lfl1 12. Jh.
setzt mit de m Herrschergeschlecht der Staufer
Auf einen Blick: Literaturgeschichte
Periodisierungsproblematik
Der Ausdruck Epoche stammt aus dem Altgriechischen
und bedeutet (Zcit-)Abschnitt. Unter einer Literaturepo-
che verstehen wir also einen Zeitabschnitt oder h isto-
rischen Zeitraum. in dem eine bestimmte Art, Literatur
zu gestalten. prägend ist. Die Einteilung in Abschnitte
kann dabei helfen, sich im Nachhinein in der - viele
Jahrhunderte umfassenden - Geschichte der Kunst oder
Literatur zu orientieren. Epochenbezeichnungen haben
also eine strukturierende Funktion und erleichtern da-
mit die Verständigung über die Produktion und Rezep-
tion von literarischen Texten. Beispielsweise lassen sich
inhaltlich und formal ähnliche Texte übersichtlicher
bündeln, wenn sie einer Epoche zugeordnet werden. Ein
inhaltliches Kriterium könnte ein bestimmtes Motiv -
wie z.B. der Tod im Barock und der Mond in der Roman-
tik - sein. Eine formale Gemeinsamkeit w äre z.. B. die
Formstrenge in der Klassik.
Bei allen Vorteilen, die die Pe riodisierung durch Epo-
chen mit sich bringt, müssen Sie jedoch bedenken: Epo-
chen sind keine natürlichen oder zwingenden Zeit-
abschnitte, sondern künstliche Konstruktionen, und sie
werden immer wieder hinterfragt und neu diskutiert.
So sind die Kriteri en, nach denen Epochen bestimmt und
unterschieden werden, sehr unterschiedlich. Hier finden
sich stilgesch.ichtliche Kategorien neben historisch-poli-
tischen Epochenbegriffcn. Stilgeschichtliche sind z. B.
der Kw1Stgeschichte entlehnt wie Jugendstil oder Expres-
sionismus.
Historisch-politische Epochen beziehen sich a uf be-
stimmte historische Zeiträume und Strömungen oder
auf politisch e Ereignisse wie z. B. Reformation, Vormärz,
Literatur der Weimarer Republik.
Mittelalter (ca. 500-1500}
Der Begriff Mittelalter wurde im Zeitalter der Renais-
sance geprägt und bezeichnet den historischen Zeitraum
zwischen Antike und Neuuit.
Hi s to r is c. her Kont e xt Das mittelalterliche Weltbild
steht sto.rk unler dem Einfluss von Kirche und Glauben.
Gott wird a1s Schöpfer der Welt betrachtet und greift di-
238 :..ufe1nc n Blic k 1
Werden Epochen mit festen Grenzen versehen und auf
typische Merkmale festge legt, sind sie abe r auch fra g-
würdig - schon aus dem Grund, we il sich bestimmte
Stilrichhlngen und literarische Bewegungen h äufig
überschneiden oder parallel zueinander verlaufen. Wir
sprechen in der Literaturgeschichte daher auch von lite-
rarischen Strömungen. Die folgenden Seiten werden
z.. B. zeigen, dass die Aufkliirung auf ca. 1720-1790, die
Empfindsa mkeit auf ca. 1740-1780 und der Sturm und
Drang auf ca. 1765 -1786 datiert werden. Sie verliefen
also nicht nacheinander. Auch werden viele Autoren
häufig mehreren Epochen zugeordnet, z. B. Johann Wolf-
gang von Godhe, dessen Werke, je nach Motiv und In-
halt, dem Sturm und Drang oder der Klassik zuzuord nen
sind, oder Heinrich Heine dem Vormiirz und der Roman-
tik. Einige Autoren, die wir heute bestimmten Epochen
zuwe isen, wussten dama1s noch gar n icht um die Exis-
tenz dieser Epochenbegriffe. Andere hingegen setzten
sich bewusst mit der Schaffung einer neuen Epoche in
Abgrenzung zur vorhergehenden auseinander.
Besonders schwierig ist die Einordnung und Kategori-
sierung von Werken der Literatur in der jeweils aktu-
ellen Gegenwart. Die Literatur der Vergangenheit wird
rückblickend nach Epochen oder Strömungen zusam-
mengefasst und nach charakteristischen Merkma1en und
Gemeinsamkeiten beschrieben. Ohne den nö tigen zeit-
lichen Abstand ist das für die Literatur der Gege nwart
kaum möglich.
Letzlendlich sollte Ihnen bei der Zuordnung von Auto-
ren und Werken zu einer bestimmten »Epoche« oder
auch »Strömung« a1so bewusst sein, dass strikte Periodi-
sierungen subjektiv und desha1b problematisch sein
können.
rekt in das Leben der Menschen und in ihr Schicksa1 ein.
Die individuellen Belange des Einzelnen treten vor sei-
nem Platz innerha1b der mittelalterlichen Gesellschaft
zurück.
Lesen und Schreiben sind Fertigkeiten, die im FrühmH-
telalter fast ausschJießlich Angehörige des Klerus {gelSt-
licher Stand) beherrschen. Adel sowie Bauern. die beiden
übrigen Stände, müssen in der Regel auf die Auslegung
der Literatur (v. a der Bibel) durch die kirchJichen Wür-
denträger vertrauen.
ilTl deutschen Spra~~aum da s H ochmitte lalter ein.
D1.lfCh das stete Bev~lkcrun gswac~stum im 13. Jh. cr\e-
]andwirtschafihche Produktion, Handwerk und
~:de! einen Au~schwung. Gcld__wird als Zahlungsmittel
eingefuhrt und die Men~_c hen drangen zunehmend in die
Städte, werden von bauerlichen Sc-lbstversorgem ?U
t-1andwcrkern und Kaufleuten. Mit der wirtschaftl ichen
Entwicklung geht eine kulturelle Blüte ei nher. Immer
roehr Angehörige des Adels le rne n das Lesen und Schrei-
t,,n.
Sind die Könige des Hochmittelalters in Deutschland
noch bedeutend und einflussreich. so wandelt !ich die!
irn Obergang zum Spä tmitte lalter. Reich.1- und Kur-
fürste n sowie die St äd te gewinnen stetig an politischer
wie wirtschaftlicher Bedeutung, wobd Letztere neben
den Adelshöfen zu neuen Zentren für Bildung und Kul-
tur heranwachsen. In dem Maße, wie die Städte an
Macht gewinnen, wird auch das aufs tttbende Bürgertum
zu einem immer einflussreicheren Teil der Bevölkerung.
Themen, Motive , Text e
Frühmitte lalter Im Zuge der Völkerwanderung tragen
die Germanen ihre eigene Literatur in den deutschen
Sprachraum und sorgen dabei für die Verbrdtung un-
terschiedlicher Sagenkre ise. Unter der Herrschaft der
Karolmger kommt es zur Christianisierung der Germa-
nenstämme, was sich auch in der e ntstehenden althoch-
deutschen Literatur (ca. 750 - 1060) niederschlägt Nebe.n
gennanisch-heidnischen Eleme nte n finde n sich zuneh-
mend auch christliche Einflüsse in der Literatur. Md
dem Übergang von der althochdeutschen zur mitrelhoch-
deutschen Sprache im 11. Jh. entwickelt sich die frührrut·
telhochdeutsche Lite ratur (ca 1060- 1120) mit vorw1egend
christlich-religiösen Motiven und Inhalten ZW1SChen
1120 und 1180 treten da nn mit der vorhöfischen Litera-
tur auch Werke weltlicher Autoren in den Vordergrund.
Erstmals wird mit dem Alexanderlied des Pfaffen Lam-
Renaissance und Reformation (ca. 1500-1600)
Rtnaissance bedeutet Wiederge burt Gemeint ist die
Wiederbelebung und Rückbesinnung auf die ant~e Kul-
tur. In dieser spielte der Begriff der humanita.s CUle t C' D-
tral~ Ro Ue. Dieser bezeichnet allgeml'_in das .Men:::.
SOWtl' die Normen w1d VerhaltensweLSen, die de
sehen ausmachen. In dieser Zeit wird also zunc-hrnenJ
d Ge-schichte so"' ie
der Mensch ins Zentrum de r geistigen Ausell\JillJets -
zung genickt. In der von j\ \artin Lulhtr angeS t1Jlkntn
p~ cht ein Werk geschaffen, das s1 .
nische, sondern nuf eine voll..~- eh rucht auf eme b tei-
~:~;b
det. Bevortugte Texts _,prachl!CM Quelle grün
Fürstenpreis, Gebete ~d fa·!Ul.gelienharmorue~
Segen, Spie~~n und ~~ r: ~:;:agen, Ri tscl
Hochmitttlalt..- Aufgrund d
liehen Tugenden im Hochmi er Bedeutung der ritter-
weltlkhen Herrn. die duistli ~te~ter - D1erut fur de11
Minnedienst _ sind die ehe Kirche Wld Fnuen- bzw.
Gattungen Minnesang. hö::~hendeo literarischen
~iiufig ~ind a~ßerdem Textsort::=
hed, Leich, Minnesang. Spruchdichtwi dV
dichtung. g un aganten-
Sp~tmitt~laltu und fruhe Neun.lt Die spilmitttlal-
te~liche Literatur baut aufbercitJ bekannten Formen wie
Minnesang. höfisches Epos und Heldenepos auf und
macht sie steh in modifizierter Fonn nutzbar. Zudem
werden erste Sc~ IUpide in ckutscher Sprache entwi•
ekelt. Die geutliche Dichtung bringt Oster-, Weihnachts-
oder Pa.uiorusp1ele vtir bre1tni Vollu.aws(,n auf öffent•
liehen Plätzen rur Aufführung. Be\"Orzugte T6tsorten
sind Fastna.d1ts.sp1tt ieutlidte, Drama... Ltztndt, Mtu-
tersant, Schwa.nk. To ttntan.:. Volhlüd.
Autoren und Wert...
Pfaffe Lamprcchl (12.jh.): A.lmmdtrütd(um 112011140)
Dietmar ,-on A.lSt (vor 1140- oach 1170): M11111elrtdtr
Hartmann vtin Aue (um 1165-1210): Em (ca. 1180)
Wolfram vo n Eschenbach (um 1170 - um 1220~ AJinne-
/iedu (1200 / 05), Par:1,,aJ (1200 ' 10)
Walther von <kr Vogc.l,.·ci<k (um 1170 - um 1230): .\f1n-
nel1tder llM SanziprücM
Heinnch ,uo ,\lorungcn (um 1220): .U111ntl1cder (SCJl
1180)
anonym: Nibtlwa,gmlwl (ca. 1200)
Gottfried von Straßburg (um 1225): Trutan und boldt
(ca.1210)
prottstantuchtn Rtft,nru~d
weithin unangcfochttor Autonlit o:r ro
"~:~=
sehen Kirche~$
hfl" Kontu t lm Gt-g'tns&tl zur .,,.T1tgt"htnd •~
HiJtorfSC tettn Weluichl der minel.,.her
das jffl.Sttts awgi:.~ dt-r Black Meruchen 1unth·
lichtn GtSe.~~ E:osttnJ und die Bedmgun~n d_'S
mend auf We i_nlische lenkt. [kt Mensch der RtRllU·
1..tbens un D11:SSC"1ts Kt
~I selbst~us;: :;t. _ frr15Ch tibg. uigt In·
an l(n,:gSkurut und
ltrt~ iun t ~ n a.sthetischen Iduleo ckr AntLkt~
uu Ztntrwn neurr v.'1SStnschaft
D..L5 z,it:ihtr s1rht garu
239
licher F~rschungen und technischer EntwickJungen. W ie
grammatische Texte deutscher Gelehrter wie Erasmus Aufklärung (ca. 1720-1790}
ka~ cm andcrc.r verkörpert der Künstler, Erfinder und

g
von Rotterdam und Johannes Reuchlin zur h umanisti-
U~~ rsalgclehrtc Leonardo da Vinci die Ideale seiner

J
schen Erziehung und Theologie bilden Grundpfeiler filr aufgebrochen und das Theater reformiert, sodass die
Zeit Der von Johannes Gu tenberg um 1455 entwickelte Stä ndtklaustl und damit das feudalistische Literaturkon-
die sich entwickelnde Reformation, ebenso wie Oberset-
B_u chd":ck mit beweglichen Lettern macht Literatur für zept (insbesondtre für dramatische Werke) außer Kraft
zungen klassischer Werke. Ihre Verbreitung wird mit Er-
br_c1tcrcs Publikum zugänglich. Mit der Landung in frndung des Buchdrucks erheblich beschleunigt Bevor- Das Zcitalttr der A ufkl äru ng bezeichnet (wie auch die gesetzt wird. Menschen sind auf der Bühne in ihren
erika 1492 durch Christoph Kolumbus erweitert sich zugte Textsorten sind A bt nleutr--, Hd dtn· und Ritttrroman Barockzeit) eine gesamteuropäische Epoche, die sich Handlungen nicht mehr vom sozialen Stand abhängig,
der geografisch e Horizont der Europäer. Die Entdeckung durch die Besinnung auf die Menschlichkeit und das sondt rn aufgrund ihrer Vemunftbegabung fre i und han·
Fa btt Fastnachtsspitt Mtis ltrsang, Narnnlittratur; Schwank
d~s Astro~omen und Arztes Nikolaus Kopernikus, dass und Strtitgespräch . Vem unftdenken charakterisit ren lässt deln im Sinne der Vernunft als selbstbestimmte Indivi-
die Erde sich um die Sonne dreht, sorgt nach 1540 für die duen. Dramatik wird in den Dienst der Erziehung ge-
•K~pemikanische Wende«: Die Neuzeit bricht an. Zur Autoren und Werke Histori scher Kontut Im 18. Jahrhundert entwickelt
stt llt und soll dt n Zuschauer über die Erregung von
gleich en ~it behauptet sich die von Luther angestoßene Hans Rosenplüt (um 1400 - um 1460): Fastnachtssp itlt sich durch die Herausbildung eines gebildeten und wohl-
Furcht und Mi rltid sittlich läutern (Kathars is).
Refonnationsbcwegung in vielen Ländern Europas und Hermann Bote (um 1450 - 1520): TI/1 Eult nspitgtl (l 510/ ll) habtndtn Bürgertums, das immer mehr wirtschaftlichen
ersch ~tte~ alte Machtstrukturen. Luthers Obersetzung Sebastian Brant (1457-1521): Das Namnschi./f(l494) und politischen Einfluss gewinnt, eine zunehmende Kri- Um ein Mitiuhlen mit dem Schicksal des Protagonisten
der Bibel ms N tuhochdt utscht bildet den entsclteidenden Erasmus von Rotterdam (1466-1536): Das Lob der Torh t it tik am Ft udallsmus. Die bis dahin geltende und als gott- zu ermöglichen, erfolgt die Abkehr vom idealen Helden
Anstoß, dass sich die deutsche Sprache zur Nationalspra- (1511) g~ollt angesehene Vorherrschaft dts Adels wird vom hin zur Darstellung realtr Persönlichkeiten mit all ihren
che entwickelt Martin Luther (1483 - 1546): An dt n christlichen A dd deut- Bürgtrtum angefochten, das zunehmend Selbstbestim- Stärken und Schwächen. So entsteht das bürgt rliche
scher Nallon, Nt ues Ttstamtnt (übersetzt 1522) mung und politischen Einfluss tinfordert. Dtr Drtißig- Traiurspit l, von dem man sich aufgrund der lnszenie-
Themen, Motive, Texte Ausgebend von bedeutenden jährige Krieg hat zu Zersplitterung Wld IOtinstaatlichkcit rungsmög.lichkeitrn den größten Lerneffekt für das Pu-
~ ;;)Sachs (1494 - 1576): Die Wltl t nbtrgischt Nachtigall
italienischen Schriftstellern wie Giovanni Boccaccio und innerhalb des Htiligen Römischen Reiches Deutscher blikum erhoffi. Ähnliche Popularität erlangt auch dtr
Dante Alighieri kommen die Ideale der Renaissance in Nation geführt. Die Fürsten der über 300 Einzelstaaten Rom an, in dem nun ebenfalls zunehmend bürgerliche
literarisch en Werken immer mehr zum Tragen. Pro- haben weitgehendt politische und wirtschaftliche Ent- He.Iden im Mittelpunkt stehtn. Auch IOeinfonnen der
scheidungsmacht und leben mehrheitlich zulasten des Epik, z.B. A phorismus oder Fabt l. sdzen sich durch und
einfachen Volkes in Prunk· und Verschwendungssucht thematisieren Prob~ ~ der Politik, Religion. Gesell·
Barock (ca. 1600-1720) Angelehnt an die Philosophie der Aufklärung beginnen schaft Wld Kul~ um den Rezipienten nach den Lcit•
die Bfuger. sich gegen die vorherrschende Ordnung auf- ideen der Aufklärung zu belehren.. Bevorzugte Textsorten
die der festgcltgten Regelpoetik in stark reglementierten
zulehnen. Als einer der bedeutendsten deutschen Philo- der Aufklärung sind A p horism us, bürgt rllchtr Roman,
Formen wie Sonett, Elegie odt r Ode folgt und sich mit
sophen regt Immanuel Kant die Menschen dazu an, sich bürgerliches Traumpitl. Fabt l und Lthrgtdicht.
antithetischen (gegensätzlichen) Themenfeldern wie Le-
des eigenen Verstandt s zu bedienen (»Saptrt audt!c -
ben und Tod. Spiel und Ernst, Blüte und Verfall, Wolllust Autoren und Werke
Der Begriff »Barock« als Bezeichnung einer Epoche »Wagt tS, zu -wisstn!c). Die Ideen der Aufklärung vertre-
und Tugend, Reichtum und Armut beschäftigt. W t lt• Johann Christoph Got~ (1700 - 1766): Versvch t intr
geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Er beschreibt einen ten auch Staatsoberhäupter des aufgeklärten Absolutis-
flucht, religiöse Vorstellungen und Sinnenfreudigkeit re- Critischtn Dich tkuns t vor die Dffltxhtn (1730)
in der italienischen Renaissance entstandenen Kunststil mus, wie z. B. Frit drich IL von Preußen, Joseph lL von
sulticrt n aus dem Wissen um die Vergänglichkeit alles Christian Fü.rt:htegott Gellert (1715-1769): Fabtln und
und lehnt sich an das portugiesische Wort barroca an, Osterrtich und die russische Zarin Katharina die Große.
Lebenden, das sich in der zeitgenössischen Literatur m Erzählungtn (1746 - 1748)
das so viel wie schlttfrundc Ptrltt bedeutet. den Motiven vanitas (Vergänglichkeit), carpt diem Themen, Motive, Texte Zentrales Thema der Literatur Immanuel Kant (1724-1804): Beanr-.,.'Ortung der Fragt:
Historischer Kontext Die Schrcckcn des Dreißigjäh- (»Nutze den Tag! «) und mtmtnto mori (»Gedenke, dass ist nun nicht länger das Fürstenlob, sondern das Leben Was ist Aujklänmg? (l784)
rigen Krieges (1618-1648) und der vcrheemuien Pcsttpi- du sterblich bist! ") ausdrückt. Laienspiel, Wander·, und die Aufklirung des bfugerlichen Menschen in Wer- Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781): Miss Sara Sa m-
ken, in denen die Ideale der Aufklärung (Vernunft,
demien in der ersten Hilftc des 17. jhs. kosten etwa ein Schul· und Hoftheater sowie die Oper bringen pson (1755). Minna von Bamhtlm odtr .Diu Solda tenglück
dramatische Werke unter strenger Beachtung der Stiin - Menschlichkeit, Nutzen für die Gesellschaft) verbreitet (1767), Ham burgi.scht DramatUJXie (1767 / 68). Emilia Go·
Drittel der Bevölkerung des Heiligen Römischen Reichs
deklaustl (Tragödie: Protagonisten des Adels; Komödie: werden. Zu den bevon:ugten literarischen Gattungen lotti (1772), Nathan dtr Wtist( l779)
Deutscher Nation das Leben. Für das Welt- und Men-
Protagonisten aus den unteren Ständen, z.B. aus de.m zählen die Fabtl und das bürgtrliche Traut rspiel. Mit dem Georg Christoph Lichtenberg (17'12 - 1799): Sudt lbüchtr
schenbild des Barock sind daher das Bewusstsein um die
Bürgertum) zur Auftu hrung. Zu den wichtigsten Texts- von Gotthold Ephraim Lessing entwickelten bürger-
menschliche Vergänglichkeit, die Angst vor dem Tod so-
orten zählen Sont tt, Odt, Lit d. Sc häf erdichtung, Kirchtn· lichen Trauerspiel werden traditionelle Fonnst:rukturcn
wie der christliche Glaube bestimmend Nach dem Ende
lltd, ]t suitendrama, Epig ramm und Emblt m.
des Krieges entsteht ein Territorialabsolutismus. Die
"Neltlichen Herrscher entscheiden über kulturelle, wirt- Autore n und Werke
Empfindsamkeit (ca. 1740-1780)
schaftliche und lcirchliche Lebensbereiche und haben Martin Opitz (1597- 1639): Buch von der Dtutschtn Poe-
Einfluss auf Erziehung und Bildung. terty (1624) Historischer Konte.xt Das politisch und gesellscha.fUich
Paul Fleming (1609 - 1640): Ttutschen Poemata (1646). lange durch die adligen Obrigkeitffl unterdrückte Bür-
Themen , Motive_, Te xte Im Zeitalter des Barock ent-
He" Pett r Squt nz odtr Absurda Comica (1658) gertum findet in Gestalt von Grfühlsübcrschv.-ang und
wirft Mutin Opib: in seinem Werk Buch \IOll dtr dtutschtn
Andreas Gryphius (1616-1664): Son n- und Feitrtagsso· Schwärmerei eine Möglichkeit. aus der Knechtschaft
Poeterey (1624) eine Rcgtlpodik und gibt damit Anstöße Die Empfi ndsamkt it stellt die Leitideen der Aufklärung
nettt (1639), Lt o A rmt nius odtr Fürstenmord (1650) aunubrcchen. und ~ndet sieb religiösen und my-sti•
z:u einer Reform des deutschsprachigen Literaturschaf- nicht infrage, ergänzt dieses Weltbild aber um die Dar-
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1621 / 22bis schen Bereichen zu. Fest im rationalen Gedankengut der
fens. Die weitgehend lateinische Dichtung der Renais· stellung von Gefühlen, Freundschaft, Weltflucht und
1676): Dt r abtnteuerlichc Simplicissimus Tt utsch (1669) Aufklärung ~ rankert. ~rden subjektive Erfahrvngtn im
sance wird abgelöst durch Dichtung in deutscher Sprache, Naturverbundenheit Zusammenhang mit Tugend und Moral für den emp-
fmdsamen Menschen J:um Zentrum seines D aseins. Di.e

240 \ Auf einen B!1clo.: L, ,l·•.-itu,f.('~.ch1< hl.•? Auf einen Blic k: 241
Empfindsamkeit gn1ndet sich neben htr:rarischen Vorbil•
dem a w England und Frankreich auch auf die religions•
und gcistr:sgeschichtliche Bewegung de.s Pietismus, die
in den deutschsprachigen Territorien zunehmend an Be-
deutung gewinnL Während der Pietismus einerseits den
Kampf der Aufklärung gegen den vorherrschenden
kirchlichen Dogmatismus unterstützt wendet er sich
anderuseit., gegen das einseitig rationale Denken der
Aufklärung und setzt sich für die freie Entfaltung tu-
gendhafter Gefühle ein.
Themen 1 Motive, Texte Die empfindsame Lyrik findet
ihren prominentesten Vertreter mit Friedrich Gottlieb
Klopstock. welcher in seinem Werk Messias vor allem
den seelischen Zustand seiner Figuren hervorhebL Auch
Sturm und Drang (ca. 1765-1786)
lrnpJbMYl•~•~itJt•Ciefühlund'flr'rudt_
• [)qff\M • •
,c:haft
• Sdwftlm der GeNI· „ Dies wird vor allem im Drama, von dem man sich eine
Die Bezeichnung der literarische n Strömung Sturm und
Drang leitet sich vom gleichnamige n Drama Sturm und
Drang (1776) von Friedrich Maximilian Klinger ab. Diese
Epoche beginnt mit dem Erscheinen der Fragmente
(1767) von Johann Gottfried Her<ier und endet mit der
Rückbesinnung und Koru.entration der Literaten Fried-
rich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe auf The-
men, Motive und Darstellungsformen der klassischen
Antike (siehe Weimarer Klassik)
Historischer Kontext Zeitlich überschneidet sich die Li-
teraturströmung des Stunn und Drang mit der Epoche
der Aujkl6.rung, wobei sich die Vertreter des Sturm und
Drang gegen die ausschließlich rationale Betrachtung
der Welt richten. In diese Zeit fallen auch die revolutio-
nären Bewegungen in Frankreich, die schließlich 1789 in
der Französischen Rrvolution triumphieren und großen
Einfluss auf das Denken und auf die politische Entwick-
lung in ganz. Europa haben.
Thtmen. Motiw, Texte Im Gegensatz zur Auflclärung
tretm Ven;tand und Vernunft hinter Impulsivität, Spon·
taneiti.t und Genielcult zurück. Gefühl und freie Entfal•
tung des Individuums stehen im Fokus des Interesses.
Der Genielrult tritt ins Zentrum literarischen Bemühens.
Die schöpferische Kraft des Künstlen, sein Genie und
cin besonderer Hang zur Subjektivität zeichnen die
WrrU des Stwm und Drang aus. Sie erweitern die ratio-
nalistische Haltung der Auflcli.rung: Gefühl und Ver-
ounftglaube schließen sich nicht länger aus, sondern er-
ginun einandec
242 j ~f emen Blick: t ';: JU•~~,,~cs:.~:"
die Dramatik zeigt empfindsame Züge und verdeutlicht
bürgerliche TugendideaJe. In der Epik schlägt sich die
Empfindsamkeit vor allem in längeren erzählenden Tex-
ten niede~ in welchen bürgerliche Helden durch das
FesthaJten an typisch bürge rlichen Moralvorstellungen
am Ende ihr Glück finden. Bevorzugte Textsorten sind
Epos, Hymne, Ode, Idylle und Roman.
Autoren und Werke
Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803): Messias (1748
bis 1773), Oden (1771)
Matthias Claudius (1740-1815): Der Wan dsbecker Bothe
{ITTl/75)
besondere erzieherische Funktion verspricht, deutlich.
Die Dramen von Schiller und Goethe sorgen für einen
enormen Aufschwung des deutschen Thea ters. Aktuelle
Gesellschaftskritik wird zum zentralen Thema des dra-
matischen Wirkens. Der Protagonist scheiter t an den ge•
sellschafllichen Verhältnissen und weiß sich meist nur
durch Mord oder Selbstmord aus seiner Misere zu retten.
Auch Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthm:
zeichnet sich durch die besondere Betonung du Ge·
fühlswelt des scheiternden Helden aus. In der Lyrik ne.h•
men neben Natur- und Lehrgedichten vor allem Liebesge•
dichtt einen breiten Raum ein. Bevorzugte. Textsorten
sind bürgerliches Drama, bürgerlicher Roman und Emp-
findungslyrik.
Autoren und Weril:e
Johann Gottfried Herder (1744-1803): Ober dit ntue
d~tscht Literatur: Fragmente (1767)
Gottfried August Bürger (1747-1794): Gedichte (1778);
Abtnttuer des Freiherrn von Münchhaw t n (1786)
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): Gotz von Ber-
llchlngen mit der eisernen Hand (1773), Ganymed (1773),
Dlt Leldtn des jungen Wcrthtrs (1774), Promtthtus (1785)
Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792): Dtr Hofmeis·
ter oder Vorteile dt.r Privaterzlthung (1774), Die Soldaten
(ITT6)
Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831): S turm und
Drang (1776)
Friedrich Schiller (1759-1805): Die Rauher (1781), Kabalt
und Litbt (1784)
Weimarer Klassik (ca. 1786-1805/1832}
des Strebens nach Humanitdt, Harmonie. und Sittlichkeit
fokus siert Sowohl inhaltlich a1s auch formal findet ein
Rückbezug auf die Antike statt, sodass in der Literatur
wieder die Geschlossenheit der Form gefordert wird
Der Begriff klassi!ch leitet sich ursprünglich _v o~ dem la- (Formstrenge).
teinischen Wort classlcw ab, welches für Mitglieder der
Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang von Goethe
obersten Steuerklasse genutzt und in der Bedeutung erst-
und Friedrich Schiller setzen sich in ihren programma-
klassig nach und nach auf unterschiedliche Lebensbe-
tischen Schrifte n und in ihren literarischen Werken auch
reiche übertragen worden ist Wenn wir heute .etw~
mit den Möglichkeiten auseinander, die Menschheit mit-
klassisch bezeichnen, deutet dies auf dessen Ze1tlos1gke1t
hilfe der Kunst und der Literatur zu sittlichem Verhalten
und seinen Vorbildcharakter hin. Gleichzeitig beinhalt~t
und zur Humanitdt zu erziehen. In der von Friedrich
der Begriff auch eine neuerliche Rückbesinnung auf ~ e
Schiller herausgegebenen Zeitschrift »Die Horen« for-
Klassik der Antike, die in den literarischen Werken wte·
mulieren die Literaten ihre konkreten Vorstellungen be-
der eint. starke Rolle spielt
züglich klassischer Literatur und entwickeln ein dem
Historischer Kontext Vielfach hat sich im Laufe des Ideal der Klassik entsprechendes Menschenbild
18. Jahrhunderts die Vorstellung durchgesetzt, dass die
Weimar bildet das Zentrum du deutschen Klassik. Hie r
Welt sich immer weiter entwickelt, dass Unvernunft wtd
tttffen die wesentlichen Vertreter der Epoche, Johann
Willkür überwunden werden und sich die Menschen
Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller Johann Gott-
eine vernünftige Gesellschaftsordnung geben können.
fried Herdcr und Christoph Martin Wieland, aufeinan·
Die Welt wird a1s geordneter Organismus betrachtet und
der. Besonders der Briefwechsel zwischen Johann Wolf·
auch der Mensch wird als ein nach Vollkommtnh~it st~-
gang von Goethe und Schiller gibt Aufsc~uss über ~e
bendes Wesen angesehen, welches dazu bestimmt tst. sei-
Gedankenwelt und die Dispute der Schriftstellec. Die
ne (schöpferischen) Kräfte harmonisch zu entfalte?"
Weimanr Klas,ik endet mit dem Tod ihrer bedeutends-
Menschlichkeit und Toleranz sind zentrale Werte für die
ten Vertrctu(FricdrichSchillers, 1805 /Johann Wolfgang
Menschen in der Zeil der Klassik.
von Goethes, 1832).
1789 fmdet die Französische R~olution statt. deren Fol-
Bevorzugte literarische Ga ttungen der Klassik sind Bal-
ge in Frankreich die Terrorherrschaft der Jakobiner isL
lode, Bildungsroman. Charakterdrama,, Distichon. Hymnt,
1799 gelangt Napoleon Bonaparte an die Macht wtd
Idtendrama. Ode, Sonett und Stanze.
wird 1804 zum französischen Kaiser erhoben. Unter ihm
entsteht 1806 der Rheinbund, ein Zusammenschluss der Autoren und Werke
rheinischen Staaten unter Napoleons Schutzherrschaft. Johann Gottfried Huder (1744-1803): Abhandlung über
In Preußen finden unterdessen zwischen 1807 und 1814 den Ursprung der Sprache (1772), Briefe zur &forderung
weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Re- der Human itdt (1793-97)
formen (Stein·Hardenbergische Reformen) statt, die zur Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): Iphigenit auf
Veränderung der Gesellschaft beitragen (Bauernbefrei- Ta urts (17'er7). Wilhelm Meisten Lehrjahn(1795 / 96), Her-
ung, neue Städteordnung, Einführung der Gewerbefrei- mann und Dorothea (1797). Faust l (1806), Dichtung und
heit, Emanzipation der jüdischen Bevölkerung. Bil- Wahrheit(1811 / 14}, West-.östliclur Divan (1819), W ilhelm
dungs- und Heeresreform). Altisten Wanderjahre (1821). Fawt U (1831)
Friedrich Schiller (1759 -1805): Don Karlas (1787), Die
1813 setzen die europäischen Befreiungskriege ein., die
1815 Napoleons Vorherrschaft in Europa in der Schlacht Götter Gricchenland5 (1788). Oinr die ästhetische Enit.-
hung des Menschen (1795). O~r naive und sentimentale
bei Waterloo beenden. Es kommt zur Neuordnung Euro--
Dichtvng (1795 196), Da.s Li~ von der Glockr (1797), Wal-
pas durch den Wiener Kongress von 1815.
ltnsteilt (1798 / 99). Maria Shlart (1800)
Theme n, Motive, Texte Klassische Literatur dokumen- Christoph Martin Wieland (1733-1813): Das Ho:amur.m
tiert einen besonderen Idealismus, der die Darstellung
von Rosenhain (1802 / 03). Mtnander und Glycerion (1804)
A.ufe,n;.>nB\1d, 1 243
 chiln von Arnim (1781 - 1831) und Clemens Brcntano·
Romantik (ca. 1795-1840) ~,s Knaben Wunderhorn (1806-1808) · Joseph von E~ndo
acob (l785-1863) _und Wilhelm (1786 -1859) Grimm, (1819), A.., d,m L,b, :ff 0788 - tss;, o., .V .,. _
l\u,..,_, 1Ma,,t..,..1fium •r.,-.,,.,_. 111llliahtt1, gel erste programmatische Schriften. Novalis fordert die ~trzd,r· und Hausmarchen (1812)
HeinrichH ne1ll't>JT"11grnicluJ t1....,~-- ~--=
Sc.~it.Jt-f~'lmJI, • W'f\l1k • P-latu, • Ft•r1i-h • Set,ftivrtrt • '"" (1J97-1856, &,,,d,, _,,,
Romantisierung dtr Wtlt , indem man „dem Gemeinen ei- Ltda rl!r,1
&-.81.umt•"'l]r,d nen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles
Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekanni en,
Der Begriff Romantik lehnt sich an die altfränzösischcn vormärz und Biedermeier (ca. 1s1s- 1848 )
dem Endlichen ein en unendlichen Sinn« gibt. Für die
Wörter romanz, romant oder roman an, die für volkspra-
Friihromantiker besteht die Welt voller Gegensätze (Rea-
chigc Dichtung stehen. MirzrevOluDOII I... • polrtttdW lant'ltll • l lfth1 1 , ijt,, .,,..
lität / Ideal und Endlichkeit / Unendlichkeit), die als unü- In dtn &rlsbtUUr BeSl.1'~
aanus· R~wraUGA. MIU.\~hi:M' • lenlür. P:IIJ~ h,rf>,
berwindbar betrachtet werden. 1n diesem Zusammen-
"""",.,...,
h.
Insgesamt stcUt die Romantik den einzelnen Menschen Verbot der BUrschellJCJ-14:ften \'On 1811} u
als Individuum in seiner ganzen Subjektivität in den 1',tit- hang prägt Friedrich Schlegel den Begriff „romantische Überwachung der UntverSitate~
tclpunkL Sein Innenleben gewinnt zunehmend an Inte- Ironie«, die als eigenständige literaturtheorctische Positi- der Ze,uur unterworfen. D-.c EnAu.eh die l..1tn,,"!.!- 11."?l'!
resse. Wunderbare, fantastische Stoffe, die sich von der on zu betrachten und nicht mit dem rhetorischen Stil- Deutschland fibt:r das Fest}. 1 , ttauschuni drt )l;_,._1,:,
wirklichen Weh ab- und zur urwüchsigen und unge- mittel >1lronie« zu verwechseln ist. Diese Form der Iro- durch die d,ut,ch,n Furn,,, , _ an der ..,,, Oal,.--"'
zähmten Natur hinwenden, stehen im Zentrum der nie ist kein einzelnes stilistisches Element innerhalb der Mtinrt\'Olution von Jtld su:h
Dichtung. Kritik am rdncn Vemunftglauben dtr Aufklä- eines literarischen Textes, sondern prägt den Text als Der Begriff Vormärz bezeichnet das literarische Schaffen
im Vormärz und llll }wnge-n Dn.ts.:h~~~ "'-..~.u:i
rung und der Wi.l)c zur Verbindung von Rationalität und Ganzes durch einen unablässigen Wechsel von gegen- im Vorfeld der Märzrevolut ion von 1848. Das •Junge
gen .absoiututischt Strukturen. die KJr.r:~ ~ V-
Gefühlswelt spiegeln sich in der romantischen Literatur. sätzlichen Elementen, z.B. dem Wechsel von Illusionie- Deutschland~. welches sich nach der Neuordnung Euro-
das idealistische Me,uchen td 1, ~., b·u ht- t(gt,;
rung und Desillusionierung. Auch die Selbstreflexion in- as auf dem Wiener Kongress 1815 herausbildet, setzt .
d1e • lil! "t'.t "" dtr Klus:l: c j
Histori scher Kontext Die Romantik entwickelt sich im Roman tlsienmt dtr Weh dt::-Jt die IL.mwnü:tt .
nerhalb des literarischen Werks ist hier bedeutend ~ich verstärkt ab 1830 Uulirevolution in Paris) für einen
Kontext des Umbruchs von der feudalen hin zur bürger- beschäftigen sich mit den z e i t ~ \r
indem selbstreflexive Momente von unterschiedliche~ einheitlichen deutschen Nationalstaat und die Umgestal•
lichen Gesellschaft. Nach der Auflösung des Heiligen und kämpfcn _für die Prnv- IINi Mt:nwz:.~~
Figuren (Zuschauer / Rezipient, Protagonist. Verfasser / tung des Landes in Freiheit und politischer Einheit ein.
Römischen Reiches Deutscher Nation und der Griindung Sotlal1Smus, die EmaniipatlOJI. de Fr,1u Wld dlt frru UU-
Dichter oder Erzähler) im Werk selbst artikuliert wer- Dies spiegelt sich auch in der häufig progressiven anti- faltung der Litbe.
des Rheinbundes 1806 wird das bürgerliche Selbstbe-
den, sodass sich die Literaten damit über ihre eigene feudalistisch geprägten Litera tur. Es werden aber nicht
wusstsein durch weitgehende Refonnen (siehe Klassik) The~en, Motive, Tuttdes Die Epikv.lld ZUJ
gestärkt. Dichtung erheben und distanzieren. nur staatsrechtliche Fragen bezüglich der geforderten de-
mokratischen Verfassung aufgeworfen, sondern zu den bes~ enden Gattung. sie 1.Sl nmgtr .strmgen Rt-g6
Hochrom ill ntik (Heidelberger Romantik, 1804 - 1815): Es alsdie Lyrik unddieDraman,: ~mun.dn •
Nach dem Wiener Kongress (1815) beginnt die Zeit dtr ttntralcn Themen der Literaten gehören auch die Verar-
entstehen zahlreiche Gedichte, Märchen und Sagen- sich damit in besonderem M.ifit zur polmschm
Restauration, in der bedeutende politische Errungen- mung und Verelendung der Bauern und Arbeiter.
kreise mit typisch romantischen Motiven wie Sehnsucht, andttsctzung und Sysiemkntik.. {c Flugsdmfte::i wtt Dtr
schaften wieder riickgängig gemacht wer&n (:t. B. die
Natur, Liebe und Wanderschaft, die das Volkstümliche Mit dem Begriff Biedermeier kritisieren später im 19. Jh_ Hwischt Landbott (1834) \.1ln Gttq E ~ v,m:l. du
Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Demokratisierungs- und Irrationale betonen.
prozesse). die Realisten die »biedere« Literatur der Restaurations- einfache Volk ZUI R,c\,1ilution Ocr.gkd und Autc,.
Spät romantik (in Berlin, 1815-1848): Es werden Schau• zcit. Zu Beginn des 20. Jhs. verliert der Begriff seinen ne- ritäten aufgerufen.
Wirtschaftliche und soziale Veränderungen infolge der gati\'en Klang und steht für Häuslichkeit und den Rück-
erromane und Kunstmärchtn, aber auch ganze Gedicht- Die Rt>istlitmnu erleb! vor alltm tkm:b Hcur.di H~
lndwtrialisitrung und der technischen Entwicklungen zug ins Privatleben , für eine Zeit, in der die Menschen
zyklen publiziert. Das Wunderbare und Geheimn isvolle. eine Blüte im 19.jh. und vmiDt so,n:E-1
führen einerseits zur Bildung einer privilegierten Ober· das Dunkle und Verborgtnt findet Eingang in die Welt sich in ihre unpolitische Innerlichkeit und in ihre poe-
schiebt, andererseits zu einer Verelendung weiter Bevöl· unterhaltenden als auch polituch Chlw:-
der „Philister«. tische Naturerfahrung zurückziehen, um sich nicht mit
kerungsteile. ter m sich.
rtalen politischen bzw. sozialen Missständen auseinan-
Bevorzugte Textsorten sind Bildungsroman, Entwick- dersetzen zu müssen. Brvorrugtc Textsorten smd BneJ fri..!!dun. P~lnan.
Th eme n, Motive, Texte Autoren der Romantik finden lungsroman, Kunstmärchen, Märchen, Sage, Schauerro-
sich in verschiedenen Städten Uena, Berlin, Heidelberg) man, Volksli ed und Volksmärchen, Gedicht und Ballade. historischn Drama, historuchn pun.aJistudit
Die beiden Strömungen Vormärz und Biedmneier verlau-
zusammen, die sich als littrarische Zentren entwickeln. Tate. Komödu. literunsdie Zellld!n_fi. L.1rJ:
ftn parallel und zeichnen sich durch ihre Gegeruät7.lich-
Die Romantiker wenden sich von der Antilc.e und den Autoren und We rke Memoirtn. NovrUe. RListbcrichL
keit (rtv0lutionäre Gesinnung versus privates Glücksstre,,
klassischen Vorbildern ab. Die Natur dient nicht als Ab- Friedrich Schlegel (1772-1829); Alhenäum-Fragmente btn; Anprangern von Missständtn versus heile Welt) aus. TMmf'n, WotiV"t, Tntt d e s ~ Das Wc!Ibtld
bild realer Landschaften, sondern als Ausdruck der indi- (1798), Lucinde (1799) dt>s Bi,dtnneiLr wird \"Crkörpcrt durcli 0: R..dbem·
viduellen Sehnsucht nach Harmonie und Entgrenzung. Zu Novalis (Georg Philipp Friedrich Freiherr von Harden· Hi stori sc her Kontext Nach der Neuordnung Europas nung auf Tnull!WMR trul einem ~ ~ ~ Cha·
den vorherrschenden Themen zählt das Motiv des un- bcrg, 1772-1801): Hymnen an die Nacht (1800), Heinrich durch den Wiener Kongress von 1815 kommt es in raktcr. Der Mensch stn:bt [1.lCh dem snh Gl.d mnrr·
heimlichen, künstlich geschaffenen Maschinenmen- von Ofterdingtn (1802) Deutschland zur Auseinandersetzung zwischen dto halb Sf'U\CS Privatldiens und btfasst ub mdit mit
schen {automatischer Android, Der Sandmann (1813) von Ludwig Tieck (1773-1853): Der gestiefelte Kater (1797), nach R,stauration (Wiederherstellung der alten Ord- komplrxeo politl5Chen oder gescllscb.lfuk:".mclm!
E.T.A. Hoffmann). Weitere Motive sind Fernweh, (Todes-) Der blonde Ec:kbert (1797) nung) strebenden Fürsten und den Unh'ersittitsangthö- men. ln kunen Ureranschtn Formen Torme,11
Sehnsucht, Natur, Liebe, Religiosität, Natur, Transzen- E. T. A. Hoffmann (1776 - 1822): Die Elixiere dts Teufels rigen, die unter dem Namen Junges Deutschland Froheit wie Narvr und Gnchu:hlr. dt'r Rucblg w und
denz, lndividualitäL (1815 / 16), Der Goldene Topf(l814), Nachtstücke (u.a. Dtr und politische Einheit des Landes fordcm Die Hoff- tine h~•k \fdt dargestellt Dtc Spracht:=:::
Sandmann, 1816) nungtn der Bewegung, die sich in Bwscheruchaften or- det.ulgttlt'UU und möghcbsl b~ - ·lt:r, rw_,..
Das Symbol der Romantiker ist die »Blaut Blumt«. Clemens Brentano (1778 - 1842): Godwi oder Das steiner- gan.islcrt, erfü.llen sich jedoch nicht. Mit Gründung des ßn'OC'lUgte Tutsorte.n wiJ_B,.:zlJ.i~ ~L·
Frühromanti k (auch Jenaer Romantik. 1798 - 1804): 1n ne Bild der Mutter (1801) Dtulschen Bundts 1815 entsteht weniger ein cinheil· ,"tlk , Skt::t. 51'...dit'. \ trstr:.ihlWlg
Jena verfassen Dichter wie Novafü und die Brüder Schle• Üchcr Nationalstaat als vielmehr em Stootenbwnd mit
Wtitgehend voneinander unabhängigen t,.tilghe.J.s.sta.i.ten.

245
244 1 Auf (.' l f1 {' f'I B\,c k
Au~or~n und Werke des Vormarz
Hemnch Heine (l 7CJ7
Dntbchland. Ein Winr;,!!:,):
Reisebtldu ~1826 / 27 / 30),
W eber (1844), Romanzero (l~~;n (1844), Die schlesischen
August Heinrich H ffm
1874): Unpolitisch : , d ann von Fallenlebcn (1798 bis
sehen (1841) e e e„ (1S40 / 4 l), Da., Lied der Dtut-
Georg Büchner (1 81 3 337
(1 834), Dantons Tod (l ;~ ): De„ Hesstsche Landbote
8
Georg Hc.rwrgh 181 ' Lenz (1835),Woyzcck (1836)
(1841) A rfruf ( 7-1875): Gedlchte d n es Ubendigen
DeuudienuArbe~~~~,:~:!~t~d for den Allgemeinen
Georg Wcerth {1822-18S6): Das Hungerlied (1844)
(Poetischer) Realismus (ca . 1848 - 1895)
:=.=:~
:"'""~Wlederpbedff Rfffltlt•~-Wlrtt-
ltoni,e, .. ßnfachhlttin Stoffulld Form.Ge--
Der _B egriff poetischer Rea lismw oder auch bürgerlicher
Realumus stammt vom lateinischen Wort res und ~deu-
t~t Ding od~r Sach e.. Die literarische Epoche des poc-
~chcn Realismus_stellt die Realildt in den Vordergrund,
rucht aber, ohne diese künstlerisch zu gestalte n.
His~orischer Kontext Der Realismus als literarische
S~mung beginnt vor dc-m Hintergrund zahlreichc-r Bc--
vol.kc-run~ ufs tände in unte rschiedlichen europiischcn
Staaten, un deutschsprachigen Raum nach d er Män:rc-
volution 1848. Politische Mitbestimmung und das allge-
meine Wahlrecht w erden g efordert, soziale Missstände
und auch die Fro.tunfrage wcrd•m immer h eftiger disku-
tiert. D ie Frauen streben nach Emanzipation, wollen vor
d em G e setz als se:lbststindiges Individuum behandelt
w erden und fordern ihre Gleichstellung mit de.n Män•
nem.
Mit der Reichsproklamation von 1871 in Versailles wird
Wilhelm L zum deutschen Kaiser gekrönt, während Otto
von Bisman::k als Reichskanzler des Deu tsch en Kaiser-
reichs a gie.rt. Es werden inn e n p olitisch e Reformen
durchgeführt, z.. B. wird die Zivilehe eingeführt, wn de.n
Binflw1 der Kirche zu be,rrrnzen; ein Sozialversicherungs-
system wird entwicult, um die soziale. Absicherung der
Bevölke.nmg bei Krankheit, Arbeitslosigkeit etc. zu ver-
bessern. Außenpolitisch erreicht Otto von Bismarck mit-
hilfe seiner Bi.mdntspolltlk den frie.dcnssichcmde.n Aus-
gleich zwischen den europü.schen Großmi chtcn.
Als Kaiser Wilhelm II. an die. Ma cht kommt, leitet diuer
in der deutschen Außenpolitik die Wende ein, die in
einem Zerwürfnis zwischen ihm und Otto von Bismarck
gipfdt. Die sogenannte wilhelmlni.sche Epoche wird n ach
der Entlassung des Reich.skanzlers von dem Streben d es
deutschen Kaisers nach Weltmacht und seinem zweiten
246 \ Auf einen Blick· l
Autoren und Werke des Biedermeier
Franz G rillparzer (1791-1872) · Die A h ifi
anneSplelm ann (1848) · n rau 0 8 17), Der
Annette von Droste-Hulshoff (1797- lB48): Hd
(1841/42), Die ] udenbuche (1842) deblldrr
(1802-1850): Don]uan. Ein dramatisches
Eduard Mörikc (1804 -1875): Maler Nolten (1 832)
Adalbe.rt Stifter (1805-1868): Der Hochwald (l 84 l }
Bunte Steine (1853), Drr Nachsommer 0857) ' Theodor Sto rm (1817-1888): lmmen.see (1850), DerSchim •
~ßen ~icl bestimmt, deutsche Kolon ien in Afrika und
tn der Sud.sec zu besitzen. Um den »Platz an der Sonne«
zu e rhalten, wird ab ca. 1890 massiv in allen mirt •
~hen. Bereichen aufgerüstet Besonde re Prio rität ~:
rucß t die ~lottenpolitik des Kaisers. Er sie.ht in der deut-
sc~en K_negsflotte das Symbol für die Einheit des
~~rrc~ches, weil sie äußere Stärke und m nerc Sicher-
heit m steh vereine. Er bedenkt nicht die Bedrohung di
von der Aufrüs~g und der Flottenpolitik ausgehen.' Be~
sonders Großbntannien fühlt sich durch das Wettrüsten
zur Sec existenziell bedroht, sodass die veränderte Au-
ßc~politik d_es ~e~tschen Kaiserreichs das europäische
Machtevcrh ältrus ms Wanken bringt.
Themen, Motive, Texte Die Literatur des poetischrn Re-
alismus stellt nicht die bloße- Wirklichkeit dar, sondern
versucht, diese mit künstlerischen Mittrln abzub ilden.
Detailgetnue, nalitdtsnahe Beschreibungen in JXHtlschtr
Sprachverwendu.ng, verbunden mit einer fikt iven Hand•
lung, die aber so möglich sein könnte, bestimmen die li-
terarischen Werke. Humor und Irom r gelten als adäquate
Mittel zur poetischen Gestaltung der Wl„kl ichkelt in der
Literatu r. Die Verwendung der wörtlichen Rede (En äh•
lerdistanz) und die nalistischr Rau.m· und Zr itgestaltung
unterstutzcn einen hohen Grad an Jdcntifikalionsmög·
lichkeiten und einen damit verbunden en Wiedererken·
nungswcrt.
Theodor Fontane gilt als ein er der bedeutendsten
deutschsprachigen Realisten. In seinen »Berlinromanen„
(Effi Brie:st; Irrungen, Wirrungen etc.) greift er die Themen
seiner Zeit auf (lh banisierung, Industrialisierung. Frau·
enfrage, gesellschaftliche Missstände, lnnen· und Außen·
politik des Kaiserreichs). In den vielfältigen Gesprächrn
seiner literarischen Figuren werden die Probleme der
Gegenwart des ausgehenden 18. Jahrhunderts milit u·
gerecht mithilfe der Verwendung der wörtlichen Sprache
(Dialek t, Soziolekt etc.) vermiltelt, sodass der Erzähler
weitgehend in den Hintergrund tritt. Theodor Fontane
strllt in seinen Werken vor ollem die moralisch en und
rsrilschaftlich en Konventionen infrage, die verantwort-
~ch für das Scheitern se.iner Protagonisten /-innen sind.
f.r setzt mit seinen literarischen Werken eine öffentliche
Diskussion bezüglich de r herrschenden geseUschaft-
lichr n Werte und Normen in Gang.
Auch in seinen literarischen und programmatischen
Schriftt!n setzt sich Theodor Fontane mit den The men
und Problemen des 19. Jahrhunderts auseinander und
entwickelt daraus die Position des Erzählers. Er rcflek-
tirrt sowohl die Aufgabe des Erzählers al5 auch die An-
fo rdrrungcn an das Erzählen selbst, sodus er da.mit eine
theoretische Grundlage für realistisches Erzählen liefert
und gleichzeitig die Zielsetzung des poetischen Reallsmw
erläutert.
Währrnd früh e realistische Werke meist noch frei von
Grsellschaftskrltlk sind, weisen die Werke ab 1860 zu-
nehmend - häufig zwar in verdeckter Form - auf gesell-
schaftliche Missstände hin.
Naturalismus (ca. 1880 - 1900)
;µ
Als Na turalismus wird eine literarische Stilrichtung be-
zeichnet, mit deren Hilfe die Realität ganz ohne kün.stl~
rischr Ausgestaltungen so wirklichkeitsnah wie möglich
abgebildet wird. »Naturalismus« hat nichts mit der Dar·
stellung de r Natur zu tun, sondern ist eine konsequent
-weitergedachtr Ausfonnu.ng des Realismw.
Historischer Kontext Gegen Ende des 19. Jahrhunderts
entstehen bedeutende technische Neuenmgen wie die
Erfindung de r Dampfturbine 1884 und des Dieselmotors
1893. Innen· wie außenpolitisch ist Reichskanzlrr Otto
von Bismarck die für das Deutsche Kaiserreich (Reichs·
gründung 1871) bestimmende Figur. .M.it seiner auf ein
ausgeglichenes Michteverhä.ltnis in Europa bedachten
Bündnispolitik sorgt er für Frieden und Stabilität. Nach
seiner Entlassung 1890 ändert sich dies unter dem neuen
Kaiser Wilhelm II., der die militiirische AufrC&stung und
die deutsche Flottenpolitik betreibt, um sein Streben
nach Wdtmacht und seine Ambitionen bezüglich der~
lonialpolitik umzusetzen.
Themen, Motive, Texte Die Naturalisten nutzen zur Be-
schreibung der Welt auch die Naturwissenschaften. Ihr
Wrltblld erhebt den Anspruch, naturwi.ssen.schaftlich er--
klärbar zu sein, und wendrt sich rrligionskrilisch von
allem t-.letaphysischcn ab. Der Mensch wird in Abhin-
lkwrzugte Textsorten sind Dorfgeschichten., Entwicklungs-
roman., Gesellschaftsroman, historischer Roman und No-
velle.
Autoren u nd Werke
Friedrich Heb bel (1813-1863): Maria Magdalena (1844),
Die N ibelungen (1861)
Gustav Freytag (1816 -1895): Soll und Haben (1855), Die
Ahnen (1872)
melreiter (1888)
Gottfried Keller (18 19 -1890): Der grüne Heinrich (1854/ 55
und 1897 / 80), Die Leute von Seldwyla (1856/ 1873 -1875)
Theodor Fontane (1819-1898): Irrungen., Wirrungrn (1887),
Frau]enny Treibei (1892), Effi BrleJt (1 895)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898): Das Amulett (1873),
Der Schulll von der Kanzd (1878), Die Füße lm Feuer
(1882)
gigke-it von seiner Umwelt wahrgenommen und durch
Verrrbung und .scziale.s Milieu als dttmniniLrl (bestimmt,
festgelegt) angesehen. Der Naturalismus ist die erste
Stilrichtuog. die sich kritisch mit den Folgen der Indus•
tri.alisierung und Urbanisierunx ausrinandcrsettt. Groß-
sladtleben und soziak Fraxe werden zu zentralen lnhalteJL
Naturalistische Llteratur zeichnet sich durch besondere
Lebensnähe, eine wwensc:baftlichc Fundierung. die Ab-
wendung von Transzendentem sowie eine schmuck- und
tabulosc Darstellung der Lebenswirklichkeit aus. Die
Aufnahme btsher tabuisierter Themen, e.ine sprachlich
möglichst wirklichkeitsnahe Gcsta1tung durch Anwen-
dung von Dialrkt und Mundart und sehr dda illierte R~
~i.n.mgen in dramatischen Texten lcmnzeichncn das
literarische Schaffen der Naturalisten. Be,,-o.rzugte Text·
sorten sind Drama, o:puimentelk Prosa vnd Lyrik.
~nundWe..-ke
Wilhelm Bölsche (1861-1939): Die naturwissitnschaft-
lichen Gnmdlagen du Ponit (1887)
Gerhart Hauptmann (1862-1946); Balurwrina-Thid (1888),
Vor Sonnr11aufganx (1889), Die Wrbe-r (1892). Der Bi~r-
pelz (1893). Fuhnna,m Hrruchel (1898). Die Ratten (191 1)
Johannes Schlaf(1862-1941): .-\feister Oelu (1892)
Arno Holz (1863- 1929): Du Kunst. llir Wesen und ihn
Geut:e (189 1), Rewlutioll der Lyrik (1899)
Arno Holz und Johannes Schlaf. Popa Hamler {1889), Die
Familie Stlicke (1889)
AufemeriBl,ck... 1 247
Klassische Moderne (ca.1890- 1932)
ifll'ffii1 Nliil
: ~:!:~:! zu alt oder anlik beschn'lbt der Begriff
d E. ll Abwendung von traditionellen Werten
~n lnSle ungcn in allen Lebensbcrc1chcn. Die Zeit um
wud auch als Epochcnumbruch be-z.eichneL Die sich
::di.k.al ver3:"dem d c Lebensweise f"uhrt einerseits zur
ufbruclustimmung. andererseits aber auch zu großen
Ängsten und Unsicherheiten. Fin de Siich (Ende des Jahr-
hunderts) und Dchldcnz sind Schlagworte dieser ZciL
~ isto~isc.hei- Kontext Die Welt der kl'"5tschcn Moderne
15~ Wctt~~hend bestimmt durc:h technische Neuerungen,
Sikulans1crung sowie politische und kulturelle Re-
formen und Rn-olutioncn. Politisch werden Marxismus
die .Emanzipation der Frau und die A rbdterb~gung
untral~ Themen. Der Mensch wird losgelöst von allem
Metaphysischen gesehen und tccibt mit seinem wissen-
schaftlichen und technisch-industriellen Fortschritt die
Veränderungen in allen Lebensbereichen voran.
Um die Jahrhundertwende wird unter Wilhelm IL eine
vc rstirkte Koloni alpolitik verfolgt und parallel dazu die
musive Aufi"'wtung (Aottenpolitik) des Deul5chen Rei-
ches im W ettkampf mit den anderen führenden Mächten
in Europa betrieben. Dte entsteh ende Spannung zwi-
sche:n de n Großmäch ten führt schließlich zwischen 1914
und 1918 zum Ersten Weltkrieg. Darüber hinaus kommt
es mit zunehmender lndustrialisicn .mg zur Ventädte-
rung (Urbanis1enu:ig ) und Entwicklung eines Industrie-
p roletariats in den Städten , was zum Nährboden sozialer
Probleme und Spannungen wird.
T hemen, Motive , TeKte Die Schriftsteller folgen gan z
unterschiedlichen geistigen Strömungen, die einander
zum Teil auch wide rsp rechen. Einerseits werden wie- Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929), Der Tor und der Tod
der verstärk t unpoliUsche und von Subjektivismus und
Indi vidualismw geprägte Werke geschaffen (Imprcsslo• Thomas Mann (1875-1955): Buddenbrooks (1901), Der
nismw, JugendstJI. Spdt roma ntik. Exprcsslanismw), an-
dererseits kommt es zur Wiederbelebung der [deale ver-
gangener Epochen, wie z..B. dem Neoklassizlsmu.s ode r
der Heimatliteratur.
In der Hauptstadt Osterreichs entwickelt sich ein Zen-
trum progressiver Literaten. die sich als Vertreter der so-
genannten Wiene-r Modeme betrachten. Sie thematisie-
ren gC5Cllschaft.skntische Probleme (.Dekadenz, Verfall
248 1 ,\uf einen Blick.: l · "'I
ieselbch~JU/cher We rte und Nonnen des Bü,xertunu,
(Un-)Fn~heir des ln~1vf~uu~, Emanzipatfon.sstreben der
Frau). S~c stütun sich tn threr Figurendarstellung und
Beschreibung der Gesellschaft u. a.. auch auf die von Sig-
mund Fnud entwickelten Ergebnisse der Psychoan,dyse
Be~onders_dess~n _Werk Traumdeutung von 1899 ftnde~
bei den ze1tgenoss1schen Literaten große Beachtung.
Arthur Schnitzler, einer der bede utendsten Vertreter der
W iener Modem e, entwickelt eine neue Form des Erzäh-
lens. um die inneren Vorgänge einer Figur für den Rezi-
pienten sichtbar zu machen. Seme Monolognovcllen
Leutnant Gw rl (1900) und Fräu/tin Else (1924) vermitteln
die psychischen inneren Vorgänge der Figuren. Ober die-
se Innerulchr ierhält der Rezipient wesentliche Einbhcke
in die gesellschaftlichen Strukturen und in das gese.ll-
schaftliche Denken dieser Zeit.
Insgesamt werden lyrische Texte und epische Klein•
formen unter Beachtung der äußere n Form, teilweise
ausgeschm\lckt mit Klangmalerei und sprachlichen BU.-
dem , favorisiert.
Bevorzugte Textsorten sind Aphorismw, Brief. Elnakttr,
Essay. Kunstmoiirchen, Lyrik, (Monolog•)Novel/c, Prosa-
gedlcht, Skizze und Studie sowie Erzoiihlung.
Autoren und Werke
Arthur Schnitz1er (1862-1931): Leutnanl Gu.stl (1900),
Frliulel n Else (1924). Traumn ovelle (1926)
Frank Wedekind (1864 -1918): Frühlings Erwachtn (1891)
Stefan George (1868- 1933): Das Jahr der Seele (1897). Dtr
siebente Ring (1907)
Heinrich Mann (1871 -1950): Professor Unrat (1905), Dtr
Unterlan (1918)
Christian Morgenstern (1871-19 14): Gofgen/feder (1905),
Palmstr{)m (1910)
(1894), Ein Brlef(,.Chandos-Brief«, 1902),Jedrrmann (1911)
Tod In Ventdig (1912)
Rainer Maria Rilkc (1875-1926): Die Aufufchnungtn dts
Malte Laurids Brigge (1910), Duineser Elegim (1923), So-
nette an Orphew (1923)
Hermann Hrssc (1877-1%2): Peter Comenzmd (1904),
Unterm Rad (1906). Demion (1919)
Stefan Zweig (1881 - 1942): Sttmstunden dtr Menschhm
(1927), Schachnovelle (1942), Die Welt '\/On Gestern (1942)
Expressionismus {ca. 1910-1925)
„L__________ filiill
Expnssionlsmtu leitet sich vom lateinischen aprculo
(,.Ausdruck•) ab und steht für besonde re ausdrucks-
starke, subjektivistische und skeptizistische bterarische
Ausdrucksformen.
Gtschichtt und Gnellschaft Historisch fällt der Exprcs-
slonismw in die Zeil des Ersten Weltkrieg., (1914-1918).
Die deutsche Bevölkerung steht unter dem Eindruck von
Kritg und Modemr. Du me nschliche Individuum geht
im Zuge zunehmr nder Industrialisierung in der Masse
unter und zieht sich oft mit selbstzwciflerischen und
pessimistischen Gedanken in sich selbst zurück.
Nach der Niederlage im Erste n Weltkrieg. die den •Ge·
sicht5verlust« der zuvor so stolzen Nation zur Folge hat,
sind die Mrnschen orientierungslos. Die Zuerkennung
der Kriegsschuld, die Reparationsiahlungen, die großen
Gebietsverluste und die Millionen von Menschen, die den
Krirg nicht ii.bcrlebt haben, führen zu Unsicherheit. Ori-
entierongslosigkeit und Zukunft.sangst. Die Inhalte des
Versailler Vertrages werden als unzumutbare Demütigung
durch die Siegermächte empfunden, sodass sich zwischen
den europäischen Mächten kein stabiler Frieden entwi-
ckeln kann.
Nach drr Novrmberrevolution 1918 muss Kaiser Wd•
heim JL am 9. November 1918 abdanken und in die Nie-,
dc-rlande ins Exil gehen. Daraufhin wird die Wcimanr
Rt publik (1918-1933). die e rste parlamentarische Rcpu·
blik auf deutschem Boden. ausgerufen.
Avantgarde/ Dadaismus (ca. 1915-1925)
Der Begriff Avantgarde stammt aus dem französische n
M.ilithvokabular und bedeutet so viel wir Vorhut. Neben
Futurism w und Surrco/iSmus zc-ichnet sich vor allem der
Dadatsmus als wichtige avangardistischc Richtung aus.
Er weist sowohl CJtprcssionistische als auch futuristische
Merkmale auf und hat seinen Namen von dem kindlich
anmutenden Ausdruck •dada-. mit dem er sich gegen
traditionelle Strömungen und ihre klassischen Formen
abgrenzL
Historischu Kontext Die Wdt des Dadaismus wientlct
sich auch wegrn der Erfahrung des Ersten Weltknc-gs gc-
gen das Vemunfl.d1m ken. Der Mensch soll zu kindhcher
Naivität zurikkkthrcn und auf logische Erk.lillungs.mus•
tcr venichten. Erst die Vernunft und die aus Uu rcsultic-
Themen, Motive, Tult Expressionistische Literatur ist
geprägt vo n einer starken Subjektivität und Darstellung
dc1 ekstatischen oder leidenden Menschen. Es kommt
zur Missaehtung .vammatikaliSchtr Regeln und der h äu-
figen Verwendung von starke n sprachlichen Bildern, M e-
taphern und Symbolen. Dies wird besonde rs in der ex-
pressionistischen Lyrik deutlich. Auch der Ausdruck des
Hä.sslichcn. Krankhaften und Schockierenden fmdet Ein-
zug in die expressionistische Literatur.
In der Dramatik nutzen die Autoren das Stationendrama,
um mit lda.ssi5chen Formen zu brechen. Anstelle einer
geschloSU"nen Hand.Jung werden einzelne Szenen oder
Bilder in zum Tril wahl.loSCT Reihenfolge und unabhän-
gig voneinander aufgereiht dargestellt.
Bevorzugte Textsorten sind ErzdhlU11.f, neut Formen der
Lyrik. Nowlk, Roman und Stationendrama..
Autoren und Werke
Else Lasktt-Schülcr (1869-1945): Styx (1902}. Du Siebente
Tag(l905)
Robert Musil (1880-1942}: Die VtrwirTwl&rn des Z,og, lin,gs
Törleß (1906)
Franz Kafka (1883 - 1924): Du Verwundlun& (1915)
Gottfried Senn (1886-1956): Aforpc (1912). <Ah~ (1915).
Spaltung (1925)
Jakob van Hoddis (1887-1942): Welten~ {1918)
Ernst Toller (1893-1939): Ma.s.s.r Mmsch (19'20). Dtc .\la-
schinenstimnl"r(l92Z)
Bcrtolt Brecht (1898-1956): Baal 0919). Trol7llneln in der
Nacht (1922)
~ndcn technisoebcn Neuerungen bitten es d.uu kommen
lassen. da.ss Völker sich im gq;cn.sritig vuuichlen.
so die Kritik der Dadaisten..
Themen, Motnle, Toh: Dudaistis.:M L,tuatur khnt
Krieg und traditionelle Utc:raturprogrammc gattung.,.-
iibcrgrrifend ab. Sie bricht mit den Gcsct:zen 00 Logik
und stiftet in ihren Tcxkn damit eine bcsonden:- Ahstru-
sität und Vcrwinung. MontaJrprin.zip und C ~ h -
nik sind ebenso typisch für dadaistiscbc- Werke wie die
Aufltelnurg der S)'"IQx und der .Ei:nsab untc.nducdhchs-
ter Textsorten innerhalb eines Gesamtwerkes.
Laut- und Buchstabengedichte. in denen W-ortcr bU zur
Um.~rstandhchkcit ZttSt:l%t ·••erden. ~lten als bckann-
teste We,k.t dic-ser btenuische-n Strömung. Bn-onugte
Texlsorten dieser htc-rarischco Strömung sind Aphori.s·
m us, BtKhst~bcn-, Liilll- und Zufiilhgnlicht S'1WW CoUa&c.
249
 ------
Autor•n Und W•rk•
Hugo Ball 08&-1927): Cabarel Vollaire (1916), Die Ka -
rawane (1917)
Hans Arp 0886-1966): Der Vogel selbdritt (1920), Kaspar
lsl tot (1920)
Neue Sachlichkeit (ca. 1918 - 1932)
Lltli$
rl
Die Bezeichnung Neu.e Sachlichhit resultiert aus dem
Bemuhen. die sozialen und wirtschaftlichen Verhält-
nisse der üit möglichst objektiv abzubilden. Der Name
weist auch darauf hin. dass man sich von den parallel
erscheinenden Werken der Dadaisten und Expressio-
nisttn abzugrenzen suchte.
His tori s cher Kontext Die üit ist geprägt von den Ein-
drucken des Ersten Weltkriegs und der Gründung der
ersten ckutschen Republik. Dabei sieht sich die frflhe
Phase ckr Weimarl!'r Rl!'pu.blik (1919 - 1923) zahlreichen
Krisen gegenüber, muss sich gegen Putschversuche,
wirtschaftliche Probleme und die Auswirkungen der In-
flation behaupten.
Erst mit d em Beginn der zweiten Phase (1924-1928), den
sogenannten »Goldenen Zwanzigern• , verbessert sich
die Lage. Wirtschaftswachstum, soziaJe und technisch e
Errungenschaften erleichtern der Bevölkerung das Le·
ben. Dennoch scheitert das Modell der Weimattr ~pu-
blik letztlich in seiner dritten Phase (1929 - 1933) unter
den verheerenden wirt.schafllichen, politischen und ge·
sellschafllichen Folgen der Weltwirtschaftskrisl!' von 1929
und dem Erstark.i!'n dl!'r npu.blikfl!'indfichen Kräfte von
rechts und links.
Them t> n , Motive, Texte Die Literatur der Neu.en Sach-
lichkl!'it beschäftigt sich mit Themenkomplexen wie
Großstadt, Industrie und Technik, Wirtschaft, Arbeit
und dte moderne Frau. Sie beleuchtet vor aJlem das All-
tagsleben der Menschen.
In d e r Epik werden neben Romanen vor allem Werke mit
dokumentarischem Charakter geschneben. Auch der
Einnuss von Psychologie, ~schichte und Philosophie 1st
hervorzuheben. Alfred Dö blin verfasst 1929 den Roman
Berlin Alexandl!'rplatz. Dieses Werk gilt als Prototyp des
Romans der deutschsprachigen Modl!'me. In Form der
Montagetechnik wird die Lebenss1tuat1on des Protago·
250 Autc-,•·.,;,nP,,r lo.
~=n5:r~7ii!~;;::~7-1948): An An na Blume ( 1919),Die
Richard Huelsenbeck (1892 - 1974): Dadaullsches
fest (u.a. 1918), Dada-Almanach (1920), En Avant Man/.
Gl!'schichtl!' des Dadismus (1920) Dada.
nisten m der Großstadt dargestellt und beispielhaft .
Krise du Ichs verdeutlicht. die
In der Lynk entsteht eine sogenannte Gebrauchst .
welche genaue _A nweisungen daru ber gibt, WIC' sie::
Leser nach Ansicht des Autors rezipiert werden soU.
Die Dramatik wendet sich wieder verstärkt politischen
Themen zu und favorisiert das dolrum l!'ntarischl!' und l!'pi-
sche Theatl!'r. Durch bestimmte Vl!'rfremdu ngseffd:tl!' _
z._B. direk~e Ansprache des Publikums durch einen Er-
zahJer, emgeschobene Chorgesänge, Spruchbänder.
Plakate oder Lieder - wird dem Zuschaue r immer wie:
der vor Augen gefü~rt. dass das Bühnengeschehen nicht
reaJ isL Die so erreichte Distanz des Dargestellten zum
Zuschauer soll diesen dazu anregen, vergleichbare Mm.
stände in seinem eigenen Umfeld zu reOektieren.
Bevorzugte Textsorten sind Doku.ml!'ntation, Gebrauchs-
lyrik, Montage, Roman, Reportagl!', Sachb ericht und z e,i-
Auto ren und Werke
Gerhart Hauptmann (1862-1946)· Vor Sonnenuntergang
(1932)
Thomas Mann (1875-1955): Der Zau. berberg (1924), ,\fo.
r,o und der Zauberer (1930)
Hermann Hesse (1877- 1962): Der Steppenwolf (1927)
Alfred Döblin (1878-1957): Berlin Alexanderplatz (1929)
Franz Kafka (1883 - 1924): Die Verwandlung (1912), Der
Process(1914-15)
Hans Fa1lada (1893-1947): Kleiner Mann - was mm ?
(1932)
Erich Maria Remarque (1898-1970): Im Wl!'sten nichu
Neul!'s( l929)
Bertolt Brecht (1898 - 1956): Die Drl!'igroschenoper (1928),
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930)
Odön von Horvii.th (1901 - 1938): Geschichten aus dem
Wienl!'r Wald (1931)
Kurt Tuch olsky (1890 - 1935): Deutschland, Deutschland
über alles. Ein B,ldubuch (1929), Schloß Gnpsholm (1931)
Erich Kästner (1899- 1974): Ll!'ben m dieser Zeit (1929),
Fabian . Die Geschicht!!' emes Aforalisten (193 1)
Exilliteratur (ca. 1933 - 1945)
~t•R•UfDA1,.c.r.1.,., ... 9 ..
bn
"II'' •t•,.-t.,.11,111"°"• 1•,._..
Mit der Machtergreifung Hitlers (30. Januar 193_3) ~~dct
die literarische Entwicklung der Moder~e em J_ä h_es
Ende. Zahlreiche Schriftsteller, die im natmna1soziah s-
tischen Deutschen Reich bleiben, gehl.'n_ in . d_ie_ lnnl!'~I!'
Emigration (Rtlckzug in die eigene Sub1ekhv1_tat). Die
ml!'isten Schrif\steller müssen jedoch aufgru nd ihrer po-
!Jlischen oder religiösen Verfolgung bzw. wegen er~eb·
]icher Repressalien (Berufs- und Schreibverbote) ihre
Heimat verlassen und ins Exil gehl!'n. Die dort entste-
hende Literatur wird a1s Ex;/lill!'ratur bezeichnet.
Histori scher Kontext Nach dem Mac htantritt Hitlers
im Januar 1933 w11d vor der Humboldt-Universit ät in
Berlin, am 10. Mai 1933, eine von der deutschen Studen-
tenschaft und den NationalsoziaJisten gemeinsam ge-
plante Bücherverbrennung unter grotkm ~teil der Be-
völkerung inszeniert. Damit l!'rfolgt an diesem Abend
dl!'r Höhepunkt der Kampagne „Wider drn undeutschen
Geist• . Wahrend der Bücherverbrenn ung werden die so-
genannten „fruusprü che11 gesprochen und dienen damit
als symbolische Grundlage. die vermemthch oder tat-
sächlich rl!'gimekrilischl!'n literarischl!' n Werke und Sach-
bücher öffentlich zu vemichten. {\.-\ehr als zweihundert
Autoren sind von der Vemichtung ihrer Werke betrof-
fen. Mit den Nii.rnberger Gnetzen von 1935, dem •Gesetz
zum Schutze des dl!'utschen Blutes und dl!'r deutschen Ehre«
werden weitere Sanktionen gegenüber Bürgern jüdischen
Glaubens getroffen, die ihr Leben extrem emschränken
und unmenschliche Folgen haben. Als Reaktion auf diese
Ereigmsse verlassen zahlreiche Schriftsteller das national-
sozialistische Deutschland und setzen ihr literarisches
Schaffen im Ausland fort.
Deutsche Nachkriegsliteratur (ca. 1945-1950)
Der Begriff Trümml!'rllteralu r bezieht sich auf d.i.s Leben
der Menschen in den Trümmern der vom Krieg zer-
störten Städte sowie auf die zerschlagenl!' n ideale der Be-
völkenmg m den ersten Nachkriegsjahren (a1temative
Begriffe: Literatu r der Stu11de Null, Kahlschlag/iteratu.r,
Kriegs- und Heimkrhrl,teratur)
Hi~tori scher Kontext Das Welt- und Ml!'nschenbild tst
gepragt vo n den traumatischen Erlebnissen 1m Zwe11en
Weldmeg und nach der Heunkehr. Mit der brdmgungs-
Th•m•n, Motiv•. T•xt• Da.s Wel'.- und ~len~henb~d
der Ex.illiteraten ist sowohl von ihren Emdrucken tm
ausländisch en Exil und der Sehnsucht nach der Heimat
als a uch von der Kritik an de n politischen u.nd ges~lf-
5chaft/ichl!' n Verhältn issen in N~-Deu.tschfa~d- gepragt.
Die Exilliteratur ist in erster Lirue ant1faschutischl!' L1t~
ratur, die zur Aufklärung über ilie Vorgänge in Naz.1-
dcutschland beitragen und den Widerstand gegen die
Hitlerdikta lur vorantreiben will.
Jn der Epik gibt es neben der vorherrschenden Tendenz.
das alltägliche Leben im NS-Rtgiml!' dan:ustellen, auch
Bestrebungl!'n , in historischen Romanen und Ge_sell-
schaftsromanen an die literari.schl!' Tradition der Weuna-
rer Republik anzuknüpfen. Lynsche Texte werden unter
anderem dazu genutzt. das Heimweh ihrer Verfasser zu
verarbeiten. Neben politischer Lyrik entstehen deshalb
auch Ul!'bes- odl!'r Natu.rgedichte. Für die Dramatik be-
stimmend wird Bertolt Brechts l!'pisches Theatl!' r (vgl.
auch Nn.il!' Sachl,chkeit).
Bevonugte Textsorten sind Flugblatt. Geullschaftsroma.n,
historischer Roman. Lehrstück. Manifl!'Jt, Radwredl!', Tarn-
schrift und Zeltroman.
Autoren und Wffk•
Heinrich Mann (187 1-1950), Hl!'nn Quatn (1935 - 38)
Thomas i\fann (1875- 1955): Joseph und seine Brüder
(1933 - 43), Doklor Faustw (1947)
Lion Feuchtwanger (1884- 1958): h'artesaal-Tnlogil!' (Er-
folg 1930. Die Geschwistl!'r 0ppl!'mwnn 1933. E.:nl 1940)
Johannes R Becher (1891-1958): Abschied (1940)
Bertolt Brecht {1898- 1956): lxr EtJ.te Mensc-h von Sauan
(1938-42), Lebl!'n des Galdei (1938-53). Mutter Couragl!'
und ,hre Kinder (1939). An d11!' Nachgebonneri (1939)
Anna Seghers (1900-1983): Das siebte Knu= (1942 ' 47)
losen Kopitu.latwn des Deut.schtri Reiclu endet am 8••\t.a..i
1945 der Zv.-cite Wdtkncg. Deutschland wud unter den
Siegermächten USA Großbnta.nruen. Frankreich und
UdSSR m Vler Besatzwigszonen aufgeteilt und \-Ctl.ien da-
mit sein Selbstbcsllm.mungsncht.
lm Fokus der Si,egermächte stehen die sogenannten •fonf
Ds.: Demilitansierung. Ot-'.nazifi.zierung. Ot-'.montage. De-
zentralisierung und DemokraUsierung t19-l5-47)..
1949 kommt es aufgrund \ 'On unübcf',\-'Uldbaren lnteres·
sc:nkonfltktc:n und idc:ologtsch,m Gegensätzen zv.1schc:n
dc:n \Vestmächtc:n (USA. Großbnt.uuuen. Frankttich)
und Jc:r UdSSR zur Gründung zweier deut..'¼:her Staaten,
der DDR (7. Oktober 19-19) im sowJeUschen Einflussbe--
251
:::~~~::RD (23. Mai 1949) in enger Oricnbcrung
Themen. Motive .
inhaltlich, ronna.1 ' eirte D te ~utoren versuchen. sich
mungcn a bzuh ben spnichlic:h vo n vor herigen Strö-
M>riahsmus ide:Jo sie die durch den Natmnal•
Sie rilc.kl! da g h e m gefärbte Sprache •reinigen• .
zuspic e~ von ab. Emoti~nen in ihren Texten wider-
weitgJend Dafür nutun sie vor allem die bis dahin
ln emc mö ~bekannt~ ~attung der Kungcschichtc. Zid
Abbi.Jrc.hst r-eahstische und nicht psychologisie-
mein i.st all ung von Vergang~cit und Gegenwart. Ge-
en Werken der Trummerlitc ratur der Hang
=rul
: : : ~ h e n {treffend. knapp und schmucl<los) Aw-
Ra und zu h iufige_n Wiederholungen. Figuren
E Zeit werden mcu t nur in Form von kuru~
p . dargcsu:llt, auf eine genaue Beschreibung
"".cltgehcod Vttz1.chtet. Im Mittelpunkt stehen das
tn den zerbombten Städten. die Heimkehr aw der
Krtcg.sgcfangcruch.aft. die kolle ktive Kriegsschuld und
Deutschsprachige Literatur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhund rt
(ca. 1949-1990)
Literatur in der DDR
Anti:fnc.t'li9m • Soziabttw. .. Wau«bau • flucht In den
-...n •SED - ~-..1....... •WoHcsenMhun, •
•
Historisc.her Kontext DM Welt- und Menschenbild <kr
Lit.eratur in der DDR ist von einem deutlichen Einß uss
der Sowjetunion geprägt und sieht den Sozialismw als
einz.!g richttge und dauerh aft erfolgreiche Gcsdlschafts-
form an, um die Welt vom Faschismus zu reinigen und
allen Menschen c m glückliches und zufriedenes Leben
zu ermöghchcn. ln den Siebzigerjahrcn werden auch kri·
tische Stimmen laut. d ie d en u topischen Charakter des
Soziah smw hen-orhebcn und die Un terdrückung durch
das System anp rangern.
Nach d er Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszo-
1945 kommt es am 23. Mai 1949 zur Gründung der
BundeSttpublik Deutschland (BRD) und am 7. Oktober
1949 innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone zur
Gründung der Deut.sehen Demokratischen RcpubWt
(DDR) mit deT Hauptstadt Ostberlin - zwei deutsche
Staaten entstehen.
Zementiert wird die Teilung mit dem 1961 einsetzenden
Bau der &rlincr Afa1ur. um die starke Abwanderung der
DDR-Bevölkerung in den Westen cinzudimmcn. Dtc po-
litische Macht liegt beim Gcocralsckrctir der Soz.ialis·
tischcn Einheitspartei Dcut.schlands (SED). Mitte der
1980cr-Jahre uigen sich schwerwiegcn<k wirtschaft-
252 Auf emen Bltc:k: L
der Holocaust Bevorzugte Textsorten sind
Kungrschichte,. Lyrik u nd Drama. En4hfun1,
Autoren und Werke
Johannes R. Becher (1891 - 19S8). Htimkchr
1
=
Nclly Sachs (1891-1970): In den Wohnungen d~ ~ )
~ ; ;r Bergcngrucn (1892-1964): Dtr letzte.:;:~::~
Fallada {1893-1947): J eder sUrbt /ur sich alkm
~:lf:::h:;f:';;3}1906-1996): Tauben im CrtU (l 9Sl),
Paul Cclan (1920-1970): Der Sand a us den Urnen (1
::~~g=~~~ü~~!;;~7):
Mohn und~diichtnis (19S2), Todcsfugr (1947) 943),
An diesem D1tnstag(t~).
He~ch Böll (1917-1985): Der Zug war pünktlich.
~~ung (1949), Wanderer, kom mst du nach Spq . .,
e s
liehe Probleme, dtc Bevölkerung wird zunehmend unzu -
friedener. Masscnßucht und gewaltlose Demonstrationen
Ende 1989 {Montagsdcmon slrationtn) führen schl,cßhch
zur Öffnung der Grenzen und zum Fall der BerhMr
Mauer am 9. November )989 - cm entscheidender Schntt
hin zur Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober
1990.
Themen, Motive, Tute Das literarische Schaffen m der
DDR lässt sich in drei Phasen unterteilen;
Die Aufbauliteratur {1950 - 1961) zeichnet sich durch ihr
Bekenntnis zum Antifaschismus und emc starke Hin·
wendung zum Sozlafismw aus. Sie soll die Rei1picnten
zum Sozialismus rn irht n und unterliegt einem starUn
Einßuss vonseiten der SED-Regierung. Was geschritben
und gelesen werden darf, wird durch den Staal vorgege-
ben und kontrolliert. Mit dem sogenannten Brtttrftldtr
Wrg wird im Anschluss an eine Autorenkonferenz m Bit·
tcrfdd außerdem der Versuch unternommen, der arbc1·
tcnden Bevölkerung einen aktiven Zugang zur Kunst zu
ermöglichen. Die Trennung von Kunst und Lcbenswtrk·
lichkc1t soll aufgehoben, die Wcrktil1gen sollen Akteure
des künstlerischen Schafl'cns werden. Seit dem Bau der
Berliner Mauer beschäftigen sich die DDR-Autoren zwi·
sehen 1961 und 1971 dann zunehmend mit dem Alltags·
leben inncrha1b der DDR
Beispielhaft zeigt die Ankunftsliteratur (196 1- 197 1), Plll
•"tJchen
Problemen sich der Einzelne wahrend seiner
zum Sozialismus konfro ntiert sieht. Sie stellt
fftl::fden in den Mittelpunkt. der in Konflikt zu den
ein ·aJismus vo rherrschenden Lebensbedingungen
:ri~,:
Ende aber seine Ansichten ändert und im Sozi-
a!Jsnll.lS ankommL
/(rilrk am Sozialismus (197 1-1990): Ers t n~ch ~cm Machl•
1
von 197 1, als Erich Honecker die Fuhrung dc:1
~~taates Ubrrnim~t._ entwickelt_sich innerhalb d~r
DDR•Llteratur eine kritische Auseinandersetzung 111.11
5otla)ismUS und den vorherrschenden Lcbensum·
;~rrn
den. Auto ren. die in ihren Werken offen Kritlk am
äußtrn. werden . m.it Auf!"Uhrun~sverbotcn "!'tr
J:blirgerung brstrafl V1rle vo n ihnen Siedeln aus ogc-
nero Antrieb in den Westen um veröffentlichen ~ort
ihre Werke Nach drr Witdcrvrrrm,gung 1990 thcmatu 1e-
rrn sie ihrr Erfahrungen und Konfuktc als Schriftsteller
in der DDR.
fk',-orzugte Textsorten sind Ankunftsroman, Aufbau-
roman. Erzählung, Lyrik und Schauspiel
Autoren und Werke
ErwinStnttnu.ttt:r(1912-1994): n„ /ro (1954). Ok Bicnkopp
(1963)
Johannes Bobrowski (1917- 1965): Sannatischr Zrit (1961)
Hermann Kant (1926 - 2016): Dir Aula {196S)
GUJ\ler Ku.nert (1929- 2019): Wegschi/der und M.auerschrif-
ten (1950)
HeinerMUller(1929-199S): Odipia Tyrann (1967)
Chruta Wolf (1929-2011): Der geteilte Himmel (1963),
Nachdt11kt n über Christa T. (1968). Kindhritsmwtrr(l976),
km Ort. Nirgtnth (1979),Kassaridra (1983)
Rt111tr Kunzr (" 1933): Die wundrrbarrn ]ahrr (1976)
t.nnch Plenzdorf(l934-2007): Dir nrurn Lriden dcsJIU1gen
W.(1972)
Wolf Biermann(" 1936): Die Drahtharfe (196S), Deutsch·
land. Ei11 Wi11urmdrchtn (196S)
JurekBrcker (1937- 1997):Jakob drr Lügner (1968)
Volker Braun(' 1939): Hinzr und Kunze (1973)
llte~tvrin der BRD
Historischer Ko ntext Welt- und Menschenbild der BRD
strhrn stark unter dem Einßuss der deutschen Teilung
und des Konflikts zwi.schcn den Ost· und Westmächten
llO Ka/te11 Kritg. Die schrecklichen Geschehnisse des
~weite~ . Wdtkriegs milsscn verarbeitet. SchuJdfragcn
ematis1er1 werden. Nach der Gnlndung der Bundtsrr-
pwblrk Dt-rduhland 1949 auf dem Gebiet der westlichen
Besatzungsmächte erfolgt für den noch Jungen Staat dt-r
BRD 195S der Beitritt zur NATO und 1973 zur UNO. In
der Entspannungsphase während de r 1980er-JMU'e nch·
mcn BRD und DDR einen entscheidenden Platz in der
Annäru:-rungspol.ittk zwischen der UdSSR und den West·
mächten ein.
Themen, Motive, Texte D.u litcrarisc:he Schaffen in der
BRD in der Zdt bis zur Wiedervereinigung lässt sich in
unterschicdLche Phucn einteilen.
Die 1950er-Jahre sind bestimmt von zeitkritischen Thcmrn
wie der Aufarbc:itung der NS-Vcrgangcnhe!I und der ato-
maren Bedrohung durch den Kalten Krieg.. Lyrik und Epik
sind bevol'%Ugtc Gattungen.
In den 1960t:r-Ja.hren erlebt die Literatur eine Pol1tiJ1trung.
Schriftsteller wenden sich den bestehenden Konfukten
ni.. Die zuvor bestehende strikte Trr.Mung von Kunst und
Pohtik wird aufgehoben. Kmnzeichncnd für die wcst·
deutsche Litentur wird der Einsatz authentischer Doku-
mente; Ober das Stilmittel der Monta&t 111,erdcn z. 8. Pro-
tokolle oder 2.eitungsarukd in Werke i:ntcgncrt.
Das Dokumrntarischc Theater mit berausrngcrulcn Vcr-
trctcm wie Peter Wcus und Hcina.r Kipphardt cntwiclu-lt
sich. Autorrn wie Heinrich Böll und Günter Grass bc--
schäfb.gcn sieb in erzählenden Texten mit der A ufarbei-
tung thr Vr7lan1enluit. Die Hoffnungen da Autoren, mit
ihren Werken auf pohb.sche Entscheidungen einzuwir·
kcn, blribcn aber weitgehend unerfüllt.
Mt! der Desillusionierung der 1968cr-Be,.,,-egu.ng und dem
sich ausbreitenden RAF-Tcnorismus ~nden sich west-
deutsche Autoren der 1970er-J~ immer hiufiger vom
politischen Geschehen ab und stattdessen ihttr eigenen
Subjcktivitit und ldcnhtit ni..
Dcmgcgenii.ber strrbcn in den 1980cr-Jahrcn die Schrift.
steiler im Zusammenhang mit den Entspannungs t.co-
derucn im Katten Krieg eine erneute Erweiterung des
sc:hnftstcllcnschcn Horizonts über die eigene Subjekti-
vitat hmaus an.
Die Trennung zwischen wcst· und ostdeutscher l..itcra-
lur v.ird durch einen regen Austausch von BRD- und
DDR·Litcralcn außerdem mehr und mehr aufgehoben.
Bc-.-on:ugtc Textsorten sind AlltagslyriJ:. Autobiavafle.
Dokumrntarischrs Theater; Nove:llt. polituchr Lynk UM
Roman.
Autoren und Werke
Alfred Andcrsch (1914-1980}: Sansibar odu Do- lctztt
Gnmd(l957)
Heinrich Söll (1917- 1985}: Billard wn hallnthn (1959).
i\,uichten r inn Clowru (1%3). wrlorr1u EJin fkr Ka-
tharina Blum l}974)
Hemar Kippha.rdt (1922-1982): In derSad1t]. Robert ap..
p<nhtlmtr (196-1,)
A.ult>m,;>n81,d, 253
lng(':borg D~ tz (1923- 1986): Gntt ni wa r ffn,te. Hun·
dm Ja htT Grlt'"wart (1978)
Sitgfried Lenz (1926 - 20 14), So zdrtlich wa r Sultyktn
(1955), Deurscruhl ndt (1968), Sch-....rlKt"linutt (2008)
Günter G rass 0 927- 2015): Dit Bltthtrommd (1959). Ka tz
und Maw 0 961), HundtjahtT (1963). Du Butt (1977}, Dit
Riittin (1986), Ein -....rites Fdd (1995), Mdn Jahrhundert
(1999), Im Krrbsgani (2002). &im Htl utt n du Zwitbd
(2006)
r
Martin Walscr 1927): Ehm in Phffippsburx (1957). Ein
fliehtndes Pftrd (1978), Branduni (1985). Ein springtndu
Brunntn (1993), ~ r Lebtrulauf dtr Litln (2001)
r
Hans Magnus Enunskrger 1929): Dlt Vt rttidigung dt r
Wölft (1957), Der Untt ,xa"g der Titanlc (1978)
Gün ter Kunert (1929-2019): St illt Inn (1983)
c•
RolfHoc.hhuth 1931 ): Dtr StdlVotrttTttr(1 963)
U~ Johnson (1934 - 1984): lntrid Babtndmrde. Rtiftprii·
Juni 1953 (ersch. 1985), Mutmassu n&;tn ülnr Jakob (195,8),
J ah restaie (I 970- 83)
Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975): Ktintr wt:iß mt hr
(1968), Wt stwdrts J &- 2(1975)
r
Patrick Süskind 1949): Das Parfu m (1985), Dlt Ta ubt
(1987)
Ulla Hahn r 1946): Das wrbo,itnt Wort (2001), A ufbruch
(2009), Sp ltl dt r üit (2017), :r.ahlreiche Gedichtbinde
Christian Kracht e 1966): Fastrland (1995), Imperium
(201 2)
lit~ntur in Osternkh und in der Schweil
H1st0f'Uche.r Kontut Ö sterreich ist bis 1955 von den
Alliierten ksetzt. Nach dem Abzug aller Sitgt:nnächte
de:s Zw e iten Weltkriegs e rklärt sich Österre:ich als kunf•
tig neutraler Staa t
Auch in der seit jeher neutral,:11 Sc.hwdz kdeutd das
Endt des Zweite n Wdtkrie:gs - wenngleich nicht in
ebenso starkem Maße - e inen Einschnit t
Die Schweiz hat wähttnd der natio nalsozialistischen Dik·
tatur uhlreiche erilsuche:nde deum lupro chigt Schrtftstd•
Ier aus Oste:rttich und Deutschland aufgenommen, diese
können sich dort aber literarisch kaum entfalte:n. Nach
1945 ist es ihnen zwar möglich, wieder in ihren Heimat•
lindem zu wirktn. für die mcUte.n Literaten ist es jedoch
ausgesprochen sc.h"""'~ an ihre Vorkriegserfolge anzu•
knüpfen.
Die lite:nri.schen En.eugnisse bcide:r Linder ste:hen in
engem Bezug zum literarischen Betrieb des größeren
Nachbarlandes Deutschland.
TMmen. MoU~. Texte In Österreich muss sich, wie in
Deutschland, die kulturd.le und gebtigt: Landschaft nach
254 l A.ul emll."n B!ick. -
Faschismus und Krieg erst wieder entwickeln. In
1950t:r·Jahrrn e ntstanden Ansätze ni einer neue n Li~
ratur, die sich d urch tlndringllche Sprache und Ex
mentierfrtudt aus zeichnet: vor allem lyrische Werk~:·
: ~ ~:: ;:~::~~~· Auch das Hörsptd ist eine häufi~
1n den 1960,er,- und 1970er·Jahren erlebt die 6stcneichisch
Llttralur eine: Blüte, in dt:r die Llte:ra.tur sich auch der e
ti~ nalsozialistische n Vergangenhd t stellt und sich ge:
die vorherrschende Te ndenz zur Verdrangung ste g
Elfrifift Jtlin tk erhi.lt für ihr Werk 2004 den Nobetrn:·L
fürl.itentur. P 15
In dt:r Schweiz rage: n vor allem die Thtaterstück, Und R
mane von F~edrich Dürnnmatt und Max Fn.sch hera:
und we: rden 1m gtsamten deutschsprachigen Literatur.
raum stark rezipiert. Sie behande ln Themen wie das l'tr•
haltn ls von I.n dividuum und Gtstllschaft, die: Btwdllliwn&
dtr Unü bers1ch1/ichbit dtr Wtlt. das Finden einer ti&;tnen
ldent11ä1 und die: Btdrohung der Afouchheit durch dtn
technischen Fortschri tt.
Kurt 1'iarti, Peter Bichsel und andere stehen vor allem für
die: Gattung der Kungt:schichte. Euge:n Gomringer ist
bekannt für seine „Ko nkre te: Poesie«.
Auton.n und Werk• In Österreich
Ingeborg Bachmann (1926 - 1973): Die gts tu ndtle Ztll
(1953); A nrufu ng dts Groß en Bann (1956)
llse Ak hinger (1921- 2016): Die größere Hoffnw ng (1948),
Dtr Geftssdlt: (1953), Vtrschenkttr Rat (1978), Dit Schwt.s•
ttrn]out l (Hörspiel, 1969)
c•
Friedt:rike Mayröcker 1924) Larifari· Ein kon.fims Buch
(1956), ] t ein umwölk tt:r Gipfel (1973), Rtise durch die
Nacht (1984), Dit kommun izietTnden Gefoßt (2003), Von
den Umarm ungen {2012)
Rose Ausliindt:r (1901-1988): Gedichtt und Brieft
Ernst Jandl (1925 - 2000): l aul und Luist (1966), d111efnt
(1973), Aw der fum de (1980), stan zen (1992)
Thomas Bt:rnhard (1931-1989): Geht n (197l). Die Macht
dtr Gewohnheit (1974), Der Unttrgt htr (1983), Holzfolien.
Eint Erngung (1984), Auslöschung. Ein Zerfall (1986)
Pt:tcr Handke c• 1942), Publikumsbeschimpfung (1966),
Dit Angst des Tormanns vorm Elfmtttr (1970), Dit llnh·
hiindige Frau (1977), Der Chintst dts Schmtnts (1983),
Dlt Stunde, da wir nichts voneinander wussten (1992), Die
morawi.scht Nacht (2008), Die Obstdiebin - odtr - Ein·
facht Fah rt ins Landtslnnt fT (2017)
c•
Elfrie:de Jelinek 1946): Dit Klavitrspltlerin (1983). Was
ieschah, nachdem Nora ihren Mann Votrlassen hatlt odu
Stützen der Gtstllschafttn (1977)
Autoren und Werke in der Schweiz
Kurt Marti (1921- 2017): Lyrik, Prosa, Essays
c•
Eugen Gomring,: r 1925): konsttllationen (1953), Theorit
der Konkrttt:11 Poesie (Gesamtwerk 1997)
Fruch (1911 - 1991): Homo fabtr (1957), Biedermann
,\ ~ die Bramht fjle r (1958), A ndorra (1961), Mein Name
:Ganttnbein (1974), Monta uk (1975), Blaubart (1982)
friedrich OCUTenmatt (192 1- 1990): Ramulus der Gro/Jt:
9) [Jtr Richter und sein Henker(1950). Dtr Bt1uch der
: Dame (1956), Die Physibr (1962), Durchti11andtrtal
:::)Bichsd ("1 935): Etgentllch m&hte Frau Blum den
Milch man n kennenltrn t n (1964). Dle Jahrnulttn (1967),
Wowir 'l>Oh 11en (2004)
Urs widmer (1938 - 2014): Alols (1968), Da.s engt Lan.d
(1'1311, Der blaue Siphon (1992), Top Do,p (1996)
t,iigrantenliteratur
C:
Historischer Kontext Mil dt: r Anwerbung auslindacher
Arbeitnehmer in de n 1960et"Ja.hren und später einer
,ahlcnmißig bedeutenden Einwande:rung von pohli-
.schen Flüchtlingen, Aussiedlern und Arbeitsmigranten
entmht ein neues Phänomen in dt:r deut.schspraclugcn
Litmtur. Oit:se Literatur wird als Mlsranlenliteratur, in·
urloiltu rrlle Lilerotur oder auch m ultikulturelle Literatur
bettichneL Man ve: rsteht darunter Werke von Auto--
rinnen und Auto ren, deren Sichtwt:ise \'On mindestens
ri,-ei unterschiedlichen Kulturriume:n geprigt wtrd..
Deutschsprachige Literatur der Gegenwart - Postmoderne {1990 bis heute)
r
Historischer Kontext Der Fall de r Mauer am 9. Nowm·
btr 1989 markiert eine historischt Wende, die sich auf alle
Bereiche: von Politik, Ge:sellschnft und Kultur auswukL
Mit dem Endt: des Kalten Krieges zerlallt der ehemalige:
•Ostblock« in iah.lrciche: Einulstaa ten, die sich gcopoh·
tuch und ideologisch neu pos.ition.ie:ren. Das wiedervcr·
rinigte Deutschland gewinnt zunehmend an wutschaft•
lichcr Stärk,: und wächst zur größtt:n elll'Opäischcn
Volkswirtsc haft ht:ran.
D1t Europt:ilsc ht Union e:rweilert sich nach Ostt:n. Im Na·
hcn und Mittlrren Osten entstehen ne:ben bctt1ts e:mtae-
rtnden Konflikte n neue:, auch mllitirisch ausgetragene
Aust:inande rsetzungen zwischen feindlichen Staaten
und Bürger kriegsparte:ien.. Die Weh ist trotz des Fa/1.s dtJ
Eurrne11 Vorhangs und trotz der Obtrwmdung des Kal·
ltn Krieges nicht siche rer. Es v.~rden nach wie: \'Or Strll•
Wrtreltrkritft geführt und globale: Hcrausforde:rungen
O<lunawandel, Massenfluchten e:tc.) können nur gemein·
S;tmge:löslwerdt:n.
Themen, Motr~, Tut• Die i\tigrantmlateratur ist äu.
ßust V1tlgesta111g. lhre We rke sind mnidut vor allem
geprigt du~ ~1e .Hukunn dtr Autorinnt:n Und Auto-
::•~~;wisaG•uuon und den GB<! ~r lntcgratJon ln
,..••Jhchafl Thcnum sind VtrlUJI \.'Oll Hd·
mot, Fremdheit in Sprach,: und Kultur und Probhme der
Orfentlt~&' in der nni.m Umgebung. ln Wlmicht:n Wer•
km greife:n die: Latcfllten abt:r auch Aspekte deutsch
Kultu r und Literatur auf und sctun sich damit viclfiJ;
und ideenreich auscmande~ was LB. 'Pltlcrisch oder
provokant geschehen kann.
Autortn und Wtr e
Rafik Sclwn.i (" 1946), Eint Hand volltr Stmu (1987). Dtr
geheime Bericht UIHr den Drchttr Gottlu (199'J), EiM
dtutsdie UfdeMCMft 114/IU',u Nudel,alaJ wul a,rden stlt•
samt Gochkhlen (2011)
r
Rcnan Dcmirkan 1955): Sehwantr Tee mit dni Stück
Zucker (1991), fJ wfnJ Dwmantt-,r n&;,rn l'Oll'I H1.111mel
(1999). Sq,ttmbatet (2008)
r
Zt.hra Cink 1960): Flugfonv, (1988), Ulbaübv,r!e,r
(2000). Dtr W~di wn Glüd: (2011)
Ncvfd A. Cumw: (" 1964): Im Spiqel (19SJ). U,rtt,-.,i
zu Hause (2003). Hochzeu mit H111da1d.ua. (2015)
Fmdun Zaunoglu (" 1964): Kanal: SpraJc {1995). Zwol/
Gramm Glück (2004). HIMtrla,rd (2009)
r
Wladmur Kaminer 1967): RllSJfflduko (2000). kA madw
mir SotJrn, Miuna (2004), Moshiv (2017)
Em ~1teres Ereignis mit uhebüchen AllSWUbi.ngm
stellt du Aludi1a,g da J J. StpfttflMr 2001 auf 1W Wodd
Tfll.de Center 1n New York d.u. In ,cm,a Fot.- stctgt auf
du g:mun Wdt die Zahl tenorisbscbtt Angnffe: Ln den
Metropolen unsau Wdt - und auch ibc A.ogst da,u.
Die Globa.luU?nuw trhllt durch die voraruchtutcnde f:>t..
&italuierwi& einm enormen Schub, wu aber auch da.tu
führt, dass sKh wug,c Menschen überlcdut fühlen.
y,,-ctl SlC' rrut den r a s a n t e n \ ' ~ bum Scbntt
baltenk!!nnelL.
D1t individuellen Moghchkcltnt \'On Konsum. MobUlhlt
und SclbstvcfWUklichung shitgm 111 cincm tue V'
kannt"n AusnuG. Zugleich öffnet sich dit ~Sdw-~
iundun,end und Teiu- dc:r B e \ . ~ ~tra,c:htcn ditsc
Entwicklung rrut ~ - Di:shalb ,:rl.ebm Menschen 1n
Dtulscbland und Europa den Wandel Vltlfxh 1uch als
Ven.uwchuung.. Bll."drohung und \',:du.st ,--on
ht:itcn. Nataonalisb.sche und populisbscbt Ttnlknzm in
·~ !=
l\:iübk und Gesdlschaft neh.mtn ewop1.v.u. Ja
Th•m•n, t,loti te, nll.le Dt:r &,alun4rtt i.5t ~
1
Z1A.oeitcn Wdtkncg unaufhwlich V"~IL Dk
255
 furter Buchmesse verzeichnet jährlich ca. 90000 Neuer-
scheinungen. Ein entsprechend großer Literaturmarkt
unterwirft sich immer mehr den Gesetzen der Okonomie
und des Marketings. Auch die Literaturkritik und die Ver-
gabe von literarischen Preisen sind zu Instrumenten des
ökonomischen Erfolgs geworden.
Nach 1989 ist in Deutschland zunächst die Wiederverei-
nigung ein prägendes Thema der Literatur.
Ob als Folge postideologischer Orientierungslosigkeit, der
Befreiung von ideologischen Zwängen oder der techni-
schen Entwicklung durch die Digitalisierung: Es steigt
die Vielfalt literarischer Produktionen hinsichtlich ihrer
Themen und Formen. Die Gegenwartsliteratur beschäf-
tigt sich auch, aber nicht zwangsläufig mit der Gegen-
wart. Gesellschaftskritische Werke, die der Zeitdiagnos-
tik verpflichtet sind, stehen neben Werken, die, z.B. in
Form von Fantasy-Literatur oder historischen Romanen,
einer breiten burn-out-gefährdeten Leserschaft Erleich-
terung durch die Flucht aus einem von Stress belasteten
Alltag verschaffen (»Eskapismus« oder einfach nur un-
terhalten wollen.
Zur Gegenwartsliteratur müssen auch die neuen perfor-
mativen literarischen Formen wie Poetry Siam und Lese-
bühne gezählt werden. Mit den digitalen Möglichkeiten
des Publizierens (E-Book, Book on demand, seif publi-
shing) geht auch eine Demokratisierung der Literatur ein-
her; denn im Prinzip kann nun jeder als Literaturschaf-
fender in Erscheinung treten.
Eine Bewertung und Klassifizierung der Literatur unserer
Gegenwart wird erst die nachfolgende Literaturwissen-
schaft leisten können.
256 Auf einen Blitk: tu h
Lesetipps
Bodo Kirchhoff(.1948): lnfanta (1990)
Eva Demski (• 1944): Afra (1992)
Judith Hermann(' 1970): Som merhaus, später (199B)
Karen Duve (•1961): Regenroman (1998)
Sibylle Berg(• 1942): Ein paar Leute suchen das Glück und
lachen sich tot (1997), Das Unerfreuliche z uerst. Herrenge-
schichten (2001)
Uwe Timm (' 1940): Rot (2003)
Daniel Kehlmann (• 1975): Die Vermessung der Welt (200S)
Julia Franck (' 1970): Die Mittagsfrau (2007)
Birgit Vanderbeke (• 1956): Die sonderbare Karriere der
Frau Choi (2007)
Uwe Teilkamp (' 1968): Der Turm (2008)
Herta Müller(• 1953): A tem scha ukel (2009)
Hanns-Joseph Ortheil (' 1951): Die Erfindung des Leben,
(2009)
SabrinaJanesch (' 1985): Katzenberge (2010)
Eugen Ruge (' 1954): In Z eiten des abnehmenden Licht,
(2011)
Arno Geiger (' 1968): Der alte Kön ig in seinem Exil (2012)
Wolfgang Hermdorf (1965 - 2013): Tschick (2012)
Robert Seethaler (' 1966): Der Trafikant (2012)
Florian Illies (' 1971): 1913 (2012)
Jenny Erpenbeck (' 1967): Gehen, ging, gegangen (201S)
Dörte Hansen (' 1964): Altes Land (2015)
Juli Zeh(' 1974): Unterleu ten (2016)
Benedict Wells (' 1984): Vom Ende der Einsamktit (2016)
Matthias Brandt(' 1961): Raumpatrouille (2016)
Ferdinand von Schirach (' 1964): Strafe (2019)