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Europa und die Schweiz im Mittelalter

B Die mittelalterliche lm Verlauf des 16. Jahrhunderts fanden Gelehrte und Künstler einen neuen Zu-

-
Ständeordnung, Buchillus- gang zur Kultur der antiken Welt. Für sie waren die Kunst und die Literatur der
tration aus dem 13. Jh. Griechen und Römer Vorbilder, und mit dem Ende der Antike begann für sie eine
............. Periode des kulturellen Niedergangs. Sie bezeichneten nun die Epoche, die zwi-

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. schen ihnen und der Antike lag, als medium aevum ( .. mittleres Zeitalter"). Aus
diesem Geschichtsbild entwickelte sich die Vorstellung des .finsteren Mittelal-

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~ •', . ters", die sich teilweise bis heute gehalten hat. Ein Historker beschrieb diese Hal-

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.-~- t tung wie folgt: .. So verbindet der Mensch von heute mit diesem Begriff die Vorstel-
l·• ~, lung der rohen, ungezügelten Gewalt und Macht, der Unfreiheit, Unterdrückun g,
Ausbeutung fast aller Menschen, der finsteren Dämonie, des Hexenglaubens, der
religiösen Verdunkelung, der macht- und herrschaftshungrigen Kirche, des
Mönchsgezänks anstelle objektiver Wissenschaft, der feudalen Herrschaft einer
;\\' nicht arbeitenden Oberschicht."
lm Gegensatz zu dieser Sichtweise entwickelte sich im späten 18. Jahrhundert das
Bild des .romantíschen Mittelalters". Die mittelalterliche Welt wurde als .heile

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Welt" empfunden - als eine Welt gläubiger Menschen ohne religiöse Gegensätze
oder Revolutionen, als eine harmonische Welt ohne den Gegensatz von Natur und
Technik. Sie wurde als eine Welt verstanden, in der jeder Mensch seinen zugeord-
neten Platz hatte: heldenhafte Könige, edle Ritter, züchtig umworbene adlige Da-

·,, \;\ ~)1l'j- . 1, . men, fromme Nonnen und Mönche, schicksalsergebene fleissige Bauern und
ehrbare städtische Handwerker.

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War das Mittelalter nun finster oder romantisch' Oder hatte es viele Gesichter?
Sind die Wurzeln unserer heutigen Gesellschaft sogar im Mittelalter zu suchen?
Ein erster Zugang zur mittelalterlichen Welt lässt sich aus dem nebenstehenden
. • • . - • , Bild ableiten: Ein Geistlicher (Mönch) und ein Adliger (Ritter) stehen sich gegen-

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:_ . über. Sie bildeten die Führungsschicht und zeugen von der Bedeutung des Glau-
bens und des Kampfes in der mittelalterlichen Gesellschaft. Neben ihnen steht ein
Bauer, dessen Schaufel zeigt, dass er für Arbeit und Ernährung zuständig ist.
i/ - .. : - ' Wie kam es zu dieser Aufgabenverteilung' Wodurch zeichnete sich diese Gesell-
schaftsordnung aus? Wie lebten die Menschen damals - in den Dörfern, in den
Städten' Woran glaubten sie? Wie wurden sie regiert? Diese und weitere Fragen
werden in diesem Kapitel behandelt.

1054
Trennung von römischer und
griechisch-orthodoxer Kirche

1075 um 1300
Beginn des lnvestitursrreits Höhepunkt der
Stadtgründungen
1096
Ausrufung des ab 1347

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ersten Kreuzzugs Die grosse Pese überzieht Europa

L
1291
1m1450
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Gründung des erscen Klosters 732 Karl der Grosse ab 12 Jh Bundesbnef zwischen
m s~ 353
Achtorcige Erfindung des
durch Benedikt von Nursia Das Frankenheer besiegt die wird zum Kaiser Begrnn der Grundung Un, Schwyz und
in Monte Cassino Araber bei Tours und Poitiers gekrönt
I von Universitären Unterwalden idgenossenschaft Buchdrucks

500-1000 Frühmittelalter 1000-1250 Hochmittelalter 1250-1500 S~tmittelalter

500 600 700 800 900 1100 1200 1300 1400 1500
Europa und die Schweiz im Mittelalter Lebensw elten im M ittelalter

(i'!jJJ Ständebild, kolorierter Holzschnitt, um 1490


Lebenswelten im Mittelalter 2
3
Interpretiere das Bild zur Ständeordnung (M 2).
Arbeite die wichtigsten Unterschiede zwischen
M 2 und dem Ständebaum (M 3) heraus. Wie lassen
sie sich begründen?
Die Ständegesellschaft
eE Drei Begründungen der Ständeordnung
Einteilung der Gesellschaft lm Mittelalter benutzte man zur Beschreibung der a) Bischof Burchard von Worms:
Unterschiede zwischen den Menschen geme einfa- Wegen der Sünde des ersten Menschen ist dem Menschen-
che Gegensätze; Arm und Reich, Alt und Jung, Mann und Frau, Herr und Knecht, geschlecht als Strafe die Knechtschaft auferlege worden.
frei und unfrei. Gegen Ende des Frühmittelalters entwickelten Gelehrte ein ande- Goce hat jenen, für die die Freiheit niche passe, in grosser
Stände res Denkmuster: Oie Gesellschaft setze sich danach aus drei Ständen zusammen: Barmherzigkeit die Knechtschaft auferlegt. [ ... ] Die einen
Bevölkerungsgruppen in einem hier• hat er zu Knechten, die anderen zu Herren eingesetzt. Die
den Geistlichen, den Adligen und den Bauern (Ständegesellschaft). Jedem Stand
archischen System, die sich sozial
und rechtlich voneinander abgren- habe der Plan des Schöpfers einen speziellen Dienst zugewiesen: das Beten, das Mache der Herren soll verhindern, dass die Knechte Frevel
zen. Schützen und das Arbeiten. ln dieser Ordnung ,.stand" jeder auf dem Platz, der begehen.
ihm durch Geburt oder Berufung zugewiesen sei. Gottes Wille zeige sich auch
darin, dass die drei Stände nicht von gleichem Rang und gleicher Macht waren, b) Bischof Adalbero von Laon (971-1030):
dass Adel und Klerus über die grosse Masse der Landbevölkerung herrschten und Das Haus Gotees ist dreigeteilt: Die einen beten. die anderen
von deren Abgaben lebten. Diese Gliederung der Gesellschaft galt jahrhunderte- kämpfen, die dritten endlich arbeiten. Diese drei miteinan-
lang. der lebenden Schichten( ... ] können nicht getrennt werden.
Die Dienste des einen sind die Bedingungen für die Werke
Die Geistlichkeit und der Der geistliche Stand, der Klerus, war nicht den der beiden anderen.
Adel
landesüblichen Gesetzen, sondern dem Kirchenrecht
unterworfen. Die höheren geistlichen Ämter standen weitgehend den Adligen zu: c) Die Äbtissin Hildegard von Bmgen, 1150:
Söhne der Herzöge und Grafen wurden zu Bischöfen ernannt, die Kinder der Gott achtet bei jedem Menschen darauf. dass sich der nie-
Ritter konnten in Klöster eintreten. Die Aufgabe der Adligen war die Sicherstel- m) Ständebaum, Holzschnitt, Petrarca-Meister, dere Stand niche über den höheren erhebe, wie es einst Sa-
lung der Ordnung. Ihre Ideale verpflichteten sie zum Kampf für Christus und für um 1520 tan und der erste Mensch getan. [ ... ] Wer steckt all sein
die Kirche. Seit dem Ende des 11. Jahrhunderts begann man zwischen dem hohen Viehzeug zusammen in ernen Stall: Rinder, Esel, Schafe, Bö-
und dem niederen Adel zu unterscheiden. cke' Da käme alles übel durcheinander'[ ... ] Gott teilt sein
Volk auf Erden ,n verschiedene Stände, wie die Engel ,m
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Die Bauern Die Bauern hatten das Land zu bestellen, von ihrer Himmel in verschiedene Gruppen geordnet sind, in die ein-
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Arbeit lebten der Adel und der Klerus. Das Waffen- fachen Engel und in die Erzengel.
tragen wurde den Bauern zunehmend verwehrt, und von den politischen Angele- Zit noch:Johonnes Bühler, Die Kultur im Mittelalter, Stuttgart (Kröner) 1954,
Ministeriale genheiten wurden sie ausgeschlossen. Fast alle hatten an ihren Grundherrn unter- s.123
s.5.190
schiedlich hohe Abgaben und Dienste zu leisten.
4 ■ Halte Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der
Begründung der Scändegesellschaft fese (M 4).
(m Schema der Ständegesellschaft Die Frauen Es ist kein Zufall,
dass Frauen in
den meisten Schriften der Gelehrten nicht er- eß Aus einer bäuerliche Kleiderordnung, um 1150
wähnt werden. Geschah dies doch, so wurden Dem Bauer rst nach dem Reche nur Schwarz oder Grau zu
sie als eigener Stand bezeichnet. Über die wirk- tragen erlaube. Verzierungen darf er nur an der Seite des Ge-
liche Stellung der Frau in der mittelalterlichen wandes tragen; rindlederne Schuhe sind genug. Für das
Gesellschaft sagt diese von Männern entworfe- Hemd sieben Ellen (1 Elle= ca. 60 cm] und für die Kniehose
ne Ständeordnung wenig aus. Das Leben der Tuch aus Tupfen [e grobes Leinen]. An den Sonntagen soll
Frauen war stark davon geprägt, zu welchem er zur Kirche gehen. Doch darf er nur einen Stecken in der
Stand sie gehörten. Gemeinsam war ihnen je- Hand tragen. Kommt er mit einem Schwere, soll man [ ... ]
doch, dass während des Mittelalters ihre Rechte ihm den Huc wegnehmen und das Haar abschneiden.
zunehmend eingeschränkt wurden. Zit. noch: Günther Franz, Quellen zur Geschichte des deutschen Bouernston•
des im Mittelalter, Darmstadt (WBG) 1974, S. 25

■ Vergleiche die mittelalterliche mie der


heutigen Gesellschaftsordnung und erläutere, 5 Erkläre, inwiefern die Kleiderordnung die Stände-
welche für den Einzelnen mehr Vorteile hat. gesellschaft spiegele (MS).

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