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Karl-Franzens-Universität Graz
Vorgelegt von
Barbara Preimel
Matrikelnummer 8411890
Ponauer Straße 53 a
9800 Spittal/Drau
Österreich
0
Diese Arbeit widme ich meinen Eltern,
Flora und Alfred Preimel,
sowie Herrn Anton Partl
1
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung ................................................................................................................... 7
II. Nutzfahrzeugindustrie – geschichtlicher Überblick.................................................... 11
1. Die österreichische Automobilindustrie ................................................................ 11
a) Entwicklung der österreichischen Automobilindustrie ...................................... 11
b) Die österreichischen Nutzfahrzeugindustrie ..................................................... 32
1) Austro Fiat ................................................................................................... 33
2) Gräf & Stift................................................................................................... 59
3) Österreichische Saurerwerke ...................................................................... 93
4) Puch ...........................................................................................................108
5) Austro-Daimler ...........................................................................................109
6) Steyr-Daimler-Puch ....................................................................................112
7) Zusammenschluss von Steyr und ÖAF-Gräf & Stift AG ..............................162
8) Automobilfabrik A. Fross (Stephan v. Götz & Söhne) .................................173
9) Automobilfabrik Perl ...................................................................................175
2. Die deutsche Nutzfahrzeugindustrie......................................................................181
a) Magirus-Deutz ................................................................................................190
b) Büssing ..........................................................................................................219
c) Faun ...............................................................................................................228
d) Krupp .............................................................................................................232
e) Borgward........................................................................................................245
f) Hanomag........................................................................................................250
g) Henschel ........................................................................................................261
h) Daimler...........................................................................................................267
i) MAN ...............................................................................................................288
3. Bedeutende europäische Nutzfahrzeughersteller................................................309
a) Schweizer Saurerwerke .................................................................................309
b) DAF................................................................................................................311
c) Scania ............................................................................................................317
d) Volvo ..............................................................................................................321
e) Berliet.............................................................................................................327
f) Renault ...........................................................................................................329
2
III. Entwicklung der Nutzfahrzeugindustrie nach der Wirtschaftskrise 2009 ............333
1. Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die europäische Nutzfahrzeugindustrie ..333
2. MAN nach der Wirtschaftskrise ...........................................................................341
3. Österreichische MAN-Tochtergesellschaften nach der Wirtschaftskrise ..............350
4. Korruptionsaffäre bei MAN ..................................................................................355
5. Scania nach der Wirtschaftskrise ........................................................................358
6. Österreichische Iveco-Tochtergesellschaften nach der Wirtschaftskrise .............360
7. Iveco nach der Wirtschaftskrise ..........................................................................363
8. Volvo nach der Wirtschaftskrise ..........................................................................365
9. Daimler nach der Wirtschaftskrise.......................................................................368
IV. Versuche der Krisenbewältigung ..............................................................................375
1. Kooperationen mit Unternehmen außerhalb Europas .........................................375
2. Schwellenländer – ein wichtiger Markt für die Nutzfahrzeug-industrie .................376
3. Expansion in Länder außerhalb Europas ............................................................381
a) Daimler...........................................................................................................381
b) MAN ...............................................................................................................384
c) Volvo und Scania ...........................................................................................386
d) FIAT fusioniert mit CNH Global ......................................................................387
4. Kooperationen mit Unternehmen innerhalb Europas...........................................388
5. Lkw-Vermietung – ein neues Geschäftsfeld für die Nutzfahrzeughersteller .........397
6. Strenge Emissionsvorschriften und deren Auswirkungen auf die Nutzfahr-
zeugproduktion ...................................................................................................401
7. Zulassungzahlen an neuen Nutzfahrzeugen ab 2011 .........................................414
8. Ausblick der Nutzfahrzeugindustrie bis zum Jahr 2020 .......................................420
9. Österreichs Position in der Automobilindustrie ....................................................422
V. Zusammenfassung und Perspektiven......................................................................426
3
VI. Anhang....................................................................................................................436
1. Summarium ........................................................................................................436
2. Grafische Darstellung der österreichischen Nutzfahrzeughersteller ........................442
3. Fotos einiger erfolgreicher Nutzfahrzeug-Marken ...............................................443
4. Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................451
5. Literatur- und Quellenverzeichnis........................................................................452
a) Archive ...........................................................................................................452
b) Interviews .......................................................................................................454
c) Wissenschaftliche Literatur.............................................................................455
d) Zeitungen und Zeitschriften ............................................................................457
e) Broschüren, Festschriften, Magazine, und im Internet veröffentlichte Studien .....461
f) Sonstige Quellen im world wide web (www) ......................................................463
6. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................464
7. Tabellenverzeichnis ............................................................................................465
8. Logoverzeichnis ..................................................................................................467
4
Vorwort
Diese Dissertation widmet sich der Nutzfahrzeugindustrie und deren Entwicklung vor allem
nach dem Jahr 1945. Es wird versucht, die Frage zu beantworten, wieso namhafte österrei-
chische Fahrzeughersteller am heutigen Automobilmarkt nicht mehr vorzufinden sind und
warum diese großartigen österreichischen Unternehmen mit anderen Unternehmen fusioniert
wurden. In der Arbeit soll geklärt werden, welche Umstände ausschlaggebend waren, dass
derart bekannte Unternehmen heute – als eigenständige Unternehmen – vom Markt ver-
schwunden sind.
Parallelen zu seinerzeitigen renommierten deutschen Nutzfahrzeugherstellern werden auf-
gezeigt, welche mit anderen Unternehmen fusioniert wurden; hier sollen einige europäische
Nutzfahrzeughersteller als Vorzeigefall dienen.
Um zu zeigen, dass viele Unternehmen auf eine lange Tradition zurückblicken, wird auch der
Zeitraum vor dem Jahr 1945 betrachtet.
Die Motivation zu dieser Arbeit ergab sich daraus, dass die Umstände dafür, dass traditi-
onsreiche Unternehmen Fusionen mit anderen Unternehmen eingehen mussten oder sogar
gezwungen waren, die Produktion einzustellen, noch wenig Beachtung fanden. Es gibt Ab-
handlungen über die Entstehung und die Entwicklung von Automobilunternehmen, aber
kaum Arbeiten, welche sich mit der Frage beschäftigen, wieso am Nutzfahrzeugmarkt keine
österreichischen Automobilunternehmen mehr vertreten sind. Vor allem fehlen Untersu-
chungen dazu, was dafür ausschlaggebend war und ob es Parallelen zu Herstellern aus an-
deren Ländern gibt, welche ein gleiches Schicksal wie die österreichischen Unternehmen
hatten.
Die Entscheidung zu dieser Arbeit habe ich getroffen, da mich eine besondere Liebe mit der
Nutzfahrzeugindustrie verbindet. Ich war nach Absolvierung eines Fernstudiums für Kfz-
Mechanik bei der Unternehmung Brixner & Riesenberg – einer Lkw-Vertragswerkstätte von
Magirus-Deutz – in Ulm beschäftigt. Meine Eltern betrieben 29 Jahre ein Transportunter-
nehmen – davon während der ersten 27 Jahre ausschließlich mit Fahrzeugen der Marke
Magirus-Deutz. Vor allem im Baustellenverkehr hatte Magirus-Deutz eine Vorreiterstellung
inne – und hier stellte sich mir die Frage, wie es kommt, dass ein derart alteingesessenes
Unternehmen heute nicht mehr als eigene Firma am Markt vertreten ist.
Ausgangspunkt meiner Arbeit waren österreichische Automobilunternehmen, die erstklassige
Qualitätsprodukte vor allem im Nutzfahrzeugbereich lieferten, heute aber nicht mehr am
Markt vorzufinden sind. Den Zugang zu den österreichischen Nutzfahrzeugherstellern bekam
ich durch meinen Lebensgefährten Anton Partl, der Werkstattleiter bei MAN in Villach war.
Gemeinsam mit meinem Lebensgefährten betrieb ich das elterliche Unternehmen ab 1989
als zweites Standbein neben meiner Steuerberatungskanzlei weiter. Nach dem Tod meines
Lebensgefährten im März 2009 schloss ich das Transportunternehmen.
Eine besondere Motivation war es, dass ich meine Tätigkeit als Steuerberaterin in Bezug auf
die Erläuterung von Jahresabschlüssen und Bilanzkennzahlen von Unternehmen und mein
technisches Wissen verknüpfen konnte. Wichtig war mir, Bilanzpositionen anhand von Jah-
resabschlüssen herauszuarbeiten, um darzustellen, wieso Hersteller oft gezwungen waren,
mit anderen Herstellern zu fusionieren.
5
Dass diese Dissertation zustande kam, verdanke ich vor allem drei Personen:
Erstens Herrn Univ. Prof. Dr. phil. Stefan Karner, bei dem ich mich für die Betreuung der Ar-
beit bedanken will und dafür, dass er mich nach dem Tod meines Lebensgefährten ermutigt
hat, weiterzumachen. Die Einladungen von Prof. Karner, jedes Semester den Fortschritt der
Dissertation zu präsentieren, gaben mir Auftrieb, mein Studium abzuschließen. Dafür will ich
Herrn Prof. Karner besonders danken.
Auch meinem Zweitgutachter, Herrn a. o. Univ. Prof. Dr. Gerwald Mandl, will ich sehr herz-
lich danken.
Dank gebührt vor allem meinem verstorbenen Lebensgefährten, Herrn Anton Partl, der mich
bis zu seinem Ableben immer unterstützt hat. Ohne seine Hilfe hätte ich neben meiner Steu-
erberatungskanzlei mein Studium nicht absolvieren können. Er hat mich zu jeder Prüfung
oder Präsentation nach Graz gefahren und mich getröstet, wenn Prüfungen oder Präsentati-
onen nicht immer nach meinen Vorstellungen verliefen.
Bedanken will ich mich auch bei all jenen Personen, die mir bei der Literatur- und Informati-
onsbeschaffung behilflich waren – besonders bei Herrn Wolfgang Schwetz, Mitarbeiter der
Unternehmung MAN, und Herrn Dr. Peter Demschar, Bezirksstellenleiter der Wirtschafts-
kammer in Spittal/Drau, ebenso bei Herrn Karl Krämmer, einem ehemaligen Transportunter-
nehmer in Trebesing, Herrn Johann Huber, Transportunternehmer in Lendorf, für die Zurver-
fügungstellung von Bildmaterial.
6
I.Einleitung
Leitende Forschungsfragen
Die Automobilindustrie ist einer der wichtigsten Industriezweige. Im Zuge der Dissertation
soll die Bedeutung der Automobilindustrie für die österreichische Wirtschaft gezeigt werden.
Die österreichische Automobilproduktion wuchs – wie in anderen europäischen Ländern
auch – ab der Jahrhundertwende kontinuierlich von der Manufaktur zur Großindustrie heran.
Potentielle Automobilhersteller erlebten vor allem im Nutzfahrzeugbereich nach dem Jahr
1945 einen Aufschwung, konnten jedoch trotz innovativer und leistungsfähiger Produkte dem
Wettbewerb nicht standhalten. Nach 1945 waren sechs österreichische Automobilhersteller
am Markt. Damals lieferte Österreich entscheidende Impulse zur Entwicklung von Kraftfahr-
zeugen und war geradezu führend auf diesem Gebiet. Immer wieder haben Persönlichkeiten
und Hersteller aus Österreich durch ihre Ideen und Konstruktionen zur Entwicklung des Au-
tomobils wesentlich beigetragen. Heute gibt es keinen österreichischen Automobilhersteller
mehr. Fusionen zwischen namhaften Automobilfabriken führten dazu, dass bedeutende Au-
tomobilmarken für immer vom Markt verschwunden sind.
Diese Entwicklung soll am Beispiel größerer österreichischer Firmen wie der Gräf & Stift AG
und der Steyr-Daimler-Puch AG sowie kleinerer österreichischer Nutzfahrzeughersteller dar-
gestellt werden.
Auch bei ausländischen Automobilherstellern war die Situation ähnlich wie in Österreich. In
der Dissertation soll dies u. a. am Beispiel des bekannten deutschen Nutzfahrzeugherstellers
Magirus-Deutz sowie an einigen anderen Nutzfahrzeugherstellern in europäischen Ländern
gezeigt werden.
In Österreich haben sich heute ausländische Automobilhersteller angesiedelt, aber auch ein-
heimische Betriebe, welche als Zulieferer für die Automobilindustrie produzieren.
Die Automobilhersteller verlagerten die Produktionsstätten teilweise in technisch noch nicht
so hoch entwickelte Länder: Länder, in welchen die Automobilindustrie vor Jahrzehnten noch
keine große wirtschaftliche Rolle spielte (wie z. B. Japan oder Südkorea), die sich im Laufe
der letzten Jahrzehnte zu Ländern entwickelten, in welchen die Automobilindustrie heute
einen bedeutenden Industriezweig darstellt.
Von wissenschaftlicher Relevanz ist die Fragestellung, wieso gerade einige europäische
Länder – wie z. B. Österreich oder die Schweiz –, welche die Automobilindustrie durch ihre
technischen Erfindungen stark geprägt und hochwertige Fahrzeuge produziert haben, dem
Druck des Wettbewerbes und der Innovation nicht standhalten konnten.
7
Die wesentlichen Forschungsfragen, die in dieser Dissertation erörtert werden sollen, lauten:
Welche Umstände waren ausschlaggebend, dass derzeit kein österreichischer
Automobilhersteller weder im In- noch Ausland vorzufinden ist? Wieso konnten
österreichische, aber auch ausländische Unternehmen dem Wettbewerb nicht
standhalten, sodass es zu Fusionierungen mit anderen Unternehmen kommen
musste? Was waren die Gründe für die Fusionierungen?
In der Dissertation wird weiters die Frage erörtert, inwieweit politische und öko-
nomische Einflüsse sowie die Gesetzgebung und nicht zuletzt Fehlentscheidun-
gen in einzelnen Unternehmen eine Aufrechterhaltung der Produktionsbetriebe
unmöglich machten.
Den Gründen für die Produktionsauslagerung in Billigländer wird in der Dissertati-
on ebenfalls nachgegangen.
Ebenso soll die Frage erörtert werden, ob es in Ländern außerhalb von Österreich
ähnliche Entwicklungen wie bei österreichischen Nutzfahrzeugherstellern gege-
ben hat.
Die Dissertation zeigt, dass sich wirtschaftliche Vorgänge innerhalb von Jahrzehnten wieder-
holen. Heute gehören längere Planungssicherheit und kostenintensive Produktionsvielfalt
längst der Vergangenheit an.
Die Frage, wer von Daimler, DAF, Iveco, MAN, Renault, Scania und Volvo, den letzten Last-
wagenproduzenten im europäischen Bereich, übrig bleiben wird, hängt von der Globalisie-
rung ab und kann nicht beantwortet werden.
Forschungsdesign
Zunächst wird die Firmengeschichte sämtlicher Unternehmen von deren Gründung bis zu
den jeweiligen Unternehmenszusammenschlüssen betrachtet.
Die methodische Vorgangsweise umfasst folgende Schritte:
1. Die Aufarbeitung von Quellenbeständen aus veröffentlichten Jahresabschlüssen der
Unternehmen, Artikel von Fachzeitschriften und Tageszeitungen
2. Die Sichtung der vorhandenen Fachliteratur und Studien
Vor allem die Geschichte der kleineren Nutzfahrzeughersteller musste anhand von Li-
teratur, Fachzeitschriften, Tageszeitungen erörtert werden. Hierbei wurden auch
kommerzielle Festschriften miteingebunden.
3. Die Zusammenfassung empirischer Untersuchungen
Daten zu Magirus-Deutz stammen auch von Recherchen, die in Ulm/Donau, wo sich
die Produktionsstätte von Magirus-Deutz befand, durchgeführt wurden. Vorhandene
Fachliteratur aus den Archivbeständen sowie aus Tageszeitungen wurden eingear-
beitet.
8
4. Expertenbefragungen
Für die Expertenbefragung stellte sich ein ehemaliger Mitarbeiter eines österreichi-
schen Automobilunternehmens zur Verfügung. Dieser Mitarbeiter ist heute in einem
Unternehmen beschäftigt, welches aus den Fusionen hervorgegangen ist.
Auch Institutionen wie die Wirtschaftskammer wurden mit einbezogen, wobei ein Ex-
perte zu vergangenen und künftigen Entwicklungen im Automobilsektor befragt wer-
den konnte.
Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet, wobei die Auswertung auch quali-
tativ durch die Wiedergabe und Auswertung der Stellungsnahmen erfolgte.
1) Der Wandel der Nutzfahrzeugmarke und die Entwicklung des Konzerns Austro-Fiat
zur Österreichischen Automobil Fabriks-AG (ÖAF) wird vor allem auf der Basis der
Daten des Archivs und Presseinformationen der ÖAF – unter Berücksichtigung der
vorhandenen Literatur – erläutert. Jahresabschlüsse der Unternehmen wurden im
Firmenbuch des jeweiligen Landes- bzw. Handelsgerichtes eingesehen.
Ein ehemaliger Mitarbeiter von Austro-Fiat, Herr Wolfgang Schwetz, stellte sich einem
Interview, welches in die Arbeit einfließt. Herr Schwetz ist nun nach mehreren Über-
nahmen der Unternehmung bei der Firma MAN beschäftigt.
2) Die historische und künftige Entwicklung der Nutzfahrzeughersteller wird durch vor-
handene Literatur, durch veröffentlichte Jahresabschlüsse in Landes- bzw. Handels-
gerichten, firmeninterne Presseinformationen, Artikel in Fachzeitschriften und Tages-
zeitungen dargestellt.
3) Seitens der Wirtschaftskammer wurden vom Bezirksstellenleiter in Spittal/Drau, Herrn
Dr. Peter Demschar, statistische Daten zur Verfügung gestellt, aber auch ein Ausblick
in die Zukunft – aus Sicht der Wirtschaftskammer – wurde versucht.
9
Klärung der zentralen Begriffe
Die Begriffe Unternehmen, Firma und Betrieb haben eine ähnliche Bedeutung, sind jedoch
nicht synonym. Ein Unternehmen kann aus einem oder mehreren Betrieben bestehen. Meh-
rere Unternehmungen können aber auch einen Betrieb führen. Der Begriff „Firma“ bezeich-
net den Namen des Unternehmens.
10
II.Nutzfahrzeugindustrie – geschichtlicher Überblick
Die Automobilindustrie nahm ihren Anfang mit der Erfindung des Automobils 1885 durch
den Deutschen Carl Benz. Kaum ein anderes industrielles Massenprodukt hat den Alltag der
Menschheit mehr verändert als das Automobil. Durch die Massenproduktion von Kraftfahr-
zeugen erlebte die Automobilindustrie einen bedeutenden Aufschwung. Heute stellt die Au-
tomobilindustrie einen volkswirtschaftlich bedeutenden Wirtschaftszweig dar.
Österreich war in der Entwicklung der Automobilindustrie führend und kann auf berühmte
Pioniere wie Marcus, Puch, Porsche, Ledwinka verweisen. Wien, vor dem Ersten Weltkrieg
die fünfgrößte Stadt der Welt, war Sitz großer Unternehmen und ein Kapitalzentrum und bot
daher Erfindern ein weites Betätigungsfeld auf dem technischen Sektor.
Ludwig Lohner beschäftigte sich als erster Österreicher in seiner Fabrik, der k. u. k. Hof-
Wagenfabrik Jacob Lohner & Co in Wien, mit der Automobilherstellung. Gottlieb Daimler und
Carl Benz hatten bereits einen Benzinmotor entwickelt. Lohner bezog jedoch bei der franzö-
sischen Maschinenfabrik Lefèbre-Fessard einen zweizylindrigen Motor. Die Funktionsfähig-
keit war noch nicht einwandfrei. So widmete sich Lohner der Entwicklung von Elek-
tromobilen und baute Fahrzeuge mit Motoren von drei PS. Lohner war mit seiner Entwick-
lung nicht ganz zufrieden und nahm daraufhin Ferdinand Porsche, welcher sich mit dem
elektrischen Fahrzeugantrieb beschäftigte, in sein Unternehmen auf. Nachteil der Elektro-
mobile war der kleine Aktionsradius. Dies war der Anfang des Zeitalters der Verbrennungs-
motoren.1 Aber auch die Österreichische Daimler-Motoren-Commanditgesellschaft Bierenz,
Fischer & Co, gegründet von Josef Eduard Bierenz, Repräsentant der Cannstatter Daimler-
Motoren für Österreich, und Eduard Fischer, Besitzer einer Maschinenfabrik in Wiener Neu-
stadt, beschäftigten sich mit der Erzeugung und dem Vertrieb von Motoren und Automobilen.
Die Kaffee-Importfirma Julius Meinl in Wien erwarb 1900 ein Lohner-Porsche-Elektromobil
für kommerzielle Zwecke. 1901 folgten Lastwagen der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Wie-
ner Neustadt, welche an die Unternehmen Pflanzenfettfabrik Emanuel Kuhne & Sohn, die
Kaffee- und Tee-Importfirma Brüder Kunz sowie die Wiener Krystall-Eisfabrik geliefert wur-
den. Der Vorteil der Daimler-Motoren-Gesellschaft war, dass sie die Entwicklungen der
1 Vgl. SEPER Hans / KRAKOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute, Wels 1982. S. 39 ff.
11
Cannstatter Daimler-Werke übernehmen konnte. Hier wurde man sich schon sehr früh der
Bedeutung der Nutzfahrzeuge bewusst.2 Ferdinand Porsche trat am 19. Juli 1906 als techni-
scher Direktor in die Österreichische Daimler-Motoren-Gesellschaft ein.
Ein Cannstatter Daimler war der erste in Österreich produzierte und verkaufte Lastwagen.
Dromedar hieß das erste Nutzfahrzeug, das im Jahr 1913 in Österreich im Einsatz gewesen
ist. Bis zum Jahr 1913 war es üblich, den Lastwagen Tiernamen zu geben. Dem Dromedar
folgten später die Hyäne, ein Viertonner, das Känguruh, ein Dreitonner, und der Iltis, ein
Zweitonner. Die Heeresverwaltung leistete anfangs keinen Beitrag zur Motorisierung, son-
dern stellte sich gegen die Automobilindustrie, da das Automobil als Zeitvertreib für aristokra-
tische Nichtstuer bezeichnet wurde. Wenige waren sich der Wichtigkeit des Lastwagens be-
wusst und setzten sich dafür ein. Erst als Erzherzog Leopold Salvator 1905/1906 die
Schirmherrschaft über das Militärkraftfahrwesen übernahm, wurde der Entwicklung im Nutz-
fahrzeugbereich ein anderer Stellenwert zuerkannt. Einige Jahre später verfügte die
Heeresverwaltung bereits über schwere Lastzüge – verbunden jedoch mit dem Nachteil,
dass nur stabile Brücken befahren werden konnten. Daraufhin wurden leichte Lastwagen mit
einem Maximalgewicht von 1500 Kilogramm hergestellt.
Langsam wurde man sich der Wichtigkeit des Lastwagens bewusst. Pferdekutschen wurden
durch Taxis ersetzt, Motorräder und Personenwagen wurden zu Verkehrsmitteln für den
Normalverbraucher. Die Entwicklung der Kraftfahrzeugindustrie konnte nicht mehr gebremst
werden.3
Im Jahr 1913 nahm Henry Ford die Fließbandfertigung in seinen Werken in Detroit, USA,
auf, eine Produktionsweise, die in den 20er-Jahren auch in Österreich übernommen wurde.4
Für den Heeresbedarf im Ersten Weltkrieg mussten die Hersteller Fahrzeuge für den jeweili-
gen Einsatz fertigen. Die Personenwagenfertigung wurde massiv eingeschränkt. Während
des Ersten Weltkrieges war die Automobilindustrie die am stärksten wachsende Branche.
Das in diesem Bereich investierte Kapital betrug 1913, ein Jahr vor Kriegsausbruch, rund
200 Millionen Kronen, die fünffache Summe verglichen mit dem Jahr 1914, ebenso war die
Zahl der Beschäftigten von 5.000 auf 15.000 gestiegen und die Umsätze von durchschnittlich
30 bis 35 Millionen Kronen auf 700 bis 800 Millionen Kronen. Zu Recht wurde die Frage auf-
geworfen, wie sich die Automobilindustrie in Friedenszeiten entwickeln werde. Zu Kriegsen-
de hatten die Automobilhersteller große Probleme: Sie hatten offene Rechnungen gegenüber
dem Staat in Millionenhöhe, wobei diese noch Lieferungen aus dem Jahr 1917 betrafen.
Wenn Zahlungen geleistet wurden, hatten diese durch die Inflation an Kaufkraft verloren.5
2 Ebenda S. 96.
3 Ebenda S. 92 – 106.
4 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr, Steyr 1999. S. 47.
5 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. Festschrift aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der
Interessensvertretung der Österreichischen Fahrzeugindustrie. Hrsg. Wirtschaftskammer Österreich (WKO), Fachverband der Fahrzeugindustrie Österreich,
Wien 2007. S. 35 ff.
12
Die wirtschaftliche Situation in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg sowie die steigende
Inflation machten auch den renommierten Automobilfabriken zu schaffen.6 Die Produktions-
kosten waren derart angestiegen, dass Produkte im Jahr 1918 – verglichen mit 1914 – das
Zwei- bis Dreifache kosteten. Problematisch war auch der Facharbeitermangel, sodass auch
weibliche Mitarbeiter in den Unternehmen beschäftigt wurden. Ebenso fehlte es an Rohstof-
fen und Spezialwerkzeugen. Einige Unternehmen konnten diese Probleme nicht bewältigen
und standen vor der Zahlungsunfähigkeit.7
Nach Ende des Ersten Weltkrieges existierten in Österreich nachstehend namhafte Automo-
bilhersteller:
Die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg und Anfang der 20er-Jahre bescherte der Automo-
bilindustrie große Substanzverluste. Um ein wirtschaftliches Wachstum zu gewährleisten,
waren stabile Währungsverhältnisse unbedingt erforderlich. Durch die Einführung des Schil-
lings im Jahr 1925 trat kurzfristig eine Stagnation des Wirtschaftswachstums ein. Die kon-
junkturelle Lage war aber bereits in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre wieder aufsteigend.9
Für die bilanzierungspflichtigen Unternehmen war es im Zuge der Schillingeinführung mög-
lich, eine Neubewertung der Aktiva und Passiva im Jahr 1925 durch die Aufstellung einer
Goldbilanz vorzunehmen. Es konnte vom Grundsatz der Bilanzkontinuität abgegangen wer-
den. Dadurch sollten einerseits die inflationsbedingten Verzerrungen bereinigt werden, ande-
rerseits wurde dadurch aber auch ein optimaler Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung
gesetzt. Die Unternehmen erstellten zum 1. Jänner 1925 eine Bilanz, wobei die Wertansätze
in den Bilanzen in Schilling angegeben wurden. Diese Bilanzwerte wurden mit den Werten
6 Vgl. SEPER Hans / KRAKOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 123.
7 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 35 ff.
8 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 22.
9 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 41.
13
der Bilanzen 1913 (Bilanzwerte sind in Goldkronen ausgewiesen) verglichen, wobei sich die
Veränderungen durch die Inflation bedingt in der Vermögenslage widerspiegelten.
So zeigten die Jahresabschlüsse der Automobilhersteller u. a. folgende Kennzahlen:
Gräf & Stift wies 1925 gegenüber dem Jahr 1913 ein um 38 Prozent höheres Eigenkapital
auf. Die Steyr-Werke verzeichneten einen Anstieg von 25 Prozent. Die Daimler Motoren AG
hatte eine Eigenkapitalverminderung von 50 Prozent und die Puchwerke-AG von 85 Prozent
zu verzeichnen. Die sinkende Eigenkapitalquote ging mit einer steigenden Fremdkapitalquo-
te einher. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatten die beiden letztgenannten Unternehmen
Liquiditätsprobleme.10
Die Automobilindustrie wurde ab dem Jahr 1920 von einer Aufschwungphase erfasst.11 Zwi-
schen den Jahren 1920 und 1925 stieg die Zahl der Lastkraftwagen um 117 Prozent, in
Stückzahlen von 2838 auf 6150, die Zahl der Personenkraftwagen um 72 Prozent, in Stück-
zahlen von 6400 auf 11.000, und jene der Motorräder um 214 Prozent, in Stückzahlen von
2214 auf 6963. 1924 betrug die Jahresproduktion der heimischen Automobilindustrie 5500
Personen- und Lastkraftwagen und 3500 Motorräder.12
Am 30. Juni 1929 war der Fahrzeugbestand in Österreich folgender:
13
Tab. 1: Anzahl der Kraftfahrzeuge in Österreich zum 30. Juni 1929
10 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 41.
11 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 80.
12 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 42.
13 Quelle: entnommen von ebenda S. 42.
14
1929 kam es durch die Weltwirtschaftskrise zu einem Stocken im Produktionsbereich, die
Kapazitäten in den Produktionshallen waren nicht ausgelastet, was wiederum zu einer stei-
genden Anzahl von Arbeitslosen führte. Die Spitze der Arbeitslosigkeit war im Winter
1933/1934 erreicht.14
Trotz Weltwirtschaftskrise wurden 1930 Forschung und Entwicklung am Automobilsektor
weiterbetrieben. Das Steyr-Baby, ein Personenkraftwagen, wurde der Bevölkerung vorge-
stellt. Ebenso kam es im Lastwagen- und Omnibussektor in dieser Zeit zu Neuentwicklun-
gen. Die Motorradproduktion, deren Erzeugnisse das Ziel des „kleinen Mannes“ waren, hatte
ihren Höhepunkt erreicht. Um die Automobilindustrie anzukurbeln – und damit die Arbeitslo-
senzahlen zu senken –, wurden in Deutschland, aber auch in Österreich Straßen wie die
Großglockner-Hochalpenstraße gebaut.15
Handelskammer und Handelsministerium versuchten gemeinsam mit dem Verband österrei-
chischer Automobil-Industrieller gegen die Inflation und die Wirtschaftskrise anzukämpfen.
Die Österreicher wurden mittels eines Flugblattes vom Verband österreichischer Automobil-
Industrieller im Jahr 1930 gebeten, österreichische Fahrzeuge zu kaufen. Die Importe von
Fahrzeugen waren nahezu zur Hälfte aus Deutschland, weitere Importe wurden aus westeu-
ropäischen Ländern und den USA vorgenommen. Die Verschärfung der Einfuhrbestimmun-
gen, aber auch die Abschaffung der Kraftwagenabgabe trugen dazu bei, dass die Anzahl der
Neuzulassungen von 1933 bis 1936 von 4341 auf 10.655 anstieg. Vor allem das Steyr-Baby
trug wesentlich zum Anstieg an Neuzulassungen bei.
Langsam konnte im Jahr 1936 der Personenwagenverkehr angekurbelt werden, wobei im
Jahr 1936 von 3652 Neuzulassungen 3586 aus den Steyr-Werken – darunter 3467 Kleinwa-
gen – stammten. Ebenso nahm der Verkauf an Motorrädern gegenüber dem Jahr 1935 zu.16
Die Motorisierung entwickelte sich im Zeitraum 1932 bis 1936 wie folgt:
14 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 80.
15 Vgl. SEPER Hans / KRAKOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 123.
16 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 42 f.
15
17
Tab. 2: Zahl der Einwohner pro Kraftfahrzeug 1932 bis 1936
Die neuen Machthaber wollten nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im
Jahr 1938 ebenfalls eine Weiterführung der österreichischen Automobilindustrie, jedoch soll-
te eine Vereinheitlichung des Produktionsprogramms erfolgen. Die Herstellung der Fahrzeu-
ge musste den Anforderungen, welche an die Fahrzeuge im Krieg gestellt wurden, entspre-
chen. Die Produktion von Zivilfahrzeugen kam daher völlig zum Erliegen, da diese im Krieg
keine Bedeutung hatte.18
16
Entwicklung von 1945 bis zur Wirtschaftskrise 2009
Die österreichische Automobilindustrie war wie keine andere Industriesparte durch die
Kriegs- und Nachkriegsereignisse schwer beeinträchtigt. Darüber hinaus waren die Ver-
kehrswege teilweise nicht passierbar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Bestand an Lastwagen im Vergleich zum Jahr 1938
wesentlich niedriger und der Zustand der Fahrzeuge sehr schlecht.
19
Tab. 3: Bestand an Fahrzeugen 1938 und 1945
Die österreichische Automobilindustrie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die vielen
Kriegsschäden, durch Demontagen von Maschinen und Materialmangel vor eine schwierige
Situation gestellt. Auch die Einstellung der Personenkraftwagenfertigung bedingt durch den
Zweiten Weltkrieg trug zu einem schlechten Start nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges
bei. Rund ein Drittel des vorhandenen Fuhrparks erwies sich als nicht fahrtauglich. Um den
Anforderungen der Wirtschaft Rechnung zu tragen, wurde besonderes Augenmerk auf die
Lastwagen- und Zugmaschinenherstellung gelegt.
Im Jahr 1946 war es möglich, 10 Prozent der Produktion des Jahres 1937 zu erbringen, der
Durchschnittsbedarf lag bei 20 bis 25 Prozent. Auch die Lastwagenhersteller wollten die
Produktion so schnell wie möglich wieder aufbauen. Sie waren sich einig und wollten durch
eine Produktionsgemeinschaft, welche zwischen Gräf & Stift, Saurer und Austrio-Fiat abge-
schlossen wurde, einen 5-Tonnen-Lastwagen mit Dieselmotor entwickeln. Terminliche
Schwierigkeiten führten dazu, dass der Plan nicht verwirklicht wurde. Auch wenn sich die
19 Quelle:entnommen aus SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. 2. Ausgabe, Wien. S. 311.
17
Steyr-Werke für eine Weiterproduktion von Pkw entschieden hätten, wäre dies durch Materi-
almangel und das Fehlen von geeigneten Maschinen unmöglich gewesen.20
Beutefahrzeuge der seinerzeitigen Deutschen Wehrmacht, die teilweise noch brauchbar wa-
ren, wurden von den englischen und amerikanischen Besatzern an die Bundesländer Nie-
derösterreich, Burgenland und Wien übergeben. Die UNRRA (United Nations Relief and Re-
habilitation Administration) stellte Österreich Ende 1946 erstmals verwendbare leichte und
mittelschwere Lastkraftwagen zur Verfügung.
Die österreichische Automobilindustrie musste nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bei
der Stunde null beginnen. Die Fabrikanlagen der Industriebetriebe waren großteils zerstört,
aber auch die Verkehrswege und Brücken waren erheblich beschädigt und wurden erst lang-
sam wieder aufgebaut.21
Der Personenwagenindustrie wurde in den Aufbaujahren nach 1945 nicht der Vorzug gege-
ben, da die Fahrzeuge nach ihrer Dringlichkeit produziert wurden. An vorderster Stelle stan-
den daher Fahrzeuge für den Agrarbereich und die Produktion von Transportfahrzeugen. Die
Produktion von Personenwagen war in der Zeit von 1938 bis 1945 in Österreich eingestellt
worden. Deshalb konnte bei der Personenwagenfertigung nicht auf eine vorhandene Struktur
zurückgegriffen werden. Die Personenwagenindustrie konnte nach dem Zweiten Weltkrieg
trotz großartiger innovatorischer Leistungen österreichischer Firmen nicht mehr aufgebaut
werden. Außer Assemblingleistungen22 und der Produktion von Einzelteilen blieb die Perso-
nenwagenfertigung Stiefkind der österreichischen Automobilindustrie.23 Der Beginn des ös-
terreichischen Automobilbaus nach dem Zweiten Weltkrieg begann 1947 im Stellawerk Wien
II, d. h. im zweiten Wiener Gemeindebau von Franz Weidlich, wo dieser aus Wrackteilen
Kleinwagen mit dem Namen Aero Stella baute. Die Herstellung der Wagen wurde bis 1948
vorgenommen, solange erforderliche Teile für den Zusammenbau vorhanden waren, und
danach eingestellt.24 1948 waren die österreichischen Automobilfabriken bereits in der Lage,
den Bedarf an Last- und Spezialfahrzeugen im Inland abzudecken.25
Die geringen Produktionsmengen inländischer Hersteller und die Importbeschränkungen aus
Devisengründen machten den Kauf eines Kraftfahrzeuges schwierig. Die Bedarfssituation
und die Notwendigkeit wurden bei jeder Zuteilung überprüft. Auch Fahrräder waren nur ge-
gen Bezugsschein zu kaufen.26
20 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 48.
21 Vgl. SEPER Hans / KRAKOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 210.
22 Anm.: Unter dem Begriff Assembling versteht man in der Fahrzeugproduktion den Zusammenbau von Fahrzeugteilen oder Fahrzeugen im Ganzen. Vgl.
dazu: http://www.linguee.de/deutsch-englisch/uebersetzung/Zusammenbau.html. Abgerufen am 30.09.2013.
23 Vgl. SEPER Hans / KRAKOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 212.
24 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 314. Anm.: Eine genaue Produktionsmenge
der Aero-Stella Wagen konnte nicht eruiert werden.
25 Vgl. SEPER Hans / KRAKOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 223.
26 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 48. Vgl. auch SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter
(1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 311.
18
Die Schenkung eines Fahrzeuges war jedoch möglich. Die Schenkung musste von einer
Person aus dem Ausland erfolgen. Zuerst wurde vom Finanzamt nicht darauf geachtet, wer
der Geschenkgeber war. Erst als die Schenkungen sprunghaft zunahmen, achtete das Fi-
nanzamt darauf, ob zwischen dem Geschenkgeber und dem Beschenkten auch ein nahes
Verwandtschaftsverhältnis bestand. Der Geschenkgeber musste weiters über die notwendi-
gen finanziellen Mittel verfügen.
In der Zeit vom 1. Mai 1945 bis 31. Dezember 1948 wurden 772 Fahrzeuge nach Österreich
importiert. 1954 wurde der Import von Personenkraftwagen liberalisiert, und für die Automo-
bilindustrie begann der Aufschwung. 1955 zählte man bereits 43.189 zum Verkehr zugelas-
sene Personen- und Kombiwagen.27
Der Treibstoffmangel und der Mangel an Reifen machten der Verkehrswirtschaft ebenfalls zu
schaffen. Bald wurde erkannt, dass ein Anstieg des Fremdenverkehrs und der damit verbun-
dene volkswirtschaftliche Aufschwung nur mit einer funktionierenden Verkehrsindustrie ein-
hergehen kann. Es wurde von den zuständigen Ministerien alles unternommen, um die öster-
reichische Automobilindustrie wieder anzukurbeln. Aber auch der Wichtigkeit der Gewerbe
rund um die Automobilindustrie – wie Service- und Tankstellen oder Autozulieferer – war
man sich bewusst. Dieselmotoren konnten nicht produziert werden, sodass die Dieselein-
spritzpumpen aus dem Ausland importiert werden mussten. Das Ministerium unterstützte
mittels Förderungen die Unternehmung Friedmann & Maier in Hallein, um die Produktion von
Dieseleinspritzpumpen zu ermöglichen. Die hergestellten Dieseleinspritzpumpen wurden an
die Steyr-Daimler-Puch AG geliefert, und es konnten die dringend notwendigen Zugmaschi-
nen und mittlere Lastwagen produziert werden. Friedmann & Maier hatte bereits in den Jah-
ren 1902 bis 1905 Kontakte zur Automobilindustrie, da die Herstellung eines Dampfwagens
geplant war. Die Unternehmung Friedmann & Maier wurde Jahrzehnte später in die Bosch-
Gruppe aufgenommen.
Der Zusammenarbeit aller Österreicher ist es zu verdanken, dass die Produktionen der In-
dustrie ein halbes Jahrzehnt nach Kriegsende bereits die Produktionen der Vorkriegszeit
überschritten. Auf der Wiener Internationalen Automobilschau am 5. Mai 1948 wurden von
den österreichischen Automobilherstellern ausschließlich Nutzfahrzeuge präsentiert. Steyr-
Daimler-Puch stellte den Steyr-Diesel-Traktor 180 und den Lastwagen der Type 380 vor. Die
Österreichischen Saurerwerke stellten Omnibusse und Lastwagen, Gräf & Stift nur Omni-
busse und die Österreichische Automobil Fabriks-AG ebenfalls drei Lastwagentypen und
einen Elektrowagen vor.
Das Konstruktionsbüro von Porsche wurde 1944 von Stuttgart nach Gmünd verlegt, wo die
Arbeiten in Baracken unter der Bezeichnung „Werk Karnerau der Willi Meinecke Holzgroßin-
dustrie Berlin-Gmünd“ durchgeführt wurden. 1948 wurde eine Serie von 50 Fahrzeugen ge-
fertigt. Die Produktion wurde im Winter 1948/49 auf fünf Wagen pro Monat erhöht. Insgesamt
27 Vgl. SEPER Hans / KRAKOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 210.
19
wurden in Gmünd 44 Coupés und acht Cabriolets gefertigt. Gmünd war auf längere Sicht
nicht der richtige Standort für die Fertigung von Sportwagen. Deshalb wurde im Jahr 1949
die von Ferry Porsche, Prof. Dr.-Ing. h. c. Ferdinand Porsches Sohn, und seiner Schwester,
Louise Piëch, gegründete Gesellschaft Porsche Konstruktionen GmbH nach Salzburg ver-
legt. Die Produktion des Porsche wurde jedoch nach Stuttgart-Zuffenhausen in die neu ge-
gründete Dr.-Ing. h. c. F. Porsche KG verlegt. Damit war auch der Porsche kein österreichi-
sches Automobil mehr. Im Jahr 1951 wurde bei Porsche bereits der tausendste Porsche
produziert. Ein Verbleib des Produktionswerkes in Österreich kam nicht in Frage. Österreich
hätte Porsche damals nicht den notwendigen Inlandsmarkt bieten können.28
Die rasche Anhebung der Wertschöpfung in der Fahrzeugindustrie war mit gestiegenen Pro-
duktionszahlen verbunden. Die Produktion in den Jahren 1951 bis 1955 stieg um ein Vielfa-
ches an. Die Entwicklung der Gesamtproduktion ist nachstehender Tabelle zu entnehmen.
29
Tab. 4: Gesamtproduktion der österreichischen Fahrzeugindustrie 1951 bis 1955
Unter Finanzminister Dr. Reinhard Kamitz wurde im Jahr 1952 die Treibstoffbewirtschaftung
– Treibstoffkontigentierung durch Ausgabe von Marken – aufgehoben. Mit dem Raab-
Kamitz-Kurs begann die Wirtschaft sich allmählich zu bessern. 1954 wurde der Import von
Fahrzeugen liberalisiert, und die Fahrzeuge wurden für viele Österreicher erschwinglicher.
Die Porsche Konstruktionen KG (Rechtsnachfolgerin gem. §§ 1 ff UmwG nach Porsche Kon-
struktionen GmbH, Landesgericht Salzburg, HRB 198 Sb30) als VW-Importeur nahm bei den
Verkäufen von Personenkraftwagen erstmals den Platz vor Steyr-Fiat ein. Auch Mercedes
wollte eine Vertriebsstruktur in Österreich aufbauen und gründete 1950 ein Zentralbüro in
Salzburg.
Österreich hatte zwischen den beiden Blöcken östlich und westlich des Eisernen Vorhanges
nicht viele Möglichkeiten, den Handel mit dem Ausland zu forcieren. Einerseits gab es den
28 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 315 – 324.
29 Quelle: entnommen aus MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 51 .
30 Vgl. Firmenbuchauszug der PORSCHE KONSTRUKTIONEN GMBH & CO KG. Veröffentlicht im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg unter der
Firmenbuchnummer 25834t. Elektronische Einsichtnahme am 04.02.2010.
20
COMECON (Council for Mutual Economic Assistance), der auch als Rat für gegenseitige
Wirtschaftshilfe bezeichnet wurde, welcher die Wirtschaft der osteuropäischen Staaten koor-
dinierte. Andererseits gab es die EWG (Europäische Wirtschafts-Gemeinschaft), welcher
Frankreich, Westdeutschland, die Benelux-Staaten und Italien angehörten. Österreich als
neutrales Land gehörte keiner dieser Gemeinschaften an. Dieser Zustand hatte Auswirkun-
gen auf die österreichische Automobilindustrie im Bereich der Produktion von Bussen und
Lastwagen. Die ausländische Automobilindustrie konnte sich ausdehnen und hatte auf ihren
Märkten die Konkurrenz österreichischer Produkte nicht zu fürchten.31
Die Vergrößerung der Produktionsanlagen bei den Automobilherstellern war mit größeren
Herstellungsmengen verbunden, was wiederum zu ständig wachsenden Importen nach Ös-
terreich führte. Dieser Konkurrenzdruck sowie die steigenden Lohn- und Materialkosten
drängten die österreichischen Automobilhersteller zu Fusionen oder Rationalisierungen in
deren Unternehmen. Vor allem der Nutzfahrzeugmarkt war davon sehr stark betroffen.32
Karl Radio-Radiis verkaufte 1959 seine Mehrheitsanteile an den Österreichischen Saurer-
werken an das damals stärkste Unternehmen der Branche, die Steyr-Daimler-Puch AG. Die
Fusionen in Österreich gingen im Jahr 1970 weiter. Nicht nur in Österreich, sondern auch in
Großbritannien vollzogen sich in den 60er-Jahren gewaltige Fusionierungen in der Automo-
bilindustrie. Sämtliche britischen Marken wurden unter der Flagge von British Leyland zu-
sammengefasst.
Die Stagnation in der österreichischen Automobilindustrie führte auch dazu, dass viele gut
ausgebildete Ingenieure Österreich den Rücken kehrten. Erst als Österreich 1960 der EFTA
(European Free Trade Association) betrat – einer Freihandelszone, welcher die nordischen
Länder Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland sowie Großbritannien und die
Schweiz angehörten –, gründeten ausländische Automobilhersteller vermehrt in Österreich
Filialen. Ford gab den Anstoß und gründete 1958 in Salzburg die Ford Werke AG-KG. Die
bereits seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Österreich befindliche Ford Motor Handels- und
Werkstätten GmbH, die Servicearbeiten für die amerikanischen Besatzer durchführte, wurde
aufgelassen. 1962 gründeten Citroën, 1963 General Motors Niederlassungen in Österreich.
Es folgte der Automobilhersteller Renault, welcher sich zuerst an der H. Schrack-
Automobilvertriebs-AG beteiligte und dann eine Umgründung und Änderung des Firmenwort-
lautes in Renault Österreich AG vornahm. 1969 folgte auch Chrysler mit einer Niederlassung
in Wien.33
In der Zeit zwischen 1955 und 1970 wurde das Automobil für die Österreicher selbstver-
ständlich. Die Beförderung der Güter wurde vermehrt von der Schiene auf die Straße verla-
gert. Deshalb wurden auch bessere Straßenverbindungen, vor allem Autobahnnetze erfor-
31 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 315 ff.
32 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007.S. 52 .
33 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 344 f.
21
derlich.34 1966 wurde von der Regierung für die Aufbringung finanzieller Mittel zum Zwecke
des Straßenbaues die Mineralölsteuer erhöht. Während der Amtszeit von Dr. Vinzenz Kotzi-
na als Minister für Bauten und Technik (1966 bis 1970) wurden 1,6 Milliarden Schilling jähr-
lich für den österreichischen Straßenbau, vor allem den Autobahnbau, aufgewendet.35
Die Abschaffung der zehnprozentigen Luxussteuer Ende 1970 – diese betraf nur Personen-
kraftwagen, nicht den Nutzfahrzeugbereich – durch Dr. Bruno Kreisky führte zu einem An-
stieg an Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen von 127.390 im Jahr 1970 auf 195.192 im
Jahr 1971. Das Freihandelsabkommen, abgeschlossen zwischen den EFTA-Staaten Öster-
reich, Schweden, Schweiz, Finnland und Portugal sowie der EWG, führte dazu, dass die
Zölle für deutsche, französische und italienische Autos gesenkt wurden. Somit bestand keine
Diskriminierung mehr gegenüber Schweden und Großbritannien. Dieser Umstand führte da-
zu, dass erneut die Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen anstiegen. Im Jahr 1972 gab es
221.624 Neuzulassungen.36 Aber auch die Importe von Nutzfahrzeugen stiegen an, obwohl
im Inland namhafte Lastwagenhersteller vorhanden waren.
Auslöser für diese Erhöhung an Neuzulassungen war auch die Erhöhung der Mehrwertsteu-
er ab dem 1. Jänner 1973. Die Fahrzeuge wurden zwar für Privatpersonen teurer, Unter-
nehmen konnten sich die Mehrwertsteuer jedoch als Vorsteuerabzug zurückholen. 1973 gab
es einen Einbruch an Neuzulassungen: Es gab derer „nur“ 186.982.37
34 Vgl. SEPER Hans / KRACKOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 208.
35 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 350.
36 Ebenda S. 354.
37 Vgl. SEPER Hans / KRACKOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 208.
22
38
Abb. 1: Anteil der Fahrzeugindustrie an der gesamtindustriellen Wertschöpfung in Österreich 1953 bis 2006
38 Quelle: entnommen aus MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 54.
39 Ebenda S. 55.
23
40
Abb. 2: Mehrbelastung von Import-Lkws gegenüber heimischer Produktion zwischen 1972 und 1977
Erst die Probleme wie der Ölschock 1973/74 und politische Unruhen in einigen Ländern führ-
ten wieder zur Wertschätzung einheimischer Unternehmen und der österreichischen geisti-
gen Fähigkeiten. Kooperationen mit fremden Unternehmen gaben der österreichischen Au-
tomobilindustrie, aber auch der Zweiradproduktion wieder Aufschwung.41 Am Ende der Ölkri-
se verblieben die gestiegenen Energiekosten. Die Automobilindustrie, aber auch Zulieferfir-
men befanden sich in finanzieller Bedrängnis. Chrysler in den USA, aber auch Citroën und
Volkswagen verzeichneten große Verluste. British Leyland musste vom Staat aufgefangen
werden.42
Österreich wurde ebenfalls von der Rezession erfasst. Kreisky entschloss sich durch Einge-
hen von Staatsschulden die Bauwirtschaft anzukurbeln, was ebenso zu einem erforderlichen
Maschinenbedarf führte. Die erforderlichen finanziellen Mittel für diese Maßnahmen wurden
durch Auslandsanleihen aufgebracht. Ab dem Jahr 1975 nahm die Staatsverschuldung durch
die expansive Finanzpolitik explosiv zu. Die Staatsverschuldung betrug im Jahr 1970 18,9
Prozent des Brutto-Inlandsproduktes. 1996 hatte sie 69,6 Prozent des Brutto-
Inlandsproduktes erreicht. Von der Regierung musste gegengelenkt werden. Tiefgreifende
Sparpläne im Automobilsektor wurden eingeführt. Mit 1. Jänner 1978 wurden die 30-
prozentige Luxus-Mehrwertsteuer auf Personenkraftwagen eingeführt und die Abschrei-
bungsmöglichkeiten für die Personenkraftwagen verschlechtert. Diese gesetzlichen Ände-
24
rungen führten zu einem Rückgang an Neuzulassungen. 1977 gab es 296.000 Pkw-
Neuzulassungen, im Jahr 1978 waren es nur mehr 158.000.43
Der Vorstand des Institutes für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrwesen der Tech-
nischen Universität Wien, Hans Peter Lenz, veranstaltete am 9. Juni 1978 in Wien eine Dis-
kussionstagung, auf der die Frage erörtert wurde, ob Österreich überhaupt Automobile bau-
en sollte. Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik entschieden sich fast alle für die
Automobilherstellung in Österreich, jedoch verstärkt für die Zulieferindustrie. In den folgen-
den Jahren wurde versucht, die Automobilindustrie anzukurbeln, Zulieferbetriebe anzusie-
deln oder gemeinsame Projekte mit ausländischen Unternehmen zu verwirklichen. 1979 be-
schlossen BMW und die Steyr-Daimler-Puch AG die Fertigung von Dieselmotoren in Steyr.44
Japans Automobilindustrie erlebte 1980 einen großen Aufschwung und produzierte in die-
sem Jahr 7 Millionen Personenkraftwagen – im Vergleich zu den USA mit 6,7 Millionen. Ja-
pan fasste auch in Österreich mit seinen Automarken (z. B. Mazda, Daihatsu, Toyota, Nissan
oder Mitsubishi) Fuß. General Motors Corporation eröffnete 1982 in Wien-Aspern ein Moto-
ren- und Getriebewerk.45
Ab den 70er-Jahren kam es zu Fusionierungen österreichischer Fahrzeughersteller sowie
auch zu Verkäufen von einzelnen Produktsegmenten. Finanzprobleme bei Gräf & Stift führ-
ten im Jahr 1971 zur Fusion zwischen Gräf & Stift und der Österreichischen Automobilfabrik
(ÖAF). Einige Jahre später wurde von der Steyr-Daimler-Puch AG (das Unternehmen hatte
im Jahr 1980 noch 17000 Mitarbeiter) die Lastwagenproduktion an MAN verkauft. Steyr-
Daimler-Puch veräußerte an den schwedischen Hersteller SKF die Wälzlagerproduktion, die
Busproduktion an die Volvo-Gruppe und die Traktorenproduktion an den amerikanischen
CASE-Konzern. Die General Dynamics European Land Systems erwarb 1999 21,9 Prozent
und im Jahr 2003 die restlichen Anteile der Steyr-Daimler-Puch-Spezialfahrzeug GmbH, die
die Kettenfahrzeuge im ehemaligen Saurer-Werk in Wien-Simmering produzierte. Die restli-
chen Aktienanteile an der geschrumpften Steyr-Daimler-Puch AG übertrug die Creditanstalt
im Jahr 1998 an die MAGNA-Holding.46
Die Luxus-Mehrwertsteuer für Personenkraftwagen sowie Luxusartikel wie Pelze, Schmuck
und dgl. wurde 1983 ein weiteres Mal von 30 auf 32 Prozent erhöht. Die Neueinführung der
LKW-Steuer für alle Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen ab 1. Juli
1978 führte zu Streiks bei den österreichischen Transporteuren. Auch der Widerstand der
Bundeswirtschaftskammer konnte die Einführung der LKW-Steuer nicht verhindern.47
43 Ebenda S. 365.
44 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 55.
45 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 365.
46 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 55.
47 Vgl. ANDROSCH INTERNATIONAL MANAGMENT CONSULTING GMBH (1998). Brief an Prof. Anton Kausel vom 10.08.1998. Abzurufen unter:
http://www.androsch.com/media/artikel/1059_anmerkungenzurgeschichtederhartw%C3%A4hrungspolitik_briefwechsel.pdf. Abgerufen am 19.09.2009. Vgl.
auch SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 365.
25
Die österreichische Automobilindustrie konnte sich in den letzten zwei Jahrzehnten verstärkt
entwickeln, da internationale Investoren Vertrauen in den Automobilstandort Österreich hat-
ten. Die Automobilindustrie wurde zu einem der führenden Industriezweige in Österreich. Für
eine weitere positive Entwicklung der Automobilindustrie ist jedoch auch eine Absicherung
und Unterstützung durch die Politik erforderlich. Denn rechtliche und wirtschaftliche Rah-
menbedingungen spielen eine besondere Rolle, damit die österreichischen Unternehmen
dem internationalen Wettbewerb standhalten können. Mit der Ansiedelung der Automobilun-
ternehmen in Österreich kam es auch zum Wachstum der Zulieferindustrie. Die Ansiedelung
der Betriebe ging auch in den 90er-Jahren weiter. Chrysler eröffnete im Jahr 1991 in einem
Joint Venture mit der Steyr-Daimler-Puch AG das „Eurostar“-Werk in Graz für die Herstellung
des Voyagers, später den Pkw Jeep Cherokee.48 Der Aufwärtstrend in der Automobilindustrie
hielt auch in den Folgejahren an.
Die angeführten Produktionswerte in nachstehender Abbildung erstrecken sich nicht nur auf
die Fertigung von Komplettfahrzeugen, sondern ebenso auf die Zulieferbetriebe für die Au-
tomobilindustrie.
49
Abb. 3: Produktionswerte der österreichischen Fahrzeugindustrie 1953 bis 2006
Der Beschäftigtenstand ist in den Jahren 1945 bis 2006 nicht entsprechend der Produktions-
ausweitung gestiegen (dazu Abb. 4), da bedingt durch die Automatisierung von verschiede-
nen Fertigungsabläufen eine Anhebung der Beschäftigten nicht erforderlich war. Die Auto-
matisierung soll darauf abzielen, mit niedrigerem Mitarbeiterstand eine erhöhte Produktivität
48 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 3 ff.
49 Quelle: entnommen von ebenda.S 59.
26
zu erreichen.50 Teilweise hatten sich die Umsätze in den Unternehmen verdoppelt, die Mitar-
beiteranzahl hingegen stieg durchschnittlich jedoch nur um 20 Prozent.51
Der Beschäftigtenstand der österreichischen Fahrzeugindustrie im Zeitraum 1945 bis 2006
ist nachstehender Abbildung zu entnehmen:
52
Abb. 4: Beschäftigte der österreichischen Fahrzeugindustrie 1945 bis 2006
50 Ebenda S. 61 f.
51 Vgl. PROFIL-ONLINE vom 10.07.2004. Autoindustrie: Wirtschaftsmotor. Abzurufen unter: http://www.profil.at/articles/0428/560/86604/autoindustrie-
wirtschafts-motor. Abgerufen am 20.08.2013.
52 Quelle: MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 60.
53 Ebenda S. 61 f.
54 Ebenda S. 4.
27
Nachstehender Tabelle, herausgegeben von der Wirtschaftskammer Österreich, ist zu ent-
nehmen, wie viele Arbeitnehmer im Jahr 2009 im Automobilbereich beschäftigt waren und
wie viele Betriebe welche Produktionszahlen in Millionen Euro erwirtschafteten.
55
Tab. 5: Der gesamte automotive Sektor 2009
Durch kontinuierliche Entwicklung und Forschung im Bereich der Technologien konnte ein
Beitrag der Automobilindustrie zum Umweltschutz geleistet werden, nachdem der Automo-
bilverkehr zu einem der am stärksten die Umwelt belastenden Faktoren geworden ist. Die
Automobilindustrie gab 2009 12.000 Euro für Forschung und Entwicklung pro Arbeitnehmer
aus.56
Österreich hat einen sehr guten Ruf als Produktionsstandort von qualitativ hochwertigen Er-
satzteilen. Hervorzuheben ist der Bereich Getriebe und Motoren. Die österreichischen Unter-
nehmen nehmen einen fixen Platz unter den Zulieferbetrieben der Automobilindustrie ein.
55 Quelle: entnommen aus: STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand Juni 2010. Der ganze automotive Sektor 2009. Hrsg. WIRTSCHAFTSKAMMER
ÖSTERREICH (WKO), Fachverband der Fahrzeugindustrie, Wien 2010, Kap. 4.19. Anm.: Bei den Zahlen handelt es sich um Eigenberechnungen des
Fachverbandes der Fahrzeugindustrie Österreich. Fußnote: 1) Fachverbandsdaten aus dem Jahr 2009, 2) Sonstige Daten sind Schätzungen des Fachver-
bandes der Fahrzeugindustrie. Abgerufen von: www.wko.at. am 30.09.2010.
56 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 4.
28
Führende Zulieferbetriebe im Jahr 2009 mit dem zugehörigen Mitarbeiterstand sowie Um-
satzzahlen sind nachstehender Abbildung zu entnehmen.
Führende Kfz- und Kfz-Teile-Produzenten in Österreich (Umsatz in Mio. Euro) im Jahr 2009
Umsatz 2009
Unternehmen Tätigkeitsbereiche (Veränderung 2009/2008 Mitarbeiter in Öster-
in Prozent) reich 2009
Auftragsfertigung, Entwick-
Magna Steyr lungsdienstleistungen, Kfz- 1.306/-43,2% 5.500
Teile
Sinterformteile, Gleitlager,
Miba Reibbeläge und Beschich- 312/-16,8% 1.600
tungen
Zizala Lichtsyste-
Beleuchtungssysteme 225/-1,3% 1.054
me
57
Tab. 6: Führende Kfz- und Kfz-Teile-Produzenten in Österreich im Jahr 2009
Achtzig Jahre nach der ersten Weltwirtschaftskrise 1929 wurde die Weltwirtschaft 2009 von
einer zweiten Krise mit massiven Auswirkungen erfasst. Bankenpleiten, Kurseinbrüche und
Insolvenzen von Unternehmen waren die Folge. Bereits im vierten Vierteljahr 2008 wurde die
Automobilindustrie von der Weltwirtschaftskrise stark betroffen. Die Bestellungen an Nutz-
57 Quelle: entnommen aus: Industriemagazin vom 19.08.2010. Die Top-250-Industriebetriebe im Ranking. Abgerufen von: www.industriemagazin.net. am
25.11.2012.
29
fahrzeugen zeigten im angeführten Zeitraum durchschnittlich einen Rückgang bis zu 98 Pro-
zent. Umsatzrückgänge bei den Automobilherstellern und den Zulieferfirmen führten zu
58
Kurzarbeit in den Unternehmen oder zu Kündigungen von Mitarbeitern.
Die Weltwirtschaftskrise führte zu Rückgängen bei den Zulassungszahlen gegenüber den
Vorjahren, vor allem im Nutzfahrzeugbereich. Im Jahr 2008 wurden 37.486 und im Jahr 2009
28.650 Nutzfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht
zum Verkehr zugelassen. Im Vergleich dazu waren es bei den Nutzfahrzeugen bis 3,5 Ton-
nen Gesamtgewicht im Jahr 2008: 32.746 und im Jahr 2009: 25.567. Nur bei den Personen-
kraftwagen gab es auch im Jahr der Wirtschaftskrise einen Zulassungsanstieg im Jahr 2009.
59
(2008 zugelassene Pkw 292.197 und im Jahr 2009: 319.403).
60
Abb. 5: Pkw- und Lkw-Neuzulassungen 2009 (Veränderung gegenüber 2008 in Prozent)
Die Produktionszahlen von Lastwagen im Zeitraum 1980 bis 2009 einschließlich Assembling
sind nachstehender Statistik zu entnehmen. Die Produktionszahlen sind im Jahr 2009, vergli-
58 Vgl. NA-PRESSEPORTAL vom 10.06.2009. Roland Berger Studie zur Nutzfahrzeugindustrie: Kundenbedürfnisse und Anforderungen gleichen sich
weltweit an. Der Markt der Zukunft ist global. Abzurufen unter: http://www.presseportal.ch/de/pm/100001645/100584907/roland-berger-studie-zur-
nutzfahrzeugindustrie-kundenbeduerfnisse-und-anforderungen-gleichen-sich. Abgerufen am 18.08.2013.
59 Vgl. STATISTIK AUSTRIA (2009). KFZ-Zulassungen 2009: Unterlagen zur Pressekonzerenz am 13. Jänner.2010. Direktion Raumwirtschaft. Hrsg.
Bundesanstalt Statistik Austria, Wien 2009. Abzurufen unter: http://www.statistik.at/web_de/suchergebnisse/index.html. Abgerufen am 18.08.2013.
60 Quelle: entnommen ebenda.
30
chen mit den Vorjahren, bedingt durch die Wirtschafts- und Finanzkrise erheblich gesunken.
61
Abb. 6: Lastwagen-Produktionszahlen (inkl. Assembling) 1980 bis 2009
Von der Gesamtproduktion an Lastwagen im Jahr 2009 entfiel ein Anteil von 45 Prozent auf
Lastwagen mit einem Gesamtgewicht von 5 bis 12 Tonnen, 15 Prozent entfielen auf Lastwa-
gen mit mehr als 20 Tonnen und 40 Prozent auf die Produktion von Lastwagen zwischen 12
und 20 Tonnen.
62
Abb. 7: Produktion von Lkw nach Gesamtgewicht - Produktionsverteilung (inkl. Assembling) im Jahr 2009
61 Quelle: entnommen aus: STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand März 2010. Lkw-Produktion nach Gesamtgewicht inkl. Assembling 2009. Hrsg. WKO,
Fachverband der Fahrzeugindustrie, Wien 2010, Kap. 6.9. Abgerufen von: www.wko.at. am 28.09.2010.
62 Quelle: entnommen von STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand März 2010. Produktion von Lkw nach Gesamtgewicht, Produktionsverteilung 2009
(nach PRODCOM) inkl. Assembling 2009. Hrsg. ebenda. Abgerufen von: www.wko.at am 30.06.2010. Anm.: PRODCOM (Abkürzung für Production Commu-
nautaire) ist eine Datenbank, die Statistiken über die Produktion von Gütern zur Verfügung stellt. Vgl. dazu:
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/statistics_explained/index.php/Glossary:PRODCOM/de. Abgerufen am 16.07.2013.
31
Die österreichische Kraftfahrzeugindustrie umfasste im Jahr 2009 159 Mitgliedsbetriebe, die
rund 90 Prozent ihrer Produkte exportieren. Der Großteil (rund 55 Prozent) der Exporte ging
nach Deutschland.63
Bereits 1927 wurde in einem Zeitungsartikel der Frage nachgegangen, was ein Nutzfahrzeug
ist und vor allem welche Möglichkeiten es bietet. In der Grundform ist der Lastwagen ein
Pritschenwagen. Auf den starken Längsträgern befindet sich eine gerade Ladefläche, mit
welcher Objekte, Waren, Tiere verschiedenster Art transportiert werden können.64 Aber auch
Busse zählen zu Nutzfahrzeugen. Je nach höchstzulässigem Gesamtgewicht werden Last-
kraftwagen wie folgt eingeteilt:
Die Fahrzeuge sind ein grundlegendes Element der industriellen und wirtschaftlichen Ent-
wicklung, deren Bedeutung man sich in den Anfangsjahren des Automobilbaus noch nicht im
Klaren war. Die Nutzfahrzeugzeugindustrie zählt zu einem volkswirtschaftlich wichtigen Wirt-
schaftszweig, wobei bedeutende Nutzfahrzeughersteller in Österreich zu produzieren be-
gannen.
63 Vgl. WIEKERT Martin (2012), Branche kompakt: Österreich – Kfz-Industrie und Kfz-Teile. Hrsg. Germany Trade and Invest Gesellschaft für Außenwirt-
schaft und Standortmarketing mbH, Köln 2012. S 4.
64 Vgl. WOLFANG Westerwelle (2007), Lastkraftwagen. Geschichte – Technik – Typen. Vgl. auch WIEKERT Martin (2012), Branche kompakt: Österreich –
Kfz-Industrie und Kfz-Teile. Hrsg. Germany Trade and Invest Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH, Köln 2012. S 4.
65 Vgl. STATISTIK AUSTRIA. Fahrzeugbestand 31. August 2013. Bundesanstalt Statistik Austria, Wien 2013. Abzurufen unter:
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/verkehr/strasse/kraftfahrzeuge_-_bestand/index.html. Abgerufen am 13.10.2013.
32
1) Austro Fiat
66 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. Hrsg. Österreichische Automobilfabrik,
ÖAF-Gräf & Stift Aktiengesellschaft, Wien - Wels 1994. S. 13.
67 Ebenda S. 26.
33
erste Mitglied des Kaiserhauses, Erzherzog Leopold Salvator, seine Lenkerprüfung ab. In der
Zeit von 1908 bis 1938 wiesen die Fiat-Fahrzeuge die höchste Importquote in Österreich
auf.68
Die Lastwagenherstellung hatte in diesen Jahren noch geringe Bedeutung. Die Fuhrunter-
nehmer griffen wegen des Preisleistungsverhältnisses immer noch auf Pferd und Wagen
zurück. Der Österreichische Automobil-Club lud vom 3. bis 17. Oktober 1909 die Nutzfahr-
zeughersteller zu einer Nutzwagen-Konkurrenz-Veranstaltung – unter militärischer Beobach-
tung – ein. Hier sollten die Fahrzeuge auf Sicherheit und Treibstoffverbrauch erprobt werden.
Zwei Lastwagen der österreichischen Daimler-Motoren-Gesellschaft, ein Büssing-Lastwagen
sowie ein Bus von Büssing, ein Daimler-Bus und ein Daimler-Lastwagen, ein Berna-
Lastwagen, zwei Puch-Mulag-Lastwagen sowie ein Fiat-Lieferwagen und ein Fiat-Lastwagen
stellten sich der Konkurrenz. Alle Fahrzeuge absolvierten 1100 Kilometer und wurden für in
Ordnung befunden.69
Um die Lastwagenproduktion in Österreich anzukurbeln, wurde der gleiche Weg wie in
Deutschland eingeschlagen: Durch großzügige Subventionen wollte man den Kauf der Last-
wagen forcieren. Zehn Lastwagen der österreichischen Automobilfabriken wurden in einer
Prüfungsfahrt getestet. Die Prüfungsfahrt war ausschlaggebend, dass folgende österreichi-
schen Automobilfabriken nachstehende Stückzahlen an sogenannten „Subventionslastwa-
gen“ herstellen durften:
A. Fross (Büssing), Automobilfabrik, Wien 27 Motorlastzüge
Bömisch-mährische Maschinenfabrik in Prag 18 Motorlastzüge
Wiener Automobilfabrik A.G. vorm. Gräf & Stift, Wien 10 Motorlastzüge
Fiat-Werke AG in Wien-Floridsdorf 6 Motorlastzüge70
Der Kauf von Subventionslastwagen durch Fuhrunternehmern wurde von der k.u.k. Heeres-
verwaltung großzügig subventioniert. Ein Fünf-Tonnen-Lastzug kostete etwa 30.000 Kronen,
die Subvention betrug 13.500 Kronen.71 Durch die Subvention verpflichtete sich der Käufer,
Lastwagen und Fahrer jederzeit für Waffenübungen bereitzustellen, den Lastwagen für eine
Fahrtstrecke von 300 km mit Treibstoff zu versorgen und die Ladefläche am Fahrzeug zu
belassen.72
Diese Fördermaßnahme führte bald zu einer großen Produktionssteigerung bei Fiat und den
anderen Herstellern. Der Teamsieg bei den Tourenwagen bei der Österreichischen Alpen-
fahrt 1912 trug zu weiteren Aufträgen bei, sodass in den Werken in zwei Schichten gearbei-
68 Ebenda S. 34.
69 Ebenda S. 35.
70 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. Hrsg. Österreichische Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift Aktiengesellschaft, Wien - Wels 1991. S. 105.
71 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 41.
72 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. S. 104.
34
tet werden musste.73 Keine Subventionsberechtigung wurde den Fahrzeugen der Johann
Puch AG zuerkannt, da die Fahrzeuge nicht den vorgeschriebenen Erfordernissen entspra-
chen. Die Fahrzeuge der Schweizer Berna-Motorwagenfabrik wiesen zwar die notwendigen
Erfordernisse auf, wurden jedoch nicht als inländische Fahrzeuge anerkannt und erhielten
deshalb ebenfalls keine Subventionsberechtigung.74
Durch ihre Verdienste im Jahr 1912 erhielt die Fiat-Werke AG die Auszeichnung und Erlaub-
nis, den kaiserlichen Adler in Schild und Siegel zu führen. Die Fahrzeuge von Austro-Fiat
trugen bis 1925 nachstehendes Logo:
75
Logo 1: Austro-Fiat-Fahrzeuge
Copyright Österreichische Automobil-Fabriks-AG (nunmehr Volkswagen AG)
Diese Auszeichung erhielten auch die Wiener Automobilfabrik AG, vormals Gräf & Stift, und
die Österreichische Daimler-Motoren AG.
1912 wurde das Aktienkapital der Fiat-Werke AG von 750.000 Kronen auf zwei Millionen
Kronen aufgestockt. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte das Unternehmen rund 400 Arbeit-
nehmer.
Neben dem Bau von Fahrzeugen beschäftigte sich die Fiat-Werke AG auch mit der Herstel-
lung von Bootsmotoren und Motorbooten. Fünf verschiedene Bootsmotoren wurden produ-
ziert. Für die Österreichische Post wurde eine Einheitstype E 13 hergestellt. Die Fahrzeug-
lenker der Postfahrzeuge waren in den Wintermonaten mit dem Zusammenbau der Fahr-
zeuge E 13 betraut. Bei auftretenden Fehlern konnten diese daher von den Fahrern gleich
behoben werden.
Giovanni Agnelli veranlasste aufgrund der Expansionstätigkeiten der Fiat-Werke AG eine
Kapitalerhöhung von 3 auf 4,5 Millionen Kronen, wobei das neue Aktienpaket ausschließlich
Fiat Turin übernahm.76
73 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 41. Anm.: Die Österreichische Alpenfahrt
wurde von 16. bis 23. Juni 1912 abgehalten, wobei eine Strecke von 2.300 km absolviert wurde. Der Teamsieg der Fahrzeuge bedeutete für das
Unternehmen einen großen Erfolg und zeichnete die Fahrzeuge für hervorragende Sicherheit aus.
74 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. Hrsg. ÖAF-Gräf & Stift. S. 104 f.
75 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.voz.co.at/VKMA/AF/af.html. Abgerufen am 11.08.2013.
76 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 68.
35
Die Beziehung zwischen Fiat Wien und Fiat Italien wurde mit der Kriegserklärung vom 23.
Mai 1915 abrupt abgebrochen. Eine weitere Folge der Kriegserklärung war, dass der Fir-
menwortlaut mit Beschluss vom 2. Mai 1916 in Austro-Fiat AG geändert wurde. Fiat Turin
stellte keine Schadenersatzansprüche, als die Austro Fiat AG vertragsbrüchig wurde, denn
der Lizenzvertrag zwischen Fiat Wien und Fiat Turin im Jahr 1907 war auf 20 Jahre abge-
schlossen worden.
Durch den Erwerb einer Lizenz der Österreichischen Industriewerke GmbH Warchalowski,
Eissler & Co wurden Flugmotoren – sogenannte Hiero-Flugmotoren – in das Produktions-
programm mit aufgenommen. Die Hiero-Flugmotoren wurden nach Otto Hieronimus, ihrem
Erfinder, benannt.
Ing. Guido Fornaca wurde in den Verwaltungsrat der Austro-Fiat AG gewählt, da Adolf Egger
in den Dienst der Heeresverwaltung abberufen wurde. Adolf Egger sollte die Produktion für
die Heeresverwaltung bei Austro-Fiat ausweiten und die Geschicke des Werkes in Ungarn
leiten. Die Zweigstelle in Ungarn wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges hatte die Austro-Fiat AG wie andere Betriebe große
Probleme. Die Arbeitnehmeranzahl musste von 1800 auf 300 reduziert werden, da die Auf-
träge fehlten. In kürzester Zeit fanden Umstrukturierungen im Unternehmen statt. Auch Fiat
Turin trat wieder in Verhandlungen mit der Austro-Fiat AG und verlängerte 1919 den Lizenz-
vertrag ohne Gegenleistung.77
Zu den ersten Nachkriegsproduktionen zählten die Exzelsior-Motorpflüge, die in landwirt-
schaftlichen Betrieben eingesetzt wurden. Die Pflüge waren mit einem 35-PS-Fiat-Motor
ausgerüstet, und es konnten mit ihnen täglich rund vier bis fünf Hektar bearbeitet werden.
Dieser Motor wurde auch in Lastwagen eingebaut.
Im Jahr 1919 verkaufte Fiat Turin die Aktienmehrheit an der Austro-Fiat AG an die Österrei-
chische Creditanstalt. Gleichzeitig wurde der Firmenname in Österreichische Automobil-
Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat, geändert. Adolf Egger konnte eine Fusion,
die Camillo Castiglioni, der neu gewählte Vizepräsident der Österreichischen Automobil Fab-
riks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat mit der Österreichischen Daimler-Motoren AG
und der Puchwerke AG anstrebte, verhindern. Eine Interessensgemeinschaft war jedoch
nicht zu vermeiden.
Der Schnell-Lastwagen der Type AFN wurde erstmals auf der Wiener Frühjahrsmesse 1924
vorgestellt. Das Fahrzeug wurde vor allem als Krankentransportwagen, geschlossener Lie-
ferwagen oder Gesellschaftswagen, wie die Omnibusse damals genannt wurden, eingesetzt.
Es erreichte eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 70 km/h. 1924 erlebte das Lastwa-
gengeschäft einen Aufschwung, der Absatz an Personenwagen war jedoch rückläufig. Be-
trachtet man die Gesamtproduktion, war der Anteil an Personenwagen immer noch größer
als jener an Lastwagen. Das Augenmerk bei der Produktion wurde künftig von der Unter-
36
nehmung verstärkt auf den Güterverkehr und damit auf die Nutzfahrzeuge gelegt. Dies war
deshalb möglich, da die Unternehmung mit den modernsten Maschinen ausgestattet war und
anderseits auch über genügend Know-how verfügte.
Aufgrund des Kapitalbedarfes wurde 1925 das Aktienpaket an der Ungarischen Automobil
Fabriks-AG, vormals Magyar-Fiat, und jenes an der Ungarischen Flugmotoren Fabriks-AG,
vormals Ganz-Fiat, verkauft. Der Verkauf erfolgte auch in Anbetracht des Zerfalles der Mo-
narchie, da kein Interesse an einer Fertigung in Ungarn bestand.
Fiat Turin gründete in Österreich und der Tschechoslowakei nach Absprache mit der Öster-
reichischen Automobil Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat, eine Verkaufsgesell-
schaft. Die Österreichische Fiat-Automobil-Verkaufsgesellschaft m.b.H. wurde am 6. No-
vember 1925 gegründet – an ihr war die Österreichische Automobil-Fabriks-Aktien-
gesellschaft, vormals Austro-Fiat beteiligt. Die Österreichische Automobil-Fabriks-Aktien-
gesellschaft, vormals Austro-Fiat, hatte bis zu diesem Tage das alleinige Vertriebsrecht für
die Fiat-Produkte in Österreich. Das Vertriebsrecht wurde nunmehr an die Österreichische
Fiat-Automobil-Verkaufsgesellschaft m.b.H. übertragen.
Die Fahrzeuge der Österreichischen Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-
Fiat, trugen ab dem Jahr 1925 nachstehendes Logo:
78
Logo 2: Österreichische Automobil-Fabriks-AG, vormals Austro-Fiat-Fahrzeuge
Copyright Österreichische Automobil-Fabriks-AG (nunmehr Volkswagen AG)
37
Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat, einladen. Die Fahrzeuge bewirkten aufgrund
der guten Qualität einen wachsenden Kundenkreis.79
Von Jahr zu Jahr verlagerte die Österreichische Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft, vor-
mals Austro-Fiat, die Produktion immer mehr auf die Herstellung von Lastwagen, Omnibus-
sen und Spezialfahrzeugen. Augenmerk wurde auf Rationalisierungen gelegt, um mit der
wachsenden Konkurrenz mitzuhalten.80
Die Weltwirtschaftskrise 1929 erfasst auch Österreich. Die Boden-Creditanstalt wurde zah-
lungsunfähig und mit dem Creditinstitut für Handel und Gewerbe fusioniert. Diese Fusion
zeigte auch Auswirkungen auf die Österreichische Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft,
vormals Austro-Fiat. Dennoch konnte trotz Wirtschaftskrise und mangelnder Abnahme 1929
das 2500. Fahrgestell das Werk verlassen. Im Unternehmen entstand 1929 zusätzlich eine
Produktionsabteilung für Feuerlöschgeräte, die 1930 in eine neu gegründete Gesellschaft
eingebracht wurde.
Auf der Geschäftswagenschau in Wien im Jahr 1930, die vom Verband der österreichischen
Reklame-Fachleute veranstaltet wurde, präsentierten namhafte österreichische Automobil-
hersteller wie Gräf & Stift, die Saurerwerke, Fross-Büssing und die Österreichische Automo-
bil-Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat, ihre Nutzfahrzeuge.
Mit 28. Jänner 1931 wurde die Einführung der Steuer auf Benzin und andere Betriebsstoffe
von Kraftfahrzeugen sowie eine Abgabe auf Kraftfahrzeuge beschlossen. Daraufhin wurden
18.000 Automobile abgemeldet – und im Vergleich dazu 5154 Kraftfahrzeuge neu angemel-
det.
Die Creditanstalt, die aufgrund politischen Druckes mit der Boden-Creditanstalt fusionieren
musste, stand nach der Fusion 1931 ebenfalls vor dem finanziellen Ruin. Durch Kreditge-
währungen aus dem Ausland sowie Haftungsübernahmen seitens der Regierung konnte ein
Bankrott verhindert werden. Die Aktien, welche die Creditanstalt an der Österreichischen
Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat, sowie an anderen österreichi-
schen Unternehmen hielt, wurden an eine Schweizer Holding-Gesellschaft verpfändet. 1933
wurde das Aktienpaket wieder von Fiat Turin erworben.
Die Wirtschaftskrise in den 30er-Jahren wirkte sich auch auf die Österreichische Automobil-
Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat, aus. Durch die eingeführten Steuern waren
Umsatzrückgänge zu verzeichnen, was wiederum mit Einschränkungen im Fabrikationspro-
gramm sowie einer Arbeitszeitreduktion einherging.
Die Zahl der Neuzulassungen von Automobilen stieg im Jahr 1933 in den anderen Ländern
gegenüber dem Jahr 1932 um 20 bis 40 Prozent, in Deutschland sogar um 100 Prozent. Ös-
terreich verzeichnete einen Rückgang von 48 Prozent. Die Österreichische Automobil-
79 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 90.
80 Folgende Ausführungen beziehen sich auf ebenda S. 110 ff.
38
Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-Fiat, schrieb trotz der wirtschaftlichen Schwierig-
keiten – dank Adolf Egger – keine Verluste, durch die niedrigen Gewinne konnten lediglich
keine Ausschüttungen an die Aktionäre vorgenommen werden.
1936 sicherte sich die Österreichische Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals Austro-
Fiat, die Produktionslizenz an den M.A.N.-Dieselmotoren für Österreich und Osteuropa. Die
ersten dieser Motoren wurden 1936 präsentiert. In den Jahren 1936 und 1937 konnte durch
den Einbau der M.A.N.-Dieselmotoren der Absatz an Lastwagen und Omnibussen gesteigert
werden, was im Jahr 1937 wieder zu einer Ausschüttung von sieben Prozent des Gewinnes
an die Aktionäre führte.
1939 emigrierte Adolf Egger – da jüdischer Abstammung – mit seiner Gattin nach Italien und
fand in einem Haus Giovanni Agnellis Unterschlupf. Eggers Sohn, Victor Egger, wurde in
einer Internatschule in London untergebracht; ein Teil des Schulgeldes wurde von Fiat-Turin
bezahlt. Eggers zweiter Sohn, Franz Egger, emigrierte zu Kriegsbeginn nach Südamerika,
wo er eine Anstellung bei der argentinischen Fiat-Gesellschaft annahm.
1938 befanden sich 51,42 Prozent der Aktien des Unternehmens im Besitze der Fiat S.p.A.
Turin.81 1940 wurde das Aktienpakt von Fiat Turin an die Maschinenfabrik Augsburg-
Nürnberg Aktiengesellschaft (M.A.N.) veräußert. Gleichzeitig wurde auch der Firmenwortlaut
in Österreichische Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft (ÖAF) geändert. Das Markenzei-
chen AF, das für Austro-Fiat gestanden war, stand nun für Automobil Fabrik und wurde von
einem großen O umgeben. Das „vormals Austro-Fiat“ war im Markenzeichen nicht mehr vor-
zufinden.82
81 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1942. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1942, Maschinen- und Metall-Industrie, Compass-Verlag, Wien 1942. S. 557.
82 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 140.
39
Das Logo der Fahrzeuge hatte nun folgendes Aussehen:
83
Logo 3: Österreichische Automobil-Fabriks-AG (ÖAF)-Fahrzeuge
Copyright Österreichische Automobil-Fabriks-AG (nunmehr Volkswagen AG)
General Adolf von Schell veranlasste als Generalbevollmächtigter, dass eine Typenbereini-
gung bei den Fahrzeugen vorgenommen wurde. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass
eine größere Anzahl gleicher Fahrzeuge in kurzer Zeit produziert werden konnte. Während
des Zweiten Weltkrieges produzierte die ÖAF die geländegängigen Lastwagen der M.A.N.-
Type ML 4500. Die Type wurde später umbenannt in M.A.N.-Type SML 4500. Das „S“ stand
für General Schell.84
In der Generalversammlung vom 22. Mai 1939 wurde in der Reichsmarkeröffnungsbilanz
zum 1. Jänner 1939 ein Teil des Eigenvermögens des Unternehmens von 5.316.645
Reichsmark (RM) einer gesetzlichen Rücklage in Höhe von 868.035 und einer freien Rückla-
ge von 848.610 RM zugeführt. Das Aktienkapital blieb mit 3.600.000 RM unverändert. Das
Umtauschverhältnis der Aktien betrug zehn alte Aktien (zu je 15 Schilling) zu einer neuen
Aktie (zu je 100 RM). Weiters ermächtigte die Hauptversammlung am 30. Mai 1941 den Vor-
stand – unter Zustimmung des Aufsichtsrates –, bis Ende 1945 das Aktienkapital auf
5.400.000 RM zu erhöhen. Bereits im Jahr 1941 wurde das Aktienkapital durch Ausgabe von
400 Aktien zu je 1000 RM auf 4.000.000 RM erhöht.
Dem Vorstand gehörten damals Dipl.-Ing. Wilhelm Reucher, Fritz Schönbichler sowie die
Prokuristen Karl Batke und Franz Herout an. Dem Aufsichtsrat gehörten Dipl.-Ing. Otto Mey-
er als Vorsitzender, Victor Freiherr von der Lippe als stellvertretender Vorsitzender, Prinz
Tassilo Fürstenberg, Dr. Rudolf Nemetschke, Dr. Rudolf Pfeiffer, Bergassessor Dr. Hermann
Reusch, Alexander Graf van der Straten, Adolf Warnecke und Dr. Hans Wellhausen an.85
40
Mit 1. Jänner 1941 ging die Wagen-, Karosserie- und Automobil Fabriks-AG, vormals A.
Weiser & Sohn, an welcher die Österreichische Automobil-Fabriks-Aktien-gesellschaft mehr-
heitlich beteiligt war, im Zuge der Verschmelzung an die Österreichische Automobil-Fabriks-
Aktiengesellschaft über.
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum Stichtag 31. Dezember, in Tsd. Reichsmark) zeigten fol-
gende Zahlen:
Jahr Baulichkeiten und Vorräte und Kreditoren und sonstige Bankverbind- Gewinn
Maschinen Debitoren Verbindlichkeiten lichkeiten
86
Tab. 7: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1940 bis 1943
Unter den Beteiligungen waren im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1943 553.001 RM
ausgewiesen. Beteiligungen bestanden an folgenden Unternehmen: der Wiener Motoren-
werke Ges. m. b. H., der Pöcher & Co Automobil-Reparatur Ges. m. b. H., der Metropol Au-
toverkehrs- u. Garage Ges. m. b. H. und der Motoren Reparaturwerk Ölfeld Ges. m. b. H.
1945 befanden sich 72,17 Prozent der Aktien der ÖAF im Besitze der Maschinenfabrik
Augsburg-Nürnberg Aktiengesellschaft (M.A.N.).87
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Werkshallen zum Teil gänzlich zerstört. Maschinen
wurden von den russischen Besatzern demontiert.88 Herr Wolfgang Schwetz begann in den
70er-Jahren als Mechaniker im Unternehmen ÖAF. Heute ist er leitender Angestellter im
MAN-Konzern. Herr Schwetz ist 40 Jahre im Unternehmen beschäftigt und hat seit Eintritt
viele Änderungen im Unternehmen miterlebt. Er berichtete, dass die Maschinen von den
86 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das
Jahr 1942 und 1943. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1942. S. 557. Vgl. auch ebenda 1943. S. 508.
87 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1943. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1943. S. 508.
88 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich, Wien 2008. S. 142.
41
Russen auf Waggons verladen und abtransportiert wurden. Die Maschinen seien, so vermu-
tete man bei ÖAF, nicht nach Russland transportiert worden, sondern auf den Waggons ver-
rostet.89
Die Hallen der ÖAF befanden sich in der russischen Besatzungszone. Die M.A.N. hatte 1939
das Aktienpaket an der Österreichischen Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft, vormals
Austro-Fiat, von Fiat Turin erworben. Deswegen wurde am 10. Mai 1945 die ÖAF zum deut-
schen Eigentum erklärt und unter öffentliche Verwaltung gestellt. ÖAF wurde zu einem USIA-
Betrieb90. Zu den öffentlichen Verwaltern der ÖAF wurden Franz Herout und als sein Stell-
vertreter Hans Lidmansky bestellt.91 Der M.A.N. wurde gemäß Gesetz Nr. 53 der amerikani-
schen Besatzungszone vorgeschrieben, die ÖAF-Aktien an die Deutsche Reichsbank zu
übergeben. Damit hatte M.A.N. keine Verfügungsmacht mehr über die ÖAF-Aktien. „Das im
September 1951 erlassene alliierte Gesetz über die Verwertung deutscher Vermögenswerte
in den Feindstaaten war allerdings auf das deutsche Eigentum in Österreich nicht anwend-
bar.“92
In den Jahren 1945 und 1946 wollte die sowjetische Wirtschaftspolitik durch die Bildung ös-
terreichisch-sowjetischer Gesellschaften kommunistische Ziele bei einzelnen Unternehmen
durchsetzen. So wurde von den Sowjets im Frühjahr 1946 geplant, das deutsche Eigentum
in gemeinsamen Gesellschaften zu verwalten. Um dieses Ziel zu erreichen, nahmen die Be-
schlagnahmeaktivitäten zu. Anfang Mai 1946 wurde das Automobil- und Flugzeugmotoren-
werk der ÖAF von den Sowjets besetzt und die Produktion einer sofortigen Kontrolle unter-
zogen. Der Industriekommandant Major Schkanow entschied über die Lieferfreigabe jedes
produzierten Lastwagens. Die Sowjets beanspruchten nur den deutschen Anteil am Aktien-
kapital und setzten zur Wahrung ihrer Interessen einen eigenen Werksbevollmächtigten ein.
Die öffentlichen Verwalter blieben in ihrer Funktion, mussten aber mit dem Werksbevoll-
mächtigten zusammenarbeiten. Das Vorhaben, sowjetisch-österreichische Gesellschaften zu
gründen, scheiterte nach Verhandlungen mit der österreichischen Regierung. Deshalb wurde
mit Befehl Nr. 17, vom 7. Juli 1946, verordnet, dass deutsches Eigentum – auch Aktien, die
im deutschen Besitz waren –, in russisches Eigentum zu überführen ist.
Die Ende 1944 beschlossene Gemeinschaftsfertigung der Wiener Fahrzeugfirmen wurde
nach Kriegsende wieder verworfen. Zwischen ÖAF, Gräf & Stift sowie den Saurerwerken
89 Gemäß Aussagen von Herrn Wolfgang Schwetz, Leiter der After Sales Abteilung der MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich AG. Gespräch am
11.10.2012, Bürogebäude Barbara Preimel, Ponauer Straße 53 a, Spittal/Drau.
90 Anm.: USIA (Uprawlenje Sowjetskim Imuschestwom w Awstrii) steht für die Verwaltung des sowjetischen Vermögens in Österreich. Durch die Errichtung
der USIA verfolgte die UdSSR drei Ziele: 1. Der Ertrag der in den USIA-Konzern eingegliederten Betriebe sollte der UdSSR als Entschädigung für die
materiellen Schäden im Zweiten Weltkrieg dienen. 2. Die Truppen der Roten Armee, die Bevölkerung der UdSSR sowie andere Ostblockstaaten sollten mit
den Gütern der Betriebe versorgt werden. 3. Die Mitarbeiter der Betriebe sollten mit der Ideologie des Kommunismus vertraut werden. Vgl. FEIGL Helmuth /
KUSTERNIG Andreas (1983), Die USIA-Betriebe in Niederösterreich. Geschichte, Organisation, Dokumentation. Studien und Forschungen aus dem
Niederösterreichischen Institut für Landeskunde. Band 5, Wien 1983. Vorwort S.-X-.
91 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 145.
92 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 142.
42
wurde beschlossen, einen 5-Tonnen-Diesel-Lkw zu entwickeln. Dieses Vorhaben wurde je-
doch nie Realität.
Unter schwierigsten Bedingungen wurde die Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg aufge-
nommen. Zwar waren die Produktionshallen in Floridsdorf nicht schwer beschädigt, doch von
den 1000 Maschinen, die zu Kriegsende vorhanden waren, wurden 776 von den Sowjets
beschlagnahmt. Die Beschädigungen durch die Fliegerangriffe betrugen rund 5,4 Millionen
Schilling. 9,3 Millionen Schilling betrugen die Schäden durch Kampfhandlungen zu Ende des
Krieges – russische Requirierungen eingeschlossen.
Es wurden vorerst die Reparaturarbeiten an den Kraftfahrzeugen aufgenommen. Die ÖAF
steigerte die Mitarbeiterzahl im Jahr 1945 kontinuierlich: Im Juni 1945 waren 80 Mitarbeiter
im Unternehmen tätig, davon 45 in der Produktion. Im August waren es bereits 201, im No-
vember 326 – und im Jänner 1946 waren 420 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Großteil der Mitar-
beiter war mit Aufräumarbeiten befasst. Auch im fast unbeschädigten Flugmotorenrepara-
turwerk wurden Fahrzeugreparaturen durchgeführt. Die Sowjets sprengten 1948 dieses
Werk. Die Geschäftsführung der ÖAF lag formal bei den bestellten Verwaltern der Republik
Österreich, die wiederum der russischen Militärverwaltung unterstellt waren. Generaldirektor
war wiederum ein russischer Kontrolloffizier. Die ÖAF war – wie insgesamt 253 Unterneh-
men – in den USIA-Konzern eingegliedert. Von den 253 Unternehmen waren 39 Betriebe in
der Stahl- und Metallindustrie und vier Betriebe in der Fahrzeugproduktion tätig. Die USIA-
Betriebe und die SMV (Sowjetische Mineralölverwaltung) beschäftigten 55.000 Mitarbeiter
und produzierten fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der USIA-Konzern wurde von
einem sowjetischen Generaldirektor und drei Stellvertretern geführt. Zwischen den USIA-
Betrieben bestanden klare Richtlinien. So mussten USIA-Betriebe, die einen Überhang an
Aufträgen hatten, diese an andere Betriebe abgeben. Von diesen Richtlinien profitierte auch
ÖAF, da die Siemens-Schuckert-Werke Aufträge an die ÖAF abgeben mussten.
Von den USIA-Betrieben wurden keine Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte veröffent-
licht, da dies verweigert wurde.93 Veröffentlicht wurden nur die Namen der Direktoren, Mittei-
lungen über Aktienkapital, Aktienkurse und eventuelle Änderungen der Statuten. Die letzte
Bilanz der ÖAF, die veröffentlicht wurde, war jene zum 31. Dezember 1943.94
Es wurde von diesen Betrieben nur ein geringer Anteil an Steuern und Zöllen entrichtet, da
sich die österreichische Justiz nicht dazu bereit erklärte, die sowjetischen Ansprüche am
deutschen Eigentum zu bestätigen und die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister
vorzunehmen. Andererseits wollte die USIA-Verwaltung jedoch Subventionen vom österrei-
chischen Staat erhalten. So wurde bei der ÖAF ein Exportauftrag nach Ungarn zum Weiter-
export in die Türkei über eine österreichische private Gesellschaft abgewickelt, um in den
Genuss der staatlichen Exportprämie zu gelangen.
93 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 142 – 146.
94 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1942. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1942. S. 559.
43
Die ersten zwei Lastwagen – zwei Fünftonner – wurden am 9. November 1945 im Beisein
von Vertretern der Roten Armee, der Gewerkschaft und von Funktionären der SPÖ und KPÖ
an die Ankerbrot-Werke und die E-Werke der Stadt Wien ausgeliefert. Für das Jahr 1946 war
die Produktion von 170 Fahrzeugen geplant.95
Auf der Wiener Frühjahrsmesse im März 1947 wurde bereits der 100. Lastkraftwagen, ein
Fünftonner, präsentiert.96 Dieser Fünftonnen-Lastkraftwagen war mit einem 110-PS-
Dieselantrieb ausgestattet. Diese Fahrzeugtype wurde grundsätzlich für den Export produ-
ziert, um im Gegenzug Werkzeugmaschinen geliefert zu bekommen.97 ÖAF plante, im Jahr
1947 170 Einheiten des 4,5-Tonnen-Lkws des Typs ML 4500, ausgestattet mit dem M.A.N.-
Dieselmotor, herzustellen. Die Fahrzeuge wurden nicht komplett ausgestattet an den Kunden
geliefert. Der Kunde musste die elektrischen Anlagen, Batterie, Bremsanlage und Bereifung
selbst beistellen. Kunden, die keine Bezugsscheine beim Kauf vorweisen konnten, mussten
außerdem die Lieferungen von Blech, Maschinen, Elektromotoren, Holz oder Gleichartiges
beibringen. Da diese Produkte nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich waren, lag der Kaufpreis
für einen kompletten Lastwagen bei rund 150.000 Schilling – davon machte das noch nicht
komplett ausgestattete Fahrzeug etwa 97.000 Schilling aus.98
1948 präsentierte die ÖAF bei der Wiener Herbstmesse einen Elektro-Kleinbus, den 5 ENO,
welcher als Paketwagen für die Post- und Telegraphenverwaltung vorgesehen war.99 Tram-
busse und luxuriöse Reiseomnibusse wurden im Jahr 1949 in das Produktionsprogramm mit
aufgenommen.100 Bis zum Jahr 1950 wurden 25 Stück dieses Fahrzeuges produziert. 1951
wurde bereits der 2 ENO vorgestellt.101
Ein wendiger Kleinlastwagen – ein ausschließlich österreichisches Produkt – mit eineinhalb
bis zwei Tonnen Nutzlast (Serie 2 D 50) und einem 50 PS Viertaktmotor ging im Jahr 1952 in
Produktion und erfreute sich großer Beliebtheit.102 1953 wurde schon das Nachfolgemodell,
der 6 D 130 – sowohl als Hauben- als auch als Frontlenkervariante – mit einer Motorleistung
von 130 PS produziert.
Die Fahrzeuge waren billig und einfach in der Handhabung. Sie wurden als Koffer-, Prit-
schen- und Kastenwagen, aber auch als Kleinbusse gebaut. Im Bereich der Sonderfahrzeu-
ge wurden Dreiseitenkipper, Allradfahrzeuge, Tankfahrzeuge, Sattelschlepper und Groß-
raumtiefkühlwagen produziert. Besonderheit der Unternehmung war, dass individuelle Kun-
denwünsche berücksichtigt wurden.103 Da die ÖAF ein kleinerer Automobilhersteller war,
95 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 144 f.
96 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 145.
97 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 213.
98 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 147.
99 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 147
100 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 213.
101 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 150.
102 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 148.
103 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWITZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 213.
44
konnte sie besonders auf spezielle Kundenansprüche eingehen. Innerhalb einiger Jahre
machte sich die ÖAF einen guten Namen im Nutzfahrzeugbereich. Das Programm reichte
von Kleinlastwagen bis zu Lastwagen, welche schwersten Bedingungen ausgesetzt waren,
und Sonderfahrzeugen. Der Abnehmerkreis lag vor allem im Osten, da das Unternehmen
unter russischer Verwaltung stand.104 Im Jahr 1953 produzierte ÖAF bereits 429 Lastwagen,
davon wurden in Österreich 296 verkauft, was einem Marktanteil von 5,5 Prozent entsprach.
Auch im Busbereich war die Situation ähnlich. 10 Busse wurden in Österreich verkauft, Sau-
rer verkaufte hingegen 84 und Gräf & Stift 63 Stück.105
Die Produktpalette der Fahrzeuge in den 50er-Jahren umfasste Kipper- und Muldenkipper-
fahrzeuge, Benzin- und Trinkwassertankwagen und Kastenwagen von 50 bis 140 PS Motor-
leistung und einem Gesamtgewicht von sechs Tonnen. Im Omnibusbereich waren 30- bis
34-Sitzer im Produktionsprogramm.106
ÖAF durfte die an die Sowjetunion gelieferten Fahrzeuge nur zu bestimmten Kosten weiter-
verrechnen. Weiters wurden abgeschriebene Anlagen im Unternehmen aufgewertet und so
Scheingewinne erwirtschaftet, und außerdem mussten dem Umsatz entsprechende
Zwangsabgaben an die USIA-Verwaltung abgeliefert werden. Im Zeitraum 1946 bis 1955
wurden 41,4 Millionen Schilling an USIA-Umlagen und acht Millionen an Lizenzgebühren
entrichtet. Arbeitsrechtliche Begünstigungen wurden noch in diesem Zeitraum abgeschlos-
sen, aber erst später schlagend.107
Auffassungsunterschiede bestanden bei der Verwaltung des deutschen Eigentums, welches
in der westlichen und der russischen Besatzungszone lag. Durch die Beschlüsse von Pots-
dam im Jahr 1945 war die Sowjetunion der Ansicht, dass sie durch den Verzicht auf zu leis-
tende Reparationszahlungen seitens der Republik Österreich Eigentum an dem deutschen
Vermögen, welches in der russischen Besatzungszone lag, erworben hatte. Anders wurde
das deutsche Vermögen in der westlichen Besatzungszone behandelt. Das deutsche Eigen-
tum wurde dort nicht enteignet, sondern nur beschlagnahmt, die Frage, wer Eigentümer war,
blieb offen. Ziel der Regierung war es – dabei waren sich beide Großparteien SPÖ und ÖVP
einig – Unternehmen, die im deutschen Eigentum standen, zu verstaatlichen. Ziel der Ver-
staatlichung war es, die deutschen Vermögenswerte den Besatzungsmächten wieder zu ent-
ziehen.
Am 26. Juli 1946 wurde das erste Verstaatlichungsgesetz erlassen, welches das Bankwe-
sen, aber auch die Eisen- und Stahlindustrie umfasste. Verstaatlicht wurden die Creditan-
stalt-Bankverein, die Länderbank und das Österreichische Credit-Institut. Ebenfalls verstaat-
licht wurden die Werften und die Chemie- und Erdölindustrie. Durch das zweite Verstaatli-
chungsgesetz, erlassen am 26. März 1947, wurde ein Großteil der Elektrizitätswirtschaft ver-
104 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 148.
105 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 148.
106 Ebenda S. 152.
107 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 148.
45
staatlicht. Die Rechtsformen der Unternehmungen blieben gleich, es änderten sich nur die
Eigentumsverhältnisse.
Die Sowjetunion war damit nicht einverstanden und verlangte eine Entschädigung für die
zurückgegebenen USIA-Betriebe. Weitere Bedingungen waren, dass diese Betriebe im ös-
terreichischen Besitz verbleiben mussten und eine Veräußerung an Ausländer sowie eine
Rückgabe an deutsche Voreigentümer nicht gestattet waren. Diese Bedingungen wurden in
den Staatsvertrag aufgenommen.108
Im Zuge des Staatsvertrages wurde Österreich verpflichtet, Kühl- und Gefrierlastwagen an
die UdSSR zu liefern. ÖAF führte diesen Auftrag aus.109 Die Sowjetunion orderte bei ÖAF im
Juni 1955 noch 44 Lastwagen, ausgestattet als Kippfahrzeuge und Kühlzüge, sowie Ersatz-
teile. Mit dieser Lieferung wurden die aus noch unbezahlten USIA-Umlagen und Lizenzge-
bühren resultierenden Schulden bei der russischen Militärbank abgedeckt. Für die Rückgabe
der USIA-Betriebe musste die Republik Österreich eine Entschädigungszahlung von 150
Millionen Dollar entrichten. Die ÖAF wurde nach neun Jahren russischer Führung am 14.
August 1955 an die Republik Österreich übergeben. Zur Erfüllung des Staatsvertrages muss-
ten jährlich ÖAF-Fahrzeuge an die Sowjetunion geliefert werden, im ersten Jahr waren dies
Fahrzeuge im Wert von 1,6 Millionen Dollar.110
Herr Schwetz schilderte als ehemaliger Mitarbeiter die Situation wie folgt: Herr Szelinger, der
Mechaniker im Motorenbau war, wurde nach Kriegsende von den Russen zum Werksdirektor
bestellt und blieb auch nach Abschluss des Staatsvertrages 1955 Direktor. Nach 1955 gab
es einen großteils kommunistischen Betriebsrat, der sich lange Zeit gehalten hat. Herr
Schmidt war für die Leitung der Kammerwahlen zuständig. Zur Zeit der Lehre von Herrn
Schwetz (Ende der 60er-Jahre) war der Betriebsrat das Verbindungsglied zum Personalchef,
Herrn DDr. Tötschinger. Der Personalchef hatte damals noch ein großes Mitspracherecht,
wenn es Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation von Mitarbeitern gab. Die Betriebs-
feste, welche vom Betriebsrat organisiert wurden, waren immer sehr imposant und dauerten
bis in die Morgenstunden. Auch Passanten kamen von der Straße und feierten mit.111
Die Produktionsanlagen der ÖAF waren im Vergleich zu anderen Automobilherstellern in
Österreich veraltet und mussten dringend modernisiert werden, um kostengerecht zu produ-
zieren. Durch die Aufnahme eines ERP-Kredites im Jahr 1956 von 14 Millionen Schilling
konnten die Produktionsanlagen modernisiert werden. Innerhalb weniger Jahre war es der
ÖAF bereits möglich, weitere Erneuerungsinvestitionen aus erwirtschafteten Gewinnen vor-
108 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 154.
109 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 214.
110 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 153.
111 Gemäß Aussagen von Herrn Wolfgang Schwetz, Leiter der After Sales Abteilung der MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich AG. Gespräch am
11.10.2012, Bürogebäude Barbara Preimel, Ponauer Straße 53 a, Spittal/Drau.
46
zunehmen. In den 60er-Jahren begann Leopold Gstaltner mit der Einrichtung einer elektroni-
schen Datenverarbeitungsanlage.112
Das Aktienpaket an der ÖAF war im Jahr 1938 von Fiat Turin an M.A.N. verkauft worden. Im
Oktober 1955 sollte in einer Hauptversammlung die Übertragung der Aktien an Fiat Turin
beschlossen werden. Das Finanzministerium hatte die Erlaubnis den öffentlichen Verwaltern
bereits erteilt. Die Belegschaft der ÖAF war gegen den Verkauf, und der Betriebsrat erhielt
sowohl von der Gewerkschaft als auch der Arbeiterkammer Beistand. Trotz heftigen Wider-
standes und Streiks der Belegschaft wollte Finanzminister Reinhard Kamitz die Hauptver-
sammlung durchführen. Kamitz teilte mit, dass vom US-Hochkommissar für Deutschland im
Jahr 1954 bereits 51 Prozent der ÖAF-Aktien durch die Anerkennung der Rückstellungsan-
sprüche an Fiat Turin zurückgegeben worden waren.
21 Prozent der Aktien, welche M.A.N. an der ÖAF gehalten hatte, waren der Republik Öster-
reich bereits zurückgegeben worden. Laut Kamitz war nur dieser Anteil deutsches Eigentum
– und somit fiel nur dieser unter die Verpflichtungen des Staatsvertrages.
Die Eigentumsverhältnisse an der ÖAF waren folgende:
51 % befanden sich im Besitz von Fiat Turin,
28 % im vorwiegend privaten österreichischen Streubesitz und
21 % im Besitz der Republik Österreich.
Trotz eines Streiks ab dem 17. Oktober 1955, da die Mitarbeiter von ÖAF nicht einlenkten,
wurde die Hauptversammlung am 18. Oktober 1955 abgehalten. Bedingt durch die Eigen-
tumsverhältnisse war der gewählte Aufsichtsrat überwiegend mit Personen besetzt, die Fiat
zugehörig waren. So gehörte dem Aufsichtsrat u. a. auch der Generaldirektor der Fiat-
Werke, Piero Bonelli, an.113
Folgende Punkte konnten mit Fiat nicht geklärt werden:114
1. die Höhe der Rückerstattung des Kaufpreises für das ÖAF-Aktienpaket, welchen
M.A.N. im Zuge der Übernahme im Jahr 1939 an Fiat Turin gezahlt hatte,
2. die Höhe der Ablösezahlung für die vorgenommen Investitionen in das Unternehmen
im Zeitraum zwischen 1939 (Aktienerwerb von M.A.N.) und 1955 (Rückübertragung
des Aktienpaketes) sowie
3. die Abgeltung der bereits von Österreich geleisteten Reparationsleistungen an die
Sowjetunion durch Fiat.
112 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. Hrsg. ÖAF-Gräf & Stift. S. 150.
113 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 164.
114 Folgende Ausführungen beziehen sich auf ebenda S. 165 ff.
47
Die Parteien in Österreich waren unterschiedlicher Meinung:
Die Kommunisten vertraten die Ansicht, dass das Unternehmen ÖAF durch das Potsdamer
Abkommen in das Eigentum der Sowjetunion übergegangen war – und durch den Staatsver-
trag wieder an Österreich rückübertragen wurde. Die von M.A.N. gehaltenen Aktien waren
daher nicht mehr gültig, und somit hatte auch die geschlossene Vereinbarung keine Gültig-
keit.
Anderer Meinung war die SPÖ. Sie vertrat die Ansicht, dass das Aktienpaket, welches die
M.A.N. an der ÖAF hielt und nach Ende des Krieges der amerikanischen Besatzungsmacht
übertragen wurde, als Entschädigung für den Verzicht auf Schadenersatzansprüche der Re-
publik Österreich gegenüber dem Deutschen Reich zu sehen ist. Auch die tatsächliche Ver-
fügungsgewalt der Sowjetunion am ÖAF-Unternehmen in den letzten zehn Jahren begründet
einen entsprechenden Anspruch der Republik Österreich.
Die ÖVP wiederum war der Ansicht, dass alle privatrechtlichen Vorschriften über das ehema-
lige deutsche Eigentum, welche eine rechtsstaatliche Grundlage haben, anzuerkennen sei-
en. Die Koalition der Republik Österreich drohte daran zu zerbrechen, da die SPÖ unbedingt
ihre Interessen durchsetzen wollte.
Die Bestimmungen des ersten Staatsvertragsdurchführungsgesetzes vom 30. Juli 1956
schafften Klarheit: Alle Vermögensgegenstände, welche zu Ende des Krieges einer deut-
schen juristischen Person gehörten, konnten von der Republik Österreich beansprucht wer-
den. Dies war ausschlaggebend dafür, dass der Vergleich zwischen M.A.N. und Fiat nicht
gültig war. Die Klärung der Eigentümerfrage war wiederum im Wertpapierbereinigungsgesetz
verankert, welches besagte, dass die Eigentümer nach einem staatlichen Aufruf ihre Ansprü-
che beim Handelsgericht Wien anmelden mussten.
Der Einsatz des Fiat-Konzerns bei ÖAF war eher bescheiden, vor allem deshalb, weil zwi-
schen Fiat und der Steyr-Daimler-Puch AG im Jahr 1949 ein Assembling-Vertrag abge-
schlossen worden war. Die Fiat-Werke wären durch ein Engagement bei der ÖAF zu einem
Konkurrenten der Steyr-Daimler-Puch AG geworden. Die Fiat-Werke boten das Aktienpaket,
welches sie an der ÖAF hielten, auch der Steyr-Daimler-Puch AG an. Die Steyr-Daimler-
Puch AG lehnte in Anbetracht des hohen nachzuholenden Investitionsbedarfes bei ÖAF – im
Zuge der USIA-Verwaltung waren keine Investitionen vorgenommen worden – ab. Fiat bot
das Aktienpaket auch den Saurerwerken und der Länderbank an, welche ebenfalls ablehn-
ten. Eine Übertragung der Aktien von Fiat an M.A.N. konnte wegen der Bestimmungen des
Staatsvertrages nicht vorgenommen werden.115
Als Übernahmepreis forderte die Republik Österreich von den Fiat-Werken einen Betrag von
2,8 Millionen Schilling. Die Fiat-Werke wollten die Zusammenarbeit mit der ÖAF wieder be-
enden. Im September 1958 teilte Fiat dem österreichischen Finanzministerium mit, auf das
Aktienpaket ohne jegliche Ansprüche zu verzichten.
115 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 168.
48
Die Republik Österreich versuchte die ÖAF zu reprivatisieren und bot die Anteile zum öffent-
lichen Verkauf an.116 Zum Verkauf wurden 67,125 Prozent des Aktienkapitals von insgesamt
vier Millionen Schilling, also 2.685 Millionen Schilling angeboten, jedoch ohne Erfolg.117
Die ÖAF schloss nach Übertragung der Anteile von Fiat an die Republik Österreich mit
M.A.N. einen Lizenzvertrag über den Nachbau des Motors D0024 M ab. Das Unternehmen
konnte in den Folgejahren trotz großer Bemühungen keine positiven Jahresergebnisse er-
wirtschaften, wie nachstehend gezeigt.
118
Tab. 8: Verkaufte Fahrzeugeinheiten, Mitarbeiterstand, Jahresverlust der ÖAF AG 1956 bis 1958
Öffentliche Verwalter des Unternehmens waren Josef Gutscher und Franz Herout. Dem Auf-
sichtsrat gehörten an: Gen.-Dir. a. D. Adolf Egger als Vorsitzender, Min. a. D. Dr. Ludwig
Draxler als Stellvertretender Vorsitzender, Gen.-Dir. a. D. Piero Bonelli (Turin) und Gen.-Dir.
a. D. Dr. Hans Nusko.119
1958 war das Jahr der Veränderungen und Neuerungen. Direktor Herout schied aus dem
Unternehmen aus und wurde Geschäftsführer bei der Austro-MAN Fahrzeugvertrieb
GmbH.120 Neben Josef Gutscher wurde Wilhelm Grund zum zweiten öffentlichen Verwalter
bestellt. Der Aufsichtsrat bestand nur mehr aus Gen.-Dir. a. D. Dr. Adolf Egger und Gen.-Dir.
a. D. Dr. Hans Nusko.121
Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1955 präsentierte ÖAF einen Kühlwagenzug und einen
Stadtomnibus, bei der Wiener Frühjahrsmesse wurden bereits Muldenkipperfahrzeuge vor-
gestellt. Die Muldenkipper konnten bereits Materialien von vier Kubikmetern befördern.122
116 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 149.
117 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 169.
118 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebenda S. 173.
119 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1957. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1957. S. 547.
120 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 159.
121 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1957. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1957. S. 547.
122 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 159.
49
Auch der Regierung wurde zwischenzeitlich klar, dass erst durch Rationalisierungsmaßnah-
men die Ertragskraft des Unternehmens gesteigert werden konnte, um das Aktienpaket zu
veräußern. So wurden im Zeitraum 1956 bis 1962 rund 64 Millionen Schilling in das Unter-
nehmen investiert. Die Erlöse konnten durch die Investitionsmaßnahmen gesteigert werden,
sodass im Jahr 1959 erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ein Gewinn von 5,27 Millionen
erwirtschaftet wurde.
Im Jahr 1961 waren die Ablöselieferungen gegenüber der Sowjetunion, welche zum Schluss
nur mehr vier Prozent des Umsatzes betrugen, beendet. Mit der Sowjetunion wurde danach
ein Handelsvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren über die Lieferung von Fahrzeugen –
großteils Kühlfahrzeugen – abgeschlossen.123
Der Entwicklung von Neufahrzeugen wurde großes Augenmerk geschenkt. So wurden 1958
bereits Omnibusse mit 17 bis 41 Sitzen gefertigt. Die Fahrzeuge waren mit Motoren mit einer
Leistung von 145 PS ausgestattet. Im Lastwagenbereich wurde die Type 745 G, ein 7-
Tonnen-Fahrzeug, vorgestellt. Die wichtigsten Modelle waren immer noch die Kühlfahrzeu-
ge, die großteils in die Sowjetunion exportiert wurden. Ein Groß-Tiefkühlwagen mit einer
Länge von 14 Meter, ausgestattet mit einem 172 PS starken M.A.N.-Motor, wurde 1962 nach
Griechenland geliefert. Bei Außentemperaturen von 35 Grad Celsius konnte das Fahrzeug
auf minus 22 Grad Celsius kühlen.124
Direktor Gutscher verstarb im Jahr 1963, und Direktor Szelinger übernahm im April 1963
seine Stelle. Direktor Schabas wurde zum zweiten öffentlichen Verwalter bestellt. Den Kon-
struktionsbereich übernahm Oberingenieur Walter Kumpf, der vorher bei M.A.N. beschäftigt
war. Er entwickelte die Tornado-Baureihe, die aus Hauben- und Frontlenker-
Pritschenwagen, aus Hauben-Dreiseitenkippern sowie Sattelzugmaschinen bestand. Bereits
1966 kehrte Kumpf wieder zu M.A.N. zurück. Die Entwicklungen führte Ing. Alfred Macka zu
Ende.
Adolf Egger, der Mann der ersten Stunde der ÖAF, starb am 23. Dezember 1964. Seine letz-
ten Lebensjahre verbrachte Adolf Egger in einer Wohnung im 4. Wiener Gemeindebezirk, die
der Steyr-Daimler-Puch AG gehörte. Egger war es zu verdanken, dass 1948 der Steyr-Fiat-
Assembling-Vertrag abgeschlossen wurde. Der österreichische Personenkraftwagen-Markt
erlebte dadurch nach dem Zweiten Weltkrieg einen Aufschwung. Der Assemblingvertrag be-
sagte, dass die importierten Zubehörteile der Fiat-Modelle von österreichischen Arbeitern
zusammengebaut und die Kraftwagen unter der Marke Steyr-Fiat in Österreich vertrieben
wurden. Die Steyr-Daimler-Puch AG verfolgte dieses Assembling bis Anfang der 60er-Jahre.
Danach wurden die Fahrzeuge aus Kostengründen komplett in Italien gefertigt.125
50
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgende Zah-
len:
126
Tab. 9: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1960 bis 1964
Dem Geschäftsbericht des Jahres 1962 ist zu entnehmen, dass der Gesamtumsatz im Jahr
1962 gegenüber dem Vorjahr um 3,2 Prozent zurückging. Der Inlandsabsatz war um 22,7
Prozent, das sind 31,29 Millionen, Schilling rückläufig. Dieser Umsatzrückgang konnte je-
doch durch eine Steigerung im Exportbereich – vorwiegend in die Ostblockstaaten und die
Sowjetunion – von 29,89 Millionen Schilling, das war eine Steigerung um 68,4 Prozent ge-
genüber dem Vorjahr, teilweise kompensiert werden. Ablösezahlungen an die Sowjetunion,
welche im Jahr 1961 noch mit 9,36 Millionen Schilling das Bilanzbild verschlechterten, fielen
im Jahr 1962 bereits zur Gänze weg. Steigerungen im Personalbereich konnten durch Erhö-
hung der Produktivität nicht ausgeglichen werden, sodass das Jahr 1962 mit einem Verlust
von 878.913 Schilling abschloss. Das Aktienkapital betrug 20 Millionen Schilling: 17.500 Ak-
tien zu je 1000 Schilling und 5000 Aktien zu je 500 Schilling. Öffentliche Verwalter des Un-
ternehmens waren Alfred Schabas und Gregor Szelinger.127
Der Umsatz im Jahr 1963 konnte gegenüber dem Vorjahr um 6,9 Prozent gesteigert werden,
was auf einen um 21 Prozent erhöhten Inlandsumsatz eigener Erzeugnisse zurückzuführen
war. Der Exportumsatz vor allem an Kühlwagenzügen und Ersatzteilen in die Ostblockstaa-
ten wies einen Rückgang von 16,6 Prozent auf. Die Steigerung des Inlandsumsatzes ist auf
gezielte Werbemaßnahmen der Verkaufsabteilung zurückzuführen.128
126 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der ÖSTERREICHISCHEN-AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für
das Jahr 1961, 1963 und 1964. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1961. S. 625. Vgl. auch ebenda 1963. S. 647. Vgl. auch ebenda 1964. S. 652.
127 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1962. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1962. S. 629.
128 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1963. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1963. S. 647.
51
Auch der Geschäftsbericht des Jahres 1964 war erfreulich, da wiederum eine Umsatzsteige-
rung gegenüber dem Vorjahr um 11,9 Prozent gegeben war. Da die Sowjetunion weniger
Fahrzeuge orderte, ging der Exportumsatz um 37,8 Prozent zurück. Dieser Umsatzrückgang
im Exportbereich konnte wiederum durch eine Steigerung der Inlandsverkäufe um 38,9 Pro-
zent kompensiert werden. Auch bei den Reparaturerlösen waren Erhöhungen gegenüber
dem Vorjahr zu verzeichnen.129
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgende Zah-
len:
130
Tab. 10: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1965 bis 1968
Das Jahr 1965 zeigte wieder eine Zunahme an Inlandsverkäufen um 21,2 Prozent. Der
Rückgang bei den Exporten gegenüber dem Vorjahr betrug 60 Prozent, trotzdem konnten
die Umsatzerlöse insgesamt um 10,5 Prozent gegenüber dem Jahr 1964 gesteigert werden.
Rund 1150 Mitarbeiter waren in diesem Geschäftsjahr im Unternehmen beschäftigt.131
Im Jahr 1967 kam es zu einem Umsatzeinbruch bei Schwerlastkraftwagen – einerseits durch
das Auftreten der ausländischen Konkurrenz, andererseits durch den erheblichen Auftrags-
rückgang an Schwerlastwagen am europäischen Absatzmarkt. Um vor allem mit ausländi-
schen Unternehmen konkurrieren zu können, mussten den Kunden Preisnachlässe und län-
gere Zahlungsziele gewährt werden. Der Umsatzrückgang gegenüber dem Jahr 1966 betrug
14,8 Prozent. Die Steigerung der Exporterlöse, vor allem nach Jugoslawien, konnte den
Rückgang im Inlandsbereich nicht kompensieren.132
129 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1964. Veröffentlicht in ebenda 1964. S.
651.
130 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für
das Jahr 1965, 1967 und 1968. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1965. S. 652. Vgl. auch ebenda 1967. S. 664. Vgl. auch ebenda 1968. S. 667.
131 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1964. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1964. S. 651.
132 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1967. Veröffentlicht in ebenda 1967. S.
663.
52
Auch das Jahr 1968 war von einem großen Nachfragerückgang gezeichnet. Im Jahr 1967
waren 1159 Neuzulassungen, im Jahr 1968 nur mehr 957 zu verzeichnen. Der Anteil an den
Neuzulassungen, welcher Fahrzeuge der ÖAF betraf, betrug im Jahr 1967 21,3 Prozent, im
Jahr 1968 nur mehr 19,8 Prozent, was einer Verringerung von 247 auf 190 Einheiten, das ist
ein Minus von 57 Stück, gleichkam. Zwar konnte der Exportanteil, vor allem nach Jugoslawi-
en, gegenüber dem Vorjahr neuerlich gesteigert werden, die Exportpreise mussten jedoch,
um mit der Konkurrenz mithalten zu können, gesenkt werden. Fallweise wurden die Ex-
portaufträge auch nur angenommen, um eine Kapazitätsauslastung zu erreichen. Ein Forde-
rungsausfall von vier Millionen Schilling trug ebenfalls noch zum Verlust im Geschäftsjahr
1968 bei.133
Die rezessive wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 1968 ging auch an der ÖAF nicht vorbei.
Zusammenschlüsse ausländischer Automobilhersteller sowie hohe Zinsbelastungen des
Fremdkapitals verschlechterten die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Nach wie
vor war die Republik Österreich aber nicht bereit, weitere Geldmittel der ÖAF zuzuführen.134
Die Betreuung der Marke M.A.N. auf dem österreichischen Nutzfahrzeugmarkt wurde bis
Mitte der 50er-Jahre von der ÖAF vorgenommen. M.A.N. wollte jedoch in Österreich wieder
Fuß fassen, als der Staatsvertrag eine Übernahme der ÖAF versagte.135
Gemeinsam mit der Handelsbank Zürich gründete M.A.N. die Austro-M.A.N. Fahrzeugver-
trieb GmbH im Jahr 1956 mit Sitz in Wien.136 Das Gründungskapital betrug fünf Millionen
Schilling. Geschäftsführer dieser Gesellschaft wurde Direktor Franz Herout, welcher 1958
aus der ÖAF ausschied.137 Die Austro-M.A.N. Fahrzeugvertrieb GmbH beschränkte sich vor-
erst auf den Import von M.A.N.-Traktoren und später auf Lastwagen. Der Jahresumsatz be-
trug 1963 30 Millionen Schilling bei einem Marktanteil an M.A.N.-Lastwagen von drei Pro-
zent.
Die Austro-M.A.N. Fahrzeugvertrieb GmbH konnte die Startschwierigkeiten nicht überwin-
den, auch deshalb nicht, weil die Geschäftsführer Franz Herout und Adalbert Gattermayer
nicht miteinander kooperieren konnten. Im Juli 1964 stellte die M.A.N. Dr. Richard Daimer
mit dem Auftrag nach Österreich ab, die Gesellschaft in Schwung zu bringen oder zu schlie-
ßen. Als Frist wurde ein halbes Jahr vorgegeben. Adalbert Gattermayer schied 1964 krank-
heitsbedingt aus dem Unternehmen aus. In gemeinsamer Aufbauarbeit konnte der Marktan-
teil bei Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht ab zwölf Tonnen von drei Prozent im Jahr
1963 auf über neun Prozent im Jahr 1969 gesteigert werden.138
133 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1968. Veröffentlicht in ebenda 1968. S.
667.
134 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 173.
135 Ebenda S. 176.
136 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 155.
137 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 176.
138 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 155.
53
Verkaufs- und Serviceniederlassungen wurden gegründet, um sich in kleinen Schritten von
der Marktbetreuung der ÖAF zu trennen. Bis zum Jahr 1962 hatte die Austro-M.A.N. Fahr-
zeugvertrieb GmbH unter den Landeshauptstädten nur in Salzburg, Linz, Graz, Klagenfurt
und Innsbruck noch keine Niederlassungen. Dort musste man sich noch der ÖAF Service-
niederlassungen bedienen. Aber bis zum Jahr 1970 wurden auch an diesen Standorten, au-
ßer Klagenfurt, von der Austro-M.A.N. Fahrzeugvertrieb GmbH Niederlassungen errichtet.
Somit gab es in jedem Bundesland eine Verkaufsniederlassung – mit Ausnahme von Kärn-
ten. Dies deshalb, da der Importhändler von Kärnten, Franz Gradischnig, selbständiger Im-
porteur der M.A.N. war.139
1969 war der Mitarbeiterstand der Austro-M.A.N. Fahrzeugvertrieb GmbH auf 145 Personen
angestiegen, der Umsatz betrug 176 Millionen Schilling.140
Die Austro-M.A.N. Fahrzeugvertrieb GmbH und die ÖAF wurden somit zu erbitterten Konkur-
renten.141
Die ÖAF war mit ihren 60 Prozent Marktanteil bei Baustellenfahrzeugen noch immer der
Marktführer in Österreich. Mit der Typenreihe Tornado, welche sie im Herbst 1963 präsen-
tierte, erzielte die ÖAF im Schwerlastbereich einen großen Erfolg. Diese Fahrzeuge konnten
je nach Kundenwunsch mit Cummins-Motoren, mit 150 PS starken M.A.N.-Leyland-Motoren
oder mit ÖAF-6-Zylinder-Dieselmotoren ausgestattet werden. Aber auch stärkere M.A.N.-
Motoren mit 230, 256 oder 260 PS wurden angeboten. Einziger Wermutstropfen war, dass
ÖAF die Motoren bei M.A.N. beziehen musste. Durch ihre Robustheit war diese Fahrzeug-
reihe besonders im Baustellenverkehr beliebt. Erst im Jahr 1977 wurde die Produktion der
Tornado-Baureihe eingestellt.142
Auch als Sattelschlepper, Pritschenwagen in Zwei- und Dreiachsausführung wurde das
Fahrzeug hergestellt.
139 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 176.
140 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 155.
141 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 176.
142 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 155.
54
Nachstehend ein Tornado-Dreiachser-Baustellenfahrzeug:
143
Abb. 8: Baustellenfahrzeug Tornado-Dreiachser
Copyright Verlag Klaus Rabe, Giesserallee 9, 47877 Willich
Mit diesem Fahrzeug nahm ÖAF eine führende Stellung im Bereich der Schwerlastfahrzeuge
ein. Im Jahr 1965 entfielen im Segment der von ÖAF produzierten Fahrzeuge für sieben bis
zehn Tonnen ganze 34 Prozent der Neuzulassungen auf diese Fahrzeugtype: den Tornado-
Dreiachser für Baustellen. Die Anzahl an Neuzulassungen sank zwar in den folgenden Jah-
ren auf 21 Prozent, aber erst im Jahr 1977 wurde die Herstellung dieser Fahrzeugtype ein-
gestellt.144
Die Herren Szelinger und Schabas als öffentliche Verwalter der ÖAF sowie Ernst Schmidt
als Betriebsrat ergänzten sich und stellten das Wohl der Unternehmung in den Vordergrund.
Ständig wurden weitere Entwicklungen im Nutzfahrzeugbereich präsentiert. Der Husar, ein
kleines Haubenfahrzeug mit 2,5 Tonnen Nutzlast, wurde gemeinsam mit dem Amt für Wehr-
technik des österreichischen Bundesheeres entwickelt.
Im Jahr 1969 wurde die Produktion des Husaren nach der Produktion von 136 Stück (geplant
war eine Großserienfertigung gewesen) eingestellt. Nachfolger dieses Fahrzeuges war der
Hurrican, wegen seiner Haubenform auch Donald Duck genannt, wobei auch hier die Pro-
duktion nach nur 35 Stück eingestellt wurde, da die Herstellungskosten zu hoch waren. Die-
se Fehlschläge zeigten sich auch in den Bilanzzahlen: Von den Rücklagen und dem Grund-
kapital standen nur mehr 5 Millionen zur Verfügung.
Die Republik versuchte, seit Fiat auf das Aktienpaket verzichtet hatte, einen Käufer für das
Aktienpaket zu finden. Verkaufsgespräche wurden mit der Steyr-Daimler-Puch AG, mit
Klöckner-Humbold-Deutz, der Länderbank, Porsche, Scania-Vabis, British-Leyland, aber
auch der UdSSR geführt, die jedoch allesamt erfolglos blieben. Die Zusammenlegung mit
Steyr wurde von der Belegschaft mit einem Warnstreik beantwortet.145
Ein Großteil der ehemals in deutschem Eigentum befindlichen Betriebe hatte bereits bis
1962 verkauft werden können. 41 Betriebe hatten noch keinen passenden Käufer gefunden,
darunter ÖAF. Überlegt wurde auch die Einbringung des Aktienpaketes der Republik Öster-
55
reich in eine Holdinggesellschaft, an der die Creditanstalt, die Länderbank, die BAWAG und
die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien beteiligt sein sollten. Dieses Vorhaben scheiterte
am Widerstand der SPÖ. In der Holdinggesellschaft sollten die Firmen ÖAF, Dynamit Nobel
AG, Elektrobau AG und die Grazer Glasfabrik zusammengefasst werden. Die M.A.N. war
auch an der Übernahme der Aktien interessiert, dem standen aber die Bestimmungen des
Staatsvertrages entgegen.146
Die MAHA Maschinen-Handels Aktiengesellschaft in Vaduz, Liechtenstein, zeigte sich in
Gesprächen an ÖAF ebenfalls interessiert. Die MAN wiederum, die die Motorenlieferungen
an ÖAF ebenso wenig verlieren wollte, erklärte sich – neben der MAHA AG – bereit, eine
Beschäftigungsgarantie für einen Zeitraum von fünf Jahren zu gewährleisten, die in Form
von Zulieferverträgen zum Tragen kommen sollte. Mit der MAHA-M.A.N.-Lösung war auch
die Belegschaft einverstanden.
Auch die Steyr-Daimler-Puch AG machte ein Übernahmeangebot zum gleichen Kaufpreis
wie die MAHA AG und gab eine Beschäftigungsgarantie für den gleichen Zeitraum ab. Die
Übernahmeabsichten der Steyr-Daimler-Puch AG wurden damit erklärt, dass die österreichi-
sche Fahrzeugproduktion neu ausgerichtet werden sollte. Die Steyr-Daimler-Puch AG wollte
damit einerseits die Konkurrenz aus dem Ausland ausschalten und war andererseits an der
Schwerfahrzeugproduktionspalette von ÖAF sehr interessiert.
Im Hinterkopf hatte die ÖAF, dass die Übernahme der Österreichischen Saurer-AG durch
Steyr-Daimler-Puch mit einer Stilllegung der Lastwagenfertigung von Saurer einherging.147
Die MAHA AG beabsichtigte keine Komplettumstellung der Produktion, sondern wollte diese
im bisherigen Umfang aufrechterhalten. Am 4. Dezember 1969 verkaufte die Republik Öster-
reich ihr Aktienpaket an der ÖAF der MAHA Maschinen-Handels Aktiengesellschaft Vaduz
um 20,8 Millionen Schilling.
An den Verkauf waren noch weitere Bedingungen geknüpft:
1) Geldmittel für die erforderlichen Investitionen mussten von MAHA zur Verfügung ge-
stellt werden
2) Einhaltung der Rechte der Belegschaft, keine Änderung der Dienstverträge zum Nach-
teil der Arbeitnehmer, keine Kündigung von Arbeitnehmern bei Weitergewährung von
Aufstiegsmöglichkeiten im Unternehmen
3) Aufrechterhaltung des Unternehmens und kein Verkauf des Aktienpaketes in den
kommenden fünf Jahren
Durch die von M.A.N. abgegebene Beschäftigungssicherung – verbunden mit einer Auslas-
tung der Kapazitäten bei ÖAF – konnte die MAHA AG auch die mit dem Verkauf verbunde-
nen Auflagen erfüllen.
146 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 185.
147 Anm.: Übernahme der Österreichischen Saurerwerke durch die Steyr-Daimler-Puch AG siehe Abschnitt II/1/b/3.
56
Der damalige Finanzminister Koren bevorzugte die MAHA AG, wollte jedoch auch eine even-
tuelle Zusammenarbeit zwischen M.A.N. und der Steyr-Daimler-Puch AG forcieren. Eine Zu-
sammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen erfolgte durch den Austausch von Ersatz-
teilen sowie eine Kooperation im Bereich Forschung und Entwicklung. Der M.A.N.-Vertrieb
sollte auch für den Vertrieb der Spezialfahrzeuge der Steyr-Daimler-Puch AG, von Pinzgauer
und Haflinger, genutzt werden.148
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgende Zah-
len:
149
Tab. 11: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1969 bis 1970
Die ÖAF wies im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1968 einen Bilanzverlust von
3.086.870 Schilling auf. Abzüglich des Jahresgewinns 1969 von 1.995.451 Schilling ergibt
sich einen Bilanzverlust zum 31. Dezember 1969 von 1.091.419 Schilling.
Dem Vorstand gehörten an: Dir. Alfred Schabas, Dir. Gregor Szelinger und Dr. Richard Dai-
mer. Dem Aufsichtsrat gehörten an: Siegfried F. Susskind (Vaduz) als Vorsitzender, Dir. Dr.
Walter Nuener (Vaduz) und Gen.-Dir. Stellv. DDr. Josef Koliander, beide als stellvertretende
Vorstandsvorsitzende, weiters Dir. Dr. Wolfgang Müller (München), Dir. Dr. Rudolf Schneider
und Sekt.-Chef Dr. Wilhelm Storm. Vom Betriebsrat wurden Ernst Schmidt und Ing. Rudolf
Wertheim in den Vorstand entsandt. Die Umsätze der Unternehmung konnten von 264,57
Millionen Schilling im Jahr 1968 auf 294,37 Millionen Schilling im Jahr 1969 gesteigert wer-
den. Leider führte auch die Umsatzsteigerung wegen der vorhandenen Kostenstruktur zu
keiner Besserung der Ertragslage.150
Um den Eigenkapitalbereich zu verbessern, wurde in der Hauptversammlung vom 17. De-
zember 1969 beschlossen, im ersten Schritt eine Kapitalsenkung von 20 Millionen auf 5 Mil-
lionen Schilling durchzuführen, um die Verluste der Vorjahre zu kompensieren. Im nächsten
Schritt wurde durch die Ausgabe von neuen Aktien das Kapital wieder auf 20 Millionen auf-
gestockt. In der gleichen Hauptversammlung wurde beschlossen, eine Kapitalerhöhung um
57
10 Millionen Schilling auf 30 Millionen Schilling durch Ausgabe von dividendenberechtigten
neuen Aktien, jedoch unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechtes der Aktionäre gegen
Einbringung des Betriebsvermögens der Austro-M.A.N. GmbH in die ÖAF vorzunehmen.151
Die Austro-M.A.N. Fahrzeugvertrieb GmbH Wien brachte laut Einbringungs- und Aktienüber-
nahmevertrag vom 18. Juni 1970 ihren gesamten Betrieb in die ÖAF ein, bestehend aus der
Produktion, dem Vertrieb der Produkte der metallverarbeitenden Industrie, vor allem die
Straßenfahrzeuge der M.A.N., aber auch den Service- und Montagebereich.
Ein Sanierungskonzept wurde in der Aufsichtsratsitzung am 21. Jänner 1970 vom Vor-
standsmitglied Dr. Daimer vorgestellt. Der Kreditrahmen sollte von 50 auf 90 Millionen Schil-
ling aufgestockt und die Sollzinsen sollten gesenkt werden. Die M.A.N. sollte das Zahlungs-
ziel für Lieferungen von neun Monaten auf ein Jahr ausdehnen.
Gespräche über Schuldnachlässe seitens der Österreichischen Länderbank und der Kon-
trollbank sowie mit Lieferanten über Boni sollten eine sofortige Verbesserung der Ertragslage
herbeiführen.152 Die Produktion der Typen Hurrican, Husar und des Tornado-Dreiachsers
sollte eingestellt werden. Dafür sollte die gewinnbringende Produktion des Tornado-
Zweiachsers forciert werden.
Die Österreichische Kontrollbank AG, Wien, hatte im Zuge des Staatsvertrages eine Verbind-
lichkeit in Höhe von 9.075.000 Schilling gegenüber der Sowjetischen Militärbank übernom-
men. Der Bund verzichtete laut Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970 (BGBl. 83/1970) auf
diese Forderung, weshalb dieser Betrag unter den Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht
mehr vorzufinden ist.153
Die Vertriebsstruktur sowie der Kundendienstbereich der ÖAF und der Austro-M.A.N. Fahr-
zeugvertrieb GmbH wurden zusammengelegt und gestrafft. Frühere Konkurrenten zogen
nunmehr an einem gemeinsamen Strang. Die selbstständigen Vertriebshändler der ÖAF in
den einzelnen Bundesländern verloren ihre Verträge, da ein eigenständiges Vertriebsnetz
aufgebaut wurde. Einzig Kärnten hatte mit F. Gradischnig in Villach einen M.A.N.-Importeur,
der zugleich ÖAF-Händler war.154
Die durchgeführten Rationalisierungsmaßnahmen waren positiv und führten dazu, dass die
Verkaufserlöse im Jahr 1970 gegenüber dem Vorjahr um 26 Prozent (von 465,24 auf 587,42
Millionen Schilling) anstiegen. Der größte Umsatzanteil wurde im ÖAF-Bereich mit dem Ver-
kauf von Fahrzeugen der Marke Tornado – mit 19, 22 bzw. 30 Tonnen Gesamtgewicht – mit
einem Betrag von 141,85 Millionen Schilling erzielt. Auf die Type 960 – ebenfalls mit 19, 22
bzw. 30 Tonnen Gesamtgewicht – entfielen 62,97 Millionen Schilling. Bei Austro-M.A.N. wa-
151 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1969. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1969. S. 683.
152 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 159.
153 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1970. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1970. S. 653.
154 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 159.
58
ren die Lastwagen mit einem Gesamtgewicht von 12 und 13 Tonnen mit einem Umsatz von
76,04 Millionen sowie die Lastwagen mit 16, 19 und 22 Tonen Gesamtgewicht mit 60,41 Mil-
lionen die erfolgreichsten Modelle. 155
Die Zusammenlegung der Austro-M.A.N. Fahrzeugvertrieb GmbH und der ÖAF war der erste
Schritt, dem weitere Fusionierungen von Automobilherstellern folgten. Dass die nächste Fu-
sion – zwischen ÖAF und Gräf & Stift – noch im Jahr 1971 erfolgen sollte, war zu diesem
Zeitpunkt weder der ÖAF noch Gräf & Stift bewusst. Zu Beginn des Jahres 1971 erwarb die
ÖAF 99,6 Prozent am Aktienkapital der Gräf & Stift AG. Für die Verschmelzung beider Un-
ternehmen war auch die finanzielle Situation der Gräf & Stift AG ausschlaggebend. Eine Ka-
pitalerhöhung im Zuge der Verschmelzung fand hier jedoch nicht statt.
Bevor auf den Zusammenschluss der beiden Automobilfabriken eingegangen wird, erfolgt
ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Automobilfabrik Gräf & Stift AG.
155 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBIL-FABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1970. Veröffentlicht im Finanz-
Compass Österreich 1970. S. 653.
156 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. S. 11.
157 Folgende Ausführungen beziehen sich auf ebenda S 13 – 33.
59
struktionen des ersten Kleinwagens begannen die Brüder Gräf im Jahr 1897, die Fertigstel-
lung dieses ersten Automobils dauerte aufgrund der geringen Größe der Werkstatt bis zum
Jahr 1900. In dem Zeitraum 1900 bis 1904 wurden weitere zwölf Automobile hergestellt, da-
von drei Lastwagen.
Der zweite Prototyp eines Kleinwagens mit Vorderradantrieb und einem wassergekühlten 4,5
PS starken De Dion-Bouton-Motor wurde von den Gräf-Brüdern auf der II. Internationalen
Automobil-Ausstellung in Wien im Jahr 1901 vorgestellt.
Mit 1. Jänner 1900 wurde die Typenprüfung von Automobilien und Motorrädern eingeführt.
Die Hersteller der Fahrzeuge mussten Zeichnungen und Beschreibungen der Wagen vorle-
gen, wobei die Wagen erst nach einer Überprüfung für den öffentlichen Verkehr zugelassen
wurden. 1902 suchten die Brüder Gräf um Typisierung und Zulassung des frontgetriebenen
Kleinwagens an.
Wilhelm Stift, der an technischen Neuigkeiten ebenfalls sehr interessiert war, gründete 1901
die Automobilfabrik Celeritas Wilhelm Stift in Wien. Er stellte einen Kleinwagen mit französi-
schem Zweizylindermotor her. Da Stift zwar technisch begabt war, jedoch nicht die richtigen
Mitarbeiter fand, sperrte er die Fabrik acht Monate später wieder zu. Auf der II. Automobil-
Ausstellung 1901 in Wien traf Stift die Brüder Gräf. Es fand rasch eine Einigung zwischen
den Herren statt, und am 1. November 1901 wurde die Offene Handelsgesellschaft Gräf &
Stift gegründet. Die Brüder Karl, Franz und Heinrich brachten ihr Unternehmen als Einlage in
die neu gegründete Gesellschaft ein, Wilhelm Stift das Inventar seiner Automobilfabrik sowie
20.000 Kronen. Er übernahm auch die kaufmännische Leitung im Unternehmen, Karl Gräf
die technische Leitung. Der Sohn von Stift, Willy Stift, wurde als Prokurist ebenfalls in das
Unternehmen aufgenommen.
Nach Gründung der Gesellschaft stellte sich die Unternehmensleitung die Frage, welche
Produktionslinie verfolgt werden sollte. Entweder die weitere Entwicklung und Bekanntma-
chung des Vorderradantriebes oder die Produktion der Celeritas-Automobile. Diese Frage
wurde beantwortet, als Arnold Spitz Karl Gräf und Wilhelm Stift das Angebot unterbreitete,
Automobile auf seine Rechnung herzustellen.
Arnold Spitz betrieb in Wien einen Kommissionshandel mit Automobilen und war Carl Gräf
aufgrund bestehender Geschäftsbeziehungen bekannt.158 Er war als Repräsentant für De
Dion, später für Benz und Mercedes mit seinem Unternehmen in Wien tätig.159Spitz war ein
guter Geschäftsmann und erkannte sofort, dass bei einer Eigenproduktion der Fahrzeuge ein
größerer Gewinn als beim Handel zu erzielen war. Den Rheinländer Otto Hieronimus konnte
er als Konstrukteur für seine Wagen gewinnen. Hieronimus war bei den Benz-Werken als
Konstrukteur beschäftigt.160
60
Der erste auf Initiative von Spitz herausgebrachte Wagen, der leichte Spitz-Wagen, produ-
ziert von der Gräf & Stift OHG im Jahr 1902, wurde ein voller Erfolg. Die Fahrzeuge waren
sowohl im Inland als auch im Ausland begehrt.
Neben der Herstellung der Spitz-Wagen hatte die Gräf & Stift OHG die Vertretung und den
Service der belgischen FN-Motorräder der Waffenfabrik Herstal sowie die Reparatur von
Automobilien aller Systeme übernommen. Der Reparaturtätigkeit der Automobile widmete
sich Franz Gräf und hatte so die Möglichkeit, die Konstruktionen und Schwachstellen ande-
rer Fahrzeuge kennenzulernen. Im Jahr 1904 waren 16 Arbeitnehmer im Unternehmen be-
schäftigt. Die beiden Niederlassungen in der Nußdorfer Straße sowie der Gymnasiumstraße
waren bald zu klein. Die gut gehenden Geschäfte machten es möglich, dass in Döbling,
Weinberggasse 70, ein größeres Grundstück angekauft werden konnte. Im Jahr 1905 wurde
dort ein Werksgebäude errichtet. Moderne amerikanische Fertigungsmaschinen sollten der
Herstellung der steigenden Zahl an Spitz-Wagen gerecht werden.
Spitz hatte in Ungarn eine Filiale und hoffte durch die Bestellung von zehn Chassis bei der
Ungarischen Waggon- und Maschinenfabrik Györ im Jahr 1905 den Absatz an Spitz-Wagen
auf Ungarn auszudehnen. Der Gebrauchtwagenhandel wurde ebenfalls von Spitz ins Leben
gerufen. Er nahm Gebrauchtwagen an Zahlung statt und verkaufte den Kunden seine Neu-
wagen. Dies trieb den Umsatz des Unternehmens von Spitz in die Höhe. Problematisch war,
dass Spitz die Gebrauchtwagen nur schwer verkaufen konnte. Ein Wagen kostete in etwa so
viel wie ein Haus mit Garten in einem Wiener Vorort. Abgesehen von den laufenden Kosten.
Spitz, der kluge Geschäftsmann, hatte sich diesbezüglich verspekuliert und musste Ende
1906 den Konkursantrag für sein Unternehmen stellen.161
Das Verhältnis der Brüder Gräf zu Arnold Spitz war aufgrund der Bestellungen von Wagen-
teilen bei der Ungarischen Waggon- und Maschinenfabrik Györ gespalten. Erstmals bemerk-
ten die Herren Gräf und Stift, dass die Abhängigkeit von einem Auftraggeber schädlich für
das Unternehmen sein kann. Gräf & Stift entschlossen sich deshalb dazu, die Automobile
selbst herzustellen. Das notwendige Wissen war vorhanden: Heinrich war für den techni-
schen Bereich, Franz für die Werkstätte und Karl für den kaufmännischen Teil verantwortlich.
Willy Stift war nach wie vor Prokurist.
Binnen kürzester Zeit zählten die Gräf & Stift-Automobile zu den beliebtesten Fahrzeugen in
Österreich. Die Werksanlagen wurden im Jahr 1906 vergrößert, die Mitarbeiterzahl betrug
zwischenzeitlich 120. Im Jahr 1907 wurde die Unternehmung in eine Aktiengesellschaft um-
gewandelt. Der Firmenwortlaut war nunmehr Wiener Automobilfabrik AG, vorm. Gräf & Stift.
Das Aktienkapital betrug 1.000.000 Kronen.162
61
Zur damaligen Zeit zählten folgende Automobilunternehmen zu Konkurrenten von Gräf &
Stift:
Österreichische Fiat-Werke AG
Einige Unternehmen bezeichneten sich als Fabriken, kamen aber über die Herstellung einer
minimalen Stückanzahl nicht hinaus.
1907 wurde bei der Olympia-Ausstellung in London von Mercedes der erste geschlossene
Wagen vorgestellt. Dieses Fahrzeug wurde vom Sultan von Jahore bestellt. Trotz der inlän-
dischen Automobilanbieter waren ausländische Produkte sehr gefragt und wurden zuneh-
mend zur Konkurrenz. 1908 wurde vom k.u.k. Ministerium des Inneren ein Erlass veröffent-
licht, in welchem den Landesregierungen und Statthaltern auferlegt wurde, dafür Sorge zu
62
tragen, „daß [sic] bei allen öffentlichen Vergebungen nur vollständig im Inland erzeugte Wa-
gen zur Anschaffung zu bringen sind“.163
Dem Ansuchen der Wiener Automobilfabrik AG, vormals Gräf & Stift, auf Führung des kai-
serlichen Adlers im Schilde und Siegel wurde am 6. November 1908 entsprochen, nachdem
die Erhebungen im Unternehmen positiv abgeschlossen worden waren. Erhoben wurde u. a.,
ob die Mitarbeiter im Unternehmen gut behandelt wurden, die Arbeitszeit neun Stunden täg-
lich betrug und erforderliche Einrichtungen für Schutz und Gesundheit der Arbeitnehmer vor-
handen waren. 1908 waren im Unternehmen 198 Arbeitnehmer beschäftigt. Willy Stift jun.
war nicht mehr Prokurist im Unternehmen – im Jahr 1915 verübte er Selbstmord.
Durch die jährliche Steigerung des Absatzes – im Jahr 1909 wurden drei Typen von Auto-
mobilen angeboten – mussten die Fabrikshallen wieder vergrößert werden. In den Jahren
1907 bis 1910 wurden 470 Automobile erzeugt. 1910 wurde der erste Selbstlenkerwagen
vorgestellt, bei welchem der Fahrer und die Fahrgäste in einem Raum saßen.164 1912 konnte
Gräf & Stift keinen eigenen Wagen an der Alpenfahrt teilnehmen lassen, da die Produktion
auf Monate hinaus ausverkauft war. Herr Dobner von Dobenau nahm mit seinem Gräf &
Stift-Wagen teil und absolvierte die Fahrt als Amateur mit Bravour und ohne Strafpunkte.
Dieser Erfolg zeigte, dass es sich um erstklassige Fahrzeuge handelte. Im gleichen Jahr
wurde ein Gräf & Stift-Wagen an Kaiser Franz Joseph I. geliefert. Dieses Fahrzeug hatte
einen 40/45-PS-starken Motor und erreichte eine Geschwindigkeit von 80 bis 85 Kilometer
pro Stunde.
Im Jänner 1907 wurden vom Kriegsministerium fünf Automobilhersteller um Probelastkraft-
wagen für den Munitionstransport gebeten. Vorausgesetzt wurde eine Eisenbereifung der
Räder sowie eine Höchstachslast165 von 1,5 Tonnen. Das Reichskriegsministerium veranstal-
tete im Feber 1908 eine Militärlastwagen-Konkurrenz. Die Fahrzeuge folgender fünf Auto-
mobilhersteller wurden getestet: Laurin & Klement, Gräf & Stift, Wyner, Huber & Reich sowie
Bock & Hollender. Fiat und Daimler waren mit Schwerlastwagen vertreten. Von allen Fahr-
zeugen schnitt der Lastwagen von Gräf & Stift am besten ab.166
63
An den Gräf & Stift-Fahrzeugen war folgendes Markenzeichen angebracht:
167
Logo 4: Gräf & Stift-Fahrzeuge
Copyright Gräf & Stift (nunmehr Volkswagen AG)
Das Geschäftsjahr 1913 schloss mit einem Gewinn von 241.562 Kronen ab, sodass die Ge-
neralversammlung beschloss, zuerst 45.000 Kronen in einem eigenen Fonds für die Baure-
serve einzustellen und elf Prozent, das waren 22 Kronen pro Aktie, auszuschütten. Die Brü-
der Gräf hielten 4037 Aktien, das waren 403 Stimmen. Die übrigen Aktionäre hatten 6157
Aktien. Karl Gräf berichtete in der Verwaltungsratsitzung vom 31. Jänner 1913, dass 130
Stück an Neuwagen verkauft worden waren – im Vergleich dazu waren es im Jahr 1912 116
Stück gewesen. Weiters wurde ein Auftrag von 20 Subventionslastwagen zum Preis von je-
weils 27.000 Kronen pro Fahrzeug zugesichert. Karl Gräf teilte weiters mit, dass die Entwick-
lung des Unternehmens äußerst zufriedenstellend sei.
Während des Ersten Weltkrieges wurden im Jahre 1918 sieben Feuerlöschboote für den
Hafenbereich von Pola sowie Torpedoboote gebaut. Die Wiener Automobilfabrik AG, vorm.
Gräf & Stift, wurde auf Ansuchen vom 2. Oktober 1914 vom k. k. Ministerium des Inneren zur
staatlich geschützten Unternehmung erklärt.168 § 1 der Kaiserlichen Verordnung vom 25. Juli
1914 (R.G.Bl. Nr. 155) regelte, dass „Unternehmen, die für Zwecke des Staates oder des
öffentlichen Wohles besonders wichtig sind, für staatlich geschützte Unternehmungen
zu erklären“ sind. In einem Erlass des Innenministeriums vom 8. Oktober 1914 wurde klar-
gestellt: „Der Zweck der Kaiserlichen Verordnung geht jedoch hauptsächlich dahin, den un-
gestörten Betrieb jener Unternehmen, die für die Zwecke des Staates oder für das öffentliche
Wohl besonders wichtig sind, durch einen erhöhten strafrechtlichen Schutz gegen passive
Resistenz, Streik oder Sabotage zu sichern.“169
Trotz Kriegsaufträgen wurde auf die Forschung und Entwicklung bei Gräf & Stift nicht ver-
gessen. An einem neuen Luxuswagen mit 45/50 PS, der im Frühjahr 1916 vorgestellt wurde,
wurde rege Forschungsarbeit betrieben.
64
Auch die Kühlerfigur am Wagen war neu: eine Miniaturnachbildung des Löwen der Nußdor-
fer-Donaukanal-Schleuse, ein Wahrzeichen von Wien. Der Löwe wurde am 25. Mai 1921 als
Markenzeichen von Gräf & Stift international registriert und war neben dem bisherigen Logo
auf den Fahrzeugen angebracht.
170
Logo 5: Kühlerfigur der Gräf & Stift-Fahrzeuge
Copyright Gräf & Stift (nunmehr Volkswagen AG)
Während des Ersten Weltkrieges erbrachte Gräf & Stift aufgrund der Lebensmittelknappheit
eine große soziale Tat und richtete eine Werksküche im Unternehmen ein. Den Arbeitern
und Angestellten wurden Speisen zu günstigen Preisen angeboten. Sie konnten das Essen
aber auch für sich und die Familie mit nach Hause nehmen.171
Seit Kriegsbeginn produzierte Gräf & Stift fast ausschließlich für die Heeresverwaltung. We-
gen der Stabilität und Robustheit waren die Fahrzeuge sehr beliebt. Die Fahrzeuge kamen
auch im Feuerwehrbereich zum Einsatz. So wurde für die Feuerwache Mariahilf auf ein
40/45 PS starkes Fahrzeug eine 30 Meter-Magirus-Drehleiter aufgebaut. 1914 wurde ein
40/45 PS starker Gräf & Stift-Wagen an Kaiser Karl I. geliefert. Dieser Kaiserwagen wurde
am 21. März 1974 auf dem Genfer Salon mit finanzieller Hilfe von M.A.N. um 190.000 Fran-
ken ersteigert und wieder nach Österreich zurückgebracht. Im Jahr 1917 starb Wilhelm Stift.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatten alle Automobilfabriken mit Auslastungs- und Absatzprob-
lemen zu kämpfen. Die Hauptauftraggeber waren abhanden gekommen, aber auch der In-
landsmarkt war eingebrochen. Während der Kriegsjahre 1914 bis 1918 wurden 3900 Fahr-
zeuge, vor allem Lastwagen, erzeugt. Der Mitarbeiterstand musste nach Kriegsende von
1250 auf 800 abgebaut werden. Die Produktion der Subventionslastwagen wurde wieder
aufgenommen. Die Verbindlichkeiten von Gräf & Stift waren bis September 1919 auf 14 Mil-
lionen Kronen angestiegen. Es wurde mit Verlust produziert, da der Herstellungspreis eines
Subventionslastwagens 623.000 Kronen, der Verkaufspreis allerdings nur 470.000 Kronen
65
betrug. An Verkaufsprovision für den Vertreter mussten noch weitere zehn Prozent einge-
rechnet werden.172
Im Jahr 1919 wurde der Neubau der Fabriksanlage Ecke Weinberggasse-Görgengasse be-
zogen. Die Werkshallen mit einem Gesamtausmaß von 16.000 m2 befanden sich nunmehr
auf einem 36.000 m2 großen Areal. Das Unternehmen begann mit der Konstruktion eines
Kleinwagens, welcher für jedermann ohne Chauffeur fahrbar war. Aber auch der Vertrieb des
Kleinwagens führte zu keiner wesentlichen Besserung der wirtschaftlichen Lage. Der Ver-
kaufspreis blieb noch immer hinter den Produktionskosten zurück. Es wurden weitere Ein-
schränkungen und Kündigungen vorgenommen. Die schlechte wirtschaftliche Situation war
auch bei anderen Automobilherstellern zu spüren. Die amerikanische Automobilfabrik Ford
war für längere Zeit vollständig zugesperrt, die Daimler- oder Opel-Werke in Deutschland
ebenso.
Das 25-jährige Bestehen der Wiener Automobilfabrik AG, vormals Gräf & Stift, wurde am 22.
Juli 1921 gefeiert. Im gleichen Jahr wurde eine eigene Karosseriefabrik gegründet, um die
Wagen aus einer Hand anbieten zu können. Werkshallen sowie Arbeitskräfte waren ausrei-
chend vorhanden. Die Geldentwertung schritt bis Einführung des Schillings mit 1. Jänner
1925 voran. Für den Währungsumtausch von Kronen in Schilling wurde ein Kurs (10.000
Kronen entsprachen 1 Schilling) festgesetzt. Langsam begann sich die Wirtschaft zu stabili-
sieren.173 Dem Zusammenhalt der drei Brüder Gräf ist es zu verdanken, dass die Unterneh-
mung die schweren wirtschaftlichen Zeiten überstand. 1925 trat der Sohn von Karl Gräf,
Dipl.-Ing. Josef Gräf nach Absolvierung der Technischen Hochschule und praktischer Able-
gung der Meisterprüfung für das Mechanikergewerbe in das Unternehmen ein.
Erfahrungen sowohl im Personenwagen- als auch im Lastwagenbau führten dazu, dass im
Jahr 1926 mit einem Zweieinhalb-Tonnen-Gräf & Stift-Schnelllastwagen den Kunden ein
moderner einsitziger Nutzwagen vorgestellt werden konnte. Um die Betriebssicherheit zu
erhöhen, wurde das Fahrzeug bereits mit einer Vierradbremse, welche sowohl mit der Hand
als auch mit dem Pedal zu bedienen war, gebaut. Auch Gesellschaftswagen, wie die Omni-
busse damals genannt wurden, waren im Produktionsprogramm von Gräf & Stift. Die Omni-
busse für die Österreichische Post wurden entweder mit offener oder geschlossener Karos-
serie sowie sechsundzwanzig Sitzplätzen gebaut. Gräf & Stift baute auch Sprengwagen,
welche zum Bespritzen von Flächen oder zum Feuerlöschen eingesetzt wurden.
Für die Autobuslinie auf den Großglockner (Fahrtstrecke: Dölsach – Glocknerhaus) wurde
eine eigene Omnibustype für zehn Personen konstruiert. Der Omnibus war mit einem 70 PS
starken Motor ausgestattet, um die Steigungen und die engen Kurven zu bewältigen.174
Am 29. Oktober 1929 brach in New York die Börse zusammen, und eine Weltwirtschaftskrise
begann. Es waren Überbestände an Fahrzeugen vorhanden, welche mangels Kaufkraft von
66
den Kunden nicht erworben werden konnten. Die Verkaufszahlen gingen zurück, was wieder
mit einer erhöhten Arbeitslosigkeit verbunden war. Die Zahl der in der Automobilindustrie
beschäftigten Arbeitnehmer ging im Jahr 1930 von 12.000 auf 6000 Personen zurück. Die
Herstellung von Automobilien ging bei den mehrspurigen Kraftfahrzeugen von 9000 auf 4000
zurück. Der Export von Fahrzeugen sank von 2845 auf 1473 Stück. Auch bei Gräf & Stift
musste Kurzarbeit eingeführt werden. Der Mitarbeiterstand wurde von 1000 auf 400 redu-
ziert. Der niedrigste Stand an Mitarbeitern wurde 1934 mit 140 Arbeitern gezählt.175
Um die Krise zu überwinden, legte Gräf & Stift das Augenmerk der Produktion auf repräsen-
tative Luxusautomobile. Auf der Wiener Automobil-Ausstellung 1930 wurde ein derartiges
Luxusfahrzeug mit einem Achtzylinder-Motor vorgestellt.176
Auch der Dieselmotor war im Jahr 1931 bereits ein Thema. Gräf & Stift entwickelte selbst
einen Dieselmotor, welcher von russischen Automobilherstellern in deren Fahrzeuge einge-
baut wurde.177 Im Jahr 1935 erwarb Gräf & Stift die Lizenz zur Fertigung der Mercedes-Benz-
Diesel-Motoren, die vielseitig eingesetzt werden konnten. Aus Kostengründen wurde nicht
die Eigenkonstruktion, sondern der Motor von Daimler-Benz in die Fahrzeuge von Gräf &
Stift eingebaut. Der Gedanke, dass der Rohstoff Holz reichlich zur Verfügung stand, führte
zur Entwicklung eines mit Holzgas betriebenen Motors für Drei- und Fünf-Tonnen-
Lastkraftwagen.178
Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde am 2. Juni 1934 ein modernes Verkaufslo-
kal in Wien I, Kärntner Ring 13, von Gräf & Stift eröffnet. In dem Verkaufslokal war auch
Oskar Stift, der jüngere Sohn von Wilhelm Stift, beschäftigt. Oskar Stift verlor sein ganzes
Vermögen an einen Betrüger und starb verarmt im April 1957.
Auch im Omnibusbereich wurden ständig Forschungs- und Entwicklungsarbeiten betrieben.
Die Wiener Lokalbahnen bestellten für die Strecke von der Wiener Oper zum Badener Kur-
kasino bzw. nach Bad Vöslau drei neue Gräf & Stift-Omnibusse. Die Omnibusse waren in
modernster Ausführung mit Schiebedach, Beleuchtung und Lautsprecheranlage ausgestat-
tet. Die Geschwindigkeit lag bereits zwischen 80 und 90 Kilometer pro Stunde. Den Kühler
der Gräf & Stift-Fahrzeuge zierte nach wie vor der Silber-Löwe.
Den größten Konkurrenten im Omnibusbau, die Automobilfabrik Perl AG, schaltete Gräf &
Stift im Jahr 1935 aus, indem mit ihm eine Interessensgemeinschaft gegründet wurde. Suk-
zessive übernahm Gräf & Stift die Aktienmehrheit an der Automobilfabrik Perl AG, die große
finanzielle Schwierigkeiten hatte.
In genauer Handarbeit, Gräf & Stift wollte nur das Beste vom Besten erzeugen, wurde der
Gräf-Ford im Zeitraum 1937 bis 1938 gebaut. Dieser Personenwagen wurde in Zusammen-
67
arbeit mit den Kölner Ford-Werken hergestellt, da Gräf & Stift das notwendige Kapital fehlte.
Immer mehr schränkte Gräf & Stift den Bereich der Personenwagenfertigung zugunsten der
Fertigung von Lastwagen und Omnibussen ein.
Im Jahr 1937 produzierte das Unternehmen 189 Fahrzeuge. Der Anteil an Lastwagen und
Omnibusse betrug 106 Stück, davon waren 64 Dieselfahrzeuge. Der Anteil an Personen-
kraftwagen betrug 83, 69 davon waren Gräf-Ford.179
Gemäß dem Reichsgesetz über die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom
13. März 1938 wurde Österreich in den reichsdeutschen Rechts- und Verwaltungsraum ein-
gegliedert. Ein neues Kapitel in der Geschichte Österreichs – auch in der Automobilindustrie
– begann.
Im März 1938 waren bei Gräf & Stift 300 Mitarbeiter beschäftigt, im Juni 1938 war die Mitar-
beiteranzahl bereits auf 800 gestiegen. Damit ging eine Produktionsausweitung einher. Im
Jahr 1938 wurden in der ersten Jahreshälfte 56 Lastwagen und Omnibusse sowie 37 Perso-
nenwagen produziert. General Adolf von Schell war als Generalbevollmächtigter für das
Kraftfahrwesen angehalten, eine Typenbereinigung zu veranlassen. Einige Grundtypen an
Fahrzeugen sollten sowohl der Wirtschaft als auch Militärzwecken dienen. Dadurch konnten
dem Heer in kurzer Zeit größere Stückzahlen zur Verfügung gestellt werden. Der Typenbe-
reinigung fiel die Personenwagenproduktion bei Gräf & Stift zum Opfer – diese wurde gänz-
lich eingestellt. Die Lastwagenherstellung wurde auf eine einzige Type, die Type V17 NFZ
bzw. 120-L beschränkt. Bei den Omnibussen wurde die Type 120-O produziert. Dieses
Fahrzeug hatte einen Einheitsaufbau und konnte daher sowohl als Kommando- als auch als
Befehlsfahrzeug zum Einsatz kommen. Eingebaut wurde der Motor von Daimler-Benz auf-
grund des vorhandenen Lizenzvertrages. Die bereits vor der Vereinigung Österreichs mit
dem Deutschen Reich vorgenommene Bestellung über 38 Lastwagen durch das Österreichi-
sche Bundesheer wurde nicht storniert. An die Deutsche Wehrmacht wurden ferner 37 Per-
sonenwagen, davon 36 Gräf-Ford-Modelle und 23 Omnibusse ausgeliefert.180
Der Automobilindustrie im Deutschen Reich wurden – verlautbart im Reichs- und preußi-
schen Staatsanzeiger, Nummer 66, vom 18. März 1939 – die Erlaubnis für die Produktion
folgender Lastkraftwagen zugesagt:
68
Die Steyr-Daimler-Puch AG durfte eine Haupttype mit einem Benzinmotor für ei-
nen Lastwagen mit 1,5 Tonnen Nutzlast produzieren.
Die Wiener Automobilfabrik AG, vormals Gräf & Stift, sowie die Daimler-Benz AG
durften die Haupttype eines Lastwagens für 4,5 Tonnen Nutzlast herstellen. Die
Konstruktion des Fahrzeuges sollten beide Firmen gemeinsam durchführen.
Eine weitere Haupttype – für einen Lastwagen für 4,5 Tonnen Nutzlast – mit Die-
selmotor wurde der Austro-Fiat AG, der Klöckner-Humboldt-Deutz AG, den Magi-
ruswerken, der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG und der Österreichischen
Saurerwerke AG zugesagt. Die Produktion dieses Lastwagens sollte ebenfalls
durch gemeinsame Konstruktionsmaßnahmen erfolgen. Einzige Ausnahme war,
dass Saurer den Einbau des Saurer-Dieselmotors vornehmen konnte.
Auch der A. Fross-Büssing KG, der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, den
Faunwerken und der Friedrich Krupp AG wurde die Herstellung eines 6,5-Tonnen-
Nutzlasters mit Dieselmotor zugesagt. Das Fahrzeug sollte ebenfalls das Ergebnis
einer gemeinsamen Konstruktion sein.
Die Liegenschaften der Automobilfabrik Perl AG in Wien-Liesing gingen durch die Übernah-
me der Aktienmehrheit an der Gesellschaft ebenso in das Eigentum von Gräf & Stift über.
Die bis dahin leerstehenden Fabrikshallen wurden zu einem modernen Karosseriewerk
umgebaut, wo bald 600 Arbeitnehmer Arbeit fanden. Der Karosseriebau in Döbling wurde zur
Gänze eingestellt – die frei gewordenen Räume wurden für die Fahrgestellerzeugung benö-
tigt. In kurzer Zeit wurden auch diese Räumlichkeiten zu klein.
Die Investitionsmaßnahmen in Wien-Liesing betrugen eineinhalb Millionen Reichsmark, jene
in Döbling rund eine Million Reichsmark. Die Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnah-
men im Jahr 1939 betrugen rund 800.000 Reichsmark. Zwischenzeitlich war die Mitarbeiter-
zahl auf 1650 gewachsen.181
Am 22. April 1939 verstarb Karl Gräf im Alter von 66 Jahren. Am 30. Juni 1939 wurde der
Firmenwortlaut in Gräf & Stift Automobilfabrik AG geändert. Betriebsführer – den Begriff Ge-
schäftsführer gab es nicht mehr – war der Sohn von Karl Gräf, Dipl.-Ing. Josef Gräf. Ein Jahr
später, am 18. Feber 1940, verstarb auch Franz Gräf. Das Erbe von Franz Gräf ging zu glei-
chen Teilen an seinen Bruder Heinrich sowie an den Sohn von Karl Gräf, Dipl.-Ing. Josef
Gräf. Heinrich Gräf starb an den Folgen einer Operation am 20. November 1944.182 Dem
Vorstand gehörten Dipl.-Ing. Josef Gräf sowie die Prokuristen Dr. Karl Platzner und Leopold
69
Seehengst an. Der Aufsichtsrat setzte sich aus Sekt.-Chef Dipl.-Ing. Rudolf Reich, Robert
Glatzl und Fritz Bogner zusammen.183
Im letzten Vierteljahr 1942 bis Jänner 1943 wurden von Gräf & Stift 602 Stück Raupen-
schlepper Ost – eine Entwicklung der Steyr-Daimler-Puch AG – gefertigt.184
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Reichsmark) zeigten folgende
Zahlen:
185
Tab. 12: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1939 bis 1944
Die Schäden durch die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg hatten massive Auswirkungen auf
die Industrie. Rohstoffmangel und Versorgungsprobleme waren die Folge. Auch die Werke
von Gräf & Stift in Döbling und Liesing wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe
schwer beschädigt.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges war die Industrie am Tiefpunkt angelangt. Österreich war
aber in Aufbruchstimmung. Die Ausgangslage war daher nicht vergleichbar mit jener nach
dem Ersten Weltkrieg. In den ersten Wochen nach Kriegsende waren auf den Straßen weni-
ge Fahrzeuge zu sehen. Bei den vorhandenen Fahrzeugen fehlten die Räder oder wesentli-
che Teile. Diese Autowracks wurden unter schwierigsten Bedingungen von der Bevölkerung
wieder fahrbar gemacht. Der Zustand der Fahrzeuge war äußerst schlecht, da die Fahrzeuge
großteils Vorkriegserzeugnisse waren.
183 Vgl. Geschäftsbericht der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1943. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1943. S. 549.
184 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. S. 192.
185 Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der Österreichischen Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft für das Jahr 1946.
Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1946. S. 497.
70
Gräf & Stift war nicht Deutsches Eigentum und hatte trotzdem den Großteil der Maschinen,
nämlich 1200 Stück, durch Demontagen der russischen Besatzungsmacht, aber auch durch
Beschädigungen während des Krieges verloren. Nur mehr die leerstehenden Baulichkeiten
in Döbling und Liesing waren vorhanden. Dem Einsatz von Dipl.-Ing. Josef Gräf ist es zu
verdanken, dass das Werk wiederaufgebaut wurde und auch die Produktion so rasch wie
möglich wieder aufgenommen werden konnte. Im Jahr 1946 konnten bereits die Stammar-
beiter wieder beschäftigt werden und den Reparaturbetrieb wieder aufnehmen. Die Fertigung
beschränkte sich auf den Zusammenbau amerikanischer Lastwagen im Auftrag der UNRRA
(United Nations Relief and Rehabilitation Administration). Es wurde für die UNRRA auch ein
Reparaturdienst eingerichtet.186 Neben der Wiederaufnahme des Reparaturbetriebes wurden
auch erste Vorarbeiten für die künftige Serienerzeugung von Omnibussen vorgenommen.187
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die österreichischen Automobilfabriken eine
gemeinsame Omnibustype zu entwickeln. Die Gräf & Stift AG, die Österreichische Saurer-
werke AG sowie die Österreichische Automobilfabriks AG (ÖAF) entschlossen sich zur Kon-
struktion einer gemeinsamen Omnibustype namens Wien. An der Entwicklung beteiligt wa-
ren Dipl.-Ing. Josef Gräf, Dipl.-Ing. Hans Lidmansky von der ÖAF sowie Dipl.-Ing. Walter
Hitzinger von den Österreichischen Saurerwerken. Die Entwicklungsarbeiten waren fast zu
Ende, als die Saurerwerke bekannt gaben, dass sie an der gemeinsamen Omnibustype nicht
mehr interessiert waren. Sie wollten eine eigene Omnibustype herstellen. Gräf & Stift griff
deshalb wieder auf ihre eigenen Typen, den 120-O und 120-OR zurück und nahm hier um-
fangreiche Adaptierungsarbeiten vor. Die Omnibustypen fanden großen Anklang vor allem
bei Bahn und Post sowie privaten Reisebusunternehmen.188 Die Omnibusse wurden ab dem
Jahr 1946 sowohl für den Linienverkehr als auch für den Fernreiseverkehr gebaut. Fahrzeu-
ge der Type 120 OR hatten bereits fünf Gänge. Für den Lastwagenbereich wurde der 120-L
gebaut.189
Dipl.-Ing. Rudolf Gräf, der Sohn von Heinrich Gräf, trat 1946 nach seiner Kriegsgefangen-
schaft ebenfalls in das Unternehmen ein und übernahm die technische Abteilung. Die Her-
stellung von Personenwagen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr aufgenommen.
Ab dem Jahr 1946 sollte ein Assembling mit anderen Automobilherstellern die Lücke der
fehlenden Personenkraftwagenproduktion schließen. Eine Zusammenarbeit war nur mit
Kompensationsgeschäften möglich und wurde mit der tschechischen Firma F. M. Tarbuk &
Co, aber auch mit Škoda und Aero-Minor betrieben. In diese Fahrzeuge baute Gräf & Stift
den 18-PS-Zweitaktmotor sowie die Station-Karosserie ein. Aber auch mit der englischen
Firma Morris Motor Ltd. wurde Zusammenarbeit betrieben. Gräf & Stift bekam die Fahrge-
186 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. S. 192 und 198.
187 Vgl. Geschäftsbericht der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1946. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1946. S. 496.
188 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. S. 198.
189 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 214.
71
stelle der Morris-Wagen geliefert und baute die Station-Karosserie auf. Mit der Station-
Karosserie konnte man den Wagen von hinten durch eine breite Tür beladen.190
Der Aufsichtsrat des Jahres 1949 bestand aus Sekt.-Chef Dr. Ing. Rudolf Reich, Dipl.-Ing.
Arthur Dubsky (New York), Dr. Heinrich Gräf und Robert Glatzl. Der Vorstand war seit 1945
unverändert geblieben.191 Das Aktienkapital der Gräf & Stift AG bestand aus 50.000 Aktien
zu je 26,67 Schilling, also aus insgesamt 1.333.333 Schilling.
Erhöhte Aufwendungen für technische Versuche, die Neugestaltung der Produktionsanlagen
und die Versuche der Geschäftsführung, künftig eine bedeutende Stellung im Automobilsek-
tor beizubehalten, schlugen sich in den Geschäftszahlen des Jahresabschlusses 1949 voll
nieder. Es mussten große finanzielle Opfer gebracht werden.
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgende Zah-
len:
192
Jahr Anlagevermögen Vorräte Debitoren und Verbindlichkeiten Gewinn/Verlust Gewinnvortrag
Bankguthaben
193
Tab. 13: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1945 bis 1949
Das Jahr 1949 war ausschlaggebend dafür, dass Gräf & Stift in den Folgejahren in große
finanzielle Bedrängnis geriet und 1971 schließlich mit ÖAF fusionieren musste. Professor Dr.
List von der Technischen Hochschule in Graz betrieb rege Forschungsarbeit an einem neu-
zeitlichen Dieselmotor. Gräf & Stift unterstützte diese Forschungsarbeit maßgeblich. Lastwa-
gen und Omnibusse wurden neu konzipiert – sowohl Fahrgestelle als auch Getriebe und
Achsen. Die Fahrzeuge waren fortschrittlich und der Verbrauch an Kraftstoff war für die da-
72
maligen Verhältnisse sehr niedrig. Anfragen aus dem In- und Ausland waren die Folge. Die
Entwicklungskosten beliefen sich bis Ende 1952 auf 30 Millionen Schilling. Der längere Ein-
satz dieser Motoren zeigte jedoch, dass die Fahrzeuge sehr fehleranfällig waren. Die Kun-
den versuchten selbst durch Umbauarbeiten Leistungssteigerungen bei den Motoren vorzu-
nehmen. Diesen Leistungssteigerungen hielten die Motoren aber nicht stand. Die Folge wa-
ren immense Garantiekosten im Zuge von Kundenreklamationen – Schadensersatzprozesse
konnten noch abgewendet werden. Von diesen großen finanziellen Verlusten erholte sich
Gräf & Stift nie mehr.194
Die Produktionsumstellung auf den neuen ventillosen Zweitakt-Dieselmotor erforderte ein
höheres Warenlager, das mit Fremdkapital finanziert werden musste, was hohe Zinsaufwen-
dungen verursachte.195
Der ab dem Jahr 1950 steigende Fremdkapitalbedarf ist den Zahlen der nachstehenden Jah-
resabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zu entnehmen:
196
Tab. 14: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1950 bis 1954
Im Jahr 1953 wurde der neue Stadtomnibus Diwabus vorgestellt, der bei den Kunden großen
Anklang fand. Josef Gräf, der älteste der Brüder – er war nicht im Unternehmen tätig –, starb
am 23. Juli 1953.
Mit Unterzeichnung des Staatsvertrages, am 15. Mai 1955, wurden die Auslandsgeschäfte
nicht mehr nur gegen Kompensation durchgeführt. Die Fabrikshallen der Wiener Fahrwerk-
bau AG in Wien-Liesing wurden von den amerikanischen Besatzern geräumt. In diesen Hal-
len richtete Dipl.-Ing. Rudolf Gräf eine moderne Reparaturwerkstätte für Motoren, Getriebe,
Fahrgestell und Hinterachsen ein. Die Produktpalette im Jahr 1955 umfasste erstmals Last-
194 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. Hrsg. ÖAF-Gräf & Stift. S. 202.
195 Vgl. Geschäftsbericht der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1952. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1952. S. 551.
196 Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr
1956. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1956. S. 550.
73
kraftwagen und Kipperfahrzeuge mit Allradantrieb und im Omnibusbereich moderne Reise-
omnibusse, Großraumbusse und Stadtomnibusse für 50 Fahrgäste. Obusse, Solo-Obusse
und Gelenkbusse rundeten das Programm ab. An der Entwicklung von Stockomnibussen
wurde noch gearbeitet.197 1955 wurde erstmals ein allradgetriebener Lastkraftwagen – in der
Ausführung als Pritschenwagen oder als Kipperfahrzeug – mit sechs bis acht Tonnen Nutz-
last in das Produktionsprogramm mit aufgenommen.198
Die öffentliche Hand forderte bei der Vergabe von Aufträgen Preisreduktionen, welche durch
die steigenden Lohn- und Gehaltskosten nicht erfüllt werden konnten. Dadurch kam es in
den Folgejahren zu Absatzrückgängen.199
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgende Zah-
len:
200
Jahr Anlagevermögen Vorräte Debitoren und Verbindlichkeiten Verlust Verlustvortrag
Bankguthaben
(SEB)
1.1.1955 27.245 45.119 25.564 57.930 0 0
201
Tab. 15: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1955 bis 1958
Die Schillingeröffnungsbilanz (SEB) zum 1. Jänner 1955 ergab ein Reinvermögen von
45.161.270 Schilling, wobei das Aktienkapital 10.000.000, die freie Rücklage 34.161.270 und
die gesetzliche Rücklage 1.000.000 Schilling betrugen.
Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1955 wurde erstmals ein Verlust in Höhe von
273.798 Schilling ausgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass geringere Aufträge von
74
der öffentlichen Hand erteilt wurden. Außerdem waren die Herstellkosten höher als die Ver-
kaufspreise. Die Verluste setzten sich auch in den Folgejahren fort.202
Gesetzliche Bestimmungen über das höchstzulässige Gesamtgewicht machten es erforder-
lich, dass Fahrzeuge mit einer Nutzlast von neun bis elf Tonnen mit einer zusätzlichen, so-
genannten Nachlaufachse auszustatten waren. Diese Achse war ein Lizenzerzeugnis der
italienischen Firma Arcom. Diese Lastwagentype, der L 200/I mit Nachlaufachse, wurde in
das Produktionsprogramm aufgenommen.203
1957 wurde Dipl.-Ing. Rudolf Gräf in den Vorstand der Gräf & Stift Automobilfabrik AG sowie
der Wiener Fahrwerk AG (WIFAG)204 berufen.205 In den Jahren 1957 und 1958 wurden wie-
derum Verluste erzielt.206
Die Wiener Fahrwerkbau AG versuchte 1959 durch den Alleinvertrieb der amerikanischen
Studebaker-Automobile und der Fahrzeuge der Type Wartburg des Herstellers Industriever-
band Fahrzeugbau (IFA), DDR, den eigenen Umsatz zu steigern. Die Umsatzsteigerung be-
deutete einen höheren Gewinnanteil für die alleinige Gesellschafterin, die Gräf & Stift AG.
Die Fahrzeuge waren jedoch in Österreich nicht sehr gefragt, sodass der Alleinvertrieb einige
Zeit später wieder aufgegeben wurde. Deshalb übernahm im Jahr 1960 die Wiener Fahr-
werkbau AG (WIFAG) von der Scania-Vabis – einer der ältesten Automobilfabriken für Last-
wagen in Schweden – den Alleinverkauf in Österreich und die Reparaturarbeiten an diesen
Fahrzeugen.207 Laut Geschäftsbericht des Jahres 1959 konnten die Krisen der beiden vor-
hergehenden Jahre bewältigt werden, und im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1959
wurde nur mehr ein Verlust von Schilling 273.168 ausgewiesen. Hervorzuheben ist, dass die
Wiener Fahrwerkbau AG (WIFAG) in Wien-Liesing zur Umsatzsteigerung wesentlich bei-
trug.208
75
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgende Zah-
len:
209
Tab. 16: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1959 bis 1961
Gräf & Stift unternahm in allen Nutzfahrzeugbereichen Weiterentwicklungen, denn die Kun-
den forderten von den Fahrzeugen im Baugewerbe mehr Leistung und mehr Transportvolu-
men. 1960 wurde ein Spezialfahrzeug, der Muldenkipper KA 200, mit einem 200 PS starken
Motor vorgestellt.210 Mit der Stahlmulde konnten sieben Kubikmeter Erdmaterial transportiert
werden.211 Das Fahrzeug war für extreme Einsätze konstruiert.
Im Jahr 1960 waren 1240 Mitarbeiter, davon 1000 Arbeiter und 240 Angestellte im Unter-
nehmen beschäftigt.212 Im Jahr 1961 wurde laut vorliegendem Geschäftsbericht ein Jahres-
gewinn von 2.615.048 Schilling erwirtschaftet. Der Gewinn ist auch auf eine Produktions-
ausweitung um 16,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückzuführen. Der Verlustvortrag aus
dem Jahr 1960 (von 3.930.928 Schilling) wurde unter Berücksichtigung des Jahresgewinnes
von 1961 auf 1.315.880 Schilling reduziert.213
209 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für die Jahre
1959 und 1961. Veröffentlicht im Finanz-Compass 1959 S. 612. Vgl. auch ebenda 1961 S. 616.
210 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. S. 206.
211 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois, (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 216.
212 Vgl. SEPER Hans (1991), Die Brüder Gräf. S. 206.
213 Vgl. Geschäftsbericht der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1961. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1961. S. 616.
76
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgende Zah-
len:
214
Tab. 17: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1962 bis 1964
1963 gingen die Umsätze weiter zurück und das Unternehmen schloss bei gleichbleibender
Kostenstruktur wieder mit einem Verlust von 382.692 Schilling ab. Der Vorstand, welchem ab
1. Juli 1963 auch Helmut Gräf, der Sohn von Dipl.-Ing. Josef Gräf, als stellvertretendes Vor-
standsmitglied angehörte, war gezwungen, Maßnahmen für Kostensenkungen vorzuneh-
men, um künftig Verluste zu vermeiden. Als Erstes wurden im Jahr 1965 Grundstücke in Hö-
he von 11.402.226 Schilling verkauft.
Aus der Beteiligung an der Wiener Fahrwerkbau AG (WIFAG) wurde ein Beteiligungsgewinn
von zwei Millionen Schilling erzielt. Durch diese beiden außerordentlichen Maßnahmen so-
wie durch Einsparungen konnte 1965 der vorhandene Verlustvortrag des Vorjahres von
4.451.190 Schilling abgedeckt werden.
Nach Verlustabdeckung wurde im Jahr 1965 ein Reingewinn von 3.192.141 Schilling im Jah-
resabschluss ausgewiesen. Der Mitarbeiterstand wurde ebenfalls reduziert und betrug in den
Werken Döbling und Liesing insgesamt 851 Arbeitnehmer, der Umsatz lag bei 157 Millionen
Schilling. Die Wiener Fahrwerkbau AG (WIFAG) beschäftigte in der Weinberggasse 94 Per-
sonen und erzielte einen Umsatz von 34 Millionen Schilling. Eine Möglichkeit, den Umsatz zu
steigern, wurde in der Übernahme der Generalvertretung der französischen Firma Automobi-
les M. Berliet Ende gesehen, die 1966 erfolgte. Mit der Produktion der Eigenmarke sowie mit
den Berliet-Erzeugnissen konnte eine breite Produktpalette von Lastwagen mit vier Tonnen
bis zu Schwerstfahrzeugen mit hundert Tonnen Gesamtgewicht angeboten werden. Die Ei-
genproduktion von Gräf & Stift umfasste neben den schweren Lastwagen für den Baustel-
lenverkehr und den Fahrzeugen für den Fernverkehr auch den Omnibusbereich. In die Om-
nibusse wurden je nach Wunsch Henschel-, Büssing- oder Saurer-Dieselmotoren von 150
bis 200 PS eingebaut. Der „Eurobus“, ein luftgefederter Luxus-Reisebus mit Henschel- oder
214 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für die Jahre
1963 und 1965. Veröffentlicht im Finanz-Compass 1963 S. 633. Vgl. auch 1961. S. 639.
77
Deutz-Dieselmotor, war bei den Autobusunternehmern für Alpenfahrten besonders beliebt.
Für die Straßenbahnen wurden Triebwagen und Anhänger produziert.
Auch Dieselgeneratoren und Notstromaggregate wurden in das Produktionsprogramm auf-
genommen. Die Aggregate wurden vor allem als Pumpgeräte in Weingärten, als Stromliefe-
ranten in Fabriken, für Seilbahnen und in Sägewerken eingesetzt. Den Kundenwünschen
wurde, soweit dies möglich war, Rechnung getragen.
1966 wurde vom Bundesministerium für Landesverteidigung ein Auftrag zur Herstellung von
110 Lastwagen samt Servicearbeiten erteilt.215 So wurde im Jahr 1966 zwar ein Gewinn von
120.913 Schilling, im Jahr 1967 jedoch wieder ein Verlust von 3.845.071 Schilling erzielt.216
Trotz aller Versuche, eine breite Produktpalette kostengünstig anzubieten, konnte Gräf &
Stift keine Gewinne erwirtschaften.217
Bankverbindlichkeiten mussten immer wieder aufgenommen werden, um die Kundenaufträ-
ge zu erfüllen. Da den Bankverbindlichkeiten künftige Aufträge gegenüberstanden, hatte die
Creditanstalt auch kein Problem, die Kreditverträge von Gräf & Stift immer wieder zu verlän-
gern.
Die gesamten Bank- und Lieferverbindlichkeiten stiegen laut Jahresabschlüsse (jeweils zum
31. Dezember, in Schilling) wie folgt an:
218
Tab. 18: Bank- und Lieferverbindlichkeiten der Gräf & Stift AG 1966 bis 1968
78
Die Verbindlichkeiten im Jahr 1968 zeigen, dass die Bankverbindlichkeiten zu Lasten der
Lieferverbindlichkeiten gesenkt wurden. Im Jahr 1970 wurde durch die ständig ansteigenden
Verluste die Kreditlinie von der Creditanstalt gekündigt und der 28. Feber 1971 als Termin für
die Vorstellung eines Fortführungskonzeptes vorgegeben.219
Dem Vorstand gehörten zu dieser Zeit, nachdem Dipl.-Ing. Josef Gräf mit 30. Juni 1970 we-
gen Pensionierung ausgeschieden war, Dipl.-Ing. Rudolf Gräf und Direktor Helmut Gräf an.
Dem Aufsichtsrat gehörten Kommerzialrat Ernst Fritsch, Vorsitzender Hofrat Dr. Hellmuth
Boller und Vorsitzender-Stellvertreter Dr. Heinrich Gräf an.
Prokuristen waren Ing. Josef Löw, Herman Ponholzer und Dr. Paul Dietz.
Die beiden Herren Helmut Gräf und Dipl.-Ing. Rudolf Gräf führten mit der Steyr-Daimler-Puch
AG sowie mit ausländischen Automobilherstellern Kooperationsgespräche, welche jedoch
keinen Erfolg brachten. Die Creditanstalt und die Steyr-Daimler-Puch AG sahen den Zeit-
punkt gekommen, die finanziell angeschlagene Gräf & Stift AG günstig zu erwerben.
Ing. Löw und Dipl.-Ing. Rudolf Gräf nahmen jedoch auch mit M.A.N. Gespräche auf. Inner-
halb der kurzen Zeitspanne von drei Wochen wurde eine Einigung zwischen M.A.N., der Ös-
terreichischen Automobil Fabriks-AG (ÖAF) und der Gräf & Stift AG erzielt und ein Fortfüh-
rungskonzept ausgearbeitet. Die Verbindlichkeiten der Gräf & Stift AG wurden von der Öster-
reichischen Automobil Fabriks-AG übernommen. Die Aktien der Gräf & Stift AG, welche sich
im Familienbesitz von Gräf befanden, wurden von der ÖAF gekauft.
Dr. Richard Daimer von der ÖAF überbrachte der Creditanstalt die Nachricht von der Fusion
und stellte das neue Konzept vor. Die Kredite wurden von der Creditanstalt zu vergünstigten
Konditionen weitergewährt. Zwischen der ÖAF und der Gräf & Stift AG wurde mit 1. Jänner
1971 die Fusion ohne Erhöhung des Grundkapitals vorgenommen. Ein Aktionär der Gräf &
Stift AG erhielt für eine Aktie zum Nominale von 200 Schilling vier Aktien der Österreichi-
schen Automobil Fabriks-AG zum Nominale von 100 Schilling. Dipl.-Ing. Rudolf Gräf war
Vorstandsmitglied der neuen Gesellschaft mit der Aufgabe, sich um die Kunden von Gräf &
Stift zu kümmern.220
Mit der Fusion war die Zeit des mehr als acht Jahrzehnte bestehenden Automobilunterneh-
mens Gräf & Stift zu Ende gegangen.
79
Fusionierung von Gräf & Stift und ÖAF 1971
Der Automobilfabrik Gräf & Stift, welche im Omnibus- und Lastwagenbereich einen guten
Namen hatte, wurde wegen der ständigen Verluste und der sich daraus ergebenden schlech-
ten finanziellen Situation von der Creditanstalt-Bankverein die Kreditlinie zum 28. Feber 1971
aufgekündigt. Im Bereich der Omnibusfertigung gab es zwischen Gräf & Stift und der Klöck-
ner-Humboldt-Deutz (KHD) einen Kooperationsvertrag. Der Vertrag sah vor, dass die Omni-
busse von Gräf & Stift auf Fahrgestelle von Klöckner-Humboldt-Deutz aufgebaut wurden.
Weiters wurden die luftgekühlten Motoren von Deutz in die Omnibusse der Bahn und Post
eingebaut. Gräf & Stift kündigte diesen Kooperationsvertrag mit Klöckner-Humboldt-Deutz
auf, bevor bekannt wurde, dass die Kreditlinie der Unternehmung gekündigt worden war.
Steyr, eine Tochterfirma der Creditanstalt-Bankverein, hoffte nach Aufkündigung der Kredite
auf eine Übernahme des Unternehmens Gräf & Stift. Soweit kam es jedoch nicht, da die Her-
ren Dipl.-Ing. Rudolf und Helmut Gräf mit dem Vorstandsmitglied der ÖAF, Herrn Dr. Richard
Daimer, wegen einer möglichen Übernahme Kontakt aufnahmen. Die Gespräche verliefen
positiv, und bereits im gleichen Jahr fusionierten die beiden Unternehmen. Der Firmenwort-
laut wurde geändert in Österreichische Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift Aktiengesellschaft
(ÖAF- Gräf & Stift AG). Ziel war es, die Omnibusfertigung zu reorganisieren und auszubauen
und außerdem die beste Betreuung des vorhandenen Kundenstocks zu gewährleisten, näm-
lich der Bahn, der Post und der städtischen Verkehrsbetriebe.221 Mit dem Verschmelzungs-
vertrag vom 23. Juni 1971 gingen 99,6 Prozent des Aktienpaktes von Gräf & Stift auf die
ÖAF über. Eine Kapitalerhöhung wurde nicht vorgenommen.222
Das Markenzeichen der Fahrzeuge war ab der Fusion am 1. Jänner 1971:
223
Logo 6: ÖAF-Gräf & Stift AG-Fahrzeuge
Copyright ÖAF-Gräf & Stift AG (nunmehr Volkswagen AG)
221 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 160.
222 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1971. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1971. S. 695.
223 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.voz.co.at/VKMA/OeAF/oeaf.html. Abgerufen am 11.08.2013.
80
Die Gräf & Stift AG hatte Werke in Liesing und Döbling. Im Werk Liesing wurden die Omni-
busse gefertigt. Die Lastkraftwagen wurden im Hauptwerk Döbling gefertigt, wo rund 100
Lastkraftwagen pro Jahr das Werk verließen. Die Fertigungsanlagen und Maschinen waren
großteils veraltert. In Döbling befand sich auch die Schwestergesellschaft von Gräf & Stift,
die Wiener Fahrwerkbau Aktiengesellschaft (WIFAG). Die WIFAG beschäftigte sich mit der
Reparatur von Renault- und Peugeot-Automobilen und war Gebietsvertreter für die schwedi-
schen Fahrzeuge von Scania-Vabis.224
Durch die Übernahme von Gräf & Stift kam es zu einer Umsatzausweitung der ÖAF-Gräf &
Stift im Jahr 1970 von 587,42 Millionen auf 1.068,88 Millionen Schilling im Jahr 1971. Im
Jahresabschluss zum 31. Dezember 1971 konnte die ÖAF-Gräf & Stift AG lediglich einen
Bilanzgewinn von 47.233 Schilling ausweisen. Der Beschäftigtenstand des Unternehmens
war rund 2500 Mitarbeitern.225
1972 betrugen die Zulassungen bei Fahrzeugen ab sieben Tonnen Nutzlast 4991 Stück.
Rund 500 Fahrzeuge waren sogenannte Vorziehkäufe aufgrund der Einführung der Mehr-
wertsteuer 1973. Der inländische Marktanteil des Unternehmens war im Jahr 1972 bei
schweren Lkw auf 27 Prozent angestiegen.226
Die positive wirtschaftliche Entwicklung der ÖAF-Gräf & Stift AG spiegelte sich in ansteigen-
den Jahresgewinnen wider.
1971 47
1972 1.531
227
Tab. 19: Jahresergebnisse der ÖAF-Gräf & Stift AG 1971 und 1972
Investitionstätigkeiten von circa 30 Millionen Schilling für den Ankauf von Grundstücken und
Gebäuden sowie den Neubau der Omnibushalle in Liesing führten zu einem Anstieg des
Anlagevermögens. Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1971 war ein Anlagevermögen
von 90.548 Millionen Schilling und zum 31. Dezember 1972 von 105.011 Millionen Schilling
ausgewiesen.228
224 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 162.
225 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1971. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1971. S. 696.
226 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 166.
227 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der GRÄF & STIFT AUTOMOBILFABRIK AKTIENGESELLSCHAFT für das
Jahr 1972. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1972. S. 709. Vom Gewinn des Jahres 1972 wurde 1 Mio. Schilling einer freien Rücklage zugeführt.
228 Ebenda S 709.
81
Die Aufträge der öffentlichen Hand – Bestellungen von Omnibussen für die Verkehrsbetriebe
– bewirkten, dass trotz eines Rückganges bei den Zulassungen im Jahr 1973 aufgrund des
Ölembargos keine Umsatzeinbußen zu verzeichnen waren und das Jahr 1973 ebenso wie-
der ein positives Bilanzergebnis aufwies. Der Umsatz im Omnibusbereich betrug im Jahr
1971 100 Millionen, im Jahr 1974 bereits 275 Millionen Schilling.229 Dies deshalb, da das
Unternehmen alleiniger Hersteller der Trolleybusse war und damit nicht nur die städtischen
Verkehrsbetriebe belieferte, sondern sich auch an internationalen Ausschreibungen beteilig-
te.230
Der Tornado war im Baustellenbereich das führende Modell, welches bis 1977 gefertigt wur-
de. Es wurden jährlich 200 bis 230 Stück hergestellt, wobei 30 bis 50 Stück jährlich nach
Spanien, in die Sowjetunion und nach Jugoslawien geliefert wurden. 1975 kam es zu einem
Einbruch der Lastwagenproduktion, was zu einem Personalabbau von 2165 Arbeitnehmern
führte. M.A.N. sah den Zusammenschluss von ÖAF und Gräf & Stift positiv, da M.A.N. im
Zeitraum von 1970 bis 1974 Ersatzteile und Motoren im Wert von 500 Millionen Schilling
nach Österreich lieferte. Die Einstellung der Lastwagenproduktion der Marke Tornado führte
dazu, dass aufgrund der Enttäuschung der Käufer der Marktanteil an Baustellenfahrzeugen
um ein Drittel zurückging.231
1974 wurde in der ÖAF-Gräf & Stift sowohl für den Eigenbedarf als auch für den gesamten
M.A.N.-Bedarf ein Haubenfahrzeug der Type Jumbo entwickelt. Die Österreichische Mineral-
öl-Verwaltungs-Gesellschaft bestellte bei der ÖAF Gräf & Stift die ersten Jumbos. Für die
Vergrößerung des Flughafens in Nizza wurden weitere Fahrzeuge bestellt. Die eingesetzten
Fahrzeuge meisterten die Aufgaben mit Bravour. Trotzdem wurden jährlich nur 20 bis 30
Stück davon bestellt. Der Grundstein für die Entwicklung des Jumbo wurde in Österreich
gelegt, die Weiterentwicklung nahm jedoch M.A.N. vor.232
Auch 1974 und 1975 konnten Gewinne erzielt werden: 1974 betrug der Jahresgewinn
508.086 Schilling, 1975 waren es 804.526 Schilling. Dies bedeutete, dass Ausschüttungen
an die Kleinaktionäre vorgenommen werden konnten: im Jahr 1974 in der Höhe von 287.960
und 1975 in der Höhe von 274.060 Schilling.233 Der Großaktionär MAHA verzichtete auf Aus-
schüttungen und stellte das Geld dem Unternehmen in Form von Darlehen zur Verfügung.234
229 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 166.
230 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1973. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1973. S. 763.
231 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 167.
232 Ebenda S. 166.
233 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1975. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1975. S. 823.
234 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 172.
82
Das Eigenkapital betrug im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1975 105 Millionen Schil-
ling, was einer Eigenkapitalquote von 12,36 Prozent entsprach.235
Die ÖAF-Gräf & Stift AG verfolgte ab 1975 zwei Schwerpunkte im Produktionsbereich:
die Erhaltung der Lastwagenfertigung in Floridsdorf
sowie
235 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1975. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1975. S. 823.
236 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 172.
237 Anm.: Im Jahr 1970 wurde die Austro-MAN Fahrzeugvertrieb GmbH an die ÖAF verkauft. Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur
Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 165.
238 Ebenda S. 165.
239 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1977. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1977. S. 961.
83
quote von 11,85 Prozent entsprach. Vom Bilanzgewinn (Jahresgewinn einschließlich Ge-
winnvortrag) konnte eine Dividende von 7.200 Millionen Schilling ausgeschüttet werden.240
Ein 27.000 m2 großes Grundstück des seinerzeitigen Metallschmelzbetriebes Boschan wurde
in der Nähe der Werkshallen Liesing im Juni 1978 angekauft. Die Fläche neben diesem
Grundstück, ein Hundeabrichteplatz im Ausmaß von 16.000 m2, wurde im Jahr 1980 erwor-
ben.
Im 21. Bezirk wurden in einem geleasten Gebäude ein Reparaturwerk und eine Reparaturab-
teilung für Pkw errichtet. Die Investitionssumme für die Maschinen und maschinellen Anla-
gen betrug 100 Millionen Schilling. In den Hallen des Werkes in Wien-Floridsdorf, wo bisher
das Reparaturwerk untergebracht war, wurden Fertigungsautomaten für die Verteilergetrie-
befertigung aufgestellt. Dadurch war die Absicht von M.A.N., die Fertigung nach Augsburg zu
verlegen, gescheitert. Die Fertigung von Verteilergetrieben trug auch zum Aufschwung des
Unternehmens bei. Bei Vergabe der Aufträge wurde von den öffentlichen Stellen darauf ge-
achtet, dass die Motoren und Achsen von M.A.N. und die Verteilergetriebe von ÖAF-Gräf &
241
Stift bezogen wurden.
Das Omnibuswerk in Wien-Liesing wurde im September 1979 durch einen Brand fast zur
Gänze zerstört. 30 Prozent der Arbeitsplätze sowie 2600 m2 der Produktionsfläche gingen
verloren. Ein Teil des daduch entstandenen finanziellen Verlustes konnte durch eine kurz vor
dem Brand abgeschlossene Betriebsausfallsversicherung abgedeckt werden. Bereits im De-
zember 1979 wurden die ersten Arbeiten wieder aufgenommen. Insgesamt wurden im Zuge
von Adaptierungsarbeiten 26 Millionen Schilling in das durch den Brand zerstörte Omnibus-
werk investiert.242
Ebenfalls 1979 wurde das Werk in Döbling um 80 Millionen Schilling an den Wiener Wirt-
schaftsförderungsfonds veräußert. Bereits ein Jahr später erwarb ÖAF-Gräf & Stift für 40
Millionen Schilling und unter Übernahme der Hypothekarverbindlichkeiten ein Reparaturwerk
in Wien-Süd. Der Eigentümer des Werkes hatte sich finanziell verausgabt, außerdem war es
zwischen dem Verkäufer des Werkes und Daimler-Benz, dessen Vertragspartner er war, zu
einem Zerwürfnis gekommen. Im Mai 1983 konnte das Werk Wien-Süd eröffnet werden. Das
Werk in Wien-West war im März 1982 eröffnet worden. Der Umsatz der Service-Abteilungen
verbesserte sich unter der Führung von Prokurist Ing. Georg Herm wesentlich.243
Der Umsatz des Unternehmens konnte im Jahr 1979 gegenüber dem Vorjahr um 10 Prozent
(von 1,85 Milliarden auf 2,03 Milliarden Schilling) gesteigert werden. Der Auftragsbestand
1979 betrug 199 Millionen Schilling. Er lag mit 15 Prozent hinter dem von 1978, was auf ei-
nen abgeschlossenen Großauftrag im Omnibussektor zurückzuführen war. Mit 24 Prozent
240 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1978. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1978. S. 1063.
241 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 173.
242 Ebenda S. 177.
243 Ebenda S. 175.
84
Inlandsmarktanteil im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge (Fahrzeuge über 15 Tonnen Ge-
samtgewicht) war das Unternehmen noch immer in führender Position.244
1981 kam es zu einem Konjuktureinbruch, sodass am allgemeinen Automobilmarkt ein
Markteinbruch von 40 Prozent zu verzeichnen war. Bei der ÖAF-Gräf & Stift war der Rück-
gang infolge der Aufträge von M.A.N. über 419 Lkw noch nicht spürbar. Die ÖAF-Gräf & Stift
versuchte dem künftigen Marktrückgang durch massive Kosteneinsparungen, welche inner-
halb von drei Jahren 100 Millionen Schilling bringen sollten, entgegenzuwirken.
Teil der Kosteneinsparung war ein Personalabbau von 273 Mitarbeitern.245 Das Unterneh-
men beschäftigte im Jahr 1981 2289 Mitarbeiter. Der Gesamtumsatz konnte auf 2,16 Milliar-
den Schilling gesteigert werden. Der Inlandsabsatz bei den Lastwagen war rückläufig, konnte
jedoch mit einer Exportsteigerung aufgefangen werden, sodass insgesamt eine 4-prozentige
Umsatzsteigerung im Lastwagenbereich gegeben war. Das Omnibuswerk in Liesing war im
Jahr 1981 erstmals vollständig produktionsfähig. Auch im Busbereich war die Nachfrage im
Inland rückläufig und wurde wieder mit Exportaufträgen ausgeglichen. So wurden nach Los
Angeles sechs Stück Flughabenvorfeldbusse geliefert. Der Marktanteil bei den Bussen konn-
te mit 30 Prozent gehalten werden – dies vor allem auch durch den exklusiv ausgestatteten
Fernreisebus M.A.N.-SR. Der Auftragsbestand zum 31. Dezember 1981 lag mit 192 Millio-
nen Schilling um 25 Prozent hinter dem Vorjahr. Das Jahr 1981 schloss mit einem Verlust
von 4.067 Millionen Schilling ab.246
In allen Bundesländern befanden sich Serviceniederlassungen der Unternehmung, teils wur-
den zusätzliche Niederlassungen eröffnet. Mit der Eröffnung einer Werkstätte im Jahr 1991
in Imst war der Servicebereich flächendeckend gegeben. Das Zentrallager in Wien-Liesing
wurde im Mai 1983 eröffnet. So war gewährleistet, dass die Kunden bestmöglich betreut
wurden. Mit einer modernen EDV-Anlage konnten die Inventuraufnahme sowie die Rech-
nungslegung erleichtert werden.247
M.A.N. wollte ab Anfang 1983 an ÖAF-Gräf & Stift keine Aufträge für die Produktion von Ver-
lagerungsfahrzeugen248 mehr erteilen. Diese Maßnahme hätte einen weiteren Personalab-
bau von 250 bis 300 Beschäftigten sowie einen Produktionsrückgang von 600 Fahrzeugen
bedeutet. Der zusätzliche Verlustanstieg wurde wegen dieser Ankündigung auf 55 Millionen
Schilling geschätzt. Diese Mitteilung von M.A.N. führte zu Krisensitzungen im Beisein von
Gewerkschaftspräsident Anton Benya, Verteidigungsminister Otto Rösch, Arbeiterkammer-
präsident Adolf Czettel, Sozialminister Alfred Dallinger und Bürgermeister Leopold Gratz so-
244 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1979. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1979. S. 1159.
245 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 183.
246 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1981. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1981. S. 1224.
247 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 175.
248 Unter dem Begriff „Verlagerungsfahrzeuge“ versteht man, dass die Produktion der Fahrzeuge nicht im M.A.N. Werk München, sondern im Werk der ÖAF
Gräf & Stift vorgenommen wurde.
85
wie seitens der M.A.N. mit den Herren Dipl. Ing. Dr. Wilfried Lochte, Dr. Wolfgang Müller und
dem Vorstand der ÖAF-Gräf & Stift (Dr. Richard Daimer, Dipl. Ing. Georg Frank, Dkfm. Udo
Malsch). Um die Auftragslage aufrechtzuerhalten, wurden der ÖAF-Gräf & Stift Aufträge von
der Gemeinde Wien, dem Österreichischen Bundesheer sowie der Bahn und Post im Auf-
tragswert von 100 Millionen Schilling zugesichert. Die M.A.N. erklärte sich bereit, nochmals
einen Auftrag über Verlagerungsfahrzeuge von 200 Millionen Schilling zu vergeben. Seitens
des Sozialministeriums wurden 5,2 Millionen Schilling als Zuschuss zugesichert – unter der
Bedingung, dass nur 150 Mitarbeiter abgebaut werden. Mit dieser Vereinbarung war die Kri-
sensituation vorerst bereinigt.249
Gemeinsam mit dem Vorstandsdirektor der M.A.N., Dipl. Ing. Dr. Wilfried Lochte, wurde ver-
einbart, dass die ÖAF-Gräf & Stift Sonderfahrzeuge für die M.A.N. produzieren sollte. Damit
waren auch jegliche Gespräche über Einschränkungen der Produktion nicht mehr aktuell.
Einschränkungen in der Produktion hätten zur Kündigung von 40 Prozent aller Mitarbeiter
geführt, hätten auch einen Umsatzrückgang bewirkt – verbunden mit einem Marktanteilrück-
gang und dem Verlust des aufgebauten Kundendienstnetzes durch nicht belegte Reparatur-
hallen. Die Fahrzeugproduktion sollte künftig 600 bis 700 Fahrzeuge im Jahr betragen, da-
von sollten 300 bis 350 Spezialfahrzeuge und der Rest serienähnliche Fahrzeuge sein. Wei-
ters sollte die Lastwagen- und Omnibusfertigung auf einen Standort beschränkt sein. Der
Standort Floridsdorf kam, bedingt durch hohe Investitionskosten in die Lagerhallen, nicht in
Frage. Es gab zwei große Werke, eines in Liesing in der Brunner Straße und ein weiteres in
Floridsdorf in der Brünner Straße. Die ÖAF-Gräf & Stift hatte als gemeinsamen Produktions-
standort für die Lastwagen- und Omnibusfertigung Liesing (Brunner Straße) gewählt. Dazu
musste jedoch die Produktionsstätte Floridsdorf veräußert werden, um Kapital in Höhe von
250 bis 350 Millionen Schilling für Investitionen zur Verfügung zu haben.
M.A.N. war vorerst mit dem Vorhaben einverstanden und sicherte für die Produktionsstätte in
Liesing auch die Auslastung zu. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsförderungsfonds und Fi-
nanzstadtrat Hans Mayr wurde im Dezember 1983 ein Verkaufspreis für das Gelände in Flo-
ridsdorf in Höhe von 100 Millionen Schilling sowie eine Darlehensgewährung in Höhe von 50
bis 100 Millionen Schilling vereinbart. Im Jänner 1984 erklärte sich die M.A.N. zur Gänze mit
dem Vorhaben einverstanden.250 Heute befindet sich im ehemaligen Werk in der Brunner
Straße ein Auslieferungslager.
Im Gespräch zwischen dem Vorstand der ÖAF-Gräf & Stift und den Betriebsräten Sebastian
Schittenkopf und Alfred Renner wurde die künftige Situation besprochen. Die Betriebsräte
stellten sich sofort gegen das Vorhaben. Der Presse teilten die Betriebsräte mit, dass es zu
Massenkündigungen sowie zur Verschleuderung von Substanz der ÖAF-Gräf & Stift kom-
men werde. Die Mitarbeiter versuchten den Ablauf der Aufsichtsratsitzung zu behindern, um
eine Entscheidung über den Fortgang des Projekts zu verschieben. Informationen zur Höhe
249 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 184 f.
250 Folgende Ausführungen beziehen sich auf ebenda S 185 ff.
86
des Investitionsvolumens von 350 Millionen Schilling wurden von der Presse nicht veröffent-
licht. Nur der Frage, ob der Betriebsrat von der Unternehmensleitung rechtzeitig und ausrei-
chend informiert worden war, wurde nachgegangen. In der Aufsichtsratsitzung sprachen die
beiden Betriebsräte dem Vorstand das Misstrauen aus. Alle Versuche des Vorstandes, den
Mitarbeitern die Lage zu erläutern, wurden von den Betriebsräten verhindert. Massenkündi-
gungen sollten durch öffentliche Subventionen unterstützt werden. Schließlich wurde am
19. September 1984 in einer Aufsichtsratsitzung den Betriebsräten von Dr. Wolfgang Müller
vorgeworfen, die Mitarbeiter wissentlich falsch zu informieren, und dass somit die Pflicht, die
Betriebsratstätigkeit im Interesse der Belegschaft und des Unternehmens auszuführen, ver-
letzt worden sei. Im März 1985 legte der Betriebsrat einen Sozialplan vor, welcher die Pro-
duktionskosten jährlich um 70 Millionen Schilling erhöht hätte. Im Beisein von Sozialminister
Alfred Dallinger konnte ein Konsens gefunden werden, welcher für alle Beteiligten akzepta-
bel war.
Aber auch im Personenwagen-Geschäft mischte ÖAF-Gräf & Stift mit. Während der Zeit, als
ÖAF in den USIA-Konzern eingegliedert war, wurden Fahrzeuge der Marke Moskvich (der
Moskauer) importiert, die in Österreich unter den klangvollen Namen Torero und Matador
vertrieben wurden. Nachfolgemodelle waren die Fahrzeuge Volga oder Saparoschez, welche
in Österreich unter den Namen Attache bzw. Eliette vertrieben wurden.
Die Personenkraftwagen wurden im AZLK-Werk Moskau, hergestellt. Die jährliche Produkti-
onsmenge betrug rund 150.000 Stück, wovon rund 5000 nach Westeuropa gebracht wurden.
Allein in Österreich wurden Anfang der 60er-Jahre zwischen 150 und 300 dieser Fahrzeuge
verkauft. Die Fahrzeuge lagen in der Preisklasse eines Mittelklassewagens und waren daher
für die breite Masse erschwinglich. Die Fahrzeuge waren aber sehr reparaturanfällig, wobei
der ÖAF-Gräf & Stift vom Hersteller, dem AZLK-Werk, nur ein Naturalrabatt gewährt wurde.
Die Arbeitszeiten wurden der ÖAF-Gräf & Stift vom AZLK-Werk nicht ersetzt. Trotz Reparatu-
ren waren die Fahrzeuge bei den Kunden sehr beliebt, sodass der Absatz im Jahr 1967 600
Stück und im Folgejahr 820 Stück betrug. 1969 ging der Verkauf aufgrund des Einmarsches
der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR auf 386 Stück zurück.251
Seitens der ÖAF-Gräf & Stift wurde versucht, sowohl die Qualität dieser Fahrzeuge zu ver-
bessern als auch Probleme wie Lieferverzögerungen von Ersatzteilen in den Griff zu be-
kommen. ÖAF-Gräf & Stift hoffte auf Kompensationsgeschäfte mit dem sowjetischen Her-
steller im Lastwagenbereich. Im Jahr 1971 war der ÖAF-Gräf & Stift ein großartiger Erfolg
gelungen. Es wurde erreicht, dass die Ersatzteile auf Garantie geliefert wurden und auch die
aufgewendete Reparaturzeit vom Hersteller ersetzt wurde. Weiters bestellte die Sowjetunion
130 Dreiachs-Muldenkipper der Type Tornado, die nicht mit M.A.N.-, sondern mit Leyland-
Motoren ausgestattet waren.
251 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 179.
87
Mit dem Pkw-Typ Lada RL war es gelungen, die Verkäufe zu steigern. Im Jahr 1977 wurden
2765 Stück dieser Fahrzeuge verkauft. Der Lada RL war ähnlich dem Typ Fiat 124. Er wurde
in Togliatti an der Wolga in Gemeinschaft mit dem italienischen Hersteller Fiat produziert.
In Österreich wurde 1978 die Luxussteuer auf Personenkraftwagen eingeführt. Es kam zu
einem Rückgang an Bestellungen am österreichischen Personenkraftwagenmarkt von 50
Prozent. Ein geländegängiges Fahrzeugmodell der Type Niva wurde von der Außenhandels-
organisation Avtoexport252 im Dezember 1977 präsentiert, war aber nicht für den Export be-
stimmt. Nach Verhandlungen wurden dennoch 200 Stück nach Österreich exportiert, wo die
Fahrzeuge von der ÖAF-Gräf & Stift unter dem Namen Taiga verkauft wurden und sich als
Verkaufsschlager erwiesen. 1978 wurden 1122, im Jahr 1979 1800 Stück verkauft. Der in-
ländische Marktanteil an Personenkraftwagen betrug im Jahr 1977 1,1 Prozent, im Jahr 1979
waren es bereits 1,65 Prozent. Das Kundeninteresse an dieser Pkw-Type nahm in den
Folgejahren immer mehr ab, da keine Nachfolgemodelle auf den Markt gebracht wurden.
Das Ursprungsmodell, der Fiat 124, war bereits über 20 Jahre alt. 1986 konnte mit der Ein-
führung des Modells Lada Samara kurzfristig eine Absatzsteigerung auf 2000 Stück erreicht
werden.253
Im Jahr 1982 wurde von ÖAF-Gräf & Stift auch die Generalvertretung von Škoda übernom-
men. Tarbuk, der bisherige Generalvertreter, hatte im Jahr 1982 von dieser Marke 150 Stück
verkauft. ÖAF-Gräf & Stift verkaufte im Jahr 1985 bereits 1127 Stück.
Die Einführung der Katalysator-Modelle, die der sogenannten US-Abgasnorm 83 entspra-
chen, welche von der österreichischen Bundesregierung ursprünglich erst für den März 1988
anberaumt war, wurde um ein Jahr vorverlegt. Die ÖAF-Gräf & Stift wusste, dass es weder
dem tschechischen Hersteller des Škodas noch dem russischen Hersteller der Lada-Modelle
möglich sein würde, in einem halben Jahr zulassungsfähige Fahrzeuge auf den Markt zu
bringen, welche der US-Abgasnorm 83 entsprachen. ÖAF-Gräf & Stift befürchtete, dass das
in mühevollster Kleinarbeit über fast zwanzig Jahre hindurch aufgebaute Servicenetz für
Personenkraftwagen in Österreich durch die Nichtlieferfähigkeit der Hersteller plötzlich zu-
sammenbrechen könnte. Deshalb führte die ÖAF-Gräf & Stift am 10. Juni 1987 ein Erstge-
spräch mit dem Exportdirektor der Chrysler Corporation, Detroit. Mit 1. Jänner 1988 bekam
die ÖAF-Gräf & Stift die Generalvertretung der Chrysler Fahrzeuge für fünf Jahre. Der Ver-
trieb dieser Fahrzeuge erwies sich als erfolgreich. Im ersten vollen Geschäftsjahr 1988/1989
wurden bereits 1296 Jeeps und Chrysler Fahrzeuge verkauft. Der Pkw-Bereich wurde auf-
grund der Geschäftsausweitung mit 1. Juli 1993 von der ÖAF-Gräf & Stift AG in die AC Aust-
ro-Car Handelsgesellschaft m.b.H. ausgegliedert.254
252 „Avtoexport war kein Hersteller, sondern die staatlich sowjetische Exportagentur für Kraftfahrzeuge. Die Firma bündelte alle Exporte der russischen
Fahrzeughersteller in westliche Länder.“ Abzurufen unter: http://www.motorrad-oldtimer-photo-archiv.de/shop1/Gx2/index.php?cat=c481_Avtoexport-
Avtoexport.html. Abgerufen am 08.10.2013.
253 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 181.
254 Ebenda S. 182.
88
Der Jahresabschluss der ÖAF-Gräf & Stift AG zum 31. Dezember 1984 wies erstmals wieder
einen Reingewinn von 682.542 Schilling auf, wobei 478.667 Schilling an die Aktionäre aus-
geschüttet wurden. Ein Betrag von 203.875 Schilling wurde in das Folgejahr vorgetragen.
Die Eigenkapitalquote des Unternehmens betrug im Jahr 1984 wieder 14,26 Prozent. Der
Zuwachs an Erlösen im Lastwagenbereich war gegenüber dem Vorjahr um 4 Prozent gestie-
gen, wobei die Nachfrage nach leichten Lastkraftwagen (Fahrzeuge zwischen 5 und 10 Ton-
nen Gesamtgewicht) um 9 Prozent rückläufig war. Im Gegensatz dazu war bei Fahrzeugen
mit einem Gesamtgewicht von 10 bis 15 Tonnen ein Zuwachs von 23 Prozent und bei Fahr-
zeugen über 15 Tonnen ein Zuwachs von 16 Prozent zu verzeichnen.255
1985 beteiligte sich die ÖAF-Gräf & Stift an einer Ausschreibung des Österreichischen Bun-
desheeres über 1000 Stück Allrad-Lastwagen mit einem Gesamtgewicht von 12 Tonnen.
Iveco und Daimler-Benz schieden aus, da die Unterlagen nicht den Ausschreibungsrichtli-
nien entsprachen. ÖAF-Gräf & Stift war somit Billigstbieter. In einem Vergleichstest der Pro-
totypen zwischen ÖAF-Gräf & Stift und Steyr war ebenfalls ÖAF-Gräf & Stift überlegen. ÖAF-
Gräf & Stift sollte damit den Auftrag erhalten. Verteidigungsminister Dr. Friedhelm Frischen-
schlager teilte in einem Gespräch mit, dass zwar ÖAF-Gräf & Stift Bestbieter wäre, der Auf-
trag aber trotzdem Steyr erteilt würde. Eine eventuelle Teilung des Auftrages käme nicht in
Frage. Dr. Friedhelm Frischenschlager hatte dem Bundeskanzler Dr. Fred Sinowatz eine
Teilung des Auftrages zwischen beiden Firmen zugesagt. Als dies nicht der Fall war, ver-
sprach Bundeskanzler Dr. Fred Sinowatz der ÖAF-Gräf & Stift Ersatzaufträge. Es folgten
wieder mehrere Verhandlungen. Die Auftragserteilung – und somit die Einhaltung der Zusa-
ge von Dr. Sinowatz über Ersatzaufträge – erfolgte schließlich durch Dr. Helmut Krünes, den
Nachfolger Dr. Friedhelm Frischenschlagers. Es wurden Kipperfahrzeuge für das Österrei-
chische Bundesheer bestellt.256
1985 wurde mit dem ersten Bauabschnitt auf dem 90.000 m2 großen Gelände des neuen
Werkes in Liesing begonnen. Die Übersiedelung von Floridsdorf nach Liesing wurde von
August 1987 bis Mai 1988 durchgeführt, wobei keine Kündigung der Floridsdorfer Beleg-
schaft erfolgte. Vier Jahre waren wegen der Hindernisse von der ersten Planung bis zur In-
betriebnahme vergangen.257
Im Jahr 1985 wurde ebenfalls wieder ein Bilanzgewinn in Höhe von 9.209 Millionen Schilling
erzielt, wovon 9 Millionen Schilling an die Aktionäre ausgeschüttet wurden und 209.399
Schilling in das Jahr 1986 vorgetragen wurde. Der Umsatz des Jahres 1985 lag mit 2,43 Mil-
255 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1984. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1984. S. 1245.
256 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 188.
257 Ebenda S. 192.
89
liarden Schilling um 7 Prozent hinter dem Jahr 1984, war aber trotzdem um 16 Prozent höher
als im Jahr 1983.258
Straffungen wurden auch im Konstruktionsbereich eingeführt. So wurden die beiden techni-
schen Entwicklungsbüros für den Lastwagen- und Omnibusbereich in einem Büro zusam-
mengelegt. Prokurist Dr. Gerhard Bruner übernahm die Leitung dieser Abteilung. Im Ferti-
gungsbereich wurden ebenfalls alle Schritte so angeordnet, dass auf geänderte Marktsituati-
onen sofort reagiert werden konnte und ein schneller Fertigungslauf gegeben war. Es wurde
durch den neuen Standort eine wesentliche Steigerung der Produktivität erreicht. Vorerst
wurde eine Produktion von 600 bis 700 Lkw sowie von 150 bis 200 Bussen jährlich ange-
nommen. 50 Prozent der produzierten Fahrzeuge sollten Spezialfahrzeuge sein. Im alten
Werk wurden im Geschäftsjahr 1. Juli 1987 – 30. Juni 1988 551 Lkw hergestellt.259
Der Bilanzstichtag des Unternehmens wurde im ersten Halbjahr 1987 auf den 30. Juni um-
gestellt. Von nun an bilanzierte das Unternehmen jeweils zum 30. Juni des Jahres. Die Um-
sätze an Omnibussen, an Verteilergetrieben und im Kundendienstbereich entsprachen der
Planung des Unternehmens. Der gesamte Nettoumsatz für das 1. Halbjahr 1987 betrug 1,27
Milliarden Schilling und war damit um 8,9 Prozent höher als das 1. Halbjahr 1986. Auch das
Rumpfjahr 1. Jänner – 30. Juni 1987 schloss mit einem Bilanzgewinn ab. Der Mitarbeiter-
stand betrug 1920 Personen. Im November 1987 wurde das Kapital von 180.000.000 Schil-
ling auf 216.000.000 Schilling durch Ausgabe von 34.800 Aktien zu je 1000 Schilling und
12.000 Aktien zu je 100 Schilling aufgestockt. Die Aktien wurden von der Österreichischen
Länderbank AG in Wien mit der Auflage übernommen, die Aktien den Aktionären im Verhält-
nis 5:1 zu einem Kurs von 170 Prozent anzubieten. Das Aktienkapital betrug nunmehr
216.000.000 Schilling, aufgeteilt in 208.800 Aktien zu je 1000 Schilling und 72.000 Aktien zu
je 100 Schilling. Dem Vorstand des Unternehmens gehörten folgende Personen an: Dir.
Komm.-R. Dr. Richard Daimer, Dir. Dipl-Ing. Georg Franz und Dir. Dkfm. Klaus Petit (Mün-
chen).260
Das Geschäftsjahr 1987/1988 (Bilanzstichtag 30. Juni 1988) zeigte in allen Bereichen eine
äußerst positive Entwicklung. Vom Gewinn dieses Geschäftsjahres wurden an im Streubesitz
befindliche Aktien Dividenden von 540.000 Schilling ausgeschüttet. Der verbleibende Ge-
winn von 1.582.242 Schilling wurde in das nächste Geschäftsjahr vorgetragen.261
Die positive Umsatzentwicklung hielt in allen Bereichen – Lastkraftwagen, Omnibusse, Per-
sonenkraftwagen und Kundendienst – auch im Jahr 1988/1989 an. Der Gesamtumsatz war
mit 3,3 Milliarden Schilling wieder um 13 Prozent höher als im Vorjahr. ÖAF-Gräf & Stift
258 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1985. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1985. S. 1342.
259 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 193.
260 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1986. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1986. S. 1676.
261 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1988. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1988. S. 1877.
90
konnte sich mit allen Produkten am inländischen Markt behaupten. Bei den Fahrzeugen im
mittleren Bereich (10 bis 15 Tonnen Gesamtgewicht) wurde im Jahr 1988 auch die neue Mo-
dellreihe M 90 vorgestellt. Somit stand den Kunden nun für Fahrzeuge von 6 bis 48 Tonnen
Gesamtgewicht eine komplett überarbeitete Nutzfahrzeugpalette zur Verfügung. Die neu
entwickelte Fahrzeugreihe F 90 wurde seit dem Jahr 1986 bei ÖAF produziert und trug we-
sentlich zur Marktanteilssteigerung bei. Auch dieses Jahr konnte an die Aktionäre eine Divi-
dende von 10.800.000 Schilling ausgeschüttet werden, der restliche Bilanzgewinn (741.200
Schilling) wurde in das nächste Jahr vorgetragen.262
Im Folgejahr 1989/1990 stiegen die Umsatzzahlen auf 4.047 Millionen an, was eine Steige-
rung gegenüber dem Vorjahr von 23 Prozent (761 Millionen Schilling) bedeutete.263
Das in Österreich mit 1. Jänner 1989 eingeführte Nachtfahrverbot264 trug auch zur Umsatz-
steigerung der ÖAF-Gräf & Stift bei. Der schnellen Anpassungsmöglichkeit im Entwicklungs-
und Produktionsbereich war es zu verdanken, dass binnen kurzer Zeit den nötigen Anforde-
rungen hinsichtlich gesetzlicher Änderungen im Nutzfahrzeugbereich entsprochen werden
konnte. So wurden durch die Einführung des Nachtfahrverbotes für „nicht lärmarme“ Last-
kraftwagen umgehend Umbauarbeiten an den bisherigen Modellen vorgenommen, damit die
Fahrzeuge den neuen gesetzlichen Lärmvorschriften entsprachen. Der Forschung und Ent-
wicklung ist es zu verdanken, dass den Kunden bereits ab 1990 eine breite Palette soge-
nannter Öko-Lastwagen, die den geforderten Lärmvorschriften entsprachen, angeboten wur-
de.265 Mit diesen lärmarmen Fahrzeugen waren die Kunden auch nicht vom Nachtfahrverbot
auf den Transitstrecken in Österreich betroffen. Aber auch die ansteigende Konjunkturlage
führte dazu, dass bei Fahrzeugen aller Gewichtsklassen Marktzuwachsraten erreicht wur-
den. Auch in den Werkstätten stiegen die Umsätze an, einerseits durch die Zuwachsraten an
Neufahrzeugen, aber auch durch die Umbauarbeiten älterer Fahrzeuge, um sie technisch
entsprechend den neuen gesetzlichen Lärmvorschriften umzurüsten.266
Der Nettoumsatz des Jahres 1990/91 konnte mit 4.948 Millionen Schilling gegenüber dem
Vorjahr wieder gesteigert werden. Die Umsatzausweitung war wie in den Vorjahren auf alle
Produktionssparten zurückzuführen. Mit 2220 Mitarbeitern schloss auch dieses Jahr mit ei-
nem Bilanzgewinn ab.267
Die Fixierung auf den Standort Wien hatte sich ebenfalls als richtig herausgestellt, da
dadurch eine größere Konkurrenzfähigkeit gewährleistet war. ÖAF-Gräf & Stift konnte durch
262 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1989. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1989. S. 2092.
263 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1990. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1990 S. 2272.
264 Anm.: Fahrzeuge, die nicht den gesetzlichen Lärmvorschriften entsprachen, durften während gewisser Nachtstunden nicht betrieben werden.
265 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 199.
266 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1990. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1990. S. 2272.
267 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1991. Veröffentlicht
im Finanz-Compass Österreich 1991. S. 381.
91
diese Maßnahmen ihre Position als Spezialfahrzeughersteller im MAN-Verbund268 festigen.
Die Produktionszahlen stiegen stetig an, nicht nur im Spezialfahrzeugbereich. Die höchsten
Produktionszahlen wurden 1991/1992 mit 1477 Stück einschließlich der Spezialfahrzeuge
erreicht. Von diesen Stückzahlen wurden 1000 Stück von MAN geordert. Durch die Flexibili-
tät in den Produktionsbereichen, durch Umschichtung zwischen den Kapazitäten des Last-
wagen- und Busbereiches, aber auch durch zusätzliche Schichten der Arbeitnehmer war die
Produktion derartiger Stückzahlen möglich. Der Abstimmung zwischen Logistik- und Kon-
struktionsbereich, dem Qualitätssystem von MAN und ÖAF-Gräf & Stift, war der Erfolg zu
verdanken. Das Vorhaben der ÖAF-Gräf & Stift, nämlich die Rolle eines Spezial- und Serien-
fahrzeugherstellers im MAN-Verbund zu übernehmen, kam voll zum Tragen.269
Durch die günstige Konjunktur, aber auch durch die ständig neuen Modelle betrug der Um-
satz im Jahr 1992/1993 5,7 Milliarden Schilling. Ebenso konnte in den folgenden Jahren, in
denen eine rückläufige Konjunkturlage zu verzeichnen war, der Umsatz gesteigert werden:
im Jahr 1993/1994 um 4 Prozent auf 5,9 Milliarden Schilling, und auch im Jahr 1994 blieb
ÖAF-Gräf & Stift der Marktführer in Österreich mit einem Anteil von 30 Prozent im Nutzfahr-
zeugbereich und von 32 Prozent bei den Omnibussen.270
Auch im Jahresabschluss zum 30. Juni 1995 wurde ein Gewinn von 66 Millionen Schilling
ausgewiesen und an die Aktionäre eine Dividende von 34.560.000 Schilling ausgeschüttet.
Das Grundkapital der Gesellschaft betrug 224.404.000 Schilling.271
Die einzige Gesellschafterin der Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift AG, die
MAN Nutzfahrzeuge Aktiengesellschaft, München, nahm ab dem Jahr 1995 eine Neuord-
nung der österreichischen Unternehmensbereiche innerhalb des MAN-Konzerns vor. Ein
erster Schritt war die Zusammenführung der ÖAF-Gräf & Stift AG sowie der Steyr-
Nutzfahrzeuge AG in eine Unternehmung, die ÖAF-Gräf & Stift OHG. In der gegenständli-
chen Dissertation wird diese Neustrukturierung im MAN-Konzern im Abschnitt II/1/b/7 be-
handelt.
268 Der Firmenwortlaut und das Logo der M.A.N. wurde 1989 in MAN geändert. Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte –
Technik – Typen. S. 152.
269 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. S. 195.
270 Ebenda S. 202.
271 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN AUTOMOBILFABRIK ÖAF-GRÄF & STIFT AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1995. Veröffentlicht
im Finanz-Compas Österreich 1995. S. 549.
92
3) Österreichische Saurerwerke
272 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 - 2006. Band 1. Hrsg.: Bruner Gerhard / Reitgruber Stefan /
Zottler Max gemeinsam mit dem Verein zur Förderung der historischen Fahrzeuge der Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift AG, Wien. S. 12 ff.
Anm.: In den Geschäftsberichten veröffentlicht im Finanz-Compass wird der Firmenname „Saurerwerke“ zusammengeschrieben, in manchen Facharbeiten
mit Bindestrich getrennt (Saurer-Werke).
273 Ebenda S 14.
93
Die ersten Omnibusse für den oberösterreichischen Postlinienverkehr sowie ein Paketwagen
für die Dolomitenlinie wurden vom k. u. k. Handelsministerium bestellt.274 In den kommenden
Jahren wurden auch weitere Postlinien in Österreich eingeführt. In Wien wurden die ersten
Buslinien bereits im Jahr 1907 betrieben. Im Jahr 1913 wurde ein Saurer-Stockomnibus der
Type 3TC für die Linie Nordbahnhof–Stephansplatz eingesetzt. Der gute Ruf der Saurer-
Omnibusse führte dazu, dass auch Saurer-Lastwagen von den Kunden nachgefragt wurden.
Vorerst wurden die fertigen Fahrzeuge aus der Schweiz importiert. Im Laufe der Zeit wurde
die Produktion der einzelnen Teile vermehrt von der Kraftfahrzeug- Gesellschaft m.b.H. vor-
genommen. Eine eigene Konstruktionsabteilung wurde von der Gesellschaft gleich zu Be-
ginn eingerichtet, um den technischen Anforderungen schnell gerecht zu werden. Der Erfolg
des Unternehmens ist auf die Genauigkeit bei der Herstellung der Fahrzeuge zurückzufüh-
ren.
A. Fross-Büssing, vorm. Maschinenfabrik A. Fross (Stephan v. Götz und Söhne), und die
Fiat Werke gründeten 1907 ebenfalls Fabriken in Wien und versuchten auf dem Nutzfahr-
zeugmarkt Fuß zu fassen. Auch Vertretungen ausländischer Automobilhersteller versuchten
in den inländischen Markt einzudringen. Dies veranlasste die Kraftfahrzeug-Gesellschaft
m.b.H. anlässlich einer Wertungsfahrt des Österreichischen Heeres 1909 dazu, die Zuver-
lässigkeit und das Können der Saurer-Nutzfahrzeuge zu präsentieren. Fahrzeuge von Aust-
ro-Fiat, Gräf & Stift und Fross-Büssing nahmen ebenfalls teil. Die Fahrt, welche sich über
2500 km erstreckte, wurde von den Saurer-Lastwagen mit problemlos bewältigt.
Die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28. Juli 1914 bedeutete auch einen
Aufschwung und stellte geänderte Anforderungen an die Automobilindustrie. In der Monar-
chie war der Bestand an Fahrzeugen im Jahr 1914 folgender: Es gab 24.000 Personenkraft-
wagen und 3800 Lastwagen, davon waren aber nur 2660 einsatzfähig. Das Bundesheer ver-
fügte über 588 Lastwagen.
Das k.u.k. Kriegsministerium benötigte unverzüglich 8000 Lastwagen. In Absprache mit dem
Verband Österreichischer Automobilindustrieller legte das k.u.k. Kriegsministerium monatli-
che Solllieferungen für die österreichischen Automobilfabriken fest. Alle Automobilfabriken
mussten 836 Stück pro Monat fertigen – davon waren 85 Stück Lastwagen, die die Kraftfahr-
zeug-Gesellschaft m.b.H. herstellen musste. Um die erforderliche Stückzahl herstellen zu
können, wurden frei stehende Baulichkeiten als Produktionshallen benutzt und auch Mitar-
beiter vom Militärdienst befreit, damit die Fabriken die Produktionszahlen erbringen konnten.
Die Vielzahl der Produktionsstätten wirkte sich durch die langen Transportwege für die Kraft-
fahrzeug-Gesellschaft m.b.H. nachteilig aus. Deshalb erwarb das Unternehmen auf der
Simmeringer Haide ein Grundstück und errichtete dort in nur zwei Monaten eine Montagehal-
le. Am 1. November 1916 wurden die Maschinen in Betrieb genommen. Die Kredite für die
Investitionstätigkeiten wurden von der Heeresverwaltung eingeräumt. Ein Teil dieser Bau-
lichkeiten überstand sogar den Zweiten Weltkrieg.
94
1917 wurde die Kraftfahrzeug-Gesellschaft m.b.H. in Österreichische Saurerwerke Kraftfahr-
zeug-Ges.m.b.H. umfirmiert.275
In den Jahren 1915 bis 1917 kam es zu ersten Kontakten mit der Maschinenfabrik Augsburg-
Nürnberg (M.A.N.) in Nürnberg. Schwerere Fahrzeuge mit 5 Tonnen Gesamtgewicht produ-
zierte M.A.N. selbst. M.A.N. wollte ihren Kunden aber auch leichtere Wagen anbieten. Des-
halb lieferten die Österreichischen Saurerwerke an M.A.N. leichte Nutzfahrzeuge mit 2 Ton-
nen Gesamtgewicht, sogenannte 2BH-Wagen.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges musste die groß angelegte Produktionsausweitung teil-
weise auf die Hälfte zurückgenommen werden. Finanzielle Probleme im Unternehmen und
Entlassungen von Mitarbeitern waren die Folge. Die Mitarbeiter mussten Lohnkürzungen von
25 bis 40 Prozent in Kauf nehmen. Das Finanzministerium gewährte Überbrückungskredite,
wobei die fertigen Fahrzeuge als Sicherstellung dienten. Dem Weitblick der Geschäftsfüh-
rung ist es zu verdanken, dass mit dem Aufbau einer Verkaufsorganisation der Grundstein
für die Zukunft gelegt wurde.276
Die Produktpalette zeigte in den Jahren bis 1920 keine großen Veränderungen. Es wurden
nach wie vor 2- und 3-Tonnen-Kardanwagen und 4- und 5- bis 6-Tonnen-Kettenwagen pro-
duziert. Die Fahrerhäuser wurden ab 1920 als geschlossene Holzfahrerhäuser, verkleidet mit
Stahlblech, hergestellt. Die elektrische Beleuchtung ersetzte die Azetylen-Beleuchtung.
Am 9. November 1923 wurde die Gesellschaft unter finanzieller Mithilfe der Schweizer Li-
zenzgeberin der Aktiengesellschaft Adolph Saurer in die Österreichische Saurerwerke AG
umgegründet. Die Höhe des Grundkapitals betrug 500.000 Kronen. Vorstandsmitglieder wa-
ren Ing. Alfred Radio-Radiis, Ing. Moritz Schwarzl, Johann Caspar und Gaston Radio- Ra-
diis.277
Ständige Forschungs- und Entwicklungsarbeit führte dazu, dass 1929 die Österreichische
Saurerwerke AG erstmals einen Dieselmotor mit Wirbelkammer, das sogenannte Acro-
Verfahren, vorstellte. Der Verbrauch war wesentlich niedriger als bei den bisherigen Verfah-
ren. Der Benzinmotor konnte durch dieses Verfahren leicht auf Dieselbetrieb umgerüstet
werden. Größere Aufträge über die Lieferung von Fahrzeugen, die mit diesem Motor ausge-
stattet waren, kamen von der Kraftwagenbetriebsleitung der ÖBB und anderen Kunden. Im
Zeitraum 1928 bis 1931 wurden von der Österreichischen Saurerwerke AG sechs Fahrzeug-
typen, wahlweise mit 55 bis 100 PS starken Benzin- oder Dieselmotoren, angeboten. Die
Aufbauten auf die Nutzfahrzeuge wurden von der Karosseriefabrik J. Rohrbacher vorge-
nommen. Ebenso wie andere Hersteller versuchte man – wegen des vorhandenen Rohstof-
fes Holz – auch Fahrzeuge, angetrieben mit Ersatztreibstoffen wie Holzgas oder Holz mit
Benzin-Benzolzusatz, herzustellen. In den Jahren 1934 und 1936 wurden internationale Al-
penfahrten für Nutzfahrzeuge mit Ersatztreibstoffen absolviert. Die Streckenlänge der Alpen-
275 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 32.
276 Ebenda S. 37.
277 Ebenda S. 38 und 39.
95
fahrt im Jahr 1934 betrug 1654 km und ging von Österreich über die Schweiz nach Italien.
Die zweite Internationale Alpenfahrt, vom 8. bis zum 18. September 1936, ging von Zürich
über die östliche und südliche Schweiz nach Bern und umfasste eine Gesamtstrecke von
1666 km.
Ab dem Geschäftsjahr 1940/1941 konnten auf Kundenwunsch wahlweise auch Holzgasanla-
gen in die Saurer-Lastwagen eingebaut werden.278
Für das österreichische Bundesheer entwickelte die Österreichische Saurerwerke AG in kür-
zester Zeit ein mit Ketten betriebenes Fahrzeug, welches als Zugmaschine für leichte Kano-
nen gedacht war.279 Problematisch war, dass das Österreichische Bundesheer Aufträge nur
an rein österreichische Firmen vergeben durfte. Die Steyr-Daimler-Puch AG wollte die Auf-
tragsvergabe verhindern, indem sie die Österreichische Saurerwerke AG als „ausländische
Konzernfirma“ bezeichnete. Im Jahr 1937 wurde deshalb die Drittelbeteiligung der Schweizer
Saurer-Arbon AG an der Österreichischen Saurerwerke AG an die beiden Brüder Gaston
und Alfred Radio-Radiis verkauft. Dadurch befanden sich sämtliche Aktien der Österreichi-
schen Saurerwerke AG im ausschließlichen Familienbesitz der Familie Radio-Radiis. Die
Besitzverhältnisse wurden in einem Schreiben vom 7. Dezember 1937 dem Bundesministe-
rium für Landesverteidigung in Wien mitgeteilt, verbunden mit dem Ersuchen um Erteilung
des Zusatzauftrages für die Herstellung von 60 Stück Zugwagen im Jahr 1938.
Durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 ergaben sich auch
bei Saurer industrielle Veränderungen. Durch die Typenbereinigung der Fahrzeuge aufgrund
des Schell-Programmes wurde die Herstellungspalette auf die Produktion von 4,5- bzw. 5-
Tonnen-Fahrzeuge der Type BT 4500 eingeschränkt. 6000 Stück dieser Type wurden in den
Jahren 1938 bis 1945 geliefert. Die 2-, 3-, und 6-Tonnen-Fahrzeuge wurden nicht mehr pro-
duziert.
Bedingt durch die Produktionsausweitung und aus Sicherheitsgründen wurde die Produktion
während des Krieges in das Hauptgebäude des Schlosses Neugebäude und in die genannte
Saurerhalle der damaligen Austro-Tatra-Werke in Wien, Simmeringer Hauptstraße 98–100,
verlegt. Auf diesem Gelände sind heute das Einkaufszentrum Simmering und Handelsketten
zu finden.
Die Österreichische Saurerwerke AG wurde ebenfalls in die Rüstungsindustrie einbezogen,
deshalb wurden auch Militäraufträge an das Unternehmen erteilt. Dies brachte gravierende
Änderungen für die Saurer-Arbon AG in der Schweiz mit sich: Mitarbeiter der Saurer-Arbon
AG durften die Baulichkeiten nicht mehr betreten. Die Lizenzgebühren, welche an Saurer-
Arbon entrichtet wurden, stiegen zwischen 1937 und 1938 um 44 Prozent und wurden in den
Kriegsjahren nicht mehr an den Produktionswerten bemessen. Bezahlt wurden beliebige
Pauschalsummen an Lizenzgebühren, damit der Saurer-Arbon AG keine Daten geliefert
96
wurden, die Rückschlüsse auf die Produktionswerte erlaubt hätten. Der Lizenzvertrag wurde
im Jahr 1941 aufgelöst, die Rechte an den bisherigen Konstruktionen blieben bestehen. Die
Saurer-Arbon AG übernahm die Verpflichtung, für die Österreichische Saurerwerke AG
25.000 Stunden monatlich – und ab dem Jahr 1943 50.000 Stunden monatlich – für die Er-
satzteilproduktion zur Verfügung zu stellen. Werkzeuge und Betriebsmittel wurden von der
Österreichischen Saurerwerke AG bereitgestellt. Die Verbindung zwischen der Österreichi-
schen Saurerwerke AG und der Saurer-Arbon AG wurde nie gänzlich aufgelöst, sondern im
Jahr 1945, nach Ende des Zweiten Weltkrieges wieder aufgenommen, wobei auch der Li-
zenzvertrag neu abgeschlossen wurde.
Mit der Besetzung von Paris im Jahr 1940 wurden von Saurer-Suresnes, dem Werk in Frank-
reich, Ersatzteile an die Österreichischen Saurerwerke geliefert.
Die Österreichischen Saurerwerke, Henschel und Sohn in Kassel und die Klöckner-
Humbold-Deutz AG in Ulm entwickelten in einer Arbeitsgemeinschaft im Jahr 1940 die Ge-
meinschaftstype eines 4,5-Tonnen-Lastwagens und eine gemeinsame Bustype. Der Motor
war bei allen Firmen bis auf das Verbrennungsverfahren gleich. Zu Ende des Zweiten Welt-
krieges sollte auch diese Gemeinschaftstype im Zuge weiterer Typenbereinigungen einge-
stellt werden.280
Mit Einmarsch der deutschen Truppen in Polen am 1. September 1939 wurden die zu produ-
zierenden Mengen für das Oberkommando des Heeres erhöht, aber auch die Lieferfristen
verkürzt. Um die Arbeiten zu bewältigen, wurde ab dem 20. August 1944 das KZ-Nebenlager
Saurerwerke („Wien-West“), ein Nebenlager des KZ-Mauthausen, eingerichtet, in dem ab
September 1944 bis zu 1480 Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten.281 Ein Barackenlager
der Saurerwerke, wo Kriegsgefangene untergebracht waren, wurde zu einem Konzentrati-
onslager umgebaut. 1000 KZ-Häftlinge wurden am 25. September 1944 in das Nebenlager
befördert, am 29. Jänner 1945 erfolgte der letzte Transport mit 158 KZ-Häftlingen.
Der Beschäftigtenstand bei der Österreichischen Saurerwerke AG stieg bis zu Kriegsende
auf insgesamt 5000 an.
Die wachsenden Beschäftigtenzahlen bei den Österreichischen Saurerwerken sowie ande-
ren umliegenden Betrieben machten es erforderlich, dass im Jahr 1942 ein eigenes Stra-
ßenbahnlinienstück von der Simmeringer Hauptstraße-Krausgasse zur Simmeringer Lände
errichtet wurde. Die Österreichischen Saurerwerke beteiligten sich mit 100.000 Reichsmark
an der Finanzierung dieses Straßenbahnlinienstückes.282
280 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S 69.
281 Vgl. offizielle Website der FORSCHUNGSSTELLE NACHKRIEGSJUSTIZ. Mahnmal: An dieser Stelle befand sich ein Nebenlager des KZ Mauthausen.
Abzurufen unter: http://www.nachkriegsjustiz.at/vgew/1110_haidestrasse.php. Abgerufen am 15.5.2013
282 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 70.
97
Österreichische Saurerwerke 1945 bis 1970
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war in Österreich die Versorgung mit Lebensmit-
teln, Gas, Wasser und Elektrizität zusammengebrochen. Auch die Verkehrsmittel konnten
durch die Zerstörung des Fuhrparks und der Gleisanlagen nicht benutzt werden.283 Im Zuge
des Krieges war der größte Teil der Hallen beschädigt worden, der Maschinenpark ebenso,
sodass im Jahr 1945 die Produktion fast gänzlich zum Erliegen kam.284
Aus dem Schutt wurden Maschinen ausgegraben und für Reparaturarbeiten verwendet.285
Diese Schwierigkeiten nach Ende des Zweiten Weltkrieges machten auch der Belegschaft
beim Wiederaufbau des Werkes zu schaffen. Trotz größter Schwierigkeiten wurde mit der
Reparatur von Fahrzeugen begonnen. Bis Ende Oktober 1945 konnten bereits 245 Fahrzeu-
ge repariert werden. Die Eigentümer der Österreichischen Saurerwerke AG, die Familie Ra-
dio-Radiis, wurden im Oktober 1945 wieder in ihre Rechte eingesetzt, die Firma wurde trotz-
dem am 20. Oktober 1945 vom Staatsamt für Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr unter
öffentliche Verwaltung gestellt. Zur Zeit der Verwaltung besaßen die Eigentümer keinerlei
Berechtigung zur Ausübung von Befugnissen.286
Die Zusammenarbeit der österreichischen Automobilhersteller war ausschlaggebend für die
Gründung eines Produktionsausschusses mit den Firmen Steyr & Daimler, ÖAF, Gräf & Stift,
Fross-Büssing und Saurer – unter der Leitung von Dipl.-Ing. Walter Hitzinger von den Sau-
rerwerken. ÖAF, Gräf & Stift sowie Saurer entschossen sich, einen 5-Tonnen-Lastwagen
und einen Omnibus als Gemeinschaftswagen mit der Bezeichnung Type Wien zu produzie-
ren. Der Zusammenbau der Fahrzeuge sollte bei Gräf & Stift erfolgen. Eine Herstellung von
320 bis 350 Fahrzeugen war ab April 1946 geplant. Fross jedoch wollte seinen 6,5-Tonnen-
Wagen, welcher während der Kriegsjahre gefertigt wurde, weiter herstellen.287
Da Wien in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden war, musste beim zuständigen alliierten
Militärkommendo für den 11. Bezirk eine Produktionsbewilligung beantragt werden.288
Die vielfältigen Probleme, sei es die Wiedereinsetzung der Gründerfamilie in deren ursprüng-
liche Rechte, aber auch die Schwierigkeiten bei der Material- und Maschinenbeschaffung
führten dazu, dass mit 7. Dezember 1945 anstatt der geplanten sechs Fahrzeuge nur zwei
Lastwagen und ein Omnibus sowie ein Lastwagen-Ausstellungsfahrgestell produziert wur-
den. Weitere zwei Fahrgestelle, die für den zweiten Omnibus sowie das Kippfahrzeug vorge-
sehen waren, konnten nicht gefertigt werden. 1947 wurden die Arbeiten des Projektes „Ge-
meinschaftswagen“ zwischen der Österreichischen Saurerwerke AG und Gräf & Stift been-
98
det. Aber auch die Gemeinschaftsarbeiten zwischen der Österreichischen Saurerwerke AG
und den anderen Firmen wurde beendet. Von diesem Gemeinschaftswagen wurden bis zum
Sommer 1947 240 Stück erzeugt.289
Die Entwicklungsarbeit wurde wieder in den eigenen Reihen fortgeführt. Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten im Bereich der Motoren- und Fahrgestellherstellung wurden vorge-
nommen. 1947 wurde bereits die erste Neuentwicklung im Motorenbereich – eine neue 6-
Zylinder-Motorbaureihe des Komet-Motors F mit dem Saurer-Verbrennungsverfahren – vor-
gestellt.
1952 folgten Allradfahrzeuge, ausgestattet mit diesen Motoren, die auch als Sonderfahrzeu-
ge für die Schneeräumung eingesetzt wurden. Im Jahr 1955 folgte der Frontlenker im Last-
wagenbereich. Neben dem Lastwagenbereich wurde auch im Omnibusbereich der Entwick-
lung besonderes Augenmerk geschenkt. Bei den Entwicklungs- und Forschungsarbeiten
wurden die Bedürfnisse der Großkunden – wie jene der Stadtwerke, der Post und des Kraft-
wagendienstes der ÖBB – berücksichtigt. Der erste Omnibus mit dem Motor im Heckbereich
wurde 1950/1951 gebaut.290
Die Österreichische Saurerwerke AG hatte einen Vertrag mit der Deutschen Auto-Union in
Düsseldorf über die Generalrepräsentanz von DKW-Wagen (betreffend den Verkauf von
Personen- und Lastwagen sowie sämtlichen Ersatzteilen) in Österreich abgeschlossen. Die
Saurerwerke hatten in Österreich eigene, als Kundendienststellen eingerichtete Niederlas-
sungen in Graz, Linz und Klagenfurt.291
Mit der Automobilfabrik Fabrika Automobila Priboj (FAP) in Priboj na Limu (Dreiländerdreieck
Serbien-Bosnien-Herzegowina-Montenegro) wurde 1952 ein Lizenzvertrag über die Ferti-
gung sämtlicher Saurer-Typen geschlossen. In den Folgejahren war die Lizenzfertigung für
Saurer wieder rückläufig, da die Eigenproduktion in der Fabrik Automobila Proiboj wieder
zunahm. Die Produktion der Motoren und Getriebe wurde an die Motorenfabrik Fabrika Mo-
tora Sarajevo (FAMOS) in Sarajevo ausgelagert.292
289 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 223.
290 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 91.
291 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1953. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1953. S. 601.
292 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 122.
99
Die ständigen Neuentwicklungen sowohl im Bus- als auch Lastwagenbereich machten die
Saurer-Fahrzeuge zu gern gekauften Fahrzeugen im In- und Ausland.293
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum Stichtag 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgen-
de Zahlen:
Jahr Grund und Maschinen und Vorräte Debitoren Rückstellungen Verbindlichkeiten Gewinn/Verlust
Gebäude Werkzeuge
294
Tab. 20: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Österreichischen Saurerwerke AG 1945 bis 1954
Der Umsatz im Jahr 1953 betrug 144 Millionen Schilling (1952 waren es 123 Millionen Schil-
ling). Zur Umsatzsteigerung trugen wesentlich die Exporte nach Jugoslawien aufgrund des
Lizenzvertrages sowie Exporte in die Türkei und den Nahen Osten bei. Auf den Export entfiel
ein Umsatz von 38 Millionen Schilling.295
Dem Geschäftsbericht des Jahres 1954 ist zu entnehmen, dass sich die Konjunktur- und
Absatzverbesserung im Vergleich zum Vorjahr fortsetzte. Im Jahr 1954 wurde ein Umsatz
von 248 Millionen Schilling erzielt. Die Steigerung des Gesamtumsatzes um ein Drittel ist auf
den Exportbereich zurückzuführen. Aber auch die Zusammenarbeit mit Auto-Union in Düs-
seldorf trug zur Umsatzsteigerung bei.296
100
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum Stichtag 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgen-
de Zahlen:
Jahr Grund und Maschinen und Vorräte Debitoren Rückstellungen Verbindlichkeiten Gewinn/Verlust
Gebäude Werkzeuge
297
Tab. 21: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Österreichischen Saurerwerke AG 1955 bis 1957
Auch im Jahr 1955 setzte sich die Absatzsteigerung der Vorjahre fort. Beim Umsatz konnte
im Jahr 1955 gegenüber dem Jahr 1954 eine Erhöhung von 30 Prozent erreicht werden.
Ausschlaggebend dafür waren ebenso die Exporte mit einer Steigerung von 50 Prozent. Ex-
porte erfolgten u. a. in die Türkei, nach Südafrika, Südamerika (Brasilien und Argentinien)
und Äthiopien, aber auch nach Polen, Deutschland und ins ehemalige Jugoslawien. Die Zu-
sammenarbeit mit Auto-Union war mit einer Umsatzsteigerung von 40 Prozent gegenüber
dem Vorjahr ebenfalls erwähnenswert.298 Im Jahr 1955 wurde gemeinsam mit der Kässboh-
rer GmbH in Ulm ein Heckbus – bereits als Nachfolgemodell für den 4G-Heckwagen – ge-
baut.299
Dem Geschäftsbericht des Jahres 1956 ist zu entnehmen, dass der Gesamtumsatz um 61
Millionen – im Vergleich zum Jahr 1955 – auf 262 Millionen Schilling zurückging. Der Um-
satzrückgang betraf ausschließlich den Inlandsumsatz, der Exportumsatz konnte um 4 Milli-
onen Schilling im Vergleich zum Vorjahr erhöht werden. Die Exporte in die Türkei gingen fast
zur Gänze zurück, jedoch war es möglich, diesen Rückgang mit Exporten nach Argentinien,
Ägypten, Athiopien, in den Iran, Irak und die Bundesrepublik Deutschland aufzufangen. Der
Umsatzrückgang führte zu einem Jahresverlust in Höhe von 3.073.344 Schilling. Auch in den
Folgejahren wurden trotz Beibehaltung des Gesamtumsatzes vom Jahr 1955 Verluste erwirt-
schaftet.300
297 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für
das Jahr 1958. Veröffentlicht in ebenda 1958. S. 665.
298 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1955. Veröffentlicht in ebenda 1955. S. 591.
299 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 110.
300 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1956. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1956. S. 611.
101
Für den landwirtschaftlichen Bereich wurden im Zeitraum 1955 bis 1959 sogenannte Motor-
muli gebaut. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Fahrzeuge der Firma Mo-
tormuli, Hacker & Co. Kommanditgesellschaft, Molln in Oberösterreich. Der erste Motormuli
von Austro-Daimler wurde vom Österreichischen Bundesheer und der rumänischen Armee
1935/1936 eingesetzt. Die vollständige Bezeichnung für diese Fahrzeuge war Motorkarette-
ADMK. Die Fahrzeuge wurden ursprünglich mit einem Steyr-Dieselmotor sowie einem Steyr-
Getriebe hergestellt. Der Motor wurde durch einen Saurer-Motor ersetzt, das Getriebe durch
ein ZF-Getriebe, ein deutsches Produkt.301
Die Kooperation zwischen der Österreichischen Sauerwerke AG und dem Bundesheer lebte
nach Abschluss des Staatsvertrages wieder auf. Allradfahrzeuge und schwere Zugmaschi-
nen wurden für das Bundesheer gebaut. Ein leichtes gepanzertes Kettenfahrzeug für Mann-
schaftstransporte wurde innerhalb kurzer Zeit entwickelt, sodass die Lieferung der ersten 25
Stück dieses Fahrzeuges bereits in dem Zeitraum von August 1959 bis Anfang 1960 erfolgte.
Im Fahrzeug befand sich links hinter dem Fahrersitz der Kommandantensitz, auf der rechten
Seite vorne der Antriebsblock und dahinter der Transportraum, welcher für die Mannschaft
und die Geräte gedacht war. Der Transportraum konnte auch für andere Zwecke genutzt
werden. Das Mannschaftstransportfahrzeug wurde anders verwendet, nämlich als Granat-
werferpanzer, Funk- und Fernschreibpanzer, Führungspanzer oder Waffenträger. Mit diesem
Fahrzeug ist es der Österreichischen Saurerwerke AG – als einziger Automobilfabrik Öster-
reichs – gelungen, Fahrzeuge für alle Transporterfordernisse (wie Personenbeförderung,
Materialtransporte aber auch Holzbringung im steilen Gelände) herzustellen.302
Die Jahresabschlüsse (jeweils zum Stichtag 31. Dezember, in Tsd. Schilling) zeigten folgen-
de Zahlen:
Jahr Grund und Maschinen und Vorräte Debitoren Rückstellungen Verbindlichkeiten Gewinn/Verlust
Gebäude Werkzeuge
303
Tab. 22: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Österreichischen Saurerwerke AG 1958 bis 1960
301 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 126.
302 Ebenda S. 127.
303 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für
das Jahr 1960. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1960. S. 695.
102
Im Jahr 1958 kam es gegenüber dem Jahr 1957 im Umsatzbereich zu einem Rückgang,
welcher aus dem Exportrückgang – mit der Ausnahme von Exporten nach Jugoslawien –
resultierte. Beim Inlandsumsatz war ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen, sodass auch in
diesem Jahr wieder ein Verlust von 15.086.887 Schilling erzielt wurde.
Die ständige Neuentwicklung und die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge konnten nicht dazu bei-
tragen, den Absatz in Österreich zu steigern. Vier Automobilfabriken, nämlich die Gräf & Stift
AG, die Österreichische Automobilfabrik AG, die Steyr-Daimler-Puch AG und die Österrei-
chische Saurerwerke AG kämpften um Kunden am inländischen Markt. Hinzu kam noch,
dass Alfred Radio-Radiis 1957 und Gaston Radio-Radiis 1959 verstarben. Dr. Guido Radio-
Radiis fiel bei Kämpfen an der Ostfront. Diese familiären und wirtschaftlichen Umstände tru-
gen dazu bei, dass die Erben unter Karl Radio-Radiis die Aktienmehrheit am 29. April 1959
an die Steyr-Daimler Puch AG übertrugen. Die Österreichische Saurerwerke AG wurde –
unter Beibehaltung des Firmennamens – in den Steyr-Konzern eingegliedert. 95 Prozent des
Aktienkapitals von 36 Millionen Schilling waren nunmehr im Besitz der Steyr-Daimler-Puch
AG.
Auch die Produktionspalette an Saurer-Fahrzeugen wurde im Zuge des Übergangs der Akti-
enmehrheit den Fahrzeugen der Steyr-Daimler-Puch AG angeglichen.304
Mit der Eingliederung in die Steyr-Daimler-Puch AG ergab sich ein Investitionsbedarf von
rund 12,5 Millionen Schilling, wobei rund die Hälfte der Summe auf die technische Anglei-
chung im Maschinenbereich entfiel und der Rest auf die organisatorischen Umstellungsmaß-
nahmen im Zuge der Eingliederung des Unternehmens in die Steyr-Daimler-Puch AG. Das
Produktionsprogramm der Saurerwerke umfasste wie bisher die Produktion von Lastkraftwa-
gen, Omnibussen und Spezialfahrzeugen. Neu hinzu kam die Produktion von Schützenpan-
zerwagen, was zu einer Umsatzsteigerung im Inland führte. Für den jugoslawischen Lizenz-
nehmer wurden Lastwagen- und Omnibusaggregate produziert.305
Eine Folge der Eingliederung in den Steyr-Konzern war, dass erstmals der Lizenzvertrag,
welcher mit Saurer-Arbon bestand, mit Jänner 1960 neu gefasst und auf eine Laufzeit von
zehn Jahren abgeschlossen wurde. Vereinbart wurde die Zahlung von Pauschallizenzen,
wobei die letzten Lizenzzahlungen 1971 erfolgten.
Mit der Eingliederung in den Steyr-Konzern wurde auch der Vertrag, welcher zwischen der
Auto-Union GmbH Ingolstadt und der Österreichischen Saurerwerke AG nach dem Zweiten
Weltkrieg geschlossen worden war, aufgelöst. Der Assemblingvertrag regelte die Montage
von DKW-Fahrzeugen auf Kompensationsbasis durch die Österreichische Saurerwerke AG.
304 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 132.
305 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1959. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1959. S. 671.
103
Die Saurerwerke hatten auch die Generalvertretung der DKW-Fahrzeuge inne, welche eben-
falls mit der Auflösung des Vertrages zurückgelegt wurde.306
Die Zweigniederlassung Innsbruck wurde im Jahr 1960 in eine direkte Niederlassung von
Steyr-Daimler-Puch überführt. Trotz Umstellungsschwierigkeiten im Zuge der Eingliederung
in die Steyr-Daimler-Puch AG aufgrund der Erhöhung der Materialkosten und Löhne konnte
der Inlandsumsatz im Omnibusgeschäft, aber auch in der Schützenwagenpanzerfertigung
gesteigert werden und so den erhöhten Kostenaufwand kompensieren. Der Rückgang im
Exportgeschäft konnte durch die Steigerung im Inlandsbereich aufgefangen werden.307
Entwicklungs- und Forschungsarbeiten wurden auch nach der Eingliederung in den Steyr-
Konzern fortgesetzt. Ab dem Jahr 1959/1960 wurden die Bustype 4SH-O, die Lastwagentype
7SV und ab dem Jahr 1968 die Kipperfahrzeuge der Type 7G180-K in die Produktion aufge-
nommen. Alle Fahrzeuge waren mit Steyrmotoren ausgestattet.308
Auch der Geschäftsbericht des Jahres 1961 wies einen Verlust in Höhe von 201.284 Schil-
ling aus, welcher der Muttergesellschaft, der Steyr-Daimler-Puch AG, übertragen wurde.
Schuld an dem Verlust waren einerseits sämtliche Schwierigkeiten beim Versuch, eine An-
gleichung an die Muttergesellschaft zu finden, aber auch die inländischen Produktionspreise
führten wegen gestiegener Material- und Personalkosten zu einer Erhöhung der Verkaufs-
preise, sodass die Fahrzeuge im Vergleich zu ausländischen Produkten teurer waren.309
Mit Übernahme der Aktienmehrheit von 95 Prozent im Jahr 1959 wurde am 15. Mai 1959
zwischen der Steyr-Daimler-Puch AG und der Saurerwerke AG ein steuerliches Organ-
schaftsverhältnis geschlossen. Am 8. November 1961 wurde ein Gewinnübernahme-, jedoch
Verlustausschließungsvertrag zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft geschlossen.
Die Österreichische Saurerwerke AG schloss das Jahr 1962 mit einem Gewinn von
3.727.575 Schilling (nach Vornahme einer vorzeitigen Abschreibung in Höhe von 8,61 Millio-
nen) ab. Dies war beachtlich, da sowohl Material- als auch Personalkosten anstiegen und die
Verkaufspreise auch dem Druck ausländischer Automobilhersteller ausgesetzt waren. Im
Jahr 1962 wurden Investitionstätigkeiten von 15,7 Millionen aufgewendet, rund 3,9 Millionen
davon für den Ausbau der Reparaturwerkstätte in Linz.310
Das Geschäftsjahr 1963 schloss mit einem Gewinn von 15.751.402 Schilling ab, der wieder
der Muttergesellschaft überrechnet wurde. Der Umsatz an Lastwagen konnte gleich gehalten
werden, bei der Produktion der Omnibusse gegenüber dem Vorjahr ergab sich eine Zunah-
me von 53 Prozent. Ebenso war bei der Herstellung von Kettenfahrzeugen eine Umsatzstei-
306 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 132.
307 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1959. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1959. S. 671.
308 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 133.
309 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1961. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1961. S. 675.
310 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1962. Veröffentlicht in ebenda 1962. S. 680.
104
gerung von 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 1962 gegeben, welche zum Teil aus einem
Produktionsüberhang vom Vorjahr resultierte.
Der Exportanteil verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um zwei Drittel. Der Exportrück-
gang nach Jugoslawien war auf die nicht besonders günstige Devisensituation zurückzufüh-
ren, aber auch darauf, dass die jugoslawische Regierung für Importe eine Exportkompensa-
tion mit 100 Prozent forderte. Es sank zwar ebenfalls der Export in andere Länder, jedoch fiel
dies, bemessen am Gesamtumsatz, nur mit einem Anteil von 4,4 Prozent ins Gewicht, denn
Hauptabnehmer im Ausland war Jugoslawien. Der Exportanteil fiel im Jahr 1963 gegenüber
dem Jahr 1962, bemessen am Gesamtumsatz, daher von 27,4 Prozent auf 11 Prozent. Die
J. Rohrbacher GmbH, welche eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Österreichischen
Saurerwerke AG war und zwischenzeitlich nur mehr Spezialaufbauten herstellte, hatte im
Jahr 1963 auch einen Umsatzrückgang von 8,23 Prozent gegenüber dem Vorjahr aufzuwei-
sen. Hingegen konnte die J. Rohrbacher GmbH im Bereich der Servicearbeiten von Perso-
nen- und Kleinlastwagen eine Umsatzerhöhung von 3,84 Prozent und beim Omnibusbereich
von 16,37 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichen.311 Die J. Rohrbacher GmbH stellte
ihre Tätigkeiten mit 31. Dezember 1963 ein.
Im Jahr 1964 beschäftigte die Österreichische Saurerwerke AG rund 1500 Mitarbeiter. Der
Gesamtumsatz war im Vergleich zum Vorjahr um 7,4 Prozent niedriger, wobei der Verkauf
der Nutzfahrzeuge im Inland um 21 Prozent gestiegen war. Der Anteil des Exportes, gemes-
sen am Gesamtumsatz des Vorjahrs, ging von 11 Prozent auf 7,8 Prozent zurück. Der Ex-
portrückgang konnte mit steigenden Inlandsumsätzen ausgeglichen werden. Die Österreichi-
schen Saurerwerke hatten im Jahr 1964 einen Gewinn von 8.426.124 Schilling erwirtschaf-
tet, welcher der Muttergesellschaft, der Steyr-Daimler-Puch AG, überrechnet wurde. Im An-
lagenbereich wurden vor allem im Maschinenbereich (7,2 Millionen Schilling) und in die Pro-
duktionshallen (3,6 Millionen Schilling) größere Investitionen getätigt.312
Für das Geschäftsjahr 1965 ergab sich wiederum ein Gewinn in Höhe von 10.186.038 Schil-
ling, welcher der Muttergesellschaft durch das Organschaftsverhältnis zugerechnet wurde.
Investitionen in die Baulichkeiten sowie im maschinellen Bereich waren im Ausmaß von rund
16,4 Millionen Schilling notwendig. Beim Gesamtumsatz ergab sich gegenüber dem Vorjahr
eine Erhöhung von 9,5 Prozent, welche sich auf den In- und Auslandsbereich aufteilte. Beim
Inlandsumsatz war eine Steigerung von 6,9 Prozent gegeben – trotz Rückgangs im Bereich
des Verkaufes von Lastkraftwagen und Kipperfahrzeugen. Der Rückgang im Nutzfahrzeug-
bereich konnte mit einem erhöhten Verkauf von Omnibussen und Kettenfahrzeugen kom-
pensiert werden. Der Servicebereich in den Werkstätten Wien und Innsbruck hatte im Ver-
gleich zum Vorjahr einen Rückgang von 9,8 Prozent zu verzeichnen. Die Herstellungskosten
311 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1963. Veröffentlicht in ebenda 1963. S. 700.
312 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1964. Veröffentlicht in ebenda 1964. S. 696.
105
wurden jedes Jahr höher und waren daher vor allem für den Exportbereich ein Hindernis.
Trotzdem gelang es Saurer, am ungarischen Markt Fuß zu fassen.313
Das Jahr 1966 ergab einen Gewinn von 13.554.674 Schilling, welcher wieder der Mutterge-
sellschaft zugewiesen wurde. Im Geschäftsjahr 1966 mussten wieder Umsatzeinbußen im
Vergleich zum Vorjahr von 2,2 Prozent hingenommen werden. Der geringere Exportumsatz
war darauf zurückzuführen, dass die Sattelschlepper-Lieferungen nach Ungarn nur mehr 36
Prozent des Vorjahresumsatzes ausmachten.314 Der Auslandsumsatz betrug, gemessen am
Gesamtumsatz, im Jahr 1966 7,3 Prozent, im Vorjahr waren es noch 9,9 Prozent gewesen.
Der Rückgang im Exportgeschäft konnte auch durch den Inlandsumsatz nicht kompensiert
werden. Auch war der Servicebereich mit 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr wieder rückläu-
fig. Die Erklärung dafür war ein Arbeitskräftemangel in den Werkstätten, deshalb konnten
Reparaturaufträge nicht angenommen werden.
Um konkurrenzfähig mit anderen Herstellern zu bleiben, wurden im Jahr 1966 Investitions-
maßnahmen von 20 Millionen Schilling vorgenommen. Davon wurden 7,8 Millionen für den
Bereich der Baulichkeiten verwendet und der restliche Teil für Erneuerungen und Adaptie-
rungen der Produktionsanlagen. Die höheren Lohn- und Gehaltskosten im Jahr 1996 führten
wiederum zu einer Erhöhung der Produktionskosten.315
Dem Geschäftsbericht für das Jahr 1967 ist zu entnehmen, dass der Gesamtumsatz um 4,3
Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden konnte, wobei der Inlandsumsatz einen
Anstieg von 2,5 Prozent gegenüber dem Jahr 1966 aufwies. Der Exportumsatz konnte um
100 Prozent gesteigert werden, wobei ein Großauftrag über die Lieferung von Motoren nach
Ungarn maßgeblich war. Gemessen am Gesamtumsatz wurde der Auslandsumsatz von 7,3
Prozent im Jahr 1966 auf 8,8 Prozent im Jahr 1967 gesteigert. Ebenso wie das Vorjahr
schloss das Jahr 1967 mit einem Gewinn in Höhe von 4.791.579 Schilling ab, welcher der
Muttergesellschaft, der Steyr-Daimler-Puch AG, zugerechnet wurde.316
Ende 1967 schloss die Österreichische Saurerwerke AG einen Alleinimporteurvertrag mit der
Unternehmung Clark-Schuhmann in Kirchheim-Bolanden, BRD, über Kofferaufbauten ab.
Mit 1. Jänner 1968 wurde das Reparaturwerk der Österreichischen Saurerwerke AG in Wien
sowie der Ersatzteilverkauf in die Steyr-Daimler-Puch AG eingegliedert. Der Inlandsumsatz
der Österreichischen Saurerwerke AG lag ohne die Umsatzerlöse des Reparaturwerkes und
des Ersatzteilverkaufes um 3 Prozent hinter dem des Jahres 1967. Vor allem der Inlandsum-
satz verminderte sich um 2,3 Prozent durch einen Rückgang bei den Umsätzen der Schüt-
zenpanzer, was zum Teil durch Umsatzsteigerungen im Nutzfahrzeugbereich und im Omni-
busbereich ausgeglichen werden konnte. Der Exportumsatz an Fahrzeugen wurde um 8
313 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1965. Veröffentlicht in ebenda 1965. S. 697.
314 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1966. Veröffentlicht in ebenda 1966. S. 702.
315 Vgl. ebenda S. 701.
316 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1967. Veröffentlicht im Finanz-Compass
Österreich 1967. S. 712.
106
Prozent im Vergleich zum Vorjahr ausgedehnt. Trotz allem wurde auch das Geschäftsjahr
1968 mit einem Gewinn von 3.186.906 Schilling abgeschlossen.317
Der Rechnungsabschluss zum 31. Dezember 1969 war der letzte der Österreichischen Sau-
rerwerke AG. Denn in der Hauptversammlung vom 16. April 1970 wurde die Verschmelzung
der Österreichischen Saurerwerke AG mit dem Alleinaktionär der Steyr-Daimler-Puch AG,
rückwirkend mit 1. Jänner 1970, beschlossen. Dies war das endgültige Aus für die Österrei-
chische Saurerwerke AG.318
Bis Ende 1970 wurden die Fahrzeuge noch mit dem Schriftzug Saurer ausgeliefert. Die
Lastwagenproduktion im Werk Wien wurde 1971/1972 eingestellt. Das Werk Wien sollte sich
auf die Fertigung von Omnibussen und die Einzelfertigungen von Steyr-Lastwagen-
fahrgestellen und Kettenfahrzeuge beschränken.319
Mit dieser Fusion ging die Geschichte des österreichischen Automobilherstellers Saurer zu
Ende – und auch das Saurer-Emblem war nicht mehr auf den Fahrzeugen zu finden.
320
Logo 7: Österreichische Saurerwerke-Fahrzeuge
Copyright Saurer (nunmehr Volkswagen AG)
317 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1968. Veröffentlicht in ebenda 1968. S. 713.
318 Vgl. Geschäftsbericht der ÖSTERREICHISCHEN SAURERWERKE AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1969. Veröffentlicht in ebenda 1969. S. 727.
319 Vgl. KOPACS Johann (2007), Die Österreichischen Saurer-Werke, Firmengeschichte 1906 – 2006. Band 1. S. 143.
320 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.dorotheum.com/auktion-detail/auktion-9637-klassische-fahrzeuge-und-automobilia/lot-1387231-osterreichische-
saurer-werke-wien-kuhleremblem-um-1940.html?no_cache=1&cHash=82dcaf0ecd597613da836f9167fa31fd. Abgerufen am 11.08.2013.
107
4) Puch
Auf das Unternehmen von Johann Puch wird in der Dissertation nur kurz eingegangen, da
Puch vorwiegend Zweiräder fertigte. Puch gründete sein Unternehmen 1899 und begann
bereits im Jahr 1900, Kleinmotoren zu bauen, die er in Fahrräder einbaute.321
Puch begann 1906 mit dem Automobilbau, wobei es vorerst bei der Herstellung des Proto-
typs 9/10-PS-Voiturette blieb. Der bekannteste Personenwagen war die Type VIII. Für weite-
re Versuchszwecke im Automobilbau fehlten vorerst die Geldmittel, da diese für den Motor-
radbau benötigt wurden. Im Jahr 1903 übernahm Puch die Vertretung der Lastwagen des
deutschen Automobilherstellers Mannesmann-Mulag, Aachen. 1906 wurde die Generalver-
tretung für die „Dixi-Fahrzeuge“ der Fahrzeugfabrik in Eisenach übernommen.322
Vor dem Ersten Weltkrieg baute Puch neben den Fahr- und Motorrädern auch Sport- und
Luxuswagen, Omnibusse, Lastwagen sowie andere Spezialfahrzeuge. Im Ersten Weltkrieg
wurden diese Fahrzeuge vor allem als Mannschafts-, Sanitäts- und Transportfahrzeuge ein-
gesetzt. Ab 1919 ist im Bereich der Nutzfahrzeugfertigung die Produktion von Motorkarren,
Feldbahn-Triebwagen und dem Excelsior-Motorpflug erwähnenswert.
Puch wandte sich in den Folgejahren immer mehr der Zweiradfertigung (Fahr- und Motorrä-
der) zu – bis hin zum marktbeherrschenden Motorrad-Produzenten. 1935 fusionierte das
Unternehmen mit Austro-Daimler, welches im nachfolgenden Kapital dargestellt wird. 323
Johann Puch verstarb am 19. Juli 1914.
Das Logo der Puchfahrzeuge:
324
Logo 8: Puch-Fahrzeuge
Copyright MAN (nunmehr Volkswagen AG)
321 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 67.
322 Vgl. SEPER Hans / PFUNNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte, S. 67.
323 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S. 283.
324 Quelle: Abbildung abzurufen unter: http://www.brandprofiles.com/puch-logo-3. Abgerufen am 11.08.2013.
108
5) Austro-Daimler
325 Vgl. PFUNDNER Martin (2007), Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion. Böhlau-Verlag, Wien 2007. S. 29.
326 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 47.
327 Vgl. PFUNDNER Martin (2007), Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion. S. 20 ff.
109
serlichen Doppeladlers im Markenzeichen erlaubt wurde. So wurde bei der Prinz-Heinrich-
Fahrt im Jahr 1910 von den Austro-Daimler-Fahrzeugen ein Dreifachsieg errungen.328
Die Fahrzeuge von Daimler waren durch nachstehendes Logo geziert:
329
Logo 9: Austro-Daimler-Fahrzeuge
Copyright MAN (nunmehr Volkswagen AG)
328 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 288 ff.
329 Quelle: Abbildung abzurufen unter: http://www.voz.co.at/VKMA/Austro_Daimler/austro_daimler.html. Abgerufen am 11.08.2013.
330 Vgl. PFUNDNER Martin (2007), Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion. S. 210.
331 Ebenda S. 41.
110
erstmals im März 1916 an der italienischen Front eingesetzt. Auch Büssing fertigte derartige
Fahrzeuge.332
Nach Kriegsende hatte Daimler ähnlich anderen Betrieben das Problem, dass der Bau von
Flugmotoren verboten und die Werkshallen zerstört werden mussten. Es wurde versucht, die
Bestände an Artillerie-Zugautos mit der Bezeichnung M17 unter der Bezeichnung Goliath für
Einsätze im Bergbau und in der Forstwirtschaft zu verkaufen, jedoch zu Preisen unter den
Einstandspreisen. So wurden derartige Zugfahrzeuge für den Einsatz in den chilenischen
Anaconda-Kupferminen verkauft. Die letzten Lastwagen wurden 1920 gefertigt.
Der große Mitarbeiterstand konnte im Bereich der zivilen Fahrzeugfertigung nicht beschäftigt
werden. Die fortschreitende Inflation sowie die hohen Rohstoffpreise brachten Austro-
Daimler in arge finanzielle Bedrängnis. Der Großteil des Aktienpaketes der Austro-Daimler
befand sich im Besitz des Škoda-Konzerns. Karl Freiherr von Škoda musste sein gesamtes
Imperium veräußern, darunter auch das Aktienpaket an Austro-Daimler. Der Großaktionär,
der Wiener Bankverein, aber auch die Creditanstalt sowie der Spekulant Camillo Castiglioni
erwarben größere Aktienpakte der Austro-Daimler. Castiglioni stieß zu Kriegsende seine
Beteiligungen an Unternehmen, die sich auf die Flugzeugfertigungen ausgerichtet hatten, ab
und erwarb Aktienpakete an Unternehmen der Automobilfertigung, wie Daimler, BMW, aber
auch an Semperit.
Nach einem Zerwürfnis mit Camillo Castiglioni wechselte Porsche 1923 zu Daimler-Cann-
statt.333
Durch seine Währungsspekulationen im großen Stil verlor Castiglioni 1924 sein gesamtes
Vermögen. Das Aktienpaket von Castiglioni an Austro-Daimler ging an die beiden Großakti-
onäre, den Wiener Bankverein und die Creditanstalt für Handel und Gewerbe.
Vor allem der Qualität der Fahrzeuge der Pkw-Baureihe ADM ist es zu verdanken, dass
Austro-Daimler die schwierigen Jahre überstand. Trotz allem musste der Mitarbeiterstand in
den letzten Jahren drastisch auf 1500 Mitarbeiter im Jahr 1923 und abermals im Jahr 1924
um 200 Mitarbeiter reduziert werden. Durch die Schillingeinführung trat zwischenzeitlich eine
wirtschaftliche Besserung im Unternehmen ein, wozu aber auch der Export der Fahrzeuge
nach Deutschland und England beitrug.334
Am 28. Dezember 1928 fusionierten Austro-Daimler, die Grazer Puchwerke AG und die Ös-
terreichische Flugzeugfabrik AG zur Austro Daimler Puchwerke Aktiengesellschaft. Durch die
Fusion der Unternehmen sollten gemeinsame Synergien genutzt werden. Eine Arbeitsge-
meinschaft im Bereich Vertrieb und Einkauf zwischen Steyr, Austro-Daimler und Puch wurde
111
eingerichtet, und ein Jahr später wurde diese Kooperation zu einer Interessensgemeinschaft
ausgestaltet, wobei Personenwagen der Steyr-30-Familie gefertigt wurden.335
Auch in der Lastwagenfertigung wurde versucht, wieder Fuß zu fassen, und die Modelle
ADG und ADN wurden produziert. Im Werk Wiener Neustadt werden im Jahr 1931 die letz-
ten Lastwagen der Type ADN, abgeleitet vom ADG, gebaut. Von diesen Fahrzeugen wurden
insgesamt 10 Stück gefertigt.
„Am 12. Oktober 1934 fielen gleichzeitig zwei wichtige Entscheidungen. Die Austro Daimler-
Puch Werke AG beschloss wegen der Vereinigung mit der Steyr-Werke AG ihre Auflösung,
und die Steyr-Werke AG die Fusion mit der vorgenannten Firma. So konnte endlich am 10.
Mai 1935 die Steyr-Daimler-Puch AG ins Handelsregister eingetragen werden.“336
Es galt künftig, die Frage des Produktionsstandortes zu beantworten. Die Umsiedelungs-
kosten des Werkes in Steyr nach Wiener Neustadt hätten zwischen 800.000 bis eine Million
Schilling gekostet. An Kosten für die Werksverlegung von Wiener Neustadt nach Steyr war
lediglich mit einem Viertel der Kosten zu rechnen. 1934 wurde das Werk in Wiener Neustadt
geschlossen.
Die innovativen Produkte, wie der Geländewagen ADG, wurden von Steyr weiterentwickelt.
6) Steyr-Daimler-Puch
Am 16. April 1864 gründete Josef Werndl in Steyr die Josef und Franz Werndl & Comp.,
Waffenfabrik und Sägemühle. Die Mutter von Josef Werndl, Josefa, sowie dessen Bruder
Franz waren Gesellschafter des Unternehmens. Im Jahr 1869 wurde das Unternehmen in
eine Aktiengesellschaft, die Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft (ÖWG) umgegrün-
det. Im Jahr 1894 wurde neben der Waffenproduktion auch mit der Fertigung von Fahrrädern
begonnen.
Die Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr wollte in den Jahren 1913/1914 die
Fabrikshallen erweitern, da geplant war, ein zweites Standbein, den Flugmotorenbau und die
Automobilindustrie, aufzubauen. Damit sollte auch in Friedenszeiten neben der Waffenferti-
gung die Beschäftigung gesichert werden.
Mit Ende des Ersten Weltkrieges änderte sich die Situation schlagartig. Die Bestimmungen
des Vertrages von Saint-Germain (10. September 1919) verboten dem Unternehmen die
weitere Herstellung der bisher gefertigten Produkte. Damit war der Absatz von Waffen und
335 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 290 f.
336 PFUNDNER Martin (2007), Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion. S. 153.
112
Flugmotoren nicht mehr gegeben – übrig blieb der Fahrradbau. Dem Unternehmen blieb die
Möglichkeit, das Werk zu schließen – oder sich der geplanten Automobilfertigung zuzuwen-
den. Das Unternehmen entschloss sich für die Automobilfertigung. Die Zukunft war unge-
wiss, da sich einerseits die letzten Investitionen in die Waffenfabrik noch nicht amortisiert
hatten, es aber auch nicht gewiss war, ob die Automobile ihre Abnehmer finden würden. An-
dere Automobilhersteller in Österreich konnten langsam ihre Produktion nach Bedarf aus-
dehnen, die Österreichische Waffenfabrik musste diese Umstellung jedoch schlagartig vor-
nehmen.337
Die bestehenden Hallen wurden umgeändert, und von den zwölf neuen Hallen wurden zwei
für die Automobilproduktion verwendet. 1443 neue Maschinen mussten für die Umstellung
der Produktion angeschafft werden. Sämtliche Fahrzeugteile – außer Elektrik und Bereifung
– sollten selbst hergestellt werden. Um die Anlieferung von Rohstoffen zu sichern, wurden
Firmen – wie z. B. die Wiener Karosserie- und Flugzeugfabrik Dr. W. Gutmann und die Stei-
rische Gussstahlwerke AG – übernommen. Die Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft
beteiligte sich an der Österreichischen Kronprinz Wemag AG, damit die Anlieferung von Fel-
gen und Rädern gewährleistet war.
Ing. Hans Ledwinka war bei der Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft für die Ent-
wicklung von Automobilien, vor allem der Lastwagen, zuständig. 1916 nahm er seine Tätig-
keit bei der Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft auf. Im Jahr 1920 wurde der erste
Pkw der sogenannten Type II auf den Markt gebracht. Das Fahrzeug wurde ein großartiger
Erfolg. Gleichzeitig entwickelte Ledwinka einen Lkw mit 2,5 Tonnen Nutzlast (Type III), der
ebenfalls sehr erfolgreich war und von dem zwischen 1922 und 1928 800 Einheiten gebaut
wurden. Der Lastwagen der Type III, wegen seiner Schnelligkeit auch Steyr-Schnell-
lastwagen genannt, wurde als Kipper-, Feuerwehr- und Tankwagenfahrzeug gebaut.
Ledwinka plante, einen Kleinwagen für die breite Bevölkerung zu entwickeln, stieß im Unter-
nehmen jedoch auf Widerstände, was Ledwinka im Jahr 1921 schließlich zur Rückkehr zu
seinem früheren Arbeitgeber, den Nesselsdorfer Werken, veranlasste, um dort die Fahr-
zeugproduktion wieder aufzubauen.338
Die wirtschaftliche Problematik infolge der steigenden Inflation in den Jahren 1924 und 1925
führte dazu, dass im Unternehmen bei den Arbeitnehmern das Lohnsystem von Akkordlohn
auf Leistungslohn umgestellt wurde. Diese Maßnahme führte zu Konflikten mit den Arbeitern
bis hin zur Arbeitsniederlegung und Aussperrung der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen.
Den Arbeitern wurde ein besserer Kollektivvertrag versprochen, was zur Beruhigung der Si-
tuation führte. Im Jahr 1924 wurde schließlich die Fließbandfertigung im Unternehmen einge-
führt.
337 Vgl. SEPER Hans (1996), 100 Jahre Steyr-Daimler-Puch A.G., Der Werdegang eines österreichischen Industrie-Unternehmens. 2. Auflage. Hrsg. Steyr-
Daimler-Puch A.G., Wien 1996. S. 9 ff.
338 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr, Steyr 1999. S. 31 – 33.
113
Der Firmenwortlaut wurde 1925 – da die derzeitige Tätigkeit des Unternehmens nichts mehr
mit der ursprünglichen Produktion von Waffen zu tun hatte – in Steyr-Werke AG geändert.339
Die Type XII N, abgeleitet von der im Jahr 1926 auf dem Markt gebrachten Pkw-Type XII,
wurde ab dem Jahr 1927 produziert. In der Zeit von 1927 bis 1929 wurden bereits 2180
Fahrzeuge der Type XII N hergestellt. Die Fahrzeuge waren in der Standardausführung als
Pritschenfahrzeug, aber auch als Omnibus, Kasten-, Feuerwehr- und Krankenwagen konzi-
piert.340 Ständige Entwicklungsarbeiten führten dazu, dass in kurzen Abständen neue Typen
auf den Markt kamen. Die Fließbandfertigung trug zu einer schnelleren Fertigung der Fahr-
zeuge bei. So wurden im Jahr 1925 104 Lastwagen und im Jahr 1928 bereits 1255 Lastwa-
gen produziert. Dennoch lagen die ausländischen Automobilhersteller mit ihren Produktionen
voran und drängten verstärkt auf den österreichischen Markt. Der Export aus Österreich
wurde durch die Zölle anderer europäischer Staaten behindert. Diese Situation trug dazu bei,
dass sich die wirtschaftliche Lage bei der Steyr-Werke AG zunehmend verschlechterte. Dazu
kam noch, dass die Mehrheitseigentümerin, die Boden-Creditanstalt – insoweit das Unter-
nehmen einen Jahresgewinn erwirtschaftete – auf Ausschüttung der Dividende bestand.
Diese Umstände führten dazu, dass in der Bilanz im Jahr 1929 dem Aktienkapital von 15,12
Millionen Schilling ein Verlust von 24,15 Millionen Schilling gegenüberstand. Durch Auflö-
sung von Rücklagen konnte der Verlust letztlich auf 13,6 Millionen reduziert werden. Das
Aktienkapital betrug nach Vornahme dieser bilanziellen Maßnahmen 5,04 Millionen Schilling.
Rigorose Sanierungsmaßnahmen, beginnend mit einem Beschäftigungsabbau und einer
vorübergehenden Schließung des Werkes wurden beschlossen. Die Fertigung im Werk wur-
de im Herbst 1930 wieder aufgenommen – die Produktion betrug lediglich 12 Personenwa-
gen bis Ende des Jahres. Die Herstellung von Lastwagen wurde erst 1931 wieder aufge-
nommen – die produzierte Menge im Jahr 1931 betrug 300 Einheiten.
Im Jahr 1930 leistete die Aktionärin – die Creditanstalt – einen Zuschuss von 4,35 Millionen
Schilling. Im Geschäftsjahr 1930 wurde ein Jahresverlust von 2,4 Millionen bei einem Aktien-
kapital von 5,04 Millionen Schilling ausgewiesen. Im folgenden Jahr kam es neuerlich zu
einem Verlust von 2,4 Millionen Schilling. Infolgedessen wurde der Beschäftigtenstand redu-
ziert. Er betrug Anfang 1933 1391 Mitarbeiter.
In dieser krisenhaften Zeit übernahm mit 1. Jänner 1929 Dr. Ferdinand Porsche bis Oktober
1929 die technische Gesamtleitung der Steyr-Werke AG. Porsche war von 1906 bis 1923 bei
Austro-Daimler, Wiener Neustadt, als technischer Direktor beschäftigt. Der Mehrheitsaktionär
von Austrio-Daimler war der Wiener Bankverein. Porsche hatte mit Funktionären des Wiener
Bankvereines, vor allem mit dem Hauptgesellschafter des Wiener Bankvereines, dem Spe-
kulanten Camillo Castiglioni, ein Zerwürfnis und verließ daraufhin das Unternehmen. In der
Zeit von 1923 bis 1926 war Porsche technischer Direktor bei den Daimler-Werken in Stutt-
339 Vgl. PFUNDNER Martin (2007), Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion, Köln – Weimar 2007. S 265.
340 Folgende Ausführungen beziehen sich auf ebenda S 52 ff.
114
gart und nach der Fusion der Daimler-Werke mit der Benz AG war er bis Ende 1928 bei der
Daimler-Benz AG tätig.341
Die Steyr-Lastwagentype 640, welche ab dem Jahr 1937 verkauft wurde, entsprang dem
Grundmodell 40 D. Die Type 640 war das erste Nutzfahrzeug, welches in Serie produziert
wurde. In der Zeit von 1937 bis 1941 wurden 3780 Stück gefertigt.342
Als die Mehrheitseigentümerin der Steyr-Werke AG, die Boden-Creditanstalt, im Oktober
1929 insolvent wurde, wurde die Creditanstalt von der Regierung gezwungen, sämtliche
Verpflichtungen der Bodencreditanstalt zu übernommen. Porsche war nun bei der Steyr-
Werke-AG in der fast gleichen Situation wie zuvor bei seinem vorhergehenden Arbeitgeber:
Die Creditanstalt war die Hausbank von Austro-Daimler und die Funktionäre waren noch
diejenigen, deretwegen Porsche bei Austro-Daimler ausschied. Porsche verließ deshalb im
Oktober 1929 die Steyr-Werke AG.
Porsche entwickelte während seiner Zeit als technischer Direktor zwei Pkw-Typen: Der Typ-
Austria ging nie in Serie. Der Steyr 30 hingegen war der Grundstein für den Lastwagen der
Type 40, der ab 1931 produziert wurde.343 Die Lastwagentype 40 D war bereits ein gelände-
gängiger Dreiachslastwagen.344 Vollbeladen konnte mit dem Fahrzeug eine 50-prozentige
Steigung befahren werden. Die Höchstgeschwindigkeit war 70 Kilometer pro Stunde. Der
Lastwagen war für den Baustellenverkehr, für die Land- und Forstwirtschaft, aber auch für
Sonderfahrten von Feuerwehr und Rettungswesen gedacht.
Um den Eigenkapitalbereich des Unternehmens zu stärken, wurde eine neuerliche Kapital-
herabsetzung im März 1933 beschlossen. Die Creditanstalt war bereit, die ihr gegenüber
bestehenden Bankverbindlichkeiten in Höhe von 19.748 Millionen Schilling in Eigenkapital
umzuwandeln. So kam es erneut zu einer Eigenkapitalzufuhr, um die Verluste der beiden
vorhergehenden Jahre abzudecken. Das Bilanzbild wies nach diesen Vorgängen ein Aktien-
kapital von 12 Millionen Schilling und eine Kapitalrücklage von 8 Millionen Schilling aus. Die
Kapitalzuführungen machten die Creditanstalt zum dominierenden Mehrheitsgesellschafter.
Kapitalherabsetzungen und neuerliche Eigenkapitalzuführung konnten nicht die Lösung sein,
um das Unternehmen wieder zu sanieren, darum wurde angedacht, eine Fusion mit der
Austro-Daimler AG einzugehen. Erleichtert wurden die Überlegungen hinsichtlich einer Fusi-
onierung dadurch, dass der Hauptaktionär beider Gesellschaften die Creditanstalt345 war. Die
Austro-Daimler AG war auf die Herstellung von Luxusfahrzeugen eingerichtet und hatte in
den 30er-Jahren mit den gleichen finanziellen und wirtschaftlichen Problemen wie die Steyr-
Werke AG zu kämpfen. In der Generalversammlung vom 12. Oktober 1934 wurde die Fusion
341 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. 1999. S. 73.
342 Ebenda S 74.
343 Ebenda S 50.
344 Folgende Ausführungen beziehen sich auf ebenda S. 73.
345 Anm.: Die Creditanstalt fusionierte mit 1. Jänner 1934 mit dem Wiener Bankverein und firmierte dann unter „Österreichische Creditanstalt - Wiener
Bankverein“. Vgl. dazu: http://austria-forum.org/af/AEIOU/Creditanstalt-Bankverein_AG,_CA. Abgerufen am 11.08.2013.
115
beider Unternehmen beschlossen. Der Firmenwortlaut wurde in Steyr-Daimler-Puch AG ge-
ändert. Die Automobile wurden ausschließlich in Steyr hergestellt, da die Hallen in Steyr
großzügiger ausgestattet waren als die Produktionshallen der Austro-Daimler-AG in Wiener
Neustadt. Die Fertigung bei der Austro-Daimler AG in Wiener Neustadt wurde daraufhin ein-
gestellt. Im Gegenzug wurde die Zweiradfertigung in Steyr zu den Puchwerken nach Graz
verlegt.346
Nach der Fusion verbesserten sich die Geschäftsergebnisse. Die Produktionszahlen nach
Fusionierung beider Unternehmen konnten in den Folgejahren gesteigert werden.
1934 25
1935 228
1936 980
347
Tab. 23: Lkw-Produktionszahlen der Steyr-Daimler-Puch AG 1934 bis 1936
Die Erhöhung der Stückzahlen im Jahr 1936 war auf die Aufträge zur Aufrüstung des Öster-
reichischen Bundesheeres zurückzuführen.
Die Fertigung der Spezialfahrzeuge – vor allem des ADG, eines dreiachsigen Lastwagens
von Austro-Daimler –, wurde nach der Stillegung des Daimler-Werkes 1935 ebenfalls in den
Steyr-Werken vorgenommen. Das hauptsächlich für den militärischen Einsatz gedachte
Fahrzeug diente als Mannschaftswagen, Zugwagen, aber auch als Fahrgestell für Omnibus-
se. Vor allem Fahrzeuge wie der Panzerspähwagen ADSK, welcher von der deutschen
Wehrmacht bevorzugt wurde, oder der ADGZ, ein Panzerwagen, wurden im Steyr-Werk her-
gestellt. Der ADGZ war mit Allrad angetrieben und für sieben Personen ausgestattet, nämlich
für zwei Fahrer, zwei Personen, die die leichten Maschinengewehre bedienten, zwei Turm-
schützen und den Kommandanten. Auch der ADTK, ein Kleinlastwagen mit einem Gesamt-
gewicht von 1045 kg und einer Nutzlast von einer Tonne, der auch noch eine Anhängelast
von einer Tonne mitführen konnte, wurde im Steyr-Werk produziert. In der Zeitspanne von
1935, ab Beginn der Produktion von Daimler-Fahrzeugen bei Steyr, bis 1942 wurden im
Steyr-Werk 1019 Daimler-Spezialfahrzeuge hergestellt.348
Nach der Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich 1938 war Österreich der Kon-
kurrenz deutscher Automobilhersteller ausgesetzt, was bislang durch hohe Schutzzölle ver-
346 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 64.
347 Eigene Darstellung der Produktionszahlen für die Jahre 1934 bis 1936. Quelle: entnommen aus ebenda S. 80.
348 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 77.
116
hindert worden war.349 Die Typenvielfalt wurde reduziert, es wurde nur mehr eine Type, der
Steyr 640, ein 1,5-Tonnen-Fahrzeug produziert. Bis zum Kriegsausbruch wurden 2250 Steyr-
Lastwagen an die deutsche Wehrmacht geliefert. Mit Kriegsbeginn wurde die Fertigung von
Zivilfahrzeugen sofort eingestellt. Die Fahrzeugfertigung war insgesamt stark rückläufig. Im
Jahr 1940 wurden nur mehr 75 Prozent der Lastwagen des Vorjahres hergestellt. Ab 1940
wurden in Steyr Kabinen und Fahrwerke der Flugzeugtype Messerschmitt Me 109 herge-
stellt.
Weiterentwicklungen führten dazu, dass die Type 640 durch die Type 1500 A abgelöst wur-
de. Die Type 1500 A war das bedeutsamste Kriegsprodukt und wurde unter schwierigsten
Bedingungen in Afrika getestet. Ab dem Jahr 1942 wurde sie in Großserie hergestellt, und
3812 Einheiten wurden produziert. 1943 wurde die Produktion auf 7585 Einheiten erhöht.
Das Fahrzeug wurde als Pritschen-, Mannschafts- und Kommandeurwagen gebaut.
Ein Großteil der Bestandteile des Fahrzeuges der Type 1500 A konnte für den Raupen-
schlepper Ost (RSO) herangezogen werden, welcher in einer Rekordzeit von 53 Tagen ent-
wickelt wurde. Der RSO wurde am 4. Jänner 1943 Hitler präsentiert. Im Jahr 1943 wurden
2256 Stück des RSO produziert.
In einer neu gebauten Flugmotoren-Montagehalle in Steyr wurden ab 1942 Flugmotoren ge-
fertigt. Lizenzgeber war der Hersteller Daimler-Benz. Monatlich war eine Stückzahl von 300
geplant. Diese Stückzahl wurde nicht erreicht. Deshalb war 1944 die Lastwagenproduktion
mit 7525 Stück – im Vergleich zum Jahr 1943 mit 9841 Stück – rückläufig. Jedoch gemessen
an der gesamtdeutschen Fertigung betrug die Menge an Steyr-Lastwagen im ersten Viertel-
jahr 1939 0,8 Prozent, im vierten Vierteljahr 1942 betrug der Anteil über 10 Prozent. Steyr
war somit der viertgrößte Lastwagenhersteller im Dritten Reich. Für den RSO wurden Lizen-
zen für die Fertigung vergeben – vor allem an die Klöckner-Humboldt-Deutz AG, aber auch
an die Gräf & Stift AG.
Bei den ersten Luftangriffen, am 23. Feber 1944, wurde das Wälzlagerwerk in Steyr nur
leicht, die Lastwagenfabrik schwer beschädigt. Neuerliche Bomenangriffe, am 2. April 1944,
zerstörten das Wälzlagerwerk zur Gänze, die Flugmotorenhalle, die Fahrzeugbauhalle und
das Gusswerk wurden schwer beschädigt. Insgesamt 960 Bombentreffer zerstörten das
Werksgelände. Die Lastwagenproduktion kam in den folgenden Monaten fast gänzlich zum
Erliegen. Im Feber 1945 wurden monatlich 175 Lastwagen produziert, im Vergleich dazu
betrug die maximale Fertigung im Jänner 1944 980 Lastwagen.350
117
Steyr-Daimler-Puch AG nach dem Jahr 1945
Amerikanische Streitkräfte stoppten am 5. Mai 1945 die Produktion in den Hallen der Steyr-
Daimler-Puch AG. Die Restfertigung der vorhandenen 200 Fahrzeuge wurde angeordnet.
Diese Fahrzeuge wurden danach von den Amerikanern als Beutefahrzeuge übernommen.
Die Amerikaner zogen sich auf das linke Ennsufer zurück, und die Russen besetzten am
9. Mai 1945 die Fabrik. Die Russen ordneten vorerst die Fertigstellung der unfertigen Fahr-
zeuge an und führten Ende Mai 1945 den Abtransport der Fertigungsmaschinen durch. So-
mit gab es für die mechanische Fertigung der Fahrzeuge keine Maschinen mehr – Pressen,
Formen und Werkzeuge waren nicht mehr vorhanden. Im Jahr 1945 wurde ein bescheidener
Reparaturbetrieb aufgenommen. Fahrzeuge der Marken Ford, Opel und Steyr wurden für die
amerikanischen Streitkräfte repariert. Außerdem wurden im Jahr 1945 1500 Jeep-
Karosserien produziert.351
Die Eigentumsverhältnisse an der Steyr-Daimler-Puch AG waren im Jahr 1945 wie folgt:
51,05 % gehörten der Bank der deutschen Luftfahrt in Berlin und
118
den Bau eines Dieselmotors betraut. Der Motor sollte sowohl in Lastwagen als auch in Trak-
toren zum Einsatz kommen.354
Die serienmäßige Fertigung wurde 1946 mit einem 3-Tonnen-Benzinlastwagen der Type 370
begonnen. Als Grundmodell für diese Type diente die Type 1500 A. Bis zum Jahr 1948 wur-
den von der Type 370 2000 Einheiten produziert. Das Nachfolgemodell war die Type 260,
welche in Kooperation mit Fiat entstand. Diese Type war noch mit einem Benzinmotor aus-
gestattet.
An den Steyr-Lastwagen war folgendes Logo angebracht:
355
Logo 10: Steyr-Fahrzeuge
Copyright Steyr-Daimler-Puch AG
Im Jahr 1948 wurde nach Einstellen der Produktion des 3-Tonnen-Benzinlastwagens mit der
Produktion eines 3,5-Tonnen-Diesel-Lkws begonnen. Das Fahrgestell dieses Lastwagens
wurde von der Type 370, das Fahrerhaus von der Type 1500 A übernommen, nur der Motor
war eine Neukonstruktion. In den Folgejahren gab es ständig Verbesserungen im Motoren-
bereich. Aber auch im Busbereich erfolgten Entwicklungs- und Forschungsarbeiten. So wur-
de für die Österreichische Post ein Diesel-Omnibus mit einem Turbolader entwickelt. Nach
Problemen mit dem Turbolader wurde diese Fertigung wieder eingestellt. Der erste Omnibus,
der als Frontlenker hergestellt wurde, war die Type 480 a im Jahr 1956.
Ein Großteil der Komponenten für die Herstellung dieses Omnibusses konnte von den Last-
wagen übernommen wurden. Der Omnibus war bereits als 33-Sitzer mit 10 Stehplätzen aus-
gestattet.356
Mit Verfügung der amerikanischen Militärregierung vom 14. Juni 1948 ging das Vermögen
der Gesellschaft auf die treuhändische Verwaltung der österreichischen Bundesregierung
über. Zu dem Verwalter, welcher die Aufgaben eines Aufsichtsrats innehatte, wurde Paul
Götzl bestellt. Dem Vorstand gehörten im Jahr 1950 Gen.-Dir. Richard Ryznar und Dir.
Walther Glöckel sowie Dir. Karl Rossner an.
119
Laut Geschäftsbericht umfasste das Produktionsprogramm im Herbst 1950 folgende Model-
le:
„26 PS-Diesel-Traktoren, 15 PS-Diesel-Traktoren, 3 ½ t Diesel-Lastwagen, Omnibusse, Om-
nibus-Fahrgestelle, die Montage des Pkw Fiat 1100 F (nach einem Montagevertrag, abge-
schlossen zwischen der Gesellschaft und den Turiner-Fiat-Werken über die Montage von
2000 Personenkraftwagen der Marke Fiat 1100 F. Die Fahrzeuge waren für den Vertrieb in
Österreich vorgesehen), 1-, 2- und 4-Zylinder-Diesel-Stationär-Motoren, Mähbalken,
Schneidwerkzeuge, Spezialmaschinen, Kugel- und Rollenlager, Motorräder (250 ccm und
125 ccm), Fahrräder, Freilaufnaben, Ketten, Fahrrad-Lichtanlagen und div. anderes Fahrrad-
zubehör, Jagdwaffen.“357
1953 wurde Gen.-Dir. Richard Ryznar zum öffentlichen Verwalter bestellt und gehörte
gleichzeitig neben Dir. Walther Glöckel dem Vorstand an. Paul Götzl hatte die Aufsichtsrats-
position über.358
Dem Geschäftsbericht für das Jahr 1955 ist zu entnehmen, dass alle Erzeugungssparten des
Unternehmens gleichmäßig ausgelastet waren. Das Unternehmen arbeitete im Zwei-, oft im
Dreischichtbetrieb. Problematisch war, dass die Käufer nicht immer in der Lage waren, die
bestellten Fahrzeuge zu finanzieren. Durch die von der Regierung angeordnete Kreditrestrik-
tion wurde den Kunden die Finanzierung der Fahrzeuge durch die Banken oftmals nicht ge-
währt. In das Produktionsprogramm wurde die Produktion des 45 PS starken Steyr-Diesel-3-
Zylinder-Traktors aufgenommen. Schwerpunkt der Produktionspalette war jedoch der 4-
Tonnen-Lastwagen. Der Steyr-Diesel-Frontlenkeromnibus mit 33 Sitzen löste den bisher
produzierten 29-sitzigen Omnibus ab. Im Pkw-Bereich war eine Produktionssteigerung um
80 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Der Personenkraftwagen Steyr Fiat 600
war vor allem in Österreich sehr beliebt und fand rasch Absatz. Durch Rationalisierungs-
maßnahmen im Unternehmen konnten die erhöhten Material- und Lohnkosten wettgemacht
werden. So konnte der Verkaufspreis des Steyr-Fiat-Pkws um 5 bis10 Prozent gesenkt wer-
den.
357 Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1950. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich, Maschinen-
und Metall-Industrie. Compass-Verlag, Wien 1950. S. 549.
358 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1951. Veröffentlicht in ebenda 1951. S. 579.
120
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn/Verlust
Gebäude Werkzeuge in Bau lungen keiten
359
Tab. 24: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1945 bis 1954
Am 1. Juli 1954 wurde von der Regierung das Bundesgesetz über die Aufstellung von Schil-
ling-Eröffnungsbilanzen mit 1. Jänner 1955 beschlossen. Das Anlagevermögen konnte ein-
schließlich der Grundstücke ohne jegliche Steuerbelastung aufgewertet werden. Die Bewer-
tungsbestimmungen sind im Schilling-Eröffnungsbilanzgesetz, BGBL Nr. 190/1954, gere-
gelt.360
359 Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1955.
Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1955. S. 543.
360 Vgl. Bundesgesetz vom 25. Juli 1956. Durchführung einzelner Bestimmungen des IV. Teiles des Staatsvertrages. (BGBl. 165/1956)
121
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau lungen keiten
361
Tab. 25: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1955 bis 1958
Vom Gewinn des Jahres 1955, der 37.247.670 Schilling betrug, wurden 25.600.000 an Divi-
denden und 225.000 Schilling an Tantiemen ausbezahlt. Dem Unterstützungsfonds wurden
1,5 Millionen Schilling zugeführt, und der restliche Gewinn von 9.922.670 Schilling wurde in
das nächste Jahr vorgetragen.362
Das Jahr 1956 war bereits von einem Konjunkturrückgang gezeichnet. Es war eine Sättigung
am Fahrzeugmarkt eingetreten. Der Rückgang auf dem Inlandsmarkt konnte auch mit einem
erhöhten Exportanteil nicht kompensiert werden, da zunehmende Konkurrenz am Lastwa-
gen- und Omnibussektor auftrat. Die Folge des Produktionsrückganges führte im 2. Halbjahr
1956 dazu, dass vorerst der Mitarbeiterstand reduziert und Produktionseinschränkungen
vorgenommen wurden. Positiv entwickelte sich in diesem Jahr nur die Personenwagenpro-
duktion. Die Produktionspalette am Lastwagensektor reichte in diesem Jahr vom 1,5-
Tonnen-Schnelllastwagen bis hin zu 4-, 5- und 6-Tonnen-Diesel-Lastwagen. Der Gewinn des
Jahres betrug 36.011.254 Schilling, wobei 25.600.000 Schilling an Dividende ausgeschüttet
wurden. Tantiemenzahlungen erfolgten in Höhe von 450.000 Schilling, dem Unterstützungs-
fonds wurden 1.372.187 Schilling zugeführt und der verbleibende Gewinn von 8.589.067
Schilling wurde auf neue Rechnung vorgetragen.363
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Produktionsprogramm im Werk Steyr geändert. Die
Herstellung von Personenwagen wurde zugunsten der Traktoren- und Diesel-Lastkraft-
wagenproduktion eingestellt. Mit den Fiat-Werken in Turin wurde ein Assembling-Vertrag
geschlossen. Vereinbart wurde, dass die nach Österreich importierten Personenkraftwagen
361 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1956 und
1958. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1956. S. 564. Vgl. auch ebenda 1958. S. 620.
362 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1955. Veröffentlicht in ebenda 1955. S. 543.
363 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1956. Veröffentlicht in ebenda 1956. S. 563.
122
der Fiat-Werke von Steyr-Daimler-Puch verkaufsfertig gemacht werden sollten. Zusätzlich
sollte der Vertrieb übernommen werden. Im Grazer Werk wurde deshalb ab dem Jahr 1957
das Kleinauto der Type Steyr-Puch 500 Mod. Fiat produziert.364
Durch die Lastwagentype 586 sowie die Varianten 586 f und 586 g wurde die Produktionspa-
lette im Jahr 1959 erweitert. Der Lastwagen war mit einem neu entwickelten Motor, dem WD
609, einem wassergekühlten, schnell drehenden Sechszylinder-Vorkammer-Reihen-motor,
ausgestattet. Das robuste Fahrzeug wurde in verschiedenen Varianten, z. B. als Pritschen-
fahrzeug, Kranwagen, Tanklöschwagen, Holztransporter, aber auch für den Kommunalbe-
reich produziert. Diese Fahrzeugtype wurde in abgeänderten Varianten 30 Jahre lang herge-
stellt.365
Der Exportanteil war in den unmittelbaren Nachkriegsjahren durch den hohen Bedarf an
Kraftfahrzeugen in Österreich selbst, aber auch durch die Schutzbestimmungen, welche den
österreichischen vom internationalen Markt abschirmten, sehr gering. Erst in den 50er-
Jahren wurden Exporte in die Türkei und nach West-Europa vorgenommen. So wurden rund
300 Fahrzeuge nach West-Europa exportiert. Zum bedeutendsten Abnehmerland zählte die
Bundesrepublik Deutschland, in welche in den Jahren 1949 bis 1960 2800 Lastwagen expor-
tiert wurden. In Freilassing wurde ein Assemblingwerk eingerichtet. Dieses versorgte die
Bundesrepublik Deutschland mit Zukaufteilen. Der Bedarf an Fahrzeugen war in der Bundes-
republik Deutschland groß, jedoch wurde diese Chance, den Exportanteil noch zu steigern,
vom Unternehmen nicht richtig erkannt. Die Exporte in die Bundesrepublik Deutschland gin-
gen in den Jahren 1955 bis 1960 wieder zurück. So wurden im Jahr 1957 nur 360 Fahrzeuge
verkauft – im Vergleich dazu waren es im Jahr 1955 noch 838 Stück gewesen. Grund für den
Exportrückgang war einerseits eine Stagnierung der Konjunktur, aber auch die Diskriminie-
rung der Lastwagenexporte in die neu entstandene Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.
Steyr-Daimler-Puch konzentrierte sich daher auf den sicheren Inlandsmarkt.
Die Lastwagenproduktion bei Steyr-Daimler-Puch wurde in Anbetracht dieser Maßnahmen
nur in bescheidenem Umfang ausgedehnt. Der schwedische Lastwagenproduzent Scania
hingegen konnte seine Produktionszahlen im Zeitraum 1959 bis 1961 – im Vergleich zu den
Jahren 1949 bis 1951 – vervierfachen, während die Produktion bei Steyr nicht einmal ver-
doppelt werden konnte. Der durchschnittliche jährliche Exportanteil von 1450 Fahrzeugen
Mitte der 50er-Jahre war auf 331 Fahrzeuge im Jahr 1967 zurückgegangen. Auch die Ver-
käufe im Inland waren rückläufig.366
In Österreich wurden im Jahr 1950 879 Einheiten und im Jahr 1955 2832 Einheiten verkauft.
Durchschnittlich lagen die Verkaufszahlen in den 50er-Jahren bei 1900 Lastwagen, dies wa-
ren rund 70 Prozent der Gesamtproduktion. Da die Exporte in die westeuropäischen Länder
zurückgegangen waren, wurde verstärkt in Länder außerhalb Europas exportiert. In die Tür-
364 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1968. Veröffentlicht in ebenda 1968. S. 679.
365 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 116.
366 Ebenda S. 118
123
kei wurden in den Jahren 1951 bis 1963 1900 Lastwagen exportiert, und nach Indonesien
waren es im Jahr 1963 225 Lastwagen.367
Der Geschäftsbericht des Jahres 1957 wies einen Rückgang des Gesamtumsatzes gegen-
über dem Vorjahr um 4,5 Prozent auf. Der Exportanteil von 25 Prozent im Jahr 1956 konnte
jedoch auf 30 Prozent im Jahr 1957 gesteigert werden. Im Hauptwerk Steyr wurde gegen
Jahresende 1957 die Traktorenproduktion zugunsten der Lastwagenfertigung eingeschränkt.
So konnte die Stückfertigung von Lastwagen gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent gestei-
gert werden, bei der Omnibusfertigung hingegen gab es gegenüber dem Vorjahr einen
Rückgang. Im Personenwagenbereich gab es durch die vermehrte Konkurrenz, aber auch
durch das späte Erscheinen neuer Fahrzeugmodelle einen Rückgang von 24 Prozent ge-
genüber dem Vorjahr. 368
Der Umsatz des Jahres 1958 war dem des Jahres 1957 ähnlich, wobei zwar die Produktion
im Lastwagenbereich um 3 Prozent über der des Vorjahres lag. Der Inlands- und auch der
Exportumsatz waren jedoch marginal zurückgegangen. Im Personenwagenbereich führte
das neue Steyr-Puch-Modell zu einer großen Anerkennung bei den Kunden, sodass im Jahr
1957 rund 14.900 Personenkraftwagen verkauft werden konnten – im Vergleich dazu waren
es im Vorjahr 9700 Stück gewesen. Das Jahr 1958 schloss mit einem Jahresgewinn von
33.117.198 Schilling ab, wobei 28,8 Millionen Schilling an Dividenden ausgeschüttet wurden,
400.000 Schilling wurden an Tantiemen ausbezahlt, dem Unterstützungsfonds wurden
2.184.835 Schilling zugeführt und der verbleibende Gewinn von 3.135.574 Schilling in das
nächste Jahr vorgetragen. 369
In den 60er-Jahren kooperierten Lastwagenproduzenten mit anderen Herstellern. Bei Steyr-
Daimler-Puch war die Bereitschaft zu einer Kooperation mit anderen Herstellern noch nicht
gegeben. Steyr-Daimler-Puch wollte nicht unbedingt eine Steigerung der Produktionszahlen
und eine Erhöhung des Exportanteiles erreichen, sondern lediglich den inländischen Markt-
anteil halten. Maßnahmen, um dem Wettbewerb mit anderen europäischen Herstellern
standzuhalten, wurden vom Unternehmen nicht ergriffen.370 1959 übernahm Steyr-Daimler-
Puch die Mehrheitsanteile an der Österreichischen Saurerwerke AG. Die Produktion der bei-
den Unternehmen sollte keine Überschneidungen aufweisen. In den Anfangsjahren konnte
dies aber nicht verhindert werden, sodass die Produktionen noch einige Jahre nebeneinan-
der geführt wurden.
124
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
372
Tab. 26: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1959 bis 1962
Die wirtschaftliche Situation der Steyr-Daimler-Puch AG im Jahr 1959 entsprach in etwa der
des Jahres 1958. Der Omnibusbereich konnte mit gesteigerten Fertigungszahlen und höhe-
ren Absatzzahlen gegenüber dem Vorjahr auftrumpfen. Im Hauptwerk Steyr wurden neue
Lastwagenmodelle entwickelt und am Markt präsentiert. Wieder war der Absatz von Lastwa-
gen im Exportbereich höher als im Inland. Die Produktpalette der Lastwagen wurde um die
leichten Lastwagen der Firma OM, in Brescia, einer Tochtergesellschaft der Fiat Turin, erwei-
tert, was zu einer Umsatzausdehnung führte.373
Auch die Gewinne der Jahre 1959 bis 1962 wurden zum Großteil wieder an die Aktionäre
ausgeschüttet. Tantiemen wurden bezahlt, ein Teil dem Unterstützungsfonds zugeführt und
der restliche Teil des Gewinnes in das Folgejahr vorgetragen.
371 Anm.: Bilanzgewinn im Jahr 1962: 40.118.195 Schilling, davon Gewinnvortrag 2.797.491 Schilling, Jahresgewinn 37.320.704 Schilling. Bilanzgewinn im
Jahr 1961: 39.757.164 Schilling, davon Gewinnvortrag 2.435.760 Schilling, Jahresgewinn 37.321.404 Schilling. Vgl. dazu Geschäftsbericht der STEYR-
DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1962, Finanz-Compass Österreich 1962 , S. 646.
372 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1960 und
1962. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1960. S. 642. Vgl. auch ebenda 1962. S. 646.
373 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1959. Veröffentlicht in ebenda 1959. S. 637.
125
Nachstehende Werte sind in Tsd. Schilling angeführt.
374
Tab. 27: Weitere wichtige Bilanzdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1959 bis 1962
Auch das Geschäftsjahr 1960 konnte mit dem Jahr 1959 mithalten. Es wurden neue Lastwa-
genmodelle am Markt präsentiert. Die Exporte konnten im Vergleich zum Vorjahr gesteigert
werden. Größere Investitionen im Anlagenbereich waren im Jahr 1960 erforderlich, um den
nötigen Rationalisierungsmaßnahmen gerecht zu werden.375
Die Fertigung und der Absatz konnten im Jahr 1961 gegenüber dem Jahr 1960 um 45 Pro-
zent gesteigert werden. Neu in die Lastwagenproduktionspalette wurde der 6-Zylinder-
Frontlenker mit 6 und 8 Tonnen Nutzlast aufgenommen. Die Omnibusse wurden in Abstim-
mung mit dem Produktionsprogramm der Österreichischen Saurerwerke AG nur mehr im
Werk Simmering produziert.376
Im Jahr 1960 wurde der erste Frontlastkraftwagen der Type 680 am Markt präsentiert. Diese
Baureihe wurde zum ersten Mal mit einem ausschließlich aus Blech hergestellten Fahrer-
haus produziert. Diese Fahrzeuge wurden ebenso als Kipperfahrzeuge, aber auch als Sat-
telschlepper hergestellt. Im Jahr 1966 wurden diese Fahrzeuge für den Militärbereich sowohl
in Österreich als auch in der Schweiz und in Griechenland hergestellt. Die Modelle 780 und
880 waren Weiterentwicklungen der Type 680. Die Type 780 e, welche im Jahr 1964 vorge-
stellt wurde, war mit dem Motor WD 609 e, dem ersten Turbolader, welcher serienmäßig in
die Steyr-Lastwagen eingebaut wurde, ausgestattet.377 Die Fahrerhäuser dieser neuen Ty-
pen waren so konstruiert, dass die Motoren für Reparaturzwecke ohne Kippen des Fahrer-
hauses mit einem Schlitten aus dem Fahrzeug gezogen werden konnten. Die Baureihe 880
wurde bereits im Jahr 1968 durch die Plus-Serie abgelöst und nur in einer Stückzahl von 283
Einheiten produziert.378
374 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1960 und
1962. Veröffentlicht in ebenda 1960. S. 642. Vgl. auch ebenda 1962. S. 646.
375 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1960. Veröffentlicht in ebenda 1960. S. 656.
376 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1961. Veröffentlicht in ebenda 1961. S. 640.
377 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 121.
378 Ebenda S. 123.
126
Auch das Geschäftsjahr 1962 war wiederum erfolgreich. Im Hauptwerk Steyr wurde das
Hauptaugenmerk der Produktion noch immer auf die Herstellung von Traktoren – und nicht
auf den Lastwagenbereich – gelegt. Durch die neuen Lastwagentypen, die Frontlenker 680
und 780, konnte eine Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr erzielt werden. Auch im
Omnibusbereich wurde die neue Type, der 4 S H-O, auf den Markt gebracht.379
Steyr-Daimler-Puch war in den Nachkriegsjahren trotz Beschränkung der Fahrzeugverkäufe
auf den Inlandsmarkt der größte österreichische Lastwagenhersteller. Die Liquiditätsreserven
bei Steyr-Daimler-Puch stiegen in den 50er-Jahren an, was zu jährlichen Dividendenaus-
schüttungen an die Aktionäre führte. Diese Art von Geschäftspolitik, nämlich keine größeren
Investitionen und Neuerungen im Produktionsbereich durchzuführen, war von der Creditan-
stalt, der Hauptaktionärin, gewollt und zeigte damit auch deren Einfluss. Diese Entscheidung
ging jedoch zu Lasten der maschinellen Ausrüstung des Produktionsbetriebes. Die Maschi-
nen der Steyr-Daimler-Puch AG waren in den 60er-Jahren im Vergleich zu anderen Lastwa-
genherstellern veraltet. In den Anlagenbereich wurde nur geringfügig investiert – dies zeigen
nachstehende Bilanzzahlen des Anlagevermögens. Die liquiden Mittel, die für Erneuerungs-
investitionen notwendig gewesen wären, wurden stattdessen an die Aktionäre ausgeschüt-
tet.380
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
381
Tab. 28: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1963 bis 1965
Der Umsatz des Jahres 1962 konnte im Jahr 1963 nicht mehr gehalten werden, trotzdem
konnte die Steyr-Daimler-Puch AG die wirtschaftliche Situation festigen. Hauptaugenmerk
wurde im Werk Steyr neben den Lastwagen auch auf die Erzeugung von Traktoren gelegt.
Bei den Lastwagen wurde die Reihe von 90 bis 132 PS im Erzeugungsprogramm weiterge-
379 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1962. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1962. S. 646.
380 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 120.
381 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1963 und
1965. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1963. S. 663. Vgl. auch ebenda 1965. S. 667.
127
führt. Der Inlandsumsatz im Lastwagenbereich stieg um 7 Prozent. Die unterschiedlichen
Entwicklungen auf den Auslandsmärkten – hinsichtlich unterschiedlicher Länderbestimmun-
gen bei Zöllen, Kontingenten und der Liberalisierung – führten dazu, dass der Exportumsatz
zwar im Vergleich zum Inlandsumsatz höher war, im Vergleich zum Vorjahr jedoch gleich
blieb. Fiat wollte mit den schweren Lastwagen in Österreich Fuß fassen. Deshalb erfolgte
gemeinsam mit Steyr-Daimler-Puch die Gründung der Fiat Import Ges.m.b.H. in Wien, wel-
che die Einfuhr und den Vertrieb der schweren Lastwagen von Fiat – der Marke OM – über-
nahm und in den Konzern von Steyr-Daimler-Puch eingegliedert wurde. Fiat und Steyr-
Daimler-Puch waren an der Gesellschaft zu je 50 Prozent beteiligt.382
Das Aktienkapital der Steyr-Daimler-Puch AG betrug 320.000.000 Schilling und war aufge-
teilt auf 311.200 Aktien zu je 1000 Schilling und 88.000 Aktien zu je 100 Schilling. Die
Hauptversammlung beschloss am 26. April 1964, eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe von
76.000 neuen Aktien zu je 1000 Schilling und 40.000 neuen Aktien zu je 100 Schilling vorzu-
nehmen. Das Aktienkapital wurde somit von 320 Millionen Schilling auf 400 Millionen Schil-
ling aufgestockt. Sämtliche Aktien wurden von dem Hauptaktionär, der Creditanstalt-
Bankverein, Wien, übernommen.383
Die Rückgänge bei den Verkaufszahlen und die steigende Anzahl an Mitbewerbern veran-
lassten die Steyr-Daimler-Puch AG im Jahr 1964 über eine Kooperation mit anderen Herstel-
lern nachzudenken. Oberstes Gebot war jedoch, die Selbständigkeit des Unternehmens zu
erhalten.384
Im Geschäftsjahr 1965 wurde im Hauptwerk Steyr nach wie vor die Fertigung von Traktoren
und Lastwagen vorgenommen. Der Großteil der Produktion verblieb in Österreich. Der In-
landsabsatz an Steyr-Fiat- sowie OM-Fahrzeugen stieg gegenüber dem Vorjahr um 36 Pro-
zent. Die Verkaufspalette umfasste Lastwagen der Baureihen Steyr-Fiat 600 T, 1300 T, OM
Cerbiatto, OM Lupetto OM Leoncino und OM Tigrotto und Personenkraftwagen der Type
Steyr-Fiat 600 D, 850, 1100 R, 124, 1500, 1800 B und 2300. Wesentlich zur Umsatzsteige-
rung trug vor allem der Lastwagen 850 und die neue Steyr-Fiat Version 1500 bei. Bedingt
durch die Zolldiskriminierungen lagen die Exporte in die EWG-Länder – vor allem nach Bel-
gien und Deutschland – hinter den Vorjahreswerten. Belgien, Nigeria, Deutschland, Spanien
und Portugal zählten zu Hauptabnehmern der Lastwagen im Ausland.385
382 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1963. Veröffentlicht in ebenda 1963. S. 662.
383 Ebenda S. 660.
384 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 124.
385 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1965. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1965. S. 669.
128
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
386
Tab. 29: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1966 bis 1967
Der Umsatzanstieg des Gesamtkonzerns im Jahr 1966 gegenüber dem Vorjahr um 8,4 Pro-
zent (d. h. von 3.263 Millionen auf 3.537 Millionen Schilling) war auf die Umsatzsteigerung
am Inlandsmarkt, aber auch auf eine geringfügige Steigerung am Auslandsmarkt zurückzu-
führen. Die Steyr-Fiat-Fahrzeuge der Typen 850, 1500 und 124 ergaben eine Umsatzsteige-
rung von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Absatz an OM-Fahrzeugen war durch die
Konkurrenz anderer Automobilhersteller sehr schwierig.
1966 wurde bei Steyr-Daimler-Puch eine Grenzkostenrechnung eingeführt, wobei sich her-
ausstellte, dass manche Exportaufträge negative Deckungsbeiträge brachten. Die Produkti-
onskosten waren zu hoch, sodass eine Wettbewerbsfähigkeit in verschiedenen Bereichen
nicht mehr gegeben war. Durch die Zollschranken waren einerseits die Exportmöglichkeiten
in westeuropäische Länder eingeschränkt, andererseits wurde durch die Liberalisierung des
Warenverkehrs in Europa befürchtet, auch Teile des Inlandsabsatzes zu verlieren.387
Deshalb wurde versucht, die Produktionskosten zu senken; dies sollte durch eine Typenbe-
reinigung und durch Normierung der Ersatzteile erreicht werden. Zwischen der Produktion in
den ehemaligen Saurerwerken und jener in Steyr herrschte auch im Jahr 1966 noch immer
keine gänzliche Übereinstimmung. Das Jahr 1966 zeigte in der Lastwagenfertigung einen
großen Ertragsrückgang. Es wurde befürchtet, dass die Lastwagenfertigung in den künftigen
Jahren in die Verlustzone geraten könnte, allein schon durch die nicht kostendeckende Pro-
duktion der neuen Lastwagen-Reihe von 4 bis 25 Tonnen Gesamtgewicht. Es konnte bereits
beim Verkauf im Inland teilweise kein positiver Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden. Der
Listenpreis für Exporte in die EWG-Staaten war um zwei Drittel höher als die Preise der Mit-
bewerber für gleichwertige Fahrzeuge. Aber auch die Grenzkosten lagen noch über den
Preisen der Mitbewerber. Die Exporte mussten daher zu einem erheblichen Teil unter den
Grenzkosten durchgeführt werden. Zunehmend wurde auch der Absatz im Inland schwieri-
386 Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1967.
Veröffentlicht in ebenda 1967. S. 680.
387 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 124.
129
ger, da die Provisionen, welche den Steyr-Händlern von der Steyr-Daimler-Puch AG gewährt
wurden, nicht mehr marktgerecht waren.
Diese Probleme waren ausschlaggebend für erste Gespräche mit anderen Lastwagenher-
stellern. Im Jahr 1966 wurden Gespräche mit M.A.N. aufgenommen. M.A.N. führte gleichzei-
tig Kooperationsgespräche mit dem französischen Nutzfahrzeughersteller Saviem (Société
Anonyme de Véhicules Industriels et d’Equipements Mécaniques). Als Hindernis für eine
Kooperation mit M.A.N. erwies sich die Zolldiskriminierung Österreichs gegenüber Deutsch-
land und Frankreich. Trotzdem wurde zwischen M.A.N. und der Steyr-Daimler-Puch AG im
Jahr 1966 eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit in den Bereichen Fertigung, Ent-
wicklung, Montage, Vertrieb und Kundendienst ins Auge gefasst. Geplant war, die Steyr-
Lastwagen mit M.A.N.-Motoren auszustatten. Die eigene Motorenfertigung sollte eingestellt
werden, Steyr dafür im Gegenzug M.A.N.-Ersatzteile fertigen. Den Vertrieb der Fahrzeuge
sollte eine neu gegründete Gesellschaft übernehmen. Die Lastwagenfertigung bei Saurer
sollte eingestellt werden, und in den ehemaligen Saurerwerken sollten nur mehr Autobusse
und Schützenpanzer produziert werden. Die Gespräche waren schon weit fortgeschritten
und auch künftige Strategien festgelegt, als im Herbst 1967 aufgrund der schwierigen wirt-
schaftlichen Situation in Deutschland die erwarteten Kostenvorteile nicht mehr zu sehen wa-
ren, was die Kooperationsgespräche zum Scheitern brachte.388
Neben den Gesprächen mit M.A.N. wurde im Jahr 1966 auch mit Klöckner-Humboldt-Deutz
hinsichtlich einer Zusammenarbeit im Bereich der Fahrerhausfertigung für Fahrzeuge von 6
bis 10 Tonnen Kontakt aufgenommen. Klöckner-Humboldt-Deutz wollte keine direkte Koope-
ration, sondern die Zusammenarbeit auf Gegenlieferungen beschränken. So wollte Klöckner-
Humboldt-Deutz aus Steyr die Getriebe und Achsen beziehen, im Gegenzug dazu wollte
Klöckner-Humboldt-Deutz nach Steyr die Fahrerhäuser liefern. Auch die Produktion eines
gemeinsamen Lastwagens wurde angedacht, aber auch diese Gespräche verliefen ergebnis-
los. Weitere Gespräche mit dem Automobilhersteller Hanomag über die Lieferung von Fah-
rerhäusern scheiterten ebenfalls.
Gespräche mit Scania-Vabis und Fiat führten ebenfalls zu keinem Ergebnis. Im Jahr 1969
wurden Kooperationsgespräche mit Daimler-Benz für die Bereiche Bus- und Getriebeferti-
gung aufgenommen. Die Verhandlungen waren sehr erfolgversprechend. Ein Lastwagentyp
von Daimler-Benz sollte in Steyr produziert werden, und Daimler-Benz sollte den Vertrieb
übernehmen. Es wurde eine Fertigung von 6000 bis 8000 Stück in Steyr geplant. Aber auch
diese Pläne und Verhandlungen blieben erfolglos.389
Im Jahr 1967 musste, bedingt durch einen allgemeinen Konjunktureinbruch, auch ein Rück-
gang des Gesamtumsatzes von 8,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr hingenommen werden.
Verstärkt versuchten ausländische Hersteller am österreichischen Markt ihre Positionen aus-
zuweiten. Steyr-Daimler-Puch konnte sich dagegen erfolgreich zur Wehr setzen und auch
130
den Exportanteil vergrößern. Trotz Einschränkung der Investitionen der Bauwirtschaft und
des Güterbeförderungsbereiches konnte der Marktanteil im Inland gehalten werden. Die
neue Serie des Lkws der Type 880 wurde in ihrem Aussehen verbessert. Exporte wurden
nach Thailand, Angola und Belgien durchgeführt. Im Nibelungenwerk in St. Valentin wurden
Selbstladewagen der Typen Hamster und Hamster Junior gefertigt. Der 15.000. Selbstlade-
wagen konnte im August 1967, drei Jahre nach Produktionsaufnahme im Jahr 1964, produ-
ziert werden.390
Trotz eines 10-prozentigen Rückganges bei den Neuzulassungen im österreichischen Last-
wagenbereich im Jahr 1968 konnte die Steyr-Daimler-Puch AG den Marktanteil halten. Trotz
höherer Exportlieferungen der produzierten Baureihen und von Militärfahrzeugen blieb die
Situation im Exportbereich unbefriedigend. Bereits im Zweiten Weltkrieg war mit der ungari-
schen Lastwagenfabrik Csepel ein Lizenzvertrag geschlossen worden, welcher den Nachbau
des Steyr-Dieselmotors in Ungarn gestattete. Um die Zusammenarbeit weiter zu intensivie-
ren, wurde im Jahr 1968 ein Rahmenvertrag mit der Ungarischen Außenhandelsbank ge-
schlossen, welcher eine Kooperation mit dem Omnibuswerk Ikarus, der Csepel-
Automobilfabrik, dem Taktorenwerk Dutra und anderen Betrieben ermöglichte.391
Die Steyr-Daimler-Puch AG wollte im Jahr 1967 aufgrund der schlechten wirtschaftlichen
Lage der ÖAF das Aktienpaket von ÖAF übernehmen. Bereits im Jahr 1956 waren Gesprä-
che zwischen ÖAF und Steyr-Daimler-Puch wegen einer Fusion geführt, jedoch von Steyr-
Daimler-Puch abgelehnt worden. Da alle bisherigen Verhandlungen der ÖAF mit anderen
Nutzfahrzeugherstellern gescheitert waren, überlegte Steyr-Daimler-Puch die Übernahme
des Aktienpaketes. Es wurden Gespräche mit der Regierung geführt und Überlegungen an-
gestellt, die Mehrheit der Anteile der Steyr-Daimler-Puch AG an den Metallwerken Enzens-
feld-Karo gegen ÖAF-Aktien zu tauschen. Gewinnbringend wäre aus Sicht der Steyr-
Daimler-Puch AG nur die Stilllegung von Teilen des Unternehmens ÖAF und die Nutzung
der ÖAF-Betriebe als Reparaturwerkstätten und für die Montage der Baustellenfahrzeuge
gewesen. Aber auch M.A.N. war an einer Übernahme des Aktienpaketes der ÖAF interes-
siert. Steyr-Daimler-Puch fürchtete, wenn M.A.N. die ÖAF übernehmen sollte, einen weiteren
Einbruch des Inlandsmarktes auch im Militärbereich.
Andererseits befürchtete Steyr-Daimler-Puch im Falle einer Übernahme durch ÖAF, die
ÖAF-Kapazitäten nicht auslasten zu können. Seitens der Republik waren die Gespräche
zwischen dem damaligen Finanzminister Koren als Vertreter der Republik und M.A.N. so
weit fortgeschritten, dass M.A.N. den Zuschlag für die Übernahme der ÖAF bekam. Interven-
tionen seitens Steyr-Daimler-Puch blieben erfolglos.
Der letzte österreichische Lastwagenhersteller neben Steyr-Daimler-Puch, die Gräf & Stift
AG, hatte ebenfalls wirtschaftliche Probleme. Im Jahr 1968 wurde Steyr-Daimler-Puch der
390 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1967. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1967.
S. 677.
391 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1969. Veröffentlicht in ebenda 1969. S. 697.
131
Erwerb dieses Unternehmens angeboten. Auch hier hatte Steyr-Daimler-Puch wieder die
Befürchtungen, die angebotenen Kapazitäten nicht auslasten zu können. Steyr-Daimler-Puch
wollte mit Daimler-Benz eine Gesellschaft gründen, welche Gemeinschaftsproduktionen an
Gräf & Stift erteilen sollte. Die Gespräche zwischen Vertretern beider Firmen zeigten bald
eine klare Strategie: Steyr-Daimler-Puch sollte mit Gräf & Stift im Falle einer Zusammenar-
beit die Fertigung von Ersatzteilen übernehmen, weiters sollte im Werk Liesing eine CKD-
Fertigung392 für Benz-Omnibusse eingerichtet werden.
Gleichzeitig zeigte auch M.A.N. als Mehrheitseigentümerin der ÖAF Interesse an der Gräf &
Stift AG. Mit 1. Jänner 1971 wurden die Österreichische Automobilfabrik ÖAF und die Gräf &
Stift AG zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift AG fusioniert.393
Steyr-Daimler-Puch dachte an die Einstellung der Lastwagenfertigung, als die Verhandlun-
gen mit M.A.N. über eine Kooperation im Jahr 1968 scheiterten. Die Einstellung hätte auch
auf andere Produktionsbereiche negative Auswirkungen gehabt und wurde deshalb wieder
verworfen. Um mit anderen Nutzfahrzeugherstellern mithalten zu können, sollte vorerst ver-
sucht werden, die Produktionszahlen ohne Partner zu steigern. Aber auch der Fehler, wel-
cher in den 50er- und Anfang der 60er-Jahre begangen wurde – nämlich: sich großteils nur
auf den Inlandsmarkt zu beschränken – musste vermieden werden. Durch die guten Jahres-
ergebnisse waren auch die finanziellen Mittel für die notwendigen Strategien vorhanden. Die
Liquiditätsreserven im Unternehmen waren im Jahr 1969 auf 1,3 Milliarden Schilling ange-
stiegen. In einem ersten Schritt wurden die Fertigungsanlagen erneuert und der Fertigungs-
ablauf rationeller gestaltet. Im Werk Steyr sollte ausschließlich die Fertigung von Lastwagen
und Stationärmotoren erfolgen und die Produktion an Lastwagen auf 4500 Stück jährlich er-
höht werden. Die Traktorenproduktion sollte in das Nibelungenwerk in St. Valentin, die Waf-
fenproduktion in das Werk Letten ausgelagert werden. Die Investitionssumme dieser Maß-
nahmen – einschließlich Modernisierung – lag zwischen 1,7 und 1,8 Milliarden Schilling.394
Am 9. Mai 1968 beschloss die Hauptversammlung der Steyr-Daimler-Puch AG, eine Kapital-
erhöhung von 400 auf 800 Millionen Schilling vorzunehmen. Die Kapitalerhöhung sollte
durch die Umwandlung von 72 Millionen Schilling der gesetzlichen Rücklage sowie 328 Milli-
onen Schilling der freien Rücklage erfolgen und durch die Ausgabe von 400 Millionen Schil-
ling dividendenberechtigten Gratisaktien im Verhältnis 1:1.395
Die Marke Steyr sollte wieder repräsentativ und wettbewerbsfähig werden. Dazu wurde Ende
der 60er-Jahre eine neue Serie, die Plus-Serie, entwickelt. Die Fahrzeugreihe konnte durch-
aus mit den Produkten anderer Nutzfahrzeughersteller mithalten. Trotz Liberalisierung konn-
392 Anm.: Der Begriff „CKD-Fertigung“ steht für Completely Knocked Down und wird beim Export von Waren verwendet. Die Fahrzeuge werden nicht als
Gesamtprodukt, sondern in Einzelteile zerlegt, versendet. Im Bestimmungsland werden die Teile zusammengebaut. Dadurch werden hohe Einfuhrzölle
vermieden. Vgl. dazu: http://xpaket.de/ckd-completely-knocked-down/. Abgerufen am 26.04.2012.
393 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 128.
394 Ebenda S. 130.
395 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1969. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1969. S. 695.
132
te der Exportanteil dank der neuen Serie gesteigert werden. Der Absatz an Nutzfahrzeugen
hatte im Jahr 1967 mit 1497 Lastwagen den tiefsten Punkt erreicht. Bis zum Jahr 1972 konn-
te der Absatz wieder auf 3390 Stück gesteigert werden. Die gesteigerte Stückzahl war auch
auf die Exporte nach Westeuropa, Griechenland und Nigeria zurückzuführen.
Das Kennzeichen der Plus-Serie – erstmals vorgestellt im Jahr 1968 – war das neu gestalte-
te Fahrerhaus mit einer asymmetrischen Form des Kühlergrills und großflächigen Strukturen.
Auch dieses Fahrerhaus war wie die Vorgängermodelle nicht kippbar. Ein Ausbau des Mo-
tors wurde über einen Einschubrahmen vorgenommen. Die ersten Modelle der Plus-Serie
waren Lastwagen der schweren Reihe, die Typen 990, 1290. Später folgte die Type 890.
Das Gesamtgewicht dieser Fahrzeuge betrug für die Typen 990 und 1290 16 Tonnen – bei
einer Nutzlast von 7,5 und 8,9 Tonnen. Die Type 890 wies eine Nutzlast von 8 Tonnen bei
einem Gesamtgewicht von 14,5 Tonnen auf.
Bereits im Jahr 1969 wurden Fahrzeuge der mittleren Baureihe der Typen 590 und 690 und
790 den Kunden vorgestellt. Die mittlere Baureihe war bei einem Gesamtgewicht von 8,5,
10,2 und 13 Tonnen für eine Nutzlast von 5, 6,5 und 6,9 Tonnen konzipiert. Diese Fahrzeuge
waren als Getränkefahrzeuge, Pritschen- oder Kipperfahrzeuge gedacht. Im Jahr 1970 wur-
de mit der Type 1490 ein weiteres Fahrzeug der schweren Reihe von Steyr-Daimler-Puch
präsentiert. Das Gesamtgewicht dieses Nutzfahrzeuges betrug 22 Tonnen. Das Fahrzeug
war für seine Robustheit und seine vielseitige Verwendbarkeit bekannt. Der Lastwagen konn-
te noch bei Extremtemperaturen von minus 40° C und plus 60° C eingesetzt werden. Diese
Stärke des Fahrzeuges trug zu einer Exportsteigerung bei.396
Der Marktanteil der Lastwagen konnte im Vergleich zu den Neuzulassungen vergleichbarer
inländischer Nutzfahrzeuge gegenüber dem Jahr 1969 gesteigert werden. Der Marktanteil im
Inland betrug 1969 31,4 Prozent. Im Exportbereich war durch die gestiegene Kostensituati-
on, verbunden mit einer verschärften Zolldiskriminierung im EWG-Raum eine Neuorientie-
rung erforderlich. Neue Exportmärkte wurden die Schweiz und Griechenland.397
396 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 132.
397 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1969. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1969. S. 698.
133
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
398
Tab. 30: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1968 bis 1971
Mit Wirkung ab 1. Jänner 1970 übernahm die Steyr-Daimler-Puch AG durch Fusion die Ös-
terreichische Saurerwerke AG in Wien. Die Aktienmehrheit befand sich bereits seit 1959 im
Besitz der Steyr-Daimler-Puch AG. In den Produktionshallen der Saurerwerke in Wien wur-
den Omnibusse produziert.
Der Umsatz des Hauptwerkes in Steyr konnte im Jahr 1970 gegenüber dem Vorjahr um 41
Prozent gesteigert werden und betrug 2,2 Milliarden Schilling. Diese Gesamtumsatzsteige-
rung betraf Traktoren und Nutzfahrzeuge. Am Inlandsmarkt führte die gute Konjunkturlage zu
einer erhöhten Nachfrage an Nutzfahrzeugen, sodass im Jahr 1970 um 22 Prozent mehr
Steyr-Nutzfahrzeuge zum Verkehr zugelassen wurden. Der Inlandsumsatz zeigte eine Erhö-
hung um 59 Prozent, der Exportumsatz um 122 Prozent. Die Erschließung neuer Märkte wie
Norwegen und Finnland trug ebenfalls zur Exportsteigerung bei. Der Handel mit Steyr-Fiat-
Personenkraftwagen und den Lastkraftwagen der Marke OM in Graz konnte, bedingt durch
Lieferschwierigkeiten von Fiat, erst in der zweiten Jahreshälfte sowohl stück- als auch wert-
mäßig im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden. Die Streiksituationen in Italien führten zu
Lieferschwierigkeiten, trotzdem konnte der Umsatz in diesem Absatzsegment um 10 Prozent
gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden.399
Im Jahr 1971 betrug der Gesamtumsatz des Konzerns knapp 5,8 Milliarden Schilling. Davon
betrugen die Umsätze des Hauptwerkes Steyr inklusive jener des Landmaschinenwerks in
St. Valentin 2,7 Milliarden Schilling, was eine 11-prozentige Steigerung gegenüber dem Vor-
jahr bedeutete.400 1971 wurde ein weiteres Fahrzeug der schweren Reihe, die Type 1390,
398 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1969 und
1971. Veröffentlicht in ebenda 1969. S. 699. Vgl. auch ebenda 1971. S. 711.
399 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1970. Veröffentlicht in ebenda 1970. S. 666.
400 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1971. Veröffentlicht in ebenda 1971. S. 709.
134
vorgestellt.401 Damit wurde eine Vervollständigung der Fahrzeugpalette erreicht. Die Lastwa-
genproduktion wurde gegenüber dem Vorjahr um 12 Prozent gesteigert. Vor allem die Um-
sätze im Inland zeigten eine steigende Tendenz. Die Zulassungen an Steyr-Nutzfahr-zeugen
konnten im Inlandsbereich um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöht werden. Auch im
Exportbereich konnten neue Länder wie Dänemark und Portugal gewonnen werden, was zu
einer Exportsteigerung beitrug. Der Exportumsatz in die Schweiz erhöhte sich gegenüber
dem Vorjahr um 70 Prozent.
Auch war die Omnibusproduktion im ehemaligen Saurer-Werk in Wien angesichts erhöhter
Nachfrage ausgelastet. Um konkurrenzfähig zu bleiben, war es notwendig, in das Sachanla-
gevermögen zu investieren. So wurden im Jahr 1971 in den Sachanlagebereich – und hier
vorwiegend in den Produktionsbereich des Unternehmens – 403 Millionen Schilling investiert
– also fast die doppelte Summe, verglichen mit dem Vorjahr. So sollte vor allem die Konkur-
renzfähigkeit des Unternehmens erhalten bleiben.402
Das Aktienkapital der Steyr-Daimler-Puch AG betrug, unverändert wie in den Vorjahren, 800
Millionen Schilling und war in 777.700 Aktien zu je 1000 Schilling und 223.000 Aktien zu je
100 Schilling aufgeteilt. Das Jahr 1972 wurde durch die gute Konjunktur in der österreichi-
schen Bauindustrie sowie im Transport- und Verkehrsbereich positiv beeinflusst. Die Neu-
aufnahme der Produktion von Lastwagentypen mit 320-PS-Motoren und zusätzliche Allrad-
versionen für Modelle der bereits bestehenden Produktionspalette rundeten das Fertigungs-
programm ab. Es wurden zwar stückmäßig weniger Fahrzeuge produziert, aber wertmäßig
blieben die Umsatzzahlen gegenüber dem Vorjahr gleich. Auch im internationalen Absatzbe-
reich gelang es Steyr-Daimler-Puch, sich gegenüber den anderen Fahrzeugherstellern zu
behaupten, vor allem gegenüber den Fahrzeugherstellern aus Polen. Auch im Werk Wien
konnte die Omnibusproduktion im Inlandsbereich sowohl stück- als auch wertmäßig gestei-
gert werden. Der Gesamtumsatz des Unternehmens im Jahr 1972 betrug 6.960 Millionen
Schilling, wovon das Hauptwerk Steyr mit der Lastwagen- und Traktorenproduktion inklusive
der Produktion im Werk in St. Valentin einen Umsatz von 2,9 Milliarden Schilling, also eine
10-prozentige Steigerung gegenüber dem Vorjahr erzielte. Verbunden mit der Produktions-
ausdehnung war im Jahr 1972 auch ein erforderlicher Investitionsbedarf im Sachanlagenbe-
reich. Im Jahr 1972 wurden alleine in den Anlagenbereich 511 Millionen Schilling inves-
tiert.403 Im Jahr 1973 war der Inlandsumsatz rückläufig. Es wurde versucht, durch intensive
Exportbemühungen den Auslandsumsatz zu steigern, um damit den Rückgang im In-
landsumsatz zu kompensieren. Diese Bestrebungen wurden einerseits durch den Verfall des
Dollars und des Pfund Sterlings, bedingt durch zweimalige Aufwertungen des Schillings, an-
dererseits durch die Streichung der Umsatzsteuerrückvergütung im Exportbereich als Folge
der Umsatzsteuereinführung mit 1. Jänner 1972 erschwert. Aber auch die Treibstoffpreiser-
401 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 137.
402 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1971. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1971. S. 709.
403 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1972. Veröffentlicht in ebenda 1972. S. 722.
135
höhung infolge des wiederauflebenden Nahost-Konfliktes erschwerte den Absatz von Fahr-
zeugen in Ländern außerhalb Österreichs. Der Exportumsatz gemessen am Gesamtumsatz
erhöhte sich im Jahr 1973 im Vergleich zum Vorjahr von 38 Prozent auf 47 Prozent. Unter
die Abnahmeländer fielen die Schweiz, Polen und Nigeria. Das Werk in Steyr konnte den
Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent steigern. In der Lastwagenfertigung ging der
Trend immer mehr hin zur Produktion von Schwerfahrzeugen. Der Produktionsanteil von
Fahrzeugen mit einer Nutzlast von über 12 Tonnen stieg auf 40 Prozent, die Produktionszahl
der Dreiachsfahrzeuge verdoppelte sich. Der Schwerpunkt der Fertigung lag bei den Last-
wagen, Traktoren, Zweirädern und Wälzlagern. Im Bereich der Lastwagen und Traktoren war
man schon an die Kapazitätsgrenzen gestoßen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, wurden die
Fahrzeugtypen in technischer Hinsicht und in der Ausstattung verbessert.404
Auch das Jahr 1974 war geprägt von einer Umsatzausdehnung um 18 Prozent gegenüber
dem Vorjahr, wertmäßig betrug der Umsatz 7,3 Milliarden Schilling. Der Inlandsumsatz er-
höhte sich um 11 Prozent auf 3,7 Milliarden Schilling, ebenso der Auslandsumsatz um 25
Prozent auf 3,6 Milliarden Schilling. Die Nutzfahrzeugproduktion war um 13 Prozent gestie-
gen, die Produktion von Dreiachsfahrzeugen gemessen an der gesamten Lastwagenproduk-
tion betrug bereits 30 Prozent. Im Exportbereich konnte zudem Indonesien als Abnehmer-
land gewonnen werden.405
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
406
Tab. 31: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1972 bis 1975
404 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1973. Veröffentlicht in ebenda 1973. S. 779.
405 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1974. Veröffentlicht in ebenda 1974. S. 809.
406 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1973 und
1975. Veröffentlicht in ebenda 1973. S. 780. Vgl. auch ebenda 1974. S. 842.
136
Verschärfung des Wettbewerbes führten dazu, dass der inländische Marktanteil von 33 auf
31 Prozent sank. Vor allem im Bereich von Fahrzeugen zwischen 6 und 10 Tonnen Nutzlast
kam es zu einem Rückgang. Durch verstärkte Exporte nach Polen und Nigeria konnte der
Umsatzrückgang im Inland durch die Exporterhöhungen abgefangen werden.407
Im Jahr 1975 wurde das letzte Modell der Plus-Serie, die Type 1890, präsentiert. Dieses
Fahrzeug wurde bereits als Vierachs-Fahrzeug gebaut, mit einen Gesamtgewicht von 28
Tonnen. Innerhalb von sieben Jahren wurden lediglich 50 Stück dieses Fahrzeugtyps herge-
stellt. Neue Entwicklungen und Konstruktionen, wie zum Beispiel die der Außenplanetenach-
sen 1975, trugen zur Erhöhung der Betriebssicherheit der Fahrzeuge bei. Die Fahrzeuge der
Plus-Serie waren durch hohe Wirtschaftlichkeit und Sicherheit, aber auch durch lange Le-
bensdauer gekennzeichnet. Der Einsatzbereich war vielfältig. Die Fahrzeuge konnten sowohl
als Kipperfahrzeuge, als Sattelzugmaschinen als auch im forstwirtschaftlichen Bereich als
Durchforstungs- und Kippmastseilgeräte eingesetzt werden. Im Jahr 1986 wurden die letzten
Fahrzeuge der Plus-Serie gebaut.408
Die Fahrzeuge der Plus-Serie führten in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Um-
satzsteigerung im Inland. Im Exportbereich konnten durch diese Fahrzeugserie Länder wie
Nigeria und Schweiz als Abnehmer gewonnen werden. Der Inlandsmarkt war trotzdem noch
immer die Stärke der Steyr-Lastwagen. Im Inlandsbereich gab es mit elf eigenen Standorten
sowie 130 Vertragspartnern auch ein repräsentatives Verkaufs- und Kundendienstnetz. Ein
solches fehlte in den Ländern außerhalb Österreichs. Der Absatz an Fernverkehrslastwagen
hinkte nach, obwohl die Fahrzeuge durch die Neugestaltung des Fahrerhauses, aber auch
durch leistungsstarke Motoren den gleichen Qualitätsstandard wie die Fahrzeuge anderer
Nutzfahrzeughersteller aufwiesen. Schuld daran war, dass das notwendige Vertriebs- und
Kundendienstnetz außerhalb Österreichs fehlte, was besonders für den Fernverkehr von
äußerster Wichtigkeit ist. Die geplante Neustrukturierung des Vertriebsnetzes konnte man-
gels finanzieller Mittel nur teilweise durchgeführt werden.
Mitte der 70er-Jahre kam es wieder zu einer Stagnation der Produktionszahlen. Durch die
EWG-Assoziierung waren die Steyr-Lastwagen einer immer stärker werdenden Konkurrenz
ausgesetzt. Die Geschäftsleitung beschloss, die Produktion der Leicht-Lastwagen einzustel-
len. Für eine kostendeckende Produktion wäre die Herstellung von 20.000 Lastwagen jähr-
lich erforderlich gewesen, was nicht erreicht wurde. Die Produktion sollte auf Schwerlastwa-
gen, welche überwiegend in Europa vertrieben werden sollten, eingeschränkt werden. Auch
die Möglichkeit der Produktion von mittelschweren Lastwagen in Österreich und deren nach-
folgende Montage in sogenannten Entwicklungsländern wurde überlegt. Bei den schweren
Lastwagen wäre bei einer jährlichen Produktion von 8000 Stück und bei den mittelschweren
Lastwagen von 16.000 Stück eine Kostendeckung gegeben gewesen. Bei den Exportländern
wurde vor allem an Deutschland, Frankreich, Polen, die COMECON-Staaten sowie an Nige-
407 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1975. Veröffentlicht in ebenda 1975. S. 840.
408 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 136.
137
ria oder den Iran gedacht. Auch Kanada und Australien waren an den Fahrzeugen interes-
siert. Die vorgesehene Strategie hätte einen Marktanteil von 10 Prozent in Westeuropa er-
fordert. Die Fertigung von 8000 Schwerlastwagen wäre im Werk in Steyr möglich gewesen,
aber für den Aufbau des Vertriebsnetzes wären mehrere Milliarden Schilling notwendig ge-
wesen. In dieser Größenordnung waren die finanziellen Mittel nicht vorhanden.409
Seit dem Jahr 1975 bestand eine Rahmenvereinbarung mit der POL-MOT Holding SA in
Warschau über die wechselseitige Belieferung mit Ersatzteilen für Schwerlastwagen. Durch
diese Vereinbarung erwartete sich Steyr-Daimler-Puch eine kostengünstigere Produktion.
Die Kooperation umfasste die Lizenzvergabe und die Überlassung der technischen Doku-
mentation und des Know-hows hinsichtlich der Produktion, des Zusammenbaus und des
Vertriebs von 16-Tonnen-Schwerlastkraftwagen der Marke Steyr.
Steyr erklärte sich dazu bereit, die starren Vorderachsen, Planeten-Doppel-Hinterachsen und
Motoren der Typen WD 815 und WD 1015 sowie die Fahrgestelle, welche in der Produkti-
onsstätte in Polen hergestellt wurden, zu bestellen. Die Vereinbarung über die Lieferungen
sollte einen Gesamtwert von 4,3 Millionen Schilling umfassen – dies war die Vereinbarung
mit dem höchsten Wert zwischen Österreich und einem damals kommunistischen Land. Die
wirtschaftlichen Schwierigkeiten führten dazu, dass Polen die geplanten Fabriken nicht fer-
tigstellen und anstelle der vereinbarten Komponenten nur die Vorderachsen nach Steyr lie-
fern konnte.
Steyr-Daimler-Puch wollte, wie es bereits bei anderen Lastwagenherstellern der Fall war,
auch in den Entwicklungsländern Fuß fassen. Ein Teil der Konkurrenz hatte, um die Produk-
tionskosten niedrig zu halten, in den Entwicklungsländern Montagewerke errichtet. Steyr-
Daimler-Puch war es im Vergleich zu den anderen Herstellern möglich, neben der Lieferung
von Lastwagen auch Traktoren oder Waffen in die Entwicklungsländer zu exportieren.
Von der Geschäftsleitung wurde beschlossen, sowohl die Produktion der mittleren Baureihe
als auch die der Schwerfahrzeuge fortzuführen und einer Produktion in den Entwicklungs-
ländern den Vorrang zu gegeben.
Die Entwicklungsländer bemühten sich um die Ansiedelung von großen Konzernen. An fünf
Fahrzeughersteller (Daimler-Benz, Fiat-Iveco, British Leyland, Steyr-Daimler-Puch und Bedford)
wurden in den Jahren 1975 und 1976 Lizenzen von der nigerianischen Regierung zur Errich-
tung von Fertigungshallen für die Produktion von Lastwagen vergeben. Der jährliche Bedarf
wurde auf 30.000 Lastwagen geschätzt, wobei die Fertigung auf die fünf Automobilhersteller
verteilt wurde. Hohe Schutzzölle sollten die Fertigung von Lastwagen in Nigeria vor Importen
von nicht lizenzierten CBU-Fahrzeugen410schützen. 1979 eröffnete Steyr-Daimler-Puch in
Nigeria die Steyr Nigeria Ltd. An der Gesellschaft mit einem Aktienkapital von 30 Millionen
138
Naira waren die Steyr-Daimler-Puch AG mit 40 Prozent und der nigerianische Staat mit 50
Prozent beteiligt. Die restlichen 10 Prozent hielten nigerianische Investoren. Eine jährliche
Fertigung von 8000 Lastwagen und 2000 Traktoren war geplant. Geplant war, im Unterneh-
men neben 50 österreichischen 450 nigerianische Arbeitnehmer zu beschäftigen. Jedoch
waren bereits 1000 Arbeitnehmer im ersten Geschäftsjahr in der Steyr Nigeria Ltd. beschäf-
tigt und montierten 2000 Lastwagen aus den angelieferten Teilen.
Auch POL-MOT wurde in die Kooperation mit Nigeria miteinbezogen. So wurden Bestandtei-
le direkt von POL-MOT nach Nigeria geliefert, was auch eine Erleichterung der Einhaltung
der Kompensationsverpflichtung von Steyr gegenüber POL-MOT bedeutete.
36 Prozent der gesamten Lastwagenproduktion von Steyr-Daimler-Puch wurden nach Bau-
chi exportiert. Neben Nigeria war Griechenland weiterhin ein bedeutendes Exportland für
Steyr-Daimler-Puch.
Nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch Länder wie Griechenland wurden als Standort
für weitere Fertigungsstätten interessant. Steyr-Daimler-Puch hatte im Jahr 1972 mit der
griechischen Regierung eine Vereinbarung über die Errichtung einer Fabrik in der Nähe von
Thessaloniki, in welcher Traktoren und Lastkraftwagen hergestellt werden sollten, abge-
schlossen. Gleichzeitig wurde eine generelle Importsperre für Lastkraftwagen in Griechen-
land eingeführt. Geplant war, im Unternehmen Steyr-Hellas 4000 Arbeitnehmer zu beschäfti-
gen, sowie die Herstellung von jährlich 3000 Lastwagen. Der Start des Unternehmens Steyr-
Hellas verlief auch gut. Im Jahr 1974 wurden bereits 250 Lastwagen produziert. Durch den
Sturz der Militärregierung und die anschließende Aufnahme von Griechenland in die Europä-
ische Wirtschaftsgemeinschaft änderte sich auch die Situation der Zweigstelle Steyr-Hellas.
Die Folge war, dass in der griechischen Niederlassung überwiegend Militärlastwagen herge-
stellt wurden. 1979 wurde die Mehrheit des Aktienpaketes an Steyr-Hellas vom griechischen
Staat übernommen. Die wichtigsten Bestandteile für die Herstellung der Steyr-Lastwagen
wurden nach wie vor von Österreich nach Griechenland exportiert.411
Im Jahr 1976 gab es wieder eine Umsatzsteigerung im Geschäftsfeld Nutzfahrzeuge und
Landmaschinen. Der Umsatz konnte um 27 Prozent auf 4.387 Millionen Schilling gesteigert
werden. Die Verkaufszahlen überstiegen in diesem Jahr die Produktionszahlen, weshalb die
Lagerbestände gesenkt wurden. Der Vorratsbestand stieg in Zahlen zwar an, gemessen an
der Bilanzsumme ging er jedoch von 41 Prozent im Jahr 1975 auf 38 Prozent im Jahr 1976
zurück. Rationalisierungsmaßnahmen des laufenden Geschäftsbetriebs wurden immer in
Abstimmung mit neuen Projekten geplant. Um den Eigenkapitalbereich zu stärken, geneh-
migte die Hauptversammlung am 28. Mai 1973 dem Vorstand, das Aktienkapital bis zu 200
Millionen Schilling zu erhöhen, jedoch unter Wahrung des Bezugsrechtes der Aktionäre so-
wie der Inhaber von Optionsscheinen aus der Anleihe des Jahres 1972.
411 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 145 ff.
139
Im Jahr 1975 erfolgte die Erhöhung durch Ausgabe von dividendenberechtigten Aktien, wel-
che von der Creditanstalt-Bankverein den bisherigen Aktionären und Inhabern von Options-
scheinen im Verhältnis 4:1 bzw. 20:1 zum Emissionskurs von 130 Prozent gegen Bareinzah-
lung angeboten wurden. Im Jahr 1976 wurde wieder eine Kapitalerhöhung von 200 Millionen
Schilling vorgenommen. Das Aktienkapital betrug somit im Jahr 1976 1.200.000 Millionen
Schilling. Die nächste Kapitalerhöhung erfolgte im Jahr 1979 auf 1.400.000 Millionen Schil-
ling. Das Kapital setzte sich aus 1.377.700 Aktien zu je 1000 Schilling und 223.000 Aktien zu
je 100 Schilling zusammen.412
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
413
Tab. 32: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1976 bis 1979
Der Umsatz im Lastwagenbereich entwickelte sich im Jahr 1977 entsprechend dem Vorjahr
und wies 4.333 Millionen Schilling auf. Zahlenmäßig konnte der Absatz der Lastwagen mit 4
Tonnen Nutzlast um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden. Der Anteil am
inländischen Lastwagenmarkt konnte mit 29 Prozent gehalten werden. Der Großteil der Ex-
porte ging nach Nigeria. Schwerlastwagen mit Spezialaufbauten wurden Anfang 1977 in den
neu erschlossenen Exportmarkt, den Mittleren Osten, geliefert.414
Um konkurrenzfähig zu bleiben, wurden 1978 die Investitionstätigkeiten im Anlagenbereich
gegenüber dem Vorjahr weiter verstärkt. So wurde in Steyr eine Lager- und Versandhalle
errichtet, um eine Verbesserung beim Handling der Material- und Teilelagerung zu erreichen.
Auch wurde in Wien eine neue Halle für die Montage der Schwerstfahrzeuge, in Salzburg
eine Service- und Reparaturniederlassung sowie in Graz eine neue Produktionshalle für die
Gelände-Pkw errichtet. Deshalb waren die Zahlen des Jahresabschlusses 1978 – im Sach-
412 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1976. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1976. S. 867.
413 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1977 und
1979. Veröffentlicht in ebenda 1977. S. 983. Vgl. auch ebenda 1979. S. 1178.
414 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1977. Veröffentlicht in ebenda 1977. S. 981.
140
anlagebereich – im Vergleich zum Vorjahr deutlich höher. Die übrigen Kennzahlen – wie Ex-
portquote oder Umsatz – zeigten 1978 ähnliche Zahlen wie das Vorjahr.415
Steyr-Daimler-Puch präsentierte im Jahr 1978 mit der Baureihe 91 die letzte Neuentwick-
lung. Die Lastwagen dieser Baureihe waren mit neu konstruierten Sechszylinder-Motoren
ausgestattet. Die deutsche Fachzeitschrift „Lastauto-Omnibus“ testete im Jahr 1978 einzelne
Lastwagentypen. Bauweise und Ausstattung sowie der niedrige Treibstoffverbrauch der
Steyr-Lastwagen der Baureihe 91 waren ausschlaggebend, dass der Steyr 1291, ein Sattel-
zug, unter den getesteten Lastwagen als Sieger hervorging. Die Fahrerhäuser dieser Bau-
reihe waren teilweise kippbar. Für den Fernverkehr wurde für diese Fahrzeuge im Jahr 1983
ein spezielles Hochdachfahrerhaus vorgestellt.416
Im Jahr 1979 entfielen rund 40 Prozent des Gesamtumsatzes von 13.289 Millionen Schilling,
also 5.249 Millionen Schilling, auf die umsatzstärkste Sparte der Steyr-Daimler-Puch AG,
den Nutzfahrzeug- und Landmaschinenbereich. Dies stellte ein Umsatzwachstum von 12
Prozent gegenüber dem Vorjahr dar. Das Aktienkapital wurde im Geschäftsjahr 1979 auf
1.600.000 Millionen Schilling erhöht. Es wurde den konzernfreien Minderheitsaktionären der
Semperit AG angeboten, Aktien der Semperit AG gegen Aktien der Steyr-Daimler-Puch AG
im Verhältnis 2:1 bei der Creditanstalt-Bankverein in der Zeit vom 21. November 1979 bis
zum 21. März 1980 umzutauschen. Dieses Angebot hing mit der schlechten wirtschaftlichen
Situation von Semperit zusammen.417
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn/Verlust
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
418
Tab. 33: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1980 bis 1983
415 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1978. Veröffentlicht in ebenda 1978. S. 1086.
416 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. 152.
417 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1979. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1979. S. 1171.
418 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1981 und
1983. Veröffentlicht in ebenda 1981. S. 1243. Vgl. auch ebenda 1983. S. 1221.
141
Auch im Jahr 1980 war bei Steyr-Daimler-Puch wieder eine Umsatzsteigerung gegeben. Be-
reits 48 Prozent des Gesamtumsatzes, also 6.591 Millionen Schilling, fielen auf den Nutz-
fahrzeug- und Landmaschinenbereich, was ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr von 25,6
Prozent bedeutete. Die Umsatzausdehnung konnte gleichmäßig verteilt am in- und ausländi-
schen Markt erzielt werden. Die positive Wirtschaftsentwicklung im ersten Halbjahr 1980
führte zu einer 10-prozentigen Ausdehnung des Marktvolumens für Lastkraftwagen in der
Nutzfahrzeugklasse von 4 Tonnen. Ebenso konnte der Absatz, gemessen in Stückzahlen,
gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent gesteigert werden. Trotz der immer stärker werden-
den Konkurrenz am Nutzfahrzeugmarkt konnte Steyr-Daimler-Puch den Inlandsmarktanteil
von 30 Prozent halten. Wie in den Vorjahren wurden die Gewinne an die Aktionäre ausge-
schüttet, dies waren im Jahr 1981 128.000.000 Schilling, an Tantiemenzahlungen waren es
355.550 Schilling. Ein Betrag von 1.216.726 Schilling wurde dem Unterstützungsfonds zuge-
führt und der restliche Gewinn von 4.231.372 Schilling auf das neue Jahr vorgetragen.419
Durch die ständigen Dividendenausschüttungen konnte die Eigenkapitalquote des Unter-
nehmens nicht erhöht werden.420
Der Konkurrenzkampf am Nutzfahrzeugmarkt hielt weiter an, sodass es im Jahr 1981 bei den
Lastwagen über 4 Tonnen Nutzlast, gemessen in Stückzahlen, zu einem 14-prozentigen
Rückgang im Vergleich zum Jahr 1980 kam. Trotzdem konnte der inländische Marktanteil
auf über 30 Prozent gesteigert werden. Grund dafür war die Steyr-Lkw-Baureihe 91. Ein
Großteil der Fahrzeuge und Ersatzteile wurden in die Fabriken nach Griechenland und Nige-
ria geliefert.421
Steyr-Daimler-Puch entschloss sich, mit dem Automobilhersteller Ford in einer Kooperation
die Produktionspalette der leichten Lastwagen um ein Fahrzeug mit 6 Tonnen Gesamtge-
wicht zu erweitern. Dieses sollte in einer Gemeinschaftsproduktion von der Steyr-Nigeria Ltd.
gebaut und ausgeliefert werden. Die Produktion dieses Fahrzeugtyps wurde im Jahr 1981
aufgenommen. Ein fehlendes Vertriebsnetz, aber auch die schlechter werdende nigeriani-
sche Volkswirtschaft führte dazu, dass die Gemeinschaftsproduktion bereits 1982 wieder
beendet wurde.
Steyr-Daimler-Puch ging im Jahr 1984 eine Kooperation mit VW ein. Lastwagen der leichten
Reihe wurden in Nigeria gefertigt. Diesmal wurde der Vertrieb von VW über die betriebseige-
ne Vertriebsstruktur übernommen. In Nigeria befanden sich nur zwei Verkaufsstellen. Aber
auch dieses Gemeinschaftsprojekt war nur von kurzer Dauer und wurde nach der Fertigung
weniger Fahrzeuge wieder beendet. Schuld daran war die Wirtschaftskrise in Nigeria, ausge-
löst durch niedrigere Erdölförderungen, was zu einer Abwertung des Naira führte. Die Steyr
419 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1981. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1981. S. 1242.
420 Anm.: Die Eigenkapitalquote betrug in den Jahren 1980 und 1981 15 Prozent. Die Kennzahl „Eigenkapitalquote“ setzt das Eigenkapital zum
Gesamtkapital ins Verhältnis. Vgl. dazu: http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/eigenkapitalquote/eigenkapitalquote.htm. Abgerufen am 17.12.2012.
421 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1981. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1981. S. 1242.
142
Nigeria Ltd. kam in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Folge war ein größerer Personalab-
bau im Werk in Bauchi. Die Exporte von Steyr-Daimler-Puch nach Nigeria gingen rapid zu-
rück. So wurden im Jahr 1981 noch 1913, im Jahr 1982 811 und im Jahr 1983 nur mehr 365
Lastwagen nach Nigeria exportiert.422
Vom Gesamtumsatz des Jahres 1982 in Höhe von 15.550 Millionen Schilling entfielen 51
Prozent, das sind 7.909 Millionen Schilling, auf die Abteilung Nutzfahrzeuge, Landmaschinen
und Wälzlager. Trotz Wegfalls des nigerianischen Marktes erhöhte sich der Umsatz im Nutz-
fahrzeugbereich gegenüber dem Vorjahr um 22 Prozent. Der Absatz der Nutzfahrzeuge ver-
schob sich hin auf Fahrzeuge von 4 bis 6 Tonnen und auf solche über 10 Tonnen.
Dem Eigenkapital wurden im Jahr 1982 400.000.000 Schilling durch die Ausgabe von
400.000 neuen dividendenberechtigten Aktien zu je 1000 Schilling – mit einem Ausgabekurs
von 145 Prozent – zugeführt. Die Creditanstalt-Bankverein übernahm in offener Stellvertre-
tung die Verpflichtung, die Aktien den Aktionären im Verhältnis 4:1 und den Inhabern von
Optionsscheinen im Verhältnis 20:1 zu Originalbedingungen anzubieten. Das Jahr 1982
schloss erstmals mit einem Verlust ab.423
Der Gesamtumsatz der Steyr-Daimler-Puch AG lag im Jahr 1983 mit 15.143 Millionen Schil-
ling 3 Prozent hinter dem Vorjahresumsatz. 64 Prozent der Nutzfahrzeuge wurden in das
Ausland exportiert. Gemessen am Durchschnitt der letzten drei Jahre mit 70 Prozent, gab es
erstmalig einen Rückgang im Exportbereich. Insgesamt betrachtet konnten die Anteile an
den wichtigsten Auslandsmärkten noch gehalten werden. Am inländischen Nutzfahrzeug-
markt konnte Steyr-Daimler-Puch den Marktanteil mit 31 Prozent behaupten. 50 Prozent des
Gesamtumsatzes, das sind 7.526 Millionen Schilling entfielen auf den Nutzfahrzeug-, Land-
maschinen- und Wälzlagerbereich. Auch das Jahr 1983 wies wieder einen Verlust im Jah-
resabschluss aus.424
Das Konzept einer möglichen Zusammenarbeit zwischen VW und Steyr-Daimler-Puch war
auch der Grundstein für eine Kooperation im Bereich der Allradtechnologie. Verstärkte Inves-
titionstätigkeiten im Werk Graz konzentrierten sich auf den Allradsektor. So konnte die Seri-
enfertigung des ersten VW-Allradtransporters Ende 1984 vorgenommen werden.425
Nach dem Zusammenbruch des nigerianischen Marktes versuchte Steyr-Daimler-Puch in
China Fuß zu fassen. Erste Lastwagen wurden bereits Anfang der 20er-Jahre und Mitte der
50er-Jahre von Steyr nach China geliefert. In den 70er-Jahren wurde der chinesische Markt
wieder intensiver beworben. Am 17. Dezember 1983 wurde ein Know-how-Transfer-Vertrag
zwischen Steyr-Daimler-Puch und der CNHDTC (China National Heavy Duty Truck Corpora-
tion) sowie der CAIEC (China National Automotive Industry Import and Export Corporation)
422 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 149.
423 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1982. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1982. S. 1273.
424 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1983. Veröffentlicht in ebenda 1983. S. 1219.
425 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 150.
143
für zehn Jahre unterschrieben. 10.000 Lastwagen sollten jährlich nach dem Steyr-Know-how
in China hergestellt werden. Drei Lastwagenfabriken und zwei Motorenfabriken sollten auf
den Fertigungsstand gebracht werden, Lastwagen der leichten bis hin zur schweren Reihe
zu produzieren. Die Herstellung von Fahrerhäusern, Vorderachsen, Fahrzeugrahmen und die
Endfertigung sollte im Werk Jinan vorgenommen werden. Die Fertigung der Motorenteile und
auch der Motorenzusammenbau sollten in den Fabriken in Weifang und Hangzhou erfolgen.
Die Werke in Shaanxi und Sichuan sollten die Fertigung der angetriebenen Achsen, die Fer-
tigung der Fahrerhäuser sowie die Rahmen- und Endausfertigungen vornehmen. 1985 konn-
te bereits die Fahrzeugfertigung, 1987 die Herstellung der Pressteile aufgenommen werden.
Mitarbeiter und Endkunden wurden in neu errichteten Ausbildungsstätten in Jinan geschult.
Die Schulung der chinesischen Fachkräfte erfolgte auch in Steyr. Bei konkreten Problemen
wurden österreichische Fachkräfte nach China entsandt. Die Fahrzeuge wurden exakt auf
die Bedürfnisse der chinesischen Kunden abgestimmt. So wurden die Fahrzeuge speziell für
Transportzwecke in Bergwerken, auf Ölfeldern und für den Straßen- und Eisenbahnbau ent-
wickelt. Vertrieb und Kundendienst wurden von einer neu gegründeten Gesellschaft, der
CNHTC (China National Heavy Duty Truck Group Company Limited), übernommen. Durch
diese Kooperationstätigkeit sollte die Produktqualität bei der Fertigung gehoben werden. Be-
sonderes Augenmerk wurde ebenso auf den Forschungs- und Datenverarbeitungsbereich
gelegt. Der Kooperationsvertrag war auch ausschlaggebend für Exportaufträge nach China.
So wurden 1984 1000 Lastwagen der Baureihe 91 nach China exportiert. Weitere Aufträge
folgten im Jahr 1985 mit der Lieferung von 500 Lastwagen und Ersatzteilen und im Jahr
1989 mit einem größeren Auftrag über Motoren- und Lastwagenlieferungen. Neben China
zählte auch der arabische Raum, und da vor allem Saudi-Arabien, zu den Exportländern für
Steyr-Lastwagen. Im Jahr 1989 wurden auch 1200 Militär-Lastwagen der schweren Fahr-
zeugreihe in Einzelteilen von Steyr nach Kanada geliefert. Dort wurden die Einzelteile von
der Partnerfirma UTDC (Urban Transportation Development Corporation) zusammengebaut.
Die Fahrzeuge waren den schwersten Bedingungen ausgesetzt.426
Anfang der 80er-Jahre führten die stagnierende Wirtschaftslage der westlichen Länder Euro-
pas und die hohen Lagerbestände europäischer Nutzfahrzeugproduzenden zu einem Preis-
verfall auf dem Nutzfahrzeugmarkt. Steyr-Daimler-Puch wollte trotz dieser Situation die
Lastwagen der mittleren Reihe durch eine Neuentwicklung ersetzen, da diese Typen bereits
mehr als 20 Jahre Bestand hatten. Außerdem sollte die Typenvielfalt bereinigt werden. Rati-
onalisierungen im Fertigungsbereich wurden etwa durch Verringerung der Losgröße oder der
Fertigungstiefe geplant. Auch die Vertriebswege im Mittleren Osten und Nordafrika sollten
verbessert werden. Trotz dieser Maßnahmen wurde Steyr-Daimler-Puch immer klarer, dass
ein weiteres erfolgreiches Bestehen im Bereich der Lastwagenproduktion ohne einen kompe-
tenten Partner nicht möglich war. Sowohl für die Entwicklung als auch für den Vertrieb und
für Austauschlieferungen von Lastwagenkomponenten wurde ein starker Partner benötigt.
Erste Gespräche wurden mit Ford geführt. Vor allem das Vertriebsnetz von Ford war für
144
Steyr-Daimler-Puch interessant. Ford wollte ebenso wie Steyr eine neue Type im Bereich der
Mittelklasse-Lastwagen entwickeln. Hierbei wurde an eine gemeinsame Entwicklung und die
Fertigung des Fahrerhauses durch Steyr angedacht. Die Kooperationsgespräche mit Ford
scheiterten jedoch, als Ford sich entschied, seine Tätigkeiten im Schwerlastwagenbereich zu
beendeten. Die Produktion im Mittelklassebereich wurde von Ford im Alleingang weiterge-
führt.
Auch British Leyland wurde als möglicher Partner betrachtet. Im Jahr 1982 wurden Gesprä-
che über eine Zusammenarbeit im Motoren- und Fahrerhausbereich geführt. Als British Ley-
land bekanntgab, keine Kooperation einzugehen, wurden die Verhandlungen beendet. Mit
japanischen Nutzfahrzeugproduzenten, aber auch mit Herstellern der damaligen COME-
CON-Staaten wurden ebenso Gespräche geführt, welche zu keinem Ergebnis führten. Auch
mit VW wurden Kooperationsverhandlungen geführt. VW war bereits mit M.A.N. eine Ent-
wicklungs-, Fertigungs- und Vertriebskooperation im Bereich der leichten Nutzfahrzeugreihe
eingegangen. Steyr-Daimler-Puch wollte eine gleichwertige Kooperation im Bereich der
schweren Nutzfahrzeugreihe mit VW eingehen, wobei der Verkauf über das Vertriebsnetz
von VW erfolgen sollte. Eine Kooperation zwischen VW und Steyr konnte jedoch nur am ni-
gerianischen Markt – bis zu dessen Zusammenbruch – erzielt werden.427
Zu M.A.N. hatte Steyr-Daimler-Puch seit dem Jahr 1966 Kontakte. Deshalb wurden bereits
im Jahr 1972 Gespräche über eine Verbundproduktion von einzelnen Ersatzteilen geführt. Im
Jahr 1983 wurden diese Gespräche intensiviert. Steyr-Daimler-Puch hegte große Hoffnun-
gen hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit, vor allem, da die Kooperation zwischen
M.A.N. und Saviem zu Ende ging. M.A.N. war an dem Fahrerhaus für die mittlere Reihe,
Steyr-Daimler-Puch an dem Fahrerhaus für die schwere Reihe interessiert. Eine gemeinsa-
me Produktion des Fahrerhauses für die schwere Reihe wurde von Steyr-Daimler-Puch an-
gedacht, aber die Entwicklungsarbeiten von M.A.N. waren bereits zu weit fortgeschritten.
Der Bezug der Fahrerhäuser von M.A.N. für die schwere Reihe der Steyr-Lkw erwies sich als
nicht zweckmäßig. Auch im Motorenbereich wurde an Kompensationsgeschäfte gedacht.
Teile wie Getriebe, Bremsen, Lenkungen und Einspritzpumpen, welche von Fremdfirmen
zugekauft wurden, sollten über eine neu gegründete Einkaufsgemeinschaft bezogen werden.
Im Bereich der Entwicklung sah Steyr-Daimler-Puch ebenfalls die Chance, bei einer gemein-
samen Entwicklung eine Kostensenkung zu erzielen. Eine Kooperation im Vertriebsbereich
war aufgrund der damaligen Produktpalette nicht möglich. Jegliche angedachte Zusammen-
arbeit zwischen M.A.N. und Steyr-Daimler-Puch wurde nicht realisiert.428
145
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Verlust
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
429
Tab. 34: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1984 bis 1987
Auch im Jahr 1984 kam es wieder zu einem Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr. Der
Gesamtumsatz betrug 14.598 Millionen Schilling, wobei 47,5 Prozent auf die Sparten Nutz-
fahrzeuge, Landmaschinen und Wälzlager entfielen. Der Rückgang in den angeführten Spar-
ten betrug 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und verteilte sich gleichmäßig auf In- und
Ausland. Vor allem im Bereich der Nutzfahrzeuge und Landmaschinen führten die Umsatz-
rückgänge zu einem geringen Cashflow. Lediglich im Wälzlagerbereich konnte der Umsatz
gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent erhöht werden. Bei den mittleren und schweren Nutz-
fahrzeugen führten Preiskämpfe mit anderen Lastwagenherstellern zu keiner Verbesserung
des Ertrages. Die ebenfalls angespannte Lage in der Forstwirtschaft führte zu einer Anpas-
sung im Produktions- und Vertriebssektor für die Forsttechnik. Es wurde versucht, vermehrt
Geräte wie Kippmastseilkräne und Kranprozessoren in Westeuropa, Nordamerika und den
COMECON-Ländern abzusetzen. Der Jahresverlust 1984 in Höhe von 227.461.220 Schilling
wurde durch die Auflösung einer Rücklage abgedeckt. Dadurch ergab sich keine Erhöhung
des bereits bestehenden Verlustvortrages für das Folgejahr.430
1985 fanden Neuorganisationen bei der Steyr-Daimler-Puch AG statt. So wurde das Wälzla-
gerwerk losgelöst und organisatorisch ein eigenständiger Bereich des Unternehmens. Im
Fertigungswerk Wien wurde die Herstellung von Omnibussen, Kettenfahrzeugen und Forst-
maschinen zusammengefasst. Die Nutzfahrzeugsparte entwickelte sich im Jahr 1985 durch
die zahlenmäßige Steigerung an Nachfragen aus dem In- und Ausland positiv. Problema-
tisch war die Wettbewerbsfähigkeit in kostenmäßiger Hinsicht. Der Umsatz im Jahr 1985 war
mit 15.324 Millionen Schilling um 5 Prozent höher als im Vorjahr. Der Exportanteil gemessen
am Gesamtumsatz stieg von 58 Prozent auf 63 Prozent. In diesem Jahr wurde – entspre-
429 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1985 und
1987. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1985. S. 1359. Vgl. auch ebenda 1987. S. 1894.
430 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1984. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1984. S. 1262.
146
chend dem mittelfristigen Unternehmenskonzept - der Fertigungsbereich auf eine rationellere
und weitgehend automatisierte Kleinserientechnologie umgestellt. Der diesbezügliche Inves-
titionsbedarf betrug 486 Millionen Schilling. Der Jahresabschluss wies auch im Geschäftsjahr
1985 wiederum einen Verlust aus.431
In den Forschungs- und Entwicklungsbereich wurden im Jahr 1986 536 Millionen Schilling
investiert. Das Augenmerk der Forschung und Entwicklung wurde auf den Allrad- und Last-
wagensektor, aber auch auf den Traktorenbereich und die schnelllaufenden Diesel-
Einspritzmotoren gelegt. Konkret bedeutete dies eine Aufstockung des Budgets für For-
schung und Entwicklung um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch das Geschäftsjahr
1986 schloss mit einem Verlust ab.432
Dipl. Ing. Otto Voisard, bis dahin Vorstandsvorsitzender bei MAN433, wurde im Herbst 1986
Generaldirektor der Steyr-Daimler-Puch AG. Unverzüglich begann er mit Umstrukturierungs-
schritten.434
431 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1985. Veröffentlicht in ebenda 1985. S. 1357.
432 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1986. Veröffentlicht in ebenda 1968. S. 1691.
433 Der Firmenwortlaut des Unternehmens M.A.N. wurde 1989 von M.A.N. in MAN geändert.
434 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1999), Österreichische Automobilgeschichte. S. 377.
147
Der Handelsbereich und der Service einschließlich der Serviceniederlassungen in
Steyr, Wien, Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Salzburg, Linz-Leonding, Wels und Schär-
ding wurden bereits mit 1. Jänner 1986 in die Steyr Handels- und Service Gesell-
schaft m.b.H. mit Sitz in Steyr eingebracht.
Der Vertrieb von Fiat- und Lanciafahrzeugen und des Puch G wurde von der Steyr-
Automobil-Vertriebs-Gesellschaft m.b.H. übernommen.435
Im Jahr 1988 erfolgte eine weitere Änderung der Konzernstruktur. Die Steyr Mannli-
cher Gesellschaft m.b.H. in Steyr übernahm die Sparte für Handfeuerwaffen.436
Die US-Armee beschloss, den vorhandenen Fuhrpark in der 2,5 und 5 Tonnen Nutzlast-
Klasse, damals GMC-Fahrzeuge, durch Lastwagen der neuen Fahrzeuggeneration „Family
of Medium Tactical Vehicles“ (FMTV) zu ersetzen. An der Ausschreibung durften jedoch nur
amerikanische Automobilfirmen teilnehmen. Deshalb schloss Steyr-Daimler-Puch mit der
Firma Stewart & Stevenson in Houston einen Kooperationsvertrag ab. Die Unternehmung
Stewart & Stevenson war auf den Zusammenbau von Sonderfahrzeugen spezialisiert. Ge-
genstand der Ausschreibung waren Fahrzeuge in den unterschiedlichsten Ausführungen: als
Kipperfahrzeuge, Pritschenwagen, Sattelzüge, Tankfahrzeuge oder Fahrzeuge mit Kranauf-
bauten. Bestandteile wie Fahrerhaus, Motor, Getriebe und Achsen mussten wie bei den
Fahrzeugen im zivilen Bereich gefertigt werden und sollten für den Militärbereich nur abge-
wandelt werden – auch dies war Bestandteil der Ausschreibung. Die Fahrzeuge mussten
unter schwierigsten Bedingungen und bei Temperaturen zwischen minus 45° C und plus 50°
C einsetzbar sein, da sie weltweit zum Einsatz gelangen sollten.437
Steyr und Stewart & Stevenson bekamen im Oktober 1987 neben zwei weiteren Bewerbern
einen bezahlten Forschungs- und Entwicklungsauftrag für 17 Prototypen, welcher bis Ende
Jänner 1989 abgeschlossen sein sollte. Die Arbeitsaufteilung war folgende: Stewart & Ste-
venson übernahm die Ersatzteilebeschaffung, Steyr-Daimler-Puch die gesamte Berechnung,
Konstruktion und den Zusammenbau der Fahrzeuge. Stewart & Stevenson hatte bei den
Bestandteilen mit Qualitätsproblemen zu kämpfen, sodass letztlich die gesamte Fertigung
der Prototypen in Steyr vorgenommen wurde. Fristgerecht wurden die Prototypen nach
Houston geliefert. Die Prototypen wurden in einer neunmonatigen Testphase den schwierigs-
ten Bedingungen unterzogen: Die Fahrzeuge konnten Steigungen mit 80 Prozent befahren,
auch eine Durchquerung von Wassertiefen bis zu 76 cm war kein Problem. Sondereinrich-
tungen ermöglichten sogar eine Befahrung von Wassertiefen mit 1,5 m. Der Reifendruck
konnte vom Fahrer während der Fahrt den jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Bei
Abfall des Druckes wurden die Reifen automatisch wieder aufgepumpt. Die Schaltung der
148
Fahrstufen erfolgte über einen Monitor im Fahrerhaus. Die Fahrzeuge mussten dem Trans-
port mit einem Hubschrauber standhalten, wobei die Fahrzeuge dabei aus drei Metern Höhe
mittels Bremsfallschirm abgeworfen wurden. Die Fahrzeuge hielten den Prüfungen stand,
und die US-Armee bestellte 60.000 Lastwagen, gefertigt nach dem Know-how von Steyr. Für
die spätere Fertigung der Militär-Lastwagen wurde der Großteil der Ersatzteile von amerika-
nischen Firmen, nach Steyr’schem Know-how gebaut. Lediglich die Fahrerhaus-
Blechgarnituren wurden von Steyr-Daimler-Puch geliefert.
Aber auch dieser Kooperationsvertrag konnte zu keiner wesentlichen Besserung der wirt-
schaftlichen Situation im Bereich der Lastwagenfertigung bei Steyr-Daimler-Puch beitragen.
Steyr-Daimler-Puch fehlte noch immer ein gut funktionierendes Kundendienst- und Service-
netz in Europa. Eine Konkurrenzfähigkeit mit den westlichen Mitbewerbern war oftmals nicht
mehr gegeben. Überschüsse bei einzelnen Militäraufträgen konnten die Verluste bei den
Verkäufen im zivilen Bereich nicht decken, da die Verkäufe in zivilen Bereichen teilweise zu
Grenzkosten vorgenommen werden mussten. Die Qualität der Fahrzeuge und die Vorherr-
schaft am Inlandsmarkt waren bisher die Vorteile der Steyr-Lastwagen gewesen. Die Expor-
te, die bis dahin hauptsächlich nach China, Griechenland, Nigeria, Polen, Saudi-Arabien und
in die Schweiz erfolgten, konnten den Rückgang am Inlandsmarkt – vorerst – kompensieren.
Im Jahr 1986 präsentierte Steyr-Daimler-Puch die Baureihe 92, Fahrzeuge der mittelschwe-
ren Reihe. Ein Marktanteil von 35 Prozent sollte mit diesen Fahrzeugen in Österreich erreicht
werden. Die Fahrzeuge wiesen mit dem Fahrerhaus FH 152, welches komplett neu entwi-
ckelt wurde, einen großen Komfort auf. Im Innenraum des Fahrerhauses waren die Armatu-
ren und Instrumente übersichtlich angeordnet. Auch die neu entwickelten Motoren nach dem
in Steyr entwickelten HPCE-Verfahren (High Performance Controlled Emission) gewährleis-
teten eine hohe Beschleunigung bei niedrigem Kraftfstoffverbrauch. Von diesem Lastwagen
wurden im Bereich von 9,5 bis 16 Tonnen Gesamtgewicht insgesamt 79 Typen, davon 12
Allradvarianten angeboten. Um eine Kostenreduktion zu erreichen, wurde beschlossen, alle
Motorvarianten auf eine Baureihe zu beschränken und die Fahrerhaustypen auf eine zu re-
duzieren. Diese Mittelklasselastfahrzeuge wurden sowohl im zivilen Bereich als auch im mili-
tärischen Bereich eingesetzt. Die Produktion dieser Lastwagenreihe erfolgte in den Jahren
1986 bis 1998.438
Im Bereich der schweren Reihe sollte im Jahr 1990 eine neue Type vorgestellt werden. Bis
dahin sollten die Produktionskosten um 20 Prozent gesenkt werden. Ein neues straffes Fer-
tigungsprogramm sah vor, die Werke in St. Valentin, Letten und das Gusswerk II in dem
Hauptwerk Steyr zusammenzufassen. Durch den Einsatz von neuen Produktionszentren
sollten technische Verbesserungen bei gleichzeitiger Senkung der Produktionskosten erzielt
werden. Der Plan, auch das Werk Letten in das Werk Steyr zu integrieren, wurde vorerst
nicht durchgeführt. Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) 1987 in Frankfurt
wurde von Steyr keine neue Baureihe, sondern ein überarbeitetes Design der bisherigen
149
Lastwagen der schweren Reihe vorgestellt. Eine neu gestaltete Fahrerhauskabine konnte
nicht präsentiert werden, da auch die Kooperation mit M.A.N. über die Fahrzeugkabine der
schweren Reihe gescheitert war. So wurde das Fahrerhausmodell FH 161 nur am Kühlergrill
und an den seitlichen Windleiteinrichtungen abgeändert. Um den Fahrkomfort zu erhöhen,
wurde das Fahrerhaus durch neue Sitze und ein verbessertes Heizungs- und Lüftungssys-
tem ausgestattet. Die Eigenentwicklung eines Lastwagens der schweren Reihe wurde, be-
dingt durch die hohen Forschungs-, Entwicklungskosten und Investitionskosten, vorerst nicht
ins Auge gefasst. Vor allem für den Fernverkehr wäre die Entwicklung einer neuen Fahr-
zeugkabine notwendig gewesen. Gleich wie bei der mittleren Baureihe wurde auch die Ty-
penbezeichung für die schwere Baureihe geändert.
Gleichzeitig mit der abgeänderten schweren Baureihe wurde auch der Euro-Service vorge-
stellt, wodurch Steyr im Fernverkehrsbereich verstärkt Fuß fassen wollte: In 18 europäischen
Ländern sollte durch eine Verbindung von Ersatzteilstützpunkten, Werkstätten und Service-
fahrzeugen ein Service auch außerhalb Österreichs gewährleistet werden.439
Im Jahr 1987 lag der Umsatz der Steyr-Daimler-Puch AG im Bereich der Nutzfahrzeuge und
Landmaschinen mit 4.955 Millionen Schilling um 17,3 Prozent, das waren 1.037 Millionen
Schilling, hinter dem Vorjahresumsatz. Der Umsatz an Nutzfahrzeugen ging um 32,4 Pro-
zent, um 1.210 Millionen Schilling, zurück, während der Landmaschinen- und Komponenten-
verkauf eine Steigerung von 7,7 Prozent, also 173 Millionen Schilling, aufwies. Der Rück-
gang im Lastwagenbereich betrug 33 Prozent und betraf hauptsächlich den Exportbereich.
Die Hauptabnehmer der Vorjahre, Nigeria und China fielen fast zur Gänze weg, während
sich der Export nach Westeuropa, Polen und Griechenland positiv entwickelte. Der Inlands-
absatz wurde um 18,6 Prozent gegenüber dem Jahr 1986 gesteigert, sodass sich der inlän-
dische Marktanteil an Lastwagen im Bereich von 8 bis 15 Tonnen Gesamtgewicht von 37 auf
41 Prozent steigerte. Verantwortlich für die Marktanteilssteigerung waren die Lastwagen der
Steyr-Mittelklasse. Die Auftragslage erwies sich auch künftig als durchaus positiv. Rationali-
sierungsinvestitionen von rund 332 Millionen Schilling wurden im Jahr 1987 in der Motoren-
und Getriebefertigung, der Blechfertigung und im Karosseriebau vorgenommen. Weiters
wurde ein durchgängiges CAD/CAM-System440 eingeführt.441
Das Jahr 1988 zeigte erfreulicherweise einen Umsatzanstieg im Lastwagenbereich von 100
Millionen Schilling, also um 4 Prozent, gemessen am Vorjahr. Der Lastwagenumsatz betrug
alleine 2.622 Millionen Schilling. Ein Großteil des Inlandsumsatzes betraf im Jahr 1987 eine
Lieferung von 600 Lastwagen an das Österreichische Bundesheer. Dieser Umsatz fehlte im
Jahr 1988, sodass der Inlandsumsatz einen Rückgang von 1.428 Millionen Schilling aufwies.
Der Rückgang am Inlandssektor wurde durch einen wesentlich höheren Exportumsatz im
150
Vergleich zum Vorjahr kompensiert. Die Exportumsätze waren um 1.194 Millionen Schilling,
also um 66 Prozent, höher als im Vorjahr. Ehemalige Exportmärkte wie Griechenland hatten
sich wieder erholt. Dazu kamen Saudi-Arabien und Jordanien. Aber auch Bemühungen von
Steyr-Daimler-Puch, in westeuropäischen Ländern Fuß zu fassen, zeigten erste Erfolge, vor
allem in der Schweiz und den Benelux-Ländern. Der Auftragsbestand im Jahr 1988 lag mit
4.201 Millionen Schilling wesentlich über dem des Vorjahrs mit 2.497 Millionen Schilling.
Ausschlaggebend dafür war die Lieferung von 1200 Schwer-Lastwagen an die kanadische
Armee. Die positive Entwicklung spiegelte sich auch in den Zahlen des Jahresabschlusses
wider.442
Den Jahresabschlüssen sind jeweils zum 31. Dezember des Jahres folgende Zahlen (in Tsd.
Schilling) zu entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Anlagen Vorräte Debitoren Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Werkzeuge in Bau Bankguthaben lungen keiten
443
Tab. 35: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1988 und 1989
Im Vertriebsbereich ergab sich die Möglichkeit, in England Fuß zu fassen, da sich der Auto-
mobilhersteller Bedford aus dem Lastwagengeschäft zurückzog. In Milton Keynes wurde im
Juli 1988 die Steyr Trucks UK Ltd. gegründet, und gleichzeitig wurden die Steyr-Fahrzeuge
präsentiert. Im ersten Jahr wurden schon 300 Fahrzeuge verkauft, wobei vor allem die Fahr-
zeuge im Mittelklassebereich großen Anklang fanden.444
Im Bereich der Entwicklung lärmarmer Lastwagen spielte der Steyr-Lkw eine Vorreiterrolle.
Bereits im Jahr 1988 wurde von Steyr-Daimler-Puch das „Grüne Paket“ vorgestellt: Durch
technische Maßnahmen im Motorenbereich konnten die Lärmgrenzwerte um bis zu 75 Pro-
zent unterschritten werden. Diese Fahrzeuge entsprachen bereits den verschärften
Lärmemissionsvorschriften in Österreich.445
Im Jahr 1989 waren in der Steyr-Daimler-Puch AG rund 4790 Mitarbeiter beschäftigt. Im
Landmaschinen- und Nutzfahrzeugbereich konnte eine Umsatzausdehnung von 1.333 Milli-
onen Schilling, also eine Steigerung um 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr, erzielt werden.
442 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1988. Veröffentlicht in ebenda 1988. S. 2104.
443 Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1989.
Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1989. S. 2282.
444 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 171.
445 Ebenda S. 174.
151
Maßgeblich dafür war der Nutzfahrzeugbereich, welcher den Umsatz gegenüber 1988 um 40
Prozent, in Zahlen um 1.053 Millionen Schilling, steigerte. 61 Prozent des Gesamtumsatzes
entfielen auf den Export, im Vergleich dazu waren es im Vorjahr 46 Prozent gewesen. Die
Inlandsumsätze entsprachen mit 1.417 Millionen Schilling denen des Vorjahres.446
Trotz Neupräsentationen von Fahrzeugen der mittleren und auch der schweren Reihe ver-
besserte sich die wirtschaftliche Situation bei Steyr nicht erheblich. Die geplanten strukturel-
len Änderungen konnten in Anbetracht der Kostensituation nur teilweise umgesetzt werden.
Um den westeuropäischen Markt – mit Ausnahme von Großbritannien – intensiver zu bear-
beiten, fehlten die notwendigen finanziellen Mittel.
Die verkauften Stückzahlen der Steyr-Lastwagen verringerten sich jährlich.
447
Tab. 36: Verkaufte Stückzahlen an Steyr-Lkw 1985 bis 1987
Die Exporte nach Nigeria, Griechenland und in den arabischen Raum waren weggebrochen
und konnten nicht durch den inländischen Markt oder durch die neu erschlossenen Teile des
Westeuropäischen Marktes aufgefangen werden. Auch China erteilte keine Aufträge mehr,
und der Kooperationsvertrag wurde im Jahr 1986 beendet.448
Durch geringe Absatzzahlen im Lastwagenbereich, herbeigeführt durch Konjunkturschwan-
kungen und hohe Stückkosten, waren im Jahr 1989 noch 4900 Personen in der Lkw-
Fertigung beschäftigt. Im Vergleich dazu waren es im Jahr 1983 noch 8700 Arbeitnehmer
gewesen. Auch durch Einführung der Kurzarbeit und verschiedene Sozialpläne konnte die
Steyr-Daimler-Puch AG den Personalabbau im Lastwagensektor nicht verhindern.449
Die Geschäftsführung überlegte, nachdem die Kooperationsverhandlungen in den Vorjahren
mit anderen Automobilherstellern gescheitert waren, zum wiederholten Male, die Nutzfahr-
zeugproduktion zu schließen. Durch die defizitäre Lkw-Sparte sollten nicht auch die übrigen
Produktionszweige von Steyr-Daimler-Puch in Gefahr gebracht werden. Ein großes Problem
446 Vgl. Geschäftsbericht der STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1989. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich
1989. S. 2281.
447 Eigene Darstellung der Verkaufszahlen. Quelle: RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 175.
448 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 175.
449 Ebenda S. 209.
152
war ein nicht vorhandenes flächendeckendes Vertriebs- und Servicenetz für Fahrzeuge au-
ßerhalb von Österreich. Die Probleme konnten alleine nicht bewältigt werden, deshalb äu-
ßerte die Konzernleitung von Steyr 1988 Verkaufsabsichten.450
Als Steyr den britischen Nutzfahrzeugmarkt erschloss, wurde auch DAF, ein holländischer
Automobilhersteller, auf die österreichischen Fahrzeuge aufmerksam. DAF produzierte zu
diesem Zeitpunkt bereits Fahrzeugkabinen für Fernverkehrsfahrzeuge, welche ohne große
Umbauarbeiten für die Steyr-Lastwagen verwendbar gewesen wären. Im Sommer 1989 wa-
ren die Verhandlungsgespräche bereits abschlussbereit. DAF war an der Fahrzeugkabine
der mittleren Reihe interessiert, wobei die Fertigung nicht in Steyr verbleiben sollte. Nur
Lohnfertigungen sollten im Werk Steyr verbleiben. Steyr-Daimler-Puch stellte sich aufgrund
ihrer schwer angeschlagenen wirtschaftlichen Situation nicht mehr auf eine Kooperation,
sondern auf eine Übernahme der Nutzfahrzeugsparte durch DAF ein. Beide Unternehmen
sollten verschmolzen werden.
MAN führte gleichzeitig Gespräche mit Steyr. Auch MAN war an einer Übernahme der Nutz-
fahrzeugsparte interessiert, jedoch sollte die Produktion im Werk Steyr erhalten bleiben. Es
sollte eine eigene Gesellschaft gegründet werden, in welcher der Nutzfahrzeugbereich von
Steyr-Daimler-Puch weitergeführt werden sollte. Nur hinsichtlich Forschung und Entwicklung
sollte Steyr in den MAN-Konzern eingegliedert werden. Die Verhandlungen zwischen Steyr
und DAF waren schon weiter fortgeschritten als jene zwischen Steyr und MAN. Mit beiden
Interessenten bestand in einigen Punkten keine Übereinstimmung. Am 8. September 1989
wurden mit DAF und MAN wieder Gespräche geführt. Nur mit MAN konnten am gleichen Tag
alle offenen Punkte geklärt werden. Ebenso konnte die Mehrheitseigentümerin der Steyr-
Daimler-Puch AG, die Creditanstalt-Bankverein, von dem vorgelegten Konzept der MAN
überzeugt werden. Somit war klar, dass MAN die Fahrzeugfabrik in Steyr übernehmen sollte.
So wurde im Zuge der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, im September
1989, der Kauf der Lkw-Sparte von Steyr-Daimler-Puch durch die MAN Nutzfahrzeuge AG
verlautbart.451
Für MAN war der Erwerb der Lkw-Sparte auch deshalb interessant, da MAN dringend weite-
re Fertigungskapazitäten suchte. Auch die Fahrzeugkabine 152 für die mittlere Reihe konnte
in die MAN-Fahrzeuge eingebaut werden. Für die Mitarbeiter von Steyr-Daimler-Puch war
die Übernahme von MAN vorteilhaft, da der Automobilhersteller DAF 1993 den Konkurs an-
melden musste.
Der Marktanteil von Steyr-Fahrzeugen in Österreich mit 5 Tonnen Gesamtgewicht betrug
1989 22,9 Prozent. Der Marktanteil der Hersteller ÖAF und MAN betrug in Österreich 19,4
450 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. München 2005. S. 116 ff.
451 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 175 f.
153
Prozent. Im Jahr 1993 betrug der Marktanteil von Steyr-Nutzfahrzeugen 21,7 Prozent, jener
von ÖAF und MAN zusammen 28,6 Prozent.452
Folgende strategische Veränderungen im Werk Steyr plante MAN bereits im September
1989:
Neben der bestehenden mittleren Steyr-Reihe sollten zusätzlich rund 3000 MAN-
Mittelklassefahrzeuge der Type M 90 im Werk Steyr montiert werden.
Die Entwicklung sollte in Steyr erhalten bleiben, wobei MAN geschlossene Ent-
wicklungsprojekte nach Steyr verlagern sollte.
Die Fertigung von Steyr-Komponenten sowie der Fahrerhauskabine 152 für den
MAN Nutzfahrzeuge-Teilkonzern und auch für andere Hersteller sollte in Steyr er-
folgen.
Die Produktion von MAN-Achsen sollte im Werk Steyr aufgenommen werden.
Für die Umsetzung der Veränderungsmaßnahmen war geplant, eine Milliarde Schilling auf-
zuwenden.453
Die Vereinbarungen zwischen MAN und Steyr-Daimler-Puch sahen die Gründung einer Ge-
sellschaft vor, in welche der Teilbetrieb der LKW-Fertigung eingebracht werden sollte. Die
Steyr Nutzfahrzeuge AG (SNF) wurde am 24. Oktober 1989 mit einem Grundkapital von ei-
ner Million Schilling gegründet, wobei MAN zu 80 Prozent beteiligt war. Der Teilbetrieb der
Lastwagenfertigung umfasste den Entwicklungs-, Fertigungs-, Vertriebs- und Servicebereich.
Sämtliche Maschinen, Geräte und Anlagen, aber auch 60 Prozent der baulichen Anlagen,
insgesamt 280.000 m2 Grundfläche, wovon 210.000 m2 verbaut waren, wurden in die Steyr
Nutzfahrzeuge AG eingebracht. Das Gusswerk und die Getriebefertigung wurden nicht ein-
gebracht.
Nach Einbringung des Teilbetriebes der Nutzfahrzeugfertigung in die Steyr Nutzfahrzeuge
AG wurden die Aktien von der MAN Nutzfahrzeuge AG, München, gekauft. In weiterer Folge
wurde das Grundkapital der neu gegründeten Gesellschaft durch die Sacheinlagen (Gebäu-
de, Maschinen usw.) von einer auf 300 Millionen Schilling erhöht. Diese Gesellschaft über-
nahm 2500 Mitarbeiter, welche in allen Bereichen – von der Entwicklung und Produktion bis
hin zum Vertrieb und Kundendienst – beschäftigt wurden.
452 Vgl. SEPER Hans (1994), Von AUSTRO-FIAT zur Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-GRÄF & STIFT AG. Hrsg. ÖAF-Gräf & Stift, Wien 1994.
S. 198.
453 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz / KNOGLER Franz (1999), LKW aus Steyr. S. 180.
154
Die Steyr Nutzfahrzeuge AG war somit in Konkurrenz mit der Österreichischen Automobilfab-
rik ÖAF-Gräf & Stift AG getreten, da beide Gesellschaften im Eigentum von MAN standen.
Vorerst wurden MAN-Lastwagen der mittleren Baureihe – M 90 – in Steyr produziert.454
Im Laufe der Zeit wurden immer weniger ÖAF-Fahrzeuge produziert, auch die Konstrukti-
onshoheit wurde langsam nach München verlegt. ÖAF-Typen wurden teilweise bei MAN
überarbeitet und auf MAN-Typen ummodifiziert. Viele Typen wurden nicht mehr hergestellt,
da zu wenig Nachfrage vorhanden war.455
Durch die Beibehaltung des Namens Steyr sollte der Anteil am Nutzfahrzeugmarkt gesteigert
werden. Es wurde folgende Marketingstrategie verfolgt:
MAN-Fahrzeuge aus München oder Steyr, aber auch ÖAF-Fahrzeuge aus Wien konnten
vom Kunden über den ÖAF-Vertrieb bezogen werden – und Steyr-Fahrzeuge aus Steyr über
den Steyr-Vertrieb. Diese Drei-Marken-Strategie erwies sich als voller Erfolg.456
Herr Wolfgang Schwetz berichtet: Durch die Beibehaltung des Namens Steyr hatte MAN
große Vorteile. Ohne diesen Namen hätte man etliche Kunden verloren. Im Werk München
wurde für das MAN-Fahrzeug eine Steyr-Motorhaube entworfen, und somit befand sich unter
der Motorhaube des Steyr-Fahrzeuges ein MAN-Motor. In die Steyr- oder ÖAF-Fahrzeuge
wurden immer mehr MAN-Komponenten eingebaut. Zuerst der Motor, später die Achsen und
die Innenraumkomponenten. An den Fahrzeugen war zwar der Schriftzug ÖAF oder Steyr
angebracht, die Fahrzeugkomponenten stammten von MAN. Für das Werk München wurde
der erste Vierachslastkraftwagen konstruiert, die Ersatzteile dafür wurden in Liesing gefertigt.
Der erste Fünfachslastkraftwagen ist ebenfalls in Liesing entstanden. Als das Fahrzeug in
Serienfertigung ging, wurde die Konstruktion und Fertigung dieser Fahrzeugtype in das Werk
München verlegt. Spezielle ÖAF Fahrzeuge – die mittellangen Schwerlastzüge – welche
MAN nicht produzierte, wurden von ÖAF-Gräf & Stift komplett konstruiert, gefertigt und auch
den Kunden zugestellt. Die österreichischen Kunden bekamen nicht alle Fahrzeugtypen bei
MAN – vor allem nicht die Sonderfahrzeuge. Diese Lücke schloss die ÖAF-Gräf & Stift AG
mit ihrer Angebotspalette.457
Der Marktanteil von Steyr-Fahrzeugen in Österreich mit 5 Tonnen Gesamtgewicht betrug
1989 22,9 Prozent. Der Marktanteil der Hersteller ÖAF und MAN betrug in Österreich 19,4
Prozent. Im Jahr 1993 betrug der Marktanteil von Steyr-Nutzfahrzeugen 21,7 Prozent, jener
von ÖAF und MAN zusammen 28,6 Prozent.458
155
Dem ersten Aufsichtsrat der Steyr Nutzfahrzeug AG gehörten im Jahr 1990 die Herren Ing.
Dr. h. c. Wilfried Lochte, Dr. Günther Dietz, Dr. Wolfgang Müller und Dr. Klaus Schubert an.
Der Vorstand setzte sich aus Dr. Ernst Feizlmayr, Dr. Ernst Pranckl und Horst Rebl zusam-
men.
Die Steyr Nutzfahrzeuge AG konnte Auftragsrückgänge am in- und ausländischen Markt mit
Aufträgen des Mutterkonzerns kompensieren. Dadurch wurde die Unsicherheit bei den Ar-
beitnehmern, den Arbeitsplatz zu verlieren, beendet.459
Ursprünglich beschloss MAN, dass 1600 Arbeitnehmer in der Gesellschaft beschäftigt wer-
den sollten. Obwohl kurze Zeit nach der Übernahme 2500 Arbeitnehmer in der Gesellschaft
tätig waren, herrschte in den nicht eingebrachten Betriebsteilen, dem Gusswerk, der
Schmiede und in einigen Teilbereichen der mechanischen Fertigung große Unsicherheit über
den Weiterbestand der Arbeitsplätze, weil die Lkw-Sparte ein wirtschaftlich wichtiger Teil des
Gesamtunternehmens war.
Die Steyr-Daimler-Puch AG konnte aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage keine Be-
schäftigungsgarantien für die nicht eingebrachten Unternehmensbereiche abgeben. Erste
Kündigungen wurden am 23. Jänner 1990 dem Betriebsrat bekannt gegeben.
Dies bedeutete auch für die Steyr Nutzfahrzeuge AG eine große Belastung. Aus Solidarität
gegenüber den gekündigten Mitarbeitern legten auch Mitarbeiter der Steyr Nutzfahrzeuge
AG ihre Arbeit nieder, wodurch Verzögerungen in der Lkw-Fertigung eintraten. Die Kündi-
gungen der Mitarbeiter wurden von der Steyr-Daimler-Puch AG am 29. Jänner 1990 wieder
rückgängig gemacht.
Im gleichen Jahr wurde die neue Gesellschaft von weiteren Krisen belastet. Exportgüter
nach Kuwait konnten aufgrund des Krieges und des verhängten Embargos nicht in den Be-
stimmungshafen geliefert werden. Der Transport musste in einen neutralen Hafen umgeleitet
werden. Förderungen, welche der Steyr Nutzfahrzeuge AG von der öffentlichen Seite ge-
währt wurden, wurden von der Wettbewerbskommission der Europäischen Union als zu hoch
und somit wettbewerbsverzerrend angesehen. Eine Senkung der Förderhöhe wurde gefor-
dert. Sollte dies nicht durchgeführt werden, wollte die Kommission Strafzölle für Lieferungen
sämtlicher Exporte der Steyr-Nutzfahrzeuge AG in den EU-Raum einführen. Da der Mutter-
konzern (MAN) beträchtliche Lieferungen der Steyr Nutzfahrzeuge AG bezog, hätte diese
Regelung das Ende der neuen Gesellschaft bedeutet. In schwierigen Verhandlungen wurden
die Verträge über die Subventionen geändert.
Erst im Jahr 1990 konnten die anfangs beschlossenen Konzepte umgesetzt werden. Der
Produktionsbereich wurde auf drei Ebenen aufgeteilt, Fertigungsabteilungen wurden räum-
lich verlagert. Die Waffenfertigung wurde zur Gänze in das Wälzlagerwerk verbracht. In die-
sen nun frei gewordenen Räumen wurde die Getriebefertigung untergebracht, welche in
Steyr verblieb. Eine neue Halle wurde für die Auslieferung der Lkw errichtet. Die Zahnrad-
156
produktion sowie die Härterei verblieben im Werksbereich von Steyr-Daimler-Puch. Der Lkw-
Versuchsbereich, der Werkzeug- und Betriebsmittelbau wurden in den Hallen der Steyr Nutz-
fahrzeuge AG untergebracht. Die Fertigung der Traktormotor-Baureihe 11 wurde aufgelas-
sen, die Tischlerei sowie Teile der mechanischen Fertigung wurden Zulieferfirmen übertra-
gen. 2000 Arbeitsplätze wurden innerhalb und außerhalb des Werksgeländes verlegt.460
Das Fahrerhaus FH 152 sollte nach Adaptierungsarbeiten auch für die leichte MAN-Baureihe
verwendet werden. Um dies zu verwirklichen, musste die Produktion vervierfacht werden.
Damit verbunden war eine gänzliche Umgestaltung der Fahrerhausproduktion. Dies bedeute-
te einen Ausbau des Großpresswerkes sowie den Einbau einer neuen Fahrerhausrohbauli-
nie und die Errichtung eines Lackierwerkes sowie die Einrichtung eines Fahrerhausausstat-
tungsbereiches. Bereits 1993 sollte das MAN Nutzfahrzeuge-Werk in Salzgitter mit den in
Steyr neu produzierten Fahrerhäusern beliefert werden. Allein die Adaptierungskosten für
das Großpresswerk waren mit 230 Millionen Schilling veranschlagt.
Die Lackieranlage, welche in den Jahren 1991 bis 1993 neu errichtet wurde, entsprach dem
neuesten Standard sowohl in technischer als auch in umwelttechnischer Hinsicht. Die Inves-
titionskosten betrugen 760 Millionen Schilling. In die Fertigungsbereiche Fahrerhausausstat-
tung und Elektrovormontage wurden 100 Millionen Schilling investiert. Die Montagehalle
wurde um 8000 m2 erweitert und eine Anlieferhalle von 7500 m2 angebaut. Die Investitions-
kosten dafür betrugen 660 Millionen Schilling. Das Bürogebäude wurde ebenfalls moderni-
siert. Im Jahr 1998 wurde der Fertigungsablauf im Montagebereich nochmals verbessert, um
eine Fertigung von 16.000 Lastwagen jährlich zu erreichen. Im Bereich der mechanischen
Fertigung sollten jährlich 7000 Vorderachsen hergestellt werden. Die desolate Gießerei wur-
de völlig neu adaptiert, und der Bereich des Fahrzeugversuches fand hier seinen Platz. Die
Werkskantine wurde im Jahr 1999 in der seinerzeitigen Kernmacherei untergebracht. Ver-
triebs- und Kundendienstniederlassungen wurden in Steyr, Graz, Wien-Schwechat, Linz-
Ansfelden und Schärding-Suben sowie Klagenfurt errichtet. Die Investitionskosten in das
Werk Steyr sowie der Ausbau des Vertriebsnetzes betrugen im Zeitraum 1990 bis 1997 drei
Milliarden Schilling.461
Die Weiterentwicklung der Steyr-Typen der Baureihe 91 und 92 wurde auch nach der Über-
nahme fortgesetzt, da beabsichtigt war, die Zweimarkenstrategie im Werk Steyr fortzusetzen:
Neben der Produktion der Steyr-Lkw sollten auch MAN-Fahrzeuge produziert werden. Die
mittlere Baureihe wurde im Jahr 1991 komplett neu gestaltet. Die schwere Baureihe wurde
im Jahr 1992 nur geringfügig adaptiert. Technische Neuerungen im Bereich des HPCE-
Verbrennungs-verfahrens462 konnten die Abgaswerte der Fahrzeuge so weit reduzieren,
dass sie unter den in Österreich vorgeschriebenen Partikelemissionswerten lagen. Auch die
äußere Form und die Innenausstattung der Fahrerhäuser wurden grundlegend geändert. Die
157
Forschung und Entwicklung wurde auf die speziellen Kundenwünsche ausgerichtet, aber
auch mit den vorhandenen Lizenzabkommen abgestimmt. So wurden Motoren für den Ein-
satz in Sibirien bei Temperaturen von bis zu minus 40° C entwickelt, ebenso wurden techni-
sche Weiterentwicklungen aufgrund eines bestehenden Lizenzabkommens für die chinesi-
sche Motorenfabrik Hangzhou vorgenommen.463
Auf die Qualität der Fahrzeuge wurde seit der ersten Stunde des Fahrzeugbaues in Steyr
großer Wert gelegt. Auch nach der Übernahme durch MAN hatte sich an dieser Grundein-
stellung der Unternehmung nichts geändert. Dafür wurden im Bereich der Fahrzeugmontage
im Jahr 1990 Prüfbänder angeschafft. 3D-Koordinatenmessmaschinen sollten die Qualitäts-
kontrolle in der Fahrerhausproduktion sicherstellen. Wichtig war vor allem der Schritt, die
bisherige Stichprobenprüfung in der Fertigung zwecks Qualitätssicherung, vorgenommen
durch die Mitarbeiter, durch Selbstprüfung der Mitarbeiter zu ersetzen. Durch diese Maß-
nahme konnten die Prüfarbeiten bereits in den Fertigungsbereichen erfolgen. Die Qualität
der produzierten Fahrzeuge konnte angehoben, und auch die Gewährleistungskosten konn-
ten gesenkt werden. Mit der Neugestaltung der Qualitätssicherung ging auch eine Neuge-
staltung der Wareneingangsprüfung einher. Das bisherige System der Stichprobenprüfung –
die gelieferten Teile im Vergleich zur Qualität vorangegangener Lieferungen zu überprüfen,
wurde eingestellt – und durch die Qualitätssicherung beim Lieferanten erneuert. Diesbezüg-
lich wurden mit den Zulieferfirmen Vereinbarungen geschlossen. Mit den eingeführten Maß-
nahmen zählte die Steyr Nutzfahrzeuge AG zu den ersten Industrieunternehmen in Öster-
reich, welche die umfassende Qualitätszertifizierung nach DIN EN ISO 9001464 erhielten.465
Auch den Sonderwünschen der Exportländer – wie China, Griechenland, Polen, Schweiz
und Ländern des arabischen Raumes – konnte man gerecht werden. So waren für die zu
liefernden Löschfahrzeuge nach Lhasa in Tibet, China, besondere Entwicklungsarbeiten im
motorischen Bereich zur Erhöhung der Beschleunigungsleistungen notwendig. Die Lieferun-
gen nach Griechenland waren zum großen Teil für das griechische und zypriotische Militär.
Für den arabischen Raum mussten die Fahrzeuge für den Wüsteneinsatz tauglich sein. In
der Schweiz kamen die Spezialfahrzeuge im Brücken- und Langmaterialtransport zum Ein-
satz.
Fahrzeuge, die für Extremeinsätze wie zum Beispiel in Turkmenistan bei bis zu minus 40 °C
oder für den Straßenbau in Thailand, Burma oder Laos entwickelt wurden, hielten den gefor-
derten Anforderungen stand.466
Die Steyr Nutzfahrzeuge AG trat auch in die Vereinbarungen, welche zwischen der Steyr-
Daimler-Puch AG und der China National Automotive Industry Import and Export Corporation
158
(CAIEC) sowie der China National Heavy Duty Truck Corporation (CNHDTC) bestanden, ein.
Der ursprüngliche Vertrag, welcher mit dem Jahr 1994 auslief, wurde noch bis 1998 verlän-
gert. In dem Zeitraum fand ein großer Know-how-Transfer zu den chinesischen Kooperati-
onsfirmen statt. Im Jahr 1998 wurden 30 Tonnen Dokumentations- und Abbildungsunterla-
gen für die Fahrzeugtypen in 54 Einzellieferungen von Steyr nach China übermittelt. Auch
Exportaufträge im Zeitraum von 1992 bis 1993 von 500 Steyr-Lastwagen konnten mit China
abgeschlossen werden. Technologie- und Lizenzverträge über den Bau der Motorenreihe
WD 618 wurden mit den chinesischen Firmen geschlossen. Gleichzeitig konnte die Steyr
Nutzfahrzeuge AG auch mit den Philippinen, Nordkorea und Thailand Exportverträge ab-
schließen. Ebenso wurden mit anderen Unternehmungen in Ländern wie der Türkei, Polen
oder Indonesien Kooperations-, Lizenz- oder Lieferverträge abgeschlossen. Die mit Stewart
& Stevenson schon unter der Steyr-Daimler-Puch AG begonnene Zusammenarbeit wurde
auch von der Steyr Nutzfahrzeuge AG erfolgreich fortgesetzt. Diese Verträge umfassten
vor allem die Motoren- und Fahrerhausfertigung. Mit dem indonesischen Unternehmen PT.
Perkasa Heavyndo Engineering – das Unternehmen gehört dem Mischkonzern Texmaco an
– wurde im Jahr 1997 ein Lieferübereinkommen über die Nachbaurechte von Motoren und
Achsen geschlossen. Bereits im Mai 1999 konnte Texmaco 50 Lastwagen verkaufen, wobei
die Achsen und Motoren nach dem Steyr-Know-how produziert wurden. Die Geschäftsbezie-
hung konnte trotz länger andauernder Wirtschaftskrise in Indonesien über einen größeren
Zeitraum aufrechterhalten werden.467
Das Konzept von MAN, den Teilbetrieb der Lastwagenproduktion der Steyr-Daimler-Puch
AG zu übernehmen und in den MAN-Nutzfahrzeuge-Entwicklungsverbund zu integrieren, hat
sich bewährt. Entwicklungs- und Forschungsarbeiten für künftige Einspritzverbrennungssys-
teme, Kraftstoffqualitätseinflüsse, Akustikkonzepte zeigten Erfolge. So war die bedeutsamste
Entwicklung die der neuen Motorbremse EVB (Exhaust Valve Brake), für welche das Unter-
nehmen im Jahr 1997 vom Land Oberösterreich mit dem Landespreis für Innovation und
vom Österreichischen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit mit dem Staatspreis für
Innovation ausgezeichnet wurde.468 Bei diesem System werden Ventile nicht wie bisher un-
kontrolliert geöffnet, sondern bleiben, um eine optimale Bremswirkung zu erreichen, offen.
Dadurch wird die Umweltbelastung wegen des geringeren Schadstoffausstoßes verringert
und auch ein wesentlicher Beitrag zur Verkehrssicherheit geleistet. Seit dem Jahr 1997 wur-
de dieses Bremssystem in alle Fahrzeuge eingebaut. Auch die Einschränkung der Ferti-
gungsbereiche am Standort Steyr auf den Fahrerhausbau, die Lackiertechnologie und die
Montage machte sich bezahlt.469
Sieben Standorte waren in den Lkw-Fertigungsverbund der MAN Nutzfahrzeuge AG mit Sitz
in München eingegliedert: fünf davon in Deutschland – und zwar in Gustavsburg, München,
159
Nürnberg, Penzberg und Salzgitter – und zwei in Österreich, die Steyr Nutzfahrzeuge AG
und die ÖAF-Gräf & Stift AG.
Die Mittelklassefahrzeuge wurden in Steyr produziert, und ab dem Geschäftsjahr 1998/1999
wurde auch die Produktion der leichten Baureihe von Salzgitter nach Steyr verlagert. Für
diese Produktionsverlagerung mussten Investitionen in der Höhe von 1,5 Milliarden Schilling
in Steyr vorgenommen werden. Grundstücksflächen im Ausmaß von 168.000 m2 wurden
erworben, um die Kapazitätsausweitungen vorzunehmen. Bereits im Geschäftsjahr
1998/1999 konnten die ersten tausend Nutzfahrzeuge der Type L 2000 hergestellt werden.
Ab dem Jahr 2000 wurden in Steyr mehr als 50 Typen von Nutzfahrzeugen zwischen 6 und
18 Tonnen Gesamtgewicht in den unterschiedlichsten Variationen entweder in Steyr- oder
MAN-Ausführung gefertigt. Daneben wurden in Steyr auch Fahrerhäuser, Vorderachsen, und
Pressteile für Motoren hergestellt.
Die Nutzfahrzeuge der schweren Reihe sowie der Militär-Lkw wurden in München und Salz-
gitter produziert; in Wien die Sonderfahrzeuge der schweren Reihe und Fahrzeuge der
schweren Nutzfahrzeugklasse.
Die Busproduktion wurde in Salzgitter untergebracht, in Nürnberg die Motorenfertigung, in
Gustavsburg die Fertigung von Pressteilen und Längsträgern und im Werk Penzberg die
Fertigung von Blechteilen und Kabelbäumen für den elektrischen Bedarf.470
Auf die Ausbildung der Mitarbeiter, vor allem auf die Lehrlingsausbildung, wurde bei der
Steyr-Daimler-Puch AG großer Wert gelegt. Der Lehrlingsausbildung wurde bereits im Jahre
1923 – mit der Errichtung einer Werksschule mit Öffentlichkeitsrecht – großes Augenmerk
geschenkt. Die Werksschule wurde in dem Jahr 1931 geschlossen, die Ausbildung der Lehr-
linge wurde jedoch fortgesetzt. 1938 wurde die Lehrwerkstätte neu errichtet und am 15. Juli
1939 im Rahmen des 75-jährigen Bestandsjubiläums des Unternehmens eröffnet. Zu diesem
Zeitpunkt waren 553 Lehrlinge im Unternehmen beschäftigt. Die Lehrlinge wurden in den
Werkstätten umfassend für die Tätigkeit im Unternehmen geschult. Um den kurzfristigen Be-
darf an ungeschulten Arbeitnehmern in Stoßzeiten abzudecken, gab es eine Anlernwerkstät-
te. Hier lernten die Arbeitnehmer – vor allen Frauen – in kurzer Zeit die wichtigsten Fertigkei-
ten, um fachgerechte Arbeit zu leisten. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurde die Lehr-
werkstätte im Herbst 1944 geschlossen. Im September 1946 wurde sie wieder eröffnet, und
zwischen September 1946 und 1985 absolvierten hier 3700 Lehrlinge ihre Lehre. Die Lehr-
werkstätte wurde in den Jahren 1985 und 1986 völlig neu adaptiert und somit wieder auf den
neuesten technologischen Stand gebracht. Sie besteht aus einem Büro- und Werkstättenteil
und ist auf einer Fläche von 5000 m2 untergebracht.471
160
Diese Ausbildungsstätte wurde auch von der Steyr Nutzfahrzeuge AG weiter fortgeführt.
Lehrlinge wurden nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für andere Betriebe im
Umkreis ausgebildet. Im Jahr 1996 wurde der Lehrwerkstätte vom damaligen Wirtschaftsmi-
nister Dr. Johann Farnleitner für die hervorragenden Leistungen die Auszeichnung „Staatlich
ausgezeichneter Lehrbetrieb“ zuerkannt. Auch heute geht die Ausbildung der Mitarbeiter
über den innerbetrieblichen Bedarf des Unternehmens hinaus. Neben der Lehrlingsausbil-
dung werden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten. Die Fachhochschule in Steyr
nutzt in den Sommermonaten die Lehrwerkstätte als Ausbildungsstätte für ihre Studenten.
Die Lehrwerkstätte dient daher nicht mehr der klassischen Lehrlingsausbildung, sondern ist
der Mittelpunkt für Berufsausbildungsmaßnahmen in der Umgebung Steyr.
Die Steyr Nutzfahrzeuge AG galt im Jahr 1995 mit 2500 Mitarbeitern als einer der größten
Arbeitgeber des Landes. Aber auch die Zulieferfirmen, die durch die Nutzfahrzeugherstellung
entstanden sind, trugen zur positiven ökonomischen und sozialen Entwicklung der Region
bei. Die Übernahme der Lastwagensparte von Steyr-Daimler-Puch durch die MAN Nutzfahr-
zeuge AG und die Eingliederung in den MAN-Verbund zeigte, dass die Investitionsmaßnah-
men sowohl positive Effekte im Absatzbereich als auch in der Beschäftigungsentwicklung
brachten.472
1995 war das Jahr der Neuorganisationen im MAN-Konzern. Dazu gehörten auch Umstruk-
turierungsmaßnahmen bei den Österreichischen Tochtergesellschaften. Ein erster Schritt
war die Vereinigung der Steyr Nutzfahrzeug AG mit der ÖAF-Gräf & Stift AG in der neu ge-
gründeten Gesellschaft der ÖAF & Steyr Nutzfahrzeug OHG, was im nächsten Teil der Dis-
sertation gezeigt wird.
161
7) Zusammenschluss von Steyr und ÖAF-Gräf & Stift AG
Trotz gleichen Mutterunternehmens, nämlich der MAN AG, wurde bis 1995 der Vertrieb in
Österreich von der Steyr Nutzfahrzeuge AG und der ÖAF-Gräf & Stift AG in einer Zwei-
markenstrategie verfolgt. Durch Neugründung von Unternehmen sowie Umgründung von
bestehenden Unternehmen wurde auch eine Trennung zwischen dem Produktions- und Ver-
triebsbereich herbeigeführt. So konnte künftig ein einheitlicher Produktions- und Vertriebs-
weg beschritten werden.
Zuerst wurde die Hauptgesellschafterin der ÖAF-Gräf & Stift AG, die Austro-MAN
Fahrzeug-Vertriebsgesellschaft m.b.H., mit Generalversammlungsbeschluss vom
19. Oktober 1995 gem. § 145 ff AktG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
In einem weiteren Umgründungsschritt wurde die Austro-MAN Fahrzeug-Vertriebs-
gesellschaft AG auf die ÖAF-Gräf & Stift AG gem. § 2 ff. UmwG umgewandelt. Den
Kleinaktionären der ÖAF-Gräf & Stift AG wurden vor der Umwandlung Kaufanbote
unterbreitet, die vom Großteil der Aktionäre angenommen wurden. Mit diesem Um-
gründungsvorgang wurde die ÖAF-Gräf & Stift AG zu einer hundertprozentigen Toch-
tergesellschaft der deutschen MAN Nutzfahrzeuge AG.473
Die Steyr Nutzfahrzeuge AG und die ÖAF-Gräf & Stift AG gründeten am 19. Mai 1995
eine Gesellschaft mit den Firmenwortlaut ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge OHG, Sitz in
Steyr. Unternehmensgegenstand dieser Gesellschaft waren der Handel und das Ser-
vice von Lastwagen und Autobussen. An der neu gegründeten Gesellschaft, einge-
tragen im Firmenbuch beim Handelsgericht Wien unter der Nummer FN 134092w,
waren beide Gesellschafter zu je 50 Prozent beteiligt.474
473 Vgl. Firmenbuchauszug der MAN Nutzfahrzeuge Immobilien GesmbH. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der
Firmenbuchnummer 129288f. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
474 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 264 ff.
162
Einbringung der Teilbetriebe der ÖAF Gräf & Stift AG und Steyr Nutzfahrzeuge AG
in die ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge OHG
In einem weiteren Umgründungsschritt übertrugen die ÖAF-Gräf & Stift AG und die
Steyr Nutzfahrzeuge AG gem. Art IV UmgrStG ihre Teilbetriebe, den inländischen
Handel, die Reparatur und den Servicebereich von Nutzfahrzeugen auf die neu ge-
gründete Gesellschaft, die ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge OHG.475
Ebenso wurde der Standort der Steyr Nutzfahrzeuge AG von Steyr nach Wien in die
Brunner Straße verlegt.476
In der ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge OHG wurden die Kundendienst- und Vertriebstätigkeiten
beider Unternehmen zusammengefasst und neu organisiert.
Außerdem konnte durch die Umstrukturierung die Produkt- und Dienstleistungspalette erwei-
tert werden. Durch diesen Schritt war es MAN möglich, den Kunden in Österreich das im
Vergleich zu anderen Automobilherstellern dichteste Vertriebs- und Kundendienstnetz anzu-
bieten. In die ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge OHG wurden rund 1000 Mitarbeiter, welche bisher
in den beiden Unternehmen – im Vertriebs- sowie Servicebereich – beschäftigt waren, ein-
gegliedert. Im Geschäftsjahr 1998/1999 konnte die Gesellschaft 3400 Nutzfahrzeuge und
1400 Gebrauchtfahrzeuge vertreiben. Im gleichen Jahr erzielten die Steyr-, ÖAF- und MAN-
Lastwagen samt den Bussen einen Marktanteil von 36 Prozent und hatten damit in Öster-
reich die Marktherrschaft inne.477
In der ÖAF-Gräf & Stift AG sowie der Steyr Nutzfahrzeuge AG verblieb die Produktion der
Nutzfahrzeuge und Teilekomponenten. Durch die Verlagerung der Produktion auf die Kern-
bereiche, nämlich Fertigung der schweren Spezialfahrzeuge, Fertigung von Linienbussen
und von Bodengruppen für Busaufbauten sowie Fertigung der Verteilergetriebe für die MAN-
Allradfahrzeuge, konnte eine optimale Ausnutzung der Kapazitäten erreicht werden. Die
Lastwagenfertigung wurde ausgebaut, als die Herstellung der Busse im Jahr 2000 nach
Salzgitter verlegt wurde. Ende der 90er-Jahre wurde die Bandfertigung teilweise auf Boxen-
Fertigung umgestellt, d.h. die Spezialfahrzeuge wurden von circa 15 Mitarbeitern an einem
fixen Ort in den Werkshallen montiert.478
In den Folgejahren wurden innerhalb des MAN-Konzerns Firmenwortlautänderungen bei den
konzernzugehörigen Gesellschaften vorgenommen. Durch die Änderungen wollte MAN ein
475 Vgl. Firmenbuchauszug der MAN Nutzfahrzeuge Immobilien GesmbH. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der
Firmenbuchnummer 129288f. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
476 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 264 ff.
477 Ebenda 264 ff.
478 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 266.
163
weltweit gemeinsames Auftreten der Marke gewährleisten. Mit weiteren Umgründungsschrit-
ten wurden die Tochtergesellschaften der Struktur innerhalb des MAN-Konzerns angepasst.
Mit 5. Juli 2012 wurde die MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG mit der MAN Nutz-
fahrzeuge Österreich Holding AG verschmolzen und der Firmenwortlaut in MAN
Truck & Bus Österreich AG geändert. In der Gesellschaft befindet sich nunmehr
der Produktionsbereich von leichten und mittleren Lastwagen sowie der Fahrer-
häuser.
164
Die Gesellschaft mit einem Grundkapital von 30 Millionen Euro und Sitz in Steyr ist
im Firmenbuch des Landesgerichts Steyr unter der Firmenbuchnummer FN
123126v eingetragen. Alleinaktionärin ist die MAN Truck & Bus AG in München.479
Umstrukturierung der Verwaltung der Immobilien: ÖAF-Gräf & Stift AG wird zur
MAN Immobilien GmbH
Laut Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 16. November 2004 wurde der ope-
rative Teil – die Nutzfahrzeugproduktion – samt dem Mitunternehmeranteil an der
MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb OHG auf die MAN Steyr AG abgespalten. In der
MAN Sonderfahrzeuge AG verblieben die Immobilien. Die nunmehrige Tätigkeit
der Gesellschaft ist die Liegenschaftsverwaltung.
Am 16. Feber 2005 wurde die Rechtsform der MAN Sonderfahrzeuge AG in eine
Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Firmenwortlaut MAN Nutzfahrzeu-
ge Immobilien GesmbH geändert.
Die Gesellschaft mit einem Stammkapital von 17 Millionen Euro und Sitz in Steyr
ist beim Landesgericht Steyr unter der Firmenbuchnummer 129288f eingetragen.
Alleingesellschafterin ist die MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG.480
479 Vgl. Firmenbuchauszug der MAN Truck & Bus Österreich AG. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer
123126v. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
480 Vgl. Firmenbuchauszug der MAN Nutzfahrzeuge Immobilien GesmbH. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der
Firmenbuchnummer 129288f. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
165
Umstrukturierung des Vertriebsbereiches: ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge OHG be-
endet die Tätigkeit
Am 9. Jänner 2003 wurde der Firmenwortlaut der ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge
OHG – bisherige Vertriebsgesellschaft – in MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb OHG ge-
ändert. Die Gesellschaft war beim Handelsgericht Wien unter der Firmenbuch-
nummer FN 134092w erfasst.481
Durch die Übernahme des Busherstellers Neoplan im Jahr 2008 wurden die Bus-
aktivitäten von Neoplan in Österreich in die MAN Nutzfahrzeug Vertrieb OHG ein-
gegliedert.482
Das gesamte Vermögen der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb OHG wurde auf die am
14. März 2005 neu gegründete Gesellschaft MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG
übertragen. Die MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb OHG wurde im Firmenbuch des
Handelsgerichtes Wien am 08.11.2006 gelöscht.483
Am 14. März 2005 wurde die MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG in Wien ge-
gründet. In die neu gegründete Gesellschaft wurden die Anteile der MAN Nutz-
fahrzeuge Vertrieb OHG zum 1. Jänner 2006 eingebracht.
481 Vgl. Firmenbuchauszug der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb OHG. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer
134092w. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
482 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 264 ff.
483 Vgl. Firmenbuchauszug der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb OHG. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer
134092w. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
166
Am 3. August 2011 wurde der Firmenwortlaut in MAN Truck & Bus Vertrieb Öster-
reich AG umfirmiert. In dieser Gesellschaft befindet sich nunmehr der Vertriebsbe-
reich der MAN-Fahrzeuge.
Durch die Umgründungsschritte wurde eine klare Trennung zwischen dem Produktions- und
Vertriebsbereich sowie der Verwaltung der Immobilien erreicht.
Die MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG und die MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG entwi-
ckelten sich bis zur Wirtschaftskrise wie folgt:
Der Forschungs- und Entwicklung schenkt MAN – jetzt immer noch – großes Augenmerk. Im
Jahr 1999 präsentiert das Unternehmen Spezialfahrzeuge, die leicht lenkbar sind und Ver-
wendung als Müll- oder Winterdienstfahrzeuge finden. Derartige Fahrzeuge erfordern bei
Kurven oder engen Straßen eine rasche Wendbarkeit. Außerdem wurden 26-Tonnen Fahr-
zeuge mit spezieller Federung, geplant für den Einsatz im Fernverkehr, dem schweren Zu-
stellverkehr, dem Container- und Silotransport, vorgestellt. Der Grundstein für diese Fahr-
zeuge war bereits die neue Trucknology-Fahrzeuggeneration mit einem kompletten Baukas-
tensystem.
Mit der Sonderfahrzeugreihe, der Type X, stellt die ÖAF & Steyr Nutzfahrzeuge OHG im Jahr
2000 Fahrzeuge für Spezialeinsätze vor. Großen Anklang findet das Flughafenlöschgerät
6x6 mit einem 600 PS starken Motor oder das Schneeräumfahrzeug mit angebauter
Schneeschleuder.
167
Ab dem Jahr 2000 wurden keine Komplettbusse mehr produziert. Schwerpunkt der Busent-
wicklung war die Herstellung des Bustyps in Super-Low-Floor-Bauweise, wobei die Fahrzeu-
ge einen durchgehend ebenen Mittelgang haben. In den späten 1990er-Jahren legte der
Entwicklungsbereich besonderes Augenmerk auf Busse mit Flüssiggasantrieb. Der Prototyp
des Busses, mit dem Flüssiggas-Magermotor angetrieben, wurde 1996 präsentiert. Weiter-
entwicklungen in diesem Bereich wurden gemeinsam mit den Wiener Verkehrsbetrieben
vorgenommen. Im Jahr 2001 wurde die Omnibusniederflurtype LPG-Solo J 07, angetrieben
mit Flüssiggas, von der neuen Niederflurtype J 21 abgelöst. Trotz Kosteneinsparung bei der
Busfertigung war durch die Produktion von geringen Stückzahlen in Wien eine Kostende-
ckung dieser Produktionssparte nicht gegeben. Deshalb wurde die Bodengruppenfertigung
für Omnibusse im Jahr 2002 in das MAN Nutzfahrzeuge Werk nach Salzgitter verlegt.484
Die Darstellung der Umsätze, Auftragseingänge sowie des Auftragsbestandes zeigen, dass
in den Jahren 2002 bis 2005 ständig steigende Zahlen vorzufinden sind. Auch ein höherer
Mitarbeiterstand mit höheren Lohnkosten ist damit verbunden:
485
Tab. 37: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG 2002 bis 2005
484 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 266.
485 Quelle: Darstellung entnommen dem Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2007. Veröffentlicht im Firmenbuch
des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 123126v am 01.08.2008. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
168
Die Kennzahlen der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG für die Jahresabschlüsse 2006 bis
2008 waren wie folgt:
486
Tab. 38: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG 2006 bis 2008
Die Lastwagenproduktion 2006 erreichte mit 22.653 gefertigten Einheiten ein Rekordergeb-
nis verglichen mit 2005 von 19.399 gefertigten Einheiten.487
Von den Umsätzen im Jahr 2007 mit 1.380 Millionen Euro entfielen 96 Prozent, das sind
1.327 Millionen Euro, auf den Export, der Rest von 53 Millionen entfiel auf den Absatz am
Inlandsmarkt. Insgesamt wurde mit 23.832 gefertigten Fahrzeugen wieder ein sehr gutes
Ergebnis erzielt.488
2008 wurden 22.571 Stück Lastwagen produziert und ein Umsatz von 1.750 Millionen Euro
erreicht. Die Fahrerhausfertigung konnte mit 43.783 Stück gegenüber dem Vorjahr mit
37.006 Stück gesteigert werden.
Die Auftragssituation verschlechterte sich zunehmend im vierten Vierteljahr 2008, bedingt
durch die beginnende Wirtschaftskrise. Darauf reagierte das Unternehmen mit einem Kurz-
arbeitszeitmodell, Urlaubsabbau, Schichtreduktion und dem Abbau von Leiharbeitern. Durch
diese Maßnahmen konnte erreicht werden, dass der Mitarbeiterstand trotz beginnender Wirt-
486 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Zahlen des Jahresabschlusses der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2006.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 123126v am 12.07.2007. Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZ-
FAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2007. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 123126v am
01.08.2008. Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2008. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes
Wien unter der Firmenbuchnummer 129288f am 01.05.2009. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
487 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2006 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 22.03.2007.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 123126v am 12.07.2007. Elektronische Einsichtnahme am
15.09.2013.
488 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2007. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien
unter der Firmenbuchnummer 123126v am 01.08.2008. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
169
schaftskrise im Jahr 2008 mit 3.367, verglichen mit 2007: 3.378, nicht wesentlich reduziert
werden musste.
Die Mitarbeiter waren dem Unternehmen immer ein großes Anliegen. Dies zeigte sich auch
im Jahr 2008 mit der Fortführung des Projektes „Fit for Future“. Für dieses Projekt wurde das
Unternehmen mit dem Oberösterreichischen Gesundheitspreis 2008 ausgezeichnet.
Im Werk Wien wurde in Anbetracht der Wirtschaftskrise verstärkt versucht, die Gemeinkosten zu
senken.489
Die Fusionen im Jahr 2006 waren auch länderübergreifend. So wurde die MAN Veicoli In-
dustriali S.p.a., welche vorerst mit der NEOMAN Italia s.r.l. fusioniert wurde, in die MAN
Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG eingebracht. Damit hat die MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd
AG nun Betriebsstätten in Wien und Verona.490
Die MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG war 2008 an folgenden Gesellschaften beteiligt:491
Im Jahr 2006 erhielt die MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG gemeinsam mit den Wiener
Linien den Umweltpreis für einen neuen Flüssiggasmotor verliehen.492
489 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2008. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien
unter der Firmenbuchnummer 129288f am 01.05.2009. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
490 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2006 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 06.08.2007.
Veröffentlicht im: Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k am 17.08.2007. Elektronische Einsichtnahme am
26.12.2012.
491 Quelle: entnommen aus dem Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2008, Anlage 3 zum Anhang.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k am 17.08.2007. Elektronische Einsichtnahme am
26.12.2012.
492 Vgl. ÖkoBusinessplan Umweltpreis der Stadt Wien verliehen. Hrsg. Wiener Umweltschutzabteilung. Rathauskorrespondenz vom 21.03.2006. Abzurufen
unter: http://www.wien.gv.at/rk/msg/2006/0321/001.html. Abgerufen am 15.09.2013.
170
Den Jahresabschlüssen 2006 bis 2008 der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG, Wien (FN
261076k), sind nachstehende Eckdaten zu entnehmen:493
494
Tab. 39: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG 2006 bis 2008
Dem Vorstand gehörten im Jahr 2008 an: Ing. Rudolf Rockenschaub, Achim Ziemons, Martin
Scharrer und Karl-Heinz Hüttl bis 24. Dezember 2008.495 Die Zulassungszahlen an neuen
Lastwagen und Bussen in der ersten Jahreshälfte 2008 sind vergleichbar mit jenen der ers-
ten Hälfte 2007. Erst im zweiten Halbjahr 2008 zeigten sich erste Auswirkungen der interna-
tionalen Wirtschaftskrise. Sowohl die Zulassungen der Fahrzeuge als auch die Bestellungen
im Nutzfahrzeugbereich waren rückläufig.
493 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2009 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 26.05.2010.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k am 30.06.2010. Elektronische Einsichtnahme am
30.06.2012.
494 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Zahlen des Jahresabschlusses der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2009 mit
Protokoll der Hauptversammlung vom 26.05.2010. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k am
30.06.2010. Elektronische Einsichtnahme am 30.06.2012. Vgl. auch Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2008
mit Protokoll der Hauptversammlung vom 27.04.2009. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k am
29.04.2009. Elektronische Einsichtnahme am 30.06.2012.
495 Quelle: entnommen aus ebenda.
171
Der Marktanteil an MAN-Fahrzeugen in Österreich entwickelte sich in den Jahren 2006 bis
2008 wie folgt:
496
Tab. 40: Marktanteil an MAN-Fahrzeugen in Österreich 2006 bis 2008
Um den Kunden eine noch bessere Vertriebsstruktur anzubieten, wurde der operative Be-
reich der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG in Österreich ab Juli 2008 in zwei eigenstän-
dige Vertriebseinheiten geteilt.
Das MAN Center Ost mit Sitz in Leopoldsdorf unter der Leitung von Vinzenz Karall497 um-
fasst den Verkauf- und Kundendienstbereich für die Bundesländer Wien, Niederösterreich,
Burgenland, Steiermark und Kärnten.498 Das MAN Center West mit Sitz in Eugendorf um-
fasst die Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich und wird von Robert
Kerschl geleitet.
Das Unternehmen befürchtete im Jahr 2009 durch die Verschlechterung der konjunkturellen
Rahmenbedingungen auch eine rückgängige Marktaufnahmefähigkeit im Nutzfahrzeugbe-
reich. Entsprechend den Annahmen der Wirtschaftsforscher wurde mit einer Verringerung
des Wirtschaftswachstums von 2,2 Prozent gerechnet, dies entsprach dem langfristigen
Durchschnitt.
Trotz dieser Prognosen und Befürchtungen ging die MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG
mit einem hohen Auftragsstand in das Jahr 2009.
Die weitere Entwicklung der österreichischen MAN-Tochterunternehmen ist dem Abschnitt
III/3 zu entnehmen.
496 Quelle: entnommen dem Lagebericht der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG (MNVS AG), Geschäftsjahr 2008. Entnommen aus ebenda
497 Anm.: Vinzenz Karall schied 2011 aus dem Unternehmen MAN aus und wechselte zu IVECO. Mit 1. Oktober 2012 übernahm Karall bei der Iveco Austria
Ges.m.b.H. neben dem Marketing die Bereiche der Bearbeitung von öffentlichen Ausschreibungen und Homologation (dieser Begriff bedeutet in der Kfz-
Industrie: Fahrzeuge müssen so gebaut sein, dass sie den Zulassungsvorschriften der jeweiligen Länder entsprechen), das Produktportfolio,
Wettbewerbsvergleiche, die Preispolitik. Bei MAN übernimmt Thomas Czeczelits seine Funktion. Vlg. dazu:
http://web.iveco.com/austria/presse/veroeffentlichungen/Pages/VinzenzKarallistneuerLeiterfuerProduktMarketingbeiIvecoAustria.aspx. Abgerufen am
29.12.2012.
498 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2008 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 27.04.2009.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k am 29.04.2009. Elektronische Einsichtnahme am
19.07.2012.
172
8) Automobilfabrik A. Fross (Stephan v. Götz & Söhne)
499 Vgl. GUSEL Erich (2008), Stephan und Elsa von Götz und die Familie Fross-Büssing. In: Gemeindenachrichten Langenzersdorf vom 08.07.2008, Nr.
07–08/2008. S. 10. Abzurufen unter: http://www.langenzersdorf.gv.at/gemeindeamt/download/2008_07_08.pdf. Abgerufen am 16.08.2012.
173
gelang Fross, als er im Jahr 1912 44 Prozent der Gesamtquote der zu produzierenden Sub-
ventionslastwagen für das Kriegsministerium zugewiesen bekam.500
In den Jahren 1928 und 1929 wurden neben den Lastwagen auch für den Autobusverkehr
Fahrzeuge gefertigt. Die Omnibusse waren auch für Reparaturzwecke leicht zugänglich.
Nach dem Anschluss von Österreich an das Deutsche Reich im Jahr 1938 wurde das Unter-
nehmen Fross-Büssing dem Unternehmen M.A.N. unterstellt und konnte sich so seine Auto-
nomie bewahren. Im Zuge des Schell-Programms, welches auf eine Typenbeschränkung
bedacht war, produziert Fross-Büssing gemeinsam mit der Braunschweiger Büssing-NAG,
Krupp und M.A.N. einen 6,5-Tonner-Lastwagen mit Dieselmotor. Im Jahr 1943 wurde die
Fahrzeugproduktion eingestellt. Es wurden nur mehr Ersatzteile hergestellt.
Die Fahrzeuge von Fross waren durch nachstehendes Logo bekannt:
501
Logo 11: Fross-Büssing-Fahrzeuge
Copyright Fross-Büssing (nunmehr Volkswagen AG)
500 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge vom Anbeginn bis heute. S. 104.
501 Quelle: Logo abzurufen unter: http://members.aon.at/tornado/fross.htm. Abgerufen am 11.08.2013.
502 Vgl. SEPER Hans / PFUNDNER Martin / LENZ Hans Peter (1996), Österreichische Automobilgeschichte. S. 315.
503 Vgl. Geschäftsbericht der FROSS-BÜSSING A. KOMM.-GES. für das Jahr 1945. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1945. S. 627.
504 Vgl. Geschäftsbericht der FROSS-BÜSSING A. KOMM.-GES. für das Jahr 1972. Veröffentlicht in ebenda 1972. S. 510.
174
9) Automobilfabrik Perl
Ing. Gustav Rudolf Perl war nach dem Abschluss der Technischen Hochschule in Wien im
elterlichen Speditionsbetrieb beschäftigt. 1907 begann Perl mit der Herstellung von Lastwa-
gen. Die Zweizylindermotoren für die Fahrzeuge wurden von Opel in Rüsselsheim geliefert.
Perl übernahm in den kommenden Jahren für die Motorenwerke Berna AG, Schweiz, die
Vertretung in Österreich.505 Im Jahr 1911 gründete Ing. Gustav Perl eine Kommanditgesell-
schaft mit dem Firmenwortlaut Österreichische Berna Motorwagenfabrik Ing. Perl & Co. Die
Lastwagen mit bereits fünf Tonnen Gesamtgewicht erreichten eine Geschwindigkeit von 16
km/h. Die Gesellschaft erwarb in Wien-Liesing ein Grundstück und errichtete darauf ein Fab-
riksgebäude für die Fertigung von Lastwagen.506
1912 wurden die ersten Kardan-Schnelllastwagen produziert. 1915 wurde die Unternehmung
in Motorlastwagen- und Motorenfabrik Ing. G. Rud. Perl, Liesing umbenannt. Ein Großteil der
Fahrzeuge wurde für den Bedarf des Heeres gebaut. 1916 wurde Ing. Perl der Titel k. u. k.
Hoflieferant verliehen.507
Erst nach dem Ersten Weltkrieg kam es zur Fertigung von Kleinwagen und Omnibussen. Die
Fertigung von Personenkraftwagen war jedoch nicht von langer Dauer.
Mit 1. Jänner 1923 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft mit den Wortlaut Ing.
Gustav Rudolf Perl AG umgegründet. Ing. Gustav Perl hatte sich neben dem Lastwagenbau
auch dem Omnibusbau verschrieben. Die Omnibusse waren zuverlässig und fortschrittlich in
Konstruktion und Ausstattung. Dadurch machte sich Perl über die Grenzen hinaus einen gu-
ten Namen. Um den Absatz der Omnibusse anzukurbeln, gründete Ing. Gustav Perl zwei
eigene Buslinien, nämlich für die Strecken Liesing – Perchtoldsdorf und Liesing – Kaltenleut-
geben.508
Im Jahr 1927 wurde die Liesinger Omnibus-Betriebs Gesellschaft m.b.H. (LOBEG) gegrün-
det. Die Entwicklungs- und Forschungsarbeiten bei der Omnibusproduktion waren noch nicht
sehr ausgereift, sodass die Gesellschaft in den Folgejahren, bedingt durch Reparaturarbei-
ten bei den Omnibussen, größere Verluste hinnehmen musste. Die Weltwirtschaftskrise
1929 trug ebenfalls dazu bei, dass die finanziellen Probleme der LOBEG immer größer wur-
den. Die Österreichischen Bundesbahnen übernahmen die gesamten Geschäftsanteile der
LOBEG im November 1931 um fünf Millionen Schilling. Die LOBEG wurde mit der Bundes-
bahn-Kraftwagenunternehmung verschmolzen. Nach Zusammenführung beider Unterneh-
505 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 105.
506 Vgl. BRUNER Gerhard / REITGRUBER Stefan (2001), 100 Jahre Fahrzeugbau in Wien. Hrsg. Verein zur Förderung der historischen Fahrzeuge der
Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift AG, Wien 2001. S. 119.
507 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 106.
508 Vgl. BRUNER Gerhard / REITGRUBER Stefan (2001), 100 Jahre Fahrzeugbau in Wien. Hrsg. Verein zur Förderung der historischen Fahrzeuge der
ÖAF-Gräf & Stift AG, Wen 2001. S. 119.
175
men konnten mit 235 Omnibussen 69 Linien auf einer Gesamtstreckenlänge von 2490 Kilo-
metern befahren werden.
Die Perl-Fahrzeuge waren am Kühler durch nachstehendes Logo gekennzeichnet:
509
Logo 12: Perl-Fahrzeuge
Copyright ÖAF Gräf & Stift AG (nunmehr Volkswagen AG)
Die Ing. Gustav Perl AG war wirtschaftlich nicht sehr erfolgreich. Seit ihrer Gründung wurden
keine Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet. Zwischen der Wiener Automobilfabrik AG,
vormals Gräf & Stift, und der Automobilfabrik Perl AG wurde 1935 eine Interessensgemein-
schaft gegründet, die sich auf Vertrieb und Service der Fahrzeuge der Perl AG beschränkte.
Beide Unternehmen blieben jedoch eigenständig.510 Der steigende Kapitalbedarf der Perl AG
führte dazu, dass die Mehrheit der Aktien in den künftigen Jahren in das Eigentum von Gräf
& Stift übernommen wurde. Gräf & Stift hatte damit einen starken Konkurrenten vor allem im
Omnibusbereich ausgeschaltet.511
Im Jahr 1941 wurde die Wiener Fahrwerkbau Aktiengesellschaft (vgl. folgende Seite) von der
Gräf & Stift AG mit einem Aktienkapital von 750.000 Reichsmark gegründet. In dieses Unter-
nehmen wurde am 12. März 1941 sämtliches Vermögen der Perl AG eingebracht.512 In die
Fabrikshallen der seinerzeitigen Perl AG in Wien-Liesing wurde die Karosserieerzeugung
von Gräf & Stift verlegt.513
Ing. Gustav Perl betrieb weiterhin seine von ihm gegründeten Werkstätten, nämlich die Über-
land-Kraftfahrzeugwerkstätten- und Betriebsgesellschaft m.b.H. sowie die Werkstättenbetrie-
be in Wien-Breitensee.514
176
Perl von 1945 bis 1968
Mit seinem Sohn, Dipl.-Ing. Hannes Perl, gründete Gustav Perl 1946 die Perl-Auhof-
Automobil-Bestandteile- und Karosserie-Fabrik GmbH. Ein Omnibus mit einem vierzylindri-
gen 105-PS-Maybach-Heckmotor – der erste dieser Bauart – wurde von dem Unternehmen
Perl-Auhof gefertigt. Bereits im Jahr 1949 wurden diese Busse als Linien- und Luxusreise-
busse für Fernausflüge hergestellt. Die Fahrzeuge waren in ihrer Ausstattung exklusiv: mit
Buffet, Toilette und bequemen Schlafsitzen.
Die Omnibusse wurden auf Wunsch mit Maybach-Benzinmotoren, Steyr-Motoren und Steyr-
Achsen und später mit Henschel-Aggregaten gebaut. Die Fahrzeugmarken Morris, Riley,
Wolsely und M. G. wurden von Perl vertreten, um alle Vorteile auszunutzen. 1954 wurde ein
neuer Heckbus mit einem 125-PS-Sechszylinder-Viertakt-Dieselmotor auf den Markt ge-
bracht.
Perl-Auhof fertigte Omnibusse und Fahrzeugaufbauten, reparierte aber auch Lastwagen und
Personenkraftwagen. 1968 wurde auch dieses Unternehmen geschlossen.515
In den Fabrikshallen war auch nach 1945 die Karosserieerzeugung der Gräf & Stift AG un-
tergebracht. Die Wiener Fahrwerkbau Aktiengesellschaft verlor durch Demontagen fast
gänzlich den Maschinenpark.516 Das Unternehmen wies im Jahresabschluss zum 31. De-
zember 1946 einen Bilanzverlust von 282.000 Schilling aus. 517
515 Vgl. SEPER Hans / KRACHOWIZER Helmut / BRUSATTI Alois (1982), Österreichische Kraftfahrzeuge von Anbeginn bis heute. S. 222.
516 Vgl. MATHIS Franz (1987), Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen, Wien 1987. S. 127.
517 Geschäftsbericht der WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1949. Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1949.
S. 626.
177
Die Verbindlichkeiten des Unternehmens stiegen in den folgenden Jahren, wie nachstehste-
hender Tabelle zu entnehmen ist, kontinuierlich an (die Werte sind zum 31. 12. des Jahres in
Tsd. Schilling angegeben):
1946 5.820
1947 8.156
1948 8.485
518
Tab. 41: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1946 bis 1948
Die in der Hauptversammlung vom 24. April 1958 genehmigte Schillingeröffnungsbilanz zum
1. Jänner 1955 wies ein Reinvermögen des Unternehmens von 3.343.901 Schilling auf, wo-
von 3.000.000 Schilling dem Aktienkapital (3000 Aktien zu je 1000 Schilling), 300.000 der
gesetzlichen Rücklage und 43.901 Schilling einer freien Rücklage zugewiesen wurden. Dem
Vorstand des Unternehmens gehörten Dipl.-Ing. Josef und Rudolf Gräf sowie Dr. Karl Patz-
ner an.519
Den Jahresabschlüssen jeweils zum 31. Dezember sind folgende Zahlen in Tsd. Schilling zu
entnehmen:
520
Tab. 42: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1955 bis 1958
518 Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1949.
Veröffentlicht in ebenda 1949. S. 626.
519 Vgl. Geschäftsbericht der WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1956. Veröffentlicht in ebenda 1956. S 625.
520 Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Geschäftsberichtes der WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1959.
Veröffentlicht im Finanz-Compass Österreich 1959. S. 715.
178
Die Wiener Fahrwerkbau Aktiengesellschaft übte keine operative Tätigkeit aus, in den Bau-
lichkeiten war lediglich die Karosserieerzeugung untergebracht. Mit der Hauptgesellschafte-
rin, der Gräf & Stift AG, bestand ein Organschaftsverhältnis. Es wurden sowohl die Gewinne
als auch die Verluste von der Muttergesellschaft übernommen.521
Im Jahr 1960 übernahm die Wiener Fahrwerkbau Aktiengesellschaft die Generalvertretung
der Personenkraftwagen Wartburg sowie der Lastkraftwagen Scania-Vabis und erledigte die
Servicearbeiten. In den 60er-Jahren beschäftigte das Unternehmen rund 1200 Mitarbeiter.522
Deshalb sind in den Jahresabschlüssen ab dem Jahr 1959 unter der Aktiva neben den Bau-
lichkeiten auch Maschinen, Ausstattung, Forderungen und unter der Passiva Liefer- und
Bankverbindlichkeiten ausgewiesen.523
Wie sich die Übernahme der Servicevertretungen auf das Jahresergebnis der Wiener Fahr-
werkbau Aktiengesellschaft auswirkte, sollen nachstehende Auszüge aus den Rechnungs-
abschlüssen zeigen.
Den Jahresabschlüssen jeweils zum 31. Dezember sind folgende Zahlen in Tsd. Schilling zu
entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Vorräte Forderungen Rückstel- Verbindlich- Gewinn/Verlust
Gebäude Ausstattung Bankguthaben lungen keiten
524
Tab. 43: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1959 bis 1964
Bis zum 31. Dezember 1965 bestand zwischen der Gräf & Stift AG und der Wiener Fahr-
werkbau Aktiengesellschaft ein Organschaftsverhältnis, was bedeutete, dass die Gewinne
bzw. Verluste an die Organmutter übertragen wurden.
179
Im Jahr 1966 erwirtschaftete das Unternehmen einen Gewinn von 948.682 Schilling, welcher
nicht der Muttergesellschaft zugerechnet wurde.525
Den Jahresabschlüssen jeweils zum 31. Dezember sind folgende Zahlen in Tsd. Schilling zu
entnehmen:
Jahr Grund und Maschinen und Vorräte Forderungen Rückstel- Verbindlich- Gewinn
Gebäude Ausstattung Bankguthaben lungen keiten
526
Tab. 44: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1967 bis 1968
Am 16. März 1967 wurde eine Kapitalerhöhung von zuvor 3 Millionen auf 3,4 Millionen Schil-
ling beschlossen. 400 neue Aktien zu je 1000 Schilling wurden gegen die Einbringung von
Sachanlagen im Wert von 360.000 Schilling sowie eine Barzahlung von 40.000 Schilling von
der Gräf & Stift AG übernommen.527
Aufgrund des ständig steigenden Konkurrenzdruckes am Automobilsektor verkaufte Gräf &
Stift die Aktien der Wiener Fahrwerkbau AG im Jahr 1971 zur Gänze an die Österreichische
Automobilfabrik AG.528
Nicht nur in Österreich, auch in anderen Ländern mussten namhafte Hersteller ihre Werke
schließen oder wurden von anderen Herstellern übernommen. Diese Übernahmeprozesse
sollen im Folgenden am Beispiel deutscher Hersteller gezeigt werden.
525 Vgl. Geschäftsbericht der WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1967. Veröffentlicht in ebenda 1967. S. 732.
526 Eigene Darstellung basierend auf den Daten der Geschäftsberichte der WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1967 und
1968. Veröffentlicht in ebenda 1967. S. 733. Vgl. auch ebenda 1968. S. 744.
527 Vgl. Geschäftsbericht der WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT für das Jahr 1967. Veröffentlicht in ebenda 1967. S. 733.
528 Vgl. MATHIS Franz (1987), Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen. S. 127.
180
2. Die deutsche Nutzfahrzeugindustrie
529 Vgl. REGENBERG Bernd (1992), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre, Band 1, 2. Auflage, Brilon. S. 8.
181
Konkurrenz dar. Der niederländische Hersteller Hub van Doorne war mit seiner Automobil-
fabrik DAF (Van Doorne’s Automobiel Fabriek N.V.) am deutschen Markt erfolgreicher. Er
gründete 1959 in Düsseldorf eine Niederlassung, und bereits bis Mitte 1961 wurden 500
Schwerlastwagen verkauft. Fiat baute – bevor 1964 mit dem Verkauf von Nutzfahrzeugen
der 4-, 8- und 10-Tonnen-Klasse begonnen wurde – ein umfassendes Händler- und Service-
netz auf.
Die ausländischen Nutzfahrzeughersteller konnten in den 60er-Jahren nicht, wie ursprünglich
gedacht, am deutschen Markt Fuß fassen. Erst als im Laufe der Jahre einzelne deutsche
Nutzfahrzeughersteller ihre Produktion einstellten bzw. von anderen übernommen wurden,
konnten sich die schwedischen und niederländischen Nutzfahrzeughersteller in Deutschland
immer mehr ausbreiten.530
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Hans-Christoph Seebohm hatte im Laufe seiner Amtszeit,
vom 20. September 1949 bis 30. November 1966 einschneidende Änderungen im Lastwa-
genbereich eingeführt. 1952 wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach die Gesamtlänge des
Lastwagenzuges (Lastwagen und Anhänger) maximal 20 Meter (vorher waren es 22 Meter
gewesen) betragen durfte. Anstatt zwei Anhänger mitzuführen, durfte nur mehr ein Anhänger
vom Lastwagen gezogen werden. Viele Spediteure hatten zuvor einen zweiten Anhänger
gekauft, als dann das Gesetz für die Führung eines zweiten Anhängers verabschiedet wur-
de. Die dafür aufgewendeten Bankverbindlichkeiten waren noch nicht getilgt, da kamen
schon wieder Gesetzesänderungen auf sie zu. Die Spediteure hatten die Möglichkeit, entwe-
der nur einen Anhänger zu verwenden oder einen neuen Dreiachsanhänger zu kaufen, wel-
cher zwischen 20.000 und 30.000 Mark kostete. Durch die Änderungen der Bestimmungen
waren die Unternehmer in der Zeit von 1953 bis 1955 gezwungen, neue Anhänger zu kaufen
und sich zu verschulden. Dafür wurden den Unternehmern ERP-Kredite zur Verfügung ge-
stellt.531 Seebohm versicherte den Fuhrwerksunternehmern in der Rede vom 3. November
1952, dass es im Bereich des Güternfernverkehrs seitens der Gesetzgebung keine weiteren
bedeutenden Änderungen geben werde.532 Dies entsprach jedoch nicht den Tatsachen, wie
sich in den folgenden Jahren zeigen sollte.
Es kam zu Erhöhungen der Steuern für Schwer-Lastwagen und des Dieselkraftstoffes. Diese
Einnahmen sollten der verlustträchtigen Bahn zugute kommen. Das Sonntagsfahrverbot für
den Werksverkehr533 wurde im März 1956 eingeführt, ebenso eine neue Beförderungssteuer
für Lastwagen, die im Werksverkehr eingesetzt wurden. Bundesverkehrsminister Hans Chris-
toph Seebohm versuchte die Güterbeförderungen mit der Deutschen Bundesbahn attraktiver
zu machen. Die Deutsche Bundesbahn sollte so aus der Verlustzone gebracht werden. Der
530 Ebenda S. 9.
531 Vgl. ZEITONLINE Nr. 43 vom 20.10.1961. Minister Seebohm antwortet nicht. Sollen wertvolle Wagen auf den Schrott? Berliner Spediteure protestieren.
Abzurufen unter: http://www.zeit.de/1961/43/Minister-Seebohm-antwortet-nicht. Abgerufen am 30.10.2010.
532 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 32/1961 vom 02.08.1961. Schrott auf drei Achsen. S. 19.
533 Der Begriff „Werkverkehr“ bedeutet, dass Unternehmen mit den eigenen Fahrzeugen eigene Produkte transportieren. Vgl. dazu:
http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?angid=1&stid=501473&dstid=0&titel=Werkverkehr. Abgerufen am 02.01.2013.
182
schwere Lastwagenverkehr verursachte laut Seebohm Straßenschäden von rund 200 Millio-
nen Mark jährlich, deshalb sollte das Straßennetz überwiegend dem Personenverkehr vor-
behalten bleiben. Der Großteil des Gütertransports hingegen sollte auf die Bahn oder Was-
serstraßen verlegt werden. Die Auflagen für Nutzfahrzeuge wurden immer höher. Dies be-
deutete für die Nutzfahrzeugindustrie eine große Herausforderung im Forschungs- und Ent-
wicklungsbereich.534
Die Deutsche Reichsbahn erzielte im Jahr 1910 noch einen Gewinn von 956 Millionen
Goldmark. 1919 konnte die Deutsche Reichsbahn bei der Reichsregierung durchsetzen,
dass für den Lkw-Linienverkehr ein Konzessionszwang eingeführt wurde. Die Lastwagenun-
ternehmer unterboten 1930, im Jahr der Wirtschaftskrise, die Beförderungspreise der Bahn.
Fazit war, dass durch eine Notverordnung die Fuhrpreise der Lastwagenunternehmer jenen
der Reichsbahn angeglichen wurden. 1932 ging die Reichsbahndirektion einen Schritt weiter
und verlangte, dass die Bahn die Möglichkeit haben müsse, den Güterbeförderungsverkehr
auf der Straße entweder selbst zu betreiben oder an Subunternehmer weiterzugeben. Die
Reichsregierung in Berlin stimmte diesem Vorschlag nicht zu. Im Dritten Reich war die Bahn
noch gewinnbringend, da rüstungsbedingt ein erhöhter Transportbedarf erforderlich war. Der
Gewinn der Deutschen Reichsbahn betrug im Jahr 1937 noch 415 Millionen Reichsmark.
Nach Kriegsende nahm das Güterverkehrsvolumen stetig zu. Die Bahn war bis zum Jahr
1949/1950, bedingt durch die Kriegsschäden, nicht in der Lage, ausreichende Transportmög-
lichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die Transportunternehmer wurden hinsichtlich der Erhö-
hungen der Mineralölsteuer im Vergleich zu den Pkw-Besitzern verschont, um die dringend
benötigten Transporte nicht zu behindern. 1949 wurde den Transporteuren die größte steu-
erliche Begünstigung zugesagt: 50 Prozent der Anschaffungskosten für einen Lastwagen
konnten im Jahr der Anschaffung abgeschrieben werden, was zu einer erheblichen Steu-
erersparnis im gleichen Jahr führte. Viele Unternehmer investierten in ihren Fuhrpark, da
man eher bereit war, das Geld in das Anlagevermögen des Unternehmens zu investieren,
als es dem Finanzamt abzuliefern.
Verkehrsminister Dr.-Ing. Hans-Christoph Seebohm war ein Flüchtling aus dem Sudenten-
land, Bergbauingenieur und siedelte sich wie viele seiner Verwandten in Niedersachsen an.
Die Transporteure dachten in Seebohm einen Verbündeten gefunden zu haben.535 In einer
seiner ersten Reden als Verkehrsminister verkündete er: „Für uns Bergleute und besonders
uns Bergassessoren sind ja die Transportprobleme und die Bewegung großer Massen auch
Hauptprobleme. Und außerordentlich zeigen wir Bergleute, dass wir da, wo wir hingestellt
werden, nicht Laien sind, sondern uns ein Urteil bilden.“536 Seebohm konnte sich weder ge-
gen den Bundesminister für den Wohnungsbau, Eberhard Wildermuth, den Bundesfinanzmi-
nister, Fritz Schäffer, noch den Bundesminister für Wirtschaft, Ludwig Wilhelm Erhard,
534 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 41/1957 vom 09.10.1957. Lastwagenverordnung - Der kluge Herr Seebohm. S. 27.
535 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 13/1955 vom 23.03.1955. Seebohm-Gesetze. Das verlorene Monopol. S. 13.
536 Ebenda S. 13.
183
durchsetzen, um Haushaltmittel für seinen Ressortbereich, den Verkehrsbereich, zu bekom-
men.
Nachstehend eine Darstellung über die Höhe der Bugetmittel für den Wohnungs- und Stra-
ßenbau in den Jahren 1950 bis 1954 in Millionen DM.537
538
Abb. 9: Ungleiche Verteilung der Haushaltsmittel des Bundes in Deutschland
Die Kostenstrukturen der Bahn und jene der Güterbeförderer auf der Straße waren gänzlich
verschieden. Die Bahn verzichtete jährlich auf 290 Millionen DM Gewinn, da verbilligte Prei-
se sowohl im Personen- als auch Güterverkehr zugestanden wurden. Nicht gewinnbringende
Nebenstrecken kosteten der Bahn jährlich 180 Millionen DM. Außerdem waren jährlich 130
Millionen DM Renten an ostvertriebene Eisenbahner zu zahlen. Die Bahn musste für die
Witwen gefallener Bahnbeamter, für Kriegsversehrte und für in der Ostzone entlassene Ei-
senbahner, die in Westberlin angesiedelt waren, jährlich 120 Millionen DM aufwenden.
Dadurch war eine Wettbewerbsverzerrung der Bahn gegenüber den Transporteuren auf der
184
Straße gegeben. Die Fabriken reizten den Werksverkehr immer mehr aus. Vorteil des
Werksverkehrs war, dass es hierbei keine Tarifbindung gab und im Vergleich zum Fernver-
kehr auch keine Konzessionspflicht der Unternehmen bestand. Der Lastwagenstand der
Transporteure zählte im Jahr 1948 259.333 und im Jahr 1954 bereits 470.000 Lastwagen.539
Der Transport verlegte sich zunehmend auf die Straße, wie nachstehender Abbildung zu
entnehmen ist.
540
Abb. 10: Die Entwicklung der Beförderungsleistung im Zeitraum 1951 bis 1954
Das jährlich steigende Defizit der Bahn (1952 waren es 30 Millionen DM und im Jahr 1953
486 Millionen DM) sowie eine jährliche Unfallbilanz von ca. 10.000 Toten im Straßenverkehr
war ausschlaggebend, dass Kabinettschef Dr. Konrad Adenauer mit der Arbeit von Dr.-Ing.
Seebohm nicht zufrieden war. Im Vergleich dazu konnte Wohnungsbauminister Eberhard
Wildermuth auf ein Rekordergebnis in der Errichtung von Wohnbauten in Europa verweisen.
Auch Wirtschaftsminister Ludwig Erhard und Finanzminister Fritz Schäffer konnten in der
ersten Regierungsperiode nach dem Zweiten Weltkrieg Erfolge aufweisen.541
1955 führte Seebohm trotz Widerstandes der CDU/CSU-Abgeordneten die Werkverkehrsab-
gabe ein. Dadurch erwartete er sich eine Verlagerung des Transportes hin zur Bahn. Die
gewerblichen Transporteure mussten für jedes Fahrzeug mit mehr als 7,5 Tonnen Gesamt-
gewicht eine Konzession bei der Behörde beantragen. Seebohm beschränkte 1952 die An-
539 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 13/1955 vom 23.03.1955. Seebohm-Gesetze. Das verlorene Monopol. S. 12 f.
540 Abbildung entnommen von ebenda. S 12.
541 Ebenda S. 12.
185
zahl der zu vergebenden Konzessionen an die Transporteure mit 12.000 und erhoffte sich so
eine Verlagerung des Transportes von der Straße zur Bahn.
Die Transporteure verwendeten vermehrt kleinere Fahrzeuge – für welche keine Konzessi-
onspflicht bestand. Außerdem wurden die Fahrzeuge technisch immer ausgereifter. Stärkere
Motoren mit niedrigerem Treibstoffverbrauch, leichter schaltbare Getriebe und verbesserte
Bremssysteme ließen größere Serviceintervalle bei den Fahrzeugen zu. Fazit war, dass die
Betriebskosten der Fahrzeuge sanken. Die Fahrleistung je Fahrzeug und Fahrer stieg, was
zu einer geringeren Fixkostenbelastung pro Kilometer, jedoch zu einer steigenden Produkti-
vität je Beschäftigtem führte. Die Einführung der Werkverkehrsabgabe führte lediglich zu
einer Verlagerung des Werksverkehrs hin zum gewerblichen Güterverkehr. Ausschlagge-
bend dafür war die Nachfrageentwicklung nach Gütern, da die Unternehmen eine geringere
Lagerhaltung hatten, dazu kamen die technischen Neuerungen der Nutzfahrzeuge. Diesen
geänderten Bedingungen konnte sich der Lastwagen besser anpassen als die Bahn. So führ-
te auch die Einführung der Werkverkehrsabgabe nicht zum gewünschten Erfolg von See-
bohm.542
Dr.-Ing. Seebohm erließ am 21. März 1956 die „Verordnung zur Änderung der Straßenver-
kehrszulassungsordnung und der Straßenverkehrsordnung“ und brach damit sein Verspre-
chen vom 3. November 1952 gegenüber den Fuhrwerksunternehmern, dass es für sie in
Zukunft keine gravierenden Änderungen geben werde. Die Lastwagenzüge durften künftig
eine Länge von 14 Metern (bisher 20 Meter) und ein maximales Gesamtgewicht von 24 Ton-
nen (bisher 40 Tonnen) nicht überschreiten. Als Frist für die Umstellung wurde der 1. Juli
1960 vorgegeben.543 Auch sollte das Verhältnis Zugwagen zu Anhänger eins zu eins sein.
Damit waren die vorerst von Seebohm propagierten Dreiachsanhänger wieder wertlos. Die
Bestimmung über die Anhänger sollte bereits ab dem 1. Mai 1957 gelten. Dem Westberliner
Senator für Verkehr, Otto Karl Theuner, war es zu verdanken, dass die Änderung in Bezug
auf das Verhältnis Zugwagen zu Anhänger gestrichen wurde.544
Seebohms Verordnung erfasste dennoch 19.000 überschwere Lastwagen und 50.000
schwere Lastwagenzüge, die ebenfalls nicht den neuen Vorschriften entsprachen.545
Die bayrischen Fernverkehrsunternehmer wollten Verkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm an-
lässlich eines Besuches des Kraftwerkes Jochenstein in der Nähe von Passau, am 21. Juli
1956, durch eine Lastwagen-Demonstration in Passau empfangen. Seebohm bevorzugte für
seine Reisen, laut bayrischer Fuhrleute, die Deutsche Bundesbahn. Vorgesehen war, dass
Seebohm im Hotel Passauer Wolf sein Mittagessen einnehmen würde. Währenddessen soll-
ten am Hotel schwere Fernlaster, geschmückt mit Anti-Seebohm-Plakaten, vorbeifahren. Die
542 Vgl. KOPPER Christopher / TRISCHLER Helmuth / DIENEL Hans-Liudger (2007), Die Bahn im Wirtschaftswunder. Deutsche Bundesbahn und
Verkehrspolitik in der Nachkriegsgesellschaft. Deutsches Museum, Beiträge zur Historischen Verkehrsforschung. Band 9, Frankfurt / New York 2007. S. 216.
543 Vgl. ZEITONLINE Nr. 43/1961 vom 20.10.1961. Minister Seebohm antwortet nicht. Abzurufen unter: http://www.zeit.de/1961/43/Minister-Seebohm-
antwortet-nicht. Abgerufen am 30.10.2010.
544 Ebenda.
545 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 41/1957 vom 09.10.1957. Lastwagenverordnung – Der kluge Herr Seebohm. S. 27.
186
Demonstration war auch von der Stadt genehmigt worden. Doch einige Tage vor seinem
Besuch in Passau erfuhr Seebohm von der geplanten Demonstration und änderte daraufhin
seine Anfahrtsroute, um den aufgebrachten Fuhrwerksunternehmern zu entgehen.546
Die Automobilindustrie, die Reifenfabriken, aber auch die obersten Verantwortlichen des
Straßenverkehrgewerbes gaben sich im Herbst 1957 größte Mühe, dass Dr.-Ing. Hans-
Christoph Seebohm nicht mehr Verkehrsminister wurde. Die Phoenix-Gummiwerke AG pro-
klamierte in ihrer Werkzeitschrift, dass Deutschland einen anderen Verkehrsminister benö-
tigt. Dr.-Ing. Seebohm bezichtigte darauf Otto Andreas Friedrich, den Generaldirektor der
Phoenix-Gummiwerke, Einfluss auf die Wahlentscheidung der 7000 Mitarbeiter der Phoenix-
Gummiwerke AG zu nehmen. Dr.-Ing. Seebohm sah überall Gegner, welche ihm den Minis-
tersessel entreißen wollten. Dr. Konrad Adenauer führte mit dem Präsidenten der Zentralar-
beitsgemeinschaft des Straßengüterverkehrsgewerbes, Georg Geiger, der auch Fuhrunter-
nehmer war, und Max Thonnissen, dem Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie,
ein Gespräch über die Absetzung von Seebohm, das nicht erfolgversprechend war.
Seebohm wollte die schweren Fahrzeuge, die zur Schädigung der Straßendecken von Auto-
bahnen und Bundesstraßen beitrugen, aus dem Verkehr ziehen. Davon waren 50.000
Schwerfahrzeuge erfasst, die nicht den Bestimmungen der künftigen Verordnung entspra-
chen. Kein Fuhrunternehmer wollte mehr Fahrzeuge mit den alten Maßen bestellen, was zu
einem Umsatzrückgang der Nutzfahrzeughersteller im Inland führte.
Seebohms Misserfolg trug dazu bei, dass es in Bonn als ausgemachte Sache schien, See-
bohm nicht mehr in die nachfolgende Bundesregierung aufzunehmen. Adenauer konnte auf
Seebohm jedoch nicht verzichten, da er Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaf-
ten war und Adenauer um die Stimmen der Vertriebenen fürchtete, sollte Seebohm nicht
mehr in der Bundesregierung sein. Dr. Adenauer benötigte für die verfassungsändernde
Zweidrittelmehrheit im Bundestag und für die Pariser Verträge dazu die Stimmen der fünf-
zehn Abgeordneten der Deutschen Partei (DP)547, was ohne Seebohm nicht möglich war.548
Einen Tag nach der Bundestagswahl gab Seebohm nach und versicherte Thonnissen und
Geiger, die Lastwagen-Verordnung zu lockern, bevor sie in Kraft trat. Eine Zusatzvereinba-
rung sah vor, dass alle schweren und überschweren Lastwagen, die am 1. Jänner 1960 auf
den Geländen der Fabriken standen, auch nach diesem Tag noch zum Verkehr zugelassen
werden konnten. Für Verkehrsminister Seebohm waren diese Zugeständnisse eine schwere
Niederlage.549
546 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 26/1956 vom 27.06.1956. Seebohm – Passau feindfrei. S. 13.
547 Anm.: Seebohm war Mitglied der rechtsgerichteten Deutschen Partei. Vgl. dazu ebenda. S.13.
548 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 13/1955 vom 23.03.1955. Seebohm-Gesetze. Das verlorene Monopol. S. 15.
549 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 41/1957 vom 09.10.1957. Lastwagenverordnung – Der kluge Herr Seebohm. S. 27.
187
Aufgrund der Niederlage war Seebohm dem Kraftverkehrsgewerbe nicht gut gesinnt.550 Er
versuchte künftig, die Bahn zu unterstützen und das Kraftverkehrsgewerbe stärker zu belas-
ten.551
Die Nutzfahrzeughersteller mussten, um die gesetzlichen Forderungen zu erfüllen, erhebli-
che Forschungs- und Entwicklungskosten für neue Typen aufwenden. Haubenfahrzeuge
konnten im Fernverkehr nicht mehr zum Einsatz gelangen, da sonst die Längenvorschriften
überschritten worden wären. Die Fahrzeuge mussten in Leichtbauweise ausgeführt werden,
da das Gesamtgewicht mit Beladung ansonsten überschritten worden wäre. Andererseits
mussten die Fahrzeuge jedoch den alltäglichen Anforderungen entsprechen, was wiederum
eine stabile Bauweise erforderte. Diese finanziellen Belastungen im Forschungs- und Ent-
wicklungsbereich neuer Typen führten dazu, dass einige Nutzfahrzeugfirmen die Produktion
einstellten oder von anderen Herstellern übernommen wurden.552
Ein Entwurf für ein internationales Übereinkommen der EWG-Staaten sollte im Frühjahr 1960
erstellt werden. Es war geplant, die Lastwagenzuglänge mit 18 Metern zu begrenzen. Das
Gesamtgewicht sollte 32 Tonnen bei einer 10-Tonnen-Antriebsachse nicht überschreiten.
Seebohm kündigte seinen Rücktritt an, sollte eine Länge von 18 Metern anerkannt werden.
Er stimmte dem Gesamtgewicht von 32 Tonnen und einer Gesamtlänge von vorerst 15,5
Metern zu, dann der Ansicht der CDU/CSU und des Verteidigungsministers Franz-Josef
Strauß einer Länge von 16 Metern – und schließlich, im Zuge internationaler Gespräche,
einer Gesamtlänge von maximal 16,5 Metern. Trotz allem kam es zu keiner internationalen
Einigung, es wurde nur eine Empfehlung ausgesprochen.
1960 wurde im Deutschen Bundestag die Neuregelung der Lastwagenmaße und -gewichte
beschlossen, ohne eine gesamteuropäische Einigung zu erreichen. So gab es in Frankreich
andere Lastzuggesamtlängen als in Deutschland. Die Gesamtlänge in Deutschland lag bei
16,5 Metern – in Frankreich jedoch bei 18 Metern. Auch die Mindestmotorleistung wurde
erhöht, und pro Tonne Gesamtgewicht wurden sechs PS gefordert. Nunmehr mussten die
Nutzfahrzeughersteller ihre Produktionen – zumindest für den deutschen Binnenmarkt – auf
Grundlage der neuen Verordnung ausrichten.
Die Vorschriften in Deutschland wurden mittels einer neuen Verordnung vom 7. Juli 1960
etwas gelockert. Der Lastwagenzug, also Fahrzeug und Hänger, durften eine Gesamtlänge
von 16,5 Metern bei einem Gesamtgewicht von bis zu 32 Tonnen aufweisen – und zwar im
Verhältnis 1:1 –, also einen Zugwagen von maximal 16 Tonnen mit einem Anhänger von
ebenfalls 16 Tonnen. Außerdem wurde pro Tonne Gesamtgewicht eine Motorleistung von
sechs PS gefordert. Ein Lastwagenzug mit einem Gesamtgewicht von 32 Tonnen musste
demnach eine Motorleistung von 192 PS aufweisen. Lastwagen mit geringerer Motorleistung
– und das betraf die meisten – mussten bis zum 1. April 1963 umgebaut oder verschrottet
550 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 44/1964 vom 28.10.1964. Seebohm: Einfach mitgegangen. S. 31.
551 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 13/1955 vom 23.03.1955. Seebohm-Gesetze. Das verlorene Monopol. S. 12.
552 Vgl. REGENBERG Bernd (1992), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 5.
188
werden. Eine Ausnahmebewilligung bekam Saarland – mit einer Frist bis zum 31. Juli
1966.553
Auf der IAA 1961 boten die Nutzfahrzeughersteller bereits neue Typen von 16-Tonnen-
Fahrzeugen an. Die Motorleistung überstieg jedoch das geforderte Maß, so boten Magirus,
Krupp und Mercedes-Benz bereits Nutzfahrzeuge mit 200 PS und M.A.N. sogar mit 210 PS
starken Motoren an. Nur die Hersteller Büssing, Kaelble und Henschel stellten Fahrzeuge mit
192 PS starken Motoren vor. Neben den Forderungen der Bundesregierung mussten auch
die speziellen Kundenwünsche berücksichtigt werden. Die Nutzfahrzeughersteller in
Deutschland waren auf die Herstellung von schweren Typen spezialisiert. Sie wollten den
Kunden aber auch – bedingt durch die gesetzlichen Bestimmungen – eine umfassende Pa-
lette an Fahrzeugtypen in Leichtbauweise anbieten. Um dies zu gewährleisten, schlossen die
deutschen Nutzfahrzeughersteller Kooperationen mit Partnern außerhalb und innerhalb
Deutschlands ab. So gingen M.A.N. mit Saviem, Büssing mit OM, Henschel mit dem briti-
schen Nutzfahrzeughersteller Commer und Hanomag mit Henschel Partnerschaften ein, um
den Kunden eine umfassende Palette an Nutzfahrzeugen anbieten zu können.
Bundesverkehrsminister Georg Leber teilte im Jahr 1967 mit, dass an die Einführung einer
Beförderungssteuer gedacht werde. Für Lastwagen im Werksverkehr und mit einer Nutzlast
von mehr als sechs Tonnen sollte eine Steuer von fünf Pfennig pro gefahrenem Kilometer
eingehoben werden. Diese geplante Änderung führte zu einem drastischen Rückgang bei
den Neubestellungen von Nutzfahrzeugen. Die Gesamtproduktion der deutschen Nutzfahr-
zeugindustrie ergab gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 17,2 Prozent. Der Automobilher-
steller Krupp, welcher vorwiegend schwere Lastwagen produzierte, hatte einen Produktions-
rückgang von 34 Prozent zu verzeichnen, bei Henschel waren es 26,2 Prozent. Diese Situa-
tion war ausschlaggebend für Zusammenschlüsse unter den deutschen Automobilherstel-
lern. 1968 zog sich Krupp aus der Fahrzeugfertigung zurück. 1969 kam es zur Partnerschaft
zwischen Daimler-Benz, Hanomag und Henschel. Zwischen M.A.N. und Büssing gab es be-
reits eine Kooperation. Lediglich Magirus-Deutz blieb bis zum Jahr 1975 ohne Partner.
Die von Georg Leber verkündete Straßenverkehrsnovelle wurde mit 1. Jänner 1969 mit eini-
gen Befreiungen und Ermäßigungen eingeführt. Eine Straßengüterverkehrssteuer wurde
eingeführt. Georg Leber beabsichtigte, den Großteil der Beförderung von der Straße auf die
Bahn umzulenken. Die Nutzfahrzeugindustrie stellte sich auf die Änderungen ein. Sie entwi-
ckelte Container, Wechselaufbauten und Spezialauflieger, die für die Umladevorgänge von
den Fahrzeugen auf die Bahn und umgekehrt benötigt wurden.
Es zeigte sich jedoch, dass nicht der gesamte Güterfernverkehr auf die Schiene verlegt wer-
den konnte. Der Lastwagen blieb daher bis heute wegen der großen Flexibilität im Straßen-
güterverkehr von besonderer Wichtigkeit.554
553 Vgl. ZEITONLINE Nr. 43 vom 20.10.1961. Minister Seebohm antwortet nicht. Abzurufen unter: http://www.zeit.de/1961/43/Minister-Seebohm-antwortet-
nicht. Abgerufen am 30.10.2010.
189
a) Magirus-Deutz
Die Konstruktion der Ulmer Leiter, einer einfachen Feuerwehrleiter, war im Jahre 1873 Con-
rad Dietrich Magirus’ Grundsteinlegung für sein aufstrebendes und innovatives Unterneh-
men.
Conrad Dietrich Magirus wurde am 26. September 1824 in Ulm als Sohn eines Kolonial- und
Manufakturwarenhändlers geboren. Nach Abschluss der Grundschule begann Magirus eine
Lehre als Tuchmacher, übersiedelte kurze Zeit später nach Neapel, um im Exportunterneh-
men seines Schwagers im kaufmännischen Bereich tätig zu sein. 1846 kehrte Magirus wie-
der in den elterlichen Betrieb nach Deutschland zurück.
Der Turnverein kümmerte sich zur damaligen Zeit auch um den Brandschutz der Stadt. Ma-
girus trat dem Turnverein als Mitglied bei und konnte so seine Leidenschaft für die Feuer-
wehr ausleben. Einige Zeit später wurde er Kommandant der Ulmer Feuerwehr und hatte
dieses Amt auch 33 Jahre inne.555
Magirus’ Vater übergab das Geschäft in Ulm im Jahr 1850 an seinen Sohn Conrad Dietrich.
Pauline Egelhaaf, Conrad Dietrich Magirus’ Gattin, führte das Gemischtwarengeschäft, so-
dass sich Magirus gänzlich dem Feuerwehrbereich und seinen Erfindungen widmen konnte.
Am 13. Jänner 1864 beteiligte sich Magirus als Kommanditist mit 100.000 Gulden am Unter-
nehmen der Firma Eberhardt, einer Schmiedewerkstatt, die Arbeiten nach Konstruktionen
von Magirus anfertigte. Magirus bezeichnete daher auch das Jahr 1864 oft als sein Grün-
dungsjahr, da erstmals Feuerwehrartikel nach seinen Entwürfen angefertigt wurden.556 Magi-
rus war nicht der Kaufmann, den sich die Brüder Eberhardt vorgestellt hatten, denn er wid-
mete sich vornehmlich seinen neuen Projekten und Entwicklungen. Für diese Entwicklungen
waren Investitionen erforderlich, wobei nicht vorausgesagt werden konnte, ob dies zum Er-
folg führen würde. Das Verhalten von Magirus führte zu Unstimmigkeiten zwischen den Brü-
dern Eberhardt und Magirus, und schließlich schied Magirus aus dem Unternehmen aus.557
Am 10. März 1866 gründete Magirus in Ulm ein Unternehmen mit dem Firmenwortlaut Feu-
erwehr-Requisiten-Fabrik C. D. Magirus, die sämtliche zur Brandschutzbekämpfung notwen-
digen Artikel herstellte. Die Fertigung musste vorerst noch in Fremdfirmen erfolgen. 1873
stellte Magirus eine freistehende, fahrbare 14 Meter hohe Leiter, die besagte Ulmer Leiter,
vor. Neben den Leitern wurden aber auch Saug- und Spritzpumpen gefertigt. Die Pumpen
waren auf einen zweiachsigen Wagen montiert. In der Minute konnten 400 Liter Wasser be-
fördert werden, bei einem Wasserstrahl von bis zu 35 Metern. Bedient wurde die Pumpe von
554 Vgl. REGENBERG Bernd (1992), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 6 f.
555 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus, Düsseldorf-Wien-New York 1989. S. 53.
556 Ebenda S. 58.
557 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917, Stuttgart. S. 14.
190
18 Männern. Der Großteil der Produktion umfasste einfache Produkte wie Helme, Abzei-
chen, Seil- und Gurthaken, Pickel, Sprungtücher usw.558
Magirus war unermüdlich im Feuerwehrlöschwesen tätig. Er publizierte Zeitschriften und
Aufsätze. So brachte er im Selbstverlag im Jahr 1877 die Zeitschrift „Das Feuerlöschwesen
in allen seinen Theilen“ heraus.
Um neben den Feuerwehren auch andere Kundenkreise zu erschließen, wurden die Leitern
auch für den militärischen Einsatz angeboten.559
Seit dem Jahr 1883 war der älteste Sohn von Magirus, Heinrich, Gesellschafter des Unter-
nehmens. Die beiden anderen Söhne, Otto und Hermann, waren ebenso im Unternehmen
tätig. Am 16. August 1887 wurde das gesamte Unternehmen Feuerwehr-Requisiten-Fabrik
C. D. Magirus an die drei Söhne übertragen. Im Außenverhältnis vertrat Heinrich das Unter-
nehmen. Otto war der technische Leiter und Hermann hatte den gesamten kaufmännischen
Bereich über.
Im Jahre 1892 beschäftigte das Unternehmen bereits 228 Mitarbeiter, wobei auf eine gute
Lehrlingsausbildung besonderes Augenmerk gelegt wurde. Die tägliche Arbeitszeit eines
Gesellen betrug 14 Stunden (Arbeitsbeginn war vier Uhr morgens, Arbeitsende um 18 Uhr).
Eine Fabriksordnung reduzierte die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden und die wöchentliche
auf 60 Stunden.560 Das bestehende Werksgelände in Ulm (Schillerstrasse) wurde durch Zu-
kauf von Grundflächen auf 33.270 m2 vergrößert.561
Das Unternehmen präsentierte stolz auf dem 14. Deutschen Feuerwehrtag in München, vom
21. bis 27. Juli 1893, eine Petroleum-Motor-Spritze. Durch den Einsatz der Spritze konnte
die Personenzahl bei Löscharbeiten reduziert werden. Dampfmaschinen und Verbren-
nungsmotoren dienten in den Anfangsjahren zum Antrieb von Pumpen.
Als Gottlieb Daimler und Carl Benz im Jahr 1896 unabhängig voneinander die ersten Last-
wagen präsentierten, machte die Entwicklung am Automobilsektor große Fortschritte. Die
Süddeutsche Automobilfabrik in Gaggenau wurde von Daimler speziell für die Herstellung
von Nutzfahrzeugen gegründet. Heinrich Büssing präsentierte 1903 sein erstes Nutzfahr-
zeug. Im Jahr 1892 entwickelte Wilhelm Maybach einen Vergaser, der den Kraftstoff über
Düsen abgab. Rudolf Diesel meldete sein Patent für den Verbrennungsmotor ohne Zündker-
zen an, und Robert Bosch erfand im Jahr 1897 die Magnetzündung.562
Die Gulaschkanone wurde von Magirus um die Jahrhundertwende erfunden und kam im Kai-
sermanöver von 1908 bei St. Avold in Lothringen mit zwei Brigaden und rund 50 Feldküchen
558 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 63.
559 Ebenda S. 70.
560 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 15.
561 Vgl. ULMER TAGBLATT 1939, Nr. 140, S. 5. Ereignisse in Ulm auf Grundlage der Ulmer Tageszeitungen (in Auswahl) vom 16.06.1939, Thema: Magi-
ruswerke, Klöckner-Humboldt-Deutz-AG., Betriebsfeier anläßlich des 75-jährigen Bestehens. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik 1925 – 1949. G 4, S. 328.
Abgerufen von: www.stadtarchiv.ulm.de. am 07.07.2013.
562 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 70.
191
zum Einsatz. Es kam in den Folgejahren zu einer starken Expansion der Unternehmung. Die
Unternehmung wurde deshalb am 8. Juli 1911 von der Offenen Handelsgesellschaft in eine
Aktiengesellschaft mit dem Firmenwortlaut C. D. Magirus AG umgegründet und mit einem
Grundkapital von 1,5 Millionen Mark ausgestattet. Die Herren Heinrich, Hermann und Otto
saßen im Aufsichtsrat des Unternehmens. Im Jahr 1913 wurde das Kapital um weitere
500.000 Mark aufgestockt.563 Das Werk II in Söflingen, einer Vorstadt von Ulm, wurde auf
einer 50.863 m2, das Werk in Berlin auf einer 16.000 m2 großen Grundfläche errichtet.564
1914 gab es in Deutschland fast 30 Lastwagenhersteller wie Adler, Benz, Büssing, Daimler
oder Opel. Die Unternehmen Henschel, Krupp, Magirus und MAN waren zu dieser Zeit noch
nicht im Lastwagenbereich tätig.565
Während des Ersten Weltkrieges baute Magirus zwei Artillerie-Zugmaschinen zum Ziehen
der Feldkanone 13.566 Als der Erste Weltkrieg zu Ende war, musste eine Neuorientierung der
Produktion vorgenommen werden. In der Zeit von 1919 bis 1923 übernahm Magirus Produk-
tionsaufträge von den Eisenbahnverwaltungen zur Herstellung von Güterwaggons. Das Un-
ternehmen produzierte monatlich 30 Waggons. Als die Eisenbahnverwaltungen mit der Be-
zahlung aufgrund der Inflation Probleme machten, wurde die Produktion eingestellt.567
Um den Einsatz von Automobilien zu forcieren, gewährte Kaiser Wilhelm den Fuhrunterneh-
mern für den Kauf eines Lastkraftwagens Subventionen. Magirus begann neben der Produk-
tion von Feuerwehrspritzen und Gulaschkanonen mit der Konstruktion und dem Bau von
Eintonner-Lastkraftwagen. Verantwortlich für die Konstruktion war Dipl.-Ing. Heinrich Busch-
mann, welcher die Konstruktionsabteilung bei Magirus aufbaute und über Jahre hindurch
erfolgreich leitete.568
Das Unternehmen M.A.N. begann ebenfalls mit der Produktion von Lastkraftwagen, jedoch
nach Lizenz vom Schweizer Nutzfahrzeughersteller Saurer in Arbon. Magirus und die Vogt-
ländische Maschinenfabrik (Vomag) entwickelten und bauten die Fahrzeuge selbst. Vor al-
lem die Präzisionsarbeiten, welche bei der Produktion von Feldküchen und Fuhrwerken nicht
unbedingt notwendig waren, sowie fehlende Werkzeugmaschinen machten die Herstellung
der Fahrzeugteile nicht gerade leicht. Entsprechende Fertigungsabteilungen, zum Beispiel
eine Aluminiumgießerei, wurden eingerichtet.
Magirus fertigte auch Omnibusse und übergab den ersten Omnibus am 25. Oktober 1919 an
den Mühlenbetreiber Georg Frey in Auendorf bei Göppingen. Der Aufbau des Omnibusses
wurde von Otto Kässbohrer konstruiert. Im Fahrzeugverkauf hatte das Unternehmen Magirus
192
keine Erfahrung. Die Verkäufer von Magirus lernten sehr schnell und wiesen bald erste Er-
folge auf. Trotz Widerstands der kaufmännischen Leitung schloss sich das Unternehmen
dem Reichsverband der Automobilindustrie569 an.570
Am 22. Oktober 1919 wurde in Leipzig der Deutsche Automobil-Konzern (DAK) mit einem
Stammkapital von 300.000 Mark gegründet. Dem Konzern gehörten die C. D. Magirus AG,
die Dux-Automobilwerke in Leipzig, die Presto-Werke in Chemnitz sowie die Vogtländische
Maschinenfabrik (Vomag) in Plauen an. Der DAK sollte dazu dienen, eine gemeinsame Linie
für alle Mitglieder im Absatzbereich und der Angebotspalette zu finden. Nach sieben Jahren
kam es zum Bruch, da Magirus und Vomag keine Einigung über die Aufteilung ihrer Ange-
botspalette fanden.
Durch das Einfuhrverbot ausländischer Fahrzeuge, welches nach dem Ersten Weltkrieg ein-
geführt wurde, konnten sich die inländischen Fahrzeughersteller vor Konkurrenz absichern.
Die Fahrzeugproduzenten durften jedoch Fahrzeuge ohne Beschränkung in das Ausland
exportieren.571
Im Lastwagenwerk Magirus herrschte völlige Betroffenheit, als ein Ersatzteil von einem Kun-
den angefordert wurde, denn ein Magirus-Fahrzeug durfte nicht kaputtgehen. Daraufhin wur-
de im Unternehmen eine Ersatzteilabteilung eingerichtet – und den verkauften Fahrzeugen
wurden sogenannte Behandlungsvorschriften für Magirus-Fahrzeuge beigelegt.572
Magirus wiegte sich in dem Glauben, dass Forschung und Entwicklung im bisherigen Aus-
maß nicht mehr notwendig wären. Denn im Jahr 1922 wurde die Modellpalette durch einen
Eintonner erweitert, und das Einfuhrverbot würde sowieso den Absatz sichern. Deshalb wur-
de die Konstruktionsabteilung bei Magirus aufgelöst. Konstrukteur Buschmann ging als Leh-
rer nach Esslingen an die Staatliche Ingenieurschule.573 Im Jahr 1922 eröffnete Magirus in
Stuttgart auf einem 8.500 m2 großen Areal ein Lastwagenwerk.574
In den 30er-Jahren befand sich die europäische Wirtschaft in einer großen Krise. Das Geld
war knapp, was negative Auswirkungen auf die Automobilindustrie hatte. Die Importbestim-
mungen wurden gelockert, jedoch die Exportbeschränkungen blieben aufrecht. Auch im
Feuerwehrbereich kam es zu einem Einbruch, sodass den Feuerwehren mangels finanzieller
Mittel nur eine Anschaffung der notwendigsten Artikel und Fahrzeuge möglich war. Auch der
569 Die Interessensvertretung deutscher Automobilhersteller und -zulieferer wurde im Jahr 1901 als Verein unter den Namen Verein Deutscher
Motorfahrzeug-Industrieller gegründet. 1923 wurde die Bezeichnung des Vereines in Reichsverband der Automobilindustrie geändert. Seit dem Jahr 1946
wird der Verein unter der Bezeichnung Verband der Automobilindustrie (VDI) geführt. Sitz des Verbandes ist Berlin. Vgl. dazu:
http://de.cyclopaedia.net/wiki/Reichsverband-der-Automobilindustrie. Abgerufen am 25.08.2013.
570 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 17 - 24.
571 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 83.
572 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 25.
573 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 95.
574 Vgl. ULMER TAGBLATT 1939, Nr. 140, S. 5. Ereignisse in Ulm auf Grundlage der Ulmer Tageszeitungen (in Auswahl) vom 16.06.1939, Thema: Magi-
ruswerke, Klöckner-Humboldt-Deutz-AG., Betriebsfeier anläßlich des 75-jährigen Bestehens. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik 1925 – 1949. G 4, S. 328.
Abgerufen von: www.stadtarchiv.ulm.de. am 07.07.2013.
193
Generationswechsel im Hause Magirus – General Adolf von Magirus leitete die Geschäfte
nach dem Tod seines Vaters Hermann Magirus – führte zu keiner Besserung der wirtschaftli-
chen Situation.575
In den Jahren 1925 bis 1933 brachen die Umsatzzahlen im Unternehmen ein, und die finan-
zielle Situation verschlechterte sich zunehmend. Im Unternehmen waren im Jahr 1933 720
Mitarbeiter – verglichen mit dem Jahr 1924 3500 Mitarbeiter – beschäftigt. Ausschlaggebend
für den Rückgang der Umsätze waren wesentliche Punkte:
575 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 95.
576 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 38 ff.
194
Die Banken forderten eine Zerschlagung des Unternehmens, was jedoch verhindert werden
konnte.577 Mit dem Wechsel der Regierung in Berlin im Jahr 1933 begann der wirtschaftliche
Aufschwung. Durch die Senkung der Kraftfahrzeugsteuern wurde versucht, die Automobilin-
dustrie anzukurbeln. Von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)
wurden Aufträge für die Herstellung des Hilfszuges Bayern sowie des Reichszuges Deutsch-
land übermittelt. Beide Züge dienten Propagandazwecken der neuen Regierung. Der Hilfs-
zug Bayern sollte bei Katastropheneinsätzen sowie Massenveranstaltungen für Rettungs-
und Pflegearbeiten herangezogen werden. Der Reichszug war als Montage- und Transport-
wagen sowie Übertragungs- und Wiedergabewagen für Film und Ton gedacht.578
Die Magirus-Fahrzeuge trugen ursprünglich nachstehendes Logo:
579
Logo 13: Magirus-Fahrzeuge
Copyright von Magirus (nunmehr IVECO)
Der Fabrikant Fritz Kiehn, Präsident der Industrie- und Handelskammer Stuttgart und Leiter
der Wirtschaftskammer für Württemberg/Hohenzollern, wurde von den Banken im Jahr 1934
in den Aufsichtsrat der C. D. Magirus-AG berufen.
Kiehn war Mitglied der NSDAP und Reichstagsabgeordneter. Er verfolgte das Ziel, das Un-
ternehmen gänzlich zu übernehmen und kaufte im Laufe der Jahre immer mehr Aktien der
Gesellschaft.
Der Industrielle Peter Klöckner suchte im Jahr 1935 für die Humboldt-Deutz-Motoren-AG
Köln eine Lastwagenfirma, in der es möglich war, die Forschung und Entwicklung in den Be-
reichen Motorenbau und Fahrzeugbau zu vereinen.580 Im September 1935 wurde zwischen
der C. D. Magirus-AG und der Humboldt-Deutz-Motoren-AG ein fünfzigjähriger Interessens-
gemeinschaftsvertrag, jedoch unter Bewahrung der Eigenständigkeit beider Unternehmen
577 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 104.
578 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 52.
579 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.oldiveco.de/images/hist_magirus_logo_gross.jpg. Abgerufen am 25.08.2013.
580 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 100.
195
geschlossen.581 Differenzen zwischen Kiehn und den Vorstandsmitgliedern, vor allem mit
Direktor Trefz bei Magirus, führten dazu, dass Kiehn seine Anteile an der Magirus AG an
Klöckner verkaufte.582
Anstelle der Interessensgemeinschaft kam es mit 1. Jänner 1936 zur Fusion zwischen der
Humboldt-Deutz-Motoren AG und der C. D. Magirus-AG. Das Vermögen der C. D. Magirus-
AG wurde ohne Liquidiation auf die Humboldt-Deutz-Motoren AG übertragen. Die C. D. Ma-
girus-AG führte ihre bisherigen Betriebe als Zweigniederlassungen der Humboldt-Deutz-
Motoren-AG unter dem Firmenwortlaut Humboldt-Deutz-Motoren-AG.Magiruswerke weiter.
So entstand auch der Fahrzeugname Magirus-Deutz. Die Fusion sollte sich als zielführend
für beide Unternehmungen erweisen.583
Durch die Fusion mit Deutz war die Zulieferung von Rohstoffen wie Kohle und Stahl gesi-
chert, und Magirus konnte die technischen Vorteile des Motorenbauers nutzen. Das Werk II
wurde nach schwierigen Verhandlungen mit der Stadt Ulm am 2. November 1935 zurückge-
kauft. Die restlichen Liegenschaften wurden am 13. August 1937 ebenfalls zurückgekauft.
Magirus produzierte Nutzfahrzeuge, aber auch Dieselmotoren. Es wurden sechs Baureihen
für den Magirus-Dieselmotor entwickelt, fünf davon gingen in Produktion.584 Im Ulmer Werk
wurde infolge der Fusion mit Deutz die bisherige Motorenfertigung eingestellt und in die neue
Zentrale nach Köln verlegt. 585 Von 1936 bis 1945 baute Scania aufgrund eines Lizenzvertra-
ges den Magirus-Motor S110R und baute diesen in Scania-Fahrzeuge ein. Dieser Motor war
der Vorfahre aller Scania-Dieselmotoren.586
Der erste Frontlenker von Magirus, der M10, wurde im Jahr 1933 vorgestellt. Wahlweise
wurde dieser Lastkraftwagen noch mit den Magirus-Ottomotoren S88 oder mit Dieselmotoren
ausgestattet. Außerdem konnte das Fahrzeug für den unterschiedlichen Gebrauch wahlwei-
se als Pritschenwagen mit Plane, als Kastenwagen oder mit Feuerwehraufbauten, aber auch
für das Militär mit der Gulaschkanone geliefert werden. Auf die Entwicklung wurde zu dieser
Zeit im Ulmer Werk großer Wert gelegt. So wurde im Jahr 1935 ein moderner 6,5-Tonnen-
Frontlenker-Lastkraftwagen mit einem neu konstruierten Motor gebaut.587
Bei der IAA 1936 wurde bereits ein Magirusfahrzeug mit Deutz-Anthrazitgasanlage hinter
dem Fahrerhaus und Unterflurmotor zwischen den Achsen vorgestellt.588 Im Jahr 1937 wur-
581 Vgl. ULMER TAGBLATT 1935, Nr. 220, S. 6. Ereignisse in Ulm auf Grundlage der Ulmer Tageszeitungen (in Auswahl) vom 20.09.1935, Thema: C. D.
Magirus-AG., Humboldt-Deutz-Motoren-AG, Interessensgemeinschaftsvertrag. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik 1925 – 1949. G 4, S. 76. Abgerufen von:
www.stadtarchiv.ulm.de. am 07.07.2013.
582 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 100.
583 Vgl. ULMER TAGBLATT 1936, Nr. 55, S. 5. Ereignisse in Ulm auf Grundlage der Ulmer Tageszeitungen (in Auswahl) vom 05.03.1936, Thema: Hum-
boldt-Deutz-Motoren-AG., C. D. Magirus-AG., Zweigniederlassung. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik 1925 – 1949. G 4, S. 110. Abgerufen von:
www.stadtarchiv.ulm.de. am 07.07.2013.
584 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 55.
585 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 104.
586 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 57.
587 Ebenda S. 57.
588 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 104.
196
den die von Magirus-Deutz produzierten Benzin- und Dieselmotoren durch den wasserge-
kühlten Deutz-Dieselmotor ersetzt.589
Die Produktion wurde in den Jahren nach 1933 kontinuierlich ausgeweitet, wobei 40 Prozent
der Produktion in den Jahren 1936 bis 1939 an die Reichsbehörden geliefert wurden.590
1933 736
1934 1302
1935 2049
1936 2942
1937 3377
1938 4974
1939 5422
591
Tab. 45: Produzierte Kraftfahrzeuge Magirus (ab 1936 Firmenwortlaut Magirus-Deutz) 1933 bis 1939
197
Nachfrage nach den Magirusprodukten. Im Mai 1937 wurden 200, im Mai 1938 490 und im
Mai 1939 600 Lastwagen vom Werk Ulm ausgeliefert.594
Die Nationalsozialisten wollten die Typenvielfalt an Fahrzeugen, die auch bei Magirus-Deutz
vorhanden war, im Hinblick auf den geplanten Krieg einschränken. Für Oberst Adolf von
Schell wurde im Jahr 1938 die Dienststelle des Generalbevollmächtigten für das Kraftfahr-
wesen geschaffen. Insgesamt waren 113 Lastwagen-Typen am Markt. Schell sollte eine Ty-
penbereinigung auf 20 Lastwagen-Typen vornehmen.
Es sollte nur drei Kategorien produzierter Fahrzeuge geben:
594 Vgl. ULMER TAGBLATT 1939, Nr. 140, S. 5. Ereignisse in Ulm auf Grundlage der Ulmer Tageszeitungen (in Auswahl) vom 16.06.1939, Thema: Magi-
ruswerke, Klöckner-Humboldt-Deutz-AG., Betriebsfeier anlässlich des 75-jährigen Bestehens. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik 1925 – 1949. G 4, S. 328.
Abgerufen von: www.stadtarchiv.ulm.de. am 07.07.2013.
595 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 72 ff.
596 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 117 f.
198
Im Zeitraum Feber 1943 bis Kriegsende im Jahr 1945 wurden neben dem 12.520 Stück RSO
auch 800 Sonderanhänger für Flakgeschütze, 1400 Pferdewagen für das Militär, 50.000 Kar-
tuschen, 200 Mini-U-Boote und 300 Flugzeugdüsen hergestellt.597
Schwere Luftangriffe beschädigten August 1944 das Werk II in Söflingen. Am 13. September
1944 wurde das Werk II so schwer beschädigt, sodass die Produktion fast zum Erliegen
kam.598 Im März 1945 wurden drei Hallen und der Holzlagerplatz des Werkes total zerstört.599
Das Werk wurde am 24. April 1945 von amerikanischen Soldaten besetzt.
Im Mai 1945 konnten die Arbeiten in den Werken I und II im kleinen Umfang wieder aufge-
nommen werden.600 500 Arbeiter begannen mit der Reparatur der Fahrzeuge von US-
Streitkräften. Ende 1945 waren bereits 900 Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt. Da die
amerikanischen Dienststellen übereinkamen, dass Magirus-Deutz kein Rüstungsbetrieb war,
konnte die drohende gänzliche Demontage der Maschinen im Jahr 1946 verhindert werden.
Eine gewisse Stückzahl an Maschinen musste im Feber 1948 den Amerikanern übergeben
werden – was den Weiterbetrieb des Unternehmens nicht gefährdete.601
Die nicht fertigen RSO wurden als Schlepper im land- und forstwirtschaftlichen Bereich ein-
gesetzt. Schlepparbeiten im Forst von bis zu 12 Tonnen waren mit den Fahrzeugen mög-
lich.602 Die neuen Lastkraftwagen wurden, da flüssige Kraftstoffe knapp waren, mit Holzgas-
motoren ausgestattet.
Im Jahr 1947 konnte auch der Betrieb in der Lehrwerkstatt wieder aufgenommen werden,
und die ersten fünf Lehrlinge begannen ihre Ausbildung. Das einzig vorhandene Werkzeug in
der Lehrwerkstätte war ein Schraubstock.603
Im Jänner 1948 kontrollierte die interalliierte Kommission, ob keine Rüstungsprodukte bei
Magirus-Deutz gefertigt wurden.604
199
Die größeren Aufträge nach Kriegsende kamen von den Amerikanern, beispielsweise sollten
Winteraufbauten für Jeeps und Doge-Lastwagen gefertigt werden. Es wurden 6000 Jeep-
Aufbauten bestellt, wobei 50 Aufbauten täglich produziert wurden. Der Auftrag war im Mai
1948 beendet. 462 Lastkraftwagen wurden im Jahr 1947 produziert. 1948 waren es 915,
wobei die Tagesproduktion im Jahr 1948 sechs bis acht komplette Lastkraftwagen betrug –
im Vergleich dazu waren es im Jahr 1950 bereits 25 Lastkraftwagen. Im Jahr 1949 wurden
bereits 3032 Lastkraftwagen hergestellt. Und bis Ende 1950 verließen 30 Omnibusse das
Werk.605 1951 wurden 15.000 luftgekühlte Deutz-Dieselmotoren produziert, die in Lastwagen,
Omnibusse und Schlepper eingebaut wurden.606
„Der Magirus-Deutz-Lastwagen S 3500 verkörpert Tradition und Erfahrung zweier Werke,
die, heute vereint, schon vor ihrem Zusammenschluß [sic] führend auf ihren Arbeitsgebieten
waren: der Motorenfabrik Deutz und der Fahrzeugfabrik Magirus“,607 war in der Zeitschrift
„Das Last-Auto“ von 1950 zu lesen.
Die 50er- und 60er-Jahre waren die Zeiten des Transportes, was auch auf den explosionsar-
tigen Anstieg des Tourismus zurückzuführen war. Dieser Entwicklung wurde bei Magirus-
Deutz Rechnung getragen. Exklusiv ausgestattete Omnibusse zählten zur Produktionspalet-
te. Aber auch der internationale Güterfernverkehr wurde vom Aufschwung erfasst. 608 In den
Ulmer Nachrichten wurde im April 1949 mitgeteilt, dass Magirus mit 3600 Mitarbeitern der
größte Industriebetrieb in Ulm sei und eine Vollbeschäftigung für längere Zeit gesichert
sei.609
1949 wurde eine 45 Meter hohe Leiter in die rumänische Hauptstadt Bukarest geliefert. Die
Leiter ist leicht zu bedienen und ein wahres Meisterwerk. Solche Leitern wurden von keinem
anderen Unternehmen auf der Welt hergestellt.610
Im Jahr 1951 fand erstmals nach 13 Jahren wieder die Internationale Automobilausstellung
in Frankfurt statt. Die Attraktion, welche Magirus zeigte, war eine 52 Meter hohe Drehleiter,
seinerzeit die höchste der Welt.611 Auch die im Werk Berlin-Tempelhof hergestellte Magirus-
Dreirad-Kehrmaschine (Mokema) fand im Kommunalbereich großen Anklang. Die luftgekühl-
ten Deutz-Dieselmotoren erfreuten sich besonderer Beliebtheit in Ländern mit hohen Tempe-
raturen. Dazu zählten vor allem die Türkei, Argentinien, Madagaskar und Nordafrika.612
www.stadtarchiv.ulm.de. am 07.07.2013. Vgl. auch SCHWÄBISCHE DONAU ZEITUNG 1948, Nr. 3 vom 07.01.1948. Thema: Magirus-Werke, Überprüfung
von einer interalliierten Kommission. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik 1925 –1945, S. 1119. Abgerufen von: www.stadtarchiv.ulm.de. am 07.07.2013
605 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 123.
606 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 93.
607 RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 125.
608 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 94.
609 Vgl. ULMER NACHRICHTEN 1949 Nr. 22, S. 6 und Chr.Beilage 1948, S. 1. Thema: Magirus vom 28.04.1949. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik 1925 –
1949. G 4, S. 1412. Abgerufen von: www.stadtarchiv.ulm.de. am: 07.07.2013.
610 Vgl. ULMER NACHRICHTEN 1949, Nr. 166, S. 5. Thema: Firma Magirus/Klöckner Humboldt-Deutz vom 15.10.1949. In: Stadtarchiv Ulm, Stadtchronik
1925 – 1949. G 4, S. 1723. Abgerufen von: www.stadtarchiv.ulm.de. am: 07.07.2013.
611 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 132.
612 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 94.
200
Im Produktionsbereich wurden Rationalisierungsmaßnahmen vollzogen. Die Fertigung eines
kompletten Lastwagens betrug im Jahr 1952 380,2 Arbeitsstunden, im Jahr 1953 nur mehr
340,7 Stunden. Der Stundenlohn eines Arbeiters lag im Jahr 1953 bei 1,87 Deutschen Mark
(DM), bei Akkordarbeit bei 2,11 DM. Ein Magirus-Deutz-Lastwagen samt Dreiseitenkipper
kostete 19.670 DM. Ein Reisebus der Spitzenklasse, ein sogenannter Aussichtswagen
O 6500, kostete 77.000 DM.613
Der wirtschaftliche Aufschwung trug zu einer Umsatzsteigerung im Geschäftsjahr
1952/1953614 bei. Der Umsatz konnte um 42 Prozent, die Produktion um 16,5 Prozent ge-
genüber dem Vorjahr gesteigert werden. In dem Geschäftsjahr waren bereits 5363 Mitarbei-
ter bei Magirus-Deutz beschäftigt. Gegenüber dem Vorjahr wurde die Produktpalette um 46
Bautypen erweitert, sodass 1952 bereits 60 Bautypen hergestellt wurden. Die Herstellung
der Schlepper wurde 1954 in Ulm beendet.
Magirus-Deutz legte verstärkt Augenmerk auf die Produktion von Kommunalfahrzeugen, wo-
bei sich der Turmwagen für die Verkehrsbetriebe – notwendig für Reparaturarbeiten der
Oberleitungs- und Schienennetze – besonderer Beliebtheit erfreute.615 1952 wurde der
Rundhauber S 3500 präsentiert. Diese runde, schöne Motorhaube konnte sich im Gelände
jedoch nicht bewähren.616
Neun Verkaufsstellen außerhalb von Ulm sicherten in Deutschland den Vertrieb der Lastwa-
gen. Die Magirus-Deutz-Vertretungen samt Verkaufsstellen mussten ihren Absatz an Last-
wagen einschätzen, denn sie wurden verpflichtet, jährlich bestimmte Stückzahlen der 3,5-
und 4,5-Tonnen-Lastwagen abzunehmen.
Die Fertigung boomte, da Magirus-Deutz einerseits individuelle Kundenwünsche befriedigte
und andererseits durch Neukonstruktionen, beispielsweise Baustellenlastwagen mit Außen-
planetenachsen617, den anderen Herstellern vorauseilte. Die Ingenieure von Magirus-Deutz
entwickelten als erste im Jahr 1954 Achsen mit Außenplanetenantrieb. Heute sind diese
Achsen im Baustellenverkehr nicht mehr wegzudenken. Im Geschäftsjahr 1955/1956 wurden
bereits 8244 Fahrzeuge und 18.540 Motoren im Ulmer Werk hergestellt. Die Fahrzeuge von
Magirus-Deutz wurden ab September 1955 mit Planetennamen versehen.618
Die 4,5-Tonnen-Lastkraftwagen wurden auf den Namen Mercur getauft. Der S5500 Saturn
wurde im Mai 1956 vorgestellt und entsprach bereits den Gesetzen der neuen Straßenver-
613 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 135.
614 Anm.: Bei KHD ging das Geschäftsjahr vom 01. Juli bis 30. Juni des folgenden Jahres. Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle
Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 94.
615 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 94.
616 Ebenda S. 98.
617 Anm.: Außenplanetenachsen werden bei Fahrten in extremen Geländen benötigt. „Kennzeichen der Außenplanetenachsen – kurz AP-Achse – genannt
– ist eine stärkere Untersetzung des Getriebes mit weiteren Gangabstufungen, wodurch das Differenzialgehäuse verkleinert und wiederum die Bodenfreiheit
erhöht werden kann.“ Offizielle Website von Daimler. Abgerufen von: http://media.daimler.com/dcmedia/0-921-614232-49-1644418-1-0-1-0-0-0-13470-0-0-1-
0-0-0-0-0.html. am 16.10.2013.
618 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 137.
201
kehrsordnung. Der A12000 Uranus wurde als Kranwagen, Zugmaschine, Kipper oder Last-
kraftwagen-Fahrgestell angeboten.619
Im gleichen Jahr wurde das erste kippbare Fahrerhaus vorgestellt, welches erst einige Jahre
später serienmäßig produziert wurde. Kurbelmasten für Höhen von zehn bis 33 Meter, die in
der Richtfunk- und der Fernsehtechnik zum Einsatz kamen, wurden im Jahr 1955 herge-
stellt.620
Die Omnibusfertigung wurde im Jahr 1955 trotz Widerständen im Werk II in Ulm (Söflingen)
nach Mainz-Mombach, zu den Vereinigten Westdeutschen Waggonfabriken, einem weiteren
Werk von Klöckner-Humboldt-Deutz, verlegt.621
Im Werk Berlin-Tempelhof wurde 1960 der Flugzeugschlepper Orion 250 hergestellt. Die
Produktion umfasste zehn derartiger Schlepper, beliefert wurden die Lufthansa und die Air
India.
Im Jahr 1957 kam es zu einem Einbruch am gesamten Nutzfahrzeugmarkt.622 Die Ursache
des Umsatzrückganges im Automobilbereich 1957 war die neue Straßenverkehrsnovelle
vom 24. März 1956. Diese sah vor, dass die Motorleistung von Lastkraftwagen mindestens
sechs PS pro Tonne betragen musste. Außerdem mussten Lastkraftwagen und Anhänger
mit einer Motorbremse oder einer ähnlichen Bremse ausgestattet sein. Die Gesamtgewichte
wurden für alle neu zugelassenen Fahrzeuge und Anhänger ab dem 1. Jänner 1958 stark
reduziert. Alle anderen Fahrzeuge sollten erst ab dem 1. Juli 1960 davon betroffen sein. Ver-
kehrsminister Dr.-Ing. Hans-Christoph Seebohm wollte mit dieser Novelle den Güterfernver-
kehr einschränken und eine Verlagerung der Beförderung auf die Bahn bewirken. Dadurch
sollte die Bundesbahn aus der Verlustzone gebracht werden.623
Die Fahrzeugproduktion 1957/1958 zeigte einen Rückgang gegenüber 1956/1957 von 30
Prozent, die Motorenproduktion von 18 Prozent. Die Frontlenker-Lastkraftwagen fanden
noch keinen Absatz. Der Beschäftigtenstand musste reduziert werden.624 Durch die Vergrö-
ßerung der Produktpalette wurde versucht, eine größere Kundenschicht anzusprechen. Auf
entsprechenden Komfort wurde zwischenzeitlich größeres Augenmerk gelegt. Ab dem Jahre
1958 waren alle Kraftfahrzeuge mit einem verstellbaren Fahrersitz ausgerüstet.625
Es wurden 1958/1959 bereits 30 Lastwagentypen in 165 Variationen produziert. Neu war der
Frontlenker Mercur 120.626 Für die Fertigung der Frontlenker wurde eine eigene Fertigungs-
619 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 101.
620 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 143.
621 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 96.
622 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 144.
623 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 97.
624 Ebenda S. 96.
625 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 145.
626 Ebenda S. 113.
202
straße eingerichtet. Rund 30 Frontlenker-Fahrzeuge verließen monatlich das Band.627 Ob-
wohl die Produktpalette 23 Frontlenkertypen aufwies, wurden nur 290 Fahrzeuge verkauft,
dies waren 4 Prozent der Gesamtproduktion. Der Kipperaufbau wurde, da keine Steigerung
bei den Umsatzzahlen erreicht werden konnte, an Meiler übertragen.628
Im Geschäftsjahr 1958/1959 konnte sich das Unternehmen wieder über eine Besserung der
Auftragslage freuen: Es wurden 7028 Fahrzeuge produziert, es konnten auch 792 Mitarbeiter
wieder aufgenommen werden, sodass der Beschäftigtenstand im Jahr 1959 bei 6340 Arbeit-
nehmern lag.629
Nachstehend eine Übersicht über die Produktionszahlen von Magirus-Deutz, in Deutschland,
zwischen 1956 und 1969:
Produzierte Kraftfahrzeuge
630
Tab. 46: Produktionszahlen Magirus-Deutz 1956 bis 1969
Der Großteil der Produktion umfasste Fahrzeuge für den Baubereich. Das Exportgeschäft
konzentrierte sich auf Länder in Nordafrika und den arabischen Raum. Magirus-Deutz lieferte
neben Komplettfahrzeugen auch Fahrzeugteile ins Ausland. Diese Fahrzeugteile wurden in
Bausätze zusammengestellt und von den Vertragspartnern in den Bestimmungsländern zu
627 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 146.
628 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 113.
629 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 148.
630 Quelle: entnommen aus OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. Band 2, 3. Auflage, Stuttgart 2004. S. 239.
203
Lastwagen montiert. Im Jahr 1950 wurden 70 Stück, 1958 bereits 850 Stück dieser Bausätze
exportiert.
Im Jahr 1957 wurde der erste Lizenzvertrag mit der jugoslawischen Firma TAM (Tovarna
Automobilow Maribor) in Maribor geschlossen. Jährlich verließen rund 4000 Fahrzeuge die
Produktionshallen in Maribor. Weitere Lizenzvereinbarungen wurden mit Firmen im Iran, in
der Türkei und in Griechenland geschlossen, und dort wurden aus den Bausätzen die kom-
pletten Fahrzeuge hergestellt. Die Vereinbarungen mit den Firmen in diesen Ländern waren
nur von kurzer Dauer. Im damaligen Belgisch-Kongo wurde eine Tochtergesellschaft von
Klöckner-Humbold-Deutz (KHD)631 gegründet.632 In Ägypten wurden im Jahr 1958 und Süd-
afrika im Jahr 1968 größere Werke errichtet.633
1960 war bereits wieder eine Aufschwungphase erreicht. Arbeitskräfte waren Mangelware,
sodass Magirus-Deutz gezwungen war, die Fertigung von gewissen Teilen bei Fremdfirmen
in Auftrag zu geben. Es wurde versucht, so viel wie möglich innerhalb der Konzernstruktur zu
produzieren.634
Im Geschäftsjahr 1959/1960 wurden im Vergleich zum Vorjahr um 62 Prozent mehr Fahr-
zeuge gebaut. Die Motorenproduktion konnte um 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestei-
gert werden. Die Fahrzeugproduktion konnte im Vergleich zum Geschäftsjahr 1948/1949 um
268 Prozent gesteigert werden. Wegen des Erfolges und einer schnelleren Produktion muss-
ten weitere Rationalisierungen in den Produktionshallen vorgenommen werden. Dafür wur-
den 16,3 Millionen DM in den Anlagenbereich investiert. Die Angebotspalette wurde im Jahr
1960 um den schweren Lastkraftwagen Pluto erweitert. Im Jahr 1961 zeigte sich eine
Trendwende in der Fahrzeugproduktion vom Straßen-Fahrzeug hin zum Allrad-Fahrzeug,
besonders hin zu den Dreiachsfahrzeugen. Auch der Frontlenker635 wurde immer beliebter
bei den Kunden. So wurden im Geschäftsjahr 1958/1959 350 Frontlenkerfahrzeuge produ-
ziert, im Jahr 1961 waren es schon 1303.636
1963 nahm Magirus-Deutz bei der Neuzulassung von Fahrzeugen mit mehr als sieben Ton-
nen Gesamtgewicht den zweiten Platz in Deutschland ein. Magirus-Deutz lag in Deutschland
mit seinen Exporten, gemessen an den Gesamtexporten von Lastkraftwagen in Deutschland,
ebenfalls an zweiter Stelle.637 Bei den Lastkraftwagen über 12 Tonnen Gesamtgewicht nahm
Magirus-Deutz mit 20,7 Prozent Marktanteil, gemessen am gesamtdeutschen Export, den
631 Anm.: Die Humboldt-Deutz-Motoren AG in Köln übernahm im Jahr 1936 die Magirus AG. 1938 übernahm der Klöckner-Konzern in Duisburg die
Humboldt-Deutz Motoren AG und änderte den Firmenwortlaut des Unternehmens in Klöckner-Humboldt-Deutz AG. Firmensitz war weiterhin Köln. Vgl. dazu
GROSS Lothar (2013), Made in Germany. Deutsche Wirtschaftsgeschichte von der Industrialisierung bis heute. 2. Auflage, Eigenverlag, Norderstedt. S.
102.
632 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 148 ff.
633 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969, S. 239.
634 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 151.
635 Anm.: Fahrzeuge, bei welchen der Motor unter dem Fahrerhaus eingebaut ist, werden als Frontlenkerfahrzeuge bezeichnet. Vgl. dazu die Abbildungen
von Frontlenkerfahrzeugen im Anhang der Dissertation, Abschnitt VI/3.
636 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 114.
637 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 153.
204
zweiten Platz hinter Daimler-Benz mit 40,5 Prozent Marktanteil ein. M.A.N. und Henschel
hatten jeweils einen Marktanteil von 15 Prozent. Die anderen Produzenten waren im Export-
bereich zu vernachlässigen.638 Der Anteil der gesamten Magirus-Deutz-Fahrzeuge im euro-
päischen Wirtschaftsraum betrug 10 Prozent.
Der Gesamtumsatz der Klöckner-Humbold-Deutz AG betrug im Jahr 1963 1,52 Milliarden
DM, der Beschäftigtenstand wies 30.000 Mitarbeiter auf. Fast die Hälfte des Gesamtumsat-
zes, nämlich 700 Millionen DM, entfiel auf Magirus-Deutz, bei einem Beschäftigtenstand von
9000 Mitarbeitern.
Als Anerkennung für diese Leistung gestattete der Vorstand des Kölner-Konzerns, dass ab
dem 1. Oktober 1964 nicht nur die Lastkraftwagen, sondern alle Produkte des Konzerns das
Ulmer Symbol tragen durften. Am 30. September 1925 wurde das Markenzeichen von Magi-
rus – ein M in Form des stilisierten Ulmer Münsters – beim Patentamt eingetragen. Im Laufe
der Jahre wurden Veränderungen am Zeichen vorgenommen, und ab 1945 hatte es nach-
stehende Form.639
640
Logo 14: Magirus-Deutz-Fahrzeuge
Copyright von Magirus (nunmehr IVECO)
Facharbeitermangel in den Jahren 1963/1964 führte dazu, dass in den Ulmer Werken Ende
1963 520 Arbeitnehmer von Ländern außerhalb Deutschlands, vorwiegend aus Italien, der
Türkei, aus Griechenland und Spanien angeworben wurden. Die beschäftigten 8995 Mitar-
beiter absolvierten im Jahr 1963 insgesamt 807.785 Überstunden, bei einem Akkordlohn von
4,10 DM pro Stunde.641
Ein junges Werbeteam mit dem Firmennamen BBD&R kreierte für die Fahrzeuge von Magi-
rus-Deutz den klingenden Namen „Die Deutschen Bullen“. Dazu wurden Bilder der Fahrzeu-
ge bei verschiedensten Einsätzen gezeigt. Durch diese Werbemaßnahmen wurde den Magi-
rus-Deutz-Lastkraftwagen eine Aufmerksamkeit zuteil, wie es sie zuvor noch nie gegeben
hatte.642
638 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 117.
639 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 153.
640 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.beku-bildarchiv.de/bildarchiv/standard-linienbus/sh170.htm. Abgerufen am 03.06.2013.
641 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 117.
642 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 158 ff.
205
Die Planetennamen für Fahrzeuge hatten im August 1964 ausgedient, und die Fahrzeuge
wurden fortan alphanumerisch gekennzeichnet. Auch die Zeit der Frontlenker war nunmehr
gekommen, die, außer im Baustellenverkehr, die Haubenwagen643 großteils verdrängten.644
Am 16. September 1965, auf der IAA in Frankfurt, wurde der neue 7,5-Tonner 90D7FL vor-
gestellt, ein kleiner Frontlenker für Zustelldienste. Das Geschäftsjahr 1963/1964 wurde wie-
der mit einem Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr von 100 Millionen DM abgeschlossen.
Der Marktanteil bei den Inlandsumsätzen sowie den Exporten konnte im Vergleich zu ande-
ren Nutzfahrzeugherstellern in Deutschland erheblich gesteigert werden. Der Inlands-
Kundendienst wurde im Oktober 1965 in dem neu errichteten Werk IV in Pfuhl nahe Neu-Ulm
untergebracht. Die Motorenproduktion wurde vom Werk I in das Werk III ins Ulmer Donautal
verlegt. Hier konnte der Erstbetrieb im Jahr 1967 aufgenommen werden. Im Werk I in Ulm in
der Schillerstraße verblieben nur noch die Verwaltung und der Sitz des Vorstands der Klöck-
ner-Humboldt-Deutz AG.
Der Lastkraftwagen- und Feuerwehrgerätebau war im Werk II in Ulm in der Blaubeurer Stra-
ße untergebracht. Im Werk befanden sich zwei Fertigungsbänder, wobei auf dem ersten Fer-
tigungsband die Fahrzeuge bis 14 Tonnen und auf dem zweiten Fertigungsband die Fahr-
zeuge bis 26 Tonnen gefertigt wurden.
Eine kleine Fahrzeugreihe für den Verteilerverkehr von bis zu 5,99 Tonnen wurde im Sep-
tember 1967 vorgestellt. Diese Fahrzeuge wurden jedoch in Lizenz des Traktorenherstellers
Eicher produziert, mit dem ein zehnjähriger Lizenzvertrag bestand. Mit diesen City-Bullen
genannten Fahrzeugen konnte Magirus-Deutz nunmehr auch Kunden bedienen, die leichte
Mittelklassefahrzeuge benötigten. Im Jahr 1969, nach einem weiteren Umsatzplus von 35
Prozent gegenüber dem Vorjahr, verwies Magirus-Deutz den Nutzfahrzeugproduzenten
M.A.N. auf den zweiten Platz.645
Der damalige Verkehrsminister Georg Leber beabsichtigte ebenfalls wie sein Vorgänger
Seebohm, die Bundesbahn endlich in die Gewinnzone zu bringen – jedoch auch mit Maß-
nahmen, die zu Lasten des Straßengüterverkehrs gingen. Dies führte dazu, dass Fahrzeug-
bestellungen teilweise wieder storniert wurden. Die Gesamtproduktion von Magirus-Deutz
bestand zu 60 Prozent aus Baustellenfahrzeugen. Verkehrsminister Leber gab für den Stra-
ßenbau keine Gelder frei, was dazu führte, dass die Produktion schwerer Lastkraftwagen
über 8 Tonnen in den Jahren 1971/1972 um mehr als 22 Prozent reduziert wurde und Kurz-
arbeit im Unternehmen eingeführt werden musste.646
643 Anm.: Fahrzeuge, bei welchen der Motor in einem Vorbau untergebracht ist, werden als Haubenfahrzeuge bezeichnet. Vgl. dazu die Abbildungen von
Haubenfahrzeugen im Anhang der Dissertation, Abschnitt VI/3.
644 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 134.
645 Ebenda S. 131.
646 Ebenda S. 166.
206
Magirus-Deutz, aber auch andere Lastkraftwagenproduzenten in Deutschland schrieben An-
fang der 70er-Jahre in den Jahresabschlüssen größere Verluste. Magirus-Deutz hatte in
Deutschland zum damaligen Zeitpunkt einen 15-prozentigen Marktanteil inne.
Im Oktober 1973 wurde neben dem Motorenwerk in Ulm-Donautal ein modernst ausgestatte-
tes Lkw-Montagewerk mit einer 600 Meter langen Montagehalle eröffnet. Die Investitions-
summe betrug 200 Millionen DM. Es konnten 7500 Lastkraftwagen mit einem Gesamtge-
wicht von je sechs bis elf Tonnen und 14.000 Lastwagen mit einem Gesamtgewicht von je
zwölf bis 26 Tonnen jährlich hergestellt werden.647 Um eine Abwanderung des Konzerns zu
verhindern und die Arbeitsplätze zu erhalten, übernahm das Land Baden-Württemberg für
das Projekt eine Bürgschaft in Höhe von 70 Millionen DM. Dadurch waren 10.000 Arbeits-
plätze im Gebiet Ulm gesichert.648
Mit dem neuen Werk verfolgte das Unternehmen drei Ziele:
1) Anpassung an die Typenvielfalt und Befriedigung von Kundenwünschen,
2) bestmögliche Lagerhaltung samt Montage und Optimierung der Arbeitsbedingungen,
3) optimale Anordnung der Abteilungen Montage, Lager, Abnahme, Nacharbeit, Umrüs-
tung.
Eingeführt wurde eine Mix-Montage, d. h. nicht eintönige Fließbandarbeit, sondern Abwechs-
lung bei der Arbeit sollte den Mitarbeitern geboten werden. So wurde z. B. nach einem Drei-
achser-Baubullen ein 6-Tonnen-Citybulle montiert.649
1976 wurde die Auslieferungs- und Verladehalle fertiggestellt. Der Feuerwehrbau fand in den
im Jahr 1978 errichteten Räumlichkeiten ebenso Platz. Das Versuchsgelände für die Test-
fahrten der Lastkraftwagen wurde außerhalb von Ulm, in Markbronn, errichtet.650
Der größte Kundenauftrag, mit einem Wert von 1,1 Milliarden DM, wurde Magirus-Deutz am
2. Oktober 1974 von der sowjetischen Allunions-Handelsgesellschaft in Moskau erteilt.651
Aufgrund der Robustheit der Baustellenfahrzeuge wurden für die Erschließung Sibiriens
10.000 Fahrzeuge wie Dreiachskipper, Pritschenwagen, Holztransporter, Tankwagen und
Fahrzeuge für den logistischen Bereich in Auftrag gegeben. Die Fahrzeuge mussten auf die
schwierigen Bedingungen in Russland zugeschnitten sein und auch bei Temperaturen von
plus 30 bis minus 45 Grad Celsius eingesetzt werden können. Geplant war, in Sibirien eine
Strecke von insgesamt 3145 Kilometern zu erschließen, die von Ust-Kut über Nishneangarsk
am Baikalsee und Tydinsky nach Komsomolsk am Amur über sieben Gebirge, sechs Flüsse,
durch Taiga und ewiges Eis führen sollte. Es sollten 142 Brücken und 3200 Bauwerke
(Dämme, Pässe und Tunnels) errichtet werden. Die Fahrzeuge von Magirus waren bei den
647 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 155 ff.
648 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 11/1972 vom 11.09.1972, Unternehmen. Futter für Bullen. S. 78.
649 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 167.
650 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 167.
651 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 168.
207
Russen sehr beliebt, da sie komfortabler ausgestattet waren als die Lastkraftwagen der hei-
mischen Produktion. Außerdem konnte mit den Fahrzeugen um ein Drittel mehr befördert
werden.652 Neben den Baustellenfahrzeugen sollten auch Ersatzteile, Tieflader und Zugma-
schinen geliefert werden. Die Aufbauten der Fahrzeuge wurden von der Firma Kögel, die
Getriebe von der Firma ZF, die Schwerlastzugmaschinen von der Firma Faun geliefert. Die
federführende Stellung über den gesamten Auftrag hatte die Klöckner-Humbold-Deutz AG
inne. Bis 1976 sollte der Auftrag erfüllt sein. Und um ihn zu erfüllen, wurde der Mitarbeiter-
stab um 800 Mitarbeiter erhöht.653
Durch die Konzentration auf das Russlandgeschäft vernachlässigte Magirus den europäi-
schen Markt.
Großkunden waren zu diesem Zeitpunkt Russland und die Bundeswehr. Bis 1951 wurden
noch Fahrzeuge an die Besatzungsmächte geliefert. Auch im Jahr 1952 wurden noch 500
Fahrzeuge, welche zivilen Fahrzeugen sehr ähnlich waren, geliefert. Später wurde für die
Bundeswehr die Lastwagentype A 6500 mit dem Deutz-Motor F 8 L 614 gefertigt. Circa 1000
Fahrzeuge wurden in den Jahren 1956 bis 1958 für die Bundeswehr produziert. Weiterent-
wicklungen der Fahrzeuge führten zur Produktion der Lastwagentype Jupiter 6x6, die voll-
kommen den Wünschen und Anforderungen der Bundeswehr entsprach. 9100 Stück dieser
Fahrzeuge wurden hergestellt. Im Werk in Mainz wurde im Jahr 1960 eine eigene Abteilung
zur Entwicklung dieser Fahrzeuge eingerichtet, da mit weiteren Aufträgen der Bundeswehr
gerechnet wurde.
Die Bundeswehr kam jedoch zu dem Entschluss, dass die Lastwagenproduzenten gemein-
schaftlich – und nicht nur Magirus-Deutz alleine – die Entwicklung vornehmen sollten. So
entstand 1964 das Gemeinschaftsbüro Mittelklasse, in welchem die Firmen Büssing, KHD,
Krupp, M.A.N. und Rheinstahl-Henschel vertreten waren. Die Aufgaben der einzelnen Fir-
men waren genau abgegrenzt. Im Jahr 1966 wurde das erste gemeinsam entwickelte Fahr-
zeug vorgestellt und später in Produktion genommen.654 Durch diese Gemeinschaftsproduk-
tion sollte die Bevorratung von Ersatzteilen für die Bundeswehr verringert werden. Ebenso
wurden für die Zusammenarbeit der Hersteller vom Präsidenten des Bundesamtes für Wehr-
technik und Beschaffung, Dr. Günther Rabus, Vorteile gesehen: Durch gemeinsame Ent-
wicklungs- und Forschungsarbeit, Produktion großer Stückzahlen an Bauteilen sowie die
damit verbundene Senkung der Herstellungskosten könnten die Hersteller dem internationalen
Wettbewerb standhalten.655
Aufgrund der Kostenintensität der Variante Gemeinschaftsbüro suchte man im Jahr 1972
nach einer billigeren Lösung und schrieb die Herstellung der Lastwagen mit fünf, sieben und
652 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 175.
653 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 168.
654 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 175 ff.
655 Vgl. ZEITONLINE Nr. 9 vom 26.02.1971. Fragen zur Wehrbeschaffung an Dr. Günther Rabus. Konzentration der Vorteile. Abzurufen unter:
http://www.zeit.de/1971/09/konzentration-der-vorteile/seite-1. Abgerufen am 25.08.2013.
208
zehn Tonnen Nutzlast unter den Bewerbern aus. Den Zuschlag erhielt M.A.N. Die Motoren
für sämtliche Fahrzeuge wurden von KHD geliefert. Magirus-Deutz erhielt Ende der 70er-
Jahre wieder einen größeren Auftrag der Bundeswehr, nämlich über eine Lieferung von 7000
Fünftonnen-Fahrzeugen.656
Diese Sonderanfertigungen wurden fast ausschließlich im Werk Mainz produziert. So wurden
für die Bundeswehr in den Jahren 1959 bis 1964 neben den Fahrzeugen 620 Stück Hotch-
kiss-Schützenpanzer in Lizenz hergestellt. 320 Stück Einachsanhänger mit Beleuchtungs-
und Radareinrichtungen wurden für das Hawk-Raketensystem657geliefert.
Mit den Eisenwerken Kaiserslautern wurde ein amphibisches Brücken- und Übersetzungs-
fahrzeug entwickelt und gebaut. An dem Fahrzeug zeigte auch die britische Royal Army Inte-
resse. Diese amphibischen Übersetzungsfahrzeuge ließen sich im Wasser zu Brücken zu-
sammenkuppeln, dadurch konnten auch schwere Militärfahrzeuge getragen werden.
1981 wurde bei KHD ein eigenes Büro in Bonn eingerichtet, damit die Verbindung zum Mi-
nisterium aufrecht blieb. Das Bonner Büro belieferte neben dem Verteidigungsministerium
auch Hilfsorganisationen wie den zivilen Bevölkerungsschutz, das Technische Hilfswerk und
die Post mit Fahrzeugen.
Der Export von Militärfahrzeugen war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nennenswert. Ex-
portländer waren Südamerika, Nordafrika – vor allem Ägypten und Algerien. Die Militärfahr-
zeuge entsprachen der zivilen Angebotspalette mit diversen Zusatzausrüstungen.
Gegen Ende der 60er-Jahre machte sich die Rezession auch im Nutzfahrzeugbereich be-
merkbar. Um die Rückgänge abzufangen, versuchten Lastkraftwagenhersteller Kooperatio-
nen einzugehen. Vier Unternehmen, Renault Véhicules Industriels (RVI) in Frankreich, Volvo
in Schweden, DAF in den Niederlanden und Magirus-Deutz in Deutschland versuchten eine
Kooperation einzugehen, wobei die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Firmen erhalten
bleiben sollte. Die gemeinsame Entwicklung und Forschung sollte sich vor allem auf kleinere
Lastkraftwagen zwischen sechs und 13 Tonnen Gesamtgewicht beschränken. Für das Vor-
haben wurden im Sommer 1971 zwei Firmen gegründet: die European Truck Design (E.T.D.)
B.V. in Eindhoven in Niederlande und die Société Européenne de Travaux et de Develop-
pement E.T.D.-S.A.R.L. in Noisy-le-Roi in Frankreich.658
Die Firma European Truck Design sollte sich vor allem dem Design der neuen Lastwagen
zuwenden, die andere Unternehmung war für die Technik zuständig. 1975 wurde der erste
gemeinsam geplante Lastkraftwagen auf dem Brüsseler Autosalon präsentiert. Bei Magirus-
Deutz wurde diese Baureihe MK bezeichnet.
656 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 175 ff.
657 Anm.: „Homing all the Way Killer“ kurz HAWK ist ein mobiles amerikanisches Flugabwehrraketensystem. Vgl. dazu: BREDOW Wolfgang, Lexikon der
Flugzeuge. Berlin – Spandau. Abzurufen unter: http://www.bredow-web.de/Luftwaffenmuseum/Waffensysteme/3-Raketen-grun/3-raketen-grun.html.
Abgerufen am 06. 07.2013
658 Ebenda S. 187.
209
Die Partner kooperierten zwar auf der Einkaufs-, Forschungs- und Entwicklungsseite, jedoch
nicht im Vertriebsbereich. Das Hauptaugenmerk von Magirus-Deutz beschränkte sich auf die
Produktion der Vorderachsen, der Radnaben für alle Kooperationspartner und der Fahrer-
häuser. Magirus-Deutz fertigte die Fahrerhäuser für sich selbst sowie für DAF und Volvo.
Die Lastwagenindustrie, darunter auch das Unternehmen Magirus-Deutz, befand sich trotz
der Kooperation Anfang der 70er-Jahre aufgrund der Erdölkrise in einer schwierigen wirt-
schaftlichen Lage. Erste Firmenfusionen fanden bereits statt: Büssing wurde von M.A.N.
übernommen. Kaelble und Faun, Hanomag, Henschel und Krupp stellten ihre Produktion ein.
Auch in den anderen Ländern fanden Firmenfusionen statt. In Frankreich wurden Berliet und
Saviem von der RVI, der Nutzfahrzeugtochter von Renault, übernommen. Wegen der ständig
steigenden Treibstoffpreise warteten die Kunden mit den Bestellungen, und es kam zu einem
Einbruch des Nutzfahrzeugmarktes. Zwischen Jänner und Mai 1974 gab es um 33,4 Prozent
weniger Zulassungen von Lastwagen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bei der Pro-
duktion von Baustellenfahrzeugen gab es ebenfalls einen Rückgang, da der Bauboom rück-
läufig war. Dies war für Magirus-Deutz besonders tragisch, da der Umsatz des Unterneh-
mens zu 60 Prozent aus Baufahrzeugen bestand. Im Jahr 1974 wurde in der Bilanz ein Ver-
lust von 30 Millionen DM ausgewiesen. Magirus-Deutz hatte im Jahr 1974 vier Werke, in de-
nen 12.000 Arbeitnehmer beschäftigte waren, die 14.000 Nutzfahrzeuge herstellten.
Magirus-Deutz suchte einen starken Partner, der in Fiat gefunden wurde. Der Nutzfahrzeug-
und Omnibusbereich – und zwar die Ulmer Werke (ohne das Motorenwerk im Donautal), das
Omnibuswerk in Mainz, die Tochtergesellschaft Motorkracht N.V. in Holland und Magirus-
Deutz Great Britain – wurden aus dem Klöckner-Humboldt-Deutz-Konzern herausgelöst.
Diese Bereiche wurden in die neu gegründete Magirus-Deutz AG in Ulm eingebracht. An der
Magirus-Deutz AG waren die Klöckner-Humboldt-Deutz AG mit 20 Prozent und Fiat mit 80
Prozent beteiligt.
Magirus-Deutz und Fiat gründeten im Jahr 1975 eine Holding nach niederländischem Recht,
in welche der gesamte Nutzfahrzeug- und Omnibusbereich integriert wurde. Der Grund für
die Gründung der Holdinggesellschaft in Holland war, dass in Holland Sondervereinbarungen
für Minderheitsaktionäre – in diesem Fall Magirus-Deutz – berücksichtigt werden konnten.
Fiat behielt in der Holdinggesellschaft natürlich die Mehrheit. Der Namen der Gesellschaft
lautete IVECO (Industrial Vehicles Corporation).
In Italien wurde vor der Gründung von Iveco der Nutzfahrzeug- und Omnibusbereich von Fiat
und OM mit den Werken in Turin, Mailand, Brescia, Cameri und Suzzara mit insgesamt
31.000 Arbeiternehmer in der nationalen Gesellschaft Fiat Veicoli Industriali Italia S.p.A. zu-
sammengefasst.
Bei Fiat wurden rund 55.000 Nutzfahrzeuge und bei OM (Officine Meccaniche)
28.000 Nutzfahrzeuge produziert.
Lancia Veicoli Speciali S.p.A. hatte ihren Sitz in Bozen und beschäftigte im Jahr 1974
2700 Arbeitnehmer. Die Produktion betrug 3000 Nutzfahrzeuge.
210
Unic, der französische Produzent, beschäftigte in den Werken Trappes, Suresnes,
Fourchambault und Bourbon-Lancy im Jahr 1974 rund 4000 Arbeiternehmer bei einer
Produktion von 10.300 Nutzfahrzeugen.
Magirus hatte seinen Nutzfahrzeug- und Omnibusbereich bereits in die Magirus-
Deutz-AG eingebracht.
659
Abb. 11: Marken der zum IVECO-Konzern gehörigen Nutzfahrzeughersteller 1975
Copyright der Logos Fiat, Lancia, Unic, OM und Magirus-Deutz (nunmehr IVECO)
Durch die Zusammenarbeit hoffte man, die bestmögliche Auslastung der Produktionsanlagen
bei größtmöglichen Ersparnissen durch größere Bestellmengen zu erreichen. Die Vertriebs-
organisation sollte jedoch eigenständig bleiben. Spezifische Merkmale der Fahrzeuge sollten
erhalten bleiben. Ein besonderes Kennzeichen der Fahrzeuge von Magirus-Deutz war der
luftgekühlte Deutz-Dieselmotor. Es wurde deshalb von Magirus auch kein Lastkraftwagen mit
einem wassergekühlten Dieselmotor angeboten.660
Es sollte ein Nebeneinanderbestehen der Marken Magirus-Deutz, Fiat, OM, Lancia und Unic
gewährleistet sein – dieser Wunsch währte nur kurz. Den Kunden wurden die Fahrzeuge
weiterhin unter dem ursprünglichen Markennamen angeboten, der gewohnte Schriftzug wur-
de jedoch mit einem zusätzlichen „i“ versehen, welches die Zugehörigkeit zur Iveco-Gruppe
signalisieren sollte.
Aufgrund der großen Erfahrung mit Schwerfahrzeugen übernahm Magirus-Deutz bei Iveco
den Entwicklungsbereich der schweren Baureihen. Weiters sollten Bauteile zur gemeinsa-
659 Quelle: Logo der Marke Fiat abzurufen unter: http://mycarlogos.blogspot.co.at/2012/12/fiat-logo.html. Abgerufen am 11.08.2013.
Logo der Marke Lancia abzurufen unter: www.cartype.com. Abgerufen am 11.08.2013.
Logo der Marke Unic abzurufen unter: http://www.cartype.com/pages/1735/unic. Abgerufen am 11.08.2013.
Logo der Marke OM abzurufen unter: http://www.motor-klassik.de/om-1348312.html. Abgerufen am 11.08.2013.
Logo der Marke Magirus-Deutz abzurufen unter: http://www.beku-bildarchiv.de/bildarchiv/standard-linienbus/sh170.htm. Abgerufen am 11.08.2013.
660 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 183 – 194.
211
men Verwendung produziert werden. Die Designabteilung wurde neu geschaffen, da bei den
Iveco-Fahrzeugtypen eine äußerliche Ähnlichkeit bestehen sollte.661
Im Jahr 1975 wurde bereits das erste gemeinsam entwickelte und produzierte Modell, der
Kleine Magirus, auf dem Markt präsentiert. Der Schriftzug der Fahrzeuge wies ebenfalls das
kleine „i“ als Zeichen der Zugehörigkeit zur Iveco-Gruppe auf. Die Nutzfahrzeuge mussten
auf die Bedürfnisse der Kunden und des Marktes abgestimmt werden. Die Fahrzeuge wur-
den von Brescia nach München transportiert und dort mit dem luftgekühlten Deutz-
Dieselmotor ausgestattet. Andererseits wurden in Ulm Hauben-Baustellenfahrzeuge produ-
ziert, welche mit wassergekühlten Motoren ausgestattet und von Fiat und Unic verkauft wur-
den.
Die neue M-Reihe, eine weitere gemeinsame Produktlinie, wurde erstmals auf der IAA 1977
in Frankfurt vorgestellt. Wer ein Fahrzeug mit einem luftgekühlten Dieselmotor haben wollte,
ging zum Magirus-Deutz-Händler. Das gleiche Fahrzeug, versehen mit einem wassergekühl-
ten Dieselmotor, wurde vom Fiat-Händler angeboten.662
Der Erfolg der Zusammenarbeit schlug sich in den ersten drei Jahren auch positiv in den
Geschäftsberichten nieder.663 Die Umsatzzahlen bei Magirus-Deutz erhöhten sich im Jahr
1975 gegenüber 1974 um 1066 Millionen DM oder 69 Prozent auf 1800 Millionen DM. Her-
gestellt wurden 16.000 Einheiten. In Deutschland war Magirus-Deutz somit der zweitgrößte
Nutzfahrzeugproduzent. Die Umsatzanstiege machten es notwendig, dass die Produktion im
Jahr 1975 zweischichtig gefahren wurde. Ein Exportauftrag von 1169 Lastkraftwagen in die
661 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 194 f.
662 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 201.
663 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 201.
212
USA, welcher äußerst positive Rückmeldungen brachte und bei Magirus-Deutz Hoffnungen
auf weitere Lieferungen weckte, wurde nicht wiederholt.664 Nach Beendigung des Großauf-
trages aus Russland, 1975, kam es auch hier zu keinen großen Folgeaufträgen.665
Im Jahr 1978 schrieb das Unternehmen wieder einen Verlust von 49 Millionen DM, 1979 von
51 Millionen DM und im Jahr 1980 von 168 Millionen DM, wie den jeweiligen Jahresab-
schlüssen zu entnehmen ist. Um das Eigenkapital zu erhöhen, wurde das Aktienkapital um
170 Millionen DM aufgestockt. Der Verlust war auf den verstärkten Wettbewerb am Nutz-
fahrzeugmarkt zurückzuführen sowie auf die hohen Investitionskosten im Produktionsbe-
reich, welche für die Zusammenarbeit im Unternehmen Iveco notwendig waren.
Anfang 1980 verkaufte Klöckner-Humboldt-Deutz seine 20-prozentige Beteiligung an der
Magirus-Deutz AG an FIAT.666 Am Frontgrill wurde der Schriftzug Magirus-Deutz nach links
unten versetzt und verschwand einige Zeit darauf gänzlich.667 Magirus-Kunden wechselten
beim Kauf von Nutzfahrzeugen bereits Anfang der 80er-Jahre die Marke, da sie die Einstel-
lung der Nutzfahrzeugproduktion von Magirus befürchteten.
Durch Umstrukturierungsmaßnahmen wie die Zusammenlegung des Vertriebes von Magirus-
Deutz mit dem von Fiat versuchte das Management die Verbindlichkeiten von 1,4 Milliarden
DM abzubauen. Durch eine straffe Führung und strenge Kostenrechnung wurde bis zum
Jahr 1988 die Verschuldung der Magirus-Deutz AG zur Gänze abgebaut. Opfer der Kosten-
rechnung wurde auch das Mainzer Omnibuswerk. 1982 entschloss die Iveco-Leitung, das
Werk zu schließen.668 Im Jahr 1981 lag der Verlust dieses Werkes bei 72 Millionen DM, der
Umsatz bei 165 Millionen DM, 8500 Arbeitnehmer waren im Unternehmen beschäftigt.669
Nicht nur Magirus-Deutz wurde 1982 von dem Umsatzrückgang erfasst, sondern der gesam-
te europäische Nutzfahrzeugmarkt.670
Der neue Vorstand in Ulm versuchte durch Abbau von Lager- und Fertigungsbeständen so-
wie den Abbau von Mitarbeitern Magirus-Deutz langfristig aus den roten Zahlen zu bringen.
1982 wurde in Anbetracht des Verlustes von 189 Millionen DM die Mitarbeiterzahl von
10.500 auf 7900 verringert. Der Erfolg der Mitarbeiterreduktion, verbunden mit einer Lohn-
kostenreduzierung, zeigte sich darin, dass der Verlust im Jahr 1983 nur noch 108 Millionen
DM betrug.671 Ein Großteil der Kosten betraf die Aufwendungen für die Sozialpläne und die
664 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 194.
665 Ebenda S. 228.
666 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 205 ff.
667 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 231.
668 Vgl. ZEITONLINE Nr. 12 vom 19.03.1982. Das Omnibuswerk wird im nächsten Frühjahr geschlossen. Hrsg. Anton Hunger. Abzurufen unter:
http://www.zeit.de/1982/12/den-anschluss-verpasst. Abgerufen am 25.08.2012.
669 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 209.
670 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 228.
671 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 211.
213
damit verbundenen Abfindungszahlungen in Höhe von 28 Millionen DM, die auf den Perso-
nalabbau zurückzuführen waren.672
Auch der Brandschutzbereich wurde hinsichtlich allfälliger Einsparungspotentiale durchleuch-
tet. Es zeigte sich jedoch, dass dieser nach einer straffen Organisation gewinnbringend pro-
duzierte.
Ein Konzept für einen einheitlichen Auftritt im Vertrieb wurde ins Auge gefasst. Ab dem Jahr
1983 wurden alle Fahrzeuge in Deutschland unter der Bezeichnung Iveco-Magirus vertrie-
ben.
Im Jahr 1983 zeigten sich in den Bilanzen bereits erste Erfolge. Die Personalkosten konnten
bei einem nunmehrigen Mitarbeiterstand von 7000 Beschäftigten um 180 Millionen DM ge-
genüber dem Vorjahr gesenkt werden. Verbindlichkeiten sowie Lagerbestände wurden um
die Hälfte gesenkt. Auch die Zinsaufwendungen durch die geringeren Verbindlichkeiten in
den letzten zwei Jahren wurden um 80 Millionen gesenkt. Weitere Einsparungspotentiale
boten die Auslagerung der Ersatzteilproduktion auf Zulieferfirmen und die Einstellung der
Pritschenwagenfertigung.
Liegenschaftsteile – wie das Werk in Mainz und ein Teil des alten Werkes I in der Schiller-
straße in Ulm – fielen den Einsparungen zum Opfer und wurden verkauft.
Im Jahr 1984 brachten abgestimmte Werbekampagnen große Erfolge. Ing. Giorgio Garuzzo
übernahm 1984 bei Iveco, Wolfgang Keller bei Iveco-Magirus den Vorstandsvorsitz. In die-
sem Jahr wurde auch der neue Fernverkehrslastwagen Turbo-Star vorgestellt. Der Turbo-
Star war im Ulmer-Werk in nur zwei Jahren konstruiert worden.673 Die Herstellung des Turbo-
Star erfolgte jedoch im Turiner Werk.674 Das Fahrzeug wurde mehrfach ausgezeichnet – so-
wohl für die Innenausstattung als auch für die Sicherheit.675 Für den Baustellenverkehr sowie
den nationalen Fernverkehr entwickelte Iveco die Fahrzeuge der T- bzw. Turbo-Tech-
Baureihe.676
Erstmals konnte das Unternehmen im Jahr 1985 einen Jahresüberschuss von 31,2 Millionen
DM erzielen. Die Anzahl der produzierten Fahrzeuge betrug 10.587 Stück, und auch der Ex-
port konnte gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent gesteigert werden. Der Beschäftigten-
stand betrug 6349 Personen.
Die gemeinsame Produktpalette wurde im Jahr 1985 um den schnelllaufenden Direktein-
spritzer-Diesel, Turbo-Daily, erweitert. Das Fahrzeug konnte neben dem niedrigen Treib-
stoffverbrauch 92 PS aufweisen.
672 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 229.
673 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 211 ff.
674 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 232.
675 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 218
676 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 232
214
Bisher wurden die Straßenlastwagen infolge von Kostenstraffungen in Turin produziert. Am
14. März 1985 verließ der erste schwere Lastwagen der Type 190.30 nicht das Werk in
Turin, sondern das Werk Ulm-Donautal. Die Fertigung für schwere Bau- und Straßenfahr-
zeuge und Brandschutzartikel wurde zunehmend von Turin nach Ulm verlagert. Das Werk in
Ulm sollte jedenfalls erhalten bleiben.
Das Management von Iveco hielt auch bei Unic die gleiche Strategie bei. Iveco-Unic in
Frankreich produzierte seit 1986 schwere Sechszylindermotoren und Reisebusse. Die Last-
wagenproduktion wurde nach Italien verlegt. Derartig kostensenkende Strategien führten
dazu, dass Iveco-Magirus und der gesamte Iveco-Konzern ab 1985 keine roten Zahlen mehr
schrieben.
Iveco übernahm 1986 den italienischen Hersteller Astra, einen weiteren Schwerfahr-
zeugspezialisten. Mario Bertuzzi hatte die Astra Costruzioni Speciali S.p.A. 1946 in Cagliari
gegründet. Im Jahr 1951 verlegte er den Firmensitz nach Piacenza. Die Unternehmung be-
gann mit der Montage und Fertigung von schweren Muldenkippern. Astra hatte im Jahr 1980
bei diesen Fahrzeugen einen Marktanteil von 50 Prozent inne.
Im Mai 1986 feierte Iveco mit der Iveco-Management-Convention im Turiner Fiat-Werk
Lingotto das zehnjährige Jubiläum, anlässlich dessen auf das positive Bilanzergebnis des
Vorjahres hingewiesen wurde.
In Schulungen in der Kundendienstschule Neu-Ulm wurden die 3000 Servicemitarbeiter
ständig mit den Neuerungen konfrontiert, um die Reparaturarbeiten problemlos abzuwickeln.
Der damalige Leitspruch „Das erste Auto wird vom Verkäufer verkauft, das zweite von der
Werkstatt“ gilt heute noch. Durch beste Kundenbetreuung in den Werkstätten, rasche Liefe-
rung von Ersatzteilen an den Kunden versuchte Iveco auch im Bereich Kundenzufriedenheit
zu punkten.
Auf der IAA 1987 in Frankfurt wurden die Modelle der Type 190.36 und der Turbostar 190.36
präsentiert. Damit war klar, dass Iveco mit Iveco-Magirus im Nutzfahrzeugbereich wieder ein
ernstzunehmender Konkurrent geworden waren.677
Der Umweltschutz wurde damals schon vermehrt zum Thema.678 Schallgedämpfte Last-
kraftwagen, sogenannte Flüsterdiesel, wurden erstmals im Jahr 1981 erzeugt. Einige dieser
Lastwagen hatten im Jahr 1986 rund 294.000 Kilometer problemlos zurückgelegt. Das Er-
gebnis erfüllte die Erwartungen der Techniker.
Im Brandschutzbereich befand sich Magirus-Deutz noch immer in führender Stellung. Im
Jahr 1989 wurde diese Produktionssparte in die Iveco Magirus Brandschutztechnik GmbH
eingebracht und großteils autonom geführt. Es sollte vor allem der Name Magirus, welcher
im Brandschutzbereich großes Ansehen genoss, erhalten bleiben. Ein Drittel der Brand-
677 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 233.
678 Folgende Ausführungen beziehen sich auf ebenda S 234 – 240.
215
schutzfahrzeuge wurde in Deutschland von Iveco-Magirus produziert. Der Produktionsanteil
an Drehleitern am Weltmarkt lag über 50 Prozent. Das Produktionsprogramm umfasste
Lösch-, Tanklösch- und Sonderlöschfahrzeuge, Schlauch-, Rüst- und Gerätewagen sowie
Fahrzeuge für Tragkraftspritzen. Weiters wurden Kleingeräte, Drehleitern, Einbaupumpen,
sowie Tragkraftspritzen angeboten. Auch Aufbauten auf andere Fahrzeugtypen wurden von
Iveco-Magirus vorgenommen. Vor allem Lastwagenproduzenten aus Skandinavien sowie
dem Ost-Block nahmen die Beratung und Dienste von Magirus in Anspruch und ließen in
Ulm die Drehleitern aufbauen.
Neuerungen entstanden durch ständige Entwicklungsarbeiten. So konnten die Kundenwün-
sche durch das Alufire-System – ein verschraubtes Leichtmetallprofil des Aufbaugerippes –
hinsichtlich der Aufteilung des Laderaumes leichter erfüllt werden als bei Schweißkonstrukti-
onen. Durch die Vario-Abstützung war der sichere Stand der Leiter auch bei den härtesten
Einsätzen gewährleistet. Bei der Vario-Abstützung blieben der Boden des Rettungskorbes
und die Sprossen der Leiter waagrecht, auch wenn das Fahrzeug in Schrägstellung stand.
Der Vorstand und Aufsichtsrat von Iveco, Dr. Otto Graf Lamsdorff, präsentierte zum Jahres-
wechsel 1988 stolz die Erfolge: In Ulm-Donautal wurden um 3000 Fahrzeuge mehr als im
Vorjahr, nämlich rund 21.000 Fahrzeuge für alle Einsatzbereiche produziert. Der Umsatz
betrug 2,2 Milliarden DM und war um 10 Prozent höher als im Vorjahr.
1988 betrug der Marktanteil von Iveco bei den Fahrzeugen mit 3,5 Tonnen Gesamtgewicht
am deutschen Markt 12 Prozent. 18 Prozent Marktanteil konnte bei den leichten und mittel-
schweren Fahrzeugen erreicht werden. Bei den schweren Baustellenfahrzeugen mussten
0,5 Prozent eingebüßt werden, sodass der Marktanteil nur 14,4 Prozent betrug. Hier sollte
das Defizit durch Rationalisierungsmaßnahmen im Produktionsbereich aufgeholt werden. 679
Um die Umweltbelastung zu verringern, wurden im Jahr 1989 die Brems- und Kupplungsbe-
läge der Kraftfahrzeuge mit asbestfreien Materialien versehen. Eine Erhöhung der Verkehrs-
sicherheit sollte durch den Einbau eines Anti-Blockier-Systems erreicht werden.680
Iveco-Magirus hatte die Vergangenheit gut bewältigt und konnte wieder getrost in die Zukunft
blicken. Zukunft bedeutet für die Automobilindustrie Forschung, Weiterentwicklung und die
Einführung neuer Produkte. 150 Techniker von Iveco waren zu Forschungszwecken im Mo-
toren-Forschungszentrum DERECO (Diesel Engine Research and Engineering Co.) in Ar-
bon, Schweiz, beschäftigt. Auch in Neu-Ulm befand sich ein Iveco-Entwicklungs-zentrum.681
Am 8., 10. und 11. Juni 1989 feierte Magirus-Deutz das 125-jährige Firmenjubiläum. Anwe-
send waren Giovanni Agnelli und Cesare Romiti, welche die Leitung von Fiat repräsentierten.
Für die Iveco-Spitze war Giorgio Garuzzo anwesend. Am 11. Juni 1989 stürmten tausende
679 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 243.
680 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 232.
681 Vgl. RABE Klaus (1989), Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus. S. 252.
216
Mitarbeiter anlässlich des Tages der offenen Tür mit ihren Verwandten und Bekannten das
Werk Ulm-Donautal.
Die Produktionszahlen waren in den Jahren 1993 und 1994 wieder rückläufig, da die Nach-
frage nach Schwerfahrzeugen am europäischen Fahrzeugmarkt zurückgegangen war. Im
Jahr 1993 wurden 9039 Fahrzeuge produziert, um 5708 weniger als im Jahr 1992. Ein
Großauftrag aus dem Jahr 1991 über die Lieferung von 5000 Schwerfahrzeugen in den Iran
fing den Rückgang etwas auf. Mit dem Umsatzrückgang mussten Mitarbeiter abgebaut wer-
den. In den Ulmer Werken waren im Jahr 1993 noch insgesamt 4126 Mitarbeiter beschäftigt.
Im Jahr 1991 wurde die Vertriebshalle nach München-Unterschleißheim verlegt. Im Werk II,
der Blaubeurer Straße, verblieb lediglich der Iveco-Magirus-Brandschutz. Alle sonstigen Tä-
tigkeiten im Zusammenhang mit der Lastwagenproduktion wurden dort eingestellt und aus-
schließlich im Werk Ulm-Donautal fortgeführt. Außerdem verblieben die Kundendienstschule
in Neu-Ulm sowie das Zentralersatzteillager in Langenau.682
Im Mai 1993 wurde die Fahrzeugtype Euro-Star für den Fernverkehrsbereich und die Type
Euro-Trakker als Nachfolgemodell der Magirus-Baubullen den Kunden präsentiert. Damit war
die gesamte Fahrzeugpalette in vier Jahren erneuert worden. Den Beginn hatte bereits 1989
die Vorstellung der neuen Daily-Transporter-Baureihe gemacht. 1990 wurde die Mittelklasse-
reihe vorgestellt. 1992 wurde Iveco für den Euro-Cargo und 1993 für den Euro-Tech die
Auszeichnung Truck of the Year verliehen. Iveco hatte es geschafft. Alle Fahrzeuge waren
nun optisch gleich.
Aber nicht nur die Fahrzeuge waren auf dem neuesten Stand, auch die Iveco-Werke wurden
modernisiert und spezialisiert. 140 Millionen DM wurden in das Werk in Ulm investiert. Im
Ulmer Werk wurden nur mehr die schweren Straßenlastwagen, der Euro-Tech und Euro-Star
hergestellt. Auch die Zeit der luftgekühlten Deutz-Motoren war vorbei. In die Fahrzeuge wur-
den die wassergekühlten Iveco-Motoren eingebaut. Iveco war neben Renault vorerst der
einzige Nutzfahrzeughersteller, der seine Fahrzeuge mit Scheibenbremsen ausstattete.
Ab dem Jahr 1999 gewährte Iveco seinen Kunden eine vierjährige Garantie – dies nur bei
maximal 800.000 Gesamtkilometern –, dass beim Einbau des Euro-Tronic-Getriebes kein
Fahrzeugausfall durch einen Kupplungsverschleiß möglich sei. Die Jahre zeigten, dass Iveco
damit Recht behielt.683
Iveco besaß mit seinen Motoren von 245 bis 540 PS die modernsten Motoren aller Nutzfahr-
zeughersteller. Am 23. April 1999 verließ eine weitere neue Entwicklung das Band: das erste
Fahrzeug der Bauserie Euro-Star mit dem Cursor-10-Motor684. Neben dem neuen Motor hat-
ten die Sattelzugmaschinen an allen Rädern Scheibenbremsen und waren mit einem elekt-
682 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 265.
683 Ebenda S. 268.
684 Anm.: Der Cursor-10 Motor zeichnet sich durch erstklassige Fahrleistung in Bezug auf den Verbrauch und die Beschleunigung aus. Vgl. dazu:
http://web.iveco.com/austria/neufahrzeuge/pages/stralis_antriebsstrang_cursor10.aspx. Abgerufen am 25.08.2012.
217
ronischen Bremssystem (EBS) ausgestattet. Jedes Jahr wurde eine neue Entwicklung vor-
gestellt. Am 19. Oktober 1999 verließ das 100.000ste Fahrzeug der Euro-Baureihe das Fer-
tigungsband.
Als Nachfolgeproduktion der Fahrzeugreihe Euro-Star wurde am 23. Jänner 2002 in den Ul-
mer Messehallen die Baureihe Stralis präsentiert. Das Fahrerhaus legte einen neuen Stan-
dard an Bequemlichkeit fest. Der Stralis AS wurde 2003 zum Truck of the Year gekührt.685
2006 stellte Iveco die Baureihe Stralis auch für den mittelschweren und schweren Stra-
ßengüterverkehr vor – bereits mit Motoren entsprechend den Abgasnormen Euro-IV bzw.
Euro-V.686
Iveco wollte 2002 die betriebliche Altersvorsorge für sein Tochterunternehmen, der Iveco-
Magirus AG in Ulm, neu regeln. Dazu sollten von Iveco-Magirus Angebote von verschiede-
nen Versicherungsagenturen eingeholt werden. Unter den Bewerbern befanden sich die Alli-
anz, die Generali-Versicherung und die Magus-Gruppe aus Wemding. Die Magus-Gruppe
bekam den Zuschlag, und 2004 wurde die neu geregelte arbeitgeberfinanzierte Altersvorsor-
ge eingeführt. Zwischen dem zwischenzeitlichen Ex-Iveco-Betriebsratchef Andreas Märkl
und dem freien Versicherungsbüro Magus sollen – laut Oberstaatsanwalt Werner Doster –
400.000 Euro Schmiergeld auf ein Konto in Luxenburg geflossen sein. Die Ermittlungen mit
den Verurteilungen zogen sich bis in das Jahr 2010.687
685 Vgl. AUGUSTIN Dieter (2006), IVECO – MAGIRUS. Alle Lastwagen aus dem Werk Ulm seit 1917. S. 270.
686 Vgl. offizielle Website von IVECO. Fahrzeughistorie. Abgerufen von: http://www.iveco.com/germany/neufahrzeuge/pages/stralis_fahrzeughistorie.aspx.
Abgerufen am 13.10.2013.
687 Vgl. SÜDWEST PRESSE vom 08.07.2010. Schmiergeld für Versicherungsverträge. Autor: Willi Böhmer. Abzurufen unter:
http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Schmiergeld-fuer-Versicherungsvertraege;art4329,549970. Abgerufen am 13.10.2013.
218
b) Büssing
Heinrich Büssing gründete mit Max Jüdel im Jahr 1873 in Braunschweig die Unternehmung
Jüdel & Co., die Stellwerk- und Signalanlagen herstellte. Büssing übernahm die technische
Leitung. Im Jahr 1898 wurde die Unternehmung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Büssing schied im Jahr 1906 aus dem Vorstand und wechselte in den Aufsichtsrat über.
Im Alter von 60 Jahren, am 17. April 1903, gründete Büssing mit seinen Söhnen Ernst und
Max in Braunschweig ein eigenes Unternehmen, die Firma H. Büssing, Spezialfabrik für Mo-
torlastwagen und Motoromnibusse. Büssing verfügte wegen seines guten Einkommens als
leitender Ingenieur und technisches Vorstandsmitglied bei Jüdel & Co. auch über die erfor-
derlichen finanziellen Mittel. Die Fahrzeuge wurden von Heinrich Büssing auf der Torfhaus-
Strecke im Harz, einer elf kilometerlangen Strecke mit Steigungen von bis zu 13,5 Prozent,
Härtetests unterzogen. Im Feber 1904 produzierte das Unternehmen bereits den zweiten
Lastwagen, im Juni 1904 den ersten Omnibus.688 Büssing gründete im Jahr 1904 eine eige-
ne Busgesellschaft, die Automobil-Omnibus-Betriebs-Gesellschaft H. Büssing, und richtete
einen eigenen Linienverkehr für seine Omnibusse ein.689 Erst als die eigenen Fahrzeuge sich
bewährten, fanden erste Busverkäufe nach Hamburg und London statt. Dagegen hielt sich
der Absatz im Nutzfahrzeugbereich in Grenzen. In den Jahren 1904 bis 1907 wurden rund
200 Lastwagen verkauft. Die Heeresverwaltung zeigte sich im Jahr 1907 von den Fahrzeu-
gen beeindruckt, sodass Büssing 1908 50 Stück der subventionierten Heereslastwagen an
die Heeresverwaltung liefern konnte. Neben der Heeresverwaltung wurde auch die Braun-
schweiger Feuerwehr mit Büssing-Fahrzeugen beliefert. Büssing entwickelte im Jahr 1907
gemeinsam mit der Continental-Reifenfabrik den luftgekühlten Hohlreifen, der zu einer Ver-
besserung des Fahrkomforts von Nutzfahrzeugen beitrug.690
Büssing gründete 1909 in Berlin die Büssing Nutzkraftwagen GmbH, die erste Gesellschaft
zur Beförderung von Gütern mit Lastwagen. Damit konnte Büssing den exzellenten Ruf der
Marke Büssing im Lastkraftwagenbereich verbreiten. Die Büssing Nutzkraftwagen GmbH
diente dem Unternehmen auch für Testzwecke der eigenen Fahrzeuge. Im Jahr 1907 heira-
tete Hedwig, die Tochter Heinrich Büssings, den Wiener Maschinenbauer Anton Fross. Als
Mitgift erhielt Anton Fross die Lizenz für die Fertigung der Büssing Fahrzeuge in Österreich
und Ungarn.691
688 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971, Stuttgart 2001. S. 8.
689 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing, 2. Auflage, Brilon 2007. S. 9.
690 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 8.
691 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 13 ff.
219
Während des Ersten Weltkrieges produzierte Büssing Subventionslastwagen und Sonder-
fahrzeuge wie Seilwindenfahrzeuge, Schlepper und Rad-Panzer.692
Im Oktober 1920 wird die Büssing Automobilwerke OHG (vormals H. Büssing, Spezialfabrik
für Motorlastwagen und Motoromnibusse) in eine Kommanditgesellschaft und im Jahr 1922
in eine Aktiengesellschaft mit den Firmenwortlaut Automobilwerke H. Büssing AG geändert.
Die Mehrheit des Aktienkapitals von 10 Millionen Mark befindet sich im Eigentum von Max
und Heinrich Büssing. Weitere Anteilseigner sind Dipl. Ing. Paul Werners, die Braunschwei-
gische Automobilindustrie GmbH sowie die Hamburger Hugo Stinnes AG. Vorstandsmitglie-
der sind Max Büssing und Dipl. Ing. Paul Werners, Dr. Ing. e. h. Heinrich Büssing hat im Auf-
sichtsrat den Vorsitz inne.693
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg erlebte Büssing eine neue Blüte. Die Produktion
der Fahrzeuge musste wegen des guten Rufs und der vermehrten Nachfrage ausgeweitet
werden, zusätzliche Arbeitnehmer wurden eingestellt. Die Fließbandproduktion wurde 1924
eingeführt, nachdem diese Art der Produktion in den Ford-Werken, USA, von Ingenieur Willy
Staniewicz begutachtet worden war. Im Jahr 1924 wurde der Sechsradwagen, ein Dreiachs-
Lastwagen für schwere Lasten, vorgestellt und erstmals in Serie produziert. Ein weiteres
Ereignis war der Serien-Sechszylinder-Motor. Büssing konnte das 25-jährige Jubiläum sei-
nes Unternehmens noch miterleben, ehe er am 27. Oktober 1929 verstarb.694 Dr. Ing. e. h.
Max Büssing übernahm nach dem Tod seines Vaters den Vorsitz im Aufsichtsrat. Die Ge-
sellschaft blieb nach wie vor als Familien-AG weiterbestehen und zeigte gegenüber den Mit-
arbeitern und Kunden eine sehr große Verbundenheit.695
Das Wahrzeichen von Braunschweig, der Burglöwe war seit dem Jahr 1913 das Markenzei-
chen der Büssingfahrzeuge.
696
Logo 15: Büssing-Fahrzeuge
Copyright von Büssing (nunmehr MAN SE, zugehörig zur Volkswagen AG)
692 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 7.
693 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 25.
694 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 8.
695 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 40.
696 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.hbs-bs.de/index.php?page=352&printview=1. Abgerufen am 11.08.2013.
220
1929 übernahm das Unternehmen die Mannesmann-Mulag-Werk AG in Aachen. Die Man-
nesmann-Mulag-Werk AG war aus den Scheibler-Automobilwerken hervorgegangen. Die
Niederlassung in Aachen wurde für die Fertigung von Anhängerkupplungen und als Großre-
paraturwerkstätte bis zum Jahr 1971 genutzt.697
Im gleichen Jahr gründete das Unternehmen in Chicago die Buessing Motors Company of
America, welche die Generalvertretung für die Büssing-Fahrzeuge übernahm. Die Büssing-
Lastwagen wurden auch nach Spanien, Russland, USA und in die Türkei exportiert. Das Un-
ternehmen schloss das Jahr 1930 trotz voller Auftragsbücher und einem Umsatz von 17 Mil-
lionen RM mit einem Verlust von 608.075 RM ab. Grund dafür waren die harte Konkurrenzsi-
tuation am Automobilmarkt sowie hohe Steuer- und Sozialbelastungen.698
1930 übernahm Büssing die Automobilfabrik Komnick AG in Elbing, Westpreußen. Es be-
stand ein besonderes Interesse am Erhalt dieses Werkes, um im Falle eines Krieges mit Po-
len an diesem Standort einen Automobilbetrieb zu haben. Die Zugmaschinenproduktion und
der Omnibus-Karosseriebau wurden in diesem Werk untergebracht.699
Die Weltwirtschaftskrise führte 1929 dazu, dass neben anderen Automobilherstellern auch
die zum AEG-Konzern gehörige Nationale Automobil AG (NAG) zunehmend in finanzielle
Schwierigkeiten geriet. Im Jahr 1927 hatte die NAG die Dux Automobilwerke in Leipzig, eine
Tochtergesellschaft der Polyphon-Werke, gekauft. Die Dux Automobilwerke produzierten
Personenkraftwagen und leichte Lastwagen bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht.
Die NAG und Büssing gründeten am 1. Jänner 1931 die Büssing-NAG Vereinigte Nutzkraft-
wagen AG mit einem Aktienkapital von vier Millionen RM. An der Gesellschaft waren Büssing
und NAG zur Hälfte beteiligt. Die NAG brachte den gesamten Maschinenpark der Lastwa-
genfertigung in die neu gegründete Gesellschaft ein.700 Der Teilbereich der Personenwagen-
fertigung verblieb bei der NAG und wurde im August 1934 geschlossen.701 Die Werkshallen
der NAG in Wahren bei Leipzig, Berlin-Oberschöneweide und Elbing wurden an die Büssing-
NAG Vereinigte Nutzkraftwagen AG verpachtet.702
Die Büssing-NAG Vereinigte Nutzkraftwagen AG bot die komplette Produktpalette an Leicht-
und Schnelllastwagen aus der Palette der NAG und Dux Fahrzeuge sowie die mittleren und
schweren Nutzfahrzeuge von Büssing an. Mit einer Palette an Fahrzeugen von 1,5 bis 9
Tonnen Nutzlast und Hochleistungsmotoren deckte die Gesellschaft den Bedarf an Nutzfahr-
zeugen ab.
Oberingenieur Paul Arendt entwickelte 1934 den Unterflur-Dieselmotor, welcher dem Unter-
nehmen Büssing nach dem Zweiten Weltkrieg großes Ansehen einbrachte. Arendt wechselte
697 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 9.
698 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 40.
699 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 9.
700 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 42 f.
701 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon, Stuttgart 2008. S. 248.
702 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 42.
221
später zu Hanomag, weil das Unternehmen seine Weiterentwicklungen im Unterflurmotoren-
konzept nicht unterstützte.703
Im Jahr 1936 wurde eine neue Fahrzeugreihe an Leichtlastwagen vorgestellt, mit dem klin-
genden Namen Burglöwe.704 Die kleineren Modelle wurden mit Vergaser- oder Dieselmoto-
ren angeboten.
Im Zuge des Schell-Planes kam es auch bei Büssing zu einer Vereinheitlichung der Fahr-
zeugtypen. Die Fertigung wurde auf den besonders robusten 4,5 Tonner mit Holzvergaser,
mit Heck- und Allradantrieb beschränkt. Gefertigt wurden während des Zweiten Weltkrieges
auch Vierachs-Panzerspähwagen und Halbkettenzugmaschinen.705
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges verblieb nur das Stammwerk in Braunschweig. Die Fab-
rikshallen waren zu 30 Prozent zerstört. Die ehemaligen NAG-Werke in Berlin-
Oberschöneweide und Leipzig gingen völlig verloren: Die Sowjetbesatzung hatte den gesam-
ten Besitz der NAG enteignet und demoniert. In Oberschöneweide errichtete die Rote Armee
eine Reparaturwerkstätte, welche später die größte ostdeutsche Lastwagenwerkstätte wer-
den sollte. Büssing übernahm die restlichen Gesellschaftsanteile der NAG an der Büssing
NAG Vereinigte Nutzkraftwagen AG. Die Gesellschaft wurde mit 1. Jänner 1950 in die Büs-
sing GmbH umgegründet und als reines Familienunternehmen betrieben.706 Mit Änderung
des Firmenwortlautes wird auch der Schriftzug NAG von den Fahrzeugen genommen. Nur
noch der Löwe zierte die Kühler der Fahrzeuge.707
Das Omnibuswerk in Elbing wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und nicht wieder auf-
gebaut. Trotz schwierigster Bedingungen war das Stammwerk in Braunschweig in kurzer Zeit
wieder benutzbar. Die Genehmigung der britischen Militärregierung zur Weiterproduktion von
Lastwagen und Omnibussen wurde Büssing am 18. April 1945 erteilt. Die Produktion wurde
am 2. Mai 1945 wieder aufgenommen.708
Bis Ende 1947 konnten bereits 3847 Wagen der Typenreihe 5000 das Werk verlassen. Die
Nutzfahrzeuge wurden nach dem Zweiten Weltkrieg dringend zum Wiederaufbau benötigt.
So betrug die monatliche Produktion bei Büssing im Jahr 1948 200 Fahrzeuge.709 Die zweite
Fahrzeugtype der Nachkriegs-Baureihe, die Type 7000 S, wurde in Anlehnung an die Vor-
703 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 9 f.
704 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 62.
705 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 10.
706 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969, 3. Auflage, Stuttgart 2004. S. 36.
707 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 113.
708 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 36.
709 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 10.
222
kriegstype 650 gebaut. Die nächste Entwicklung war die Type 8000, welche eine Nutzlast
von 8 Tonnen hatte.710 Im September 1950 verließ bereits der zehntausendste Lastwagen
das Werk in Braunschweig.
Der Unterflurmotor – entwickelt von Paul Arendt 1934 – erlangte erst Popularität, als Büssing
auf der Technischen Messe in Hannover 1949 den Unterflur-Omnibus 5000 TU vorstellte.
Auf der Frankfurter Automobil-Ausstellung im Jahr 1951 wurde der Zwölftonnen-Dreiachser
mit einem 175 PS starken Unterflurmotor präsentiert. Dieses Fahrzeug wurde im gleichen
Jahr serienmäßig produziert. Bei Unterflurfahrzeugen liegt der Motor zwischen den Achsen
des Fahrzeuges. Auf diese Weise kann bei Omnibussen der Innenraum optimal genutzt wer-
den. Sowohl Lastwagen als auch Omnibusse wurden mit Unterflurmotor gebaut und vom
Publikum hoch gelobt. Trotzdem wurden von dieser Fahrzeugtype nur 44 Omnibus- und 39
Lastwagenfahrgestelle der Type 12000 verkauft. 40 Stück der Busse wurden als Doppel-
stock-Trambusse an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) verkauft. Der Nachteil dieser Fahr-
zeugtype war, dass sie hohe Anschaffungskosten verursachte. Die Investitionskosten des
12-Tonnen-Lastwagens betrugen rund 65.300 DM.711 Für Bundeswehrfahrzeuge war der
Unterflurmotor nicht geeignet, da die Fahrzeuge wenig Bodenfreiheit hatten. Beim Durchque-
ren von Flüssen kam es deshalb zu Problemen mit dem Unterflurmotor.712 Für Kipperfahr-
zeuge und Sattelzugmaschinen war der Unterflurmotor ebenfalls nicht einsetzbar. Fahrzeuge
für diese Einsatzbereiche wurden als Hauben- oder Frontlenker mit stehendem Motor ge-
baut. Büssing hat sich nach den Misserfolg mit dem Unterflurmotor aus dem Segment der
Produktion mittelschwerer Lastwagen zurückgezogen.713
Das Unternehmen versuchte im Jahr 1954 erneut mit der Fahrzeugtype 7500 U die Kunden
von den Vorzügen des Unterflurmotors zu überzeugen, diesmal mit Erfolg. Die Fahrzeuge
waren fahrwerktechnisch besonders ausgereift. Durch den Unterflur-Motor waren die Büs-
sing-Fahrzeuge auch bei den Spediteuren – besonders für die Verwendung als Möbel- und
Kastwagenfahrzeuge – sehr beliebt. Bei Großraum-Möbelwagen stand durch die Anordnung
des Motors die gesamte Fahrzeuglänge von 9 Metern zur Verfügung, und auch das Fahrer-
haus wies genug Platz für das Transportbegleitpersonal auf. Da für das Fahrpersonal beim
Unterflurmotor mehr Platz in der Kabine zur Verfügung stand, wurde der Fernverkehrslast-
wagen seit dem Ende der 50er-Jahre nur mehr in Unterflurbauweise angeboten. Die Fahrer-
kabinen waren komfortabel ausgestattet, mit verstellbarem Fahrersitz, gepolsterter Beifahrer-
Sitzbank, der Dachhimmel aus hellem Kunstleder. Vor allem im Fernverkehr hatten die mit
einem Unterflurmotor ausgestatteten Frontlenkerfahrzeuge eine hohe Motorleistung. Deshalb
waren diese Fahrzeuge, die außerdem eine exzellent ausgestattete, lärm- und geruchsfreie
Fahrzeugkabine hatten, bei den Kunden äußerst beliebt. Die Büssing-Fahrzeuge erreichten
in dieser Sparte binnen weniger Jahre einen Marktanteil von fast 50 Prozent. Konkurrenten
223
erklärten, dass der Unterflurmotor für Fahrzeuge im Baustellenbereich nicht geeignet wäre,
da kein entsprechender Schutz vorhanden sei. Büssing behauptete jedoch, dass der Motor
bei Reinigungsarbeiten durch den Fahrer leichter zugänglich sei.
Für Baustelleneinsätze wurden trotzdem von den Kunden die Haubenfahrzeuge bevorzugt,
welche technisch nicht so kompliziert waren und außerdem im Gesamtkaufpreis um 10 Pro-
zent günstiger waren. Büssing bot daher den Kunden, welche dem Frontlenker mit Unter-
flurmotor noch distanziert gegenüberstanden, auch Haubenfahrzeuge oder Frontlenker mit
stehendem Motor für Baustelleneinsätze an. Diese Vielfältigkeit an Fahrzeugen bedeutete
bei der Entwicklung enorme Kosten.714
Im Jahr 1960 traten die gesetzlichen Bestimmungen in Kraft: Länge der Lastwagenzüge 14
Meter, Gesamtgewicht des Lastwagenzuges 24 Tonnen und 6 PS pro Tonne Gesamtge-
wicht. Die Fuhrunternehmer waren ratlos und hofften auf eine Gesetzesänderung. Sie warte-
ten vorerst mit der Neuanschaffung von Fahrzeugen, deshalb kam es bei den Automobilher-
stellern zu größeren Auftragsrückgängen. Auch Büssing war davon betroffen und kämpfte
um das Weiterbestehen der Unternehmung. Durch die Wiederaufnahme der Produktion von
mittelschweren Fahrzeugen erhoffte sich Büssing eine wirtschaftliche Verbesserung.
1957 wurde auf der IAA, Frankfurt, ein neu entwickeltes Modell – der Haubenwagen-Typ LS
5 – im Bereich der mittelschweren Klasse vorgestellt.715 Das Fahrzeug entsprach den neuen
gesetzlichen Verkehrsbestimmungen. 1959 begann die eigentliche Serienproduktion dieser
neuen Typenreihe. Das Lastwagenmodell bekam den Namen Burglöwe. Die Typbezeich-
nung wurden durch Zusätze aus einer Kombination von Buchstaben und Ziffern ergänzt –
zum Beispiel LU 5/10 (für Lastwagen Unterflur, 5 Liter Hubraum, 10 Tonnen Gesamtge-
wicht).716
Die Eigentümer des Unternehmens, die Familie Büssing, konnten den steigenden Finanzmit-
telbedarf nicht mehr aus Eigenmitteln aufbringen. Die alten Baulichkeiten in Braunschweig
konnten nicht adaptiert werden, um auf rationelle Fertigungsabläufe umstellen zu können,
was zu wesentlichen Kostenersparnissen geführt hätte. Daraus entstand ein erheblicher
Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Automobilherstellern, welche nach Ende des Zwei-
ten Weltkrieges gezwungen waren, neue Hallen zu errichten. Um eine Ausdehnung der Pro-
duktion vornehmen zu können, wurde, um an Geldmittel familienfremder Kapitalgeber zu
gelangen, die Gesellschaft im April 1960 in die Büssing AG mit einem Grundkapital von 15
Millionen DM umgegründet.
1961 wurde in Bremen-Osterholz die Lastwagenfabrik von Borgward erworben, in welcher
die Produktion von Sonderfahrzeugen für die Polizei und die Reparatur von Bundeswehr-
714 Vgl. REGENBERG Bernd (1991), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 20 ff.
715 Vgl. REGENBERG Bernd (2007), Das Lastwagenalbum–Büssing. S. 169.
716 Vgl. REGENBERG Bernd (1991), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 10.
224
fahrzeugen vorgenommen wurde. Büssing erhoffte sich dadurch eine lukrative Einnahme-
quelle. Mit diesem Schritt war Büssing der größte Lastwagenproduzent in Europa.717 Das
Werk in Bremen-Osterholz wurde im Jahr 1969 an Faun verkauft, da sich die Pläne von Büs-
sing nicht erfüllten.718 1961 wurde das Presswerk von Büssing in Braunschweig-Querum zu
einem modernen Betrieb umgebaut, mit dem Gedanken, die gesamte Produktion des veral-
teten Stammwerkes zur Gänze dorthin zu verlagern.
Büssing suchte einen starken Partner, da sich die wirtschaftliche Situation aufgrund unter-
nehmerischer Fehlentscheidungen immer mehr zuspitzte. Die angeschlagene finanzielle La-
ge – seit dem Jahr 1962 wurden keine Gewinne mehr erwirtschaftet – führte zu einer Koope-
ration mit der Linke-Hofmann-Busch Waggon-Fahrzeug-Maschinenfabriken GmbH (LHB) in
Salzgitter. Im Jahr 1962 wurde das Aktienkapital der Büssing AG auf 20 Millionen DM erhöht,
und 35,5 Prozent des Aktienkapitals wurden von der Salzgitter AG übernommen. Das Ak-
tienkapital wurde bis zum Jahr 1968 auf 42 Millionen DM aufgestockt, gleichzeitig wurden
von der LHB die restlichen Anteile der Familie Büssing übernommen.719
In dem modern ausgestatteten Werk in Salzgitter-Watenstedt wurden der Lastwagenbau und
der Omnibusbau untergebracht. Das Stammwerk von Büssing in Braunschweig wurde Mitte
1960 aufgelöst.720 Im Werk in Querum-Braunschweig wurden noch Motoren, Getriebe und
Achsen produziert. Um eine Ausdehnung der Produktion vornehmen zu können, wurden die
Hallen der früheren Karosseriefabrik Hubertia in Küps/Oberfranken bis 1967 gemietet. In
Emden wurde 1960 ein Montagewerk errichtet, welches 1965 an das Volkswagenwerk über-
tragen wurde. Die Fertigung der mittelschweren Reihe, untergebracht in Emden, wurde nach
dem Verkauf des Werks nach Salzgitter-Watenstedt verlegt.721
Büssing hatte wie andere Automobilhersteller auch trotz technischer Höchstleistungen bei
der Entwicklung der Fahrzeuge mit Rückschlägen zu kämpfen. So bereitete anfangs die
Entwicklung des Allrad-Burglöwen Universal und des Decklasters Supercargo große Prob-
leme.722 Ab dem Jahr 1963 wurden die Modellreihen nur mehr mit der Bezeichnung Burglö-
we U versehen.
Den stärkeren Nachfolgemodellen des Burglöwen wurden klingende Namen wie Supercargo
und Commodore gegeben. Im Jahr 1963 wurden geringe Änderungen an der Fahrerkabine
vorgenommen. Das Design erinnerte an die 50er-Jahre. Die Windschutzscheibe bestand nur
mehr aus einem Teil, die Seitenfenster hingegen waren geteilt. Der Sessel des Beifahrers
hatte eine Kopfstütze und Armlehnen.723
717 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 37.
718 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 11.
719 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 37.
720 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 11.
721 Vgl. REGENBERG Bernd (1991), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 13.
722 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2001), Typenkompass, Büssing, Lastwagen und Zugmaschinen 1903 – 1971. S. 11.
723 Vgl. REGENBERG Bernd (1991), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 10 - 32.
225
Büssing hatte in seiner Produktpalette vorwiegend schwere Lastwagen. Deshalb wurde 1963
mit der Fiat-Tochter OM eine Servicevereinbarung abgeschlossen. Im Jahr 1965 wurde die-
se Verbindung gefestigt und die Büssing-OM Vertriebs GmbH in München gegründet. Die
OM-Lastwagen wurden in Italien produziert und zusätzlich mit dem Schriftzug Büssing Ser-
vice versehen. Der Verbindung zwischen OM und Büssing entsprang das kleinste Modell,
der Cerbiatto. Es handelte sich dabei um einen Zweitonner-Frontlenker.724
1965 wurden auf der IAA in Frankfurt die neuen Fahrzeugmodelle vorgestellt, aber auch OM-
Lastwagen der leichten Reihe. Die auf der IAA neu präsentierten Fahrzeugmodelle von Büs-
sing wurden mit modernen, vom Badener Designers Luis L. Lepoix gestalteten Fahrerhäu-
sern gebaut. Sämtliche Fahrzeuge, sowohl Fernverkehrs- als auch Baustellenfahrzeuge,
waren mit dem Unterflurmotor ausgestattet, da man künftig eine einheitliche Linie produzie-
ren wollte.725 Die Fahrzeuge waren teils technisch noch nicht ausgereift und zu teuer. Daher
gingen nur Sattelzugmaschinen in Serie, die anderen Fahrzeuge wurden nicht produziert.
Stattdessen wurden wieder die Modelle der ursprünglichen Bauart produziert – in der bishe-
rigen Dreigleisigkeit, nämlich mit Unterflurmotor, als Haubenfahrzeug und in Frontlenkeraus-
führung.726
Erst 1967 wurden die Fahrzeuge der schweren Reihe mit den von Lepoix designten Fahrer-
kabinen vorgestellt. 1967, auf der IAA, fiel der Name Burglöwe endgültig weg. Die neuen
Typenbezeichnungen trugen Buchstaben und Ziffern, wobei die Ziffern auf das ungefähre
höchstzulässige Gesamtgewicht hinwiesen.727 Im gleichen Jahr wurde die Bezeichnung OM
auf den OM-Modellen weggelassen, und die Fahrzeuge wurden nur mehr mit Ziffern, welche
die Nutzlast bezeichnen, gekennzeichnet.728
Die Herstellung der Haubenwagen wurde auch im Jahr 1967 eingestellt und nur mehr die
von Frontfahrzeugen beibehalten.729 Künftige Änderungen der Straßenverkehrsordnung,
wonach ein Fahrzeug pro Tonne Gesamtgewicht eine Motorleistung von 8 PS aufweisen
musste, ließen auch die Ingenieure bei Büssing nicht zur Ruhe kommen. Für einen 38-
Tonnen-Lastwagenzug waren 304 PS erforderlich. So präsentierte Büssing als erster deut-
scher Automobilhersteller einen 310 PS, später sogar 320 PS starken Motor mit Turbolader-
technik.
Der große Boom der Wirtschaftswunderjahre war auch am Nutzfahrzeugsektor vorbei. Der
Bedarf an Nutzfahrzeugen und Omnibussen war gedeckt. Viele Automobilhersteller, wie z. B.
Krupp, Henschel oder Borgward, kamen in finanzielle Schwierigkeiten oder konnten aus Kos-
tengründen mit den größeren Herstellern nicht mithalten und waren gezwungen, die Produk-
tion einzustellen, oder wurden von anderen Herstellern übernommen.
226
Auch bei Büssing waren die Umsatzzahlen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu-
rückgegangen. Büssing war seit Mitte der 60er-Jahre in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die
Gründe dafür waren unter anderem einige schwerwiegende Fehlentscheidungen des Unter-
nehmens, beispielsweise als anlässlich der IAA 1965 beschlossen wurde, künftig ausschließ-
lich Lastwagen mit Unterflurmotoren herzustellen.
Diese Fehlentscheidungen spiegelten sich in den nachstehend angeführten rückläufigen
Produktionszahlen im Jahr 1966 gegenüber den Vorjahren wider.730
731
Tab. 47: Produktionszahlen Büssing 1945 bis 1969
Eine neue Führungsebene sollte Büssung aus den roten Zahlen führen. Die Entscheidung
der neuen Führungsebene, im Jahr 1968 eine Sattelzugmaschine nicht mit einem Unter-
flurmotor, sondern einem aufrecht eingebauten Motor vorzustellen, war ein Rückschritt und
trug nicht zum angestrebten Ziel bei. Die Übernahme des Unternehmens Büssing erwies
sich für die Salzgitter AG als Fehlgriff. Diese Entscheidung kostete die Salzgitter AG von der
Übernahme der Büssing-Anteile bis zur Übertragung der Anteile an M.A.N., also innerhalb
von 8 Jahren, 450 Millionen DM.732
730 Vgl. REGENBERG Bernd (1991), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 75 ff.
731 Quelle: entnommen aus OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 38.
732 Vgl. REGENBERG Bernd (1991), Die deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. S. 82.
227
Im Jahr 1971 übertrug die Salzgitter AG die Aktienmehrheit an der Büssing AG an die M.A.N.
AG. Büssing ging somit in das Eigentum der M.A.N. AG über.
Damit endete die Unternehmensgeschichte des ältesten deutschen Nutzfahrzeugherstellers
Büssing. Die Fahrzeuge waren künftig als Fahrzeuge zugehörig zum M.A.N.-Konzern ge-
kennzeichnet.
733
Logo 16: Büssing-Fahrzeuge (nach Übernahme von Büssing durch die M.A.N. AG)
Copyright Büssing (nunmehr MAN SE, zugehörig zur Volkswagen AG)
M.A.N. beendete auch die Zusammenarbeit mit OM, da M.A.N. selbst Lastwagen der leich-
ten Reihe produzierte. Diese entstanden in der Zusammenarbeit zwischen M.A.N. und
Saviem. Der Welfen-Löwe im Markenzeichen der M.A.N.-Fahrzeuge erinnert heute noch an
das Braunschweiger Traditionsunternehmen – den einstmals größten Nutzfahrzeughersteller
Europas. Büssing-Fahrzeuge standen immer für solide und mit modernster Technik ausge-
stattete Nutzfahrzeuge und Omnibusse.734
c) Faun
Justus Christian Braun gründete am 13. Feber 1845 in Nürnberg eine Werkstatt, in welcher
er Feuerlöschgeräte herstellte. Die Räumlichkeiten wurden bald zu klein, und Braun über-
siedelte mit seinem Unternehmen in den Stadtteil Gärten bei Wörth, außerhalb von Nürn-
berg. Gleichzeitig wurde der Firmenwortlaut in Nürnberger Feuerlöschgeräte- und Maschi-
nenfabrik vormals Justus Christian Braun umfirmiert.
228
Das in den Bereichen Feuerlöschwesen und Maschinenbau führende Unternehmen beschäf-
tigte bereits 330 Mitarbeiter. 1877 verstarb Braun, und seine Söhne Johann Friedrich Ema-
nuel, Johann Conrad und Christian Sigmund führten das Unternehmen fort.735
Das aufstrebende Unternehmen befasste sich um die Jahrhundertwende ebenso mit dem
Automobilbau. 1908 wurde mit der Produktion der Müllwagen und Kehrmaschinen begon-
nen.736 Die Entscheidung, Automobile zu produzieren, führte dazu, dass die Unternehmung
im Jahr 1911 in finanzielle Schwierigkeiten geriet und liquidiert wurde.737
Karl Schmidt, von Beruf Schmied, pachtete die Liegenschaften des ehemaligen Unterneh-
mens Justus Braun in Nürnberg und produzierte nach eigenen Ideen Lastwagen, Kommunal-
und Feuerwehrfahrzeuge. Im Jahr 1906 wurde die Fahrzeugfabrik Ansbach AG gegründet,
welche am 14. Jänner 1919 mit der Feuerlöschgeräte & Fahrzeugfabrik Karl Schmidt ver-
schmolzen wurde. Der Firmenwortlaut des Unternehmens lautete auf Fahrzeugfabriken Ans-
bach und Nürnberg AG. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 18. November 1920 wurde
der Firmenwortlaut in FAUN-Werke AG geändert.738
Neben den bisher produzierten Dreitonnen-Lastwagen wurden auch Müllwagen, Feuerwehr-
und Sonderfahrzeuge sowie Omnibusse und ein paar Jahre hindurch auch Personenfahr-
zeuge in das Produktionsprogramm aufgenommen.739
Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den Jahren 1925/26 wurde das Unternehmen sa-
niert, wobei die Fried. Krupp AG zwei Drittel der Aktien übernahm.740 1928 wurde von Faun
ein Rolltrommel-Müllwagen, ein Jahr später das erste Kehrfahrzeug – das den Kehricht
selbst aufnahm – produziert. Die Fahrzeuge waren entweder mit Maybach- oder den ameri-
kanischen Hercules-Motoren ausgestattet. 1938 präsentierte Faun einen Vierachslastwagen
mit einem 200 PS-starken Achtzylinder-Dieselmotor und gelenkten Vorderachsen.741
Der Sohn von Karl Schmidt, Dipl.-Ing. Karl Heinz Schmidt übernahm 1938 das Unternehmen
und wurde 1939 dessen alleiniger Eigentümer. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurden in
den Jahren 1942 und 1943 die Werkhallen gänzlich zerstört. Im Jahr 1944 begann Dipl.-Ing.
Karl Heinz Schmidt bei Lauf an der Pegnitz mit der Errichtung von neuen Fabrikshallen.742
735 Vgl. BRAUN Rüdiger (1999), Die Braun´s zu Nürnberg. Von-A-bis-Z-Verlag, Erlangen 1999. Auszug aus dem Buch erschienen auf der offiziellen
Website des Fördervereins Nürnberger Feuerwehr-Museum. Abzurufen unter: http://www.feuerwehrmuseum-nuernberg.de/Geschichte/Justus-Christian-
Braun.html. Abgerufen am 26.08.2013.
736 Vgl. offizielle Website von FAUN. Abzurufen unter: http://www.faun.com/home/unternehmen/historie.html. Abgerufen am 26.08.2013.
737 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 79.
738 Vgl. BRAUN Rüdiger (1999), Die Braun´s zu Nürnberg. Von-A-bis-Z-Verlag. Erlangen 1999. Auszug aus dem Buch erschienen auf der offiziellen
Website des Fördervereins Nürnberger Feuerwehr-Museum. Abzurufen unter: http://www.feuerwehrmuseum-nuernberg.de/Geschichte/Justus-Christian-
Braun.html. Abgerufen am 26.08.2013.
739 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon, Stuttgart 2008. S. 117.
740 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 79.
741 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon, Stuttgart 2008. S. 118.
742 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 79.
229
Faun von 1945 bis 1990
Im Jahr 1946 wurde die Produktion in den neuen Fabrikshallen aufgenommen. Die ersten
Müllwagen wurden 1946 produziert und 1947 an die Kunden geliefert. Die ersten Lastwagen
und Zugmaschinen wurden 1948 ausgeliefert. Durch die Aufbautätigkeit nach dem Zweiten
Weltkrieg war eine große Nachfrage nach Nutzfahrzeugen gegeben.743
Das erste Muldenkipperfahrzeug mit einer Nutzlast von 20 Tonnen wurde 1950 präsentiert.
Im gleichen Jahr bestellte die Bundesbahn 110 Omnibusfahrgestelle.744
Faun übernahm im Jahr 1955 die Fahrzeugfabrik Willy Ostner in Sulzbach-Rosenberg.
Nunmehr konnte Faun auch kleinere Transportfahrzeuge anbieten, wobei die Produktion
dieser Fahrzeuge 1968 eingestellt wurde, da bei den verkauften Stückzahlen keine Kosten-
deckung erzielt wurde.745
Die FAUN-Fahrzeuge trugen nachstehendes Logo:
746
Logo 17: Faun-Fahrzeuge
Copyright Tadano Ltd., Präfektur Kagawa, Japan
230
sich Faun im Geschäftsjahr 1968/1969 gänzlich von der Lastwagen- und Busproduktion zu-
rückzog und sich ausschließlich auf die Herstellung von Spezialfahrzeugen beschränkte.748
Auch das Unternehmen Krupp stellte seine Lastwagenproduktion ein. Im Jahr 1969 über-
nahm Faun den Vertrieb der noch vorhandenen Krupp-Muldenkipper.749
1972 übernahm Faun von Büssing die Liegenschaften in Osterholz-Scharmbeck. Im gleichen
Jahr erfolgte eine Umstrukturierung im Unternehmen, wobei im Werk Osterholz-Scharmbeck
die Entwicklung, Fertigung und der Vertrieb der Kommunalfahrzeuge vorgenommen wurde.
In den 70er-Jahren erfolgte eine ständige Weiterentwicklung der kommunalen Fahrzeuge,
aber auch eine Ausweitung der Exporttätigkeiten und Aufbau eines europaweiten Händler-
netzes für diese Fahrzeuge. 1981 erhielt Faun vom irakischen Staat einen Auftrag über die
Lieferung von 575 Kehrfahrzeugen mit einem Auftragswert von 100 Millionen DM. Die jährli-
che Fertigungsmenge betrug im Jahr 1981 500 Stück, nach Modernisierung der Fertigungs-
anlagen im Jahr 1982 bereits 600 Stück an Kommunalfahrzeugen.750
Seit dem Jahr 1980 wurden Autokrane in allen Größen in das Produktionsprogramm mit auf-
genommen.751
1985 wurde die Rechtsform des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft umgegründet.
Orenstein & Koppel übernahm die Aktienmehrheit an dem Unternehmen und verkaufte an
die Unternehmerfamilie Schmidt, Nürnberg, 1987 die Unternehmenssparte des Umweltberei-
ches. Die von Schmidt neu errichtete Gesellschaft firmierte unter FAUN Umwelttechnik
GmbH. Somit verblieb am Standort Osterholz der Fertigungsbereich für die Kommunalfahr-
zeuge.752
In den 80er-Jahren befand sich die FAUN Umwelttechnik GmbH auf Expansionskurs und
ging Beteiligungen mit anderen Unternehmen ein. Ständige Forschungs- und Entwicklungs-
maßnahmen sowie Rationalisierungen im Werk führten dazu, dass im Jahr 1991 bereits
1111 Müllfahrzeuge jährlich produziert wurden. 1992 wurde das Unternehmen in eine Akti-
engesellschaft umgegründet, und 1994 verkaufte die Familie Schmidt die Anteile an die
Kirchhoff-Gruppe. Die Gesellschaft führte die Produktion mit den Kommunalfahrzeugen wei-
ter.753
231
Der Produktionsbereich der Autokräne, Schwerfahrzeuge und Muldenkipper verblieb nach
dem Verkauf der Umweltsparte an die Familie Schmidt in der FAUN AG. Die Fahrzeuge
wurden unter dem Namen der neuen Eigentümer – Orenstein & Koppel – gefertigt.754
Orenstein & Koppel übertrug die Mehrheitsanteile an der FAUN AG (Bereich Schwerfahr-
zeuge, Fahrzeugkräne und Sonderfahrzeuge) im Jahr 1990 an den japanischen Kranherstel-
ler Tadano. Das Geschäft mit den schweren Zugmaschinen wurde eingestellt, gefertigt wer-
den nur mehr Auto- und Mobilkrane. Die dafür in Deutschland gegründete Tadano-Faun
GmbH ist heute eine 100-prozentige Tochter der japanischen Tadano Ltd., und zählt zu den
führenden europäischen Kranherstellern.755
Faun hatte vor allem bei den schweren Lastwagen guten Ruf.
d) Krupp
Friedrich Krupp gründete am 20. November 1811 das Unternehmen Fried. Krupp, welches
sich auf die Erzeugung von Tiegel-Gussstahl spezialisierte. Trotz des unermüdlichen Einsat-
zes des Firmengründers geriet das Unternehmen kurz vor seinem Tode im Jahr 1826 in gro-
ße finanzielle Schwierigkeiten. Sein Sohn Alfred übernahm das Unternehmen und führte es
aus den roten Zahlen.
Zum Aufschwung des Unternehmens hat neben der Stahlerzeugung auch dessen Verarbei-
tung und hier vor allem die Herstellung von nahtlos gewalzten Eisenbahn-Radreifen beige-
tragen. Diese Reifen trugen wesentlich zur Sicherheit und zur Schnelligkeit der Beförde-
rungsmittel bei. Der Mitarbeiterstand des Unternehmens wuchs von 8 Arbeitnehmern im Jahr
1830 bis zu Alfred Krupps Tod im Jahr 1887 auf 20.000 Arbeitnehmer an.
Friedrich Alfred Krupp übernahm nach dem Tod seines Vaters Alfred Krupp die Leitung des
Unternehmens. Gemeinsam mit M.A.N. erwarb er das Dieselpatent von Rudolf Diesel. Von
beiden Unternehmen wurden Versuchsmotoren gebaut. Krupp produzierte 20-PS- und 50-
PS starke Motoren. Die Unternehmung wurde am 30. Juni 1903 in eine Aktiengesellschaft
mit dem Firmenwortlaut Fried. Krupp AG umgegründet. Nach dem Ableben von Friedrich
Alfred Krupp übernahm seine Tochter Bertha die Leitung des Unternehmens. Im Jahr 1906
heiratete sie Dr. Gustav von Bohlen und Halbach. Ihr Gatte wurde 1909 Vorsitzender des
Aufsichtsrates der Fried. Krupp AG.
754 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 79.
755 Ebenda S. 119.
232
Die Haupttätigkeit von Krupp war nach wie vor die Stahlgewinnung und -verarbeitung. Der
hochwertige Stahl war vor allem für die Herstellung von Kanonen geeignet. Auch wurden
Stahlschienen von Krupp für den Ausbau des Eisenbahnnetzes nach Nordamerika gelie-
fert.756
1905 befasste sich die Krupp AG erstmals mit der Herstellung von Lastwagen und fertigte
einen kettengetriebenen Lastwagen. Zusammen mit der Daimler-Motoren-Gesellschaft pro-
duzierte Krupp in den Zeit 1917 bis 1918 Motornutzfahrzeuge, allradangetriebene Artillerie-
Kraftzugmaschinen, ausgestattet mit einem 100 PS starken Daimlermotor.757
Während des Ersten Weltkrieges war das Unternehmen voll ausgelastet. Die Produktion
wurde von Krupp verfünffacht, um die Aufträge des Staates erfüllen zu können. Besonders
bekannt war in dieser Zeit das Geschoß mit dem Spitznamen die „Dicke Berta“, ein 42-cm-
Mörser. Die Gewinne in den ersten Jahren des Krieges wurden in Werkshallen investiert,
welche nach dem Krieg nicht mehr verwendbar waren.758
Der größte Produktionszweig der Fried. Krupp AG, die Waffenproduktion, wurde nach dem
Ende des Ersten Weltkrieges eingestellt.759 Deutschland durfte laut Friedensvertrag von Ver-
sailles am 28. Juni 1919 „keine Panzer, U-Boote, Schlachtschiffe oder Kriegsflugzeuge be-
sitzen“.760 Das Unternehmen musste sich daher um ein neues Standbein umsehen. Dieses
wurde im Kraftfahrzeugbau, speziell im Lastwagenbau, gefunden. Einfachheit und Zweck-
mäßigkeit sollten bei der Konstruktion der Lastwagen im Vordergrund stehen. Neben den
Lastwagen wurden auch Spezialfahrzeuge für die Straßenreinigung, die Feuerwehr und den
Rettungsdienst produziert.761
Im Jahr 1920 stellte Krupp den ersten deutschen Motorroller vor, ein Fahrzeug, das in den
USA damals bereits sehr beliebt war. Bei den Kunden in Deutschland stieß das Fahrzeug
auf wenig Anklang, daher wurde die Fertigung des Motorrollers im Jahr 1922 wieder einge-
stellt.762
Großen Zuspruch fand die wendige dreirädrige Kehrmaschine, die im Jahr 1921 den Kunden
vorgestellt wurde. Der Straßenschmutz wurde durch eine Walze mit Piassava-Borsten auf
756 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp, Brilon 1996. S. 5 ff.
757 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2013), Typenkompass, Krupp, Lastwagen 1919 – 1968. Stuttgart, S. 6.
758 Vgl. offzielle Website von THYSSENKRUPP. Die Chroniken. Wilhelminisches Zeitalter. 1917: Entwicklung eines Langrohrgeschützes mit 130 km
Reichweite („Paris-Geschütz“). Abzurufen unter: http://www.thyssenkrupp.com/de/konzern/geschichte_chronik_k1917.html. Abgerufen am 26.08.2013. Vgl.
offizielle Website von www. panzer-archiv.de. 42-cm Gamma-Gerät. Abzurufen unter: http://www.panzer-
archiv.de/geschuetze/deutschland/dickeberta/dickeberta.html. Abgerufen am 26.08.2013.
759 Vgl. offzielle Website von THYSSENKRUPP. Die Chroniken. Weimarer Republik. 1919: Umstellung auf Friedensproduktion. Abzurufen unter:
http://www.thyssenkrupp.com/de/konzern/geschichte_chronik_k1919.htm. Abgerufen am 26.08.2013.
760 Vgl. FRIEDENSVERTRAG VON VERSAILLES vom 28. Juni 1919. Abzurufen unter: http://www.documentarchiv.de/wr/vv03.html. Abgerufen am
26.08.2013. Vgl. auch www. PAEDAGOGIK.net. Wochenthema: Imperialismus und Erster Weltkrieg. Abzurufen unter:
http://www.paedagogik.net/wochenthemen/weltkrieg1/versaillervertrag.html. Abgerufen am 27.10.2013.
761 Vgl. offzielle Website von THYSSENKRUPP. Die Chroniken. Weimarer Republik. 1919: Umstellung auf Friedensproduktion. Abzurufen unter:
http://www.thyssenkrupp.com/de/konzern/geschichte_chronik_k1919.htm. Abgerufen am 26.08.2013.
762 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp. S. 18.
233
einer Seite zusammengekehrt, anschließend konnte der Kehrricht von Hand beseitigt wer-
den. Der große Vorteil dieser Kehrmaschine war die größere Leistungsmenge als die der
damals üblichen, von Pferden gezogenen Kehrmaschinen. Außerdem war nur ein Mann zur
Bedienung der Maschine erforderlich. Die Kehrmaschine war mit einem 24 PS starken Motor
ausgestattet. Die Kehrmaschinen kamen etwa auch in der argentinischen Hauptstadt Buenos
Aires, aber auch in Oslo, wo sie zum Zwecke der Schneeräumung mit einem Schneepflug-
aufsatz versehen wurden, zum Einsatz.763
Im Jahr 1924 verließ der kleinste Lastwagen, ein 1,5- bis 2-Tonnen-Schnelllastwagen, die
Produktionshallen von Krupp. Der Lastwagen war mit Luftbereifung ausgestattet und erreich-
te mit seinem 40 PS starken Motor eine Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h. Auch die sonsti-
gen Ausstattungsmerkmale wie Bremsbacken an den Hinterrädern und eine abschließbare
Motorhaube, die nur mit dem passenden Schlüssel geöffnet werden konnte, zeichneten die-
se Lastwagentype aus.764 Bereits im Jahr 1927 wurde ein verbessertes 3-Tonnen-Modell
vorgestellt. Zu den Abnehmern der Krupplastwagen zählten Bau- und Forstbetriebe, Feuer-
lösch- und Rettungsdienste sowie die Reichswehr.
1929, zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, übernahm Krupp die Deutsche Lastwagenautomobil-
fabrik AG (DAAG) und die Werksanlagen der Unternehmung in Ratingen. Das Unternehmen
bestand seit dem Jahr 1910 und war ausschließlich auf die Produktion von Lastwagen und
Omnibussen ausgerichtet. Die Herstellung der DAAG-Lastwagen und die Omnibusprodukti-
on wurden nach der Übernahme von Krupp nicht fortgeführt. Es wurden die neuen maschi-
nellen Anlagen der DAAG in die Krupp-Werkshallen überstellt.765
Krupp entwickelte einen eigenen Motor, den Glühring-Motor766, dessen Produktion nach eini-
gen Jahren eingestellt wurde. Krupp erwarb zudem die Lizenz für die Fertigung des Junkers-
Zweitakt-Dieselmotors. Durch den Einbau dieser Motoren erlangte der Krupplastwagen den
Ruf eines robusten und strapazierfähigen Transportmittels mit geringem Verbrauch. Die luft-
gekühlten Dieselmotoren gewannen auch bei Krupp immer mehr an Bedeutung. Im Zuge der
Automobil-Ausstellung in Berlin im Jahr 1934 wurde den Besuchern erstmals ein neuartiger
luftgekühlter Zweitakt-Dieselmotor vorgestellt. Auch das Design der Fahrzeuge wurde umge-
ändert, anstatt der bisher steilen Frontmaske wurde eine abgerundete, geschlossene Haube
präsentiert.767
Im Jahr 1935 wurde ein neuer 6,5-Tonnen-Schwerlastwagen vorgestellt, welcher im Design
an das herkömmliche Styling der Krupplastwagen anknüpfte. Der in Lizenz gebaute Junkers-
Dieselmotor entsprach nicht den Vorstellungen der Konstrukteure. Deshalb entschlossen
sich die Konstrukteure von Krupp, einen Dieselmotor zu entwickeln, welcher in dem neu
234
konstruierten Dreitonner eingebaut wurde. Die Präsentation dieses Lastwagens erfolgte an-
lässlich der Berliner Automobilausstellung 1939. Wegen des Typenbegrenzungsprogramms
sowie der kriegsbedingten Rohstoffengpässe wurden nur mehr geringe Stückzahlen dieses
neu vorgestellten Fahrzeuges produziert.768
Hitler ernannte 1937 Bertha Krupps ältesten Sohn, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach,
zum Wehrwirtschaftsführer. Das Unternehmen profitierte während des Zweiten Weltkrieges
von den Rüstungsaufträgen. Hitler gewährleistete 1943 durch die Lex Krupp, dass die Krupp
AG mit 15. Dezember 1943 in eine Privatfirma mit alleiniger Inhaberin Bertha Krupp umge-
wandelt werden konnte. Bertha Krupp übertrug ihre Anteile an Alfried Krupp, der damit fak-
tisch zum alleinigen Leiter und Eigentümer des Unternehmens mit 175 Betrieben und 60 Fili-
alen im Ausland wurde. Mit dem Ausnahmegesetz war gewährleistet, dass alle Betriebe
steuerlich eine Einheit bildeten und somit von der Erbschaftssteuer ausgenommen waren.769
Der Generalbevollmächtigte für das Kraftfahrwesen, Oberst von Schell, ordnete an, dass
Krupp eine Fahrzeugtype mit 6,5 Tonnen Nutzlast zu produzieren hatte. Die Konstruktion
sollte gemeinsam mit Faun, Fross-Büssing und M.A.N. durchgeführt werden.770
Die Produktion eines schweren Fahrzeuges wurde verlangt, welches in schwierigem Gelän-
de auch eine hohe Zugleistung erbringen sollte. Eine 12-Tonnen- bzw. später eine 8-Tonnen-
Zugmaschine wurden anhand der Pläne des Heereswaffenamtes von Krupp produziert. Die
damaligen Motortypen wurden unter hohem konstruktivem Aufwand umgebaut – damit der
Antrieb der Motoren auch mit Ersatztreibstoffen wie Holzgas, Leuchtgas, Methangas oder
Flüssiggas möglich war.
Die Fabrikshallen in Essen wurden durch die Fliegerangriffe im Jahr 1943 stark beschädigt,
sodass die Produktion nach Mühlhausen im Elsass verlegt werden musste. Gleichzeitig wur-
de eine eigene Gesellschaft unter dem Namen Elmag-Werke Elsass, Maschinenbaugesell-
schaft m.b.H. gegründet. Die Produktion der schweren Serie nach Lizenz von Daimler-Benz
wurde in Mühlhausen fortgesetzt. Bedingt durch den Kriegszustand musste auf Anweisung
der Reichsregierung im Herbst 1944 eine neuerliche Umsiedelung der Krupp-Werke nach
Franken vorgenommen werden. Der Firmenwortlaut wurde wieder geändert, in Südwerke
GmbH. Die Südwerke GmbH musste ihre Produktionsstätten – wegen der Größe der Werks-
hallen – auf die Städte Kulmbach (Franken), Bamberg und Nürnberg aufteilen.771
235
Krupp von 1945 bis 1995
Von den Fabriksanlagen in Essen wurden ein Drittel total und ein weiteres Drittel schwer
beschädigt.772 Die fränkischen Produktionsbetriebe der Südwerke GmbH gelangten nach
Beendigung des Zweiten Weltkrieges großteils unbeschädigt in die Hände der Siegermäch-
te.773
Im Zuge eines Entflechtungsplanes der Krupp AG wurden die Bergwerks- und Hüttenbetrie-
be verkauft und dem Unternehmen jegliche Grundlage für die Rohstoff- und Stahlzulieferun-
gen entzogen. Der Konzern wurde neu strukturiert, wobei mehrere Einzelbetriebe entstan-
den. Die Verwaltung des Unternehmens wurde der alliierten Kontrolle unterstellt.774 Krupp
unterhielt während des Zweiten Weltkrieges 138 private KZ-Lager und beschäftigte im Un-
ternehmen 97.952 Zwangsarbeiter, darunter auch Juden. Für die Geschäftspolitik des Krupp-
Konzerns während des Zweiten Weltkrieges war Alfried Krupp von Bohlen und Halbach
hauptverantwortlich.775 Alfried Krupp wird gegen Kriegsende unter Arrest gestellt und am 31.
Juli 1948 vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg wegen der Nähe zur nationalso-
zialistischen Herrschaft sowie der Ausbeutung von Zwangsarbeitern zu 12 Jahren Haft und
der Entziehung des Vermögens verurteilt. Am 31. Jänner 1951 wird Krupp amnestiert.776
Die Werksanlagen und die Maschinen der Südwerke GmbH blieben im Zweiten Weltkrieg
zwar großteils unbeschädigt, auch stand die geeignete Arbeitnehmerschaft zur Verfügung,
aber für die Produktion war keine geeignete Fahrzeugtype vorhanden. Die Reichsregierung
hatte Krupp bereits in ersten Kriegsjahren verboten, Lastwagen zu produzieren.777 Das Un-
ternehmen Krupp war für die Waffenproduktion zuständig. „Im Zweiten Weltkrieg zerschoß
[sic] Krupps 80-Zentimeter-Eisenbahngeschütz die sowjetische Festung Sewastopol.“778 Hit-
ler sprach Krupp „höchste Anerkennung für die unvergleichbare Leistung bei der Verstärkung
der militärischen Macht Deutschland“ aus.779 Andere Hersteller konnten während des Zwei-
ten Weltkrieges zumindest eine Fahrzeugtype produzieren und hatten somit die Möglichkeit,
in den Nachkriegsjahren diese Fahrzeuge weiterzuentwickeln. Dieser Fall war bei Krupp
772 Vgl. offzielle Website von THYSSENKRUPP. Die Chroniken. Bonner Republik. 1945: Das Unternehmen wird Alliierter [sic] Kontrolle unterstellt.
Abzurufen unter: http://www.thyssenkrupp.com/de/konzern/geschichte_chronik_k1945.html. Abgerufen am 26.08.2013.
773 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp, Brilon 1996. S. 64.
774 Vgl. THYSSENKRUPP. Die Chroniken. Bonner Republik. 1945: Das Unternehmen wird Alliierter [sic] Kontrolle unterstellt. Abzurufen unter:
http://www.thyssenkrupp.com/de/konzern/geschichte_chronik_k1945.html. Abgerufen am 26.08.2013.
775 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 34 vom 19.08.1968. Zeitgeschichte/Krupp: Heilige Kuh. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45966341.html.
Abgerufen am 26.08.2013.
776 Vgl.ALFRIED KRUPP VON BOHLEN UND HALBACH. Biografie. 1907 – 1967. Abzurufen unter:
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/KruppBohlenHalbachAlfried/. Abgerufen am 26.08.2013.
777 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp, Brilon 1996. S. 5 – 67.
778 DER SPIEGEL Nr. 42 vom 14.10.1968. Rüstung/Krupp. Was bumm macht. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45950002.html.
Abgerufen am: 26.08.2013.
779 Ebenda.
236
nicht gegeben, außerdem ermöglichte der häufige Standortwechsel keine geregelte Produk-
tion.780
Die Lastwagenproduktion wurde durch die Demontage von 699 Werkzeugmaschinen im
Wert von 6 Millionen Mark erheblich eingeschränkt. Deshalb musste der Mitarbeiterstand
zwischen 1948 und 1950 von zunächst 1033 Arbeitern und 218 Angestellten auf 621 Arbeiter
und 188 Angestellte reduziert werden.781
Die Südwerke GmbH in Kulmbach befand sich in der amerikanischen Besatzungszone, das
Werk in Essen in der britischen Besatzungszone, was zu bürokratischen Problemen führte.
Der Krupp-Konzern war während der Nazi-Herrschaft mitverantwortlich für die massive mili-
tärische Aufrüstung Deutschlands gewesen. Deshalb wurde die Südwerke GmbH im Jahr
1946 unter Property Control782 gestellt. Das Führen des Markenzeichens, die drei Ringe,
wurde ebenfalls untersagt. Der Firmenname Krupp kam vorerst im Zusammenhang mit der
Automobilherstellung nicht mehr vor.783
Die Südwerke GmbH durfte nach der Genehmigung durch die Militärregierung im Herbst
1945 die Lastwagenproduktion in den Hallen der EKU-Brauerei in Kulmbach wieder aufneh-
men. Die Firmenleitung beschloss die Produktion von 4,5-Tonnen-Lastwagen – die ersten
Lastwagen wurden im Jahr 1946 präsentiert. Die traditionellen Kruppringe am Kühlergrill
wurden durch die Buchstaben SW für Südwerke GmbH in einem gleichseitigen Dreieck er-
setzt.784
Im Motorenbereich ging die Südwerke GmbH weg von den Holzgaserzeugern und hin zu den
Dieselmotoren.785 Ab dem Jahr 1948 wurden die Lastwagen je nach Wunsch mit einem
Zweitakt-Dieselmotor, einem Benzinmotor oder einem Motor in Holzgas-Ausführung angebo-
ten. Die Dieselmotoren erbrachten zwar eine hohe Motorleistung, waren aber sehr repara-
turanfällig, laut und hoch im Verbrauch. Da die Fahrzeuge zum Wiederaufbau nach Ende
des Zweiten Weltkrieges dringend benötigt wurden, nahmen die Kunden diese Nachteile in
Kauf.786
Die Lastwagen wurden für den Kommunalbereich als Schlammsaug- und Sprengwagen,
Müllfahrzeuge, Feuerwehrfahrzeuge, aber auch als Kipper- und Pritschenfahrzeuge produ-
ziert. Im Jahr 1949 wurde den Kunden die neue 5-Tonner-Serie vorgestellt. Die Fahrzeuge
237
wurden auf Wunsch der Kunden mit Diesel- oder Benzinmotoren ausgestattet, die Holzgas-
Ausführung wurde aus dem Produktionsprogramm genommen.787
Die kaufmännische Geschäftsleitung der Unternehmung wurde vom seinerzeitigen Vor-
standsmitglied der Wanderer-Werke, Hermann K. Klee, die technische Leitung von Dipl.-Ing.
Walter Cambeis übernommen. Aufgabe der Geschäftsleitung war es, einerseits neue Fahr-
zeugtypen auf den Markt zu bringen, da die bestehende Produktpalette nicht mehr die An-
sprüche der Kunden erfüllte. Andererseits sollte durch neue Fahrzeugtypen der einstmals
gute Ruf von Krupp wiederhergestellt werden.
Außerdem überprüfte der kaufmännische Leiter Hermann K. Klee die Vorteilhaftigkeit der
räumlichen Trennung der Produktionsstandorte. Ein Gutachten zeigte, dass es zwei Mög-
lichkeiten gab: entweder eine staatliche Hilfe von 3 Millionen DM, um eine neue Fabrik zu
errichten, oder eine Rückübersiedelung der Südwerke GmbH an die seinerzeitige Produkti-
onsstätte in Essen. Die bayrische Landesregierung war nicht bereit, der Südwerke GmbH
größere Beträge zur Verfügung zu stellen, da die Südwerke GmbH kein bayrischer Betrieb
war, sondern von den Nationalsozialisten in Bayern angesiedelt worden war. Deshalb stimm-
te die bayrische Landesregierung der Umsiedelung des Unternehmens nach Essen zu.788
So verlagerte die Südwerke GmbH 1951 ihren Standort wieder nach Essen.789 Die Regie-
rung von Nordrhein-Westfalen stellte einen Kredit von 1,5 Millionen DM zur Verfügung. Zu-
sätzliche Finanzmittel wurden von der Konzernmutter des Unternehmens, Fried. Krupp, ge-
geben. Neue Fabrikhallen wurden auf einem 26.000 m2 großen Gelände in Essen in der
Husmannshofstraße errichtet. Arbeitskräfte wurden aus dem Bestand der heimischen Arbei-
terreserve rekrutiert, sodass der Arbeitnehmerstand des Unternehmens gegen Ende 1952
auf 1800 Personen angewachsen war. Im Frühjahr 1952 wurden auch der Nürnberger Be-
trieb und die Motorenfertigung von Kulmbach nach Essen verlegt.790
Der technische Geschäftsleiter, Dipl.-Ing. Walter Campeis, arbeitete mit seinen Konstrukteu-
ren im Eilzugstempo an neuen Modellen. Innerhalb von sechs Monaten wurden die neuen
Lastwagentypen den Kunden präsentiert. Im Regelfall dauerte es zur damaligen Zeit von der
Konstruktion bis zur Produktion neuer Modelle circa drei Jahre. Die Konstruktion des eigenen
Zweitakt-Dieselmotors, mit welchem bereits in der Vorkriegszeit begonnen wurde, wurde
weitergeführt und verbessert. Der Kraftstoffverbrauch dieser Modelle lag um 6 Prozent unter
dem der Büssing-Fahrzeuge und 15 Prozent unter dem der Faun-Fahrzeuge. Beim Design
der zukünftigen Modelle orientierten sich die Konstrukteure an den amerikanischen Perso-
nenkraftwagen von General Motors.791 Die Fahrzeuge hatten eine abgerundete Motorhaube,
238
auf die wieder die drei Kruppringe aufgesetzt waren. Titan hieß das neue Modell der Süd-
werke GmbH, welches auf dem Pariser Autosalon im Jahr 1950 vorgestellt wurde.792
Technische Probleme der Fahrzeuge, bedingt durch die kurze Konstruktionsphase von
sechs Monaten, waren vorprogrammiert. Die Probleme traten vermehrt im Motorenbereich
auf. Um den Ruf der Fahrzeugtype Titan wiederherzustellen, wurde versucht, diese Modelle
so schnell wie möglich durch Nachfolgemodelle zu ersetzen.
Im Jahr 1950 wurden 77 Pritschenfahrzeuge und ein Kipperfahrzeug sowie vier Sattelzug-
maschinen produziert. Die Produktionszahlen waren nicht überwältigend. Die Mustang-
Baureihe, ein neuer 6,5-Tonnen-Lastwagen, und die Büffel-Baureihe, ein 5-Tonnen-
Lastwagen, wurden von Anfang an im neuen Essener Werk gefertigt und im Jahr 1951 der
Öffentlichkeit vorgestellt. Die Titan-Baureihe wurde im neuen Werk weiterproduziert. Bis zum
Jahr 1954 wurden 633 Pritschenwagen, 140 Kipperfahrzeuge und 35 Sattelzugmaschinen
gefertigt. 1955 wurde nach der Fertigung eines überarbeiteten Modells die Produktion der
Type Titan eingestellt. Auch das Nachfolgemodell Titan Super war kein Erfolg. Bereits nach
einem Jahr mit nur zehn hergestellten Fahrzeugen wurde auch die Fertigung dieses Modells
eingestellt.
Mehr Anklang bei den Kunden fand der Muldenkipper Cyklop für den schweren Geländeein-
satz, welcher ab März 1951 produziert wurde. Das Fahrzeug war mit einem 210 PS starken
Motor ausgestattet und hatte eine Nutzlast vorerst von 9, später von 11 Tonnen. Auch die im
Jahr 1953 vorgestellte Lastwagentype Gigant wurde als Zugmaschine, Kipper- oder Kran-
fahrzeug produziert. Diese Type wurde in der schweren Muldenkipperreihe bis zum Jahr
1956 produziert.
Auf der Frankfurter IAA 1953 präsentierte die Südwerke GmbH das Geländemodell Drache
und als Spezialfahrzeug den ersten Autobagger auf einem Lastwagenfahrgestell. Durch die
Präsentation der neuen Modelle erhoffte sich die Südwerke GmbH Aufträge von der künfti-
gen Bundeswehr. Die Hoffnung auf Bundeswehraufträge wurde jedoch nicht erfüllt. Lediglich
einige Kranwagen, aufgebaut auf das Lastwagenmodell Drache, wurden geordert. Die Groß-
aufträge der Bundeswehr wurden an M.A.N. und an Daimler-Benz zur Lieferung von 5-
Tonnen-Lastwagen und an Magirus zur Lieferung von Dreiachs-Siebentonner-Fahrzeugen
vergeben.
Im Jahr 1954 erfolgte die Änderung des Firmenwortlautes von Südwerke GmbH in Fried.
Krupp Motoren- und Kraftwagenfabriken GmbH. Mit der Änderung des Firmenwortlautes
wurden auch die Typenbezeichnungen der Lastwagen geändert. Das SW für Südwerke wur-
de ebenfalls aus der Typenbezeichnung genommen.
Auf der IAA 1955 in Frankfurt wurde der Lastwagen Widder mit einer Nutzlast von 5 Tonnen
präsentiert. Damit versuchte Krupp, auch im Bereich der mittelschweren Lastwagen wieder
792 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2013), Typenkompass. Krupp, Lastwagen 1919 – 1968. S. 65.
239
Fuß zu fassen. Im Jahr 1955 wurde die erste Frontlenker-Ausführung der Type Mustang den
Kunden vorgestellt.
Die Krupp-Techniker versuchten 1957 mit der Allrad-Version des Elch verstärkt im Baustel-
lenbereich Fuß zu fassen.
Dem neuen Lastwagenmodell, präsentiert auf der IAA 1957 in Frankfurt, wurde nicht mehr
ein Tiernamen, sondern der Namen der Stadt Genf gegeben. Der Lastwagen der Type Genf
kam über den Prototyp nicht hinaus, da die gesetzlich geforderte Übereinstimmung von Ma-
ßen und Gewichten nicht erreicht werden konnte.793
Nachdem 1956 die Absatzspitze im Bereich der Lastwagenfertigung erreicht war, kam es im
Jahr 1957 zu einem drastischen Einbruch der Produktionszahlen.794 Bedingt durch die Unsi-
cherheit innerhalb der Transportindustrie, waren die Hersteller schwerer Nutzfahrzeuge be-
sonders von den bevorstehenden Verordnungen betroffen, die die Abmaße und Gewichte
der Nutzfahrzeuge neu regeln sollten: Ein Lastzug durfte maximal eine Länge von 14 Metern,
das Zugfahrzeug mit Anhänger ein Höchstgewicht von 24 Tonnen haben. Eine Achse durfte
maximal mit acht Tonnen belastet werden und die Nutzlast maximal 15 Tonnen betragen.
Geplant war, dass die Verordnung im Jahr 1960 in Kraft treten sollte.
Wie alle Nutzfahrzeughersteller war auch Krupp von diesen gesetzlichen Bestimmungen und
deren Folgen betroffen. Es wurde in der Nutzfahrzeugbranche bereits darüber gesprochen,
dass Krupp den Rückzug aus dem Lastwagenbau vorsah. Dabei handelte es sich aber ledig-
lich um Gerüchte, denn bei Krupp wurde an der Konstruktion von Modellen gearbeitet, wel-
che die gesetzlichen Vorschriften erfüllten.795
Anlässlich der IAA 1959 in Frankfurt präsentierte Krupp die meisten Neuheiten. Haubenwa-
gen, aber auch Frontlenker, Mittel- und Schwerlastfahrzeuge wurden im neuen Design mit
einem komfortabel ausgestatteten Fahrerhaus vorgestellt. Auch die Motoren wurden neu
konstruiert. Als Metall wurde Aluminium verwendet, was eine 50-prozentige Gewichtseinspa-
rung brachte. Die Motoren der Reihe D 433 waren noch immer Zweitakt-Dieselmotoren. Die
neu vorgestellten Fahrzeugtypen entsprachen vor allem den gesetzlichen Vorschriften, und
durch die Entwicklung der neuen Modelle war eine Konkurrenzfähigkeit mit den anderen
Nutzfahrzeugherstellern gegeben.
Die im Jahr 1959 neu vorgestellten drei Fahrzeugreihen 401, 501 und 601 von Mittelklasse-
Lastwagen, ausgestattet mit D 433-Motoren, wurden 1962 wieder vom Markt genommen, da
sie erfolglos waren. Im alltäglichen Gebrauch der Fahrzeuge kam es zu Problemen mit den
Leichtbaumotoren, da die neu verwendeten Materialien bei Temperaturschwankungen ver-
schleißanfällig waren.796
240
Die deutschen Nutzfahrzeughersteller mussten bei der Entwicklung und Produktion zwei
Richtungen verfolgen. Zum einem mussten die Fahrzeuge für das Inland den künftigen ge-
setzlichen Vorschriften entsprechen, zum anderen mussten sie für den Export große Lade-
möglichkeiten aufweisen.
Das Unternehmen produzierte deshalb neben Mittelklasse-Lastwagen weiterhin schwere
Haubenfahrzeuge für den Export. Dass Krupp-Fahrzeuge im Ausland geschätzt wurden,
zeigte im Jahr 1959 eine Lieferung von zehn Gigant-Muldenkippern nach Jugoslawien. Die
Schwerfahrzeuge kamen im Kohle-Tagbau zum Einsatz. 1961 bestellte der westafrikanische
Staat Guinea Kranwagen und Straßenbaufahrzeuge, insgesamt 301 Stück, ebenso die Re-
gierung von Mali 350 Nutzfahrzeuge für die Erdnussernte. Auch bei Edelholztransporten im
äquatorialafrikanischen Regenwald kamen die Krupp-Lastwagen zum Einsatz. Den Umsatz-
rückgang im Nutzfahrzeugbereich am inländischen Markt versuchte das Unternehmen mit
den Umsätzen von Personenwagen auszugleichen. Darum schloss Krupp 1959 mit Simca
einen Vertrag über die Auslieferung der französischen Pkw-Modelle ab.
1960 wurde im Deutschen Bundestag die Neuregelung der Lastwagenmaße und -gewichte
beschlossen. Krupp hatte auf der IAA 1959 in Frankfurt bereits einen Schwerlastwagen der
Baureihe 901 präsentiert, welcher den Anforderungen der neuen Verordnung entsprach. Im
November 1960 wurde diese Baureihe produziert. Die Fahrzeuge waren sowohl als Hauben-
als auch als Frontlenkerfahrzeuge erhältlich. Diese Fahrzeugtype hatte im Vergleich zu an-
deren Nutzfahrzeugen einen ergonomisch anpassbaren Fahrersitz, eine serienmäßig ausge-
stattete Heizungs- und Lüftungsanlage. Für den Export wurde das Fahrzeug in verstärkter
Form produziert.
Die Kruppfahrzeuge wurden noch immer mit Zweittaktmotoren angetrieben. Diese Motoren
waren technisch nicht mehr zeitgemäß, auch sehr laut und deshalb bei den Kunden nicht
mehr gewünscht. Krupp stand vor der Entscheidung, entweder den im Jahr 1959 vorgestell-
ten Leichtbaumotor D 433 wesentlich zu verbessern oder einen Motor in Lizenz zu erwerben.
Die kurze Lebensdauer des Leichtbaumotors D 433 führte zu einer Anzahl von Reklamatio-
nen. Eine Weiterentwicklung dieses Motors wäre nur bei einer Massenfertigung rentabel ge-
wesen. Dies hätte aber wiederum hohe Investitionskosten zwecks Adaptierung der Werks-
hallen erforderlich gemacht. Generaldirektor Dr. Ing. Hans H. Moll, der Geschäftsleiter von
Krupp, entschloss sich dazu, die Produktion von Fahrzeugen der Leicht- und Mittelklasse
einzustellen und sich ausschließlich auf die Herstellung von schweren Lastwagen und Mul-
denkippern zu beschränken – und die Motoren in Lizenz zu erwerben. M.A.N. bot bereits im
Jahr 1962 einen Motor mit 210 PS an, 1963 brachte Magirus einen Motor mit 235 PS auf den
Markt. Auch Scania produzierte Motoren mit 225 PS, Volvo mit 230 PS.797
Nach langen Überlegungen wurde aus Kosten- und Zeitgründen im Jahr 1962 mit der ameri-
kanischen Motorenfabrik Cummins ein Lizenzabkommen zum Nachbau von Viertakt-
797 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp. S. 179 – 192.
241
Dieselmotoren abgeschlossen.798 Die Geschäftsleitung von Krupp vertraute auf die jahrzehn-
telange Erfahrung der Motorenfabrik. Cummins war im Jahr 1919 gegründet worden und
erlangte in den 30er-Jahren Weltruf mit einem dieselbetriebenen Personenkraftwagen. Die-
ses Fahrzeug erzielte den ersten Weltrekord für einen Diesel-Rennwagen. Die Konstrukti-
onsabteilung warnte die Geschäftsleitung von Krupp, dass technische Komponenten der
Kruppfahrzeuge zu schwach wären, sollten Cummins-Motoren eingesetzt werden.799
Trotz dieser Zweifel stellte Krupp auf der IAA 1963 die Lastwagentype 960 mit einem 200 PS
starken Cummins-Motor und einem Gesamtgewicht von 16 Tonnen vor. Auch durch dieses
Fahrzeug konnten die Verkaufszahlen nicht übermäßig gesteigert werden.800
Es zeigte sich, dass die Befürchtungen der Konstrukteure von Krupp stimmten, denn die
amerikanischen Fahrbedingungen und Normen konnten nicht auf die deutschen umgelegt
werden. Die Geschäftsleitung hatte ein für deutsche Verhältnisse unausgereiftes Produkt
erworben. Die Konstrukteure konnten die Probleme der Cummins-Motoren durch Weiterent-
wicklungen beheben, trotzdem waren diese Motoren bei den Kunden nicht beliebt.801 Im Jahr
1965 stellte Krupp den stärksten deutschen Straßenlastwagen, ein Fahrzeug der Baureihe
980/1080, ausgestattet mit einem Achtzylindermotor mit 250 PS, vor. Andere Nutzfahrzeug-
hersteller wie Magirus boten ebenfalls Fahrzeuge mit Achtzylindermotoren, aber nur mit 235
PS an.802 Daimler-Benz, M.A.N., Henschel und Büssing boten nur sechszylindrige Reihen-
motoren an. Auch diesmal hatte Krupp wieder die Nase vorne. Erst im Jahr 1967 stellten die
anderen Nutzfahrzeughersteller ebenso starke Motoren vor.
1967 präsentierte Krupp auf der IAA als erster Nutzfahrzeughersteller einen Frontlenker mit
einem nach vorne kippbaren Fahrerhaus, der in Serie produziert werden konnte. Das kippba-
re Fahrerhaus ermöglichte den Mechanikern bei Reparatur- und Wartungsarbeiten im vorde-
ren Bereich des Fahrzeuges ein bequemes Arbeiten. Bereits im Jahr 1955 hatte Magirus mit
der Type Jupiter F eine nach vorne wegklappbare Kabine vorgestellt. Dieses Fahrzeug hatte
noch nicht in Serie produziert werden können.803
Trotz der technischen Neuerungen bei den Fahrzeugen konnten die Verkaufszahlen nicht
gesteigert werden. Teilweise mussten auf die Verkaufspreise der Fahrzeuge bis zu 40 Pro-
zent Rabatt gewährt werden, damit ein Verkauf der Lastwagen möglich war.804 Die Absatz-
menge betrug pro Jahr nur 1000 Stück – verglichen mit den Jahren vor Kriegsbeginn, wo
5000 Fahrzeuge jährlich hergestellt wurden.805
798 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2013), Typenkompass. Krupp, Lastwagen 1919 – 1968. S. 13.
799 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp. S. 200.
800 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 207.
801 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp. S. 207.
802 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2013), Typenkompass. Krupp, Lastwagen 1919 – 1968. S. 112.
803 Vgl. REGENBERG Bernd (1996), Das Lastwagen-Album Krupp. S. 207.
804 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 207.
805 Vgl. GEBHARDT Wolfgang H. (2013), Typenkompass. Krupp, Lastwagen 1919 – 1968. S. 13.
242
Am 30. Juli 1967 starb der Firmeninhaber Dr. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. In sei-
nem Testament verfügte er, dass sämtliches Vermögen der Firma Fried. Krupp an eine neue
Gesellschaft, die Fried. Krupp GmbH, übertragen werden sollte. Die neue Gesellschaft trat in
sämtliche Rechte und Verpflichtungen ein und übernahm auch alle Mitarbeiter. Die Fried.
Krupp GmbH war auch Hauptgesellschafterin der Fried. Krupp GmbH Motoren- und Kraftwa-
genfabriken.
Bei den Mitarbeitern der Fried. Krupp GmbH Motoren- und Kraftwagenfabriken in Essen gab
es trotzdem Befürchtungen, dass Mitarbeiter gekündigt werden könnten. Durch die Repara-
turanfälligkeit der Cummins-Motoren erlitt das Unternehmen in den ersten Jahren hohe Ver-
luste, die in den Folgejahren auch nicht aufgeholt werden konnten. Im Jahr 1967 wurde ein
Jahresverlust von 30 Millionen DM erzielt. Auch die verkauften Stückzahlen sanken kontinu-
ierlich.
Krupp zählte im Jahr 1965 zu den kleinsten Nutzfahrzeugherstellern in Deutschland. Der
verstorbene Alfried Krupp hatte dank seiner Stellung als Chef des Firmenimperiums eine
Schließung oder Übernahme vor allem der Fried. Krupp GmbH Motoren- und Kraftwagenfab-
riken immer verhindern können. Erschwerend kam nun hinzu, dass für das Jahr 1970 ge-
setzlich geplant war, die Mindestleistung der Motoren pro Tonne Gesamtgewicht auf acht PS
zu erhöhen. Um den Anforderungen gerecht zu werden, hätten wieder hohe Summen in den
Entwicklungsbereich fließen müssen. Erstmals wurden Übernahmegerüchte des Unterneh-
mens durch die Daimler-Benz AG laut.
In der neuen Fried. Krupp GmbH waren Banken vertreten, welche die einzelnen Produkti-
onssparten auf mögliche Rationalisierungsmaßnahmen hin überprüften. Die verlustbringen-
den Sparten sollten geschlossen werden. Davon war der Lastwagenbau betroffen. Auch die
Streiks der 5000 Mitarbeiter aller Krupp-Werke konnten den Verkauf des Lastwagenbaus an
die Daimler-Benz AG nicht verhindern. Der Krupp-Generalmanager Günter Vogelsang bestä-
tigte gegenüber der Presse am 24. Jänner 1968 den Verkauf der Lastwagensparte. Die
Lastwagenproduktion sollte am 30. Juni 1968 geschlossen werden. An Kündigungen sei
nicht gedacht. In sämtlichen Krupp-Betrieben wurden Frühpensionierungen angeboten. Da-
mit konnte erreicht werden, dass kein Mitarbeiter der Lastwagensparte seinen Arbeitsplatz
verlor.
Das bereits geplante 50-jährige Firmenjubiläum der Krupp-Lastwagenproduktion musste ab-
gesagt werden, da im Traditionsunternehmen mit Ende Oktober 1968 endgültig die Produkti-
on eingestellt wurde.806 Für 40 Millionen DM wurde der Lastwagenbau, der 14 Verkaufsnie-
derlassungen und 1000 Mitarbeiter umfasste, an die Daimler-Benz AG verkauft.807
Bereits mit 1. März 1968 übernahm die neu gegründete Gesellschaft KRAWA Kraftwagen-
GmbH mit Sitz in Stuttgart die Verpflichtung, die noch anfallenden Garantie- und Servicear-
243
beiten sowie den Verkauf von Fahrzeugersatzteilen für die Krupp-Fahrzeuge zu überneh-
men. Lastwagen, welche bis zur Produktionseinstellung noch gefertigt wurden, mussten
ebenfalls verkauft werden. Mit der Übernahme der Lastwagensparte erwartete sich Daimler
keinen großen Zuwachs an Marktanteilen. Daimler war auch nicht an den Entwicklungser-
gebnissen von Krupp interessiert. Hauptsächlich wollte Daimler verhindern, dass ausländi-
sche Konkurrenten durch Übernahme der Krupp-Lastwagenproduktion am inländischen
Markt Fuß fassten.808
Die Muldenkipper-Produktion wurde nicht von der Daimler-Benz AG übernommen. Da kein
passender Käufer für diesen Unternehmensbereich gefunden wurde, wurden die Krupp-
Muldenkipper weiterhin von der Fried. Krupp GmbH produziert. Diese Fahrzeuge wurden
noch immer mit den Zweitakt-Dieselmotoren ausgestattet. Eine neue Serie der großen Mul-
denkipper der Marke MK 18 (bzw. AMK 18 mit Allradantrieb) wurde im Jahr 1964 vorgestellt.
Dabei handelte es sich um Fahrzeuge mit einer Einmannkabine, 18 Tonnen Nutzlast und
einem 200 PS starken Motor. Die Kabinen wurden von der Firma Esselmann in Hamm zuge-
kauft. In den Folgejahren wurden die Fahrzeuge im Baukastensystem für Nutzlasten bis 30
Tonnen und mit einem Gesamtwicht von bis zu 56 Tonnen entwickelt. 1969 verließ der letzte
Muldenkipper das Kruppunternehmen. Die noch nicht verkauften Schwerfahrzeuge wurden
vom Nutzfahrzeughersteller Faun vertrieben.809
1957 1.357
810
Tab. 48: Produktionszahlen Fried. Krupp (1946 bis 1953 Produktion bei der Südwerke GmbH) 1946 bis 1968
244
Im Werk Wilhelmshaven wurden noch die Autokräne produziert. Im Jahr 1995 übernahm der
amerikanische Kranhersteller Grove Worldwide diese letzte Sparte des Fuhrparks der Krupp-
Unternehmung.811
Somit war auch der Nutzfahrzeughersteller Krupp mit seinem Markenzeichen, den drei Rin-
gen, nicht mehr am Nutzfahrzeugmarkt vertreten. Die Ringe waren das Kennzeichen für drei
übereinandergelegte Radreifen und standen als Kennzeichen für die Qualität der Krupp-
Produkte und der Erfindungen von Krupp.812
813
Logo 18: Krupp-Fahrzeuge
Coypright Friedr. Krupp AG (nunmehr Daimler AG)
e) Borgward
Carl Friedrich Wilhelm Borgward gründete im Jahr 1928 in Bremen die Goliath-Werke Borg-
ward & Co. GmbH, um seine am Markt bereits gut etablierten Dreirad-Blitzkarren in größeren
Mengen zu produzieren.814 Das Fahrzeug hatte einen Zweitaktmotor und musste zum Star-
ten angeschoben werden, da es aus Kostengründen weder Anlasser noch Kupplung hatte.815
1931 fusionierte Borgward sein Unternehmen mit den finanziell sehr angeschlagenen Hansa-
Lloyd-Werken in Bremen.816 Anfang der 30er-Jahre fertigte Borgward neben Personenwagen
und Dreiradfahrzeugen auch Lastwagen. In die Fahrzeuge der Modellreihe Columbus mit 1,5
Tonnen, Bremen mit 2 Tonnen, Europa mit 3,5 Tonnen, Merkur mit 4 Tonnen und Roland mit
811 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 207.
812 Vgl. WAZ vom 19.11.2011. 200 Jahre Krupp. Drei Ringe für die Zukunft. WAZ New Media GmbH & Co KG, Essen 2011. Abzurufen unter:
http://www.derwesten.de/leserservice/partnerangebote/osv/200_jahre_krupp/drei-ringe-fuer-die-zukunft-id6072498.html. Abgerufen am 26.08.2013.
813 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.offroadvehicle.ru/AZBUCAR/Krupp.html. Abgerufen am 11.08.2013.
814 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 24.
815 Vgl. DER SPIEGELONLINE Nr. 16/1984 vom 16.04.1984. Automobile: Isabellas Ende. S. 242 f. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
13509487.html. Abgerufen am 28.08.2013.
816 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 24.
245
5 Tonnen Gesamtgewicht wurde ein 100 PS starker Motor eingebaut. Während des Zweiten
Weltkrieges wurden 3 Tonnen Lastwagen der Type B 3000, aber auch 8 Tonnen Halbketten-
und Artilleriezugmaschinen hergestellt.817
Die Fabrikshallen des Unternehmens waren während des Zweiten Weltkrieges fast zur Gän-
ze zerstört worden, der Großteil des Maschinenparks war verschont geblieben. Im Oktober
1948 wurde mit dem Wiederaufbau des Werkes begonnen. Ein Jahr später verließ der erste
Dreirad-Karren das Werk. Das Fahrzeug kam bei den Kunden sehr gut an, da es durch den
Hinterradantrieb technisch besser war als die Fahrzeuge der Konkurrenten. Der Goliath GV
800 – ein Vierradlieferwagen – wurde auf der Frankfurter Automobil-Ausstellung 1951 vorge-
stellt. Das stärkere Nachfolgefahrzeug, der GV 800 A, entsprach nicht den Erwartungen der
Kunden, da es immer wieder zu technischen Problemen kam.818
Bei den Personenwagen war der Kleinstwagen der Type Lloyd LP – er wurde wegen seiner
Kunstlederhaut auch Leukoplastbomber bezeichnet – sehr beliebt. Wegen der niedrigen An-
schaffungskosten, dem niedrigen Verbrauch und den günstigen Ersatzteilen war das Fahr-
zeug für die breite Bevölkerung erschwinglich. Zum Familiensportwagen wird die 1954 vor-
gestellte Borgward-Isabella ernannt, der insgesamt 200.000 Mal verkauft wird.819
Im Jahr 1957 ging auch der Absatz der Dreiradproduktion deutlich zurück. Der Goliath Ex-
preß 1100, der als Vierradfahrzeug hergestellt wurde, wurde den Kunden im Juni 1957 prä-
sentiert. Er war ein technisch exzellentes Transportfahrzeug und bereits mit dem bei Perso-
nenkraftwagen erprobten Viertakt-Boxermotor ausgestattet. Trotzdem fand das Modell nur
geringen Absatz. Die Kunden hatten den Namen Borgward mit der Qualität der Fahrzeuge
verbunden. Durch technische Probleme bei den vorhergehenden Fahrzeugtypen schenkten
die Kunden dem Markennamen zuletzt kein großes Vertrauen mehr.820
246
Produktionszahlen in den Jahren 1949 bis 1961
821
Tab. 49: Produktionszahlen Borgward (Drei- und Vierradwagen) 1949 bis 1961
Die Modelle Goliath, Isabella und Lloyd waren die beliebtesten Modelle in den 50er-Jahren
des Unternehmens.822
Neben Personenwagen sowie den Drei- und Vierradlieferwagen stellte Borgward auch grö-
ßere Lastwagen und Transporter her. Mit der Herstellung des Dreitonner-Lastwagens, der
Type 3000 S, ausgestattet mit einem 3,8-Liter-Vergasermotor, wurde im Juli 1945 wieder
begonnen. Bei den Nachfolgemodellen wurde die Nutzlast um eine bzw. 1,5 Tonnen erhöht
und die Motorleistung von 85 auf 95 PS angehoben.823 Am 5. August 1949 verließ der
10.000ste Lastwagen nach dem Zweiten Weltkrieg das Borgwardwerk.824
Die Fahrzeugtype Borgward B 4000 A wurde mit Allradantrieb gebaut. Diese Fahrzeuge ka-
men im Baustellenverkehr und bei der Deutschen Bundeswehr zum Einsatz. Die Lastwagen,
welche ab dem Jahr 1955 produziert wurden, konnte der Kunde je nach Wunsch mit Verga-
ser- oder Dieselmotor bestellen. Im gleichen Jahr stellte Borgward die Fahrzeugtype B 2500
F, ein Frontlenkermodell, vor, welches für Omnibus- und Nutzfahrzeugsonderaufbauten ver-
wendet werden konnte. Die Nachfolgetypen wurden ab dem Jahr 1957 mit einem neu entwi-
ckelten 110 PS starken Dieselmotor produziert. Die neuen Frontlenkertypen fanden trotz des
gelungenen Designs nicht den gewünschten Zuspruch der Kunden.
Neben den schweren Lastwagen und Omnibussen baute Borgward auch Kleintransporter.
Mit der Fertigung der Kleinlastwagen wurde im Dezember 1947 begonnen. Die Nutzfahrzeu-
ge waren dem damaligen Standard entsprechend nicht luxuriös genug ausgestattet. Erst in
247
den Jahren ab 1951 wurden die Fahrzeugkabinen im Design verbessert. Die Omnibusferti-
gung wurde im Jahr 1955 eingestellt.825
826
Tab. 50: Produktionszahlen Borgward (Lkw, Omnibusse, Klein-Lkw) 1945 bis 1961
825 OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 10.
826 Quelle: entnommen aus ebenda S. 11.
827 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S. 50.
828 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 49 f.
829 DER SPIEGELONLINE Nr. 16/1984 vom 16.04.1984. Automobile: Isabellas Ende. S. 242 f. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
13509487.html. Abgerufen am 28.08.2013.
248
Friedrich Wilhelm Borgward konnte diesen Umstand nicht verkraften und starb am 28. Juli
1963.830
Die Fabrikshallen von Borgward wurden zwischen 1961 und 1969 von Büssing, zwischen
1969 und 1971 von den FAUN-Werken und ab dem Jahr 1971 von der Daimler-Benz AG
genutzt. Auf dem Werksgelände wurden Unternehmensbereiche der Siemenswerke sowie
die Krupp-Atlas-Gesellschaft angesiedelt.831
Büssing fertigte in der Zeit von 1964 bis 1969 noch 163 Borgward-Kübelwagen für den Bun-
desgrenzschutz, das Logo von Borgward, ein Rhombus, wurde an den Fahrzeugen nicht
mehr angebracht.832
833
Logo 19: Borgward-Fahrzeuge
Copyright Borgward
830 Vgl. WDR 5 – SENDUNG vom 28.07.2013. Der Todestag des Ingenieurs und Unternehmers Carl Friedrich Wilhelm Borgward. Abzurufen unter:
http://www.wdr5.de/sendungen/zeitzeichen/s/d/28.07.2013-09.05.html. Abgerufen am 28.08.2013.
831 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 11.
832 Ebenda S. 11.
833 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.borgward-presseabteilung.de/. Abgerufen am 11.08.2013.
249
f) Hanomag
834 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 10.
835 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S. 154.
836 Vgl. TAKT – DIE BAHN IN DER REGION Nr. 09/2007. Eisenbahngeschichte aus Niedersachsen: Viele Ideen und immer mehr Dampf auf dem Kessel:
Der Lokomotivbau in Hannover. S. 4. Abzurufen unter:
http://www.bahn.de/regional/view/mdb/alle/dbregio/ausfluege/niedersachsen/takt/eisenbahngeschichten/MDB67799-takt2007_3_hanomag_1000.pdf.
Abgerufen am 30.08.2013.
837 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. Hannover-Hamburg-Bremen, Bielefeld. S. 42.
250
1924 wurde der erste Hanomag-Personenkraftwagen der Type 2/10, bekannt geworden un-
ter seinem Spitznamen „Kommißbrot“, vorgestellt.838 Das Fahrzeug wurde auch als Lastwa-
gen gefertigt. Der Spitzname wurde deshalb gegeben, weil das Fahrzeug mit einem Kom-
mißbrot-Motor ausgestattet war. Der Motor wurde mit einer Handkurbel gestartet. Der erste
Dreivierteltonner-Lastwagen, welcher nicht in Unterlizenz von Krupp gebaut wurde, wurde
mit einem Kommißbrot-Motor gebaut. Dieses Fahrzeug wurde vorerst nur für innerbetriebli-
che Transportzwecke bei Hanomag verwendet, ehe es nach einigen Weiterentwicklungen
1927 als Hanomag-Dreivierteltonner in den Handel gebracht wurde.
Hanomag bot bereits zur damaligen Zeit den Kunden als Zahlungsart eine Ratenzahlung der
Fahrzeuge – verteilt auf 18 Monate – an, um auch kleineren Betrieben die Möglichkeit zur
Motorisierung zu geben. Die einfache Ausführung des Pritschenwagens kostete 2590
Reichsmark, die Kastenausführung 3250 Reichsmark.839
Die technischen Weiterentwicklungen machten auch vor Hanomag nicht halt. Paul Arendt,
Konstrukteur bei Büssing, wechselte 1931 von Büssing zu Hanomag. Arendt versuchte bei
Büssing den stehenden Dieselmotor zu einem Unterflurmotor umzubauen, stieß jedoch bei
der Geschäftsleitung auf keinerlei dahingehende Bereitschaft. Die Fahrzeuge von Hanomag
wurden zu diesem Zeitpunkt noch mit Benzinmotoren auf Kommissbrot-Basis produziert.
Hanomag präsentierte auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung (IAMA)
1933 in Berlin die Kleinlastwagenmodelle HL in Frontlenkerbauweise mit Unterflurmotoren.
Diese Fahrzeuge wurden von der eher konservativen Käuferschicht nicht angenommen. Le-
diglich 50 Stück wurden von diesen Fahrzeugen in den Jahren 1933 bis 1935 verkauft, wobei
von den bereits am Markt etablierten Lieferwagen von Hanomag zwischen 550 und 600
Stück verkauft wurden. 1934 kehrte der Konstrukteur Paul Arendt wieder zu Büssing zurück
und entwickelte dort den Unterflurmotor weiter. Hanomag hatte zwar den ersten Lastwagen
mit Unterflurmotor produziert. Populär wurde dieser jedoch erst durch Büssing – mit der
Rückkehr von Paul Arendt.840
1933 wurden bei Hanomag aufgrund des vermehrten Bedarfs Zugmaschinen für den land-
und forstwirtschaftlichen Sektor gefertigt. Diese Fahrzeuge waren eine Mischung zwischen
Schlepper und Personenkraftwagen. Die ersten Fahrzeuge dieser Reihe – der Straßen-
schnelltransporter SS 20 und der Radschlepper Landwirtschaft RL 20 wurden kriegsbedingt
nur bis 1942 produziert – verfügten über eine gewaltige Zugkraft. Die Straßenzugmaschine
war für den Güterfernverkehr gedacht. Das erste Fahrzeug der Type SS 55 wurde im Jahr
1933, das stärkere Modell SS 100 Gigant im Jahr 1936 den Kunden vorgestellt. Hanomag
war zu dieser Zeit der führende Produzent von Straßenzugmaschinen. Während des Zweiten
Weltkrieges wurde die Herstellung von Personenkraftwagen eingestellt, die Straßenzugma-
251
schinen wurden unter der Bezeichnung ST 55 und ST 100 weiterproduziert.841 Während der
Jahre 1939 bis 1945 wurden im Unternehmen außerdem Eisenbahn- und Langrohrgeschüt-
ze sowie Schützenpanzerwagen und Selbstfahrlafetten gebaut.842
Die Gesellschaft hatte große finanzielle Probleme, deshalb wurde die Aktienmehrheit im Jahr
1934 an den Bochumer Verein843 übertragen. Damit wurde Hanomag auch ein Teil der Ver-
einigten Stahlwerke AG in Düsseldorf.
Mit Erlass des Reichsverkehrsministers mussten ab dem 1. September 1939 die Fahrzeuge
auf Holzgasbetrieb umgerüstet werden, damit Benzin und Dieselkraftstoff für die Truppen zur
Verfügung stand.
Die Fabrikshallen bei Hanomag wurden im Zweiten Weltkrieg nicht so schwer beschädigt.
Die Produktion konnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges rasch wieder aufgenommen wer-
den. Dies war auch deshalb möglich, weil Hanomag als Rüstungsbetrieb während des Zwei-
ten Weltkrieges alle für die Produktion nötigen Betriebsmittel bekommen hatte und nach En-
de des Krieges noch große Lagerbestände vorhanden waren. Erst im Jahr 1947 kam es ei-
nerseits zu Problemen in der Beschaffung der Produktionsmittel, andererseits musste die
Fabrik wegen der Kälte in den Wintermonaten zeitweise gesperrt werden.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Produktion der Zugmaschine ST 100 und des
Ackerschleppers wieder aufgenommen.844
Von den 40 PS starken Schleppern konnten folgende Stückzahlen gefertigt werden:
845
Tab. 51: Produktionszahlen Hanomag (Ackerschlepper) 1945 bis 1948
252
Die Produktionspalette wurde um den Bau von Anhängern erweitert. Somit konnte Hano-
mag einen kompletten Fahrzeugzug (Zugfahrzeug samt Anhänger) anbieten, welcher für die
Schuttbeseitigung und für Baustoff- und Kohletransporte verwendet werden konnte. Wie sich
herausstellte, war die Produktion der Anhänger und der Straßenzugmaschinen unrentabel
und wurde 1951 eingestellt. Es wurde daher dringend nach neuen Produkten gesucht.846
Im Jahr 1951 begann Hanomag wieder mit der Automobilfertigung, vorerst mit dem Perso-
nenwagen der Type Partner, einem Fahrzeug mit drei Sitzplätzen und einem Zweitaktmotor,
welches jedoch von den Kunden nicht angenommen wurde. Die Geschäftsleitung entschloss
sich, die Personenkraftwagenfertigung nicht mehr aufzunehmen, sondern einen 1,5-Tonnen-
Schnelllastwagen mit passendem Dieselmotor zu entwickeln.847
Carl Pollich, der Konstrukteur bei Hanomag, entwarf mit dem Hanomag-Lastwagen L 28 und
AL 28848 ein Fahrzeug, bei dem das Fahrerhaus harmonisch gestaltet und der Innenbereich
exzellent ausgestattet waren. Das Fahrzeug wurde im Jänner 1950 auf dem Brüsseler Au-
tomobilsalon und vom 24. Februar bis 5. März 1950 auf der Kopenhagener Industriemesse
vorgestellt. Mit den Hanomag-Lastwagentypen L 28 und AL 28, die für die einfache Handha-
bung, Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit bekannt waren, wurde im Mai 1950 die Serien-
produktion begonnen. Damit war der Grundstein für die Nutzfahrzeugproduktion des Unter-
nehmens gelegt. Bis Jahresende wurden 2500 Fahrzeuge gefertigt. Lediglich für große und
schwere Aufbauten war der Lastwagen wegen der schwachen Motorleistung nicht geeignet
und erhielt deshalb oft Spottnamen wie Badewanne oder Silberpfeil.849
Die Fahrzeuge waren auch in anderen Ländern sehr beliebt, sodass der Exportanteil der
Nutzfahrzeuge von 40 auf 47 Prozent gesteigert werden konnte. Bis Mitte des Jahres 1953
wurden von dieser Fahrzeugtype bereits 20.000 Stück verkauft. In den Folgejahren mussten
schwerere Typen mit höherer Motorleistung entwickelt werden, da den Kunden die Nutzlast
von 1,5 Tonnen nicht mehr ausreichte. Der Motoren-Chefkonstrukteur, Dr.-Ing. Hans Krem-
ser, entwickelte einen mechanischen Auflader mit einem Roots-Gebläse850, der zur Steige-
rung der Motorleistung um 30 Prozent von zuvor 50 auf 65 PS führte. Auch das Fahrwerk
wurde, um eine höhere Nutzlast zu erreichen, neu konstruiert. Somit konnte auch die Nutz-
last von 1,5 auf 2,5 Tonnen gesteigert werden. 1953 wurde das neue Fahrzeugmodell durch
den Hanomag-Vorstand vorgestellt.851
845 Quelle: Tabelle entnommen aus OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 132.
846 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 74.
847 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 132.
848 Anm.: Bei der Typenbezeichnung AL stand der Buchstabe A für Allrad-Antrieb. Die allradangetriebenen Fahrzeuge wurden vom Bundesinnenministerium
für den Bundesgrenzschutz, den Bereitschaftspolizeien und dem Technischen Hilfswerk bestellt. Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und
Lieferwagen 1945 – 1969. S. 132.
849 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 95.
850 „Dabei wird die zur Verbrennung benötigte Luft nicht nur durch den Kolben des Motors angesaugt, sondern durch ein über Keilriemen von der
Kurbelwelle angetriebenes Gebläse in die Zylinder gedrückt.“ GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 102.
851 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. Ebenda S. 102.
253
Die Fahrzeuge waren durch nachstehendes Logo gekennzeichnet:
852
Logo 20: Hanomag-Fahrzeuge
Copyright Hanomag (nunmehr Rheinstahl AG)
Die Aktienmehrheit der Gesellschaft wurde im Jahr 1952 an die Rheinstahl-Union Maschi-
nen- und Stahlbau AG mit Sitz in Düsseldorf übertragen.853
Um finanzielle Einsparungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich zu erreichen, aber
auch, um die sonstige Zusammenarbeit zu verbessern, wurde im Jahr 1955 eine Interes-
sensgemeinschaft mit der Hans Vidal & Sohn Tempo-Werk GmbH gegründet. Weiters sollte
auch die Verkaufsorganisation im Inland- und Ausland abgestimmt werden.854 Die Tempo-
Werke in Hamburg-Harburg produzierten Dreiradlieferwagen und Vierradleichtlastwagen von
einer bis 2 Tonnen Nutzlast.855
Opel stellte die Produktion des Dreitonners Opel Blitz im Jahr 1954 ein. Somit war am Markt
kein gleichwertiges Fahrzeug mehr zu finden. Hanomag entwickelte daraufhin einen 3-
Tonnen-Lastwagen. In den Folgejahren kamen Konkurrenzprodukte in der von Hanomag
angebotenen Nutzfahrzeugklasse auch von Mercedes-Benz und Borgward auf den Markt.
Diese Fahrzeuge waren bereits in Frontlenkerausführung. Durch die Wendigkeit und Schnel-
ligkeit im Stadt- und Verteilerverkehr gewannen die Frontlenkerfahrzeuge immer mehr an
Bedeutung. Hanomag versuchte der Konkurrenz gerecht zu werden und entwickelte im Jahr
1957 Modelle, welche die bisherigen Haubenfahrzeuge von Hanomag ablösen sollten.
Die Motoren bereiteten Hanomag durch den hohen Ölverbrauch bei der Neuentwicklung
Probleme, sodass die Frontlenker-Typen erst im Jahr 1958 produziert wurden. Bis zur Vor-
stellung des ersten Frontlenkers wurden an den Haubenfahrzeugen, um die Absatzzahlen
wieder zu steigern, Verschönerungen vorgenommen: Den Fahrzeugkabinen wurde ein neu-
es Aussehen gegeben. Der Innenraum wurde verschönert, der Stoffhimmel bekam eine ver-
254
besserte Geräuschdämmung, die Sitzbank samt Rückenlehne war nunmehr in drei statt bis-
her zwei Stufen verstellbar.856
Die Nachfolgemodelle, als Frontlenker konzipiert, deckten mit dem Kurier den unteren, dem
Garant den mittleren und dem Modell Markant den oberen Bereich der Nutzfahrzeug-Palette
ab. Die Fahrzeuge waren mit Zweitakt-Dieselmotoren ausgestattet, die erhebliche technische
Probleme verursachten. Da die Probleme nicht gelöst werden konnten, entschloss der Vor-
stand, die Fahrzeuge wieder mit den bewährten Viertakt-Dieselmotoren, mit welchen die
Vorgängermodelle ausgestattet waren, zu bauen. Im November 1958 wurde mit der Produk-
tion des Modells Kurier begonnen. Das Fahrzeug hatte einen 50 PS starken Viertakt-
Dieselmotor und eine Nutzlast von 1,75 bis 1,98 Tonnen.857
1957 wurde die Rheinstahl-Union Maschinen- und Stahlbau AG von der Rheinischen Stahl-
werke AG in Essen übernommen und somit die Hanomag AG zu einer 100-prozentigen
Tochter der Rheinischen Stahlwerke AG.
Um die Eigentumsverhältnisse auch nach außen hin kundzutun, wurde der Firmenwortlaut
am 1. April 1958 in Rheinstahl-Hanomag AG geändert. Das Aktienkapital von Hanomag be-
trägt 45 Millionen DM, jenes der Mutter, der Rheinischen Stahlwerke AG 470 Millionen DM.
Der Umsatz der Rheinischen Stahlwerke AG betrug im Jahr 1959/60 391 Millionen DM, jener
der Hanomag AG 100 Millionen DM. Der Mitarbeiterstand der Hanomag AG lag bei 10.400
Beschäftigten. Das Produktionsprogramm umfasste Schnelllastwagen, Baumaschinen und
Ackerschlepper. Der Umsatzanteil, welcher auf den Lastwagenbereich entfiel, betrug 31 Pro-
zent. Die Exportquote lag bei 20 Prozent des Umsatzes.858
Mit dem Firmenwortlaut wurde auch das Logo der Fahrzeuge geändert:
859
Logo 21: Hanomag-Fahrzeuge (nach Übernahme von Hanomag durch die Rheinstahl AG)
Copyright Hanomag (nunmehr Rheinstahl AG)
856 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 103.
857 Ebenda S. 128 f.
858 Vgl. ZEITONLINE Nr. 46 vom 11.11.1960. Hanomag – ein erfolgreiche Rheinstahltochter. Abzurufen unter: http://www.zeit.de/1960/46/hanomag-eine-
erfolgreiche-rheinstahltochter. Abgerufen am 28.08.2013.
859 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.universalhandel24.de/fahnen-und-flaggen/90-x-150/sonstige-flaggen/fahne-hanomag-rheinstahl-90-x-150-cm/.
Abgerufen am 14.03.2013.
255
Der Hanomag Garant, mit einer Nutzlast von 2,5 Tonnen und einer Motorleistung von 65 PS,
wurde im August 1959 in das Produktionsprogramm aufgenommen. Mit dem Hanomag Mar-
kant, mit einer Nutzlast von 3 Tonnen und einer Motorleistung von 70 PS, wurde im Septem-
ber 1960 die Produktionspalette der Frontlenker abgeschlossen.860 Die Kapazität der Fab-
rikshallen war mit der Aufnahme der Produktion des Markant ausgeschöpft. Deshalb ent-
schied sich Hanomag, aus der Konkursmasse von Borgward das Hauptwerk der Borgward-
Gruppe in Bremen-Sebaldsbrück zu erwerben. Die Produktion des Markant und des AL 28
wurde nach Bremen verlegt. 1965 wurde auch die restliche Nutzfahrzeugproduktion nach
Bremen verlagert. Auch dort waren die Produktionshallen bald gänzlich ausgelastet.861
Nach 1960 kam es – teils altersbedingt, aber auch wegen der unterschiedlichen Ansichten
im Bereich des Motorenkonzeptes – zu einem Wechsel in der Führungsetage des Unter-
nehmens. 1964 wurde Lothar Hennies, der von der Daimler-Benz AG ins Unternehmen
wechselte, Vorstandsvorsitzender. Für den technischen Bereich war Dr. Hans L. Hockel zu-
ständig, der vom Motorenproduzenten MWM862, Mannheim, zu Hanomag wechselte.
Die Produktpalette der Ackerschlepper, Baumaschinen und Lastwagen sollte verbessert und
der kaufmännische Bereich ausgebaut werden. Ebenso wurde an Neuentwicklungen der
bestehenden Fahrzeugtypen gedacht. 1967 wurde eine neue EDV-Anlage von IBM für das
Rechnungswesen installiert.
Die Rheinstahl AG übernahm im Jahr 1964 die Firma Henschel mit dem Gedanken, zusam-
men mit der Firma Vidal & Sohn in Hamburg-Harburg und Hanomag den Kunden eine um-
fassende Produktpalette im Nutzfahrzeugbereich anzubieten. Vor allem im Bereich der Nah-
rungsmittel- und Getränkezulieferung im Stadtbereich waren wendige Fahrzeuge erforder-
lich. Kastenwagen und Fahrzeuge mit Kofferaufbauten wurden bei den Kunden immer ge-
fragter. Die Fahrzeuge für den innerstädtischen Verkehr mussten andere Voraussetzungen
erfüllen als die Fahrzeuge für den Baustellen- oder Fernverkehr. So standen bei diesen
Fahrzeugen nicht die robuste Bauweise, sondern eine zweckmäßige Wartung und Pflege,
günstige Fahrleistungswerte sowie eine optimale Anordnung der Einstiege und Handgriffe im
Vordergrund.863 Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse entstand 1967 die neue
Hanomag-Schnelllastwagenreihe F, welche den Nutzfahrzeugbereich von 4 bis 8,5 Tonnen
Gesamtgewicht bei Motorleistungen von 65 bis 115 PS abdeckte. Die Fahrzeuge waren teils
Weiterentwicklungen der Vorgängermodelle, wobei Fahrerhaus, Motor und Getriebe völlig
neu entwickelt wurden. Die Fahrerhäuser sämtlicher F-Modelle waren als Kurzhauber gestal-
tet. Dadurch konnten die Reparaturarbeiten bequem erledigt werden.864
860 Vgl. REGENBERG Bernd (1992), Die Deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. Band 1. S. 128.
861 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 127.
862 Die Motorenwerke Mannheim AG waren auf die Herstellung von Dieselmotoren spezialisiert und wurden 1871 von Carl Benz und August Ritter
gegründet. Seit November 2011 ist die Gesellschaft zur Catarpillar Electric Power Devision (EPD), USA, zugehörig. Abzurufen unter:
http://www.mwm.net/de/ueber-mwm/geschichte/. Abgerufen am 27.08.2013.
863 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 138.
864 Vgl. REBENBERG Bernd (1992), Die Deutschen Lastwagen der sechziger Jahre. Band 1. S. 128.
256
1966 geriet die Wirtschaft in Deutschland in eine Rezession. Im Werk in Bremen kam es vo-
rübergehend zur Kurzarbeit, wobei die Arbeiter ein wöchentliches Überbrückungsdarlehen
von 140 DM erhielten. Trotzdem wurden bereits erste Bau- und Montagearbeiten im Werk
vorgenommen, um die neue F-Serie zu produzieren. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde im
November 1966 auf 40 Stunden gesenkt.865 Im März 1967 wurde mit der Serienproduktion
der neuen Hanomag-Schnelllastwagenreihe F begonnen. Fahrzeuge der höheren Gewichts-
klassen dieser Typen wurden in Bremen, die niedrigeren Gewichtsklassen im Tempo-Werk
in Hamburg-Harburg produziert. Die Rheinstahl AG hatte, wie andere Industrieunternehmen
auch, finanzielle und wirtschaftliche Probleme. Eine Senkung der Löhne und Gehälter wur-
de im Jahr 1967 nach einem Proteststreik der Mitarbeiter nicht vollzogen.
Der Bilanzverlust betrug im Jahr 1968 fast 200 Millionen DM und konnte durch Grundstücks-
verkäufe und Auflösung stiller Reserven nicht mehr abgedeckt werden.866 Anton Schmücker
sollte als Krisenmanager der Rheinstahl AG in dieser Situation helfen und wechselte von
Ford in den Vorstand der Rheinstahl AG.867 Schmücker war jedoch nicht an einer Aufrecht-
erhaltung der Produktion bzw. Sanierung interessiert, sondern an einer raschen Abstoßung
der unrentablen Unternehmensteile, und zwar der Lastwagenproduktion von Hanomag und
Henschel. Unmittelbar nach Übernahme des Vorstandsvorsitzes nahm Schmücker Über-
nahmegespräche, die Lastwagensparte betreffend, mit der Klöckner-Humboldt-Deutz AG
und dem englischen Lastwagenkonzern Leyland auf. Otto Jacob, Mitglied des Daimler-
Vorstandes und Freund von Schmücker, erfuhr, dass Schmücker Verhandlungen mit British
Leyland führte. Um zu verhindern, dass British Leyland eine dominierende Position in
Deutschland und der EG erlangen könnte, führte Hermann Abs, Aufsichtsratvorsitzender der
Daimler-Benz AG, Übernahmeverhandlungen mit Schmücker.
Die Gespräche Schmückers mit Generaldirektor Dr. Karl-Heinz Sonne von der Klöckner-
Humboldt-Deutz AG scheiterten an überhöhten Forderungen. Sir Donald Stockes von British
Leyland wollte zwar die Lastwagenproduktion samt Verkaufsniederlassungen übernehmen,
die unrentablen Unternehmensteile aber schließen, was mit einem Verlust von 4000 Arbeits-
plätzen verbunden gewesen wäre. Stockes wollte über die Verkaufsniederlassungen die
Fahrzeuge von British Leyland vertreiben. Darum schlug Schmücker auch dieses Angebot
aus.
865 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 25.
866 Ebenda S. 12.
867 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 35/1968 vom 26.08.1968. Manager/Rheinstahl: Noch und noch. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
45954086.html. Abgerufen am 06.07.2013.
257
Die Verhandlungen mit der Daimler-Benz AG führten dazu, dass am 24. Dezember 1968 die
Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke GmbH (HHF) gegründet wurde.868 An der Gesellschaft
mit einem Stammkapital von 40 Millionen DM waren zu 49 Prozent die Rheinstahl-Hanomag
AG und zu 51 Prozent die Daimler-Benz AG beteiligt. In diese neu gegründete Gesellschaft
brachte die Rheinstahl-Werke AG die Nutzfahrzeugsparten Hanomag und Henschel ein. Die
Daimler-Benz AG beteiligte sich mit 25 Prozent an der Rheinstahl-Hanomag AG. Damit si-
cherte sich die Rheinstahl-Hanomag AG die Motorenlieferungen für die Fertigung der
Schnelllastwagen in den Bremer-Produktionswerken. Ein Jahr später, am 1. November 1970,
übertrug die finanziell noch immer angeschlagene Rheinstahl-Werke AG ihre gesamten An-
teile an der Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke GmbH an die Daimler-Benz AG. Im Gegen-
zug verzichtete die Daimler-Benz AG auf ihre 25-prozentige Beteiligung an der Rheinstahl-
Hanomag AG. Das Anlagevermögen der drei Hanomag-Henschel-Werke in Bremen, Ham-
burg und Kassel wurde in eine neu gegründete Gesellschaft, die Anlagenverpachtungs-
GmbH mit Sitz in Essen, eingebracht. An dieser Gesellschaft mit einem Stammkapital von 45
Millionen DM waren je zur Hälfte die Rheinstahl AG und die Daimler-Benz AG beteiligt.869
Umstrukturierungsmaßnahmen und tiefgreifende Veränderungen wurden einerseits bei der
Rheinstahl AG, aber auch bei der Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke GmbH vorgenom-
men. In kleinen Schritten veräußerte die Rheinstahl AG bis Ende 1972 die Beteiligung an der
Anlagenverpachtungs-GmbH zur Gänze an die Daimler-Benz AG. Eine Verbindung zwischen
der Rheinstahl AG und der Daimler-Benz AG bestand nur noch in dem Motorenlieferungsver-
trag.
1970 wurde die Schlepperfertigung in Hannover zur Gänze eingestellt. Die Produktionskos-
ten für die Hanomag-Motoren stiegen deshalb an, und auch diese Sparte rutschte in die ro-
ten Zahlen. Dies führte dazu, dass im Jahr 1972, mit der Übernahme der Rheinstahl AG
durch den Thyssen-Konzern, die Motorenfertigung ebenfalls eingestellt wurde. In den Wer-
ken I und II in Hannover wurde die Produktion im Jahr 1972 auf die reine Baumaschinenfer-
tigung umgestellt.870
Die Daimler-Benz AG investierte, um die Produktion auf dem neuesten Stand zu halten, 75
Millionen DM in die Errichtung eines neuen Presswerkes in Bremen, wo in drei Schichten
30.000 Tonnen Bleche jährlich verarbeitet werden konnten. Das neu errichtete Presswerk
sollte auch für die anderen Werke der Daimler-Benz AG produzieren.
868 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 5/1969 vom 13.01.1969. Industrie/LKW Konzentration: Unter Daimlers Dach. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45845444.html. Abgerufen am 06.07.2013. Vgl. auch GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen
von Hanomag. S. 170.
869 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 170.
870 Ebenda S. 12.
258
Die Fahrzeugtypen von Hanomag und Henschel wurden den Mercedes-Benz-Modellen an-
gepasst, lediglich der Hanomag-Henschel-Schriftzug verblieb auf den Fahrzeugen.871 114
der insgesamt 175 Hanomag-Henschel-Händler wurden in das Mercedes-Vertriebsnetz mit
übernommen, den verbleibenden Händlern wurde mit Ende 1973 das Vertragsverhältnis auf-
gekündigt. So konnte Daimler-Benz rund 80 Prozent des Umsatz-Potenzials der in- und aus-
ländischen Hanomag-Henschel-Händler für sich gewinnen. Daimler-Benz konnte ein um-
fangreiches Sortiment an Nutzfahrzeugen in allen Gewichtsklassen anbieten und stieg damit
zum größten Produzenten von Schwerlastfahrzeugen auf.872
Die Ölkrise im Jahr 1973 führte dazu, dass der Inlandsabsatz in der Automobilindustrie deut-
lich rückläufig war. Arbeitsplätze wurden abgebaut, was zu einem Anstieg der Arbeitslosen-
zahlen in Deutschland führte. Auch im Werk in Bremen wurde der Beschäftigtenstand von
3923 auf 3496, also um rund 11 Prozent gesenkt. Die Wirtschaftslage erholte sich erst wie-
der im Jahr 1975, was zu einer Steigerung des Inlandsabsatzes beitrug. Das Werk in Ham-
burg-Harburg wurde 1975 geschlossen, und es wurde nur mehr in Bremen produziert. Die
neu hervorgebrachten Fahrzeugtypen L 206 / L 207 erlebten 1976 mit 40.000 verkauften
Einheiten einen Rekord.873
1977 wurde die Herstellung dieser Transporter eingestellt, da Mercedes im April 1977 die
Nachfolgemodelle vorstellte.874 Die Modelle waren Kurzhaubenfahrzeuge mit den Typenbe-
zeichnungen 601, 602 und 611, bereits mit dem Mercedes-Schriftzug. Trotz des niedrigen
Fahrkomforts dieser Fahrzeuge wurden sie von den Kunden gerne gekauft.
Im Jahr 1977 wurden in Deutschland 400.940 Einheiten an Lastwagen produziert, wovon
231.882 Stück Kleinlastwagen bis 4 Tonnen waren. In diesem Jahr wurden in der Produkti-
onsstätte Bremen vom Typ L 206 D und L 307 13.500 Stück und 26.700 Stück von den
Nachfolgemodellen 601, 602 und 611 produziert. Dies entsprach einem Marktanteil von 17
Prozent.875
871 Vgl. ZENTNER CHRISTIAN (2008), Zentners Illustrierte Chronik. Deutsche Nutzfahrzeuge Last- und Lieferwagen von 1945 bis heute. S. 39.
872 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 172.
873 Ebenda S. 172.
874 Vgl. ZENTNER CHRISTIAN (2008), Zentners Illustrierte Chronik. Deutsche Nutzfahrzeuge Last- und Lieferwagen von 1945 bis heute. S. 39.
875 Vgl. GÖRG Horst-Dieter / REIPSCH Michael (2006), Lastkraftwagen von Hanomag. S. 28.
259
Produktionszahlen von Hanomag in den Jahren 1945 bis 1969
1956 4.846 0
876
Tab. 52: Produktionszahlen Hanomag (Lastwagen und Straßenschlepper) 1945 bis 1969
Mit der Übernahme durch die Daimler-Benz AG war nun auch der Hersteller Hanomag nicht
mehr am Markt vorzufinden.
876 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen, Band 2. S. 132
260
g) Henschel
877 Vgl. offizielle Website von www.panzer-archiv.de. Alles über die stählernen Giganten im Zweiten Weltkrieg. Henschel. Abzurufen unter:
http://www.panzer-archiv.de/content/artikel.php?id=1. Abgerufen am 11.08.2011.
878 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S. 159.
879 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 47/1961 vom 15.11.1961. Industrie/Georgen, Prinz Aurel. S. 13. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
43367432.html. Abgerufen am 10.08.2011.
261
Als Firmenlogo für Henschel diente ein sechszackiger, verchromter Stern mit einem großen
„H“ in der Mitte. Bis Ende der 60er-Jahre sollte dieses Firmenlogo die Fahrzeuge zieren.
880
Logo 22: Henschel-Fahrzeuge
Copyright Henschel (nunmehr Daimler AG)
Im Zweiten Weltkrieg zählte Henschel zu einem der größeren Rüstungsbetriebe. Neben der
Lokomotiven- und Lastwagenfertigung wurden Panzer (Tiger-Panzer), Flugmotoren und
Flugzeuge hergestellt.881 Für die Fertigung eines Panzers brauchte Henschel durchschnittlich
14 Tage, wobei für den Zusammenbau ein Großteil an Fertigkomponenten verwendet wur-
de.882
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Firma Henschel & Sohn in Kassel, trotz großer Zer-
störungen, den Betrieb bald wieder auf. Es wurde mit den Reparaturarbeiten amerikanischer
Heeresfahrzeuge begonnen. 1946 lieferte Henschel die ersten Oberleitungs-Omnibusse. Der
Bimot-Bus für 90 Personen sorgte nach der Präsentation im Jahr 1950 für großes Aufsehen,
konnte jedoch nur in geringer Stückzahl verkauft werden.883
Die Type HS 6, der erste Nachkriegslastwagen, wurde 1949 vorgestellt. Kennzeichen des
Fahrzeuges war die breite Stoßstange mit den aufgesetzten Scheinwerfern. Mit der serien-
mäßigen Produktion des Sechstonner-Diesel-Lastwagens, jedoch unter der Bezeichnung HS
140, wurde 1950 begonnen. Das Fahrzeug wurde bis zum Jahr 1961 unter Berücksichtigung
der geänderten Maße, Gewichte und Motorleistung gefertigt. 1953 stellte Henschel erstmals
262
Frontlenkerfahrzeuge vor: Das 5,2 Tonnen Fahrzeug der Type HS 115 mit einem 115 PS
starken Motor und für den schweren Bereich das 8,5 Tonnen-Fahrzeug der Type HS 170 mit
einem 170 PS starken Motor. Von den leichten Fahrzeugen wurden an die Bundeswehr 400
Stück geliefert, bereits mit einem 125 PS starken Motor.884
1956 kam es bei Henschel zu einem großen Produktionseinbruch, bedingt durch die Vor-
schriften des damaligen Verkehrsministers Seebohm. Auch die wegen der gesetzlichen Än-
derungen bei den Abmaßen und Gewichten der Nutzfahrzeuge rasch entwickelten Fahrzeug-
typen HS 90 und HS 95 konnten zu keiner großen Absatzsteigerung beitragen.885
Um den Bankrott abzuwenden, erwarb Oscar Henschel mit Geld aus seinem Privatvermögen
die Wumag Waggon- und Maschinenbau GmbH in Hamburg, da er unbedingt Spezialist im
Bereich von Dieselaggregaten werden wollte. Die schweren Dieselmotoren – für Schiffe be-
stimmt – konnten sich nicht bewähren. Henschel verkaufte das Unternehmen an die Werft H.
C. Stülcken Sohn, fuhr dabei einen Verlust von fünf Millionen Mark ein und musste zusätzlich
noch einen 20-prozentigen Stammanteil an der Henschel GmbH zugunsten der Hamburgi-
schen Landesbank verpfänden.886
Der Aufsichtsrat versuchte seit einiger Zeit, Oscar Henschel einen kompetenten Direktor zur
Seite zu stellen. Mehrere Versuche scheiterten an dem Führungsstil von Oscar Henschel.
Als schließlich auch der Direktor der Lastwagenabteilung Alfred Schulz fristlos gekündigt
wird, zieht die Gattin Henschels, Irene887, vom Familiensitz Falkenburg bei Kassel aus. Un-
ternehmerische Fehlentscheidungen und -spekulationen des Eigentümers sowie die hohen
Produktionskosten durch die Typenvielfalt im Unternehmen waren ausschlaggebend dafür,
dass das 147 Jahre alte Unternehmen in diese finanzielle Notlage geriet. Das Geld für die
Bedienung der Lieferanten war nicht mehr vorhanden. Der Verbindlichkeitenstand bei den
Lieferanten betrug bereits 38 Millionen Mark, die Bankverbindlichkeiten 50 Millionen Mark.
Außerdem standen unverkaufte Lastwagen im Wert von 12 Millionen DM in den Werkshal-
len. Der Aufsichtsrat holte deshalb den Wirtschaftsprüfer Dr. Johannes Semler als Sanierer
in das Unternehmen. Semler musste jedoch am 17. Oktober 1957 beim Kasseler Amtsge-
richt den Ausgleich beantragen. Semler versuchte gemeinsam mit dem Ausgleichsverwalter
Dr. Friedrich Robert Scheibitz sowie den Banken (Deutsche Bank, Frankfurter Bank, Com-
merz- und Credit-Bank) zahlungskräftige Investoren zu finden.888
Der Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß erteilte Henschel einen Auftrag über die Ferti-
gung von Schützenpanzerwagen nach der Lizenz vom Schweizer Rüstungskonzern Hispa-
884 Vgl. ZENTNER CHRISTIAN (2008), Zentners Illustrierte Chronik. Deutsche Nutzfahrzeuge Last- und Lieferwagen von 1945 bis heute. S. 40.
885 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 150.
886 Vgl. ZEITONLINE Nr. 16 vom 16.04.1953, Unternehmen. Abzurufen unter: http://www.zeit.de/1953/16/unternehmungen. Abgerufen am 10.09.2012.
887 Anm.: Irene Henschel, eine geborene von Siemens, wurde von Henschel geschieden und heiratete Alfred Schulz. Vgl. dazu DER SPIEGEL Nr. 40/1957
vom 02.10.1957. Henschel: Nur Rüstung kann retten. S. 26 ff. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41758655.html. Abgerufen am
16.08.2011.
888 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 40/1957 vom 02.10.1957. Henschel: Nur Rüstung kann retten. S. 26 ff. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
41758655.html. Abgerufen am 16.08.2011.
263
no-Suiza. Der ersehnte Gewinn des Auftrages fiel aus, da Henschel mangels Erbringung der
Vorleistungen englischer Zulieferbetriebe ebenso keine Vorbereitungsarbeiten für die Pro-
duktion erbringen konnte. Semler war sich sicher, dass Henschel nur durch die Rüstungsin-
dustrie aufrecht zuerhalten sei.889
Das Stammkapital der Unternehmung Henschel & Sohn GmbH in Höhe von 45 Millionen DM
wurde zur Gänze im Familienbesitz gehalten.890 Am 13. September 1957 gab Henschel in
der Aufsichtsratsitzung die Zustimmung, seine Anteile an die Hausbanken gegen Übernah-
me der Schulden abzutreten. Semler wurde von den Banken als Generalbevollmächtigter
eingesetzt.891 Als Semler nicht den gewünschten Geschäftserfolg bei Hanomag erzielte, hol-
ten sich die Banken den Industriemanager Dr. Fritz Aurel Goergen, um das Unternehmen
wieder flottzumachen. Goergen wurde als Aufsichtsratvorsitzender und später als Vorsitzen-
der der Geschäftsführung bestellt. Goergen erwarb vom Bankenkonsortium eine 27,5-
prozentige Beteiligung an der Henschel GmbH zu einem Abtretungspreis von 3,1 Millionen
Mark.892 Semler schied mit einer Abfindung von 200.000 Mark aus dem Unternehmen. Eben-
so wurde der Großteil der Mitarbeiter in Führungspositionen gekündigt, da Goergen der An-
sicht war, dass die Arbeiter des Unternehmens nicht an ein Managment glauben können,
welches 20 Jahre lang bei einer Misswirtschaft mitgemacht hat.893
Es gelang Goergen, das Unternehmen zu sanieren und den Mitarbeiterstand im Jahr 1959
von 8000 auf 12.000 aufzustocken. Der Jahresumsatz von 250 Millionen DM im Jahr 1958
konnte im Jahr 1959 ebenfalls erhöht werden, nämlich auf 413 Millionen DM. Die Umsatzer-
höhung war zu 50 Prozent auf die Produktion der Nutzfahrzeuge zurückzuführen. Binnen
einem halben Jahr wurden die Verbindlichkeiten von 100 auf 20 Millionen DM verringert.894
Henschel ging mit dem französischen Nutzfahrzeughersteller Saviem S.A., zugehörig zur
Renault-Gruppe, im Jahr 1961 eine Kooperation ein. Die jährliche Produktionsmenge betrug
bei Henschel 5000 Stück Nutzfahrzeuge, bei Saviem 7000 Stück. Die Produktion wurde so
geteilt, dass Henschel die Motoren und Saviem die Fahrerhäuser fertigte. Der Verkauf der
Fahrzeuge sollte über die Vertriebsschiene von Renault vorgenommen werden.895 Die Ko-
operation war auf 25 Jahre vereinbart, endete jedoch bereits nach zwei Jahren.896
889 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 40/1957 vom 02.10.1957. Henschel: Nur Rüstung kann retten. S. 28. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
41758655.html. Abgerufen am 16.08.2011.
890 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 150.
891 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 19/1964 vom 06.05.1964. Rüstung/Panzerskandale: Serie M – Henschel Chef-Goergen. S. 22 ff. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173491.html. Abgerufen am 16.08.2011.
892 Ebenda.
893 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 47/1961 vom 15.11.1961. Industrie/Georgen, Prinz Aurel. S. 13. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
43367432.html. Abgerufen am 10.08.2011.
894 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 150.
895 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 47/1961 vom 15.11.1961. Industrie/Georgen, Prinz Aurel. S. 13. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
43367432.html. Abgerufen am 10.08.2011.
896 Ebenda.
264
Der Designer Lepoix gestaltete die neuen Henschelfahrerhäuser, welche auf der Frankfurter
Automobil-Ausstellung 1961 den Kunden präsentiert wurden. Die Kabinen fanden sowohl
durch ihre moderne Form als auch durch die vornehme Innenausstattung großen Anklang.
Die Gesellschaft wurde 1962 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Geschäftstätigkeit
der Unternehmung umfasste zwischenzeitlich auch die Reparatur von Bundeswehrpanzern
amerikanischer Herkunft.897
Nach dreijähriger Tätigkeit von Goergen waren die Verbindlichkeiten zur Gänze abgebaut
und der Umsatz betrug im Jahr 1961 461 Millionen, 1962 472 Millionen und 1963 456 Milli-
onen Mark.898
Bis zum Jahr 1964 erwarb Goergen 54,9 Prozent des Unternehmens. 40,9 Prozent waren im
Eigentum von Josef R. Nash und Freunde, den Inhabern der Morgan Guaranty Trust Com-
pany in New York. Die restlichen Anteile wurden vom Geschäftsführer des Unternehmens,
Dr. Leonhard Lutz, dem Cheftechniker Dipl. Ing. Gerhard Hollmann sowie dem Repräsentan-
ten der Henschelfahrzeuge und jüngeren Bruders Willi Goergen gehalten.899
Im April 1964 wurde Goergen wegen behaupteter Unregelmäßigkeiten verhaftet.900 Es ging
um einen Betrag von 392.000 Mark. Henschel hatte in den letzten fünf Jahren Panzerersatz-
teile nicht von der Bundeswehr, sondern von Fremdfirmen in der Höhe von 16 Millionen Mark
gekauft, so von der Norca Machinery Corporation für fünf Millionen Mark. Goergen soll vom
Norca-Chef Caminor eine Gewinnbeteiligung nach Abschluss eines Lieferauftrages verlangt
haben. Das Geld wurde von Caminor auf ein Schweizer Bankkonto von Goergen überwie-
sen. Außerdem sollten die Preise für den Auftrag um 50.000 Mark zu hoch gewesen sein.901
Goergen wurde vorgeworfen, gegen den § 4 Absatz 4 des zwischen Henschel und dem
Deutschen Verteidigungsministerium im Jahr 1959 geschlossenen Vertrages verstoßen zu
haben, der lautet: „Soweit der Auftragnehmer Fremderzeugnisse bezieht, ist er verpfllichtet,
beim Einkauf nach den Regeln eines ordentlichen Kaufmanns alle marktwirtschaftlichen Mit-
tel zur Erlangung des günstigsten Preises anzuwenden.“902
Goergen wurde verhaftet und verkaufte 1964 seine Beteiligung an der Henschel AG an die
Rheinstahl AG, noch bevor er von der Staatsanwaltschaft dazu gezwungen wurde. Werner
Söhngen, Chef der Rheinstahl AG, erwarb auch die Anteile der übrigen Eigentümer des Un-
ternehmens. Durch die Übernahme konnte die Rheinstahl AG ihren Nutzfahrzeugkunden
neben den kleineren Hanomag-Fahrzeugtypen nun auch schwere Henschel-Lastwagen an-
bieten. Außerdem waren nun die gesamten Panzeraufträge in einem Unternehmen vereint.
897 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 150.
898 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 19/1964 vom 06.05.1964. Rüstung/Panzerskandale: Serie M – Henschel Chef-Goergen. S. 22 ff. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173491.html. Abgerufen am 16.08.2011.
899 Ebenda.
900 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 150.
901 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 19/1964 vom 06.05.1964. Rüstung/Panzerskandale: Serie M – Henschel Chef-Goergen. S. 22 ff. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173491.html. Abgerufen am 16.08.2011.
902 Ebenda S. 31.
265
Ebenso konnten die leerstehenden Produktionshallen der Rheinstahl AG für Aufträge von
Henschel genutzt werden.903
Es erfolgte die Änderung des Firmenwortlautes der Gesellschaft in Rheinstahl-Henschel AG.
Den Aufsichtsratvorsitz im Unternehmen hatte Rheinstahl-Chef Werner Söhngen inne. 1969
wurde der Nutzfahrzeugbereich von Henschel und Hanomag in der Hanomag-Henschel-
Fahrzeugwerke GmbH mit Sitz in Hannover zusammengefasst.904
Der Aufschwung der Henschel GmbH unter der Führung von Goergen spiegelt sich in den
Produktionszahlen der Lastwagen wider:
905
Tab. 53: Produktionszahlen Henschel (Lastwagen) 1957 bis 1969
Nach sieben Jahren Haft stellte sich heraus, dass die Anschuldigungen gegen Goergen zu
Unrecht erhoben worden waren.906
1974 verließen die letzten Fahrzeuge mit dem Henschellogo die Fertigungshallen in Kassel.
Bis März 1980 wurden in Kassel noch Nutzfahrzeuge, aber mit dem Daimler-Benz-Logo pro-
duziert. Danach wurden in den Hallen ausschließlich Fahrzeugkomponenten für den Daim-
ler-Benz-Konzern gefertigt. Für Daimler-Benz war der Erwerb der Hersteller Hanomag und
Henschel ein weiterer Schritt zur Nummer Eins am Nutzfahrzeugmarkt.907
903 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 33/1964 vom 12.08.1964. Henschel: Billige Tochter. S 30 ff. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
46174930.html. Abgerufen am 19.08.2011.
904 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 150.
905 Quelle: Tabelle entnommen aus OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen, Band 2. S. 151.
906 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 150.
907 Vgl.offizielle Website von OMNIBUSARCHIV. Henschel-Werk-Kassel. Abzurufen unter:
http://www.omnibusarchiv.de/include.php?path=article&contentid=657&page=6 Abgerufen am 28.08.2013.
266
h) Daimler
908 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 15.
909 Vgl. offizielle Website von DAIMLER BENZ. Abzurufen unter: http://www.daimler.com/unternehmen/tradition/geschichte-der-daimler-ag. Abgerufen am
31.08.2013.
910 Anm.: Die Lieferwagen waren mit einem 7 PS starken Motor ausgestattet und hatten eine Nutzlast von 250 kg. Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007),
Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. München. S. 14.
911 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. München. S. 14.
912 Vgl. ebenda S. 15.
913 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S. 40 und S 302.
267
Die Benz-Fahrzeuge trugen ab 1909 folgendes Logo:
914
Logo 23: Benz-Fahrzeuge
Copyright Mercedes-Benz (nunmehr Daimler AG)
Gottlieb Daimler übernahm im Jahr 1865 die Geschäftsleitung einer Maschinenfabrik in Reut-
lingen, wo er Wilhelm Maybach kennenlernte. Beide wechselten zur Gasmotorenfabrik Deutz
AG, wo Nikolaus Otto an der Entwicklung des Otto-Motors arbeitete. Nach Meinungsver-
schiedenheiten mit Otto schieden Daimler und Maybach aus dem Unternehmen. Daimler
bekam als Abfindung eine Beteiligung an der Deutz-Gesellschaft. Das Aktienpaket hatte ei-
nen Wert von 112.000 RM. Die Aktien warfen einen Gewinn von 96 Prozent ab, mit welchem
Daimler in Stuttgart-Cannstatt eine eigene Versuchswerkstätte gründete. Daimler entwickelte
mit Maybach den Einzylinder-Viertaktmotor mit Glührohrzündung. Daimler stellte 1886 das
erste Automobil mit vier Rädern, den Daimler-Stahlwagen vor.915
Gottlieb Daimler präsentierte am 1. Oktober 1896, zehn Jahre nach dem ersten Auto, den
ersten Lastwagen der Welt. Das Fahrzeug sah einer Kutsche ähnlich und wurde von einem
vier PS starken Motor angetrieben. Der Motor wurde von Wilhelm Maybach konstruiert. Das
erste Fahrzeug wurde nach England verkauft. Durch den Erwerb des Fahrzeuges gewannen
Frederick R. Simms und Otto Mayer – sie vertraten die Daimler-Motoren-Gesellschaft in Eng-
land – Einblick in die Technik des Kraftfahrzeugbaus. Der Grundstein für die Gründung der
Daimler Motor Company Ltd. in Coventry wurde gelegt. Bis zu jenem Zeitpunkt wurde in
England bei der Fahrzeugherstellung noch dem Dampfantrieb der Vorzug gegeben.916
1899 lieferte Daimler an seine Wiener Vertretung, die Firma Bierenz & Hermann, einen Ge-
schäftswagen, der später als Lastwagen verwendet wurde. Das Fahrzeug war mit einem 5,5
PS starken wassergekühlten Zweizylindermotor und Eisenrädern ausgestattet.917 Im gleichen
Jahr konstruierte Daimler auf Anregung des Kaufmannes Emil Jellinek den ersten Rennwa-
268
gen. Das Fahrzeug bekam den Namen Mercedes, den Namen der Tochter Jellineks.918 1902
ließ das Unternehmen den Markennamen Mercedes patentieren.919
920
Logo 24: Daimler-Fahrzeuge ab 1909
Coypright Mercedes-Benz (nunmehr Daimler AG)
Daimler konnte den Aufschwung des Unternehmens nicht mehr erleben, da er am 6. März
1900 verstarb.921
Die Daimler-Fahrzeuge hatten zwischenzeitlich ebenso internationalen Ruf erlangt. Die
Lastwagen wurden bereits bis zu einer Nutzlast von 8 Tonnen hergestellt. 1923 produzierte
Daimler die erste Serie von Diesellastwagen.922
Die beiden Hersteller Daimler und Benz – ursprünglich Konkurrenten – profitierten voneinan-
der, als sie im Jahr 1924 wegen der wirtschaftlich schwierigen Situation eine Interessensge-
meinschaft eingingen. Am 1. Juli 1926 kam es zur Fusion zwischen der Daimler-Motoren-
Gesellschaft und der Benz & Cie. unter dem Firmennamen Daimler-Benz AG. Daimler lag bis
zur Fusion mit der produzierten Stückzahl von Lastwagen im Hintertreffen. Benz produzierte
im Zeitraum 1919 bis 1926 20.930 Lastwagen, Daimler 13.420. Eine Aufteilung des Produk-
tionsprogramms wurde vorgenommen und die Typenbezeichnung gestrafft. Die Fahrzeuge,
die nunmehr produziert wurden, trugen den Namen Mercedes-Benz.923
Das Symbol, das die neuen Fahrzeuge ab der Fusion beider Unternehmen trugen, sollte die
Verbundenheit der beiden Unternehmen zeigen: Der Lorbeerkranz stammte vom Benz-
Symbol und der Dreizack-Stern vom Daimler-Symbol.924
918 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 13.
919 Vgl. offizielle Website von DAIMLER. Abzurufen unter: http://www.daimler.com/dccom/0-5-1324882-49-1324893-1-0-0-1345593-0-0-135-0-0-0-0-0-0-0-
0.html. Abgerufen am 19.08.2013.
920 Quelle: Logo ab 1909 abzurufen unter: http://www.mercedes-fans.de/klassik/klassik_artikel/id=264/. Abgerufen am 16.04.2012.
921 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 13.
922 Ebenda S. 81.
923 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 80.
924 Vgl. KURZE Peter / ZWIENER Rudi (2007), Autos aus Bremen. 100 Jahre Automobilbau in Bremen – Die Hanomag-und Mercedes-Benz-Ära, Band 11.
Buch 2, Bremen. S. 35.
269
925
Logo 25: Daimler-Benz-Fahrzeuge ab 1926
Copyright Mercedes-Benz (nunmehr Daimler AG)
Von Anfang an zeichneten sich die Fahrzeuge von Mercedes-Benz durch Qualität, Sicherheit
und Zuverlässigkeit aus. Die Nutzfahrzeugpalette wurde neu ausgerichtet und vor allem mo-
dernisiert. Fahrzeuge bis zu 8,5 Tonnen Nutzlast wurden wahlweise mit 100 PS starken
Benzinmotoren oder 70 PS starken Dieselmotoren angeboten. Die Fahrzeuge fanden bei
den Kunden großen Anklang. Dieser wirtschaftliche Aufschwung dauerte bis zum sogenann-
ten „Schwarzen Freitag“, dem 25. Oktober 1929.926 Das Unternehmen war stark exportab-
hängig. Deshalb hatte die Weltwirtschaftskrise 1929 verheerende Auswirkungen auf das Un-
ternehmen. Die Mitarbeiterzahl musste im Jahr 1930 von 14.000 auf 8850 reduziert werden
und die Produktionszahlen sanken von 3813 auf 1595 Einheiten.
Als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, kam es wieder zu Großaufträgen für den
Ausbau des Rüstungssektors. 1930 wurde auch in Schanghai, China, eine Fertigungsstätte
von Daimler-Lastwagen eröffnet.927 Mit der Entscheidung, Fertigungsstätten außerhalb Euro-
pas zu gründen, setzte Daimler den Grundstein zum Aufstieg der späteren Nummer Eins am
Nutzfahrzeugsektor.
1932 stellte Daimler Benz ein neues Lastwagenprogramm vor. Nutzfahrzeuge zwischen 2
Tonnen Nutzlast, mit der Bezeichnung L 2000, und 5 Tonnen Nutzlast, mit der Bezeichnung
L 5000, wahlweise mit einem Diesel- oder Benzinmotor ausgestattet, wurden den Kunden
vorgestellt. Die Dieselfahrzeuge waren mit den Großbuchstaben „DIESEL“, am Kühler ange-
bracht, gekennzeichnet. In den Folgejahren rundeten immer stärkere Motoren und höhere
Nutzlasten das Programm ab. 1935 wurde der schwere Dreiachser L 10000 (Nutzlast 10
Tonnen) mit einem Gesamtgewicht von 18,5 Tonnen präsentiert. Durch Auflagen des Gene-
ralbevollmächtigten für das Kraftfahrzeugwesen, General Adolf von Schell, wurde den ein-
zelnen Automobilherstellern vorgeschrieben, welche Fahrzeuge sie zu produzieren hatten.
270
Daimler-Benz stellte die Produktion entsprechend den Wünschen der neuen Machthaber um
und produzierte neben Lastwagen mit drei, viereinhalb und sechs Tonnen Nutzlast auch
Spezialfahrzeuge wie Geländewagen und Zugmaschinen.928
Rüstungsminister Albert Speer verfügte am 22. Juni 1942, dass Daimler-Benz die Produktion
der eigenen Dreitonner Fahrzeuge zugunsten der Opel-Blitz-Lizenzfertigung einstellen muss-
te. Als Argument wurde angeführt, dass die Mercedes-Type im Kriegseinsatz anfälliger sei
und der Opel Blitz außerdem um eine Tonne leichter sei. Die ersten Opel-Dreitonner wurden
im Mannheimer Mercedes-Werk ab Juli 1944 produziert. Die Fahrzeuge mit der Bezeichnung
L 701 trugen nicht das Symbol von Opel und waren in einfachster Form ausgestattet. Im Au-
gust 1944 wurden die Hallen des Opelwerkes in Brandenburg/Havel bei einem Luftangriff zur
Gänze zerstört. Die Opel-Blitz-Fahrzeuge wurden daher nur mehr von Daimler-Benz produ-
ziert. Im Werk Gaggenau wurden überwiegend 4,5-Tonnen-Fahrzeuge und Maultier-
Halbkettenfahrzeuge hergestellt.929
Die Fabrik in Mannheim blieb von Kriegsbeschädigungen großteils verschont. Das Werk in
Gaggenau wurde weitgehend zerstört.
In Mannheim konnte deshalb die Fertigung des Opel Blitz im Juni 1945 mit dem Einver-
ständnis der Adam Opel AG wieder aufgenommen werden. Allerdings mussten 50 Prozent
der Produktion der Adam Opel AG zum Verkauf überlassen werden. Bedingt durch die Roh-
stoffknappheit blieben die Produktionszahlen niedrig.930 Von August bis Dezember 1945
wurden für das französische Militär 290 Stück dieser Fahrzeuge hergestellt. Am 10. Juni
1949 verließ der letzte nachgebaute Opel Blitz die Fertigungshallen von Daimler-Benz. Ins-
gesamt wurden 13.800 Stück der Nachbaufahrzeuge Opel Blitz unter der Bezeichnung Mer-
cedes-Benz L 701 produziert.931
Im Werk Gaggenau wurden die Hallen unter schwierigsten Bedingungen mit den vorhande-
nen Mitteln wieder aufgebaut. Im August 1945 wurde der ehemalige Militärlastwagen L 4500
aus den noch vorhandenen Teilen und mit einem Führerhaus aus Presspappe hergestellt.932
Rasch konnte Daimler-Benz die führende Rolle am Nutzfahrzeugmarkt wieder erlangen, und
der Stern auf der Motorhaube war bald wieder das Zeichen für ein Fahrzeug, das für höchste
Qualität bürgt.
271
Die erste Eigenentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, das Mercedes-Benz-Modell L
3250, wurde im Mai 1949 auf der Exportmesse in Hannover vorgestellt. Die Bezeichnung der
Fahrzeuge erfolgte nach Nutzlastklassen. Die Fahrzeugtype L 3250 (3,25 Tonnen Nutzlast)
war mit einem 90 PS starken Dieselmotor ausgestattet. Für Daimler-Benz bedeutete die
Ausstattung des Fahrzeuges mit einem Dieselmotor ein großes Risiko, da die Nutzfahrzeug-
hersteller in den 1940er-Jahren noch überwiegend Benzinmotoren in die Fahrzeuge einbau-
ten. Ein stärkeres Fahrzeug wurde bald darauf mit der Type L 5000 präsentiert, wobei die
Fahrzeugkabinen großteils schon aus Stahl waren. Im Herbst 1950 stellte Daimler-Benz eine
weitere Neuheit vor: ein 6,5-Tonnen-Fahrzeug (Type L 6600) mit 145 PS starkem Motor. Die
Motorhaube war lang gezogen, die Fahrerkabinen viel zu klein, aber der geringe Lärm des
Fahrzeuges fand Lob bei den Lenkern. Daimler-Benz bot mit den neuen Baureihen den Kun-
den eine weit gefächerte Fahrzeugpalette. Dies trug zu einem enormen Aufschwung im In-
und auch im Ausland bei.933
Für den Export wurden die Schwerlastwagen ab dem Jahr 1954, für das Inland ab dem Jahr
1955 serienmäßig als Frontlenkerfahrzeuge gebaut. Die Fahrerkabinen wurden von der Fir-
ma Wackenhut in Nagold zugekauft.934
Fahrzeuglieferungen erfolgten auch für die Bundeswehr, wobei sich die Mercedes-Type LG
315, ein Geländelastwagen speziell für den militärischen Gebrauch, bewährte. Innerhalb der
Fahrzeugtypen fanden ständig Weiterentwicklungen statt. So wurden 1952 die Fahrzeuge
der Type L 5000 mit Motorhauben des L 6600 gefertigt. Bereits ein Jahr später wurde das
Nachfolgemodell des L 5000, der L 5500 vorgestellt.
Bei den Exporten in die Schweiz gab es erstmals Schwierigkeiten mit den Markenbezeich-
nungen von Daimler-Benz. In der Schweiz war der Import von Fahrzeugen über 5 Tonnen
Nutzlast so gut wie unmöglich. Fahrzeuge (mit 5,5 Tonnen Nutzlast), die am inländischen
Markt L 5500 hießen, wurden für Lieferungen in die Schweiz mit L 5000 benannt (bei glei-
cher Ausstattung wie die Fahrzeuge des Modells L 5500, jedoch mit nur 5 Tonnen Nutzlast).
Kurzfristig wurde von der Geschäftsleitung beschlossen, die Fahrzeuge nicht mehr nach
Nutzlastklassen, sondern nach hausinternen Konstruktionsnummern zu benennen. Die Kon-
struktionsbezeichnungen ließen keinen Rückschluss mehr auf Gewicht oder Leistung der
Fahrzeuge zu, was zur Verunsicherung der Kunden führte. Die Frontlenkertypen erhielten
zur Bezeichnung L noch den Buchstaben P (für Pullmann935). Allradfahrzeuge wurden mit
einem zusätzlichen A (für Allrad) gekennzeichnet.936
Große Gewinne brachte Daimler-Benz die Vergabe von Lizenzrechten für den Mercedes
Dieselmotor an andere Nutzfahrzeughersteller ein. 1953 erwarb Fiat als erstes Unternehmen
933 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 84.
934 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 354.
935 Die Bezeichnung „Pullmann“ steht für eine geräumige Fahrerkabine. Vgl. dazu: http://www.mercedes-benz-
classic.com/content/classic/mpc/mpc_classic_website/de/mpc_home/mbc/home/mb_classic/model_overview/history_truck/1949-1960.0010.html. Abgerufen
am 06.04.2012.
936 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 338.
272
die Nachbaurechte, gefolgt von Gräf & Stift in Österreich. Auch Hersteller aus dem Ausland
sicherten sich die Nachbaurechte wie Enmasa in Spanien, Ikegai in Japan oder Studebaker-
Packard in Amerika. Mitte der 50er-Jahre errichtete das Unternehmen erstmals in Brasilien
und Argentinien Werke. Daimler-Benz baute neben den Lizenzvergaben weltweit ein dichtes
Netz an Werken auf.937
Durch den Wirtschaftsaufschwung tat sich ein neues Marktfeld auf – die Fertigung von
Transportern. Daimler-Benz stellte auf der Frankfurter Automobil-Ausstellung im September
1955 die erste Baureihe derartiger Transporter, die Type L 319, vor. Die Fahrzeuge waren
nicht schick, sondern einfach gestaltet, und moderne Technik war ebenfalls nicht vorhanden.
Bei Betrieb des Kleintransporters war der Fahrer dem dröhnenden Lärm des 1,8-Liter-
Dieselmotors ausgesetzt. Diese Kritikpunkte ließen die Kunden unbeeindruckt. Verbesserte
Baureihen des Transporters L 319 wurden in den folgenden Jahren vorgestellt. Im Jahr 1967
wurde nach 11-jähriger Produktion die Baureihe L 319 mit insgesamt 107.645 produzierten
Stück eingestellt und durch die Nachfolgemodelle L 406 und L 408 abgelöst.938 Diese Trans-
porter zeichneten sich durch ein besseres Styling, gute Fahreigenschaften und vor allem
durch eine Modellvielfalt aus. Beim Kastenwagen konnte zwischen zwei oder drei Dachhö-
hen und zwischen Modellen mit Dreh- oder Schiebetüren gewählt werden. 1968 konnten
diese Kleintransporter wie bisher mit einem Dieselmotor oder einem Benzinmotor erworben
werden. Diese Wahlmöglichkeiten bedeuteten eine erhebliche Aufwertung der Produktpalet-
te.939
Durch die 1960 von Verkehrsminister Seebohm neu eingeführten gesetzlichen Verordnun-
gen, betreffend die zulässigen Abmaße und Gewichte der Fahrzeuge, wurden den Automo-
bilherstellern bei der Fahrzeugfertigung erhebliche Einschränkungen auferlegt. Die Konstruk-
teure von Daimler-Benz stellten eine Neuentwicklung, den LP 333 mit dem Spitzname Tau-
sendfüßler vor. Es handelte sich dabei um einen Frontlenkerlastwagen mit zwei lenkbaren
Vorderachsen und einer Nutzlast von 9 Tonnen. Das Fahrzeug entsprach den gesetzlichen
Anforderungen und überzeugte vor allem als Sattelzugfahrzeug.940
1958 stellte Daimler-Benz erstmals Kurzhaubenfahrzeuge vor: in der mittleren Klasse den L
322, in der schweren Reihe den L 337. Die Kurzhaubenfahrzeuge waren kein Trend, son-
dern sollten den gesetzlichen Gewichts- und Maßbeschränkungen gerecht werden. Bei be-
grenzten Außenabmessungen sollte eine möglichst große Ladefläche vorhanden sein. Für
den Export wurden verstärkte Fahrzeuge mit einem höheren Gesamtgewicht, nämlich 19
Tonnen (im Vergleich dazu hatten die gleichen Fahrzeuge für den inländischen Markt ein
Gesamtgewicht von 16 Tonnen), unter der Bezeichnung L 332 auf den Markt gebracht.941
273
Änderungen der Zulassungsvorschriften machten es erforderlich, dass die Motorleistung 6
PS pro Tonne Gesamtgewicht betrug. Mittlerweile wurden sieben Grundtypen angeboten.
Die Produktpalette von Daimler-Benz reichte in der Zwischenzeit vom leichten Klein-
Transporter L 319 D mit 43 PS bis hin zum schweren Lastwagen L 334 mit 200 PS, welche
wahlweise als Haubenfahrzeug oder Frontlenker geliefert wurden.942
Die Automobilgeschichte der Daimler-Benz AG ist verbunden mit zahlreichen Übernahmen
bekannter Automobilhersteller. So drängte der Großaktionär Friedrich Flick Daimler-Benz
1958 zur Übernahme des Personenwagenherstellers Auto Union in Chemnitz. Ab Dezember
1959 war Daimler-Benz alleiniger Eigentümer der Auto Union. Daimler-Benz verkaufte 1964
das Unternehmen ohne den Produktionsstandort in Düsseldorf an die Volkswagen AG.
Mit dem Verkaufserlös konnte ein nahe der Stadt Karlsruhe gelegenes Gelände im pfälzi-
schen Städtchen Wörth gekauft werden. Dort wurde das Lastwagenwerk Wörth am Rhein
errichtet. Der Konzern nutzte nun die Möglichkeit, die Nutzfahrzeugfertigung neu zu struktu-
rieren, vor allem war es jetzt möglich, die Montage und die Ersatzteilfertigung zu trennen.
In den Werken Mannheim und Marienfelde wurden die Motoren und Omnibusse, in Gag-
genau die Getriebe und Außenplanetenachsen sowie weiterhin der Unimog und in Düssel-
dorf die Lenkungen erzeugt. In der neu errichteten Halle in Wörth fand die Endmontage der
leichten, mittleren und schweren Lastwagen statt. Durch diese Rationalisierungsmaßnahmen
konnte schneller auf die Anforderungen am Nutzfahrzeugmarkt reagiert werden.943
Die Typenbezeichnungen der Lastwagen mussten im September 1963 auf Drängen des
Verbandes für Automobilindustrie (VDA) geändert werden. Die neuen Bezeichnungen gaben
mit den ersten beiden Ziffern das Gesamtgewicht und den letzten beiden Ziffern die Motor-
leistung multipliziert mit zehn an.
Die neue Bezeichnung L 1920 beim schweren Lastwagen (bisher L 334) stand für ein Ge-
samtgewicht von 19 Tonnen und 200 PS. Der Buchstabe L stand für Lastwagen, wobei die
Bezeichnung wahlweise um die Buchstaben P für Frontlenker, A für Allrad, K für Kipper oder
S für Sattelzugmaschine erweitert wurde.944
942 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 86.
943 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 330.
944 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 86.
274
Im September 1963 wurde auf der Frankfurter Automobilausstellung erstmals nach dem
Krieg ein schweres Dreiachsfahrzeug speziell für den Baustellen- oder Kurzstreckenverkehr
mit einem Gesamtgewicht von 22 Tonnen – und für abseits des öffentlichen Verkehrs mit 26
Tonnen – vorgestellt. Weitere Errungenschaften waren zwei Jahre später eine entsprechen-
de Dreiachs-Sattelzugmaschine für Kipper, aber auch Tieflade-Anhänger und Spezialfahr-
zeuge, u. a. Betonmischer und Autokräne.945
Ein gänzlich neuer Leichtlastwagen der 3-Tonnen-Nutzlastklasse wurde von Daimler-Benz
1965 mit der Type LP 608 vorgestellt. Das Fahrzeug mit 80 PS war für den Stadt- und Nah-
verkehr gedacht. Bereits in den ersten beiden Jahren wurden über 10.000 Stück dieses
Lastwagens im Werk Wörth produziert. Das Fahrzeug erzielte in dieser Klasse zulasten der
Hanomag-Fahrzeuge, welche bis dahin in dieser Klasse führend waren, einen Marktanteil
von 45 Prozent.946
Lkw-Produktionszahlen der Daimler-Benz AG in den Jahren 1945 bis 1969 (ohne Ausland)
1957 17.256
947
Tab. 54: Produktionszahlen Daimler-Benz AG (Lastwagen) 1945 bis 1969
945 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 386.
946 Ebenda S. 394.
947 Quelle: entnommen aus ebenda S. 331.
275
1968 übernahm Daimler die Produktion der Krupp-Lastwagen und stellte diese ein. Daimler-
Benz gewann durch die Übernahme der Krupp-Lastwagensparte zehn neue Verkaufsnieder-
lassungen dazu.
Kooperationsgespräche zwischen Magirus-Deutz und Daimler-Benz schlugen fehl, da Magi-
rus-Deutz in seine Fahrzeuge luftgekühlte Motoren einbaute und Daimler-Benz an seinen
wassergekühlten Motoren festhielt.948
Daimler-Benz schloss mit M.A.N. 1968 eine Vereinbarung über die arbeitsteilige Entwicklung
und Herstellung bestimmter Nutzfahrzeug-Aggregate ab. Bis zur Jahrtausendwende hielt
diese Vereinbarung – vor allem, was die Motorbaureihe 400 und die Außenplanetenachsen
betraf.949
1969 gründete die Rheinstahl-Hanomag AG mit der Daimler-Benz AG die Hanomag-
Henschel-Fahrzeugwerke AG. Der Rheinstahlkonzern fasste seinen Automobilsektor, die
Produktion der Fahrzeuge Hanomag und Henschel, in dieser Gesellschaft zusammen. Die
Nutzfahrzeugproduktion von Hanomag war im Stammwerk Hannover-Linden und im früheren
Tempo-Werk in Hamburg-Harburg sowie im einstigen Borgward-Hauptwerk in Bremen un-
tergebracht, die Lastwagenproduktion von Henschel in Kassel. An der Gesellschaft war die
Daimler-Benz mit 51 Prozent beteiligt. 1971 übernahm Daimler-Benz auch die restlichen 49
Prozent an der Gesellschaft. Der Firmenwortlaut wurde vorerst nicht geändert.950
Am 1. Jänner 1978 erfolgte neben der Eingliederung in den Produktionsverbund von Daim-
ler-Benz auch die aktienrechtliche Eingliederung der Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke
GmbH in die Daimler-Benz AG. Der Firmenwortlaut der Hanomag-Henschel Fahrzeugwerke
GmbH wurde in Daimler-Benz AG – Werk Bremen umfirmiert.951
Die Fertigung der Kasten- und Kombiwagen wurde 1969 vom Stammwerk der Firma
Hanomag Hannover-Linden nach Bremen verlegt.952
In den ehemaligen Werkshallen der Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke in Kassel wurde ab
1973 die Achsenfertigung für Lastwagen untergebracht. In dem seinerzeitigen Borgward-
Werk im Bremer Stadtteil Sebaldsbrück wurden die Klein- und Schnelllastwagen von Hen-
schel produziert. Trotz des guten Absatzes der Leichttransporter – 188.000 Einheiten wurden
von 1971 bis 1977 in Bremen produziert – schrieben die Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke
Verluste. Der Daimler-Benz Vorstand entschied, den Mercedes-Benz-Transporter in Bremen
zu bauen. Auch diese Entscheidung führte nicht zum gewünschten betriebswirtschaftlichen
Erfolg, es wurde jährlich ein Verlust von 100 Millionen Mark eingefahren. Die Geschäftsfüh-
rung stand vor der Entscheidung, entweder das Tochterunternehmen zu veräußern oder eine
Umstrukturierung im Konzern vorzunehmen. Das Pkw-Werk in Sindelfingen war im Produkti-
948 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 86.
949 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 330.
950 Ebenda S. 338.
951 Vgl. KURZE Peter / ZWIENER Rudi (2007), Autos aus Bremen. 100 Jahre Automobilbau in Bremen – Die Hanomag-und Mercedes-Benz-Ära. S. 36.
952 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1970 – 1989, Band 3. Stuttgart. S. 340.
276
onsbereich längst an die Kapazitätsgrenzen gelangt. Daimler-Benz wollte noch weitere Ab-
satzmöglichkeiten nutzen, jedoch fehlten dazu die Produktionsmöglichkeiten.
1976 entschloss sich der Daimler-Benz-Vorstand auf Betreiben des Vorstandsmitgliedes Dr.
Werner Niefer, der für die Produktion zuständig war, das Werk in Bremen in ein reines Per-
sonenkraftwagenwerk umzugestalten. Alternativmöglichkeiten waren die Adaptierung des
ehemaligen NSU-Pkw-Werkes in Neckarsulm oder die Neuerrichtung eines Werkes in Ba-
den-Württemberg. Der Vorzug wurde dem Werk in Bremen gegeben.
Die Unternehmensleitung beschloss, die auf der Internationalen Automobil-Ausstellung im
September 1977 vorgestellte fünftürige Universal-Limousine der T-Reihe (T stand für Touris-
tik und Transport) in Bremen zu produzieren. Bevor mit der Produktion begonnen werden
konnte, mussten die Werkshallen adaptiert und die Fertigungsmaschinen modernisiert wer-
den. Ehemalige Borgward-Mitarbeiter arbeiteten nun in der Pkw-Produktion für Daimler-
Benz.
Am 16. Feber 1978 standen die ersten Personenkraftwagen, die Mercedes-Benz-T-Modelle,
in Bremen zur Auslieferung an die Kunden bereit. Nach einer Unterbrechung von 17 Jahren
rollten wieder Personenkraftwagen von den Montagebändern in den seinerzeitigen Borg-
wardhallen in Bremen.953
Die zwei- und dreiachsigen Schwerfahrzeuge aus dem Henschel-Programm wurden als
Übergangstypen in den Jahren 1972/1973 im Werk Wörth produziert. Dadurch sollte den
Henschel-Kunden der Übergang auf Mercedes-Benz-Fahrzeuge erleichtert und die Zeit bis
zur Präsentation der neuen Baustellenfahrzeuge von Mercedes-Benz mit der Bezeichnung
„Neue Generation“ überbrückt werden.954
Die Baureihe Neue Generation wurde stufenweise eingeführt, und nach und nach wurde eine
größer werdende Produktpalette angeboten. Die neue Schwerlastklasse Neue Generation 73
(NG 73) wurde den Kunden auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1973 in Frankfurt
vorgestellt. Es handelte sich dabei um 15 Kipperfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 16
bis 26 Tonnen. Die Fahrerhäuser waren rundlich gestaltet und wirkten kleiner als die Vor-
gängermodelle. Die Kabine hatte eine große Windschutzscheibe, und das Fahrzeug wies
eine größere Stabilität auf schlechten Straßen auf. In die Fahrzeuge wurde entweder der V-8
und V-10 Motor oder der neue Sechszylinder V-Motor der Type 401 eingebaut. Diese Motor-
type wurde durch die Vereinbarung mit M.A.N. im Nürnberger M.A.N.-Werk ausschließlich in
Daimler-Fahrzeuge eingebaut.955
953 Vgl. KURZE Peter / ZWIENER Rudi (2007), Autos aus Bremen. 100 Jahre Automobilbau in Bremen – Die Hanomag-und Mercedes-Benz-Ära. S. 36.
954 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1970 – 1989. S. 328.
955 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 87.
277
Dass den Baustellenfahrzeugen bei der Entwicklung der neuen Baureihe der Vorrang gege-
ben wurde, hatte drei Gründe:
Der erste Grund war, den massiven Werbestrategien von Magirus-Deutz mit der
„Bullenwerbung“ für seine Fahrzeuge entgegenzuwirken.
Zweitens wollte Daimler-Benz die Henschelfahrzeuge möglichst bald ersetzen,
und die zufriedenen Henschelkunden sollten künftig Daimler-Benz-Kunden wer-
den.
Der dritte Grund schließlich war, dass der Markt für Baustellenkippfahrzeuge nicht
sehr groß war und die Produktion mit geringen Stückzahlen beginnen konnte. Im
Jahr 1974 wurde die Produktion im vollen Umfang aufgenommen. Neben den
Kipperfahrzeugen waren nun auch Pritschenwagen, Sattelzugmaschinen und
Sonderfahrzeuge im Bereich von 16 bis 26 Tonnen Gesamtgewicht Teil der Pro-
duktpalette.956
956 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1970 – 1989. S. 384.
957 Ebenda S. 362.
958 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 86.
959 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1970 – 1989. S. 362.
278
mit dem führenden Unternehmen im Bremsenbereich, Westinghouse, entstanden war, in
seine Lastwagen und Omnibusse ein.960
Daimler-Benz versuchte internationale Wissenschafter in die Forschung und Entwicklung
einzubinden. So wurde am 27. Feber 1973 mit dem Vorsitzenden des Ministerrats für Wis-
senschaft und Technologie der UdSSR ein Abkommen über technisch-wissenschaftliche
Zusammenarbeit geschlossen.961
Bei der Rallye Paris – Dakar errang im Jänner 1983 der Lastwagentyp 1936 AK (für: Allrad-
kipper, 19 Tonnen Gesamtgewicht, 356 PS) den Sieg. Ein Jahr später nahm die gleiche
Fahrzeugtype Rang eins und zwei ein. Diese Siege brachten Daimler-Benz eine erhebliche
Werbewirkung.962
Produktionszahlen der Daimler Benz AG in den Jahren 1970 bis 1986 (ohne Ausland)
963
Tab. 55: Produktionszahlen Daimler-Benz AG (Transporter, Lastwagen) 1970 bis 1986
Es wurde versucht, auch in anderen Ländern Fuß zu fassen. So wurde am 18. April 1973 mit
der italienischen Generalvertretung, der Autostar S.p.A. in Rom, die Mercedes-Benz Italia
S.p.A. gegründet, welche den Vertrieb von Nutzfahrzeugen übernahm. Auch in Großbritanni-
en wurde 1974 eine Tochtergesellschaft für Vertriebstätigkeiten, die Mercedes-Benz United
Kingdom Ltd., in Brentford gegründet. In der Schweiz beteiligte sich Daimler-Benz über seine
Schweizer Tochtergesellschaft, die Daimler-Benz Holding AG, im gleichen Jahr an der Mer-
fag AG in Zürich, um den Vertrieb der Lastwagen und Omnibusse zu steuern. Im Jahr 1980
279
wurde die Beteiligung auf 51 Prozent aufgestockt und der Firmenwortlaut in Mercedes-Benz
Schweiz AG geändert. Die Gesellschaft übernahm nunmehr auch die Generalvertretung für
Personenkraftwagen.964
Innerhalb des Konzerns wurde versucht, den Wünschen der Mitarbeiter gerecht zu werden.
Im Oktober 1973 wurde in der Zentrale in Untertürkheim nach Zustimmung des Betriebsrates
schrittweise das Gleitzeitsystem eingeführt, und den Mitarbeitern wurden verbilligte Aktien
der Daimler-Benz AG angeboten.965
Im Jahr 1959 hatte Daimler-Benz unter Druckausübung des Großaktionärs Friedrich Karl
Flick die Firma Auto Union übernehmen müssen. Im Jahr 1975 beabsichtigte Flick, seine
Beteiligung an der Daimler-Benz AG im Ausmaß von 39 Prozent (3 Milliarden DM) an den
Schah Mohammed Reza Pahlavi von Iran zu verkaufen. Flick informierte darüber den Auf-
sichtsratvorsitzenden, Franz Heinrich Ulrich. Nach Verhandlungen übernahm am 14. Jänner
1975 die Deutsche Bank 29 Prozent des Flick-Aktienpaketes, die restlichen 10 Prozent ver-
blieben im Eigentum von Flick.966
Die Daimler-Benz AG 1977 legte gemeinsam mit der Steyr-Daimler-Puch AG in Graz Thon-
dorf den Grundstein für die Geländefahrzeug Gesellschaft m.b.H. (GfG). An der Gesellschaft
waren beide Unternehmungen mit 50 Prozent beteiligt. Ende 1978 wurde die Produktion ei-
nes gemeinsam entwickelten Geländewagens aufgenommen. Die ersten Fahrzeuge der
Baureihe 460 wurden in der Zeit vom 5. bis 10. Feber 1979 in Toulon, Frankreich, der Presse
vorgestellt. Die in Graz produzierte Modellreihe umfasste vier Typen mit einer Motorleistung
von 72 bis 150 PS.967
Die Zeit der Neugründungen und Fusionen war noch lange nicht beendet. Im Jahr 1977
übernahm Daimler-Benz den amerikanischen Schwerstfahrzeughersteller Euclid, Inc. in Cle-
veland, Ohio.968 Im gleichen Jahr gründete die Daimler-Benz AG gemeinsam mit ihrem Ver-
triebspartner, dem Unternehmen E. A. Juffali & Bros., die National Automotive Industry
964 Vgl. Presseinformation der DAIMLER AG – November 2009. Daimler Communications, Stuttgart 2009. Die Vertriebsgeschichte der Daimler AG. S. 45ff
und S 188 ff . Abzurufen unter: http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1771281_Vertriebsgeschichte_d_final.pdf. Abgerufen am
30.04.2012.
965 Vgl. HAIPETER Thomas / LEHNDORFF Steffen (2002), Regulierte Flexibilität? – Arbeitszeitregulierung in der deutschen Automobilindustrie. In: WSI
Mitteilungen 11/2002. S. 651. Abzurufen unter: http://www.boeckler.de/wsimit_2002_11_haipeter.pdf. Abgerufen am 28.04.2012. Anm.: Das Gleitzeitsystem
ist eine Möglichkeit, die Arbeitszeit flexibel zu verteilen. Der Arbeitnehmer gleicht Überstunden aus, indem er an anderen Tagen weniger Stunden arbeitet.
Das Modell hat zwischenzeitlich auch im Produktionsbereich der Automobilindustrie Einzug gehalten und soll helfen, Produktionsschwankungen
auszugleichen. Vgl. dazu: http://www.boeckler.de/wsimit_2002_11_haipeter.pdf. Abgerufen am 28.04.2012.
966 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 4 vom 20.01.1975. Industrie-Familien: Der große Ausverkauf. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-
41558615.html. Abgerufen am 28.04.2012. Vgl. DER SPIEGEL Nr. 20 vom 12.05.1975. Daimler Aktien: Eben ein Knüller. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41521132.html. Abgerufen am 28.04.2012.
967 Vgl. HOPPE Heinz C. (1991), Ein Stern für die Welt. Südwest-Verlag GmbH & Co KG., München. S. 271 f.
968 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S 112.
280
Company Ltd. (NAI) in Jeddah, Saudi-Arabien. Die beiden Unternehmen beteiligten sich zu
50 Prozent am neu gegründeten Unternehmen.969
Daimler-Benz zeigte an allen wichtigen europäischen Exportmärkten intensives Engage-
ment. So wurde in Österreich am 19. Dezember 1979 die Mercedes-Benz Österreich Ver-
triebsgesellschaft m.b.H. in Salzburg, gegründet – eingetragen im Landesgericht Salzburg
unter der Firmenbuchnummer FN 67524 a. An der Gesellschaft mit einem Stammkapital von
fünf Millionen Schilling waren Georg und Dimitri Pappas mit je 25 Prozent sowie die Daimler-
Benz-Aktiengesellschaft, Stuttgart-Untertürkheim, mit 50 Prozent beteiligt.970
Das Stammkapital wurde mit Generalversammlungsbeschluss vom 15. Juni 1994 – einge-
tragen im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg am 16. September 1994 – um weitere
fünf Millionen Schilling aus Gesellschaftsmitteln aufgestockt. Das Stammkapital betrug somit
10 Millionen Schilling Euro bei gleichbleibenden Beteiligungsverhältnissen.971
Durch Übernahme der bisherigen Generalvertretungen von IMA und MATINAUTO in Belgien
entstand Anfang 1980 die Mercedes-Benz Belgium S.A./N.V. in Brüssel. Ebenfalls durch
Übernahme der Generalvertretungen von AGAM und MEHACO in den Niederlanden mit
1. Jänner 1980 entstand die Mercedes-Benz Nederland B. V. in Utrecht.972
1982 übernahm die Daimler-Benz AG die Saurer-Fahrzeugwerke in Arbon (Schweiz) und
führte diese als NAW (Nutzfahrzeuggesellschaft Arbon & Wetzikon AG) weiter. Daimler-Benz
war zu 40 Prozent am Unternehmen beteiligt. Die NAW stellte noch schwere Spezialfahr-
zeuge in kleinen Serien her, auch die Vierachs-Lastwagen, die in Deutschland mit einem
Gesamtgewicht von bis zu 30 Tonnen auf öffentlichen Straßen zugelassen waren. Ab August
1985 wurden die für den deutschen Kunden bestimmten Vierachsfahrzeuge im Werk Wörth
produziert.
Im Jahr 1992 wurden auch die restlichen Anteile am Unternehmen übernommen. Im Jahr
1995 wurde das Unternehmen in NAW Nutzfahrzeuge AG umfirmiert und in den Daimler-
Benz Konzern eingeordnet. Das Unternehmen beschäftigte 320 Mitarbeiter.973 Im Jahr 2000
erwarb die Sachsenring AG in Zwickau 51 Prozent der NAW-Aktien. Wirtschaftliche Schwie-
rigkeiten bei der Sachsenring AG führten dazu, dass die Gesellschaft am 30. Mai 2002 den
Insolvenzantrag stellen musste, was ebenso Auswirkungen auf die NAW Nutzfahrzeuge AG
969 Vgl. Presseinformation der DAIMLER AG im November 2009. DIE VERTRIEBSGESCHICHTE DER DAIMLER AG. Hrsg. COMMUNICATIONS, Stuttgart
2009. S. 219. Abzurufen unter: http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1771281_Vertriebsgeschichte_d_final.pdf. Abgerufen am:
31.05.2012.
970 Vgl. Firmenbuchauszug der MERCEDES-BENZ-ÖSTERREICH VERTRIEBSGESELLSCHAFT m.b.H.. Historischer Firmenbuchauszug vom 15.06.1994.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg unter der Firmenbuchnummer 67524a. Elektronische Einsichtnahme am 27.10.2013.
971 Vgl. Firmenbuchauszug der MERCEDES-BENZ-ÖSTERREICH VERTRIEBSGESELLSCHAFT m.b.H. Veröffentlicht im Firmenbuch des Landesgerichtes
Salzburg unter FN 67524a. Elektronische Einsichtnahme am 06.03.2012.
972 Geschäftsbericht der DAIMLER AG für das Jahr 1979. Entwicklung wichtiger Beteilungsgesellschaften. S. 48. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1364454_1979_Daimler_Benz_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 16.10.2012.
973 Vgl. DER TAGESSPIEGEL vom 11.02.2000. Ostdeutscher Autozulieferer stärkt den Bereich Sonderfahrzeuge. Abzurufen unter:
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ostdeutscher-autozulieferer-staerkt-den-bereich-sonderfahrzeuge/122706.html. Abgerufen am 18.12.2012.
281
hatte. In der Generalversammlung vom 29. November 2002 wurde die Auflösung der NAW
Nutzfahrzeuge AG beschlossen.974
Vom Konzerngesamtumsatz der Daimler-Benz AG 1989 entfielen 30 Prozent, dies sind
23.480 Millionen DM, auf den Nutzfahrzeugbereich. Der Mitarbeiterstand im Nutzfahrzeugbe-
reich umfasste im Geschäftsjahr 86.891 Arbeitnehmer. Die wirtschaftlich stabile Lage sowie
die Investitionsfreudigkeit der Unternehmen waren ausschlaggebend für die hohe Nachfrage
nach diesen Fahrzeugen am Nutzfahrzeugmarkt. Der Marktanteil von Daimler-Benz am
Deutschen Nutzfahrzeugmarkt stieg 1989 von 52,1 auf 53,2 Prozent.975
Steigende Motorleistung und zunehmendes Umweltbewusstsein forderten die Entwicklungs-
abteilung von Daimler-Benz. 1991 wurden die LEV-Motoren (Low-Emission Vehicles) vorge-
stellt, die die Schadstoff- und Partikelemissionen bei gesteigerter Motorleistung um die Hälfte
verringerten.976
Mit der Übernahme des amerikanischen Nutzfahrzeugherstellers Freightliner LLC im Jahr
1981 wurde Daimler-Benz die Tür zu Nordamerika, dem größten Markt für Schwer-
Lastkraftwagen der Welt, geöffnet. Der Firmenwortlaut des Unternehmens wurde nicht geän-
dert. Freightliner zählte zu den mittelgroßen Anbietern. Die Freightliner-Lastwagen sind vor
allem durch den Coca-Cola-Weihnachtstruck bekannt.
1997 kaufte Freightliner die Produktion der schweren Ford-Lastwagen und produzierte die
Lastwagenmarke unter der Bezeichnung Sterling weiter. Im Jahr 2000 folgte die Übernahme
des kanadischen Lastwagenherstellers Western Star Trucks Holding Kelowana in British
Columbia. Auch dieses Unternehmen produzierte Schwerlastwagen.977
Bis zum Jahr 1992 konnte Daimler-Benz eine ständige Umsatzausdehnung im Nutzfahr-
zeugbereich erzielen. 1993 kam es zu einem Nachfragerückgang, einerseits durch den ag-
gressiven Wettbewerb anderer Hersteller, auch war eine Sättigung am Markt eingetreten. In
Westeuropa gingen die Neuzulassungen an Mercedes-Lastwagen um 25 Prozent (auf
82.200 Nutzfahrzeuge) gegenüber dem Vorjahr zurück. Im Vergleich dazu konnte das Toch-
terunternehmen Freightleiner den Umsatz bei Fahrzeugen von mehr als 15 Tonnen Gesamt-
gewicht von 27.400 im Jahr 1992 auf 36.800 im Jahr 1993 steigern. Um Kosten zu senken
und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, musste der Personalstand vermindert wer-
den. So wurde im Automobilbereich innerhalb des Daimler-Benz-Konzernes der Mitarbeiter-
stand im Jahr 1993 sowohl in der Produktion, in der Verwaltung und im Vertrieb um 9.982
974 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1970 – 1989. S. 404.
975 Vgl. Geschäftsbericht der DAIMLER-BENZ AG für das Jahr 1989. S. 13 und S. 28 f. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1364430_1989_Daimler_Benz_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 31.07.2013.
976 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 90.
977 Vgl. AUTOSIEGER-DAS AUTOMAGAZIN vom 01.06.2006. Nutzfahrzeuge: Freightliner LLC feiert 25 Jahre im Daimler Chrysler Konzern. Abzurufen
unter: http://www.autosieger.de/print.php=sid?9688. Abgerufen am 18.12.2012.
282
Mitarbeiter reduziert. Der Mitarbeiterstand zum Ende des Geschäftsjahres betrug 159.098
Arbeitnehmer.978
Am 12. Jänner 1998 kam es erstmals zu Fusionsgesprächen zwischen dem Vorstandsvorsit-
zenden der Daimler AG, Jürgen Schrempp, und dem Vorstandvorsitzenden der Chrysler
Corporation, Robert J. Eaton. Der Aufsichtsrat von Daimler stimmte am 14. Mai 1998 dem
Zusammenschluss zwischen Daimler und Chrysler zu. Mit 21. Dezember 1998 wurde der
Zusammenschluss der beiden Automobilhersteller in das Handelsregister eingetragen.979
Eine derartige Fusion zweier Giganten hat es in der Wirtschaftsgeschichte noch nie gege-
ben. Chrysler war damals der drittgrößte US-Autokonzern und produzierte ausschließlich
Personenkraftwagen, Geländewagen, Minivans und Sportwagen. Unter dem Konzern waren
die Marken Plymouth, Dodge, Jeep, Eagle und Chrysler zusammengefasst.
Beide Hersteller wiesen im Jahresabschluss 1997 folgende Kennzahlen auf:
980
Tab. 56: Eckdaten des Jahresabschlusses der Chrysler Corporation und der Daimler-Benz AG 1997
Ab dem Jahr 1998 firmierte das Unternehmen unter dem Firmenwortlaut DaimlerChrysler
AG. Der Umsatz bei DaimlerChrysler konnte im Nutzfahrzeugbereich im Jahr 1998 vergli-
chen mit dem Vorjahr von 20.012 auf 23.162 Millionen Mark gesteigert werden. Der Beschäf-
tigtenstand war 1998 89.711 Mitarbeiter, im Vergleich dazu im Jahr 1997 85.071. Den Kun-
den wurden als zusätzliche Dienstleistungen verstärkt Finanzierungsprodukte – Kredit- und
Leasingfinanzierungen – angeboten, um sie beim Kauf von Daimlerfahrzeugen zu unterstüt-
zen.981
Die neuen Fahrzeugtypen von DaimlerChrysler wurden nicht mehr mit herkömmlichen, sach-
lichen Namen bezeichnet, sondern mit Kunstwörtern wie Atego, Axor, Actros. DaimlerChrys-
978 Vgl. Geschäftsbericht der DAIMLER-BENZ AG für das Jahr 1993. S. 18 und 20. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1364419_1993_Daimler_Benz_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 31.07.2013.
979 Vgl. Geschäftsbericht der DAIMLER-BENZ AG für das Jahr 1998. S. 10 und 11. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1364406_1998_DaimlerChrysler_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 31.07.2013.
980 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 20/1998 vom 11.05.1998. Das ist ein Hammer. S. 106. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7891698.html.
Abgerufen am 24.04.2013.
981 Vgl. Geschäftsbericht der DAIMLER-BENZ AG für das Jahr 1998. S. 10 und 11. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1364406_1998_DaimlerChrysler_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 31.07.2013.
283
ler startete mit diesen Fahrzeugen ein umfassendes technologisches Erneuerungspro-
gramm, welches alle Baureihen umfasste.
Anfang 1998 wurden mit der Modellreihe Atego Fahrzeuge der leichten Klasse vorgestellt.
Die Produktpalette bestand aus 25 Grundtypen mit 224 Baumustern. Die Leistungsstärke der
Motoren lag zwischen 122 und 279 PS. Weitere Modelle der Reihe Atego wurden auf der
Internationalen Automobil Ausstellung 1998 präsentiert. Diese lösten die bisherigen Mittel-
klassewagen ab. Im gleichen Jahr wurden mit der Reihe Eco auch speziell für den kommu-
nalen Bereich (Feuerwehr- oder Müllentsorgung) konzipierte Modelle präsentiert. Vorteil die-
ser Fahrzeuge war der niedrige Fahrerhauseinstieg.982
Bei den Schwerfahrzeugen hielt DaimlerChrysler noch immer an der „Neue Generation“ ge-
nannten Serie der 90er-Jahre fest. Die Verkaufszahlen der Schwerlastwagen ab 16 Tonnen
lagen im Jahr 1993 weltweit bei 26 Prozent und sanken bis 1996 auf 18,8 Prozent. Es
herrschte deshalb dringender Handlungsbedarf.
Binnen kurzer Zeit konnten die verlorenen Marktanteile bei den Schwerfahrzeugen durch das
im Sommer 1996 vorgestellte Modell Actros zurückgewonnen werden. Der 100.000ste
Actros verließ bereits am 4. August 1999 das Werk in Wörth. Der Marktanteil in Deutschland
betrug im Jahr 1999 38 Prozent bei den Schwerlastwagen. Bei der Kabinengestaltung wur-
den die Fahrerwünsche etwa mit Komfortschwingsitzen mit integrierter Kopfstütze und mehr
Ablagemöglichkeiten berücksichtigt. Die Kunden machten den Konstrukteuren Vorschläge,
die in der Entwicklung auch berücksichtigt wurden. Auch die Fertigung sollte neben den
technischen Errungenschaften rationeller gestaltet werden. Durch Baukastensysteme wurde
eine schnellere Fertigung ermöglicht. Motoren mit einer Höchstleistung von 571 PS führten
zu einer besseren Laufkultur und hatten einen geringen Treibstoffverbrauch. Nur der Hinter-
achsenbereich mit den APL-Achsen war nicht gänzlich ausgereift. Die Achsen hatten eine
stabile Ausführung, was im Baustellenbereich von Vorteil war, aber zu erhöhtem Treibstoff-
verbrauch führte. Die Ingenieure statteten die Fahrzeuge ab 1997 wahlweise mit den bishe-
rigen oder den neuen Hypoidachsen aus, mit denen auch das Treibstoffproblem behoben
werden konnte.
Für das Aussehen des Actros war Designchef Bruno Sacco verantwortlich. Das Fahrzeug
sollte Kompetenz vermitteln und optisch eindeutig DaimlerChrysler zugeordnet werden kön-
nen. An der Innengestaltung des Fahrerhauses Kritisiertes wurde rasch abgeändert, sodass
auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1998 auch diese Neuerungen schon der Öf-
fentlichkeit vorgestellt werden konnten. Der Actros war keine Weiterentwicklung, sondern
eine völlige Neukonstruktion mit Entwicklungskosten von insgesamt 1,8 Millarden DM
(900.000 Euro).983
Der Actros wurde in den kommenden Jahren ständig weiterentwickelt und führte traditionell
den langen Weg der Nutzfahrzeugindustrie bei DaimlerChrysler weiter.
982 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 90.
983 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 97.
284
Bei den Transportern der leichten Klasse wurde der Mercedes-Benz-Vito wegen seiner Si-
cherheit, des Komforts und der modernen Technik sehr beliebt. Die Produktion des Fahrzeu-
ges erfolgt im spanischen Werk Vitoria.
Dieses Werk in Spanien entstand im Jahr 1972 durch die Fusion der spanischen Firmen
MOSA und CISPAL S.A. zur Aktiengesellschaft MEVOSA (Compania Hispano Alemana de
Productos Mercedes-Benz y Volkswagen, S.A.). An der Gesellschaft waren Daimler-Benz
und VW zu je 26,8 Prozent beteiligt. Im Oktober 1976 schied VW aus der Gesellschaft aus
und Daimler-Benz erhöhte seinen Anteil auf 42,7 Prozent. Im November 1980 wurde die Un-
ternehmensbeteiligung auf 52,77 Prozent erhöht. 1981 erfolgte die Umbenennung der Ge-
sellschaft in Mercedes-Benz España, S.A.984
Namhafte Automobilmarken wurden dem Daimler-Konzern entweder durch Fusionen oder
Beteiligungen eingegliedert. Dadurch wurde die eigene Marktposition weiter gestärkt. Vor
allem europäische Marken wurden übernommen und deren bisherige Produktion eingestellt.
Amerikanische Nutzfahrzeughersteller wurden ebenfalls in den Konzern eingegliedert, wo-
hingegen deren Marken weiterproduziert wurden.985
Im Jahr 2001 stellte DaimlerChrysler die Modellreihe Axor vor. Auch diese Produktpalette
wurde ständig erweitert. So kamen neue Kabinenvarianten, Pritschen- und Bauvarianten
hinzu.986
DaimlerChrysler konnte trotz schwieriger werdender Absatzbedingungen am Nutzfahrzeug-
markt den Umsatz im Jahr 2002 gleich halten wie 2001. Der Umsatz betrug im Jahr 2001
28.572 Millionen Euro und im Jahr 2002 28.401 Millionen Euro. Die verkaufte Stückzahl an
Nutzfahrzeugen betrug im Jahr 2002 485.408 und im Vorjahr 492.851. Die geplante Produk-
tionsmenge 2002 wurde anhand der stagnierenden Absatzzahlen reduziert und betrug
483.029 Stück, sodass es zu einem Lagerabbau von 2379 Stück kam. DaimlerChrysler
konnte durch die im Oktober 2001 eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen eine deutli-
che Kostenersparnis erzielen. Nach wie vor blieb Daimler im Jahr 2001 mit 21 Prozent der
Marktführer bei Fahrzeugen über 6 Tonnen Gesamtgewicht in Westeuropa.987
Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, wurde im Jahr 2002 in der Nähe des Montage-
werks in Wörth auf einem 500.000 m2 großen Gelände mit dem Bau eines Entwicklungs- und
Versuchszentrums begonnen. Ebenso entstand auf dem Gelände eine Versuchsstrecke für
Lastwagen, was sowohl der Entwicklung als auch der Qualitätssicherung diente.988
In Asien fasste DaimlerChrysler am 14. März 2003 mit einer Beteiligung von 43 Prozent an
der Mitsubishi Fuso Truck and Bus Corporation (MFTBC) Fuß. Mit der Beteiligung wollte sich
285
DaimlerChrysler eine Marktposition auf dem lukrativen asiatischen Nutzfahrzeugmarkt si-
chern. MFTBC war mit einem Marktanteil von 30 Prozent Marktführer in Japan und hatte
damit eine starke Position auf dem Südostasiatischen Markt.989
Der Umsatz und auch das operative Betriebsergebnis konnte in den Jahren 2006 verglichen
mit 2005 wieder gesteigert werden, was ebenso mit einer größeren abgesetzten Stückzahl
an Fahrzeugen verbunden war. (Abgesetzte Fahrzeuge in Stück 2006: 536.956 und 2005:
529.499).
990
Tab. 57: Eckdaten der Geschäftsberichte der DaimlerChrysler AG 2005 und 2006
Als zunehmendes Problem erwies sich die Fusion von Daimler mit Chrysler. Chrysler erwirt-
schaftete anhaltend Verluste, deshalb wurde im Jahr 2000 Chrysler-Chef James Holden ge-
kündigt. Seine Funktion nahm Daimlerchef Dr. Dieter Zetsche ein. Zetsche versuchte im
gleichen Jahr durch eine Kündigung von 30.000 Mitarbeitern Chrysler aus den roten Zahlen
zu bringen. Erst im Jahr 2005 wies Chrysler einen operativen Gewinn von 1,4 Milliarden Euro
aus. Der Einsatz Zetsches, sowohl in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht bei Chrysler,
ging jedoch zu Lasten der Hauptmarke Mercedes-Benz. Zetsche wurde 2006 zum Vor-
standsvorsitzenden der DaimlerChrysler AG bestellt und hatte dafür Sorge zu tragen, die
Marke Mercedes-Benz wieder in Schwung zu bringen. Dafür mussten im Jahr 2006 weitere
8.500 Arbeitsstellen geopfert und die Gewinnprognose für den gesamten Konzern zurückge-
nommen werden.991
Im Mai 2007 verkaufte Daimler 80,1 Prozent seiner Beteiligung an Chrysler an den amerika-
nischen Finanzinvestor Cerberus um 5,5 Milliarden Euro. Die restlichen 19,9 Prozent ver-
blieben im Eigentum von Daimler. Vom Verkaufserlös floss nur eine Milliarde an Daimler,
989 Vgl. VERKEHRSRUNDSCHAU vom 14.03.2003. DaimlerChrysler zahlt weniger für Fuso-Anteil als ursprünglich geplant. Abzurufen unter:
http://www.verkehrsrundschau.de/daimlerchrysler-zahlt-weniger-fuer-fuso-anteil-als-urspruenglich-geplant-54586.html. Abgerufen am 20.12.2012
990 Vgl. Geschäftsbericht der DAIMLER-BENZ AG für das Jahr 2006. S. 90. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1364372_2006_DaimlerChrysler_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 13.08.2013. Anm.: Die
Produktion sowie der Absatz sind in Stück angegeben. FuE-Aufwand steht für Forschungs- und Entwicklungsaufwand.
991 Vgl. RP-ONLINE vom 14.02.2007. Von der Fusion bis zur Krise. DaimlerChrysler – Chronik einer Auto-Ehe. Autor: Michael Bröcker. Abzurufen unter:
http://www.rp-online.de/wirtschaft/unternehmen/daimlerchrysler-chronik-einer-auto-ehe-1.2335021. Abgerufen am 13.08.2013.
286
den Großteil von 4,5 Milliarden Euro erhielt Chrysler, um den Eigenkapitalbereich zu stärken.
Weiters übernahm Cerberus die Gesundheits- und Pensionsverpflichtungen der Chrysler-
Mitarbeiter von rund 13 Milliarden Euro. Ab dem Herbst 2007 firmierte der Konzern unter
dem Firmenwortlaut Daimler AG.992
Im Jahr 2008 stellte Mercedes-Benz das Modell Actros speziell für den Fernverkehr mit au-
tomatisiertem Getriebe vor. Anlässlich einer Versuchsfahrt im süditalienischen Nardo wurde
das Fahrzeug zum verbrauchniedrigsten Serienlastwagen gekürt, dies führte zu einer Eintra-
gung ins Guinessbuch der Rekorde. Mercedes nahm mit 39,6 Prozent Marktanteil am deut-
schen Nutzfahrzeugsektor wieder die Führungsposition ein.
Trotz rückläufiger Marktentwicklungen konnte der Umsatz 2008 gegenüber dem Vorjahr
leicht gesteigert werden. Die wirtschaftliche Entwicklung im ersten Halbjahr 2008 war erfreu-
lich, jedoch im zweiten Halbjahr waren bereits erste Auswirkungen der Finanzkrise zu spü-
ren. Das Unternehmen reagierte mit einer Mitarbeiterreduktion von 552 Beschäftigten. Trotz-
dem verringerte sich das EBIT993 im Nutzfahrzeugbereich – trotz Gleichbehaltung des Um-
satzes – von 2.121 Millionen Euro im Jahr 2007 auf 1.607 Millionen Euro im Jahr 2008.994
995
Tab. 58: Eckdaten der Geschäftsberichte der Daimler AG 2007 und 2008
Daimler trug im Laufe seiner mehr als 100-jährigen Unternehmensgeschichte erheblich dazu
bei, dass Lastwagen und Omnibusse eine wesentliche Rolle in der modernen Volkswirtschaft
992 Vgl. SPIEGELONLINE vom 14.05.2007. Chrysler Verkauf kostet Zetsche Milliarden. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/mega-
minusgeschaeft-chrysler-verkauf-kostet-zetsche-milliarden-a-482833-druck.html. Abgerufen am 13.08.2013. Vgl. auch DIE PRESSE.com vom 14.05.2007.
Chrysler: Milliardengrab für Daimler. Abzurufen unter: http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/304088/Chrysler_Milliardengrab-fuer-Daimler. Abgeru-
fen am 13.08.2013.
993 Anm.: EBIT steht für Earnings before Interest, Tax, Depreciation, Amortization.
994 Vgl. Geschäftsbericht der DAIMLER-BENZ AG für das Jahr 2008. S. 94 f. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1677322_DAI_2008_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 13.08.2013.
995 Ebenda.
287
spielen. Erforderlich ist das Angebot einer umfangreichen Produktpalette: vom einfachen
Transporter bis hin zu den Schwerlastwagen, Spezialfahrzeugen und Sonderaufbauten, aber
auch Verladeeinrichtungen.
Die Fahrzeuge müssen den Kundenwünschen entsprechen, d. h., sie sollen bedienungs-
freundlich, komfortabel und vor allem umweltbewusst sein und den jeweiligen gesetzlichen
Vorschriften entsprechen.
In all diesen Bereichen zeigt Daimler, dass ständige Forschung- und Entwicklungsmaßnah-
men erforderlich sind, um Beispielhaftes zu vollbringen.
i) MAN
996 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960, Stuttgart 2000.
S. 5 ff.
288
alleine, sondern nur gemeinsam mit Krupp aufbringen. Bereits nach zehn Monaten wurden
erste Ergebnisse geliefert, und drei Jahre später konnte der einsatzfähige Motor vorgestellt
werden. Der Wirkungsgrad des Dieselmotors war wesentlich höher als jener der Dampfma-
schine und des Ottomotors. Bis zu einem ausgereiften und verlässlichen Dieselmotor war es
aber noch ein weiter Weg. 1897, als Rudolf Diesel den Dieselmotor zur Marktreife brachte,
war ein Jahr des Erfolges für die Actiengesellschaft Maschinenfabrik Augsburg.
Den Technikern gelang es durch ständige Neuerungen in den folgenden Jahrzehnten, dass
der Dieselmotor heute infolge seiner Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit im Fahrzeugbau
mittlerweile eine fixe Stellung eingenommen hat.
Ohne die Hilfe der Maschinenbau-Actiengesellschaft Augsburg wäre dieser Erfolg von Rudolf
Diesel nicht möglich gewesen – und so feierte der Dieselmotor seinen Einzug in der Auto-
mobilindustrie. Rudolf Diesel war zwar ein hervorragender Erfinder und Ingenieur, aber ein
schlechter Geschäftsmann. Grundstücksspekulationen, falsche Freunde und Streitigkeiten
bei Lizenzverträgen waren große Hindernisse im Leben von Rudolf Diesel. Diesel stürzte
sich im September 1913 im Alter von 55 Jahren bei der Überfahrt nach England von Bord
des Schiffes in den Ärmelkanal.997
In Nürnberg gründete im Jahr 1841 Johann Friedrich Klett die Eisengießerei und Maschinen-
fabrik Klett & Comp. Das Unternehmen mit 12 Mitarbeitern fertigte Dampfmaschinen, Eisen-
bahnwagen und sonstige Zubehörteile für die Bahn. Nach Kletts Tod im Jahr 1847 wurde
das Unternehmen erfolgreich von dessen Schwiegersohn, Theodor Cramer-Klett, weiterge-
führt und verfügte bald über einen anerkannten internationalen Kundenkreis. So wurden im
Jahr 1853 850 Güterwagen von der Österreichischen Staatsbahngesellschaft bestellt. Die
steigende Auftragslage führte dazu, dass im Jahr 1873 die Rechtsform des Unternehmens in
eine Aktiengesellschaft umgeändert wurde, die unter dem neuen Namen „Maschinenbau-
Actiengesellschaft Nürnberg“ firmierte. Im Unternehmen war dringender Handlungsbedarf
notwendig, da innerhalb der letzten fünfzehn Jahre keine größeren Investitionen im maschi-
nellen Bereich erfolgten.998
Um die Synergien besser zu nutzen, fusionierten im Jahr 1898 die Maschinenbau-
Actiengesellschaft Nürnberg und die Actiengesellschaft Maschinenfabrik Augsburg. Im Jahr
1908 erfolgte die Firmenwortlautänderung in Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, mit
der Abkürzung M.A.N.999
Im Unternehmen wurde der Produktion von selbstfahrenden Straßenfahrzeugen – mit 2 bis 4
PS, ausgeführt als Dreiradmaschinen und Eisenbahnfahrzeuge – schon immer ein hoher
Stellenwert zuteil, ebenso der Produktion von Lastwagen mit Benzinmotoren von 2 bis 4
PS.1000
997 Vgl. Augsburg feiert 150 Jahre Rudolf Diesel, Jubliäumsschrift, Hrsg. Stadt Augsburg Stadtmarketing, Augsburg 2008. S. 14.
998 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. Verlag C.H.Beck, München, 2008. S
175 ff.
999 Ebenda S. 206.
1000 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960. S. 5 ff.
289
Die M.A.N. ist zwar nicht die älteste Automobilfabrik, jedoch das älteste Unternehmen der
Automobilindustrie.1001
Im Ersten Weltkrieg wollte auch M.A.N. – bedingt durch den staatlich geförderten Lastwa-
genbau – die Fertigung von Nutzfahrzeugen aufnehmen. Technisch und unternehmerisch
war dies auch möglich. Die Entscheidung, im Lastwagenbau Fuß zu fassen, begründete der
M.A.N.-Direktor Anton von Rieppel in einem Brief vom 2. Jänner 1915 an den Aufsichtsrat-
vorsitzenden von M.A.N., Max Schmauz, damit, dass die Heeresverwaltung jede Stückzahl
an verfügbaren Lastwagen kaufen würde. Um keine Zeit für Entwicklungen zu verlieren, wur-
de im Jahr 1914 Kontakt mit den Adolph Saurer Automobilwerken in Arbon aufgenommen.
Auch Saurer wollte am deutschen Markt Fuß fassen. Am 24. März 1915 einigten sich Vertre-
ter der M.A.N. und der Adolph Saurer Automobilwerke darauf, eine Gesellschaft mit dem
Firmenwortlaut M.A.N. Saurer Lastwagenwerke GmbH, mit Sitz in Nürnberg, zu gründen.
Im gleichen Jahr übernahm die neu gegründete Gesellschaft das bereits vorhandene Saurer-
Werk in Lindau und begann mit der Produktion von Lastwagen und Omnibussen. Im Dezem-
ber 1915 wurde die Fertigung von Lastwagen von Lindau nach Nürnberg verlegt. Im ersten
Jahr wurden 276 Lastwagen produziert, davon 5 in Nürnberg, 118 in Lindau und 153 in Ar-
bon. Der Entschluss des M.A.N.-Direktors Anton von Rieppel erwies sich als richtig, denn der
Erste Weltkrieg dauerte vier Jahre, und während dieser Zeit lieferte die M.A.N. Saurer Last-
wagenwerke GmbH ihre Lastwagen für das Deutsche Heer.1002
M.A.N. wurde von der Obersten Heeresleitung während des Ersten Weltkrieges dazu ge-
drängt, sich von seinem ausländischen Kooperationspartner Saurer zu trennen.1003 Die
Oberste Heeresleitung duldete keine bedeutenden ausländischen Industriebeteiligungen,
sodass die Zusammenarbeit auf Basis eines Lizenzvertrages weitergeführt wurde. Die Ko-
operation wurde mit 1. Juli 1918 aufgelöst. Dadurch sollten Schwierigkeiten, die sich infolge
des Zusammenschlusses von Unternehmen aus verschiedenen Ländern ergeben, vermie-
den werden. M.A.N. übernahm die Gesellschaftsanteile von Saurer, und der Firmenname
wurde in M.A.N. Lastwagenwerke GmbH geändert. Dies wurde in einem Rundschreiben vom
18. November 1918 kundgetan.1004
Durch Lieferungen an die Heeresverwaltung von monatlich 40 Wagen war die Produktion
von M.A.N. völlig ausgelastet. Für den freien Verkauf standen keine Fahrzeuge zur Verfü-
gung. Dies führte dazu, dass ausländische Produzenten Marktanteile am europäischen Au-
tomobilmarkt gewinnen konnten. Als im Jahr 1920 die Heeresaufträge beendet waren, muss-
te sich M.A.N. am Markt behaupten. Die Aufhebung der Kraftstoffrationierung und die stei-
genden Tarife der Reichsbahn führten zu einer stärkeren Nachfrage nach Lastwagen und
Omnibussen. Ein Großteil der Produktion war auch für den Export bestimmt. Trotz voller Auf-
tragsbücher geriet M.A.N. durch die steigende Inflation in finanzielle Schwierigkeiten und
1001 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 284.
1002 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 16 ff.
1003 Ebenda S. 20.
1004 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960. S. 6 ff.
290
suchte nach einem finanzkräftigen Partner. Dieser wurde im Gutehoffnungshütte-Konzern
gefunden, der im Jahr 1921 M.A.N. übernahm. Die M.A.N. Lastwagenwerke GmbH wurde
aufgelöst und alle Unternehmsbereiche der M.A.N. wurden in den Gutehoffnungshütte-
Konzern eingegliedert.1005
Auf der Berliner Automobilausstellung präsentierte M.A.N. im Jahr 1924 eine technische
Neuheit: den weltweit ersten serienmäßigen Diesel-Lastkraftwagen mit Direkteinspritzung.
Die bisher entwickelten Dieselmotoren wurden nur als Industrie- und Schiffsmotoren ver-
wendet. Der Kraftstoff wurde bei diesen Motoren mit Hilfe von Druckluft eingeblasen, dieses
Verfahren konnte bei Motoren der Automobilindustrie nicht angewendet werden. Jahrelang
wurde an einer neueren Dieselmotorentechnik geforscht, bis M.A.N. 1923 den Dieselmotor
mit Direkteinspritzung entwickelte. Erst mit der Direkteinspritzung war die Herstellung kleine-
rer Dieselmotoren – was vor allem für den Automobilbereich ein großer Fortschritt war –
möglich.1006
1925 wurde der Lastwagen der Type M.A.N. KVB, die erste eigenständige Konstruktion von
M.A.N. nach Auflösung der M.A.N.-Saurer-Lastwagenwerke GmbH, vorgestellt. Rund 1200
Stück, entweder mit Benzin- oder Dieselmotoren ausgestattet, wurden von dieser Serie pro-
duziert.
Zwischen M.A.N. und Saurer gab es noch gegenseitige Lizenzvereinbarungen, wobei beide
Unternehmen seit dem Jahr 1924 vermehrt getrennte Wege gingen. M.A.N. fertigte die Last-
wagen in Lizenz von Saurer und im Gegenzug Saurer die Motoren in Lizenz von M.A.N. Im
Jahr 1931 wurden sämtliche Lizenzverträge gekündigt.1007
Die Lastwagen von M.A.N. waren durch folgendes Logo gekennzeichnet:
1008
Logo 26: M.A.N.-Fahrzeuge
Copyright MAN SE (nunmehr zugehörig zur Volkswagen AG)
1005 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 14.
1006 Ebenda S. 28.
1007 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960. S. 7 ff.
1008 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.atributetoman.com/histoire-camion_de.html. Abgerufen am 18.08.2013.
291
Konkurrenten der Nutzfahrzeughersteller. Bereits zu dieser Zeit gab es gesetzgebende Vor-
schriften über Höchstgeschwindigkeiten und Höchstgewichte. Laut M.A.N.-Vorstand Otto
Meyer waren diese Vorschriften geradezu hemmend für eine Entwicklung des Nutzfahrzeug-
baus.1009
Die weltweite Wirtschaftskrise im Jahr 1929 ging an M.A.N. nicht spurlos vorüber. Die ge-
planten Produktionszahlen wurden verringert, jedoch auch diese Stückzahlen konnten nicht
verkauft werden. 1929 wurden noch 776, 1930 insgesamt 440 und 1931 noch 184 Fahrzeu-
ge produziert. Der Produktionstiefstand wurde im Jahr 1932 mit 118 Fahrzeugen erreicht.
Durch die Einführung der Fließbandfertigung im Werk Nürnberg Ende 1932 versuchte der
Direktor des Unternehmens, Otto Meyer, wieder Gewinne zu erzielen. Dieser Rationalisie-
rungsmaßnahme im Produktionsbereich, aber auch dem allgemeinen wirtschaftlichen Auf-
schwung in der Automobilbranche ist es zu verdanken, dass im Geschäftsjahr 1933 bei 809
produzierten Lastwagen ein Gewinn geschrieben wurde.1010
M.A.N. präsentierte trotz Wirtschaftskrise im Jahr 1932 ein neues Modell, den Dreiachser
M.A.N. S 1 H 6 mit einem 150 PS starken Dieselmotor, dem damals stärksten der Welt.
Die M.A.N.-Fahrzeuge waren nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland sehr beliebt.
1934 errang M.A.N. beim „Internationalen Auto-Dieselmotoren-Wettbewerb“ in Russland den
ersten Preis für Lastwagenmotoren.1011
Die neuen Machthaber erteilten Krupp 1932 den Auftrag, einen leichten Panzer-Kampfwagen
der 5-Tonnen-Klasse zu entwickeln. Neben Henschel und Wegmann & Co1012 bekam
M.A.N. den Auftrag für die Produktion von landwirtschaftlichen Schleppern. Die Bezeichnung
des Schleppers wurde 1935 in Panzerkampfwagen I geändert. Damit im Krieg die Ersatzteil-
beschaffung und Wartung der Fahrzeuge ohne größere Probleme möglich war, wurde auf
Anordnung des Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen, Oberst Adolf von Schell,
eine Typenbereinigung der Fahrzeuge vorgenommen. Von den hundert verschiedenen er-
folgte eine Reduzierung auf vierzehn Lastwagentypen.1013
M.A.N. präsentierte auf der Automobil-Ausstellung in Berlin 1937 ein Lastwagenprogramm
mit Fahrzeugen im neu gestalteten Design. Die wesentliche Neuerung im Aussehen der
Fahrzeuge war der leicht nach hinten geneigte Kühlergrill. Die Produktpalette reichte vom
Modell E 2 mit 2,75 Tonnen Nutzlast und dem 65 PS starken Motor bis hin zum Modell F 4
mit 6,5 Tonnen Nutzlast und dem Motor mit 150 PS.
1009 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 276 f.
1010 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 32.
1011 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960. S. 7.
1012 Anm.: Die Unternehmung Wegmann & Co. fertigte ursprünglich Eisenbahnwaggons und war im Dritten Reich einer der führenden
Rüstungsproduzenten in Kassel. Vgl. NEUE RHEINISCHE ZEITUNG vom 05.09.2012. Hrsg. Hans Georg. Krieg und Frieden. Proteste gegen das
Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann. Die Leopard Familie. Abzurufen unter: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18162. Abgerufen am
01.03.2013.
1013 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960. S. 7.
292
Die Lastwagenproduktion wurde von der Regierung während der Kriegsjahre wesentlich be-
einflusst. So wurde die Produktion auf wenige Fahrzeugtypen eingeschränkt, ebenso erfolgte
eine Zusammenlegung der Konstruktionsabteilungen einzelner Lkw-Hersteller.1014
M.A.N., Henschel und Magirus-Deutz erhielten von der Regierung den Auftrag, einen Ein-
heits-Diesellastwagen zu entwickeln. In den Jahren 1937 bis 1940 produzierten M.A.N.,
Henschel, Magirus, Büssing-NAG, Faun und Daimler-Benz 10.000 derartige Einheits-
Dieselfahrzeuge. M.A.N. fertigte für die Wehrmacht, neben den Einheits-Dieselfahrzeugen
und Schleppern, Dreitonnenlastwagen der Type E 3000 sowie 4,5- und 6,5-Tonnen-
Fahrzeuge. Vermehrt wurde die Lastwagenproduktion zugunsten der Produktion des Pan-
zers Panther eingeschränkt. 1944 kam die Lastwagenproduktion fast gänzlich zum Erliegen,
und es wurden nur mehr Ersatzteile hergestellt. Im März 1938 wurden 225 bis 250, dazu
vergleichsweise, im Juli 1943 60 Lastwagen und Omnibusse produziert. Von den 8.089 Mit-
arbeitern im Juli 1943 waren lediglich 200 in der Lastwagenproduktion beschäftigt.1015
In den Jahren zwischen 1940 und 1945 kam es auch bei M.A.N. zu einem massiven Anstieg
beim Einsatz von Zwangsarbeitern1016, wie nachstehende Tabelle zeigt:1017
1018
Tab. 59: Zwangsarbeiter und insgesamt Beschäftigte bei der M.A.N. (Augsburg, Nürnberg) 1940 bis 1945
1014 Ebenda S 8.
1015 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 50.
1016 Anm.: Unter den Zwangsarbeitern sind erfasst: ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene. Vgl. dazu BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING
Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 333.
1017 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 331 ff.
1018 Quelle: Eigene Darstellung entnommen aus ebenda S. 332 u. 333. Anm.: Für Dez. 1943 konnte der Anteil an Zwangsarbeitern nicht eruiert werden.
293
Bei M.A.N. waren jedoch keine KZ-Häftlinge eingesetzt. Im Gegensatz dazu forderte der
Hersteller Büssing im Jahr 1944 beim Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS die Zu-
teilung von KZ-Häftlingen. Sie mussten unter den schlimmsten Bedingungen bei Büssing in
Braunschweig arbeiten.1019
Der Einsatz von Zwangsarbeitern bei M.A.N. war erforderlich, um die von der Wehrmacht
erteilten Aufträge zu erfüllen. In Absprache mit dem Heereswaffenamt und dem Rüstungsmi-
nisterium sollte M.A.N. bei Feucht ein neues Werk für die Panzermontage errichten. Geplant
war eine monatliche Produktion von 100 Stück. Rüstungsminister Albert Speer stoppte den
Bau der Hallen, obwohl schon vier Millionen RM von den veranschlagten 58 Millionen RM
verbaut worden waren. Vermutet wurde, dass Konkurrenzhersteller das Projekt zu Fall ge-
bracht hatten, da die Hallen nach dem Krieg auch für die Lastwagenfertigung verwendbar
gewesen wären und so M.A.N. der Konkurrenz einen Schritt voraus gewesen wäre. 1020
Auch heute in die MAN-Gruppe integrierte Hersteller, vor allem Büssung und Steyr, hatten im
Zweiten Weltkrieg KZ-Häftlinge beschäftigt. MAN zahlte für diese Unternehmen im Jahr 2000
einen Entschädigungsbetrag an den Stiftungsfonds von ehemaligen Zwangsarbeitern ein.1021
294
29. Oktober 1948 wurde Fink in den M.A.N.-Vorstand berufen. Im Werk Augsburg wurden,
da M.A.N. eines der großen Rüstungsunternehmen war und von den Alliierten auf der De-
montageliste stand, 20 Prozent der Werkzeugmaschinen – das waren 426 Maschinen – de-
montiert.1024
Der Verkauf von Fahrzeugen wurde durch die amerikanische Militärregierung reglementiert.
Nur Betriebe, die verantwortlich für die Grundversorgung und den Wiederaufbau der Infra-
struktur waren, erhielten neue Lastwagen – sogenannte Bedarfsträger. Die Neufahrzeuge
wurden auf Bayern, die amerikanische Besatzungszone und die restlichen Bundesländer
aufgeteilt. Um einen raschen Wiederaufbau der Werkshallen zu ermöglichen, lieferte M.A.N.
Lastwagen an Lieferanten und Baufirmen, die beim Aufbau der Hallen tätig waren. Dieser
Zustand hielt bis zur Währungsreform im Jahr 1948.1025
M.A.N. hatte bereits vor Kriegsbeginn ein beachtliches Auslandsgeschäft aufgebaut. Die
Fahrzeuge wurden in 40 Länder, darunter China und Persien, exportiert. Während des Krie-
ges kam das Exportgeschäft gänzlich zum Erliegen, und ein Wiederaufbau in den ersten
Nachkriegsjahren war äußerst schwierig. Durch die Einschränkungen im Postaustausch mit
dem Ausland sowie im Telegramm-, Telefon- und Luftpostverkehr konnten mit anderen Län-
dern keine Geschäfte geschlossen werden. Erst ab dem Jahr 1947 war es möglich, wieder
Auslandskontakte zu knüpfen. Die Devisen- und Exportlizenzen erschwerten den Handel, da
jeder Auftrag genehmigt und um Materialkontingente angesucht werden musste. M.A.N. ge-
lang es über eine Schweizer Organisation, einen Rahmenauftrag für den Export von Lastwa-
gen zu bekommen. 460 Lastwagen mit einem Wert von 1,8 Millionen US-Dollar sollten in
verschiedene Länder geliefert werden. Für die Fertigung dieses Auftrages erhielt M.A.N. eine
zusätzliche Materialzuweisung und musste keine Einzelanträge stellen. Mit diesem Auftrag
öffnete sich für M.A.N. die Schranke für den Export.1026
1948 wurde das Logo der Fahrzeuge geringfügig abgeändert:
1027
Logo 27: M.A.N.-Fahrzeuge ab 1948
Copyright MAN SE (nunmehr zugehörig zur Volkswagen AG)
1024 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 331 ff.
1025 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 56.
1026 Ebenda S. 59.
1027 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.atributetoman.com/histoire-camion_de.html. Abgerufen am 18.08.2013.
295
Mit der Produktion der Fahrzeugtypen MK 25, MK 26 und F 8 hatte M.A.N. in den Nach-
kriegsjahren eine dominante Position am Lastwagenmarkt eingenommen. 1950 präsentierte
M.A.N. die Lastwagentype F 8 und damit eines der leistungsstärksten Fahrzeuge am dama-
ligen Lastwagenmarkt. Markenzeichen dieser Serie waren die in den Kotflügel integrierten
Scheinwerfer.1028 In den Jahren zwischen 1945 und 1950 wurden nachstehende Stückzah-
len an Lastwagen im Werk Nürnberg produziert:1029
1954 wurden der Öffentlichkeit die neuen, geräuschärmeren und sparsameren Dieselmoto-
ren mit der Bezeichnung „M“-Motoren vorgestellt, womit M.A.N. ein wesentlicher Fortschritt
im Dieselmotorenbau gelungen war.1030 Die Bezeichnung „M“ stand für das „Mittenkugel-
Brennverfahren“ und bedeutet, dass sich der kugelförmige Brennraum in der Mitte des Kol-
bens befindet. Dadurch waren eine gleichmäßige Verbrennung und ein ruhiger Motorlauf
gewährleistet.1031
Bei der Fertigung und den Aufbauten der Nutzfahrzeuge arbeitete M.A.N. mit anderen Her-
stellerfirmen zusammen. Bei Spezialaufbauten der Fahrzeuge waren Meiller in München
oder Haller in Stuttgart, bei elektrischen Ausrüstungen die Siemens-Schuckert-Werke, AEG
oder Brown Boveri & Cie. die Partnerfirmen. Im Jahr 1954 war im Nürnberger Werk von den
seinerzeitigen Kriegsschäden nichts mehr zu sehen. M.A.N. war mit der Produktion in den
vorhandenen Hallen an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen, und eine Erweiterung der Produk-
tion war am derzeitigen Werksgelände nicht möglich. Das ehemalige Allacher Flugmotoren-
werk der BMW AG - im Norden von München - wurde als neuer Fertigungsstandort ausge-
wählt. Das Werk war durch Bombenangriffe nur gering beschädigt. Amerikanische Truppen
besetzten das Werk am 30. April 1945 und beauftragten BMW mit Instandsetzungsarbeiten
ihrer Fahrzeuge. Im Zeitraum 1945 bis 1949 wurden im Werk Fahrzeugmotoren repariert,
Motoren, Achsen und Getriebe gelagert. Auch diente es als Verteilerzentrum für den Nach-
schub der US-Armee-Einheiten in ganz Europa. Das Werk war in der Nachkriegszeit das am
besten eingerichtete metallverarbeitende Unternehmen in Bayern und beschäftigte im Jahr
1949 7203 Mitarbeiter. Mit Rückzug der US-Armee aus den Werkshallen wären Teile unge-
nützt geblieben, da BMW für die gesamte Immobilie keinen Bedarf hatte. BMW suchte nach
1028 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960. S. 116 ff.
1029 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 358.
1030 Ebenda S. 150 ff.
1031 Vgl. RÖCKE Matthias (2000), Trucknology Generation. Die neuen Lastwagen von MAN, Königswinter 2000. S. 168.
296
einer geeigneten Lösung für die Verwendbarkeit der ungenützten Liegenschaftsteile und der
Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung ihrer Mitarbeiter.
Am 28. April 1955 erwarb die M.A.N. – noch unter amerikanischer Leitung – einen Großteil
der Baulichkeiten zum Preis von 28 Millionen DM. Der restliche Teil verblieb bei der BMW
AG. Erst nach Vertragsunterfertigung gab die US-Armee das Werk frei. Im Mai 1955 wurden
die Hallen von BMW an M.A.N. übergeben und M.A.N. verlagerte die Lastwagen- und Trak-
torenfertigung nach München. Ein Teil der Mitarbeiter von BMW wurden von M.A.N. über-
nommen.1032 Die Motorenfertigung verblieb in Nürnberg.1033 Mit Beginn der Fertigung in Mün-
chen wurden die eckigen Motorhauben durch die innovativen Rundhauber-Lastwagen der
Type 400 verdrängt. M.A.N. wollte damit den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der
Längen-, Gewichts- und Leistungsanforderungen gerecht werden. Das Fahrerhaus war ge-
räumig, wobei ein breites Rückfenster dem Fahrer eine gute Sicht bot.1034
Der erste M.A.N.-Traktor verließ am 6. September 1955, der erste M.A.N.-Lastwagen am 15.
November 1955 das Werk in München. Die hohen Umzugskosten, der Erhalt des Werkes,
dazu sämtliche Probleme mit der gesetzlichen Verordnung über die Herabsetzung des Ge-
samtgewichtes waren ausschlaggebend, dass M.A.N. im Werk München im Jahr 1955 Ver-
luste schrieb. Entlassungen und Kurzarbeit waren die Folge. Eine Rückverlegung der Pro-
duktion nach Nürnberg wurde angedacht, jedoch Generaldirektor Otto Meyer beharrte auf
dem neuen Standort. Otto Meyer trug in den Jahren 1925 bis 1955 wesentlich zum Erfolg
des Unternehmens bei. Auch diesmal behielt er Recht. Längerfristig bewährten sich die Pro-
duktionsanlagen in München, das geplante Produktionsziel wurde erreicht, und M.A.N. wirt-
schaftete Ende der 50er-Jahre wieder gewinnbringend. Vertrieb und Kundendienst wurden
dem erweiterten Geschäftsumfang angepasst. Der 30.000ste Lastwagen verließ fünf Jahre
nach Verlegung der Produktion nach München die Werkshallen.
Die führenden Lastwagenhersteller der Nachkriegszeit waren Mercedes-Benz, gefolgt von
M.A.N. und Magirus. Lastwagenproduzenten wie Krupp, Henschel und Borgward stellten
entweder die Produktion ein oder fusionierten mit anderen Herstellern, da Einzelkämpfer
keine Überlebenschance am Automobilmarkt hatten. Alleine die Forschungs- und Entwick-
lungsaufwendungen verschlangen Unsummen. Mitte der 60er-Jahre zeigte sich, dass nicht
alle Hersteller den Anforderungen wie ständiger technischer Neuerungen, Verbesserungen
der Fahrzeugausstattung und dem Preisdruck gewachsen waren. Es kam verstärkt zu Fusi-
onen, Beteiligungen oder Kooperationen zwischen den Automobilherstellern, was vor Jahr-
zehnten denkunmöglich gewesen war. Durch diese Schritte konnten Einsparungspotentiale
erzielt und Synergien genutzt werden. M.A.N. konnte sich bewähren und verdrängte Mitte
der 60er-Jahre Magirus auf den dritten Platz am deutschen Nutzfahrzeugmarkt.1035
1032 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 62.
1033 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 284.
1034 Vgl. HÄFNER Kurt / HÄFNER Martin (2000), MAN. Typenprofile und Prospekte. Die Geschichte der Eckhauber von 1915 bis 1960. S.94.
1035 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 74 ff.
297
1963 wurde vom M.A.N.-Vorstand beschlossen, die Schlepperfertigung an Mannesmann-
Porsche zu übertragen. Ulrich Neumann, Vorstandschef bei M.A.N. seit dem Jahr 1955, ver-
anlasste, dass im Verwaltungsbereich die elektronische Datenverarbeitung Mitte der 60er-
Jahre Einzug hielt. Dabei konnten vor allem in der Lohnbuchhaltung, der Lagerhaltung, dem
Kalkulationswesen und der Produktionssteuerung größere Kosteneinsparungen durch Ratio-
nalisierungsmaßnahmen aufgrund des Einsatzes der EDV erzielt werden. Auch dem Marke-
tingbereich wurde ein höherer Stellenwert zuteil.1036
Im Jahr 1961 erwarb Büssing im Zuge des Borgward-Konkurses dessen Werkshallen in Os-
terholz-Scharmbeck. Im gleichen Jahr baute Büssing sein Hauptwerk in Braunschweig-
Querum großzügig um. Büssing errichtete 1964 in Salzgitter eine moderne Produktionsstätte
für die Herstellung von Lastwagen und Omnibussen. All diese Schritte erwiesen sich als
Fehlentscheidungen und waren unter anderem verantwortlich dafür, dass Verluste erwirt-
schaftet wurden. Büssing, eines der traditionsreichsten Unternehmen, war gezwungen einen
finanzkräftigen Partner zu suchen. Dieser Partner wurde in M.A.N. gefunden, wobei vorab
zwischen M.A.N. und Büssing ein Kooperationsvertrag abgeschlossen wurde. 1971 über-
nahm M.A.N. das Unternehmen Büssing und dessen Markenzeichen, den Löwen. Die Pro-
duktionsstätten in Braunschweig und Salzgitter gingen als Zweigwerke in den Nutzfahrzeug-
bereich der M.A.N. über. Ebenso wurden die Büssing-Mitarbeiter von M.A.N. übernommen.
Das Werk in Salzgitter wurde nach einer Bauzeit von 14 Monaten gänzlich modernisiert und
teils erneuert. Der erste Lastwagen verließ am 25. Juni 1964 die 600.000 m2 großen Werks-
flächen.1037
Die Produktionszahlen von Lastwagen der M.A.N. AG für die Jahre 1945 bis 1969 sind nach-
folgender Tabelle zu entnehmen:
1036 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 385 – 387.
1037 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 106.
298
Jahr Lastwagen Jahr Lastwagen
1957 5.349
1038
Tab. 61: Produktionszahlen M.A.N. (Lastwagen) 1945 bis 1969
Auf der IAA 1959 wurde das Frontlenkerfahrzeug der Type 770 L1 F mit kippbaren Fahrer-
häusern präsentiert. Diese Fahrzeugreihe nannte man wegen des pausbäckigen Aussehens
der Fahrerkabine auch „Pausbacke“. Diese Baureihe, welche Sattelzugmaschinen, Prit-
schenwagen, Baustellen- oder Spezialfahrzeuge umfasste, zählte zu einer der erfolgreichs-
ten von M.A.N. Lediglich als Baustellenfahrzeug konnte sich die Pausbacke gegenüber den
Haubenfahrzeugen nicht durchsetzen.1039
M.A.N. hatte bis Anfang der 1960er-Jahre nur Lastwagen der größeren Gewichtsklassen im
Produktionsprogramm. Kunden, die Lastwagen der kleineren Gewichtsklassen wünschten,
konnten nicht bedient werden. Um auch diese Fahrzeuge ihrem Kundenkreis anbieten zu
können, schloss M.A.N. mit dem französischen Unternehmen SAVIEM (Société Anonyme de
Véhicules Industriels et d’Equipements Mécaniques), einem Tochterunternehmen von
Renault, im Jahr 1963 einen Kooperationsvertrag. Der Vertrag sah vor, dass die Partner ge-
genseitig sowohl die kompletten Fahrzeuge sowie Teile und Aggregate fertigen. Beide Last-
wagenhersteller konnten durch die Kooperation die Lastwagen jener Gewichtsklasse verkau-
fen, die sie selbst nicht fertigten. Die Fahrzeuge wurden jedoch unter dem eigenen Marken-
namen vertrieben. M.A.N. bekam von Saviem die Transporter und Lastwagen der mittleren
Baureihe von sieben bis 12 Tonnen. Saviem erhielt von M.A.N. die schweren Lastwagen mit
1038 Quelle: entnommen aus OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 285.
1039 Vgl. RÖCKE Matthias (2000), Trucknology Generation. Die neuen Lastwagen von MAN. S. 171 – 172.
299
einem Gesamtgewicht von 12 bis 30 Tonnen.1040 Nach 10 Jahren wurde diese Kooperations-
vereinbarung aufgelöst, wobei die letzten Fahrzeuge von Saviem im Jahr 1977 an die Kun-
den ausgeliefert wurden. Die Lastwagen von Saviem fanden in Deutschland keinen großen
Anklang. Saviem wollte jedoch weiterhin eine umfassende Produktpalette anbieten, musste
dazu aber einen anderen Weg einschlagen. 1978 fusionierte Saviem mit Berliet zum neu
gegründeten Unternehmen mit dem Firmenwortlaut Renault Véhicules Industriels. Der Zu-
sammenarbeit zwischen Saviem und M.A.N. entsprang der Entwurf eines Fahrerhauses,
welches mit einigen optischen Veränderungen bis zum Jahr 1968 im Produktionsprogramm
blieb.1041
Nach Beendigung der Kooperation mit Saviem schloss M.A.N. im August 1977 eine Verein-
barung mit VW über die gemeinsame Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Fahr-
zeugen in den unteren Gewichtsklassen (6 bis 9 Tonnen) ab. M.A.N. konnte dadurch weiter-
hin ihren Kunden Fahrzeuge aller Nutzfahrzeugklassen anbieten. Diese trugen am Kühlergrill
unter der Bezeichnung M.A.N. das VW-Emblem.1042 Die Fahrzeuge der sogenannten G-
Reihe (Gemeinschaftsreihe) wurden zu einem Teil im M.A.N.-Werk in Salzgitter, zum Groß-
teil jedoch im VW-Werk in Hannover gefertigt. Geplant wurde jährlich eine Fertigungsstück-
zahl von 10.000 Fahrzeugen. Tatsächlich wurden in der Zeit von 1979 bis 1982 durchschnitt-
lich jährlich 3.000 Stück verkauft. Die Gemeinschaftsproduktion wurde 1993 beendet, ver-
kauft wurden insgesamt rund 72.000 Stück dieser Fahrzeuge, also weit unter der geplanten
Absatzmenge.1043
Im Zeitraum zwischen September 1970 und Dezember 1981 bestand zwischen der Daimler-
Benz AG und M.A.N. eine vom Bundesverteidigungsministerium gewünschte Kooperations-
vereinbarung im Bereich der Fertigung von Motoren und der Außenplaneten-Antriebs-
achsen. Das Ministerium strebte mit dieser Vereinbarung für künftige Bundeswehrfahrzeuge
eine Vereinheitlichung der wichtigsten Baugruppen an.1044
Die Muttergesellschaft der M.A.N., der Gutehoffnungshütte Aktienverein, konnte das Aktien-
kapital nur bedingt erhöhen, da die Gesellschaft im Besitz der Familie Haniels war. Um an
Kapital zu gelangen, wurde die Gesellschaft 1970 auch Anlegern zugänglich gemacht. Im
gleichen Jahr übernahmen die Allianz Versicherung und die Commerzbank einen Großteil
des Aktienpaketes. Familie Haniel veräußerte 1985 ihre letzten Anteile an der Gesellschaft.
Nach der Ölkrise erfolgte im Jahr 1986 unter dem Vorstandsvorsitzenden Klaus Götte eine
gänzliche Neustrukturierung der zum Gutehoffnungshütte Aktienverein zugehörigen Unter-
nehmen. Federführend dabei war die Aktionärin Allianz Versicherung. Die Tochtergesell-
schaft M.A.N. wurde mit dem Gutehoffnungshütte Aktienverein fusioniert und firmierte künftig
unter den Firmenwortlaut M.A.N. AG mit Sitz in München. Die Aufteilung der Produktionsbe-
1040 Vgl. OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 284.
1041 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 82.
1042 Ebenda S. 126.
1043 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 390 f.
1044 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 152.
300
reiche innerhalb der M.A.N. AG erfolgte nach Kernbereichen, in welchen M.A.N. technolo-
gisch richtungsweisend war.1045
Die Türkei hatte einen großen Bedarf an Nutzfahrzeugen, daher fasste M.A.N. im Jahr 1967
in der Türkei Fuß. Gemeinsam mit der türkischen Firma Ercan Holding – welche bisher den
Import der M.A.N.-Fahrzeuge abwickelte – gründete M.A.N. in Istanbul die M.A.N. Kamyon
ve Orobus Sanayi A.S. (MANAS). M.A.N. hielt eine 30-prozentige Beteiligung am neu ge-
gründeten Unternehmen. Bereits 1967 verließen die ersten Lastwagen diese Produktions-
stätte.1046
M.A.N. versuchte durch verstärkte Expansionstätigkeit seine Stellung am Nutzfahrzeugmarkt
zu festigen. Südafrika zählte seit den 60er-Jahren zu den wichtigsten Abnehmerländern von
M.A.N. Im Jahr 1972 übernahm M.A.N. die Importfirma Meier & Hiller in Isando und gründete
die M.A.N. Truck & Bus S.A. Um Einfuhrabgaben zu vermeiden, wurde in Pinetown bei Dur-
ban (Natal) ein Montagewerk errichtet. In den Anfängen der 80er-Jahre waren hier bereits
400 Arbeitnehmer tätig, die jährlich 1.400 Fahrzeuge produzierten.1047
Aber auch am deutschen Markt wurde expandiert, und die Fertigungshallen wurden zu klein.
Der Bayrische Landtag beschloss 1965, der Oberbayrischen AG für Kohlenbergbau in Penz-
berg die gewährten Subventionen zu streichen. Fazit wäre gewesen, dass 500 Bergarbeiter
ihren Arbeitsplatz verloren hätten. M.A.N. sah darin die Chance für die Errichtung eines Om-
nibuswerkes in Penzberg, welches am 13. März 1967 eröffnet wurde. Die Besonderheit war
jedoch, dass die bisher im Kohlenbergbau tätigen Bergleute nunmehr im Automobilbau ein-
gesetzt wurden. Im M.A.N.-Werk München wurden 450 derartiger Arbeitnehmer umgeschult.
Im neu errichteten Omnibuswerk-Penzberg wurden im Jahr 1967 bereits 399 Omnibusse von
den 490 großteils umgeschulten Arbeitern gefertigt. Die gute Auftragslage machte es erfor-
derlich, dass auch Arbeitnehmer aus Griechenland, Jugoslawien und Rumänien angeworben
wurden. Erst im Jahr 1978 wurde vom M.A.N.-Vorstand beschlossen, die Omnibusfertigung
von Penzberg nach Salzgitter zu verlagern. MAN verfügte nach der Übernahme von Büssing
in Salzgitter über ein weiteres Omnibuswerk. 1981 wurde der letzte Omnibus in Penzberg
gefertigt. Das Werk-Penzberg dient künftig für die Fertigung von Lkw-Bauteilen.1048
M.A.N. stellte im Jahr 1978 Fahrzeuge mit einer kubischen Fahrerkabine vor. Mitbeteiligt an
der Entwicklung der Kabine waren noch die Konstrukteure von Saviem. Die großen hinteren
Seitenscheiben und die Geräumigkeit zeichnete die Kabine aus. 1978 und 1980 erhielt
M.A.N. mit diesen Fahrzeugen den Titel „Truck of the Year“.1049
Beginnend ab 1980 gab es auch bei M.A.N. – ausgelöst durch die Ölkrise im Jahr 1979 –
massive Umsatzrückgänge. Verbunden mit der Ölkrise war eine allgemeine wirtschaftliche
Rezession, wovon sich der Nutzfahrzeugmarkt erst Mitte der 1980er-Jahre erholte. Die Ver-
1045 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 480 f.
1046 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 84.
1047 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 424.
1048 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 94.
1049 Vgl. RÖCKE Matthias (2000), Trucknology Generation. Die neuen Lastwagen von MAN. S. 174.
301
kaufszahlen reduzierten sich von 14.500 Lastwagen im Jahr 1980 auf 9500 im Jahr 1981
und 8000 im Jahr 1982.1050
Im Jahr 1988 wurde der Mitarbeiterstand bei der M.A.N. wieder aufgestockt. Ausschlagge-
bend für den Aufschwung bei M.A.N. war das neue Schwerlastwagenprogramm der Baurei-
he F 90. Der M.A.N. F 90 erhielt im Jahr 1987 die Auszeichnung „Truck of the Year“. Auch im
mittleren Nutzfahrzeugbereich war die Fahrzeugreihe M 90 (Gesamtgewicht zwischen 12
und 17 Tonnen) erfolgreich. 1995 wurde die Weiterentwicklung dieser Fahrzeuge, die Bau-
reihe F 2000, den Kunden präsentiert. Diese Fahrzeuge entsprachen bereits den gesetzli-
chen Anforderungen bezüglich der Abgaswerte, den Euro-II-Vorschriften. Auch dieses Fahr-
zeug gewann den „Truck of the Year“ 1995. Die Beliebtheit der Fahrzeuge spiegelt sich in
den Produktionszahlen wider. Im Jahr 1987 betrug die Produktion an Lastwagen 20.500
Stück, im Jahr 1999 bereits 53.400 Stück.1051
1978 28.569
1052
Tab. 62: Produktionszahlen M.A.N. (Lastwagen) 1970 bis 1986
Pat Kennet, Verleger der LKW-Zeitschrift „Truck Magazine“, suchte nach einer Möglichkeit,
Lastkraftwagen zu küren, die sich durch Design und Fahreigenschaften auszeichneten.
Durch Pat Kennet wurde die Idee der Auszeichnung „Truck of the Year“ geboren, welche
erstmals 1977 vergeben wurde.1053 Der begehrte Titel wird von 21 Fachjournalisten aus Eu-
1050 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 94.
1051 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 454.
1052 Quelle: entnommen aus OSWALD Werner (2004), Deutsche Last- und Lieferwagen 1945 – 1969. S. 285.
1053 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 124.
302
ropa und Russland vergeben und bedeutet für die Hersteller eine große Reputation für stän-
dige Forschung und Entwicklung im Unternehmen. Jedes Fahrzeug, welches zum „Truck of
the Year“ gekürt wird, wird ein Verkaufshit. Mercedes holte sich den begehrten Titel achtmal,
gefolgt von M.A.N. siebenmal.1054
1055
Tab. 63: Gewinner des International Truck of the Year 1977 bis 2014
1054 Vgl. ITRAKTUELL - Das Fachmagazin von ITR und TRAKTUELL 1 – 2/2008. Zum siebenten Mal: MAN gewinnt den Truck of the Year. Hrsg. Springer
Business Media Austria GmbH, Wien. S. 20.
1055 Vgl. offizielle Website von TRUCK OF THE YEAR. Abzurufen unter: http://www.truck-of-the-year.com/winners.html. Abgerufen am 14.09.2013.
Anm.: Die Auszeichnung erfolgt immer für das folgende Jahr. So erhielt der Volvo FH im Jahr 2013 den Titel „Truck of the Year 2014“.
303
Die Geschäftsleitung des Gutehoffnungshütte Aktienvereines und der M.A.N. beschlossen
folgende strukturelle Änderungen:
1985 Gründung der M.A.N. Nutzfahrzeuge GmbH, welche eine 100-prozentige Toch-
tergesellschaft der M.A.N. Aktiengesellschaft in München ist.
1986 Neustrukturierung des Aktienvereines Gutehoffnungshütte. Es erfolgte die Fusi-
onierung des Aktienvereines Gutehoffnungshütte mit der Tochtergesellschaft M.A.N.
AG. Die M.A.N. AG fungierte nunmehr als reines Holdingunternehmen und hatte mit
den anderen – bisher der Gutehoffnungshütte – zugehörigen Betrieben Beherr-
schungs- und Gewinnabführungsverträge.1056
1989 Änderung der Rechtsform der M.A.N. Nutzfahrzeuge GmbH in eine Aktienge-
sellschaft und Änderung des Firmenwortlautes in MAN Nutzfahrzeuge AG.1057
Das Logo der M.A.N. wurde geändert, es wirkt nun zeitlos und modern, aus M.A.N. wurde
MAN: 1058
1059
Logo 28: MAN-Fahrzeuge ab 1989
Copyright MAN SE (nunmehr zugehörig zur Volkswagen AG)
MAN steigerte die Verkaufszahlen in den folgenden Jahren ständig, sodass der Marktanteil
der MAN im Nutzfahrzeugbereich in Westeuropa im Jahr 1991 bei 12,4 Prozent lag. Dies
bedeutete den dritten Platz unter den Nutzfahrzeugherstellern. Im gleichen Jahr verzeichnete
MAN leicht rückläufige Produktionszahlen. Erst durch die Fahrzeuge der neu vorgestellten
leichten Baureihe L 2000 konnten wieder Umsatzzuwächse erzielt werden. Im Bussektor
wurde mit dem Luxus-Reisebus MAN Lion`s Comfort eine Neuheit präsentiert. Die Busse
von MAN wurden wiederholte Male zum „International Bus and Coach of the Year“ gekürt.
1997 begann MAN mit der Errichtung eines Produktionswerkes für Busse in in Poznan (Po-
len), welches 1998 in Betrieb genommen wurde. Komplettbusse für den polnischen Markt,
aber auch lohnintensive Fahrzeugkomponenten für das MAN-Werk in Salzgitter wurden hier
gefertigt.1060
1056 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 450.
1057 Ebenda S 424.
1058 Vgl. WESTERWELLE Wolfgang (2007), Lastkraftwagen. Geschichte, Technik, Typen. S. 152.
1059 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.wheelmela.com/new-heavy-vehicle/man. Abgerufen am 16.06.2013
1060 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 126 ff.
304
Im März 2000 wurde die neue Baureihe TG (Trucknology Generation) von MAN in München
vorgestellt. Bei der Gestaltung der Fahrerkabine wurde auf Sicherheit und Bequemlichkeit
des Fahrers besonderer Wert gelegt. Die Fahrzeuge dieser Baureihe waren auf Wunsch mit
310 bis 460 PS starken Motoren ausgestattet. Die Lastwagen fanden bei den Kunden gro-
ßen Anklang, sodass bereits ein Jahr später das 10.000ste Fahrzeug verkauft wurde. Die
Weiterentwicklung dieser Baureihe, die Type TGX, ein Fahrzeug für den Fernverkehr, wurde
2008 präsentiert und im gleichen Jahr zum „Truck of the Year 2008“ gekürt.1061
Mit Ende des kommunistischen Regimes in den osteuropäischen Ländern änderten sich
auch die Zukunftsperspektiven der Automobilhersteller. MAN legte verstärktes Augenmerk
auf den osteuropäischen Absatzmarkt. Im Jahr 2000 kommt es zur Fusion zwischen der pol-
nischen Vertriebstochter von MAN, der MAN Nutzfahrzeuge Polen, mit dem polnischen
Lastwagenhersteller STAR S.A. in Starachowice. STAR produziert Nutzfahrzeuge der leich-
ten und mittleren Gewichtsklasse. Für die Erschließung der osteuropäischen Nutzfahrzeug-
märkte spielen die Firmenübernahmen in den jeweiligen Ländern eine bedeutende Rolle.1062
Im gleichen Jahr übernahm MAN vom kanadischen Unternehmen Western Star den engli-
schen Lastwagenhersteller ERF. Die Firma ERF wurde 1933 von Edwin Richard Foden ge-
gründet. Seine Fahrzeuge waren die ersten in England, welche mit Dieselmotoren ausgestat-
tet wurden. MAN stellte nach der Firmenübernahme fest, dass die der Übernahme von ERF
zugrundeliegenden Bilanzen gefälscht waren. Dies wurde durch britische und amerikanische
Gerichte bestätigt. Freightliner, der Rechtsnachfolger von Western Star, schloss mit MAN
einen Vergleich über eine diesbezügliche Schadenersatzzahlung von 370 Millionen Euro ab.
Durch die Übernahme des Herstellers ERF konnte MAN den Anteil am englischen Nutzfahr-
zeugmarkt nahezu verdoppeln. 2005 erhielt MAN einen Großauftrag vom britischen Verteidi-
gungsministerium über die Lieferung von 5.200 Lastwagen im Zeitraum 2007 bis 2013.1063
Die Zeit der Firmenübernahmen war noch nicht vorbei. Im Juni 2001 übernahm MAN, nach
Zustimmung der EU-Kommissionsbehörde, die Gottlob Auwärter GmbH, einen renommierten
Reisebushersteller in Stuttgart. Auwärter ist für seine luxuriösen Busse der Marke „Neoplan“
bekannt. 1967 präsentierte Auwärter den ersten Doppeldeckerreisebus der Type Skyliner.
1971 wird das Modell Cityliner, ein Reisehochdecker, vorgestellt. Um eine Vereinheitlichung
der Fahrzeuge innerhalb des MAN-Konzerns zu erreichen, wurden bei der Fertigung der Ne-
oplan-Busse ab dem Jahr 2001 Module aus dem MAN-Baukastensystem verwendet.1064
Im Jahr 2004 nahm MAN am deutschen Nutzfahrzeugmarkt der schweren Lastwagen den
zweiten Platz hinter Daimler-Benz ein. Der Marktanteil an MAN-Fahrzeugen betrug in der
Republik Südafrika im Jahr 2002 20 Prozent, verglichen mit dem Jahr 1997 mit 7,7 Pro-
zent.1065
1061 Vgl. ZENTNER CHRISTIAN (2008), Zentners Illustrierte Chronik. Deutsche Nutzfahrzeuge Last- und Lieferwagen von 1945 bis heute. S. 116 – 117.
1062 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 463.
1063 Vgl. ebenda S. 463 – 464.
1064 Vgl. MAN Nutzfahrzeuge Gruppe (2005), Seit 90 Jahren auf Achse. MAN Nutzfahrzeuge und ihre Geschichte 1915 bis 2005. S. 142 f.
1065 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 424.
305
1066
Abb. 13: Marktanteile der Lastwagenhersteller in Deutschland 2004
In der Eigentümerstruktur der MAN AG gab es 2005 folgende Änderung: Die Großaktionäre
– die Münchener Rückversicherungsgesellschaft AG, die Allianz AG und die Commerzbank
AG – waren mittelbar über die Regina Verwaltungsgesellschaft GmbH ab Anfang der 60er-
Jahre an der MAN AG beteiligt. Vor allem die Aktionäre Allianz und Commerzbank nahmen
während ihrer Beteiligung Einfluss auf die Unternehmensentwicklung. Im Jahr 2005 verkauf-
ten die Großaktionäre ihre Beteiligung, und die Aktien der MAN AG waren somit zu 100 Pro-
zent im Streubesitz.1067
MAN wollte im Jahr 2006 den Nutzfahrzeughersteller Scania übernehmen. Das Management
von Scania, aber auch die zwei Großaktionäre von Scania, die Industriellenfamilie Wallen-
berg und der Volkswagen-Konzern, sträubten sich gegen die Übernahme. Ende Jänner 2007
zog der MAN-Vorstand sein Übernahmeangebot, nach erfolgslosen Gesprächen mit den
Scania-Großaktionären, zurück. VW war jedoch an einer Zusammenarbeit mit MAN und
Scania interessiert. VW erwarb im März 2008 das gesamte Scania-Aktienpaket der Familie
Wallenberg, und Scania war somit eine 100prozentige-Tochter von VW. MAN wiederum hielt
17 Prozent der Stimmrechte an Scania. Ferdinand K. Piëch, Aufsichtsratvorsitzender von
VW, wurde in der MAN-Hauptversammlung im Mai 2007 zum Aufsichtsratvorsitzenden der
MAN AG gewählt. Dem MAN-Aufsichtsrat waren unter anderem zugehörig: Stephan Schaller
von den VW-Nutzfahrzeugen und Rupert Stadler von Audi. Indirekt zeigt sich hier bereits die
Einflußnahme von VW bei der MAN AG.1068
Die britische Tochter der MAN Nutzfahrzeuge AG, MAN ERF UK Ltd., erhielt vom britischen
Verteidigungsministerium einen Auftrag verbunden mit einer weiteren Kaufoption über die
1066 Quelle: Entnommen von FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 23.03.2004. MAN zielt auf höhere Marktanteile. Abzurufen unter:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/nutzfahrzeuge-man-zielt-auf-hoehere-marktanteile-1144559.html. Abgerufen am 16.09.2012.
1067 Ebenda S 424.
1068 Ebenda S 468.
306
Lieferung von 5200 hochgeländegängigen Lastwagen der Baureihen HX und SX, Auftrags-
wert 1,5 Milliarden Euro. Im Juni 2006 wurde die Kaufoption eingelöst, wobei weitere 2100
Fahrzeuge mit einem Auftragswert von 300 Millionen Euro bestellt wurden. Die Fahrgestelle
(Chassis) werden in Wien produziert und sichern dem MAN-Werk Wien eine Grundauslas-
tung bis zum Jahr 2015. Die Fahrzeugaufbauten erfolgen hauptsächlich in Großbritannien.
Die Hochleistungs-Allradfahrzeuge sind für verschiedenste militärische Einsatze gedacht.
Wegen der unterschiedlichen Klimaverhältnisse bei den Einsätzen werden die Fahrzeuge mit
einem speziellen Kältepaket für Temperaturen bis zu - 46°C ausgestattet. Die Auslieferung
von 161 Fahrzeugen erfolgte zur Jahresmitte 2007. Der Großauftrag der britischen Armee
stellt einerseits den größten Auftrag in der hundertjährigen Geschichte der Nutzfahrzeugpro-
duktion am Standort Wien dar. Andererseits wird dadurch gezeigt, dass diese neuen und
modernen MAN-Fahrzeugtypen für militärische Spezialeinsätze international Anerkennung
finden. Dies ist die Grundlage für weitere Entwicklung- und Forschungsarbeiten.1069
Im Jahr 2007 wurde das 250jährige Bestehen der Unternehmung gefeiert. Entscheidende
Punkte für die lange Unternehmensgeschichte sind unter anderem: die technischen Errun-
genschaften und die Bereitschaft im Unternehmen, den technischen Wandel mitzumachen,
aber auch richtige unternehmerische Entscheidungen. MAN war schon in frühen Jahren auf
das Auslandsgeschäft ausgerichtet, einerseits durch Beteiligungen an Unternehmen, anderer-
seits durch Niederlassungen in Ländern außerhalb von Deutschland. Das Jahr 2007 wird als
das erfolgreichste Geschäftsjahr des Unternehmens gesehen.1070
Durch Kooperationen und Beteiligungen an anderen Automobilherstellern konnte sich MAN
am Automobilmarkt etablieren. MAN-Kunden können auf ein ausgedehntes und hoch qualifi-
ziertes Servicenetz vertrauen. Mit fast 1.500 Stützpunkten in Europa ist das Service- und
Vertriebsnetz sehr engmaschig und wächst ständig weiter, dies auch am überregionalen wie
am südamerikanischen oder russischen Markt. Der Marktanteil von MAN-Fahrzeugen betrug
in der Republik Südafrika im Jahr 2002 20 Prozent, verglichen mit dem Jahr 1997 mit 7,7
Prozent.1071
1069 Vgl. RAUSCHER Karl-Heinz (2008), Von Fiat Wien zu MAN Nutzfahrzeuge Österreich. S. 270 – 283.
1070 Vgl. BÄR Johannes / BANKEN Ralf / FLEMMING Thomas (2008), Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. S 483.
1071 Ebenda S 424.
307
Nachstehend ein Überblick, an welchen Standorten MAN welche Produkte produziert:
1072
Abb. 14: Produktionsnetzwerk der MAN 2013
1072 Quelle: Abbildung entnommen von MAN Truck & Bus, Unternehmensportrait 2013. 4. Produktionsverbund. Abzurufen unter:
http://www.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/unternehmen_1/man_auf_einen_blick/DE_Unternehmenspraesentation_
2013.pdf. Abgerufen am 14.09.2013.
308
3. Bedeutende europäische Nutzfahrzeughersteller
a) Schweizer Saurerwerke
Franz Saurer gründete 1853 eine Eisengießerei in St. Gallen und verlegte 1863 den Sitz des
Unternehmens nach Arbon am Bodensee. Er erweiterte den Betrieb um die mechanische
Produktion von Textilmaschinen.1073 Nach dem Tod von Franz Saurer führte dessen Sohn
Adolph das Unternehmen weiter und begann mit der Motorenherstellung. Die ersten 5 PS
starken Motoren wurden 1896 in vierrädrige Fahrzeuge eingebaut.1074 1903 wurde der erste
Lastwagen gefertigt. Der 5-Tonnen-Lastwagen wurde zur Gänze in Arbon erzeugt und war
mit einem 22 PS starken Vierzylindermotor ausgestattet.1075 Im Folgejahr wurden die ersten
Omnibusse präsentiert. Die Fahrzeuge waren bereits mit einer Motorbremse – welche über
einen Hebel am Lenkrad zu betätigen war – ausgestattet und wurden weltweit exportiert. Sie
waren von exzellenter Qualität gekennzeichnet und hatten einen geringen Treibstoffver-
brauch.
Deshalb vergab Saurer Lizenzen an Unternehmen in England (1904), Österreich (1906),
Frankreich (1910) und USA (1911). Saurer gründete gemeinsam mit M.A.N. 1915 die Saurer
Lastwagenwerke GmbH, mit Sitz in Nürnberg. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg trat Sau-
rer seine Anteile am gemeinsamen Unternehmen an M.A.N. ab.1076
Die Schweizer-Saurer-Fahrzeuge waren durch nachstehendes Logo gekennzeichnet:
1077
Logo 29: Schweizer-Saurer-Fahrzeuge
Copyright Schweizer-Saurer-Fahrzeuge (nunmehr Daimler AG)
309
Nach dem Tod von Adolph Saurer 1920 führte sein Onkel, Hippolyt Saurer, das Unterneh-
men in Arbon weiter. 1929 fusionierte Saurer mit der Motorenfabrik Berna AG – dem zweit-
größten Nutzfahrzeughersteller in der Schweiz –, wobei Saurer die Mehrheitsbeteiligung hat-
te. Unter Hippolyt Saurer erfuhr das Unternehmen einen großen technischen Auf-
schwung.1078
Während des Zweiten Weltkrieges wurden – wegen der Neutralität – Fahrzeuge für die
Schweizer Armee gebaut.1079
310
Die Forschungsabteilung für Motoren wurde im Jahr 1990 von Iveco übernommen. Das Sau-
rer-Werk in Wetzikon wurde 1995 geschlossen, wobei von 160 Mitarbeitern 90 im Werk Ar-
bon aufgenommen wurden.
2000 trat DaimlerChrysler an die Sachsenring AG in Zwickau – dem ehemalige Traby-
Hersteller – 51 Prozent der Gesellschaftsanteile der NAW ab. Durch die Beteiligung an dem
Unternehmen hoffte Sachsenring besser in den Nischenmärkten Fuß zu fassen. NAW fertig-
te vor allem Entsorgungsfahrzeuge, Flughafen-Vorfeld-Busse und Fahrgestelle für die Flug-
hafenbusse von Daimler. Der Plan der Sachsenring AG ging nicht auf, da dieses Unterneh-
men im Mai 2002 den Konkursantrag stellte. Mit diesem Schritt bekam auch die NAW wirt-
schaftliche Schwierigkeiten, sodass das im November 2002 die Liquidation der NAW in der
Generalversammlung beschlossen wurde.1086
Saurer zählte in den 30er-Jahren zu einem der bedeutendsten und innovativsten Automobil-
hersteller in der Schweiz. Die Fahrzeuge wurden oftmals als Rolls Royce unter den Lkws
bezeichnet. Somit war auch die Geschichte der schweizerischen Nutzfahrzeugindustrie be-
endet und der Saurer-Schriftzug nicht mehr auf den Fahrzeugen vorzufinden:1087
1088
Logo 30: Schriftzug der Schweizer-Saurer-Lastwagen
Copyright Schweizer-Saurer-Fahrzeuge (nunmehr Daimler AG)
b) DAF
1086 Vgl. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG vom 14. Oktober 2002. Ende einer traditionsreichen Geschichte. Abzurufen unter:
http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/newzzD7AEC59W-12-1.431411. Abgerufen am 30.09.2013.
1087 Vgl. N-TV vom 16. Oktober 2002. „Die Deutsche [sic] sind Schuld“. Schweizer NAW vor dem Aus. Vgl. http://www.n-tv.de/archiv/Schweizer-NAW-vor-
dem-Aus-article120315.html Abgerufen am 30.09.2013.
1088 Quelle: Schriftzug abzurufen unter: http://www.ricardo.ch/kaufen/sammeln-und-seltenes/raritaeten/schweiz/saurer-schriftzug-original-
oldtimer/v/an704153754/. Abgerufen am 29.09.2013.
311
ren Auftragsbereichen umzusehen. Die Schlosserei fertigte ab dem Jahr 1932 Anhänger und
Auflieger. Die Rechtsform der Unternehmung wurde in eine Aktiengesellschaft geändert, die
unter den Namen Van Doornes Aanhangwagenfabriek (DAF) firmierte. Neuheiten wie leichte
Fahrgestelle, Bremssysteme und automatische Aufliegerkupplungen für Anhänger wurden
den Kunden präsentiert.
Im Jahr 1938 wurde der erste Lastwagen gefertigt, wobei der Motor und die Maske des Küh-
lers von der Fahrzeugtype Ford V8 stammten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden
neben Zugfahrzeugen auch Schlepper produziert.
1948 änderte das Unternehmen den Firmenwortlaut in Van Doorne’s Automobiel Fabriek.
Wegen des Materialmangels nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Nutzfahrzeugproduktion
erst im Jahr 1949 wieder aufgenommen werden. Am 28. Juli 1949 wurde das erste Lastwa-
genfahrgestell ausgeliefert. Rund 500 Fahrzeuge wurden im gleichen Jahr hergestellt. Bei
den Nutzfahrzeugen, die als Hauben- oder Frontlenkerfahrzeuge gebaut wurden, handelte
es sich um 3- und 5- Tonner. Die Fahrzeuge wurden entweder mit Hercules-Benzinmotoren
oder Perkins-Dieselmotoren gebaut.1089
1950 wurde in Eindhoven ein neues Werk eröffnet. Nun war es möglich, die Produktion auf
10 bis 12 Lastwagen wöchentlich zu steigern.1090
Die Fahrzeuge trugen am Kühler nachstehendes Logo:
1091
Logo 31: DAF-Fahrzeuge
Copyright DAF (nunmehr Paccar-Konzern)
312
sen Fahrzeugtypen zehn Tonnen, dieser Wert war für den damaligen Entwicklungsstand
einzigartig.
1957 wurden in einem neu errichteten Motorenwerk die Leyland-Motoren in Lizenz gebaut.
Dies war der Grundstein für die eigene Motorenentwicklung. DAF war einer der ersten Nutz-
fahrzeughersteller, der bereits 1959 in seine Lastwagen Dieselmotoren mit Turbolader ein-
baute.
Das Unternehmen war stets bemüht, neue Modelle mit wesentlichen technischen Verbesse-
rungen den Kunden zu präsentieren. So hatten die Fahrzeuge, vorgestellt im Jahr 1970,
kippbare Fahrerhäuser. Damit konnten Wartungsarbeiten wesentlich bequemer vorgenom-
men werden.
Der Vierer-Club bestehend aus den Herstellern DAF, Magirus, Renault und Volvo versuchte
durch gemeinsame Forschungsarbeit Nutzfahrzeuge der leichten Baureihe zu entwickeln.
Diese Teamarbeit war der Grundstein für die von DAF im Jahr 1975 vorgestellten leichten
Fahrzeugtypen, den F 700 und F 900.
Im Jahr 1958 fertigte DAF auch Personenkraftwagen, dies war stets der Wunsch der Grün-
der des Unternehmens. 800.000 Stück Daffodil-Pkws der Typen DAF 33, 66 und 300 mit
dem berühmten Variomatic-Getriebe wurden produziert. 1975 übernahm Volvo die Perso-
nenwagen-Sparte von DAF.1092
DAF zählte zu einem der ersten Nutzfahrzeughersteller, die bei Fahrzeugen den Motor direkt
unter dem Fahrerhaus plazierten. Anfang der 60er-Jahre gelang DAF mit dem derartig ent-
wickelten Modell DAF 2600 ein großer Erfolg.1093
Noch vor dem 50. Unternehmensjubiläum starb am 3. Mai 1978 einer der Gründer, Wim van
Doorne. Dr. Hub van Doorne verstarb am 23. Mai 1979.
DAF legte seit längerem verstärktes Augenmerk auf die Produktion von Nutzfahrzeugen und
schränkte die Anhängerproduktion erheblich ein. Für Müll- und Milchsammelfahrzeuge wurde
im Jahr 1980 eine spezielle Modellreihe mit eigens für diese Fahrzeuge entwickelten Achsen
präsentiert. 1986 verließ das 250.000ste Fahrzeug seit Bestehen des Unternehmens die
Werkshallen von DAF.
Im gleichen Jahr ging DAF eine Kooperation mit Leyland ein und produzierte Fahrzeuge der
leichten Baureihe, die 400er Vans, sowie Fahrzeuge für Zustelldienste. 1987 übernahm DAF
den Nutzfahrzeugbereich von Leyland sowie den britischen Kleinlastwagenhersteller Freight
Rover in Birmingham. Die beiden übernommenen Nutzfahrzeugmarken und die DAF-Trucks
wurden 1987 in die neu gegründete Gesellschaft DAF B.V. eingebracht. An der Gesellschaft
war DAF mit 60 und Freight Rover mit 40 Prozent beteiligt. Die DAF B.V. produzierte und
1092 Vgl. offizielle Website von DAF. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/About-DAF/History/Pages/History-of-DAF-Trucks.aspx. Abgerufen am
16.11.2011.
1093 Vgl. NEUIGKEITENARCHIV von DAF vom 01.04.2008. 80 Jahre innovative Transportlösungen von DAF. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/News-
and-Media/News/Pages/80-years-of-innovative-transport-solutions.aspx. Abgerufen am 16.11.2011.
313
vertrieb ab der Fusion Lastwagen der Marken Leyland, Freight Rover und DAF. Im Jahr 1989
änderte DAF B.V. die Unternehmensrechtsform in eine Aktiengesellschaft und firmierte unter
den Namen DAF N.V.1094
Die Übernahme von Leyland brachte DAF überwiegend Verluste. Dieser Zustand und die
Rezession am Nutzfahrzeugmarkt schwächte das Unternehmen so sehr, dass mit Konkur-
renten wie MAN, Iveco oder Mercedes Benz im ständig stärker werdenden Wettbewerb am
Nutzfahrzeugmarkt nicht mitgehalten werden konnte. DAF war gezwungen, 1993 den Kon-
kurs anzumelden.1095 Gleichzeitig wurde ein neues Unternehmen mit dem Firmenwortlaut
DAF Trucks N.V. gegründet.1096
Im November 1996 kaufte der amerikanische Hersteller von Schwerlastwagen Paccar Inc.
(Pacific Car & Foundry) das niederländische Unternehmen DAF Trucks N.V. – um 933 Milli-
onen Gulden, das entsprach circa 820 Millionen DM – und führte das Unternehmen unter
dem gleichen Firmenwortlaut weiter. Nicht mitübernommen wurde der Bereich der Leyland-
Trucks.1097
Der Nutzfahrzeugbereich von Leyland wurde als eigenständiges Unternehmen unter dem
Firmenwortlaut Leyland Trucks Ltd. mit Sitz in Leyland von den bisherigen Managern weiter-
geführt. Produziert wurden DAF-Fahrzeuge der Type 44 und 55 und Fahrzeuge der Baureihe
Comet. Diese Fahrzeuge wurden unter dem Logo von Leyland vermarktet. 1999 wurde auch
dieses Unternehmen von Paccar übernommen und so waren DAF und Leyland wieder ver-
eint. Im gleichen Jahr wurde unter der Führung von Paccar der 500.000ste DAF-Lastwagen
produziert.1098
Die DAF-Fahrzeuge sind durch folgendes Logo gekennzeichnet:
1099
Logo 32: DAF-Fahrzeuge (nach Übernahme von DAF durch den Paccar-Konzern)
Copyright DAF (nunmehr Paccar-Konzern)
1094 Vgl. offizielle Website von DAF. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/About-DAF/History/Pages/History-of-DAF-Trucks.aspx. Abgerufen am
16.11.2011.
1095 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 07/1993 vom 15.02.1993. Lahm und blind. S. 105.
1096 Vgl. offizielle Website von DAF. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/About-DAF/History/Pages/History-of-DAF-Trucks.aspx. Abgerufen am
16.11.2011.
1097 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 234 vom 08.10.1996. Paccar übernimmt DAF Trucks. Kaufpreis 933 Millionen Gulden/DAF soll
unabhängig bleiben. S. 23.
1098 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S. 210.
1099 Quelle: Logo abzurufen unter: http://seeklogo.com/tag.html?q=DAF. Abgerufen am 11.08.2013.
314
Auch innerhalb des Paccar-Konzerns legte DAF Wert auf Forschung und Entwicklung. So
wurde im Jahr 1997 eine Fahrzeugreihe speziell für den Fernverkehr mit der Bezeichnung 95
XF vorgestellt. 2001 präsentierte DAF Fahrzeuge für Zustelldienste der leichten Baureihe mit
der Bezeichnung LF (Fahrzeuge von 6 bis 18 Tonnen Gesamtgewicht) und wurde mit die-
sem Modell zum „Truck of the Year 2002“ gekürt. Mit dem Fernverkehrsmodell XF105 ge-
wann DAF im Jahr 2007 nochmals den Truck of the Year.1100
Im Jahr 2007 nahm DAF in Deutschland mit einem Marktanteil von 14 Prozent bei den zuge-
lassenen Sattelzugmaschinen den dritten Rang hinter Mercedes und MAN ein. Durchschnitt-
lich nahm der Nutzfahrzeugmarkt in diesem Segment im Jahr 2007 um 11,7 Prozent im Ver-
gleich zum Jahr 2006 zu. DAF konnte somit gegenüber dem Jahr 2006 sogar um 20,4 Pro-
zent zulegen (Neuzulassungen 2007: 5.532, 2006: 4.593 Einheiten).1101
1102
Abb. 15: Nutzfahrzeugmarkt Deutschland 2007
DAF präsentierte 2009 Fahrzeuge der überarbeiteten leichten Baureihe LF. Mit diesen Fahr-
zeugen wurde ein noch größerer Fahrkomfort durch die modern und geräumig ausgerichtete
Fahrerkabine erreicht. Außerdem wurde bei der Konstruktion – im Verteilerverkehr wichtig –
auf bequeme Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten großer Wert gelegt.1103
1100 Vgl. offizielle Website von DAF. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/About-DAF/History/Pages/History-of-DAF-Trucks.aspx. Abgerufen am
16.11.2011.
1101 Vgl. NEUIGKEITENARCHIV von DAF vom 01.04.2008. 80 Jahre innovative Transportlösungen von DAF. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/News-
and-Media/News/Pages/80-years-of-innovative-transport-solutions.aspx. Abgerufen am 02.09.2013.
1102 Quelle: entnommen von ebenda.
1103 Vgl. NEUIGKEITENARCHIV von DAF vom 29.05.2009. DAF aktualisiert LF-Baureihe für den Verteilerverkehr. Abzurufen unter:
http://www.daf.eu/DE/News-and-Media/News/Pages/DAF-renews-LF-series.aspx. Abgerufen am 02.09.2013.
315
Am 28. Juli 2009 feierte DAF 60 Jahre Nutzfahrzeugproduktion. 1950 wurden 2.000 (im Ver-
gleich dazu 2008: 52.000) Lastwagen im Werk Eindhofen produziert. Dazu kamen im Jahr
2008 noch 12.700 Fahrzeuge der leichten Gewichtsklassen, die von Leyland in England pro-
duziert wurden.1104
Im Jahr 2010 wurde eine komplette Motorenpalette vorgestellt, die den gesetzlich geforder-
ten Emissionsrichtlinien entsprach. DAF war einer der ersten Nutzfahrzeughersteller, der
Fahrzeuge mit Hybridantrieb ausstattete. Dadurch wurde nochmals eine Verringerung des
Kraftstoffverbrauchs und eine bis zu 20-prozentige CO2-Emissionsreduktion erreicht.
2011 feierte Leyland Trucks unter der Führung von Paccar die Produktion des 100.000sten
Lastwagens der Type DAF-LF. Diese Baureihe umfasste erstklassige Leichtlastwagen von 6
bis 21 Tonnen.1105
Paccar eröffnete in Eindhoven im Jahr 2013 ein neu errichtetes Distributionszentrum auf ei-
ner 26.000 m2 großen Fläche. 65.000 verschiedene Ersatzteile können hier gelagert und
und an die entsprechenden Kunden geliefert werden. Die Investitionssumme für das Ver-
triebszentrum betrug 30 Millionen Euro.1106
Das Unternehmen DAF hatte trotz Eingliederung in den Paccar-Konzern die Möglichkeit, die
Unternehmensphilosophie der Gründer – eine ständige Weiterentwicklung der Fahrzeuge –
fortzuführen. DAF zählt heute zu einem der weltweit größten Hersteller von Schwerfahrzeu-
gen.
1104 Vgl. NEUIGKEITENARCHIV von DAF vom 28.07.2009. 60 Jahre DAF-Nutzfahrzeugproduktion. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/News-and-
Media/News/Pages/60-years-of-DAF-truck-production.aspx. Abgerufen am 02.09.2013.
1105 Vgl. offizielle Website von DAF. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/About-DAF/History/Pages/History-of-DAF-Trucks.aspx. Abgerufen am
16.11.2011.
1106 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR 08/2013. Neues Paccar Parts Distribution Centre eröffnet. Euro 6 verteilen. S. 30.
316
c) Scania
1107 Vgl. SCANIA SPEZIAL – DER KING OF THE ROAD Nr. 9 vom Jänner 2006. Abzurufen unter: http://www.engineering-
communication.com/pdf/historik/Scania.pdf. Abgerufen am 09.04.2012.
1108 Vgl. HETTING Conny / TUNBERG Anders (2002), Scania World Sonderdruck 1902-2002. Der Scania-LKW - seit 100 Jahren unterwegs. S. 4.
Abzurufen unter: http://toolkitstatic.scania.com/scaniaworld/archive/pdf/ScaniaWorld_ge.pdf. Abgerufen am 04.12.2011.
1109 Ebenda S. 2 ff.
1110 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeug-Lexikon. S. 355.
1111 Ebenda S. 210.
317
Die Fahrzeuge trugen das Scania-Vabis-Logo:
1112
Logo 33: Scania-Fahrzeuge (nach dem Zusammenschluss von Scania mit Vabis)
Copyright Scania (nunmehr zugehörig zur Volkswagen AG)
Scania-Vabis produzierte ab dem Jahr 1919 überwiegend Lastwagen. Die letzten Personen-
kraftwagen wurden 1929 hergestellt. Der Umstand, dass einerseits die Unternehmung ihre
Produktion auf Lastwagen beschränkte, aber nach diesen Fahrzeugen noch keine große
Nachfrage bestand, sowie die vorherrschend starke Deflation führten dazu, dass Scania
große Liquiditätsprobleme bekam und im Jahr 1921 den Konkursantrag stellen musste. Das
Nachfolgeunternehmen wurde ebenso 1921 unter gleichem Firmenwortlaut gegründet.
Scania-Vabis suchte nach Möglichkeiten, noch sparsamere Motoren in die Fahrzeuge einzu-
bauen. 1922 konstruierte August Nilsson, der Werksleiter des Unternehmens, einen neuen
Vergaser, wofür Scania das Patent erteilt wurde. Einige Jahre später konnten die Kunden
zwischen verschiedenen Motoren wählen und für den jeweiligen Fahrzeugeinsatz den im
Treibstoffverbrauch günstigsten Motor aussuchen. Zur Auswahl standen Treibstoffe wie rei-
ner Alkohol, Benzin oder Benzin mit Zusatz von Alkohol.
Die Weltwirtschaftskrise 1929 berührte Scania-Vabis ebenso, aber das Unternehmen war gut
organisiert und konnte trotz Umsatzrückgängen Gewinne in den Jahresabschlüssen auswei-
sen. Erst im Jahr 1932 kam es bei Scania-Vabis zu einem 60-prozentigen Umsatzrückgang.
Scania-Vabis wollte den Kunden durch ständige Weiterentwicklungen, vor allem im Motoren-
bereich, Kosten sparen. Durch die Entwicklung des Hesselmann-Motors wurde das Gegen-
teil bewirkt. Der Hesselmann-Motor, aufbauend auf den Vergasermotor, wurde mit Heizöl
angetrieben. Der hohe Zündkerzenverbrauch und die unangenehme Abgasentwicklung führ-
ten dazu, dass Scania-Vabis sich zur Entwicklung eines eigenen Dieselmotors ent-
schloss.1113 Im Jahr 1936 stellte das Unternehmen den ersten Dieselmotor mit 120 PS vor.
318
Die Scania-Vabis-Busse mit Heckmotor waren für Mitte der 30er-Jahre eine großartige Ent-
wicklung. Ab dem Jahr 1937 wurden diese Busse auch mit dem Hesselmann-Motor ausge-
stattet. Ab 1948 wurden alle Fahrzeuge mit Dieselmotoren gebaut.1114
Vorteil der Scania-Fahrzeuge war die hohe Qualität, dazu waren sie einfach gebaut, sodass
die Fahrzeugbesitzer die Wartungsarbeiten selbst durchführen konnten.
Im Zweiten Weltkrieg stellte Scania wie auch andere Nutzfahrzeughersteller auf Alternativ-
möglichkeiten beim Antrieb des Motors, wie auf Holzgasaggregate, um. Die Fahrzeugpalette
während des Zweiten Weltkrieges richtete sich vorerst nach den Ansprüchen der Streitkräfte
und dann erst nach den Kundenwünschen.
Für Scania stand Forschung und Entwicklung immer an erster Stelle. So versuchte das Un-
ternehmen mit technisch hochwertigen Getrieben und Motoren den Kunden Vorteile im Ver-
gleich mit anderen Herstellern zu bieten. Auch die Weiterentwicklung der übrigen Fahrzeug-
teile wie Achsen und Bremsen lag Scania-Vabis sehr am Herzen. Bereits in den 60er-Jahren
versuchten die Konstrukteure von Scania-Vabis, Motoren mit einer höheren Leistung, aber
geringeren Lärmentwicklung zu bauen. 1963 wurden Frontlenkerfahrzeuge in die Produkti-
onspalette mitaufgenommen. Scania-Vabis bot seinen Kunden ein perfekt funktionierendes
Händler- und Werkstättennetz.
Im Jahr 1948 wurde Scania-Vabis Generalimporteur von VW-Fahrzeugen für Schweden.
Mitte der 60er-Jahre gründete Scania-Vabis Produktionsstätten außerhalb von Schweden.
Die erste wurde 1962 in Brasilien, 1965 eine weitere in den Niederlanden gegründet. Erst
1968 folgte die Gründung einer Verkaufsniederlassung in Deutschland.
Der Firmenwortlaut des Unternehmens wurde im Jahr 1968 in Scania geändert und die
Fahrzeuge trugen nachstehendes Logo:
1115
Logo 34: Scania-Fahrzeuge ab 1968
Copyright Scania (nunmehr zugehörig zur Volkswagen AG)
319
1969 führten finanzielle Schwierigkeiten im Unternehmen dazu, dass Scania vom schwedi-
sche Flugzeug- und Rüstungskonzern Saab übernommen wurde. Saab stieg erst spät in das
Automobilgeschäft ein. Am 10. Juni 1947 präsentierte Saab die ersten Personenkraftwa-
genmodelle. Der Firmenwortlaut des Unternehmens war nunmehr Saab-Scania AB und das
Logo der Fahrzeuge wie unten angeführt:
1116
Logo 35: Scania-Fahrzeuge (nach dem Zusammenschluss von Scania mit Saab)
Copyright Saab-Scania (nunmehr zugehörig zur Volkswagen AG)
Größere Verluste im Bereich der Automobilproduktion veranlassten Saab 1989 zur Zusam-
menarbeit mit General Motors. 1990 wurde das Automobilunternehmen Saab-Scania AB in
die Saab Automobile AB eingebracht. An der Saab Automobile AB waren General Motors
und Saab zu je 50 Prozent beteiligt.
1995 gliederte das Unternehmen den Nutzfahrzeugbereich in eine neu gegründete Gesell-
schaft mit den Firmenwortlaut Scania AB aus. Mehrheitseigentümer der Scania AB war die
schwedische Firmenholding Investor AB. Weiters wurde der Firmenwortlaut der Saab-Scania
AB in Saab Automobile AB geändert. Erst 2000 übernahm General Motors den 50-
prozentigen Gesellschaftsanteil von Saab. Im Dezember 2011 war Saab gezwungen, den
Insolvenzantrag einzureichen, nachdem sämtliche Übernahmeverhandlungen mit anderen
Herstellern gescheitert waren.
Der schwedische Konkurrent Volvo zeigte 1999 Interesse an der Scania AB. Die Kartellbe-
hörden untersagten dem Automobilhersteller Volvo eine Übernahme von Scania, weil be-
fürchtet wurde, dass dadurch eine Marktbeherrschung in Nordeuropa eintreten könnte.
Volkswagen beteiligte sich an der Scania AB im Jahr 2000 mit 3 Milliarden DM und erhielt im
Gegenzug eine 18,7-prozentige Beteiligung am Unternehmen sowie 34 Prozent der Stimm-
rechte. 1117
MAN bekundete 2006 ebenfalls Interesse am Nutzfahrzeughersteller Scania und machte ein
Übernahmeangebot von 10,3 Milliarden Euro. Scania AB lehnte ab, da die beiden Großakti-
320
onäre, die Volkswagen AG und der Schwedische Investor AB, strikt dagegen waren. MAN
zog das Angebot im Jahr 2007 zurück.1118
Im März 2007 stockte Volkswagen seine Beteiligung an der Scania AB von 18,7 auf 20,03
Prozent auf, womit auch die Stimmrechte von 34 auf 35,31 Prozent erhöht wurden. Volkswa-
gen, gleichzeitig Hauptaktionär der MAN, strebte eine Zusammenarbeit der beiden Nutzfahr-
zeugproduzenten Scania und MAN an.1119
MAN erwarb über die Börse Aktien der Scania AB. Das erworbene Aktienpaket sicherte MAN
14 Prozent der Stimmrechte an der Scania AB. Bis Ende Feber 2008 erwarb MAN weitere
Anteile und stockte die Stimmrechtsbeteiligung auf 17 Prozent auf.
Das Schwedische Investmentunternehmen Investor AB hatte 20,1 Prozent und die Stiftun-
gen der Familie Wallenberg 10,5 Prozent Stimmrechte an der Scania AB. Volkswagen er-
warb 2008 vom Investor AB und den Stiftungen der Familie Wallenberg um rund 2,9 Milliar-
den Euro deren gesamte Anteile an Scania AB. Volkswagen hält 2008 eine 37,73-prozentige
Beteiligung an der Scania AB, was 68,6 Prozent der Stimmrechte entspricht.1120
MAN und Scania sind heute als eigenständige Unternehmen in den VW-Konzern eingeglie-
dert.
d) Volvo
Assar Gabrielsson und Gustaf Larson waren beide im Zeitraum 1917 bis 1920 bei der
Svenska Kugellagerfabrik AB (SKF) beschäftigt, Gabrielsson als Verkaufschef und Larson
als Ingenieur. Beide Herren beschlossen 1924 anlässlich eines zufälligen Treffens, sich dem
Automobilbau zuzuwenden. Die Unternehmung Volvo wurde im Jahr 1915 von der SKF AB
als Versuchsabteilung für neue Wälzlager gegründet. Gabrielsson und Larson konnten den
Vorstand der SKF AB von der Idee der Automobilherstellung überzeugen. So wurde Gab-
rielsson wurde mit 1. Jänner 1927 Generaldirektor der Unternehmung Volvo. In Forschung,
Entwicklung sowie den Produktionsbereich der Herstellung von Fahrzeugen investierte SKF
200.000, Gabrielsson 150.000 Kronen aus seinem Privatbesitz.
1118 Vgl. THE EPOCH TIMES vom 24.01.2007. Scania-Großaktionär will Fusionsgespräche mit MAN fortsetzen. Abzurufen unter:
http://www.epochtimes.de/scania-grossaktionaer-will-fusionsgespraeche-mit-man-fortsetzen-82947.html. Abgerufen am 19.11.2012.
1119 Vgl. THE EPOCH TIMES vom 07.03.2007. Volkswagen erhöht Beteiligung an Scania. Abzurufen unter: http://www.epochtimes.de/volkswagen-erhoeht-
beteiligung-an-scania-95842.html. Abgerufen am 19.11.2012.
1120 Vgl. THE EPOCH TIMES vom 03.03.2008. Volkswagen baut Machtstellung bei Scania aus. Abzurufen unter: http://www.epochtimes.de/volkswagen-
baut-machtstellung-bei-scania-aus--247526.html. Abgerufen am 01.11.2012.
321
1927 wurde der erste Personenkraftwagen, ein Volvo der Type ÖV4 mit der Bezeichnung
Jakob, in der Werkshalle von Lundby, nahe Göteborg, produziert. Ein Jahr später präsentier-
te Volvo den ersten Lastkraftwagen, ein 1,5-Tonnen Fahrzeug. Der Lastwagen hatte ein ver-
stärktes Pkw-Fahrgestell und den gleich starken 28 PS-Motor wie Personenwagen.
Zunehmend wurden die Fahrzeuge im Laufe der Jahre verbessert. Fahrzeuge mit einem
Gesamtgewicht zwischen 1,5 und 5-Tonnen, ausgestattet mit Sechs- und Achtzylindermoto-
ren, wurden produziert.
Während des Zweiten Weltkrieges fertigte Volvo Flugzeugmotoren, Lastwagen und Panzer
für die schwedischen Streitkräfte. Daneben wurden auch Traktoren, ausgestattet mit dem
Getriebe von Bolinder-Munktell, hergestellt. Das Unternehmen Volvo übernahm 1950 den
schwedischen Traktoren- und Motorenhersteller Bolinder-Munktell.1121
1947 stellte Volvo eine neue Fahrzeugpalette mit einem 95 PS-Dieselmotor vor.1122
Der Titan, das wohl bekannteste Lastwagenmodell von Volvo, wurde im Jahr 1954 präsen-
tiert und war bereits mit einem Turbomotor ausgestattet. Die Motorleistung konnte bei einem
geringeren Leergewicht von 150 auf 185 PS gesteigert werden.
Eine gänzlich neu gestaltete Fahrzeugreihe, die Typen F85, F86 und F88, wurde im Jahr
1965 präsentiert. Diese Fahrzeuge bildeten bis Ende der 70er-Jahre den Hauptbestandteil
des Produktionsprogrammes.1123
Volvo legte bei der Entwicklung auf den Sicherheitsfaktor sowie die Ergonomie der Fahrzeu-
ge besonderen Wert. Außerhalb von Schweden wurden nur geringe Stückzahlen an Volvo-
Fahrzeugen verkauft. Schuld war das spärlich ausgebaute Servicenetz für Volvo-
Fahrzeuge.1124 Dieser Umstand ist vergleichbar mit dem Nutzfahrzeugbereich von Steyr.
Auch Steyr stellte erstklassige Fahrzeuge her, aber es fehlte ein gut ausgebautes Service-
netz außerhalb von Österreich, was vor allem für Fernverkehrsfahrzeuge notwendig ist.
Der amerikanische Automobilhersteller White Motor Corporation stellte im Jahr 1980 den
Insolvenzantrag. Das Unternehmen produzierte Nutzfahrzeuge unter den Markennamen
Western Star und White Western Star. Für ein Weiterbestehen des Unternehmens wurde
nach einem starken Partner gesucht. Volvo beteiligte sich 1981 an White Motor Corporation,
322
der Firmenwortlaut des Unternehmens wurde in Volvo White Truck Corporation (VWTC) ge-
ändert. Somit konnte Volvo seine Fahrzeuge auch in den USA vertreiben. Den Vertrieb der
Volvo-Lastwagen in Nordamerika übernahm General Motors.
Volvo wollte ebenso die Synergien von General Motors nutzen. Deshalb wurde das Unter-
nehmen Volvo GMC Heavy Truck Corporation im Jahr 1989 gegründet. Volvo hielt an der
Gesellschaft eine Beteiligung von 87 Prozent, und mit 13 Prozent ist General Motors betei-
ligt. Produziert wurden Sattelzugmaschinen und Lastwagen mit einem Gesamtgewicht von
mehr als 15 Tonnen.
Volvo verkaufte im Jahr 1992 15.000 White-GMC-Lastwagen in den USA und erreichte bei
den schweren Nutzfahrzeugen einen Marktanteil von 12 Prozent.1125 Volvo war somit hinter
Navistar und Freightliner der drittgrößte Nutzfahrzeughersteller in den USA. 1995 wurden in
den USA alle Fahrzeuge des Unternehmens nur mehr unter dem Namen Volvo verkauft.1126
Volvo übernahm im Jahr 1997 die 13-prozentige Beteiligung von General Motors an der Vol-
vo GMC Heavy Truck Corporation und änderte den Firmenwortlaut des Unternehmens in
Volvo Trucks North America Inc.1127
1992 wollten die beiden Hersteller Volvo und Renault ihre Unternehmen fusionieren. Louis
Schweitzer, Chef von Renault, berichtete, dass durch die Fusion von Volvo und Renault
(1992 hatte Renault einen Gesamtumsatz von 54,3 Milliarden Mark, Volvo von 23,8 Milliar-
den Mark) in Europa hinter Mercedes-Benz der zweitgrößte Automobilkonzern entstehen
würde. Durch die Fusion sollten Kosten gesenkt werden, und zwar im Einkauf durch größere
Bestellmengen, im Produktionsbereich durch Nutzung der Synergien, etwa dem Austausch
von Bauteilen.1128
Vorstand und Aufsichtsrat des schwedischen Herstellers Volvo waren sich im September
1993 vorerst einig, mit dem doppelt so großen Hersteller Renault eine Fusion einzugehen.
Volvo sollte mit 35 Prozent und Renault mit 65 Prozent an der neu zu gründenden Gesell-
schaft beteiligt werden. Volvo hatte einen dringenden Liquidiätsbedarf, um neue Fahrzeug-
modelle zu entwickeln. Durch die Übernahme der Herstellers White in den USA stiegen die
Absatzzahlen und damit die Gewinne von Volvo an. Begünstigt kamen noch die Währungs-
gewinne hinzu, denn die schwedische Krone hatte sich vom Europäischen Währungssystem
entkoppelt und dadurch um rund 25 Prozent abgewertet. Das bedeutete für jeden in Nord-
amerika lukrierten Dollar mehr schwedische Kronen.
1125 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 37/1993 vom 13.09.1993. Opfer des Imperiums. Renault und Volvo bilden Europas zweitgrößten Autokonzern. Verschwinden
die Schweden bald ganz vom Markt? S. 118.
1126 Vgl. SCHRADER Halwart (2008), Oldtimer-Nutzfahrzeuge-Lexikon. S. 362 ff.
1127 Vgl. offizielle Website von ANDY´s TRUCK INFO.de. Abzurufen unter: http://www.home.arcor.de/alepper/Volvo.htm. Abgerufen am 20.01.2012
1128 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 37/1933 vom 13.09.1993. Opfer des Imperiums. Renault und Volvo bilden Europas zweitgrößten Autokonzern. Verschwinden
die Schweden bald ganz vom Markt? S. 118.
323
Bei Renault waren hingegen die Gewinnzahlen rückläufig. Im Fusionsvertrag war vorgese-
hen, dass die Zentrale für das Design der Fahrzeuge in Paris sein sollte. Volvo befürchtete,
dass das Logo von Volvo nicht mehr lange deren Fahrzeuge zieren könnte. Groß- und Klein-
aktionäre von Volvo stellten sich gegen die Fusion. Durch diese Maßnahme sank der Kurs
der Volvo-Aktie. Letztlich stellte sich nun auch der Vorstand von Volvo gegen die Fusion mit
Renault. Dies bedeutete 1993 das Aus für weitere Fusionsgespräche.1129
Um Synergien zu nutzen, gewinnen Kooperationen und Übernahmen von Unternehmen
immer mehr an Bedeutung. 1998 beteiligte sich Volvo mit 10 Prozent an der Kölner Motoren-
und Anlagenbaukonzern Deutz AG. Volvo übernahm das Aktienpaket von der Deutschen
Bank. Die Deutz AG lieferte Motoren bis zu 8 Liter Hubraum für Lastwagen, Busse, und
Baumaschinen an Volvo. Volvo wurde somit zum Großkunden der Deutz AG.1130 Zwischen
beiden Unternehmen wurde vereinbart, dass Deutz jährlich rund 30.000 Motoren an Volvo
liefert.1131
Stärkere Motoren mit einem Hubraum zwischen 8 bis 16 Liter fertigte Volvo selbst und liefer-
te diese im Gegenzug an die Deutz AG.1132 1999 teilte Anton Schneider, Vorstandschef der
Deutz AG, mit, dass durch die erfolgreiche Beteiligung von Volvo die Produktivität, aber auch
die Ertragskraft der Deutz AG im Jahr 1998 gesteigert werden konnte.1133 Die Kooperation
hatte wie erwartet zu einer Kostensenkung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in bei-
den Unternehmen geführt.1134
Volvo dehnte seine Aktivitäten 1998 auf Schwellenländer aus, in welchen noch größere Um-
sätze zu erwarten waren. Im indischen Volvo-Werk nahe der Stadt Bangalore wurde im Juni
1998 der erste Lastwagen produziert.1135 Im Jahr 2003 erfolgte die Gründung einer Lastwa-
genproduktionsstätte in Russland.1136
Um sich auf den Nutzfahrzeugsektor zu konzentrieren, verkaufte Volvo 1999 seine Pkw-
Sparte um 6,4 Milliarden Dollar an den amerikanischen Hersteller Ford. Vereinbart wurde,
dass Ford den Markennamen Volvo ohne zeitliche Begrenzung für die Personenwagen fort-
1129 Vgl. DER SPIEGEL Nr. 49/1993 vom 06.12.1993. Abrupte Wende. Die Fusion von Volvo und Renault ist gescheitert. Kooperieren die Schweden nun
mit einem japanischen Konzern? S. 120.
1130 Vgl. DER TAGESSPIEGEL vom 25.03.1999. Deutz profitiert von Volvo-Beteiligung. Abzurufen unter: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/deutz-
profitiert-von-volvo-beteiligung/74038.html. Abgerufen am 28.04.2012.
1131 Vgl. DIE WELT vom 17.07.1998. Deutz liefert künftig Dieselmotoren an Volvo. Abzurufen unter: http://www.welt.de/print-welt/article623607/Deutz-
liefert-kuenftig-Dieselmotoren-an-Volvo.html. Abgerufen am 29.04.2012.
1132 Vgl. offizielle Website von VOLVO. Abzurufen unter: http:// www.volvo.trucks.com/trucks/austria-market/de-
at/aboutus/Volvo%20Trucks%20Wordwide/geschichte/Pages_brief.aspx. Abgerufen am 12.04.2012.
1133 Vgl. DER TAGESSPIEGEL vom 25.03.1999. Deutz profitiert von Volvo-Beteiligung. Abzurufen unter: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/deutz-
profitiert-von-volvo-beteiligung/74038.html. Abgerufen am 28.04.2012.
1134 Vgl. DIE WELT vom 17.07.1998. Deutz liefert künftig Dieselmotoren an Volvo. Abzurufen unter: http://www.welt.de/print-welt/article623607/Deutz-
liefert-kuenftig-Dieselmotoren-an-Volvo.html. Abgerufen am 29.04.2012.
1135 Vgl. offizielle Website von VOLVO TRUCKS. INDIA. Mady by Volvo. In Indien. Abzurufen unter: http://www.volvotrucks.com/trucks/india-market/en-
in/aboutus/volvo-trucks-presentation/Pages/volvo-trucks-presentation.aspx. Abgerufen am 27.04.2012
1136 Vgl. offizielle Website von ANDY’s TRUCK INFO.de. Abzurufen unter: http:// www.home.arcor.de/alepper/Volvo.html. Abgerufen am 21.02.2012
324
führen könne.1137 2010 übernahm der chinesischen Hersteller Geely von Ford Motors die
Pkw-Sparte Volvo um 1,8 Milliarden Dollar (1,34 Milliarden Euro). Das Unternehmen Geely
wurde 1986 gegründet und produzierte vorerst Ersatzteile für Kühlschränke, seit 1997 ist
Geely auch im Automobilbau tätig.1138
Volvo versuchte mit dem Nutzfahrzeughersteller Scania im Jahr 1999, an dem er bereits mit
rund 12,85 Prozent beteiligt war, eine Fusion einzugehen. Gegen eine gänzliche Übernahme
von Scania wehrte sich die Haupteigentümerin von Scania, die Wallenberg-Holding-
Investorengruppe, sie war mit 45,5 Prozent an der Scania AB beteiligt. Der Grund für die
Ablehnung der Fusion zwischen Volvo und Scania war folgender: Die Wallenberg-Gruppe
war seit 1991 Eigentümerin des Saab-Konzerns, der in den Flugzeugbereich, den Saab-
Pkw-Bereich und den Scania-Nutzfahrzeugbereich unterteilt war. General Motors beteiligte
sich mit 50 Prozent an der Gesellschaft, die den Saab-Pkw-Bereich umfasste. Die Wallen-
berg-Gruppe und General Motors investierten gemeinsam Milliarden Beträge in den Perso-
nenwagenbereich. Dieses Engagement hat sich für die Wallenberg-Gruppe nicht ausgezahlt.
Deshalb äußerte sie Bedenken, was die Bewertung der Unternehmung Scania AB betraf.
Volvo und Scania wären nach der Fusion zum größten Bus- und Lastwagenhersteller in Eu-
ropa und zum zweitgrößten der Welt nach DaimlerChrysler geworden.1139 Der EU-
Wettbewerbskommissar Mario Monti entschied sich gegen die Fusion von Volvo und Scania.
Nach der Fusion wäre Volvo in Schweden auf einen Marktanteil von 93 Prozent und in Nord-
europa auf 60 Prozent gekommen.1140 Gleichzeitig forderte die EU-Kommission, dass Scania
seine an dem Hersteller Volvo erworbenen Anteile wieder verkaufen müsse.1141 Schließlich
beteiligte sich Volkswagen an der Scania AB.
Volvo suchte nach einem neuen Partner. Da Volvo an der Mitsubishi Motors Corp. mit 5 Pro-
zent beteiligt war, wollte sich das Unternehmen im Jahr 1999 an einer neuen Tochter von
Mitsubishi mit 19,9 Prozent beteiligen. Diese Gesellschaft sollte alle Nutzfahrzeugaktivitäten
übernehmen.1142 Als die DaimlerChrysler AG im Jahr 2000 eine 34-prozentige Beteiligung an
der Mitsubishi Motors Corp. um 2,1 Mrd. Euro einging, löste Volvo die Partnerschaft auf und
veräußerte seine Anteile an der Mitsubishi Motors Corp. an die DaimlerChrysler AG. Die Zu-
sammenarbeit von DaimlerChrysler und Mitsubishi erstreckte sich auf die Entwicklung, Her-
1137 Vgl. DIE WELTONLINE vom 29.01.1999. Ford kauft sich mit Volvo ein besseres Image. Abzurufen unter: http://www.welt.de/print-
welt/article565414/Ford-kauft-sich-mit-Volvo-ein-besseres-Image.html. Abgerufen am 16.12.2012.
1138 Vgl. DIE PRESSE.com vom 29.03.2010. Chinesischer Geely-Konzern kauft Volvo. Abzurufen unter:
http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/554761/Chinesischer-GeelyKonzern-kauft-Volvo. Abgerufen am 16.12.2012.
1139 Vgl. DER TAGESSPIEGEL vom 15.01.1999. Volvo will schwedische Lkw-Ehe. Abzurufen unter: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/volvo-will-
schwedische-lkw-ehe/69270.html. Abgerufen am 16. 12. 2012.
1140 Vgl. DIE WELT vom 04.03.2000. Fusion Volvo-Scania vor dem Aus. Abzurufen unter: http://www.welt.de/print-welt/article505478/Fusion-Volvo-Scania-
vor-dem-Aus.html. Abgerufen am 16.08.2012.
1141 Vgl. offizielle Website von VOLVO. Abzurufen unter: http:// www.volvo.trucks.com/trucks/austria-market/de-
at/aboutus/Volvo%20Trucks%20Wordwide/geschichte/Pages_brief.aspx. Abgerufen am 12.04.2012.
1142 Vgl. FINANCIAL TIMES vom 14.03.2000. Volvo: Scania-Fusion gescheitert, Kooperation mit Mitsubishi wird geprüft. Abzurufen unter:
http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:volvo-scania-fusion-gescheitert-kooperation-mit-mitsubishi-wird-geprueft/1049219.html. Abgerufen am 16.08.2012.
325
stellung, das Design und den Vertrieb von leichten Nutzfahrzeugen und Personenkraftwa-
gen.1143
Um Gemeinsamkeiten im Entwicklungs- und Produktionsbereich zu nutzen, suchte Volvo
immer noch nach einem geeigneten Partner. Als Partner wurde nun die Renault Nutzfahr-
zeugsparte mit den Marken Renault und Mack ins Auge gefasst. Die Mack-Lastwagen sind in
den USA wegen der hohen Qualität sehr beliebt. Renault veräußerte seine Nutzfahr-
zeugsparte – die Renault Véhicules Industriels (RVI) – im Jänner 2001 an Volvo. Als Gegen-
leistung für die Veräußerung der Nutzfahrzeugsparte erhielt die Muttergesellschaft Renault
S.A. eine 15-prozentige Beteiligung an der Volvo AB.1144 Weitere fünf Prozent des Aktienka-
pitals kaufte Renault über die Börse und wurde mit insgesamt 20 Prozent zum bedeutsams-
ten Aktionär der Volvo AB.1145
Auch der Hersteller Volvo wurde 2009 von der Finanzkrise erfasst und hatte große Umsatz-
rückgänge.1146 Die Nutzfahrzeuge von Volvo haben bei den Kunden nach wie vor einen ho-
hen Stellenwert. Die Fahrzeuge sind von Beginn an durch das gleiche Logo geziert:
1147
Logo 36: Volvo-Fahrzeuge
Copyright Volvo Group
326
Im Jahr 2009 sind nachstehende Nutzfahrzeug- und Bushersteller zum Volvo-Konzern zuge-
hörig:
1148
Abb. 16: Marken der zum Volvo-Konzern gehörigen Fahrzeughersteller 2009
Copyright von Eicher, Mack, Renault Trucks, UD Trucks, Prevost, Novabus (nunmehr Volvo-Group)
e) Berliet
Im Jahr 1894 baute Marius Berliet in Lyon seinen ersten Personenkraftwagen und 1902 be-
gann die Firma mit der Lastkraftwagenfertigung. Die Nutzfahrzeuge waren robust gebaut und
für ihre Zuverlässigkeit bekannt. ALCO (American Locomotive Co.) wurde auf Berliet auf-
merksam und erwarb die Lizenzrechte für die Herstellung von Berliet-Fahrgestellen in den
USA. Von dieser Beziehung stammt auch das Abzeichen an den Berliet-Fahrzeugen, eine
Lokomotive.
1149
Logo 37: Berliet-Fahrzeuge
Copyright Berliet (nunmehr Volvo-Group)
1148 Quelle: Abbildung entnommen von VOLVO GROUP ANNUAL REPORT 2012. S. 24. Abzurufen unter:
http://www3.volvo.com/investors/finrep/ar12/ar_2012_eng.pdf. Abgerufen am 20.07.2013
1149 Quelle: Logo abzurufen unter: http://www.museeducamion.com/berliet.html. Abgerufen am 12.08.2013.
327
1930 wurde der erste Dieselmotor entwickelt, und die Kunden konnten die Lastwagen ent-
weder mit einem Holzgas-Generator oder einem Dieselmotor kaufen. 1939 wurde die unren-
table Sparte der Personenwagenfertigung eingestellt. Berliet produzierte während des Zwei-
ten Weltkrieges Schwerfahrzeuge für den Militärbereich.
328
f) Renault
Louis Renault entwickelte im Jahr 1898 ein Vierganggetriebe und stellte Freunden am 24.
Dezember 1898 sein erstes Automobil vor. Zwölf Kunden bestellten an diesem Abend bereits
das Kleinfahrzeug mit der Bezeichnung Voiturette. Mit seinem Brüdern Ferdinand und Marcel
gründete Louis Renault das Unternehmen Renault Frères in Boulogne-Billancourt. Im Jahr
1900 beschäftigte das Unternehmen bereits 100 Mitarbeiter.1152
Der erste Lastwagen mit einer Nutzlast von einer Tonne wurde im Jahr 1906 vorgestellt.1153
Louis Renault besuchte im Jahr 1911 die Ford-Werke und nahm die neuen Eindrücke mit
nach Frankreich. Er setzte auf eine breite Produktpalette sowohl im Personen- als auch im
Lastwagenbereich. Die Fahrzeuge sollten für jedermann erschwinglich sein. Während des
ersten Weltkrieges produzierte Renault Militärfahrzeuge, Krankenwagen und leichte Pan-
zer.1154
Renault zählte 1919 zum größten französischem Industrieunternehmen in Privatbesitz. 1922
wird die Rechtsform des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Auch die Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde von Renault gut gemeistert. Das Unter-
nehmen versuchte durch Effizienz die Produktion zu steigern und damit die Kosten zu sen-
ken. Der 58-jährige Louis Renault stellte als Nachfolger Francois Lehideux, den Mann seiner
Nichte ein, da er seinen 15-jährigen Sohn für diese Position noch zu jung hielt. Nach fünf
Jahren trennten sich Louis Renault und Lehideux. Renault dachte nicht an einen bevorste-
henden Krieg, und Lehideux warf Renault vor, die Produktion des Unternehmens nur auf
Zivilfahrzeuge und nicht auch auf den Militärbereich auszurichten.1155
Die deutschen Truppen besetzten 1940 Paris. Renault wurde von der deutschen Besat-
zungsmacht gezwungen, in seinen Werken – welche unter deutscher Aufsicht standen –
schwere Lastwagen herzustellen. In der Zeit zwischen 1940 und 1944 wurden 34.232 derar-
tige Lastwagen produziert. Louis Renault wurde der Kollaboration mit der deutschen Besat-
zungsmacht beschuldigt. Dieser Zustand setzte Louis Renault gesundheitlich schwer zu, und
er verstarb am 24. Oktober 1944 im Alter von 67 Jahren.1156
1152 Vgl. AUTARO.DE. - MOTIVATION UND HISTORIE. Abzurufen unter: http://autaro.de./Renault/geschichte/. Abgerufen am 17.11.2012.
1153 Vgl. Übersicht über alle Renault und Saviem Lastkraftwagen. Abzurufen unter: http://www.renaultoloog.nl/trucks-deutsch.htm. Abgerufen am
17.11.2012.
1154 Vgl. offizielle Website von RENAULT. Renault-Historie. Abzurufen unter: http://www.renault.de/renault-welt/unternehmenrenault-historie/1911-bis-
1920/. Abgerufen am 26.11.2012.
1155 Vgl. offizielle Website von RENAULT. Renault-Historie. Abzurufen unter: http://www.renault.de/renault-welt/unternehmenrenault-historie/1931-bis-
1940/. Abgerufen am 26.11.2012.
1156 Vgl. offizielle Website von RENAULT. Renault-Historie. Abzurufen unter: http://www.renault.de/renault-welt/unternehmenrenault-historie/1941-bis-
1950/. Abgerufen am 26.11.2012.
329
Das Unternehmen wurde wegen der Zusammenarbeit von Renault mit den Nationalsozialis-
ten im Zweiten Weltkrieg am 16. Jänner 1945 verstaatlicht. Die französische Regierung ver-
staatlichte Renault als einziges Unternehmen. Im Jahr 2011 klagten die sieben Renault-
Erben die Entschädigung für die Enteignung des Unternehmens beim Pariser Landesgericht
ein.1157 Die Enkelin von Louis Renault verwies darauf, dass die Zusammenarbeit ihres On-
kels mit den Nationalsozialisten nicht freiwillig erfolgte, sondern dass er dazu gezwungen
wurde. Das Landesgericht in Paris überprüfte die Enteigung hinsichtlich der Verfassungsmä-
ßigkeit. Das Unternehmen hatte zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von 240 Millionen
Francs. Die eingebrachte Klage wurde abgewiesen. In Südfrankreich Ouradour-sur-Glane,
der Gedenkstätte Renaults, konnten die Erben erwirken, dass ein Bild, welches Renault und
Hitler zeigte sowie den Untertitel hatte: „Louis Renault baute Panzer für die Wehrmacht“,
entfernt werden musste.1158
Das verstaatlichte Unternehmen trug den Firmenwortlaut Régie Nationale des Usines
Renault (R.N.U.R. Staatliche Verwaltung der Renault Werke) mit Pierre Lefaucheux als Lei-
ter und begeistertem Renault-Fan. Im Unternehmen sollten – so war ursprünglich geplant –
ausschließlich Nutzfahrzeuge produziert werden. Lefaucheux war fest überzeugt, dass der
Personenkraftwagen 4CV besondere Qualitäten habe, und sollte damit Recht behalten. Das
Fahrzeug wurde im Oktober 1946 auf dem Pariser Automobilsalon gezeigt und war eine
Sensation.1159
Der Erfolgskurs des Unternehmens wurde von Pierre Dreyfus nach dem Tod von Lefaucheux
fortgesetzt. Er war schon seit einiger Zeit Vizepräsdent im Unternehmen. Die Fusion zwi-
schen den beiden französischen Lastwagenherstellern Latil und Somua, die im September
1955 abgeschlossen wurde, trug seine Handschrift. Die Nutzfahrzeugsparte von Renault
wurde aus der Firma Régie Nationale des Usines Renault ausgegliedert und mit beiden Un-
ternehmen (Latil und Somua) in der neu gegründeten Gesellschaft mit dem Firmennamen
SAVIEM (Sociéte Anonyme des Véhicules Industrials et d’Equipements Méchanique) einge-
bracht.1160
1157 Vgl. SPIEGEL-ONLINE vom 12.05.2011. Nach 67 Jahren: Renault-Erben wollen für Enteignung entschädigt werden. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/nach-67-jahren-renault-erben-wollen-f. Abgerufen am 08.01.2012. Vgl. DER SPIEGEL-ONLINE Nr. 10/1956
vom 07.03.1956, Verschörung des Schweigens: Renault. Abzurufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31587590.html. Abgerufen am 15.03.2013.
1158 Vgl. N-TV WIRTSCHAFT vom 11.01.2012. Dunkle Seite der Renault-Geschichte. Erben scheitern vor Gericht. Abzurufen unter: http://www.n-
tv.de/wirtschaft/Erben-scheitern-vor-Gericht-article5189986.html. Abgerufen am 16.04.2012.
1159 Vgl. offizielle Website von RENAULT. Renault-Historie. Abzurufen unter: http://www.renault.de/renault-welt/unternehmenrenault-historie/1941-bis-
1950/. Abgerufen am 26.11.2012.
1160 Vgl. offizielle Website von RENAULT. Renault-Historie. Abzurufen unter: http://www.renault.de/renault-welt/unternehmenrenault-historie/1951-bis-
1960/. Abgerufen am 26.11.2012.
330
Erst im Jahr 1962 wurde die erste Neuproduktion von Saviem vorgestellt. Die Fahrzeuge
wurden mit Motoren von Renault, Fulgur oder Perkins ausgestattet. Ab dem Jahr 1968 bot
Saviem den Kunden die Schwerfahrzeuge auch mit M.A.N.-Motoren an. Zwischen Saviem
und M.A.N. wurde eine Kooperation geschlossen und Folgendes vereinbart: M.A.N. liefert
die Motoren an Saviem, und im Gegenzug liefert Saviem die Getriebe und Fahrerhäuser an
M.A.N. Saviem-Fahrzeuge der mittleren Baureihe (7,5 bis 12 Tonnen) wurden zur Gänze bei
Saviem gefertigt, mit dem M.A.N.-Logo versehen und an M.A.N.-Kunden geliefert. M.A.N.
lieferte im Gegenzug Schwerfahrzeuge bis 30 Tonnen an Saviem.
Die Fahrzeuge von Saviem wurden in Deutschland bis zum Jahr 1977 angeboten, fanden
bei den Kunden jedoch keinen besonderen Zuspruch. In Frankreich hingegen waren die
Saviem-Fahrzeuge, vor allen die Typen SM5, SM6, SM7 und SM8 mit Sechszylinderdiesel-
motoren, sehr beliebt.1161
1974 übernahm Renault von Citroën die Nutzfahrzeugmarke Berliet. Berliet und Saviem
wurden 1978 in die neu gegründete Gesellschaft Renault Véhicules Industriels (RVI) einge-
bracht. Bis zum Jahr 1979 wurden die Nutzfahrzeuge noch unter dem Namen Saviem ver-
trieben, ab dem Jahr 1980 trugen die Fahrzeuge nur mehr den Namen Renault.
Die Kooperationen gingen auch bei Renault weiter. Der Renaultkonzern übernahm im Jahr
1979 10 Prozent, 1982 weitere 10 Prozent und im Jahr 1983 weitere 20 Prozent des ameri-
kanischen Lastwagenhersteller Mack-Trucks. 1987 trat der Renaultkonzern die Beteiligung
an den Mack-Trucks an ihre Tochtergesellschaft, die Renault Véhicules Industriels (RVI), ab.
Die RVI übernahm 1990 auch die restlichen Anteile am Hersteller Mack-Trucks.
1992 wird der Firmenwortlaut der RVI in Renault Véhicules Industriels in Renault V.I. geändert.
Im Jahr 2001 wurde Renault V.I. in die Volvo-Gruppe eingegliedert und firmierte unter dem
Firmenwortlaut Renault Trucks. Die Muttergesellschaft, die Renault S.A., erhielt dafür eine
15-prozentige Beteiligung an AB Volvo.
Die Renault S.A. erhöhte durch weitere Aktienkäufe das Beteiligungsausmaß an der AB Vol-
vo auf 20 Prozent. Renault ist heute das zweitgrößte Unternehmen innerhalb der Volvo-
Gruppe. Die Nutzfahrzeughersteller der Volvo-Gruppe nutzen die gegenseitigen Synergien in
den Bereichen Entwicklung und Forschung, des Einkaufs, der Ersatzteillogistik, um nur eini-
ge zu nennen. Renault verfügt durch die Eingliederung in die Volvo-Gruppe über ein ausge-
dehntes Serviceangebot am Markt.1162
Im Jahr 2010 verkaufte Renault erstmals einen 14,9-prozentigen Anteil seines Aktienpaketes
an der Volvo AB sowie 3,8 Prozent der Stimmrechte. Verkauft wurden 303 Millionen B-Aktien
zu jeweils 93 Kronen (entspricht circa 10 Euro/Aktie) im Zuge einer Privatplatzierung und
331
brachten Renault einen Erlös von drei Milliarden Euro. Renault teilte mit, dass die restliche
Beteiligung an Volvo nicht veräußert werde.1163
Im Dezember 2012 veräußerte Renault seine restlichen 6,5 Prozent-Anteile (Stimmrechte
17,2 Prozent) an der Volvo AB um 1,48 Millarden Euro (12,78 Milliarden SEK). Mit dem Ver-
kaufserlös will Renault seine in den letzten Jahren stark angestiegene Schuldenlast verrin-
gern, aber auch Investitionen durchführen, um in den Ländern Russland und China Fuß zu
fassen. Ebenso sind Rationalisierungsinvestitionen der Niederlassungen in Frankreich unbe-
dingt erforderlich.1164 90 Prozent der von Volvo produzierten Lastwagen sind Schwerlastwa-
gen mit über 16 Tonnen Gesamtgewicht. Volvo zählt somit weltweit zum drittgrößten Herstel-
ler im Schwerlastwagenbereich. Die Lastwagen werden von insgesamt 650 Niederlassungen
in 130 Länder verkauft.1165
Das Logo von Renault hat sich seit Entstehung der Unternehmung so oft wie bei keinem an-
deren Nutzfahrzeughersteller geändert:
1166
Logo 38: Entwicklung des Markenzeichens der Renault-Fahrzeuge von 1900 bis 2013
Copyright Renault (nunmehr Volvo-Group)
1163 Vgl. MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 07.10.2010. Volvo-Aktien-Verkauf spült drei Milliarden in die Kasse. Abzurufen unter: http://www.manager-
magazin.de/unternehmen/autoindustrie/0,2828,721734,00.html. Abgerufen am 12.04.2012.
1164 Vgl. DER SPIEGEL-ONLINE vom 25.04.2000. Kooperation: Renault tauscht Lastwagen-Sparte gegen Beteiligungspaket. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/kooperation-renault-tauscht-lastwagen-sparte-gegen-beteiligungspaket-a-74065.html. Abgerufen am 26.03.2011.
1165 Vgl. offizielle Website von VOLVO. Abzurufen unter: http://www.volvotrucks.com/trucks/austria-market/de-
at/aboutus/Volvo%20Trucks%20Worldwide/Pages/volvo_trucks_worldwide.aspx. Abgerufen am 12.04.2012
1166 Quelle: Abbildung abzurufen unter: http://www.socialphy.com/posts/off-topic/4673/Evolution-of-Car-Logos.html. Abgerufen am 12.08.2013.
332
III.Entwicklung der Nutzfahrzeugindustrie nach der Wirt-
schaftskrise 2009
Die Verkäufe von Nutzfahrzeugen im europäischen Raum zeigten im Zeitraum 2002 bis 2006
nahezu eine kontinuierliche Steigerung:
Einheiten
1167
Tab. 64: Entwicklung der weltweiten Nutzfahrzeugverkäufe nach Regionen 2002 bis 2006
Die Gründe für die positive Entwicklung waren unterschiedlich. In Osteuropa und in den asia-
tischen Märkten gab es einen verstärkten Bedarf an Fahrzeugen, während in den westeuro-
päischen Ländern der Nachholbedarf gedeckt war. Weiters entstand auch ein zunehmender
Transportbedarf, der infolge mangelnder Alternativen dem Lkw zugute kam. In den meisten
Ländern konnten weder die Bahn noch die Wasserstraßen das schnell steigende Güterauf-
kommen bewältigen.
Daher gingen nahezu alle Prognosen davon aus, dass der Güterverkehr und damit verbun-
den auch die Automobilindustrie in Europa in den nächsten Jahren als Folge der weiteren
wirtschaftlichen Integration ansteigen werde. In einem Interview im Jahr 2007 gab Martin
Scharrer, der damalige Leiter der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG, Wien, bekannt, dass
sich die Marktaufnahmefähigkeit im Nutzfahrzeugbereich mittelfristig auf einem hohen Ni-
veau befinde und MAN mit vollen Auftragsbüchern in das Jahr 2008 gehe. Die große Nach-
frage und der hohe Auftragsbestand stimmten Scharrer auch für die Zukunft zuversichtlich.
Er gab jedoch zu bedenken, dass die Nachfrage an Fahrzeugen im Güterverkehr ebenso
von betriebswirtschaftlichen und konjunkturellen Faktoren beeinflusst werde. Trotz allem
1167 Vgl. DIETZ Willi / Kraus Hans Dieter (2006), Die Europäische Nutzfahrzeugindustrie im Zeichen der Globalisierung, S. 8. Hrsg. KPMG und Institut für
Automobilwirtschaft, Stuttgart 2006.
333
rechnete MAN für das Jahr 2008 mit einer leichten Steigerung des Zulassungsvolumens in
Österreich.1168
Die Bankenkrise im Jahr 2008 löste im Folgejahr eine globale Wirtschaftskrise aus. Diese
hatte massive Auswirkungen auf die weltweite Wirtschaftslage, auch auf die Automobilin-
dustrie. Seit Beginn der Wirtschaftskrise 2009 leidet der Nutzfahrzeugsektor an Absatzein-
brüchen. Die Neuzulassungen im Jahr 2009 gingen im Vergleich zum Vorjahr in allen euro-
päischen Ländern zurück.
Der Herstellerverband ACEA (Association des Constructeurs Européens d’Automobiles)1169,
Brüssel, berichtete, dass der Bereich der schweren Lastwagen mit einem Gesamtgewicht
über 16 Tonnen vom Umsatzrückgang besonders stark betroffen sei. Innerhalb der EU wa-
ren die Zulassungen an neuen Nutzfahrzeugen – jeweils verglichen mit dem Vorjahr – be-
reits 2008 rückläufig und erreichten im Jahr 2009 mit 31,8 Prozent den Tiefpunkt. Details
dazu sind der nachfolgenden Abbildung zu entnehmen.
1170
Abb. 37: Entwicklung der Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen in der EU 1998 bis 2010
1168 Vgl. ITRAKTUELL - Das Fachmagazin von ITR und TRAKTUELL 1 – 2/2008. Wir rechnen auch 2008 mit einer leichten Marktsteigerung. Hrsg. Springer
Business Media Austria GmbH, Wien. S. 22.
1169 Anm.: Zugehörig zum europäischen Automobilherstellerverband ACEA sind die größten europäischen Produzenten, wie DAF Trucks NV, AB Volvo,
Volvo Car Corporation, Daimler AG, Iveco S.p.A., Renault SA, BMW Group, Fiat SpA, Ford of Europa GmbH, General Motors Europe, Hyundai Motor Europe
GmbH, Volkswagen AG, Toyota Motor Europe, PSA Peugeot Citroen, Jaguar Land Rover. Vgl. dazu
http://www.acea.be/collection/about_us_acea_members/. Abgerufen am 10.08.2013.
1170 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA 2011. Entwicklung der Neuzulassung von Nutzfahrzeugen in der EU in den Jahren 1998 bis 2010
(jeweils im Vergleich zum Vorjahr). Veröffentlicht 10/2011. Abzurufen unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/202131/umfrage/Neuzulassungen-von-
Nutzfahrzeugen-in-der-EU-im-Vorjahresvergleich. Abgerufen am 11.09.2012. Anm.: Das Zahlenmaterial für diese Auswertung wurde von der European
Automobile Manufactures` Association (ACEA) geliefert. ACEA (European Automobile Manufacturers’ Association) (2010), Acea Economic Report 2010:
Vehicle production on recovery path. Vgl. dazu: http://www.acea.be/index.php/news/news_detail/vehicle_production_on_recovery_path_in_2010. Abgerufen
am 11.08.2013.
334
Der Rückgang an Neuzulassungen war unter anderen auf zwei wesentliche Faktoren zu-
rückzuführen: 1171
Vielen Transportunternehmern war und ist derzeit ebenso noch aus Kostengründen
die Anschaffung eines neuen und auch umweltfreundlicheren Lastwagens mangels
fehlender Liqudität schwer möglich. Die Jahresabschlüsse der Güterbeförderer wei-
sen oftmals eine geringe Eigenkapitalquote auf, was für eine Fremdkapitalfinanzie-
rung – durch die strengen „Basel-III“-Bestimmungen1172 der Banken – ein Hindernis
darstellt. Die Banken sind daher bei der Kreditvergabe vorsichtiger und vergeben we-
niger Kredite, jedoch mit einem höheren Aufschlag.1173
Die Nachfrage nach Transportleistungen 2009 ging vor allem im Fernverkehr deutlich
zurück.
Im Jahr 2008 wurden in Österreich 404.185, 2009 414.795 Neufahrzeuge insgesamt zum
Verkehr zugelassen, was einen Zulassungsanstieg von 2,5 Prozent bedeutete. Im Bereich
der Nutzfahrzeuge war jedoch eine Verringerung von 24,7 Prozent, bei den Zweirädern von
5,5 Prozent gegeben. Nur bei den Personenwagen und Sonstigen Fahrzeugen kam es zu
einem Anstieg von 32,7 Prozent.
Auch in Österreich waren im Jahr 2009 große Rückgänge an Neuzulassungen bei Nutzfahr-
zeugen zu verzeichnen. Die Zulassungszahlen im Zeitraum 1990 bis 2009 – laut nachste-
hender Abbildung – wiesen in keinem Jahr einen derart drastischen Rückgang an Neuzulas-
sungen wie 2009 auf.1174
1171 Vgl. MM-MINUTEMACHINE vom 20.01.2010. Rückgang bei LKW-Zulassungen in Österreich. Abzurufen unter:
http://jcb.minutemachine.com/de/nachrichten/ruckgang-bei-lkw-zulassungen-in-osterreich_2908.html?rnd=70168. Abgerufen am 10.08.2013.
1172 Anm.: Die Basel-III-Bestimmungen sind eine Ergänzung der Rahmenbedingungen der Basel-II-Bestimmungen hinsichtlich der Eigenkapitalanforde-
rungen für Banken. Die Ergänzungen beruhen auf den Erkenntnissen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise und sollen dazu beitragen, den Bankensek-
tor international widerstandsfähiger gegen allfällige Krisen zu machen. Ebenso wird ein erhöhter Eigenkapitalbedarf bei Banken gefordert. Vgl. offizielle
Website der Finanzmarktaufsicht. Abzurufen unter: http://www.fma.gv.at/de/sonderthemen/basel-iii.html. Abgerufen am 09.10.2013.
1173 Vgl. offizielle Webseite von IHR FINANZPORTAL IN ÖSTERREICH. Artikel vom 25.10.2010. Basel III erschwert Finanzierungen. 90 Prozent aller
Unternehmer sind in Österreich betroffen. Hrsg. Hammerschmied Hans. Abzurufen unter: http://www.biallo.at/artikel/Versteuern/basel-iii-erschwert-
finanzierungen-90-prozent-aller-unternehmer-in-oesterreich-betroffen.php. Abgerufen am 09.10.2013.
1174 Quelle: entnommen aus STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand Jänner 2013. Lkw und Sattelzugmaschinen – Neuzulassungen nach Antriebsart (in
Stück). Hrsg. WKO, Fachverband der Fahrzeugindustrie, Wien 2013, Kap. 6.16. Abzurufen von: www.wko.at. am 14.03.2013.
335
1175
Tab. 65: Lastwagen und Sattelzugmaschinen – Neuzulassungen 2006 bis 2012
1175 Quelle: entnommen von STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand Jänner 2013. LKW und Sattelzugmaschinen – Neuzulassungen nach Antriebsart.
Hrsg. WKO, Fachverband der Fahrzeugindustrie, Wien 2013, Kap. 6.16. Abzurufen von: www.wko.at. am 14.03.2013.
1176 Vlg. WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN, Institut für für Transportwirtschaft und Logistik (2009), Untersuchung der Bedeutung der Ausflaggung von
Fahrzeugen und Darstellung der Auswirkungen auf die österreichische Volkswirtschaft, Wien 2009. S. 7 ff. Abzurufen unter:
http://www.wu.ac.at/itl/forschung/forschungsberichte/endbericht_ausflaggung_endfassung.pdf. Abgerufen am 24.04.2013.
1177 Ebenda.
336
Verbunden mit den Zulassungsrückgängen war auch der Produktionseinbruch in der Auto-
mobilindustrie. Die Produktionsaufträge aus dem Ausland bei Nutzfahrzeugen über 6 Tonnen
sanken in Deutschland im Jahr 2009 verglichen mit dem Vorjahr um 81 Prozent. Der Umsatz
hat sich bei fast allen Nutzfahrzeugherstellern im Zeitraum Jänner bis Mai 2009, verglichen
mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, halbiert. Wie nachfolgende Abbildung zeigt, redu-
zierte sich die Nutzfahrzeugproduktion 2009 innerhalb der EU gegenüber dem Vorjahr um 46
Prozent (2008 wurden 410.000 und 2009: 220.000 Stück produziert). Die Nutzfahrzeugin-
dustrie ist wegen der ständig schwankenden Auslastung im Produktionsbereich gezwungen,
Leiharbeiter zu beschäftigen. Massenentlassungen konnten vermieden werden, da die Au-
tomobilhersteller zuerst die Leiharbeiter und dann die eigenen Mitarbeiter abbauten. Der
Nachfragerückgang in der Automobilindustrie wird laut Experten vermehrt zu weiteren Ko-
operationen von Unternehmen, aber auch grenzüberschreitenden Unternehmenszusam-
menschlüssen führen.1178
Die Entwicklung der Nutzfahrzeugproduktion in den Jahren 1991 bis 2010 ist nachstehender
Statistik zu entnehmen. Es ist ersichtlich, dass im Jahr 2009 der größte Produktionsrückgang
innerhalb des angeführten Zeitraumes zu verzeichnen war. Der Anstieg 2010 war im Zeit-
raum 1991 bis 2010 am höchsten.
1178 Vgl. SEKUNDÄRROHSTOFF-MARKTBERICHT Juni 2009, Deuschland: Lkw-Export kommt fast zum Erliegen – Auslandsnachfrage schrumpft bis Mai
um 81 %. S. 22. Hrsg. Statistisches Bundesamt. Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., Wiesbaden 2009.
337
1179
Abb. 17: Entwicklung der Nutzfahrzeug-Produktion in der EU von 1991 bis 2010 im Vergleich zum Vorjahr
1179 Quelle: Abbildung entnommen STATISTA 2011. Entwicklung der Nutzfahrzeug-Produktion in der EU in den Jahren 1991 bis 2010 im Vergleich zum
Vorjahr. Veröffentlicht 11/2011. Abzurufen unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/202108/umfrage/nutzfahrzeug-produktion-in-der-eu-im-
vorjahresvergleich/. Abgerufen am 06.09.2013.
Anm.: Das Zahlenmaterial für diese Auswertung wurde von der European Automobile Manufactures’ Association (ACEA) 2010 geliefert. Acea Economic
Report 2010: Vehicle production on recovery path. Vgl. dazu:
http://www.acea.be/index.php/news/news_detail/vehicle_production_on_recovery_path_in_2010. Abgerufen am 06.09.2013. ACEA steht für European
Automobile Manufacturers’ Association. (Statista ist ein deutsches Online-Portal, das Daten von Wirtschaft, amtlichen Statistiken sowie Daten von Markt- und
Meinungsforschungsinstituten veröffentlicht.)
1180 Vgl. ebenda.
338
1181
Tab. 66: Produktion von Lastwagen nach Gesamtgewicht in Stück 1980 bis 2012
1181 Quelle: entnommen von STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand März 2012. Produktion von Lkw nach Gesamtgewicht in Stück. Hrsg. WKO, Fach-
verband der Fahrzeugindustrie, Wien 2012, Kap. 6.8. Abgerufen von: www.wko.at. am 14.03.2013.
Anm.: Fußnote 1) Lkw inklusive Sattelzugmaschinen. Die Daten wurden vom Fachverband aufgrund der von den Unternehmen an den Fachverband gemel-
deten Daten zusammengestellt. Fußnote 2) Von 1984 bis 1992 war unter der Spalte Assembling von VW-Transporter und 07/1990 MAN-M90 Assembling
includiert. Seit dem Jahr 1996 wendet der Fachverband für die Darstellung der statistischen Daten die EU-Nomenklatur „PRODCOM“ an, und deshalb wird
nicht mehr zwischen Produktion und Assembling unterschieden.
339
Um die Transportwirtschaft und damit verbunden die Fahrzeugindustrie anzukurbeln, wurde
in Zusammenarbeit des Wirtschaftskammer-Präsidenten Dr. Christoph Leitl und dem Wirt-
schaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner im Jahr 2010 ermöglicht, dass die ERP-Kleinkredite
auch für die Anschaffung von Lastwagen über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht – sofern die Fahr-
zeuge den EEV-Normen1182 entsprechen – gelten. Gültig war diese Regelung bis Ende 2010
für Kredite in der Höhe von 30.000 bis 100.000 Euro. Die Antragsteller mussten laut Förder-
richtlinien die Kriterien eines Kleinunternehmens erfüllen. Den Transporteuren sollte durch
einen zinsbegünstigten Kredit der Umstieg auf einen umweltfreundlicheren Lastwagen er-
möglicht werden. Da die wirtschaftlichen Aktivitäten der Transportwirtschaft mit der Automo-
bilindustrie korrelieren, sollte durch diese Maßnahme eine Ankurbelung der Automobilindust-
rie erfolgen. Bisher waren von den ERP-Kleinkrediten Fahrzeuge nicht erfasst.1183
Für den Zeitraum Jänner bis Juli 2010 konnte bereits ein Zuwachs an Neuzulassungen von
Nutzfahrzeugen um 2,9 Prozent verglichen mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres aufge-
wiesen werden. Nur der Pkw-Bereich hinkte noch nach. Hier war noch ein Minus von 11,1
Prozent gegenüber dem Vorjahr gegeben. Diese Situation verbesserte sich durch staatliche
Förderprogramme.
Der Nutzfahrzeugbereich fand den Weg ohne staatliche Förderungen aus der Krise, wobei
sich der Bereich der Kleintransporter schneller als jener der mittleren und schweren Lastwa-
gen erholte. Die Nutzfahrzeughersteller gehen strategisch, wirtschaftlich und technologisch
gestärkt aus der Krise, ist sich Volker Lange, Präsident des Verbandes der Internationalen
Kraftfahrzeughersteller (VDIK), sicher.1184
Weltweit hat sich der Nutzfahrzeugmarkt im Jahr 2011 bereits erholt. Volker Lange rechnete
für das Jahr 2011 am deutschen Nutzfahrzeugmarkt mit einer weiteren positiven Entwick-
lung. Das Beratungsunternehmen AutoValue, Frankfurt am Main, gab in der Pressemitteilung
vom 28. September 2010 zu bedenken, dass sowohl die Ausgewogenheit als auch die
Nachhaltigkeit des Aufschwungs gesichert sein muss. Der Absatz an Nutzfahrzeugen muss
weiter gestreut werden und bei den Zulieferbetrieben eine weitere Harmonisierung der Lie-
ferkette eintreten. Das Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Politik und Gewerkschaft, vor
allem bei Lohn- und Beschäftigungspolitik, hat sich in der Krisenzeit als äußerst positiv er-
1182 „EEV (Enhanced Environmentally Friendly Vehicle) ist der gegenwärtig anspruchsvollste europäische Abgasstandard für Busse und Lkw. Diese beson-
ders umweltschonenden Fahrzeuge übertreffen die Abgasqulität der ab Oktober 2008 bei Lkw und Bussen für alle neuen Fahrzeugtypen gültige
Norm Euro 5.“ Vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT, Bonn vom 01.12.2012. Abzurufen unter:
http://www.bmu.de/uebrige-seiten/eev-standard/. Abgerufen am 16.08.2013.
1183 Vgl. Gemäß Aussagen von Herrn Dr. Peter Demschar, Leiter der Bezirksstelle Spittal/Drau und Gefahrgutbeauftragter der WKO. Gespräch am
06.09.2012 und 14.08.2013, Wirtschaftskammer Spittal/Drau, Bismarckstraße 14, 9800 Spittal/Drau. Vgl. auch PRESSEMITTEILUNG der WKO,
Fachverband Güterbeförderungsgewerbe vom 11.02.2010. AWS fördert Anschaffung von ÖKO-Lkw für Kleinunternehmen. WKO, Wien, 2010.
1184 Vgl. TRANSPORT-DIE ZEITUNG FÜR DEN GÜTERVERKEHR vom 05.01.2011. VDIK: Nutzfahrzeugmarkt 2010 deutlich erholt. Abzurufen unter:
http://www.transport-online.de/Transport-News/Wirtschaft-Politik/10696/VDIK-Nutzfahrzeug-Markt-2010-deutlich-erholt. Abgerufen am 19.06.2012.
340
wiesen. Auch die Wichtigkeit des Finanzierungsbereichs sowie der Begriff des Working
Capitals1185 wurden den Unternehmern durch die Krise bewusst.1186
Die Nutzfahrzeughersteller hatten in den vergangenen Jahren schwierige Situationen zu be-
wältigen. Die Krise im Jahr 2009 wurde von den etablierten Herstellern recht gut gemeistert.
Rechtzeitig veranlasste Schritte wie erweiterte Dienstleistungsangebote (z. B. im Vermie-
tungssektor von Nutzfahrzeugen), schlankere Strukturen in sämtlichen Unternehmensberei-
chen oder die Präsentation von technologisch verbesserten Fahrzeugen trugen dazu bei, die
schwierige Zeit zu meistern. Auch die Kunden haben die Krise überstanden, sodass der Ab-
satzbereich im schweren Segment im Jahr 2011 in Westeuropa ein Plus von 31 Prozent ge-
genüber dem Jahr 2009 aufwies (dies entspricht rund 262.000 mehr abgesetzten Fahrzeu-
gen).
Auf den Märkten, die von der Schuldenkrise besonders betroffen waren, wie Griechenland,
Italien, Portugal und Spanien, ist ohnehin nur ein gesamtes Absatzvolumen mit 15 Prozent
gegeben. In diesen Ländern wird künftig eher mit einem Umsatzrückgang zu rechnen
sein.1187
Wie einzelne Hersteller die Wirtschaftskrise und die Folgejahre bewältigten, wird im nachfol-
genden Teil der Dissertation gezeigt.
Auch bei MAN war das Jahr 2009 gezeichnet von der allgemeinen Wirtschaftskrise und der
schwierigen Auftragslage am Nutzfahrzeugsektor. Die Auftragseingänge 2009 mit 5,2 Mrd.
Euro lagen um 43 Prozent hinter jenen des Jahres 2008 (9,1 Milliarden Euro).
Durch die Flexibilität im Produktionsbereich, wie etwa durch Abbau von Leiharbeitern, keine
Verlängerung von befristeten Arbeitsverhältnissen, Kurzarbeit sowie 140 Schließungstage
wurde bei MAN versucht, das Problem der geringeren Nachfrage zu lösen. Die Kurzarbeit
wurde in drei Phasen vorgenommen und betrug im Verwaltungsbereich rund 32, in der Pro-
duktion 85 Tage. Auch Mitarbeiter einiger MAN-Werkstätten waren davon betroffen. 300 Mit-
arbeiter nahmen attraktive Sozialplanangebote in Anspruch, 100 Mitarbeiter nutzten die Mög-
lichkeit der Bildungskarenz für eigene Weiterbildungswünsche. Auch durch Verbrauch von
Zeitguthaben und Werkurlauben wurde versucht, Kündigungen zu vermeiden. Wichtig war
1185 Anm.: Das Working Capital ist eine Liquiditätskennzahl im Unternehmen und entspricht dem Umlaufvermögen abzüglich kurzfristiger Verbindlichkeiten.
Abzurufen unter: http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/working-capital/working-capital.htm. Abgerufen am 30.09.2013.
Anm.: Genauer Titel der Pressemitteilung konnte nicht eruiert werden.
1186 Vgl. Pressemitteilung der AUTO VALUE GmbH vom 28.09.2010. Frankfurt am Main. Abzurufen unter:
http://www.autovalue.de/files/100928_pressemitteilung_lang_autovalue_polk.pdf. Abgerufen am 19.06.2012.
Anm.: Genauer Titel der Pressemitteilung konnte nicht eruiert werden.
1187 Vgl. AUTOMOBIL PRODUKTION vom 01.07.2012. Studie: Europa im Rückwärtsgang. Abzurufen unter: http://www.automobil-
produktion.de/2012/07/studie-europa-im-rueckwaertsgang/. Abgerufen am 29.12.2012.
341
dem Unternehmen, das Stammpersonal zu halten. Verstärkt versuchte MAN – auch in Öster-
reich – bestehende Strukturen zu optimieren und neu zu gestalten.1188
Auch für das Jahr 2010 wurde mit einer geringen Nachfrage gerechnet und das im Jahr 2008
eingeleitete Programm zur Kostensenkung und Effizienzverbesserung konsequent weiterge-
führt. Nachstehend die Entwicklung wichtiger Kennzahlen im MAN-Konzern in den Jahren
2004 bis 2009 (zum 31. Dezember jeden Jahres):
Mitarbeiter inkl. Leiharbeitnehmer (Anzahl) 47 743 51 321 50 339 53 715 51 412 61 325
davon bei Inlandsgesellschaften (Anzahl) 26 768 28 753 28 963 31 368 30 275 38 844
davon bei Auslandsgesellschaften (Anzahl) 20 975 22 568 21 436 22 347 21 137 22 481
1189
Tab. 67: MAN-Konzern Sechsjahresübersicht 2004 bis 2009
1188 Vgl. Presseinformation der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG vom 16.05.2011. Gestärkt aus der Krise hervorgegangen. MAN Nutzfahrzeuge
Vertrieb Süd AG, Steyr 2011.
1189 Quelle: Tabelle entnommen aus dem Geschäftsbericht der MAN SE für das Jahr 2009. MAN-Konzern Sechsjahresübersicht. S. 173 ff. Hrsg. MAN
Corporate Communications, München 2010. Abzurufen unter: http://man.unternehmensberichte.net/reports/man/annual/2009/gb/German/0.html. Abgerufen
am 16.11.2011
342
Der Auftragsrückgang der MAN Nutzfahrzeuggruppe am Höhepunkt der Wirtschaftskrise lag
bei 55 Prozent. Der Rückgang im Jahresergebnis verhielt sich prozentuell nicht entspre-
chend dem Auftragsrückgang, da das Segment der Militärfahrzeuge und der Ersatzteilbe-
reich höhere Gewinnspannen als der Nutzfahrzeugsektor erzielt.1190
Um die Kunden künftig noch besser zu betreuen, wurde in der Pressemitteilung vom 1. Juli
2010 mitgeteilt, dass die MAN Vertriebsregion Süd auf die Länder wie Norwegen, Schweden,
Dänemark, Island, Irland und Großbritannien ausgeweitet werde. Der Sitz der Vertriebsregi-
on solle weiterhin in Wien bleiben und die Vertriebsstrukturen sollten bedingt durch das
Wachstum optimiert werden. Dr. Frank Hiller, Vorstand der MAN Nutzfahrzeuge AG, erwarte-
te sich, dass der Marketing- und Sales-Bereich durch die Neuorganisation noch leistungs-
und wettbewerbsfähiger würde.1191 Innerhalb des Konzernes wurden Produktionsprozesse
neu überdacht, und die Zusammenarbeit interner Bereiche wurde verbessert. Seit dem Jahr
2011 werden die neuen Strukturen angewendet. Es soll dadurch auch mehr Flexibilität er-
reicht werden, um die Kundenwünsche mit hoher Qualität und kurzer Lieferzeit zu erfül-
len.1192
Der MAN Nutzfahrzeuge AG wurden nach der Krise im März 2011 wieder erste Großaufträge
erteilt. Der Nutzfahrzeugvermieter PEMA bestellte 500 Nutzfahrzeuge. PEMA ist einer der
führenden herstellerunabhängigen Nutzfahrzeugvermieter in Europa und hat einen Fuhrpark
von 1400 MAN-Lastwagen. PEMA hat sich auch bei dieser Auftragsvergabe für MAN-
Fahrzeuge entschieden, da sie für Wirtschaftlichkeit und Effizienz bekannt sind und MAN
über ein gut funktionierendes Servicenetz verfügt. Neben dem Neufahrzeugmarkt war auch
der Gebrauchtwagenmarkt der MAN erfolgreich. Im Jahr 2010 konnten weltweit 20.000 Ge-
brauchtfahrzeuge (Omnibusse und Lastwagen) verkauft werden.
MAN schloss mit dem Schmierstoffhersteller Castrol im Jänner 2011 eine Kooperationsver-
einbarung, um Synergien zu nutzen und gemeinsam Schmierstoffe für künftige Antriebssys-
teme zu entwickeln. Die bisherige Zulieferrolle von Castrol war nicht mehr zeitgemäß, es
ging vielmehr darum, eine Technologiepartnerschaft einzugehen.1193
Im Jahr 2010 änderte die MAN AG ihre Rechtsform und firmiert künftig als MAN SE. Die
Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft, SE (Societas Europea), hat den Vorteil,
dass grenzüberschreitende Umgründungen und Kooperationen in rechtlicher Hinsicht er-
leichtert werden.1194
1190 Vgl. Presseinformation der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG vom 16.05.2011. Gestärkt aus der Krise hervorgegangen, Steyr 2011.
1191 Vgl. Presseinformation der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG vom 01.07.2010. Erweiterung der Vertriebsregion Süd. MAN optimiert den
internationalen Vertrieb, Wien 2010.
1192 Vgl. Presseinformation der MAN NUTZFAHRZEUGE VERTRIEB SÜD AG vom 16.05.2011. Gestärkt aus der Krise hervorgegangen, Steyr 2011.
1193 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 16.03.2011. Großauftrag für MAN Truck & Bus über 500 Lkw. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am:
18.03.2011.
1194 Vgl. SÜDDEUTSCHE vom 17.05.2010. MAN: Aus der AG wird die SE. Abzurufen unter: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/man-aus-der-ag-wird-
die-se-1.589827. Abgerufen am 04.09.2013. Vgl. JURAFORUM: Rechtsform SE. Abzurufen unter: http://www.juraforum.de/lexikon/europaeische-
gesellschaft. Abgerufen am 19.09.2013.
343
Bei MAN waren die Umsatzzahlen im 1. Halbjahr 2011 wesentlich besser als im vergleichba-
ren Zeitraum des Vorjahres. Beigetragen haben dazu erhöhte Verkaufszahlen in Europa und
in Südamerika. Der Gewinn im 1. Halbjahr 2011 betrug 854 Millionen Euro, im 1. Halbjahr
2010 654 Millionen Euro. Zur verbesserten Gewinnsituation im Jahr 2011 trugen eine gute
Kapazitätsauslastung und höhere Beteiligungserträge – vor allem aus den Beteiligungen
an Scania und dem chinesischen Partner Sinotruk – bei.1195
Vorstandsprecher der MAN, Dr. Georg Pachta-Reyhofen, teilte im Zuge der Jahrespresse-
konferenz mit, dass 2011 im Nutzfahrzeugbereich eine Umsatzsteigerung gegenüber dem
Jahr 2010 von 18,6 Prozent (Umsatz 2011 12.563 Millionen Euro, Umsatz 2010 10.586 Milli-
onen Euro) erfolgt sei. Ebenso konnte der Marktanteil in Europa bei Lastwagen über sechs
Tonnen ausgedehnt werden, dieser beträgt nunmehr 18 Prozent. In den Ländern Kroatien,
Rumänien, Ungarn, Polen, Österreich und Brasilien nimmt MAN den ersten Platz am Nutz-
fahrzeugmarkt in dieser Gewichtsklasse ein.1196
Trotz des erfolgreichen Jahres 2011 ist Dr. Georg Pachta-Reyhofen mit seinen Prognosen
für das Jahr 2012 eher vorsichtig. Die Auftragseingänge waren im Jänner 2012 stabil, so-
dass eine Rücknahme der Produktion im Vergleich zu Herstellern wie Volvo und Scania nicht
notwendig sei.1197
Von der Warburg Resarch GmbH, einem renommierten bankenunabhängigen Research-
unternehmen in Deutschland, wurden die Anleger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
vom 19. Jänner 2012 angehalten, MAN-Aktien zu kaufen. Die Erwartung der Kursentwick-
lung wurde von 78 auf 88 Euro je Aktie angehoben, da der Nutzfahrzeugabsatz sich im
4. Vierteljahr 2011 besser entwickelte als geplant.1198
MAN will versuchen, durch langfristige Strategien innerhalb des Konzerns sowohl den Ab-
satz als auch die Gewinnträchtigkeit im Unternehmen zu erhöhen. Geplant ist, eine kom-
plette Nutzfahrzeugreihe von bis zu 7,5 Tonnen Gesamtgewicht herzustellen, diese Fahr-
zeuge sollen bis zum Jahr 2015 präsentiert werden. Von Vorteil ist, dass MAN inzwischen in
den VW-Konzern integriert ist, da VW einzelne Bauteile wie Motoren und Getriebe kosten-
günstig liefern kann. Vor allem die Kunden in den Schwellenländern sollen zu den Abneh-
mern dieser Fahrzeugreihe zählen. MAN verfolgt große Ziele, denn bis zum Jahr 2020 hat
sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, der beste Nutzfahrzeughersteller der Welt zu sein
und Daimler vom Thron zu stürzen.1199
1195 Vgl. HANDELSBLATT vom 28.07.2011. LKW Branche floriert: MAN hebt die Prognose an. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/lkw-branche-floriert-man-hebt-die-prognose-an/4440814.html. Abgerufen am 30.07.2011.
1196 Vgl. INMOTION - DAS INTERNATIONALE TRUCKMAGAZIN VON MAN TRUCK & BUS Nr. 1/2012. Topbilanz 2011. S. 4.
1197 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 01.02.2012. Scania verschiebt Investitionen. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 03.02.2012.
1198 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 2 vom 03.01.2012. Lastwagenmarkt 2011: Schwere Brummer legen kräftig zu. S. T4.
1199 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 39 vom 15.02.2012. MAN will 2020 der Beste der Welt sein. S. 12.
344
Die MAN Nutzfahrzeuge AG hat mit Juli 2012 den Firmenwortlaut in MAN Truck & Bus AG
geändert, um sich der Öffentlichkeit noch besser zu präsentieren.1200
Die Ford Motor Company erteilte MAN im Jänner 2012 einen Auftrag zur Lieferung von 185
Nutzfahrzeugen. MAN stellt Ford diese Fahrzeuge mittels Leasingfinanzierung auf die Dauer
von fünf Jahren zur Verfügung. Weitere 185 Lastwagen werden im Jahr 2013 geliefert. Ford
will die Fahrzeuge für den Transport von Ersatzteilen verwenden. Ausschlaggebend für die
Auftragsvergabe an MAN waren die Qualität, der Komfort der MAN-Fahrzeuge und der ins-
gesamt gut funktionierende Servicebereich.1201
Mit Jänner 2012 wurden in Brasilien gesetzliche Änderungen im Umweltbereich eingeführt.
In Nutzfahrzeuge müssen künftig Motoren mit der P-7-Norm, welche der Euro V-Norm in
Europa entsprechen, eingebaut werden. MAN Latin America produzierte bis 2011 aus-
schließlich Fahrzeuge der Marke VW, ab dem Jahr 2012 werden erstmals drei Modelle der
Fahrzeugreihe von MAN – die TGX-Baureihe – gefertigt. Diese Fahrzeuge sind mit Motoren
ausgestattet, die den geforderten neuen Abgasnormen in Brasilien entsprechen. Vorab wur-
de mit der Produktion von 5.000 Fahrzeugen begonnen. Außerdem sind die Fahrzeuge –
nach umfangreichen Versuchen – den Bedürfnissen der Kunden in dieser Region angepasst.
Die Produktion der Fahrzeuge erfolgt ausschließlich bei MAN Latin America in Brasilien, die
Fahrzeuge werden jedoch auch in Süd- und Mittelamerika vertrieben.1202
MAN rechnete trotzdem damit, dass es zu einem Umsatzeinbruch in Lateinamerika, durch
die gesetzlichen Änderungen im Umweltsektor, kommen würde. Da MAN Latin America ei-
nen großen Teil zum Umsatz des Konzerns beiträgt, befürchtete MAN im Nutzfahrzeugsektor
einem Umsatzrückgang – in der ersten Jahreshälfte 2011 von 10 bis 15 Prozent –, der kei-
nesfalls mit einem Plus im europäischen Raum kompensierbar sei. Innerhalb des Konzerns
wird mit einem 5-prozentigen Umsatzrückgang gerechnet, da der Nutzfahrzeugbereich 75
Prozent der Konzernaktivitäten beträgt.1203
MAN profitierte vor allem von einem starken zweiten Halbjahr 2011 in den Geschäftsfeldern
Lastwagen und Busse. Ausschlaggebend dafür waren der wachsende Markt in Südamerika
und die wieder ansteigende Nachfrage in Europa.
Wie das Jahr 2011 zeigte, waren die Befürchtungen von MAN unbegründet. MAN Latin Ame-
rica konnte in Brasilien mit 50.829 Neuzulassungen im Lkw-Bereich und 11.139 Neuzulas-
sungen im Busbereich die Marktführerstellung als erfolgreichster Produzent in den letzten
neun Jahren halten. Dies entsprach einem Anstieg von 18 Prozent gegenüber dem Jahr
2010.
1200 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 15.12.2010. Neuer Name für MAN Nutzfahrzeuge. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 18.12.2010.
1201 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 13.01.2012. Ford bestellt 370 Lkw bei MAN. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 18.01.2012.
1202 Vgl. Presseinformation der MAN SE vom 16.04.2012. MAN erweitert Angebot an extra schweren Lkw in Lateinamerika, München 2012.
1203 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 39 vom 15.02.2012. MAN will 2020 der Beste der Welt sein. S.12.
345
Rückblickend auf das erste Vierteljahr 2012 teilte Dr. Pachta-Reyhofen mit, dass der Start in
das Jahr 2012 nicht wie geplant gelungen sei. Auf den Märkten Russland und Asien kam es
zwar zu steigenden Verkäufen, jedoch die Kunden auf den westeuropäischen Märkten sind
noch immer vorsichtig. Innerhalb der einzelnen Vertriebsregionen kommt es zu Verschie-
bungen der Absatzzahlen, was zu einer Reduktion der Marge führt, da Kunden in Russland
und Asien billigere Fahrzeuge kaufen. Diese Fahrzeuge haben auch kleinere Gewinnspan-
nen. Deshalb kam es im ersten Vierteljahr 2012 zu einer Reduktion des operativen Gewin-
nes von 20 Prozent verglichen mit dem gleichen Vorjahreszeitraum.
Scania hatte mit ähnlichen Probleme wie MAN zu kämpfen. Deshalb legte VW verstärktes
Augenmerk auf die Zusammenarbeit beider Nutzfahrzeughersteller. Es sollten sämtliche Sy-
nergien im Bereich des Einkaufs und der Produktionsabläufe genutzt werden, um eine weite-
re Kostensenkung zu erzielen. Auch die Umsetzungspläne der Zusammenarbeit beider Her-
steller sind mit Kosten verbunden, jedoch langfristig gesehen ist nur eine Kooperation zwi-
schen beiden Herstellern erfolgsversprechend.1204
Durch Personalveränderungen hat der VW-Konzern versucht, Schwachstellen zu beseitigen
und ein weiteres Wachstum voranzutreiben. Leif Östling, Scania-Chef, stieg 2012 zum Vor-
stand über die gesamte Lastwagensparte im VW-Konzern auf. Dadurch soll das Zusam-
menwachsen von Scania und MAN forciert werden. Martin Lundstedt, ebenfalls bei Scania
tätig, trat die Nachfolge von Leif Östling an.1205
Beim Hersteller MAN waren die Zahlen im Zeitraum Jänner bis September 2012 nicht zufrie-
denstellend. Die Umsätze betrugen 11.582 Millionen Euro, im Vorjahr 12.000 Millionen, was
einen Rückgang von 3 Prozent bedeutete. Ebenso waren die Auftragseingänge im Wert von
12.937 Millionen Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres auf 11.852 Millionen Euro um 8
Prozent zurückgegangen. Die Aufwendungen konnten nicht entsprechend den Umsatzrück-
gängen gesenkt werden, daher verringerte sich das operative Ergebnis um 39 Prozent, von
1.083 Millionen Euro im Zeitraum Jänner bis September 2011 auf 656 Millionen Euro im Zeit-
raum des Jahres 2012.1206
1204 Vgl. WIRTSCHAFTSBLATT vom 03.05.2012. Scania-Bewertung bringt MAN einen Gewinneinbruch. Abzurufen unter:
http://wirtschaftsblatt.at/home/boerse/international/1238577/ScaniaBewertung-bringt-MAN-einen-Gewinneinbruch. Abgerufen am 16.08.2012. Vgl. auch MAN
SE Zwischenbericht zum 31.03.2012. Gebremste Wachstumsdynamik in schwierigem Marktumfeld. Veröffentlicht am 03.05.2012. Abzurufen unter:
http://www.mantruckandbus.de/de/press___media/Pressemitteilung_133504.html. Abgerufen am 16.08.2012.
1205 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 01.06.2012. Volkswagen: Konzernführung steht vor großem Umbau. Abzurufen unter:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/volkswagen-konzernfuehrung-steht-vor-grossem-umbau-11771376.html. Abgerufen am 08.08.2012
1206 Vgl. MAN SE Zwischenbericht zum 30.09.2012. Weiterhin schwieriges Marktumfeld belastet die Profitabilität. Veröffentlicht am 26.10.2012. Abzurufen
unter: www.mantruckandbus.at/man/media/content_medien/doc_1/man_se_q3_2012. Abgerufen am 10.01.2013.
346
Exporte in die Länder Brasilien, Russland, Indien und China führten nur im geringen Ausmaß
zu Umsatzzuwächsen. Um die Marktstellung in Indien auszubauen und zu verstärken, wurde
das Gemeinschaftsunternehmen MAN Force Trucks Pvt. Ltd. von MAN Truck & Bus über-
nommen. Am Unternehmen MAN Force Trucks Pvt. Ltd. hielt MAN bis zum Jahr 2008 eine
30-prozentige Beteiligung und erhöhte in den Folgejahren die Beteiligung auf 50 Prozent. Im
Unternehmen wurden Schwerlastwagen von MAN der Type CLA hergestellt, die für den indi-
schen Markt, aber auch den Export nach Asien und Afrika bestimmt waren. Die Firma Force
Motors Ltd. soll künftig Teile für die Produktion von Schwerfahrzeugen fertigen.1207
MAN, wie auch Scania, mussten im Jahr 2012 den Absatzrückgang in europäischen Ländern
verkraften, teilte Anders Nielsen, neuer Chef der MAN-Nutzfahrzeugsparte, mit. Der Rück-
gang ist keinesfalls mit der Krise im Jahr 2009 zu vergleichen. Mit 14. Jänner 2013 wurde in
den Werken München und Salzgitter Kurzarbeit eingeführt. Davon waren in München 3500
und in Salzgitter 1800 Mitarbeiter betroffen. An eine Kündigung der Mitarbeiter wurde vorerst
nicht gedacht. Die Transportunternehmen sind mit der Bestellung neuer Fahrzeuge bedingt
durch die Rezession noch zurückhaltend. Nielsen hofft künftig in Anbetracht der steigenden
Treibstoffpreise und der strengen Abgasnormen, dass Transporteure auf sparsamere Fahr-
zeuge umrüsten werden, was mit einem Absatzanstieg verbunden ist. Für ältere Fahrzeuge
haben die Transporteure höhere Abgaben und Steuern zu entrichten.1208
Trotz rückläufiger Umsatzzahlen investierte MAN verstärkt in den Forschungs- und Entwick-
lungsbereich. Dies ist für die Hersteller unerlässlich, da auf den Umweltbereich und damit
verbunden einer Verringerung der CO2-Emissionen bei Neufahrzeugen immer mehr Wert
gelegt wird. Die Möglichkeiten, den Treibstoffverbrauch zu senken, liegen beispielsweise in
einem geänderten Design der Fahrzeuge, einem geringeren Fahrzeuggewicht, Steigerung
der Effizienz bei Motoren und Getrieben. Auch alternative Kraftstoffe, wie Erdgas oder An-
triebstechnologien wie der Hybridantrieb von Fahrzeugen, wären Möglichkeiten, um den
Energieverbrauch der Nutzfahrzeuge zu senken.1209
1207 Vgl. Pressemitteilung der MAN SE vom 21.11.2011. MAN Truck & Bus verstärkt Engagement in Indien. Bisheriges Gemeinschaftsunternehmen MAN
FORCE TRUCKS Pvt. Ltd. geht auf MAN Truck & Bus über, München 2011. Abzurufen unter:
http://cms.man.de/MAN/de/Presse/Pressemitteilungen/Pressearchiv_2011/index.html?qry=20111109_se_closing.html. Abgerufen am: 19.10.2012.
1208 Vgl. FINANCAL TIMES DEUTSCHLAND vom 27.10.2012. LKW-Werke in München und Salzgitter. MAN drosselt ab Montag die Produktion. Abzurufen
unter: http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:lkw-werke-in-muenchen-und-salzgitter-man-drosselt-ab-montag-die-produktion/70110610.html. Abgerufen am
12.01.2013.
Vgl. auch AUGSBURGER ALLGEMEINE vom 13.01.2013. MAN schickt tausende Mitarbeiter in Kurzarbeit. Abzurufen unter: http://www.augsburger-
allgemeine.de/wirtschaft/MAN-schickt-tausende-Mitarbeiter-in-Kurzarbeit-id23479196.html. Abgerufen am 16.01.2013.
Vgl. auch Geschäftsbericht der MAN SE 2012. Abzurufen unter:
http://www.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/gb/2012/man_gb_2012.pdf. Abgerufen am
06.09.2013.
1209 Vgl. DB Resarch vom 3. August 2012. Nutzfahrzeuge. Marktumfeld schwierig – Energieeffizienz wird wichtiger. Hrsg. Deutsche Bank. Abzurufen unter:
http://www.verkehrsrundschau.de/sixcms/media.php/4513/Nutzfahrzeuge_Marktumfeld_schwierig___Energieeffizienz_wird_wichtiger.pdf. Abgerufen am
06.09.2013.
347
Auszüge aus den Konzernjahresabschlüssen der MAN SE für die Jahre 2010 bis 2012 zei-
gen nachstehende Kennzahlen des Nutzfahrzeug- und Busbereiches.
1210
Tab. 68: Eckdaten der Konzernjahresabschlüsse der MAN SE 2010 bis 2012
1210 Quelle: Tabelle entnommen aus Geschäftsbericht der MAN SE für das Jahr 2011. Abzurufen unter:
http://man.unternehmensberichte.net/reports/man/annual/2011/gb/German/0.html. Abgerufen am 24.07.2013.
Vgl. auch Geschäftsbericht der MAN SE für das Jahr 2012. Abzurufen unter:
http://man.unternehmensberichte.net/reports/man/annual/2012/gb/German/0.html. Abgerufen am 24.07.2013.
348
Nachstehend Kennzahlen der MAN SE für das 1. Halbjahr 2013 (Vergleichszeitraum 1. Halbjahr
2012) für den europäischen Nutzfahrzeug- und Busbereich:
1211 Eigene Darstellung: Zahlen entnommen vom Konzernzwischenbericht der MAN SE für das 1. Halbjahr 2013. MAN Konzern. Bereich MAN Truck & Bus.
S. 14. Abzurufen unter: http://www.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/qb/2013_q2.pdf. Abgerufen
am 19.09.2013.
1212 Vgl. Konzernzwischenbericht der MAN SE für das 1. Halbjahr 2013. MAN Konzern. Bereich MAN Latin America. S. 17. Abzurufen unter:
http://www.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/qb/2013_q2.pdf. Abgerufen am 19.09.2013.
349
3. Österreichische MAN-Tochtergesellschaften nach der Wirtschaftskrise
Die Wirtschaftskrise spiegelte sich auch in den Zahlen der Jahresabschlüsse 2008 und 2009
der österreichischen MAN-Tochtergesellschaften wider, dies sowohl bei den Unternehmen
im Produktionsbereich als auch im Vertriebsbereich.
Nachstehend werden zuerst wichtige Bilanzzahlen des Produktionsunternehmens, der MAN
Nutzfahrzeuge Österreich AG, für die Jahre 2009 und 2010 gezeigt:
1213
Tab. 70: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG 2009 und 2010
Von den angeführten Umsätzen waren 99,9 Prozent für den Exportbereich bestimmt. Die
Kurzarbeit – sie war wegen der anhaltenden Produktionsrückgänge ursprünglich bis Juni
2009 geplant – wurde bis vorerst Jänner 2010 verlängert. Angestellte hatten auch die Mög-
lichkeit, über einen befristeten Sozialplan einvernehmlich aus dem Unternehmen auszu-
scheiden. Ebenso wurde von den Mitarbeitern die Bildungskarenz beansprucht, um z. B. die
Meisterprüfung oder Lehrabschlussprüfung zu absolvieren. Im Werk Wien wurde der Leihar-
1213 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen des Jahresabschlusses der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2009 mit Protokoll
der Hauptversammlung vom 25.08.2010. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 129329s am 03.09.2010.
Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2010. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der
Firmenbuchnummer 129329s am 22.09.2011. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013
350
beiterstand von 225 auf 150 reduziert. Durch die Wirtschaftskrise war das Unternehmen ge-
zwungen, rigorose Anpassungs- und Restrukturierungsschritte zu setzen.1214
Nach dem Jahr der Wirtschaftskrise haben sich die Produktionszahlen wieder deutlich ver-
bessert. So wurden im Jahr 2009 12.553 Stück und im Jahr 2010 15.801 Stück produziert.
Ebenso konnte die Kurzarbeit im Mai 2010 wieder beendet werden.1215
Wichtige Bilanzzahlen für die Jahre 2011 und 2012:
MAN TRUCK & BUS ÖSTERREICH AG (vormals MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG)
1216
Tab. 71: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Truck & Bus Österreich AG für 2011 und 2012
Die positive Entwicklung vom Jahr 2010 hat auch 2011 angehalten. Die Produktionszahlen
konnten von 15.801 im Jahr 2010 auf 19.816 im Jahr 2011 gesteigert werden. Ebenso konn-
te die Fertigung der Fahrerhäuser um ein Drittel (2010: 24.325, 2011: 32.345) erhöht wer-
den. Im Jahr 2011 wurden Investitionsmaßnahmen – großteils im Produktionsbereich – von
16,5 Millionen Euro vorgenommen. Dabei handelte es sich um Modernisierungsmaßnahmen,
wie Anschaffung modernerer Fertigungslinien, leiserer Geräte für die Verschraubungsarbei-
ten im Rahmenbau, Beschichtung der Böden in den Fertigungsbereichen usw. Auch im Kun-
denbereich wurde verstärktes Augenmerk auf die Qualitätsoptimierung gelegt.1217
1214 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2009 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 25.08.2010.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 129329s am 03.09.2010. Elektronische Einsichtnahme am
15.09.2013.
1215 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2010. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien
unter der Firmenbuchnummer 129329s. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
1216 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen aus dem Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2011.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 129329s. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
Vgl. auch Zahlen aus dem Jahresabschluss der MAN TRUCK & BUS ÖSTERREICH AG für das Jahr 2012 . Veröffentlicht im Firmenbuch des
Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 123126v. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
1217 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2011. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien
unter der Firmenbuchnummer 129329s. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
351
Der Jahresüberschuss 2012 von Euro 451.052.151,04 enthält einen Betrag von Euro
377.695.676,11, welcher auf den außerordentlichen Ertrag im Zuge des Umgründungsvor-
ganges (Verschmelzung mit der ehemaligen Truck & Bus Österreich AG) entfällt.
Im Jahr 2012 war im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang an produzierten Lastwagen von
19.816 im Jahr 2011 auf 16.820. Der Großteil des Umsatzes betraf den Exportbereich, im
Jahr 2012 betrug die Exportquote 97,6 Prozent des Umsatzes.
Um hinsichtlich der Produktionsschwankungen anpassungsfähig zu sein, wird an der Ausar-
beitung eines flexiblen Arbeitszeitmodells gearbeitet.1218 Vorgesehen ist, für jeden Mitarbeiter
ein Arbeitszeitkonto einzurichten und vorhandene Zeitguthaben bei geringer Auftragslage
wieder abzubauen. Diese Maßnahme soll der Erhaltung von 2.500 Arbeitsplätzen dienen.1219
Um die Arbeitsbedingungen, aber auch die Qualität zu verbessern, wurde in der Fahrer-
hausproduktion und der Logistik mit der Einführung von Teamarbeit begonnen.1220
Im zweiten Halbjahr 2012 hat die MAN SE, München, gegenüber ihrer Tochtergesellschaft,
der MAN Truck & Bus Österreich AG, eine zweijährige Standortgarantie abgegeben, wobei
diese automatisch bis zu fünf Jahren verlängert wird, wenn keine der Vertragsparteien diese
Vereinbarung kündigt. Die MAN SE verpflichtete sich vertraglich, zweistellige Millionenbeträ-
ge in die Produktionsanlagen des Werks in Steyr zu investieren, damit die Produktion der
leichten und mittleren Baureihe sowie der Fahrerhäuser gesichert ist.
MAN ist 2013 mit der Vornahme von Investitionen sehr zurückhaltend, da das Unternehmen
noch keine nennenswerte Verbesserung der Wirtschaftslage sieht. Für das Jahr 2013 wird
zwar mit einem Umsatz entsprechend dem Jahr 2012 gerechnet, jedoch mit einem niedrige-
ren operativen Ergebnis.1221
1218 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2012 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 20.03.2013.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 123126v. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
1219 Vgl. Presseinformation der MAN TRUCK & BUS ÖSTERREICH AG vom 27.03.2013. Abzurufen unter: www.mantruckandbus.at. Abgerufen am
24.06.2013
:
1220 Vgl. Jahresabschluss der MAN NUTZFAHRZEUGE ÖSTERREICH AG für das Jahr 2012 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 20.03.2013..
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 123126v. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
1221 Ebenda.
352
Entwicklung der österreichischen MAN-Tochter im Bereich Vertrieb
2010 war ab dem vierten Vierteljahr eine Erholung der konjunkturellen Lage eingetreten. Der
inländische Marktanteil bei Fahrzeugen von mehr als 6 Tonnen Gesamtgewicht sank von
37,6 Prozent im Jahr 2009 auf 35,5 Prozent im Jahr 2010, obwohl der Stückverkauf von
5139 im Jahr 2009 auf 5515 im Jahr 2010 anstieg. Ausschlaggebend dafür war das aggres-
sive Wettbewerbsverhalten der Mitbewerber, sodass den Kunden höhere Nachlässe gewährt
wurden. Aber auch ein geändertes Einkaufsverhalten der Kunden spielte eine Rolle, weil
manchmal auch ursprünglich markentreue Kunden Fahrzeuge anderer Hersteller kaufen.1222
Wichtige Bilanzzahlen für die Jahre 2009 und 2010:
1223
Tab. 72: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG 2009 und 2010
1222 Vgl. Jahresabschluss der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2010 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 13.10.2011.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische Einsichtnahme am 19.09.2013
1223 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen aus dem Jahresabschluss der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2011 mit Protokoll
der Hauptversammlung vom 02.04.2012. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische
Einsichtnahme am 30.09.2012.
Vgl. ebenso Zahlen des Jahresabschlusses der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2012 mit Protokoll der Hauptversammlung vom
08.08.2013. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
353
Die MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich AG (vormals MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd
AG) zeigt für die Jahre 2011 und 2012 folgende Zahlen:
1224
Tab. 73: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich AG 2011 und 2012
Einige Zahlen des Jahresabschlusses 2011 der MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich sind
mit jenen des Jahres 2010 nicht unmittelbar vergleichbar. Im Jahresabschluss 2010 sind
noch die Ziffern der italienischen Betriebsstätte enthalten, welche mit 1. Jänner 2011 aus der
MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich AG ausgegliedert und im Zuge mehrerer Umgrün-
dungsvorgänge in die MAN Truck & Bus Italia S.p.A. eingebracht wurde. Daher ist das Ge-
schäftsjahr 2011 nicht unmittelbar mit dem Jahr 2010 vergleichbar.1225
Das Betriebsergebnis (EBIT) für 2012 ergab einen Verlust von Euro 4.173.891,31. Durch
zugewiesene Beteiligungserträge von Euro 38.961.522,55 sowie ein übriges Finanzergebnis
von Euro 549.383,76 ergab sich ein Jahresüberschuss von Euro 35.337.015,00.
Im Jahr 2011 hat sich die wirtschaftliche Situation wieder beruhigt, jedoch ist 2012 wieder ein
Umsatzeinbruch entstanden, da die Kunden noch immer verunsichert sind. Durch den ag-
ressiven Wettbewerb der anderen Hersteller konnte das Unternehmen teilweise keine positi-
ven Deckungsbeiträge erzielen. Das Unternehmen konnte allerdings im neuen Geschäftsbe-
reich der Nutzfahrzeugvermietung eine äußerst positive Entwicklung feststellen.1226
1224 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen aus dem Jahresabschluss der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2011 mit Protokoll
der Hauptversammlung vom 02.04.2012. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische
Einsichtnahme am 30.09.2012. Vgl. ebenso Zahlen des Jahresabschlusses der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2012 mit Protokoll der
Hauptversammlung vom 08.08.2013. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische
Einsichtnahme am 15.09.2013.
1225 Vgl. Jahresabschluss der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2011 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 02.04.2012.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische Einsichtnahme am 30.09.2012.
1226 Vgl. Jahresabschluss der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2012 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 08.08.2013.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische Einsichtnahme am 15.09.2013.
354
Für das Jahr 2013 erhofft MAN Umsatzzuwächse, da ab dem 1. Jänner 2014 nur mehr Fahr-
zeuge, die der Euro-Norm-VI entsprechen, zugelassen werden. Die Kunden sind daher an-
gehalten, ältere Fahrzeuge im Fuhrpark zu erneuern oder für diese Fahrzeuge höhere Abga-
ben und Steuern zu entrichten. MAN sieht trotzdem skeptisch in die Zukunft, da das restrikti-
ve Verhalten der Banken bei der Vergabe von Krediten nicht förderlich für den Kauf von
Fahrzeugen ist. Deshalb wird das Unternehmen an den Kosteneinsparungsplänen festhal-
ten.
Neben der Wirtschaftskrise machten der MAN im Jahr 2009 auch Korruptionsangelegenhei-
ten zu schaffen. Provisionszahlungen in den Jahren 2002 bis 2005 sollen in Verbindung mit
Verkäufen von Nutzfahrzeugen und Bussen erfolgt sein. Erste Hinweise erfolgten im Zuge
einer Betriebsprüfung beim Hersteller MAN im Jahr 2006. Mit den Provisionszahlungen wur-
den Kunden angehalten, Kauf- und auch Leasingverträge nicht mit Mitbewerbern, sondern
mit MAN abzuschließen.
In einer Großrazzia wurden die Büroräumlichkeiten des MAN-Konzerns, vor allen jene der
MAN Nutzfahrzeuge AG, aber auch Vertriebsniederlassungen und ebenfalls Privaträume von
möglichen Beteiligten auf Beweise durchsucht. 330 Polizisten, 100 Steuerfahnder und 26
Staatsanwälte waren angewiesen, 59 Objekte zu durchsuchen. Neben den beteiligten Mitar-
beitern im Vertrieb der MAN ging es auch um die Empfänger der Provisionszahlungen.1227
Mitarbeitern, die zur Aufklärung der Korruptionsaffäre beitrugen, wurde von MAN versichert,
dass gegen sie keine Schadenersatzforderungen gestellt würden und auch von einer Kündi-
gung abgesehen werde. Vor strafrechtlichen Folgen waren die Mitarbeiter jedoch nicht ge-
schützt.1228 Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass Provisionszahlungen in Deutschland in
Höhe von einer Million Euro und im Ausland von rund 15 Millionen Euro geleistet wurden, um
den Nutzfahrzeugabsatz zu steigern.
Obwohl der Vorstandsvorsitzende Håkan Samuelsson in der Sache nicht beschuldigt wurde,
jedoch anlässlich der Übernahme der Funktion als Vorstandsvorsitzender im Jahr 2006
strenge Vorgaben eingeführt hatte, erklärte er seinen Rücktritt. Nach seiner Ansicht sollte es
auf höchster Ebene eine personelle Veränderung geben, um einen Neubeginn zu ermögli-
chen. Die Nachfolge trat Dr. Georg Pachta-Reyhofen an. Peter Erichreineke, als Vorstands-
mitglied verantwortlich für den Vertrieb, legte ebenso seine Funktion zurück. Das Vor-
standsmitglied für Controlling, Recht und Einkauf, Sabine Drzisga, wurde nach internen Er-
mittlungen sofort suspendiert. Gegen Drzisga wurden keine Ermittlungen eingeleitet, da sie
1227 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 104 vom 06.05.2009. Staatsanwalt durchsucht MAN. S. 14
1228 Vgl. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 17.05.2010. Amnestie für MAN-Mitarbeiter. Abzurufen unter: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/man-
amnestie-programm-fuer-gestaendige-mitarbeiter-1.459570. Abgerufen am 19.05.2010.
355
nur ihre Kontrollpflichten nicht erfüllt habe.1229 Anton Weinmann, als Vorstandsmitglied ver-
antwortlich für die Lastwagen- und Busabteilung, erklärte – obwohl er ebenfalls nicht in die
Affäre verwickelt war – seinen Rücktritt.1230 Außerdem sollen in Slowenien Mitarbeiter den
Verkauf von MAN-Lastwagen mit Schmiergeldern in Millionenhöhe forciert haben.1231
Die Staatsanwaltschaft ermittelte in der Affäre auch bei der Tochterfirma MAN Turbo AG in
Oberhausen, Deutschland. Der bereits in Ruhestand befindliche Vorstandschef der MAN
Turbo AG Heinz-Jürgen Maus – er hatte sich vom Lehrling im Jahr 1966 zu dieser leitenden
Stellung hochgearbeitet – musste sich am 23. Juni 2010 vor dem Landesgericht München
verantworten. Heinz-Jürgen Maus erklärte, Schmiergeldzahlungen von neun Millionen Euro
für die Erlangung eines Großauftrages in Kasachstan im Jahr 2004 an zuständige Mitarbeiter
des staatlichen Gaskonzerns geleistet zu haben. Es ging um die Erneuerung und Moderni-
sierung einer 830 km langen Gaspipeline von Turkmenistan und Usbekistan nach Russland.
Es wurden Folgeaufträge für MAN in der Größenordnung von 1,4 Milliarden Euro in Aussicht
gestellt. Mit diesen Aufträgen wollte MAN Fuß auf dem kasachischen Markt fassen. Maus
bekam eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung und musste außerdem 100.000 Euro an
diverse Sozialeinrichtungen bezahlen. Der Richter hielt ihm zugute, dass er die Schuld an
diesem Vergehen keinem Mitarbeiter zugewiesen und sich selbst nicht bereichert habe.1232
Die Zahlungen wurden als Beratungshonorare im Rechnungswesen ausgewiesen. Die Zah-
lung der Honorare erfolgte auf Bankkonten von Briefkastenfirmen in Malta, British Virgin Is-
lands, Zypern, Bahamas, New York und London.1233
Im März 2012 wurde Peter Erichreineke vom Oberlandesgericht München einerseits zu einer
Freiheitsstrafe von insgesamt einem Jahr und vier Monaten verurteilt und zusätzlich zu einer
Zahlung von 40.000 Euro. Die Zahlung sollte gemeinnützigen Organisationen zugute kom-
men. Erichreineke genehmigte Bestechungszahlungen von 360.000 Euro.1234
MAN hatte aus rechtlichen Gründen bei Håkan Samuelsson Anfang 2011 den gesamten
Schadensbetrag, 237 Millionen Euro, eingeklagt. Im September 2012 begann die Staatsan-
waltschaft gegen Samuelsson und Karlheinz Hornung, den früheren MAN-Finanzchef, we-
gen Bestechung zu ermitteln. Die Ermittlungen gegen Hornung wurden im Juli 2013 einge-
stellt. Am 22. August 2013 wurde Samuelsson – er ist seit Oktober 2012 Volvo-Chef – zu
1229 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 243 vom 20.10.2009. Zweiter MAN-Vorstand stolpert. S. 16.
1230 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 279 vom 01.12.2009. MAN-Vorstand Weinmann tritt ab. S. 18
1231 Vgl. WIRTSCHAFTSBLATT vom 22.08.2013. Volvo-Chef zahlt MAN Schadenersatz. Abzurufen unter:
http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/europa/1444333/VolvoChef-zahlt-MAN-Schadenersatz. Abgerufen am 20.06.2012.
1232 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 104 vom 06.05.2009. Staatsanwalt durchsucht MAN. S. 14.
1233 Vgl. ZEITONLINE vom 28.06.2010. Ex-MAN-Manager bekommt zwei Jahre auf Bewährung. Abzurufen unter:
http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2010-06/man-prozess-korruption-2. Abgerufen am 29.03.2011.
1234 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 15.03.2012. Ehemaliger MAN-Manager verurteilt. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 20.06.2012.
356
einer Schadenersatzzahlung von 1,25 Millionen Euro verurteilt. Weitere Ermittlungen wurden
eingestellt.1235
Der Manager Klaus Stahlmann – Nachfolger von Heinz-Jürgen Maus, verantwortlich für die
Abteilung Diesel & Turbo – hatte im Feber 2011 seine Tätigkeit beendet, da auch gegen ihn
wegen des Verdachtes auf Bestechung ermittelt wurde.1236 Mit einer Zahlung von 275.000
Euro wurde das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt. Stahlmann ist seit 2012 Chef des
Schweizer Industriekonzerns Sulzer in Winterthur.1237
Die Korruptionsaffäre bei MAN erregte viel Aufsehen und kostete den MAN Konzern für die
Sparten MAN-Nutzfahrzeuge und MAN-Turbo je Euro 75,3 Millionen, also insgesamt 151,6
Millionen Euro Geldbuße sowie drei Vorständen den Posten.1238 Insgesamt kostete dem
Konzern das Vergehen nicht nur Reputation, sondern neben der Geldbuße von Euro 151,6
Millionen noch rund 69 Millionen Euro an Kosten für die Aufklärung und Steuernachzahlun-
gen.1239
Die Auswirkungen der Affäre reichten bis nach Norwegen. Das Unternehmen Kollektivtraffik-
produksjon (KTP) in Oslo trennte sich am 5. Dezember 2011 von Helge Leite, Geschäftsfüh-
rer der Bussparte Unibuss AS in Oslo. Er erhielt in den Jahren 2004 und 2005 Zahlungen
von rund 500.000 Euro für die Bestellung von MAN-Bussen.1240
Bei der einstigen MAN-Tochter, der Essener Ferrostaal AG, soll es ebenso jahrelang zu
Schmiergeldzahlungen gekommen sein. Der arabische Investor International Petroleum In-
vestment Company (IPIC), Abu Dhabi, hat 70 Prozent der Anteile an Ferrostaal – Ferrostaal
ist im Industrieanlagenbau tätig – vor Bekanntwerden der Korruptionsaffäre übernommen.
Johann Friedrich Haun, der einstige Vorstand von Ferrostaal, sowie der Prokurist des Unter-
nehmens, Hans-Dieter M., waren für die Bestechung verantwortlich. Durch Schmiergeldzah-
lungen hat Ferrostaal lukrative U-Boot-Aufträge aus Portugal und Griechenland erhalten.
Vorstand und Prokurist wurden vom Münchner Landesgericht 2011 zu Freiheitsstrafen von
jeweils zwei Jahren auf Bewährung und Geldstrafen von insgesamt 55.000 Euro verurteilt.
Insgesamt kostete diese Affäre Ferrostaal 140 Millionen Euro. Die Schmiergeldaffären waren
ausschlaggend dafür, dass es zu Streitigkeiten zwischen IPIC und MAN kam.1241
1235 Vgl. WIRTSCHAFTSBLATT vom 22.08.2013. Volvo-Chef zahlt MAN Schadenersatz. Abzurufen unter:
http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/europa/1444333/VolvoChef-zahlt-MAN-Schadenersatz. Abgerufen am 20.06.2012.
1236 Vgl. ZEITONLINE vom 22.02.2011. Weiterer MAN-Manager muss gehen. Abzurufen unter: http://www.zeit.de/news-022011/22/iptc-bdt-20110222-297-
28868240xml/seite-2. Abgerufen am 29.03.2011.
1237 Vgl. Portal Blick ch.Industrie vom 21.02.2012. Neuer Sulzer-Chef musste sich von Ermittlung freikaufen. Abzurufen unter:
http://www.blick.ch/news/wirtschaft/neuer-sulzer-chef-musste-sich-von-ermittlungen-freikaufen-id1776635.html. Abgerufen am 09.10.2013.
1238 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 288 vom 11.12.2009. MAN zahlt 151 Millionen Euro Geldbuße. S. 11.
1239 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 43 vom 20.02.2010. Frühere Vorstände von MAN im Visier. S. 16.
1240 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 290 vom 13.12.2011. MAN-Affäre reicht bis Norwegen. Vgl. auch Wirtschaftsinformationen für den
öffentlichen Personenverkehr Nr. 100/11 vom 16.12.2011. S. 1. Abzurufen unter:
http://www.oepnvaktuell.de/fileadmin/user_upload/pdf/probe/OEPNVaktuell_Nr_100_2011.pdf. Abgerufen am 21.07.2013.
1241 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 20.12.2011. Schmiergeldaffäre kostet Ferrostaal 140 Millionen Euro. Abzurufen unter:
www.faz.net/aktuell/wirtschaft/landgericht-muenchen-schmiergeldaffaere-kostet-ferrostaal-140-millionen-euro-11573132.html. Abgerufen am 20.12.2012.
357
MAN kaufte im November 2011 die 70-prozentige Beteiligung an Ferrostaal zurück und zahl-
te für den Rückkauf der Anteile an IPIC 350 Millionen Euro. Die Hamburger Beteiligungsge-
sellschaft MPC übernahm die 70-prozentige Beteiligung zu einem Abtretungspreis von 160
Millionen Euro. Mit diesem Vorgang waren sämtliche Forderungen zwischen IPIC und MAN
ausgeglichen. Nach Prüfung des Vorganges durch die Wettbewerbsbehörde wurde die
Übernahme im März 2011 vollzogen. Die MPC wollte Ferrostaal bereits 2009 übernehmen,
doch der arabische Staatsfonds IPIC bekam den Zuschlag.1242
MAN sollte nicht zur Ruhe kommen. Im Mai 2011 kam es zu Anschuldigungen, dass MAN
bei verkauften Viertakt-Schiffsdieselmotoren deren Energieverbrauch niedriger angegeben
hätte, als schließlich durch Experten festgestellt wurde. Die Korruptionsaffären überschatten
einen eventuellen Zusammenschluss von MAN und Scania innerhalb des VW-Konzerns.1243
Seit dem Jahr 2009 wurde innerhalb der MAN SE ein konzernweites internes Kontrollsystem
eingeführt. Dadurch sollen Fehler frühzeitig aufgezeigt und durch Verbesserung der Organi-
sation und Abläufe vermieden werden.1244
Trotz schwieriger Bedingungen infolge der Wirtschaftskrise 2009 setzte Scania auf For-
schung und Entwicklung und stellte die neue Nutzfahrzeugreihe „R“ vor. Das Fahrzeug wur-
de 2010 wegen seiner aerodynamischen Gestaltung und dem geringen Treibstoffverbrauch
mit dem begehrten Titel „Truck of the Year“ ausgezeichnet. Ebenso wie MAN reagierte auch
Scania mit Arbeitszeitkürzung der Mitarbeiter und Durchführung von Mitarbeiterqualifizierun-
gen auf die Wirtschaftskrise.1245
Vgl. Publikationen-News der FERROSTAAL vom 08.03.2012. MPC Industries neuer Eigentümer der Ferrostaal, Essen 2012. Abzurufen unter:
http://www.ferrostaal.com/de/unternehmen/news-
publikationen/news/?tx_editfiltersystem_pi1%5Bcmd%5D=detail&tx_editfiltersystem_news_pi1%5Buid%5D=1381. Abgerufen am 21.07.2013.
Vgl. offizielle Website DES OBERLANDESGERICHTES MÜNCHEN vom 21.12.2011. Strafverfahren gegen Johann-Friedrich Ha. u. 2 a. wegen gemein-
schaftlicher Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr u.a. (Ferrostaal). Abzurufen unter:
http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/m/presse/archiv/2011/03303/. Abgerufen am 09.10.2013. Anm.: Nachname des Prokuristen konnte nicht eruiert
werden.
1242 Vgl. WIRTSCHAFTSWOCHE vom 28.11.2011. Ferrostaal wechselt den Eigentümer. Abzurufen unter: www.//wiwo.de/unternehmen/industrie/man-
tochter-ferrostaal,wechselt-den-eigentümer. Abgerufen am 02.02.2012.
1243 Vgl. Thomson Reuters Aktuelle Nachrichten vom 25.05.2011. Neue Manipulations-Affäre beim Münchner Lkw-Bauer MAN, München 2011. Abzurufen
unter: http://de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEE74O0DC20110525. Abgerufen am 02.02.2012.
1244 Vgl. Jahresabschluss der MAN TRUCK & BUS VERTRIEB SÜD AG für das Jahr 2011 mit Protokoll der Hauptversammlung vom 02.04.2012.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 261076k. Elektronische Einsichtnahme am 30.09.2012.
1245 Vgl. Geschäftsbericht der VOLKSWAGEN AG für das Jahr 2009. Konzernbereich Marke Scania. Abzurufen unter:
http://geschaeftsbericht2009.volkswagenag.com/konzernbereiche/scania.html?cat=m. Abgerufen am 04.04.2013.
358
Leif Östling, Scania-Chef der schwedischen Produktionsstätte in Södertälje, wies in seinem
Interview vom 1. Feber 2012 darauf hin, dass man künftig verstärkt die Kosten prüfen wolle,
um sie zu senken. Verträge mit 1900 Leiharbeitern wolle man dann nicht verlängern und ge-
plante Investitionen in die Zukunft verschieben.1246
Der Nutzfahrzeughersteller Scania wies in den Jahresabschlüssen 2010 bis 2012 folgende
Zahlen auf:
Veränderung Veränderung
2011/2012 2010/2011
2012 2011 in Prozent 2010 in Prozent
1247
Tab. 74: Eckdaten der Geschäftsberichte der Volkswagen AG Bereich – Marke Scania 2010 bis 2012
Der Nachfragerückgang im Jahr 2012 ist auf den verstärkten Wettbewerb am Nutzfahrzeug-
markt zurückzuführen. Durch den Auftragsrückgang waren auch die Produktionskapazitäten
nicht ausgelastet, die Fixkosten konnten oftmals nicht entsprechend angepasst werden. Die
Folge war ein um 32,2 Prozent niedrigeres operatives Ergebnis im Jahr 2012 verglichen mit
dem Vorjahr. Scania wurde von dem Auftragsrückgang in Europa stark in Mitleidenschaft
gezogen, da Scania mehr als die Hälfte der Fahrzeuge am europäischen Markt verkauft.1248
1246 Vgl. MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 14.2.2012. Ferrostaal-Deal drückt MAN-Gewinn. Abzurufen unter: http://www.manager-
magazin.de/unternehmen/autoindustrie/a-815108.html. Abgerufen am 21.02.2012.
1247 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen des Geschäftsberichtes der Volkswagen AG für das Jahr 2011. Konzernbereich Marke Scania. Abzuru-
fen unter: http://geschaeftsbericht2011.volkswagenag.com/konzernbereiche/scania.html. Abgerufen am 02.11.2012.
1248 Ebenda.
359
6. Österreichische Iveco-Tochtergesellschaften nach der Wirtschaftskrise
Auch das Tochterunternehmen Iveco-Austria Gesellschaft m.b.H. in Wien wurde von der
Wirtschaftskrise betroffen, wie die Zahlen der Jahresabschlüsse zeigen. Die Iveco-Austria
GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der Fiat Netherlands Holding N. V. Dem Wirtschafts-
prüfungsbericht für das Jahr 2009 der Deloitte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H. ist zu
entnehmen, dass die Iveco-Austria Gesellschaft m.b.H. (FN 113187 b) bereits ab dem
4. Vierteljahr 2008 – ausgelöst durch die Finanzkrise – rückläufige Zahlen aufwies.
Die Jahresabschlusszahlen für die Jahre 2007 bis 2009 sind wie folgt:
1249
Tab. 75: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Iveco-Austria Gesellschaft m.b.H. 2007 bis 2009
1249 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen des Jahresabschlusses der IVECO-AUSTRIA GESELLSCHAFT m.b.H. für das Jahr 2009. Veröffentlicht
im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 113187b. Elektronische Einsichtnahme am 03.04.2011.
360
Iveco-Austria blickte mit Skepsis in die Zukunft. Für 2010 wurde jedenfalls mit einer rückläu-
figen Nutzfahrzeugnachfrage gerechnet. Als sogenannter Full-Range-Anbieter bedient Iveco
nicht nur das Transportgewerbe, sondern auch den Industriebereich, den Handwerksbereich
und das Bau- und Baunebengewerbe. Es wurde ein Rückgang an Nutzfahrzeugbestellungen
erwartet, der durch Umsatzerlöse von Fahrzeugen außerhalb des Nutzfahrzeugsektors auf-
gefangen werden sollte. Die Befürchtungen, dass die Umsätze der Iveco-Austria Gesellschaft
m.b.H. in Wien stark zurückgehen würden, erwiesen sich als unbegründet, wie die nachste-
henden Jahresabschlüsse 2010 bis 2012 zeigen:
1250
Tab. 76: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Iveco-Austria Gesellschaft m.b.H. 2010 bis 2012
Das Werk in Hönigtal/Kainbach, die Iveco Magirus Brandschutztechnik GmbH, sollte ge-
schlossen werden. Das Unternehmen ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Iveco
Magirus Brandschutztechnik GmbH in Ulm. Der Jahresabschluss der österreichischen Toch-
tergesellschaft wird laut Mitteilung im Anhang in den Konzernabschluss der Iveco N. V. in
Niederlande miteinbezogen.
1250 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen des Jahresabschlusses der IVECO-AUSTRIA GESELLSCHAFT m.b.H. für das Jahr 2011. Veröffentlicht
im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der Firmenbuchnummer 113187b. Elektronische Einsichtnahme am 13.10.2012. Vgl. ebenso Zahlen des
Jahresabschlusses der IVECO-AUSTRIA GESELLSCHAFT m.b.H. für das Jahr 2012. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien unter der
Firmenbuchnummer 113187b. Elektronische Einsichtnahme am 31.07.2013.
361
Die Iveco Magirus Brandschutztechnik GmbH (Firmenbuchnummer FN 156750s) in Hönig-
tal/Kainbach wies in den Jahresabschlüssen 2008 bis 2011 nachstehende Zahlen auf:
1251
Tab. 77: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Iveco Magirus Brandschutztechnik GmbH 2008 bis 2011
Die Umsätze – ebenso der Betriebserfolg – waren in dem Jahr der Wirtschaftskrise nicht
rückläufig, da noch entsprechend Auftragseingänge vorlagen. Der Einbruch kam erst im Jahr
2011, wie die Zahlen der Jahresabschlüsse zeigen.
Antonio Benedetti, der Geschäftsführer der Sparte Brandschutz innerhalb des Fiat-Konzerns,
teilte im Juli 2013 mit, dass die Tochtergesellschaft in Hönigtal/Kainbach nicht geschlossen
werde, sondern dass lediglich strukturelle Änderungen vorgenommen würden. Der Firmen-
wortlaut des Unternehmens wurde mit Generalversammlungsbeschluss vom 26. Feber 2013
in Iveco Magirus Lohr GmbH geändert. Weiters hat Ing. Christian Rheisl Anfang 2013 den
Vertrieb für Österreich und Südtirol übernommen. Außerdem ist geplant, den Marktanteil in
Slowenien und in der Schweiz zu erhöhen. Je nach Kundenwunsch kann das Fahrzeug zur
Gänze im Werk Kainbach hergestellt werden, oder der Aufbau wird aus Ulm geliefert und auf
das Fahrgestell – gefertigt im Werk Kainbach – aufgebaut.1252 Dadurch soll noch spezieller
auf die Kundenwünsche eingegangen werden und mit der individuellen Betreuung der Kun-
den der Marktanteil vergrößert werden.
Am 26. September 2013 präsentierte Iveco Magirus die Weiterentwicklung des Logos - vor-
genommen von der New Yorker Design- und Identity-Agentur Chermayeff & Geismar & Ha-
1251 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen des Jahresabschlusses der IVECO MAGIRUS BRANDSCHUTZTECHNIK GMBH für das Jahr 2011.
Veröffentlicht im Firmenbuch des Landesgerichtes Graz unter der Firmenbuchnummer 156750s. Elektronische Einsichtnahme am 03.04.2013. Vgl. ebenso
Zahlen des Jahresabschlusses der IVECO MAGIRUS BRANDSCHUTZTECHNIK GMBH für das Jahr 2009. Veröffentlicht im Firmenbuch des
Landesgerichtes Graz unter der Firmenbuchnummer 156750s. Elektronische Einsichtnahme am 03.04.2013. Anm.: Der Jahresabschluss 2012 wurde im
Firmenbuch des Landesgerichtes Graz noch nicht veröffentlich.
1252 Vgl. FEUERWEHRMAGAZIN Nr. 07/2013 vom 28. 06. 2013. Neues vom IVECO-Magirus-Konzern. Autor: BR d.F. Michael Maicovski. S. 30 f.
362
viv – für den Brandschutzbereich. Der Name Magirus steht – seit 149 Jahren, also seit der
Firmengründung von Conrad Dietrich Magirus 1864 – für Zuverlässigkeit und Fortschritt in
der Brandschutztechnik.1253 Das Logo ist einfach gestaltet und verbindet mit dem Namen
Magirus „Tradition, Innovation, Ingenieurskunst und den Willen, Visionen Wirklichkeit werden
zu lassen.“
Das neue Logo:
1254
Logo 39: Iveco-Magirus Fahrzeuge ab September 2013
Copyright Magirus-Iveco
Durch die Wirtschaftskrise kam es im Jahr 2009 bei der deutschen Tochter Iveco-Magirus
AG in Ulm zu einem massiven Produktionsrückgang an Schwerlastwagen der Type Stralis.
Im Jahr 2008 wurden noch 22.401 Einheiten, im Jahr 2009 nur mehr 5557 Einheiten produ-
ziert. Der Export in osteuropäische Länder brach gänzlich ein, weshalb die Exportquote von
60 Prozent im Jahr 2008 auf 49 Prozent im Jahr 2009 sank. Der Umsatz reduzierte sich im
Jahr 2009 gegenüber dem Jahr 2008 um 50 Prozent auf 1,04 Milliarden Euro. 2008 wies das
Unternehmen noch einen Jahresüberschuss von 66 Millionen Euro aus, im Vergleich dazu
im Jahr 2009 einen Verlust von 15 Millionen Euro. Das Unternehmen reagierte auf die Aus-
wirkungen der Krise sofort mit Arbeitnehmerkündigungen, sodass sich der Mitarbeiterstand
von 2008 mit 2372 auf 2033 im Jahr 2009 verringerte. Befristete Arbeitsverträge wurden
nicht mehr verlängert.1255
2009 wurden innerhalb des Fiat-Konzerns – zu dem Iveco zugehörig ist – Gerüchte laut, wo-
nach das deutsche Werk in Ulm geschlossen werden sollte. Pressesprecher Manfred Kuch-
lmayer von Iveco dementierte und teilte nur mit, dass durch die Wirtschaftskrise die Nachfra-
ge nach mittelschweren und schweren Lastwagen zurückgegangen sei. 2008 wurden in Ulm
23.001 Lastwagen hergestellt, wobei 4.500 Fahrzeuge an deutsche Kunden ausgeliefert
1253 Vgl. offizielle Webseite von IVECO-MAGIRUS. Presseinformation vom 26.09.2013. Iveco Magirus präsentiert Logo-Weiterentwicklung. Abzurufen unter:
http://www.iveco-magirus.de/. Abgerufen am 13.10.2013.
1254 Quelle: Abbildung abzurufen unter: http://www.designtagebuch.de/magirus-bekommt-neues-firmenlogo/. Abgerufen am 13.10.2013.
1255 Vgl. SÜDWEST PRESSE vom 23.04.2010. Im Krisenjahr 2009 geht die Lastwagen-Produktion im Donautal um drei Viertel zurück. Abzurufen unter:
http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Im-Krisenjahr-2009-geht-die-Lastwagen-Produktion-im-Donautal-um-drei-Viertel-zurueck;art4329,454084.
Abgerufen am 13.10.2013.
363
wurden. Ulm sei zentraler Standort mit dem Lastwagen-Entwicklungszentrum, und an eine
Schließung des Standortes sei überhaupt nicht gedacht, so der Vorstand.1256
Iveco-Magirus in Ulm versuchte 2009 bis 2011 durch Kurzarbeit die Nichtauslastung der
Produktionskapazitäten zu kompensieren. Auch diese Maßnahme führte zu keiner Besse-
rung, sodass Iveco am 7. Mai 2012 mitteilte, dass die Produktion der schweren Lastwagen in
Ulm doch geschlossen und nach Madrid verlagert werde. Mit den Sozialpartnern wurden für
die 670 gekündigten Mitarbeiter Sozialpläne ausgearbeitet. Der Standort Ulm wird zu einem
Brandschutz-Kompetenzzentrum aus- und umgebaut. Dadurch will Iveco-Magirus die Effizi-
enz und die Wettbewerbsfähigkeit der Produktionsstätte in Ulm wieder steigern.
Alfredo Altavilla, Vorstandschef von Iveco-Magirus, sieht durch die Schließung der Werke
und die damit verbundene Kostenreduktion eine Möglichkeit, das Unternehmen wieder zu
stärken.1257 Das Werk Chambery in Frankreich wurde 2013 zur Servicestation umgebaut, wo
weiterhin 42 Arbeitnehmer beschäftigt sind.1258 Die Umbauarbeiten am Standort Ulm sollen
bis Ende 2013 abgeschlossen sein. Auf dem 300.000 m2 großen Areal werden Hallen im
Ausmaß von 100.000 m2 errichtet, in welchen Produktion, Lackiererei, Lager, Verkauf, Kun-
dendienst, Tagungsräume und ein Museum untergebracht werden. Beim Kauf der Maschi-
nen wird darauf geachtet, dass diese dem technisch neuesten Stand entsprechen. Geplant
ist die Beschäftigung von 1000 Arbeitnehmern. Im neuen Werk Ulm sollen neben Drehleitern
die gesamte Produktpalette wie sämtliche Löschfahrzeuge, aber auch Rüstfahrzeuge und
Sonderfahrzeuge hergestellt werden.
Im Jänner 2013 erhielt das Werk in Ulm einen Großauftrag aus Brasilien über die Lieferung
von 80 Flughafenlöschfahrzeugen mit einem Auftragswert von 53 Millionen Euro. Laut Anga-
ben von Iveco ist dies der größte jemals erteilte Auftrag. Ausgeliefert werden die Fahrzeuge
an das öffentliche Unternehmen Infraero (Empresa Brasileira de Infra-Estrutura Aeroportua-
ria) für den Einsatz auf 27 Flughäfen in Brasilien. Die Bestellung erfolgte bereits in Anbe-
tracht der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2014.1259
Anfang 2011 wurden innerhalb des Fiat-Konzerns Neustrukturierungen vorgenommen. Die
Nutzfahrzeugsparte und der Land- und Baumaschinenbereich wurden in der „Fiat Industrial“
zusammengefasst. Die Personenwagensparte wurde in der Fiat SpA erfasst. Beide Unter-
nehmen notieren auch getrennt an der Börse. Laut Vorstandsvorsitzendem Sergio Mar-
1256 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 06.04.2009. IVECO dementiert angebliche Schließungspläne von Ulm. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
25.02.2012.
1257 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 07.05.2012. IVECO schließt Lastwagen-Produktion in Ulm. Abzurufen unter:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/nutzfahrzeuge-iveco-schliesst-lastwagen-produktion-in-ulm-11743626.html. Abgerufen am 09.05.2012.
1258 Vgl. FEUERWEHRMAGAZIN Nr. 07/2013 vom 28. 06. 2013. Neues vom IVECO-Magirus-Konzern. Autor: BR d.F. Michael Maicovski. S. 30 – 31.
1259 Vgl. offizielle Website der IVECO-Magirus. Abzurufen unter: http://www.iveco-magirus.de/index.cfm?id=27&art_id=366. Abgerufen am 07.09.2013
364
chionne erleichtert eine Trennung der Bereiche spätere Fusionen mit anderen Unternehmen,
außerdem sei ein derartiges Konglomerat nicht mehr zeitgemäß.1260
Iveco hat sich im Gegensatz zu anderen Nutzfahrzeugherstellern wie Daimler, MAN, Scania
oder Volvo nur kurzzeitig von der Wirtschaftskrise erholt. Experten zufolge hat sich Iveco zu
sehr auf den europäischen Absatzmarkt beschränkt. Hauptabnehmer der Iveco-Fahrzeuge
sind Kunden in den Ländern Spanien und Italien. Andere Nutzfahrzeughersteller konnten
durch die globale Aufstellung ihrer Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen die
Rückgänge am europäischen Markt mit Gewinnen aus anderen Ländern ausgleichen.
Im April 2013 schloss Iveco mit dem irakischen Energieministerium einen Auftrag über die
Lieferung von 1.660 Nutzfahrzeugen in den kommenden drei Jahren ab. Es handelt sich da-
bei um Daily-Kastenwagen sowie Eurocargo-Fahrzeuge mit einem höchst zulässigen Ge-
samtgewicht von bis zu 18 Tonnen. Der Gesamtauftrag beträgt 125 Millionen Euro. Iveco will
den Export in EMEA-Länder1261 ausdehnen und den Marktanteil ausbauen. In Afrika und im
mittleren Osten wird bereits die gesamte Produktpalette von leichten bis schweren Nutzfahr-
zeugen angeboten. Gleichzeitig wird auch das Verkaufs- und Vertriebsnetz in diesen Märk-
ten ausgebaut.1262
Auch Volvo, der weltweit zweitgrößte Nutzfahrzeughersteller nach Daimler, wurde von der
Wirtschaftskrise erfasst. Am europäischen Nutzfahrzeugmarkt war die Nachfrage im Monat
Oktober 2008 gegenüber Oktober 2007 um 28 Prozent rückläufig.1263
Leif Johansson, damaliger Volvo-Chef, berichtete im März 2009, dass der stark ansteigende
Gebrauchtwagenmarkt die Umsätze an Neufahrzeugen reduziere. Volvo rechnete mit einem
Umsatzrückgang am europäischen Markt von bis zu 50 Prozent, da das Unternehmen be-
reits im 1. Vierteljahr 2009 einen Betriebsverlust von 386,4 Millionen Euro erzielte. Volvo
reagierte auf die Krisensituation mit Arbeitnehmerkündigungen. So wurden im Stockholmer
Werk bis zum März 2009 rund 8.000 von insgesamt 100.000 Mitarbeitern gekündigt. Johans-
son blickt trotzdem positiv in die Zukunft, da seiner Meinung nach durch die verschiedenen
1260 Vgl. HANDELSBLATT vom 27.01.2011. AUTO-/INDUSTRIEKONZERN. Fiat bestätigt Ziele – und enttäuscht Anleger. Hrsg. Reuters / Kort Katharina.
Abzurufen unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/auto-industriekonzern-fiat-bestaetigt-ziele-und-enttaeuscht-anleger/3772704.html.
Abgerufen am 13.10.2013.
1261 Anm: EMEA steht für Europe, Middle East, Africa. Vgl. dazu http://www.iveco.com/Germany/presse/veroeffentlichungen/Pages/Iveco-liefert-mehr-als-1-
600-Nutzfahrzeuge-in-den-Irak.aspx. Abgerufen am 13.10.2013.
1262 Vgl. offizielle Website von IVECO. Pressemitteilung vom 26.04.2013. IVECO liefert mehr als 1.600 Nutzfahrzeuge in den Irak. Abzurufen unter:
http://www.iveco.com/Germany/presse/veroeffentlichungen/Pages/Iveco-liefert-mehr-als-1-600-Nutzfahrzeuge-in-den-Irak.aspx. Abgerufen am 13.10.2013.
1263 Vgl. HANDELSBLATT vom 18.11.2008. Daimler Rivale: Volvo meldet Absatzeinbruch für Lkw in Europa. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/daimler-rivale-volvo-meldet-absatzeinbruch-fuer-lkw-in-europa/v_detail_tab_dossier/3056200.html.
Abgerufen am 07.09.2013.
365
Maßnahmenpakete zur Anregung der Wirtschaft, verbunden mit dem niedrigen Zinsniveau,
die Kunden zum Neukauf von Fahrzeugen angehalten werden sollten.1264
Bis Mitte 2009 hat sich die wirtschaftliche Lage bei Volvo nochmals verschlechtert. Der euro-
päische Markt war mit 59 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rückläufig, aber auch
der Markt in den USA ist bis zu 40 Prozent eingebrochen. Der Gewinn im 1. Halbjahr 2008
betrug 657 Millionen Euro, im Vergleich dazu war im 1. Halbjahr 2009 ein Verlust von 630
Millionen Euro zu verzeichnen.1265 Der Hersteller Volvo, der auch die Marken Renault, Mack
und Eicher umfasst, erreichte die Talsohle im August 2009. Die Bestellungen an Neufahr-
zeugen in Europa betrugen 2009 im dritten Vierteljahr 8.200 Fahrzeuge, vergleichsweise im
dritten Vierteljahr 2008 lediglich 115 Fahrzeuge.1266 Volvo hatte im Krisenjahr 2009 einen
Verlust von 1,7 Milliarden Euro eingefahren.
2010, ein Jahr nach der Wirtschaftskrise, schrieben einige Lastwagenproduzenten bereits
wieder Gewinne. Auch der Verband der Automobilindustrie in Deutschland sowie der Fach-
verband der Automobilindustrie innerhalb der Wirtschaftskammer in Österreich zeigten sich
erfreut über diesen Umstand. Volvo hatte in der ersten Jahreshälfte 2010 mit einem Umsatz
von 7,3 Milliarden einen um 27 Prozent höheren Umsatz als im gleichen Vorjahreszeitraum
erzielt. Trotz allem blieb Johansson mit seinen Prognosen vorsichtig und rechnete lediglich
mit einem Wachstum von bis zu 10 Prozent in Europa und in Amerika bis zu 30 Prozent.1267
Volvo konnte nach dem Krisenjahr 2009, in welchem ein Verlust von 1,7 Milliarden Euro ein-
gefahren wurde, im Jahr 2011 sowohl den Umsatz als auch das Betriebsergebnis wesentlich
steigern.
1264 Vgl. HANDELSBLATT vom 24.09.2009. LKW-Branche: Volvo sieht rot für LKW-Markt. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/lkw-branche-volvo-sieht-rot-fuer-lkw-markt/3163806.html. Abgerufen am 07.09.2013.
1265 Vgl. HANDELSBLATT vom 21.07.2009. LKW-Hersteller: Volvos Verlust lässt Lkw-Branche bangen. Autor: Helmut Steuer. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/lkw-hersteller-volvos-verlust-laesst-lkw-branche-bangen/3223732.html. Abgerufen am 07.09.2013.
1266 Vgl. HANDELSBLATT vom 23.10.2009. Nutzfahrzeuge: Volvo sieht Talfahrt beendet. Autor: Helmut Steuer. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/nutzfahrzeuge-volvo-sieht-talfahrt-beendet/3286164.html. Abgerufen am 07.09.2013.
1267 Vgl. HANDELSBLATT vom 22.07.2010. Lastwagenbauer: Volvo kehrt in die Gewinnzone zurück. Autor: Helmut Steuer. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/lastwagenbauer-volvo-kehrt-in-die-gewinnzone-zurueck/3496382.html. Abgerufen am 07.09.2013.
366
Nachfolgend angeführte Umsatz- und Betriebsergebnisse für die Jahre 2010 bis 2012 jeweils
nach Geschäftsbereichen, den Volvo-Geschäftsberichten entnommen:
1268
Tab. 78: Umsatzerlöse und Betriebsergebnis der Volvo Group Global nach Geschäftsbereichen 2010 bis 2012
Volvo konnte im Jahr 2011 ein Rekordergebnis sowohl bei den Umsätzen als auch beim
Betriebsergebnis erzielen.
Im ersten Vierteljahr 2013 kam es zu einem Umsatzeinbruch von 25 Prozent verglichen mit
dem Vorjahreszeitraum. Trotz sofort eingeleiteter Maßnahmen, wie zwischenzeitlichem
Produktionsstopp im nordamerikanischen Werk, wurde im ersten Quartal 2013 ein Verlust
von 35 Millionen Euro eingefahren. Olof Persson, Volvo-Konzernchef, ist jedoch zuversicht-
lich, da die Bestellzahlen bei Volvo wieder ansteigend sind. Für Persson ist dies ein Anzei-
chen dafür, dass die Transporteure auf Neufahrzeuge mit Euro-VI-Motoren umsteigen, um
die gesetzlichen Emissionsvorschriften ab Jänner 2014 zu erfüllen.1269 Volvo hat rechtzeitig
die neue Baureihe FH vorgestellt. Bereits im Frühjahr 2013 verließen die ersten Fahrzeuge
die Werkshallen in Stockholm.1270 Volvo wurde im September 2013 mit der Type FH mit dem
1268 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen des Annual Report der VOLVO GROUP für 2011. S. 73. Volvo Group Annual Report 2011–Volvo
Trucks. Abzurufen unter: http://www3.volvo.com/investors/finrep/ar11/ar_2011_eng.pdf. Abgerufen am 19.12.2012.
Vgl. auch Zahlen des Annual Report der VOLVO GROUP für 2012. S. 91. Volvo Group Annual Report 2012-Volvo. Abzurufen unter:
http://www3.volvo.com/investors/finrep/ar12/ar_2012_eng.pdf. Abgerufen am 16.07.2013.
1269 Vgl. offizielle Website AKTIENCHECK.de vom 25.04.2013. Volvo mit roten Zahlen – Auftragsbücher füllen sich wieder (AF). Abzurufen unter:
http://www.aktiencheck.de/analysen/Artikel-ROUNDUP_Volvo_roten_Zahlen_Auftragsbuecher_fuellen_sich_wieder-4987977. Abgerufen am 08.09.2013.
1270 Vgl. Pressemitteilungen VOLVO TRUCKS vom 21.06.2013. Wie ein ultramodernes Fahrzeug entsteht. Abzurufen unter:
http://www.volvotrucks.com/trucks/austria-market/de-at/newsmedia/pressreleases/Pages/pressreleases.aspx?pubId=16011. Abgerufen am 08.09.2013.
367
Titel „Truck of the Year 2014“ ausgezeichnet.1271 Håkan Samuelsson, ehemaliger Vor-
standsvorsitzender bei MAN – er erklärte anlässlich der Korruptionsaffäre seinen Rücktritt –,
ist seit Oktober 2012 Lkw-Chef beim schwedischen Hersteller Volvo.1272
Daimler konnte die verkaufte Stückzahl an Lastwagen im mittleren und schweren Segment
im Jahr 2008 noch um ein Prozent auf 472.074 Fahrzeuge gegenüber dem Jahr 2007 stei-
gern. Der Umsatz blieb gegenüber dem Vorjahr mit 28,5 Milliarden Euro gleich, jedoch das
EBIT war um fast 25 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro zurückgegangen. Wie bei den anderen
Herstellern hatte auch Daimler 2009, dem Jahr der globalen Wirtschaftskrise, massive Um-
satzeinbrüche. Daimler durchforstete in den einzelnen Unternehmensbereichen die Ge-
schäftsabläufe und versuchte diese noch effizienter zu gestalten, um Kosten einzusparen.
Der Vorstand beschloss gemeinsam mit dem Aufsichtsrat, dass im Jahr 2009 keine Dividen-
de an die Aktionäre ausgeschüttet werde.1273
In den Daimler-Lastwagenwerken Mannheim, Kassel, Gaggenau und Wörth wurde, begin-
nend ab März 2009, Kurzarbeit eingeführt. Vorerst wurden bei den Mitarbeitern die vorhan-
denen Überstunden auf den Gleitzeitkonten abgebaut. Weiters wurden bei Arbeitnehmern
mit befristeten Arbeitsverträgen die Verträge nicht verlängert. Insgesamt waren im gesamten
Daimler-Konzern 27.400 Mitarbeiter, davon 12.800 Mitarbeiter im Nutzfahrzeugbereich von
der Kurzarbeit betroffen.1274
Im ersten Halbjahr 2009 brach der Nutzfahrzeugumsatz um ein Drittel gegenüber dem Vor-
jahr auf 9,1 Milliarden Euro ein. Durch die Marktschwäche am gesamten Weltmarkt ist der
Umsatz auf allen Märkten weiter eingebrochen.
1271 Vgl. offizielle Website von TRUCK OF THE YEAR. Abzurufen unter: http://www.truck-of-the-year.com/winners.html. Abgerufen am 14.09.2013.
1272 Vgl. SPIEGELONLINE vom 03.03.2013. Volvo-Chef Samuelsson: Comeback eines Kostenkillers. Abzurufen unter:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/wie-samuelsson-volvo-retten-will-a-897323.html. Abgerufen am 20.09.2013.
1273 Vgl. offizielle Website von DAIMLER. Abzurufen unter: http: www.daimler.com/. Abgerufen am 08.09.2013.
1274 Vgl. HANDELSBLATT vom 11.03.2009. Nutzfahrzeuge: Kurzarbeit in Daimlers Lkw-Werken. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/nutzfahrzeuge-kurzarbeit-in-daimlers-lkw-werken/3132402.html. Abgerufen am 03.08.2013.
368
Die Rückgänge im Umsatz- und Ertragsbereich sind der folgenden Tabelle aus dem Ge-
schäftsbericht 2009 zu entnehmen:
1275
Tab. 79: Eckdaten der Geschäftsberichte der Daimler AG für den Nutzfahrzeugbereich 2008 und 2009
Von den Umsatzeinbrüchen waren sämtliche Hauptmärkte von Daimler – Europa, Amerika,
Lateinamerika und Japan – betroffen. Positiv zu sehen war, dass der Marktanteil in Deutsch-
land, trotz rückläufiger Absatzzahlen, bei Fahrzeugen der mittleren und schweren Gewichts-
klassen von 39,6 Prozent im Jahr 2008 auf 41,6 Prozent im Jahr 2009 ausgebaut werden
konnte. So konnte Daimler in diesem Segment seine Marktführerstellung weiter ausdehnen.
Die Absatzzahlen im Nutzfahrzeugbereich des Jahres 2009 – verglichen mit dem Vorjahr –
sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:
1275 Quelle: Tabelle entnommen aus dem Geschäftsbericht der DAIMLER AG für das Jahr 2009. Geschäftsfeld Daimler-Trucks. S 124. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1813320_DAI_2009_Geschaeftsbericht.pdf. Abgerufen am 27.07.2013. Anm.: Die Produktions- und
Absatzmengen sind in Stückzahlen angegeben.
369
1276
Tab. 80: Absatzzahlen der Geschäftsberichte der Daimler AG für den Nutzfahrzeugbereich 2008 und 2009
Im Jahr 2010 ging es bei Daimler Truck wieder aufwärts. Die beiden Modelle Mercedes-Benz
der Type Atego und der Atego Blue Tec Hybrid wurden gemeinsam zum „Truck of the Year
2010“ gekürt. Das erfolgreiche Geschäftsjahr spiegelt sich auch in den nachfolgend darge-
stellten Jahresabschlusszahlen wider.1277
Daimler schaffte es im Jahr 2011 mit Entwicklungskosten von einer Milliarde Euro und zwan-
zig Millionen Testkilometern, das Nachfolgemodell der Lastwagentype Actros vorzustellen.
Mit der Produktion dieser Folgemodelle wurde im September 2011 begonnen. Bei der Ent-
wicklung vom Herzstück des neuen Actros, dem Motor OM471, wurden Anforderungen be-
rücksichtigt, wie
1) die ständig steigenden Treibstoffkosten und
2) die Verringerung der Umweltbelastung durch einen niedrigeren Schadstoffausstoß.
So konnte mit der Neuentwicklung des Motors der Treibstoffverbrauch um 3 Prozent gesenkt
werden. Der Motor entspricht bereits den gesetzlichen Abgasnormen (Euro-VI), die ab dem
Jahr 2014 gelten.1278
Andreas Renschler1279, damaliger Lkw-Spartenchef von Daimler, war sehr zufrieden mit den
Jahresergebnissen 2011, gab aber eine vorsichtige Prognose für das Jahr 2012 ab. So wur-
370
den innerhalb des Konzerns im Jahr 2011 425.756 Lastwagen verkauft. Bis zum Jahr 2013
rechnete er mit einem jährlichen Verkauf von 500.000, bis zum Jahr 2020 plant er 700.000
Lastwagen jährlich zu verkaufen.1280
Im Jahr 2011 blickte Daimler auf eine erfolgsreiche 125-jährige Unternehmensgeschichte
zurück. Carl Benz meldete am 29. Jänner 1886 sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum
Patent an. Damit legte Benz den Grundstein für ein erfolgreiches Automobilunternehmen.1281
Laut Angaben der Daimler-Geschäftsberichte 2010 bis 2012 entfallen auf den Nutzfahrzeug-
bereich folgende Kennzahlen:
1282
Tab. 81: Eckdaten der Geschäftsberichte der Daimler AG – Geschäftsbereich Daimler Trucks 2010 bis 2012
1279 Anm.: Wolfgang BERNHARD löste Andreas Renschler mit 1. April 2013 als Chef der LKW-Sparte ab. Renschler ist ab dem 1. April 2013 für die Pro-
duktion, den Einkauf der Mercedes-Benz Cars sowie für den gesamten Geschäftsbereich Mercedes-Benz Vans zuständig. Vgl. dazu offizielle Website von
DAIMLER. Abzurufen unter: http://www.daimler.com/dccom/0-5-78470-49-240375-1-0-0-0-0-1-8-7145-0-0-0-0-0-0-0.html. Abgerufen am 13.03.2013.
1280 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 09.02.2012. Daimler zeigt sich nach Rekordjahr vorsichtig für 2012. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
11.03.2012.
1281 Vgl. offizielle Website der DAIMLER AG. Abzurufen unter: http: www.daimler.com/. am 08.09.2013.
1282 Quelle: Eigene Darstellung anhand der Zahlen des Geschäftsberichtes der DAIMLER AG für das Jahr 2011. Geschäftsfeld Daimler-Trucks. Abzurufen
unter: http://gb2011.daimler.com/geschaeftsfelder/daimler_trucks. Abgerufen am 27.07.2013. Vgl. auch Zahlen des Geschäftsberichtes der DAIMLER AG für
das Jahr 2012. Geschäftsfeld Daimler-Trucks. Abzurufen unter: http://gb2012.daimler.com/geschaeftsfelder/daimler-trucks. Abgerufen am 31.07.2013.
1283 Vgl. offizielle Website von DAIMLER. Abzurufen von: http:www.daimler.com/ am 08.09.2013.
371
Daimler teilte mit, im Zeitraum Jänner bis August 2012 um 20 Prozent weltweit mehr Nutz-
fahrzeuge als im Vorjahr verkauft zu haben. In den Folgemonaten kam es zu einem Absatz-
rückgang, worauf Daimler im Oktober und November sofort mit tageweiser Einstellung der
Produktion reagierte. Dieser Rückgang hielt auch anfangs 2013 noch an.1284 Daimler hatte
2012 vor allem in den Schwellenländern und den USA Umsatzzuwächse, Rückgänge aber in
Brasilien. In Europa konnte mit neuen Fahrzeugmodellen ein leichter Umsatzzuwachs er-
reicht werden.1285 Die Umsatzentwicklung der einzelnen Geschäftsbereiche 2010 bis 2012 ist
nachstehender Statistik zu entnehmen.
1286
Abb. 18: Umsatz der Daimler AG in den Jahren 2010 bis 2012 nach Geschäftsbereichen
Andreas Renschler meint trotz allem, dass Daimler im Jahr 2013 an den Erfolg vom Jahr
2012 anschließen könne. Weltweit rechnet das Unternehmen bei mittelschweren und schwe-
1284 Vgl. WIRTSCHAFTSBLATT vom 27.03.2013. Europäischer Nutzfahrzeugmarkt auf Talfahrt. Abzurufen unter:
http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/europa/1381201/Europaeischer-Nutzfahrzeugmarkt-auf-Talfahrt. Abgerufen am 29.03.2013. Vgl. auch
AUTOMOBILPRODUKTION vom 26.10.2012. Talfahrt auf europäischem Lkw-Markt setzt sich fort. Abzurufen unter: http://www.automobil-
produktion.de/2012/10/talfahrt-auf-europaeischem-lkw-markt-setzt-sich-fort/. Abgerufen am 28.12.2012.
1285 Vgl. DIE WELT vom 27.12.2012. Daimler legt beim Nutzfahrzeugabsatz zu. Abzurufen unter:
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/wirtschaft_nt/article112245471/Daimler-legt-beim-Nutzfahrzeugabsatz-zu.html. Abgerufen am 30.12.2012.
1286 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA 2013. Umsatz der Daimler AG in den Jahren 2010 bis 2012 nach Geschäftsbereichen (in Millionen
Euro). Veröffentlicht 2013 (Genaue Datumsangabe konnte nicht erhoben werden). Abzurufen unter:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/219725/umfrage/umsatz-der-daimler-ag-nach-geschaeftsbereichen/. Abgerufen am 18.06.2013. Anm.: Das Zah-
lenmaterial für die Statistik wurde dem Geschäftsbericht der Daimler AG für das Jahr 2012 entnommen, Geschäftsbericht 2012, S. II/III. Daimler AG, Stuttgart
2012.
372
ren Lastwagen trotz schwieriger Marktsituation 2013 mit Zuwächsen. In Brasilien wird mit
Zuwächsen bis zu 10 Prozent gerechnet, da bessere volkswirtschaftliche Aussichten und
verbesserte Finanzierungsbedingungen zu einer Belebung des Marktes beitragen sollten. In
Europa rechnet Daimler wegen der weiterhin stagnierenden Konjunktur mit einem Rückgang
von rund 5 Prozent.1287
Am 28. Jänner 2013 stellte Daimler für den Baustelleneinsatz die neue Baureihe Arocs vor.
Die Modellreihe umfasst Fahrzeuge der Gewichtsklassen von 18 bis 41 Tonnen Gesamtge-
wicht als Zwei-, Drei- oder Vierachs-Fahrzeuge. Die Fahrzeuge, produziert im Werk Wörth,
sind mit 238 bis 625 PS starken Motoren ausgestattet. Mit der Fertigung der Type Arocs und
des neuen Atego für den Verteilerverkehr bietet Daimler, als erster Nutzfahrzeughersteller,
seinen Kunden Fahrzeuge sowohl in der mittleren als auch schweren Gewichtsklasse – aus-
gestattet mit Euro-VI-Motoren – an. Die Treibstoffersparnis dieser Fahrzeuge liegt bei durch-
schnittlich 6 Prozent.1288
Daimler-Chef Dr. Dieter Zetsche will das im Jahr 2012 eingeführte Sparprogramm fortsetzen.
Die Mitarbeiter werden angehalten, Überstunden entsprechend der Auftragslage zu leisten.
Die Stunden werden ihrem Zeitkonto gutgeschrieben und bei fehlender Auftragslage werden
die Stunden aufgebraucht, das heißt, die Mitarbeiter haben frei. Renschler führte dieses Mo-
dell erfolgreich im Lastwagen-Werk Wörth ein. Hier können bis zu 300 Stunden dem Zeitkon-
to für einen späteren Verbrauch gutgeschrieben werden. Dieses Zeitmodell soll auch in an-
deren Bereichen im Konzern eingeführt werden.1289
Trotz rückläufiger Entwicklungen am Nutzfahrzeugmarkt konnte Daimler die Absatzzahlen im
1. Halbjahr 2013 im Vergleich zum 1. Halbjahr 2012 um ein Prozent steigern. Näheres ist
dem nachstehenden Zwischenbericht zum 30. Juni 2013 zu entnehmen:
1290
Tab. 82: Zwischenbericht der Daimler AG – Geschäftsbereich Trucks für das 1. Halbjahr 2013
1287 Vgl. DIE WELT vom 27.12.2012. Daimler legt beim Nutzfahrzeugabsatz zu. Abzurufen unter:
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/wirtschaft_nt/article112245471/Daimler-legt-beim-Nutzfahrzeugabsatz-zu.html. Abgerufen am 30.12.2012.
1288 Vgl. DAIMLER AG (2012), Der neue Arocs. Bauverkehr. 18 – 41 Tonnen, Stuttgart 2012. S. 5 f.
1289 Vgl. HANDELSBLATT vom 07.09.2013. Zeitkonten-Modell: Daimler will flexiblere Mitarbeiter. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/zeitkonten-modell-daimler-will-flexiblere-mitarbeiter/8757042.html. Abgerufen am 08.09.2013.
1290 Quelle: Tabelle entnommen dem Zwischenbericht der DAIMLER AG für das 2. VJ. 2013. Geschäftsfeld Daimler-Trucks. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/2349556_Daimler_Q2_2013_Zwischenbericht.pdf. Abgerufen am 17.09.2013.
373
Laut Renschler wird der Weltmarkt im Nutzfahrzeugbereich bis zum Jahr 2015 um 50 Pro-
zent zunehmen, wobei Daimler als Marktführer eine gute Position einnehmen wird.1291
Um ein Wachstum in allen Geschäftsfeldern zu erreichen, wurden im September 2013 inner-
halb des Daimler-Konzerns strukturelle Änderungen vorgenommen. Den fünf Geschäftsbe-
reichen Mercedes-Benz Cars, Daimler Trucks, Mercedes-Benz Vans, Daimler-Buses und
Daimler Financial Services werden auch die jeweils zugehörigen Vertriebsfunktionen unter-
stellt. Dadurch können die Verantwortlichen in den einzelnen Geschäftsbereichen besser auf
Kundenbedürfnisse eingehen und schneller sowie flexibler auf die Kundenwünsche reagie-
ren.1292
Der Vertrieb des Personen- und Nutzfahrzeugbereiches wurde somit getrennt. Dadurch soll
neben der Festigung der Kundenbeziehungen auch erreicht werden, dass Kosten gespart
werden und der Umsatz ausgedehnt wird.1293
1291 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 21.09.2010. Daimler Trucks will ab 2013 acht Prozent Rendite erwirtschaften. Abgerufen von: www.automobilwoche.de
am 22.10.2012.
1292 Vgl. Pressemitteilung der DAIMLER AG vom 03.09.2013. Daimler stärkt Kundenorientierung. Abzurufen unter: http://www.daimler.com/dccom/0-5-
7171-49-1628649-1-0-0-0-0-0-9296-0-0-0-0-0-0-0-0.html. Abgerufen am 17.09.2013.
1293 Vgl. HANDELSBLATT vom 03.09.2013. Stärkere Fokussierung: Daimler baut den Vertrieb um. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/staerkere-fokussierung-daimler-baut-den-vertrieb-um/8734202.html. Abgerufen am 08.09.2013.
374
IV. Versuche der Krisenbewältigung
Für die Automobilhersteller ist neben der reinen Exportstrategie ebenso wichtig, Direktinves-
titionen im Ausland vorzunehmen. Dies ist für Produzenten oft die einzige Möglichkeit, um
Zugang zu diesen Automobilmärkten zu finden und auf diesen Märkten vertreten zu sein. Die
Direktinvestitionen am ausländischen Markt können verschiedenster Art sein. Um einige zu
nennen:
Hersteller errichten eine Tochtergesellschaft zum Zweck des Betriebes einer Pro-
duktions- und Vertriebsstätte im Ausland oder
sie übernehmen die Aufgabe als Generalimporteur oder
1294 Vgl. DAIMLER COMMUNICATIONS (2009), Die Vertriebsgeschichte der Daimler AG. Autor: ERNST Josef, 11/2009. S. 144. Abzurufen unter:
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1771281_Vertriebsgeschichte_d_final.pdf. Abgerufen am 16.05.2013.
375
2. Schwellenländer – ein wichtiger Markt für die Nutzfahrzeug-
industrie
Die Globalisierung nimmt neue Formen an und bedeutet für die Nutzfahrzeughersteller eine
große Herausforderung.
Das Beratungsunternehmen A. T. Kearney teilte in einer Pressemitteilung vom 29. August
2006 mit, dass die Nutzfahrzeughersteller durch verschärfte Emissionsvorschriften und den
steigenden Kostendruck passende Strategien entwickeln müssen, um noch ein Wachstum
zu erreichen. Auf europäischen Märkten werden nur mehr mit Schwerfahrzeugen Gewinne
zu erzielen sein, deshalb müssen die etablierten Nutzfahrzeughersteller versuchen, Wachs-
tumsmärkte wie China und Indien zu erobern. Problematisch dabei ist, dass auf diesen Märk-
ten Fahrzeuge überwiegend im Niedrigpreissegment gefragt sind.
Europäische Nutzfahrzeuge sind qualitativ hochwertig, da durch laufende Entwicklung stän-
dig neue Technologien zum Einsatz kommen, die die Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der
Fahrzeuge verbessern.1295
Die Lastwagenproduzenten in China produzieren technisch einfachere Nutzfahrzeuge, des-
halb müssen qualitativ hochwertigere Fahrzeuge aus Europa oder Amerika importiert wer-
den. Der Preis für schwere Lastwagen liegt in China bei durchschnittlich 35.000 Euro, vergli-
chen mit Europa bei 80.000 Euro. Die in China produzierten Fahrzeuge haben eine einfache-
re Ausstattung, geringere Sicherheitsstandards und müssen in gewissen Ländern noch nicht
den strengen Abgasnormen – wie in Europa – entsprechen. In absehbarer Zeit werden die
Transportfirmen in China auch Nutzfahrzeuge wünschen, die qualitativ hochwertiger als die
der eigenen Hersteller, aber billiger sind.
Qualitativ höherwertige Fahrzeuge sind durch die teurere anspruchsvollere Bauart auch mit
höheren Kosten auf der Lieferantenseite verbunden. Die Hersteller müssen dem Wunsch
des Kunden in den Schwellenländern gerecht werden, also hohe Qualität der Fahrzeuge bei
kleinem Preis.
1295 Vgl. A. T. KEARNEY Pressemitteilung vom 29.08.2006. Das Endspiel steht vor der Tür: Chancen und Aussichten für die Nutzfahrzeugindustrie, Hrsg.
Marketing & Communications A. T. Kearney GmbH, München - Düsseldorf 2006.
376
Um bei diesen Forderungen trotzdem noch gewinnbringend zu produzieren, müssen die
Nutzfahrzeughersteller folgende Bedingungen erfüllen:
1) Zukauf der Teile von lokalen Herstellern und
2) Know-how-Transfer1296
Deshalb ist es die Aufgabe der renommierten europäischen Nutzfahrzeughersteller, diese
Anforderungen zu erfüllen. Nach Zukunftsprognosen, abgegeben von der international täti-
gen Managementberatung Oliver Wyman im Jahr 2011, wird eine Absatzsteigerung in China
bei Lastwagen ab 6 Tonnen in den kommenden sieben Jahren mit jährlich 2,7 Prozent gege-
ben sein. China bleibt mit einer Anzahl von 1,5 Millionen Lastwagen ab 6 Tonnen der größte
Absatzmarkt. Der Absatz weltweit wird künftig bei 3,6 Millionen Lastwagen liegen. Die Nach-
frage nach Nutzfahrzeugen in den osteuropäischen und asiatischen Ländern ist deshalb ge-
geben, da eine Verlagerung der Transporte auf die Bahn wegen fehlender leistungsfähiger
Bahnverbindungen und wegen der vielen Wasserstraßen nicht möglich ist.1297
Weltweit wurde in den USA die größte Anzahl an Nutzfahrzeugen – 6.223.031 Stück im Jahr
2012 – produziert, gefolgt von China mit 3.748.150 Stück und Thailand mit 1.525.420 Stück.
Die Details dazu sind den nachfolgenden beiden Statistiken zu entnehmen:
1296 Ebenda.
1297 Vgl. Studie von Oliver Wymann zur Zukunft der Nutzfahrzeugbranche.Trucks go global, Trucks go green. Abzurufen unter:
http://www.oliverwyman.de/media/ManSum_Charts_Commercial_Vehicles_2020.pdf. Hrsg. Oliver Wymann. Abgerufen am 09.09.2013. Vgl. auch MANA-
GER-MAGAZIN-ONLINE vom 28.11.2011. Die größten LKW-Hersteller 2011. Abzurufen unter: http://www.manager-magazin.de/fotostrecke/fotostrecke-
75442.html. Abgerufen am 02.12.2011.
377
1298
Abb. 19: Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in ausgewählten Ländern Nord- und Südamerikas 2012
1299
Abb. 20: Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in ausgewählten Ländern Asiens 2012
1298 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA 2013. Produktion von Nutzfahrzeugen in ausgewählten Ländern Nord- und Südamerikas im Jahr 2012.
suedamerika/. Abgerufen am 11.09.2013. Das Zahlenmaterial für diese Auswertung wurde von der OICA (Organisation Internationale des Constructeurs
d’Automobiles) erhoben.
378
Im Vergleich zu Amerika und Asien wurden im europäischen Raum in der Türkei mit
495.679, gefolgt von Spanien mit 439.499 Stück die meisten Nutzfahrzeuge produziert.
1300
Abb. 21: Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in Europa 2012
1299 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA 2013. Produktion von Nutzfahrzeugen in ausgewählten Ländern Asiens im Jahr 2012. Veröffentlicht
03/2013. Abzurufen unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/163013/umfrage/produktion-von-nutzfahrzeugen-in-ausgewaehlten-laendern-asiens/.
Abgerufen am 30.06.2013. Das Zahlenmaterial für diese Auswertung wurde von der OICA erhoben.
1300 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA 2013. Produktion von Nutzfahrzeugen in ausgewählten Länders in Europa im Jahr 2012. Veröffentlicht
2013 (genaues Datum nicht bekannt). Abzurufen unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/163026/umfrage/produktion-von-nutzfahrzeugen-in-
ausgewaehlten-laendern-europas/. Abgerufen am 30.06.2013. Anm.: Die Statistik zeigt sowohl die produzierten Pkw als auch Lkw in Ländern Europas. Das
Zahlenmaterial für diese Auswertung wurde von der OICA erhoben.
379
National Heavy Truck Corporation, Beiqi-Foton, Shaanxi Automoile Group.1301 Nur beim Ex-
port von Spezialfahrzeugen konnten europäische Nutzfahrzeugproduzenten punkten.
Indien ist einer der größten Absatzmärkte bei Nutzfahrzeugen, da das Transportaufkommen
vor allem in der verarbeitenden Branche immer mehr ansteigt. Der Absatz an Nutzfahrzeu-
gen ist in Indien in den letzten Jahren stark angestiegen, wie folgende Grafik zeigt:
1302
Abb. 22: Nutzfahrzeugabsatz in Indien 2007 bis 2011
Copyright KPMG (KPMG ist ein weltweites Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen)
In einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) teilte Nikolaus Lang mit, dass europäi-
sche Hersteller, wie Daimler, MAN und Volvo, beim Absatz der Fahrzeuge zwischen 3,5 und
7,5 Tonnen Nutzlast hinter den Anbietern der Schwellenländer liegen. Die Hersteller in den
Schwellenländern haben nur einen Vorsprung von drei bis fünf Jahren.
Die Frage ist: Welcher Nutzfahrzeughersteller beliefert die Kunden in den Schwellenländern
mit den richtigen Produkten? Bisher waren am Markt zwei Kategorien: Einerseits teure Last-
wagen, die vor allem in Europa, Japan und Amerika verkauft wurden, und andererseits Fahr-
zeuge zu niedrigen Preisen, die von einheimischen Herstellern in den Schwellenländern nur
für ihre Kunden produziert wurden. Auch die Transporteure der Schwellenländer fangen an,
wirtschaftlich zu denken. Nicht nur der Anschaffungspreis, sondern die Gesamtkosten des
Fahrzeuges gewinnen immer mehr an Bedeutung. Deshalb ist es für westliche Anbieter
wichtig, aus den strategischen Fehlern der Vergangenheit zu lernen, um sich am Markt der
1301 Vgl. MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 28.11.2011. Die größten LKW-Hersteller 2011. Abzurufen unter: http://www.manager-
magazin.de/fotostrecke/fotostrecke-75442.html. Abgerufen am 02.12.2011.
1302 Quelle: Abbildung entnommen von OWC VERLAG FÜR AUSSENWIRTSCHAFT vom 06.06.2012. Ausländer erschließen indischen Nutzfahrzeug-
markt. Abzurufen unter: http://www.owc.de/2012/06/06/auslaender-erschliessen-indischen-nutzfahrzeugmarkt/. Abgerufen am 30.06.2012.
380
Schwellenländer zu etablieren. Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil an Lastwagen am weltwei-
ten Markt im mittleren Gewichtsbereich von derzeit 27 Prozent auf 44 Prozent ansteigen.1303
Auch in den Ländern China und Russland wird die Infrastruktur vermehrt ausgebaut, dadurch
kommt es zu einem Anstieg des Straßengüterverkehrs. Die Transporteure dieser Länder
erhöhen ihre Anforderungen an die Fahrzeuge, aber auch gegenüber dem Service- und
Kundendienstbereich. Die westlich etablierten Nutzfahrzeughersteller müssen deshalb da-
rauf achten, die qualitativ richtigen Fahrzeuge zu produzieren, aber auch ein funktionsfähi-
ges Service- und Vertriebsnetz aufzubauen.
Der Ausbau von Vertriebsnetzen in Regionen wie Afrika, Südostasien und dem Mittleren Os-
ten darf nicht vernachlässigt werden. Vor allem sind die Einsatzbedingungen bei den Kraft-
fahrzeugen in diesen Ländern nicht mit jenen in Europa zu vergleichen.
Die Hersteller erwarten künftig, dass sich sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen und
Kundenwünsche, welche derzeit in Ländern wie China, Indien und USA bestehen, jenen der
Europäischen Union angleichen. Zurzeit orientieren sich die Produzenten bei der Entwick-
lung und Herstellung der Fahrzeuge an den Wünschen und gesetzlichen Anforderungen des
jeweiligen Absatzmarktes.
Die Nutzfahrzeughersteller müssen versuchen, die Fahrzeuge – entsprechend den Anforde-
rungen in den einzelnen Ländern – zu vereinheitlichen und den Kunden zu garantieren, dass
die Fahrzeuge weltweit eingesetzt werden können.
a) Daimler
Nach der Wirtschaftskrise hat sich auch der Markt bei den schweren Lastwagen in Nordame-
rika erholt. Die Kunden wollten im Jahr 2009 vorerst die weitere wirtschaftliche Entwicklung
abwarten. 2010 zeigte sich, dass die Kunden wieder Vertrauen in die Wirtschaft gefasst ha-
ben und Fahrzeuge, welche in den vergangenen Jahren durch die Unsicherheit der wirt-
schaftlichen Lage nicht erneuert wurden, nun ausgetauscht werden. Die amerikanische
Tochter Daimler Trucks North America (DTNA) produziert Nutzfahrzeuge von vier bis zu acht
Tonnen Gesamtgewicht. Die Fahrzeuge werden unter den Markennamen Freightliner, Wes-
tern Star und Thomas Built Buses gefertigt. In Cleveland werden die Nutzfahrzeuge ab acht
Tonnen Gesamtgewicht hergestellt. Um die Nachfrage der Kunden bewältigen zu können,
1303 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 28.02.2012. Studie sieht Lkw-Markt vor Umwälzung. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 26.04.2012.
381
wurden ab Feber 2012 im Werk Cleveland 1200 neue Mitarbeiter eingestellt, und eine weite-
re Produktionsschicht wurde eingeführt.1304
Wichtigste Abnehmerländer von Daimler bleiben Europa, Nordamerika und Japan. Auch in
den Next-11-Ländern (dazu gehören: Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexico, Nige-
ria, Pakistan, Philippinen, Türkei, Südkorea und Vietnam) will Daimler vermehrt Aktivitäten
setzen, da hier noch ein verstärktes Marktpotential vorzufinden ist. In den BRIC-Staaten
(Brasilien, Russland, Indien und China) ist Daimler, ebenso wie MAN, schon teilweise auch
mit eigenen Produktionsstätten vor Ort.
In Indien gründete Daimler im Jahr 2009 das Unternehmen Daimler India Commercial Vehic-
les Ltd. in Oragadam nahe Chennai und eröffnete am 18. April 2012 ein 700 Millionen teures
Lastwagenwerk.1305 Chennai ist die Hauptstadt des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu
und ein wichtiger Automobilstandort. Andere Hersteller wie Hyundai, Honda, Ford haben
nahe Chennai Produktionsstätten. Vorerst denkt Daimler an die jährliche Fertigung von
36.000 Lastkraftwagen in der Gewichtsklasse zwischen 6 bis 49 Tonnen. Maximal ist eine
jährliche Produktionsmenge von 70.000 Stück möglich. Auch ein Forschungs- und Entwick-
lungszentrum sowie eine Teststrecke für LKW sind dem Werk angeschlossen. Die Lastwa-
gen werden unter dem Namen Bharat-Benz vertrieben. Bharat steht in den verschiedenen
Landessprachen für Indien. Daimler will den Barath-Benz in 17 unterschiedlichen Modellty-
pen produzieren, wobei 85 Prozent der Nutzfahrzeugkomponenten am indischen Markt ge-
fertigt und somit die Kosten niedrig gehalten werden können. Einziger Wermutstropfen ist,
dass Daimler ein weitreichendes Händlernetz fehlt, deshalb plant Daimler bis Ende 2014 die
Eröffnung von 100 Service- und Verkaufsstandorten. Die Verkaufszahlen wurden für 2013
mit 12.000 und für 2014 mit 36.000 Stück geplant.1306 Am 10. Juli 2013 teilte Daimler mit,
dass der 5000ste Lastwagen die Werkshallen verlassen habe.1307
Daimler war seit Mitte der 50er-Jahre am Unternehmen des indischen Automobilherstellers
TATA-Motors beteiligt. Im März 2010 verkaufte Daimler seine 5,34-prozentige Beteiligung
um 300 Millionen Euro an verschiedene Investoren. Daimler war ebenso am Mischkonzern
Hero beteiligt und versuchte mit Hero, den Plan der Errichtung eines Lastwagenwerkes in
Indien zu verwirklichen.
Im März 2008 wurde der Vertrag für den Abschluss über das gemeinsame Joint Venture hin-
sichtlich der Lastwagenfertigung in Neu-Dehli unterschrieben. Der Firmenwortlaut der Ge-
sellschaft lautete: Daimler Hero Motor Corporation Ltd. Geplantes Eigenkapital der Gesell-
schaft waren 360 Millionen Euro, wovon Daimler 220 Millionen im Zuge von Direktinvestitio-
nen zu leisten hatte. Das gesamte Investitionsvolumen am Produktionsstandort war mit 700
1304 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 12.01.2012. Daimler erhöht LKW-Produktion in Nordamerika. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 22.10.2012.
1305 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 21.09.2010. Daimler Trucks will ab 2013 acht Prozent Rendite erwirtschaften. Abgerufen von: www.automobilwoche.de
am 22.09.2010.
1306 Vgl.THE ECONOMIC TIMES vom 20. 07.2013. Daimler rolls out 5000th truck from Chennai plant. Abzurufen unter:
http://articles.economictimes.indiatimes.com/2013-07-10/news/40492730_1_daimler-rolls-chennai-plant-truck. Abgerufen am 10.09.2013.
1307 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 18.04.2012. Daimler Trucks eröffnet erstes Werk in Indien. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 22.09.2010.
382
Millionen Euro geplant. Am 15. April 2009 gab Daimler bekannt, dass Hero seine 40-
prozentige Beteiligung an Daimler abgetreten hat. Hero nannte als Grund für das Ausschei-
den aus der Gesellschaft die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und die damit verbundene
schlechte konjunkturelle Lage. Hero will sich wieder verstärkt auf die konzerneigenen Tätig-
keiten beschränken.
Daimler änderte den Firmenwortlaut der Gesellschaft in Daimler India Commercial Vehicles
Ltd. und eröffnete im Jahr 2012 die Produktionsstätte in Oragadam.1308
Daimler will auch den chinesischen Markt erobern und unterzeichnete bereits im September
2003 einen Rahmenvertrag mit FOTON, einer Tochtergesellschaft der Beijing Automotive
Industry Holding Corporation (BAIC). Gesetzesänderungen verzögerten die Durchsetzbarkeit
des Vertrages und den Produktionsbeginn. Im Jahr 2008 wurde neuerlich eine Absichtserklä-
rung unterschrieben und 2012 der Produktionsbetrieb aufgenommen. Der Hersteller Foton –
der erst seit 1998 auf dem Nutzfahrzeugmarkt vertreten ist – verkauft jährlich unter der Mar-
ke Auman rund 100.000 schwere und mittelschwere Lastwagen. Die Auman-Fahrzeuge sind
qualitätiv hochwertiger, daher auch etwas teurer als die Fahrzeuge anderer chinesischer
Nutzfahrzeugproduzenten.
Durch die Zusammenarbeit mit Daimler soll die Produktion auf jährlich 160.000 Einheiten
gesteigert werden. Die Produktionsstandorte und das Vertriebsnetz bringt Foton in das Ge-
meinschaftsunternehmen Daimler-Foton ein. Der technologische Wissensvorsprung im Be-
reich des Dieselmotors sowie der Abgassysteme, das Know-How im Bereich Forschung und
Entwicklung, des Finanz- und IT-Ressorts werden seitens Daimler in das gemeinsame Un-
ternehmen eingebracht. Im September 2011 erhielt Beijin Foton Daimler Automotive Co. Ltd.
vom chinesischen Handelsministerium (MOFCOM) endlich die Bewilligung, mit dem deut-
schen Automobilhersteller Daimler den Joint Venture zu schließen. Das Gemeinschaftsun-
ternehmen wird von Wu Yuejun als Präsident seitens Foton und Stefan Albrecht von Daimler
als Executive Vizepräsident geleitet. Daimler und Beiqi Foton Motor sind am Joint-Venture
Beijing Foton Daimler Automotive (BDFA) mit je 50 Prozent beteiligt.1309
Die ersten Fahrzeuge wurden bereits im dritten Vierteljahr 2012 ausgeliefert. Auch in China
werden die Umweltanforderungen strenger, deshalb erhalten die Fahrzeuge den Mercedes-
Motor OM475 (entsprechend Euro-IV), welcher die gesetzlichen Abgasnormen in China er-
füllt. Die Motoren werden sowohl in die Fahrzeuge in Europa als auch in Fahrzeuge für ande-
re Länder eingebaut. Da die Lastwagen teils dem europäischen Standard entsprechen, sind
sie technologisch ausgereifter als die der chinesischen Konkurrenten.
1308 Vgl. AUTO-MOTOR-SPORT-ONLINE vom 09.03.2010. Tata-Beteiligung: Daimler trennt sich von Indern. Daimler verkauft TATA-Beteiligung. Abzurufen
unter: http://www.auto-motor-und-sport.de/news/daimler-trennt-sich-von-indern-daimler-verkauft-tata-beteiligung-1780687.html. Abgerufen am 22.09.2010.
Vgl. auch ATZ-Online vom 25.04.2008. Daimler und Hero gründen Nutzfahrzeug-Jointvneture in Indien. Hrsg. Caterina Schröder. Abzurufen unter:
http://www.springerprofessional.de/daimler-und-hero-gruenden-nutzfahrzeug-jointventure-in-indien-7781/3943260.html. Abgerufen am 25.09.2010.
1309 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 21.09.2010. Daimler Trucks will ab 2013 acht Prozent Rendite erwirtschaften. Abgerufen von: www.automobilwoche.de
am 22.09.2010.
383
Durch die Gemeinschaftsproduktion sind die Lastwagen für die chinesischen Kunden er-
schwinglich. Die Daimler-Lastwagen der Type Actros wären für den chinesischen Massen-
markt zu teuer. Vom Standort des Gemeinschaftsunternehmens Foton, Peking-Huairou, wol-
len die beiden Partner auch den Vertrieb in Asien vornehmen. 2011 betrug der chinesische
Markt bereits 40 Prozent des gesamten Weltmarktes im Bereich der mittleren und schweren
Nutzfahrzeuge.1310
Daimler plant, in den nächsten Jahren rund drei Milliarden Euro am chinesischen Markt zu
investieren, wobei zwei Milliarden in die Personenwagen-Produktion mit dem Partner BAIC
fließen sollten. Vorerst sollen in das Joint-Venture mit BDFA rund 700 Millionen Euro inves-
tiert werden.
Neben der Lastwagenproduktion plant Daimler auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit
dem chinesischen Baumaschinenproduzenten Zoomlion. Zoomlion wurde 1992 gegründet
und hat rund 30.000 Mitarbeiter.1311
Russland wird noch als Zukunftsmarkt gesehen, deshalb will Daimler seinen Marktanteil
auch in diesem Land ausdehnen. Daimler wird wie bisher gemeinsam mit dem russischen
Fahrzeughersteller Kamaz schwere Lastkraftwagen fertigen und diese über das Vertriebs-
netz von Kamaz vertreiben.1312 Daimler ist derzeit mit 11 Prozent am Hersteller Kamaz betei-
ligt und beabsichtigt, bis Ende 2013 die Beteiligung auf 45 Prozent zu erhöhen. Das Unter-
nehmen ist in Nabereschnyje Tschelny angesiedelt und produziert jährlich rund 51.000 Last-
wagen.1313
b) MAN
1310 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 18.02.2012. Daimler startet im dritten Quartal Lkw-Produktion in China. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
22.03.2012. Vgl. auch AUTOMOBILWOCHE vom 26.09.2011. Daimler darf in China endlich Lkw bauen. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
22.03.2012
1311 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 27.02.2012. Daimler will Lkw-Partnerschaft mit Chinesen ausbauen. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
29.03.2012.
1312 Vgl. INDUSTRIE MAGAZIN vom 15.04.2011. Ausbau: Lkw-Bauer MAN investiert 25 Millionen Euro in eigenes Werk in Russland. Abzurufen unter:
http://www.industriemagazin.net/home/artikel/Ausbau/Lkw_Bauer_MAN_investiert_25_Millionen_Euro_in_eigenes_Werk_in_Russland/aid/6373?af=Stories.R
essort.AA. Abgerufen am 18.05.2011.
1313 Vgl. RIANOVOSTI vom 04.07.2013. Rostec: Daimler vervierfacht Beteiligung an Kamac bis Jahresende. Abzurufen unter:
http://de.ria.ru/business/20130704/266427856.html. Abgerufen am 11.09.2013.
384
men mit den Firmenwortlaut MAN Force Trucks Pvt. Ltd. in Pithampur. MAN plante, mit dem
Unternehmen am indischen Markt Fuß zu fassen. Die unterschiedlichen Kulturen beider Her-
steller sowie die europäische Unternehmensphilosophie in Einklang zu bringen, das brachten
große Probleme mit sich. MAN SE übernahm im Jahr 2011 die restlichen 50 Prozent Anteile
am Unternehmen MAN Force Trucks Pvt. Ltd. zu einem Preis von 150 Millionen Euro.1314
MAN will künftig die Produktionskapazitäten vergrößern, ebenso soll das Vertriebs- und Ser-
vicenetz ausgebaut werden, wobei MAN Investitionskosten von circa 200 Millionen Euro in
den kommenden acht Jahren plant.
MAN setzte auch in weiteren Staaten Asiens entsprechende Aktivitäten. So wurde 2011 mit
Sinotruk, einem chinesischen Nutzfahrzeughersteller, eine Partnerschaft eingegangen, wo-
bei sich MAN an dem Unternehmen mit 25 Prozent und einer Aktie beteiligte und dafür einen
Kaufpreis von 560 Millionen Euro bezahlte. Sinotruk ist in China mit einem Marktanteil von
20 Prozent führend im Bereich der schweren Lastwagen und verkaufte im Jahr 2010 rund
100.000 Lastwagen. Der Umsatz von Sinotruk betrug 2008 2,5 Milliarden Euro, das EBIT
betrug 122 Millionen Euro. MAN erwartet sich durch die strategische Partnerschaft den Vor-
teil, die Vertriebsnetze und die Produktionsstätten von Sinotruk zu nutzen. Das erste ge-
meinsam produzierte Fahrzeug wurde im Mai 2011 in Schanghai vorgestellt. Außerdem soll
die MAN-Lastwagentype TGA von Sinotruk in Lizenz gefertigt werden. MAN plant die Errich-
tung eines Montagewerkes in St. Petersburg, da MAN am russischen Markt bereits sehr prä-
sent ist.1315
Brasilien ist ebenfalls einer der wichtigsten Auslandsstandorte für die deutschen Nutzfahr-
zeugproduzenten. Die deutschen Hersteller produzierten 2010 an Fahrzeugen über 6 Ton-
nen um 47 Prozent mehr als im Jahr 2009. (2010 105.000 Einheiten, 2009 71.500 Einhei-
ten). Mercedes-Benz und MAN haben zusammen einen Marktanteil von 56 Prozent im Nutz-
fahrzeugbereich über 6 Tonnen.1316
Der Umweltfaktor gewinnt in diesen Ländern immer mehr an Bedeutung. So gibt es auch in
Brasilien gesetzliche Emissionsnormen. Deshalb bietet MAN sämtliche Nutzfahrzeuge für
den Absatzmarkt Brasilien mit Euro-V-Motoren an. Weiters wurden leistungsstärkere Last-
wagen ab 400 PS in die Produktion mit aufgenommen. Um die Marktposition in Brasilien zu
halten und weiter auszubauen, will MAN im Zeitraum 2012 bis 2016 rund 400 Millionen Euro
1314 Vgl. Nachrichten vom 21.11.2011 der VOLKSWAGEN AG. MAN Truck and Bus verstärkt Engagement in Indien, MAN Truck and Bus, München 2011.
Abzurufen unter: http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2011/11/MAN_Truck_Bus_increases_commitment_in_India.html.
Abgerufen am 24.07.2013
1315 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 272 vom 22.11.2011. MAN greift im Indien-Geschäft durch. S. 14. Vgl. auch TECHNIK UND
WIRTSCHAFT FÜR DIE DEUTSCHE INDUSTRIE vom 22.12.2010. Chinesischer Lkw von MAN und Sinotruk rollt erst ab 2012. Abzurufen unter:
http://www.produktion.de/unternehmen-maerkte/automobilindustrie/chinesischer-lkw-von-man-und-sinotruk-rollt-erst-ab-2012/. Abgerufen am 30.06.2012.
Vgl. auch MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 15.07.2009. MAN: 560 Millionen Euro für Sinotruk-Einstieg. Abzurufen unter: http://www.manager-
magazin.de/unternehmen/artikel/a-636312.html. Abgerufen am 11.09.2013.
1316 Vgl. VERBAND DER DEUTSCHEN AUTOMOBILINDUSTRIE (VDA) vom 13.04.2011. Deutsche Automobilindustrie verstärkt ihre Präsenz in Brasilien.
Abzurufen unter: http://www.vda.de/de/meldungen/archiv/2011/04/13/2660/. Abgerufen am 19.04.2013.
385
in Forschung und Entwicklung sowie in den Ausbau einzelner Produktionsstätten investie-
ren.1317
Es wird unbedingt notwendig sein, dass westliche Nutzfahrzeughersteller auf derartigen
Märkten versuchen – mit geringen Absatzmengen – Fuß zu fassen. Denn sollten Kunden
dieser Absatzmärkte bereits auf chinesische oder indische Nutzfahrzeughersteller aufmerk-
sam geworden sein, gibt es für westliche Hersteller – auch wenn sie qualitativ bessere Fahr-
zeuge produzieren – keine Chance mehr, sich auf diesen Märkten anzusiedeln.
Der Nutzfahrzeughersteller MAN investierte 2011 in die Adaptierung von bestehenden
Werkshallen in St. Petersburg 25 Millionen Euro und will damit am raschen Wachstum des
Lkw-Marktes in Russland teilnehmen. Beabsichtigt war, dass ab Juni 2013 die ersten Last-
kraftwagen von der russischen Tochtergesellschaft MAN Truck & Bus Production RUS pro-
duziert werden, um damit ein Viertel des Lastwagenbedarfes in Russland zu decken. Im
Werk sollen sämtliche europäischen Baureihen hergestellt werden. Vorteil der eigenen Pro-
duktionsstätte ist, dass Importzölle vermieden werden. MAN verfügt bereits über ein eigenes
Vertriebsnetz.1318 Doch die Eröffnung im Juni 2013 musste wieder verschoben werden – die
Produktionshallen sind bereits seit einem Jahr fertig –, berichtete Thomas Schneiderheinze,
MAN-Generaldirektor in Russland. Für den Produktionsstart fehlen noch offizielle Genehmi-
gungen.1319
1317 Vgl. Pressemitteilung der MAN SE vom 16.01.2012. MAN hält auch 2011 klare Spitzenstellung am LKW-Markt in Brasilien, München 2012. Abzurufen
unter: http://www.man.eu/de/presse-und-medien/pressemitteilungen/MAN-haelt-auch-2011-klare-Spitzenstellung-am-Lkw-Markt-in-Brasilien-14656.html.
Abgerufen am 23.04.2013.
1318 Vgl. RIANOVOSTI vom 14.02.2013. Lkw-Hersteller MAN nimmt Produktion in St. Petersburg auf. Abzurufen unter:
http://de.ria.ru/business/20130214/265523964-print.html. Abgerufen am 11.09.2013.
1319 Vgl. DIE WELTONLINE vom 05.07.2013. Auslandsinvestments: Deutsche Firmen spüren die Fallstricke Russlands. Abzurufen unter:
http://www.welt.de/wirtschaft/article117733892/Deutsche-Firmen-spueren-die-Fallstricke-Russlands.html. Abgerufen am 11.09.2013.
1320 Vgl. HANDELSBLATT vom 31.01.2012. Scania baut erstmals Werk in Indien. Abzurufen unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/vw-
tochter-scania-baut-erstmal-werk-in-indien/6131910.html. Abgerufen am 30.06.2012.
386
in Indien oder Vermieter von Nutzfahrzeugen, wie United Tractors in Indonesien, haben die
Heavy-Duty-Baufahrzeuge von Scania eingesetzt.1321
Ebenso produziert Volvo bereits seit dem Jahr 2004 Lastwagen in China. Volvo plant, sein
Werk in Pithampur (im Bundesstaat Madhya Pradesh) großzügig um 53 Millionen US-Dollar
auszubauen. Volvo hat kein eigenes Werk in Indien, sondern ein Joint Venture mit Volvo
Eicher Commercial Vehicles.1322
Im Mai 2013 stimmte die EU-Kommission einer Fusion des Lastwagenherstellers Volvo mit
dem chinesischen Dongfeng-Konzern zu. Durch den Zusammenschluss befürchtet die Wett-
bewerbsbehörde keine Auswirkungen im Wettbewerb am europäischen Nutzfahrzeug-
markt.1323 Dongfeng ist der weltgrößte Nutzfahrzeughersteller und fertigt auch Busse und
Personenwagen. Außerdem entwickelt und produziert das Unternehmen Motoren sowie
Fahrzeugkomponenten.1324
Im Juli 2013 schlossen sich „Fiat Industrial“ und die amerikanische US-Tochter CNH (ausge-
richtet auf Bau- und Landmaschinen) zusammen, womit weltweit der drittgrößte Investitions-
güterkonzern entstand. Die CNH-Aktionäre genehmigten am 27. Juli 2013 die Fusion. CNH
ist in 170 Ländern präsent und umfasst die Marken New Holland und Case. Der Firmenname
des neuen Unternehmens ist CNH-Industrial.1325
Der Unternehmensbereich „Fiat-Industrial“ umfasst auch den Lkw-Bereich, Iveco. Rund ein
Drittel des Gesamtumsatzes von Fiat-Industrial entfällt auf die Lastwagensparte. Iveco hat
auch nach der Wirtschaftskrise noch immer mit Umsatzrückgängen zu kämpfen. Da die
Landmaschinensparte CNH Gewinne erzielt, erwartet sich Fiat-Industrial durch die Fusionie-
rung insgesamt eine Verbesserung des Betriebsergebnisses.1326
1321 Vgl. www.EUROTRANSPORT.de vom 06.06.2008. Fit für die Arbeit. Scania im Bausegment auf 50 % Wachstum eingestellt. Abzurufen unter:
http://www.eurotransport.de/news/fahrzeuge-fit-fuer-harte-arbeit-273942.html Abgerufen am 11.09.2013.
1322 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 18.02.2012. Daimler startet im dritten Quartal Lkw-Produktion in China. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
22.03.2012. Vgl. auch AUTOMOBILWOCHE vom 26.09.2011. Daimler darf in China endlich Lkw bauen. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
22.03.2012.
1323 Vgl. HANDELSBLATT vom 08.05.2013. Konkurrenz für Daimler: Lkw-Konzern Volvo und Dongfeng dürfen fusionieren. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/konkurrenz-fuer-daimler-lkw-konzern-volvo-und-dongfeng-duerfen-fusionieren/8180432.html. Abgerufen
am 29.07.2013.
1324 Vgl. HANDELSBLATT vom 24.07.2013. Lkw-Bauer: Volvo erholt sich von der Konjunkturflaute. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/lkw-bauer-volvo-erholt-sich-von-der-konjunkturflaute/8539564.html. Abgerufen am 29.07.2013.
1325 Vgl. HANDELSBLATT vom 21.02.2013. Lkw–Bauer: Fiat Übernahme von US-Tochter auf dem Weg. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/lkw-bauer-fiat-bringt-uebernahme-von-us-tochter-auf-den-weg/7820484.html. Abgerufen am 29.07.2013.
1326 Vgl. WIRTSCHAFTSWOCHE vom 31.07.2013. Iveco und Co. US-Landmaschinen lassen Gewinn von Fiat Industrial wachsen. Abzurufen unter:
http://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/iveco-und-co-us-landmaschinen-lassen-gewinn-von-fiat-industrial-wachsen-/8575060.html. Abgerufen am
29.07.2013.
387
4. Kooperationen mit Unternehmen innerhalb Europas
Daimler hat mit 27. März 2013 nach Zustimmung der EU-Kommission die 50-prozentige Be-
teiligung der Firma Pappas an der Mercedes-Benz Österreich Vertriebsgesellschaft m.b.H. in
Wien übernommen. Somit ist die Daimler AG 100-prozentige Gesellschafterin der Mercedes-
Benz Österreich Vertriebsgesellschaft m.b.H. Der Firmenwortlaut des Unternehmens wurde
in Mercedes-Benz Österreich GmbH geändert. Mag. Bernhard Denk, Geschäftsführer des
Unternehmens seit 1. 1. 2006, schied aus und Frau Corinna Widenmeyer trat seine Nachfol-
ge an.1327 Der Ersatzteilhandel für Österreich wird ab dem 1. Jänner 2014 über das Lo-
gistikcenter in Nürnberg organisiert.1328
1327 Vgl. Firmenbuchauszug der MERCEDES-BENZ-ÖSTERREICH GmbH. Veröffentlicht im Firmenbuch vom Landesgericht Salzburg unter
Firmenbuchnummer 67524a. Elektronische Einsichtnahme am 30.07.2013.
1328 Vgl. KFZ-WIRTSCHAFT vom 10.01.2013. Fachmagazin für Fahrzeughandel, Reparatur und Industrie. Der Wirtschaftsverlag, 2013. Daimler übernimmt
Mercedes-Import. Abzurufen unter: http://www.automotive.co.at/daimler-uebernimmt-mercedes-import-123831.html. Abgerufen am 15.07.2013.
1329 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 04.08.2011. TATRA und DAF kooperieren. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 30.12.2012.
1330 Vgl. Neuigkeitenarchiv DAF vom 10.07.2012. DAF Trucks mit neuer Vertretung in Serbien. Abzurufen unter: http://www.daf.eu/DE/News-and-
Media/News/Pages/DAF-Trucks-appoints-Braca-Crnomarkovicas-distributor-in-Serbia.aspx. Abgerufen am 16.11.2011.
1331 Vgl. WIRTSCHAFTSBLATT vom 14.06.2012. Volvo schnappt sich größeren Anteil an Deutz. Abzurufen unter:
http://wirtschaftsblatt.at/home/boerse/international/1241712/Volvo-schnappt-sich-groesseren-Anteil-an-Deutz. Abgerufen am 18.10.2012.
388
warb 22 Millionen Aktien für rund 130 Millionen Euro.1332 Volvo und Deutz planen mit der
Übernahme eine engere Kooperation im Segment der mittelschweren Motoren. Auch die
Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens in China für die Motorenherstellung wird ins
Auge gefasst.1333
1332 Vgl. PROFI INTERNET FÜR PROFESSIONELLE AGRARTECHNIK vom 15.09.2012. AB Volvo ist neuer Großaktionär bei Deutz. Abzurufen unter:
http://www.profi.de/news/AB-Volvo-ist-neuer-Grossaktionaer-bei-Deutz-1102466.html. Abgerufen am 17.10.2012.
1333 Vgl. WIRTSCHAFTSBLATT vom 14.06.2012. Volvo schnappt sich größeren Anteil an Deutz. Abzurufen unter:
http://wirtschaftsblatt.at/home/boerse/international/1241712/Volvo-schnappt-sich-groesseren-Anteil-an-Deutz. Abgerufen am 18.10.2012.
1334 Vgl. Presseinformation der MAN SE vom 12.01.2010. MAN Nutzfahrzeuge und Rheinmetall gründen gemeinsames Unternehmen.
1335 Vgl. Firmenbuchauszug der RHEINMETALL MAN MILITARY VEHICLES ÖSTERREICH GESMBH. Veröffentlicht im Firmenbuch des Handelsgerichtes
Wien unter der Firmenbuchnummer 344783i. Elektronische Einsichtnahme am 28.09.2013.
1336 Vgl. Presseinformation der MAN SE vom 12.01.2010. MAN Nutzfahrzeuge und Rheinmetall gründen gemeinsames Unternehmen, München 2010.
389
die Herstellung wird ausschließlich von Rheinmetall vorgenommen. Bestellungen des öster-
reichischen Bundesheeres sind bei der RMMV vorzunehmen und nicht mehr bei MAN.1337
Das Unternehmen sollte 2012 die Produktionskapazitäten einschränken, da das Geschäft mit
den Panzerfahrzeugen nicht so richtig anlief. Die RMMV hatte einen Großauftrag von 7200
gepanzerten Militärtransportfahrzeugen erfüllt, und ein anderer Auftrag war im Frühjahr 2013
nicht in Aussicht. Insgesamt hat die RMMV 1479 Mitarbeiter beschäftigt, die Hälfte davon im
Werk-Liesing. Von der Produktionseinschränkung wären 756 Mitarbeiter betroffen gewesen.
In Absprache mit dem Betriebsrat konnte erreicht werden, dass vorerst Kurzarbeit eingeführt
wird.
Neben der Produktion von Militärfahrzeugen werden am Standort in Liesing auch Schwer-
fahrzeuge, Feuerwehrfahrzeuge für Flughäfen sowie Betonpumpen produziert. Die Bauwirt-
schaft ist durch fehlende öffentliche Aufträge rückläufig, und daher ist auch ein größerer Be-
darf an diesen Fahrzeugen nicht gegeben. Die RMMV wird in Wien neben dem Produktions-
bereich auch im Verwaltungsbereich Einsparungen vornehmen.1338
Ein Großauftrag der australischen Armee Mitte des Jahres 2013 sicherte einen Großteil der
Arbeitsplätze. 200 Arbeitnehmer mussten im September 2013 im Wiener Werk trotzdem ab-
gebaut werden. Der Auftrag für die australische Armee hat einen Auftragswert von 1,1 Milli-
arden Euro und umfasst die Fertigung von 2.500 Spezialfahrzeugen, wie Logistikfahrzeuge
für Krisenregionen. In Österreich werden die Chassis und die Fahrerkabinen gefertigt, aust-
ralische Unternehmen fertigen den Aufbau der Fahrzeuge. Das Werk in Wien ist mit diesem
Auftrag für die Jahre 2016 bis 2020 ausgelastet. Die RMMV ist spezialisiert auf die Produkti-
on von Armeefahrzeugen mit mehreren Achsen und hat ein dementsprechendes militärtech-
nisches Wissen im Bereich der Forschung und Entwicklung derartiger Fahrzeuge.1339
1337 Vgl. Gemäß Aussagen von Herrn Wolfgang Schwetz, Leiter der After Sales Abteilung der MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich AG. Gespräch am
11.10.2012, Bürogebäude Barbara Preimel, Ponauer Straße 53 a, Spittal/Drau.
1338 Vgl. DER STANDARD vom 05.04.2013. Rheinmetall MAN schrumpft Werk in Liesing. Abzurufen unter:
http://derstandard.at/1363707115388/Rheinmetall-MAN-schrumpft-Werk-in-Liesing. Abgerufen am: 06.04.2013
1339 Vgl. DER STANDARD vom 31.07.2013. MAN in Wien-Liesing: Großauftrag der australischen Armee. Abzurufen unter:
http://derstandard.at/1373514239869/Armee-Milliardenauftrag-geht-nach-Liesing. Abgerufen am: 06.04.2013
1340 Vgl. offizielle Website der VOLKSWAGEN AG. Nachrichten der Volkswagen AG vom 09.11.2011. Volkswagen kommt integrierten Nutzfahrzeugkonzern
einen großen Schritt näher. Abzurufen unter:
390
Durch die Beteiligungserhöhung von VW an der Unternehmung MAN auf über 30 Prozent
wurde – laut Börsenrecht – ein Pflichtübernahme-Angebot von VW bei allen MAN-
Stammaktionären ausgelöst. Im Mai 2011 bot VW den MAN-Stammaktionären beim Verkauf
einen Preis von 95 Euro je Aktie und den Vorzugsaktionären von 60 Euro je Aktie (entspre-
chend dem Durchschnittskurs der letzten drei Monate).
Martin Winterkorn vom VW-Konzern versicherte in der MAN-Hauptversammlung vom
27. Juni 2011, dass eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Scania und MAN gewünscht
ist, aber alle spezifischen Eigenschaften der beiden Marken und alle Geschäftsfelder davon
nicht berührt werden. Außerdem gab Martin Winterkorn in der Hauptversammlung eine
Standort- und Beschäftigungsgarantie ab.1341
Routinemäßig werden bei derartigen Übernahmen Prüfungen auf Unregelmäßigkeiten von
der Aufsichtsbehörde BaFin1342 vorgenommen.1343
Gleichzeitig mit dem Pflichtangebot wurde auch die Fusionskontrollanmeldung bei der EU-
Kommission in Brüssel eingebracht. VW rechnete damit, dass alle Freigaben der Kommissi-
on in der 2. Jahreshälfte 2011 vorliegen würden. Die Übernahme muss von der Europäi-
schen Kommission genehmigt werden, damit nicht eine Beeinträchtigung des Wettbewerbes
in Europa entstehen könnte. Weltweit waren es 20 Kartellbehörden, die dem Vorgang zu-
stimmen mussten.1344
Die zuständigen Behörden in Albanien, Deutschland, Israel, Japan, Kroatien, Mazedonien
Mexiko, Montenegro, Türkei und USA gaben ihre Zustimmung bereits bis Mitte August 2011
ab.1345
Die chinesische Wettbewerbsbehörde stimmte als Letzte am 03. November 2011 der Trans-
aktion zu.1346 Bereits einige Zeit vor der Übernahme erteilte die EU-Kommission ihre Zu-
stimmung, da bedeutende Nutzfahrzeughersteller wie DAF, Daimler, Iveco und Volvo sowie
http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2011/11/Volkswagen_moves_key_step_closer_to_integrated_commercial_vehicles_grou
p.html. Abgerufen am 20.10.2012
1341 Vgl. MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 09.05.2011. VW legt Übernahmeangebot für MAN vor. Abzurufen unter: http://www.manager-
magazin.de/unternehmen/autoindustrie/a-761450-2.html. Abgerufen am 23.07.2013.
1342 Anm.: Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn und Frankfurt am Main) kontrolliert im öffentlichen Interesse als Finanzmark-
taufsichtsbehörde alle Bereiche des Finanzwesens in Deutschland. Durch die BaFin soll ein stabiles und funktionsfähiges Finanzsystem gewährleistet sein,
damit Anlagen, Banken und Versicherte dem Finanzsystem vertrauen können. Vgl. dazu: http://www.bafin.de/DE/Startseite/startseite_node.html. Abgerufen
am 23.07.2013.
1343 Vgl. MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 04.07.2011. VW übernimmt bei MAN das Steuer. Abzurufen unter: http://www.manager-
magazin.de/unternehmen/industrie/a-772186.html. Abgerufen am 9.12.2012
1344 Vgl. DIE PRESSE vom 13.01.2012. VW will Kooperation von MAN und Scania vorantreiben. Abzurufen unter:
http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/723523/VW-will-Kooperation-von-MAN-und-Scania-vorantreiben. Abgerufen am 17.01.2012
1345 Vgl. Volkswagen Media Service. Pressemitteilung der Volkswagen AG vom 23.08.2011. Volkswagen Media Service, Wolfsburg. VW-reicht Fusionskon-
trollanmeldung bei EU-Kommission ein. Abzurufen unter: https://www.volkswagen-media-
services.com/medias_publish/ms/content/de/pressemitteilungen/2011/08/23/volkswagen_reicht.standard.gid-oeffentlichkeit.html. Abgerufen am 20.10.2012
1346 Vgl. Pressemitteilung der MAN SE vom 09.11.2011. Pressearchiv. Volkswagen wird Mehrheitsaktionär von MAN, München 2011. Abzurufen unter:
http://cms.man.de/MAN/de/Presse/Pressemitteilungen/Pressearchiv_2011/index.html?qry=20111109_se_closing.html. Abgerufen am 28.11.2012
391
Bushersteller wie Daimler, Iveco, Solaris, VDL und Volvo keine Einwendungen hatten und
sich im Wettbewerb nicht beeinträchtigt fühlen.1347
Der Kurs der MAN-Aktie stieg nach Annahme des Übernahme-Anbots dem 1. Juli 2011 auf
99,24 Euro. Am letzten Tag vor der Übernahmsfrist, dem 29. Juni 2011, lag der Kurs der
MAN-Aktie bei 92,55 Euro.
Gründe für die Kursentwicklung könnten gewesen sein:
VW hielt an MAN eine 53,71-prozentige Beteiligung und hatte 55,90 Prozent der
Stimmrechte des Grundkapitals der MAN SE.
MAN hielt an Scania eine 13,35-prozentige Beteiligung und hatte 17,37 Prozent der
Stimmrechte des Grundkapitals der Scania AB – wie im Jahr 2013 noch immer.
Mit dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an MAN veränderte sich für VW auch indirekt die
Beteiligungshöhe an Scania. MAN hält Anteile an Scania, die nunmehr VW zugerechnet
werden. Unter Berücksichtigung dieser gegenseitigen Beteiligungen hält VW an Scania
89,18 Prozent (bisher 71,81 Prozent) der Stimmrechte und 62,64 Prozent (bisher 49,3 Pro-
zent) des Grundkapitals.1348
Am 6. Juni 2012 erhöhte VW den Stimmrechtsanteil bei MAN auf 75,03 Prozent von bisher
73,76 Prozent.1349
1347 Vgl. MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 27.09.2011. Künftiger LKW-Gigant. EU erlaubt Volkswagen Übernahme von MAN. Abzurufen unter:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/a-788520,00.html. Abgerufen am 16.02.2012.
1348 Vgl. Nachrichten vom 09.11.2011 der VOLKSWAGEN AG. Volkswagen kommt integriertem Nutzfahrzeugkonzern einen großen Schritt näher. Abzuru-
fen unter:
http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2011/11/Volkswagen_moves_key_step_closer_to_integrated_commercial_vehicles_grou
p.html. Abgerufen am 04.02.2012
1349 Vgl. Nachrichten vom 05.06.2012 der VOLKSWAGEN AG. Volkswagen Konzern erhöht Stimmrechtsanteil an MAN SE auf 75,03 Prozent. Abzurufen
unter:
http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2012/06/Volkswagen_Konzern_erhöht_Stimmrechtsanteil_an_MAN_SE_auf_75_03_Proz
ent.html. Abgerufen am 11.09.2013.
392
Unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beteiligungen ergibt sich nachstehende Beteili-
gungsstruktur zum 31. Juli 2013:1350
Die Volkswagen AG brachte ihre Beteiligung an der MAN SE in die neu gegründete Gesell-
schaft Truck & Bus GmbH ein. Alleiniger Gesellschafter der Truck & Bus GmbH ist die
Volkswagen AG. Die Truck & Bus GmbH besitzt nunmehr 73,72 Prozent des Grundkapitals
an der MAN SE und 75,03 Prozent der Stimmrechte. Das Stammkapital und die Kapitalrück-
lagen der Gesellschaft betragen 12,3 Milliarden Euro, was einer Eigenkapitalquote von fast
100 Prozent entspricht. Die Truck & Bus GmbH umfasst die MAN-Geschäftsbereiche des
Nutzfahrzeug- und Bussektors innerhalb der Volkswagen AG.
Im Juni 2013 wurde zwischen der MAN SE und der Truck & Bus GmbH ein Beherrschungs-
und Gewinnabführungsvertrag, gültig ab 2014, abgeschlossen. Es werden sämtliche Jahres-
ergebnisse der MAN SE an die Truck & Bus GmbH übertragen. MAN-Vorstandssprecher Dr.
Pachta-Reyhofen teilte anlässlich der Hauptversammlung in München am 6. Juni 2013 mit,
dass der Abschluss des Vertrages nicht das Ende von MAN bedeute und dadurch auch kei-
ne Arbeitsplätze verloren gehen. MAN-Fahrzeuge werden auch künftig mit MAN-Teilen ge-
baut – und werden nicht mit der Technologie von Scania oder VW ausgestattet – und tragen
weiterhin den Markennamen MAN. Grund für den Abschluss des Vertrages war, bedingt
durch das schwierige wirtschaftliche Umfeld in der Nutzfahrzeugbranche, gemeinsam mit
einem starken Partner zukünftig einen integrierten Nutzfahrzeugkonzern zu schaffen.1351
1350 Vgl. MAN SE Investor Relations (2013). We are MAN. MAN Factbook Juli 2013. Abzurufen unter:
http://www.man.eu/man/media/content_medien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/factbook/MAN_Factbook_2013.pdf. Abgerufen am
11.08.2013.
1351 Vgl. Presseinformation der MAN SE vom 06.06.2013. Rede von Dr. Georg Pachta-Reyhofen, Sprecher des Vorstands der MAN SE, anlässlich der
Hauptversammlung am 6.6.2013, München 2013.
393
Ferdinand Piëch hat es geschafft, eine der größten Lastwagengruppen innerhalb des Volks-
wagenkonzerns zu vereinen.1352 VW hat seine Marktposition am westeuropäischen Nutzfahr-
zeugmarkt durch die Eingliederung von MAN und Scania in den VW-Konzern verstärkt.
1353
Abb. 24: Marktanteile der Nutzfahrzeughersteller in Westeuropa 2011
MAN ist nun wie andere namhafte Automarken in den VW-Konzern eingegliedert. Dem VW-
Konzern sind 2012 folgende Hersteller zugehörig:
1354
Abb. 25: Dem VW-Konzern zugehörige Automobilhersteller 2013
Copyright Volkswagen AG
1352 Vgl. Nachrichten vom 09.11.2011 der VOLKSWAGEN AG. Volkswagen kommt integriertem Nutzfahrzeugkonzern einen großen Schritt näher. Abzuru-
fen unter:
http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2011/11/Volkswagen_moves_key_step_closer_to_integrated_commercial_vehicles_grou
p.html.Abgerufen am 04.02.2012
1353 Vgl. Die ONLINE-WELT vom 04.07.2011. Patriarch Piech vollendet sein Lebenswerk. Abzurufen unter:
http://www.welt.de/wirtschaft/article13467840/Patriarch-Piech-vollendet-sein-Lebenswerk.html. Abgerufen am: 11.09.2013.
1354 Quelle: Abbildung entnommen von: http://www.autobild.de/bilder/stress-um-opel-1868259.html#bild2|ref=http://www.autobild.de. Abgerufen am
11.08.2013.
394
Vorrangiges Ziel von VW im Lastwagenbereich ist, die Zusammenarbeit zwischen MAN und
Scania voranzutreiben, da beide Nutzfahrzeughersteller in den vergangenen Jahren Welt-
marktanteile an indische und chinesische Nutzfahrzeughersteller verloren.
Für MAN wird es möglich, gemeinsam mit starken Partnern, wie es VW und Scania sind, die
Chancen der Globalisierung besser und intensiver zu nutzen.1355 MAN hat im Vergleich zu
Scania – bedingt durch ihre Unternehmensgröße – durch die Eingliederung in den VW-
Konzern größere Vorteile, denkt Pötsch.
Die beiden Hersteller Scania und MAN sind im technologischen Bereich weit voneinander
entfernt, und eine gezwungene Zusammenarbeit innerhalb des VW-Konzerns würde mehr
zerstören. Die Zusammenarbeit muss langsam aufgebaut werden, um gemeinsam sämtliche
Vorteile zu nutzen. VW hat verglichen mit MAN und Scania wenig Erfahrung im Nutzfahr-
zeugbereich und wird sich daher begnügen müssen, im Hintergrund zu agieren.1356 Syner-
gien für die beiden Nutzfahrzeughersteller sollen im Einkaufsbereich, in der Entwicklung und
in der Produktion genutzt werden. Dadurch sind laut VW-Finanzvorstand Hans-Dieter Pötsch
jährliche Einsparungen von rund 200 Millionen erzielbar, ein Großteil im Beschaffungsbe-
reich, ebenso im Forschungs- und Entwicklungsbereich, in der Produktion und im Vertrieb.
Doch bis zu diesem Ziel ist es sicherlich noch ein weiter Weg, bedenkt man, dass die Ver-
käufer der im Konzern vereinten Hersteller 2011 nicht einmal die Preislisten austauschen
durften.1357
Mit MAN und Scania treffen zwei grundverschiedene Partner aufeinander. VW-Chef Piëch
wird dafür sorgen müssen, dass keine Machtkämpfe zwischen den beiden Nutzfahrzeugher-
stellern stattfinden, was einer künftigen Entwicklung schadet.
Gemeinsame Arbeitsgruppen von Scania und MAN treffen sich regelmäßig, um Strategien
zu entwickeln, um Gemeinsamkeiten zu nutzen. Anderen Informationen zufolge ist es so,
dass keine Annäherung erfolgt, da beide Nutzfahrzeughersteller sowohl im technischen Be-
reich als auch in Bezug auf die Unternehmenskultur weit voneinander entfernt sind.
Leif Östling, Scania-Chef, hat eine Vertragsverlängerung von drei Jahren bekommen. Der
Vertrag von Dr. Georg Pachta-Reyhofen als Vorstandssprecher der MAN SE wurde vom
Aufsichtsrat bis 30. Juni 2016 verlängert, da der VW-Konzern auf seine erfolgreiche Mitarbeit
zählt.1358
1355 Vgl. HANDELSBLATT vom 28.07.2011. LKW-Branche floriert. MAN hebt die Prognose an. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/lkw-branche-floriert-man-hebt-die-prognose-an/4440814.html. Abgerufen am 30.07.2011.
1356 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 5.3.2012. Volkswagen baut in seine Lastwagen-Allianz auf MAN. Abzurufen unter:
http://www.faz.net/themenarchiv/wirtschaft/automobilindustrie/automobilindustrie-volkswagen-baut-in-seiner-lastwagen-allianz-auf-man-11673383.html.
Abgerufen am 06.04.2012.
1357 Vgl. Nachrichten vom 09.11.2011 der VOLKSWAGEN AG. Volkswagen kommt integriertem Nutzfahrzeugkonzern einen großen Schritt näher. Abzuru-
fen unter:
http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2011/11/Volkswagen_moves_key_step_closer_to_integrated_commercial_vehicles_grou
p.html. Abgerufen am 04.02.2012
1358 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 147 vom 28.06.2011. Kommentar: Die Marke MAN. S. 9.
395
MAN hat im Jahr 2011 bereits 1000 neue Mitarbeiter am Standort in München eingestellt, um
die Bereiche Produktentwicklung, Service und After-Sales-Bereich noch besser zu be-
treuen.1359
VW will mit der Mehrheitsübernahme bei MAN um einiges mehr mitreden und über den Auf-
sichtsrat Einfluss auf beide Unternehmen, MAN und Scania, ausüben. Am 20. April 2012
wurden neben dem Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, Dr. Martin Winterkorn,
Jochem Heizmann, verantwortlich für den Nutzfahrzeugbereich, und Finanzchef Hans Dieter
Pötsch in den Aufsichtsrat der MAN SE gewählt.1360
Grundprinzip laut VW-Chef Winterkorn soll sein, dass MAN die spezifischen Eigenschaften
ihrer Nutzfahrzeugmarken beibehält. MAN und auch VW erwarten sich von der Zusammen-
arbeit eine Ergänzung der Angebotspalette, denn die Produktion der VW-Nutzfahrzeuge en-
det bei 7,5 Tonnen Gesamtgewicht und die der MAN-Nutzfahrzeuge beginnt bei 7,5 Tonnen
Gesamtgewicht.1361
Der Kooperationsvertrag zwischen VW mit Daimler über die Zusammenarbeit im Bereich des
Mercedes-Benz Transporters Crafter ist mit Ende 2016 beendet. VW baut hier auf eine Zu-
sammenarbeit mit MAN und plant die Entwicklung eines neuen Kleinlastwagens. Sollte die-
ser Plan nicht funktionieren, zieht VW andere Alternativen in Erwägung. VW könnte entwe-
der nach einem neuen Kooperationspartner in dieser Gesamtgewichtsklasse Ausschau hal-
ten oder den bestehenden Vertrag mit Daimler verlängern.1362
In europäischen Gebieten werden die Zufahrtsbeschränkungen für größere Fahrzeuge im-
mer problematischer, daher fordern die Transporteure Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht
von 3,5 bis 7,5 Tonnen. Diese Fahrzeuge kann MAN den Kunden derzeit nicht anbieten. VW
plant gemeinsam mit MAN die Entwicklung einer Baureihe derartiger Kleinlastwagen. Die
asiatischen Regionen – wo eine große Nachfrage nach Fahrzeugen der unteren Gewichts-
klassen besteht – könnten damit bedient werden. Auf dem nun auch bereits stark umkämpf-
ten asiatischen Markt sind in diesen Gewichtsklassen Anbieter wie Fusu und Isuzu zu finden.
Auch hier gelten die gleichen Gesetze wie in Europa, nämlich: ein kleinerer Verkaufspreis
bietet geringere Margen.1363
1359 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 17.06.2011. MAN baut seine Präsenz am Standort München aus. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am
19.2.2012.
1360 Vgl. HANDELSBLATT vom 01.03.2012. VW übernimmt bei MAN endgültig die Macht. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/aufsichtsratswahlen-vw-uebernimmt-bei-man-endgueltig-die-macht/6276976.html. Abgerufen am
06.04.2012.
1361 Vgl. MANAGER-MAGAZIN-ONLINE vom 09.05.2011. VW/MAN: Überschaubares Angebot. Abzurufen unter: http://www.manager-
magazin.de/unternehmen/industrie/a-761525,00.html. Abgerufen am 06.04.2012.
1362 Vgl. HANDELSBLATT vom 14.03.2012. VW-Nutzfahrzeugchef: Gespräche über Kleinlastwagen mit MAN laufen. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/economy-business-und-finance-vw-nutzfahrzeug-chef-gespraeche-ueber-kleinlastwagen-mit-man-laufen/6326426.html. Abgeru-
fen am 16.04.2012.
1363 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 5.3.2012. Volkswagen baut in seiner Lastwagen-Allianz auf MAN. Abzurufen unter:
http://www.faz.net/themenarchiv/wirtschaft/automobilindustrie/automobilindustrie-volkswagen-baut-in-seiner-lastwagen-allianz-auf-man-11673383.html.
Abgerufen am 06.04.2012.
396
Um am Markt bestehen zu können, müssen die Hersteller auf der Kostenseite Einsparungen
vornehmen, da eine Erhöhung der Verkaufspreise nicht durchsetzbar ist. Kostenminimierung
soll durch gezielte Kooperationen der Unternehmen in den Bereichen, Forschung, Entwick-
lung, Einkauf und Produktion erreicht werden.
Durch die Globalisierung hat sich die Nutzfahrzeugindustrie gänzlich geändert. Harter Wett-
bewerb, kleinere Gewinnspannen, steigende Kosten im Forschungs- und Entwicklungsbe-
reich stellen an die Nutzfahrzeughersteller große Anforderungen. Auf die Nutzfahrzeugbran-
che kommen sicher auch nach der Wirtschaftskrise noch schwere Zeiten zu. Die Hersteller
müssen lernen, die Produktionskapazitäten flexibler zu gestalten. Wichtig wird sein, eine
Strategie zu entwickeln, damit einerseits die Produktionskosten gesenkt werden. Anderer-
seits sind die Arbeitsabläufe noch effizienter zu gestalten, um die Gewinnsituation nachhaltig
zu verbessern.
Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass im Rahmen der Business-To-Business-Ge-
schäftsbeziehungen nicht nur die sogenannten Hard Factors wie Qualität, Technik und Preis
von Bedeutung sind, sondern auch die Soft Factors, wie Offenheit, Ehrlichkeit, Sympathie
und Vertrauen. Hier muss die Nutzfahrzeugindustrie anknüpfen. Marken erfüllen nicht nur
eine Prestige-, sondern auch eine Vertrauensfunktion. Starke Marken verfügen über ein grö-
ßeres Vertrauenspotenzial als schwache. Markenmanagement ist daher Vertrauensma-
nagement.
Daher werden die Veränderungen am Nutzfahrzeugmarkt nur durch klare Strategien zu be-
wältigen sein. Nicht nur die Weiterentwicklung im Fahrzeugbereich ist für die Hersteller wich-
tig, sondern es zählen auch die Leistungen, welche den Kunden gegenüber erbracht werden.
So sollten den Kunden künftig verbesserte Leistungen in den Werkstätten wie etwa ein 24-
Stundenservice oder Vermietungskonzepte für Nutzfahrzeuge angeboten werden.
Die Unternehmenssparte der eigenen Nutzfahrzeugvermietung wird für die Hersteller immer
wichtiger. Die Weltwirtschaftskrise hat bei den Transporteuren zu großen Unsicherheiten
geführt, zudem werden, sofern Transportverträge vorhanden sind, diese meist für einen kür-
zeren Zeitraum abgeschlossen. Die Kunden sind bei der Neuanschaffung von Fahrzeugen
zögerlich und ziehen vielfach die Vermietungsvariante dem Neukauf vor. Im Jahr 2011 wurde
nachstehender Prozentanteil an neu zugelassenen schweren Lastwagen im Vermietungs-
wege den Transporteuren überlassen:
50 % in den USA
25 bis 30 % in Großbritannien
397
25 % in Skandinavien
7% in Deutschland (der deutsche Markt sollte bis Ende 2013 die 10-Prozent-
Grenze erreichen).1364
Derzeit wird der Lastwagen-Mietmarkt noch überwiegend von herstellerunabhängigen Ver-
mietern beherrscht. In Deutschland sind bereits herstellerabhängige Vermieter wie Charter-
Way (Mercedes), Rental (MAN), Scania Rent (Scania) und PacLease (DAF) vorhanden.
MAN teilte mit, dass es zukünftig in jeder MAN-Niederlassung auch eine Niederlassung der
MAN-Rental geben werde. MAN will durch die Vermietung von Nutzfahrzeugen den Kunden
eine noch breitere Angebotspalette und eine bessere Flexibilität im Transportbereich bie-
ten.1365
Der Bekanntheitsgrad herstellerabhängiger und -unabhängiger Lastwagen-Vermieter in
Deutschland ist nachstehender Abbildung zu entnehmen.
1366
Abb. 26: Bekanntheit von ausgewählten Lkw-Vermietern in Europa 2010
1364 Vgl. FOCUS ONLINE vom 20.09.2010. Folgen der Wirtschaftskrise. Trend geht zum Miet-LKW. Abzurufen unter: http://www.focus.de/auto/news/folgen-
der-wirtschaftskrise-trend-geht-zum-miet-lkw_aid_553883.html. Abgerufen am 02.02.2011.
1365 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 20.09.2010. Vermietgeschäft bietet Lkw-Herstellern neue Chancen. Abgerufen von www.automobilwoche.de am
22.10.2012.
1366 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA 2010. Bekanntheitsgrad von ausgewählten LKW-Vermietern in Europa im Jahr 2010. Abzurufen unter:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/168231/umfrage/bekanntheit-von-lkw-vermietern-in-europa/. Abgerufen am 21.06.2013. Anm.: Das Zahlen-
material für diese Auswertung bezieht sich auf Unternehmen, die sowohl LKW-Vermietung und -Leasing anbieten. Angaben über die Anzahl der befragten
398
Die Miete ermöglicht es den Kunden einerseits, mit weniger gebundenem Kapital im Unter-
nehmen zu arbeiten, andererseits die Lastwagenflotten an die entsprechende Auslastung
anzupassen. Die Vermieter stellen den Kunden relativ neuwertige Fahrzeuge zur Verfügung.
Die Fahrzeuge entsprechen den jeweiligen Anforderungen für die verschiedenen Einsatzbe-
reiche im Unternehmen der Kunden. Nach einer Lebensdauer von zwei bis vier Jahren wer-
den die Lastwagen dem Gebrauchtmarkt zugeführt. Vorteil für die Kunden ist, dass sämtliche
Wartungsarbeiten und spätere Verkaufsbemühungen entfallen. Dr. Klaus Stricker (Partner
der Bain & Company) schätzt, dass der Fuhrpark der Transporteure sich künftig wie folgt
zusammensetzen wird:
Personen sowie den Erhebungszeitraum wurden keine gemacht. Das Zahlenmaterial wurde entnommen von GNAMM Jörg /STRICKER Klaus / BENDIG
Oliver (2010), Hrsg. Bain & Company 2010, Zukunftsmarkt Lkw-Vermietung. S. 4.
Vgl. auch VERKEHRSRUNDSCHAU.de. Das Portal für Spedition, Transport und Logistik vom 05.10.2010. Lkw-Hersteller drängen ins Vermietgeschäft.
Abzurufen unter: http://www.verkehrsrundschau.de/lkw-hersteller-draengen-ins-vermietgeschaeft-973976.html. Abgerufen am 30.06.2013.
1367 Vgl. GNAMM Jörg / STRICKER Klaus / BENDIG Oliver (2010), Zukunftsmarkt LKW-Vermietung, Hrsg. Bain & Company, Deutschland - Schweiz, 2010.
Abzurufen unter http://www.bain.de/Images/Bain_brief_ZukunftsmarktLKW-Vermietung_2010_Final.pdf. Abgerufen am 17.07.2012.
1368 Vgl. offizielle Website von PEMA. Abzurufen unter: http://www.pematruck-trailer.de/. Abgerufen am 08.09.2013.
399
2011 hat sich der Nutzfahrzeugmarkt nach der Wirtschaftskrise weltweit bereits etwas erholt.
Volker Lange, Präsident des Verbandes der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK),
rechnete für das Jahr 2011 am deutschen Nutzfahrzeugmarkt mit einer weiteren positiven
Entwicklung. Im Jahr 2010 gab es 282.000 Neuzulassungen an Nutzfahrzeugen, eine Stei-
gerung von 16,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für das Jahr 2011 wurden 296.000 Zulas-
sungen prognostiziert. Volker Lange gab zu bedenken, dass sowohl die Ausgewogenheit
und Nachhaltigkeit des Aufschwungs gesichert sein müsse. Der Absatz muss weiter gestreut
werden und eine Harmonisierung der Lieferkette eintreten. Das Zusammenspiel zwischen
Wirtschaft, Politik und Gewerkschaft, vor allem bei Lohn- und Beschäftigungspolitik, hat sich
als äußerst positiv erwiesen.1369
Um am Nutzfahrzeugmarkt weiter zu bestehen, ist es unerlässlich, Kooperationen nicht nur
mit den Herstellern, sondern auch mit Zulieferfirmen einzugehen, damit steigende For-
schungs- und Entwicklungsaufwendungen geteilt und Synergien genutzt werden können.
Auch Fusionien sind oftmals erforderlich, um Synergien im Beschaffung- und Herstellungs-
bereich zu nutzen. Gesetzliche Regelungen sehen künftig weitere Senkungen des Schad-
stoffausstoßes von Fahrzeugen vor. Als Einzelkämpfer – wie in den Anfangsjahren der Au-
tomobilindustrie – haben die Hersteller heute keine Überlebenschance am Automobilmarkt.
Auch die Verkehrsplaner und die für logistische Bereiche verantwortlichen Personen sind
gezwungen umzudenken. Derzeit werden rund 72 Prozent der Güter auf Autobahnen trans-
portiert, wobei sich dieser Prozentsatz in den nächsten Jahren deutlich erhöhen wird. Eine
Verbessung wäre – nach Financial Times – ein weiterer Ausbau der Autobahnen oder über-
haupt dem Nutzfahrzeug eine eigene Fahrspur auf der Autobahn einzuräumen. Auch die
Möglichkeit der Cargobeamer muss betrachtet werden. Dabei wird die Fracht mittels Auflie-
ger zum Bahnhof gebracht, und ein Stahlarm transportiert sie auf den Waggon. Diese
Frachtart rentiert sich jedoch erst ab einem Transport von 500 Kilometern auf der Schie-
ne.1370
1369 Vgl. TRANSPORT – DIE ZEITUNG FÜR DEN GÜTERVERKEHR vom 05.01.2011. VDIK: Nutzfahrzeugmarkt 2010 deutlich erholt. Abzurufen unter:
http://www.transport-online.de/Transport-News/Wirtschaft-Politik/10696/VDIK-Nutzfahrzeug-Markt-2010-deutlich-erholt. Abgerufen am 19.06.2012.
1370 Vgl. FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND vom 15.11.2010. Fusionen und Umbauten. Aufräumen in der Lkw-Industrie. Abzurufen unter:
http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:fusionen-und-umbauten-aufraeumen-in-der-lkw-industrie/50194847.html. Abgerufen am 19.06.2012.
400
6. Strenge Emissionsvorschriften und deren Auswirkungen auf die Nutzfahr-
zeugproduktion
In Großstädten werden in den kommenden Jahren abgasfreie Zonen entstehen. Dies bedeu-
tet für die Transportfirmen, dass Lastkraftwagen bestimmte Strecken elektrisch angetrieben
zurücklegen müssen. Für die Nutzfahrzeughersteller heißt dies enorme Entwicklungskosten
für entsprechende Antriebssysteme.
Renault hat einen 16-Tonnen Elektro-Lastwagen für Versuchszwecke im Verteilerverkehr im
Raum Lyon eingesetzt. Es werden acht Supermärkte beliefert, wobei der Lastwagen täglich
rund 75 km fast geräuschlos zurücklegt. Das Fahrzeug hat 5,5 Tonnen Nutzlast, die Lithium-
Ionen-Batterien haben eine Kapazität von 150 kWh und sind in acht Stunden aufgeladen.
Der Motor erbringt eine Leistung von 140 PS. Ein stärkeres Fahrzeug hat es bis dato noch
nie gegeben.1371
Europaweit wird auf den technischen Fortschritt der Nutzfahrzeuge gesetzt und gefordert, so
schnell wie möglich die Abgasnorm Euro-VI bei Nutzfahrzeugen einzuführen. Gesetzlich ge-
regelt wurde, dass neue Nutzfahrzeuge und Busse ab dem Jahr 2014 dieser Abgasnorm
entsprechen müssen. Ab dem Jahr 2009 gilt europaweit die Euro-V-Einstufung für schwere
Nutzfahrzeuge und Busse.1372
1371 Quelle: Eigene Darstellung entnommen von STATISTIK AUSTRIA. Fahrzeugbestand 31. August 2013. Hrsg. Bundesanstalt Statistik Austria, Wien
2013. Vgl. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/verkehr/strasse/kraftfahrzeuge_-_bestand/index.html. Abgerufen am 13.10.2013.
1372 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 45 vom 23.02.2011. Grüne: Land soll stärker auf Euro 6 dringen. S. 43
401
Der ständig steigende Transportbedarf führt zu höheren Zulassungszahlen an Fahrzeugen.
Der Fahrzeugbestand an Pkw- und Nutzfahrzeugen zum 31. August 2013 in Österreich ist
nachstehender Statistik zu entnehmen.
1373
Tab. 83: Nutzfahrzeug-Bestand (Lkw und Busse) am 31. August 2013
1373 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTIK AUSTRIA. Entwicklung des Transportaufkommens nach Verkehrsträgern 1995 – 2012.
Hrsg. Bundesanstalt Statistik Austria, Wien 2012. Abzurufen unter: http://www.statistik.at/web_de/services/wirtschaftsatlas_oesterreich/verkehr/index.html.
Abgerufen am 12.09.2013.
402
Japan und China wurden auch gesetzlich CO2-Grenzwerte für Nutzfahrzeuge beschlossen,
in den USA und Europa ist mit einer ähnlichen gesetzlichen Regelung in den Jahren 2015
bis 2017 zu rechnen.1374
Die Mürztaler Verkehrsgesellschaft (MVG) in Kapfenberg hat mit Mitte 2013 einen Hybridbus
der Type Volvo 7900 eingesetzt. Laut Fahrzeughersteller ist eine 30-prozentige Treibstoffer-
sparnis mit einer gleichen CO2-Einsparung gegeben. Von dem umweltfreundlichen Bus be-
kommen die Fahrgäste nichts zu spüren. Wenn der Bus bei der Fahrstation zum Stillstand
kommt, stellt sich der Dieselmotor ab, und das Abfahren von der Station erfolgt ausschließ-
lich elektrisch.1375
Der Forschungsbereich beschränkt sich daher zunehmend auf die Hybrid-Technik oder den
reinen Elektroantrieb. Beim Hybridantrieb gibt es zwei Energiewandler, einen Verbren-
nungsmotor und eine elektrische Maschine, das Fahrzeug hat daher auch einen Kraftstoff-
tank und eine Batterie. Die beim Bremsen erzeugte Wärme wird in der Batterie gespeichert,
und steht dem Elektromotor beim nächsten Beschleunigen des Fahrzeuges zur Verfügung.
Ziel ist es, einen geringeren Treibstoffverbrauch zu erreichen, auf längere Strecken wird eine
Ersparnis von 10 Prozent Diesel erwartet. Fuso, eine Niederlassung von Daimler in Japan,
ist in der Entwicklung von Hybridantrieben Vorreiter. Ein Schwerlastwagen, der in Europa
einem 26-Tonnen Lastwagen entsprechen würde, wurde unter der Bezeichnung Fuso Super
Great Eco-Hybrid den Kunden vorgestellt. Ein Sechstonner, ebenfalls von Fuso entwickelt,
mit der Bezeichnung Fuso Canter Eco Hybrid wurde erstmals 2006 präsentiert und seither
1.200 Mal verkauft. Nach den positiven Forschungsergebnissen wird nun versucht, auch den
Mercedes-Benz Actros mit einem Hybridantrieb auszustatten. Daimler hat in Nordamerika
schon einige hunderte Busse im Einsatz, welche mit einem Hybridantrieb versehen sind.1376
Das Unternehmen Daimler vereinbarte mit dem russischen Nutzfahrzeughersteller Kamaz
eine Zusammenarbeit, wonach Nutzfahrzeuge hergestellt werden, die einen Mix von Daimler
und Kamaz aufweisen, aber deutlich billiger als die Daimler-Nutzfahrzeuge sind.
Die Fahrzeuge werden im Vorfeld der Inbetriebnahme geprüft, ob der Schadstoffausstoß
unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten liegt. In Untersuchungen der Techni-
schen Universität Graz wurde festgestellt, dass ein geringerer Treibstoffverbrauch einen
größeren Ausstoß von Stickstoffoxiden1377(NOx) verursacht. Der Gesetzgeber schreibt
Grenzwerte für Stickstoffoxide vor, jedoch keine Werte für den Treibstoffverbrauch. Ab dem
1374 Vgl. Pressemitteilung vom 22.09.2010. Nutzfahrzeuge werden grün. A.T.Kearney-Studie untersucht die Potenziale alternativer Antriebe im Nutzfahr-
zeugbereich, A. T. Kearney GmbH, Wien 2010. Abzurufen unter:
http://www.atkearney.at/content/presse/pressemitteilungen_practices_detail.php/practice/automotive/id/50357. Abgerufen am 03.03.2012.
1375 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR 07/2013. Österreichischer Personenverkehr: Erster Hybridbus für die Mürztaler Verkehrsgesellschaft (MVG):
Sparsamer Umweltfreund. S. 4.
1376 Vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Nr. 8 vom 10.01.2012. Die Hybrid-Technik könnte auch im Lastwagen Zukunft haben. S. T4.
1377 Anm.: „Stickstoffoxide, kurz Stickoxide genannt, enstehen hauptsächlich bei Verbrennungsprozessen durch die Oxidation von in der Luft enthaltenem
Stickstoff. Wesentliche Quellen sind dabei Kraftfahrzeug-Motoren, kalorische Kraftwerke und Heizungen.“ Abzurufen unter:
http://www.wien.gv.at/umweltschutz/luft/stickoxide.html. Abgerufen am 13.10.2013.
403
Jahr 1992 wurden die Grenzwerte für Stickstoffoxide um 60 Prozent verringert. Die Herstel-
ler versuchen den Treibstoffverbrauch niedrig zu halten, was dennoch im täglichen Fahrbe-
reich nicht immer zur gewünschten Abnahme der Stickstoffoxide führt.1378
Für neu zugelassene Kraftfahrzeuge in der EU dürfen pro Kilowattstunde (kWh) festgelegte
Grenzwerte von Stickstoffoxiden (NOx), Kohlenmonoxid (CO) und bei den Partikeln nicht
überschritten werden.
Die Nutzfahrzeuge werden in EURO-Emissionsklassen unterteilt.1379
1380
Tab. 84: Abgasnormen für schwere Nutzfahrzeuge (Lkw und Busse)
Für Fahrzeuge älteren Baujahres, die nicht die angeführten Abgasnormen erfüllen, fallen
höhere Abgaben an, sozusagen als Strafe für den höheren Schadstoffausstoß.
1378 Vgl. LAND BRANDENBURG, MINISTERIUM FÜR LÄNDLICHE ENTWICKLUNG, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ. Umweltdaten aus Bran-
denburg, Bericht 2007. Hrsg. Landesumweltamt Brandenburg 2007. Abzurufen unter: http://www.lugv.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/udat5_07.pdf.
Abgerufen am 13.10.2013.
1379 Vgl. VERKEHRSRUNDSCHAU vom 05.09.2001. Ab Oktober gilt Euro-3-Abgasnorm. Abzurufen unter: http://www.verkehrsrundschau.de/ab-oktober-
gilt-euro-3-abgasnorm-39130.html. Abgerufen am: 13.10.2013.
1380 Quelle: Eigene Darstellung entnommen der Broschüre der WKO 05/2010, S 6. Euro-Klassen Zuordnung des Fahrzeugbestandes. Schwere Nutzfa-
hrzeuge (Lkw, Busse) > 3,5 to hzG. Autoren: Ebner Stefan / Fischer Reinhard / Blihall Anita.
404
1381
Abb. 27: Entwicklung der EU-Emissionswerte für Dieselmotoren 1990 - 2014
Wie vorab angeführte Abbildung zeigt, wird der Schadstoffausstoß kontinuierlich gesenkt.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind die Transporteure bestrebt, die Fahrzeuge in regel-
mäßigen Abständen zu erneuern. Die geringen Gewinnspannen im Güterbeförderungsbe-
reich und die hohen laufenden Kosten führen bei Transportunternehmen oftmals zu geringen
Gewinnen. In den Jahresabschlüssen ist daher eine niedrige Eigenkapitalquote, jedoch eine
wesentlich höhere Fremdkapitalquote ausgewiesen. Eine Kredit- oder Leasingfinanzierung
für Neufahrzeuge ist manchen Unternehmen durch mangelnde Bonität aufgrund des Ban-
kenratings gemäß Basel-III nur schwer möglich. Transportbetriebe können daher mangels
Liquidität den Fuhrpark nicht wie gewünscht in regelmäßigen Abständen erneuern oder
nehmen die Möglichkeit der Mietvariante von Nutzfahrzeugen der Hersteller in Anspruch.
Die einzelnen Umweltressorts der Bundesländer Österreichs gewährten den Transportunter-
nehmen Förderungen für den Kauf eines Lastwagens der Emissionsklasse Euro-VI. Die För-
derung betrug in Salzburg 1.000 Euro oder 1.500 Euro pro Fahrzeug je nach Gewichtsklas-
sen. Gefördert wurden 100 Lkw bis zu 7,5 Tonnen und 100 Lkw mit mehr als 7,5 Tonnen
Gesamtgewicht. Maximal waren fünf Fahrzeuge je Antrag stellendem Unternehmen förder-
1381 Quelle: Abbildung entnommen der Broschüre der WKO 05/2010, S 9. Euro-Klassen Zuordnung des Fahrzeugbestandes. Schwere Nutzfahrzeuge (Lkw,
Busse) >3,5 to hzG. Autoren: Ebner Stefan / Fischer Reinhard / Blihall Anita. Anm.: Die Abkürzungen stehen für: HC (Kohlenwasserstoff), CO (Ko-
hlenmonoxid), NO x (Stickstoffoxide).
405
bar.1382 In Salzburg wurden bis Juni 2012 20 Lastwagen, ausgestattet mit Euro-VI-Motoren,
zugelassen, was einer Verminderung von 3,4 Tonnen Stickstoffoxiden und 36 Kilogramm
Partikel an Umweltbelastungen entspricht. Die Förderaktion wurde mit 30. Juni 2013 been-
det.1383
Die Länder Steiermark und Tirol förderten den Lastwagenkauf mit Euro-VI-Motoren mit 5.000
Euro je Lastwagen, Niederösterreich mit 1.000 Euro, Oberösterreich mit 1.200 Euro, Vorarl-
berg mit 3.000 Euro und Kärnten mit 4.000 Euro. Die Förderaktionen sind in den Ländern
Kärnten, Steiermark und Tirol im Jahr 2012 beendet worden, in den übrigen Bundesländern
mit 30. Juni 2013.1384 In Wien gab es – als einzigem Bundesland – für den Kauf eines Last-
wagens mit einem Euro-VI-Motor keine Förderung.1385
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Förderung war der Kauf oder das Leasen eines
neuen Nutzfahrzeuges entsprechend der gesetzlichen Euro-VI-Norm. Gleichzeitig musste
jedoch ein Fahrzeug, welches vor dem 1. Jänner 2011 angemeldet und im Unternehmen
verwendet wurde und maximal einer Abgasnorm von Euro-IV entsprach, abgemeldet wer-
den.1386
Matthias Wissmann, VDA-Präsident, fordert die Politik auf, geringere Mautgebühren einzu-
heben, damit den Transportunternehmern geholfen wird, trotz der geringen Margen Liquidiät
anzusammeln, um neue Fahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß zu erwerben.1387 Wiss-
mann rechnet bis zum Jahr 2015 in Deutschland mit einem Wachstum im Straßengüterver-
kehr von jährlich 3,3 Prozent. Dieses Wachstum ist jedoch nur mit kraftstoffsparenden Nutz-
fahrzeugen zu bewältigen. Das Nutzfahrzeug ist künftig auch nicht wegzudenken, da rund
drei Viertel der gesamten Güterverkehrsleistung mit Nutzfahrzeugen erbracht wird. Auch
andere Verkehrsträger, wie Binnenschiff, Flugzeug, Bahn sind auf den Lastwagen angewie-
sen. Die Fahrzeuge werden immer sicherer, umweltfreundlicher, lärmärmer und sind techno-
logisch von Spitzenqualität. Wenn den Transporteuren gesetzlich für Nutzfahrzeuge höhere
Abgaben auferlegt werden sowie Fahrverbote für Lastwagen in der Nacht oder an Wochen-
enden und Beschränkungen bei der Zulassung von Fahrzeugen eingeführt werden, bedeutet
dies eine enorme Belastung für die Wirtschaft im Ganzen. Die Erhöhung der Verbraucher-
preise, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit von Europa leidet unter diesen Maßnahmen.
1382 Vgl. Infoblatt 1/2 April 2012 des Landes Salzburg. Förderinformation für LKW ab 3,5 t – Emissionsklasse-VI. Hrsg. Abteilung Umweltschutz, Land
Salzburg 2012. Abzurufen unter: http://www.wirtschaftsverband-salzburg.at/media/file/359_Infoblatt-EuroVI-LKW.pdf. Abgerufen am: 23.07.2013
1383 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR Nr. 6/2012. Euro-6-Unterstützung kommt in Salzburg gut an: Bereits 20 Unternehmen gefördert. S. 15.
1384 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR Nr. 4/2012. Steiermark: Obmann Albert Moder mit Förderrekord: Der Fördermillionär. S. 17. Vgl. auch WKO:
Bundesländerförderungen für emissionsarme LKW. Abzurufen unter:
http://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&frm=1&source=web&cd=3&ved=0CDsQFjAC&url=http%3A%2F%2Fportal.wko.at%2Fwk%2Fdok_detail_file.
wk%3Fangid%3D1%26docid%3D1910355%26conid%3D707331&ei=KsVrUrmFI6iO4wSG7IGIAg&usg=AFQjCNEzsGaiTpzEu0dFyxARkH7mMYS2-A.
Abgerufen am 26.10.2013.
1385 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR Nr. 10/2013. Fachgruppentagung Wien : Verbote statt Förderungen. S 26 f.
1386 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR Nr. 12/2012. Ländle fördert Lkw. S. 16.
1387 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 22.06.2012. Lkw-Weltmarkt wächst 2012. Abgerufen von: www.automobilindustrie.de am 28.08.2012.
406
Die 64. IAA Nutzfahrzeugmesse vom 20. bis 27. September 2012 in Hannover stand unter
dem Motto: Nutzfahrzeuge – Motor der Zukunft. Matthias Wissmann teilte im Presse-
workshop mit, dass der weltweite Nutzfahrzeugmarkt bei Fahrzeugen mit 6 Tonnen Gesamt-
gewicht auch weiter wachsen wird. Regional betrachtet wird der Nutzfahrzeugabsatz in Ame-
rika, Indien, Japan und Russland weiterhin steigen, in Brasilien wird durch die Einführung der
Abgasnorm Euro-V mit einem Rückgang gerechnet. Daimler-Chef Andreas Renschler berich-
tete, dass sich der Straßengüterverkehr bis zum Jahr 2050 auf der gesamten Welt mehr als
verdreifachen wird.1388
Das Transportaufkommen war 2012 gegenüber dem Vorjahr sowohl in Österreich als auch in
Deutschland rückläufig. Die Entwicklung des Transportaufkommens in Österreich – in Millio-
nen Tonnen – in den Jahren 1995 bis 2012 ist nachstehender Statistik zu entnehmen:
1389
Abb. 28: Transportaufkommen nach Verkehrsträgern 1995 bis 2012
1388 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR Nr. 8/2012. IAA: „Motor der Zukunft“. S. 26.
1389 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTIK AUSTRIA. Entwicklung des Transportaufkommens nach Verkehrsträgern 1995 - 2012. Hrsg. Bunde-
sanstalt Statistik Austria 2012. Abzurufen unter: http://www.statistik.at/web_de/services/wirtschaftsatlas_oesterreich/verkehr/index.html. Abgerufen am
12.09.2013.
407
schreitenden Verkehr, sowohl im Empfang als auch im Versand. 2012 war das Transport-
volumen im Straßengüterverkehr innerhalb Österreichs mit 91,5 Prozent gegenüber dem
Jahr 2011 mit 90,8 Prozent und 2010 mit 90,6 Prozent gemessen am Transportaufkommen
aller Verkehrsträger weiterhin ansteigend.1390
In Deutschland ist das Transportaufkommen um 2,2 Prozent auf 4,3 Milliarden Tonnen ge-
genüber dem Vorjahr gesunken. Davon wurden 3,3 Milliarden Tonnen auf der Straße be-
fördert, das restliche Transportvolumen teilt sich auf die sonstigen Beförderungsmittel
Eisenbahn, Flugzeug, Schiff und Rohrleitungen. Laut dem Deutschen Statistischen Zentral-
amt DESTATIS war für den Rückgang die konjunkturelle Lage verantwortlich.1391
Die EU-Kommission rechnet bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg des Transportaufkom-
mens im Nutzfahrzeugverkehr von 57 Prozent. An die Automobilhersteller werden große An-
forderungen überwälzt, da einerseits der Ölpreis ansteigt und andererseits die Umweltvor-
schriften immer strenger werden. Der Ausweg aus Sicht der Hersteller wäre, größere Men-
gen pro Fahrzeug zu transportieren, jedoch den Energieverbrauch zu senken. Derzeit ist
dies nur ein Wunschdenken der Industrie.1392
Andreas Renschler, Daimler-Vorstand, berichtete anlässlich der Tagung des Verbandes der
Automobilindustrie am 22. Juli 2012 in Frankfurt, dass der Treibstoffverbrauch der Lastwa-
gen durchschnittlich bei 26 l / 100 km liegt. Bis zum Jahr 2030 soll der Durchschnittsver-
brauch auf 23 l / 100 km gesenkt werden. Im Jahr 1970 war der entsprechende Treibstoff-
verbrauch bei rund 50 l / 100 km. Verbunden mit einer Treibstoffreduzierung ist auch die
Senkung der CO2-Emissionen. Die Emissionswerte sollten im Vergleich zum Jahr 2005 bis
zum Jahr 2020 um 20 Prozent verringert werden.
Derzeit sind die Nutzfahrzeughersteller gezwungen, enge Fahrerkabinen zu bauen, damit für
den Laderaum mehr Fläche zur Verfügung steht. Daimler, MAN und Volvo versuchen durch
eine aerodynamische Gestaltung des Fahrerhauses Energie für die Überwindung des Luft-
widerstandes zu gewinnen. Jedoch geht die Gestaltung dieser Fahrerhäuser zu Lasten der
Ladefläche. Diese Fahrerkabinen finden daher bei den Kunden nur wenig Anklang. 68 Euro-
paletten können mit einem 16,5 Meter langen Lkw-Zug befördert werden. Für den Transport
der gleichen Beförderungsmenge – sind sich MAN-Chef Pachta-Reyhofen und Daimler-Chef
Renschler einig – müssen die Fahrzeuge aerodynamisch gebaut sein und um mindestens
1390 Vgl. Pressemitteilung Nr. 10.538-114/13 vom 29.05.2013 der STATISTIK AUSTRIA. 2012 um 3,1 % weniger Transportaufkommen im Straßengüter-
verkehr österreichischer Unternehmen. Hrsg. Bundesanstalt Statistik Austria, Wien 2013. Abzurufen unter: http://www.statistik.at/web_de/presse/071113.
Abgerufen am 27.07.2013.
1391 Vgl. Pressemitteilung Nr. 046 vom 07.02.2013 der DESTATIS. Güterverkehr 2012: Transportaufkommen sinkt 2,2 %. Hrsg. DESTATIS STATIS-
TISCHES BUNDESAMT, Wiesbaden. Abzurufen unter: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2013/02/PD13_046_463.html.
Abgerufen am 27.07.2013.
1392 Vgl. HANDELSBLATT vom 19.03.2012. ÖKO-Brummi gesucht. Die Zukunft des LKWs hat gerade erst begonnen. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/logistik-spezial2012/oeko-brummi-gesucht-die-zukunft-des-lkws-hat-gerade-erst-begonnen/6331418.html. Abgeru-
fen am 20.04.2012.
408
2,2 Meter länger sein.1393 Vorteil wäre aber eine 15-prozentige Senkung des Treibstoffver-
brauches. Ein erster Schritt wäre, die Länge der Lastwagen von derzeit 18,75 Meter auf 25
Meter Länge anzuheben.1394
Auch der Einsatz von Spoilern, was zur Spritsenkung führen würde, geht wieder zu Lasten
der Länge und damit der Ladefläche bei den Fahrzeugen.
Die Politik sträubt sich gegen die Zulassung von längeren LKW-Zügen, da eine Überlappung
mit der Bahn gesehen wird.1395
Bereits 2007 hat sich der Großteil der Bevölkerung in Deutschland gegen die Einführung der
Gigaliner ausgesprochen.
1396
Abb. 29: Sind Sie für oder gegen die Zulassung der GigaLiner auf Deutschlands Straßen?
1393 Vgl. DIE WELT vom 22.06.2012. Lastwagenhersteller wollen Verbrauch weiter verringern. Abzurufen unter:
http://www.welt.de/newsticker/news3/article106741321/Lastwagenhersteller-wollen-Verbrauch-weiter-verringern.html. Abgerufen am 29.12.2012.
1394 Vgl. HANDELSBLATT vom 19.03.2012. ÖKO-Brummi gesucht. Die Zukunft des LKWs hat gerade erst begonnen. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/logistik-spezial2012/oeko-brummi-gesucht-die-zukunft-des-lkws-hat-gerade-erst-begonnen/6331418.html. Abgeru-
fen am 20.04.2012.
1395 Vgl. DIE WELT vom 22.06.2012. Lastwagenhersteller wollen Verbrauch weiter verringern. Abzurufen unter:
http://www.welt.de/newsticker/news3/article106741321/Lastwagenhersteller-wollen-Verbrauch-weiter-verringern.html. Abgerufen am 29.12.2012.
1396 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA 2007. Sind Sie für oder gegen die Zulassung der Gigaliner auf Deutschlands Straßen? Veröffentlicht
09/2007. Abzurufen unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/150898/umfrage/einstellung-zur-zulassung-von-gigalinern-in-2007-in-deutschland/.
Abgerufen am 23.07.2013. Anm.: Die Erhebungsdaten wurden von der Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen GmbH erhoben. Es
wurden im Zeitraum 18. – 24. September 2007 1.003 Personen ab 14. Jahren befragt. Auftraggeber für die Erhebung war die Allianz pro Schiene, Berlin. Das
Ergebnis der Befragung wurde veröffentlicht in Zulassung von Gigalinern auf Deutschlands Straßen. Vgl.
409
Derartige „Gigaliner“ sind in Belgien, Dänemark, Finnland, Niederlande und Schweden be-
reits zugelassen. In Deutschland finden in einigen Bundesländern Pilotversuche statt. Das
Fahrzeug weist eine Länge von 25,25 Meter auf und ist bis zu 60 Tonnen schwer.
Österreich sieht keine Notwendigkeit, solche Fahrzeuge zum Verkehr zuzulassen. Der Aus-
bau des heimischen Straßennetzes speziell für die Gigaliner würde rund 5,4 Millionen Euro
kosten. Wolfgang Herzer, Fachverbandsobmann des Güterbeförderungsgewerbes, sprach
sich ebenfalls gegen die Gigaliner aus. Herzer befürchtet, dass die Anschaffungskosten und
die Erhaltungskosten der Fahrzeuge erheblich steigen, jedoch der Transportpreis gleich blei-
ben würde. Die Transporteure müssen dann um das gleiche Geld mehr Volumen transportie-
ren.1397
Den Transporteuren können keine erhöhten Kosten zugemutet werden, da die Branche oh-
nehin nur eine durchschnittliche Marge von einem Prozent aufweist. Der Neupreis eines
Nutzfahrzeuges liegt durchschnittlich bei 75.000 Euro ohne Fahrzeugaufbau. Längere Fahr-
zeuge bringen für die Käufer Kostenvorteile – so wieder Kay Lindemann vom Branchenver-
band VDA: Zwar würde der Anschaffungspreis der Neufahrzeuge um rund 20.000 Euro an-
steigen, aber eine Amortisation wäre innerhalb kurzer Zeit gegeben. Die Verkehrsclubs und
Umweltverbände wehren sich jedoch gegen die Gigaliner, da sie durch deren Einsatz keine
Lösung der zunehmenden Verkehrsproblematik sehen.1398
Der Reifenhersteller Conti will versuchen, durch die Produktion von rollwiderstandsfähigeren
Reifen den Energieverbrauch zu senken. Rund ein Viertel des Energieverbrauches wendet
ein Lastwagen auf, um den Rollwiderstand auf der Straße zu überwinden. Christian Simon
Ernst von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen stellte fest, dass
sich der Treibstoffverbrauch bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent senken ließe, wenn techni-
sche Neuerungen, wie
umsetzbar wären.
http://www.nomegatrucks.eu/deu/meinungsumfragen/forsa-umfrage-gigaliner-deuschland/mega-trucks-umfrage-forsa-deutschland-langfassung.pdf. Abgeru-
fen am 13.07.2013.
1397 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR Nr. 7/2012. Gigaliner – ja oder nein? S. 20 ff.
1398 Vgl. DIE WELT vom 22.06.2012. Lastwagenhersteller wollen Verbrauch weiter verringern. Abzurufen unter:
http://www.welt.de/newsticker/news3/article106741321/Lastwagenhersteller-wollen-Verbrauch-weiter-verringern.html. Abgerufen am 29.12.2012.
410
Im Motorenbereich wird versucht, Alternativen wie hybrid- oder gasbetriebene Motoren ein-
zusetzen. Bernd Maierhofer, Entwicklungsvorstand bei MAN, teilte mit, dass bei Fahrzeugen,
die im Fernverkehr eingesetzt werden, versucht wird, synthetische Kraftstoffe zu verwen-
den.1399
Die Nutzfahrzeughersteller stellten auf der 64. IAA-Nutzfahrzeugmesse in Hannover 2012
Neuerungen im Bereich von alternativen Antriebsformen wie Erdgas, Hybrid-, Wasserstoff-
und Elektromotoren vor. MAN präsentierte die gesamte Produktpalette bereits mit dem Euro
VI-Motor, entsprechend den gesetzlichen Abgasnormen gültig ab dem Jahr 2014. Der nie-
derländische Hersteller DAF präsentierte mit der Nutzfahrzeugtype DAF XF ebenfalls sämtli-
che technischen Neuheiten. Produktionsbeginn für dieses Fahrzeug war das Frühjahr
2013.1400
Die notwendigen Entwicklungen der Nutzfahrzeughersteller müssen sich immer nach der
politischen Gesetzgebung im Umweltbereich richten. Die EU-Kommission verlangt – dies
muss jedoch vom Europäischen Parlament und dem EU-Rat noch genehmigt werden – dass
der CO2-Ausstoß von 181 g/km CO2 im Jahr 2010 stufenweise auf 147 g/km CO2 bis zum
Jahr 2020 gesenkt wird. Ab dem Jahr 2014 beginnt eine Übergangsphase, welche im Jahr
2018 endet. In diesem Zeitraum müssen 175 g/km CO2 erreicht werden. Die Automobilpro-
duzenten sind angehalten, dass 70 Prozent der von ihnen produzierten Fahrzeuge den
Grenzwert von 175 g/km CO2 erreichen. Sollte dies nicht der Fall sein, haben die Automobil-
hersteller Strafzahlungen zu entrichten.1401
Der Bestand an Kraftfahrzeugen steigt jährlich kontinuierlich an, deshalb wird versucht, Re-
gelungen zu treffen, wonach die Umweltbelastungen durch den Schadstoffausstoß reduziert
werden.
1399 Vgl. HANDELSBLATT vom 19.03.2012. ÖKO-Brummi gesucht. Die Zukunft des LKWs hat gerade erst begonnen. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/logistik-spezial2012/oeko-brummi-gesucht-die-zukunft-des-lkws-hat-gerade-erst-begonnen/6331418.html. Abgeru-
fen am 20.04.2012.
1400 Vgl STRASSENGÜTERVERKEHR Nr. 10/2012. LKW-News auf der IAA Nutzfahrzeuge: Im Windschatten von Euro 6. S. 33.
1401 Vgl. AUTOMOBILWOCHE vom 17.09.2012. Strenge Emissionsziele. Abgerufen von: www.automobilwoche.de am 29.12.2012.
411
Nachfolgende Statistik zeigt den Kraftfahrzeugbestand in Österreich in der Zeit 1948 bis
2012:
1402
Abb. 30: Kfz-Bestand in Österreich im Zeitraum 1948 bis 2012
In Wien, Burgenland und Teilen Niederösterreichs wurde mit 1. Jänner 2014 ein Fahrverbot
für Nutzfahrzeuge verhängt, die vor dem 30. September 1996 (Euro I) zum Verkehr zugelas-
sen wurden. Ab dem Jahr 2016 können diese Gebiete mit Fahrzeugen, die vor dem
1. Jänner 2000 (Euro II) zugelassen sind, ebenso nicht mehr befahren werden.1403
Die Hersteller sind daher gezwungen, ständig Forschungsarbeiten zu betreiben, um die ge-
setzlich vergegebenen Ziele zu erreichen.
1402 Vgl. STATISTIK AUSTRIA. Kfz-Statistik vom 19.04.2013. Hrsg. Bundesanstalt Statistik Austria, Wien 2013. Abzurufen unter:
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/verkehr/strasse/kraftfahrzeuge_-_bestand/index.html. Abgerufen am 13.09.2013.
1403 Vgl. STRASSENGÜTERVERKEHR 08/2013. Fahrverbot ab 1. Jänner 2014 angekündigt: Wien verjagt Euro 1-Lkw. S. 7.
412
Die Emissionswerte der Fahrzeuge konnten dadurch in den vergangenen Jahren um ein
Vielfaches reduziert werden. Bis zum Jahr 2015 ist geplant, die Emissionswerte der Fahr-
zeuge noch weiter zu senken. Nachstehende Studie der ÖAMTC-Akademie zeigt die Kohlen-
dioxid-Emissionen der Kraftfahrzeuge (Lkw, Pkw, Busse und andere Kraftfahrzeuge) im Ver-
gleich zu den übrigen Emittenten, wie Industrie, Kleinverbraucher, Kraft- und Heizwerke und
Flugverkehr.1404
1405
Abb. 31: Prognose der Kohlendioxid-Gesamtemissionen in Österreich
1404 Vgl. MOSSER Alois / BRUNER Gerhard (2007), Autoland Österreich 1907 – 2007. S. 4.
1405 Quelle: entnommen von STATISTIK JAHRBUCH der WKO 2012. Prognose der Kohlendioxid-Gesamtemissionen in Österreich. Autoren: PUCHER
Ernst / RÜDIGER Hugo, ÖAMTC-Akademie. Hrsg. WKO, Fachverband der Fahrzeugindustrie, Wien 2012, Kap. 5.16. Abzurufen unter www.wko.at. am
26.10.2013.
413
1406
Abb. 32: Prognose der CO2-Emissionen in Österreich 2000 und 2015 (Anteile der Kraftfahrzeuge in Prozent)
Trotz der teilweise guten Jahresergebnisse für 2011 schauen die Hersteller mit etwas Skep-
sis in die Zukunft, weil im Jänner 2012 innerhalb der Europäischen Union die Zulassungen
am Nutzfahrzeugmarkt um 4,7 Prozent im Vergleich zum Jänner 2011 zurückgingen. Wer-
den die Zulassungen der einzelnen Länder im Jänner 2012 im Vergleich zum Jänner 2011
betrachtet, ist die Entwicklung unterschiedlich:
In Deutschland sind die Neuzulassungen um 3,1 Prozent angestiegen. Großbritannien wies
einen Rückgang mit 8,1 Prozent und ebenso Frankreich mit 1,8 Prozent auf. In Spanien be-
trug der Rückgang 21,1 Prozent. Italien liefert seit dem Jahr 2011 keine Daten. Laut Schät-
zungen war der Rückgang rund 31,2 Prozent.
Wird nur der Bereich der Schwerfahrzeuge betrachtet – vor allem angeboten von MAN und
Daimler –, gab es in der EU im Jänner 2012 einen Anstieg an Neuzulassungen von 3,9 Pro-
zent verglichen mit Jänner 2011. Auch hier war die Entwicklung an Neuzulassungen inner-
halb der Länder unterschiedlich.
Frankreich hatte einen Anstieg an Neuzulassungen im Jänner 2012 mit 3,3 Prozent, ebenso
Großbritannien mit 35,8 Prozent, jeweils verglichen mit Jänner 2011. In Ländern wie
1406 Quelle: entnommen von STATISTIK JAHRBUCH der WKO 2012. Prognose der CO2-Emissionen in Österreich 2000 und 2015 (Anteile der
Kraftfahrzeuge in Prozent). Autoren: PUCHER Ernst / RÜDIGER Hugo, ÖAMTC-Akademie. Hrsg. WKO, Fachverband der Fahrzeugindustrie Wien 2012,
Kap. 5.16. Abzurufen unter www.wko.at. am 26.10.2013.
414
Deutschland kam es zu einem Rückgang von 1,6 Prozent, ebenso in Spanien mit 12,6 Pro-
zent und in Italien geschätzt mit 13,5 Prozent.1407
Im September 2012 teilte der europäische Automobilherstellerverband ACEA mit, dass ein
Rückgang an Neuzulassungen bei Nutzfahrzeugen innerhalb der EU im Vergleich zum Vor-
jahresmonat von 13,7 Prozent gegeben sei, dies entspricht 150.910 Fahrzeugen. Den größ-
ten Rückgang innerhalb der EU wies Griechenland mit 51,2 Prozent auf, gefolgt von Portugal
mit 49,2 und Spanien mit 32,7 Prozent. Nur in der Slowakei war ein Anstieg an Neuzulas-
sungen von 5,3 Prozent und in England von 0,3 Prozent zu verzeichnen.1408
1409
Abb. 33: Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen Jänner 2004 bis September 2012 (in Prozent zum Vorjahresmonat)
1407 Vgl. HANDELSBLATT vom 28.02.2012. ACEA: Nachfrage nach Nutzfahrzeugen geht zurück. Abzurufen unter: http://www.handelsblatt.com/economy-
business-und-finance-acea-nachfrage-nach-nutzfahrzeugen-geht-im-januar-zurueck/6262814.html. Abgerufen am 13.08.2012.
1408 Vgl. offizielle Website von KRISENNEWS 09/2012. EU 27: Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen mit -13,7 %. Abzurufen unter:
http://www.krisennews.com/2012/10/26/eu27-neuzulassungen-von-nutzfahrzeugen-mit-137/. Abgerufen am 13.09.2013. Anm.: EU 27 bedeutet, dass in den
27 EU-Ländern bei 25 Ländern ein Rückgang an Neuzulassungen zu verzeichnen war.
1409 Quelle: abzurufen unter ebenda.
415
Auch bis November 2012 hatte sich die Situation nicht gebessert, berichtete der Branchen-
verband ACEA. Im gesamten EU-Bereich war der Rückgang an Neuzulassungen im Nutz-
fahrzeugbereich 18,5 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Besonders stark betrof-
fen war Portugal mit einem Rückgang von 45,7 Prozent, gefolgt von Italien mit 27,5 Pro-
zent.1410
Im gesamten Jahr 2012 wurde im Vergleich zum Jahr 2011 nachstehende Anzahl von Nutz-
fahrzeugen und Bussen innerhalb Europa zugelassen:
1411
Tab. 85: Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen (Lkw und Busse) innerhalb Europas 2011 und 2012
Auch im Jahr 2013 hält die Rückwärtstendenz der Neuzulassungen an Nutzfahrzeugen an.
Lediglich im April 2013 war ein zwischenzeitlicher Aufwärtstrend ersichtlich.
1410 Vgl. HANDELSBLATT vom 20.12.2012. Nutzfahrzeugmarkt weiter auf Talfahrt. Abzurufen unter:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/europa-nutzfahrzeugmarkt-weiter-auf-talfahrt/7545958.htm. Abgerufen am 04.01.2013.
1411 Quelle: abzurufen unter: http://www.reifenpresse.de/news/alle-news/detail/article/europaeischer-nutzfahrzeugmarkt-bricht-2012-zweistellig-ein.html.
Abgerufen am 13.09.2013.
416
Abb. 34: Prozentuale Entwicklung der Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen in der EU von Juni 2012 bis Juni 2013 (ge-
1412
genüber dem Vorjahresmonat)
Auch in Deutschland war 2012 wie in anderen Ländern die Zulassung an Nutzfahrzeugen im
Vergleich zum Vorjahr rückgängig. Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 291.554, im Jahr
2011 315.752, im Jahr 2010 264.325 und im Jahr 2009 224.174 Nutzfahrzeuge zum Ver-
kehr zugelassen.1413
In Österreich waren die Zulassungszahlen 2012 bei Neuzulassungen an Nutzfahrzeugen im
Vergleich zum Vorjahr mit 4,5 Prozent rückläufig. Die Zulassungsrückgänge im Jahr 2012
waren sowohl innerhalb der einzelnen Gesamtgewichtsklassen sowie bei jedem Nutzfahr-
zeughersteller gegeben.
1412 Quelle: Abbildung entnommen von STATISTA. Prozentuale Entwicklung der Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen in der EU von Juni 2012 bis Juni
2013 (gegenüber Vorjahresmonat). Veröffentlicht 07/2013. Abzurufen unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/164773/umfrage/neuzulassungen-von-
nutzfahrzeugen-in-europa/. Abgerufen am: 28.07.2013. Anm.: Das Zahlenmaterial für diese Auswertung wurde von der ACEA zur Verfügung gestellt. Vgl.
ACEA (European Automobile Manufacturers’ Association), Press Release, Press embargo for all Data vom 26.07.2013. New Commercial Vehicle Registrati-
ons June 2013 EU Countries. Abzurufen unter: http://www.acea.be/images/uploads/files/20130726_PRCV-1306-FINAL.pdf. Abgerufen am 14.09.2013.
1413 Vgl. STATISTA 2013. Anzahl der Neuzulassungen von Lkw und Sattelzugmaschinen in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2012.Veröffentlicht
06/2013. Abzurufen unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/6963/umfrage/neuzulassungen-von-lkw-und-sattelzugmaschinen-in-deutschland/.
Abgerufen am 11.08.2013. Anm.: Das Zahlenmaterial für diese Auswertung wurde vom Kraftfahrt-Bundesamt im Juni 2013 erhoben. Vgl. auch Kraftfahrt-
Bundesamt, Flensburg. Fahrzeugklassen und Aufbauarten-Zeitreihe 1955 bis 2012. Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern in
den Jahren 1955 bis 2012 nach Fahrzeugklassen. Abzurufen unter:
http://www.kba.de/cln_031/nn_277816/DE/Statistik/Fahrzeuge/Neuzulassungen/FahrzeugklassenAufbauarten/n__fzkl__zeitreihe.html. Abgerufen am
11.08.2013
417
Nachstehende Statistik zeigt die Neuzulassungen von schweren Nutzfahrzeugen (über 15
Tonnen Gesamtgewicht) nach Herstellern und deren Marktanteil in Österreich:1414
1415
Tab. 86: Lkw und Sattelzugmaschinen – Neuzulassungen in Österreich von 2009 bis 2012
Von den 6,3 Millionen insgesamt in Österreich 2012 zugelassenen Fahrzeugen fielen lediglich
8,0 Prozent auf Nutzfahrzeuge:
1416
Abb. 35: Kfz-Neuzulassungen 2012 in Österreich nach Fahrzeugarten in Prozent
1414 Vgl. Pressemitteilung Nr. 10.429-005/13 vom 09.01.2013 der BUNDESANSTALT STATISTIK AUSTRIA. Mit 336.010 Pkw-Neuzulassungen
zweithöchstes Ergebnis erreicht; Neuzulassungen von Lkw und Zweirädern rückläufig. Nutzfahrzeugmarkt nach Zuwächsen in beiden Vorjahren wieder
negativ. Hrsg. Statistik Austria 2013. Abzurufen unter: http://www.statistik.at/web_de/presse/069214. Abgerufen am 27.07.2013.
1415 Vgl. STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand Mai 2013. Lkw und Sattelzugmaschinen – Neuzulassungen nach Gesamtgewicht und Marken. Hrsg.
WKÖ Österreich, Fachverband der Fahrzeugindustrie, Wien 2013, Kap. 6.14. Abgerufen von: www.wko.at. am 12.07.2013.
418
Im ersten Halbjahr 2013 ergab sich bei Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht im Ver-
gleich zum ersten Halbjahr 2012 ein Zulassungsrückgang von 8,8 Prozent, bei Sattelzugma-
schinen von 10,8 Prozent. Bei Fahrzeugen zwischen 3,5 und 12 Tonnen Gesamtgewicht war
ebenfalls ein Rückgang von 1,5 Prozent zu verzeichnen, jedoch bei Fahrzeugen von mehr als
12 Tonnen ein Anstieg von 0,7 Prozent.1417
Im August 2013 war bei Nutzfahrzeugen bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht im Vergleich zum
Monat August 2012 ein Anstieg der Zulassungen von 0,3 Prozent, bei den Sattelzugmaschinen
von 29,3 Prozent festzustellen. Rückläufig waren die Zulassungen bei Fahrzeugen zwischen 3,5
und 12 Tonnen Gesamtgewicht mit 11,3 Prozent, und bei Fahrzeugen mit mehr als 12 Tonnen-
betrug der Rückgang 11,6 Prozent verglichen mit den Monat August 2012. 1418
1416 Vgl. Kfz-Neuzulassungen 2012 nach Fahrzeugarten in Prozent. Hrsg: Statistik Austria, Wien 2012. Abzurufen unter:
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/verkehr/strasse/kraftfahrzeuge_-_neuzulassungen/index.html. Abgerufen am 27.07.2013.
1417 Vgl. Pressemitteilung Nr. 10.565-141/13 vom 09.07.2013 der BUNDESANSTALT STATISTIK AUSTRIA. Kfz-Neuzulassungen im
1. Halbjahr 2013: 8,2 % weniger Zulassungen; 8,4 % weniger Pkw. Statistik Austria, Wien 2013. Abzurufen unter:
http://www.statistik.at/web_de/presse/071626. Abgerufen am 27.07.2013.
1418 Vgl. Pressemitteilung Nr. 10.607-183/13 vom 10.09.2013 der BUNDESANSTALT STATISTIK AUSTRIA. Neuzulassungen im August 2013: Kfz -,57%,
Pkw -6,1%. Statistik Austria, Wien 2013. Abzurufen unter: https://www.statistik.at/web_de/dynamic/statistiken/verkehr/strasse/kraftfahrzeuge_-
_neuzulassungen/072699. Abgerufen am 27.07.2013.
419
8. Ausblick der Nutzfahrzeugindustrie bis zum Jahr 2020
Die weltweite Automobilproduktion hat sich von der Nutzfahrzeugproduktion hin zur Perso-
nenwagenfertigung verlagert. Nachstehende Statistik zeigt, dass die Anzahl der produzierten
Nutzfahrzeuge und Busse keine großen Zuwächse verglichen mit der Personenwagenferti-
gung zeigt.
1419
Abb. 36: Weltproduktion Pkw, Lkw und Busse im Zeitraum 1980 bis 2012
Die Unternehmensberatung McKinsey & Company prognostizierte für das Jahr 2020 einen
weltweiten Umsatz in der Nutzfahrzeugindustrie bei schweren Lastwagen von 190 Milliarden
Euro, verglichen mit dem Jahr 2012 von 125 Milliarden Euro.1420 Bei angeführter Umsatzent-
wicklung prognostiziert McKinsey & Company einen Gewinn von 10,5 Milliarden Euro im
Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2012 von 7,2 Milliarden Euro.1421
1419 Quelle: entnommen von STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand Mai 2013. Weltproduktion der Pkw, Lkw und Busse. Hrsg. WKO, Fachverband der
Fahrzeugindustrie, Wien 2013, Kap. 5.24. Abgerufen am 12.07.2013.
1420 Vgl. STATISTA. Prognostizierte Umsatzentwicklung der globalen Lastwagenindustrie in den Jahren 2012 bis 2020. Veröffentlicht 09/2012. Abzurufen
unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/246149/umfrage/Umsatz-der-globalen-Lkw-Industrie/. Abgerufen am 22.06.2013. Anm.: Die Statistik zeigt
den geplanten Umsatz der globalen Nutzfahrzeugindustrie eingeschränkt auf schwere Lastwagen im Jahr 2012 und 2020. Daten erhoben von
Mc Kinsey&Company.
1421 Vgl. STATISTA. Prognostizierte Gewinnentwicklung der globalen Lastwagenindustrie in den Jahren 2012 bis 2020. Veröffentlicht 09/2012. Abzurufen
unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/246153/umfrage/gewinn-der-globalen-lkw-industrie/. Abgerufen am 22.06.2013. Die Statistik zeigt den
420
Die europäischen Nutzfahrzeughersteller dürfen vor allem die chinesischen Nutzfahrzeug-
produzenten nicht außer Acht lassen. Sie verfolgen Expansionspläne und wollen langfristig
in Japan, USA und Westeuropa Fuß fassen. McKinsey denkt, dass erst in circa fünf Jahren
mit ernsthafter Konkurrenz aus China zu rechnen sein wird. Derzeit beschränken sich die
chinesischen Hersteller noch auf den Absatz im eigenen Land.1422 Russland zählt – nach
Bewältigung der Wirtschaftskrise – wie auch Indien als Hoffnungsmarkt für europäische Her-
steller.
Für das Jahr 2015 verglichen mit 2009 wird entsprechend einer Studie der Management En-
gineers GmbH + Co KG mit folgender Absatzentwicklung in den einzelnen Ländern gerech-
net:1423
1424
Abb. 37: Absatzentwicklung an Nutzfahrzeugen nach Ländern 2009 und 2015
Die Globalisierung nimmt neue Formen an und bedeutet für die Nutzfahrzeughersteller eine
große Herausforderung.
geplanten Gewinn der globalen Nutzfahrzeugindustrie eingeschränkt auf schwere Lastwagen im Jahr 2012 und 2020. Daten erhoben von Mc
Kinsey&Company.
1422 Vgl. Pressemitteilung vom 11.09.2008 der Mc KINSEY & COMPANY. Lkw-Markt: Trotz Wachstum Margen unter Druck. Hrsg. McKinsey & Company,
München. Abzurufen unter: http://archive-de.com/page/222345/2012-08-28/http://www.mckinsey.de/html/presse/2008/20080911_lkw-markt.asp. Abgerufen
am 17.12.2012.
1423 Vgl. MÖHRKE Gerd / RÜGER Michael W. (2010), Management Engineers, Shanghai und Düsseldorf. How to Move in Moving Markets? Zukunftsoptio-
nen der Nutzfahrzeughersteller aus China und der Triade. Vortrag anlässlich der IAA-Länderveranstaltung China in Hannover am 29.09.2010. Abzurufen
unter: http://www.managementengineers.com/fileadmin/assets/pdf/veranstaltungen/100929_Nutzfahrzeuge_Vortrag_IAA_FINAL.pdf. Abgerufen am
08.02.2012.
1424 Quelle: Abbildung entnommen von ebenda.
421
9. Österreichs Position in der Automobilindustrie
Österreich zählt heute zu einem der wichtigsten Zulieferländer in der Automobilindustrie. Au-
ßerdem entwickelte sich Österreich zu einem leistungsstarken und technologisch führenden
Zentrum der europäischen Automobilindustrie. Die österreichische Automobilindustrie stellt
einen der bedeutendsten Industriezweige dar. Der Standort ist für Produzenten wichtig, weil
die gesellschaftlichen, also auch die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. Die politi-
sche, wirtschaftliche und soziale Stabilität sowie der hohe Ausbildungsstandard sind aus-
schlaggebende Faktoren für die Ansiedelung von Unternehmen in Österreich.
Österreich kann seit Jahrzehnten hindurch eine erfolgreiche Sozialpartnerschaft zwischen
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, eine geringe Arbeitslosenrate und auch eine nied-
rige Anzahl an Streiktagen aufweisen. Vor allem in Jahren von Konjunkturrückgängen, wie
dem Jahr der Wirtschaftskrise beginnend 2008, ist eine gut funktionierende Sozialpartner-
schaft wichtig. Durch diese zuverlässigen Rahmenbedingungen ist der Wirtschaftsstandort
Österreich für internationale Unternehmen attraktiv. Diese Sicherheit hat einen unbezahlba-
ren Wettbewerbsvorteil.
Werden die Zulieferbetriebe sowie vor- und nachgelagerte Wirtschaftszweige betrachtet, ist
im Jahr 2013 jeder neunte Arbeitsplatz – im Jahr 2007 war es jeder achte – in Österreich von
der Fahrzeugindustrie abhängig. Neben der Sparte Automobilbau sind auch die Produktions-
zweige Zweiradfertigung, Fertigung von Aufbauten, Anhängern, Karosserien, landwirtschaft-
lichen sowie sonstigen Fahrzeugen, Kfz-Komponenten (Getriebe, Motore, Filter usw.), die
Teile-Industrie sowie der Flugzeugbau bedeutende Industriesegmente. Die Produktionswerte
der Fahrzeugindustrie in Österreich gleichen sich wieder langsam an die Werte vor der Wirt-
schaftskrise an.
Der Fachverband der Fahrzeugindustrie Österreich wies im Jahr 2012 159 Unternehmen mit
rund 30.000 Arbeitnehmern auf. Diese Betriebe fertigten unter anderen nachstehende Stück-
zahlen (auf Tausend gerundet):
124.000 Personenwagen
30.000 landwirtschaftliche Traktoren, Motorkarren und Anhänger
89.000 Motorräder
142.000 Fahrräder
2,2 Millionen Motoren und Getriebe,
sowie eine Anzahl an anderen Produkten, wie Kupplungen, Bremsenteile, Filter usw.
Außerdem wurden 19.487 Nutzfahrzeuge, einschließlich Straßenzugmaschinen sowie Sat-
telschlepper, produziert. (Im Vergleich dazu waren es im Jahr 2011 22.162 Stück und 2010
18.814 Stück.)
Von der produzierten Anzahl an Nutzfahrzeugen entfielen 12.015 Fahrzeuge auf den Bereich
zwischen 5 bis 12 Tonnen Gesamtgewicht. An Fahrzeugen zwischen 12 und 20 Tonnen Ge-
samtgewicht wurden 7.033 Stück erzeugt, und auf den Schwerfahrzeugbereich über 20 Ton-
nen Gesamtgewicht entfielen 2.309 Stück. Im Vergleich zum Jahr 2011 war im unteren Ge-
samtgewichtsbereich ein Produktionsrückgang von 15,6 Prozent und im mittleren Bereich
422
von 11,62 Prozent gegeben. Ausschließlich bei Fahrzeugen über 20 Tonnen Gesamtgewicht
gab es einen Produktionsanstieg von 5,48 Prozent.1425
Die gesamte österreichische Nutzfahrzeugproduktion 2012 teilt sich wie folgt auf die Fahr-
zeuge der einzelnen Gewichtsklassen auf:1426
1427
Abb. 38: Produktion von Lkw nach Gesamtgewicht (inkl. Assembling) im Jahr 2012
Durch die Flexibilität und Einsatzvielfalt des Lkws wird der Transport auf der Straße trotz
Förderungen von Schiene und Binnenschifffahrt weiterhin vorrangig bleiben.
90 Prozent des Gesamtproduktionswertes der Fahrzeugindustrie, das sind 14,8 Milliarden
Euro, werden exportiert. Davon werden 77 Prozent in europäische Länder exportiert, der
überwiegende Teil nach Deutschland. Österreich ist daher, wie nachstehende Darstellung
zeigt, extrem exportabhängig.1428
1425 Vgl. Die österreichische Fahrzeugindustrie 2012. Kurzbericht. Hrsg. WKO, Fachverband der Fahrzeugindustrie Österreich, Wien 2012, Kap. 1.3. – 1.8..
Abgerufen von: www.wko.at. am 18.08.2013.
1426 Quelle: entnommen von STATISTIK JAHRBUCH der WKO, Stand April 2013. Produktion von Lkw nach Gesamtgewicht. Hrsg. WKO, Fachverband der
Fahrzeugindustrie, Wien 2013, Kap. 6.9. Abgerufen von: www.wko.at. am 28.06.2013.
1427 Quelle: entnommen von ebenda.
1428 Vgl. WKO, Fachverband der Fahrzeugindustrie Österreichs, 05/2013. Unsere Branche: Das Autoland Österreich. Autor: Linszbauer Walter. Abgerufen
von: www.wko.at. am 18.08.2013.
423
1429
Abb. 39: Exporte 2012 des österreichischen Automobil-Sektors
Nach der Wirtschaftskrise und den großen Produktionsrückgängen 2008 und 2009 hat sich
die Fahrzeugindustrie bedingt erholt. Einer Konjunkturumfrage zufolge, durchgeführt von der
Wirtschaftskammer im Mai 2013, ist im Jahr 2013 wieder mit einem einprozentigen Rück-
gang des Produktionswertes zu rechnen.1430 Ausschlaggebend ist die Unsicherheit bei den
Kunden über die künftige Entwicklung der Wirtschaftslage in Europa. Deshalb schieben die
Kunden mögliche Neukäufe an Fahrzeugen in die Zukunft. Auch in Österreich sind die Zu-
lassungszahlen an Neufahrzeugen im Jahr 2013 verglichen mit den beiden Vorjahren rück-
läufig.1431
1429 Ebenda.
1430 Vgl. Die österreichische Fahrzeugindustrie 2012. Kurzbericht. Hrsg. WKO, Fachverband der Fahrzeugindustrie Österreichs, Wien 2012, Kap. 1.3. –
1.8. Abgerufen von: www.wko.at. am 18.08.2013.
1431 Vgl. DER STANDARD vom 17.04.2013. Autoindustrie in Europa brummt nicht mehr. Abzurufen unter:
http://derstandard.at/1363708324050/Autoindustrie-in-Europa-brummt-nicht-mehr. Abgerufen am 18.09.2013.
424
Eine Studie der Fraunhofer Austria Resarch1432und der TU-Wien 2013 zeigt, dass die Fahr-
zeugindustrie schwierigen Zeiten entgegengeht. Die Autozulieferer sind einem immer stärker
werdenden Wettbewerb ausgesetzt. Die Produktionsstätten der Fahrzeugindustrie werden in
Länder wie Brasilien, China, Indien oder Russland verlagert, um die Entstehungskosten nied-
rig zu halten. Die in Österreich angesiedelten Zulieferbetriebe sind zu 85 Prozent im Eigen-
tum ausländischer Firmeninhaber, bei 15 Prozent handelt es sich um österreichische Betrie-
be. Das Hauptabnehmerland von Österreich ist Deutschland, und gerade nach Deutschland
war der Exportanteil rückgängig. Auch die Fertigung von hochwertigen Teilen wird bereits
teilweise nach Südosteuropa verlagert.
Die Studie führt als Ursache für diesen Wandel die fehlenden Kostenvorteile in Österreich
an. Die Lohnkosten sind in Österreich in den letzten zehn Jahren um 34 Prozent gestiegen,
im Vergleich dazu in Deutschland um 10 Prozent. Dietmar Schäfer, Vorsitzender der ARGE
Automotive Zulieferindustrie, meint dass eine Erhöhung der Löhne mit flexibleren Arbeitszei-
ten einhergehen müsste. Auch der Geschäftsführer des Fachverbandes der österreichischen
Fahrzeugindustrie, Walter Linszbauer, sieht die Lage ähnlich und führt zusätzlich an, dass
sich die Fahrzeugindustrie von der Wirtschaftskrise 2009 noch nicht erholt hat. Nur eine Re-
duktion der Lohnnebenkosten, höhere Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, Flexi-
bilität bei den Arbeitszeiten wird zum Erfolg führen und dem Nachfragerückgang entgegen-
wirken, ist das Resümee der Studie.1433
1432 Anm.: Fraunhofer Austria Resarch ist eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Forschungsorganisation in Graz und Wien. Abzurufen unter:
http://www.fraunhofer.at/. Abgerufen am 15.09.2013.
1433 Vgl. DER STANDARD.at vom 04.09.2013. Fahrzeugindustrie in Österreich droht Absturz. Autor: Bettina Pfluger. Abzurufen unter:
http://derstandard.at/1378248073563/Autobranche-faehrt-in-die-Krise. Abgerufen am 15.09.2013.
425
V. Zusammenfassung und Perspektiven
Diese Dissertation soll zeigen, wie die Automobilindustrie zu einer der führenden Industrien
in Österreich geworden ist. Die Fahrzeugindustrie beeinflusst nicht unwesentlich das Wohl-
ergehen der Wirtschaft und wird deshalb auch gerne der „Motor der Wirtschaft“ genannt.
Österreich trug zur Entwicklung der Automobilindustrie, vor allem der Nutzfahrzeuge, we-
sentlich bei. Namhafte österreichische Nutzfahrzeughersteller waren vor Jahrzehnten als
eigenständige Unternehmen am Automobilmarkt vertreten. Die Fahrzeuge der österreichi-
schen Unternehmen waren für ihre Qualität bekannt.
Es wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, die Frage zu beantworten, welche Gründe
ausschlaggebend dafür waren, dass österreichische Unternehmen am Markt nicht mehr vor-
zufinden sind. Auch alteingesessenen Nutzfahrzeugherstellern in anderen Ländern ging es
ähnlich wie den österreichischen Herstellern. Die Parallelen werden an einigen deutschen
Unternehmen verdeutlicht.
Die Nutzfahrzeugindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Am
Beginn standen ehrgeizige und erfinderische Köpfe, die etwas Neues schaffen wollten. In
kleinen Werkstätten entwickelten Techniker die ersten Lastwagen. Wichtig war, dass die
Lastwagen Güter befördern konnten. Die Frage des Komforts, des Lärms der Fahrzeuge
oder die Frage der Umweltbelastungen spielte damals noch keine Rolle. Die Fahrzeuge wur-
den in einer geringen Stückzahl gefertigt. Mit den damaligen Maschinen konnten keine grö-
ßeren Stückzahlen hergestellt werden, außerdem war die Nachfrage nicht so groß, da die
Kunden erst von der Einsetzbarkeit der Nutzfahrzeuge überzeugt werden mussten.
Der hohe Kapitalbedarf für den Bau der Werkshallen sowie den Einsatz von Maschinen,
Werkzeugen und Materialien machte es erforderlich, dass Gesellschaften gegründet wurden,
sodass die Unternehmen zur notwendigen Liquidität kamen.
Im Bereich Forschung und Entwicklung blieben die Hersteller zunächst Einzelkämpfer. Ge-
plante Zusammenarbeiten scheiterten oft nach kurzer Zeit. Jeder Hersteller versuchte durch
ständige Forschung- und Entwicklungsarbeit bessere und stärkere Fahrzeuge als die Kon-
kurrenten anzubieten.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bestand ein erhöhter Bedarf an Nutzfahrzeugen, was die
Hersteller zu vermehrter Produktion und Aufnahme von Arbeitnehmern veranlasste. Unmit-
telbar nach dem Ersten Weltkrieg bereiteten die Überkapazität an vorhandenen Neufahrzeu-
gen sowie die viel zu großen Fertigungshallen – gebaut wegen der großen Nachfrage an
Lastwagen im Ersten Weltkrieg – sowie die steigende Inflation große Probleme. Die Herstel-
ler versuchten in den 20er-Jahren, durch die schrittweise Einführung der Fließbandfertigung
nach dem Muster von Henry Ford Kosten zu senken, um mit den Konkurrenten Schritt zu
halten.
Nach der Schillingeinführung 1925 beruhigte sich die österreichische Wirtschaftslage, und
die Nutzfahrzeugproduktion erlebte bis zur ersten Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 wieder
eine Aufschwungphase.
Die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 hatte negative Auswirkungen für die gesamte Auto-
mobilindustrie. Die Produktionsanlagen der Unternehmen waren nicht ausgelastet, und damit
nahm auch die Arbeitslosigkeit zu. Nach der Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen
426
Reich wurde den Automobilherstellern von den neuen Machthabern eine Reduzierung der
Typenvielfalt an Fahrzeugen angeordnet, wodurch die Ersatzteilbeschaffung erleichtert wer-
den sollte. Auch die österreichischen Automobilhersteller hatten sich nach den Anweisungen
zu richten.
Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurden Fertigungshallen und Maschinen großteils zerstört.
Am Kriegsende sowie in der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es zu Demontagen von Pro-
duktionseinrichtungen. Darüber hinaus erschwerte Materialmangel die Wiederaufnahme der
Automobilproduktion. Forschung und Entwicklung waren während der Kriegszeit vernachläs-
sigt worden, da die Produktion von Einheitslastwagen vorrangig war. Die Automobilhersteller
produzierten nach Beendigung des Krieges die gleichen Fahrzeugtypen wie vor Kriegsbe-
ginn. Die Produktion von Personenkraftwagen wurde in Österreich nicht mehr aufgenommen,
weil Nutzfahrzeuge vorrangig für den Wiederaufbau benötigt wurden.
Erster und Zweiter Weltkrieg sowie die Wirtschaftskrise 1929 bereiteten auch wirtschaftlich
starken Unternehmen große Schwierigkeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch fol-
gende österreichische Hersteller führend auf dem Nutzfahrzeugmarkt:
Steyr-Daimler-Puch AG,
Österreichische Saurerwerke Aktiengesellschaft,
Fross-Büssing A. Komm.-Ges.
Im Jahr 1948 lief die Produktion in den einzelnen Unternehmen bereits wieder in geregelten
Bahnen. Für Österreich – als neutrales Land – war die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg
sehr schwierig, da es weder dem COMECON noch der EWG angehörte und damit Exportbe-
schränkungen unterworfen war. So konnten sich die ausländischen Automobilhersteller am
europäischen Nutzfahrzeugmarkt ausdehnen und hatten keine Konkurrenz aus Österreich zu
befürchten. Erst im Jahr 1960, als Österreich der EFTA beitrat, änderte sich diese Situation.
Die ÖAF, ein österreichischer Nutzfahrzeughersteller, produzierte hochwertige Fahrzeuge. In
der Besatzungszeit war die ÖAF in den USIA-Konzern eingegliedert und leistete bis 1955
Lizenz- und Umlagenzahlungen von 49,4 Millionen Schilling an die Sowjetunion. Dieser Um-
stand war für die Unternehmung eine große finanzielle Belastung. Mit dem zweiten Verstaat-
lichungsgesetz wurde die ÖAF verstaatlicht, um den Besatzungsmächten die deutschen
Vermögenswerte zu entziehen. Durch einen ERP-Kredit konnten die veralteten maschinellen
Anlagen der ÖAF modernisiert werden.
Trotz Kosteneinsparungen in allen Bereichen konnte das Unternehmen wegen der hohen
Zinsbelastungen und der ausländischen Konkurrenz jährlich nur Verluste erwirtschaften.
Ausschlaggebend für die Verlustsituation war einerseits die Verpflichtung von Fahrzeugliefe-
rungen ohne Gewinnerzielung an die Sowjetunion zwecks Erfüllung der Vereinbarung ge-
mäß dem Staatsvertrag. Andererseits bestand die einzige Gesellschafterin der ÖAF, nämlich
427
die Creditanstalt-Bankverein, auf jährliche Dividendenzahlungen. ÖAF bekam durch diese
Art der Geschäftspolitik Liquiditätsprobleme und suchte nach einem starken Partner.
Das lichtensteinische Unternehmen MAHA Maschinen-Handels AG in Vaduz übernahm die
Beteiligung an der ÖAF, und das deutsche Unternehmen M.A.N. gab eine Beschäftigungsga-
rantie ab. Schuldnachlässe der Banken und der Republik Österreich trugen zur Sanierung
des Unternehmens bei. Trotz dieser Sanierungsmaßnahmen mussten 1971 die beiden öster-
reichischen Nutzfahrzeughersteller ÖAF und Gräf & Stift fusionieren.
Gräf & Stift bestand seit dem Jahr 1896 und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten
österreichischen Nutzfahrzeughersteller. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Gräf & Stift
besonders große wirtschaftliche Probleme, weil ein Großteil der Maschinen durch Demonta-
gen an die russische Besatzungsmacht verloren gingen. Ende der 40er-Jahre kam das Un-
ternehmen erstmals in entscheidende finanzielle Schwierigkeiten. Millionenbeträge wurden in
die Entwicklung eines neuen Motors investiert, der technisch noch nicht gänzlich ausgereift
war und zu Schadenersatzzahlungen an die Kunden führte. Von diesen finanziellen Schwie-
rigkeiten erholte sich das Unternehmen auch in den folgenden Jahren nicht mehr. Für das
Anbieten einer breiteren Produktpalette sowie Reinvestitionen mussten Bankverbindlichkei-
ten aufgenommen werden. Die Banken hatten bei der Kreditvergabe an Gräf & Stift keine
Probleme, da als Besicherung für die Verbindlichkeiten genügend Kundenaufträge gegen-
überstanden. 1971 kündigten die Banken jedoch die Kreditlinie auf, da die Gräf & Stift AG in
den Bilanzen fortwährend Verluste schrieb.
Die beiden Hersteller ÖAF und die Gräf & Stift AG fusionierten 1971 unter dem Firmenwort-
laut Österreichische Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift AG. Die Eigenständigkeit dieses Un-
ternehmens ging 1995 durch die Eingliederung in den MAN-Konzern verloren.
Die Österreichischen Saurerwerke wurden 1906 gegründet und beschränkten die Produk-
tion ausschließlich auf Nutzfahrzeuge und später auf Omnibusse. Die Fahrzeuge wurden in
Lizenz des Schweizer Unternehmens Adolph Saurer hergestellt und waren für ihre Qualität
besonders bekannt. Die Lizenzzahlungen an Saurer Arbon im Zweiten Weltkrieg wurden
nicht anhand der tatsächlichen Produktionszahlen geleistet, um der Lizenzgeberin keinen
Hinweis auf die Produktionszahlen zu gewähren. 1941 wurde der Lizenzvertrag gelöst, je-
doch nach dem Zweiten Weltkrieg erneut abgeschlossen. Die Saurerwerke erzielten begin-
nend ab 1950 laufend Gewinne. Ab dem Jahr 1956 brachen die Exporte an das Hauptab-
nehmerland, die Türkei, fast zur Gänze weg und konnten nicht mit Lieferungen in andere
Länder aufgefangen werden.
Die Österreichische Saurerwerke GmbH war ein reines Familienunternehmen. Nach dem
Tod der Eigentümer des Unternehmens veranlasste die wirtschaftliche Situation am Nutz-
fahrzeugmarkt die Erben, das Unternehmen im Jahr 1959 an die Steyr-Daimler-Puch AG zu
veräußern. Die Saurerwerke wurden als eigenständiges Unternehmen bis zum 1. Jänner
1970 weitergeführt, dann mit der Steyr-Daimler-Puch AG verschmolzen. Die Produktion wur-
de eingestellt.
1989 wurde auch die letzte österreichische Nutzfahrzeugabteilung, nämlich die der Steyr-
Daimler-Puch AG, vom deutschen Hersteller M.A.N. übernommen.
Die Kundenwünsche, hinsichtlich der Ausstattung der Nutzfahrzeuge, änderten sich im Laufe
der Jahre grundlegend. Der Grundzweck der Lastwagen, die Beförderung von Gütern, war
nicht mehr allein ausschlaggebend, sondern der Komfort der Fahrzeuge gewann immer
428
mehr an Bedeutung. Die Kunden legten vermehrt Wert auf die Ausstattung und die Bedien-
barkeit der Fahrzeuge. Die Hersteller hatten aber nicht nur die Kundenwünsche, sondern
auch die gesetzlichen Vorschriften über Maße, Gewichte und Schadstoffemissionen zu be-
achten. Dies stellte sowohl die Hersteller als auch die Kunden vor neue Herausforderungen.
Bei den Nutzfahrzeugproduzenten erforderte dies verstärkte Forschungs- und Entwicklungs-
aufwendungen.
Gesetzliche Vorschriften über Maße und Längen der Fahrzeuge wurden erlassen, da das
Transportaufkommen auf den Straßen jährlich zunahm. Durch Gesetze wie Erhöhung der
Mineralölsteuer oder die Einführung von Abgaben ausschließlich für Nutzfahrzeuge sollte der
Güterverkehr eingeschränkt und die Güterbeförderung von der Straße auf die Schiene verla-
gert werden. Dadurch sollte die defizitäre Bahn aus den roten Zahlen geführt werden. Die
politischen Eingriffe durch Erlassung von Gesetzen über Maße und Gewichte von Nutzfahr-
zeugen – und die Änderung dieser Gesetze in kurzen Zeitabständen – führten dazu, dass die
Produktionszahlen der Automobilhersteller rückläufig waren.
Vor allem in Deutschland wurden in den 60er-Jahren durch Verkehrsminister Dr. Seebohm
mehrmalige Gesetzesänderungen erlassen, die einschneidende Folgen für den Transportbe-
reich nach sich zogen. Die Gesetze belasteten sowohl die Nutzfahrzeughersteller als auch
die Transporteure. Die Transporteure stornierten bereits vorgenommene Fahrzeugbestellun-
gen, da unsicher war, ob Dr. Seebohm erlassene Gesetze nicht in kurzer Zeit wieder ändern
würde.
Auch in Österreich gab es gesetzliche Vorschriften, die derartige Regelungen vorsahen. So
wurde 1978 die Straßenbenützungsabgabe für Nutzfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Ge-
samtgewicht eingeführt. Auch in Österreich führten die gesetzlichen Änderungen wegen der
Unsicherheit der Transporteure zu Auftragsrückgängen bei den Nutzfahrzeugherstellern.
Verstärkt versuchten ausländische Nutzfahrzeughersteller auf dem österreichischen Markt
Fuß zu fassen. Die Qualität der ausländischen Fahrzeuge war durchaus mit jener der öster-
reichischen zu vergleichen. Die Kunden wurden mit der Zeit kostenbewusster und griffen
deshalb nicht immer auf österreichische Nutzfahrzeuge zurück.
Die ÖAF-Gräf & Stift AG versuchte die Liquiditätsprobleme mit Kosteneinsparungen und
Personalabbau zu bewältigen. Dass die beiden Konkurrenten, die ÖAF-Gräf & Stift AG und
die Steyr-Werke AG zu Partnern würden, hätte anfangs noch niemand für wahrscheinlich
gehalten.
Die Gründung der Steyr-Werke, des letzten eigenständigen österreichischen Nutzfahrzeug-
herstellers, geht auf das Jahr 1864 zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg begann das Unter-
nehmen mit der Automobilherstellung, nachdem die Waffenproduktion verboten worden war.
Trotz wirtschaftlich schwieriger Situation bestand die Hauptaktionärin – die Creditanstalt-
Bankverein – des Unternehmens auf die jährliche Dividendenausschüttung. Somit wurden
dem Unternehmen die liquiden Mittel, die für Investitionen in den Anlagenbereich erforderlich
gewesen wären, entzogen. Die Konkurrenz ausländischer Hersteller und die Schwierigkeiten
im Exportbereich durch Zölle anderer Länder führten dazu, dass Steyr Verluste schrieb.
1934 fusionierte Austro-Daimler mit der Steyr-Werke AG. Die Produktion bei Austro-Daimler
wurde eingestellt, die Produktpalette von den Steyr-Werken weitergeführt. Im Zuge der Fusi-
on fanden Umstrukturierungsmaßnahmen im Unternehmen statt. So wurde die Produktion
der Automobile nur mehr in Steyr durchgeführt. Steyr war nach dem Zweiten Weltkrieg der
429
größte Hersteller von Nutzfahrzeugen in Österreich. Ab 1949 erzielte Steyr wieder Gewinne,
wobei die Hauptgesellschafterin, die Creditanstalt-Bankverein, auf Ausschüttung der Divi-
denden bestand. 1956 trat erstmals eine Sättigung am heimischen Nutzfahrzeugmarkt ein,
und der Umsatzrückgang im Inland war nicht mit den Exporten kompensierbar. Steyr wollte
noch keine Kooperation mit anderen Herstellern eingehen, sondern den Inlandsmarktanteil
halten.
Die Geschäftspolitik in den 50er-Jahren, d. h. die ständigen Dividendenausschüttungen, führ-
ten dazu, dass keine Liquiditätsreserven gebildet werden konnten. Durch den veralteten Ma-
schinenbereich waren die Fertigungskosten höher als jene ausländischer Nutzfahrzeugher-
steller. Die Steyr-Fahrzeuge waren qualitativ hochwertig, jedoch fehlte Steyr ein weitgefä-
chertes Servicenetz außerhalb von Österreich, was – besonders für den Fernverkehr –
Grundvoraussetzung ist. Steyr war wirtschaftlich und finanziell nicht mehr in der Lage, den
Alleingang fortzusetzen. Nach Scheitern von Kooperationsgesprächen mit anderen Herstel-
lern modernisierte Steyr die Produktionsanlagen und präsentierte eine neue Fahrzeugreihe.
Außerdem wollte Steyr auch am ausländischen Markt Fuß fassen.
Steyr konnte sich bis in die 70er-Jahre gegenüber der immer stärker werdenden Konkurrenz
behaupten. Ab dem Jahr 1982 schrieb Steyr in den Jahresabschlüssen wieder Verluste.
1986 brachen auch ausländische Hauptabnehmerländer weg, und der Umsatzrückgang
konnte mit dem erhöhten Inlandsumsatz nicht aufgefangen werden. Nun war die Zeit reif und
Steyr suchte einen Partner. Dieser wurde mit dem Nutzfahrzeughersteller MAN gefunden.
Im Jahr 1989 wurde die „Steyr Nutzfahrzeuge AG“ gegründet und die Nutzfahrzeugsparte
von Steyr in das neu gegründete Unternehmen eingebracht. MAN stellte die Produktion der
Steyr-Nutzfahrzeuge nicht ein, da Steyr-Kunden nicht zu anderen Nutzfahrzeugherstellern
wechseln sollten, außerdem waren die Steyr-Fahrzeuge von hoher Qualität.
Im Jahr 1995 wurden sowohl die ÖAF als auch die Steyr Nutzfahrzeuge AG – da an beiden
Unternehmen die gleiche Gesellschafterin, nämlich die M.A.N., beteiligt war – in die ÖAF &
Steyr Nutzfahrzeuge OHG eingebracht. Damit waren seinerzeitige Konkurrenten in einem
Unternehmen zusammengefasst. Es waren noch die beiden österreichischen Nutzfahrzeug-
marken ÖAF und Steyr am Markt vorzufinden, jedoch befanden sich die Unternehmen nicht
mehr in österreichischem Eigentum. Heute sind auch diese beiden Nutzfahrzeugmarken
nicht mehr am Markt vertreten.
In der Dissertation wurde auch die Frage gestellt, ob es ähnliche Entwicklungen von Unter-
nehmen auch außerhalb von Österreich gab. Diese Frage kann eindeutig mit ja beantwortet
werden. Als Beweis dafür wurden Parallelen zum deutschen Nutzfahrzeughersteller „Magi-
rus-Deutz“ gezeigt.
Die Gründung des Unternehmens Magirus ging auf das Jahr 1873 zurück. Die Magirus-
Fahrzeuge hatten eine sehr hohe Qualität und waren deshalb bei den Kunden besonders
beliebt. Magirus war von der Qualität seiner Fahrzeuge so überzeugt, dass die eigene For-
schungsabteilung in den Jahren 1925 bis 1930 nicht fortgeführt wurde. Diese schwerwiegen-
de Fehlentscheidung konnte in den Folgejahren – trotz Wiedereinführung der Entwicklungs-
abteilung – nicht mehr aufgeholt werden. Die Kunden zeigten ebenso Interesse an Nutzfahr-
zeugen aus dem Ausland. Magirus kam in Liquiditätsschwierigkeiten und fusionierte mit dem
Motorenhersteller Deutz.
430
Durch Aufträge der neuen Machthaber im Deutschen Reich kam es ab 1933 im Unterneh-
men wieder zu einem Produktionsanstieg. Trotz aller Schwierigkeiten nach dem Zweiten
Weltkrieg wurde Ende 1945 die Produktion wieder aufgenommen. Nach dem Zweiten Welt-
krieg war Magirus-Deutz in Deutschland Marktführer bei Schwerfahrzeugen vor M.A.N.
Eine Werbemaßnahme für die neuen Fahrzeuge von Magirus-Deutz, mit der Bezeichnung
„Die Deutschen Bullen“, trug dazu bei, dass wieder Aufschwung im Unternehmen herrschte.
Durch den Bau eines modernen Werkes in Ulm im Jahr 1973, optimale Anordnung der Abtei-
lungen und geringe Lagerhaltung sollte maximale Kosteneinsparung erzielt werden. Ebenso
sollten die Kundenwünsche bestmöglich erfüllt werden.
Wegen der Robustheit der Magirus-Fahrzeuge waren die Hauptabnehmerländer solche, wo
schwierigste Einsatzbedingungen herrschten, wie z. B. Sibirien. Dabei vernachlässigte Magi-
rus-Deutz den europäischen Markt. Dieser Umstand kann mit den Steyr-Werken verglichen
werden. Auch Steyr beschränkte sich zu sehr auf einen – den österreichischen – Markt.
Die Erdölkrise und das Ende des Baubooms führten in den 70er-Jahren zu Rückgängen der
Produktionszahlen bei Magirus-Deutz. Das Unternehmen geriet vermehrt in finanzielle
Schwierigkeiten und suchte einen passenden Partner. Dieser wurde mit FIAT gefunden. Bei-
de Hersteller – Fiat und Magirus-Deutz – brachten ihre Nutzfahrzeugsparte in das neu ge-
gründete Unternehmen IVECO ein. Die Produktion der Magirus-Nutzfahrzeuge wurde in Ulm
weiter vorgenommen und erst im Jahr 2012 eingestellt und nach Spanien verlegt. Heute
bürgt der Name Magirus mit seinen Feuerwehrfahrzeugen noch für Qualität.
Neben Magirus wurde auch das Schicksal einiger anderer bedeutender deutscher Nutzfahr-
zeughersteller gezeigt, wie Borgward, Büssing, Faun, Hanomag, Henschel und Krupp.
Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen in den Unternehmen brachten die Nutzfahr-
zeughersteller oft in Liquiditätsschwierigkeiten. Von den Technikern aufgezeigte Probleme –
bei der Konstruktion von Neufahrzeugen – fanden oftmals von der kaufmännischen Leitung
nicht genügend Beachtung und hatten schwerwiegende Folgen. Deshalb ist die Abstimmung
zwischen kaufmännischer und technischer Leitung besonders wichtig, da ein einseitiges
Gewinnstreben ausgehend von der kaufmännischen Führungsebene nicht zielführend ist.
Anhand der österreichischen Hersteller zeigte sich, dass die Gesellschafter des Unterneh-
mens am Wohl des Unternehmens interessiert sein müssen und nicht überhöhte Gewinn-
ausschüttungen – zu Lasten von Rücklagenbildungen – vorgenommen werden sollten. Den
Unternehmen müssen für Reinvestitionen, Entwicklung und Forschung genügend Liquiditäts-
reserven zur Vergügung stehen.
Einige Hersteller erkannten schon in frühen Jahren, dass es wichtig ist, zu kooperieren und
in fremden Ländern Fuß zu fassen. Dazu zählten unter anderem die deutschen Unterneh-
men MAN und Daimler. Daimler expandierte bereits in den 20er-Jahren in Länder außerhalb
Europas.
Auch in anderen europäischen Ländern – nicht nur in Österreich und Deutschland – gab es
Fusionen unter Nutzfahrzeugherstellern, dies sollen die Ausführungen zu den Herstellern
Berliet, Renault, Scania und Volvo veranschaulichen.
Vorteil der Fusionen war, dass die Hersteller gemeinsame Synergien im Bereich Forschung,
Entwicklung, Einkauf, Produktion und Vertrieb nutzen konnten, um dem Kostendruck durch
Mitbewerber standzuhalten.
431
Der Nachteil von Unternehmenszusammenschlüssen war oftmals, dass die übernommenen
Nutzfahrzeughersteller die Eigenständigkeit aufgeben mussten und die Produktion ihrer
Nutzfahrzeuge eingestellt wurde. Alteingesessene Fahrzeughersteller mussten lernen, mit
bisherigen Konkurrenten gemeinsam den Weg in die Zukunft zu gehen. Der steigende Kon-
kurrenzdruck führt infolge der Fusionen zu Konzernverflechtungen und letztlich dazu, dass
gewisse Produzenten beherrschende Marktstellungen einnehmen – so in Europa etwa VW,
Daimler oder Volvo.
Wegen des ständig steigenden Verkehrsaufkommens, sowohl im Pkw- als auch im Nutzfahr-
zeugbereich, versuchen Regierungen durch gesetzliche Vorschriften den Schadstoffausstoß
für sämtliche Fahrzeuge festzulegen. Für ältere Nutzfahrzeuge – mit größerem Schadstoff-
ausstoß – die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, sind höhere Abgaben zu ent-
richten, oder es dürfen mit den Fahrzeugen gewisse Gebiete nicht befahren werden.
Für die Transporteure ist eine Erneuerung der Fahrzeuge oft nicht möglich, da sie die höhe-
ren Kosten nicht auf ihre Kunden abwälzen können. Dennoch müssen die Fahrzeuge – um
höhere Reparaturaufwendungen zu vermeiden – in gewissen Abständen ersetzt werden. Wie
eine Studie in Deutschland zeigt, liegt das Durchschnittsalter der Lastwagen bei 7 Jahren.
Kundentreue – Kunden, die wie vor Jahrzehnten einer Nutzfahrzeugmarke treu blieben – ist
nur mehr selten anzutreffen. Die Fahrzeuge der einzelnen Nutzfahrzeughersteller weisen
qualitativ keine großen Unterschiede mehr auf, deshalb sind für die Transporteure bei einem
Kauf Anschaffungspreis und laufende Wartungskosten von Wichtigkeit. Um die Fertigungs-
kosten niedrig zu halten, verlagern die europäischen Hersteller ihre Produktionsstätten in
Billiglohnländer. Auf diese Weise versuchen die Hersteller dem Preis-Leistungsverhältnis
gerecht zu werden und mit Konkurrenten innerhalb und außerhalb Europas mitzuhalten.
Europäische Nutzfahrzeughersteller versuchen verstärkt am asiatischen Markt Fuß zu fas-
sen, um die dort noch vorhandene Nachfrage zu decken. Auch sollen durch den Absatz der
Fahrzeuge in diesen Ländern die dort erwirtschafteten Gewinne eventuelle Verluste aus Ver-
käufen im europäischen Raum kompensieren. Durch das Wettbewerbsverhalten der Konkur-
renten sind Hersteller in Europa oft gezwungen, Nutzfahrzeuge unter dem Deckungsbeitrag
zu verkaufen. Die Nutzfahrzeuge der asiatischen Hersteller liegen derzeit qualitativ noch un-
ter den Fahrzeugen der westeuropäischen Hersteller.
Wer als Nutzfahrzeughersteller in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China)
Marktanteile erlangen will, muss einfache, starke und kostengünstige Fahrzeuge anbieten.
Die Nachfragepräferenzen und Marktanforderungen der Kunden in diesen Ländern unter-
scheiden sich wesentlich von jenen in Amerika, Europa und Japan, deshalb wird die Entwick-
lung derartiger Fahrzeuge von den Herstellern vor Ort mit Ingenieuren des jeweiligen Landes
vorgenommen.
Kooperationen und Joint-Ventures bedeuten für die europäischen Hersteller infolge der kultu-
rellen und sprachlichen Barrieren – oftmals auch wegen politischer Instabilität sowie unter-
schiedlicher Unternehmensphilosophien – eine große Herausforderung. Gemeinsam mit
fremden Herstellern Fabriken und Vertriebswege aufzubauen, bedeutet ein Risiko, ist aber
Unternehmen – wie in der Dissertation gezeigt wurde – gelungen.
Der Wunsch der Nutzfahrzeughersteller, die Produktion eines „einheitlichen“ Lastwagens für
alle Länder, wird ein Wunsch bleiben. Auf den BRIC-Märkten wird nach wie vor die Nachfra-
ge nach den Low-Cost-Fahrzeugen Vorrang haben, während in den Triade-Staaten vor allem
432
Innovation im Vordergrund steht. Die Hersteller dürfen sich daher nicht – wie schon in der
Vergangenheit vorgekommen – nur auf bestimmte Märkte beschränken. Neben der Bewer-
bung der „neuen Märkte“ darf der europäische Raum nicht vergessen werden.
Die Wirtschaftskrise 2009 bescherte der gesamten Automobilindustrie eine große Talfahrt.
Umsatzeinbußen im europäischen Raum konnten oftmals mit Umsatzzuwächsen im asiati-
schen Raum wettgemacht werden. Bei einigen Herstellern betrug der Produktionsrückgang
im Jahr 2009 bis zu 50 Prozent verglichen mit den Jahren vor der Wirtschaftskrise. Schlie-
ßungen von Werken, Kurzarbeit bei den Herstellern waren die Folge der Krise. Einige Her-
steller haben versucht, Arbeitnehmerkündigungen so weit wie möglich zu vermeiden. Man
führte andere Arbeitszeitmodelle ein – wie Regulierung von Mehr-und Minderstunden über
ein Zeitkontenmodell – und will dies auch nach der Wirtschaftskrise beibehalten.
Die Transporteure waren mit Neubestellungen zögerlich, da die Transportaufträge zurück-
gingen und ungewiss war, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickeln werde. Die Kun-
den bekamen für Neuanschaffungen von den Banken – wegen der Basel-III-Bestimmungen
– nur erschwert Kredite. Größere Transportunternehmen nützen nach wie vor die Möglichkeit
des sogenannten „Ausflaggens“: Sie melden ihre Fahrzeuge vermehrt in Ländern außerhalb
von Österreich – vorwiegend in osteuropäischen Ländern – an, um den erhöhten Abgaben
wie Straßenmaut und Kraftfahrzeugsteuer, aber auch den hohen Personalkosten in Öster-
reich zu entgehen.
Iveco konnte sich bis jetzt noch nicht gänzlich von der Wirtschaftskrise erholen, weil sich das
Unternehmen zu sehr auf den europäischen Raum beschränkt hatte.
MAN wurde – außer von der Wirtschaftskrise – auch noch von einer weitreichenden Korrup-
tionsaffäre erschüttert. Manager versuchten durch Provisionszahlungen Aufträge für MAN zu
lukrieren. Das Vorgehen der zwischenzeitlichen Ex-Manager von MAN kostete dem Unter-
nehmen Reputation und zusätzlich über 220 Millionen Euro.
Bereits in den Jahren 2010 und 2011 hatten sich die Nutzfahrzeughersteller ohne staatliche
Förderungen bedingt erholt und konnten teilweise wieder an die Vorjahre anschließen. Im
Jahr 2012 gab es bei einigen Nutzfahrzeugherstellern abermals Rückgänge im Vergleich
zum Vorjahr. Auch die kommenden Jahre werden den Nutzfahrzeugherstellern noch Kopf-
zerbrechen bereiten. Absatzprognosen der Produzenten werden oft schon in den nächsten
Monaten wieder revidiert.
Die Krise zeigte den Herstellern, dass sie künftig weiterhin verstärkt gemeinsame Wege ge-
hen müssen, um alle Vorteile zu nutzen. So übernahm VW im Jahr 2012 die Aktienmehrheit
an MAN. MAN ist nun wie der schwedische Hersteller Scania – zwei ehemalige Konkurren-
ten – im VW-Konzern eingegliedert. Die Nutzfahrzeughersteller behielten trotz der Eingliede-
rung in den VW-Konzern die Eigenständigkeit.
Es wird in den künftigen Jahren noch zu weiteren Kooperationen und Zusammenschlüssen –
auch länderübergreifend – kommen, damit die Synergien in sämtlichen Bereichen noch mehr
genutzt werden können. Hersteller gehen auch bereits Kooperationen und Fusionen mit Zu-
lieferfirmen – Reifenherstellern, Mineralölfirmen usw. – ein.
Die Vorgaben der Politik zur Senkung der Umweltbelastung durch die Nutzfahrzeuge stellen
die Hersteller immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Hersteller planen den Kraft-
stoffverbrauch in den kommenden Jahren kontinuierlich zu senken. Es gibt bereits gesetzli-
che Vorschriften über die Senkung des CO2-Ausstoßes der Fahrzeuge bis zum Jahr 2017.
433
Herstellern, denen es nicht gelingt, die Nutzfahrzeuge entsprechend den gesetzlichen Vor-
schriften hinsichtlich der Schadstoffminimierung zu produzieren, haben Strafzahlungen zu
leisten. Die gesetzlichen Vorgaben zwingen die Hersteller zur Entwicklung von neuen An-
triebssystemen, wie Hybridfahrzeugen oder Fahrzeugen mit Elektroantrieb.
Forschung und Entwicklung wird weiterhin bei den Herstellern an erster Stelle stehen, um die
Anforderungen der Politik und der Kunden zu erfüllen. Förderungen für die Neuanschaffung
von Nutzfahrzeugen müssen bereitgestellt werden, damit die Transportbranche überlebens-
fähig bleibt. Nachfolger von kleineren Transportunternehmen betreiben das elterliche Unter-
nehmen nicht mehr weiter, da sie sich dem Preisdruck nicht mehr gewachsen sehen. Eine
Auslagerung der Beförderung von der Straße auf die Schiene ist nicht immer möglich – be-
denkt man nur den Baustellenbereich.
Auch der Ausbau der Autobahnen speziell für den Güterfernverkehr sowie der Einsatz von
Gigalinern – in Gebieten, wo diese Möglichkeit besteht – wird ins Auge gefasst werden.
Die Nutzfahrzeughersteller sind gefordert, neue Geschäftsfelder, wie z. B. das Anbieten von
Mietfahrzeugen, zu suchen. Dadurch werden neue Kunden gewonnen, und bei den be-
stehenden Kunden wird eine stärkere Bindung herbeigeführt. Bei der Mietvariante werden
nach Ablauf der Mietdauer die Fahrzeuge dem Gebrauchtwagenmarkt zugeführt, und die
Kunden brauchen sich nicht um den Verkauf der Altfahrzeuge zu kümmern. Für Transporteu-
re, für die eine Fahrzeugneuanschaffung – mangels notwendiger Kredit-Bonität – möglicher-
weise nicht in Frage kommt, ist die Mietvariante eines Lastwagens vorteilhaft. Für Transport-
eure im Baustellenbereich, die starken saisonalen Schwankungen unterliegen, ist die Anmie-
tung von Nutzfahrzeugen eine ideale Ergänzung zum eigenen Fuhrpark. Bei der Mietvariante
haben die Transporteure einen genau kalkulierbaren Kostenpunkt.
Die Nutzfahrzeughersteller aus Ländern wie China und Indien werden versuchen, in den
kommenden Jahren mit ihren Fahrzeugen in den europäischen und den amerikanischen
Markt einzudringen.
Die europäischen Nutzfahrzeughersteller müssen diesen Anbietern die Stirn bieten und künf-
tig folgende Ziele anstreben:
Gewinnung von neuen Absatzmärkten und Angebot zusätzlicher Dienstleistungsbe-
reiche, wie verbesserter Kundenservice, Mietwagen oder flexiblere Öffnungszeiten
der Serviceniederlassungen.
Entwicklung neuer Technologien für den Antrieb der Fahrzeuge, um den Energiever-
brauch und den Schadstoffausstoß von Verbrennungsmotoren zu senken.
Obwohl Österreich heute keine eigenen Automobilhersteller mehr aufweist, zählt es zu ei-
nem der wichtigsten Zulieferländer in der Automobilindustrie. Für viele Hersteller ist der
Standort Österreich, vor allem wegen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Sicher-
heit, vorteilhaft. Österreichische Lastwagenhersteller sind nicht mehr vorzufinden, jedoch
ausländische Unternehmen, welche in Österreich ihren Standort haben, wie MAN, Iveco u. a.
Der größte Nutzfahrzeugmarkt der EU befindet sich in Deutschland, jedoch stellen die deut-
schen Nutzfahrzeugproduzenten seit Mitte der 90er-Jahre mehr Fahrzeuge im Ausland als
im Inland her.
Gezeigt hat sich, dass technische Spitzenleistungen und qualitativ hochwertige Fahrzeuge
nicht alleine ausschlaggebend für den Fortbestand eines alteingesessenen Unternehmens
434
sind. Wichtig sind die richtigen unternehmerischen Entscheidungen hinsichtlich maximaler
Wirtschaftlichkeit sowie rechtzeitige Positionierung des Unternehmens auf den jeweiligen
Märkten, Aufbau eines weitreichenden Vertriebs- und Servicenetzes und ebenso die Bereit-
schaft zu Kooperationen mit anderen Unternehmen.
435
VI. Anhang
1. Summarium
Es wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, die Frage zu beantworten, welche Gründe
ausschlaggebend dafür waren, dass österreichische Nutzfahrzeugunternehmen am Markt
nicht mehr vorzufinden sind.
Die Nutzfahrzeugindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Am
Beginn entwickelten ehrgeizige Techniker in kleinen Werkstätten die ersten Lastwagen.
Wichtig war, dass die Lastwagen Güter befördern konnten. Die Fahrzeuge wurden in einer
geringen Stückzahl gefertigt, da die Kunden erst von der Einsetzbarkeit dieser Erfindungen
überzeugt werden mussten. Mit steigendem Einsatz von Rohstoffen und Maschinen mussten
zur Finanzierung Gesellschaften gegründet werden. Im Bereich Forschung und Entwicklung
blieben die Hersteller zunächst Einzelkämpfer.
Erster und Zweiter Weltkrieg sowie die Wirtschaftskrise 1929 bereiteten auch wirtschaftlich
starken Unternehmen große Schwierigkeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch fol-
gende österreichische Hersteller führend auf dem Nutzfahrzeugmarkt:
Steyr-Daimler-Puch AG,
Österreichische Saurerwerke Aktiengesellschaft
Fross-Büssing A. Komm.-Ges.
Im Jahr 1948 lief die Produktion in den einzelnen Unternehmen bereits wieder in geregelten
Bahnen. Für Österreich – als neutrales Land – war die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg
sehr schwierig, da es weder dem COMECON noch der EWG angehörte und damit Export-
beschränkungen unterworfen war. So konnten sich die ausländischen Automobilhersteller
am europäischen Nutzfahrzeugmarkt ausdehnen und hatten keine Konkurrenz aus Öster-
reich zu befürchten. Erschwerend für österreichische Nutzfahrzeughersteller kamen Bestim-
mungen des Staatsvertrags hinzu, beispielsweise für ÖAF die Verpflichtung zu wirtschaftlich
unrentablen Lieferungen an die Siegermacht Sowjetunion. Erst im Jahr 1960, als Österreich
der EFTA beitrat, änderte sich die Situation.
436
Kundenwünsche, hinsichtlich der Ausstattung der Nutzfahrzeuge, änderten sich im Laufe der
Jahre grundlegend. Die Kunden legten vermehrt Wert auf die Ausstattung und die Bedien-
barkeit der Fahrzeuge. Die Hersteller hatten aber nicht nur die Kundenwünsche, sondern
auch die gesetzlichen Vorschriften über Maße, Gewichte und Schadstoffemissionen zu be-
achten. Durch entsprechende Gesetze ausschließlich für Nutzfahrzeuge sollte der Güter-
verkehr eingeschränkt und die Güterbeförderung von der Straße auf die Schiene verlagert
werden. Die politischen Eingriffe durch Erlassung von Gesetzen über Maße und Gewichte
von Nutzfahrzeugen – und die Änderung dieser Gesetze in kurzen Zeitabständen – führten
dazu, dass die Produktionszahlen der Automobilhersteller sanken. Vor allem in Deutschland
wurden in den 60er-Jahren durch Verkehrsminister Dr. Seebohm mehrmalige Gesetzes-
änderungen erlassen, die einschneidende Folgen für den Transportbereich nach sich zogen.
Auch in Österreich gab es gesetzliche Vorschriften, die derartige Regelungen vorsahen. Die-
se gesetzlichen Änderungen führten wegen der Unsicherheit bei den Transporteuren zu Auf-
tragsrückgängen bei den Nutzfahrzeugherstellern.
Verstärkt versuchten ausländische Nutzfahrzeughersteller auf dem österreichischen Markt
Fuß zu fassen. Die Qualität der ausländischen Fahrzeuge war durchaus mit jener der öster-
reichischen zu vergleichen. Die Kunden wurden mit der Zeit kostenbewusster und griffen
deshalb nicht immer auf österreichische Nutzfahrzeuge zurück.
Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen in den Unternehmen brachten die Nutzfahrzeug-
hersteller in Liquiditätsschwierigkeiten. Von den Technikern aufgezeigte Probleme bei der
Konstruktion von Neufahrzeugen fanden von der kaufmännischen Leitung nicht immer genü-
gend Beachtung, was schwerwiegende Folgen hatte.
Anhand der österreichischen Hersteller zeigte sich, dass die Gesellschafter am Wohl des
Unternehmens interessiert sein müssen und nicht überhöhte Gewinnausschüttungen – zu
Lasten von Rücklagenbildungen – vorgenommen werden sollten. Den Unternehmen müssen
für Reinvestitionen, Entwicklung und Forschung genügend Liquiditätsreserven zur Verfügung
bleiben.
Besonders deutsche Hersteller, wie MAN oder Daimler, erkannten schon in frühen Jahren,
dass es wichtig ist, zu kooperieren und in fremden Ländern Fuß zu fassen. Das war österrei-
chischen Herstellern infolge von Bestimmungen des Staatsvertrags und der geographischen
Lage zwischen EWG und COMECON lange Zeit nicht möglich. Letztlich nützten auch Fu-
sionen zwischen österreichischen Herstellern nichts mehr.
Kundentreue – Kunden, die wie vor Jahrzehnten einer Nutzfahrzeugmarke treu bleiben – ist
nur mehr selten anzutreffen. Die Fahrzeuge der einzelnen Nutzfahrzeughersteller weisen
qualitativ keine großen Unterschiede mehr auf, deshalb sind für die Transporteure bei einem
Kauf Anschaffungspreis und laufende Wartungskosten das Wichtigste. Um die Fertigungs-
kosten niedrig zu halten, verlagern die europäischen Hersteller ihre Produktionsstätten in
Billiglohnländer. Außerdem versuchen sie verstärkt, am asiatischen Markt Fuß zu fassen, um
die dort noch vorhandene Nachfrage zu decken. Die Nutzfahrzeuge der asiatischen Herstel-
ler liegen derzeit qualitativ noch unter den Fahrzeugen der westeuropäischen Hersteller.
Wer als Nutzfahrzeughersteller in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China)
Marktanteile erlangen will, muss einfache, starke und kostengünstige Fahrzeuge anbieten.
Die Nachfragepräferenzen und Marktanforderungen der Kunden in diesen Ländern unter-
scheiden sich wesentlich von jenen in Amerika, Europa und Japan, deshalb wird die Entwick-
437
lung derartiger Fahrzeuge von den Herstellern vor Ort mit Ingenieuren des jeweiligen Landes
vorgenommen. Gemeinsam mit fremden Herstellern Fabriken und Vertriebswege aufzubau-
en, bedeutet ein Risiko, ist aber einigen Unternehmen – wie in der Dissertation gezeigt
wird – gelungen.
Die Wirtschaftskrise 2009 bescherte der gesamten Automobilindustrie eine große Talfahrt.
Schließungen von Werken, Kurzarbeit bei den Herstellern waren die Folge der Krise. Einige
Hersteller haben versucht, Arbeitnehmerkündigungen so weit wie möglich zu vermeiden.
Man führte flexible Arbeitszeitmodelle ein und will diese auch nach der Wirtschaftskrise bei-
behalten.
Die Transporteure bekamen von den Banken – wegen der Basel-III-Bestimmungen – für
Neuanschaffungen nur erschwert Kredite. Einige Hersteller bieten deshalb verstärkt die Mög-
lichkeit an, Nutzfahrzeuge zu mieten. Größere Transportunternehmen nützen nach wie vor
die Möglichkeit des sogenannten „Ausflaggens“, um Personalkosten und Abgaben einzu-
sparen.
Bereits in den Jahren 2010 und 2011 hatten sich die Nutzfahrzeughersteller ohne staatliche
Förderungen bedingt erholt und konnten teilweise wieder an die Vorjahre anschließen. Im
Jahr 2012 gab es bei einigen Nutzfahrzeugherstellern abermals Rückgänge im Vergleich
zum Vorjahr.
Die Vorgaben der Politik zur Senkung der Umweltbelastung durch die Nutzfahrzeuge zwin-
gen die Hersteller zur Entwicklung von neuen Antriebssystemen, wie Hybridfahrzeugen oder
Fahrzeugen mit Elektroantrieb.
Die Nutzfahrzeughersteller aus Ländern wie China und Indien werden versuchen, in den
kommenden Jahren mit ihren Fahrzeugen in den europäischen und den amerikanischen
Markt einzudringen. Die europäischen Nutzfahrzeughersteller müssen als Reaktion darauf
folgende Ziele anstreben:
Obwohl Österreich heute keine eigenen Automobilhersteller mehr aufweist, zählt es zu ei-
nem der wichtigsten Zulieferländer in der Automobilindustrie. Für viele Hersteller ist der
Standort Österreich, vor allem wegen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Sicher-
heit, vorteilhaft.
Gezeigt hat sich, dass technische Spitzenleistungen und qualitativ hochwertige Fahrzeuge
nicht alleine ausschlaggebend für den Fortbestand eines Unternehmens sind. Wichtig sind
die richtigen unternehmerischen Entscheidungen hinsichtlich maximaler Wirtschaftlichkeit
sowie rechtzeitige Positionierung des Unternehmens auf den jeweiligen Märkten, Aufbau
eines weitreichenden Vertriebs- und Servicenetzes und ebenso die Bereitschaft zu Ko-
operationen mit anderen Unternehmen.
438
Summary
This dissertation has attempted to answer the question as to the reasons which were deci-
sive for the disappearance of Austrian commercial vehicle manufacturers.
During recent decades, the commercial vehicle industry has fundamentally changed. In the
early days, ambitious engineers developed the first trucks in small workshops. The capability
of these trucks in carrying goods was of primary importance. The vehicles were manufac-
tured in small numbers, as customers first had to be persuaded of the usefulness of these
inventions. With increasing use of raw materials and machinery, companies had to be estab-
lished to obtain financing. Initially the manufacturers fought solitary battles in the field of re-
search and development.
The First and Second World Wars and the economic crash of 1929 caused major problems
even for financially strong companies. After the Second World War the following Austrian
manufacturers were still leaders in the commercial vehicle market:
Steyr-Daimler-Puch AG,
Österreichische Saurerwerke Aktiengesellschaft,
Fross-Büssing A. Komm.-Ges.
By 1948 production in each of these companies was back on track again. After the Second
World War Austria, as a neutral country, was in a very difficult situation as it was neither a
member of COMECON nor the EEC and was therefore subject to export restrictions. Foreign
vehicle manufacturers were able to expand into the European commercial vehicle market
and did not have to fear competition from Austria. Provisions of the Austrian State Treaty
aggravated the situation further: ÖAF, for example, was obligated to make unprofitable deliv-
eries to the victorious power Soviet Union. The situation was only to change in 1960, when
Austria joined EFTA.
Over the years, customers’ requirements with regard to commercial vehicle equipment have
fundamentally changed, with equipment and vehicle serviceability becoming increasingly
important. Manufacturers not only had to comply with customers’ wishes, however, but also
with legal requirements regarding dimensions, weights and pollutant emissions. Appropriate
laws for commercial vehicles alone were intended to limit goods traffic and transfer the car-
riage of goods from the roads to rail. Political intervention through the promulgation of laws
on commercial vehicle sizes and weights – and modification of these laws at frequent inter-
vals – led to a decline in production figures for the vehicle manufacturers. In Germany in par-
439
ticular, Transport Minister Dr. Seebohm frequently amended the laws, a situation which had
drastic consequences for the transport sector.
In Austria, too, there were statutory regulations which made similar provisions. Due to uncer-
tainty on the part of carriers, these amendments to laws led to a decline in orders for com-
mercial vehicles.
Foreign commercial vehicle manufacturers increasingly attempted to gain a foothold in the
Austrian market. The quality of foreign vehicles was absolutely on a par with that of Austrian
vehicles. The customers were also becoming more cost conscious and as a result did not
always choose Austrian commercial vehicles.
Abortive developments and incorrect decisions by companies caused cash-flow problems for
commercial vehicle manufacturers. Commercially-orientated management did not always pay
sufficient attention to the problems associated with the construction of new vehicles that had
been pointed out by the engineers, a neglect which was to have grave consequences.
Using Austrian manufacturers as an example, it is apparent that shareholders must take an
interest in the welfare of the company and excessive dividends should not be paid at the ex-
pense of vital reserves formation. Companies must have adequate liquidity reserves for rein-
vestment, development and research.
German manufacturers in particular, such as MAN or Daimler, recognised at an early stage
that cooperation is important for gaining a foothold in export markets. This was impossible for
Austrian manufacturers for a long period of time as a result of provisions in the Austrian State
Treaty and the geographical position between the EEC and COMECON. Ultimately mergers
between Austrian manufacturers were of no further use either as a remedy to these difficul-
ties.
Customer loyalty – customers who remain true to a commercial vehicle brand, as was com-
mon decades ago – is now very rare. There are no longer any major quality differences be-
tween the vehicles produced by the individual commercial vehicle manufacturers, which is
why price and regular maintenance costs are the key factors for carriers when making a pur-
chase decision. European manufacturers relocate their production plants to low-wage coun-
tries to keep manufacturing costs low.
They are also making increased efforts to gain a foothold in the Asian market, in order to
satisfy demand there. Currently, the quality of commercial vehicles from Asian manufacturers
is still below that of vehicles from Western European manufacturers.
When a commercial vehicle manufacturer intends to gain market share in the BRIC states
(Brazil, Russia, India and China), the demand for plain, strong and cheap vehicles must be
met. The demand preferences and market requirements of customers in these countries dif-
fer significantly from those in America, Europe and Japan, which is why manufacturers are
developing such vehicles locally, with engineers from the relevant country. Developing facto-
ries and sales channels in conjunction with foreign manufacturers is a risk, but some compa-
nies have succeeded, as the dissertation has shown.
The 2009 recession caused the whole automotive industry to go into a major decline. The
crisis resulted in plant closures and manufacturers operating short-time working schemes.
Some manufacturers tried to avoid employee redundancies as far as possible. Flexible work-
ing time models were introduced and the intention is to retain these after the recession.
440
Because of the Basel III provisions, it was very difficult for carriers to obtain bank loans for
new purchases. Consequently some manufacturers increasingly offer commercial vehicles
for rent. Bigger transport companies still use the “flag of convenience” option to save person-
nel costs and taxes.
By 2010 and 2011, commercial vehicle manufacturers had partly recovered even without the
support of government grants and to a certain extent came back in line with the performance
of previous years. In 2012, however, some commercial vehicle manufacturers again experi-
enced declines compared with the previous year.
Political stipulations designed to tackle the environmental pollution caused by commercial
vehicles are forcing manufacturers to develop new drive systems, such as hybrid vehicles, or
vehicles with electric engines.
In the next few years, commercial vehicle manufacturers from countries such as China and
India will try to penetrate the European and American markets with their vehicles. In re-
sponse European commercial vehicle manufacturers must strive to achieve the following
goals:
Win new sales markets and offer additional services, such as improved customer ser-
vice, hire cars, or more flexible opening times at service centres.
Develop new vehicle engine technologies to reduce energy consumption and pollu-
tant emission of internal combustion engines.
Although Austria no longer has its own automobile manufacturers, it is one of the automotive
industry’s most important supplier countries. As a location, Austria is advantageous to many
manufacturers, above all because of its political, economic and social stability.
Superb technical achievements and high-quality vehicles alone are clearly not decisive for
the continuation of a company. Making the right entrepreneurial decisions with regard to
maximum profitability and timely positioning of the company in the appropriate markets, the
development of an extensive sales and service network and also willingness to cooperate
with other companies are also crucial success factors.
441
2. Grafische Darstellung der österreichischen Nutzfahrzeughersteller
442
3. Fotos einiger erfolgreicher Nutzfahrzeug-Marken
Im Rahmen der Recherchen für meine Dissertation wurden mir von Transportunterneh-
mern Fotos zur Verfügung gestellt. Die Fahrzeuge auf diesen Fotos werden jetzt nicht
mehr produziert. Sie sind hier nach Fahrzeugmarken dargestellt.
443
Steyr, Dreiachser-Mörtelmischer, Bau-
jahr 1982
Hanomag-Henschel, Zweiachs-
Frontlenker, Baujahr 1974
444
Gräf & Stift, Baujahr 1951
Dieses Fahrzeug wurde vor allem im schweren
Baustellenverkehr eingesetzt.
445
ÖAF-Gräf & Stift, Baujahr 1985
Frontlenker-Dreiachsfahrzeug
446
Magirus-Deutz, Baujahr 1966
Bei diesem Fahrzeug handelt es sich um ein
Haubenfahrzeug mit einem Muldenkipper,
speziell geeignet für den schweren Baustel-
leneinsatz.
447
Magirus-Deutz, Baujahr 1975
Zweiachs-Frontlenker
448
Berliet, Baujahr 1975, Lkw für den Güterfernverkehr
449
Scania-Vabis, Baujahr 1961
450
4. Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
Anm.: Anmerkung
bzw. Beziehungsweise
Hrsg. Herausgeber
Mio. Millionen
Mrd. Milliarden
t Tonne
Tab. Tabelle
Vgl. Vergleiche
451
5. Literatur- und Quellenverzeichnis
a) Archive
Firmenarchive
DAF (www.daf.eu)
DAF: Die DAF Geschichte
Neuigkeitenarchiv vom 01.04.2008
Neuigkeitenarchiv vom 29.05.2009
Neuigkeitenarchiv vom 28.07.2009
Neuigkeitenarchiv vom 10.07.2012
DAIMLER AG (www.daimler.com)
DAIMLER COMMUNICATIONS: Die Vertriebsgeschichte der Daimler AG, Hrsg. ERNST Josef 11/2009
DAIMLER-BENZ AG: Geschäftsberichte für die Jahre 1979, 1989 und 1993
DAIMLERCHRYSLER AG: Geschäftsbericht für das Jahr 1998
DAIMLER AG: Geschäftsberichte für die Jahre 2009, 2011 und 2012
Zwischenbericht für das 2. Quartal 2013
Pressemitteilung vom 03.09.2013
FAUN (www.faun.com)
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IVECO
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Pressemitteilung vom 09.11.2011 (http://cms.man.de)
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Pressemitteilung vom 16.01.2012
Pressemitteilung vom 16.04.2012
Presseinformation vom 06.06.2013: Rede von Dr. Georg Pachta-Reyhofen
Zwischenbericht zum 31.03.2012 (www.mantruckandbus.de)
Zwischenbericht zum 30.09.2012 (www.mantruckandbus.de)
Konzernzwischenbericht für das 1. Halbjahr 2013
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Renault Historie 1911 – 1960
Renault Trucks: Heute und Morgen 06/2010, Hrsg. Renault Trucks Deliver – Direktion für Unternehmenskommu-
nikation (http://corporate.renault-trucks.com)
THYSSENKRUPP (www.thyssenkrupp.com)
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VOLKSWAGEN AG (www.volkswagenag.com)
Nachrichten vom 09.11.2011
Nachrichten vom 21.11.2011
Geschäftsberichte für die Jahre 2009, 2011 und 2012 – Konzernbereich Marke Scania
Pressemitteilung vom 23.08.2011 (www.volkswagen-media-services.com)
VOLVO (www.volvotrucks.com)
Volvo Group Annual Report für die Jahre 2011 und 2012 – Volvo Trucks (www3.volvo.com)
Volvo Trucks India: Made by Volvo in Indien
ÖSTERREICHISCHE AUTOMOBILFABRIKS-AKTIENGESELLSCHAFT
Geschäftsberichte für die Jahre 1942 – 1970
STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAFT
Geschäftsberichte für die Jahre 1939 – 1970
WIENER FAHRWERKBAU AKTIENGESELLSCHAFT (bis zum 12. März 1941 Automobilfabrik Perl)
Geschäftsberichte für die Jahre 1945 – 1970
MAN Truck & Bus Österreich AG (vormals ÖFL Fahrzeugleasing Gesellschaft m.b.H.)
(FN 129329s)
Firmenbuchauszug
453
Landesgericht Graz (Firmenbuch)
IVECO MAGIRUS BRANDSCHUTZTECHNIK GMBH (FN 156750s)
Jahresabschluss für das Jahr 2011
Gesetze
Bundesgesetz vom 25. Juli 1956
betreffend die Durchführung einzelner Bestimmungen des IV. Teiles des Staatsvertrages (BGBl. 165/1956)
Strassenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (www.verkehrsportal.de)
(STVZO) § 34 (1)
b) Interviews
Wolfgang Schwetz (Leiter der After Sales Abteilung der MAN Trucks & Bus Vertrieb Österreich AG) geführt am
11.10.2012 in Spittal/Drau (Bürogebäude Barbara Preimel, Ponauer Straße 53 a, 9800 Spittal/Drau)
Dr. Peter Demschar (Bezirksstellenleiter und Gefahrgutbeauftragter der WKO, Bezirksstelle Spittal/Drau) geführt
am 06.09.2012 und 14.08.2013 in Spittal/Drau (WKO, Bismarckstraße 14, 9800 Spittal/Drau)
454
c) Wissenschaftliche Literatur
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16.03.2011: Großauftrag für MAN Truck & Bus über 500 Lkw
17.06.2011: MAN baut seine Präsenz am Standort München aus
04.08.2011: TATRA und DAF kooperieren
26.09.2011: Daimler darf in China endlich Lkw bauen
12.01.2012: Daimler erhöht Lkw-Produktion in Nordamerika
13.01.2012: Ford bestellt 370 Lkw bei MAN
01.02.2012: Scania verschiebt Investitionen
09.02.2012: Daimler zeigt sich nach Rekordjahr vorsichtig für 2012
14.02.2012: Ferrostaal-Deal drückt MAN-Gewinn
18.02.2012: Daimler startet im dritten Quartal Lkw-Produktion in China
27.02.2012: Daimler will Lkw-Partnerschaft mit Chinesen ausbauen
28.02.2012: Studie sieht Lkw-Markt vor Umwälzung
15.03.2012: Ehemaliger MAN-Manager verurteilt
22.06.2012: Lkw-Weltmarkt wächst 2012
17.09.2012: Strenge Emissionsziele
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21.07.2009: LKW-Hersteller: Volvos Verlust lässt Lkw-Branche bangen
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28.07.2011: LKW Branche floriert: MAN hebt die Prognose an
31.01.2012: Scania baut erstmals Werk in Indien
28.02.2012: ACEA: Nachfrage nach Nutzfahrzeugen geht zurück
01.03.2012: VW übernimmt bei MAN endgültig die Macht
14.03.2012: VW-Nutzfahrzeugchef: Gespräche über Kleinlastwagen mit MAN laufen
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20.12.2012: Nutzfahrzeugmarkt weiter auf Talfahrt
21.02.2013: Lkw-Bauer: Fiat Übernahme von US-Tochter auf dem Weg
08.05.2013: Konkurrenz für Daimler: Lkw-Konzern Volvo und Dongfeng dürfen fusionieren
24.07.2013: Lkw-Bauer: Volvo erholt sich von der Konjunkturflaute
31.07.2013: IVECO und CO: US-Landmaschinen lassen Gewinn von Fiat Industrial wachsen
03.09.2013: Stärkere Fokussierung: Daimler baut den Vertrieb um
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19.08.2010: Die Top-250-Industriebetriebe im Ranking
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ITRAKTUELL - Das Fachmagazin von ITR und TRAKTUELL 01 – 02/2008
MANAGER-MAGAZIN-ONLINE (www.manager-magazin.de)
27.03.2000: Mitsubishi nun in Daimler-Qualität
15.07.2009: MAN: 560 Millionen Euro für Sinotruk-Einstieg
07.10.2010: Volvo-Aktien-Verkauf spült drei Milliarden in die Kasse
09.05.2011: VW / MAN Überschaubares Angebot
09.05.2011: VW legt Übernahmeangebot für MAN vor (2.Teil)
04.07.2011: VW übernimmt bei MAN das Steuer
27.09.2011: Künftiger LKW-Gigant. EU erlaubt Volkswagen Übernahme von MAN
28.11.2011: Die größten Lkw-Hersteller 2011
14.02.2012: Ferrostaal-Deal drückt MAN-Gewinn
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10.07.2004: Autoindustrie: Wirtschaftsmotor
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14.02.2013: Lkw-Hersteller MAN nimmt Produktion in St. Petersburg auf
04.07.2013: Rostec: Daimler vervierfacht Beteiligung an Kamac bis Jahresende
SCHWERTRANSPORTMAGAZIN (www.kranmagazin.de)
Nr. 9/10 (2006): Nicht öffentlich: Die Wurzeln des Lkw
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22.12.2010: Chinesischer Lkw von MAN und Sinotruk rollt erst ab 2012
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03.05.2012: Scania-Bewertung bringt MAN einen Gewinneinbruch
14.06.2012: Volvo schnappt sich größeren Anteil an Deutz
27.03.2013: Europäischer Nutzfahrzeugmarkt auf Talfahrt
22.08.2013: Volvo-Chef zahlt MAN Schadenersatz
WIRTSCHAFTSWOCHE (www.wiwo.de)
28.11.2011: Ferrostaal wechselt den Eigentümer
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05.09.2001: Ab Oktober gilt Euro-3-Abgasnorm
14.03.2003: DaimlerChrysler zahlt weniger für Fuso-Anteil als ursprünglich geplant
05.10.2010: Lkw-Hersteller drängen ins Vermietgeschäft
(ohne Datumsangabe) Ausgabe 47/2011: Transport+Logistik, Euro 6 und CO2- Grenzwerte – Gegenwart und
Zukunft
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16.04.1953 Nr. 16: Unternehmen
03.02.1955 Nr. 5: Dunlop startet „Tubeless“
11.11.1960 Nr. 46: Hanomag – eine erfolgreiche Rheinstahltochter
20.10.1961 Nr. 43: Minister Seebohm antwortet nicht. Sollen wertvolle Wagen auf den Schrott? Berliner
Spediteure protestieren
26.02.1971 Nr. 9: Fragen zur Wehrbeschaffung an Dr. Günther Rabus. Konzentration der Vorteile
19.03.1982 Nr. 12: Das Omnibuswerk wird im nächsten Frühjahr geschlossen. Autor: Hunger Anton
28.06.2010 (ohne Nummernangabe): Korruption: Ex-MAN-Manager bekommt zwei Jahre auf Bewährung
22.02.2011 (ohne Nummernangabe): Weiterer MAN-Manager muss gehen
27.07.2011 (ohne Nummernangabe): Borgward: Der Niedergang eines Wirtschaftswunder-Unternehmens,
Autor: Vensky Hellmuth
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DAIMLER AG
Der neue Arocs. Bauverkehr. 18-41 Tonnen, Eigenverlag, Stuttgart 2012.
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(Lkw, Busse) > 3,5 to hzG. Hrsg. Ebner Stefan / Mischer Doris, WKO, Wien 2009.
462
f) Sonstige Quellen im world wide web (www)
463
6. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Anteil der Fahrzeugindustrie an der gesamtindustriellen Wertschöpfung in Österreich 1953 bis 2006............. 23
Abb. 2: Mehrbelastung von Import-Lkws gegenüber heimischer Produktion zwischen 1972 und 1977 ................... 24
Abb. 3: Produktionswerte der österreichischen Fahrzeugindustrie 1953 bis 2006 ........................................... 26
Abb. 4: Beschäftigte der österreichischen Fahrzeugindustrie 1945 bis 2006 ................................................... 27
Abb. 5: Pkw- und Lkw-Neuzulassungen 2009 (Veränderung gegenüber 2008 in Prozent) ............................... 30
Abb. 6: Lastwagen-Produktionszahlen (inkl. Assembling) 1980 bis 2009 ........................................................ 31
Abb. 7: Produktion von Lkw nach Gesamtgewicht - Produktionsverteilung (inkl. Assembling) im Jahr 2009 ..... 31
Abb. 8: Baustellenfahrzeug Tornado-Dreiachser............................................................................................ 55
Abb. 9: Ungleiche Verteilung der Haushaltsmittel des Bundes in Deutschland .............................................. 184
Abb. 10: Die Entwicklung der Beförderungsleistung im Zeitraum 1951 bis 1954.............................................. 185
Abb. 11: Marken der zum IVECO-Konzern gehörigen Nutzfahrzeughersteller 1975 ........................................ 211
Abb. 12: Werbeplakette der Magirus-Fahrzeuge – neue M-Reihe................................................................... 212
Abb. 13: Marktanteile der Lastwagenhersteller in Deutschland 2004 .............................................................. 306
Abb. 14: Produktionsnetzwerk der MAN 2013................................................................................................ 308
Abb. 15: Nutzfahrzeugmarkt Deutschland 2007 ............................................................................................. 315
Abb. 16: Marken der zum Volvo-Konzern gehörigen Fahrzeughersteller 2009 ................................................ 327
Abb. 17: Entwicklung der Nutzfahrzeug-Produktion in der EU von 1991 bis 2010 im Vergleich zum Vorjahr .... 338
Abb. 18: Umsatz der Daimler AG in den Jahren 2010 bis 2012 nach Geschäftsbereichen............................... 372
Abb. 19: Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in ausgewählten Ländern Nord- und Südamerikas 2012 ...... 378
Abb. 20: Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in ausgewählten Ländern Asiens 2012 ................................ 378
Abb. 21: Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in Europa 2012................................................................... 379
Abb. 22: Nutzfahrzeugabsatz in Indien 2007 bis 2011.................................................................................... 380
Abb. 23: Beteiligungsstruktur MAN, Scania und VW im Jahr 2013.................................................................. 393
Abb. 24: Marktanteile der Nutzfahrzeughersteller in Westeuropa 2011 ........................................................... 394
Abb. 25: Dem VW-Konzern zugehörige Automobilhersteller 2013 .................................................................. 394
Abb. 26: Bekanntheit von ausgewählten Lkw-Vermietern in Europa 2010....................................................... 398
Abb. 27: Entwicklung der EU-Emissionswerte für Dieselmotoren 1990 - 2014 ................................................ 405
Abb. 28: Transportaufkommen nach Verkehrsträgern 1995 bis 2012.............................................................. 407
Abb. 29: Sind Sie für oder gegen die Zulassung der GigaLiner auf Deutschlands Straßen? ............................ 409
Abb. 30: Kfz-Bestand in Österreich im Zeitraum 1948 bis 2012 ...................................................................... 412
Abb. 31: Prognose der Kohlendioxid-Gesamtemissionen in Österreich........................................................... 413
Abb. 32: Prognose der CO2-Emissionen in Österreich 2000 und 2015 (Anteile der Kraftfahrzeuge in Prozent) 414
Abb. 33: Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen Jänner 2004 bis September 2012 (in Prozent zum Vorjahresmonat) .. 415
Abb. 34: Prozentuale Entwicklung der Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen in der EU von Juni 2012 bis Juni 2013
(gegenüber dem Vorjahresmonat) ..................................................................................................... 417
Abb. 35: Kfz-Neuzulassungen 2012 in Österreich nach Fahrzeugarten in Prozent .......................................... 418
Abb. 36: Weltproduktion Pkw, Lkw und Busse im Zeitraum 1980 bis 2012...................................................... 420
Abb. 37: Absatzentwicklung an Nutzfahrzeugen nach Ländern 2009 und 2015............................................... 421
Abb. 38: Produktion von Lkw nach Gesamtgewicht (inkl. Assembling) im Jahr 2012 ....................................... 423
Abb. 39: Exporte 2012 des österreichischen Automobil-Sektors ..................................................................... 424
464
7. Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Anzahl der Kraftfahrzeuge in Österreich zum 30. Juni 1929................................................................ 14
Tab. 2: Zahl der Einwohner pro Kraftfahrzeug 1932 bis 1936 ......................................................................... 16
Tab. 3: Bestand an Fahrzeugen 1938 und 1945 ............................................................................................ 17
Tab. 4: Gesamtproduktion der österreichischen Fahrzeugindustrie 1951 bis 1955 .......................................... 20
Tab. 5: Der gesamte automotive Sektor 2009 ................................................................................................ 28
Tab. 6: Führende Kfz- und Kfz-Teile-Produzenten in Österreich im Jahr 2009 ................................................ 29
Tab. 7: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1940 bis 1943 .............................................................. 41
Tab. 8: Verkaufte Fahrzeugeinheiten, Mitarbeiterstand, Jahresverlust der ÖAF AG 1956 bis 1958 .................. 49
Tab. 9: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1960 bis 1964 .............................................................. 51
Tab. 10: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1965 bis 1968 .............................................................. 52
Tab. 11: Eckdaten der Jahresabschlüsse der ÖAF AG 1969 bis 1970 .............................................................. 57
Tab. 12: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1939 bis 1944 .................................................... 70
Tab. 13: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1945 bis 1949 .................................................... 72
Tab. 14: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1950 bis 1954 .................................................... 73
Tab. 15: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1955 bis 1958 .................................................... 74
Tab. 16: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1959 bis 1961 .................................................... 76
Tab. 17: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Gräf & Stift AG 1962 bis 1964 .................................................... 77
Tab. 18: Bank- und Lieferverbindlichkeiten der Gräf & Stift AG 1966 bis 1968 .................................................. 78
Tab. 19: Jahresergebnisse der ÖAF-Gräf & Stift AG 1971 und 1972 ................................................................ 81
Tab. 20: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Österreichischen Saurerwerke AG 1945 bis 1954 ..................... 100
Tab. 21: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Österreichischen Saurerwerke AG 1955 bis 1957 ..................... 101
Tab. 22: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Österreichischen Saurerwerke AG 1958 bis 1960 ..................... 102
Tab. 23: Lkw-Produktionszahlen der Steyr-Daimler-Puch AG 1934 bis 1936 .................................................. 116
Tab. 24: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1945 bis 1954 ..................................... 121
Tab. 25: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1955 bis 1958 ..................................... 122
Tab. 26: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1959 bis 1962 ..................................... 125
Tab. 27: Weitere wichtige Bilanzdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1959 bis 1962........ 126
Tab. 28: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1963 bis 1965 ..................................... 127
Tab. 29: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1966 bis 1967 ..................................... 129
Tab. 30: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1968 bis 1971 ..................................... 134
Tab. 31: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1972 bis 1975 ..................................... 136
Tab. 32: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1976 bis 1979 ..................................... 140
Tab. 33: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1980 bis 1983 ..................................... 141
Tab. 34: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1984 bis 1987 ..................................... 146
Tab. 35: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Steyr-Daimler-Puch AG 1988 und 1989 .................................... 151
Tab. 36: Verkaufte Stückzahlen an Steyr-Lkw 1985 bis 1987 ......................................................................... 152
Tab. 37: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG 2002 bis 2005.................... 168
Tab. 38: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG 2006 bis 2008.................... 169
Tab. 39: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG 2006 bis 2008 ................ 171
Tab. 40: Marktanteil an MAN-Fahrzeugen in Österreich 2006 bis 2008 .......................................................... 172
Tab. 41: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1946 bis 1948 ................................... 178
Tab. 42: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1955 bis 1958 ................................... 178
Tab. 43: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1959 bis 1964 ................................... 179
Tab. 44: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Wiener Fahrwerkbau AG 1967 bis 1968 ................................... 180
Tab. 45: Produzierte Kraftfahrzeuge Magirus (ab 1936 Firmenwortlaut Magirus-Deutz) 1933 bis 1939 ............ 197
Tab. 46: Produktionszahlen Magirus-Deutz 1956 bis 1969............................................................................. 203
Tab. 47: Produktionszahlen Büssing 1945 bis 1969 ....................................................................................... 227
Tab. 48: Produktionszahlen Fried. Krupp (1946 bis 1953 Produktion bei der Südwerke GmbH) 1946 bis 1968... 244
Tab. 49: Produktionszahlen Borgward (Drei- und Vierradwagen) 1949 bis 1961 ............................................. 247
Tab. 50: Produktionszahlen Borgward (Lkw, Omnibusse, Klein-Lkw) 1945 bis 1961 ....................................... 248
Tab. 51: Produktionszahlen Hanomag (Ackerschlepper) 1945 bis 1948 ......................................................... 252
Tab. 52: Produktionszahlen Hanomag (Lastwagen und Straßenschlepper) 1945 bis 1969 .............................. 260
Tab. 53: Produktionszahlen Henschel (Lastwagen) 1957 bis 1969 ................................................................. 266
Tab. 54: Produktionszahlen Daimler-Benz AG (Lastwagen) 1945 bis 1969.................................................... 275
Tab. 55: Produktionszahlen Daimler-Benz AG (Transporter, Lastwagen) 1970 bis 1986 ................................. 279
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Tab. 56: Eckdaten des Jahresabschlusses der Chrysler Corporation und der Daimler-Benz AG 1997 ............. 283
Tab. 57: Eckdaten der Geschäftsberichte der DaimlerChrysler AG 2005 und 2006 ......................................... 286
Tab. 58: Eckdaten der Geschäftsberichte der Daimler AG 2007 und 2008...................................................... 287
Tab. 59: Zwangsarbeiter und insgesamt Beschäftigte bei der M.A.N. (Augsburg, Nürnberg) 1940, 1942 und 1944.. 293
Tab. 60: Lkw-Produktionszahlen im Werk Nürnberg 1945 bis 1950 ................................................................ 296
Tab. 61: Produktionszahlen M.A.N. (Lastwagen) 1945 bis 1969 ..................................................................... 299
Tab. 62: Produktionszahlen M.A.N. (Lastwagen) 1970 bis 1986 ..................................................................... 302
Tab. 63: Gewinner des International Truck of the Year 1977 bis 2014 ............................................................ 303
Tab. 64: Entwicklung der weltweiten Nutzfahrzeugverkäufe nach Regionen 2002 bis 2006 ............................. 333
Tab. 65: Lastwagen und Sattelzugmaschinen – Neuzulassungen 2006 bis 2012 ............................................ 336
Tab. 66: Produktion von Lastwagen nach Gesamtgewicht in Stück 1980 bis 2012 .......................................... 339
Tab. 67: MAN-Konzern Sechsjahresübersicht 2004 bis 2009 ......................................................................... 342
Tab. 68: Eckdaten der Konzernjahresabschlüsse der MAN SE 2010 bis 2012 ................................................ 348
Tab. 69: Eckdaten des Konzernzwischenberichtes der MAN SE für das 1. Halbjahr 2013 ............................... 349
Tab. 70: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG 2009 und 2010 .................. 350
Tab. 71: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Truck & Bus Österreich AG für 2011 und 2012 ................. 351
Tab. 72: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Nutzfahrzeuge Vertrieb Süd AG 2009 und 2010 ............... 353
Tab. 73: Eckdaten der Jahresabschlüsse der MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich AG 2011 und 2012 ......... 354
Tab. 74: Eckdaten der Geschäftsberichte der Volkswagen AG Bereich – Marke Scania 2010 bis 2012 ........... 359
Tab. 75: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Iveco-Austria Gesellschaft m.b.H. 2007 bis 2009 ...................... 360
Tab. 76: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Iveco-Austria Gesellschaft m.b.H. 2010 bis 2012 ...................... 361
Tab. 77: Eckdaten der Jahresabschlüsse der Iveco Magirus Brandschutztechnik GmbH 2008 bis 2011 .......... 362
Tab. 78: Umsatzerlöse und Betriebsergebnis der Volvo Group Global nach Geschäftsbereichen 2010 bis 2012..... 367
Tab. 79: Eckdaten der Geschäftsberichte der Daimler AG für den Nutzfahrzeugbereich 2008 und 2009.......... 369
Tab. 80: Absatzzahlen der Geschäftsberichte der Daimler AG für den Nutzfahrzeugbereich 2008 und 2009 ... 370
Tab. 81: Eckdaten der Geschäftsberichte der Daimler AG – Geschäftsbereich Daimler Trucks 2010 bis 2012 .... 371
Tab. 82: Zwischenbericht der Daimler AG – Geschäftsbereich Trucks für das 1. Halbjahr 2013 ...................... 373
Tab. 83: Nutzfahrzeug-Bestand (Lkw und Busse) am 31. August 2013........................................................... 402
Tab. 84: Abgasnormen für schwere Nutzfahrzeuge (Lkw und Busse) ............................................................. 404
Tab. 85: Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen (Lkw und Busse) innerhalb Europas 2011 und 2012 ............... 416
Tab. 86: Lkw und Sattelzugmaschinen – Neuzulassungen in Österreich von 2009 bis 2012............................ 418
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8. Logoverzeichnis
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Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne frem-
de Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benützt und die den
Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prü-
fungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung ent-
spricht er der eingereichten elektronischen Version.
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