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Islamische Gesellschaft

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1988 [24] B. Heyberger, Les chrtiens du Proche-Orient au werden die knstlerischen Erzeugnisse verstanden, die
temps de la reforme catholique (Syrie, Liban, Palestine, XVIIe – durch Vçlker oder Gesellschaften geschaffen wurden, die
XVIIIe sicles), 1994 [25] M. Hodgson, The Venture of Islam.
The Gunpowder Empires and Modern Times, 1974 sich mehrheitlich bzw. als herrschende Minderheit der
[26] A. Hçfert, Den Feind beschreiben. »Trkengefahr« und islam. Religion und Kultur verpflichtet fhlen. Der ein-
europ. Wissen ber das Osman. Reich 1450–1600, 2003 zelne Knstler konnte durchaus einer anderen Religion
[27] H. İnalcık / D. Quataert (Hrsg.), An Economic and angehçren (so konnten christl. Handwerker fr muslim.
Social History of the Ottoman Empire, 1997 [28] C. Kafadar,
Between Two Worlds. The Construction of the Ottoman State, Auftraggeber arbeiten); dennoch ist das »Produkt« in
1995 [29] M. Kemper, Sufis und Gelehrte in Tatarien und Form und Stil »islamisch« (ÑOrientalische Kunst).
Baschkirien, 1789–1889. Der islamische Diskurs unter russischer Von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 19. Jh.s ent-
Herrschaft, 1998 [30] M. Kemper, Herrschaft, Recht und Islam standen islam. Kunstwerke ganz unterschiedlicher Art in
in Daghestan. Von den Khanaten und Gemeindebnden zum
ǧihad-Staat, 2005 [31] K. Kreiser, Der Osmanische Staat, 1300– einem Gebiet, das in seinen engeren Grenzen von der
1922, 2001 [32] I. Lapidus, A History of Islamic Societies, 11988 Iber. Halbinsel (al-Andalus) im Westen bis nach Indien
[33] I. Lockhart, Nadir Shah – A Critical Study Based Mainly im Osten reichte und Gebiete Nordafrikas (mit gyp-
upon Contemporary Sources, 1938 [34] R. McChesney, Waqf ten), den Vorderen und Mittleren Orient (Syrien-Pals-
in Central Asia – Four Hundred Years in the History of a
Muslim Shrine, 1480–1889, 1991 [35] Y. Moubarac, Recherches tina, Mesopotamien, Iran), die Trkei und große Berei-
sur la pense chrtienne et l’islam, 1977 [36] R. Oßwald, che des Balkans, den Kaukasus und Mittelasien ein-
Schichtengesellschaft und islamisches Recht: Die Zawāyā und schloss (ÑIslam). Eine wichtige Rolle spielten neben
Krieger der Westsahara im Spiegel von Rechtsgutachten des 16.– Kalligraphie [3] und Buchmalerei (anstelle der europ.
19. Jh.s, 1993 [37] J. Osterhammel, Die Entzauberung Asiens.
Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jh., 1998 Tafelmalerei) die angewandten Knste (ÑKunsthand-
[38] E. Peskes, Muhammad b. ‘Abd al-Wahhāb (1703–92) im werk), hier v. a. Arbeiten in Keramik, Metall, Holz und
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Widerstreit. Untersuchungen zur Rekonstruktion der Frh- Jade, aber auch Textil- und Teppichkunst.
geschichte der Wahhābiyya, 1993 [39] E. Peskes, al-‘Aidarūs
und seine Erben. Eine Untersuchung zu Geschichte und Sufis-
mus einer hadramitischen Sāda-Gruppe vom 15. bis zum 18. Jh., 1.2. Zur Frage des Bilderverbots
2005 [40] ˙J. F.˙ Richards, The Mughal Empire, 1993
[41] H. R. Roemer, Persien auf dem Weg in die Nz. Iranische Ausgehend vom ÑKoran, der heiligen, vom ÑProphe-
Geschichte von 1350–1750, 1989 [42] E. Saad, Social History of ten Muhammad im 7. Jh. verkndeten und sehr bald
Timbuktu. The Role of Muslim Scholars and Notables, 1400– ˙
1900, 1983 [43] W. Schulze, Reich und Trkengefahr im spten schriftlich fixierten Botschaft, kommt dem Wort und
16. Jh., 1978 [44] V. Segesvary, L’islam et la rforme, 1978 der arab. Schrift (und damit der Kalligraphie) große
[45] J. Spaulding, The Heroic Age in Sinnār, 1985 Bedeutung zu. Auch wenn der Koran ein Bilderverbot
[46] A. von Kgelgen, Die Legitimierung der mittelasiatischen nicht explizit benennt, ist eine Reihe negativer Aussagen
Mangitendynastie in den Werken ihrer Historiker, 2002
[47] J. Wilkinson, The Imamate Tradition of Oman, 1987. Muhammads bezglich figrlicher (menschlicher) Dar-
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stellungen in den Hadithen berliefert; sie hatten (und
Stefan Reichmuth haben bis heute) u. a. aufgrund verschiedener Rechts-
schulen regional und zeitlich unterschiedlich starke Res-
Islamische Gesellschaft triktionen zur Folge. Dort, wo figrliche Darstellungen
s. Muslimische Gesellschaften abgelehnt werden, wie an bzw. in der ÑMoschee, wird
die Prsenz ÑGottes mit dem Abbild des Wortes, d. h.
Islamische Kunst und Architektur der ÑSchrift, symbolisiert. Inschriftenprogramme wur-
1. Kunst den so zu bevorzugten Trgern religiçser und intellek-
2. Architektur tueller Inhalte [7].
Große Bedeutung erlangte die ÑOrnamentik, bei der
1. Kunst geometrische Figuren zu unendlichen Rapports (Mus-
tern) verdichtet wurden, die ganz unterschiedliche Kunst-
1.1. Begriff und Definition werke schmckten. Charakteristisch ist ferner die sog.
1.2. Zur Frage des Bilderverbots Arabeske, eine stark stilisierte Gabelblattranke, die seit
1.3. Osmanen
1.4. Safawiden der Renaissance auch in die europ. Kunst Eingang ge-
1.5. Moguln funden hat.
1.6. Europische Musealisierung

1.1. Begriff und Definition 1.3. Osmanen


»Islam. Kunst«, »Kunst des I.« oder »Kunst der islam.
1.3.1. Allgemein
Vçlker« – schon die richtige Bezeichnung ist strittig und 1.3.2. Buchmalerei
lsst die Schwierigkeiten hinsichtlich Abgrenzung und 1.3.3. Kunsthandwerk
Definition des Gegenstandes erahnen. Unter islam. Kunst 1.3.4. Textilkunst
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1.3.1. Allgemein sain Bayqara wirkte. Nach dessen Tod und der Erobe-
Die Osmanen standen, da sie zeitweilig das Mittel- rung von Herat 1507 durch die Schaibaniden, die das
meer beherrschten, mit Europa ber Jahrhunderte in Ende der Timuridendynastie bedeutete, ging Behzad ins
engem Kontakt (ÑOsmanisches Reich; ÑMediterrane Exil nach Tabriz an den Hof des wenige Jahre zuvor an
Welt) und hatten in der islam. Welt seit der Eroberung die Macht gekommenen Schah Ismā’ı̄l (reg. 1501–1524),
Kairos 1517 (ÑMamluken) als »Hter der islam. Sttten« des Begrnders der Safawidendynastie.
(Mekka und Medina) und als Kalifen eine besondere Im 16. Jh. entstanden zahlreiche osman. Handschrif-
Stellung (ÑIslam 6.2.3.). Die Entwicklung der osman. ten, sowohl historiographische als auch religiçse Schrif-
Kunst vollzog sich in drei großen Schritten: nach einer ten. Das Sleymān-nāme (TSM, H. 1517) gehçrt zu einer
formativen Periode, in der Einflsse aus Persien und Reihe illustrierter Annalen, den Şehnāme-i Al-i Osman
Zentralasien eine große Rolle spielten, erreichte sie unter (5 Bde. mit 617 Blttern 69 Miniaturen), das 1558 voll-
der Herrschaft Sleymāns des Prchtigen (reg. 1520– endet wurde. Der Text berichtet ber die Ereignisse der
1566) und Murāds III. (reg. 1574–1595) ihren Hçhe- Regierungszeit Sleymāns bis 1558. Die auch in histor.
punkt, bevor ab dem 18. Jh. europ. Einflsse zunahmen. Hinsicht aufschlussreichen Miniaturen zeigen u. a. ge-
Der junge, dynamische Herrscher Mehmed II. Fatih wonnene Schlachten oder eroberte Stdte und wurden
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holte europ. Spitzenknstler wie Gentile Bellini an sei- gezielt zur Verherrlichung des Osman. Reiches einge-
nen Hof (um 1479–1481), um sich in europ. Manier (l setzt. Das Interesse an topographischen Details spiegelt
auf Leinwand) portraitieren zu lassen. Erhalten haben sich auch im Seeatlas des Admirals Piri Reis wieder, von
sich Medaillons sowie sein Portrait in der Londoner dem mehrere Kopien des 16. Jh.s erhalten sind.
National Gallery. Mehmeds Sohn Bayazid II. (reg. Unter den religiçsen Werken, v. a. reich illuminierten
˙
1481–1512), gerne als frçmmelnd charakterisiert, war Koran-Manuskripten, sticht der dem Meisterkalligraphen
zwar kein Freund europ. ÑMalerei, doch ob er die nach Ahmad Karahisari zugeschriebene Koran (TSM, HS 5)
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europ. Art gemalten Bilder seines Vaters auf dem Basar hervor, der auf Anweisung von Murad III. vollendet
verkaufen ließ, ist zumindest umstritten. Sehr wahr- und illuminiert wurde (Ledereinband von 1590/91).
scheinlich ging auf ihn die Einrichtung des ersten Hof- Der juwelengeschmckte Einband seines Diwans von
ateliers in der Hauptstadt Istanbul zurck, das unter 1588 gehçrt zu den prchtigsten berhaupt. Die von
seinen Nachfolgern große Bedeutung erlangte. Mit den Murad III. bestellte Kopie der Biographie des Propheten
Siegen Selı̄ms I. Yavuz (»des Grausamen«) ber die (im 9. Jh. von Ibn Ishaq verfasst und Ende des 14. Jh.s
Safawiden in der Schlacht bei Čaldirān (1514) und die ins Trkische bersetzt), ein sechsbndiges Werk mit 814
ÑMamluken (Eroberung von Kairo 1517) stieg das Os- Miniaturen, wurde trotz aller Bemhungen erst unter
man. Reich nicht nur zur europ.-asiat. Großmacht auf, Mehmed III. um 1600 fertiggestellt. Im Vergleich zu den
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sondern gelangte auch in den Besitz zahlreicher Kunst- »Schlachtenbildern« der illustrierten Annalen fallen
schtze und Manuskripte, die in der Schatzkammer deutliche stilistische Unterschiede auf (andere Farbwahl,
(hazine) des Topkapı-Palasts aufbewahrt wurden und Betonung von Einzelfiguren und kaum Landschafts-
nicht ohne Einfluss auf die weitere Kunstentwicklung details), die sich nur mit der religiçsen Thematik erkl-
blieben. ren lassen, da es sich in beiden Fllen um eine Arbeit der
Der osman. Kunstbetrieb war von den Auftrgen des Palastwerksttten handelt.
Sultans, seines Hofes sowie einer relativ kleinen Schicht Aus der »Tulpenzeit« (trk. lāle devri, 1703–1730)
von hohen Wrdentrgern abhngig. Viele Entwrfe stammt das Surnāme-yi Vehbi (»Buch der Feste«, TSM,
stammten aus dem sog. nakkāsh-khāne, einer Art zen- A. 3593), in dem mit 173 Miniaturen das 15 Tage dau-
tralem »Entwurfsbro«, was bereinstimmende Muster ernde Beschneidungsfest fr die Sçhne Ahmeds III.
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auf ganz unterschiedlichen Kunstgegenstnden erklrt. (1720) illustriert wird. Dem berhmten Levni (eigentlich
Es geht auf das unter den Timuriden (1370–1506) einge- Abdl Celil), der nur zwei Miniaturen signierte, werden
fhrte kitāb-khāne (Hofatelier) zurck, in dessen Orga- aufgrund ihrer Einheitlichkeit auch die anderen Minia-
nisation ein Bericht an Baysunghur b. Shahrukh von turen zugeschrieben. Hauptthemen sind die Prozession
1427 Einblick gibt (Topkapı Sarayı Museum = TSM, H. der Znfte, Empfnge und Feste beim ÑSultan sowie
2152, fol. 98 a). Entertainment jeder Art, zu Lande und zu Wasser.

1.3.2. Buchmalerei 1.3.3. Kunsthandwerk


In der Buchmalerei war es nicht so sehr die indivi- ber Jahrhunderte entstanden hochwertige Metall-,
duelle Handschrift des Knstlers, die sichtbar werden Jade-, Keramik-, und Holzarbeiten, die sich heute im
sollte; erstrebt wurde vielmehr die perfekte Kopie eines Topkapı-Palast, aber auch in Museen in Europa und den
großen Vorbilds, wie z. B. Kamal ad-Din Behzads, der USA befinden. Besondere Bedeutung erlangte die Kera-
zunchst am Timuridenhof in Herat unter Sultan Hu- mikherstellung in Iznik, wo ab den 1470/80er Jahren bis
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delsgtern und waren bereits auf zahlreichen europ.
Gemlden ab der Mitte des 15. Jh.s dargestellt. Dies
ermçglichte zu Beginn des 20. Jh.s ihre Datierung und
fhrte zu Namen wie »Holbein«- oder »Lotto-Teppich«.
Zentren der Teppichherstellung waren u. a. die westana-
tolischen Stdte Usak und Bergama.

1.4. Safawiden
Die Safawidenherrscher fçrderten nicht nur die Ar-
chitektur (s. u. 2.3.), sondern auch Kunsthandwerk und
Malerei [5]. Gern und hufig wurde das von Firdausı̄
um 1010 fr Sultan Mahmūd Ghaznawi (Ghazna/ Afgha-
˙

Abb. 1: Iznik-Teller (um 1575, Keramik). Der tiefe Teller


(35 cm groß) mit gezacktem Rand entstand in der westana-
tolischen Stadt Iznik (dem antiken Nicaea). Das zentrale
Motiv eines Bltterstraußes ist von vier Rosen in Dreiviertel-
ansicht und zwei großen »saz-Blttern« umgeben. Ein be-
sonderes Kennzeichen ist ein leuchtendes, in leichtem Relief
aufgetragenes Bolus-Rot, dessen Herstellung in spterer Zeit
verloren ging. Iznik-Keramiken gehçren seit Beginn des
20. Jh.s zu den beliebtesten islam. Kunstobjekten westl.
Museen und Privatsammler.

ins 17. Jh. außer den berhmten Wandfliesen (s. u. 2.2.1.)


auch Gebrauchsgeschirr auf hçchstem Niveau pro-
duziert wurde. Dessen Formen, Dekore und das Farb-
repertoire nderten sich stetig: Whrend zunchst stili-
sierte rumi-Formen und Dekore chines. Vorbilder (Blau-
weiß-Porzellane der Yuan- und Ming-Zeit) dominierten,
erreichte die »Iznik-Keramik« mit ihrem feinen, harten
weißen Scherben in der zweiten Hlfte des 16. Jh.s ihren
Hçhepunkt (naturalistischer Stil, leuchtendes Bolus-
Rot; vgl. Abb. 1). Außer Tellern, Schsseln, Humpen
und anderem Essgeschirr wurden auch Moscheeampeln
hergestellt (z. B. die berhmte Ampel im Londoner Bri-
tish Museum, die 1549 von Sultan Sleymān fr den
Felsendom in Jerusalem gestiftet und von Meister Musil
aus Iznik signiert wurde).
Holzarbeiten wurden mit Elfenbein- und Perlmutt-
einlagen dekoriert, darunter aufwendig gestaltete Ko-
ranksten und -Faltstnder. Unter den Metallarbeiten ste-
chen solche in Tombak-Technik (Kupfer mit Feuervergol-
dung) hervor, die zustzlich noch emailliert sein kçnnen.
Abb. 2: Miniatur aus einem safawidischen Shāhnāma (1605;
1.3.4. Textilkunst Manuskript). Das von dem pers. Dichter Firdausi in etwa
50 000 Doppelversen verfasste »Buch der Kçnige« beschreibt
Berhmt waren auch osman. Textilien aus ÑSeide die Geschichte Irans von den mythischen Anfngen bis zum
und Brokat, deren Herstellungszentrum die erste Haupt- Einbruch des Islam im 7. Jh. Die Miniatur entstammt einem
stadt des Reiches, Bursa im Nordwesten Anatoliens, war. reich illustrierten Manuskript, das in Iran kopiert wurde.
Reiches Material bietet hierzu die Sammlung der Sul- Dargestellt ist der Kampf des Prinzen Isfandiyar gegen Si-
murgh, einen riesenhaften Vogel, der Krokodile und Elefan-
tanskaftane im Topkapı-Palast. »Trk. Teppiche«, die im ten in die Luft heben kann. Der listige Held sucht Deckung
Unterschied zu den pers. Knpfarbeiten den sog. Dop- hinter einem mit scharfen Waffen gespickten Wagen, in die
pelknoten aufweisen, wurden rasch zu gefragten Han- sich der Angreifer strzt und darin umkommt.
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nistan) verfasste Schāhnāma (das pers. Nationalepos)
illustriert (vgl. Abb. 2), dessen lteste erhaltene Minia-
turen auf Anfang des 14. Jh.s datieren. Das unter Schah
Tahmāsp (reg. 1524–1575) in Auftrag gegebene Schāh-
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nāma-yi Schāh (»Houghton-Schahnama«) mit fast 280
großformatigen Miniaturen gilt vielen als das Schāhnā-
ma. Die in Tabriz um 1525–1535 entstandenen Minia-
turen werden verschiedenen Malern zugewiesen.
Zu Beginn des 17. Jh.s verlegte Schah ‘Abbās I. seine
Residenz von Qazwin nach Isfahan, in das etwa 30 000
Armenier – vielfach Kaufleute und Handwerker – aus
Julfa umgesiedelt wurden (Vorstadt »Neu-Julfa«), die
zum Aufschwung der Stadt und der schçnen Knste
beitrugen. Isfahan, mit Beinamen »Hlfte der Welt«,
war im 17. Jh. von vielen europ. Gesandten und Kauf-
leuten bevçlkert, deren ÑReiseberichte eine wichtige
zeitgençssische Quelle darstellen. So informiert der Be-
richt des Adam Olearius (Erstdruck 1647) ber die Ge-
sandtschaft des Herzogs Friedrich III. von Schleswig-
Holstein-Gottorf nach Persien (1635–1639). Mit der pers.
Gegen-Delegation kamen zahlreiche Geschenke, v. a.
wertvolle Seidentextilien, an den Gottorfer Hof, die
sich z. T. bis heute erhalten haben und sich auf Schloss
Rosenborg in Kopenhagen befinden. Abb. 3: Jadeschale fr Shāh Jahān (1656/57). Die Jadeobjekte
der Mogulherrscher stehen in der Tradition timuridischer
Arbeiten. Zu den erlesenen Kostbarkeiten dieser Kunstgat-
1.5. Moguln tung gehçrt diese Weinschale aus weißem Neprit. Ihr Griff
endet in einem ußerst fein und naturalistisch gearbeiteten
Mit der Kunst der Dynastie der Moguln (ÑIslam Widderkopf. Die Schale trgt eine Inschrift, die mit Shāh
6.2.4.) werden in erster Linie Schmuck, Jadearbeiten Jahāns Titel »Zweiter Herrscher der Konjunktur« eindeutig
und die Miniatur- bzw. Buchmalerei verbunden. Die auf Timur (reg. 1370–1405) Bezug nimmt, den Begrnder der
Liebe zu Bchern scheint von Timur und seinen Nach- Timuridendynastie und grçßten Herrscher seiner Zeit.
fahren vererbt worden zu sein [15]. Schon fr den Be-
grnder der Moguldynastie Bābur wird berliefert, dass
er nach dem Sieg bei Panipat (1526) ber Ibrahim Lodi staunlichem Realismus geprgt sind, so die um 1614
die in dessen Palast gefundenen Bcher seinen Sçhnen entstandene Miniatur Jahāngı̄r betrachtet das Portrait
Kamran und Humāyūn bergab, der seine Bcher selbst seines Vaters Akbar im Pariser Muse Guimet.
in die Schlacht mitgenommen haben soll. Akbar – an- Unter der Regierung Shāh Jahāns erreichte das
geblich Analphabet – gab die wohl schçnste Kopie des Kunsthandwerk, insbes. die Jadearbeiten, seinen unbe-
Hamza-nāma in Auftrag, das die Abenteuer des Onkels strittenen Hçhepunkt (vgl. Abb. 3). Berhmt sind auch
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des Propheten Muhammad erzhlt. An dem mit 1 400 die großformatigen Mogulteppiche. Der Aynard prayer
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großformatigen Bildern illustrierten Werk (um 1558 be- rug aus der Zeit Shāh Jahāns, in Lahore geknpft, ist mit
gonnen) arbeiteten zahlreiche Knstler unter der Lei- 174 asymmetrischen Knoten per Quadratzentimeter eine
tung Mir Sayyid Alis 15 Jahre lang (61 der ca. 150 erhal- der herausragendsten Arbeiten (Sammlung Thyssen-
tenen Bltter sind heute in Wien). Der Text auf der Bornemisza, Lugano). Er weist damit etwa 30-mal so
Rckseite der Stoff-Bilder wurde rezitiert, whrend das viele Knoten auf wie der ebenfalls einer Hofmanufaktur
Bild fr die Zuhçrer hochgehalten wurde. entstammende Mogultierteppich (um 1600), von dem
Die Kolophone einiger Mogulhandschriften enthal- zahlreiche Fragmente erhalten sind (u. a. Burrell Col-
ten Portraits von Hofmalern und Kalligraphen, wie z. B. lection, Glasgow).
der des Gulistan von Fatehpur-Sikri, der Akbars Lieb-
lingskalligraphen Muhammad Husayn Kashmiri Zarrin
1.6. Europische Musealisierung
Qalam (»Goldfeder«) zusammen mit dem jungen Maler
Manohar zeigt. Unter Akbars Sohn und Nachfolger, Als sich in der islam. Welt bereits ein Niedergang der
dem kunstsinnigen Jahāngı̄r, entstanden Portraits, die Kunstentwicklung abzeichnete, erwachte in Europa das
(zwar noch von pers. Miniaturen beeinflusst) von er- Interesse an außereurop. Kunst bzw. Kunsthandwerk.
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1853 entstand mit dem South Kensington Museum (sp- nischen Reich (ca. 1280–1922), dem Reich der Safawiden
ter Victoria & Albert Museum) in London das erste (1501–1722) sowie dem ÑMogulreich (1526–1857/58),
Kunstgewerbemuseum, dessen Sammlungen islam. Ke- whrend die vormals mchtigen Reiche der ÑMamluken
ramik und Metallarbeiten zu den bedeutendsten außer- (1250–1516/17) im Westen sowie der Timuriden (1370–
halb der islam. Welt zhlen. Auf den ersten Weltausstel- 1506/07) im Osten ihren Hçhepunkt bereits deutlich
lungen in London und Paris gehçrten pers. und osman. berschritten hatten.
Pavillons zu den Attraktionen. Die wichtigste Bauaufgabe innerhalb der islam. A.
Wichtige Sammlungen islam. Kunst wurden Ende des stellte die ÑMoschee dar, die zusammen mit der Medrese
18. Jh.s und im 19. Jh. in Europa und Russland angelegt (arab. madrasa, einer Art Hochschule) und weiteren
(British Museum und Victoria & Albert Museum in Lon- Bauten, z. B. den Armenkchen (trk. ‘imāret) und den
don, Louvre in Paris, Museum fr Islam. Kunst in Berlin, Grabbauten, die großen Moscheekomplexe (trk. kl-
Eremitage in St. Petersburg) [8]. Am Ende des 19. und liye) bildet. Weitere wichtige Gebudetypen waren be-
Beginn des 20. Jh.s folgten die Museen in den USA (v. a. festigte Raststtten an den berlandrouten, die Kara-
Metropolitan Museum of Art, New York). In den letzten wansereien (trk. han), außerdem Palste und Kioske
Jahrzehnten haben sich sowohl außerhalb wie innerhalb (trk. kçşk) sowie Brcken und Befestigungsanlagen [7].
der islam. Welt die Sammlungen deutlich vermehrt bzw. Die aus der europ. A. bekannte scharfe Trennung
vergçßert (u. a. die David Collection in Kopenhagen, as- zwischen Sakral- und Profanbau existiert so in der islam.
Sabah Collection in Kuweit, Khalili Collection in London, A. nicht. Die Moschee ist somit auch kein »geheiligter
das im Aufbau befindliche Museum fr islam. Kunst in Raum«, sondern dient den Glubigen vornehmlich als
Doha/Katar oder trk. Sammlungen wie das Sadberk Ha- Versammlungsort fr das rituelle, fnf Mal tglich aus-
nim in Istanbul, Koc Sammlung). zufhrende Gebet (ÑIslam 1.)

Þ Islam; Koran; Orientalische Kunst; Ornamentik


2.2. Osmanen
[1] Trkische Kunst und Kultur aus osmanischer Zeit
(Ausst.kat. Museum fr Kunsthandwerk Frankfurt am Main), 2.2.1. Sultansmoscheen
1985 [2] N. Atasoy / J. Raby, Iznik. The Pottery of Ottoman 2.2.2. Palastbau
Turkey, 1989 [3] S. S. Blair, Islamic Calligraphy, 2006
[4] S. S. Blair / J. M. Bloom, The Art and Architecture of Islam,
2.2.1. Sultansmoscheen
1250–1800, 1994 [5] S. R. Canby, The Golden Age of Persian
Art, 1501–1722, 1999 [6] W. B. Denny, Osmanische Keramik aus Mit der Eroberung Konstantinopels (1453) trat der
Iznik, 2005 [7] E. C. Dodd, The Image of the Word, in: Berytus osman. ÑSultan Mehmed II. Fatih (»der Eroberer«) in
18, 1969, 33–61 [8] J. Gierlichs / A. Hagedorn (Hrsg.), Isla- ˙
die Nachfolge des byz. Kaisers. Die Hagia Sophia (me-
mische Kunst in Deutschland, 2004 [9] M. Hattstein /
g lē ekklēs
a, d. h. »große Kirche«) wurde zur Haupt-
P. Delius, Islam – Kunst und Architektur, 2000
[10] R. Hillenbrand, Image and Meaning in Islamic Art, 2005 moschee der neuen Hauptstadt und zugleich zum Vor-
[11] E. Koch, Mughal Art and Imperial Ideology, 2001 bild fr die großen Sultansmoscheen, die in den folgen-
[12] E. Koch, Kunst als Sprache des Islam?, in: Die Welt des den Jahrhunderten auf den Hgeln der Stadt entstanden
Orients. Kunst und Kultur des Islam (Ausst.kat. Leoben), 2006,
und zum Inbegriff islam. A. wurden.
15–25 [13] J. Raby, A Sultan of Paradox: Mehmed the Con-
queror as a Patron of the Arts, in: Oxford Art Journal 5, 1982, 3– Als erste und wichtigste Bauaufgabe ließ Mehmed II.
˙
8 [14] D. J. Roxburgh, Turks, a Journey of a Thousand Years, an der Stelle der Apostelkirche einen großen Komplex
600–1600, 2005 [15] A. Schimmel, Im Reich der Großmoguln, (trk. klliye) errichten, der außer der Moschee (der
2000.
heutige Bau stammt nach einem Erdbeben aus dem
Joachim Gierlichs 18. Jh.) die Grabmler Mehmeds II. und seiner Frau, 16
˙
Medresen, eine Koranschule, eine Bibliothek, ein Spital
2. Architektur (dar ş-Şifa) und ein Hospiz (tabhane), eine Armenk-
che (‘imāret) sowie vermutlich eine Karawanserei (han)
2.1. berblick umfasste. Im Gegensatz zu den unregelmßig angelegten
2.2. Osmanen Sultanskomplexen der frhosman. Zeit in Bursa (z. B.
2.3. Safawiden
2.4. Moguln der Komplex Bayezids I., errichtet 1389–1402) lag hier
2.5. Rezeption ein systematischer Bauplan zugrunde, der – obgleich
vorbildhaft – in dieser Strenge spter nicht mehr ver-
wirklicht wurde [5].
2.1. berblick
Die großen osman. Sultansmoscheen gehçren alle
Die islam. Architektur (= A.) und ihre Entwicklung dem Typus der Kuppelmoschee an, bei der der Haupt-
von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 19. Jh.s wurde in raum (Betsaal) von einer großen, zentralen Kuppel
den drei islam. Großreichen geprgt: dem ÑOsma- berwçlbt wird. Ihren Hçhepunkt erreichte die osman.
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A. (insbes. die Kuppelmoschee) unter dem genialen Sināns Bauten blieben bis ins 18. Jh. vorbildhaft, und
Hofbaumeister Sinān im 16. Jh., dem ber 450 Sakral- noch im 21. Jh. werden neue Moscheen errichtet, die
und Profanbauten zugeschrieben werden [10], darunter letztlich auf seine Entwrfe zurckgreifen. Die bekann-
auch Bder, Brcken, Aqudukte und Karawansereien. teste osman. Moschee, die von Mehmed Ağa 1609–1616
˙
ber die Hlfte dieser Bauten wurde in Konstantinopel erbaute Sultan Ahmed I. Cami in Istanbul, gewçhnlich
˙
verwirklicht, was die Dominanz der Hauptstadt verdeut- als »Blaue Moschee« bezeichnet, steht noch ganz in der
licht. Sināns Entwicklung als Architekt, die sich verkrzt Tradition der Bauten seines Lehrers Sinān.
in einem Dreischritt von der 1548 vollendeten Şehzade Erst in der unter Ahmed III. einsetzenden »Tulpen-
˙
Cami (seinem »Lehrlingsstck«) ber die 1550–1557 er- zeit« (trk. lāle devri) entstanden Moscheen, die sich
richtete Sleymaniye Cami (sein »Gesellenstck«, vgl. vom Vorbild Sināns zu lçsen begannen. Ein Beispiel
Abb. 4) hin zur 1575 vollendeten Selimiye Cami in dafr ist die 1748–1755 erbaute Nuru Osmaniye-Moschee
Edirne (seinem »Meisterwerk«) beschreiben lsst, fand (»Licht Osmans«) in Istanbul, die erste der sog. Barock-
einerseits in permanenter Auseinandersetzung mit der moscheen. Sie weist einen polygonal gebrochenen Vor-
Hagia Sophia statt, die er restaurierte, griff aber auch auf hof auf und verarbeitete Elemente des europ. Barock
»autochthone« Bauten wie die 1438–1447 errichtete Å und Rokoko. Europ. Einflsse setzten sich fort und
Şerefeli Cami in Edirne zurck [10]. Dort war bereits ein kulminierten in den sog. Bosporus-Moscheen aus der
Jahrzehnt vor der Eroberung Konstantinopels ein mo- zweiten Hlfte des 19. Jh.s, die von mehreren Mitglie-
numentaler Kuppelbau (Durchmesser 24 m) entstanden, dern der armenischen Architektenfamilie Balian errich-
bei dem mit vier schlanken Nadelminaretten und dem tet wurden, die ihre Ausbildung in Paris erhalten hatten.
erstmals fassbaren großen Vorhof weitere innovative,
spter immer wiederkehrende Elemente bereits erkenn- 2.2.2. Palastbau
bar waren. Mit der Verlegung der Hauptstadt von Edirne (ehe-
Die im Keramikzentrum Iznik (s. o. 1.3.3.) einge- mals Bursa) nach Konstantinopel entstand zunchst ein
fhrte serielle Produktion rechteckiger bzw. quadrati- Palast in der Nhe des Basarviertels, der Eski Sarayı. Ab
scher Fliesen ermçglichte die großflchige Auskleidung ca. 1460/65 ließ Mehmed II. auf der »Serailspitze« am
˙
von Moscheen und Palsten. Whrend man zumeist nur Zusammenfluss von Goldenem Horn und Bosporus sei-
die wichtigsten Bereiche, d. h. die Mihrab-Zone (Gebets- nen neuen Palast zunchst nur als Sitz der Verwaltung
nische; vgl. ÑMoschee), mit berglasurfliesen aus Iznik errichten, fr den sich erst im 19. Jh. der Name Topkapı-
schmckte und damit hervorhob, wurden einige klei- Serail (Sarayı) einbrgerte. Im Gegensatz zu europ.,
nere sog. Wesirmoscheen (so z. B. die Rstem Paşa Ca- monumental axial-symmetrischen Palastbauten handelt
mi, ab 1561 von Sinān errichtet) in Istanbul vollstndig es sich um eine Agglomeration einzelner, eher kleinerer
(d. h. bis zum Gewçlbeansatz) mit farbigen Fliesen in Gebude, zumeist eingeschossiger Pavillons (trk. kçşk),
Blau, Trkis, Mangan, Schwarz und dem sog. Bolus-Rot verteilt auf mehrere Hçfe, deren çffentlicher Zugang
(korallenfarbig) verkleidet (vgl. Abb. 5). sukzessive limitiert war.

Abb. 4: Gesamtansicht der


Sleymaniye-Moschee,
Istanbul (1550–1557; Bau-
meister: Sinān). Die auf
einem der hçchsten Hgel
Istanbuls ber aufwendi-
gen Substruktionen errich-
tete Moschee Sleymāns
des Prchtigen bildet das
Zentrum einer großen
Klliye (Komplex aus ver-
schiedenen Bauten, u. a.
Medresen und Imarets). In
der Außenansicht domi-
niert die zentrale Kuppel,
gesttzt von zwei deutlich
kleineren Halbkuppeln –
ein System, das sich an der
justinianischen Hagia So-
phia (532–537) orientiert –,
whrend der Innenraum
klar gegliedert ist.
Islamische Kunst und Architektur
1135 1136
Abb. 5: Topkapı-Palast,
Snnet Odasi (Beschnei-
dungsraum), dreiteiliges
Fliesenpaneel (um 1550).
Die im westanatol. Kera-
mikzentrum Iznik her-
gestellten rechteckigen
Fliesen, bei denen die Far-
ben Weiß, Blau, Rot und
Trkis dominieren, zeigen
florale Motive (Blten,
Strucher), aber auch
figrliche Darstellungen.
Das aus der chines. Kunst
bernommene Qilin, eines
der vier Zauberwesen der
chines. Mythologie, gilt als
Verkçrperung der Friedens-
liebe und Gte. Zusammen
mit dem Motiv des Lebens-
baums im mittleren Paneel
kçnnte es sich hier um
eine Anspielung auf das
Paradies handeln.

Erst unter Sleymān dem Prchtigen (reg. 1520– Abb. 6). Im Norden nimmt der mehrere Kilometer
1566) wurde der Topkapı Sarayı auch zum Wohnpalast lange Basar seinen Anfang, im Sden wird die Anlage
mit dem als ÑHarem bekannten, allen Fremden unzu- von der Masjid-i Shāh begrenzt, und an den Lngsseiten
gnglichen Wohnbereich der Frauen, Sklavinnen und liegen die Scheich-Lutfallah-Moschee und das ‘Alı̄ Qapu
Prinzen sowie des Sultans selbst. Das heutige Bild des einander gegenber, das einst zum dahinterliegenden
Palasts ist geprgt von den zahlreichen, bis zur Aufgabe Palast fhrte. Dieses mehrgeschossige loggiaartige Ge-
der Residenz Mitte des 19. Jh.s entstandenen Um-, Er- bude ist im Kern noch timuridisch, erhielt aber im
weiterungs- und Neubauten (v. a. nach den großen Brn- 17. Jh. seine heutige Gestalt und Ausstattung, zu der
den 1574 und 1665). Mit dem Umzug des Sultans in den im auch die figrlichen Wandmalereien gehçren, die europ.
europ. Stil errichteten DolmabahÅe Sarayı auf der europ. Einfluss nicht verleugnen kçnnen.
Seite des Bosporus, verlor der Palast seine Funktion und Eine Vorstellung des (nicht erhaltenen) Safawiden-
wurde ab 1924 als musealer Komplex aufwendig restau- palastes von Isfahan, der nach Aussagen europ. Reisen-
riert (bis heute andauernd), mit einer der weltweit bedeu- der weniger hermetisch abgeschirmt gewesen sein soll
tendsten Sammlungen islam. Kunst (s. o. 1.6.). als der Topkapı-Palast in Istanbul, vermitteln die Palste
Čihil Sutun (»Palast der vierzig Sulen«) und Hascht
Bihascht (»Palast der acht Paradiese«), einzeln stehende
2.3. Safawiden
mehrgeschossige, symmetrisch angelegte Gebude in-
Die Mitglieder der mit den Osmanen um die Vor- mitten parkhnlicher Anlagen mit Wasserbecken, in de-
macht ringenden, aus einem schiitischen Orden ent- nen sich die Bauten spiegeln.
standenen Dynastie der Safawiden (ab 1501, vgl. ÑIslam Die Grundrisse safawidischer Moscheen sind durch
6.2.2.) entwickelten sich rasch zu Fçrderern der Kunst das in seldschukischer Zeit ursprnglich fr die Medrese
und A. Dies gilt bes. fr Schah ‘Abbās I. (reg. 1588–1629), entwickelte Vier-Iwan-Schema geprgt, bei dem sich vier
der die Hauptstadt von Qazwin ins Landesinnere nach in den Achsen des Gebudes liegende große Bogenhallen
Isfahan verlegte, das im 11. Jh. bereits Hauptstadt des (Iwane) auf einen rechteckigen Hof çffnen. Im Gegensatz
Seldschuken-Reiches gewesen war. Hier entstand ein z. B. zu osman. Moscheen, deren Kuppeln außen nicht
neues Viertel mit der großen, rechteckigen Platzanlage geschmckt sind, setzen die safawidischen Moscheekup-
Maydān-i Shāh (ca. 150 x 500 m), bei der Handel und peln durch glasierte Ziegel auch farbliche Akzente im
Religion vorbildlich miteinander verschmolzen (vgl. Stadtbild, wobei Blau und Trkis dominieren.
Islamische Kunst und Architektur
1137 1138

Abb. 6: Maydān-i Shāh (Platzanlage) mit Blick auf die Scheich-Lutfallah-Moschee, Isfahan (1602–1611). Aufgrund der Aus-
richtung nach Mekka liegt die Moschee diagonal zu den Achsen des Platzes, die Fassade in der Flucht der Basar-Arkaden; ihr
Kern ist ein quadratischer Betsaal mit mchtiger Kuppel (Durchmesser: 18,30 m), die außen ganz mit farbig leuchtendem
Rankenwerk berzogen ist. Um den Glubigen beim Eintritt den Blick auf den Mihrab zu gewhren, wurde – ein genialer
Kunstgriff – ein berwçlbter Gang vom Portal aus um die beiden nçrdlichen Seiten des Betsaals gefhrt.

Außer Moscheen und Palsten entstanden in safawi- chah-bagh-Schema aufnahmen (symmetrische Untertei-
discher Zeit v. a. zahlreiche Karawansereien, große An- lung in vier Bereiche). Auch unter seinem Nachfolger
lagen außerhalb der Stdte an den Handelswegen gele- Humāyūn (reg. 1530–1543 und 1555/56) spielten timuri-
gen, die mitunter mehrere Hçfe aufweisen kçnnen, um dische Vorbilder in der A. noch eine große Rolle bei
die sich kleinere fr Reisende und Waren bestimmte Grabbauten und Moscheen (z. B. die Moschee in Kach-
Rume gruppieren. In den Stdten wurden Bder und pura/Agra, 1530–1531). Allerdings wurden die timuri-
umfangreiche Handelsanlagen errichtet, die hufig von dischen Elemente sehr rasch mit einheimischen Bau-
der nachfolgenden Dynastie der Qājāren (1796–1928) formen kombiniert, sodass sich ein eigenstndiger Stil
ausgebaut und erweitert wurden und z. T. bis heute in herauszubilden begann.
Nutzung sind (z. B. in Kashan). Unter Akbar (reg. 1556–1605) nahmen die Bauauf-
trge deutlich zu, und die Mogul-A. erhielt ihre charak-
teristische Ausprgung, die eine Synthese aus timuri-
2.4. Moguln
dischen, ind. und pers. Anleihen darstellt. Das typische
Der letzte Timuriden-Prinz Bābur begrndete 1526 Baumaterial war der rote Sandstein (eine Farbe, die
in Nordindien die Dynastie der Moguln [8], die das imperialen Zelten vorbehalten war), der half, die sehr
Sultanat von Delhi (gegr. 1206 unter Qutb ad-Dı̄n Ay- unterschiedlichen Elemente zu einer Einheit zu ver-
˙
beg) ablçsten. Das ÑMogulreich bestand bis zur Erobe- schmelzen. Es entstanden v. a. Mausoleen, palastartige
rung durch das ÑBritish Empire (1858) in unterschiedli- Einzelgebude (Kiosks), Pfçrtnerhuser, Bder (ham-
˙
cher Ausdehnung und beherrschte im 16. und v. a. im mām), Karawansereien und kleinere Moscheen.
17. Jh. große Teile des ind. Subkontinents. Mit dem fr Bāburs Vater Humāyūn errichteten
Fr die Frhzeit sind wir auf die Beschreibungen in Mausoleum in Delhi erreichte diese A. eine neue Stufe.
Bāburs Memoiren Bāburnāma angewiesen, die sich Dieses erste in einer Reihe imperial-dynastischer Grab-
jedoch aufgrund der schlechten materiellen berliefe- bauten verband timuridische Elemente, kreativ weiter-
rung nur bedingt berprfen lassen. Bābur soll zahlrei- entwickelt mit lokalen Traditionen zu einer ausgewoge-
che Grten angelegt haben, die das pers.-timuridische nen Einheit mit perfekter Bauplanung und -ausfhrung.
Islamische Literatur
1139 1140
Der 1562–1571 errichtete monumentale Bau, der im Zen-
2.5. Rezeption
trum des ltesten erhaltenen Mogulgartens steht, kann
mit Sayyid Muhammad und seinem Vater Mirak Sayyid Unter dem Gesichtspunkt der A.-Rezeption kann die
˙
Ghiyath in Verbindung gebracht werden. Beide Archi- Rolle der Alhambra, des im 19. Jh. von europ. Reisenden
tekten (zugleich auch Dichter) arbeiteten zuerst fr den und Schriftstellern wiederentdeckten Palasts der Nasri-
letzten Timuridenherrscher Husayn Bayqara in der den (1230–1492) in Granada, kaum berschtzt werden.
Kunstmetropole Herat, dann fr Bābur und schließlich, Die Formensprache der Alhambra prgte das europ. Bild
whrend Humāyūns Exil, fr den Usbeken-Herrscher in islam. A. strker als jeder andere islam. Bau; sie wurde
Buchara. Der ebenso klare wie komplexe oktogonale zum Synonym »Maurischer A.« schlechthin (u. a. durch
Grundriss, dessen Zentrum ein Kuppelraum bildet, Owen Jones’ The Grammar of Ornaments, 1856). Der
stimmt in wesentlichen Punkten mit dem (nur durch Alhambra entlehnte A.-Elemente bzw. Ornamente fin-
schriftliche Quellen bekannten) hçlzernen Bootspalast den sich an ganz unterschiedlichen Gebuden des 19.
Humāyūns berein. Damit ist ein wichtiges Phnomen bzw. 20. Jh.s, sei es in Istanbul, Kairo oder Tbilisi.
der Mogul-A. angesprochen: Die Austauschbarkeit von
Grab- und Palast-A. Der ninefold plan [10] wurde in der Þ Islam; Moschee; Orientalische Kunst
Palast-A. zum populrsten Grundriss.
[1] S. S. Blair / J. M. Bloom, The Art and Architecture of Islam,
In Akbars Regentschaft fiel auch die Erneuerung des 1250–1800, 1994 [2] S. R. Canby, The Golden Age of Persian
unter der Lodi-Dynastie aus Lehmziegelmauerwerk er- Art, 1501–1722, 1999 [3] S. R. Canby (Hrsg.), Safavid Art and
bauten Red Fort in Agra (durch Qasin Khan, 1564–1571). Architecture, 2002 [4] W. B. Denny, Osmanische Keramik aus
Iznik, 2005 [5] G. Goodwin, A History of Ottoman Archi-
Eine symmetrische Planung von Palastanlagen – erstmals
tecture, 31992 (11971) [6] M. Hattstein / P. Delius, Islam.
unter Shāh Jahān (1628–1658) zu konstatieren – fand hier Kunst und Architektur, 2000 [7] R. Hillenbrand, Islamic
noch nicht statt; vielmehr orientierte sich Akbar am un- Architecture: Form, Function, Meaning, 21994 (11991)
regelmßigen Plan seiner Vorgnger. Der rote Sandstein [8] E. Koch, Mughal Architecture: An Outline of Its History
and Development (1526–1858), 1991 [9] E. Koch, Kunst als
gab dem grandiosen Komplex seinen Namen. Bes. ein-
Sprache des Islam?, in: Die Welt des Orients. Kunst und Kultur
druckvoll ist das sog. Elefanten-Tor (hathi pol), der des Islam (Ausst.kat. Leoben), 2006, 15–25 [10] A. Kuran,
çffentliche Zugang im Westen der Anlage. Von den Sinan. The Grand Old Master of Ottoman Architecture, 1987
ursprnglich five hundred buildings in the wonderful [11] G. Necipoglu, Architecture, Ceremonial, and Power, 1991.
designs of Bengal and Gujarat, die Akbars Chronist Abu Joachim Gierlichs
Fazl erwhnt, sind nur wenige Gebude erhalten.
Kurz darauf entstand in Fatehpur-Sikri eine be-
wehrte residenzartige Vorstadt Agras, zu der auch eine Islamische Literatur s. Literatursprachen;
große Freitagsmoschee gehçrt (Jāmi‘ Masjid, 1568–1578), Schriftkulturen, außereuropische
die erste in einer Reihe von gigantischen Moscheen mit
offenem Hof, zahlreichen kleinen Rumen an den Seiten Islamisierung
(hujras) und monumentalen Toranlagen, deren grçßte – s. Islam; Religiçse Interaktion, globale
das Buland Drawaza (Lofty Gate) – mit einer Hçhe von
54 m sogar Timurs Palast Ak Saray in Shahr-i Sabz Italia illustrata
(Usbekistan) bertrifft. 1. Die erste nationale Geographie
Das von Shāh Jahān 1632–1648 fr seine verstorbene 2. Erkenntnisinteresse
Frau Mumtāz Mahal errichtete Mausoleum Tāj Mahal, 3. Gliederung
˙ ˙ 4. Wirkung
ein von zwei Minaretten flankierter zweigeschossiger
Grabbau mit monumentaler Kuppel, stellt nicht nur
den Hçhepunkt der Mogul-A. dar, sondern besitzt
1. Die erste nationale Geographie
auch das grçßte epigraphische Programm eines islam.
Gebudes weltweit. Die 25 Koraninschriften, darunter 14 Mit der seit 1448 entstandenen und 1453 unvollendet
vollstndige Suren, handeln u. a. vom Letzten Gericht, verçffentlichten lat. Italia illustrata (»Das [vom Ruhm]
der gçttlichen Verzeihung und dem Paradies. Das Mau- erleuchtete Italien«) schuf Flavio Biondo, ppstlicher
soleum wird so, untersttzt von der floralen Ornamen- Sekretr und Schreiber der apostolischen Kanzlei, die
tik, zum Abbild des himmlischen Hauses, das der Ver- erste humanistische Darstellung Italiens und die erste
storbenen im Paradies bereitet wird [9]. humanistische Landesbeschreibung berhaupt, ein eu-
Beispiele der Mogul-A. fanden zu Beginn des 19. Jh.s ropaweit wirkendes Muster nationaler Selbstdefinition.
auch Eingang in Europa, wie z. B. der Royal Palace in Indem sie die universale Perspektive ma. Erdbeschrei-
Brighton bezeugt, der nach der Eroberung Delhis 1803 bungen und Weltchroniken mit ihren heilsgeschicht-
durch die Briten errichtet und 1832 vollendet wurde. lichen Implikationen verlsst, doch weit ber den loka-

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