Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Hausarbeit
Vorgelegt von:
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ...................................................................................................................... 4
4 Schlussbetrachtung ............................................................................................... 9
Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 10
4
Einleitung
Das erste Kapitel der vorliegenden Arbeit geht der Frage nach, an welchem Leitbild das
Konzept des aktivierenden Sozialstaats ausgerichtet ist. Welche Anreiz-Elemente dieses
Konzept beinhaltet, wird im zweiten Kapitel untersucht. Der Aufbau des zweiten Kapitels
richtet sich nach Galuskes Gliederung der Elemente des aktivierenden Sozialstaats in
die Perspektiven des Arbeitsmarktes, der Verwaltung und der Bürger (vgl. Galuske
2004). Bevor die Arbeit mit einer kurzen Schlussbetrachtung zum Ende kommt, wird im
dritten Kapitel der Frage nachgegangen, wie eine grundsätzliche Kritik am Konzept des
aktivierenden Sozialstaats lauten könnte.
Das Leitbild des aktivierenden Sozialstaats ist der ‚aktive Bürger‘. Dieser beteiligt sich
selbständig an der Finanzierung öffentlicher Leistungen und erfüllt somit eine zentrale
soziale Aufgabe im Staat (vgl. Pilz u.a. 2009, S. 80). Wem es nicht gelingt, sich aktiv an
der Leistungserbringung zu beteiligen, dem greift der Staat unter die Arme, indem er
Hilfe zur Selbsthilfe leistet. Das Leitbild des aktiven Bürgers schließt demnach den nicht-
aktiven Bürger ein, der vom Staat aktiviert werden muss. Hinter dem Begriff des
‚aktivierenden Sozialstaats‘ verbirgt sich also die Idee sozialpolitischer Beeinflussung
der Bürger zugunsten des Staates – der sich wiederum aus ebendiesen Bürgern
5
zusammensetzt (vgl. Dingeldey 2006, S. 7; Mätzke 2011, S. 4). Der Kern dieser Idee
und die Einsicht in die Verantwortung des Bürgers für das Allgemeinwohl ist sicher nicht
neu. Bereits die Sozialpolitik der Nachkriegszeit war darum bemüht, „das Verhalten der
Bürger durch sozialpolitische Maßnahmen zu lenken und ein stückweit zu normieren“
(Mätzke 2011, S. 4). Das heute bekannte Paradigma der Aktivierung fand aber erst Mitte
der 1980er Jahren Eingang in die deutsche Sozialpolitik (vgl. Damkowski/Rösener 2003,
S. 44ff.). In den 1990er Jahren bestimmte die Idee des ‚aktivierenden Sozialstaats‘ die
moderne sozialdemokratische Politik von Bill Clinton, Tony Blair, Wim Kock und Gerhard
Schröder (Büschken 2016, S. 28). „In Deutschland wurde die Diskussion zum
aktivierenden Staat zunächst unter dem Stichwort ‚Neue Mitte‘ im Wahlkampf der SPD
von 1998 geführt“ (Dingeldey 2006, S. 6). Die damals formulierte Politik und ihre
derzeitige Fortführung ist die erste Antwort der Sozialpolitik auf die soziale Frage in der
ökonomisierten Gesellschaft (vgl. Galuske 2004, S. 5). „Mit dem Ausdruck ‚aktivierender
Staat‘ sollte die Forderung nach Herstellung eines veränderten Beziehungsverhältnisses
von Staat und Gesellschaft ausgedrückt werden“ (Büschken 2016, S. 26). Der
kompensierende Sozialstaat der Nachkriegszeit sicherte zwar die Existenz seiner
Bürger, aber er förderte Hilfebedürftige nicht nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe
(vgl. Galuske 2004, S. 7f.). Weil aber soziale Risikolagen in der modernen Gesellschaft
des 21. Jahrhunderts die Normalität darstellen, sieht die aktivierende Sozialpolitik hier
doppelten Handlungsbedarf: Einerseits sollen die Bürger selbst für ihre sozialen Belange
sorgen und die Verantwortung für Lebensrisiken und Altersvorsorge tragen (Büschken
2016, S. 29). Andererseits wird den Bürgern, denen ein aktives Verhalten im Sinne des
Gemeinwohls nicht gelingt, geholfen, indem sie befähigt werden, sich selbst aus ihrer
schlechten wirtschaftlichen Lage zu helfen, um schließlich wieder eigenverantwortlich
ihren Beitrag zum Allgemeinwohl leisten zu können.
Die Politik des aktivierenden Sozialstaats ist darauf ausgerichtet, möglichst viele Bürger
in Lohn und Brot zu stellen (vgl. Galuske 2004, S. 5). Aus sozialpolitischer Sicht soll
einerseits der Arbeitsmarkt offen sein, d.h. die Quantität und Qualität der nachgefragten
Arbeit soll in etwa mit dem Angebot auf Seiten der Arbeitnehmer übereinstimmen.
6
Die Idee einer aktivierenden Sozialpolitik, welche in Deutschland in der Agenda 2010
erstmals Gestalt annahm, manifestiert sich in den Harz-Gesetzen und wird dort greifbar,
wo die Deregulierung des Arbeitsmarktes dessen Aufnahmefähigkeit steigert (vgl.
Galuske 2004, S. 8; Dingeldey 2006, S. 7).
Bei alledem ist zu bedenken, dass die Aktivierung des öffentlichen Dienstes nach den
Kriterien der Effizienz-, Wettbewerbs- und Leistungssteigerung nicht nur der Verwaltung
des Sozialstaates im engeren Sinne zugutekommt, sondern ebenso Kindergärten,
Schulen, Altenheime, sowie die Jugendhilfe, Erwachsenenbildung etc. betrifft (vgl.
Galuske 2004, S. 7).
Ein Konstrukt aktivierender Elemente, welches für die Politik des aktivierenden
Sozialstaats beispielhaft ist, weil es sich über alle drei Perspektiven der Aktivierung
erstreckt (Arbeitsmarkt, Verwaltung, Bürger), sind die Hartz-Gesetze, welche heute
innerhalb der Bundesrepublik unter dem Schlagwort ‚Harz IV‘ als Menetekel der Agenda
2010 zu zweifelhaftem Ruhm gelangt sind (vgl. Galuske 2004, S. 8). Auch bezüglich der
8
Ein kritischer Blick auf das Konzept des aktivierenden Sozialstaats wird zunächst dort
haften bleiben, wo dem Einzelnen, der keine Arbeit hat, pauschal vonseiten der
Sozialpolitik ein persönliches Versagen zugeschrieben wird. Büschken sieht eine
derartige grundsätzliche Kritik im Kontext der Frage nach dem sozialen Konfliktpotenzial
im aktivierenden Sozialstaat, wobei – im noch allgemeineren Rahmen – ebenso die
Soziale Frage anklingen mag.
„In der ökonomisierten Gesellschaft der Anfangsjahre des 21. Jahrhunderts werden
soziale Konflikte verdeckt und die psychosozialen Probleme, die die Konkurrenz und das
Mithalten bedingen, geleugnet, vielmehr dem Einzelnen als persönliches Versagen
zugeschrieben. Was bedeutet es, wenn soziale Konflikte auf die Ebene der Person
9
verschoben werden? An welcher Stelle brechen die sozialen Konflikte wieder auf (...)?“
(Büschken 2016, S. 19).
Aus dieser Perspektive wirken die Sozialstaatsreformen der letzten zwei Jahrzehnte wie
eine Anpassung des Staates an ein liberales Wirtschaftssystem mittels sozialpolitisch
verordneter Kostenersparnis und Senkung des Sozialbudgets (Büschken 2016, S. 27).
In mancher Hinsicht hat der aktivierende Sozialstaat seinen Bürgern eine Verbesserung
ihrer Lebenssituation lediglich versprochen – erreicht wurde dieses Ziel nicht. Darüber
hinaus scheint dem bisherigen Konzept des aktivierenden Sozialstaats ein fataler
Widerspruch eingeschrieben: Da der Staat nämlich einerseits von seinen Bürgern eine
prinzipielle Integration in den Arbeitsmarkt fordert, andererseits aber ein Recht auf Arbeit
nicht gewähren kann – weil es schlicht und einfach nicht genügend staatliche
Beschäftigungsangebote gibt (vgl. Dingeldey 2006, S. 8) – bringt der aktivierende
Sozialstaat die Bürger mitunter in dieselbe Bedrängnis, aus der er sie zu befreien vorgibt.
4 Schlussbetrachtung
Welche Schlüsse lassen sich aus dieser kurzen Betrachtung des Themas ziehen? Nach
dem Leitbild des aktiven Bürgers sieht der aktivierende Sozialstaat die prinzipielle
Aufgabe seiner Bürger darin, selbst für ihre sozialen Belange zu sorgen und durch
Beteiligung an der Leistungserbringung Verantwortung für die Allgemeinheit zu
übernehmen. Gelingt es einzelnen Bürgern nicht, sich im Sinne des Allgemeinwohls zu
verhalten, bietet der aktivierende Sozialstaat ihnen Hilfe zur Selbsthilfe an (vgl. Galuske
2004, S. 8). Zentrale Anreiz-Elemente sind die Deregulierung des Arbeitsmarktes, die
Ökonomisierung des öffentlichen Dienstes, Familienförderung, Förderung privater
Altersvorsorge sowie die effiziente Weiterbildung und Sanktionierung von
Arbeitssuchenden. Sämtliche sozialpolitischen Maßnahmen zur Aktivierung haben die
Erhöhung der Teilhabe-Chancen aller Bürger zum Ziel (vgl. Büschken 2016, S. 67 f.).
Weil aber ein Scheitern auf dem Arbeitsmarkt dem Einzelnen als persönliches Versagen
angelastet werden kann, ist grundsätzliche Kritik am Konzept des aktivierenden
Sozialstaats richtig und notwendig.
10
Literaturverzeichnis
Büschken, Michael; Butterwegge, Christoph (2016): Soziale Arbeit unter den Bedingungen des
»aktivierenden Sozialstaates«. Weinheim: Beltz/Juventa.
Damkowski, Wulf; Rösener, Anke (2003): Auf dem Weg zum Aktivierenden Staat. Vom Leitbild
zum umsetzungsreifen Konzept. Berlin: Ed. Sigma.
Dingeldey, Irene (2006): Aktivierender Wohlfahrtsstaat und sozialpolitische Steuerung. In: Aus
Politik und Zeitgeschichte/APuZ. Ausgabe 8-9/2006, S. 3–9.
Galuske, Michael (2004): Der aktivierende Sozialstaat. Konsequenzen für die Soziale Arbeit. In:
Studientexte aus der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH). Ausgabe 4.
Mätzke, Margitta (2011): Individuelles Verhalten und sozialpolitische Anreize: Das fordernde
Element im Wohlfahrtsstaat. In: WSI Mitteilungen. Ausgabe 1. S. 3–10.
Pilz, Frank; Waniak, Małgorzata (2009): Der Sozialstaat. Ausbau, Kontroversen, Umbau. Bonn:
Bundeszentrale für Politische Bildung.