nicht mehr in allen Bereichen mit abschließenden
Editionen krönen konnte.
Welcher Gewinn kann nun, um auf den Ausgangspunkt unserer Bemerkun­
gen zurückzukomihen, für recensio und Konstituierung des Demetrios-
Textes aus dieser NebenüberUeferung gezogen werden?
Mehrere Umstände beeinträchtigen gewiß die Verwendbarkeit des
Materials:
1. N u r relativ wenige Demetriosabschnitte liegen bei ,Gregor‘ vor; das ist
nicht verwunderlich, denn es interessierte die Kommentatoren ja nur das
auf den Bereich der δεινότης BezügUche.
2. Keine Stelle wurde völlig unverändert übernommen; manche Abschnitte
sind geradezu als Paraphrasen anzusprechen.34

34 Vieles wurde bereits von Gerber (13 ff. 42ff.) berichtigt und emendiert.
86 Hans Gärtner

3, Die verschiedenen Bearbeiter unserer fünf Fassungen sind ihrerseits


wiederum sehr großzügig mit den - wahrscheinlich gar nicht mehr als
Entlehnung erkannten - Demetrioszitaten umgegangen, so daß sich
oftmals der W ortlaut der gemeinsamen Quelle nicht mehr mit Sicherheit
erschließen läßt.
4, Mehrfach sind wir allein auf die junge Fassung La angewiesen. Me, ein
insgesamt,konservativerer' Text, steht nur an vier Stellen zur Verfügung.
Glücklicherweise zeichnen sich indes, namentlich in den gegen Verände­
rungen besser geschützten Kempartien längerer Zitate, doch noch einige
Lesarten ab, die es gestatten, über die letztlich - d. h. bei Johannes Geo­
metres37 — zugrundeliegende Demetrios - Rezension einige Aussagen zu
treffen. Die Besorgnis, daß manche Abweichungen gegenüber P byzan­
tinische Konjekturen sein könnten, ist zwar nicht gänzlich von der Hand zu
weisen, doch zeigt sich bei gründlicher Musterung der Textstücke, daß wir
ihr nicht allzu viel Raum geben sollten, Eingriffe in den Wortlaut der Zitate
kommen zwar vor, doch erstrecken sie sich, wie üblich, vor allem auf die
Anfangs- und Schlußsätze und dienen auf sehr vordergründige Weise der
Absicht, eine notdürftige syntaktische Anpassung an den Kontext zu er­
reichen. Daneben begegnen wir des öfteren Banalisierungen und Glättungs­
versuchen, die bei größeren sprachlichen Schwierigkeiten des Demetrios-
textes sogar am Richtigen völlig Vorbeigehen können38. Verderbte und
sogar unverständliche Partien sind dagegen nirgends durch Emendations-
ansätze verändert, ja, nicht einmal offenkundige leichte Versehen sind
korrigiert worden. Die Interessen des Kommentators waren offensichtlich
ganz auf die Erhellung des ,Hermogenes'-Textes durch Beibringung von
erklärenden Stellen, nicht aber auf die sprachliche Durchdringung und
Reinigung dieser Scholien gerichtet. So gesehen dürfen wir, auf Rader-
machers Spuren, ,Gregor* nach Abzug einzelner Flüchtigkeitsfehler der
fünf Versionen mit einiger Zuversicht auswerten. Die Kenntnis des
reicheren Materials gestattet dann sogar, an der einen oder anderen Stelle
ein wenig über Radermacher hinauszugelangen.
Aus der Reihe der eindeutig guten und P überlegenen Lesarten seien hier
abschließend die wichtigsten angeführt:17

17 Einzelnaehweise bei Gerber I3ff.; vgl. auch C. Hammer, BPhW 13, 1893, 457.
i# Vgl. das oben Anm. 28 zitierte Beispiel aus Demetr. 56! In der Ktesiasparaphrase Dcmetr.
216 wurden die Worte παρά τήν Παρύσατιν („mit Rücksicht auf Paryeads") verkannt und
infolgedessen verändert zu έλθών , , , πρός τήν Παρύσατιν. Im selben Abschnitt sind die
Worte tö 6ή λτγόμενον („wie man sagt“) mißverstanden und durch ζητούμενον ersetzt
worden.
Zur byzantinischen Nebenüberlieferung von Demetrios, Περί έρμηνείας 87

Demetr. 12 άληθέα La: άλήθεια P


55 άλλ’ öv συμβάλλωνται Ec Va La Ρ 2: άλλαι συμβάλλονται
P*
58 έμβαλλόμενος σύνδεσμος Va La: om. P
64 ή εΐ είπεν La: ή είπεν Ρ
83 ώς ούτως La Me: ωσαύτως Ρ
84 τι τής φ ά λ α γ γ ο ς La M e: τής φάλαγγος Ρ
216 τα γενόμενα La: τά γινόμενα Ρ
261 Ιφη La: om. Ρ
283 γάρ &ν ή οικουμένη La Ρ2: γά ρ ή οικουμένη Ρ*
289 πάσα ή Κρατεροΰ ύπερηφανία La: ύπερηφανία τού Κρ
πάσα Ρ (jedenfalls wird der Artikel benötigt).
Mit aller Vorsicht läßt sich wohl auch über die der Nebenüberlieferung
zugrundeliegende Demetrioshandschrift noch etwas aussagen. Insgesamt
war Radermacher im Recht, als er diese Vorlage als dem Parisinus P sehr
ähnlich einstufte39. Demselben - dem vermutlich ohnehin einzigen -
Überlieferungsstrang wie P gehörte der Codex gewiß an; darüber hinaus
spricht das Vergleichsmatcrial aber dafür, in ihm eine gegenüber den beiden
in P greifbaren Rezensionen selbständige Handschrift zu sehen. Mit Hilfe
der verstreuten Informationen von Ρ 1, P 2 und der hier in schwachen Um­
rissen sich abzeichnenden Handschrift würde sich demnach eine Möglich­
keit eigeben, etwas weiter über P hinaus zurückzugelangen zu einem
Archetypus des Demetriostextes, der spätestens im mittleren 10. Jh, ent­
standen sein müßte.

Radermacher p. X: .Gregonus . . . usus e« libro Parisini simillimo.*


H. LLOYD-JONES ET P. J. PARSONS

Iterum de ,Catabasi Orphica*


annum te, doctissime, nonagesimum explentem grato animo salutamus:
genethliacum quodam modo carmen afferimus, studiosis diutius cognitum,
nobis denuo retractatum: cuius ut primitiis felicissime illaborasti, ita
messem nostram sollertissime perpendes.
fragmenta papyracea (Pack2 1801) Bononiae asservant, editionis funda­
mentum primus iecit R. Merkelbach, Mus. Helv. 8 (1951) lss: ille codicis
paginas composuit ordinavit, ille carminis contextum explicavit: nec tamen
ipsam in manu papyrum habebat, sed papyri photographias (excepto
fol. II), cum apographo quod fecerat a. 1931 A. Vogliano.
praeterea disceptarunt: G. B. Pighi, Aeg. 27 (1947) 175; A. Vogliano,
Acme 1 (1948) 226; O. Montevecchi, Aeg. 31 (1951) 76; A. Vogliano,
Acme 5 (1952) 385, Prolegomena 1 (1952) 100; R. Keydell, Acme 5 (1952)
418; M. Treu, Hermes 82 (1954) 24; J. Delz ap. Archiv f, Papyrus-
forschung 16 (1956) 85; R.Turcan, Rev. de 1'hist. des religions 150 (1956)
136; A. Setaioli, SIFC 42 (1970) 179; E. Nardi, lura 21 (1970) 186;
A. Setaioli» SIFC 44 (1972) 38; E. Nardi, lura 23 (1972) 135; A. Setaioli,
SIFC 45 (1973) 124.
carmen iterum publicavit, doctorum inventa congessit O . Montevecchi,
Papyri Bononienses I (1953) n. 4.
nobis praecipuum erat munus düudicandi, in papyro quid certius legi
posset, quid prudentius suppleri, totius codicis photographias contulimus,
postea ipsam papyrum: illas amice donavit B. Marzullo, hoc benigne per­
misit Academiae Bononiensis Bibliotheca, conciliante G.G eraci: grates et
his agimus ct C. W. Macleod adiutori amico.
restant maiora, de aetate carminis, de origine, de eschatologia: quae inviti
sed imperiti scientioribus relinquimus, hoc tantum liceat brevi dicere:
nobis quidem poetae et sermo et materies aetatem non Hellenisticam
redolere sed prorsus Romanam videtur: cum ergo nostro et Vergilio sunt
multa communia, non ab illo Vergilius sed Ule a Vergilio (vel a tertio
quodam ambo) mutuabatur.
Iterum de ,Catabasi Orphica* 89

papyrus s. p. C. ii vel iii exarata, menda ipse sua correxit librarius


(29,55, 57, 103), item plebeias quasdam orthographias (1,8,65). puncta,
accentus nusquam (nisi fort. 152); semel diastola (16), semel spiritus asper
(28); tremata passim (31, 58?, 60,69, 76, 77,207), iota adscripmm semper
praeterit; elisiones numquam plene scribit, raro apostropha signat
(13?, 16?, 127, 152).
P. Bon. 4

(ioi ir) του 6’ άπό μ(έ]ν κρυερω[ν, ]λαμων[


Ιπτατρ δακρυχέων [ ] δεοθε. [
ή δ’ εύνήο προπάροιθε[ν] ά π ο ρ ρ ίψ α ο α δ [
ϊο]τενεν Ε1[λ]εύθυια βι[αζ]ομένηνα[
s öc 61 παρέδραθε μητρ{1] καί ήψατο γα[
φιγεδανήο και άρουραν έπέδραμεν[

fol. 1 r 1—10 peccata libidinis? 1—4 infantis {sive in utero sive post panum) caedes;
5—10 incestum cum matre.
1—4 varie disputati, hoc unum pro ceno habemus, »Ilithyia ante lectum gemebat*: quod
aut ad infanticidium respicere potest aut ad aborti procurationem (cf Ov. Am. 2 .1 ). 21 $).
t κρυερώ[ν: α\ρ pap.: de gelidis aut translate de horrendis, aut θθ]λάμων aut κα]λαμών
possis; illud varie acceperunt viri docti, .cubile', .Ditis atria' (e, g. Soph. Am. 804 τόν
παγκσίταν . . . θάλαμον), .sepulchrum* (Kaibel, Ep. Gr. 241.4 κρυερόν . . . θάλαμον),
»corpus quod est animae tectum* (vid. Turcan I. c .; Kittel, Theol. Wb. z. NT s. v. obela,
ciri)voc). nos hic »cubile*, ut 5 ,torum*, coniugum vel amantium videmus. 1—2 (feri
νέρχερα θυμίκ] | ίπταχο Snell, cf ft 469, 857 s : nobis multo veri similius videtur. Ilithyiae
quendam collegam ,e thalamo scelesto lacrimabundum evolasse*, Erotem fortasse aut
Hymenaeum. 2 ad όακρυχίων (vocem compositam) vid. M. Leumann, Homerische
Wörter 36; eadem sede A 357 ete; quinquies apud Nonnum. ( ) ficcQc _[; am* ö, fort, α
vel o; ad fut., q ( vel o( : (άπ]ό 6(έ) possis (ad 1 άπό μ(έ)ν), si ita, quid sequatur non
videmus nisi IcOtofc (Icfioc ii 94); sed nihil pro certo. 3—4 «πθ(_ιειψ(καδ [ (non θ [ ),
] tm v (non ]χ*μ*ν) legimus, supplementum ficjtevev haud evites; ergo άπορρίψαοα non ad
praegnantem respicit sed ad Ilithyiam; ergo corruunt plerumque, quae disputaverunt inter se
Setaioli et Nardi II. cc. 3 απορειψ pap. ad firt. *aca fi ( vel -ac ’ afi ( : post 6» potissi­
mum ρ, fon. i, alia, supplementum non invenimus. Ilithyia laborem »perdidit*? questum
.emisit'? insigne .deiecit*? si hoc, cf X 406 τίλλε κόμην, άπό fife λιπαρήν έρριψε καλύπτρην;
Ilithyiae insignia sunt fax (Farneil, Cults ii 608), serta (Euphor. fr. 111 Powell), item quae in
monumentis videntur πόλος aut diadema. 4 Ε1[λ]εύθυια aut fort. ΕΙλύθυια. βταζομένη
να( , βταζόμένην <4 ·' *· illud, cf Opp. Cyn. 3. 156s (ursa) πριν τοκετοΐο μολεΐν ώρην, πρίν
κύριον ήμαρ, | νηόύν έξέθλιψε, ßuäccaxö τ’ Είλειθυίαε; si hoc, e. g. ά(πόπαυαν.
5 γα[αέροε αύτήο (Vogliano), γα[ςχρός frreCvnc. 6 ρειγ pap. de voce vid. Livrea ad
Ap. Rhod. 4.1343, άρουραν: Aescb, Sept. 752 μαχρόε άγνάν cneipae άρουραν etc. ad fin.
e. g. [, ήν γενετήροο Maas.
90 H. Uoyd-Jon« « Ρ. j. Parsons

ςπέρματ^ο] örvöoc Ιδυνεν δτε πρωτιΐ


παρθένφ ώμιληοεν 6 δ εβ ρ [..]ν4.[
ούδέ ot φ(^τ[ί] φανέντι γενέθλκχ f ] Öf
io τέρπετο’ μητρ'ι γάρ αύθμ: εφν [ .]κα[
,δε. „,[ .............. ] «ιδ εμ οικ .^ βη .ί
. J x? . . [ .......... ] .Υ ε ν α [ ..] .ρ α .[ _ ,]κρη{
.......... ]ε ..α λ [
κουριδι(............ t[
I» Ψ«Χ.[............ ] αακακο,[
o v c [ ............]ενεφυο[
ο φ .ε ,ί .............]εςκσνα{
. . . . [ ............ ί τ . κα. η. ί
........ [ ...............]Υ«*[
20 ...Φ .[ .................] .[ ..] .[

....I X
....]ν.[

desunt versus c. 1 aut 2.

(loL I*) 2$ l.trye μάλ[λον] άκούων


] ’ Ερινυεο [δλλο]βεν άλλοι

7 firv6oc: id « t .spuma', ut δνθ<κ οίνου? aut , vigor', ut


&νθθο ήβης? ad fin, ηρώ τι[«α δαμίΐςη Thierfelder, 8 ωμ ex ομ corr. pap. , potissi­
mum öl{» ορ{. e. g. 6 δ' (ßp[ve)v δρ{χατθ€ fipvei; audentius δ δ’ ϊ(μ>βρ{υο]ν.
9 δρτ[ι] φανέντι: ita recte Vogliano. [: ε, ο, ω. ] : potissimum ε, c, τ, ψ, (υ?). hic quidem
filius non äcndcioc apparet, ad fin. e. g. δαίμων expectes? 10 recte legit Vogliano.
εφυε[ vel cqwcf; fort. έφόε(το] κα[. II δε: vestigium incertum: fon. ή δ(Ι), vix
ήδη; 6}c δ(έ) spatio longius. fort.] e. ] θ η [ ; Ö, λ, χ. e. g. tf &fi μθ* vel ficti Μ μοι
κα[ι] θηλ[ : ad feminarum peccata transit? 12 te cx t a t coit. pap. ρα [ : γ, π. 13 {:
secundo loco fort, o ,c . ]ε. ( : fort, e tt' (eiy' ?) ex cn‘ corr. pap. 14 kou@i£i[ legimus, fort.
]αλλονί(. 15 fort, χακόί· 14 fort, ove/ [i. e. o6c i . ad fin. uc’ c{ pap., deinde sigma
prius delevit: tv « p w [, -εν έφυε]. 17fort, oq>Q«*[. ] ,: litteracorrecta: ζ aut fort. vix ß.
τρί]ζε£κον (cf L· 7) Vogliano. 18 fort.] το καί η [ ,
fol. lv . 25—17 animarum supplicia. 25 peccata (1-24) audit et horrescit (mortuorum
iudex?). 24 noxios flagellant Furiae. 10 apparent alteri poenarum ministri, monstra
voracia (Harpyiae ?) et (34) Amores inferni.
25 duificJtUYC (Keydell) vel κατέε]τυγ* (Setaioli) possis. P 494, Hes. fr. 280.24 MW
ratfetu y e μύθον Akoücoc. sed μάλλον] (non μύθ(ον]) recte Keydell.
Iterum de .Catabasi Orphica' 91

].δ* έ κ έ λ ε υ ς [] έκάοτη
]ioiciv Ιμα[ ]v
(4) κ]εύθεα νυκ[τ0]ς έρεμνής
y> ],ν Ικάτερθε 61 πάντη
] ωρ έλεεινάν ΙεΙεαι
π)ολύ?τονον ένθα νέμοντο
]ψνυχε€ εΐλαπιναεταΐ
(10J ].c[. Jo c έΰχηώτες
» ]α [ Jepoevtec * Egom c
].X[.Jct δ Ι Κύπριδοο εύνήν
].6ε[ ] άρτι ταθεΐςαι
] ..[ ] .μ .[ ]**.© ..[ 27*3

27 fort. 1c δ ’ .
έκ!λακ[εν] vel -e[ccv]; έκάοτη vet έκάστη. fort, itenitn de iudicc: έκέλευο[εν] £k6 ctq . . .
nXqyaic φον]ίο«:ιν IpiSJcceiJv. 28 fort. Ιμ pap. Lp0(ci]v Vogliano, spatio brevius, de
Furiarum flagellis e. g. Verg. Aen. 6. 558, 570; Dieterich, Nekyta 58. 29 ita recte Thitr-
felder; ερεμνης ex ερημτκ corr. pap. de sede Furiarum: cf Orph. H. 69. 3 ύπ6 icribeciv
obc£’ έχοικαι. 30 post «κατερθε, aut [ .] . a u t . ; deinde επαντη legimus. 31 ) .« p :
potissimum ι, η, v, π dispicimus, sed nihil pro certo: κέ]λωρ’ Keydell (cf Hesych. II p. 459
Latte κέλωρ* φωνή; P Cairo Masp. II 67151. 249 κέλωρα): 1]χώρ Merkelbach (cf Apocal.
Petri 26 τόπον . , . έν φ ό ίχώρ καί ή δυαοόία ιώ ν χολαζομένων χατερρεε: ubi tamen
Ιχώρ non sanguinem valet sed tabem purulentam, vid Bauer, WbNT s. v.}. ad fin. ΐει pap.
32 e. g. λειμώνα nJoMctovov Merkelbach. 33 κρατερ)ώνυχί« Keydell; k 218 λύκοι
κρατερώνυχεο ήδέ λέοντετ de volturibus carnivoris cogitat Keydell; cf Aesch. PV 1024
(de aquila) άκλητός ίρπων δαιιαλεΐ» πανήμερο«;; ct certe sunt apud infernos tot milia
portentorum, cf Dieterich, Nekyia 46 ss. sed nos potius ad Harpyas respicimus, Tartari
custodes (Pherec. fr. 5 DK), Erinyum socias (Verg. Aen. 6. 289, cf 0 77 s, Aesch. Eum. 48*);
si recte, 31 1]χώρ, 33 γαμήι}ώνυχεϋ scribendum, ad Verg. Aen. 3. 216 s foedissima ventris /
proluvies uncaeque manus. 34 έετηώτεΰ masculine, contra 31 Ulcai; si re vera cohaerent
30-33, nova hic tortorum familia inducitur, id est Amores. 35 ]α π(τ]ερόεντε€ vel )αι
[ni]eo6m ec (Vogliino) possis; item x]al [Ιμ]ερόεντεο (= Agath. Schot. AP 5. 278 (277). 1).
sed quid Amoribus cum Averno? beatorum certe epulis ministrant, quod in monumentis
videmus (F. Cumont, Recherehes sur le symbolisme funiraire des Romains 202 , 296, 336):
at beatis alter erit in hoc carmine locus (97$$). si autem umbras etiam hi discruciant, mirum
munus et quoad repperimus inauditum; nisi quod in vasibus depinguntur malleo vel flagello
armati et insectantes (Greifenhagen, Griechische Eroten 57s). nodum sollerter solvit
C. W. Macleod; etiam apud infernos sedem habere ,mala mentis gaudia' (Verg. Aen. 6» 278),
etiam post mortem vitia vitiosos torquere, libidines ergo libidinosos; eadem ratione Danai­
dum cribra, Tityi volucres Intellexisse doctiores (Piat. Gorg. 493 B, Lucr. 3. 984ss), tam­
quam poena peccati imago fuerit. 36 prob. κατ]έχ[θυ)«. 37 [ ]_: aut [,]c aut c
possis, ταθειεαι potius quam τεθειεαι. 38 ].μα[ potius quam ] .μ ί{ . 6)ικερω(τ-
Vogliano: sed t vix legitur, potius o: e. g. -]vc όροω{
92 H. Lloyd-Jon« et P. J. Parsons

0*> ]$λλαχο[
♦ο ].υνες.[
]ocaK@aß{
] söovtocf
]υτοιογα[
<») ]ενονα ρ [
« ]y[
]ναλλ(

desunr versus c. 3 aut 4,

ifoi.2 rj ö c bk κ α ε ΐ.[γ } ν ή ΐφ φ ό ν ο ν . [ . . , ] c e v . . . [
δ ώ μ α τ α μ [ο ]ΰ ν ο ο 6χη [κ α ]1 χ ρ η μ α τ .[
6 c Öfe φ £λη (ν] π α ρ ά κ ο [ ι ] τ ιν [ ,^ π ή γ α γ ε ν α ί
» δ ώ ρ α λ α β [ώ ]ν . δ δ Ι π α ϊ δ [ α κ ]α τ ή ο χ υ ν ε [
(S) μ ιε θ δ ν ά μ ε ιψ ά μ ε ν ο [ ε κ α ]κ ο μ η χ α ν [
ή δ η n e κςι[1] ν υ κ τ ί κ α ί ή μ α τ ι π ο λ λ δ ν α . [
χ ρ υ ο δ ν fevi μ μ ε γ ά ρ ο ι α ( ν ) ά π ή χ θ η ρ [ ε
κ α ι π ο τ ό [ ν ] , έ ν χ ρ υ ο φ bk κ υ κ ώ μ ε ν ο .[
μ ö c bk φ ίλ ο [ ν ] τ ι ν α φ ώ τ α κ α κ φ π α ρ $ δ ω [

59 Ιλλαχο[ν, -έλλαχο[ν 4 0 ] .:
fort, e, θ. 1]θύνεοκ(αν Vogliano. 41 ]oc άκρα β[εβηκ- {Vogliano) vel β[φα- (Treu).
42 ] .: γ, τ. Πυριφλ€]γέθονκκ: Merkelbach. 41 ά]λύτοιο Wyss, γάμ[ο«ι Merkelbach:
etiam JatmoiO possis, fort. γαν[. 44 [; fort. ε.
fol. 2r. 47—60 avarorum peccat» (cf Dieterich, Nckyia 176). hic fratrem occidit (47), ille
uxorem ille filium prostituit (49), alter amicum prodit (55).
47 4j[vu]c£v Snell: potius fort. ή[ρτψ εν, ad fin. ορ( dispicimus, e. g, &ορ{ι θηκτψ, sed ita
claudicat symaxis (47-8); δ<ρ[ρα κe ποτρέκ Wyss, ad sensum optime: fort, erravit librarius.
48 . (: α, ο. χρήματα [πάντα κομίζη V. d. Mühll. 49 [δ]πήγαγΒν (Wyss) ά[νέρι μοιχφ
(Mcrkelbach). de lenone marito vid. Mayor ad Juv. 1.55. 50 κ]ατήοχνν*[: ,prostituit'
non «paedicavit', de avaritia enim res agitur: ita recte Setaioli. κ]ατήςχυνέ[ν ποτ’ άνηβον
(V, d. Mühll) . . . κακομηχαν[ίηο άλεγεινήϋ (Scheidweiler); potius fort. κ]ατ(κχυνε(ν μέν
άνηβον . . . κακομηχαν] (η 6 ’ έπέχαιρεν. 52 cf ά 139 ήδη . . . tic . . . πέφατ’ etc,
άγίείρων Vogliano; etiam dut[o0poc possis; sed hic de ipso avaritiae scelere, non de avaro«
mm sceleribus poeta loqui videtur. 51 e. g. άπήχθηρ(εν μίν έδωδήν. cf Telet. p. 34. 9
Hense c. adn. 54 [: v, c, alia. e. g. κυκώμενσν [olov feuvev vel potius [löv imvev (Sen.
Thyest. 453 venenum in auro bibitur, Juv. 10. 25 nulla aconita bibuntur / fictilibus cft.
C. W. Macleod); etiam de κυκώμενος [&Xycctv εΰδει cogitavimus (Verg. Λen. 6. 610 divitiis
soli incubuere repertis, Norden ad loc. p. 288). 55 -fi* pap. παρέόω[κεν όλίθρψ
Vogliano.
Iterum de .Catabasi Orphica' 93

(io} χρήματ[α] δεξάμενοο φιλό|[η}τα.[


ή.Μ ρβω ν.Λ , J?v . e?[Jto.[
πολλ...[,. ,]vuoiy[],e,ac,ne(
γηραιός [....... ] λευκά Katfj[cx]uvey[
«ο "Atöoc ε.'[......... ’ ],.[*
os) όπλοτ[ cav[ ][
οιδε. [..........]κοτηιιλο . [.........] . ,(
W * [ .........] νοδεεφΐ
φηθ[.. . . . . ,ί.μοοεπε..[
a ηπλε[.......... ]ηναχεω(
m Υυμγ[............. 39Φ[]..[
άλλο .κωί.........]...ν[
ουδεδια,Ι__ ... ,]ψε[
"Αΐδος ωχ[......... ].[

<»ι . ,,3.9ει1ΐ[
. .3.1..... [
deest aut nihil aut minimum

56 [: potissimum 6, c. e. g. 6[fe Χάξ έπάτηοεν. 57 koXXoc pap,, deinde


k delevit. έ(ν]νβρίζωνΤί(φ]υβρίζων. [ : a j scripsit, deinde e supra α addidit: id est, aut
at{ in e correctum est, aut a ,[ in ε. (secundo loco γ, v, », alia). 1«υχ«ο[ ]fO. [; χ aut correc­
tum aut deletum; poste, aut nihil aut [l) ; post το, γ, ι, κ, v, κ, ρ. dubitanter de [a]£n[i6]et)(xj£c[i]
cogitamus, ,pauperibus irridens*. 58 prob, πολλά, tum fort, κ; πολλά κα(τομ)νύων,
πολλφα(ο όμ)νάων possis, si sibi poeta -v- permissurus fuerit, ] ε oc: primo loco I potius
quam γ, τ; secundo ο, ρ. e. g. Ιεράε [έ)πί[κληοε θυηλ<5κ? (avarus peterat, ut pauperem se
dicat ideoque pauperibus opem deneget ?) 59 γ]ηροΐθ€[γ]ορλ(«ν]κο legerat Vogliano,
fort, per errorem ; KemfcjjJweyJ (aut fort, -ve π[ ) nos. ad init, potissimum γηραώε [61
τά] λευκά; ad fin. .capillos', .caput', .barbam' desideramus. 62 ol&c, oL 6t. fort. κα]κότητι
«ολ(, nov[. 63 ] .: η, ει possis: sed metro convenientius ]ctv, ]ttv, deinde 6 61 eqp[, 6 6 ’ kqpf.
64 prob, ψή θ[. ] : fort. ]ιμθ€, deinde enet [, επ*γ [, επεπ[, alia. 65 ή, ή, ή πλε(.
αχε e* αχοί corr. pap.: fort, άχ!ω{ν. 6? ογ potius quam οι: άλλου, άλλ’ ο ά . ) . . ,ν(:
η vel ι; deinde ο deletum; deinde littera correcta, fort. θ. 68 fort. obÖL 69 fort.
ώχ(ροίνονΐοε vel sim. (Hör. Carm. 3 .4 ,7 4 luridus Orcus), 71 ) : fort, ο, κ. χ:
χρβίη[?
94 H. Lloyd-Jones et P. J. Parsons

(W. i») ] κ α κ ή φ’ ύ [π ό ]εικ ο ν ά νά γκ η


]ςιια ν εδ ε.[ ] , π α λ α * ,c
?i κ ] φ ά γη νο [ρ ίη ]€ λ ελ α θ ές[θ ]α ι
] , oc ά να ϊξα ο [ _>]α ρείπη
(« ] . Ιιέ ρ α ο έτέρω θεν to ö c[a]c
)το ν ά » δ χ θ ο ν ί κ ή λυθο[ν] ά λ λ α ι
]ν 066c eööioc oüdfe κ α ί α6[τ]ή
]. .ο .Π .ρ ε ρ η ο γε μέν ή[εν] ά μ είνω ν
] .ο [ . J φνε£ρν$ χ ε ιρ ί τά λ α ν [τ]α
(toj ά ρ ]η ρ ό τα μϋ0[ο]ν f , . ,*y
], έπ ί(ί]θ ε χ ο 6[α]ίμονο[ο
] ? β ε ο [ .. . J.C J y φ εο ύ ω [
ss ] α .[ ] .α φ ε ρ ο .[
].Γ ) ο ν δ ε ν ..[
(15) ] .[ ] ν θ α δ ε μ ( ......... ,]ν τ α ι
].c ta c a iK a [ ]
] ρονεκα[ ]
].
]ε κ λ .[ ]
W) ]Μ )

fol, 2v. 73 ss versus obscuri. 73—80 fort, de animarum cursibus: adveniunt aliae nuper
mortuorum (78), discedunt aliae iam Judicatae et castigatae (74$); 79$ semitae duae sed
ambo inamoenae (ergo non hic de Elysii Tartarique bivio agitur, potius fort, de discensu,
id est morte, et ascensu, id est incarnatione). 81—83 Judex mortuorum animas expendit,
sententias pronuntiat; oboedit (anima? apparitor?), vid. Turcan, Seiaioli (1970) U. cc.
73 & legimus (vix c). ύ[πό]«.κον Vogliano. 74 fort. κ]αΙ ave6ee[c] id est άναιδέε[ς],
deinde όλλά naXaifjc (Vogliano) [ [D ^ioc (Keydcll). 75 άγηνορίηο λελαθέοθαι Ap.
Rhod. 2. 150. 76 ovoi£ac[ legimus: dvafeacfa irjapfecn), γ]άρ &τη: Nonit. D. 22.201
ψνχή δ’ ήνεμόφοιτσο άναΐξαςα θανόντοο et saepius eadem sede. 77 fetfeQoc aut fort.
cJcpET^eac; vix €]ινγεράε. 79 öööc: vix £6oc. αύ(τ]ή, αύ[ι}η: αίι[τα]ί Wyss, spatio
longius. 80 fetlgqe? fon, etiam ], ,c ctpetfepqc (Thierfelder) possis, ad init, fort ],oc. ye
μέν: etiam γ ’ ίμεν possis. ή[εν] Wyss, spatio convenienter. 81 dvetguf recte Castiglioni:
M 433s tdAovta . . . dvfeXm, 82 dgfyQdta Merkelbach: Orph. Arg. 191 άρηρότα
μυβίζκθαι: etiam feit-, cuv- possis, ad fin. fort, ίνειμεν: non legitur kutev. 83 ] .: fon.
c. ad fin. e. g. όμφή (Thierfelder), αΐιδή. 84 0e6(c vei sim.? ] [: fort, δ, λ. 85 fort.
]μαμρεςαυ(: φ€ρου(αν, φ έ ρ ο ν τα ι? 17 fevOddc possis. 89 fon. ],xeov ex ]κ ρ ο ν
correctum, aut hoc ex illo; primo loco e, c, alia. 90 c. g. ]ην[ 91 vix ]εκΤν{
92 ] 4: c, t, alia.
Iterum de .Catabasi Orphica* 95

] uv
’)
}ων
j] *v«

desunt versus c. 1 aut 2.

(foi. }r) ήλυθον ευ[.. ]. εναικαι.μ. [ , #Jeceicl . [


καί 6* δλλαι [J.ecaiÖ ecif, 1, ,]νεοαιτε[
qx τ ι rirv ήλ[α]κάτπ ^[ά]νρ(α] χρόνον α θ.[
iw άχραντοι ζ[ώε]οκον άπεί[ρονε]α ϋβρκκ α[
w a t τ ι οαοφρο[ού]νην m i fec "A[i]6oc ήλθον [
και 6 ’ αύται μ[Ι]ν δλοντο φίλουο 6 ’ £c<5wpc[av
a i δέ βίαν c[o<pi}flciv έκόομεον ή γάρ άοιδά[ο
θεεπεείαε [ t ,,]τευεαν Ιν ’Απόλλωνοε [
los ήερίων έφύ[π]ερθεν όχηεάμεναι ν [
(loj έργα βροτώ[ν γ]ένεαν te θεών ,[.].μ [
ή νούεων [ ___ ] . [ .,] άνη^ε]γέω

ν άλεω[ρήν

3 γ, 9 7 « animae beatae: 98—102 matronae castae; 103—109 artium perit» {poetae,


medici), cf Verg. Aen, 6. 660 - 4 ,
97 fort, ΐύ(χ0]μΕναι (Snell), deinde καί μη[τέρ]κ vel μά[ρτυρ]έ£ e tc ija d fin. fort, κ, λ,
μ, v, Jt, alia. 98 ) : potissimum η, at, et, fort, v, « , t t ; vix μ; non legitur (« 4 ]χκ , [tijvic
fort, possis. αίδέ£ΐ[μοι txjvec a t te ( Vogüino. in marg. sin. e. g. ]αλ(. 99 proh.
Afftfqcacat (Vogliano), άθ^εΰουςαι. 100 a[lvf|c Snell. 101 [ίχοικαι Thierfelder, a t
sc. ψυχαί: de viris an de feminis agatur, incertum, usque ad mortem' castitatem (virginitatem)
servaverunt? etiam in morte virtutem ostenderunt, cum (102) vitam pro aliis proiecerint?
102 ad fin. άκοίναε (Keydell), άδελφοΰς (Maas), haipovc (Treu) etc, 101 ßtov ex ßtijv
corr. pap. suppl. Thierfelder, Wyss: cfo]<p{ legerat Vogliano, φ iam non dispicitur, Verg.
Aen. 6. 663 inventas aut qui vitam excoluere per artis; Proci. Η . 7.19 (Athena) ή ßlotov
κόςμηςεν δλον πολυειδέα τέχναις. 104 [έφΐφευςαν Thierfelder, Wyss; ad fin. [άλωή
Vogliano. 10$ οχλη pap., deinde λ delevit. νε(φελάων Snell, Wyss. .poetae volatum (tam
Aristoph. Av. 1372) et ψυχής Οχημα (Piat. Phaedr. 246A) conflavit; cf quae congessit
R. M, Jones, CP 21 (1926) 9 7 « ’ (Macleod). 106 Hesiodi Opera et Theogonia? cf
Aristoph. Av. 691 y£vsciv te θεών, POxy 2816. 2. ad fin. e. g. φ(ό]ομ(ιγγι κλέαυεαι possis.
107 άντ|^ε]γέων recte Treu; αλεω[ legimus, post voOcwv, curtf legerat Vogliano, fon. per
errorem (nihil enim de papyro perisse arguit eiusdem ad fin. v, 132 lectio); ad sensum
έ{νόη]ς[αν) desideramus.
% H, Lloyd-Jones « P. J. Parsons

φίζαε..[ ].[ ].λκεα κεκμηω[τ


.]π υ ρ ..[ ].[ ]_cctöij[
no α λ λ , ,[
os) αλλαι6[
ατε.[
εεθερ[
αιδε.[
ns ωιξα[
(Μ? οοαλ[
γα ια δε.[
ερχομενα[
...] τ ι c[] t .[
120 >.],ερ μ α τι[
(2Μ ]δαλ$[

deest nihil

(fei·*v) £]λεγχ<κ [ ___],οωντι πρ[οοώ]πψ


].t|ci.v έοίκ[ότα] μ[ι]ς8όν δπ[η]δεΐν
}ηε θυγάτη[ρ π]ρλύφημοο φμοιβή

108 . [: secundo loco α, 6, λ; primo aut nihil aut t (fort, γ):


e. g, τα[μν- (Vogliano), γά(ρ. ] : α, t: άν-, παν]αλκέα Vogliano, έτ«ρ]αλκέα (cf Nie.
Ther. 2). ad fin. κεκμηψ[τ<υν Vogliano. verbum ad φίζβκ, nomen ad -αλκέα desideramus;
sed ambobus non sufficit spatium, potius fort. e. g. §ίζ<κ 6 ' [έξεύροντο npdc] ξλκεα
κεκμηώ|κον, 109 prob, ή) πνρός (potius hoc quam π υ ρ ί). . . ήέ οιί>ή[ρου vel α.δή[ρω.
de medicorum τομή καί icorikei: recte Delz, Arch. f. Pap, 16 (1954) 85. 110 fort.
ά Χ λ |.ΐ φ . hic, ut 111, 114 novae animarum cohortes inducuntur. 112 cae^|i( bferkel-
bach, cf 120; fort, etiam αιεν[ possis. 115 prob, kc θερ- t!6 fort, ή Öc, ή ftea: vix
toeXaf. 117 γαϊα δ(ε). 118 legimus. 120 c]n£ppata(veJ ς]πέρματο[ΰ possis,
fol, 3v 122 ss iterum de fatis animarum: 12$ (et 124 - 5) iusta cuique retributio; 126—9
anima camis exsors . . . genus terrestre (dedignatur?) sed cogitur mortalium membrorum
tunicam (induere) (id est, animae scelestae poena est, de novo incarnari?); 130—5 (cam­
porum Elysiorum) serenum tempus (hoc praemium est animae piae?).
122 ] .: λι potius quam v legerimus: [άγαλ]λώωντι possis (sed vox plebeior: vid. Bauer,
WbNT s. v., Lampe, PGL s. v,): fec 6]λεγχος (6ei γα)νόωντι Vogliano, fort, spatio longius,
si recte ,os laetum“, de iudice agitur. 123 ] .: c, t. irrijcflciv Vogliano. 124 ήδεν
Μνημοα>ν)ηί . . . άμόφί) Snell: sed hic quid Musa faciat, non videmus, potius
AiKCtiöcüvJqc . . . Ά μ ό φ ή : Justitiae filia, exemplis clara. Retributio'.
Iterum de «Catabasi Orphica' 97

μ ] .πατρώο [ . . . ]χθονοο η .[. ,}γωτα


<s) jo o m a πολύχροα καλά [μέ]λαθρα
]ν ε η ε ή τ* άμμοροε £πλετ[ο] εαρκών
]χομένη χθόνιρν γένος, φλ[λ]’ άνάγκη
θ]νητών μελ[έ]ων εκιόεν(τα] χιτώνα
ι» ]. .9[. .]ct. όρινρμένοιο.[ , .},θρου
(ίο) μελ]άνυδρον άγείρεται [ο]ύδ[έ χ]άλαζα
].c όμβρος ε ε ^ α ι , άλλ[ά γαλ]ήνη
] . . . . * ν τα [].α [ )ηο
].Χ Π «νοι$.ρ.[ ].
ι» ] νικ[ ]
(W) ]V
i

J
i« in
(Μ) ].ε
].
].μΐ€Χ c

m ] θης

125 ) .: fort, ε, c.
η [; γ, π. [άνά] χθονΐκ: ήγ(αγε] νώτα Vogliano; χθσνόε νώτα Eur. ΓΓ 46, γαίηο δίψισ
νώτα Nonn. D. 1. 107. magis ad rem [ί>πό]χθονος ί^ α γ ε ν ] ώτα, «Retributio parti inferno
peccata renuntiat1? sed o b a ra fort, cxpectcs. 126 παμφαν]ύωντα Vogliano. 127 ] .:
fort, e: Yjevcfjc Vogliano, Thierfelder, ηι* pap. 128 άπευ)χομένη Keydetl. αλ(λ) legimus
(vel θλ[» ob[); vix owÖ. u« ex w* correctum. 12"? e. g. άμφέθετο, έεεαμένη θ]νητών
Vogliano. de tunica carnali vid. Zuma« Persephone 405s; Gigante, L’ultima tunica 15; Proci,
in Piat. Remp. II 182. 19s Kroll τών χιτώνων τών εκοτεινών. 130 Jci j civ ut videtur,
nisi fort, ci γ : e. g. -cfov)civ. ad fin. £[ε]10ρου Wyss, cf Φ 235 πάντα 4’ δρινε φέεθρα,
fort, spatio brevius; potius β[ερ]έθρον? 131ss cf S 563ss (campi Elysii), £ 4 3 -5
(Olympus), unde Lucr. 3. 19-22. 131 ούόέ νέφος (Treu) μελ]άνυ6ςον (Wyss).
[ojififfc recte Keydell. 132 fon. t), fort, τι vel sim.: e. g. &£3Ie]toc (Castiglioni),
ουδέ] Tic, ? , ( . ] . erat: primo loco potissimum γ, π; secundo potissimum γ, Θ, c, τ, φ (vix χ,
non β): έπ[εϊ]γεται. possis. άλλ(ά γαλήνη legimus: contextum ξ, 44 imitatur. 133 fort.
ή)ματα πάντα (Vogliano), cf ξ,46. 134 ] , : fort, α, λ. ε π ε ,: fort, γ, c, τ. fort, α, ο, ω.
vix 4περρώ(σντο, -(cavro. 143 fon.] Öfcpicrac.
η Η . Lloyd-Jones es Ρ, J. Parsons

<η\
].ω
J..

deest nihil?

(fei. *r) (i) w» m ........ [


πολλακ[
Μ λομε[
tue, τ’ εξα[
(» πολλακΐ£[
ctfooce...[
ISS ωοενπας[
εμμενα.[
ψυχηε. [
(i« δ .,γ ..[
Μ ..[
ito η ΐ^ ρ ε .ί
ω .δ α ,[

(Ι5-Ϊ7) 10-175 nimis mutili

deest nihil?

(W. «*) (i) m


]δ ιω κ ..[]ν []

fol, 4r. 149 κα[ _}πεδ{ legens Vogliano. 152 τ' pap. fors, dices τ ’. oicei:t' legerat
Vogliano. 153 proh. πολλάκν. 155 &cev, <bc fv icoc*. 15& [ ; hasta verticalis.

έμμενα [, έμμονοι [. 157 [ :π [ vel fort. γ [. 15S fort. δαμν, 6αμνατ[. 159primo
loco potissimum η ; secundo ε vel fort, cj tertio fort, γ, Λ. Wjn(c)? 160 . [ : π, τ? si recte
legitur, cf Hesych. II p. 286 Latte ήμοροο άμοιροο. vüt ήνορεη[.
fol. 4v. 175 fort, IJcfls, deinde <ρυλ6ξ[ων, φύλαξήν etc. 177 δοίικων, fttdwteiv spatio
brevius.
Iterum de .Catabasi Orphica' 99

].ov δλητοα
j.aeÖXo.c
m i» ] νδρων
L
Jvl κένιρφ
ί.υχαο
Μ .Κ ,.οι
(10) t*S ] . . . clv
(u-24) ite-m nimis mutili

desunt w . c. 2 vel 3?

(M. Sr) ( 1) 200 J .u g o v o v a ,;[


, ,]ευ0επυρ[
καί μοι Bacco .t
καί χάριν ηφ [
(i) μηκεη μοι.[
200 μηςακοςενθ[
κυανέθ€επ(
ot) μοι Πληϊ[αδ
α[ JktovoäJ
(10) μοΰνον [
210 ει« α ...[
τ η ν ε κ .Ι

179 (·)αέθλθυο vel fort, -otc. 180 άνδρών, δ]ένδρων possis. 181 ] : aut
paragraphus aut littera longius producta (e. g. c). versus brevissimus: fort, novi capitis, aut
prorsus novi carminis, inscriptio. 182 &φρο)νι Wyss (Nona. D. 13. 146 etc); item
μείζθ]νι (D. 15. 292), oihtjvt (D. 4. 299); etiam ijvi, fe)vi etc; fort, de centro caelesti; cf 200ss
(astronomica?) 183 eOxdc, αΰχαο possis. 185 fon. ]oyciv.
fol. 5r. 200ss fort, de sideribus: 200 Taurus, 207 Pleiades, 208 Ursa. 200 tJgbQOv
possis. 201 αήεΰδε κυρ{ possis. 202 Wiccoy, öaccoyfr- «c. 203 fort. ο. X.
Ή φ α [« τ, ή φ .[ 204 ( : λ , χ. μοι, μοιχ(. 205 μή cdicoc, μή c* tbcoc. 207 πληή
recte Wyss. 208 prob, 6(ρ]κτον. 210 fort, efrt’ 6y ο (. 211 fort. örj[.
100 H. Lloyd-Jones et P. J. Parsons

o[ ] c m [
.]
(is) πρώτον μ§[
iis > τ η ν ..[
...]η δ ε ..[
...}ή ?κ ΰ φ ,[
(is-24) ίΐβ-«ϊ nimis mutili

desunt w . c. 2 vel 5?

finis carminis ί versa enim pagina sequitur Homeromanteion.

2J7cKdqpi(ov1 CK(Upi[& vel s im . p o s s is .


resunt frustula minima duo, vid, PBonon. I p. 18.

OXONFAE
MARTIN L. WEST

Die griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit*


Meine Damen und Herren!
Der Gelehrte» dem zu Ehren wir zusammengekommen sind, ist seit Jahr­
zehnten der führende Kenner der griechischen Poesie der Kaiserzeit (ganz
zu schweigen von seinen Arbeiten über Prosaschriftsteller). So ist es für
mich eine große Ehre und eine große Freude, hier zu sein und zu Ihnen
sprechen zu dürfen; allerdings empfinde ich es als ein Wagnis, mich
gerade zu diesem Thema zu äußern, da ich runde fünfzig Jahre jünger bin
und kein Spezialist auf dem Gebiet. Aber ich wollte einen Gegenstand
wählen, der Bezug hat zu dem Arbeitsgebiet unseres Jubilars, und ich
dachte, wenn diesen Gegenstand obendrein eine Aura des Neuartigen
umgibt, dann könnte ich womöglich das Interesse derer gewinnen, die in
ihrem Herzen für Nonnos und Oppian wenig Raum gelassen haben. Die
Weiblichkeit ist heute en vogue. Darum dachte ich, es sollte einmal von
den griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit die Rede sein.
Dichterinnen sind eine Erfindung oder jedenfalls eine Spezialität der
Griechen. Die berühmteste Dichterin aller Zeiten» Sappho, war Griechin»
und sie hatte viele Nachfolger in späteren Jahrhunderten. Etwa zu Beginn
unserer Zeitrechnung konnte der Epigrammatiker Antipater von Thessalo-
nike neun sterbliche Dichterinnen aufzählen, die den neun Musen ent­
sprechen sollen; Sappho, Telesilla, Praxilla, Erinna, Corinna, Myrtis,
Anyte» Nossis, M oiro*1. Indem er diese neun auswählte, ließ er eine Reihe
anderer beiseite, deren Namen uns erhalten sind, etwa Hedyle, Eriphanis,
Myia, Boio, Theano, Parthenis sowie mehr legendäre Damen wie
Phemonoe, die den Hexameter erfunden haben soll, und Kleobulina, die
Tochter des Tyrannen Kleobuios, der verschiedene Rätsel in Versen zu­
geschrieben werden.

* Vortrag, gehalten am 16. April 1977 im Rahmen einer Feier des Seminars für klassische
Philologie der Freien Universität Berlin zu Ehren des Jubilars. Der Verfasser dankt auch
an dieser Stelle Herrn Prof. Tilman Krischer, Berlin, herzlich für die Übersetzung des
englischen Originals Los Deutsche.
1 19 G ow -Page ~ AP IX, 26.
102 Martin L. West

Antipater drückt sich aus, als sei die Geschichte der griechischen Poesie
bereits abgeschlossen, als bliebe den Menschen seiner Zeit nur der Rück­
blick und statt der Fortsetzung und der Entfaltung neuer Möglichkeiten
nur die Bewunderung. Und in der Tat: dreihundert Jahre hindurch hatten
sich die Dichter als Epigonen gefühlt, im Schatten einer großen Vergan­
genheit stehend, die sie imitieren konnten, mit der sie sich auseinander-
setzen konnten, an der sie aber niemals vorübergehen konnten. Dieses
geradezu lähmende Bewußtsein der Tradition ist eines der besonderen
Kennzeichen hellenistischer Poesie. Jedermann wußte, so sicher wie daß
die Sonne im Westen untergeht, daß niemals ein anderer Dichter Homer
gleich sein wird oder eine Dichterin Sappho. Mochte man auch einen
Dichter preisen als zweiten Homer, nicht anders als man einen starken
Mann als zweiten Herakles feierte - das waren konventionelle Redens­
arten, nicht ernst gemeint. Das Epitaph, in dem Nossis sich selbst Sappho
gleichstellt2, ist, wie ich glaube, nicht von ihr selbst, den eigenen Tod
vorwegnehmend, gedichtet worden, sondern von einem ihrer Bewunderer,
wie das häufig der Fall ist bei Epitaphien auf Literaten, deren Zweck es
ist, ein Urteil über die Person oder das Werk zu verbreiten. So Antipaters
Epitaph für Sappho: „Mein Name ist Sappho, und ich ragte heraus unter
den Sängerinnen wie Homer unter den Sängern."3
Diese anerkannte Vorrangstellung Sapphos unter den Dichterinnen hat
nicht nur deren Ehrgeiz eine Grenze gesetzt, sondern sie auch gewisser­
maßen gebrandmarkt. Erinnas hexametrisches Gedicht ,Der Spinnrocken4,
die Epigramme der Nossis sowie ein anonymes Hexameter-Fragment auf
Papyrus, in dem eine Frau spricht4 - alle diese Gedichte weisen eine Bei­
mischung äolischen Dialekts auf, die weder durch das poetische Genus
bedingt ist noch durch die Herkunft des Autors, sondern ganz einfach
durch dessen Geschlecht. Es soll betont werden, daß dies Frauenpoesie
ist, das Werk der Nachfolger Sapphos.
Ein Gedicht, das in der Anthologie des Johannes Stobaeus erhalten ist,
geht noch weiter in dieser Richtung5. Es handelt sich um einen kurzen
Hymnus auf Rom. (Absurderweise hat Stobaeus den Namen ,Rom‘ als
griechisch φώμα , Kraft4 mißdeutet und darum das Gedicht in den Ab­
schnitt über Mannhaftigkeit gestellt.) Der Hymnus trägt den Verfasser-

2 11 G ow -Page - AP VII, 718.


1 73 G ow -Page = AP VII, 15,
4 P. Oxy. 8, 4 - 7 ; ], U. Powell, Collectanea Alexandrina 186; vielleicht Anyte, s. ZPE 25,
1977, 114.
8 Stob, 3, 7, 12; Diehi, Anth- Lyr. 11, 315, wo aber V. 19 durch einen argen Fehler beim
Abschreiben εΰστοχον statt εΰσταχνν stellt.
Die griechischen Dichterinnen der Kaisern» 103

namen »Melinno von Lesbos*. Er soll also von einer Frau stammen und
dazu von einer Frau aus Sapphos Heimat. Geschrieben ist er in einer
künstlichen Imitation des lesbischen Dialekts, die erheblich tiefer greift als
das äolische Kolorit der zuvor genannten Gedichte, wenngleich es dem
Kenner nicht schwerfällt, diese Sprache von dem echten Lesbisch Sapphos
zu unterscheiden. Im Metrum zeigt sich gleichfalls das Vorbild: Das
Gedicht ist in der sogenannten ,sapphi$chen Strophe* verfaßt, nach der
Sappho alle Gedichte ihres ersten Buches gestaltet hat. Dies ist ein
Curiosum, denn obwohl Catull und andere Dichter die sapphische Strophe
in lateinischer Sprache gebraucht haben, gibt es im Griechischen kein
weiteres Beispiel aus der Zeit nach Sappho und Alkaios, ausgenommen
eine Fälschung, die ein Werk Sapphos zu sein beansprucht6. Der Autor
des Hymnus auf Rom bemüht sich also energisch, als eine neue Sappho zu
erscheinen. Das Ethnikon »aus Lesbos* ist Bestandteil dieses Anspruchs
und braucht nicht für bare Münze genommen zu werden. Es war sozu­
sagen üblich, daß Dichterinnen von Lesbos kamen; so behaupten einige
Quellen, daß Erinna aus Mytilene stamme, und der gleichen Verwechs­
lung begegnen wir bei Nossis7. Ich schließe nicht aus, daß auch der Name
Melinno fiktiv ist. Wir begegnen ihm nicht im täglichen Leben (wenn­
gleich eine Meüno mit einem n in einer Inschrift auftaucht)7*, und er sieht
eher nach einer künstlichen Bildung aus. Sappho hat ein Mädchen namens
Gyrinno gefeiert, Nossis ein Mädchen namens Melinna. Außerdem klingt
in Melinno μέλος ,Lled* an, und das Element -iw - läßt uns an so be­
rühmte Dichterinnen denken wie Corinna und Erinna. Es dürfte schwer­
fallen, einen Namen zu erfinden, der stärkere Assoziationen bezüglich
Frauenpoesie erweckt.
Das Gedicht ist schwer zu datieren. Stil und Sprache geben wenig
Anhaltspunkte. Aus allgemeineren literargeschichtlichen Gründen scheint
die Zelt Hadrians das letzte mögliche Datum für solch eine Übung in
archaischem Metrum und Dialekt. Die sicherste Basis für die Datierung
liefert die in dem Gedicht ausgedrückte Empfindung und Haltung Rom
gegenüber:
„H eil dir, Rom, Tochter des Ares, goldumgürtete kriegerische Königin,
die du wohnst auf einem stolzen irdischen Olym p, der ewig unzerstörbar
ist. D ir allein. Ehrwürdige, hat das Schicksal die königliche Glorie
unbesiegbarer Herrschaft verliehen, auf daß du lenken mögest mit könig-

4 Bei Athenaios 599 d aus Chamailcon (26 Wehrti).


' Erinna: AP VII, 710 (Lemma), vgl. Suda s. ' Ηριννα. Nossis: AP IX, 332 (Lemma),
vgl, VII, 718 (Lemma),
'* IG II1 5673 = Peek, GVI 2016 (Peiraieus, 4. Jh, v. Chr ).
t04 Martin L. West

lieber Macht. Unter dein hartes Joch ist gespannt die Brust der Erde und
der grauen See; mit sicherer Hand lenkst du die Städte der Menschen. Die
Macht der Zeit, die alle Dinge zerstört und Leben wieder entstehen läßt in
anderen Formen zu anderen Epochen, dir allein füllt sie unentwegt die
Segel mit dem Wind der Herrschaft. Denn du als einzige von allen bringst
die stärksten Krieger hervor, läßt sie emporsprießen wie die ährenreiche
Frucht der Demeter aus den Feldern.“
Roms Herrschaft über Land und Meer wird gefeiert seit Lykophrons Zeit,
und so haben einige Gelehrte unsere ,Melinno‘ ins zweite oder gar ins
dritte Jahrhundert vor Chr. zurückdatiert. Andere haben lieber an das
erste Jahrhundert nach C hr. gedacht®. Es war vermutlich nach Claudius’
erfolgreicher Landung in England im Jahre 43, daß Alpheios von Mytilene
in einem Epigramm schrieb: „Schließ die Tore des Olym p, Zeus, bewache
die Burg des Himmels; Meer und Erde sind bezwungen von Roms Speer,
nur der Weg zum Himmel wurde noch nicht beschritten."9 Bei .Melinno*
freilich liegt der Ton mehr auf dem etablierten, Jahrhunderte dauernden
Frieden als auf neuen Eroberungen. Es gibt hier keine Gewißheit, aber
mein Gefühl sagt mir, daß die Zeit Hadrians nicht nur das späteste Datum
ist, welches wir für die Komposition des Gedichts mit einiger Wahr­
scheinlichkeit ansetzen können, sondern überhaupt das wahrscheinlichste
Datum. Es war zu dieser Zeit, daß Dionysios Periegetes in seinem geo­
graphischen Gedicht von den Bewohnern Italiens schrieb, sie erfreuten
sich einer dauernden Oberherrschaft, die ihnen der Ausonische Zeus ver­
liehen habe - ganz wie bei ,Melinno‘ die ewige Herrschaft durch göttliche
Fügung garantiert wird10. Eine wichtigere Überlegung indessen ist, daß
dies eine Zeit der antiquarischen Bestrebungen in der Literatur war, in der
die griechische Poesie wiederauflebte nach einer Periode einzigartiger
Dürre, und insbesondere eine Zeit, in der das Phänomen der Dichterin,
die Sapphos Dialekt zu kopieren bemüht ist, eine exakte Parallele hat.
ln Luxor in Oberägypten ist heute noch eine gigantische, verwitterte,
sitzende Statue zu sehen, eine aus einem Statuenpaar, welches Ameno-
phis III. darstellte, der von 1405-1367 vor Chr. regiert hat. Den Griechen
und Römern war dieser Platz als .Theben' bekannt, und von dem Koloß
hieß es, er stelle Memnon dar, in der Sage der kriegerische Sohn der
Morgenröte, wenngleich man die wahre Identität der dar gestellten Person

* 3.Jh,: Welcker, KJ. Sehr. II, 160ff.; Oidfathcr, RE XV, 522 f. 2. J h .: Wilamowitz,
Tunothcos 71, Gr. Verskunst 128; C. M, Bowra, JRS 47,1957,28. l.J h .; Schmid-
Stählin, Gr. Literaturgeschichte II, 1, 326.
* 3 Gow-Page * AP IX, 526.
10 Dion. Per. 77f.
Die griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit 105

nicht ganz vergessen hatte. Der Koloß hatte eine bemerkenswerte Eigen­
art: er sang beim Anbruch des Tages. Als Ursache hiervon wurde an­
gegeben, daß die Steine der Statue, wenn sie durch die Strahlen der Sonne
erwärmt werden, ein Geräusch hervorbringen. Welches immer die Er­
klärung des Phänomens sein mag, ein Besucher nach dem andern hat den
Ton gehört. Strabo schreibt darüber folgendes:
„D a sind zwei steinerne Kolosse nahe beieinander. D er eine ist erhalten,
von dem andern sind die oberen Teile, vom Sitz ab, heruntergestürzt,
durch ein Erdbeben, wie man sagt. Man behauptet, daß der eine von
ihnen, der auf seiner Basis und dem Thron geblieben ist, einmal jeden Tag
ein Geräusch erzeugt wie von einem leichten Schlag. Ich selbst habe, als
ich mit Gallus Aelius und der Menge seiner Begleiter, Freunde wie Solda­
ten, dort war, um die erste Stunde den Ton gehört. O b es von der Basis
ausging oder von dem Koloß oder ob es absichtlich erzeugt worden war
von einem der Leute, die rings um die Basis saßen, vermag ich nicht mit
Sicherheit zu sagen. Da die Ursache im dunkeln bleibt, möchte man alles
andere glauben, als daß das Geräusch von der Zusammenfügung der Steine
herrührt.“ ,l
Mehr ab anderthalb Jahrhunderte später schrieb Pausanias darüber. Er
bemerkt, daß viele Leute den Koloß eine Statue des Memnon nennen, fügt
aber hinzu, daß die Einheimischen ihn als Phamenopha kennen - was
eine Entstellung von Amenophis ist —, daß man ihn aber auch mit Sesostris
identifiziert habe. ,Jeden Tag bei Sonnenaufgang läßt er seine Stimme
ertönen; der Ton ist ganz ähnlich dem, der entsteht, wenn die Saite einer
Kithara oder Lyra reißt“ . *11
Diese erstaunliche Sehenswürdigkeit zog natürlich viele Besucher an,
unter ihnen so prominente Leute wie Germanicus Caesar im Jahre
19 n. Chr. und Petronius Secundus, den Präfekten von Ägypten im Jahre
95. Die Touristen haben ihre Spuren zurückgelassen: eingeritzt in das
Denkmal, besonders die Beine, die am leichtesten zu erreichen waren,
sind nicht weniger als 107 griechische und lateinische Inschriften er­
halten13. Unter denen, die das linke Bein mit griechischen Versen verziert
haben, sind drei Dichterinnen. Die anspruchsloseste und am wenigsten
literarisch gebildete von ihnen hieß Caecilia Trebulla. Sie scheint zu
Anfang des zweiten Jahrhunderts gelebt zu haben. Eines ihrer drei Epi-

” Strabo 17, 1, 46 S. 816.


13 Paus. 1, 42, 3.
11 Einzige zuverlässige Ausgabe: A. und £ . Bernand, Les Inscriptions grecques et latines
du Colosse de Memnon, 1960. (Institut Franfais d’Archiologie Orientale).
106 Martin L. West

gramme14 sagt schlicht: „A b ich Memnons göttliche Stimme hörte, ver­


mißte ich dich, Mutter, und wünschte, du könntest sie hören.“ Der Vers­
bau ist entsetzlich, aber die Empfindung reizend, Trebulla hatte das
Glück, die Stimme des Kolosses noch ein zweites Mal zu hören und sie
fühlte, wie der alte Heros sie wie ein guter Bekannter begrüßte:
„Früher hörten wir nur seine Stimme, aber jetzt hat er uns begrüßt wie
Bekannte und Freunde, Memnon, der Sohn der Morgenröte und des
Tithonos. Wahrnehmung also, nicht nur Stimme ist dem Stein verliehen
worden von der Natur, der Schöpferin des A lb."
In ihrem dritten Gedicht schlägt sie einen anderen Ton an, indem sie
Memnon über sich selbst berichten läßt, ohne Bezug auf die unbedeuten­
den Empfindungen einer Caecilia Trebulla. Sie folgt dabei einer Über­
lieferung, die auch Pausanias kennt und die den Verfall des Denkmals in
Zusammenhang bringt mit der gottlosen Zerstörung ägyptischer Heilig­
tümer durch Kambyses.
„Kambyses hat mich zerschlagen, diesen Stein, der die Züge eines Königs
aus dem Morgenland trägt. Einst hatte ich Stimme zu klagen über
Memnons Schicksal, aber Kambyses nahm sie weg. N un gebe ich nur
mehr ein unverständliches, dunkles Stöhnen von m ir; das blieb mir vom
einstigen Glück."
Trebullas Sprache ist plump und das jambische Metrum beherrscht sie
kaum. Aber durch ihre anspruchslosen Verse hindurch sehen wir eine
Frau mit warmem Herzen und einem Hauch von Phantasie. Für sie ist
Memnon mehr als nur eine Touristenattraktion, um darauf zu schreiben:
Trebulla war hier’.
Im Jahre 130 besuchte Kaiser Hadrian mit seiner Frau Vibia Sabina
Theben. Unter den Damen in der Umgebung der Kaiserin gab es eine Julia
Balbilla. Sie war von einer Abstammung, auf die sie stolz sein konnte, wie
sie uns selbst mitteilt in einem der vier Gedichte in elegischem Versmaß,
mit denen sie die Statue verziert hat15. Ihr Großvater mütterlicherseits war
der berühmte Astrologe Tiberius Claudius Balbillus, der von 55 bis 59
Präfekt von Ägypten war und einige Zeit Leiter des Museums in
Alexandria. Ihr Großvater väterlicherseits war Antiochos IV. von
Kommagene. Ihre Epigramme stehen auf einem entschieden höheren
Niveau als die der Caecilia Trebulla: Sie beherrscht die Dichtersprache,
wenn auch ohne persönliche Note, und sie macht keine metrischen Fehler.

” Bern and Nr. 92-94.


« Berrund Nr. 28-31.
Die griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit 107

Die bemerkenswerteste Eigenart dieser Gedichte ist, daß sie, wie die Ode
der »Melinno1, in einem pseudolesbischen Dialekt verfaßt sind.
Offensichtlich hat das nichts zu tun mit Batbillas Herkunft oder Heimat­
dialekt. Weil sie eine Frau ist, imitiert sie die Sprache Sapphos. Die Imita­
tion bleibt nicht an der Oberfläche wie die der Melinno, sie ist sachkundig,
wenngleich nicht ohne Übertreibungen. Hadrian, der selbst sehr geschickte
griechische Epigramme zu dichten verstand, darunter eines auf Archüochos
und eines im anakreontischen Versmaß, dürfte diese literarisch gebildete
Dame geschätzt und gefördert haben, da sie sich an der archaischen griechi­
schen Lyrik orientierte und eine fast verstummte Tradition erneuerte.
Damit ist auch deutlich, warum ich geneigt bin, ,Melinno* in die gleiche
Epoche zu setzen.
Balbillas Verse haben nicht die gleiche persönliche Wärme wie die
Trcbullas. Ihr geht es darum, der Nachwelt von dem Besuch des Kaisers zu
berichten, und sie möchte dem Kaiser und seiner Gemahlin schmeicheln.
Das erste Gedicht, in sechs Distichen, beschreibt, wie Hadrian ankam,
offenbar ohne die Damen, und wie ihm von Memnon eine Begrüßung zuteil
wurde, die über das Übliche hinausging;
„Ich hatte gehört, daß der Ägypter Memnon, wenn die Strahlen der Sonne
ihn w ärm en , aus seinem Stein in Theben spricht; aber als er Hadrian
erblickte, den König aller, da jubelte er ihm zu so laut er konnte noch vor
dem ersten Strahl der Sonne. Und als Titan, mit weißen Stuten über den
Himmel fahrend, die zweite Marke der Sonnenuhr erreichte, da ließ
Memnon abermals seine Stimme ertönen, einen hohen Ton wie von einem
Gong, ln seiner Freude brachte er noch einen dritten Ton hervor. Hadrian,
der Herrscher, erwiderte freudig den Gruß Memnons. Und auf dem
Denkmal ließ er der Nachwelt eine Inschrift zurück, die anzeigt, was er sah
und hörte. Allen wurde deutlich, daß die Götter ihn lieben.“
An einem andern Tag kam Balbilla mit der Kaiserin und brachte ein anderes
Gedicht mit, in welchem sie den Koloß anredete mit „Memnon, Sohn der
Morgenröte und des würdigen Tithonos . . . oder Amenoth, König von
Ägypten, wie die Priester sagen, die die alten Überlieferungen kennen." Sie
entbot ihm ihren Gruß und trug ihm die Bitte vor, er möge ein Grußwort
an Hadrians erlauchte Gattin richten. Der ruchlose Barbar Kambyses hatte
ihm die Zunge und die Ohren abgeschnitten und dafür Buße gezahlt, indem
er durch dasselbe Schwert den Tod fand, mit dem er selbst den heiligen
Apis-Stier getötet hatte. Aber Balbilla glaubt nicht, daß die Statue tot sein
könne, da sie fühlt, daß eine unsterbliche Seele in ihr lebt16. Sie hat die14

14 29,12: cs ist au lesen ψύχαν δ' άθανάταν Xwtov Ισωθα νόω, s. ΖΡΕ 25, 1977, 120.
108 Martin L. West

Gabe, dies zu fühlen, da sie von frommen Ahnen abstammt und selbst
fromm ist. Diese Stelle ist es, an der sie die Details ihrer Abstammung
mitteilt.
Memnon indessen enttäuschte die erwartungsvollen Damen und ließ an
diesem Morgen seine Vorstellung ausfallen. Am nächsten Tag kamen sie
wieder, und Balbilla hatte abermals ein passendes Gedicht vorbereitet. Sie
erkennt an, daß Memnon Gründe hatte, die sein Schweigen verzeihlich
machen, doch täte er gut daran, nicht länger darin zu verharren.
„Gestem , Memnon, hast du die Gemahlin (des Kaisers) mit Schweigen
empfangen, damit die schöne Sabina wieder hierher käme, denn du bist
entzückt von der lieblichen Gestalt unserer Königin. Aber nun, da sie
gekommen ist, laß deine göttliche Stimme für sie ertönen, damit nicht der
Kaiser zornig wird auf dich, da du ihm kühn die erlauchte Braut vor­
enthältst.“
Balbilla benutzt hier höflich den homerischen Ausdruck für eine junge
Frau, κουριδίη άλοχος, obowhl Hadrian und Sabina mittlerweile bereits
dreißig Jahre verheiratet waren. Memnon war von diesem Argument be­
eindruckt, oder vielleicht war er gerade in besserer Stimmung. Jedenfalls
brachte er sein Geräusch hervor, und Balbilla konnte ihrem Gedicht noch
ein letztes Distichon hinzufügen, bevor es eingemeißelt wurde: „U nd
Memnon, aus Angst vor der Macht des großen Hadrian, sprach sogleich,
und sic hörte es mit Freude.“
In ihrem vierten Gedicht berichtet Balbilla, wie sie selbst den Ton hörte,
und zwar bei derselben Gelegenheit, um die erste Stunde. H ier nennt sie die
Kolossalstatue „Memnon oder Phamenoth“ , indem sie den Namen
Amenophis anglich an einen ägyptischen Namen, der den Griechen, die tm
Lande wohnten, weit mehr vertraut war: Phamenoth war der Name für den
Monat März. Wenige Zeilen darunter benutzt sie einen anderen
ägyptischen Monatsnamen, um das genaue Datum anzugeben: es war im
fünfzehnten Jahr von Hadrians Regierung, am 25. Tag des Monats Athyr,
das heißt am 25. November 130. Die Inschrift bietet den letzten Pentameter
in zwei verschiedenen Versionen: so muß er auf Balbillas Schreibtafel ge­
standen haben, von welcher jemand die Gedichte auf den Stein zu über­
tragen hatte.
Die dritte dieser Dichterinnen bedarf nur einer kurzen Erwähnung. Sie
trägt einen griechischen Namen, nämlich Damo. Sie schreibt im gleichen
Dialekt wie Balbilla, und in dem einzigen Gedicht, das sie hinterlassen
hat1’, wird deutlich, daß sie Balbilla imitiert.

” Bcmand Nr. 83.


Die griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit 109

„Heil dir, Sohn der Morgenröte, denn für mich hast du gerne gesprochen,
der Pieriden wegen, die für mich sorgen, die sangesliebende Damo. D ir zu
huldigen wird meine Leier ewig von deiner Macht singen, du Reiner.”
Hier haben wir eine Dame, die nicht lediglich Verse macht, sondern die sich
selbst als eine echte lyrische Dichterin betrachtet. Das muß eine Art von
Pose sein, denn die Leier, von der sie spricht, die lange asiatische Barbitos,
war ein Instrument, das von Anakreon und anderen in der archaischen und
klassischen Periode benutzt wurde, das aber längst veraltet war in der Zeit
des Dionys von Halikamaß, ausgenommen bei gewissen religiösen Zere­
monien in Rom1®. Wenn Horaz schreibt age die Latinum barbite carmen19,
so ist das natürlich eine Laune der Phantasie; Damos Barbitos ist nicht
minder unwirklich. Wenn sie sagt, Πειερίδων . . . τα ϊς μέλομαι, so erinnert
das an eine Phrase, die Hadrian in einem seiner Epigramme auf sich be­
zieht; Ά δ ρ ια νδς Μούσαισι μέλων20.
Nach dieser Zeit der neuen Sapphos verschwinden die Dichterinnen, soweit
ich sehen kann, für dreihundert Jahre. Als sie wieder auftauchen, be­
finden wir uns in einer ganz anderen Welt. Wir stehen am Anfang des
fünften Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Unter den Verfassern literari­
scher Epigramme — diese Dichtungsform hat sich ja seit der hellenistischen
Zeit als die populärste im griechischen Raum behauptet — begegnen wir zu
dieser Zeit einer Frau mit dem typisch byzantinischen Namen Theosebia.
(Die Herausgeber ändern ihn zu Unrecht in Theosebeia.) Sie wird uns nicht
lange beschäftigen, denn wir besitzen nur ein einziges Epigramm unter
ihrem N am en; ein rhetorisches Epitaph in vier Hexametern für einen Arzt
mit dem sprechenden Namen Ablabios ,der keinen Schaden tu t'21. Sein
Tod, schreibt sie, ist der dritte große Schmerz für Akestorie (die Tochter
des Asklepios). Sie hat ihre Locken abgeschnitten zuerst für Hippokrates,
ein zweites Mal für Galen, und jetzt liegt sie hingestreckt auf dem Grabe
des Ablabios, aus Scham, unter den Menschen zu erscheinen, nachdem er
nicht mehr ist. Es ist in seiner A rt kein schlechtes Epigramm, aber es könnte
von irgend jemandem geschrieben sein. Es ist nichts daran, was von einer
Frau sum m en muß. Theosebia bleibt für uns lediglich ein Name.
Zur gleichen Zeit gab es in Athen einen Philosophen namens Leontios. Er
hatte eine schöne Tochter mit Namen Athenais, und er sorgte dafür, daß sie*24

11 Dion. Hai. 7, 72 τ& λεγάμενα βάρβιτα κρέκονχες, ών παρά μ£ν 'Ελλησιν £κλ£λλκπεν
ή χρήοις έπ* ίμοΰ, πάτριος οΰοο, παρά 6 t 'Ρωμαίοις έν άπάσαις φυλάττεται ταϊς
άρχαίαις θνηπολίαις.
** Carm. I, 32. 3f.
24 Kaibel, Epigrammata Graeca S. 536 Nr. 888 a, 5.
2‘ AP VII, 559.
110 Martin L. West

die bestmögliche Erziehung erhielt. Sie studierte griechische und lateinische


Literatur, Rhetorik, Astronomie, Geometrie, Arithmetik; einer ihrer
Lehrer war der bedeutende Grammatiker Orion. Da N atur und Erziehung
ihr so große Vorteile verschafft hatten, hielt ihr Vater es für unnötig, ihr in
seinem Testament irgend etwas zu hinterlassen. All sein Eigentum fiel ihren
beiden Brüdern zu. Athenais war mit dieser Regelung nicht zufrieden und
ging nach Konstantinopel, um das Testament anzufechten. D ort fiel sie
Pulcheria auf, der allmächtigen Schwester Theodosius II., welche fand, daß
sie eine ideale Gattin für den Kaiser abgeben würde, vorausgesetzt, daß sie
Christin würde. Athenais ließ sich überreden. Sie wurde auf den Namen
Eudokia getauft und erhielt Pulcheria als Patin; 421 heiratete sie Theo­
dosius.
Verwaltung und Politik kosteten sie nicht viel Zeit. Pulcheria erledigte alles.
Eudokia aber nutzte ihre Freizeit, um die produktivste aller griechischen
Dichterinnen zu werden32. Bald nach seiner Heirat brachte Theodosius -
genauer gesagt, sein Heer, denn er war kein Krieger - den Persern eine
Niederlage bei, welchen Sieg Eudokia in einem hexametrischen Gedicht,
bzw. mehreren Gedichten, feierte. Vielleicht erzählte sie da die Geschichte
- sie ist so recht nach ihrem Sinn - von dem Perserfürsten, der Theodosio-
polis in Mesopotamien belagert und sich brüstet, daß er die dortige
Kathedrale niederbrennen werde. Der Bischof, darüber erzürnt, richtete
auf ihn eine Wurfmaschine, die den Namen des hl. Thomas trug, und diese
gewaltige Maschine schleuderte einen Stein, der den Gotteslästerer tödlich
traf. Für Eudokia war der christliche Glaube keineswegs ein bloßes Lippen­
bekenntnis. Er formte vielmehr ihr Leben und Denken und war die
wichtigste Inspiration ihrer Dichtung. Wenn ihr Vater ihr ein Erbteil
hintcrlassen hätte und sie in Athen geblieben wäre, dann wäre sie
vermutlich eine Anhängerin des Platonismus in der Akademie geworden.
Sie hätte vielleicht teilgenommen an Syrians orphischen Seminaren
zusammen mit dem jungen und ungewöhnlich stattlichen (wenngleich un-
erotischen) Proklos. So aber hat, während er fromme Hymnen an Athene,
Helios und andere Götter der Hellenen schrieb, die Kaiserin ihren Eifer
darauf verwandt, den Oktateuch und die Prophezeiungen von Zacharia und
Daniel in Hexameter zu gießen und ein Leben Christi in nahezu zweitausend
Versen zu schreiben, ganz zusammengesetzt aus homerischen Versen und
Wendungen.
Ein derartiges Unterfangen war nichts Ungewöhnliches in jener Zeit. Hatte
doch eine römische Dichterin kurz zuvor außer einem Epos auf Constan- 12

12 Ausgabe: A. Ludwich, Eudociae Augustae, Procli Lycii, Claudiani Carminum Graecorum


Reliquiae, Leipzig 1897, Vom Homer-Cento gibt er nur Auszüge.
Dic griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit m
tius' II. Sieg über den Usurpator Magnentius einen Vergil-Cento mit Epi­
soden aus dem Aken und dem Neuen Testament verfaßt; das war Anicia
Faltonia Proba, die Großm utter jener Dame, die - wenn wir Prokop
Glauben schenken dürfen — Alarich und seinen Goten die Tore von Rom
geöffnet hat. Es ist eine hübsche Symmetrie in diesem Schauspiel: zwei
christliche Dichterinnen, eine in der westlichen Hauptstadt, eine in der
östlichen, verfassen Centos aus Vergil und Homer, Was Eudokias Bibel-
Metaphrasen anlangt, so haben sie übrigens eine Parallele in N onnos’
Metaphrase des Johannes-Evangeliums, die etwa zur gleichen Zeit ent­
stand.
Eudokias Bibeldichtungen sind nicht erhalten, aber Photios hat sie gelesen
und fand sie bemerkenswert, nicht zuletzt, weil sie von einer Frau stammten
und noch dazu von einer Frau, die vom Luxus des Kaiserhofes umgeben
war. Sie waren so klar, wie Hexameter-Dichtung nur sein konnte, und
zeigten große Vertrautheit mit den Regeln der Kunst. Der Leser konnte die
Original-Texte beiseite legen, da sie ihnen getreu folgte, ohne steh auf
Kosten der Wahrheit dichterische Freiheiten zu erlauben, um die Jugend zu
unterhalten, oder sie vom Gegenstand abzulenken durch eingefügte
Digressionen13. Photios’ Lob findet ein Echo bei Tzetzes, der noch den
Zacharia und den Daniel lesen konnte. Eine Zeit, in der eine Kaiserin wie
diese schreiben konnte, schien ihm ein Goldenes Zeitalter, „während heute
dreimal verfluchte unwissende Tiere barbarische Bücher schreiben und
dreimal schlimmer als barbarische; und sie stellen sich dem betrunkenen
Publikum als Grammatiker vor“ 24.
Eudokia verstand ihr Handwerk in der Tat wesentlich besser als mancher
andere. Ihr Homer-Cento ist die revidierte Fassung eines Werkes von
einem Bischof namens Patricius. In ihrem Prolog lobt sie ihn dafür, daß er
ein so verdienstliches Unternehmen als erster in Angriff genommen habe,
erklärt jedoch auch, daß sein Werk in mancher Hinsicht fehlerhaft sei. Seine
Erzählung war nicht völlig korrekt, ebensowenig sein Versbau; auch be­
schränkt er sich nicht auf das homerische Vokabular. Sie hat daher aus
seinem Buch alles entfernt, was nicht in Ordnung war, und sie hat ergänzt,
was er ausgelassen hatte, alles in ordentlichen Versen. Wenn jemand sie
dafür tadle, daß sie Verse Homers verdreht und zusammengestückelt habe,
so möge er bedenken, daß wir alle Kinder der Notwendigkeit sind und
daß Patricius’ Stoff ein anderer war als der Homers.
Die Methode des Cento-Dichtens pflegt die technischen Schwächen eines
Schriftstellers zu verdecken. Eudokias Beherrschung der Stilistik hexa-

ö Phot. Bibi. cod. 183 (Ludwich S. 13 f.).


w Tz. H i«. X, 60ff. (Ludwich S. 15 f.).
112 Martin L. West

metrischer Poesie kommt derjenigen der besten heidnischen Dichter jener


Zeit nicht gleich. Wir können das am besten beurteilen anhand ihres
Gedichtes über das Leben des hl. Cyprian. Das ist ein Werk in drei
Büchern, von denen ein größeres Fragment, bestehend aus etwa 800 Versen
aus dem ersten und zweiten Buch, 1761 von Bandini in einem Florentiner
Manuskript entdeckt wurde, wo es mitten in der Metaphrase des Nonnos
auftaucht. Außerdem haben wir eine Inhaltsübersicht des ganzen Gedichtes
aus der Hand des Photios. Ich möchte hier einen Überblick geben über das
erste Buch, das für sich steht und auch gesondert beurteilt werden kann.
Die Heldin der Erzählung ist Justina, die zum Christentum konvertierte
und durch ihre Frömmigkeit auch ihre Eltern dazu brachte, sich vom
Götzendienst abzuwenden. Sie war natürlich schön (wer hat je von einer
häßlichen Heldin gehört?) und zog die Aufmerksamkeit so manchen jungen
Mannes auf sich, aber ihre Liebe war allein Jesus. Sie hatte jedoch einen
besonderen Verehrer namens Aglaidas, der keine Absage hinnehmen
wollte. Dieser wenig liebenswürdige Jüngling sammelte eine Bande von
Freunden um sich und lauerte ihr auf, als sie aus der Kirche kam, um sie zu
rauben. Aber die Leute in ihrem Gefolge riefen um Hilfe, und da stürzten
die Anwohner bewaffnet aus ihren Häusern und schlugen die Bande in die
Flucht. Aglaidas machte einen Versuch, Justina zu umarmen, doch machte
diese schnell ein Kreuzzeichen, und schon stürzte er rücklings zu Boden.
Sie zerkratzte ihm das Gesicht, zerriß ihm die Kleider, machte ihn zum
Gespött und kehrte zurück in die Kirche.
Aglaidas sucht nun Hilfe bei einem Zauberer namens Cyprian, dem er zwei
Talente Gold und Silber dafür verspricht, daß er ihm Justina gefügig macht.
Cyprian ruft einen Teufel herbei, der sich selbst als der Anführer der
rebellischen Engel vorstellt, er, der einst Eva getäuscht und Adam aus dem
Paradies vertrieben hat, der Kain seinen Bruder hat töten lassen und über­
haupt alle Arten von Missetaten vollbracht hat einschließlich der Kreuzi­
gung Jesu. Er rechnet fest darauf, mit Justina fertig zu werden. Sie planen
einen nächtlichen Angriff auf ihre Seele. Zur dritten Stunde der Nacht ist sie
eifrig dabei, Gottes Lob zu singen, da fühlt sie plötzlich eine innere Unruhe
und ein Brennen in ihren Nieren. Da sie das Werk des Teufels erkennt,
bekreuzigt sie sich sogleich und betet um Befreiung von der Versuchung.
Der Teufel kann nichts mehr ausrichten. Er kehrt beschämt zu Cyprian
zurück und gesteht seinen Mißerfolg ein. Des Zauberers Vertrauen in die
Mächte der Finsternis ist jedoch unerschüttert. Er ruft einen zweiten Teufel
- man vermutet sogleich, daß es deren insgesamt drei sein werden und
dieser äußert sich verächtlich über die Feigheit des ersten. E r macht sich auf
den Weg. Es ist Mitternacht. Wieder treffen wir Justina wach und nicht
untätig an: sie hat sich von ihrem Bett erhoben, um zu beten und ihre
Die griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit 113

Sünden zu bekennen. Sie bittet Gott» er möge bewirken» daß die Fackel
ihrer Jungfernschaft weiter lodert (und schon h ö n es sich an wie ein Feuer­
werk), auf daß sie die Braut Christi sei, „denn sein ist das Königreich und
die Macht und die Herrlichkeit, Amen4' 25. Das reicht dem Teufel, der ent­
flieht und Cyprian nicht mehr vorweisen kann als sein Vorgänger.
Der Zauberer wendet sich nun an den König und Vater aller Teufel per­
sönlich. Dieser begibt sich in Gestalt eines Mädchens in Justinas Zimmer,
setzt sich auf ihr Bett und versucht, mit schönklingenden Reden sie in die
Irre zu führen. Was ist schließlich der Lohn der Jungfräulichkeit? Ihr
strenges Leben hat ihrem Körper das Aussehen einer Leiche gegeben. Eva
hat ihre Jungfräulichkeit nicht vor Adam bewahrt, und so wurde sie die
Mutter des Menschengeschlechts und lernte alles, was gut ist. Justina ist
schon dabei nachzugeben, da bemerkt sie die List. Schnell wendet sie
ihren Geist zurück zum Gebet» macht das Kreuzeszeichen, und der Teufel
ist frustriert. Cyprian ist ärgerlich. Er möchte wissen, was es mit dem
Mädchen auf sich hat, das die Dämonen erschreckt. Der Teufel weigert
sich, es zu sagen, es sei denn Cyprian schwört, sein Bundesgenosse zu
bleiben. Cyprian leistet den Eid und erfährt das Geheimnis: es war das
Zeichen Christi auf dem Kreuz.
Sogleich schickt er den Teufel fort. E r ist entschlossen, sich Christus zu­
zuwenden, der offenbar mächtiger ist als alle Teufel. Seinen Eid kann er
ohne Furcht brechen, da er bei den geringeren Mächten geschworen hat.
Unverzüglich packt er alle seine Zauberbücher zusammen, die wir uns
ähnlich den erhaltenen papyri magicae zu denken haben, belädt seine
Diener damit, und sie gehen zusammen zur Kirche. Der Priester ist nicht
eben erfreut, den Erz-Heiden hier zu sehen, aber Cyprian macht ihm klar,
daß er Christ werden möchte, und gibt ihm alle seine Bücher zum Ver­
brennen. Dann kehrt er heim, zerbricht alle seine Götzenbilder in mög­
lichst kleine Stücke und verbringt den Rest der Nacht mit Kasteiungen
und demütigen Gebeten um Gottes Gnade.
Den Sonntag darauf geht er zur Kirche, und Eudokia berichtet uns alle
Einzelheiten des Gottesdienstes, den er besucht26. Bei seinem Eintritt
« I. 127ff.
άλλά y (μεϊο φύλαξαν άναξ δέμας αΐέν άπήμον
δ$δά te «αρθενίης γε καράοχεό μοι ζείουοαν,
δφρα συν ήμετέρφ μνηστψ νυμφώνα κατίίδω
Χριστφ, συνθεσίας 6 ' άποτίσομαι, &ς περ ΰπέστην'
αύτοϋ γάρ κράτος έατί γέρας θ ’ άμα κνδεϊ. άμήν.
J* Ich schreibe auch diesen Passus aus wegen seines Interesses, mit Angabe der (von Ludwich
nicht verzeichneten) Bibelsteilen. I, 259 ff.
ός 6’ ώ ς οΰν fejil βηλόν Ιβη νεώ, fcweite Δαυίδ,
iw δΐος ΙεσσιΔδης' ,,δρα, κύδιμε, μηδε μεθήσης. Ps. 38,21?
114 Martin L. West

wird der 38.(?) Psalm gesungen. Darauf folgt eine Lesung aus Hosea.
Darauf der 119. Psalm* Lesungen aus Jesaia und dem Galater-Brief
schließen sich an. Es folgen der 116. Psalm» das Vaterunser und die
Predigt. Am Ende der Predigt werden alle, die noch nicht endgültig auf­
genommen sind, aufgefordert, die Kirche zu verlassen. Cyprian bleibt an
seinem Platz, und als der Diakon ihn gehen heißt, besteht er darauf,
aufgenommen zu sein. Der Diakon geht und sagt es dem Priester, der
Priester ruft Cyprian herbei, hört seine Beichte und tauft ihn. Seine
weitere Laufbahn ist meteor-ähnlich: am folgenden Sonntag wird er Vor­
leser, eine Woche später Sakristan, nach sieben Wochen Diakon, Er heilt
Kranke, treibt Teufel aus, bekehrt unzählige Heiden. Nach einem Jahr
wird er Priester, nach zehn Jahren Bischof. Er macht die fromme Justina
zur Diakonin und rettet zahllose Seelen.
Alle diese Ereignisse werden in nicht viel mehr als 300 Versen berichtet.
Das Tempo der Erzählung ist niemals geringer als allegro con brio und
steigert sich gegen Ende zu einem prestissimo. Das zweite Buch ist im
ganzen eher ermüdend. Fast alles wird Cyprian in den Mund gelegt. Er
erzählt hier die Geschichte seines Lebens von Anfang an: wie er in
verschiedenen griechischen Städten in die heidnischen Mysterien einge­
weiht wurde und dann bei den Ägyptern und Chaldäern die schwarze
Kunst erlernte, und schließlich, wie durch Aglaidas und Justina sein
Leben sich wandelte. Eudokia behandelt hier dieselben Themen wie in
Buch I, doch stimmen die beiden Darstellungen in vielen Details nicht
überein. Der Grund ist, daß sie von Buch II an eine Prosa-Vorlage versi-
fiziert, die Confessio des hl. Cyprian. Wir haben bereits gesehen, daß sie

ώ κρατέων, μηδ* αύ με λαθών τηλοϋ σέο τεύξης“.


αύτις bt κροφάτωρ'Ωσηε μέγας τάδ’ Εειπεν
δνθους- ,,εΐ δ ’ δγε μή πάις Eooetai“ . αύτάρ δ αδης Hos. 9 ,12
Δαυίδης άγόρευε' ,,προέστιχον δμματ' έμείο ?$. 119, 148
ία δρθρον, φωτοφαή νυκτδς ζοφερής Ελατήρα,
δφρα γε θειοτέροις σέο φήμασιν Εοπομαι aU V \
Ή σαΐας 6’ Ετέρωθι' „φόβος οέο μή ποτ' άπανρή jesa. 44,2
θυμόν, τέκνον Εμείο, καί δν φιλέω Ίακώβην,
6ν πάντων κατίλεξα περίκτιόνων πρόμον άλλων“.
ito Παύλος δ* ωδ’ άγύρευε θεηγόρος ,,αύτός άνάοαων Galat. 3, 13
ήμέας έπρίατο Χριστός δυσπεμφέλου άρής
Εκ προτέρης θέμιδος“ . πάλι 6’ Ιννεπεν ώδ’ δποφήτης
Δαυίδ άριστολύρης' „τις 6’ &ν θεού έξερεείνεκ Ps, 106,2
άθανάιου δύναμιν, καί ούασι. πάαιν ένίσποι
27ί ύμνους παντομέδοντος1 Επειτα δέ τ’ εδχος άνακτος
θειοτέρων Επέων' μετέπειτα δέ άρητήρος
παρφαοίη’ άτάρ αδτε κατηχήεις λόγος άνδρών’
,,Εξιτε Εκ νηοϊο θεού, βροτοι ήμίτίλεστοί“.
Die griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit 115

gerne von einem vorgegebenen Text ausgeht. Es kommt aber etwas weit
Lebendigeres heraus, wenn sie freier gestaltet.
Irgendwann in den 40er Jahren des 5. Jhs. brachte jemand einen Apfel von
ungewöhnlicher Größe und Schönheit nach Konstantinopel, und
Theodosius kaufte ihn für seine Frau. Sie tat damit ein mildtätiges, christ­
liches Werk. Sie hatte nämlich gehört, daß Paulinus, einer der Palast­
beamten, durch Gicht ans Bett gefesselt war, und schickte ihm den Apfel.
Er, der nicht wußte, woher der Apfel kam, dachte, es sei eine gute Idee,
ihn dem Kaiser zu schenken. Theodosius erkannte ihn natürlich. Er fragte
Eudokia beiläufig, was sie mit dem Apfel gemacht habe, den er ihr
geschenkt hätte. Da sie nicht zugeben wollte, daß sic ihn weggegeben
hatte, sagte sie, sie hätte ihn gegessen, und als man ihr zusetzte, legte sie
auch einen Eid darauf ab. Theodosius schloß, daß zwischen »hr und
Paulinus Beziehungen bestehen müßten. Er verbannte den Unglücklichen
nach Kappadokien und verurteilte ihn nachträglich zum Tode. Eudokia
gelang es, den Kaiser zu besänftigen, aber die ganze Affäre schwelte noch
Jahre lang weiter. Schließlich zog Eudokia sich nach Jerusalem zurück und
verbrachte den Rest ihres Lebens im Heiligen Land, wo sie sich der
Frömmigkeit und Nächstenliebe widmete, indem sie Klöster und
Hospitäler gründete und die Mauern von Jerusalem wiederherstellen
ließ.
Ja, dies ist eine andere Welt als jene, über die Hadrian herrschte. Die
Verbindungen mit dem klassischen Griechenland reißen ab. Die Zahl der
klassischen Autoren, die im 5. Jh. gelesen werden, ist gegenüber dem
4. Jh. wesentlich zurückgegangen. Sappho liegt nun ein volles Jahrtausend
zurück, und eine Eudokia oder Theosebia fühlte keinerlei Beziehung mehr
zu ihr. Zwar bekennt sich Eudokia zu ihrem Geschlecht, wenn sie im
Prolog zu ihrem Homer-Cento sagt: „W ir haben beide die gleiche Auf­
gabe übernommen, Patricius und ich, wenngleich ich eine Frau bin“ 27.
Aber man empfindet nicht mehr, daß Frauenpoesie verschieden ist von der
Poesie der Männer, oder daß das Geschlecht des Autors durch den Dialekt
oder auf irgendeine andere Weise hervorgehoben werden sollte. (Der
Gebrauch unterschiedlicher Dialekte in der Poesie war ohnehin eine Sache
der Vergangenheit geworden.) Eine Melinno oder Balbilla in der Zeit des
Theodosius ist undenkbar. Es gibt noch weibliche Dichter, aber die Idee
der Dichterin ist tot.

27 34 f. άλλ" Ιμπης ξυνός μέν Εφυ πόνος άμφοτίροιοι


Πατρικίω κάμοί, καί θηλντέρη ίονση.
HANS-GEORG BECK

Marginalien zum byzantinischen Roman


Die Geschichte des Fortlebens des antiken Romans durch die ganze
byzantinische Epoche über Jacques Amyot, Pierre Daniel Huet - von
ihm stammt das W on: „Heliodore, si Homöre est la source de toute
bonne poesie, Pest aussi de toute bonnc fiction en prose" —, über
Cervantes, Tasso, Shakespeare und Goethe — diese Geschichte ist die
Rache eines philologischen Bastards an seinen Verächtern unter den
Kiassizisten. Dabei wären unter Klassizisten nicht nur jene Philologen der
späteren Antike zu verstehen, die dem Roman das Heimatrecht in ihrer
Ars poetica verweigerten1, sondern auch nicht wenige byzantinische
Philologen, die glaubten, ihn mißachten zu sollen. D er Bastard setzte sich
trotzdem durch und war dabei um einige hübsche Tricks nicht verlegen.
Im 5. Jahrhundert berichtet der Kirchenhistoriker Sokrates von einem
Bischof von Trikka in Thessalien namens Heliodoros, der besonders eifrig
bemüht war, bei seinem Klerus den Zölibat durchzusetzen. Dieser Helio­
doros habe in seinen jungen Jahren eine Liebesgeschichte unter dem Titel
„Aithiopika" veröffentlicht. Sokrates enthält sich jeder Wertung dieses
Buches. A. Colonna war der Ansicht, der Bericht des Sokrates könnte
historisch sein, das heißt der Bischof und der Romanschriftsteller könnten
ein und dieselbe Person sein. Für uns tut der Bericht auch als Legende
seinen Dienst: Der Autor eines spätantiken Liebesromans ist Christ oder
wird Christ, ja sogar Bischof, und dies ein besonders eifriger. Sokrates mag
darin den Sieg des „genie du christianisme" über die heidnischen Jugend­
sünden gesehen haben. Aber es ist nicht auszuschließen, daß aus der
Personengleichung auch andere Schlüsse gezogen wurden, d. h, daß mit der
Bekehrung des Autors auch der Roman Absolution erhielt und damit zur
Lektüre freigegeben war. Der Bericht stieß denn auch — leider wissen wir
nicht wann — auf Widerstand und wurde erweitert. Eine kirchliche Synode
habe den Bischof vor die Wahl gestellt, entweder auf sein Bistum zu ver­
zichten oder seinen Roman zu verbrennen. Heliodoros habe den Verzicht

1 O . Weinreich, Der griechische Liebesroman, Zürich 1962, passim.


Marginalien zum byzantinischen Roman 117

auf sein Bistum vorgezogen. Damit sollte natürlich der Roman als unver­
träglich mit christlichen Anschauungen abgewertet werden; zugleich aber
ist Zeugnis abgelegt für sein Fonleben. Und er lebte weiter. Photios2 findet
sich mit dem Roman ab. Wahrscheinlich haben ihn die Curiosa des Buches
mehr interessiert als der übrige Inhalt. In der Folgezeit wird der Roman für
alle möglichen Zwecke ausgeplündert, in der Chronistik sowohl wie in
Sammlungen von Gnomen usw. Michael Psellos, der Alleswisser des
11. Jahrhunderts, widmet auch unserem Roman eine Analyse3. Es geht um
Aufbau und Stil, aber auch um den Inhalt. Er sieht darin eine Absage an die
Α φ ροδίτη πάνδημος und eine Apologie der Tugendhaftigkeit der Heldin.
Er ist aber wohl nur mit halbem Herzen dabei. Weiter ging im 12. Jahr­
hundert der unteritalienische Philosoph Philippos, bekannter unter dem
Namen Theophanes von Cerami, später Erzbischof von Rossano im Reiche
Rogers II. Er schreibt eine kurze Analyse des Romans und entdeckt in ihm
das Zusammenspiel der vier Kardinaltugenden gegen die feindlichen Laster.
Nicht genug damit: das ganze Werk wird allegorisch gedeutet auf den Weg
des Menschen durch alle Fährnisse bis zur letzten himmlischen Vollendung.
Nicht umsonst ergebe der Zahlen wert des Namens der Heldin, Charikleia,
die schöne Summe 777! Damit ist der Roman eine auch für den Christen
durchaus empfehlenswerte Lektüre. Noch im 15. Jahrhundert vertritt ein
Byzantiner, Joannes Eugenikos, ähnliche Ansichten, um den Vorwurf zu
entkräften, der Roman sei jugendgefährdend. Er steht nicht an, ihn ähnlich
zu deuten wie die christlichen Exegeten das Hohe Lied Salomonis4. Damit
ist der Roman radikal verfremdet und radikal verchristlicht.
Neben Heliodoros steht die ganze byzantinische Zeit über der Roman des
Achilleus Tatios „Kleitophon und Leukippe“ . Bedurfte auch er der christ­
lichen Nachhilfe um bestehen zu können? Fast sieht es so aus. Wohl schon
in frühbyzantinischer Zeit entstand eine hagiographische Legende von
einem keuschen Ehepaar namens Galaktion und Episteme. Es scheint kein
Zufall zu sein, daß das Elternpaar des Galaktion die Namen Kleitophon
und Leukippe trägt. Dazu paßt sehr gut, daß im byzantinischen Pauly-
Wissowa, der sogenannten Suda, Tatios ausdrücklich als Christ bezeichnet
wird.
Fassen wir kurz zusammen: D er spätantike Roman stirbt nicht aus, aber in
Byzanz, das andere moralische Begriffe predigt als die heidnische Spät-

2 Bibliothek, cod. 73.


* Belege und Kommentar bei H. Gärtner, Charikleia in Byzanz, Antike und Abendland 15
(1969) 47 -69.
* Zu Philipp von Cerami und Eugenikos siehe Gärtner, a. a. O . und dens., Johannes
Eugenikos: Protheona zu Heliodors Aithiopika, Byz. Zeitschr, 64 (1971) 322- 325.
118 Hans-Georg Beck

antike, bedarf er der Nachhilfe, um nicht in die Wüste geschickt zu werden.


Bei zwei Autoren ist es gelungen, sie zu taufen, und es ist typisch, daß es
diese beiden waren, die am unentwegtesten im Vordergrund blieben. Mit
einer christlichen Interpretation des Inhalts war ein wichtiger Schritt getan.
Was hat sich Philippos da Cerami, was Eugenikos dabei gedacht? Wir
wissen es nicht, haben aber auch kein Recht, ihnen das gute Gewissen
abzusprechen. Ebensowenig brauchen wir daran zu zweifeln, daß diese
Ehrenrettung auch allen jenen zugute kam, die sich um mystische
Allegorese keinen Deut kümmerten, wohl aber ein Interesse daran hatten,
ihre geliebte Lektüre vor orthodoxen Schnüfflern gesichert zu wissen.
AJlegorisierung macht unverwundbar und setzt zugleich frei. Die Allegorie
war lebenserhaltend.
Bedenkt man, wie vertraut die Byzantiner mit den Erotika und den Frivoli­
täten Lukians umgingen, wie eifrig sie über der Anthologia saßen, auch
wenn ihr Inhalt nicht selten allen byzantinischen Sittenregeln widersprach,
wie es niemand einfiel, sie allegorisch zu deuten oder sonstwie zu ver-
christlichen, dann stellt sich die Frage, warum gerade der spätantike Roman
einer solchen Abschirmung bedurfte. Die Antwort ist die Weinreichs: Weil
er nicht zur vornehmen Gesellschaft des alten literarischen Adels gehörte.
Byzanz übernahm philologisch gesprochen von der antiken Welt ein ver­
bindliches klassisches Erbe, fast wie ein Depositum fidei, das des Schutzes
gegenüber der Orthodoxie kaum bedurfte, da alle Welt, auch die Kirchen­
väter, in diesem Bildungsgut erzogen worden war und die Inhalte selbst
längst einer starken Formalisierung erlegen waren. Diesen Schutz der
klassischen Philologie genoß der Roman nicht. Er steht nicht allein in dieser
Isolation. Die handschriftliche Überlieferung beweist, daß hier andere
Interessen als nur philologische an der Tradierung beteiligt waren. Über
diese Interessen sollte man sich meiner Meinung nach keine allzu tiefen
Gedanken machen. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, auch nicht von
der Philologie allein — nicht einmal der Philologe. Die nüchternste
Erklärung ist doch wohl das private Vergnügen, das viele an dieser Lektüre
fanden. Das Vergnügen ließ man sich einiges kosten. Heliodoros war eine
Messe wert!
Dies führt zu einer Marginalie besonderer A n : die Prüderie der Byzantiner.
Der Herausgeber der Anthologia, Hermann Beckby, bemerkt einmal in
seiner Vorrede, man sei erstaunt über die Weltlust der christlichen Epi­
grammdichter des 6. Jahrhunderts, deren wirkliche Grundhaltung gewiß
auf einer Jenseitsgebundenheit basierte. Doch all dies sei nur ein Spiel, das
nur an die Peripherie ihrer Seele rührte. Ihre Gedanken und Gefühle seien
wirklichkeitsbar. Die Weltlust, von der sie sprechen, sei nur ein Traum,
die Geliebten, die sie besingen, Geschöpfe der Phantasie. Es wäre inter-
Marginalien zum byzantinischen Roman 119

essant zu erfahren, woher man dergleichen weiß! Mir scheint das „Spiel
der Phantasie" über die Wirklichkeit einer Einstellung mindestens
ebensoviel auszusagen, wie tiefernste Gedanken, die in Zeiten der Depres­
sion niedergeschrieben werden. Wir haben keine Möglichkeit, darüber zu
entscheiden, was „realer" war. Über die angebliche „Jenseitsgebunden­
heit" des 6. Jahrhunderts könnte manches gesagt werden. Ein Blick etwa
auf die wichtigsten Personen am Hofe Kaiser Justinians I. erweckt erheb­
liche Zweifel, abgesehen davon, daß es eine Orientierung aufs Jenseits gibt
- und dies läßt sich für Byzanz immer wieder nachweisen - , die sich bei
allem Festhalten daran sozusagen an den Rand des Lebens schieben läßt,
um mit um so größerem Vergnügen die Zwischenzeit zu genießen. Bei der
Anthologia handelt es sich um ein Stück des erwähnten klassischen
„Depositum ". Doch ein hoher Palastkleriker wie Konstantinos Kephalas
oder der Mönch Maximos Planudcs, beide entscheidend an der Redaktion
der Anthologia beteiligt, hätten genug anderen, unverfänglicheren Stoff
finden können, um daran ihre philologische Akribie zu beweisen und ihr
Gewissen zu salvieren. Der Roman nun steht außerhalb der Schutzzone der
eigentlich klassischen Literatur. Und trotzdem erfreut er sich größter
Beliebtheit. Doch wohl auch bei den Philologen; denn spätestens im
12. Jahrhundert dürfte die Zahl derer dünn geworden sein, die etwa die
Aithiopika noch einigermaßen fließend lesen und verstehen konnten. Es
passiert in diesen Romanen nicht furchtbar viel, aber oft, sehr oft ist es doch
nur mit knapper N ot, daß das „Schlimmste" nicht ein tritt — dies wohl ein
besonderer Kunstgriff der Technik der Anzüglichkeit. Außerdem kann der
Roman nicht isoliert gesehen werden. Er ist eingebettet in eine Fülle einer
von keiner Philologie gepflegten Literatur, die auf alte Zeiten zurückgeht,
etwa den Syntipas, einen unverfrorenen Boccaccio des byzantinischen
Mittelalters, oder die äsopischen Fabeln und den Äsoproman, die immer
wieder neu und bedenkenlos variiert werden. Um diese Marginalie abzu-
schließen: Mit der vielzitierten byzantinischen Prüderie ist es eine eigene
Sache. Man sollte nicht jedes W on glauben, das die Byzantinisten darüber
geschrieben haben. Und wenn byzantinische Ärzte den Liebesroman als
erotisches Stimulans empfehlen, dachten sie kaum an Allegorie. Das Uneil
des Photios und das des Psellos über Achilleus Tatios beweist, daß man sehr
wohl wußte, woran man war5.
Doch noch einmal zum Problem der Kontinuität. Theodoros Metochites,
der große Essayist des 14. Jahrhunderts, überschreibt einen seiner Ver­
suche: Unsere Zeit hat nichts mehr zu sagen. Für den literarisch Beflissenen
hatten die antiken Autoren schon alles vorweggenommen und es bleibe kein

s Auch hier bietet Gärtner die beste Übersicht.


120 Hans-Georg Beck

Stoff mehr. Trotz dieser Resignation, die viele Byzantiner mit Metochites
teilten, konnten weder er selbst noch zahlreiche andere der Versuchung
widerstehen, eben doch in den Spuren der Alten Neues zu schaffen, und sie
waren gebührend stolz darauf. So blieb es auch nicht bei der Lektüre der
alten Romane. Spätestens im 12. Jahrhundert setzt man an, neue Liebes­
romane zu schreiben. Vier Namen können genannt werden; Theodoros
Prodromos, Niketas Eugenianos, Eustathios Makrembolites und Konstan-
tinos Manasses. Schon die T itel: Rhodanthe und Dosikles, Drosilla und
Chartkies, Hysmine und Hysmintas, Aristandros und Kallithea, verraten,
auf welcher Spur man sich bewegt. Prodromos stützt sich weitgehend auf
Heliodor, andere, wenn nicht auf Prodromos seihst, dann auf Achilleus
Tatios. Man hat, mit etwas dünnen Belegen, Zeitbezüge in diesen Werken
zu entdecken geglaubt. Dies mag richtig sein und verwundert nicht, weil die
totale Abstraktion von der eigenen Zeit nie gelingt. Als Ganzes aber über­
springen diese Romane in einem Kraftakt acht Jahrhunderte und landen in
der Spätantike, in einer imaginären Spätantike, wohlgemerkt. Die christ­
lich-byzantinische Weltanschauung existiert nicht, die rekonstruierte Spät­
antike aber ist eine philologische Illusion. Aber der Versuch, Liebesieben
zu schildern ohne moralische Voreingenommenheit, ist real, wenn auch
preziös. Die Romane wurden gelesen, und wir wären froh, hätten wir von
manchen Historikern ebenso viele Handschriften wie von ihnen. Lesen
konnte sie bestimmt nur, wer gut philologisch vorgebildet war; um eine
Lektüre der Massen kann es sich keinesfalls handeln. Doch das Vorhanden­
sein dieser Romane allein für sich spricht eine deutliche Sprache.

Für die folgende Marginalie wäre eine Definition des Romans am Platz.
Natürlich riskiere ich sie nicht. N ur eine Beobachtung zum Unterschied
von Epos und Roman möchte ich wagen. Nimmt man an, daß das ge­
wachsene, das sogenannte Volksepos, die Kämpfe um das Werden einer
„N ation“ widerspiegelt oder auch die Kämpfe, in denen sich ein Volk in
äußerster Gefahr selbst behauptet - denken wir an die Nibelungen oder
Roland so unterscheiden sich die Romanhelden von den epischen durch
ihren Charakter als Privatpersonen. Sie mögen durchaus Ausdruck beson­
derer Charakteristika eines Volkes sein, aber sie repräsentieren nicht mehr
im Vollsinn Geschichte; ihr Handeln und Leiden appelliert an sehr persön­
liche und individuelle Erwartungen und Empfindungen. Das besagt keines­
wegs, daß diese Personen nicht in einem geschichtlichen Rahmen stehen
können, es besagt auch nicht, daß alte epische Töne nicht mitschwingen
können oder der alte epische Hintergrund nicht mehr durchschimmert.
Folgt man mir in dieser Unterscheidung, dann hat Byzanz nicht nur die
klassizistischen Romane des 12. Jahrhunderts geschaffen, sondern - wohl
um eben diese Zeit — auch einen Roman, der zwar noch Epik im Hinter-
Marginalien zum byzantinischen Roman 121

grund hat, im übrigen aber genau dieselben Erwartungen trifft wie ein
spätantiker Roman. Es ist dies der Digenis Akritas, genauer gesagt der
zweite Teil dieses mißbräuchlich so genannten byzantinischen Homer.
Denn das Heldenlied setzt ein mit einem Bericht über einen sarazenischen
Emir, der sich ein christliches Mädchen erobert - die spätere Mutter des
Digenis — und ihr zuliebe Christ wird und in die Romania zieht. Hier sind
alle epischen Elemente noch völlig deutlich, und niemand käme auf den
Gedanken, hier von einem Roman zu sprechen. Erst später hat man daran
ein umfangreiches Werk geknüpft, das Leben und Taten des Sohnes —zum
Teil in der Form einer Erzählung des Helden selbst - schildert. Es handelt
sich um einen Tausendsassa mit märchenhaften Kräften, die er den byzan­
tinischen Grenztruppen gegenüber ebenso erprobt wie am arabischen
Erbfeind oder an vaterlandslosen Freibeutern. Schöne Mädchen, Amazo­
nen, Vergewaltigungen und Ehebruch, Gärten und Schlösser - dies ist die
Well, in der sich der Held bewegt. Idyll und „prouesse“ sind die
bestimmenden Motive.
Was hat das Werk unter dem Etikett Kontinuität zu suchen? Der starke
Einschlag des ekphrastischen Elements verweist sicher auf eine lange
Erzähltradition, aber wichtiger scheint mir zu sein, daß dieser Roman in
vielen Punkten nach der spätantiken Alexandergeschichte modelliert ist.
Doch damit stoßen wir nochmals auf die Frage nach dem Wesen des
Romans. Bekanntlich war Ben Edwin Perry nicht geneigt, den Pseudo-
Kallisthenes als Roman gelten zu lassen. „It is historiography by intention,
not romance". Der Hintergrund sei eine bestimmte nationale Nostalgie,
und die Roman-Elemente seien „something incidental to the main idea,
not essential in themselves“ . Ich weiß nicht, ob man Perry folgen kann.
Jedenfalls haben die Byzantiner in zahlreichen Redaktionen und Versionen
in Prosa und Vers aus dem Ps.-Kallisthenes einen historischen Roman
gemacht. Jetzt ist das historische Element „incidental to the main idea". Die
Idee aber ist der große Held und Abenteurer, wenn auch die alte pan-
hellenische Idee nicht ganz verschwunden ist. Wunder und Magie, Fahrten
in die Lüfte und in die Meerestiefe - das ist es, was wirklich interessiert
und mit Einläßlichkeit geschildert wird.
Ein paar preziöse Romane des 12. Jahrhunderts, Digenis Akritas und
Alexander der Große in bunten Farben — ist dies alles, wozu sich die
Byzantiner durch den spätantiken Roman anregen ließen? Kaiser Julian
wollte bekanntlich die Christen von der heidnischen Literatur abschneiden.
Sein Bildungsedikt hatte zur Folge, daß man da und dort antike Literatur
mit christlichem Inhalt produzierte, aus biblischen Stoffen Komödien im
Stile Menanders oder pindarische Oden, aus Evangelienszenen platonische
Dialoge fertigte. Kaum etwas ist davon erhalten, und mit dem Tod Julians
122 Hans-Georg Beck

kehrte man beruhigt zu den heidnischen Bildungsgütern zurück. Aber das


Christentum hatte längst vor Julian begonnen, Eigenes zu schaffen. Man
kann es kurz unter dem Etikett Apostelroman zusammenfassen. Am
Anfang steht etwa die kanonische Apostelgeschichte des Lukas. Die
Missionsreisen des Apostels Paulus nehmen hier einen breiten Raum ein,
Petrus aber spielt daneben eine bescheidene, wenn nicht klägliche Rolle.
Abhilfe mußte geschaffen werden, und so entstanden weitschweifige Er­
zählungen über die Missionsreisen Petri, immer wieder unterbrochen
durch lange Predigten, eingespannt aber in eine Rahmenerzählung von den
Schicksalen einer römischen Familie, der des Clemens, mit all den be­
kannten Peripetien: Flucht vor Ehebruch, Piraten, Schiffbruch, neue
Flucht, Versklavung usw. und Wiedervereinigung nach langen Jahren. Der
große Helfer ist immer wieder Petrus selbst. Viele Gelehrte sind zu dem
Ergebnis gekommen, daß hier ein älterer heidnischer Roman Verwendung
fand, um die Missionspredigten Petri angenehm zu verpacken. Ein
weiteres besonders bezeichnendes Beispiel ist der sogenannte Thekla-
Roman, die Erzählung von einem Mädchen, Phänomen der Hysterie, die
sich an den Apostel Paulus hängt, alle möglichen Abenteuer besteht, sich
selbst durch einen Sprung in ein Wasserbecken tauft und schließlich in
Männerkleidung missioniert. So wenig wie im Klemensroman handelt es
sich um erotische Literatur im strengen Sinne des Wortes, wenn auch die
pikante Approximation immer wieder erreicht, vielleicht auch versucht
wird.

Bei aller formalen Kontinuität — daß das Christentum neue Töne in den
Roman bringt, läßt sich nicht leugnen. Dies gilt dann erst recht vom
eigentlichen hagiographtschen Roman der Byzantiner. Die Entstehung
kann man sich recht verschieden vorstellen: Heilige wurden gefeiert, und
zu dieser Feier bedurfte man eines erbaulichen Berichts über ihr Leben
und Sterben. Da und dort gab es echte Acta martyrum und authentische
Lebensberichte. Was aber, wenn solche Berichte nicht vorhanden waren,
wenn nur eben ein Name, ein Monatsdatum und ein Grab zur Verfügung
standen? N un hat ja der Heilige verschiedene Pflichten zu erfüllen, bevor
er sich sein Prädikat verdient; er hat vor allem tugendhaft zu sein und ein
seliges Ende zu nehmen, sowie zum Beweis seiner Heiligkeit Wunder zu
wirken, jedenfalls nach seinem Tod und am besten schon zu Lebzeiten.
Damit ist ein allgemein verbindlicher Rahmen vorhanden. Die Tugenden
kennt man, es sind ihrer mindestens sieben. Und was sich an Wundem
vorstellen läßt, läßt sich an der conditio humana, an all den Fällen, w o der
Mensch keinen natürlichen Ausweg mehr kennt, nachrechnen. So kann
man auch für einen Unbekannten eine wahre Lebensgeschichte nacherzäh­
len. Doch dabei blieb es nicht. Man erfand auch Heilige aus dem Nichts
Marginalien mm byzantinischen Roman 123

und stattete sie mit einer ausgiebigen Lebensbeschreibung aus. Nachdem


der byzantinische Kalender für jeden Tag des Jahres fast ein Dutzend
Heiliger anzubieten hat, liegt der Gedanke nahe, daß es bei diesen
Erfindungen nicht so sehr um eine Vermehrung des Personalstatus der
Hagiographie ging, als vielmehr darum, den hagiographischen Rahmen in
den Dienst der Lust am Erzählen zu stellen. Freilich nicht nur das.
Gelegentlich, glaube ich, benützte man die Hagiographie für kirchenpoli­
tische Ziele im weitesten Sinne des Wortes — ich denke hier etwa an
Andreas Salos. Jedenfalls hat der Byzantiner im hagiographischen Roman
alles an leichter Lektüre, was nach weltanschaulicher Lage möglich und
erträglich war. Im hagiographischen Roman kann sich die Phantasie sogar
ungehinderter bewegen als im heidnischen, der immer das Veto oder die
Kritik der Orthodoxie fürchten muß6. Das Laster hat in der Hagiographie
seinen erbaulich-festen Platz, weil die Absolution immer nahe steht und
die Tugend auf jeden Fall siegt. Kaum irgendwo erfährt man über die
Praktiken der alexandrinischen Huren mehr als in der Lebensbeschreibung
der berühmten Maria von Ägypten, und kaum irgendwo gibt es Erhellen-
deres zu lesen über den sozialen Hintergrund spätantiken Lebens hinter
christlicher Tünche als in den Wunderberichten des Sophronios über
Joannes und Kyros im heutigen Abukir bei Alexandreia. Man sollte sich
nicht mit der Annahme begnügen, es handle sich dabei schlicht um die
Lektüre simpler Gemüter. Unter den Autoren finden sich hohe kaiserliche
Würdenträger und Patriarchen. In einer Zeit, die von einem Entwicklungs­
prozeß des Menschen wenig weiß, die auch den Erziehungsroman kaum
kennt, ist der Rahmen der Heiligenlegende weit genug gespannt, um all
das unterzubringen, was man sich von einer unterhaltsamen Lektüre er­
wartet.
Dies führt zu einer weiteren Marginalie, zur Frage nämlich, warum das
Christentum, das im hagiographischen Roman - äußerlich wenigstens —
triumphiert, in all den anderen Roman werken, die ich genannt habe, so
gut wie keine Rolle spielt. Herbert Hunger spricht in seinem bekannten
Buch „Reich der neuen Mitte“ vom Anspruch der orthodoxen Kirche auf
Ausschließlichkeit im öffentlichen und privaten Leben, und er bringt
Belege genug, um diesen Anspruch sowohl wie seine Durchsetzung zu be­
weisen. Doch der byzantinische Roman, soweit er nicht hagiographisch
ist, entzieht sich dem. Natürlich kann man ein wenden, daß Digenis den
Reiterheiligen Theodoros verehrt und gelegentlich das Kreuzzeichen
schlägt. Aber hier geht es nicht um Äußerlichkeiten, sondern um

‘ Man vergleiche H. Delehaye, Le* passioni des martyres et les gen res litteraires, Bruxelles
1924.
124 Hans-Georg Beck

formende Grundsätze und Ideale, um christliche Hoffnung und Voll­


endung. Es sei hier nicht Komparatistik getrieben, aber vielleicht darf an
Parzival erinnert werden oder an den Gregorius Hartmanns von Aue.
Warum kennt Byzanz keine solchen Romangestalten? Die Gründe dafür
mögen sehr vielschichtig sein. N ur eine einzige Hypothese sei angeführt:
Die Romanfiguren außerhalb der Hagiographie sind alle Weltmcnschcn,
Menschen des täglichen Lebens. Die byzantinische Theologie aber hat für
den Weltmenschen wenig übrig. Gründend auf der Autorität eines Rigo­
risten von der Größe des Basileios von Kappadokien stellt die Orthodoxie
Forderungen, die im Grunde nur in der Wüste oder im Kloster erfüllbar
sind. Alles Leben in der Welt mit seinen Implikationen, Liebe, Ehe usw.
kann gerade nur geduldet werden, bleibt aber im Grunde auf seine Eigen­
gesetzlichkeit und damit auf seine Hoffnungslosigkeit zurückgeworfen.
Sich mit einer solchen Theologie auch nur im fernen Hintergrund eines
Romangeschehens auseinandersetzen, hätte im Grunde nur heißen können:
sie in Frage stellen. Dies aber war und blieb gefährlich, und niemand
zeigte sonderliches Interesse daran. Das vielzitierte, fragwürdige Interesse
des byzantinischen Laien an Theologie bewegte sich auf ganz anderen
Gefilden und war summa summarum nicht so groß, wie für gewöhnlich
angenommen wird. Die Welt auf sich zurückgeworfen - was bleibt ihr
anderes übrig, als sich selbst in ihrem Umkreis zurechtzufinden, gelten zu
lassen und zu verarbeiten, was täglich geschah, Liebe und Leid, Trennung
und Wiedervereinigung, Gefahren und Vergnügungen? Mochte die
Theologie darüber urteilen, wie sie es für gut fand! Und wenn solche
Stoffe und Romane Gewissensbisse weckten, so blieb immer noch die
Hetltgenlegende, blieben die Büßpredigten frommer Eremiten. Aber der
„laizistische" Roman in den Spuren der Spätamikc verrät vom wirklichen
byzantinischen Leben und Denken nicht weniger als die Heiligenlegende
oder der Moraltraktat.

Gelegentlich war schon andeutungsweise die Rede von der Leserschaft.


Wie groß war das Publikum, das all diese Romane erreichten? Dies ist eine
Frage der Sprache, Sehen wir einmal von der Hagiographie und vom
volkstümlichen Digenis-Stoff ab, so handelt es sich gewiß jeweils um ein
relativ hohes Sprachniveau. Das bedeutet, daß nach einiger Zeit - es ist
schwierig zu datieren, aber vielleicht darf das 7. oder 8. Jahrhundert
unterstellt werden — diese Romane nur noch jenen zugänglich waren, die
einigermaßen mit dem alten Griechisch zurecht kamen; das bedeutet dann,
einer relativ kleinen Schicht, jedenfalls nicht der Mehrheit, auch wenn
angenommen werden darf, daß in Byzanz mehr Leute lesen und schreiben
konnten als im Westen, Was die hagiographischen Texte anlangt, so ist die
Sprache meist einfacher, und da viele von ihnen in der Kirche zur Ver-
Marginalien zum byzantinischen Roman 125

lesung kamen, fanden die Stoffe, wenigstens ex auditu, weiteste Ver­


breitung. Beim Digenis-Roman dürfen wir spätestens im 12. Jahrhundert
Parallelfassungen unterstellen, teils in einfacherer, auch dem weniger Ge­
bildeten zugänglicher Sprache, teils den gelehrten Ambitionen angepaßt.
Hier zeigt sich, daß die sprachliche Differenzierung nicht immer aus­
schlaggebend ist: dasselbe Material kann sprachlich auf sehr unterschied­
lichen Ebenen angeboren werden. Seit dem 14. Jahrhunden werden z. B.
Werke, die in der Hochsprache entstanden sind, mehr und mehr in einem
einfacheren Idiom neuredigiert. Das gilt nicht nur von Historikern,
sondern sogar von Werken der Rhetorik. Die Hersteller solcher Redak­
tionen können nur Leute gewesen sein, welche die alte Sprache noch bis
zu einem gewissen Grad beherrschten. Nachdem aber die hochgebildeten
Kreise im 14. Jahrhundert eher zu- als abnahmen, scheint es, daß mit
diesen Neuausgaben einfacherer N atur ursächlich der Versuch gemacht
wurde, ein breiteres Lesepublikum zu erreichen, ein Publikum, für das
man die schwierigsten grammatischen Konstruktionen parataktisch auf­
löste, das archaische Vokabular durch gewöhnlichere Worte ersetzte usw.
Diese Richtung beschränkt sich nicht auf die von Philologen betreute
klassische und klassizistische Literatur. Beispielsweise wird auch der
schon erwähnte Syntipas derart aufbereitet. Es scheint, daß dieses 14.
Jahrhundert tatsächlich ein großes Lesebedürfnis verspürte und daß es Sich
auf der anderen Seite mit der hagiographischen Erzählung allein nicht
mehr abspeisen ließ. Tatsache ist es jedenfalls, daß seit dem 12. Jahr­
hundert der hagiographische Roman fast verschwindet, wie denn die
Hagiographie im allgemeinen seit dieser Zeit stark im Niedergang be­
griffen ist. So überrascht es nicht, daß auch der Roman neu ansetzt. Hier
sei zunächst nur ein Roman-Quintett erwähnt, das dem 14. und 15. Jahr­
hundert angehört. Zuerst drei Romane, deren Helden an alte Modelle
erinnern: Kallimachos und Chrysorrhoe, Belthandros und Chrysantza
und Libystros und Rhodamne; dann die beiden Romane Phlorios und
Platziaphlora und Imberios und Margarona. Die beiden letztgenannten
verraten deutlich ihre stoffliche und formale Herkunft aus dem Westen,
Floire und Blanchefleur, sowie Pierre und Maguelonne. Leider werfen
viele Literarhistoriker diese fünf Romane meist in einen Sack. Man sieht in
ihnen Ergebnisse des Eindringens „fränkischer“ , d. h. westlicher Kultur
im Osten, und man lokalisiert sie gern an den von den Kreuzrittern und
italienischen Abenteurern besetzten Rändern des alten byzantinischen
Reiches, während das senile noch byzantinische Zentrum nicht mehr fähig
gewesen sei, derart Lebendiges hervorzubringen. Mit der Kontinuität
hätte es damit ein Ende. Richtig ist dies sicher für Pierre und Maguelonne
und für Floire und Blanchefleur. Die ersten drei der erwähnten fünf
Romane haben aber außer dem Idiom - und auch hier gibt es wesentliche
126 Hans-Georg Beck

Unterschiede — wenig mit den letzteren gemein. Die Gegenargumente


sind schwächlich. Man sah in Belthandros einen Bertrand, in Rodophilos
einen Rudolf, im Namen Philarmos einen Willerm und ein „skelpe“
wurde als „Schelm“ interpretiert. Abgesehen davon, daß „skelpe“ leichter
aus dem Arabischen als dem Germanischen abgeleitet werden kann, ver­
raten die meisten Namen ohne Zweifel den bewußten Anschluß an altes
Romangut. Rodophilos begegnet übrigens schon in byzantinischen
Chroniken in einer Zeit, als sie von einem Rudolf noch kaum etwas
wissen konnten. Es bleiben ohne Zweifel nicht wenige Elemente, die
unverkennbar fränkischen Ursprungs sind: Rinerspiele, eine neue Eros-
Gestalt, Kleidungsstücke, Haartracht, modische Accessoirs usw. Doch
diese Dinge sind in den höheren byzantinischen Gesellschaftsschichten
seit dem 12. Jahrhundert gang und gäbe; sie spielen am Hofe des selbst­
bewußten Byzantiners Manuel I. eine große Rolle, aber sie haben das
kulturelle Eigenbewußtsein dieses Hofes nicht verändern können. Wem
würde es einfallen, eine Novelle von Somerset Maugham deshalb für
im Grunde französisch zu erklären, weil sich die Dame bei Dior ein­
kleidet, Parfüm von Coty benützt und sich auf dem Rennplatz von Passy
sehen läßt.
Trotzdem stellen die drei genannten Romane einen Neuansatz dar. Gewiß
ist die Nabelschnur zum antiken Roman nicht einfach abgeschnitten; die
Verfasser lesen immer noch Heliodor und Tatios. Die alte Lust am
Erschrecklichen und Erstaunlichen ist geblieben, und geblieben ist das
Grundschema: die plötzlich aufflammende Liebe, der schwierige Weg des
Sich-findens, der Verlust der Geliebten und schließlich das glückliche Ende.
Es bleibt die Typisierung der Figuren und das Fehlen der psychologischen
Entwicklung. Die Verwendung der Ekphrasis ist nicht neu, aber sie wird
jetzt zu einem fast übermächtigen Element der Darstellung, übermächtig
auch der Schicksalsgedanke, die Fülle der Gcfühlsausdrücke, die
Vehemenz der Klage, die ständige Nähe zur Ohnmacht — das Schwelgen.
Völlig byzantinisch sind da und dort angedeutete Rechtsvorstellungen
und die unterstellten gesellschaftlichen Verhältnisse. Der spätbyzan­
tinische Roman ist um eine entscheidende Stufe konkreter als der des 12.
Jahrhunderts. Vor allem ist er nicht mehr so stark „philologisch“
bestimmt, so sehr aus einer erträumten Antike heraus konzipiert wie der
frühere.
So bescheiden dies alles anmutet, Neuansatz ist es trotzdem. Und in einen
größeren Zusammenhang gestellt, kann es auch nicht überraschen. Es ist
jenes 14. Jahrhundert, in dem man die Bildungskonserven, die man aus
der Antike übernommen hat, weit öffnet und abschmeckt, ob sie noch
bekömmlich sind; die Zeit, in der Byzanz realisieren muß, daß ein
Marginalien zum byzantinischen Roman 127

Monopolanspruch auf Bildung nicht mehr unangefochten ist, wo man sich


fremden Literaturen, wenn auch zaghaft, öffnet, und wo die kulturelle
Konsistenz des Reiches von allen Seiten Einbrüche erfährt. Byzanz stellt
sich die Frage nach seinen eigenen Existenzgrundlagen» und diese Auf­
geschlossenheit allein beweist, daß das Zentrum des Reiches noch nicht
am Ende ist. Es ist immer noch kräftig genug, der Antike kreativer und
selbstsicherer gegenüberzutreten als bisher, etwas aus eigener Vorstellung
zu schaffen und den Weg zu neuen Ufern zu suchen. Dies führt zu
interessanten Folgerungen. Sie lassen sich am leichtesten an einem Grenz­
fall zeigen, der byzantinischen Achilleis. Aus dem epischen Stoff wird ein
galanter Versroman. Der Name der Myrmidonen taucht auf, Patroklos
ist der Knappe Achills - und damit ist es mit der Kenntnis der Antike getan.
Das tragende Element ist allein der große Name Achill. Er kämpft nicht
um Troia sondern um ein wunderschönes Mädchen im Garten seines
Gegners. Die Waffen spielen eine Rolle, eine größere aber Liebesbriefe
und Liebesgedichte. Der klassischen Philologie wird höchstes Unrecht
angetan. Doch was tut's? Der Held lebt weiter und gehört jetzt einer
größeren Offendichkeit als ihm die Philologen zugestanden hatten. Aber
Byzanz bleibt auch jetzt noch Byzanz: ein Leser stutzte denn doch vor so
viel Unbekümmertheit und dichtete einen neuen Schluß, seinen spärlichen
und armseligen klassischen Reminiszenzen zu Ehren. Achill zieht trotz­
dem noch nach Troia, nachdem die erste Liebe gestorben ist, und heiratet
in der dortigen Kathedrale die Schwester des Paris. Die Troianer
ermorden ihn, und jetzt haben die Griechen die philologische Chance,
Troia zu zerstören!

Eine neue Freiheit, ja Bedenkenlosigkeit im Umgang mit den alten


Mustern macht sich geltend. Widerstände aber gibt es immer noch. Als ein
kaiserlicher Prinz aus dem Hause der Paiaiologen den Roman KaUimachos
und Chrysorrhoe — oder war es ein Zwilling dieses Romans? — fertig­
gestellt hatte, pries ein Dichter, Manuel Philes, Autor und Werk in über­
schwänglichen Versen. Er resümierte den Inhalt und deutete ihn - wieder
einmal — als Allegorie des mystischen Aufschwungs der Seele zur Liebes-
Vereinigung mit G ott. Zunächst hat Philes wohl auf Bezahlung in bar ge­
hofft — wir kennen ihn gut genug. Daß er geglaubt hat, der Roman sei
allegorisch gemeint, läßt sich mit Sicherheit nicht ausschließen. Wahr­
scheinlicher dünkt mir, daß wieder einmal ein Alibi gegenüber dem wach­
samen Auge der Orthodoxie geschaffen werden sollte. Denn zwei Gene­
rationen später verfaßt ein hoher byzantinischer Kleriker einen
Anti-Roman. In der Einleitung zieht er mächtig gegen alle möglichen
frivolen Liebesgeschichten los, die im Umlauf seien, und bietet dann einen
unendlich gelehrten und unendlich langweiligen Pseudo-Liebesroman von
i Hans-Georg Beck

einer Dame Sophrosyne (= Enthaltsamkeit) zur Lektüre, die zwischen


Bäumen und Blumen, Bächen und Seen, nur an eines denkt, die Tugend7.
Doch es half nichts mehr. Byzanz ist im Aufbruch begriffen: Was bisher
sprachlich abgeschirmt nur für wenige zugänglich war, findet nun weite
Verbreitung. W as bisher nur den Philologen gehörte, wird ohne E rbarm en
ausgeschlachtet für Amüsement und Unterhaltung. Die Barrieren der
Sprache sowohl wie der Wissenschaft fallen, eine neue Zeit, auch für den
Roman, kündigt sich an. Sie leugnet das alte Erbe nicht, aber sie will
nicht mehr allein von ihm leben.
Es sind Einflüsse von außen und es ist schließlich das fatale Jahr 1453, das
all dem ein Ende setzt, und nicht so sehr geistige Senilitat. Aber selbst das
Ende bleibt vorläufig.1

1 Hrsg, von E. Miller, Paris 1858. Eine Neuausgabe wird vorbereitet von A. KambyLis.
ATHANASIOS KAMBYLI5

Epiphyllides'
Neunzig kritische Bemerkungen zu byzantinischen Prosatexten
(Mit einigen ,Zugaben*)

Bei der Lektüre neuerschienener Texte byzantinischer Autoren bin ich im


Laufe der letzten Jahre wiederholt auf Stellen gestoßen, die mir in der vom
Herausgeber vorgelegten Form unverständlich blieben; ich habe in diesen
Fällen versucht, zunächst in Randbemerkungen für mich selbst, den Leser,
durch Korrektur eine Textform zu erreichen, die sowohl in sprachlicher als
auch in inhaltlicher Hinsicht die aufgetauchten Schwierigkeiten wieder
beheben konnte. Dies war, wenn mir die entsprechenden Handschriften
zur Verfügung standen, nur zum Teil durch eine Nachkollation möglich,
die zu anderen Ergebnissen führte; meistens sah ich mich jedoch
gezwungen, auf dem Wege über die Konjekturalkritik, die ultima ratio des
Philologen, eine neue Textgestaltung zu versuchen. Im einen wie im andern
Falle handelt es sich um Kleinigkeiten, die dem Herausgeber des jeweiligen
Textes leicht verborgen bleiben konnten: die beiden Zitate aus Tzetzes
(s. u. A nm .4) mögen demonstrieren, wie in diesem Beitrag die textkritisch
behandelten Stellen betrachtet werden.
Für den vorliegenden Beitrag habe ich eine Anzahl solcher Randbemer­
kungen zusammengestellt, die sich auf fünf verschiedene Texte beziehen
(I—V), die folgenden (in der Reihenfolge ihrer Behandlung)11:
I. M kephoros Basilakes, Lobrede auf Alexios Aristenos (ed. Garzya)
II. Konstantinos VII. Porphyrogennetos, Rede an das Heer (ed. Ahr­
weiler)

* Cf. loannis Tzetxae Historiae IV, 781/4 (p. 156 ed. Leone):
ΈπιφυλλΙς σμικρότατον βοτρύδιον υπάρχει
δυνάμενον καλύπτεσθαι και τφ τυχόντι φύλλψ.
Daau: Ιο. Τζαζ. Commem, in Aristoph. Ran. 92a (p. 729, 6sq. Koster): έπιφυλλίδες
ctol tö μικρότατα #άν» τών σταφκλών βοτρνδίσκια, ώς δννάμενα φρδίως ψΰλλοις
καλύπτεαθαι ή τά πρός αύτοΐς τοϊς φύλλοις κρεμάμενα.
1 Die vollständigen bibliographischen Angaben finden sich unten an O rr und Stelle. Die
Reihenfolge nach Erscheinungsjahr des jeweiligen Textes.
130 Arhanasios Kambylis

III. Michael Psellos, Sechs verschiedene Reden (ed. Weiß)


IV. Anonymus, Medizinisch-diätetischer Traktat über die Podagra (ed.
Schmalzbauer)
V. Byzantinische Kleinchroniken (ed. Schreiner)

Antonio Garzya, Encomto inedito di Niceforo Basilace per Alessio


Aristeno. In: Byzantinische Forschungen I, 1966, 92-114. (Der Text der
Rede befindet sich hier auf $. 94—110),

Der von A. Garzya in der vorliegenden Publikation edierte λόγος είς τόν
προπέκδικον καί νομοφύλακα και όρφανοχρόφον κϋρ Α λέξιον xöv
Ά ριστηνόν ist durch eine einzige H s., den berühmten Cod. Escorialensis
Y II 10 (aus dem 13. Jhdt.) überliefert, der rhetorische Texte des 12. jhdts.
enthält. (Der Text der hier in Frage stehenden Rede ist in den fol. 403v- 409*
enthalten.) Der Herausgeber hat bereits im Rahmen der Vorbereitung einer
Gesamtausgabe des Werkes von Nikephoros Basilakes weitere Texte dieses
Autors vorgelegt, sie werden von ihm selbst in der oben angeführten
Publikation S. 92, Anm. 1 angeführt; tm folgenden lasse ich die anderen
von Garzya edierten Texte des Basilakes beiseite und beschränke mich
allein auf die oben genannte Erstausgabe des Enkomions auf Alexios
Aristenos. Das hat seinen Grund darin, daß ich vor Jahren Gelegenheit
hatte, den Escorialensis mit Hilfe eines Mikrofilms selbst zu kollationieren.
Ich kam dabei an mehreren Stellen zu anderen Ergebnissen, die ich im
folgenden mitteilen möchte in dem Wunsch, daß zumindest Kollations­
fehler, die z. T. den Text und den Sinn entstellen, nicht in die endgültige
Gesamtausgabe des Basilakes mit übernommen werden. Uber das Ergebnis
meiner Kollation hinaus lege ich — im Anschluß daran - auch das Er­
gebnis meiner Bemühungen vor, auf konjekturalem Wege an einigen
Stellen zu einem besseren Text zu gelangen. (Da der Zeilenzähler in der
Edition Garzyas durchlaufend ist, genügt es, wenn ich im folgenden nur
nach Zeile zitiere.)

Zunächst das Ergebnis der Nachkollation:


Z. 14 Kateotöpcuto (Druckfehler?): καηατόφΕστο cod. Z. 26 έχ η ξ ο ίμ η ν: έπευξαίμην
cod. (gehört in den Text. Vgl. im übrigen Zeile 28: ΰικτχνρισαίμην &v). Z. 67 καί τ ι: καί xi
cod. (das verlangt auch der Sinn des Textes). Z. 68 ηαραδραμεΐς: παρα&ράμης cod. Der
Herausgeber hat dieses Wort in der Hs. richtig gelesen, wie der App. z. St. lehrt, doch es in
Epiphyllides 131

ein« „neue" Futurform korrigiert. Hier kann die überlieferte Form mit Jota subscriptum
beibehalten werden: Konjunktiv Aorist für Indikativ Futur ist in byzantinischen Texten
nichts Seltenes. Z. 139 τής ώρας . . . το εύκρατα*: ταϊς ώραις . . . τό εύκρατον cod.
Vielleicht ist in τή ώρρ iu ändern {vgl. dazu etwa Zeile 90), obwohl der Dativ Plural hier
nicht völlig ungeeignet wäre; er kann in den Text gesetzt werden, Z, 159/140 τής
άρετής . . , tö εύθετον: ταϊς άρεταϊς . . . tö εύθετον cod. (Ak dat. instnim. gehört diese
Form in den Text.) Z. 165 μέχρι: μέχρις (potius quam μέχρι) cod. Z. 167 άπεκλήρωσεν:
άπεκληρωσ* = άπεκληρώσατο cod. Ζ. 185 ξυνεκόομηοεν: -σε cod. Ζ. 189 μζτωχετε(ύ)θη:
so auch die Hs., die Spitzklammern müßten wieder entfernt werden (vgl. Z. 482). Z. 215
άναφανεϊοτωσον (sic!): άναφανήτωοαν cod. Z. 235 εΟτροφε (Druckfehler?): εύστροφε
cod. Z, 239 ούτω έτράφης: οΰτω 6k έτράφης cod. Ζ. 333. 334 θάτερα: θατέρα (beide
Male!) cod.

Es folg en einige Vorschläge zur Neugestaltung des Textes:


1) Z. 20 αύτήν (την) Καλλιόπην. Der Zusatz der Herausgebers sollte
wieder gestrichen werden, da er nicht notwendig ist. Vgl. die Parallelfälle:
Z. 219 άπ αυτής γονής, Ζ. 158.418 αύτοις έργοις.
2) Ζ. 37 heißt es: εΐ μέν ούν (τις) έφεϊτό τινα λέγειν κτλ. Auch hier muß
der Zusatz des Herausgebers wieder entfernt werden; er verkennt den
Sinn des Satzes, der schon durch die folgende Zeile (38) unterstrichen
wird. Der Redner will nicht etwa sagen: „wenn nun jemand den Wunsch
hätte, über jene Dinge zu sprechen usw.‘\ sondern: „wenn es einem
erlaubt wäre, über jene Dinge zu sprechen usw.“ Es geht also nicht um
den Wunsch einer einzelnen Person, sondern um etwas Allgemeines.
Zeile 38 schließt sich dann —den Sinn erläuternd —a n : „wenn ein Gesetz
vorhanden gewesen wäre, das einem erlaubte, über sich selbst zu spre­
chen . . . " Die Konsequenz für den Redner Basilakes wäre (das ist in der
Apodosis enthalten), daß er selbst nicht mehr in seiner Rede fortführe; er
würde vielmehr den gepriesenen Aristenos auffordern, über sich selbst zu
sprechen (Z. 31L). Auch Z. 41 zeigt deutlich, wie der in Frage stehende
Text zu verstehen ist; es heißt dort: el dfe κ α ί ν ο μ ο θ ε τ ε ίν έπι τούτοις
έξην , wenn es auch möglich, erlaubt wäre, Gesetze darüber zu er­
lassen . . .). Z. 37 ist allerdings der überlieferte Text nicht ganz in
Ordnung, weswegen der Herausgeber auch an Ergänzung durch τις
dachte. Es ist aber eher τινα in τινι zu ändern, das wurde bereits oben
deutlich. Für die hier geforderte und oben bei der Wiedergabe des Textes
angenommene passive Bedeutung des Verbs vgl. LSJ s. v. έφίημι IIc.
(Zwei Zeilen später, Z. 39, hat das Verb eine andere Bedeutung, zu
vergleichen ist Eur. Andr. 984 άγαν έφήκας γλώσσαν.)
3) Ζ. 91/92 ώς μήτε . . . έχεις. Es müßte Ιχειν heißen; ähnliche Konstruk­
tion bei Basilakes häufig; vgl. ζ. B. etwas davor, Z. 84/85: ώς μ ή τ ε ...
παραλιπεΐν κ α ι , .. έπιβαλεϊν.
132 Athanasios Kambylis

4) Z, 98 και διαπσντίων καλών εγευσε, Wohl έγεύσατο zu schreiben.


Vgl. Z. 374 τοϋ λόγου γευσάμενος.
5) Z. 149 γεγενη μένους δ παρεκλήθησαν. Uber dem Partizip Perfekt
steht in der H s., was der Herausgeber freilich auch im kritischen Apparat
vermerkt, von derselben Hand geschrieben das Partizip Aorist γενομένους.
Vielleicht hätte es den Vorzug verdient. Hier geht es dennoch hauptsäch­
lich um den kurzen Relativsatz; nicht 5 παρεκλήθησαν ist überliefen,
sondern δ προεκλήθηοαν, das allerdings genauso wenig das Richtige sein
kann, wie das vom Herausgeber in den Text Gesetzte. Ich vermute (mit
Hinweis auf Z. 148) eher δπερ έκλήθησαν. Im Gebrauch der Verben in
Z. 148/149 ist Chiasmus festzustellen: κληθέντας — γεγόνασιν: γενο­
μένους (bzw. γεγενη μένους) - έκλήθησαν.
6) Ζ. 242 το τής άναγωγής έλευθέριον. Für άναγωγής schlage ich άγωγής
vor; von Erziehung ist im ganzen Passus die Rede, nicht von Anagoge!
Vgl. Z. 241. Auch hier ist die Figur des Chiasmus festzustellen: (Z. 141)
γονή - άγωγή: (Z. 142) άγωγή (also nicht άναγωγή) - γονή.
7) Z. 270 σικινίσαι δέ (δεινός) και ύπέρ . . . Κικέρωνα. Der Heraus­
geber hat mit Recht hinter δέ eine Lücke vermutet; die Ergänzung dieser
Lücke kann jedoch ohne die Klärung der Bedeutung des vorangehenden
Infinitivs nicht vorgenommen werden. Das überlieferte σικινισαι gibt
keinen Sinn; auch das paläographisch naheliegende σικιννίοαι (= die
Sikinnis tanzen) paßt nicht in den Zusammenhang. Vielleicht verbirgt sich
hinter dem überlieferten Infinitiv eher συγκινήσαι, hier im Sinne von
„mitreißen“ . In diesem Falle wäre auch die vom Herausgeber vorgeschla­
gene Ergänzung der Lücke durch δεινός sinnvoll.
8) Z. 309 δπη διήγεν έκάτερα πυνθάνεσθαι. Das Pronomen ist Subjekt
zu διήγεν und bezieht sich auf ταύτας (Z. 306) bzw, άλλήλας (Z. 307),
womit die φητορική und die φιλοσοφία vom Anfang dieses Kapitels
(= Z. 290) wiederaufgenommen werden. In der oben zitierten Textstelle
müßte es demnach έκατέρα heißen (d. h. έκαχέρα τούτων), wofür auch
der darauf folgende Text spricht (Z. 309ff.): καί Ρητορική μ έ ν .. .διέξεισι,
ή δέ φίλη το ύ τ η ς. . . ή π ο λ ιτεία . . . ά ντιδιη γεϊτα ι. . . (Mit πολιτεία ist die
πολιτική gemeint, welche der φιλοσοφία von Z. 290 entspricht: πολιτική
φιλοσοφία). Vgl. im übrigen meine Bemerkung zu Z. 333.334 (oben
S. 131, unter ,Ergebnis der Nachkollarion1).
9) Z. 397/8 ή (ο ύ ) και τυφλψ δηλαν ώς έπέγνως μέν κτλ. Der Zusatz
des Herausgebers kann und muß auch hier wieder gestrichen werden. Das
nicht verstandene ή am Anfang der Textpartie muß allerdings in ή („für-
wahr“) geändert werden (Basilakes hat es schon einmal in derselben Rede
Epiphyllid« 133

verwendet: Z. 233); das Fragezeichen hinter ώκνησαι muß in diesem Falle


durch den Punkt ersetzt werden. Der Sinn ist derselbe, wie der vom
Herausgeber durch den Zusatz und das Fragezeichen beabsichtigte: ή καί
τυφλφ δήλον κτλ.
10) Ζ. 416/417 ουδέ γάρ f γαλάκων ουδέ τρυφερός ούδ’ ύβρόβιος.
Während das letzte Adjektiv in diesem Nominalsatz sich leicht korrigieren
läßt (άβρόβιος), bietet γαλάκων erhebliche Schwierigkeiten. Es ist
zunächst wahrscheinlich, daß auch dies eine ähnliche Bedeutung haben
muß wie die beiden folgenden Adjektive. Das W ort, das diese Forderung
erfüllt, und zugleich äußerlich dem Überlieferten sehr nahe steht, ist
σαλάκων. Um dieses aus dem überlieferten, sinnlosen γαλάκων wiederzu­
gewinnen, bedarf es allein der Änderung des ersten Buchstabens. Außer­
dem paßt die Bedeutung von οαλάκων = Großprahler, Aufschneider gut
in den Zusammenhang. So wie bei Basilakes an unserer Stelle kommen die
Begriffe τρυφερός und σαλάκων zusammen bei Aristoteles Rhet. 2 ,1 6 ,2
(p. 109 Kassel) vor: καί τρυφεροί καί σαλάκωνες, τρυφεροί μέν δ ιά τήν
τρυφήν καί τήν Ινδειξιν τής εϊδαιμονίας, σαλάκωνες δέ καί σόλοικοι
διά τδ πάντας εΐωθέναι διατρίβειν περί τόν έρώμενον καί θαυμαζόμενον
ΐ π ’ α ϊτώ ν, καί το οίεσθαι ζηλοϋν τους άλλους & και α ϊτ ο ί.
11) Ζ. 441 θεόν τόν έκείνον βασιλεϊσαντα . . . ξυνεθεράπευσεν. Der
Akkusativ des Pronomens muß in den Genitiv έκείνου (d. i. Objekt zum
nachfolgenden Partizip) geändert werden, womit der βασιλεύς φιλόθεος
von Z. 440 gemeint ist.
Z. 461 άπί> τούτων <χ>υ τών έργων, άπό ταύτης σου τής προσθίσεως. Für das zweite Sub­
stantiv (Druckfehler?) vermute ich πρσθέσεως. (Vgl. Zeile 48.)

12) Z. 468/469 καί γίνεταί σοι τά δώρα τής Ινδόν διακοσμήσεως /


οιωνόν άγαθον καί συμβολσν περιδέξιον (Der Genitiv gehört zu den
beiden unmittelbar darauf folgenden Substantiven οιωνός und σύμβολον).
Entweder ist hier (είς) οιωνόν άγαθόν zu schreiben, oder es muß der
Akkusativ in den Nominativ οίωνός άγαθός geändert werden; ich ent­
scheide mich für die erste Möglichkeit (vgl. rasch etwa Genesios 7,5/6
Bonn: είς οΙωνόν . . . βασιλικής έπιβάσεως . . . λελόγιστο), und meine,
daß είς wegen Homoiotes (in der Handschrift stärker als in der Druck­
schrift) ausgefallen sein könnte: (διακοσμήσε)ως είς . . .
13) Ζ. 469/472 Ιδει σε . . . / τό τρ (. . .) τή στολή εϊκόσμως στολί-
σαντα / , . . / . . . Ισάριθμον καί τό τής άξίας περιζώσασθαι μέγεθος.
Nach den Angaben des Herausgebers im Apparat z. St. bietet die Hs.
,genauer1 entweder τρ . . . öv oder tu . . . öv, was ich bestätigen kann. Ich
sehe auf jeden Fall zu Beginn die beiden Buchstaben τρ, am Ende das
Kompendium w für öv. Dieser Befund führt fast zwangsläufig zu
IJ4 Athaimios Karnhylis

τρ (ιττ)ό ν (oder τρ(ισ σ )όν), das sich auch mit Hilfe des Zusammenhangs
verteidigen läßt. Denn: Z. 475 ist die Rede von der τριπλή άξια, Z. 409
von dem τριπλούς τής εύδαιμσνίας κρατήρ, dazu werden 2 .4 8 0 το
τρισόλβιον und τό τρισμακάριον erwähnt. Vor allem aber: Das Adjektiv
Ισάριθμον in der oben ausgeschriebenen Stelle (—Z. 472) bezieht sich
ganz offensichtlich auf ein vorangegangenes Zahlwort, und dies kann nur
in der schlecht überlieferten Stelle gesucht w erden; wir wissen anderer­
seits, daß mit Ισάριθμον τής άξίας μέγεθος die d re i άξίαι des Alexios
Aristenos gemeint sind, die auch in der Überschrift des Hnkomions er­
scheinen : Πρωτέκδικος, νομοφύλαξ, όρφανοτρόφος. So muß das
gesuchte W ort „drei“ , „dreifach“ heißen, wie im übrigen auch alle
anderen oben angeführten Stellen zeigen. Man wird nun die vorge­
schlagene Ergänzung (το τριπλούν kommt wegen des handschriftlichen
Befundes nicht in Frage) beinahe für selbstverständlich halten, doch damit
allein ist es nicht getan. Welches τριττόν (dreifache) ist gemeint? Es fehlt
der konkrete Bezug des substantivierten Adjektivs. Um die gestellte Frage
adäquat zu beantworten, müssen wir uns den in der vorigen Bemerkung
N r, 12 behandelten Text Z, 468/469, der unserem Text unmittelbar voran­
geht, vergegenwärtigen : καί γίνεταί σοι τά δώρα τής Ινδόν διακοσμήσεως
(ε ίς) οΐωνδν άγαθόν και σύμβολον περιδέξιον, wobei der Genitiv zu είς
οιωνόν und σύμβολον, nicht zu δώρα zu ziehen ist. Es liegt auf der
Hand, daß es hier darum geht, daß bei Aristenos etwas Äußeres (τά
δώρα) dem Inneren (ή ένδον διακόσμησις) entspricht, die äußeren (welt­
lichen wie kirchlichen) Würden entsprechen (zunächst ganz allgemein
formuliert) inneren Qualitäten des Aristenos. So vermute ich, daß mit τό
τριττόν die drei Teile der Seele (λογικόν, θυμικόν, θυμοειδές, im plato­
nischen Sinne) gemeint sind; der Redner hat bereits Z, 387 einen Anlauf
gemacht, darüber zu sprechen, indem er sagte: άρξώμεθα δή ούν άπό τού
λογικού τής “ψ υχής. In der Folge seiner Rede nennt er die beiden anderen
Teile der Seele (θυμικόν und θυμοειδές) nicht, doch aus den Ausführun­
gen geht klar hervor, daß er sie im Auge hat (vgl. vor allem Z. 404ff.).
Eine Präzision einer vorher gemachten Aussage ist allerdings jetzt
vonnöten: die D re iz a h l der Ämter entspricht der D r e iz a h l der Teile
der Seele. (Auch Theodoros Prodromos treibt übrigens sein Spiel mit der
Dreizahl der Ämter des Aristenos; auch sein Lob muß, meint er, dreifach
sein; vgl. Gedicht N r. LVIa 31/32, p. 462 Hörandner: πώ ς δ’ ού τό
τριττόν τών έπαίνων άρμόσει / τών άξιων σου τψ τρισαρίθμφ μέτρα»;)
Es muß mithin in der korrupt überlieferten Stelle nunmehr heißen: τό
τρ (ιττ)ό ν (τής ψ υχής) τή στολή εύκόσμως στολίσαντα. Der Genitiv vor
dem Dativ könnte wegen Homoiotes ausgefallen sein. (Durch ψυχής wird
praktisch die ένδον διακόσμησις von Z. 468 wiederaufgenommen.) Zum
Ausdruck vgl. Plat. Politeia 504a: τριττά είδη ψυχής, zum substantivier-
Epiphyilides 135

ten Adjektiv mit Genitiv vgl. Gregor von Nazianz: τφ τρισσφ τής
έρωχήσεως xö τρισσόν τής άρνησεως έθεράπευσε (nach Th es. G r. L.
s. v., ohne Stellenangabe).
Erst nach Fertigstellung des Manuskripts bemerkte ich bei einer
nochmaligen Kollation der H s., daß das Doppel-Tau des von m ir postu­
lierten Wortes τριττόν unmittelbar vor dem Kompendium (s. o.) für öv zu
sehen ist, und zwar in der Form tt, wie die zwei Tau des unmittelbar
davorstehenden Wortes θαυμαοιώτατον, hier allerdings übergeschrieben
und im Sinne eines Kompendiums für τατον. Endgültig muß es jetzt
heißen: xd τρνχτόν (τής ψ υχής).
2. 520 τροπάς (Druckfehler?) muß selbstverständlich in τροφάς geändert werden*.

II

Helene Ahrweiler, Un discours inedit de Constantio VII. Porphyrogenete.


In: Travaux et Memoires 2, 1967, 393 - 404. (Der Text ist abgedruckt auf
den Seiten 397- 399.)

Bei diesem Text handelt es sich um eine δημηγορία, die sich an das byzan­
tinische Heer im Osten des Reiches richtet; sie gehört zu der Gruppe der
Dcmegorien, die in den fol. 141-161 einer militärische Schriften enthal­
tenden H s., des cod. Ambrosianus B 119 sup., olim N 128 (= Martini-
Bassi 139) überliefert ist; hier steht die in der oben angeführten Publikation

5 Ich laue zum Schluß einige Bemerkungen folgen, die den kritischen Apparat der Ausgabe
betreffen {S. 96/7).
Z. 280 app.: „τούτφ scripsi: τούτοις S". Im Text steht dennoch die Lesart der Hs.
Z. 319 app.: ,»ξύγ<»**α S '\ In den Text hat der Herausgeber ξύγκλυδα gesetzt, was auch
in der Hs. deutlich zu lesen ist.
Z. 362 app.: „näot probabiliter corruptum] ποιήμασι possis seu παντάπαοι. an aliquid
post άπέκρνψας excisum suspexeris, ex. gr. (πσοι . . .) φημάτων Αγλαίσμοίς (Piat,
Axioch. 369 d)?". All diese Vorschläge des Herausgebers sind, wenn auch geistreich,
nicht nötig. Der Text bietet in der überlieferten Form einen guten Sinn: πάσι ist Dativ
zum Neutrum (τά) πάντα, und steht in Zusammenhang mit den vorangehenden Dativen,
wie πάντας in Zusammenhang mit den vorangehenden Akkusativen steht; verkürzt aus*
gedrückt ist hier gemeint (nachdem vorher von Einzelfällen gesprochen wurde): mit allem
überschattete er alle. Zu vergleichen ist (mutatis mutandis) das Pauluswon (hier beide Male
mit Artikel davor) γέγσνα τοίς πάσι τά πάντα.
Ζ. 447app.: ,,μτγαλβπίβολον scripsi coli. Lex. Sud,; μβγαλβπήβολον S'*; die Lesart der Hs.
wäre vorzuziehen.
Z. 520 app.: Es muß im App. angegeben werden, welches von den beiden in derselben
Zeile verkommenden άφπρεΐτο gemeint ist.
136 Athanasios Kambyli*

edierte Rede in den fol. 154-156 (der Text beginnt mitten in einem
Wort).
Der im allgemeinen gut edierte Text weist, abgesehen von einigen unglück­
lichen Druckfehlern (s. u.)> an einigen Stellen eine nicht zufriedenstellende
Gestaltung auf.
14) S. 398,50; . . .τή ν ύμών δεδοικώς προσβολήν καί πάντα τρόπον
α ύ τ ή ς άπωθούμενος. Gemeint ist: δεδοικώς και άπωθούμενος τήν
προσβολήν. Der Genitiv des Pronomens αύτής ist mithin in αύτήν zu
ändern, πάντα τρόπον freilich adverbial zu verstehen. Für den Genitiv
kann etwa Aristoph, Ach, 450 kaum geltend gemacht werden,
15) S. 399,66: Μή ταύτα ύμάς θ ο ρ υ β ε ίτ ο , λαός έ μ ό ς ... Es ist ein­
deutig, daß das Verb im Imperativ stehen muß. Es ist mithin zu schreiben:
θορυβείτω.
16) S. 399, 71: Ώ πόσος Ιχει μέ τ ο ύ τ ο ν πόθος κτλ. Vorher war die
Rede davon, was Konstantin als καλόν bezeichnet: τό ύπέρ χριστιανών
άγωνίσασθαι. Dieses καλόν wird im folgenden noch dreimal durch τούτο
wiederaufgenommen, näher charakterisiert und auch gepriesen. Darauf
bezieht sich wohl auch die oben zitierte Stelle; es ist zu schreiben: d>
πόσος Ιχει με τούτου πόθος (scii, τού ύπέρ χριστιανών άγω νίσασθαι). . . ;
was darauf folgt, begründet aufs beste diese Auffassung.
17) S. 397,9: και ΐπ π ο ις έπιβεβηκότων αυτών το τάχος, ούκ έφικτοΐς.
Die in der Ausgabe vorgenommene Interpunktion führt, fürchte ich, zu
einem Mißverständnis. Die Partie, die mit καίτοι (2. 8) beginnt und mit
έλείποντο (Z. 10) endet, bezieht sich auf die Gegner, die Konstantin als
besonders gut ausgerüstet charakterisiert, um auch dadurch das Lob auf
den Sieg seines Heeres zu begründen. Je stärker der Feind, desto bedeut­
samer der Sieg, diese Auffassung steckt dahinter; in dem vorliegenden Fall
ist der Sinn gewahrt, wenn gemeint ist: die Gegner verfügten über Pferde,
die in ihrer Schnelligkeit unerreichbar waren. Dieses erfordert entweder
eine Änderung der Interpunktion: καί ΐπ π ο ις έπιβεβηκότων αύτών, τό
τάχος ούκ έφικτοΐς, oder die restlose Streichung des Kommas, wofür ich
plädieren würde. Auf jeden Fall ist gemeint: ΐπ π ο ις τό τάχος ούκ έφικτοΐς.
Vgl. dazu die Parallelformulierung ebda: καί δπλοις όχυρώτατα
πε φραγμένων (so, nicht —αίνων), δπλοις τήν τέχνην ού μιμητοίς. Ich
halte es allerdings für unwahrscheinlich, daß auch an der oben
behandelten Stelle ursprünglich ein zweites ΐπ π ο ις vor τό τάχος gestanden
hat.
Epiphyllid« 137

III

Günter Weiß, Oströmische Beamte im Spiegel der Schriften des Michael


Psellos. Miscellanea Byzantina Monacensia 16, München 1973.

In einem Anhang am Ende seines Buches (S. 241 ff.) ediert Weiß sechs
(I-V I) Texte des Psellos» von denen der sechste (VI), der im Grunde aus
sechs verschiedenen kleineren Texten besteht, rein juristischen Inhalts ist;
diese juristischen »Fragmente1 werden uns im folgenden nicht beschäftigen.
Der Text der fünf übrigen kürzeren und längeren Abhandlungen befindet
sich auf den Seiten 259-283; vorausgeschickt wird eine Einleitung zu den
edierten Texten, die kurz die Überlieferung skizziert, den Inhalt wieder­
gibt, z. T. den historischen Hintergrund erläutert und den jeweiligen Text
würdigt.

Es geht im einzelnen um die folgenden fünf Texte (ich übernehme dabei


die deutschen Überschriften von Weiß, die unmittelbar vor der jeweiligen
Einleitung stehen):
I. Rede gegen die Ansicht, der Philosoph erstrebe politische Macht,
II. Antwort auf eine Schmähschrift.
III. Verteidigungsrede vor der Kaiserin Eudokia.
IV. Lobrede auf die Kaiserin Eudokia.
V. Leichenrede auf Anastasios.
Alle fünf Texte werden hier in ihrer Erstedition (die Formulierung „Ein­
leitung . . . zu sechs neu herausgegebenen Texten . . Weiß 241, ist
etwas irreführend!) vorgelegt.
Der Herausgeber hat viele Korruptelen geheilt, Lücken am richtigen O rt
aufgezeigt und Ergänzungen vorgenommen, wo sie nötig waren; doch
sind in ein e r Reihe v o n Textstellen noch Fehler e n th a lte n , die als solche
nicht erkannt wurden. Im folgenden werden einige von ihnen besprochen
und, wie ich hoffe, auch behoben. (Ich zitiere selbstverständlich nach Seite
und Zeilenzahl der Ausgabe von Weiß.)

Text I
18) S. 259, 7: καθ’ ήν äv μεν τις ύπεροψίας γραφήν γράψαιτο. Nicht nur
scheint mir μέν hier nicht richtig am Platze (man möge ein paar Zeilen
weiter lesen), sondern auch das direkte Objekt des Verbs fehlt hier, d. h.
die Bestimmung der Person, gegen die Anklage erhoben wird; für μέν
vermute ich με, denn es handelt sich dabei um Psellos selbst. Zu ver­
gleichen ist (Text II) S. 263,50f.
138 AtKanasios Kamby tis

19) S.260, 38f.: και τότε μάλλον τοίς γιγνομένοις προγνώσομαι, τότε
πραττόμενον . . . διαλύσομαι. (Davor Ζ. 37 steht der Sa12 γράψω δέ
έτοιμότερον). Die Bedeutung von πρσγιγνώσκειν bezieht sich auf die
Zukunft, d. h. etwas Voraussagen — Voraussagen, daß etwas Bestimmtes in
der Zukunft eintritt. In der oben zitierten Stelle fehlt jegliches Objekt. Ich
vermute hinter dem überlieferten μάλλον das W ort μέλλον, d. h. die Zu­
kunft wird Psellos mit Hilfe der Ereignisse von jetzt Voraussagen. Daß
τότε beide Male nicht das Temporaladverb ist, sondern hier τό τε geschrie­
ben werden muß, versteht sich jetzt von selbst. Der Text ist so zu konsti­
tuieren: και τό τε μέλλον τοίς γιγνομένοις προγνώσομαι, τό τε
πραττόμενον . . . διαλύσομαι.

Text II
20) S. 266,153: κάμέ ή πρώτη πλάσις εύχαρι τό ήθος έποίησε. In dieser
Textgestaltung bezieht sich εύχαρι auf τό ήθος, was grammatisch
unmöglich ist; möglich wäre es, wenn hier statt κάμέ der Dativ κάμοι
(dat. eth.) gestanden hätte. Doch das stellt nicht die Korrektur dar, die ich
vorschlagen möchte. Ich denke eher daran, κάμέ zwar zu halten, aber
εΰ χα ρ ι(ν) (auf den Akkusativ des Personalpronomens bezogen) zu
schreiben; τό ήθος ist in dieser Textgestaltung accusativus graecus.
21) S.266»153f.: τί μοι διασύρεις τό καλόν τουτί πλάστη μα. In den
vorangehenden Zeilen spricht Psellos (etwas kokettierend) von seinen
natürlichen „Begabungen“ , in der Kunst der Rede und (allgemein) im
praktischen' Bereich (ήθη); dies drückt er zunächst mit einem Bild aus
der Pflanzenwelt aus; Z. 147ff. heißt es: et δέ xt μοι (so, nicht τι μοί)
άνθος ή φύσις Ιβλάστησε, τό μέν έπί γλώττης, τό δέ έπί τών ήθών . . . ;
Demnach meine ich, daß es im oben ausgeschriebenen Text nicht
πλάστημα sondern βλάστημα heißen muß. Zwar steht Z. 153 ή . . . πλά-
σ ις . . . έποίησε, doch nimmt Psellos in der folgenden Zeile ganz offen­
sichtlich das Bild von Z. 147ff. noch einmal auf. Im übrigen ist πλάστημα
nicht belegt, vielleicht auch nicht möglich, hier wohl unter dem Einfluß
des vorangehenden πλάσις aus βλάστημα entstanden, wobei die
Ähnlichkeit von Pi und Beta (π, u) eine gewisse Rolle gespielt haben mag.
22) S. 267,207f .: ά λ λ ά τ α ΐς φ υ σ ικ α ΐς π ρ ό ς τ ο ύ τ ο δ υ νά μ εσ ι κ α τα κ έχρ η μ α ι.
In dieser Form scheint die Aussage im Widerspruch zu Z. 226f. zu stehen:
ού κ α τα χ ρ ώ μ α ι γ ά ρ τη δυνάμει τη ς φύσεως, was, wie ich meine, die
wirkliche Meinung des Psellos wiedergibt. Im ersten Fall, d. h. Z. 208,
würde ich κέχρημαι statt κ α τα κ έχρ η μ α ι schreiben.
23) S. 268,237: der Zusatz μάλλον kann hier wie auch später (Text III)
S. 273,37 wieder gestrichen werden, er ist überflüssig.
Epiptiyllid« 139

24) S. 268,254f. heißt es in der Edition: κάν με πρός τήν Ιτεραν


Ιξετάσης (κ α ί) μετά Σωκράτους άριθμήσ^ς καί Πλάτωνος. Der Zusatz
stammt vom Herausgeber, dem entgangen zu sein scheint, daß der über­
lieferte Text an der obigen Stelle der Formulierung in Z. 257f. genau ent­
spricht. και ist wieder zu streichen, da sinnentstellend; es genügt, hinter
έξετάοης leicht zu interpungicren, um den von Psellos beabsichtigten Sinn
wiederherzustellen. (Hinter Ιξήλωκα, 254, müßte man eher άνω στιγμή
setzen; vgl. dazu Z. 257 ήκρίβωκα.) Der folgende γάρ-Satz beleuchtet
und erklärt noch einmal das Z. 255 Gesagte,

Text III
25) S. 273,46f.: et τ ίν ο ς των μεγίστων ύ σ τ ίρ η σ α κ α ί Ιχ ις τή ν ψ υ χή ν
α ύ τή ν έξέχεα έ π ΐ σοΙ (so, nicht Ι π ί σοι) κ α ι τή ν γλ ώ ττα ν ή κό νη σ α ύ π ίρ
σοϋ (so, nicht ύ π έ ρ σου), ά κ ο νη θ είη σ α ν έ π ’ έ μ ί γλ ώ σ σ α ι π ο ν η ρ ο ί τε κ α ι
βάσκανοι. Der Text scheint mir korrupt. Die Schwierigkeit liegt wohl zu­
nächst im überlieferten (?) Ιχ ις. Die Bedeutung Ιχ ιδ ν α (Natter) ist im vor­
liegenden Zusammenhang, in dem etwas Positives erwartet wird, nicht
möglich. Man möge sich die Überschrift der Rede ansehen! Auch ist der
Satz (Z .46: e t . ,.) κ α ι τή ν γλ ώ ττα ν ή κόνη σ α ύ π ίρ σοΰ nicht haltbar, ja
absurd, wenn man den Inhalt der Apodosis betrachtet; dieser wäre vor­
stellbar, wenn es dort κ α τά σοϋ oder km ofc geheißen hätte. Dann könnte
auch Ιχ ις (oder ( ώ ς ) Ιχ ις? ) beibehalten werden. Doch scheint mir unvor­
stellbar, daß Psellos sich selbst, wenn auch um das Bild zu negieren, mit
einer Natter vergleichen würde. Unerklärlich bliebe außerdem der Nach­
druck, der durch den Gebrauch von την ψυχήν αΌτήν unterstrichen w ird:
„die Seele selbst über einen ergießen“ , das gehört wohl zu einem
.positiven* Bild und kann unmöglich mit der Metapher „N atter“ in Be­
ziehung gebracht w erden! So meine ich, daß die Heilung des zweifellos
korrupten Textes in einer anderen Richtung zu suchen ist. Ich schlage vor,
Ι χ ις in ο ΰ χ ΐ zu korrigieren, die Negation bezogen auf beide folgende
Sätze: „Wenn ich etwas sehr Wichtiges vernachlässigt (?) und n i c h t (im
Gegenteil) selbst meine Seele über dich ergossen und meine Zunge für dich
geschärft haben sollte, dann mögen böswillige und verleumderische
Zungen gegen mich geschärft werden.“ Dies scheint mir ein plausibler
Gedankengang zu sein. (Wegen ο ύ χ ΐ vgl. ebda. Z. 70.)
26) 273,55f,: και κατά πνε(ΰμα) . . . Βιος είμί. Nach Auskunft des
App. z. St. umfaßt die Lücke etwa 22—25 Buchstaben, die hier unmöglich
herbeigezaubert werden können; der Sinnzusammenhang erlaubt jedoch,
das Ende der Lücke mit einiger Sicherheit zu rekonstruieren: (. . . φίλος
Ιπιστη )θιός είμι.
140 Athanasios Kambylis

27) Z, 72 f,: o t μέχρι (θανάτου) έ(μΙ με)^ άναπνοής ένδον είχε τής
οικείας ψυχής. Der Text in runden Klammern stammt vom Herausgeber»
er stellt Ergänzungen der in der Hs. vorhandenen Lücken (nach seinen
Angaben S. 241) dar; dem Gesamttext kann ich leider keinen Sinn abge­
winnen. Ich vermute: σύ μέχρι(ς έσχάτης) α (ύ τ ο )ϋ άναπνοής ένδον
είχε τής οικείας ψυχής. Vgl. dazu Men. 9,22 Synax. (nach Dimitrakos
s. v. έσχατος). Die Wiederaufnahme des Personalpronomens ist nicht
notwendig.

Text IV
28) S, 276,51: έν μίση τή γή ό ταλαίπωρος δίψει κολάζομαι. Der Dativ
τή γή stellt ganz offensichtlich eine Korruptel dar, entstanden aus dem,
wie ich meine, richtigen πηγή. Im unmittelbar darauffolgenden Satz heißt
es (Z. 52f.): ή μέν ο ί(ν πη)γή σΰ, ή τών άβύσσων πηγή. Hier wird
geradezu erläutert, welche die Quelle ist, von der Z. 51 die Rede gewesen
ist. Es muß dort mithin heißen: έν μέση πηγή ό ταλαίπωρος δίψ ει
κολάζομαι, was allein Sinn haben kann.

Text V
29) $. 277, 15: οίς γαρ δ λογισμός αύτών τεθόλωται κτλ. In dieser Form
beinhaltet der Satz genau das Gegenteil von dem, was Psellos gerade
Z. 12ff. gesagt hat: der Redner, der frei von Trauer ist, kann am besten
über die Trauer der anderen reden. Mit dem γάρ-Satz Z. 15 soll diese
Aussage weiter erläutert werden; doch erfüllt dieser Satz seine Funktion
nur, wenn dort nicht τεθόλωται, sondern das Gegenteil davon stände; ich
schlage daher vor, οίς . . . . (μή) τεθόλωται zu schreiben.
30) S. 2 7 8 ,2 9 f,: οίς δέ δ μακρδς χρόνος είς φιλίαν [είς] ψυχάς
ένεκέρασε, τούτοις πώ ς &ν στέρξειεν άλλήλων στερούμενοι. Für
τούτοις, das aus der Parallelformulierung Z. 2 7 -2 9 hierher eingedrungen
ist, schlage ich ουτοι vor. Vgl. auch Z. 35. Im übrigen würde ich für das
vom Herausgeber eliminierte είς vor ψυχάς den Artikel τάς vermuten, aus
dem wohl jenes überflüssige είς entstanden sein mag.
31) S. 279,92 -9 9 . Diese Textpartie scheint der Herausgeber mißverstan­
den zu haben, daher die vielen nicht vertretbaren Ergänzungen von
Lücken der H s.:
Z. 92: ήλθες wird durch nichts gestützt. Behält man dagegen im Auge,
was unmittelbar davor steht (Z. 91 . . . . . ούτε ό θεατής ούθ' ό
άκροατής), und stellt man in Rechnung, wie der neue Satz Z. 95 beginnt,
nämlich mit ό δε σου, das sich auf den άκροατής von Z. 91 bezieht, so
kann man nicht umhin, den Anfang von Z. 92 richtig mit ό μέν σου zu
Epiphyllides 141

ergänzen, das naturgemäß - wie der Zusammenhang zeigt - auf das


voraufgehende θεατής zu beziehen ist.
Z. 95: (άκου)όμενος. Auch hier scheint mir die Ergänzung nicht geglückt,
ja sie ist aus sprachlichen Gründen nicht einmal möglich. Ich würde auch
hier (τερπ)δμενος schreiben; das wäre dann das dritte Mal, daß dieses
Partizip in einer Textpartie von vier Zeilen vorkäme, doch ist das kein
gewichtiger Grund, davon abzusehen; im übrigen hat Psellos Z. 98 das
Partizip κηλούμενος verwendet, das ich auch für Z. 95 fordern würde,
falls in der Hs. in Wirklichkeit nicht όμενος sondern ύμενος zu sehen sein
sollte. Dann hätte Psellos in zwei Parallelsätzen (Z. 9 2 -9 5 und Z, 95-98)
jeweils zweimal τερπόμενος und zweimal κηλούμενος verwendet.
Z. 98 f.: ή μάλλον άμφω (άλλήλους) συνεπέ(κρι)σαν. Diesen Satz ver­
stehe ich nicht. Was heißt συνεπέκρισαν? (So lange man hier nicht richtig
ergänzt hat, kann man nicht an Zusätze denken.) Möglich wäre (ich führe
es nur beispielsweise an): ή μάλλον άμφω (scii. 6 θεατής καί δ άκροατής)
συνεπε ( χάρη) σαν.

IV
Gudrun Schmalzbauer, Medizinisch-Diätetisches über die Podagra aus
spätbyzantinischer Zeit. In: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik
23, 1974, 229-243.
Es handelt sich hier um die kommentierte Erstedition eines kurzen
medizinisch-diätetischen Traktats, der ein nützliches Glossar beigegeben
ist. Überliefert wird dieser Traktat durch die Sammelhandschrift cod,
Vindob. med. gr. 47 (hier: fol. 380r-3 8 2 r) aus dem lS .Jh d t.; der Text
selbst, der in Briefform abgefaßt ist, kann nicht sehr viel älter sein und
ist im übrigen anonym überliefert. Er besteht aus einem Prooimion in der
Hochsprache (Z. 1—16), aus einem Hauptteil wohl in gemischter Sprache
mit stark vulgarisierenden Tendenzen und Elementen (Z. 17—90) und
schließlich aus einem kurzen Epilog wieder in der Hochsprache
(Z. 91—94), Der mittlere Teil mit dem medizinisch-diätetischen Inhalt
stellt die ,popularisierte1 Form eines entsprechenden, wissenschaftlich for­
mulierten Traktats über die Podagra, ihre Erscheinungsformen und
Therapie, sowie über Diätvorschriften dar, dessen Verfasser im Prooimion
Z, 5 genannt wird: der Arzt Ioannes Kaloeidas. Die Herausgeberin äußert
im Kommentar (S. 236) die Meinung, daß dieser Teil in seiner ursprüng­
lichen Form in der ersten Hälfte des 15, Jhdts. abgefaßt sein muß (zwischen
1407 und 1437). Daß auch der Verfasser des Briefes, also der ,Diaskeuast‘
oder »Übersetzer1des ursprünglichen Textes, dem er Prooimion und Epilog
142 Athanasias Kambylis

beigefügt hat, ein Arzt gewesen ist, wird, wie es S. 234 heißt, nicht aus­
drücklich erwähnt, doch meint die Herausgeberin, dieser müßte „Einblick
in die medizinische Praxis gehabt haben“ . Dies stützt sie auf die Verb­
formen έγράφομεν und παραδίδομεν, die in ihrer Edition Z. 8 bzw. 15
Vorkommen, und „die auf eine A rt Kollegialitätsverhältnis zu Kaloeidas
hindeuten“ (ebda.). Daß einerseits έγράφομεν eine Korruptel darstellt und
daher nicht haltbar ist, andererseits aber auch παραδίδομεν in einem
anderen Zusammenhang gesagt wird (hier ganz abgesehen davon, ob diese
Form auf Grund des überlieferten παραδοιόώμε richtig wiederhergestellt
worden ist), wird im folgenden deutlich, wie ich hoffe; so meine ich, daß
sich über den anonymen Verfasser des Briefes bzw. den »Bearbeiter* von
Kaloeidas’ Traktat zunächst so viel sagen läßt, daß er ein gebildeter Ver­
trauensmann des Patienten war; er lebte, zumindest zur Zeit der Abfassung
des »Briefes*, nicht in Konstantinopei, wie es aus κάκεΐσε (Z. 3) deutlich
hervorgeht. Der Patient selbst, der ebenfalls anonym bleibt, wird eine hohe
Stellung innegehabt haben oder ein Magnat in der Provinz gewesen sein;
auf jeden Fall kommt er nur gelegentlich nach Konstantinopei, wie wir dem
Prooimion entnehmen können. Bei einem dieser Besuche in der Hauptstadt
wurde er von der Podagra befallen und bat daraufhin den berühmten Arzt
Ioannes Kaloeidas, ihm schriftlich eine Diät zu empfehlen. Dieser erfüllte
den Wunsch des Patienten und überreichte ihm eine schriftliche Diätver­
ordnung; doch der Text war offenbar in wissenschaftlicher Fachprosa, d. h.
auch in der Hochsprache abgefaßt, und daher nicht für jedermann verständ­
lich. Der hohe Patient hatte ein Interesse daran, daß dieser Text auch von
seinen einfachen und ungebildeten Dienern verstanden werden konnte, die
ja damit beschäftigt sein würden, auf Grund der Vorschrift die Diätkost für
ihren Herrn zu zu bereiten. Letzterer bat deswegen den anonym gebliebenen
,Briefschreiber', der höchstwahrscheinlich auch bei ihm tätig gewesen sein
wird (s. o.), den Text des Kaloeidas in eine einfachere Sprachform, in das
Vulgärgriechische der damaligen Zeit umzusetzen (vgl. dazu u. S. 147f£_).
Das Ergebnis dieser Umsetzung liegt uns in diesem Brief vor (Z. 17-90).
Diese Vorbemerkung war notwendig, um die Gründe für die Eigentüm­
lichkeit des Textes auf zu zeigen, was für das Verständnis der folgenden
Bemerkungen wichtig ist.

Zum Prooimion (Z. 2 -1 6 ):


32) Z. 2/3: παρεγενου έν xfj βασιλευούση ιώ ν πόλεων χάριν δούλων ών
Αναγκαίων. Der Adressat war in Konstantinopei wegen —? Bel der Über­
setzung der Partie stößt man auf erhebliche Schwierigkeiten: wollte man
hier etwa an „notwendige Sklaven“ denken (woran die Herausgeberin
tatsächlich auch gedacht haben mag), so ist &v zwischen Substantiv und
Epiphyllides 143

Adjektiv unmöglich. Man könnte zwar των für ών einsetzen und es wäre
damit der Syntax auch genüge getan. Dem Sinn aber auch? Dieser bleibt
trotzdem nach wie vor absurd. Der «Magnat* aus der Provinz wird wohl
nach Konstantinopel gereist sein, nicht etwa um die notwendigen Sklaven
zu kaufen, sondern einfach, weil er dort ganz allgemein verschiedenes zu
erledigen hatte, wie cs alle Tage geschieht bei Menschen, die in der Provinz
leben, hin und wieder aber in die Hauptstadt reisen wegen verschiedener
Angelegenheiten. So vermute ich, daß der Briefschreiber, dem „syntak­
tische Fahrlässigkeiten" vorgeworfen werden (s. Einleitung 229), nicht das
überlieferte δούλω ν ών, sondern in Wirklichkeit δουλειών τινων
geschrieben haben wird. Zum W ort δουλεία im Sinne von ,Angelegen­
heit* s. Const. Porphyr, de adm. imp. 6,4 πραγματεύονται. . . καί ποιοϋσι
τάς δουλείας αύτών τε και τού βασιλέως. Vgl. auch ebda. 13,27: £νεκά
τίνος δουλείας και υπουργίας αύτών άποσταλήναι αύτοΐς . . . (Beide
Zitate nach der Ausgabe von Moravcsik und Jenkins, CFHB 1, S. 52 und
66; s. auch hier im Glossar s. v. δουλεία). Vgl, ferner das ngr, δουλειά -
δουλείες. Es sei schließlich auf eine ähnliche Formulierung bei loannes
Scylitzes 121,46 ed. T hum : δημοσίων χάριν πραγμάτων άποστέλλονται
είς Πελοπόννησον hinge wiesen.
33) Ζ. 3/4: συνέβη σοι σχεθηναί σε έπι τής πολλού έπηρεαζούσης σε
άσθενείας . . . Die Hauptschwierigkeit bietet hier der Ausdruck έπι τής
πολλού vor έπηρεαζούσης άσθενείας und im Zusammenhang mit dem
Verb Ιχεσθαι. Normalerweise hätte man nach diesem Verb den einfachen
Genitiv, der hier wohl aus Gründen der Bedeutung unbrauchbar ist, oder
aber ύπό und Genitiv erwartet: έχεσθαι ύπδ τής . . . άσθενείας gibt einen
guten Sinn. Doch in unserem Text steht hinter τής und vor άσθενείας,
allerdings in Zusammenhang mit έπηρεαζούσης, der Genitiv πολλού, auf
den sich weder das überlieferte έπι noch das postulierte ύπδ beziehen kann.
Mir scheint, daß dieses W ort zeigen soll, daß der Patient von dem erneuten
Ausbruch einer Krankheit befallen wurde, an der er schon lange leidet; dies
kann aber nicht durch den einfachen Genitiv ausgedrückt werden, vielmehr
ist die Präposition έκ vor dem Genitiv erforderlich, d. h. έκ πολλού. Der
Text, der in der obigen Form nicht haltbar ist, müßte nun folgendermaßen
gestaltet werden: συνέβη σοι σχεθηναί σε ύ πδ τής (έκ) πολλού
έπηρεαζούσης σε άσθενείας.
Eine weitere Frage wäre, ob statt συνέβη σοι σχεθήναί σε eher συνέβη
συσχεθηναί σε κτλ. zu schreiben ist. Dafür müßte man aber das Hand­
schriftenbild genauer kennen. (Wegen der Aufeinanderfolge von σοι und
σε würde ich es allerdings vorziehen.}
34) Z. 5: ήξίωσας φιλονικώς τδν κύριν ’ Ιωάννην τδν Καλοειδάν ώς
Ιατρδν άριστόν τε καί έμπειρότατον κτλ. Ein Blick in die vorhandenen
144 Athinasios Kambylis

Lexika lehrt zunächst, daß das W ort φιλονικώς nicht registriert ist. Zu
Recht, weil es in dieser Form nicht möglich ist. Aus der überlieferten
Korruptel das Adverb φιλονείκως wiederherzustellen, wäre zwar paläo-
graphisch möglich, in dem vorliegenden Zusammenhang aber bedeutungs­
mäßig geradezu absurd. Man könnte eher an φιλικώς denken, doch steht
auch diesem Vorschlag etliches im Wege: άξιόω φίλικώς (oder ein ähn­
licher Ausdruck, d. h. ein gleichbedeutendes Verb mit φιλικώς) ist zu­
mindest nicht belegbar, und will sich im übrigen auch in die Situation nicht
so recht einfügen. Von einem freundschaftlichen Verhältnis zwischen dem
Patienten und dem Arzt, falls das Adverb in dieser Richtung überhaupt
interpretiert werden könnte, wissen wir außerdem nichts. Schließlich deckt
φιλικώς nicht das überlieferte φιλσνικώς in voller Länge: -ov- bleibt rein
äußerlich zunächst unerklärlich. Alle diese Schwierigkeiten können be­
seitigt werden, wenn man für φιλονικώς den Ausdruck otov είκός (= wie
es natürlich, selbstverständlich war) einsetzt. Dieser Ausdruck ist der
Situation angemessener (ein wohlhabender Patient wird wohl in der Haupt­
stadt „selbstverständlicherweise“ , „wie zu erwarten“ , den besten Arzt auf­
suchen) und entspricht eher dem Überlieferten: φιλονικώς ist durch Ver­
schreibung und viele Jotazismen entstanden; oder liegt hier ein Hörfehler
vor? Auf die Ausdrücke ώσπερ ήν είκός bzw. den jüngeren ώς είκός sei
nur summarisch hingewiesen. Zitieren möchte ich den Parallelausdruck
o la είκός, der z. B. in der Schrift Περί ποδάγρας des Alexandros von
Tralleis (II p. 513 Puschmann) vorkommt. Es ist somit an der obigen Stelle
zu schreiben: ήξίωσας, olov είκός, tö v κύριν ’ Ιωάννην Καλοειόάν κτλ.
35) Z. 6: (ήξίωσας) . . . παραδοϋναι συνεγγράφως δίαιταν χάριν
θεραπείας τού τοιούτου νοσήματος. In diesen Worten ist genau das ent­
halten, worum der Patient den berühmten Arzt Kaloeidas gebeten hat (vgl.
vorige Bemerkung N r. 34): Er möchte eine Diätverordnung zur Heilung
dieser Krankheit haben, und zwar müßte sie schriftlich formuliert sein; so
viel geht wohl aus dem überlieferten, sonderbar anmutenden und im
übrigen auch nicht belegten (was zunächst kein Grund zur Verpönung eines
,neuen1 Wortes ist) συνεγγράφως hervor. Doch meine ich, daß man hier
die W örter anders trennen und außerdem einiges korrigieren muß. Es ist zu
schreiben: παραδοϋναί σοι έγγράφως δίαιταν. Für diese Textherstellung
spricht erstens der Satz παρέδωκέν σοι τήν τοιαύτην δίαιταν, zweitens das
aus dem überlieferten έγράφομεν wohl mit Sicherheit zu gewinnende
Adjektiv έγγραφος (beides Z. 8), zumal in Verbindung mit der aus der­
selben Verbalform zu gewinnenden Konjunktion μέν; s. dazu in der fol­
genden Bemerkung Näheres.
36) Z. 8/9: (και παρέδωκέν σοι τήν τοιαύτην δίαιταν,) έγράφομεν
δυσκατάληπτον Öfe καί δυσνόητον. In dieser Gestaltung müßte dieser Text
Epiphyllidcs 145

folgendermaßen verstanden werden: (und er hat dir eine solche Diätvor­


schrift überreicht), wir schrieben (sie) aber schwerverständlich. Der
Subjektwechsel fällt hier auf, weiterhin die Stellung des 61 und das Fehlen
des Substantivs (bzw, Pronomens, etwa τούτην), auf das sich die beiden
prädikativen Adjektive bezögen. Auf den Subjektwechsel, auf den
Gebrauch der ersten Person Plural stützt die Herausgeberin, wie wir bereits
gesehen haben, ihre Auffassung von dem Kollegialitätsverhältnis des Brief­
schreibers zu Kaloeidas; man hätte sogar, wie mir scheinen will, daraus
auch den Schluß ziehen können, daß der Briefschreiber bereits an der Ab­
fassung des ursprünglichen Textes mitbeteiligt gewesen ist. Doch dem ist
nicht so; im Gegenteil: die Form έγράφομεν stellt aus allen drei Gründen,
die oben erwähnt wurden (ungerechtfertigter Subjektwechsel, Stellung des
δέ, Fehlen des Subjekts) eine Korruptel dar; das alleinstehende 61 zeigt uns
den Weg, auf dem die »Heilung* zu suchen ist; es verlangt geradezu das
komplementäre μέν, und dies sehe ich in der Endung der überlieferten
Verbalform; aus dem ersten Teil dieser Form möchte ich dann έγγραφον
wiederherstellen, bezogen auf das unmittelbar vorangehende δίαιταν. Der
Patient hatte ja darum gebeten, Kaolcidas möge ihm die Diätvorschrift
überreichen, und zwar έγγράφως (Z. 6). Das Adverb von Z. 6 wird hier in
der Form eines (prädikativen) Adjektivs wiederaufgenommen; der Text
von Z. 8/9 ist nunmehr folgendermaßen zu gestalten: (καί παρέδωκέν οοι
τήν τοιαύτην δίαιταν) έγγραφον μέν, δυσκατάληπτον 61 και δυσνόητον.
Die Diätvorschrift war zwar schriftlich formuliert, doch in einer schwer
verständlichen Sprache.
Interessant ist schließlich zu beobachten, daß die Korruptel έγράφομεν
auch in der Wiederholung des Satzes hinter den Worten πεζεΰσαι ταύτην
(Z. 10, s. den App. z. St.) vorkommt; sie ist mithin vor der Wiederholung,
d. h. in einem früheren Stadium entstanden; überlieferungsmäßig heißt
dies» daß zwischen dem überlieferten Text und dem Original mindestens
noch eine Stufe liegt.

37) Z. 12/13: tv a καί ήμΐν μετέχοντος λόγου καταλαμβάνωσιν ταύτην.


Dieser Finalsatz gibt den Zweck an, weswegen der hohe Patient den Brief­
schreiber mit der Umsetzung des ursprünglichen Textes des Kaloeidas in
die einfachere, gesprochene Sprache der Zeit beauftragt hat: „damit (sie)
. . . verstehen“ , doch ein Subjekc fehlt hier. Welche Leute sollen diesen
Text auch verstehen können? Es ist im übrigen von vornherein als unwahr­
scheinlich zu bezeichnen, daß die 3, Person Plural hier „man“ bedeutet.
Ein aufmerksamer Leser wird weiter fragen: wen meint ήμϊν und in welcher
syntaktischen Beziehung steht der Dativ des Personalpronomens zum
übrigen Satz; welches ist ferner das Subjekt des Genitivus absolutus
μετέχοντος (λόγου) und in welchem Zusammenhang steht dieser hier?
146 Athanasios Kimbylis

Angesichts der durch diese drei Fragen aufgezeigten Problematik dieser


Stelle hätte man sich zumindest der dem Philologen in solchen Fällen
bereitstehenden Kreuze bedienen sollen, um den Leser damit auf den infolge
schlechter Überlieferung auch für den Editor unverständlich gewordenen
Text hinzuweisen. (Zu diesem Mittel hätte man allerdings auch in den
übrigen oben besprochenen fünf Fällen greifen müssen.) Die Korruptel, die
das Verständnis des oben ausgeschriebenen Satzes schier unmöglich macht,
und in der das fehlende Subjekt des Verbs zu suchen ist, liegt in den Worten
ήμίν μετέχοντας λόγου. Das erste W on ist im wesentlichen das Ergebnis
einer jotazistischen Verschreibung (oder eines jotazistischen Hörfehlers),
das zweite d u rc h Angleichung an den richtigen Genitiv λόγου entstanden:
für ήμίν ist ol μή einzusetzen, für μετέχοντος der Nominativ Plural
μετέχαντες zu schreiben. Der richtige Text, wie er aus der Feder des Brief-
Schreibers geflossen ist, muß geheißen haben: fva καί ol μή μετέχοντες
λόγου καταλαμβάνωσι,ν τούτην — damit auch die einfacheren Menschen
(die keine Bildung haben) sie verstehen können.
Wie aus dem unmittelbar darauf folgenden Text hervorgeht, sind damit
Menschen der engeren Umgebung des Patienten gemeint, denen die
Vorbereitung etwa der Diätkost für ihren Herrn oblag, die aber von
minderer Bildung waren und deswegen den offenbar streng wissenschaft­
lich und in gehobener Sprache geschriebenen ursprünglichen Diättext nicht
verstehen konnten.
Eine letzte Bemerkung zu Z. 15 παραδίδομέν c o t: überliefen ist
παραδσιδώμε. Man könnte fragen, ob dahinter nicht die ältere Form
παραδιδούμεν steckt; doch da Akzentverschiebungen auch sonst in diesem
Text Vorkommen (nach Aussage der Herausgeberin und auch nach Ausweis
des Apparats, vgl. z. B. Z. 40 φεναίσται für φαίνεσθαι, das in der Edition
—wie mir scheinen will: zu Unrecht! —in φαίνεται geändert wurde), sollte
man die in den Text gesetzte Form παραδίδομέν als gesichert be­
trachten.
Im folgenden lege ich noch einmal den Gesamttext des Prooimions in einer
kritischen Edition vor:

Ε πισ τολή Ια τρ ο ύ
’ Επεί, διογενέστατε σώματι και ψυχή κύριέ μου, παρεγένου έν τή
βασιλευούση των πόλεων χάριν δουλειών τινων Αναγκαίων, κάκεϊσε
συνέβη σοι σχεθήναί σε ύπδ τής (έκ ) πολλοϋ έπηρεαζούσης σε
5 άσθενείας, τής ποδαλγίας λέγω, καί ήξίωσας, οΐον εΐκός, τόν κύριν
Ίω ά ννη ν τόν Καλοειδάν ώ ς Ιατρόν δριστόν τε καί έμπειρότατον
παραδοϋναί σοι έγγράφως δίαιταν χάριν θεραπείας τού τοιούτου
EpipKyllid« 147

νοσήματος, κάκείνος τάχιστα ύπακούσας τής σής άντιλήψεως πεπλήρω-


κεν τήν σήν αΐτησιν καί παρέδωκέν σοι τήν τοιαύτην δίαιταν, έγγραφον
μεν, δυσκατάληπτον δε και δυσνόητον, καί διά τοΰτο όρίσας κάμοί τψ
ταπεινψ εύχέτη σου πεζεΰσαι ταύτην καί πρδς κοινολεξίαν μεταβαλεΐν,
ϊνα καί οί μή μετέχοντες λόγου καταλαμβάνωσιν ταύτην καί τά πρός τά
τής θεραπείας άφορώντα τής σής άνιιλήψεως διενεργώσιν καί δια-
πράχτωνται, Ιδού συν θεφ ποιοΰμεν τούτο και παραδίδσμέν σοι τάς
αίτιας, δι* &ς τινας εχει συνήθειαν συμβαίνειν τοϊς άνθρωποις τοΰτο
τό νόσημα.

2 παραγένον cod.: correxit Schmalzbauer 3 δουλειών τινων scripsi: δούλων ών cod.


4 συνέβη σοι αχεβήνοι at cod.: an est συνέβη συσχεθήναί at scribendum? v_ supra p. 143
ΐιπδ conieci: έιύ cod. έκ addidi 7 παραδοΰναί σοι έγγράφως distinxi « correxi:
παραδοδνσι συνεγγράφως cod. διάταν cod.: correxit Schmalzbauer 4/10 έγγραφον μέν
distinxi et correxi: έγράφομεν cod. 11 sq. post πεζεύσαι ταύτην verba δι’ αύτήν
δίαιταν, έγράφομεν δνσκατάληπτον δέ καί δνσνάητσν, και διά τούτο δρίσας κάμοί τφ
ταπεινφ εύχέτη σου πεζεΰσαι ταντη cum lectionibus quibusdam variis ex I. 10 repetivit cod.:
iam deleverat Schmalzbauer 12 o t μή distinxi et correxi; ήμϊν cod. μετέχοντες
scripsi; μετέχοντος cod. 14 sq. όιαπράτωτε cod.: correxit Schmalzbauer παρα-
δοιδώμε cod.: correxit Schmalzbauer: an est παραδιδοΰμεν scribendum?

Zum Hauptteil des Diättextes {Z. 17-90):


Ich beschränke mich im folgenden auf einige besonders markante Stellen,
an denen sich zeigen läßt, daß auch in diesem Teil textkritisch noch viel zu
leisten ist;
38) Z. 2 2 -2 8 : Die Interpunktion muß überdacht werden. Hier einige
Vorschläge: Komma hinter άσθένειαν, Streichung des Kommas hinter
δηλον, Semikolon hinter φλεγματικού, Streichung des Kommas hinter
προτού (vgl. Z. 29), Semikolon hinter Ικείνων, Streichung des Punktes
hinter θερμάς (das folgende έάν έπιθήσης bezieht sich auf άλοκράς, zu
beachten ist die Wortstellung!).
In der letzten Zeile (28) ist statt μεγάλης das Adverb μεγάλως in den Text
zu setzen (die Hs. hat μεγάλος), davor ein Komma zu setzen, das Komma
dahinter zu streichen. Die Korrektur des Infinitivs ist rückgängig zu
machen und das überlieferte ώφεληθήν im Text zu belassen, womit dann
der Satz zu Ende wäre. Das folgende τροφήν ist in den Nominativ zu
ändern; hier noch einmal der neue Text der letzten Zeile (28) mit der er­
forderlichen Interpunktion: (άφοΰ 6ε . ,, και άλοιφάς . . . έάν έπιθήσης
και) ποιήσης και άντλησμδν μετά θαλάσσης, μεγάλως θέλεις ώφεληθήν.
τροφή* (καί προτού κτλ.). Zum Verständnis des Passus braucht kein
Wort hinzugefügt werden. Zur Form des Infinitivs vgl. G. Hatzidakis,
Einleitung in die neugriechische Grammatik, Leipz, 1897, S. 142f,
148 Athanasios Kambylis

39) Z . 34: ötotv πάσχας τι. Für tl hat die Hs. τής, und das ist τις. Ich
würde όταν πάσχτ] τις schreiben. Vgl. das Ineinandergehen von allge­
meiner Diktion (3. Person) und direkter Anrede (2. Person) Z. 63 f. Örav
πλεονάζχι είς Iv a . . , παραλάμβανε. Das Neutrum des Pronomens τι ist
in diesem Zusammenhang ohnehin wenig sinnvoll; denn man weiß, um
welche Krankheit es sich handelt.

40) 2 .3 9 /40: Ich würde folgendermaßen interpungieren und ergänzen:


λέγομεν* ξανθοχολικοϋ γοϋν . . . τού αίτιου πρήσμα μέν ( m i ) έν
τούτοις συμβαίνει γίνεσθαι. Der Zusatz ist notwendig, weil dasselbe
Symptom bereits bei den beiden anderen Säften festgestellt worden war.
Mit m i έν τούτοις sind übrigens meiner Meinung nach nicht die μέλη τού
σώματος gemeint, sondern der Ausdruck besagt vielmehr: auch bei diesen
(seil. Säften) usw.

41) Z .42: (έξάπτει . . . ) ώ ς φαίνεται κεΐσθαι έπάνω κάρβουνα. Über­


liefert ist nach Ausweis des Apparats φεναίσται κΐται, das wohl auf
φαίνεσθαι κείται hinweist. Den konsekutiven Infinitiv würde ich im Text
belassen, die finite Form des Verbs in κεΐνται ändern. Auch hier liegt
offenbar Entnasalisierung vor wie z. B. auch Z. 14 διαπράτωτε cod. für
διαπράττωνται, oder Z. 68 ’Αλέξατρος für ’Αλέξαντρος. Zu übersetzen
wäre das Ganze: . . . so daß es aussieht, als lägen darauf Kohlen. Im
Griechischen liegt allerdings in dem von mir hergestellten Text para­
taktische Konstruktion vor; ich meine nicht etwa, daß δτι vor κεΐνται
hinzugefügt werden sollte.

42) Z. 46 würde ich και vor φλεβοτομίαν streichen. (Einige Zeilen tiefer
(51) ist „sic“ wieder zu streichen: δυνεται ist für diesen T e x t,normal*!)

43) Z. 66: λάχανα καί όπώραι, ροδιά λέγω σταφυλήν γλυκεΐαν. Im


Glossar steht unter ροδιά „Granatäpfel**; die Form deutet eher auf den
Baum hin, dieser ist aber hier unbrauchbar; die Herausgeberin weiß, daß
ροδιά in dieser Form und Bedeutung sonst nicht belegt ist, sie hat jedoch
nicht einmal die Änderung des Akzentes vorgenommen! Doch alle diese
Überlegungen sind nutzlos, der Granatapfel im Zusammenhang mit süßen
Weintrauben als empfehlenswertes O bst kommt hier überhaupt nicht in
Frage. In der Vorlage Alex. Trall. II 551 ist nur wenig später und im selben
Zusammenhang der Granatapfel geradezu unter jenen Obstarten erwähnt,
die im vorliegenden Fall verboten werden. Weder Kaloeidas noch der
Briefschreiber hätte den Text der Vorlage inhaltlich auf den Kopf stellen
können. Mit Hilfe derselben (ebda.) können wir hinter dem überlieferten
ροδιά das W ort ροδάκινα entdecken ; hinter λέγω wäre (aus der Quelle)
και hinzuzufügen: ροδάκινα λέγω καί σταφυλήν γλυκεΐαν.
Epiphyllides 149

44) Z, 80: Für 6 i würde ich μ£ν Vorschlägen, δροσάτων (Genitiv Plural)
fügt sich in den Zusammenhang nicht ein; auch der Genitiv Singular müßte
ausgeschlossen werden, zugunsten des Akkusativ Sing, δροσάτον (-ων wäre
isochronistischer Fehler in der Hs.), was hier als ein selbständiges Getränk
neben σάχαρ μετά ύδατος auftritt. Ich finde das Wort in ähnlichem
Zusammenhang in den Ptochoprodromika III 404i ed. Hesseling-Pernot (im
App. zu v. 404): 6 μ ίν τό σαχαρόθερμον, άλλος δέ tö δροσάτον. Mit Aus­
nahme des Hierosolymitanus Sabaiticus gr. 415 ist dieser Vers, wie auch
v. 404 a - m , von allen Hss. der beiden übrigen Gruppen, die aus dem
14.-16. Jhdt. stammen, überliefert. Die richtige Ableitung des Wortes hat
bereits Korais,“Ατακτα I, 317, gesehen: δροσάτον < ύδροσάτον < ύδρο-
ροσάτσν, Letzteres ist gut überliefert (Oreibasios, Aetios, Alex. TralL), die
Zwischenstufe konnte ich als Variante zu Theophanes Nonnos (1 ,102.
356. 368 Bemard, jeweils im Apparat) feststellen, die Endstufe ist durch die
obigen Belege gesichert. Man wird, wie ich meine, in unserem Text an
δροσάτον festhalten können, obwohl in der Vorlage an der betreffenden
Stelle (Alex, Trall. II 513 Puschmann, von der Herausgeberin nicht heran­
gezogen) ροσάτσν steht.
45) Z. 81 —83: Interpunktion: hinter ροδοσάχαρ Semikolon, hinter
σπούδαζε Komma (auf σοι kein Akzent!), hinter χαλάση Semikolon.
Z. 83: εύθύμου [sic!]: έθημοϋ cod. Die Herausgeberin hat in der Ein­
leitung S. 229 Beispiele dafür zusammengestellt, daß in der Hs. N y vor
Theta ausgelassen wird. Dies nehme ich auch hier an und möchte ένθυμού
schreiben, d. h. „denk daran“ . Das bedeutet, daß hinter άλλων kein
Punkt, sondern ein Komma zu setzen ist. Darauf kommt man allerdings
auch durch den darauffolgenden δτι-Satz.
46) Z. 8 6 -9 0 : θέται (sic). Man kann das lateinische Wörtchen streichen
und die neue Form des Imperativs hersteilen: θέτε (für τίθει).
Z. 87: ποΐμα. Das W ort ist mir unbekannt, im Glossar zur Textausgabe
finde ich es auch nicht. Der Sinnzusammenhang würde an dieser Stelle
τίμα (και άγάπα) durchaus dulden.
47) Z, 90: συνερδν: Ich würde σύννερσν schreiben. (Eine Zeile davor ist
έσπρον für άσπρον wohl ein Druckfehler, und Z. 89 wäre wohl auch
θέλεις zu schreiben.)

Schlußbemerkung: Wenn ich mich mit diesem kurzen Text in solcher


Breite auseinandergesetzt habe, so nicht nur, weil die hier besprochenen
Fälle es erforderten, sondern auch im Hinblick darauf, daß die Beschäfti­
gung mit der byzantinischen Medizingeschichte in letzter Zeit in Bewegung
kommt, wobei das Interesse an der Edition der entsprechenden Texte
150 Athanasios Kambylis

naturgemäß im Vordergrund steht. Vielleicht tragen die vorstehenden


Bemerkungen etwas dazu bei» daß die neuen Editionen byzantinischer
medizinischer Texte» soweit sie sich bereits *m Entstehen befinden oder
auch in Zukunft vorgenommen werden sollen, nicht allzu rasch, sondern
mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt werden, so daß sie den Erforder­
nissen einer modernen kritischen Textedition genügen. Es ist viel für die
byzantinische Medizingeschichte gewonnen, wenn durch die zuverlässige
Edition der Texte von vornherein eine solide Basis zur Erforschung dieses
noch brachliegenden Gebietes geschaffen wird.

Peter Schreiner, Die Byzantinischen Kleinchroniken, 1. Teil, Einleitung


und Text, Wien 1975 (CFHB 12/1).

Die folgenden Bemerkungen verstehen sich als kleiner Beitrag zur end­
gültigen Textgestaltung einiger der im vorliegenden Band edierten byzan­
tinischen Kleinchroniken; trotz ihrer großen Anzahl (einige weitere habe
ich hier aus Raumgründen nicht mehr aufnehmen können) vermögen sie
die Bedeutung von Schreiners Leistung nicht im geringsten zu mindern;
allein die Beschäftigung mit einer so spröden Materie, die ständig sowohl
überlieferungsmäßig als auch sprachgeschichtlich die verschiedensten
Probleme aufwirft — und diese sind nicht immer einfach zu lösen —, ver­
langt dem Leser Respekt ab, erfordert sie doch die ganze Kraft des
Herausgebers3. Wenn dieser nun gelegentlich eine bestimmte Lesart der
3 Nicht versagen kann ich mir allerdings den Hinweis auf Unzulänglichkeiten (z. T. ein­
deutige Verstöße gegen .Grammatik' und Syntax) in der lateinischen Formulierung des
kritischen Apparats; z. B.: Chron. 1/13,10 an sit legendum; 26/13.2 octo fere litterae ita
del., Ht legi nequeunt; 14/83,2 Τζιβλιμανΐΐ S: in ail. codd. post τφ fenestra aut signa
quaedam (: +); 32/15,6 scriba duas prototypi not, confundebat; 32/48 . . . postea ore inf.
med. litt, grandioribus add. . . .; 63/12,2 καί τήν ‘Αθήνα OS, quae sequuntur udum S;
65/43 post σημάδια sunt depicta in cod. tria astrorum supra nam. specimina; 98C/1.4 (sic
et cod.?); 980/2,2 hk et Un. sequ. Ferner: für annus (passim) hätte man eher numerus, für
loco = „anstelle von“ (passim) eher die Präposition pro, für hodie (9/54,2) eher nunc im
App. erwartet; im übrigen muten Ausdrücke wie etwa humiditate del. (9/54,2) oder
maculis del. (67/19) merkwürdig an, das Verb delere bezeichnet doch in unseren
Apparaten gemeinhin eine bestimmte» bewußte Entscheidung des Herausgebers, allenfalls
das bewußte Eingreifen des librarius in den Text. Oft ist nicht die richtige Wortwahl
getroffen, z. B, 9/54,2 (Schreiner will hier ohne Zweifel etwas anderes sagen als das, was
da steht, vgl. vor allem conspicere]). Wo die Überlieferung reichhaltiger oder etwas
komplizierter ist, wird der Apparat unübersichtlich und schwer verständlich, z. B.
Epiphyllides 151

Handschriften in ihrem Wert nicht erkannt oder sie nicht richtig gedeutet
haben mag, oder wenn ihm gar Verlesungen unterlaufen oder auch die
Heilung einiger als solcher richtig erkannter Kormptelen durch seine
Vorschläge bzw. die Ergänzung von ihm selbst konstatierter Lücken nicht
gelungen ist, wer könnte es ihm zum Vorwurf machen. Als Herausgeber
eines Textes muß man zu allen Einzelheiten {manchmal auch durch sein
Schweigen) Stellung nehmen, als Leser, der den »Ehrgeiz* hat, etwas zur
Konstitution des Textes beizutragen, umgeht man elegant die vorhande­
nen Klippen, indem man nur jene Stellen präsentiert, zu denen man meint
etwas sagen zu können. (Ich zitiere nach Chronikzahl» Notizzahl, beide
durch einen Querstrich voneinander getrennt» und schließlich nach Zeilen'
zahl; die Angabe der Seitenzahl in der Ausgabe Schreiners schien mir
entbehrlich zu sein.)

I. Reichschroniken

48) Chron. 3/1: Unter „Überlieferung“ steht zur Chr. 3, daß sie „weder
im Ganzen noch in einzelnen Notizen eine Verwandtschaft mit sonst be­
kannten Texten“ zeige. Zumindest von N otiz 1 kann man jedoch mit
Sicherheit sagen, daß sie eng verwandt ist mit Theoph. 455» 12 sq, de Boor,
und sogar in einer besonderen Beziehung zu cod. Paris, reg. 1711 (= g )
steht (vgl. όρύΐζων). Der Text ist allerdings in unserer Chronik stark
gestört4.
14/71,1; 59/14,2; 72/3 u. a. m. Klarheit und Präzision fehlt auch bei einfacheren Fällen;
Formulierungen wie etwa die folgenden müssen zumindest ungeschickt wirken: 58/9,5
γοϋν om. T, habet öfe (diese Art von Angaben ist leider auch bei längeren Texten häufig);
35/6,2 6 βασιλεύς om. BCE 6 μακαρίτης βασιλεύς BCE [sic!]
4 Auf Theophanes weist übrigens jetzt doch noch Schreiner in seinem Kommentar-Band
(CFBH 12/2, S. 89) hin. Doch sind die Zusammenhänge, wie ich inzwischen feststellen
konnte, viel komplizierter Der „stark gestörte" Text (s. o.) weist Spuren einer
vielfältigen Kontamination (vgl. vor allem den parallelen Gebrauch von passiver und
aktiver Formulierung: εύρέΒη - άρύττων) aus verschiedenen Versionen des zugrunde­
liegenden Berichts auf; wie andererseits vor allem das Wort λιθίνη zeigt, ist unser Text in
seiner heutigen, kontaminierten Form besonders mit der Form des Berichts eng verwandt,
die Zonaras III 286, 1ff. (Bonn) bietet; das Adjektiv begegnet sonst nur noch in der
lateinischen Fassung des Berichts bei Anastasius Bibliothecarius II, 302, 4 de Boor:
lapideam arcam. Auf dieser Erkenntnis fußend, möchte ich folgende Textgestaltung
vorschlagen: εύρΙθη έν θρφκη κατά τό μακράν τείχος λάρναξ [τις άρύττων λιθίνη] ίχων
νεκρόν καί γράμματα έγχεκολλαμένα [Ιχουσαν] λέγοντα (λέγεται cod.)· Χριστός (καί
cod.) κτλ. Die Verschreibung καί für Χριστός kann ich mir verstellen über χς
( - χ σ ■* Χριστός) > χε > κε > καί bzw. ein Kompendium dafür; vgl. dazu die Form von χσ
in der Kurzform der Inschrift in cod. Oxon. Bodl. Canon. 23, fol, 128' (abgebildet in BZ
9, 1900, 54). Die obige Abkürzung für Χριστός ist übrigens «hon einmal als χε verlesen
worden: Gramer, Anecd. Oxon. IV 400, 6.
152 Athinasios Kambylis

49) Chron. 4/3,5: Der Text και πάντα τά θέματα αύτοΰ am Ende der
N otiz ist wohl eine Widerholung aus Z. 4 und als solche hier zu entfernen.
Auch der ungeschickteste Chronikschreiber würde vor dem Ausdruck
έφόνευσαν (Z. 4) . . . τά θέματα zurückschrecken. (Im übrigen: worauf
bezieht sich αύτού?)

50) Chron, 8/51 b, 3t Ich schlage vor, έρχόμενοι 61 έδωκαν (πόλεμον)


έξω είς τήν'Ε βραίαν zu ergänzen; vgl. dazu Anm. 33/20,2 (D); 33/77,4;
66/18,22.

51) Chron. 9/46,2: (έκοιμήθη βασιλεύς Ιω ά ννη ς . . . ) σχηματιστείς (sic)


Ίωάσαφ. Das Prinzip Aorist stellt offenbar eine Korruptel dar; die hier
erforderliche Bedeutung scheint das Verb σχηματίζομαι nicht zu haben,
zumindest ist sie nicht belegt. Ich würde folgendermaßen trennen und
korrigieren: σχήματι (μετονομα)σθεΐς Ίωάσαφ. Vgl, dazu Chron.
14/102.

52) Chron. 1 3 /3 ,2 -3 : (ήμέρρ δευτέρρ) ώρρ ( . ) dut άρχής τού


μεσημεριού έως όλης τής δευτέρας μετά μεσημέρι ήτοι ώρας δύο. Dieser
Text gibt keinen Sinn; gehl man davon aus, daß die Schlacht zwei Stunden
gedauert hat, wie es zum Schluß heißt, so ist er vollends unverständlich.
Zwei Korrekturen sind nötig: Die hinter ώ ρρ vermutete Lücke ist nicht
zu halten: ώρςι άπ άρχής τού μεσημεριού entspricht dem Ausdruck:
ώ ρρ ήμέρας άρχή (scripsi: άρχή Schreiner) in der folgenden Notiz
4 ,2 bzw. ώ ρρ άρχή (άρχή Schreiner) τής ήμέρας N ot. 14,2 (der Genitiv
gehört beide Male zu άρχή). Diese Interpretation wird durch eine weitere
notwendige Korrektur unterstützt. Für δλης τής vermute ich einfach ώρας;
es wäre mithin zu schreiben:. . . ώ ρρ äiC άρχής τού μεσημεριού έως ώρας
δευτέρας μετά μεσημέρι ήτοι ώρας δύο = „von Beginn der Mittagszeit
bis um zwei U hr nachmittags, d. h. zwei Stunden". Die Rechnung geht
jetzt auf.I.

II. Kaiserchroniken

53) Chron. 14/89,2: (τά ν) Σαρδαναπάλου διάγοντος. Der Zusatz


stammt von Loenertz, der Genitiv des Eigennamens von Bekker, die
Handschriften dagegen haben alle einmütig σαρδαναπάλως. Das Adverb
ist sonst g e w iß nicht belegt, doch seine Bildung nicht unmöglich; es ist
originell und muß in den Text gesetzt werden. Gebildet wurde es etwa in
Analogie zu άτάσθαλος — άτασθάλως. Das setzt natürlich adjektivischen
Gebrauch von σαρδανάπαλος voraus!
Epiphyllid« 153

54) Chron. 15/13» 3 - 4 : (Μιχαήλ τδν γέροντα) τδν Αποστρατιωτικδν;


τ(δν) άποστρατιοίτικών cod.
Chron. 15/14,1: (Μιχαήλ δ γέρων) δ άπδ στρατιωτών: δ άποστρατιωτι-
κών cod.
Bei gleicher Überlieferung hai der Herausgeber hier, und zwar unmittelbar
hintereinander, eine unterschiedliche textkritische Entscheidung getroffen,
ohne daß irgendwelche Gründe dafür vorlägen. Die Verwirrung ist voll­
ständig, wenn man noch Chron. 1 4 /6 9 ,2 -3 (Μιχαήλ τδν γέροντα,) τδν
άπδ στρατιωτικών hinzunimmt; dieser Text steht sowohl in der Hs. als
auch in der Edition Schreiners, stellt jedoch eine dritte Variante dar. Sie ist
auch die richtige; auf sie hätte der Herausgeber auch in den zwei ersten
Fällen leicht kommen können, er brauchte nur das überlieferte Wortgebilde
richtig zu trennen: Απδ στρατιωτικών. Dies muß jetzt beide Male in den
Text gesetzt werden.
55) Chron. 22/26 1: Der Zusatz άλλα des Herausgebers in N otiz 26,1 ist
sprachlich nicht möglich; er muß, so wie das Komma davor, wieder
gestrichen werden.
56) Chron. 22/27,3: έπορεύθη (μή) τού ένωθηναι, μόνον β ο η θ ή ν α ι. . .
Der Herausgeber hat zwar hier mit Recht eine Lücke angesetzt, für die nur
eine Negation in Frage kommt, doch hat er leider nicht die richtige Partikel
vermutet; es muß vielmehr ού heißen. (Es handelt sich um einen normalen
Aussagesatz: ούκ έπορεύθη τού . . , ) Vor μόνον könnte man άλλά hinzu­
fügen. (O b Schreiner das άλλά der vorhergehenden Notiz ursprünglich für
diese Stelle bestimmt hatte und es einfach aus Versehen nach oben ver­
rutschte?) Ist im übrigen βοηθήναι (statt βοηθηθήναι) überliefert?

III. Lokalchroniken
(Meine Bemerkungen zur Lokalchronik 28 befinden sich am Ende S. 157ff. Nr. 7 7 - 90.)

57) Chron, 31/4,2: ώρρ α' τής το Ανέβηκα είς τδ ξύλον. Der Apparat
gibt keine Auskunft darüber, wie groß die Lücke sein soll; ich denke an
(ν υ κ )τ ό (ς ). Die Ankunft geschah dagegen am Tage, vgl. Z. 3; für
Ανέβηκα vermute ich eher Ανέβημεν, vgl. dazu Απεσώθημεν Z. 3. Zu
schreiben wäre somit: ώρρ α' τής (ν υ κ )τ δ (ς ) άνέβημεν είς τδ ξύλον.
58) Chron» 32/40: κΰρ βασιλεύς. Diese Ausdrucksweise kommt in den
Kleinchroniken sonst nicht vor; κΰρ steht dagegen immer vor dem Eigen­
namen, daher ist hier zu schreiben: κϋρ (Ιω ά ν ν η ς) βασιλεύς.
59) Chron. 33/38, 1: H inter Φιωρέντζας vermute ich eine Lücke; es muß
hier etwas ausgefallen sein etwa des Inhaltes: δπου έπη γεν. (Natürlich
154 Athinisios KambyJis

könnte statt des Relativsatzes auch ein Hauptsatz hinter dem Ortsnamen
stehen.)
60) Chron. 33/87,3: Für das überlieferte άνυποστάτησε (so im Text, ohne
jegliche anderslautende Angabe im Apparat!) ist άνυπστάκτησε zu
schreiben; vgl. dazu das folgende καί έγινεν άντάρτης. (Das Verb
άνυποστατώ scheint im übrigen nicht belegt zu sein, es würde außerdem
vom Adjektiv άνυπόστατος [wohl eher in dessen Bedeutung: „unbezwing­
bar“ ] abzuleiten sein, und dies würde im vorliegenden Zusammenhang
keinen Sinn geben.)
61) Chron. 38/21,2—3: Ικοψεν άνδρας . . . καί μέ τό στεανόν τους
Ιχτισεν πύργον κτλ. Für μέ τό στεανόν τους tm Text steht in der Hs. nach
Ausweis des Apparates (mit Fragezeichen am Ende): μετά στέα
τσύτους(?). Gleich, was Trapp, von dem die »Textverbesserung1 stammt,
sich unter στεανόν gedacht hat (ich muß offen gestehen, ich verstehe den in
den Text gesetzten Ausdruck nicht, στανεόν [vgl. etwa Dig. Akr.
E 352.700 Trapp] kann wohl nicht gemeint sein, das wäre geradezu
absurd!), das überlieferte Woitmaterial wie auch der Sinnzusammenhang
w e is e n in eine andere Richtung: στέα ist das W ort όστέα mit Aphärese, wie
sie, wenn auch bei anderen W örtern, oft in diesen Texten vorkommi (vgl.
etwa ψιμικά für όψιμικά Chron. 63b/12,2), τούτους ist durch Ditto-
graphie aus τους entstanden, und μετά muß einfach ab μέ .τα getrennt
werden. Der Text sieht jetzt folgendermaßen aus: έκοψεν άνδρας . . . καί
μέ τά στέα τους έχτισεν πύργον. Für Formulierung und Sinnzusammen
hang vgl. Chron. 5 8 /2 5 ,2 -4 : έκ ο ψ α ν . . . δλον τόν λαόν τών Χριστιανών
καί λαβόντες τάς κεφαλάς αύτών και χα όστέα έκτισαν πύργον. (Vgl.
ferner Chron. 12/7, 3—5.)
62) Chron. 38/24, 4—5. D er Text άπό τό ς χεΐρας των Βενετίκων gehört
ganz offensichtlich hinter συμφωνία.
63) Chron, 41/5, 4: ού τό πολύ iv μέσω. Eine kleine Wortumstellung ist
nötig: ού πολύ τό έν μέσψ. Vgl. Chron. 59/12,1.
64) Chron, 47/2, 4: (τροπάριον τό) έωθινόν και ήχον πλάγιον δ '. In der
Ergänzung von Dennis ist zumindest das W ort τροπάριον überflüssig, wie
N otiz 6 derselben Chronik (Zeile 2) zeigt, mit (τό ) έωθινόν α ' wäre es
getan; auch και müßte wohl in εις geändert werden, wie ebenfalls Chron.
47/6,2 lehrt: es ist die Rede von der Tonart des Eothinon.
65) Chron. 47/6. Hinter Πάντων (Z. 2) gehört ein Punkt (vgl. dazu
47/2,3); *Ισαία (Z. 3) ist in Ή σ α ία ς zu ändern, υψηλού hinter κατεϊδεν
(Z. 4) zu streichen. Die beiden letzten Änderungen nach Is. 6 , 1 -2 .
Epiphyllides 155

IV. Chroniken türkischer Eroberungen


66) Chron, 53/53,2: Die Kreuze könnten wieder gestrichen werden, für
καϊκίων wird wohl καϊκίων zu schreiben sein. O b die Lücke hinter diesem
W ort richtig angesetzt wurde, scheint nicht sicher. Durch Streichung von
καί wird der Text normal; vielleicht ist aber zu schreiben , . . μετά *** καί
μετά έπτά καϊκίων.
67) Chron. 63/41, 5(C): D er Herausgeber streicht τσϋ vor der Jahreszahl,
in genau dem gleichen Zusammenhang hat er es zwei Seiten davor in Notiz
36,12 (C) belassen. Beide Male handelt es sich übrigens um dieselbe Hs. C.
Einheitliche Behandlung wäre geboten: τοΰ müßte an beiden Stellen bei­
behalten werden.
68) Chron. 66/18,22, Mit einem Hinweis auf Chron, 8/51 b, 3 möchte ich
die Kreuze hier streichen und'OßQiaieT]v als die spätere Form von Ε β ρ α ία ν
(so Chron. 8/51 b, 3) gelten lassen.

V. Einzelchroniken (Isolierte Chroniken)


69) Chron. 81/6,3: τοΰ τε κατά πατράς ήμών Βίκτωρος. Die Präposition
κατά ist fehl am Platze und macht den Satz sinnlos; ich vermute dafür
άγιου, vgl. dazu 8 1 /3 ,1 -2 .
70) Chron. 81/8,1: Der Zusatz έν muß wieder gestrichen werden. Der
Ausdruck έν Ιτει kommt zwar oft vor, doch ebensooft auch der einfache
Dativ, In N otiz 1 derselben Chronik kommt sogar beides hintereinander
vor: Z. 2 Ιτει, Z. 5 έν Ιτει. (Auch hier unterschiedliche textkritische Ent­
scheidungen des Herausgebers bei gleicher Oberlieferungstage.)
71) Chron. 84/3. Ich würde hier folgendermaßen ergänzen: και κατά (την)
λ α ' κτλ. Vgl. N otiz 5, sowie Chron. 86, N ot. 1—8; vgl. im übrigen auch
Chron. 26/3,1, wo Schreiner selbst in ähnlicher Weise ergänzt (dazu ist das
in der vorigen Bemerkung Gesagte zu vergleichen).
72) Chron. 85/6,8: Α θα νά σ ιο ς kann auch an der zweiten Stelle bei­
behalten werden. Ähnliche Ausdrucksweise liegt z. B. in der übernächsten
N otiz 8, 5—6 vor. (Wiederum ein Fall von unterschiedlicher Entscheidung
bei gleicher Überlieferungslage.)
73) Chron. 88A /10,3: Für πολϋκλυοταν und έκπείσεις schlage ich vor:
πολύκλ(α)υστσν (seil, ßiov) und έκπέσης.
74) Chron. 93/3,2: ώρας ή μέρα προτού νά ξημερώση. Zu schreiben ist
wohl: ώ ρρ ή μέρας προτού νά ξημερώση —Tageszeit: bevor es hell wurde.
156 Athanasios Kambylis

(Der Genitiv ήμέρας, meistens mit Artikel davor, gehört immer zu ώρρ;
sinnlos ist dagegen der Ausdruck ήμέρα ώρας.)
75) Chron. 96/7,1: ήμΐρ Σουλμάν ώς πεσών . . . Die Konjunktion ώς ist
(nach Ausweis des Apparates) eine Konjektur Trapps, die Hs. hat ος (ohne
spiritus oder Akzent!). Bei einem solchen Text, der von „syntaktischen
Unmöglichkeiten“ geradezu wimmelt, scheint mir das elegante ώς πεσών
ohnehin unwahrscheinlich, ja unpassend. Ich würde das überlieferte ος (sic,
sine accentu!) als die Endung von Σουλμάν betrachten und die Nebenform
Σουλμάνσς dieses Eigennamens herstellen. Σουλμάνης ist in Chron.
96/3,1 überliefert. Nach dem Beispiel etwa Ταμυρλάνος, Ταμυρλάνης
(diese Form Chron. 95/4,2) könnte auch neben Σουλμάνης (bzw. dem
häufigeren Σουλμάν) die Form Σουλμάνος gebildet werden. Im übrigen
fügt sich das einfache Partizip πεσών besser in den hier vorliegenden Text­
zusammenhang ein.
Zeile 3 heißt es: έκίνησαν φεΰγειν. Der Infinitiv ist wiederum ein Vorschlag
von Trapp, überliefert ist das Partizip φεΰγον, das ich in der Form des
Maskulinums φεύγων beibehalten würde. Partizip im Singular mit Subjekt
im Plural kommt noch einmal vor, Zeile 2: γανακτήσας ot άρχοντες. Im
Text müßte es jetzt heißen: έκίνησαν φεύγων (πρός τάν Μουσίπεη).
76) Chron. 98Α/7. Der Herausgeber konstatiert eine Lücke hinter
κυριακήν (Zeile 4), doch meine ich, daß der Text der N otiz mit diesem
W ort zu Ende ist: Der vierte Sohn ist geboren am Samstag, um Mitternacht
und etwas später, d. h. als schon der Sonntag anbrach; das Komma hinter
μεσονύκτιον ist zu streichen, hinter άνωθεν ist keins nötig, es sei denn, es
verdeutlicht den Text (Z. 2ff.); ήμέρφ σαββάτψ, περί τό μεσονύκτιον καί
άνωθεν, ήτοι έξημερώνοντα κατά τήν κυριακήν.

In den vorstehenden neunundzwanzig Bemerkungen wurde im allgemeinen davon abge­


sehen, Stellen zu behandeln, in denen Schreiner den überlieferten Wortlaut, wie mir scheint
ohne Grund, geändert bzw. das paläographischc Bild, wieder meiner Meinung nach, nicht
richtig gedeutet hat; daher möchte ich hier in aller Kürze auf einige dieser Fälle hinweisen
(die Angaben erscheinen in dieser Reihenfolge: Schreiners Text, der Text der Hs., meine
Textgestaltung):
Chron. 2/16 είς töv Στρυμόνα Sehr.; töv ειστρύμωνα cod.; τών είς Στρυμόνα,
8/46b, 2 προδοτών Sehr.: προδότων cod. (ist beizubehalten, vgl. etwa 39/13,4 δαπάνων).
8/50,4 πέραν cod. Sehr.: Πέραν. 8/56,2 καταλάνικα Sehr.: Κατελάνικα cod. (ist bei·
zubehalten, vgl. etwa 32/44; 34/7,1). 12/11 b, 3 tf) δίψει Sehr.: cod.? τφ δίψει potius quam
xfi δ(·ψπ. 12/11 b ,9 έμβάλλοντες Sehr.: έμβαλόντες cod. (kann beibehalten werden, vg|.
2, 8 ένώοαντες . . . άπαιτοΰντες). 15/22,4 έν Tfj περιβλέπτου Sehr.: έν rf] περιβλέπτψ
cod. : έν tfj Π, (Wäre der Text Sehreiners überliefert, so hätte er korrigiert werden müssen;
vgl. die Entscheidung des Herausgebers zu 8/48a). 17/2,4 τοίς δυοίν αΰτοΟ παισίν Sehr.:
Epiphylüdes 157

χοΐς όυσίν αύτοίς πακήν cod.: τοίς δυσίν αύτής (scii, τής Εύόοκίας, Jotazismus) παιοίν
(vgl. 15/18, 1-2). 32/28, 4. 9. 10 Τσαχωνία Sehr.: Τσακονία cod. (ist beizubehalten, vgl.
jetzt St, Caratzas, Lea Tzacones (Suppl. Byz. 4). Berlin 1976). 32/39 έν Νούπλιον Sehr.:
έναυπλ( ) cod.: έν Ναυπλίφ. 32/46,2 μετά 61 τοΰ Πατριάρχον: μετά και τού
πατριάρχου cod, (gehön in den Text; wäre der Text Schreiners überliefert, so wäre er hier in
dieser Form nicht haltbar gewesen). 34/31, 8 -1 0 6 πάπας άπέστειλέν (τίνος) καί ήψερόν
τους είς τήν Ρώμην, Der Zusatz Schreiners ist überflüssig, der überlieferte Wortlaut richtig,
vg], 3/87, 7 -8 Ιστειλεν . . . καί άπεκεφάλισαν αύτόν, oder 70/34 έστειλε καί ΙπολΙμησεν.
36/31, 7 ά ιί αύτήν Sehr.: άπαύτην cod.: άπ* αύτην. 37/13,2 άπ* αύτά Sehr.: άπαύτα
cod.: &ri αύτα. 38/19 τών άριβμών cod. Sehr,.· τόν άριθμόν {=» acc» gr., vgl. 27/1,4). 40/5
Ιποικαν Sehr.: έπίκαν cod.; έποϊκαν. 44/1,4 πρώτη του λειτουργίρ καί χειροτσνίρ Sehr.:
πρώτη του λειτουργία καί χειροτονία. 55/16, 2 - 3 (R) έπήρέ τον μιοόν Sehr.: Ιπήρε τόν
μισόν R (gehört in den Text; ähnlich 56/5, !> vgl· 73/5 έπήρεν τόν μισόν Μορέαν, und
53/19,1 sowie 56/7, 1). 63 a /ll, 3 έξ αύτσύς: έξαύτους cod.: έξ αϊτούς. 63C/7, 1
έπαράόωσεν . . , ή αύθεντία τών Βενετών Sehr.: έπαράόωσαν κτλ. cod. (gehön in den
Text, es liegt offensichtlich constructio ad sensum vor!). 65/27,4 ήφάνισε Sehr.: φάνισε
cod.: entweder φάνισε bei behalten oder Αφάνισε schreiben (vgl, dazu 70/22 ; 69/73).
65/30,4 έβούλησαν: Sehr,: έβουλήσαν cod.: έβουλήσαν (vgl. mgr./ngr,). 65/30, 5 σιτάρι
Sehr., dazu im App.: στάρι (?) (loco σιτάρι) cod.: στάρι gehört in den Text. 66/23, 1
έβιστίρισαν Sehr.: έβηστιρήσαν cod.: έβιστιρήσαν (zu βιστιρώ, neben βιστιρίζω). 70/24,1
γύρισμα Sehr.: γύρισμαν cod. (gehört in den Text). 70/28 μηνί Ιουλΐφ Sehr.: μηνί Ιουλίου
cod. (der Genitiv muß beibchaJten werden, vgl. 63B/12. Der Herausgeber hat im Sinne des
hier Überlieferten in 35/2,3 (BE) seinen Zusatz formuliert; dort müßte es eher . . . άπριλλίφ
. . , heißen). 70/43 έπαρέλαβεν Sehr.; έπαρέδωσεν cod.: fort, έπαρ έδωσαν scribendum.
72a/22 είς τόν αύτόν χρόνον Sehr.: ής αύτόν τόν χρόνον cod.; είς αύτόν τ. χρ. 79/38, 5
άλλων Sehr.: άλον(ών) cod.: άλλωνών. 79/43, 1 Ιπίασε Sehr.: έπιαοε cod. (gehört in den
Text). 79/46, 2 έπήραν τόν Πασαβά καί Ιρήμαξαν Sehr.: έπ. τ. Π. καί έρήμαξεν cod.,
kann beibehalten werden (έρήμαξεν seil. 6 Π . , intransitiv!).
Chron. 6/2, 6 - 8 schließlich würde ich folgendermaßen interpungieren: δτεβίβασεν ήμέρας
ιη' . . . έως άπριλλίου μηνός η' . . . καί ώρρ δειλινού, δτε δή καί έβαοίλευσεν· έτελεύ-
τησε(ν) ίάαας κτλ. (Neben der Logik spricht für diese Interpunktion auch 6/1, 1 -3 ,
worauf sich obiger Text unmittelbar bezieht: *Ιωάννης . . . έβασίλευσεν . . . ώρρ δειλινού.)

Zu Chronik 28
Vorbemerkung. Da mir Photographien von cod. Paris, gr. 624 fol. 1~2v,
der die Chronik 28 enthält, zur Verfügung standen, konnte ich den Text
der Chronik 28 in Gänze nachkollationieren und bin dabei zu neuen E r­
gebnissen gekommen. Diese werden im vorliegenden Beitrag je nach ihrer
A rt an zwei verschiedenen Stellen mitgeteilt. Im folgenden, in Fortsetzung
der textkritischen Bemerkungen, behandle ich die Stellen, an denen ich
zunächst durch die Nachkollation, z. T. aber auch durch divinatio, etwas
weiter als der Herausgeber gekommen zu sein glaube, d. h. die Stellen, zu
denen ich eigene Vorschläge biete. Am Ende dieser Ausführungen ediere
ich einige der Notizen von Chron. 28 neu, da die Nachkollation viele
Verlesungen des Herausgebers zu Tage gefördert hat, die nur im apparatus
158 Athanasios Kambylis

criticus meiner Edition mitgeteilt werden. Da die Notizen 1—9 in ihrem


Inhalt sich z .T . mit Machairas in den entsprechenden Partien (s. u.)
decken» habe ich den zypriotischen Chronisten für meine Ergänzungen
und meine Neukonstitution des Textes dieser Notizen, wo es möglich war,
herangezogen. (Ich zitiere auch hier nach der Edition Schreiners, nicht
nach meiner neuen im nachfolgenden Anhang!)

77) Chron. 28/5,1: xö σάββαχον, xö Öia *** έξέβην x*** 6 πρίνχζης.


Für δια . . . lese ich eindeutig δηλ, und ich glaube sogar im Anschluß
daran die Buchstaben ησ zu erkennen (darüber ein Strich, wie ein Zirkum­
flex), mithin δηλήσ. Auf jeden Fall möchte ich vorschlagen: xö δείλις
(= genauere Bezeichnung der Tageszeit an jenem Samstag). Zur Form vgl.
Machairas 274,9; 262,6; 600,14 Dawkins.
Unmittelbar hinter έξέβην ist zunächst nichts zu sehen, erst danach sehe
auch ich ein t und etwas weiter in derselben Linie möglicherweise ein χ;
sollte ich mich nicht täuschen, so könnte dieser Tatbestand zu der Text­
gestaltung führen: (ά π ό ) τ(ή ν ) χ (ώ ρ α ). Dies deckt sich in etwa mit
dem, was Machairas darüber berichtet, vgl, §654 (= p. 632,24—29
Dawkins). Der Bruder des Königs kommt aus Nikosia. Zum konjizierten
präpositionalen Ausdruck vgl. Mach. §211 (= p. 192,7 Dawkins): xö
στόλος τού φηγός έ ξ έ β η ν ά π ό τή ν χ ώ ρ α ν . Sollten sich die Buch­
staben x und χ hinter έξέβην als auf einem Versehen beruhend erweisen,
könnte man an eine Ergänzung mit den W orten: ό κύρις aus Notiz 2 ,2
denken.
78) Chron. 28/5, l (καί έπήγεν κατά πρόσωπα τούς Σαρακηνούς), διό
χά μ' ξύλα τά ***\ Der Artikel χά ist in der Hs, noch deutlich zu sehen,
danach verdeckt ein dunkler Fleck alles. Dennoch: naheliegend ist wohl
die Ergänzung xö (μικρά καί χά μεγάλα). Vgl. dazu N otiz 1 (für unsere
Stelle vor allem Zeile 4), auf die N otiz 5 zeitlich unmittelbar folgt und in­
haltlich sich ebenfalls unmittelbar bezieht.
79) Chron. 2 8/7,4f. ήρταν ol ΣαρακηνοΙ καχά πρόσωπα τού φηγός
φουσάτου . . . Zwischen den beiden letzten Wörtern, genauer hinter dem
W ort φηγός, das am Ende einer Zeile steht, sind in der Hs. einige Buch­
staben in verunstalteter bzw. in nicht mehr lesbarer Form vorhanden. Ich
vermute καί τοΰ. Diese Ergänzung wäre, wie mir scheint, auch dann
nötig, wenn in der Hs. auf φηγός unmittelbar φουσάτου folgen
würde.
80) Chron. 28/7, 7: καί Ιπήράν to εις tö Καρ*** καί *** είς τούς
χριστιανούς* (έγίνετο) καί ζημία κχλ. Die Ergänzung έγίνεχο stammt,
nach Ausweis des Apparates, von Trapp; es wird sich erweisen, daß sie an
Epiphyllides 159

falscher Stelle vorgenommen wurde. Aufgrund der Überbleibsel, die doch


noch in der Hs. zu erkennen sind, kann man ein gutes Stück weiter
kommen und den Text, wie ich meine, in der ursprünglichen Form
wiederherstellen, το bezieht sich auf den φήγας (eine sichere Konjektur
Darrouzls’), der unmittelbar vor καί steht; es müßte in το (ν ) geändert
werden. Vgl. Machairas 664, 17f. (s. den Text hier am nächsten Absatz).
Καρ weist andererseits auf Κ ά ρ(γιος) (= Kairo) hin. Der König wurde —
nach seiner Gefangennahme — von den Sarazenen nach Kairo geführt.
Nach Machairas 6 6 4 ,17f, wurde er zunächst nach 'Αλικη (Lamaka)
geführt (έπιάσαν τον .. . καί έπήραν τον είς τήν Ά λικήν), doch wir
lesen auch bei ihm, daß er (der König) sich später in Kairo befindet;
676,2 f .; . . . Ιβωκέν τον άποκάμισα . . , να τά πάρη τοϋ φηγός είς τό
Κάργιος. Das geschieht am 23. Νον. desselben Jahres, in dem der König
gefangengenommen wurde. Unsere N otiz überspringt die Zwischen­
station 'Αλική.
Hinter καί glaube ich die Buchstaben εγ zu erkennen und möchte
έγ(ίνετο) ergänzen. Für diese Ergänzung spricht folgendes: Hinter
χριστιανούς (die Interpunktion in der Ausgabe ist falsch!) erkenne ich
(z. T. sehr schwach) das W ort μέγαν, danach sind minimale Fetzen von
Buchstaben zu sehen, die sich schwerlich zu einem eindeutig erkennbaren
W ort zusammenfügen lassen. Ich möchte jedoch μέγα (κακόν) ergänzen
und verweise auf zahlreiche Parallelen für diese Ausdrucksweise bei
Machairas, passim. (Der volle Text nach meinen Ergänzungen unten im
Anhang.)

81) C h ro n .2 8 /8 ,5 -6 : καί έπήραν καί δσους άνθρώπους . . . καί


παπάδες. Hier fehlt das Prädikat des Relativsatzes; ich würde die Lücke
am Ende des Satzes, also hinter παπάδες, lokalisieren und ergänzen: καί
δσους . . . παπάδες (ήμπορήσαν). Ähnliche Formulierung bei Machairas
6 6 6 ,3 5 -6 68,3 έπήρεν τόν πρίντζην . . . καί δσους έμπόρησεν . . . (Zur
Form ήμπορήσαν vgl. dieselbe N otiz, Zeile 15 ήμπορήσουν [nicht ί-!],
vor allem aber Machairas § 286 [■* p. 274, 29 Öawkins]: δέν ήμπορήσα
v ä πιάσουν γην.) Die Ergänzung etwa durch ηΰρασιν würde implizieren,
daß die Sarazenen alle, die da waren, mitgenommen hätten. Diese
Konjektur könnte allerdings entscheidend unterstützt werden durch den
entsprechenden Passus bei Amadi (Chroniquc d ’Amadi [Collection de
Documents inediis sur l’histoire de France. Premiere serie: Histoire
politiquej. Paris 1891) S. 125: Et preseno ciö che trovorono et homini et
donne. (Bustrone war mir leider nicht zugänglich.)

82) Chron. 28/8,7 έτξακίσασιν τις Ικκλησίες (της έκλησ(.)ες cod.,


nicht τάς έκκλησίας, so Schreiber) καί ***. Aus zwei Gründen möchte ich
160 Athanasios Kambylis

καί {πολλά σπίτια) ergänzen. Erstens sehe ich, wenn auch etwas hoch­
geschrieben (das gilt im übrigen für das Kompendium für iccd davor und,
etwas weniger, für die Endung von έκκλησίες), hinter καί den Buchstaben
π in der Form, wie das zweite Pi über dem ersten im W ort παπάδες
(Zeile 6) geschrieben ist oder das Pi im W ort Ανθρώπους, letzte Zeile
dieser N otiz; danach ist in der Hs. nichts mehr zu sehen. Zweitens ist im
Anschluß daran von Nonnen (das W ort ist z .T . durch Konjektur
gewonnen, die aber sicher ist; vgl. meine nächste Bemerkung), Frauen
und Männern die Rede, also kann vorher nicht nur von Kirchen ge­
sprochen worden sein; die Länge der Lücke in der Hs. reicht für etwa
10-12 Buchstaben aus.

83) Chron. 28/8,8: καί πήρασιν καλογέρους και *** γυναίκες καί Αν­
θρώπους. Diese Textform bietet Schreiner, καλογέρους ist eine
Konjektur Trapps, die sich auf das von Schreiner in der Hs. gelesene
καλι*** stützt (καλογήρους für einen zypriotischen Text des 15. Jhdts.
wäre wahrscheinlicher). Die an sich gute Konjektur läßt sich jedoch an
den Überresten, die in der Hs. zu sehen sind, nicht verifizieren. H ier ist
zu lesen: καλογρ.ες, womit das W ort καλόγρ(η)ες (=» καλόγριες) ge­
wonnen wird. Das Omikron ist wie ein dicker Strich, der dem Jota ähnelt,
so wie auch das Omikron in έδικόν, Z. 4 (im übrigen scheint der Schrei­
ber dieser Notizen den i-Laut immer mit Eta wiederzugeben, vgl. auch
unten Bemerkung N r. 84); danach sind die äußersten Teile des vertikalen
und des horizontalen Balkens der kleinen Majuskel Γ, die etwas tiefer steht,
ähnlich wie im W ort μεγάλα, Z. 6; anschließend ist der untere Strich von
Rho deutlich erkennbar.
Hinter dem Kompendium für και und vor γυναίκες (in der Edition
Schreiner ist eine Lücke verzeichnet) ist zunächst der Schluß eines Wortes,
die Endung εσ zu sehen, davor Reste des rechten Striches eines λ, und
davor Platz für zwei Buchstaben (Spuren des ersten sind noch unten links
zu sehen). Ich vermute πολλές (in der Hs. mit einem λ).

84) Chron. 2 8 /8 ,9 -1 1 : (κ α ί έποί)κασιν μεγάλην αΙχμαλωσίαν είς


τήν *** ημησο καί ητ*** φουσάτο τους Σαρακηνσϋς όνόματι τ***βαρδή
καί *** π ο λ ^ ^ να σ ιν κουρσεύη πάσα άνθρωπος. Ich gebe hier den Text
dieser Zeilen wieder, wie ich ihn gelesen habe (die Ergänzung zu Beginn
stammt von Schreiner). Er weist vier Lücken auf, die im folgenden einzeln
besprochen werden.
In die erste Lücke zwischen την und ημησο (= Ende eines Wortes) würden
etwa 12 Buchstaben hineinpassen. Abgesehen vom ersten Zeichen hinter
τήν deuten alle anderen auf χώραν hin, und das erwartet man auch an
Eptphyllides 161

dieser Stelle. Danach sind Fetzen zu sehen, die sich nicht zu einem Wort
zusammenfügen lassen. (Oder weist das ziemlich klar zu erkennende
ημησο etwa auf (Λ )εμισό hin? Dann könnte man eventuell auch an
folgende Form der Wiederherstellung des Passus denken: (κ α ί έποί)κασιν
μεγάλην αίχμαλωσίαν εις τήν (χώ ρα και είς τήν Λ)εμισό.)

H inter καί ητ tut sich eine Lücke auf, die etwa 12-15 Buchstaben um­
fassen könnte; hier zunächst so viel: sehr wahrscheinlich ist am Anfang
ή τ(ο ν) z u ergänzen, so wie am Ende (also vor φουσάτο) zumindest tö zu
postulieren wäre. Die Behandlung der dritten Lücke im nächsten Absatz
wird uns helfen, die zweite mit größerer Sicherheit zu schließen.

Zwischen x und βαρδή (so in der Hs.) sind wiederum Fetzen von Buch­
staben zu sehen; der vorhandene Raum genügt für etwa 5 - 6 Buchstaben.
Schreiner hat das τ nicht gesehen, am Ende βαρδ gelesen und dahinter
eine Lücke vermutet; dies wiederum hat Trapp zu einer eher zufälligen,
wie mir scheint durch nichts zu rechtfertigenden Konjektur verleitet:
βαρδιάνους. Entscheidend für meinen Vorschlag war, daß ich davor
όνόματι las (nicht -τα), das machte wahrscheinlich, daß danach ein Name
kommen mußte; τ und βαρδή führten zwangsläufig zum Namen des An­
führers der Invasionstruppen der Sarazenen vom 1. Juli 1426, der hier fol­
gendermaßen wiederhergestellt werden könnte: Τ (α γκρ ι)βά ρ δι. Das ist
der Emir Tagriberdi cl-Mahmüdi, den der Sultan von Kairo El-Melek
el-Aschraf Barsabäj (bekannt als Barsbai) mit einem Expeditionscorps
nach Zypern schickte. Bei Machairas § 6 7 2 (= p. 652, 12 sqq. Dawkins)
werden dieselben Ereignisse beschrieben, der Name des Emirs erscheint in
der Form Τακριβέρ Μεχαμέτ (ebda. Zeile 13), „corrupt“ , wie Dawkins II,
S. 222 in Anm. 2 zu § 672 meint. Wir hätten in unserer Notiz die vollere,
,korrekter' transkribierte Form des Namens, die der italienischen
Transkription entspricht, bei Florio Bustrone, Chronique de nie de
Chypre, ed. Rene de Mas Lame, p. 361: „Capitano di quali era
T a n c r iv a r d i“ . (Ich entnehme alle diese Angaben dem 2. Band der
Machairas-Ausgabe von Dawkins, S. 221-222; dort ist die weitere
Literatur angegeben, Bustrone selbst habe ich leider nicht mehr einsehen
können, s. o. S. 159). Zu vergleichen ist Amadi (s. die bibliographische
Angabe o. S. 159) S. 504: „Et Chiasus T a n c riv e rd i era loro capitanio in
terra“ . Ich habe mich hier für die Form des Namens Ταγκριβάρδι ent­
schieden, einmal, weil sie den in der Hs. vorhandenen Raum Verhältnissen
gerecht wird, zum anderen, weil ihr auch die italienische Form bei
Bustrone entspricht (vgl. vor allem den a-Laut in der vorletzten Silbe);
was die Endung anbelangt, so kennt der Schreiber nur das Eta für alle
i-Laute. Möglich wären freilich hier auch die Formen Τ (α νκρι)βά ρ δι
162 Athanasias Kambylis

oder T (ανγκρι) βάρδι5, theoretisch selbst T {α κ ρ ι) βάρόί (vgl. Machairas),


doch ist letztere wegen des längeren Spatiums in der Hs. ausgeschlossen.
Statt der Endung auf -dl könnte man auch an die gräzisierte Form auf -δης
denken. Was den a-Laut in der vorletzten Silbe angeht, so ist noch einmal
festzustellen, daß Machairas mit Amadi (und den arabischen Quellen) über­
einstimmt, während unsere Chronik mit Bustrone zusammengeht.
Ist diese meine Ergänzung richtig, so kann jetzt leichter und endgültig auch
die zweite Lücke hinter και ή τ(ο ν) ausgefüllt werden. Meiner Meinung
nach müßte hier die Funktion der genannten Person erwähnt worden sein,
etwa καπετάνος (vgl. oben Bustrone und Amadi). Die volle Ergänzung
würde somit folgendermaßen aussehen: καί ή τ{α ν καπετάνος είς id )
φουσάτο τοί>ς Σαρακηνοΰς όνόματι Τ (αγκρ ι)βάρ δι. Zur Formulierung
vgl. etwa Mach. § 103 (= p. 92,4/5 Dawkins): και ή τ ο ν κ α π ε τ ά ν ο ς
Γενουβίσος ό ν ό μ α τ ι Φραντζικήν Σπινόλας κτλ. sowie etwa Mach.
§ 150 (= p. 130,19 sq. Dawkins): έβάλαν καπετάνον ε ίς τ ά κάτεργα τό
οΐρ Π&λ τε Πούν,
Schwieriger ist die Ergänzung der zwei letzten Lücken, Hinter καί könnten
etwa 15—17 Buchstaben ausgefallen sein, zwischen πολ und vaotv nicht
mehr als 3—4 Buchstaben gestanden haben. Wegen νασιν kann die
Konjektur Trapps πωλήση (που- wäre wohl eher zu erwarten) nicht auf­
recht erhalten werden; auch ist unwahrscheinlich, folgendermaßen zu
trennen und zu schreiben: ν ά συνκουρσεύ{|, das Kompositum ist mir sonst
nicht bekannt. In diesem Falle müßte außerdem das überlieferte πολ eher
auf πολεμώ (= versuchen, sich bemühen, tun) bezogen werden. Doch ist
auch dies nicht befriedigend. H inter και würde man sich andererseits etwa
einen Befehl des Emirs gut vorstellen können, z. B. καί (Ιδω κεν όρισμόν
ν ά ). Die erhaltenen Reste verbieten im übrigen nicht von vornherein eine
Textgestaltung wie die folgende, die inhaltlich sich gut in den Zusammen­
hang fügen würde: και ( έδωκεν έξουσία νά) π ο (υ )λ (ο ΰ σ ι)ν δσον
κουρσευη πάσα άνθρωπος. Doch bleibt alles hier Vorgetragene
Spekulation. (Möglicherweise würde das Studium der arabischen Quellen
hier etwas weiter führen.)
85) Chron. 2 8 /8 ,12f.: ήρτεν είς τή χώρα 6 κΰρις 0 Περής 0έ Λ εζ(ι-
νια)*** τοΰ *Ιεροσολυμάτσυ καί σίρ Χαρίν δε Τζιμπλέτ . , . Für ήρτεν
steht in der H s. ηρτ, das müßte wohl mit ήρταν aufgelöst werden; vgl. die
Fortsetzung des Textes mit καί έκρατήσασιν. Die Lücke, von Schreiner
unmittelbar hinter Λ εζ(ινιά ) lokalisiert, müßte fast die Hälfte einer Zeile

* Für die Transkription des Namens mit -νγκρ- vgl. im zypriotischen Dialekt etwa
Τζινγκάρε (für Cigala) bei Mach. $ 227 (—p. 210, 8 Dawkins) neben Τζικάλί ebda- %293
(= p, 280, 33 Dawkins).
Epiphyllides 163

umfassen; sie ist in Wirklichkeit etwas kürzer, da hinter Λ εζ(ινιά ) noch


einige Buchstaben eindeutig zu lesen sind: κοντοατα, dann ist das Papier
abgerissen. Ich ergänze zunächst (ό ) κοντοατα (ύλης). (Diese Eigenschaft
der genannten Person äst auch historisch gesichert.) Die noch verbleibende
Lücke umfaßt etwa ein Viertel der Zeile. Sie kann ergänzt werden mit Hilfe
des Machairas und des Genitivs toi) *Ιεροσολυμάτου, der zu Beginn der
nächsten Zeile (der ersten auf fol. 1v) steht. Dieser Genitiv kann weder zu
Περής noch zu der folgenden Person, zu Χαριν Τζιμπλέτ gezogen
werden — aus naheliegenden Gründen. Er bezieht sich auf eine dritte
Person, die in dieser Partie gestanden haben muß. Den dritten Namen
erfahren wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch
Machairas 674,3f. Der Text von §697 = p. 674 deckt sich inhaltlich mit
dem Text unserer N otiz Zeile 12 ff. Hier werden drei Namen genannt (in
dieser Reihenfolge): σίρ Πατή τέ Μόρες ό μαριτζάς τω ν ' Ιεροσολύμων,
σίρ Χαρρήν τ ΐ Ζιπλέτ und Περρής Μ αχαιράς. Von diesen kehrt der
mittlere in der Notiz wieder (an dritter Stelle), beim letzten liegt offenbar
eine Verwechslung vor, die der Vorname verursacht hat (er weist aber
trotzdem auf dieselbe Situation hin), er erscheint in der N otiz an erster
Stelle in anderer Form, d. h. als ΓΙερής 5fe Λεζινιά. Der bei Machairas
wiederum an erster Stelle erscheinende Name muß der Name gewesen sein,
der in der Notiz vor τού Ιεροσολυμάτου (für diese Form vgl. etwa
Machairas p. 18,1 φηγας τοΰ Γεροσολυμάτου) gestanden hatte. Ich würde
nunmehr hinter dem neugewonnenen W ort κοντοσταύλης folgendermaßen
ergänzen: (σίρ Πατη δ ί Νόρες δ μαριτζάς) τοΰ Ιεροσολυμάτου. An­
gesichts der variierenden Schreibweise des Chronisten würde dieser Text
in die Lücke von etwa 20 Buchstaben hineinpassen.
86) Chron. 28/8, 16f.: άρχέψασιν (so die H s., nicht άρχεΰσαοιν) ol λάς
( . . . ) ή φυγή και ήρτασιν (so die H s., nicht -σαν) κτλ. Hinter λάς hat
Schreiner eine Lücke postuliert (vgl. auch den App. z. St.), in der Hs.
fehlt nichts. Hier ist unmittelbar hinter λάς eindeutig ηφυγή zu lesen.
Das kann nichts anderes sein, als die auch sonst überlieferte Form ol
φυγοί (zu Sing, ό φυγός < ό φυγών) = die Flüchtlinge6. N ot. 4 (= Er­
eignisse vom 8. Juli desselben Jahres) war die Rede davon, daß die
Menschen die Stadt verließen und in die Berge flüchteten (ebda. Zeile 3 f.:
ό πρόλοιπος λ ά ς . . . μικροί και μ εγάλοι. . . και έφύγασιν είς τα

6 Zur hier postulierten Form s. loannes Kananos 473, 19 (Bonn): ol δειλοί . . . καί φ υ γ ο ί.
Vgl, auch dic Form φευγός, oi (bei Machairas passim), deren Betonung die Existenz
von φυγώς voraussetzt. Zum Metaplasmus -ων > -ος s. G. S. Henrich, Κλητικές και γενι­
κές σέ -ο άπό άρσενικά οέ -ος στά μεσαιωνικά καί νέα έλληνικά, Diss. Thessaloniki
1976, S. 1ff. (Die ebda. S. 4ff. präsentierte Liste der einschlägigen Beispiele kann jetzt
um die neue Form φυγός sowie um die Variante φευγός ergänzt werden.)
164 Athanasios Kambylis

δ ρ η . . .)■ Nachdem Ruhe und Ordnung in der Stadl wiederhergestellt


waren, kamen die Flüchtlinge (eben ol λάς ot φυγοι) zurück. Nachstellung
des Adjektivs bei Wiederholung des Artikels bereits in Notiz 4 ,5 τοΐ»ς
γέροντας τούς άνωφελεϊς.
87) Chron. 28/9,3: καί έχάρησαν ol (η cod.; also nicht0) λάς ίλη(μένω ς?).
ήρτεν κτλ. (Im Apparat sieht zum ergänzten W ort: Ιλη*** cod.) Was
Ιλη μένως heißen soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, das
W ort finde ich in keinem der bestehenden Lexika. (H at ein nicht belegtes
W ort überhaupt Chancen, als Konjektur akzeptiert zu werden?) In der
Hs. lese ich zu Beginn des Wortes statt des Jota ein Omikron (s. darüber
oben Bemerkung N r. 83; vgl. das Omikron im W on δανεικόν am Ende
dieser N otiz), ohne Spiritus; danach λη, am Ende der Zeile. Zu Beginn
der neuen Zeile erkenne ich deutlich ein μ, davor die Fetzen von zwei
Buchstaben, danach die Fetzen von eher einem Buchstaben, also: . . . μ .
(ήρτεν κτλ.); ich schließe nicht aus, daß hier καμα gelesen werden könnte,
das Kappa in der Form wie im letzten W ort der N otiz δανεικόν. Dann
würde ich den Befund οληκαμα folgendermaßen trennen (mit neuer
Interpunktion): (έχάρησαν ot λάς) όλικά' μά ήρτεν κτλ. Für όλικά finde
ich im Wortindex von Sathas zu Machairas s. v. die hier gut passende
Bedeutung έν σώματι. Der durch μά (bei Machairas auch belegt, vgl. das
Register bei Dawkins) zum Ausdruck kommende Gegensatz ist verständ­
lich, ja erforderlich: bei der Rückkehr des Königs freuten sich alle
Menschen; aber er kam verschuldet7 (χρέος ist eindeutig überliefert,
χάρισμα, das Schreiner mit Fragezeichen im App. erwägt, würde auch
dem Sinn des Ganzen zuwiderlaufen) und verordnete (Ιβαλεν ist über­
liefert, nicht -λαν wie bei Schreiner steht) den Menschen schwere Steuern.
(Obiger Vorschlag wird hier mit einigem Vorbehalt vorgetragen.)
88) Chron. 28/16,4: είς τή περαμέρη Schreiner (nach einem Vorschlag
von Trapp): ηστι περαμερί (so, nicht πα-, wie bei Schreiner im App.
z. St. verzeichnet) cod. Es bestehen nur zwei Möglichkeiten, aus dem
Überlieferten etwas Vernünftiges wiederherzustellen. Entweder trennt
und schreibt man είς τά πέρα μέρη (bei Änderung nur des Artikels) oder
man entscheidet sich, nur am Ende zu ergänzen und zu schreiben (jetzt
bei Beibehaltung des überlieferten Artikels) είς τή πέρα μ ερ ί(α ) (Περα-

7 Der König verpflicht*!« sich, 200000 Fbrins Lösegeld und 8000 Fbrins jährlichen Tribut
zu zahlen. Vgl. dazu rasch Franz Georg Maier, Cypem. Intel am Kreuzweg der Ge­
schichte, Stuttgart 1964, S. 95f. Die Vermutung Schreiners, χρέος stünde in der Hs. viel­
leicht für χάρισμα {vgl. den App. Z. St,), ist ihm inzwischen unberechtigterweise zur
Gewißheit gewordeni vgl, jetzt den Kommentar-Band, CFHB 12/2, $. 434; „Von den
Schenkungen des Königs berichtet Machatras nicht." Auch die Chronik-Notiz spricht
nicht von „Schenkungen", wie bereits oben hinreichend klar geworden sein mag.
Epiphyllides 165

μερία wie Περαμεριά auf der Peloponnes weniger wahrscheinlich). Ich


habe mich für das zweite entschieden, da das Jota von μερι in der Hs. mög­
licherweise einen Akzent trägt. Das Kompositum (ή) πέρα μέρη scheint
mir dagegen nicht möglich zu sein. Zur Formulierung des wiederherge­
stellten Textes vgl. etwa Mach. §217 (= p. 198,27): είς έκείνην τήν
μερίαν.
89) Chron, 28/17,6: 6 Σταυρός τοΰ 'Ο λυμπίου, όποιος ήτον άπού είς
ιό βουνί. Drei kleinere Änderungen würde ich hier vornehmen: όποιος
ist ό ποιος zu trennen; vgl. dazu Z. 2 ή ποια. Für άποΰ der Edition (vor
είς ohnehin unglücklich) steht in der Hs. άπ (am Ende einer Zeile). Der
Zusammenhang erfordert άπάνου. Das letzte Wort ist in der Hs. abge­
kürzt, die Endung durch ein Kompendium wiedergegeben. Man würde
dem zypriotischen Dialekt gerecht, wenn man βουνίν schriebe (das
folgende Wort beginnt übrigens mit einem Vokal Ϊ). Außerdem wäre ich
geneigt, Z. 7 eher πεντισ χήν(ο)υ zu lesen als πεντήσχην, das Schreiner in
den Text aufnimmt*. Im übrigen fällt Z. 11 der Gebrauch von χώρα (so in
der H s., nicht χωρίου, wie Schreiner irrtümlich liest) in Verbindung mit
Kophinou auf (mit χώρα müßte ja Leukosia gemeint sein), doch möchte
ich hier nichts ändern.
90) Chron. 28/18, 3: καί Ανθρώπους έφτειρε καί μερικά ά λ ο γ α ... So
hat Schreiner den Text gestaltet - wiederum nach einem Vorschlag von
Trapp; in der Hs. steht: ανθρώ ευτεκα με ροκά αλο (vgl. auch den
App. z. St.). Abgesehen davon, daß im zypriotischen Dialekt für μερικά
άλογα (der Ausdruck ruft ohnehin beim heutigen Leser ein Lächeln hervor)
eher μερτικόν (άπό) άλογα, oder μέρος (άπό) άλογα (beides mehrfach
bei Machairas belegt) üblich ist, ist es vor allem das Verb (νά) ράξου,
Z. 4, von dem jeder Versuch, den obigen Text wiederherzustellen, aus­
zugehen hat, und das die vorgeschlagene Textgestaltung unmöglich macht;
ράξου kann in diesem Zusammenhang unmöglich zu (ά)ράζω - anlegen
(von Schiffen) gehören, sehr wahrscheinlich ist jedoch seine Zugehörigkeit
zu ράσσω; unter diesem Lemma findet sich bei Sakellarios, Kypriaka III,
S. 376 folgendes: φάσσω πα ρά Καρπασεώταις, φέζω ή φέοσω παρά τοίς
άλλοις Κυπρίοις* π ε ρ ν ώ , δ ι α β α ί ν ω . . . (die Sperrung von mir). Zu
vergleichen ist auch N . Andriotis, Lexikon der Archaismen in neu-

* Schreiner meint (s. jetzt Kommentar-Band, CFHB 12/2, S. 529): „Nur in der vorliegenden
Notiz wird eine Kirche des hl. Athanasius Pentigchenites erwähnt“. Höchstwahrscheinlich
denkt aber auch Machairas an eine Kirche dieses Heiligen, wenn er schreibt ($ 36 =
p. 34, 35-35, 1 Dawkins): . . . όμοίως 6 άγιος Α θανάσιος ό Πεντασχοινίτης, ά π ί tö
πεντάοχοινον, καί β ρ ύ ε ι Ιά μ α τ α . Dawkins hat auf jeden Fall die Stelle, wie mir
scheint, richtig so verstanden; vgl. Index of Nantes of Places, $. v. Pendaskinon.
166 Achaiusios Kambylis

griechischen Dialekten, unter ράσσω 2 („Vorbeigehen“ Kyp.). Der Satz


ούδέν έμπορούσα νά ράξου könnte in unserer N otiz bedeuten: δέν
ή μπορούσαν να περάσουν = sie konnten nicht durchkommen. Das και
vor der Negation verbindet diesen Satz mit dem schlecht überlieferten Satz
davor, in dem auch ein Prädikat zu suchen ist; möglicherweise steckt die
Form έβγήκα (in der Vorlage εύτηκτα für έβγήκα geschrieben) hinter
ευτεκα. Andererseits finde ich bei Sakellarios, Kypriaka II, S. 772
folgende Angabe: φοκόν, χό* ζώον, βάρδος ή μούλα. Nach dem Gesagten
scheint mir folgende Textgestaltung möglich: καί άνθρωποι έβγήκα μέ
φοκά (κ α ί) άλογα καί ούδέν έμπορούσα νά φάξουν = und Menschen
gingen hinaus auf Maultieren und Pferden und (oder: aber) sic konnten
nicht durchkommen (die Straße passieren).

Anhang
Chrom 28/N ot. 3 .4 .5 . 7. 8 .9 .1 6 .1 7 .1 8
Vorbemerkung:
1. Für die hier vorgelegte Textkoni titution sowie für die Gestaltung des Apparats sind
bezüglich der Hs. folgende Einzelheiten von einiger Bedeutung: Sie kennt in den Notizen
1-10 keine Akzente und Spiritus, in den Notizen 16-18 in der Regel nicht. Sie benutzt in
den Notizen 1-10 stets das Zeichen e für ε und <u, das Zeichen η für alle ί-Laute, das
Zeichen 0 für o und ω. Sie kennt in den Notizen I —10 keine Doppelkonsonanten, in den
Notizen 16-18 schwankt das Bild. Orthographisches wurde im App. nur verzeichnet, wenn
es aus Gründen der Deutlichkeit notwendig schien.
2. Da im folgenden die Notizen 1. 2. 10. nicht neu ediert werden, teile ich hier einige Ver­
sehen Schreiners mit, die ich bei meiner Nachkollation feststellte:
Not. 1.1 und Not. 2,1 hat die Hs. έχρονίας, nicht ίγχρονίας,
Not. 10,1 steht in der Hs. έχρονίας vor tot) XpwntoO, cm. Schreiner.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Aoristformen auf -οαοαν /3. Pers. Plur., die
Schreiner an mehreren Stellen gelesen haben will, in Wirklichkeit weder in der Hs. zu finden
sind (hier findet sich immer -σασην = -οασιν), noch im zypriotischen Dialekt existieren, «o
sehr sie auch denkbar sein mögen.

3
τήν δευτέραν, τή έσχάτη Ιουνίου, υκς' τοΰ Χριστού, ήρτεν τδ άρμά-
τωμαν τούς Σαρακηνούς εις τήν Κύπρον, είς τήν Λεμεσόν, καί όπίσω
είς μίαν ήμίραν έπήρασιν τδ κάστρο τής Λεμεσού καί έκαψάν το
μοναύτα.
1 τή ίσχάτη scripsi: τη εσχα1 cod.: τή έσχάτη Schreiner άρμάτομαν cod. Schreiner
3 έπήρασιν (επηρασην cod,): έπήραοαν leg. Schreiner έκαψαν (sine spiritu et accenti­
bus cod,): έκαυοάν Schreiner 4 μοναυτ {sine accentu) cod.
Epiphyllides 167

4
τήν δευτέραν είς τάς έπτά ή μέρας τού Ιουλλίου μηνός, έχρονίας υ κς'
τού Χριστού, έφύγασιν οΐ αύθέντες τής Κύπρου καί έπήγασιν είς την
Κερυνία, καί 6 πρόλοιπος λάς τής χώρας, μικροί και μεγάλοι,
εύκαιρέσασιν την χώραν και έφύγασιν είς τά δρη καί είς τά χωρία,
s καί έμεινεν ή χώρα εύχαιρη μέ τούς γέροντας τούς άνωφελείς.

2 αύθέντβς: άφθέντες ex eorr. cod.: άφέντες leg, Schreiner Ιπηγασην cod. (-σην
sic ut l .4 (εύκαιρέσα)σην scriptum): έπήγασαν leg. Schreiner 5 ευχερή cod.: ε&χαιρα
leg. Schreiner: fort, est in εύκαιρη corrigendum (cf. 1.4 εύκαιρέσασιν et Chron. 22/36,2)
γεράντας Schreiner: γέροντας (sine accentu) cod.

5
είς τάς δ' αύγούστου, τδ σάββατσν, τδ δείλις, έξέβην {άπό) τ{ήν)
χ{ώρα> δ πρίντζης ό άδελφδς τού φηγός τής Κύπρου μέ τούς λάς τδ
άρμάτ(ωμαν και έπή)γεν κατά πρόσωπα τ(ο ύ ς Σαρακηνούς), διά τά
μ' ξύλα τά {μικρά καί τά μεγάλα).

1 είς τάς: άπας cod.: στάς leg. Schreiner τδ δείλις scripsi (ad formam substantivi cf. Mach.
$285 - p. 274, 9; $610 = ρ. 600, 14 Dawkins): το δηλής(?) cod. (syllaba δη sic ut in voce
διά 1.4 scripta): Schreiner l —2άπδτήνχώ ρα secundum Mach. $ 11 (es p. 192, 7
Dawkins) scripsi: litterae tantum τ et χ legi possunt (?) in cod., cett. evanuerunt (cf. etiam
supra p. 158) 2 τδ scripsi: το potius quam tou cod.: to ü Schreiner 3 Δρμάτ(ωμαν
καί έπή)γεν supplevit Darrouzes (qui άρμάτομαν scripserat) τ ....................διά cod.: τούς
(Σαρακηνούς) διά supplevit Darrouzfes: τ(ούς Σαρακηνούς), διά scripsi 4 post τά
in fine lineae verba quaedam legi nequeunt: vocibus μικρά καί τά μεγάλα cx not. 1, 4
supplevi

7
τήν πέφτην, είς τάς Υ ή μέρας Ιουλλίου μηνός, έχρονίας υ κ { ς') τού
Χριστού, έπήγεν δ αύθέντης ό φήγας μέ τδ φουσάτον του διά τούς
Σαρακηνούς είς τήν Ποταμίαν, Ιω ς τήν κυριακήν, δπου ήτον είς τάς
ζ ή μέρας Ιουλλίου. καί τήν αύτήν κυριακήν ήρταν οί Σαρακηνοί κατά
s πρόσωπα τού φηγός {καί τού) φουσάτου είς τδ χωρίον τήν Χερο{κοι-
τία ν) καί είς τδ αύτδ χωρίον έτζακίσ{ασιν τδ φου)σάτον μας καί
έπιάσασιν {τδν φήγα) καί έπήράν το (ν ) είς τδ Κάρ{γΐος) καί
έγ{ίνετο) είς τούς χριστιανούς μέγα {κακόν) καί ζημία είς πολλούς
άνθρώπους μικρούς καί μεγάλους.1
1 «έφτην; « e i (sine accentu) cod,: Πέμπτην Schreiner (sed cf. e. g. Machaeram passim) 5
post φηγός litt, quaedam tegi non possunt in fine lineae cod.: καί τοΰ supplevi: litterarum
168 Athanasios Kambylis

vestigia in cod. non vidit Schreiner (cett. legi non possunt) cod.: Xt^OKOttiav
Darrouzfes 6 έτζακίσ(ασιν) scripsi: εχζακησcod. in fine lin. laceratus: έτζακίσ(τησαν)
coniecit Darrouzes: έτζακίσ(αοαν) proposuit Trapp, quod in textum recepit Schreiner
(τό φου)σάτον supplevit Darrouzts 7 έπιάσασνν (-σην cod.): έπιάσασαν Schreiner
(etiam Darrouzes?) post hoc verbum lacuna 6 - 7 fere litterarum in cod., quam vocibus
( t5v ρήγα) supplevit Darrouzes to (v ) ante είς scripsi: to cod. cdd. 7/8 Κ α ρ .........
κ(αί) e y . . . cod.: Κάρ(γιος) καί έγ (ivero) supplevi: Kaρ't■’, ',' καί *** Schreiner 8 ρ ί­
γα (κακόν) (litterae paucae tantum vocis prioris legi possunt) scripsi: iyiveto Trapp Schrei­
ner (qui post χριστιανούς signum semicoli posuit)

8
την πέφτην τ6 μεσομέριν, είς χάς C ή μέρας Ιουλλίου μηνός, υκς' τού
Χριστού, ήρτεν τό φουσάτο τούς Σαρακηνούς και ένέβην είς την χώραν
και έποΐκεν έως τό σάββατο. και τό σάββατο έκούρσεψαν την χώραν
δλην καί έτζακίσασιν τό σπίτια τούς λάς καί έπήραν τό έόικόν τους,
s και έπήραν και όσους άνθρώπους και γυνα ϊκ(ες) και κοπέλια μικρά
και μεγάλα και παπάδες {ήμπορησαν). και έκάψασιν τήν αύλήν τού
φηγός καί *** της f τηκαρας f τής πέτρας, όμοίως έτζακίσασιν τις
έκκλησίες καί π{ολλά σπίτια) καί έκουρσέψασιν καί ’πήρασιν
καλόγριες καί (πολ)λές γυναίκες και άνθρ{ώπους. και έποί)κασιν
ιο μεγάλην αΙχμαλωσίαν είς τήν (χώ ρα) *** ημισο. καί ή τ(ο ν καπετάνος
είς τό) φουσάτο τούς Σαρακηνσύς όνόματι Τ {αγκρι)βάρδι καί ***
π ο λ ^ ’^νασιν κουρσεύη πάσα άνθρωπος.
ήμέρρ ις ' έως το *** μηνός καί {έτους) ήρταν είς τή χώρα ό κΰρις ό
Περής δέ Λ εζ(ινιά ) ό κσντοστα{ύλης, σίρ Πατή δέ Νόρες ό μαριτζάς)
is τού Ίεροσολυμάτου καί σίρ Χαρίν δέ Τζιμπλέτ, καί έκρατήσασιν τήν
χώρα καί έφουρ(κί)σ ασ ιν πολλούς κλέπτες καί κουρσάρους καί
’διαβάσαοιν μεγάλη πλημελειά καί κόπ{ο ώ )ς δπου νά ήμπορήσουν νά
παύσουν τά κούρση καί ο ΐ κλεψιές, καί τότε άρχέψασιν οΐ λάς οΐ
φυγοί καί ήρτασιν είς τά σπιτία τους καί ηύράν τα χαλασμένα καί
ίο έξηλοθρεμμένα άπό τά κούρση τούς Σαρακηνούς καί κατά πάντα άπό
τούς Κυπριτας καί άπό πάσα λογήν άνθρωπον.
1 πέφτην scripsi: πεύ cod.: πέμπτην Schreiner μεσομέριν scripsi; μεοομεσομέρην cod.:
μεσομέρην Schreiner είς τός distinxi:ησταςcod: στάς Schreiner 2 φσικτάτο: φου-ex
φο- corr. cod. 5 έποΐκεν scripsi: επή cod.: έποΐκε Schreiner έκούρσεψαν cod.:
έκούρσευσαν leg. Schreiner 4 έτζακίσασιν cod.: έτζακίσασαν leg. Schreiner επαραν
cod.: corr. Schreiner (an legit έπήραν in cod. ?) 5 γυναίκες scripsi (cf. 1.9): γηνεκ.. cod.:
γυναίκας Schreiner 6 post παπάδες lacunam suspicatus sum, quam voce ήμπορησαν
supplevi (possis etiam ηδρασνν, cf. supra p. 159) έκάψασιν cod.: έκαύσασιν Schreiner
7 post φηγός καί lacuna 5—6 fere litt, in cod.: fort, excidit verbum έπήραν (?) verba τής
τηκαρας τής πέτρας non intelliguntur 7/8 τίς έκκλησίες cod.: τάς έκκλησίας leg.
Schreiner 8 καί π(ολλά οπιτία) supplevi: και ^ Schreiner έκουρσέψασιν cod.;
Epiphyllides 169

έκουρσεύσασιν Schreiner 9 καλόγριες scripsi: κ α λ ο γρ ιές cod.: koU*"** in cod. leg,


SchreincT et καλογέρους coniecit Trapp καί (πολ)λϊς supplevi: καί *** Schreiner
άνθρ(ώπονς καί Ιποί)κασιν supplevit Schreiner, recte: &νθρ(ωποι και £ποιή}καοιν pro­
posuerat Darrouzes 10 χώρα post τήν supplevi, cetera supplere non possum (fort, est είς
τήν (χώρα καί είς τήγ Λ)εμίσδ scribendum? cf. supra p. 161' 10/11 και #|t(ov
καπετάνος είςτό) φουσάτο supplevi 11 όνόματι: Ονόματα leg. Schreiner Τ ........βαρ-
όή cod. : Τ( αγκρι) βάρδι supplevi (possis etiam Τ( ανγκρι) βάρόης vel Τ (ανκρι) βάρδι etc.; cf.
supra p. 161 sq.) 11/12 καί (Ι&ωκεν έξουσια νά) πο(υ)λ(οϋσιν) όσον κουρσεύη πάσα
άνθρωπος e. g. scripserim (cf, supra p, 162) 13 Ιως to *** (lacuna 16-18 fere litt,
in cod.): fort, est 6ως ti) (σάββατο είς τάς ιθ toö αύτοϋ) μηνάς supplendum Ιτους dubit,
supplevi ήρταν scripsi: cod.: ήρτεν Schreiner (sed cf. 1.16 έκρατήαααιν) 14
Λεζ(ΐνιά) supplevit Darrouzes (an est Λεζινίας secundum Mach, passim scribendum?)
14/15 κοντοσιαίθλης, σίρ Πατή δέ Νόρες δ μαριτζάς) τοϋ κτλ. ex Machaera $ 697
(* p. 674,3 $q. Dawkins) supplevi 16 έφουβ(κί)σαοιν supplevit Schreiner: εφουρ{ )σασιν
cod, (non έφούρσασιν) κλέπτες cod.: κλέπιας Schreiner 17 κδ»(θ ώ)ς δπου
supplevi: κοπ, ,αοπον (inter π. et .ο spatio vacuo relicto) cod.: κόπους 6που falso leg.
Schreiner (όπου sensui non satisfacit) ήμπορήσονν cod.: έ- Schreiner 19 ol φυγοί
distinxi et correxi: ηφηγή cod.: ή φυγή Schreiner, qui lacunam ante haec verba suspicatus est
20 έξηλοθρεμμένα: έξηλοθρεμενα cod: έξολοθρέμενα (sic) Schreiner 21 άνθρωπον
cod.: Ανθρώπους leg. Schreiner

9
είς τάς φ ' τού μάΐου μηνός, έχρσνίας τοϋ Χριστού ρ υ κ ζ \ xt|v ή μέρα τού
άγιου ’& ιιφ ανίου, ήρτεν 6 φήγας είς την Κύπρον καί έγίνετον είς τη
χώ ρα μεγάλη χαρά και έχάρησαν ol λάς όλικά' μα ήρτεν με μέγαν χρέος
και Ιβαλεν τούς λάς μέγα δανεικόν.

3 ol λάς: η λασ cod.: δ λάς Schreiner όλικά. μά dubitanter scripsi: ολη (an ιλη?) in fine
lineae e t , . μ . in initio lineae sequentis cod.: Ιλη(μένως?) Schreiner in textu et Ιλη*** in app.
erit.

16
τη κθ' Ιουνίου, έχρονίας ρφη' Χριστού, ήμέρρ δευτέρρ, νύκτα, ώ ρρ β"
τής νυκτός, έγίνετο σεισμός πρώτος μικρός και μοναΰτα δεύτερος
μεγάλος, καί τίποτες ούδέν έχάλασεν ούδέ είς την χώρα ούδέ είς τά
χωρία παρού είς τή Πέρα μ ερ ί(α ), είς τη Κρήτη, έχάλασε πολλά χωρία,
s καί δ ιά άθύμησιν έγραψά το τή έχρονίρ άνωθεν καί ήμέρρ άνωθεν.
Π απα-Ά θανάσ οις Φάρης iu i τή Κοφΐνου.

1 κθ' scripsi: Κ> cod.: κ' Schreiner 2 μανατα (sine accentu) potius quam μοναυτα cod.
4 παροΰ cod.: παρ* ob falso distinxit Schreiner auctore Trapp (cf. Machaeram passim) είς τή
Πέρα μερία scripsi (an est είς τά πέρα μέρη scribendum ?): ήστι περαμερί cod.: είς τή περα-
μέρη Τ rapp Schreiner S άνωθεν post έχρσνίρ om. Sch reiner Π απα-Ά θανάοιος scripsi:
k άθαν(άοιθς) cod.: παπάς ’ΑΒηνάοιος Schreiner (ui τή scripsi: απτι cod.: (m i τή Sehr.
170 Athanasios Kambylis

17
Τήν έχρονίαν Χριστού έγίνεταν σεισμός μέγας είς τή Κύπρο,
άπριλλίου κ δ ', ήμέρρ κυριακή, ή ποία κυριακή ήχον τού Παραλύτου,
καί έχάλασεν ή Α γ ία Σοφία και πολλές Ικκλησίες είς τή χώρα, έχάλασε
καί δ αύθέντης 6 Σταυρός ό μέγας, καί έχάλασε καί ή τρούλλα τής
Καθολικής Λεμεσού, τού Ζωοδότου Σταυρού, έχάλασε καί ό Σταυρός
τού *Ολυμπίου, ό ποιος ήχον άπάνου είς χό βουνίν. έχάλασε καί ή
έκκλησία τού Π εντισχήν(ο)υ τού όσίου πατρός ήμών Α θανασίου τού
Πεντισχηνίτου έκ βάθρου, διά (ά)θύμησιν έγραφα άπριλλίαυ κ ( δ ')
έχρονίας άνωθεν. Π απα-Ά θανάσιος Φάρης άπό χώρας Κοφίνου.

1 είς τή Κύπρο cod.: είς τή μέρα leg. Schreiner 5 fort, est τής ante Λεμεσού addendum
(cf. Mach. §211 = p. 192,13 Dawkins) 6 ό ποιος distinxi; όποιος Schreiner (sed cf. ή
ποία lin. 2) άπάνου scripsi; απ cod.; άκου Schreiner 7/8 κεντισχήνου (potius quam
πεντήσχην, sic legit Schreiner) et πεντισχηνίτου cod.: fort, eit in Πεντασχίνου et Πεντασχινί'
του corrigendum (an est secundum Machaeram Πεντασχοί- sribendum? cf. etiam supra
p. 165 not. 8) 8 διαθιμ(ησιν) cod. Εγραψα leg. Schreiner άπριλλίου κ cod.
in fine lin. laceratus; supplevit Schreiner (cf, lin. 2) 9 Παπα-Αθανάσιος scripsi;
π άθανάο(ιος) cod.: παπάς Α θανάσιος Schreiner χώρας cod,; χωρίου falso legit
Schreiner an est χώρας in χωρίου corrigendum?

18
τήν έχρονίαν ρ φ ι' Χριστού μηνί νοεβρίφ ζ \ ή μέρα ε ' έβερξε
f εναταρικδ f μεγάλο, δπου έκατέβαινεν ή στράτα τού Μερσινακίου ώς
γοιόν ποταμός, καί άνθρωποι έβγήκα μέ ροκά (κ α ί) άλογα καί ούδέν
έμποροΰσα νά ράξου. καί έπήρε τά περβόλια τής Λλαμιννού όλα καί
έξήλειψέ τα.

1 ζ': έ ζ cod- Εβερξε cum cod. scripsi: an est corrigendum in Εβρεξε? quam formam in
cod. legit, ut videtur, et in textu suo praebet Schreiner 2 εναταρικδ (sic) cod.: Ινα τάριχο
distinxit Schieber (an ταριχό? cf. Andriotis, Lex. d. Arch. s. v. ιαρός): locus nondum sanatus
3 άνθρωποι έβγήκα μέ ροκά καί άλογα scripsi: ανθρω ευτεκα με ροκά αλο cod.: άνθρώπονς
Ιφτενρε και μερικά άλογα Schreiner auctore Τrapp, vix recte 4 ναραξου cod.: dubitanter,
ut vtd., distinxit Schreiner cf. supra p. 165 sq. quae ad sensum huius verbi dixi 5έξή-
λειψέ τα: εξύληψετα cod.: έξέλεχψέ τα Schreiner
Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell
Zusammengestellt von
Bernd Schneider und Wolfhart Unte
Ergänzt (N r. 102—108) von
Margarethe Billerbeck

ByzJ Byzantinisch-neugriechische Jahrbücher


ByzZ Byzantinische Zeitschrift
DLZ Deutsche Literatur-Zeitung
GGA Göttingische Gelehrte Anzeigen
JAW Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft
PKW Philologische Wochenschrift
RE Piulys Real-Encyclopädie der classiscKcn Altertumswissenschaft
RLAC Reallexikon für Antike und Christentum
WJA Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft

1911
1. Quaestiones metricae de epicis Graecis recentioribus. Accedunt
critica varia. Diss. Berlin 1911. 70 S.

1923
2. Zu Nonnos. ByzJ 4, 1923, 14—17.

1926
3. Zu Nonnos. ByzJ 5, 1926, 380—389.

1927
4. Zur Komposition der Bücher 13-40 der Dionysiaka des Nonnos.
Hermes 62, 1927, 393—434.

1928
5. Zu Nonnos. ByzJ 6, 1928, 19-24.
172 Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell

1929
6. Zu den Londoner Dionysiaca. PhW 49, 1929, 1101.

1930
7. Rez.:
Hans Gerstinger, Pamprepios von Panopotis. SB Akad. d. Wiss.
Wien, Philos.-hist. Kl., Bd 208, Abhdlg 3. W ien-L eipzig 1928.
In: ByzZ 29, 1929/30, 290-293.

1931
8. Die griechische Poesie der Kaiserzeit (bis 1929). JAW 230, 1931,
41-161.
9. .
Les Argonautiqucs d ’Orphee. Texte 6t. et trad. par Georges Dottin.
Paris 1930.
In: ByzJ 8, 1931, 189—191.
10. R e z .:
Joseph Golega, Studien über die Evangeliendichtung des Nonnos
von Panopotis. Breslau 1930.
In: Gnomon 7, 1931, 106—108.

1932
11. Zu Nonnos. ByzJ 9, 1932, 3 9 -4 4 ,
12. Eine Nonnos-Analyse. L’Antiquite Classique 1, 1932, 173—202.
13. Zu den sogenannten Londoner Dionysiaka. Hermes 67, 1932,
240-241.

1933
14. Über die Echtheit der Bibeldichtungen des Apollinaris und des
Nonnos. ByzZ 33, 1933, 243—254.
15. Musaios [epischer Dichter]. RE XVI, 1933, 767—769.

1934
16. Ein jambischer Brief des Dioskoros von Aphrodito. ByzJ 10, 1934,
341-345.
17. Zum epidaurischen Panhymnus. Hermes 69, 1934, 449.
18. Zwei Stücke griechisch-ägyptischer Poesie. Hermes 69, 1934,
420-425.
Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydcll 173

19. R ez,;
Albert Wifstrand, Von Kallimachos zu Nonnos. Metrisch-stilistische
Studien zur späteren griechischen Epik und zu verwandten Gedicht­
gattungen. Lund 1933.
ln : DLZ 1934, 445-448.

1935
20. Die Dichter mit Namen Peisandros. Hermes 70, 1935, 301—311.
21. Naumachios, RE XVI, 1935, 1974-1975.
22. R ez.:
Julius Braune, Nonnos und Ovid. Greifswaid 1935. (Greifswalder
Beiträge zur Literatur- und Stilforschung. 11.)
In: Gnomon 11, 1935, 597-605.

1936
23. Zu Nonnos und einigen Bruchstücken spätgriechischer Dichtung.
ByzJ 12, 1936, 1-11.
24. ΠΑΤΡΙΑ Έ ΡΜ Ο Υ Π Ο Λ ΕΩ Σ. Hermes 71, 1936, 465-467.
25. R e z.:
Karl Müller, Die Epigramme des Antiphilos von Byzanz. Text und
Kommentar. Berlin 1935.
In: DLZ 1936, 1567-1568.

1937
26. Nestor [epischer Dichter], RE XVII, 1937, 125—126.
27. Nonnos [epischer Dichter]. RE XVII, 1937, 904—920.
28. Oppians Gedicht von der Fischerei und Aelians Tiergeschichte. H er­
mes 72, 1937, 411—434.

1938
29. Peisandros (11.12.13). RE XIX, 1938, 144-147.

1939
30. Triphiodoros. RE VII A, 1939, 178—181.

1940
31. Zu antiken Lapidarien. ByzJ 16, 1940, 197—208.
174 Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell

1941
32, Zum carmen de officiis medici moralibus. Hermes 76, 1941, 320.
33, Die griechische Dichtung der Kaiserzeit. Bericht über das Schrifttum
der Jahre 1930-1939. JAW 272, 1941, 1 -7 1 .
3 4 . R e z.:
Synesü Cyrenensis hymni et opuscula. Nicolaus Terzaghi rec. Vol.
prius, hymnos continens. Rom 1939,
In: DLZ 1941, 1113-1118,
35. R e z,:
Carl Wendel, Geschichte der Bibliotheken im griechisch-römischen
Altertum. Leipzig 1940.
In: Gnomon 17, 1941, 330-332.

1942
36. Onasos (2). RE XVIII, 1942 , 408.
37. Oppianos. RE XVIII, 1942, 698-708.
38. Optimus (3). RE XVIII, 1942, 805—806.
39. Orphische Dichtung (A). RE XVIII, 1942, 1321 —1341.
40. Rez.:
Tönnes Kleberg, Catalogus codicum Graecorum et Latinorum biblio­
thecae Gotoburgensis, Gotoburgi 1941. Ex Göteborgs Stadsbibliotek
1891-1941.
In: Gnomon 18, 1942, 237.
41. Rez.:
Orphei hymni. Ed. Guilelmus Quandt. Berlin 1941.
In: GG A 204, 1942, 71-84.
42. Rez.:
Willy Theiler, Die chaldäischen Orakel und die Hymnen des
Synesios. Halle 1942.
ln: DLZ 1942, Π 00-1103.

1943
43. R ez.:
Otm ar Schissei, Der byzantinische Garten. Seine Darstellung im
gleichzeitigen Romane. SB Akad. d. Wiss, Wien, Philos.-hist. Kl.,
Bd 221, Abhdlg 2, 1942.
In: DLZ 1943, 577-580.

1944
44. Textkritisches zu Nonnos. Hermes 79, 1944, 1 3 -2 4 .
Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell 175

1949

45. Pampreprios (1). RE XVIII, 1949, 4 0 9 - 4 1 5 .


46. Pankratios (2). RE XVIII, 1949, 625.

1950
47. Die literarhistorische Stellung der Gedichte Gregors von Nazianz.
Atti dell’ VIII" Congresso di Studi Eizantini 1, 1950 (Studi Biz. e
Neoellen. 7), 134-143.
48. Seneca und Cicero bei Quimus von Smyrna. W JA 4, 1949/50, 81 -8 8 .
49. Die Unechtheit der Gregor von Nazianz zugeschriebenen Exhortatio
ad virgines. ByzZ 43, 1950, 334-337.

1951
50. Ein dogmatisches Lehrgedicht Gregors von Nazianz. ByzZ 44, 1951,
315-321.

1952
51. Bemerkungen zu griechischen Epigrammen. Hermes 80, 1952,
497-500.

1953
52. Metrische Bemerkungen zu den Hymnen des Isidoros. Prolegomena
2, 1953, 123-124.
53. Oxyrhynchus Papyri XX e XXI, Prolegomena 2, 1953, 133—136.
54. Ad Synesii Η . 1, 292 adnotatiuncula. Kretika Chronika 1953,
6 1 -6 2 .
55. W ortw iederholung bei N o n n o s. B yzZ 46, 1953, 1—17.
56. R e z.:
Museo, Ero e Leandro. Edizione critica e traduzione a cura di Enrica
Malcovati. Milano 1947.
In: Prolegomena 2, 1953, 137-140.

1954
57. Q uintus von Smyrna und Vergil. Hermes 82, 1954, 254—256.
58. R e z .:
Gregorii Nazianzeni Σΰγκρισις Βίων. Carmen ed., apparatu critico
munivit, quaestiones peculiares adiecit Henricus Martinus Werhahn,
Wiesbaden 1953. (Klass.-Phü. Stud. 15.)
In: ByzZ 47, 1954, 127-129.
176 Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell

1955
59. Kulturgeschichtliches in den Dionysiaka des Nonnos. Pepragmena
tu IX. Diethnus Byzantinologiku Synedriu. T. 2. Athen 1955,
486-492,

1956
60. Zu den Hymnen des Synesios. Hermes 84, 1956, 151 —162.
61. Rez.:
Saint Jean Chrysostome, Les cohabitations suspectes. Comment
observer la virginite. Ed. par Jean Dumortier. Paris 1955.
Johannes Chrysostomos, U ber Hoffart und Kindererziehung. Mit
Eini. u. krit. App. hrsg. von Basileios K. Exarchos. München 1955.
In : Gnom on 28, 1956, 434—437.

1957
62. Palladas und das Christentum. ByzZ 50, 1957, 1—3.
63. R ez.:
Orphei hymni. Iteratis curis ed. Guilelmus Quandt. Berlin 1955.
In: Gnom on 29, 1957, 389—390.

1958
64. Rez.:
Jean Martin, Histoire du texte des .Phenomenes* d*Aratos. Paris
1956.
Arati Phaenomena. Introduction, texte critique, commentaire et tra-
duction par Jean Martin, Firenze 1956.
In: Gnomon 30, 1958, 575-584.
65. Rez.:
Asterii Sophistae Commentariorum in psalmos quae supersunt.
Accedunt aliquot homtltae anonymae. Ed. Marcel Richard. Oslo
1956.
In: Gnomon 30, 1958, 101-105,

1959
66. N onni Panopolitani Dionysiaca recogn. Rudolfus Keydell. Vol. 1 - 2 .
Berlin: Weidmann 1959. 84*, 500 u. IV, 555 S.
67. ]Rez. .
Anthologia Graeca, Griechisch-deutsch ed. Hermann Beckby. Buch
I-X V I. München 1957-58.
In: ByzZ 52, 1959, 359-364.
Verzeichnis der Schrift«! von Rudolf Keydell 177

1960
68. R ez.:
Arad Phaenomena. Rec, Ernestus Maass. Ed. 2, Berlin 1955. Com­
mentariorum in Aratum reliquiae, coli. Ernestus Maass. Ed. 2. Berlin
1958.
In: Gnomon 32, 1960, 369-370.
69. R ez.:
Eunapii Vitae Sophistarum. Joseph Giangrande rec. Rom 1956.
In : ByzZ 53. 1960, 119-123.
70. R ez.:
Friedhelm Lefherz, Studien zu Gregor von Nazianz. Mythologie,
Überlieferung, Scholiasten. Diss. Bonn (Mech. vervielf.)
In: ByzZ 53, 1960, 123-124.
71. R ez.:
Procli Hymni. Ed. Ernestus Vogt. Wiesbaden 1957. (Klass.-Phil.
Stud. 18.)
In: Gnomon 32, 1960, 185-187.
72. R ez.:
Francis Vian, Histoire de la tradition manuscrite de Quintus de
Smyrne. Paris 1959.
In: ByzZ 53, 1960, 118-119.
1961
73. Mythendeutung in den Dionysiaka des Nonnos. Gedenkschrift für
Georg Rohde. Tübingen 1961 (Aparchai. 4.), 105—114.
74. Textkritische Bemerkungen zur Psalmenmetaphrase des Ps.-Apolli-
naris. ByzZ 54, 1961, 286 -290.
75. R e z .:
Apollonio Rodio, Le Argonautiche. Libro 3. Testo, traduzione e
commentario a cura di Anthos Ardizzoni. Bari 1958.
ln : Gnomon 33, 1961, 35—36.
76. R ez.:
Joseph Golega, Der homerische Psalter. Ettal 1960.
In: ByzZ 54, 1961, 379-382.
77. Rez.:
Francis Vian, Recherches sur les Posthomerica de Quintus de Smyrne.
Paris 1959.
In: Gnomon 33, 1961, 278—284.
1962
78. Epigramm. RLAC Bd 5, 1962, 539-577.
79. Epithalamium, RLAC Bd 5, 1962 , 927-943.
178 Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell

1963
80. ΟΜ ΩΣ. Zeitschrift f. d. neutestamentl. Wiss. u. d. Kunde d. älteren
Kirche 54, 1963, 145-146.
81. Q uintus von Smyrna. RE XXIV, 1963, 1271-1296.
82. R ez.;
Eiliv Skard, Index Asterianus. (Index de l’edition d’Asterius le
sophiste et. par Marcel Richard. Oslo 1956.) Oslo 1962.
In: Gnomon 35, 1963, 425-426.

1964
83. Rez,;
Cajus Fabricius, Zu den Jugendschriften des Johannes Chrysostomos.
Untersuchungen zum Klassizismus des vierten Jahrhunderts. Lund
1962.
In: Gnomon 36, 1964, 93-95.

1965
84. Rez.:
Die griechischen Dichterfragmente der römischen Kaiserzeit, ges. u.
hrsg. von Emst Heitsch. Bd 2. Göttingen 1964.
In: Gnomon 37, 1965, 762 —764.
85. Rez.;
Quintus de Smyrne, La Suite d 'Homere. T, 1. Texte et. et trad. par
Francis Vian. Paris 1963.
Phanis I. Kakndis, Κόιντος ΣμυρναΙος. Athen 1962.
In: Gnomon 37, 1965, 36-44.

1966
86. Zur Datierung der Akhiopika Heliodors. Polychronion. Festschrift
Franz Dölger. Heidelberg 1966, 345—350.
87. Rez.;
Gennaro D 'Ippolito, Scudi Nonniani. Palermo 1964.
In: Gnomon 38, 1966, 25—29.

1967
88. Agathiae Myrinaet historiarum libri quinque rec. Rudolfus Keydell
(Corpus Fontium Historiae Byzantinae 2. Ser. Berolinensis.). Berlin:
de Gruyter 1967. XL, 232 S.
Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell 179

1968
89. Zum Hymnos Akathistos. ByzZ 61, 1968, 4.
90. Zur Sprache des Epigrammatikers Lukiliios. Philologus 112, 1968,
141-145.
91. Sprachliche Bemerkungen zu den Historien des Agathias. ByzZ 61,
1968, 1 -4 .
92. R ez.:
Emile Feuillatre, £ tudes sur les Ethiopiques d ’Heliodore. Contribu-
tion a la connaissance du roman grec. Paris 1966.
In: Gnomon 40, 1968, 719—720.
93. R ez.:
Q uintus de Smyrne, La Suite d 'Homere. T. 2. Texte et. et trad. par
Francis Vian. Paris 1966.
In; Gnomon 40, 1968, 571—575.

1969
94. R ez.:
Musee, H ero et Leandre. Texte et. et trad. par Pierre Orsini. Paris
1968.
In: Gnomon 41, 1969, 738 - 742.
95. R ez.:
Lars Rydbeck, Fachprosa, vermeintliche Volkssprache und Neues
Testament. Zur Beurteilung der sprachlichen Niveauunterschiede im
nachklassischen Griechisch. Uppsala 1967, (Acta Universitatis Upsa-
liensis. Studia Graeca Upsaliensia. 5.)
In: ByzZ 62, 1969, 8 6 - 88.

1970
96. R e z .:
Colluto, II Ratto di Elena. Introduzione, testo critico, traduzione e
commentario a cura di Enrico Livrea. Bologna 1968.
In: ByzZ 63, 1970, 321-324.
97. Incerti auctoris in Oppiani Halieutica Paraphrasis. Nunc primum ed.
Isabella Gualandri. Milano - Varese 1968.
In; Gnomon 40, 1970, 304 - 306.
98. Rez.:
Philostratos, Die Bilder. Griech.-deutsch nach Vorarbeiten von
Emst Kalinka hrsg., übers, u. erl, von O tto Schönberger. München
1% 8.
In: Gnomon 42, 1970, 756 - 759.
180 Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell

1971
99, Rez.;
Avril Cameron, Agathias. Oxford 1970,
In: ByzZ 64, 1971, 68-71,
100. Rez.:
The Greek Anthology. The Garland of Philip and some Contem­
porary Epigramms. Ed, by Andrew Sydenham Farrar Gow and
Denys Lionel Page. 1 -2 . London 1968.
In: Gnomon 43, 1971, 676-680.

1973
101. Rez.:
Werner Peek, Kritische und erklärende Beiträge zu den Dionysiaka
des Nonnos. Berlin 1969. (Abhdlg Berlin 1969, 1.)
In: Gnomon 45, 1973, 23-26.
102. Rez.:
Musatos, Hero und Leander. Einleitung, Text, Übersetzung und
Kommentar von Karlheinz Kost. Bonn 1971.
In: Gnomon 45, 1973, 345-348.

1974
103. Zur Hypothesis des Euripideischen Phaethon.
Hermes 102, 1974, 117.

1975
104. R ez.:
Alan Cameron, Porphyrius the Charioteer. Oxford 1973.
In : Gnomon 47, 1975, 292 -2 9 5 .
105. R ez.:
Collouthos. L’Enlfcvement d’Hdfene. Texte etabli et traduit par Pierre
Orsini. Paris 1972.
In: Gnomon 47, 1975, 543 —548.

1976
106. R ez.:
Dionysü Bassaricon et Gigantiadis Fragmenta. Cum prolegomenis,
Italica versione et indicibus ed. Henricus Livrea. Rom 1973.
In: Gnomon 48, 1976, 506-508.
Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell 181

Im Druck:
107. Zu Stephanos von Byzanz.
In: Studi in onore di Anthos Ardizzoni.
108. Achilleis. Zur Problematik und Geschichte eines griechischen Romans.
I n : Reallexikon der Byzantinistik.

Folgende Artikel von Rudolf Keydell sind erschienen in: Der Kleine Pauly.
Lexikon der Antike. Bd. 1—5, Stuttgart 1964-1975.

Adaios (1) Kallinos (1)


Agathias Kallistos
Aisopos Kerkidas
Babrios Kinaithon
Barbukalos Kolluthos
Christodoros Korinna
Damagetos Krinagoras
Demosthenes (4) Kydippe
Dionysios (10. 13. 14.18.30) Leonidas (9.10)
Dioskurides (3) Leontios (5)
Diotimos (4,5) Lesches
Dosiadas Lollius (Literarische Persönlichkeit)
Epigramm Longos (2)
Erinna Maecius (7)
Erykios Makedonios
Euenos (2) Marianos
Euphorion (3) Melampodeia
Fabel Meleagros (8)
Hedyle Melinno
Hedylos Metrodoros (11)
Hegesippos (3) Moiro
Herakleitos (3) Moschos (2)
Hermodoros (3) Musaios
H erodas Myrinos
Hipponax Naumachios
Honestus Nestor (3)
Iambographen Nikainetos
Ibykos Nikandros (3, 4)
Isyllos Nikarchos (2)
Iulianus (19) Nikias (6)
Kallikter Nikodemos (3)
182 Verzeichnis der Schriften von Rudolf Keydell

Nikomachos (5) Rhianos


Nonnos Rhinthon
Nossis Rufinus (II. 1)
Numenios (3) Satyros (6)
Oppianos Secundus (aus Tarent)
Palinodia Simylos (2)
Palladas Skolion
Pamphos Sopatros (3)
Pamprepios Sotades (2)
Parmenion (2) Stasinos
Parthenios (1) Statilius Flaccus
Paulus (9) Straton (aus Sardes)
Peisandros (8.9.10) Technopaignia
Peplos Telesiüa
Perses (4. 5) Telestes (aus Selinus)
Phalaikos (2) Thallos (Antonios)
Phanokles Theaitetos (Epigrammatiker)
Philetas Theaitetos (Scholastikos)
Philippos (22) Theodoridas
Philodamos Theognis
Philoxenos (2) Theokritos (1)
Phoinix (4) Threnos
Phokylides Thyillos
Phoroneus Timokreon
Pigres Timotheos (4)
Polyainos (3) Triphiodoros
Poseidippos (2) Tymnes
Praxilla Tyrtaios
Quintus (1)

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