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92 5. Semantih 5.

5 Bedeutung und ßedeutungswandeL an Wortbeispielen 9J

Hih.,escb, Inbegrif{ der neuen Lcbensform, ist cine Lehnprägung nach vom Mhd. zum Nhd. Gleichwohl drängt sich, so Friedrich Maurer, der
dem Vorbild von akz. curtois; äaentiure ist gegen Ende des 12. Jhs. aus Eindruck einer allmählichen Verschiebung der Perspektive vom Kon-
dem Frz. (aoenture < lat. adoenturu) übernommen worden. Entlehnun- kretcn zum Abstrakteren, vom Außeren zum Inneren auf.
gen aus dem Turnierbereich: turnei, hnze, bamasch, biburt (Grup- Vie auf ihrem Felde die Phonologie, so versucht die Semantik, die
penkamp{), tjoste (Zweikampf zu Pferde), poinder (das Anrennen mit Lexeme innerhalb systemhafter Zusammenhänge darzustellen. Jost Trier
dem Streitroß), puneiz (das Anreiten mit eingelegter Lanze), panzier, z.B. versteht den Vortschatz einer Sprache als integriertes System ver-
zimier (Helmschml.ck), kollier (Halsschutz), baniere (Faine auf der wandter Lexeme, die er nach Vortfeldern glieden. Dieses System unter-
Stoßlanze), boztertiure (Pferdedecke). Ahnliches gilt für Fachrermini der liegt ständiger Veränderung: Zuvor existierende Vörter verschwinden
Jagd, der Musik, {ür Formen des geselligen Umgangs. Von den zahlrei- und werden durch andere ersetzt, oder neue rVörter entstehen. Die
chen Lehnwörtern aus dem Französischen z.B. in 'Wol{rams ,Parzival, Sinnrelationen zwischen benachbanen Lexemen verschieben sich. Mit
und in Gottfrieds .Tristan, haben sich jedoch nur wenige im Neuhoch- der Bedeutungserweiterung des einen §üortes kann die Bedeutungs-
deutschen erhalten. verengung eines anderen einhergehen usw.
'§[enngleich
hier die Beispielwörter nur einfach punktuell in alphabe-
tischer Reihenfolge behandelt werden und nicht innerhalb semantischer
5.5 Bedeutung und Bedeutungswandel an ri7ortbeispielen Felder, so wird doch wenigstens mit dem Pfeilzeichen -+ auf sinnver-
vornehmlich aus der höfischen f,iteratur wandte Ausdrücke verwiesen. Es empfiehlt sich, gerade diese in der
Entwicklung ihrer Bedeutungsverflechtung zu verfolgen.
In der folgenden Auswahl werden einige Begriffe aus dem religiös, Da die Unterschiede zwischen den einzelnen Textsorten des Mhd.
ethischen und aus dem rechtlich-sozialen Bereich erläutert, besonders
und der individuelle Vortgebrauch der Autoren notwendig zu kurz
solche, die zu Leitbegri{fen der hö{ischen Dichtung geworden sind.2l
kommen, sind den Artikeln ggf. weiter{ührende Literarurhinweise bei-
Das einzelne mhd. Vort ist häufig noch vieldeutiger als im Nhd., wo
ge{ügt.
immer wieder neue Ableitungen, Zusammensetzungen, Lehn- und
Fremdwörter eine ungleich größere Bedeutungsdifferenzierung inner- amis st. M., N.; amie sw. F,: Aus dem AIrz. (<lat. amicus, arnica) iber-
halb des Vortschatzes ermöglichen. f)ie wenigen Beispiele erlauben nommenes Modevrort der höfischen Gesellschaft: amis "der Geliebte";
keine Aussagen über allgemeinere Tendcnzen des Bedcutungswandels amie "die Geliebte" (.uas er iuuer änts oder iuuter man i, u\(/ar er Euer
Geliebter oder Euer Ehemann?" Er. 6172).Im Artusroman treten Ritter
'?1
Ahnliche Vorterläuterungen finden sich u.a. in folgenden Darstellungcn:
mrt ihrer amie als unyerheiratete Liebespaare auf, die in ihrer Lebens-
Ir. Saran, Das Übersetzen aus dem Mittelhr,chdeurschen. Ncu bearb. v.B. Nagcl,
6.Aufl. Tübingen 1965; Deutsche Vortgeschichre, hrsg. v.F. Maurcr u.F. Stroh, form nicht fest an den Hof gebunden sind. -+ geselle, senedere/-inne,
Bd. 1-2,2. Aufl. Berlin 1959, Bd. 3 (m. Reg. bcarb. v. H. Rupp) 1960; U. Gerdes u. G. triutinne, orie de L, 2., iunt.
Spellerberg, Althochdeutsch - Mittelhochdeutsch, a. a. O., S. l09 ff.; U. Pretzel. Mit-
Lit.: U. Schulze, izt is unde man. Die zentrale Problematik in Hartmanns .Erec,.
relhochdeutsche Bedeutungskunde, Heidelberg 1982; O. Ehrismann, Ehre und Mut,
In: PBB 10s (1983), S. 197.
Avcntiure und Minne. Höfische Vortgeschichren aus dem Mitrelafter, München 1995.
Aus der Rcihe ,4/rlocb deutscbe and mittelhocbdeutsche Lyrib und Epr& der \üissen- anBest st, F.; st. M.: Grundbedeutung "Bedrängnis", vgl.lat. angustiae
scha{rlichen Buchgesellschaft Darmstadt vgl. die den übersctzungen und Nachcrzäh-
lungen beigegebenen \(ort und Begriffserläurerungen v.a. von \ü. Hoffmann sowie "[ngs"; im Mhd. nicht nur wie im Nhd. "Angst", "Furcht", sondern
diejenigen von G. Hollandt, H. Richter, [. Ruttmann, J. Schaefer, \(,J. Schröder, auch "Bedrängnis", "Ge{ahr", entsprechend dngestlicb "ängstlich, ge-
E. Schwarz u. G. Schweikle.- ln der Reihe Derrscle Klassiher des Mittelalters vgl. drc fährlich".
\7ort- und Sacherklärungen von K. Bartsch, H. de Boor und P. F. Ganz zum Nibe- icb uane daz oolc deheinez gr@zer dngest ie geuan "lch glaube, daß
lungenlied und zum .Tristan, sowie die von K. Stackmann zur,Kudrun,. keine Kriegerschar je in größere Bedrängnis geriet, NL 2111,4.
Sehr instruktiv sind die Vonuntersuchungen von V. Besch, Sprachlandschaftcn
und SprachausgJeich nn l5.Jahrhunderr, München 1967 u. c.Ising, Zur Vortgeogra- Lit.:R. Endres, Zur Bedeutung von angt st ond Angst. In: Studia linguistica et
phic spätmittelaherlicher der:tscher Schriftdialekr, 2 Tle. Berlin 1968. Im übrigen be, philologica. FS K. Matzel, hrsg. v. H.-§(/. Eroms, Heidelberg 1984, 5.137-144;
nutzt man natürlich neben den \üönerbüchern unLl dem Archht fi;r Begnffsgeschichte H. Bergholtz, Das Vortfeld "Angst". Eine lexikographische Untersuchung mit
die großen Fachenzyklopädien wie das LThK, Ritters Hisr. \fb. d. Philos., das Hwb. Vorschlägen für ein großes interdisziplinäres §üörterbuch der deutschen Sprache,
z. dt. Rechtsgesch. v. A. Erler u. E. Kaufmann und die GGB. Srurtgart 1980.
94 5. Semanttk 5.5 Bedeunmg und BedeutungswandeL an WortbeispieLen 9t
arbeit st. F. : Arbeit meint eine menschliche Tätigkeit, das Produkt die- Lit.: A. P. Virth, Vor und !'rühgeschichte dcs Vorres "arm", Phil, Diss. Frei-
ser Tätigkeit und die Aufgabe, einen vorgestellten Zweck. Mhd. arbeit burg 1966; H. Grundmann, Religiöse Bewcgungen im Mittelalter, Lübeck 1977;
ist anders als im Nhd. v.a. ein Affektwort für alles, was dem Menschen V. Schröder, Armuot ln: DVjs. 34 (1960/61), S. 501-526.
'Welt widerfährt,
an "Mühsal, Mühe, Not, Plage, Bedrängnis, in der art st. M., st. F.: "angeborene Eigentümlichkeit", "Natur" oder.Be-
dann auch die Anstrengung zur Realisierung von Zwecken, das mit Mü- scha{fenheit"; "Vesen", "Herkunft" oder"Abstammung"; Anlage ("}i5-
he Zustandegebrachte und Erworbene. position,) einer Familie oder cines Geschlechts.
In der feudalhöfischen Geselllschaft und ihrer Literatur bcschränkt scbildes ambet ist min drt "Ritterdienst ist meine Natur"/"1üaffe n-
sich arbeit au| dasjenige, was eines freien Mannes würdig ist (vgl. in der handwerk ist mein Beru{" Pz. 1,15, 11; ir nrgt'.Dol sin pon ritters drt
Artike operu servilia vs. opera liberalia); drbeit und muoze geker glei-
chermaßen als Tugenden. Im höfischen Roman und im Heldenepos ist
"lhr mögt wohl zum Ritter geboren sein" [nicht als Ritter l)Pz. 123,11.
\[enn dagegen derSachsenspiegel' Ldr. I 20 festhält, utat iezaelh (jeder)
die arbeit des Ritters die Kamp{esnot (Uns ist in aben maren raunders man oan ridders arl mogen Seoen sime wioe to morgengaae, so ist mit
oil geseit/ von belden lobebaren, aon grözer arebeit NL 1, 2), im Min- art die adelige Geburt gemeint.
nesang die Liebesnot ( + leit, n6t, hamber, angest, sorge).
Veitgehend ausgeklammert wird dabei die schon für ahd. arbeit, ara- Lit.: J. Schwietering, Natur und art. In: ZfdA 91 (1961/62), S. 108-137.
beit, aibeit, arebeit belegte Bedeutung von "Arbeit" als einer be- äventiure st, F.: Der Ende des 12.Jhs. aus dem Frz. (aventure) iber-
ruflichen, zweckmäßigen Tätigkeit. Diese Bedeutung dominiert im nhd. nommene Begriff geht zurück auf mlai dd"entura (zt adr;enire
Vortgebrauch, verbunden mit einer Aufwerrung von Arbeit, nicht zu-
"zukommen, sich ereignen"; vgl. .Advent"), Dementsprechend haftet
letzt durch die protestantische Ethik. ihm zunächst die Vorstellung des Kommenden, des Auf-einen-
Lit.: G. Schneidewind, Die Vortsippe "Arbeit, und ihr Bedeurungskreis in den Zukommenden an. Die Begegnung ist zufällig, ihr Ausgang ungewiß.
althochdeutschen Sprachdenkmälern. In: PBB (O) 81 (1959), 5.174-187; Daraus ergibt sich 1. die Bedeutung von äoezrizre als ..gewagtes Unter
G. Schwarz, "arbeir" bei mittelhochdeutschen Dichtern, Phil. Diss. Bonn, nehmen, lVagnis" und als nwunderbare, ge{ährliche Begebenheit" oder
'Würzburg 1938; S. Heimann, Zum Begriff der menschlichen Arbeit bei Sebastian allgemein afs "Ereignis, Begebenheit,. lm höfischen Roman ist äoentiure
Brant und Thomas Murner. Ein lexikologischer Beitrag zur Begriffsgeschichte. die gefährliche Begegnung, die zuflllig (oon äventiure heißt denn auch
In: Untersuchungen zur Pragmatik und Semantik an Texten aus der ersten Hälftc
des 16. Jahrhunderts, hrsg. v. R. Grol3e, Berlin 1987, S. 105-144; H. Stahlcder, "2ufä|lig") von außen auf den Ritter zukommt oder die er sucht, weil sie
ihm die Bewährung im Kampf ermöglicht.
Arbeit in der mittelalterlichen Gesellschaft, Phil. Diss. Münchcn 1971/72; R. R.
Anderson, U. Goebel, O. Reichmann, Frühneuhochdeutsch arbeit ttnd einigc Im ,lwein' des Hartmann von Aue erzählt der Artusritrer Kälogrenant, wie er im
zugehörige \(ortbildungen. In: Philologische Untersuchungen. FS E. Stutz, hrsg. Valdc von Breziljän auf der Suche nach äoentiure einem ttalttiren von großer
v. A. Ebenbauer, \üien 1984, S. 1-29; dies., Zum Aufbau von Vortartikeln im Häßlichkeit, bewa{fnet mit einem Kolben, begegnet sei. Der ge}rire habe gefragt,
semasicrlogischen Sprachstadienwörterbuch am Beispiel von Irnhd. arbeit. ln was er suche. Die (simplifizierende) Antwort des Ritters (w. 526-540):
Symposium on lexicography. 2. Proceedings..., ed. K. Hyldgaard-Jensen u.a., ,ich suoche äoentirre.,
Tübingen 1985, S.259-285; D. Otto, Definition, Darstellung und Bcwertung von "ich suche Abenteuer."
dö spracb der ungehiure Da sprach das Ungcheuer:
Arbeit und Tärigkeit in den deutschen Epen des hohen Mittelalters, Frankfurt ,äztentiure ? uaz ist daz ?'
"Abcnteuer, was ist das
?"
a.M. 1991; Ritter, Hist. V/b. d. Philos., Bd. 1, Sp. 480-487; Krings, Philos. ,daz wil icb d.ir bescheid,en baz. *Das will ich dir genau erklären.
Grundbegriffe Bd. 1, S. 125-140; GGB 1 (1972), S. 154 215; Arbeir als Thema in nü sicb aie ich geu'äfent bin: Nun sieh, wie ich bewaffnet bin:
der deutschen Literatur vom Mitrelalter bis zur Gegenwart. Hrsg. v. R. Grimm Man ncnnt mich Ritter, und ich habe vor,
icb heize ein riter und hän den sin
u. J. Hermand, Königstein/Ts. 1979.
daz ich suochende rite auszureiten auf die Suche
arm Adj.: Ausgangsbedeutung "vereinsamt, verlasseno, dann "bemitlei- einen man der mit mir strite, nach einem Mann, der mit mir kämpfe
denswert". ImMhd. l.) "bedauernswen", "elend", «unglücklich»; «wert- d,ergeuäfent si als ich. und der bewaffnet ist wie ich.
lq5" (vgl. nhd. arrz er Si.inder, drme Seele);2.) "arm, besitzlos, bedürftig, daz priset in, und slebt er mich: Schlägt er mich, so bringt ihm das Ruhm
(l^t. pduPer); "von geringem 51x1ds"; in kollektivierender Kontrastkop- ein,
gesige aber icb im an, siege aber ich über ihn,
pehng: arme nde riche Tr. 511. Der Begrif{ entfaltet seine Virkung
s6 hät man mich tür einen man, so hält man mich für einen rechten Mann
durch das religiöse Postulat der freiwilligen Armut im Ordensstand, und. wirdc werder danne ich si. und ich habe mehr Ehre als bisher.
propagiert v.a. durch die Bettelorden im 13. Jh. si dir nü ühen oder bi lst dir nun in der Nachbarschaft oder hier
96 5. Semantile 5,5 ßed,eutang atd. Bed.e*tungsu:andel an Wortbeüpielen 97
htnt umb selbe wäge iht, eine Celegenheit zu solchem Vagnis be- teutschen Biedermanns" dem unmoralischen "§Telschen, enrgegenge-
kannt, setzt.
des wrsuic mih nibt [. . .]., so verschweig mir nichts [. . .]."

2. ist äoentiure der Bericht iber ät,entiuren bilde st. N.: Die ablautenden Endungen vor ahd- bilodi, -adi, -idi siÄ
-
die nGeschichte", die
an die germ. \X/urzel bil- angerreren. Ob etymologisch die allgemeinere
Dichtung oder "Erzählung" (dem man dirre äoentiure glär "von dem
Bedeutung "Gebilde, Gesmlt" am Anfang steht oder die konkrete des
diese Geschichtc handelt" P2.4,25), auch der Abschnitt einer Dichtung
(das Nibelungenlied ist in Erzähleinheiten eingetcilt, dre äoentiuren hei' Bildwerks, ist strittig.
ßen), oder die literarische "Quelle", die poetische lorlage (als uns dia Mhd. bilde mcint jedenfalls ebensowenig wie mhd. spiegel (in
.Sachsenspiegel, und im lat. Titel specul*m) nur das
äoentiure saget "wie uns die Quelle sagt" Pz. 12, 3).Im Literaturexkurs "Bild, Abbild" (lat.
des ,Tristan' ist d.er äoentiwe meine die Deutung, die der Geschichte
pictura), sotd.ern auch das "Vorbild", "glgrnplurn" und "Sinnbild",
und Quelle vom Dichter gegeben wird. "Zeichen".
dä ensol niemer an debein s nd,iger man genemen bqsez bild,e
Als Personifikation der Dichtung begegnet seit Volframs P2.433,7 "daran
Vrou Aztentiure. Der nhd. Begrilf Abenteuer teilt mit dem mhd. das darf sich kein sündiger Mensch ein falsches Vorbild nehmen" Greg.
3965; des st guot bilde bären beidis der oerld.e *nde gote
Moment des Außerordentlichen, der Gefahr. "dafür waren
sie ein gutes Beispiel vor der'§(/elt und vor Gott" Tr. 1804 f.
Lit.: D§7b. 1, 1984; K. Wölfel, Über cin §üörterbuch zur deutschen Poerik dcs Spätahd. bildunga, mhd. bildunge ist vorwiegend
"Schöpfung, Ver-
16.-18. Jahrhunderts. In: Arch. f. Begriffsgesch. 19 (1975), 5.2849; M. Nerlich, fertigung", die näußere Erscheinung" (des Gesichts). Der neuere Bil-
Zur Begriffsgeschichtc von .Abenteuer,. In: VB 23 (1977), 8,5.1,60-t71.- dungsbegriff knüpft an das tnbilden der Mystiker an, denet bildunge
J. Grimm, Frau Aventiure klopft an Beneckes thür- tn: J. G., Kl. Schrr., Bd, 1, zunächst die
2. Aufl. Berlin 1879, S.8l l12. E. Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höIi "bildhafte Vorstellung" bedeutet.
- Lit.: W. Foerste, Bild. Ein etymologischer Versuch. In: FS J. Trier, hrsg. v.
schen Epik,2. Aufl. Tübingen 1970; R. R. Bezzola, Liebe und Abcntcuer im hö-
fischen Roman, Reinbek 1961; §(/. Haug, ,4pcntiure in Gofifrieds von Straßburg V. Foerste u. K. H. Borck, Köln 1964, S. 112-145;J. E. Crean, bilden/beelden in
Tristan. In: PBB 94 (1972), FS H. Eggcrs, Sonderh., S.88 125.
the writings of Eckhart and Ruusbroec. In: ZfdSpr. 25 (1969), S.65-95;
E. Lichtenstein, Bildung. In: Arch. f. Begriffsgesch. l2 (1968), 5.719; Att.
bescheiden st. Vb. VII u. Adl.; bescheidenheit st. F.: Dx Yb. be- "Bifdung". In: J. Ritter, Hist. §/b. d. Philos.,Bd. 1,1971,5p.921 ff.
sche id.en he\ßt «trennen, entscheiden, unterscheiden, bestimmen, erklä-
bispel st. N.: Das Grundwort ist spel
ren, Bescheid geben". Das Adj. ist der Form nach ein Part. und meint "Erzählung", "Fabel", Gerücht"
(vgl. engl. gotpeL < göd. rpel »gutes 5i/qn"). Ein bispel ist d,emnach eine
"fähig zu unterscheiden, urteilsfähig, cinsichtsvoll, verständig".
Das Subst. bescheid.enbeit (,rgl. lat. disoetio) bedeutet v.a. "IJnter- "Bei-Erzählung", eine Erzählung, die nicht für sich gültig ist, sondern
scheidungsvermögen", nämlich zwischen Gutem und Bösem (so ist der die neben etwas anderem, und zwar dem »Eigentlichcn" steht.
Titel von Freidanks Spruchsammlung um 1230 zu verstehen), die "Ur- Das bispel besteht aus einem Erzähl- oder Berichtsteil und einem er
teils{ähigkeit, Einsicht, Verständigkeit; Lebensweisheit"; im Benehmen: örternden, auslegenden Teil. Es stehr mit seiner Zweiteiligkeit im weite-
das §üissen darum, was sich gehört - ren Sinne geradezu für ein poetisches Prinzip der episch-didaktischen
"Zurückhaltung,. Erst nach Luther Darbietung. Im engeren Sinne ist das bispel (alem. bischaft ir.lJkichBo-
setzt die Bedeurungsverengung zu nhd. uBescheideoheit" (lat. modestia,
moderatio) ein. ners .Edelstein,) eine Gattung der spätmittelalterlichen Kleinepik, deren
Hauptvertreter dcr Stricker ist. Vgl. erenpLum, Fdbel, Gleicbnis.
Lit.: K. Berg, Zur Geschichte der Bedeutungsentwichlung des Vortcs Beschei-
denheit.ln:'*/irzburger Prosastudien, Bd. l, München 1968, S. 16-80. Lit.: H. dc Boor, Über Fabelund Bispel, München 1966 (Baycr. AkdV., philos.
hist. KI., SB. 19.96611); K. Grubmüller, Meister Esopus. Unrersuchungen zu Ge-
biderbe Adj.: Das zu ahd. bi-durfan "bedürfen, nötig haben" gehörende schichte und Funktion dcr Fabel im Mittelaltcr, ZürichlMünchen 1977,5.947.
Adj. ahd. biderbi "nitzlich, brauchbar" hat im Mhd. die Bedeutung
bcese Adj.: Ausgangsbedeutung
"tüchtig, brav, tap{e1", auch "verständig, edel, vornehm" - im Gegensatz "gering, wertlos». Ein bcesez pfert ist
zu bese "nredrig. Erec was biderbe unde guot "Erec war rechtschaffen ein schwaches, minderwertiges Pfcrd, ern besez ozge ein schwaches Au-
und gut" Er. 2924. Ir{eute wird "bieder" eher ironisch gebraucht, aber ge; .von niedrigem Stande, sind bese bnebte, während ein guot hnebt
noch in der satirischen Barockliteratur wird das Ideal des "redlichen durchaus als Aquivalent für "Ritrer, verwandt wird.
98 5. Semantik 5.5 Bedeurung and Bedeatungswandcl an Wortbeispielen 99

Als Gegenbegriff zu gaot wird bcrse auch schon im Mhd. gebraucht, Porm'. ezwirt mir buoz "ich werde erlöst"; mit Gen. z.B. "Heilung, Er-
aber daneben gibt es arc, i)bel .böse, schlimm", aalscb, suacb .kraftlos, Iösung, durch die Minne mir wirt sorgen buoz.
geringwenig", -» branc "kra{ios, schwach, sündha{t, schlecht", Eebaz, Im Recht ist buoze die sralrechtliche Genugtuung, die Viedergutma-
gram, ndd. qaad(e) "übel, böse,. chung cntstandenen Schadens (bei Straftaten, die nicht - wie Totschlag -
Mhd. s/elr heißt dagegen "eben, gerade; schlicht, ein{ältig; aufrichtig". durch §(ergeld zu büßen waren); ir sub es mir ze buoze stAn "da|it wer.
Durch Luthers Bibelübersetzung wird "böse" zum Gegensatz von dem, det ihr mir Schadensersatz leisten" Iw. 721; vgl. nhd.
"Bußgeld".
was vor Gott gut ist; vgl.
"der alt böse Feind" vs. mhd. der übel oälant Im kirchlichen Bereich dient der Rechtsterminus zur \i(/iedergabe von
"der böse Teufel". lar poenitentia; buoze umlaßt die drei Teile des Bußsakraments, dic
contritio cordis "Zerknirschung des Herzens" (mhd. iuwe), die confessio
brüt st. F.: junge Frau, die zu einem Manne in eine geschlechtliche Be-
ons (Beichte, mhd. bigibt zum st. Vb. Y jeben "sagen, bekennen") und
ziehung tritt, ohne Rücksicht auf rechtliche Verhältnisse; meist die
brils
die satisfactio operri
"Genugtuung" in der sühnenden'fat - buoze näcb
"Neuvermählte" (vgl. engl. bride, got. arch "Schwiegertochter»),
bihte bestän. Im nhd. Gebrauch von .Bußeo herrscht die religiöse Be-
nicht die Verlobte.
deutung vor; bei (mhd. büezen) ist der rechtliche Sinn noch er-
Nuod.unges wip (1906,3) und Nuod.unges briute (1927, 4) sind im NL "büßen"
halten: "für etwas bezahlen müssenn.
identisch.- Im Hildebrandslied v. 21 läßt Hildebrand seine junge Frau
im Halls - prit in bure -
wrd ein kleines Kind zurück.- Im Straßburger Lit.: LThK; HRG;J. §Teisweiler, Buße. Bedeutungsgeschichrliche Beiträge zur Kul-
Alexanderlied (v. 484, 504) meitt bri.t die Konkubine. In der geistlich- tur- und Geistesgeschichte, Halle 1930; G. Ising, Zur Vongeographie spmal. dr.
mystischen Literatur spielt die Vorstellung von der Gottesbraut (lat. Schriftdialekte, T. 1, Berlin 1968, S. 62-6 6; H. Kolb, Der z»rocher d,er riuu,e. Stu-
spozsa) und der Chrisrus vermählten Seele eine Rolle. dien zu Hanmanns Gregorius. ln: Litwiss.Jb. d. Görres Ges.23 (1932), S.9 56.
Ahd, brltigorno > mhd. briutegome ist ein Kompositum ats brut vrd
ahd. gorno Mann (lat. hono): "jvtger Ehemann". Mhd. brütloft, -lowf,
burc st. F.: bedeutet sowohl "Burg" (lat. castellam, cdstrum, arx) als
-louft M., F., N. bezeichnet die Hochzeit (eigentlich den "Tanz des auch "Stadt" (lat. oppid.um, cit,itas, urbs). Entsprechend sind burgere
Bräutigams auf die Braut zu") und wird im späteren Mittelalter abgelöst sowohl die Bewohner einer Burg als auch die Stadtbewohner. Seit dem
dvch --> böcb(ge)zit (< ahd. diu böba gizit "fs5s"), das seinerseits im 1L Jh. und besonders in der Snuferzeit wird die Burg (mhd. his, scba-
stel/hastAl, veste) mit Mauer, Tor, Turm und Palas atm repräsentativen
durch das kichliche Lehnwon mhd./est ersetzt wurde.
13. Jh.
Mhd. gemabel(e) M. vrd gemabele sw. F. sind nBräutigam, Gemahl, Verwaltungs- und Herrschaftszentrum des Adels.
Mhd. stat st. F., zunächst
und "Braut, Gemahlin", die auf der Gerichtsversammlu ng (ahd. rnabal) "Ort, Stelle, Stätte", wird seit frmhd. Zeir
auch für "Stadt" ver$/endet und hat allmählich äzzc in dieser Bedeutung
öffendich miteinander vermählt wurden.
verdrängt, rgl. b rge, lant und stetePz.746,5.
Lit.: W. Braune, Nhd. Braut in den germanischen Sprachen. ln: PBB 12 (1907),
Lit.: M. Pfütze,,Burg, und ,Stadt' in der deutschen Literatur des Mirtelalters. In:
PBB (O) 80 (1958), 5.272-320; E. E. Metzner, Die mittelalterlichen ,-burg-
bühurt st. M.: ein Lehnwort aw afrz. bo(u)bourt, bebort, eit rrtterliches Städte des mittleren Oderraums. §fleiterführendes zur Vortgeschichte von mhd.
Schaureiten, bei dem die Teilnehmer gruppenweise den Zusammenprall barc u*l stat.In: BzNF 14 (1979), 5. 41246}' R. Schmidt-§7iegand, Burgensis/
mit den Schilden suchten - im Unterschied z\t tjost(e), aIrz. jouste (< Bürger. Zur Geschichte von \üort und Begriff nach Quellen des ostmitreldeut,
lat. i*xta), dem rnterlichen Zweikampf. schen Raums. Inr Übcr Bürger, Stadt und städrische Literarur im Spätmittelalter.
Hrsg., v. J. Fleckenstein u. K. Stackmann, Göttingen 1980, S. 106-126; K. Kroe
Lit.: F. Niedner, Das deutsche Turnier im XII. und XIII. Jahrhunden, Berlin schell, Art. "Bürger,. In: Hwb. z. dt. Rechtsgesch. I (1971); M. Riedel, Art.
1881; J. Bumke, Höfische Kultur, Bd. 1, München 1986, S. 357 ff.; Das ritterliche "Bürger,.In: GGB I (1972);J. Bumke, Höf. Kultur, Bd. 1,München 1986, S. 117 ff.
Turnier im Mittelalter. Beiträge zu einer Formen- und Verhaltensgeschichte des
Rittem:ms. Hrsg. v. J. FlecLenstein, Göttingen 1985 (u.a. U. Mölk, Philologische degen st, M.: germ.*begna- ist in ahd. as. thegan zu uKnabe, Dienst-
Aspekte des Turniers, S. 163-174; §(. H. Jackson, Turnier, S. 257-295). mann, Krieger" entwickelt. Otfried von §(eißenburg nennr den Diener
Gottes, den Glaubenskämpfer gotes tbegln. Im Ludwigslied v. 5 steht
buoze st. F., btoz M.: steht im Ablauwerhältnis zu äaz "besser" und die Kollektivbildun g frönic githigni fiJ.r das herrscherliche Gefolge (von
bedeutet ursprünglich "Besserung, Ersatz, Abhilfe,. In unpersönlicher Kriegern). Im Mhd. gehört d.egen zu lenen nHeldenwörtern,, die wie
5. Semantih 5.5 Bedeutung und Bed.eutungswandel an \(/ortbeispielen !o!
--> uigant und ) ritter den tapferen Krieger bezeichnen.-
beh, -+recke, Eike von Repgow, der die Lehnsfähigkeit dieser Gruppe für zweifelhaft hält, ent-
Nhd. "Degen" als V/affe geht dagegen auf frz. dagae zurick. schuldigt sich im .Sachsenspiegel Ldr. III 42 § 2, ddt dit buh so luttel seget oan
denstlade rechte; @ent it is so mannichtob, dat is ncman to ende homen ne han
diemuot, diemüete st. F.: "Milde, Herablassung, Demut, Bescheiden- (daß dies Buch so wcnig vom Recht der Dienstleute enthält. Abcr es ist so man-
heit". Dcr christliche Zentralbegriff der Dcmut (lat. bumilitas) wir.d im nigfaltig, daß niemand damit zu Rande kommen kann).
ags. Missionsbereich des Festlands mit öd.rnöd(i) (ags. 6admöd, öadmdde)
Hartmann von Aue, ,Der arme Heinrich,, v. 1-5:
wiedergegeben, während die irische Mission im obd,. Raum d.eornoti, Ein itter sö gel|ret utas Ein Ritter besaß solche Schulbildung,
diomuoti bevorzugte. Diesem Kompositum liegt im Vorderglied ahd. tlaz er at den buochen las daß er in den Büchern lcsen konnte,
"dio, deo (got, -Przs Knecht) zugrunde. Die Grundbedeutung wäre also st»az er dar an geschriben oant: was auch immer er darin geschrieben

"Gesinnung eines Gefolgsmannes», vr'enn nicht gar "Knechtsge-


fand.
sinnung", im Gegensatz at lat. superbia. der oas Hartman genant, Er hieß Hartmann,
Die Demut bezieht sich zunächst au{ die Haltung des Menschen ge- dienstman uas er zOuue er war ein Dienstmann [Ministerialc] zu

genüber Gott, dann auch auf die andcren Menschen gegenüber. Sie er-
gänzt die ritterlichen Tugenden wie Mut und Tapfcrkeit im christlichen Lit.: F. Ganshof, Was ist das Lehnswesen ? 7. Aufl. f)armstadt 1989;
L.
Sinne, Gurnemanz ermahnt Parzival: alizet iucb diemüete "bewahrt J. Bumke, Studien zum Ritterbegriff im 12. und 13. Jh., 2. Aufl. Heidelberg 1977;
euch Demut" Pz. 17Q,28; wis diemüete und t»is tr.nberzogez osei demütig K. Bosl, Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, 2 Bde., Stuttgart
und klug" Tr.5029. Dem Exordialtopos der "affektierten Bescheiden- 1950,/51.
heit, korrespondien in der geistlichen Literatur die Demutsformel. diet st. F., aber auch M., N.: "Volk, Bevölkerung, Leute","Schar, Men-
ge» und - als Volk der Erde - nMenschheil". Als idg. Vurzel wird
Lit.: RAC3, 1957, Sp.735fL; W.Betz. In: DWg. 1, S. lt5f.; \(. Braune, Alt,
hochdeutsch und Angelsächsisch. In: PBB 43 (1918), S.361+45; 'if. Besch, "reara erschlossen. Verwandt ist got. Fiada. (Theoderich, der Diet-ricb
von Bern der Heldensage, geht auf got. Piuda-reiles "Volkskönig, zu-
Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert, München 1967,
S. 152-155j J. Schwietering, Die Demutsformel mittelhochdcutscher Dichter, rück.)
Berlin 1921 (Abh. d. kgl, Ges. d. Viss. zu Göttingen, phil. hist. Kl. NF, Bd. 17, Ahd. deota/diet ist eng mit der Bedeutungsgeschichte der Kollektiva
l); R. VisniewsLi, Demut und Dienst in einigen deutschen Texten des 8. bis --+ Liut und -+ zolc verflochten. Dabei haftet leora am ehesten die Vor-
11. Jahrhunderts. In: Mediuvalia litteraria. FS H. de Boor, hrsg. v. U. Hennig u. stellung einer großen Menge, des Gesamtvolkes, an.
H. Kolb, München 1971, S.55-66. Im 9. Jh. werden in der Regel noch lat. gezs (auch natio) mit deota,
popub s nti. liu.ti und plebs mit /o/A übersetzt. In der Folgezeit wird
dienest st. M. (N.): postverbale Bildung zt ahd,. tbionön > mhd,. dienen. d.eota/diet immer mehr von seinen Konkurrcnten verdrängt. Es überlebt
Das 1ü/ort ist verwandt mit die-muot und umfaßt die Pflichten eines in Formeln wie mhd. beidenicbe diet, cristen diet, elliu diet (2.8. mich
Knechts und Gefolgsmannes; vg,l. lat servitium - serl)us - seroire- lm schibet elliu /let \üelt tad eln» NL 2154,3), oarn-
"mich wird die ganze
allgemeinen bedeutet mhd. dienest "Dienst, Dienstwilligkeit, Ergeben- d.iu diet (fahrendes Y olk).
heit", im besonderen meint es den aus dem vasallitischen Vertrag resul- Nhd. dea*cb, mhd. tiu(t)sch: Ahd. diutisc "zum Volke gehörig,
tierenden Dienst des Lehnsmannes, der seinem Lehnsherrn gegenüber volkssprachlich" (< ahd. tbiat(a), deot(a) < germ.'tPeudö "Y olk" + Ad-
zu Rat und Hilfe (consilium et auxilium) verpflichtet ist. jektivsuffix -iska, mlat. theodiscus, Adv. tbeodisce) ist eine Lehnüberset-
Im Minnesang wird dieses Verhältnis übertragen auf dasjenige zwischen zung von lat. lingua oulgaris und westfränk. IJrsprungs: Die Franken
-+ man wd -) orotrDe: Sie wird als (Lehns-)Herrin gesehen, welcher nannten ihrc Sprache anfangs frenhisc und die ihrer roman. und kelt.
der Mann als ergebencrYasall d.ienest leister in der Hoffnunga:lJ lön. Nachbarn ualbish "welsch", während 't l,eudisb die Volkssprache ge-
genüber dem Lateinischen abgrenzte. Nach der Romanisierung des
dienestman ist die mhd. Bezeichnung des Ministerialen (lat. rninisteria- Vestfränkischen im 9. Jahrhundert hieß die Sprache der nicht romani
/ls), der durch einen geminderten Rechtsstatus, aber vielfach durch einen sierten Franken " I e ud.ish (tb eodisce).
gehobenen Sozialstatus gekennzeichnet ist. Im Zuge des Territorialisie- Ein Zeugnis für die sprachliche Trennung zwischen Romanen und
rungsprozesses während des 13. Jhs. gelingt der Ministerialitär der Auf- Germanen im Karolingerreich sind die Straßburger Eide von 842: Karl
srieg aus der persönlichen Unfreiheit in den Adel. -+ rirter der Kahle von 'i(estfranken und Ludwig der Deutsche von Ostfranken
t02 5. Semantih 5.5 Bedeutang und Bedeatangswand.eL an Vlortbeipielen Io3

beschwören ihre Verbindung gegen den älteren Bruder Lothar in einem (Abh. d. AkdIü(/. in Göttingen. Philol.-hist. Kl. F. 3, Nr.89); Art. "Bauer,. In:
Eid, den jeder in der Volkssprache des anderen leistet, um beiden Hee- GGB; \fl. Rösener, Bauer und Rirrer im Hochmittelalter. Aspekte ihrer Lebens-
ren verständlich zu sein - aber teudisca, alter romana lingua, lm form, Standesbildung und sozialen Differenziemng im 12. und t3.Jahrhundert.
10. Jahrhundert ist dizdsc der Sammclbcgri{f für die im regz um Teatoni
ln: Institutionen, Kultur und Gesellschafr im Mittelalter. FS J. Fleckenstein, hrsg.
v. L. Fenske u.a., Sigmaringen 1984, S.665-692.
corum vereinaen Stammessprachen. Auf den deutschen Sprachraum ein-
geschränkt begegnet in d.iutühfrn "auf deutsch" bei Notker von St. Gal- E,öue st. F.: "Recht, 6ssstz"; "Ehebündnis, Ehe"; hristen A tst der
len (f 1022). Das .Annolied, (um 1080) kennt dann atrch diutiscbi liuti christliche Glaube; ahiu tnd niuwiu d heißen das Alte und das Neue
und d.iutische /azt. Die Bedeutung von diutisc/tbeodisce hat sich damit Textament; öbafte n6t meint ein rechtsgr.iltiges Hindernis, vor Gericht
von "volkssprachlich" über "germanisch» zu «deursch» gewandelt. oder auf einem Hoftag zu erscheinen.
Lit.: Der Volksname Deutsch. Hrsg. v. H. Eggers. Darmstadt 1970 (WdF 156);
F.J. \(orstbrock, Thiutisce. ln: PBB 100 (1978), 5.205-212; K.H. Roth,
edel(e) Adj.: Ahd.edli ist eine Ableitungvon ahd. adal urd bedeutet ur-
sprünglich «von hoher Geburt, vornehmer Herkunft", aber noch nicht
"Deutsch". Prolegomena zur neueren Vortgeschichte, München 1978;
L Strasser, diutish /earscD. Ncuc Überlegungen zur Entstehung der Sprachbe- "zum Adel gehörig", weil dieser Begriff rechtlich-s.ändisch im frühen
zeichnung, Vien 1984; H. Thomas, Thcodiskus - diutiskus - regnum Teutonico, Mittelalter noch nicht so festgelegt ist wie im späten. Nicht nur Perso-
rum. Zu eincr neuen Studie über die Anfänge des deutschen Sprach- und Volks nen, sondern auch Dinge wie Kleidcr und Vaffen können e d,el "herrlich,
namens, [n: Rhein. Vjbl.51 (1987), S. 187 ]03; ders., Der Ursprung des'§üones kostbar, ausgezeichnet" sein.
Theodiscus. In: HZ 247 (1988), S. 295-332; O. Ehrismann, Diet, liut und liute in Eine Verinnerlichung der Standesbezeichnung begegnet zuerst in der
mittelhochdeutscher und spätmittelhochdeutscher Zeit. ln ZldSpr. 27 (197'I), Mystlk (edeliu säle im 11. Jh., vgl.lat. anima nobilis). Nach dem Prolog
S.61-80, 17G-176; ders., Volk. Mediävistische Srudien zur Semantik und Prag-
ist Gottfrieds von Straßburg .Tristan, eine Erzählung von edelen herzen
matik von Kollektiven, cöppingen 1993 (GAG 575); ders., theodiscus/*thiudisk
und ed,elen senedaren und zugleich eine fi.J-r edele herzen. ln der hl6li-
- Derivat und Basislexem. Überlegungen zur frühen Semantih und Pragmatik des
Vortes deutscb. ln: LiLi. 24 (1994),94, S. 47-68; Th. Klein, Zum Alter des Vor- schen Literatur tm{aßt edel als eigentlich soziale Qualität zugleich das
Schöne, Vahre, Gute, aber letztlich entspricht der Adel der Gesinnung
tes
"deutsch". [n: L;Li.24 (1994),5. 12-25.
dann doch wieder einem Adel der Geburt. Im NL dominiert die ständi-
dörper, dörpel st. M., dörperlich Adj., dörperheit st. F.: Der Lautstand sche Komponente; Kriemhild handelt als edeliu hüneginne am Ende
mit unverschobenem /p/ gegenüber hochdeutsch dorf verrär, daß diese keineswegs "edelmütig,. Später wird edel ztm Pr'Cdikat des Seelenadels,
Wörter au{ dem Veg über den Nicderrhein, wahrscheinlich aus Flan- währcnd das neu gebildete "adlit" den äußeren Adel meint.
dern, in die mhd. Dichtersprache gelangr sind. Mhd. dörper - mit Dissi-
milarion dörpel - "Dorfbewohner", .Bauerntölpel" beruht auf der mnl. Lit.: R. Venskus, Art. "Adel". tn: 2RL d. Germ. Altertumskde. 1 (1971);
Lehnübersetzung /orPere yon afrz. oihin V. Conze, Art. "Adcl". tn: GGB I (1972), bes. S. ll ff.; F. Vogt, Der Bedeu-
"Bauer,, "ungebildeter Kerl".
Das !(ort drückt die abschärzige Distanz des höfischen Adeligen gegen- tungswandel des Vortes edel, Marbwg 1908; F. Maurer, Über Adel und edel in
über dem nichtadeligen, bäuerlichen Menschen aus, dann auch die ge- altdeutscLer Dichtung. In: F. M., Dichtung und Sprache dcs Mittclaltcrs, 2. Aufl.
genüber dem sich unhö{isch Verhaltenden, so z.B. in den Vinterliedern Bcrn 1971, S.461-468; K, Speckenbach, Studicn zum Begriff,edelez herze, im
Neidharts.
Tristan Gottfrieds von Straßburg, München 1965; H. Kunisch, edeLez berze -
edeliu sile. Vom Verhähnis höfischer Dichtung zur Mystik. In: Mediaevalia lit-
Als negative Gegenbegrif{e zu mhd. -+ höaescb und böoescbeit fun- reraria. FS H. de Boor, hrsg. v. U. Hennig u. H. Kolb, München 1971, S.413-
gierer dörperlicb "bäurisch" und, ddrperb eit "bäurische Unhöfischheit/ 450.
Ungeschliff enheit" (af r z. o ile ni e).
Auch das mit mhd. äl "Hausbau", "bestelltes Feld" und, bitwen ellende Adj. u. Subst.: Ahd. eLilenti (eli- < germ. alja- .anlsr", got. aLjrs,
"wohnen, bebauen" verwandte gebir, -büre bedeutet nicht nur vgl. ),at- alius) t"4",r1"t "in fremdem Land, fremd, verbannt". Dazu ge-
"Nachbar,, nBauer,', sondern auch nroher, ungebildeter Mensch" (lat. hörr das gleichlautende Adjektivabstraktum "anderes Land, Fremde,
rusticus), ebetso verächtlich d.er gebi*riscbe man Greg- 1125, Ausland, Verbannung". In der an. Heldenepik ist der alte Starkad dcr
Lit.: H. G. Maak, Mhd. dörper Prototyp des einsam und friedlos umherziehenden Kämpcn (-+ recke).
- nhä. Tölpal. Zrr Frage des Fonlebens der hö-
Auch mhd. ellende bezeichr,et denjenigen, der in oder aus einem frem-
fisch-ritterlichen Lehnbildungen im Neuhochdeutschen. ln: ZfdA 105 (1976),
S.318-333; Vort und Begriff.Bauer'. Hrsg. v. R. !üüenskus u.a., Göningen 1975 den Lande ist, den Fremden, den Verbannten, etwa den geächteten Her-
rol 5. Semantih 5.5 Bed,eutung und Bed.ettungswandel an lhtbeispielen rot
zog Ernst. Tristan ist der ellend.e gast. Und in der historischen Diet- nächst die
"Versammlung", das "Gericht", die Gerichtsverhandlung und
richepik spielen Vertreibung und Exil eine entscheidende Rolle. der Gegenstand einer solchen Verhandlung (lat. causa), später allgemein
Ver fern der Heimat ohne den rechtlichen Schutz der Sippe ist, ist "Gegenstand, Angelegenheit, Sache,. Mhd. taged.inc, teidinc ist dement-
infolgedessen "unglücklich, elend" (lat. miser), en Zustand, den gerade sprechend die "auf den Tag angesetzte Verhandlung".
verheiratete Frauen beklagen. Kriemhild muß am Hunnenhof hören, Mhd. gedinge ist "das zum Verhandeln tehörige" und die damit ver-
.daß mich die Leute immer nur.die Fremde, nennen" - icÄ hqre min d,i knüpfte zuversichtliche «Erwartung", die sichere "Hoffnung, Zuver-
liute niuan für ellend.e jeben (,4A3,4). Auch lsolde fühlt sich beim sicht" - im Gegensatz zum unsicheren ) wAn, Fiür Berthold von Re-
Gottesurteil ellende und end.arf hie niender orägen näch oriunden nocb gensburg (i2lO-72) konkurrieren bei der Übersetzung von lat. spes drei
näcb mägen Tr. 15.494ff. Aber allererst ir, man im Mittelalter allein, man Aquivalente mitein ander: und.e beizet ged.inge eteslDA and etesrod beizet
fühlt sich allein endgultig im 18. Jahrhundert, nämlich "einsam». ) g4st. ez hoffenunge, eteswä beizet ez zuoversibt, Luther bevorzugt das ndd.
und ostmd. Ylort Hoffnung gegenüber dem alem. Zuversicht; d,as obd,.
öre st. F.: Im ahd. e-ra dominiert die religiöse Bedeutung: "Ehrerbietung"
gedinge tritt zurück und bleibt nur noch als Rechtsterminus für
gegenüber Gott, "Verehrung", auch Gottes Ansehen, Vürde, Majestät. "Ge-
richtsverhandlung", "Vertrag, Bedingung, Versprechen" geläufig.
In der mhd. Literatur bezeichnet 6re zunächst und v.a. eine äußere Qua-
lität, nämlich die ugesellschaftliche Geltung, Anerkennung,, den Ruf, Lit.: \fl. Besch, Sprachlandschaften, a.a.O., S.215-217.
den man bei den anderen genießt. Erst allmählich wird daraus eine inne-
gelücke st. N.: Im 12. Jh. wird ein Begriff wie ahd. nJurt, F. "Schicksal"
re Qualität - die ehrenhafte Gesinnung und Haltung, das ehrenhaftc
"Mißgeschick, Unheil, Hild. 49; an. urdr, ae-
(zu uerdan, vgl. utöuturt
Verhalten. In der germ. und in der dt. Heldenepik steht die Selbstbe-
u,yrd), dem - obgleich ins Christliche umgedeutet - noch eine vor-
hauptung des Helden unter dem unausweichlichen Gebot der Ehre. Die
christlich-innerweltliche Schicksalsvorstellung anhaftete, zunehmend
ärßere Are schließt - ähnlich wie in der Bedeutungsentwicklung von '§flort
verdrängt durch -+ salle. Und dieses wird später wiederum durch
+ ed.el - die innere ein. Im Nhd. hat sich der Begriff z.T. auf das Mora-
gelüche
lische hin verengt, besondersr wenn es um die "Ehre, einer Frau geht. ^bgelöst.das anscheinend durch mittelniederländische Vermitt-
Auf gelache,
Hartmann von Aue, ,lwein, , v. l-3 (Übers. Th. Cramer) Iung nach Deutschland gelangt ist, wurde der schicksalhafte Sinn von
Suer an rehte güete lMer nach dem wahrhaft Guten akz. destinee übertragen. Es meinte zunächst wohl die "Art, wie etwas
u:endet sin gemüete, von ganzem Herzen strebt, ausgeht", dann, «wie etwas gut ausläuft,. Im Mhd. umschreibt gelüche
dem z,olget salde und Gre. dem wird Ansehen vor Gott und den noch überwiegend neutral "Schicksal, Geschick, Tufxll" (vgl. lat fatam,
Menschen als sicherer Lohn zutcil. fortuna, engl. luch) lund, erst allmählich das günstige Schicksal, den Zu-
srand des Beglücktseins.
ih bän i.f öre läzen nü lange miniu d.inc "ich habe mich immer vom Mhd. beil "Gesundheit, §Tohlergehen, Glück" (im frühen Mittelalter
Ehrgefühl leiten lassen" NL 1965, 2; diu oil micbel öre oas dä gelegen spielt der Glaube an die - Frieden und Fruchtbarkeit verheißende -
,6, "der Stolz aller Länder..." (Pretzel)/"Die alte, große Herrlichkeit,
(de Boor)/"Bestes Rittertum" (Brackert) NL 2315, 1.
"Geblütsheiligkeit" königlicher Dynastien eine Rolle) wd -+ selde
"Glück, Heil, Segen" gehören ebenfalls in diesen Bereich, wobei seld,e
Lit.: E. Karg-Gasrerstaedt, Ehre und Ruhm im Althochdeutschen. ln: PBB 70 nrcht llrtr lat. fortuza, sondern auch felicitas, bedtitudo umfaßc gelüche
(19a8), S. 108 f{.; F. Maurer, Tugend und Ehre. In: F. M., Dichtung und Sprache müeze iucb sald.e wezr "das Schicksal möge Euch Glück bescheren" Pz.
des Mittelalters, Bern/München 1961, S.335-345i ders., Leid,2.Aufl. Bern/ 431,15.
München 1961.

gast sr. M.: wie lat, bostis nicht nur der "Gast", sondern auch der wandtem bei mittelhochdeutschen Dichrcrn, Phil. Diss. Leipzig 1917;
"Fremde,, der "feindliche Krieger". Tr. 2921: d.er ellende gast "der l'ei- H. Beckcrs, Gelüche .rnd üel bei \(ernher von Elmendorf. In: PBB (O) 99
matlosc Fremde". Das Verhältnis zwischer, airt und gasr isr Kernthema (1978), S. 175-181; V. Sanders, Glück. Zur Herkunft und BedeutungsenrwicI
der fahrenden Spruchdichter, vgl. §(/alther, L.- K. 31, 21. lung eines mittelalterlichen Schicksalsbegriffs, Köln/Graz 1965; A. Hagenlocher,
Schicksal im Heliand. Verwendung und Bedeutung der nominalen Beziehungen,
dinc st. N.; Bedin3e st. M. F. N.: Ahd. ding- got. Peihs
"Zeit", an Ping Köln/§(ien 1975 (Nd. Studien 21); Fortuna. Hrsg. v. V. Haug u. B. rVachinger,
ndie zu bestimmter Zeit stattfindende Volksyersammlung" - ist zu- Tübingen 1995 (Fortuna vitrea l5).
ra6 5. Semantih 5.5 Bedeutung and Bed.eatungsoand.el an Wottbeispielen I 07

gemach st. M. N.: l. "Gemach, Zimmer, rWohnung"; 2. "Ruhe, Be- meint. Im Ssp., Ldr. III 45 § 3 gilt die Ehefrau als des mannes nötinne.
quemlichkeit" (vgl. mhd. muoze, banehie, ruowe, burzenile, spil, oreu- Im NL 821 hält Brünhild Siegfried als'shüneges rnan tir eigen, währetd
de), im geistlichen Kontext auch negativ besetzt wie luxuria. lm Nhd. Kriemhild 819 ihn als Guntbers genöz ansieht. Ende des 19. Jhs. verengt
wieder zu "'Wohnraum" verengt, vgl. jedoch "Gemächlichkeit". sich der Begrilf zum (sozäldemokratischen)..Parteigenossen".
Ungemacb wre --> arlei uUnbequemlichkeit, Unannehmlichkeit, Leid". geselle sw. M., F.: Vorahd. 'tgasaljo ist cigendich der "Saal- und Haus-
genosse", im Mhd. dann uGefährte, Freund, Geliebter" bzw. als F.
Vgl.: fGregorius] ez]ete anderen gemacb, lErec) sicb olizzen sine sinne
"Gefährtin, Geliebte". Chume, cb*rne, geselle min,l ih enbite barte din
niuu,an der himel uas sin dach wie er alle sine sacbe
(Greg.31l5 f.) e)ante zuo gernache.
"Komm, komm mein Gefährte, ich warte sehr auf dich" CB 174". V/ei-
tere Bezeichnungen für den Freund und Geliebten: + amis/amie,
(Er.293t I{.)
--> ztriunt/'uitr.ndinne, -) trrttinne, -+ ariedel, --s utine.

gemeit Adj.: Ursprünglich "körperlich und geistig nicht normal"; wie geselleheit: das Zusammensein nach gesellen Art, freundliches oder
bei nhd. "toll" erweiter. sich die Bedeutung im Mhd. zu "lebensfroh, freundschaftliches Verbundensein; gesel/e schaft: "lreud,schafdiches Bei-
froh, heirer, erfreulich" - ukeck, mutig, wacker, zuversichtlich" - sammensein, Gemeinschaft, Vereinigung".
"lieblich, schön, angenehm". Das in Verbindung mit anderen positiven
rJflertungen ungemein häufige Epitheton ist im Nhd. ausgestorbcn.
gesinde, ingesinde st. N.: Die Bedeutung ist umfassender als nhd.
\Weggenossen und Gefolgsmann bezeich-
"Gesinde". Ursprünglich den
nend, meint das Kollektivum im Mhd. alle zum Hause eines Grundherrn
Lit.: J. Schwietering, Gemeir. In: ZfdA 56 (1918/19),5.125-132.
gehörigen Personen, die den Hofstaat und das Gefolge bildenden Die-
Benäde st. F.: Als Grundbedeutung von germ. 'tnefi- gilt "sich neigen", ner, Ministerialen, Vasallen und Verwandten. Das lat. Aquivalent ist dic
nämlich einerseits "sich zur Ruhe neigen", anderseits "sich huldvoll nei- familia, die eben als nHausgenossenschaft" mehr umfaßt als die "Fa-
gen": "helfende Geneigtheit, Gunst, Huld, Liebe" und theologisch milie". Die rechtlich abgestufte familia ist charakteristisch {ür die verti-
.Gnade, göttliche Barmherzigkcit, Vergebung, Hilfe, Liebe". Ahd. kale Gliederung der mittelalterlichen Gesellschaft. Die familfu des Ar'
ginäda sreht fijr den kirchlichen Termir:us lar. gratia und verdrängt ahd. tushofes ist ein Reflex solcher \ü(irklichkeit. Fir ingesinde begegnet auch
azs, "Gunst", das aus der arianischen Mission stammt (got. azsts), sowic das aus dem Frz. übernommene Wort tn assenie, tnessenie (< maison).
das von der ags. Mission getragene geba, Es konkurriert mit dem Ge- guot Adj.: Grundbedeutung richtig,. Als wertendes
upassend, geeignet,
folgschaftsworr ahd . buld.i, mhd. --> huld.e. Theologrsch und rechtlich ist vielfältiger
und lobendes Epitheton in sehr Verwendung: "tüchtig, brav,
"Gnade" dcr frei geschenkte, nicht verdiente Gunsterweis, der Verzicht gut, vonrefflich, tauglich, brauchbar", bei Personen auch uvornehm,
auf Strafe und Sühne trotz einer Verfehlung.
cdel", z.B. guoter hnebt "edler/tapferer Ritter". Als Subst. "Besitz,
Im Minnesang meint genäd.e die Huld und Gunst der Dame, die den Gutes, Nutzen", z.B. oarndez guot fahrende Habe.
Liebenden vom triren befreien und ur6 machen könnte, die ihn jedoch Das Subst. güete ("das Passende") umfaßt mehr als nhd. "Güte":
dtrch ungenäd.e it triren, humber, -+ Leit und sorge stößt. §üenn der
Mann um --> bulde, --> nibe, ---» tr6st ur,d genäd.e fleht, so impliziert ge- "Tre{flichkeit, \(ürdc, Großmut, Milde, richtige höfische Gesinnung".
h|rre, hene, bOre, b\r, ber sw.M.: Ahd. beriro, baröro, borro "der Altc-
rade dieser Begriff, daß ein Entgelt für den Minnedienst weder An-
spruch noch Regel, sondern die Ausnahme bedeutet. Aus dieser Situati- re, Ehrwürdigere" ist Komparativ zt b1r urrd eine Lehnbildung nach
mlat- senior (vgl. afrz. seignor, it, signore, spat seiior). Aus dsrn "Vor-
on von "Dienst auf Gnade ohne Lohn" (H. Kuhn) resultiert jener
unsichere Schwebezustand, der für die hohe Minne konstitutiv ist.
nehmeren, wird der "Herr", nicht nur der Grundherr und Lehnsherr,
sondern auch der nHerrgott"; börre ger'it in Konkurrenz zu den Her-
Lit.:P. \flahmann, Gnade. Der althochdeutsche \Tortschetz im Bereich von renbezeichnungen ahd. /ra (vgl. nhd. Frondienst .Herrendienst", Fron-
Gnade, Gunst und Liebe, 1937; LThK; Ritter, Hist. §flb. d. Philos., Bd.3, Sp. leichnam ul-eib des Herrn") wÄ ahd. tru.htin/trehtin (an. drdttinn, ags.
679-747. dryhten). Der truhtn ist eigenrlich der Herr der Gefolgschafq der rubt
genöz, -nöze st. sw. M.: Germ.'tganauta- ist eigentlich derjenige, der (vgl. Truchseß), aber im Mhd. wird der Begriff nur mehr für Gott ge-
seinen Besitz (at naat "werwolle Habe, Nutzvieh") mit anderen ge- braucht und wie/rö schließlich durch äirre verdrärgr.
meinsam hat, womöglich Reminiszenz an eine Phase wirtschaftlichen Im Unterschied zur allgemeinen Geschlechtsbezeich nung >man rst
Gemeinbesitzes. lm Mhd. ist der rechtlich ebenbürtige «Ge{ährte" ge- häne eine Standesbezeichnung für den Herrn von Adel (vgl. das Ver-
1a8 5. Semantih 5.5 Bedeutung und Bedcutungswand.el an
'Wortbeispielen ra9

hälmis zwischen -+ uip :und --+ arouue). Entsprechend ist fa ncb€re d,er einzelnen Ritter wiederhergestellt worden ist. In Veldekes .Eneit, isr das
junge adelige Herr, später - ohne Altersunterschied - der
"Junker". In Fest zugleich politischer Hokag (tagedinh, v. 13.100) und Hochzeir
der Terminologie des Lehnswesens steht Eärre in Oppositior, zu -+ man, QrLtlonft, v. 13.101). Im Spätmittelalter tritt höcbgezit "Hochzeit" für
dem Vasallen. das ältere brntlouf@ ein, während die allgemeine Bedeutung "Fest-
Lit.: G. Ehrismann, Die Vorte für .Hero im Alrhochdeutschen. In ZfdY 7 lichkeit" auf das im 13. Jh. übernommene lat. Lehnwort "Iesr" übergeht.
(1906), S. 171-202; A. Schirokauer, Die lü/ortgeschichre von Herr. In: GR 21 hövesch, hafscb, hübescb A$.: Mhd. bövescb ist tn seiner Bedeutungsge-
(1946), S.55-60; H. Eggers, Dt. Sprachgeschichte I, Reinbek 1963, S.tt3-tt7; schichte verflochten mit derjenigen vor,lat. curialis, urbanus, aulicus und
GGB, s. v. "Herrschaft"; F. L. Ganshot \7as ist das Lehnswesen?, a.a.O. mit derjenigen von afuz- cortois. Es ist eine Lehnprägung nach {rz. Vor-
herze sw. N.: Das Herz ist nicht bloß ein Körperorgan, sondern es gilt bild: Das mhd. Adi. böaesch und ebenso botelich, hooebere im Sinne
(u.a. nach Aristoteles) als Sitz der Seele und aller inneren, emorionalen von "höfisch, höflich, hofgemäß, fein gebildet, gesittet", später auch
und rationalen Kräfte, z.B. des Mutes. Es ist Zentrum sowohl der Emp- "hübsch, und das Abstraktum böoeschelr uhöfisches \(/esen, kultiviertes
findungen als auch - anders als im Nhd. - der Vernunft und des Vers- Verhalten" sind Ableitungen von mhd. hof - so wie alrz. cortois und
tandes, der Entscheidungen. Das Herz gilt als die Lebensmitte, als /ozs correriie solche von cort (< lat, cartis) srnd.
aitae. P.eLn fleischlich-leiblich sind dagegen die niederen Affekte, die Als Gegenbegriffe begegnen -+ dörpe4 dArperlicb "bäurisch,, -+ /ör-
Begierden. perbeit "unhi>{isch-bäurisches Vesen", die vor, ndd. d.orp abgeleitet,
Der Viderstreit zwrschen lip tnd herze wird in der mittelalterlichen Lehnübersetzungen yor. afrz. vilain und ailenie sind.
Literatur immer wieder zitiert, besonders in der Gattung des Streirge- Der Begriff des Höfischen verweist seiner Grundbedeutung nach auf
spräches, aber auch variiert im Lied, Min berze und. min lip d.iu oellent die sozial- und rechtsgeschichtliche Institution des Hofes, sehr bald (so
scheid.en (MF 47,9) des Friedrich von Hausen oder im sog. I. .Büchlein, schon in der Kaiserchronik 1135-47) wird er aber auch fur die Gesin,
Hartmanns von Aue. nung einer Hofgesellschaft mit bestimmten rJ0ertvorstellungen im
Das herze als Sitz der Minne, ihrer Empfindungen und Reflexionen, Umfeld von Minne und Rittertum gebraucht. Sogar Gott wird in die-
wird zum Zentralbegriff des Minnesangs. Dabei wirkt nach mittelalterli- sen Vorstellungskreis einbezogen. Es gilt nicht als Blasphemie, wenn
cher Liebespsychofogie das Auge als Spiegel des Herzers (speculum cor- die ehebrecherische Isolde vor dem Gottesurteil im Vertrauen auf
d.is). Das Herz wird zum Gegenstand einer reichen Metaphorik (Motiv Gottes höfische Vollkommenheit (gotet höfscheit) eine List ersinnt
des \Wohnens im Herzen des liebenden Partners: dA bist beslozzen in (Tr. 15.4s1f.).
minem herzenMF 3, 1; Motiv dcr Herzensübergabe an die ,urouwe, ganz frnhd. hübscb für "anmutig, schön" hat den semantischen Beatg zu
konkret z.B. im sentimentalen ,Herzmare, des Konrad von §ü'ürzburg; "Hof, verloren. Noch greißar bleibt diescr in haflich, aber der Bedeu-
Motiv des Herzenstausches). Die Liebe von Tristan und Isolde gipfelt in tungsumfang verengt sich auf ukultiviertes Benehmenn: ein Kennwon
der mystischen zzlo beider Herzen in einem Herzen. der Adelskultur bezeichnct jetzt auch einen bürgerlichen Verrbegri{f.
Das im Frnhd. untergegangene höfisch ist im 19.Jh. wiederbelebt
Lit.: H. Kolb, Der Begriff der Minne und das Entstehen der höfischen Lyrik,
worden. In der Vissenschaltssprache {ungiert "höfisch, zum einen als
Tübingen 1958; F. §(essel, Probleme der Metaphorik und die Minnemeraphorik
in Gottfrieds von Straßburg.Tristan und lsolde,, München 1982; F. Heimstärter, "cin literarhistorischer Bcgriff, der auf den Hof als den gesellschafdichen
Die Metaphorik des Herzens im Minnesang des 12. und 13. Jahrhunderts, Phil. Ort der Literatur" (f. Bumke) hinweist. Höfische Literatur ist insofern
Diss. (Masch.) Hcidelberg 1953; X. von Ertzdorff, Studien zum Begriff des Hcr- Hofliteratur von Hofdichtern {ür ein Hofpublikum.
zens und seiner Verwendung als Aussagemotiv in der höfischen LiebeslyriL des Zum anderen kann "höfisch" auf die verschiedenen Aspekte des neu-
12. Jahrhunderts, Diss. (Masch.) Freiburg i. Br. 1958; dies., Die Damc im Herzen en Gesellschaftsideals bezogen werden, also auf den ganzen Bereich der
und das Herz bei der Dame. Zur Verwendung des Begriffs
"Herz" in der höfi- "höfischen" Kultur. Hier tritt die soziologische Bedeutung hinter der
schcn Liebeslyrik des I l. und 12. Jahrhunderrs. In: ZfdPh 84 (1965), S. 6 46. ideologischen zurück.
höch(ge)zit st. F.: ahd. dit höha gizit, allgemein das hohc kirchliche Schließlich behält "höfisch" auch als Iiterarischer Gattungsbegriff ei-
"höfische" Epik und "höfische" Lyrik waren die
oder weltliche "Fest,, dann auch die "Herrlichkeit" solcher Feste. Der nen eigenen Sinn; denn
Artusroman beginnt mit einem großen Fest zu Ostern oder Pfingsten, Hauptformen dcr Dichtung, die an den großen Höfen gefördert wurde.
und er endet mit einem Fest, nachdem die gestörte Ordnung durch einen "Höfisch' ist damit auch ein Stilbegri{f der Literaturgeschichtc.
5. Semantih 5.5 Bedeutang und BedeutungswandeL an Wortbeispielen II t
Lit.: V. Schrader, Studien über das Vort .höfisch, in der mittelhochdeutschen
Hinterhalt,. Es bezeichnet nicht nur das Bewachen, sondern auch die
Dichtung, Phil. Diss. Bonn, \0fürzburg 1935; P. Ganz, Der Begriff des
.Höfischen, bei den Germanisten. ln: lVolfram-studien 4 (1917); ders., curialis/ Bewacher selbst, die merhere. Als der äzore bedürftig gilt die Frau. Daß
hövesch. In: Höfische Lirerarur, Hofgesellschaft,I-{öfische Lebensform um 1200. deren Überwachung nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich sei, be-
Hrsg. v. G. Kaiser u. J.-D. Müller, f)üsseldorf 1986, S.39,55; K. Grubmüllcr, hauptete schon Ovid. Sie wird zum Hauptmotiv der Schwankdichtung.
höfisch - höflich - hübsch im Spätmittelafter. Beobachtungen an Vokabularien. Im Minnesang sind die merhare oder die buote die Feinde der Lieben-
In: uortes anst. FS G. de Smet, hrsg. v. §(. L. Cox u.a., Leuver 1986, S. 169-181; den, die Vächter im Dienste der gesellschaftlichen Moral. Sie gehören
J. Bumke, Höfische Kultur, 1986, Bd. l, S.8l f.; Curialitas. Studien zu Grundfra- zur Kulisse der Tageliedsituation, ohne selbst konkret in Erscheinung zu
gen der höfisch-ritterlichen Kultur. Hrsg. v, J. Fleckenstein, Görringen l99O treten. Friedrich von Hausen (MF 50, 19if.) rechtfertigt die huote,
(Veröffentlichungen des Max-Planck-lnstituts f. Geschichte 100). Gonfried (Tr. 17.817-18.114) verurteilt sie aufs schärfste.
holt Adj., hulde st. F.: Das Adj. boh (ahd. hold, an. bollr, got. hu$s) rst Lit.: L. Seibold, Studien über die huote, Berlin 1912; W. Hofmann, Die Minne-
gemeingerm. und bedeutet
"sich neigend"; das Abstrakrum buld.e har feinde in der deutschen Liebesdichtung des 12. und 13.Jahrhunderts. Einc be-
dementsprechend die Grundbedeurung .Geneigtsein". Dieses bedeutet griffsgcschichtliche und sozialliterarische Untersuchung. (Diss. §flürzb.), Coburg
im Verhältnis zwischen einem Höhergestellten und einem Niederen 1974.
einmal die nGeneigtheit,, das "Vohlwollen" (auch n[,1lag§ni.,, it,
Pilgerlied und in Hartmanns lch oar mit iuroeren bulden, beryen "irl"- unde iuncvrouwe sw. F.: Standesbezeichnung für die ",unge Dame, junge
mage MF 218,5) des Ge{olgsherrn gegenüber dem Gefolgsmann, des Herrin,, ebenso das Diminutiv .urouwelin für "Fräulein" ('rgl. juncb?t
Lehnsherrn gegenüber dem Lehnsmann, zum anderen die re). Sozial nicht festgelegt ist dagegen zunächst -s maget {ür die unver-
"Ergebenheir, heiratete und unberührte Frau,
Treue" des Gefolgs- oder Lchnsmannes gegenüber seinem Herrn. Zur
Begründung des Lehnsverhältnisses gehön das hulde su,ern des Vasallen. Die weitere Entwicklung von / ngfraa verläük parallel zu derjenigen
Dieser schvzört Treue (lat. füles - mhd- buld.e, triuue), meist stehend von Frau (-+ oroutoe), Deutlicher noch als bei Fräulein rickt zuneh'
und unter Auflegen dcr Hand a:uf eine res saoa. mend das Merkmal sexueller Unberührtheit in den Vordergrund. Mehr
Das lü[on wurde im Sinne von lat. gratia frtihzeitig auf den religiösen \och als Fräulein lnd die "ake" Jungfer werden überdies mhd. dierze
Bereich übertragen, wenngleich später genäd,e vorherrscht Valther {ragr utd, nhd,. Mädchen mit "Jugend" verbunden.
im Spruch L.-K. 8,4 uie man zer uerlde sold,e leben und antwortet, man Lit.: §(. Kotzenberg,zzan, t'rout»e, juncftoutoe. Drei Kapitel aus der mittelhoch-
müßte drei Dinge ohne Beeinträchtigung des einen oder des anderen er- deutschen Vongeschichte, Berlin 1907; V. König, dtv Atlas zur deutschen Spra-
Iangen können - gro, (materiellen Besttz), weltlicb dre (Geltung in der che, 10. Aufl. München 1994, S. 112 f.
Gesellschaft) urtd gotes hulde, die den beiden weltlichen Gütern überge-
ordnete Gnade Gottes. Im .Iwein, umschreibt Hartmann den rVahnsinn kebese, kebse, kebes st. sw. F.: "Beischläferin", "Kebsweib". Im Ahd.
des Protagonisten als Verlust der Selbstachtwg: er r.,erlös sin selbes hulde srcht bebisa für die Nebenfrau ohne Verlobung, Brautgabe und Mitgift,
(3221).lm Minnesang wird die orout»e it det F.olle der Lehnsherrin ge- im Gegetsatz n quena (> mhd. bone) "Ehefrau".
sehen, die dem minnenden man ihre bulde versagen oder ihm Dolr sein lm Mhd. stehen im rechtlich-moralischen Bereich hebese tnd haore
kan. meist nicht mehr hone, sondern -r tuft, büsaroawe (-+ t.,rouwe) oder
Vom Adj. boh abgeleitet ist ferner das S,tbst. bold.e. Damit ist in der wirtinne gegeniber. Dic Kinder aus solchen Minderehen, zu denen auch
mittclalterlichen Grundherrschaft der vom Grundherrn abhängige die Friedelehe (-+ zriede[) gehörte,hießen "Kegel", so noch im Stabreim
Kind und Kegel. lm Frauenstrcit des Nibelungenlied es 839, 4 ist mdn-
"Grundholde" gemeint. - Nhd. "Huld" bezieht sich dagegen einseitig
auf das Verhältnis des Höher- zum Niedergestellten, während nes hebse ("Nebenfrau, Buhlerin eines Leibeigenen", ,rgl. an. hefsir
"huldi- «Sklave") tenauso verächtlich gemeint wie eigen mannes wine 822,2
gen" den umgekehnen §(eg geht.
(--> toine).
Lit.: G. Althoff, Huld. überlegungen zu einem Zentralbegriff der mittelalterli, Für die Konkubinate des absolutistischen Adels bürgert sich im
chen Herrscha{tsordnung. In: Frmal. Studie n 25 (199t),5.259-282. 17./18. Jh. Mätretse srarr -Kebse - ein.
huote st. F.: Das Subst. zum sw. Vb. biaeten bedewet *aufmerksames
kiusche Adj. u. st. F.: Das Adj. ist vielleicht ein Lehnwort aus lat. cor-
Beobachten, Obhut, Aufsicht, Fürsorge", abcr auch
"Nachsrellunts, scizs (vulgärlat. 'lcorclzs) «bewußt» und bedeutet nrein, sittsam, sittlich",
1t2 5. Semantih
5.5 Bedeutang and BedeatungswandeL \Yortbeüpiebn I Ij
an
nicht nur wie im Nhd.
"sexuell enthaltsam,. \trie das Adj. zielt auch das l,it.: W. Besch, Sprachlandschaften, S. 206-209; G. Ising, S. 76-79.
Subst. auf "Reinheit, Tugendhaftigkeit, Selbstbeherrrchung, Mäßigung,
und steht dem Begrif{ der -s mäze nahe. Bei Volfram zIB. ir hiusJe künne st. N.: ahd. bunni, Bot. huni; lar. geruts. "Geschlecht, Familie,
uas ein rciner roa/ Verwandtschaft"; hünec (getm. "hunja-) ist cin Herrscher aus vorneh-
"die Reinheit ihres Herzens war der Taufe gleich_
wenig' Pz. 737, 2A.lm.Jüngeren Titurel, (um 1275) ist hiuscbe schot mem Geschlecht, dazu das movierte Fem. leüneginne. Im Frnhd. wird
das Gegenteil von Unkeuschheit und Unzucht, bänne durch gescblecht (mhd. gesLebte/geslahte, sldbte) ersetzt. In ihrer
Bedeutung verwandt sind --; art, sippe un<l --> mäc,
Ln.: DIirg., Bd. 1, S.210 ff.; Th. Frings u. G. Müller, *Kcusch,. In: Erbe der
Vergangenheit. Fg. f. K. Helm, Tübingcn 1951, S. 109 ff.; H. Kolb, Vielfalt rler Lit.: V. Besch, Sprachlandschaften, a.a.O., S. 185.
kiusche. Eine bedeutungsgeschichrliche Srudie zu !0üolframs parzival.. In: Ver_
bum et Signum, FS F. Ohly, hrsg. v. H. Fromm u.a., Bd.2, München 1975, kunst st. F,: "Kunst" ist ein Abstraktum zu dem Präterito-Präsens mhd.
s.233-246. hunnen, b nnen. Dieses Verbum bedeutet im Unterschied zu mhd. rzz-
gen/mügen ("imstande sein, vermögen, können") zunächst ..wissen, ver-
klein(e) Adj.: Die Bedeutungsentwicklung geht von *glänzend, glatt, stehen"; äazst hebt also das \Tissen im Können hervor, eine geistige Fä-
über "rein, sauber" (vgl. engl. clean) zu "{ein, zierlich, iorefälrie higkeit gegenüber maht "YermöEe\ Kraft". Mhd. hunst karn lat. ars,
""( w ic
im Subst. mhd. hleinöt); aeben mhd. lützel 1engl. little) uni zoääc auch scienti.t, doctrina, disciplina vertreten und ist ein schr komplexer Begriff,
"klein, gering, schwach, im Gegensatz ,, "g.oji,. Das Adv. hleine wird, der nhd. "§üissenschaft, Gelehrsamkeit, Bildung, Kunst" umfaßt und
oft für "wenig, gay 1icht" gebraucht. der im Mhd. v.a. mit --r äir, z.T. auch mit -> wisbei, konkurrien.
Ahd. luzzil > mhd,. lützel, die Hauptbezeichnung für «klein» an Um_
"Diejenigen Vissens- und Könnensbereiche [...], die das höfische
fang und an Menge, Zahl, stirbt auf de- \irege zr-\hd. ebenso wie das Leben entscheidend mit au{bauen, sind hünste," während äire all jene
Gegenwort ahd. mibbil > mhd. mihel aus. An ihre Stelle treten nhd. Kenntnisse, Fertigkeiten und Haltungen sind, "die den ritterlichen Men-
blein vtd gro$. schen, so nützlich sie ihm sein mögen, als einen höfischen nichts angc-
hcn" (f. Tricr). Kunst zich also mehr auf die ritterlich-höfische Bildung,
Lit.: A. Stanfonh, Die Bezeichnungen ftir.Groß,, ,KIein,, .Viel, und .\(enig, im
Bereich der Germania, Marburg 1967; G. Ising, \7ortgeogr., S. 79 gl.
die Vaffenübung ebenso umfaßt wie Dichtung und Musik; lz'st meint
allgemein . §Teisheit, Klugheir", spezieller "Kenntnis, lVissen, \flissen-
kneht st. M.: Der Bedeutungsumfang von mhd. Aze ht 1,tgl. engl- hnight) schaft" (äsre sind z.B. die teptem drtes liberaLes), nKunstfertigkeit" und
ist größer als der von nhd. v-a. das außerhöfische Fachwissen wie Medizin urtd zouberlist. lm
"Knecht-: "Knabe, Jünglingl Kn"Ipp", dr.-
sche, Ritter, Krieger". Gemeinsam ist allen VarianrJn d]e Frrnkiion des Spmhd. verschiebt sich die Bedeutung voo bttnnen/künnez in Richtung
Dienens. In Verbindung mit dem Arrribut gror ist häufig .furter. ge_ auf nhd. "können"; entsprechend trit hunst als auch erlernte Tätigkeit
meinq' bnebt kann auch der junge Burschc heißen, der i.irtcr werd'en an die Stelle des älteren §Tortes äir. Über die Bereiche v on hunst urd list
will: ail manec ricber hnebt und manec edel ritter NL 32, I f., also erhebt sich die toisä eit (lat. sapientia).
gfeichbedeutend mit mhd. hnappe. Hartmann nennt sich im Er. 1601,
Lit.:J. Trier, Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Von den
7480 noch tutnber hnebt, einen uncrfahrenen, jungen Mann. Hilfsbe_
Anfängen bis zum Beginn des l3.Jahrhundens, 2. Aufl. Heidelberg 1973; ders.,
dürftige Leute, Leibeigene hetßen arme hnehte, M"örrche gotes hnehte. Die Idee der Klugheit in ihrcr sprachlichen Entfaltung. In: Zs. f. Deutschkde. 46
Der "Bxrrcrrk...ht" begegnet im.Helmbreht, und in Steinmars Tage_ (19)2),5.625 tl.; F. Scheidweiler, Kunst und list. ln: ZfdA78 (1941),5.62-87:
liedparodie SMS XlX.8: rgl. auch frnhd. Land:hne,h. F. Dornseiff, List und Kunst. ln: DVis.22 (1944), S.211 216; B. Bocsch, Dic
Kunstanschauung in dcr mhd. Dichtung von der Blütezeit bis zum Meistergc-
Lit.: J. Bumke, Ritterbegriff, a.a.O.; \V. H. Jackson, Zum Verhältnis von rirrez sang, Bern/Leipzig 1936; G. Ising, S.5l-61; §7. Schröder, hunst :cnd sin bei
wd hnebt. ln: Ja muoz icb sunder riuue sin. FS K. Stackmann, hrsg. v. Volfram von Eschenbach. In: Euph. 67 (1973),5.219-2ß.
§(. Dinkelacker, Göttingen 1990, S. 19-35.
leit Adj. u. st. N., /eide st. F.: Das mhd. Adj. /eir bedeutet "unangenehm,
kranc Adj.: .schwach, geringwertig, schlecht,. Seit dem 14.Jh. ver_ unerfreulich, widerwärtig, verhaßt" und "betrübend, schmerzlich, leid".
drängt hranc im Sinne von " leidend, krankn das bis dahin vorherrschen-
Das substantivierte Neutr. bezeichnet dementsprechend zum einen das
de siecb - so wre siecbtuom u.nd siechtag(e) (daneben: subt für pest, Aus- Unangenehme, Unerfreuliche, das angetane Leid, die "Beleidigung",
satz, Fieber, \üahns rnn) d,wch hrancheui ersetzt werden. zum anderen "Schmerz, Leid".
5. Semantih WortbeispieLen
5.5 Bedeutung and Bede*tangswandel an rr t
In der mhd. Epik wird leit als das angetane Unrecht und Böse, als Lit.: V. Besch, Sprachlandschaften, S. 192-198 !. Karte 54; M. Isbasescu, Minne
Kränkung der ire, als
"Belcidigung, Unrecht, verstanden, die das Ver- und Liebe. Ein Beirrag zur Begriffsdeutung und Terminologie des Minnesangs,
langen nach Rache weckt. Die Beleidigung Kricmhilds im NL bedeurct Tübingen 1940; P. Schmid, Die Entwicklung der Begriffe ,minne, und diebe, im
dabei zugleich
"Leid" und Schmerz (ygl. -+ riuue) über den Verlust des dcurschen Minnesang bis §(alther. In: ZfdPh 66 (1941), S. 117-163; H. §Tallrabe,
geliebten Siegfried. Erec beklagt sin lei (,r. t1t) und schämt sich der Bedeutungsgeschichte der §7orte .liebe, trüt, friedel, wine, minnere, senedrre'
qnire lnd scbande, daß der Zwerg ihn vor den Augen der Frauen mit nebst einem eingeschalteten Kapitel über die Formeln von .liebe, und.leide,,
der Peitsche schlug - er tete als dem d.ä leit geschiht uid will sich und die Phil. Diss. (Masch.) Lpzg. 1925.
Königin rächen. lip st. M.: Ahd. lib > mhd. lip - wie as., ags., an. ä/ - bedeutet 1. das
Im Minnesang ist /e it wie --s arbeit, jämer, humber, nöt und --l. sutere
"Leben", z-.8. den lip geu'innen ngeboren werden", den lip oerliesen
der Schmerz des von seiner Dame nicht erhörten liebenden Mannes. In
"sterbet" lahd. feraÄ > mhd. verch als Sitz des Lebens, "Seele, Geist,
der frühen donauländischen Lyrik ist das Leid noch Gegenstand der Leben" gehört im Mhd. bereits zum veraltenden §(ortgutl. Es bedeutet
Klage der von ihrem Geliebten tetrennren oder .rrerlassencn Frau. Hier 2. "Leib, Gestalt" [ahd. mhd. /icä "Körpergestalt, Aussehen, Leib" ist
wie im Nibelungenlied korrelien das /eui antithetisch der Freude (mhd. nur mehr in der Bedeutung von nhd. «Leiche» und als Suffix vorhan-
liebe), im .Tristan, der Liebe: a/r ie diu liebe leüle z'aller jangeste denl. Sehr häufig bezeichnet 3. lip der ganzen Menschen und dient zur
(zuallerletzt) gi, NL 2328, 4 (ähnlich 17,3) vs. szoem nie oo, iiebi l"it Umschreibung der Person, z.B. min lip "ic.11", Siorid.es lip "Siegfried".
gescbach, dem gescbacb oucb liep von leide nie Tr.2O4 f.
Lit.: H. Adolf, Wortgeschichtliche Studien zum Leib/Seele-Problem. Mittel
Lit.: F. Maurer, Leid. Srudien zur Bedeuungs- und problemgeschichte, beson, hochdeutsch lip "Leib" und die Bezeichnungen für corpus, \üien 1937; G. lsing,
ders in den 6roßen Epen dcr staufischenZeit,l. Aufl. Bern/München 1964. Vortgeographie, T.1, Berlin 1968, S. 70-73.

liep Adj. u. st. N., liebe st. F.: Das aus dem Adj. ahd. liob, liub; mhd. liep list st. M., seltener F.: ursprünglich das erlernte "'l(issen"; denn zugrun-
"begehrenswert, angenehm, erfrculich, licb, gewonnene Abstraktum de liegt (wie in nhd. "lehren"/"lernen") das Präterito-Präsens germ. "/*-
/lep bedeutet zunächst .Vohlgefallen, Freude, Lust,, dann auch ndas .wissen, verstehen, (vgl. gor. laisjan
"lehren").
Liebe", dem man Neigung entgegenbringt, der oder die Im Mhd. bezeichnet /lsr 1. "Veisheit, Klughcit"; 2. "Kunst, !üissen-
"Geliebre,.
Das st. F. /ieäe ist ganz ähnlich
"Lust, Glücksge{ühl, Frcude" und bes. schaft, Kunstfertigkeit, Gcschicklichk si1" (+ bwnst). Zu diescm Bedeu-
"Liebe,. In dieser Bedeutung konkurriert liebe mit -+ minne. V/althcr tungsbereich, der im Lat. mit scientia, ars, disciplind umschrieben wird,
von der Vogelweide setzt in seinen Mädchenliedern der ä6 hen minne die gehören dle siben liste und das außerhöfische Fachwissen. 3. die weise,
liebe entgegen, dre amEnde minne verdrängt hat. kluge, schlaue Absicht oder Handlung, "Lebcnsklugheit, Erfindung"
Nach der Beweisführung von \[. Besch handelr es sich *bei der Vcr- und eben "fi51" (lat. asttutia, d,oLus). Als solche begegnet sie in den
drängung von minne primär tm ein sprachgeographisches, nicht um ein Brautwerbungsfabeln der sog. Spielmannsepik, im.Tristan' und in den
sprachgeschichtliches oder soziologisches Problem, (S. 195): Noch im spätmittelalterlichen Ehebruchsschwänken.
15. Jh. herrschr im Südosten und mitteldeu rschen C)sten liebe vor, wcst,
Lit. (s.o. "kunst,): G. Hermans, List. Studien zur Bedeutungs- und Problemge-
lich davon minne. Luther verwendet - seiner Herkunftslan<lschaft ge-
schichte, Phil. Diss. (Masch.) Freiburg i. Br. l95l; H. Ragotzky, Das Hand-
maß - liebe, z.B. bei der übersetzung der biblischen Dreiheit ,on lungsmodell der äir und die Thematisierung der Bedeutung von gt4ot. ZürnPro-
fiies,
spes, cdritas. Die Ansicht, daß der Gebrauch yon minne nicht mehr blem einer sozialgeschichdich orientierten Interpretation von Strickers.Danicl
"gesellschaftsfähig" gev/esen sei, bedar{ der Revision: .Das Absinken vom blühenden Tal, und dem .Pfaffen Amis,. In: Literatur - Publikum hisrori
von minne in den sexuellen Bereich ist Sekundäreffekt, nicht die Ursa- scher Kontext, hrsg. v. G. Kaiser, Bern 1977, S. 183-203.
che für das Aufkommen des V ortes liebe» (Vr. Besch, S. 195). Im 15.
Jh. liut st. M. N., liute st. M. Pl.: im Sg. "Volk, Menschengeschlecht", im Pl.
begegnet minne im Südwesten und am Rhein noch in allen Anwen-
dungsbereichen, auch in der geistlichen Literatur. Im 16. "Völker", "Menschen, Leute". Ursprünglich bezeichnete der Pl. die
Jh. obsiegt /ie- heer- und dingberechtigten Mitglieder des Volkes der Freien; rnla:. lea-
be - ern Paradigma der für die Entsrehung der nhd. Schriftsprache rich-
di, leudes; leodi, leodes (< lat. Liber) heißen in den Quellen die fränk.,
tungweisenden ostmimeldeutsch-ostoberdeutschen Allianz (s.o. S. l0).
burgund. und westgot. Freien. Die Begriffe umschreiben lat. populus,
das "Staatsvolk", nicht die Unterschicht wie lat. plebs wd z.T. nhd.
"Volk". lm frühmittelalterlichen deutschen Reich repräsenrieren näm-
rr6 5. Semantih 5.5 Bedeutung and BedeutungswandeL an \Yortbeispiebn I r7

lich zuerst die fränkischen, dann auch die sächsischen Freien das Staats- Eid.am fi.J'r Schwiegersohn ist dagegen eine westgerm. Neubildung aus
volk. Im Hoch- und Spätmittelalter erstreckt sich Herrschaft iber hnt einer Zeit, als die Einheirat des Mannes in die Familie der Frau möglich
nt liute, iber das Land und die das Land bebauenden Leute, die - so wurde.
auch im Mainzer Landfrieden die gemeinen /izte - mehrheidich geradc Lit.: G. Ruip6rez, Die strukturelle Umschichtung der Verwandtschafrsbezeich-
keine Freien sind. + d,iet, --> zroic. nungen im Deutschen. Ein Beitrag zur historischen Lexikologie, diachronen Se-
mantik und Ethnolinguistik, Marburg 1984; K. Sprengel, Semantische Merkmale
Lit.: O, Ehrismann, Dier, liur und liute, a.a.O.; ders., Volk, a.a.O.; A.I)opsch, und Universalien am Beispiel der Verwandtschaftswörter. ln: Ahten des 11. Ling.
Die /ezdes und das Lehnswesen. In: MIÖG 4 t ( t926), S. 15 ff.; O. B ru nner, Land Kolloquiums. Aachen 1976. Tübingen 1977, T. 2, S. 135-146; C. L. Gotzmann,
und Herrschaft, 5. Aufl. Darmstadt 1965, Nachdr. 1990 lüber und Leu Sippe. In: Sprachwiss. 2 (1977), 5. 217-258; E. E. Müller, Großvater, Eokel,
"Land
te"l. Schwicgersohn. Untersuchungen zur Geschichte der Verwandtschafisbeziehun-
gen im Deutschen, Heidelberg 1979; \t.1. Jones, German kinship terms (750-
mäc st. M., sekener mäge sw,: ahd. mäg
"Verwandter, (an. rn,igr ange- 1500). Documentation and analysis, Berlin 1990; G. Althoff, Verwandte, Freundc
heirateter Verwandter: "Schwager, Schwiegersohn, Schwiegervarer»; gor.
und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im frühcn
zzägs "Schwiegersohn"). Im Mhd. häufig in der alliterierenden Formel
Mittelalter, Darmstadt 1990; K. Schmid, Zur Problematik von Familie, Sippe und
mAge unde man "Yerwand,te und Vasallen, gebraucht. Vgl. auch Geschlecht beim mittelalterlichen Adel. ln: Zs, f. Gesch. d. Oberrheins 105
-) lriunt. (1957), S. l-62; §(/. König, drv-Atlas zur deutschen Sprache, 10. Aufl. München
Die männlichen Verwandten der männlichen Linie, die Agnaten, hei- 1994, S. 168-171 (mit Karten).
ßer saertmäge; spinnelmäge (< spindel-mäge) oder honemäge (< bone mere Adj. u. sr. N., md. auch F.: Das Adj. ahd. mati ist das, "wovon
plxg") sind die Verwandten von weiblicher Seite, die Kogna-
"Ehefrau, man viel spricht", und bedeutet im Mhd. "berühmt, berüchtigt, bekannt,
ten. Die Familie des Frühmittelalters ist eine Abstammungsgemein- beachtenswert, kostbar, lieb". Das Gegenteil ist unmare, «un§/ichtig,
schaft. Erst im 13. Jh. wird die Sippenfamilie vornehmlich Hausfamilie,
gleichgültig, verhaßt".
nämlich Gemeinschaft von §Tohnung und Besitz. Zu den individuellen
Das Subst. bezeichnet die mündliche oder schriftliche Mitteilung,
Vornamen tritt jetzt ein eigener Familienname.
Mhd. Verwandtschaftsrermini (2.8. im .Parzival,).. oater - muoter - "Nachricht, Neuigkeit, Kunde, Bericht, Erzählung, Rede, Gerücht". Im
engeren Sinne meint mare (vgl, -+ äoentiure, zele) die erzählende Dich-
sun - tobter - s,nester - bru.oder - base (Schwester des Vaters) - muome tung oder deren Gegenstand, dic "Geschichte",z,B. lns ist in ahen mcren
(Mutterschwester, weibliche Verwandte überhaupt) - ?erer (Bruder des
wundtr§ l)il geteit NL 1, 1; bie bät d.az tnere ein end.e NL 2379,4.
Vaters, Sohn des Bruders, «Vetter») - neoe (ticht nur der Neffe, son-
Mere hat sich auch als Rahmenterminus für eine epische Kleinform
dern auch der Schvzestersohn) benennt wie ebeim auch losere Ver- cingebürgert, "eine in paarweise Bcrcimten Viertaktern versifizierte,
wandtschaftsgrade; vgl. lat. nqos - niftel (richt nur die Nichre,
"Enkel" selbständige und eigenzweckliche Erzählung mittlcren [. ..] Umfangs,
sondern die Verwandte überhaupt; vgl. lat. neptis
"Enkelin") - aze deren Gegenstand fiktive, diesseitig-profane [. ..] Vorgänge sind"
(.Ahn", Ur-Großvater, Ur-Großmutter) - suäger (Schwager, Schwie- (H. Fischer, S. 62 f.). Das merc kann implizit oder explizit (als Epi-
gervater, Schwiegersoht) - ebeim (ursprünglich - vgl. lat. aoas * Be-
mythion) eine Belehrung enthalten, aber es ist nicht wie das -+ äispel um
zeichnung des Großvaters, im Ahd./Mhd. v.a. des Mutterbruders, s. deretwillen verfaßt. §7ie die Noaelle erzählt das tnare yon neuen
Tac., Germ.20; auch Neffe). (unerhörten) Begebenheiten. Im Nhd. lebt es in den Diminutiv{ormen
Für das Kind im Mittelalter gelten Taufpate und -patin als geistliche
" Predigtmärlcin " und -Märchen- weirer.
Eltern: Demgemäß heißen sie mhd. gote/göt(t)e (vgl. anord. gudfadir, -
mödir) oder al:ch tot(t)e. A:us lat. pater spiritualis siod mhd. pfetter md Lit.: H. Fischer, Studien zur deutschen Märendichtung, 2. Aufl. bes. v. J. Janora,
Tübingen 1968; Das Märc, hrsg. v. K.-H. Schirmer, Darmstadt 1983 (§fldF 558).
PLte entlehfi; ahd. gigatero > mhd. geaater ist eine Lehnübersetzung
von kirchenlat. cozpater maget st. F., (kontrahiert meit): Ahd. magdd ur,d mhd. maget bezeich-
"geistlicher Mitvater".
Vereinzelr begegnen in nhd. Dialekten noch Erbwörter wie Scbwieger nen wie ahd, diorna und nd. Deezz, obd. Dirndl die uwerheiratete Frau,
für nS6hq,'1st..mrtter", Scbuäher für os6h*1"r"rlrr, er,, Scbnur fir die "Jungfrau, (lat virgo) - in Unterschied zu -+ taip, der verheirateten
uSchwiegertochter", die sich auf eine alte Schicht von idg. Verwandt- Frau und Frau als allgemeiner Geschlechtsbezeichnung, im Unterschied
schaftsbezeichnungen innerhalb der patriarchalischen Großfamilie zu- auch zt --> juncvrozz,e als Standesbezeichnung. So wird die Jungfrau
rückführen lassen, wo nur die Verwandtschaft des Ehemannes zähke. Mar\a olt naget Beoanr\t.
t 18 5. Semantib 5.5 Bedeutung und Bedeutungxt andel an Wortbeispielen t r9
Daneben entwickelt sich im Mhd. fllLr maget auch die heutige Bedeu_ Guten und Schönen, das wahrlich seid Ihr, Frau Mäze") geht es um die
tung «Dienerin», die für mhd. d.ierne sogar ausschließlich gili. Das al- Vereinbarkeit von z inne und berzeliebe mit d,er mäze,ist diese doch die
tertümliche diu, -r»e st. F.
"Leibeigene, Dienerin,, das es Äch im NL Instanz, die allem, was sich ordo-gemäß verhält, die ihm gebührende
828, 4 gibt, stirbt aus- Das nhd. Diminutiv
"Mädchen, (mhd. magetin, Geltung zuordnet. Thomasin von Zirklere lie{elt in seinem .\ü0elschen
magedin) tetk diese soziale Fesdegung nicht. Mhd. dierne ,rerengi sich Gast' um 1215/16 die erste schulmällig diskursive Ausbildung einer
pejorativ im Nhd. zu mäze-Lehre. Im Spätmittelalter verengt sich der Begriff zur bloßen
"Dirne", während nd. "Deern, und obd. *D"irndl,
ganz unverfänglich die Bedeurung .Mädchen, bewahren.
"Mäßigung" und zum Mittelmaß.
Lit.: Iü(. König, dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln un<l Tcxte. 10. Aufl. Lit.: H. Rücker, Mäze und ihre Vordamilie in der deurschen Literatur bis um
München 1994. S. I 12 f., lö7.
1200, Göppingen 1975 (GAG 172); S. Eichler, Srudien über die Mäze. Ein Bei-
man st. M,, liüurzelnomen: ahd. as, man, an. madr, got. manna. l. rrag zur Begriffsgeschichte und Geistesgeschichte der höfischen Kultur, Vürz-
burg 1942; Rittcr, Hist. §üb. d. Philos.,8d.5, Sp.807-825.
"Mensch", 2. "Mann, als Geschlechtsbezeichnung im Gegensatz zu
)1gip;3. "_Ehemann" (arch gemahel(e));4. "Vasall, LehnsÄann, (lat. milte Adj. u. st. F.: Das Adj. bedeutet "freundlich, gütig, barmherzig,
bomo, vasallus, aassus; aIrz. (h)ome, r.,assal). Dazu: mhd. *onschoft
il^t. und vor allem .freigebig". Dem entspricht das Subst. mihe als "Gite,
botn.inium, h.omagitm; afrz. (h)omage)
"Mannschaft,, die SelbstüLerga- Milde, Freundlichkeit, \(ohlwollen, und "Freigebigkeit".
be des Vasallen im vasallitischen Venrag, bestehend als der immiruo
Die mirtelalterlichen Fürstenspiegel zählen die mibe (lar- liberalius,
manuum,,der §(/illenserklärung und dem Treueid ( -> bulde, triuue);5.
clementia, largitas; apro,t, largueza) zt den vornehmsten Tugenden ei-
unpersönl. Pron. oman,.
nes Heren und Herrschers. Das Ideal der mihe, in dem sich anrike, bi-
mäze st. F.: LHd. mäz(z)a zum sr. Vb. rnezzan oab-, zu-, ermessen, blisch-patristische und germanische Traditionen vereinen, entspricht
schätzen, vergleichen, hat zunächst eine durchaus konkreten Interessen in der Realität; denn wie das germ. Ge-
Quantitäts- und Modalbedeu-
tung, Es bezeichnet das
"Maß", eine bestimmte Größe in bezug auf folgschafts- ist das mimelalterliche Lehnswesen auf Gegenseitigkeit ge-
Raum, Zeit, Gewicht, Kraft, auch den nMaßstab", die gründet: Der Herr ist geradezu gegenüber seiner Umgebung zur mibe
"Richtschlup
(lat. mensura, modus). Aber schon in der Benediktinerregel zeichnet sich verp{lichtet. Herrschaft bedarf der öffentlichen Repräsentation. Die
die-Verwendung des \tr(ortes im ethischen Sinne des reÄten Maßes ab, mihe rst ein Medium solch öffentlicher Selbstdarstellung und Verkörpe-
nicht zuletzt unter dem Einfluß der christlichen Kardinaltugend der rung von Herrschaft.
temperdntia.ln der Theologie vervitt mäze d.en Ordogedanken. Vgl. lib.
Reminiszenzen an die Fürstenspiegel-Literatur finden sich z,B. im
sap. XI, 2l omnia. in mensara et numero et pondere disposuisti trrriFrei_
.J1i511s, (v. 5029-5040) bei der Schwertleite und bei der Begegnung mir
dank, .gs56hsfdsrheit' 3, I f. Got bät allen d.ingen gegeben/die mäze,
Gurnemanz im .Parzival, (170, 13 {f.). König Artus gilt im Artusroman
oie sie sulen leben.
als Inbegriff der rzilre.
In der höfischen Dichtung zielt mäze - vgl. auch die aristotelische In Hartmanns .Gregorius, gibt der Fürst von Equitanja vor seinem
mesdtes als die Mitte zwischen einem Zuviel und einem Zuwenie _ auf
Tode dem Sohn einen ganzen Katalog von Herrschertugenden mit auf
das Ideal des Maßhaltens zugunsten der Mitte. Damir isr kein Mitielmaß
den §fleg (w. 244-258):
(lat. mediocritas) gemeint, sondern die Kontrolle der Affekte. Das über_
schreiten besdmmter Grenzen gilt als unhöfisch, auch als unchristlich 244 er sPtuch:,sun, ni zti gemant Er sprach: "Mein Sohn, nun laß dich
(vgl. die Verurteilurrg der curiositas), als oermezzen ("kühn,, aber auch mahnen,

"anmaßend,) - unrnäze, Die ---» zubt als Vorgang und Ergebnis der
als daz dü behahest mire behalte im Gedächtnis
ritterlich-höfischen Erziehung isr auf mäze gerichret. AII das, ivas in der die jungisten l?re die letzte Lehre
höfischen Lirerarur unter + rrg"rt sub.umi"rt und als vorbildliches die dir din tater tate, deines Vaters:
uis getriuwe, u.tis statq Sei aufrichtig, sei beständig,
Verhalten besonders in der Minne und im Kampf interpretiert wird, re_
wi mihe, utis diemiere, sei freigebig, sei bescheiden,
sukiert aus zubt lnd rnAze.
250 u);s rräoele mit güete, sei kühn aber zugleich freundlich,
Die Artusromane Hartmanns kreisen um das Finden d.er mäze, ln utis diner zuht ool bebrot, sei auf deine guten Sitten bedacht,
'V/althers
programmatischem Lied L.-K. 46, 32 f . Aller u.,erdehei ein den benen starc, den armen E ot. sei stark gegenüber den Mächtigen und
fäegerinne, /daz sit ir zewäre, frou,e Mäze (.Ordnerin aller ''rlüerte /alles gut zu den Schwachen.
I2a 5. Semantih
5.5 Bedeutang und Bedeatungswandel an Wortbeispielen
die dinen sobü iren, Die Deinen halte in Ehren,
die vremeden zxo dh hören. die Fremden gewinne dir. In der Feudalgesellschaft und ihrer Literatur isr minne der Leitbegriff
255 tois den uisen geme bi, Halte dich an die Erfahrenen, für die höfische Liebe. Als eine spezifisch historische Erfahrung und
oliuch den tumben swä er si. meide den Toren. wo immer er sei. Deutung des Phänomens Li€be meint hier die b6biu minne die dienende
oor allen dingen minne got, Vor allen Dingen liebe Gott, und werbende Verehrung einer Dame durch den Mann: ein Verhältnis
rihte u'ol d.urch sn gebot., herrsche gerecht nach scinem Gebot., der Unterordnung, nicht eines zweier gleichberechtigter Partner wie in
Der Appell an die miLte als Lohn für das Herrscherlob ttt d.er bunst be- kb bin d.in, d bist min, aber eine personale Beziehung, in der sich zu-
gegnet v.a. in der mhd. Spruchdichtung; denn V/alrher von der Vogel- gleich das Ich und das Dt s ritter urd ororrae, als Mitglieder der stän-
weide und andere fahrende Dichter sind als Berufsdichter in ihrer Exi- dischen Gesellschaft präsentieren.
stenz vom V/ohlwollen der großen Herren abhängig; sie thematisieren Die höfische Liebe ([rz. atltotur cokrtois oder fin 'amor) ist einerseits
gern das Verhältnis von gas, v\d @irt. So tadelt \ü(alther den kargen als liebendes Begehren individueller A{fekt, aoderseits als Anerkennung
Philipp und hält ihm den mihen Salarir als Vorbild vor (L.-K. 19, ,3). gesellschaftlicher Restriktionen normgemäßer höf ischer Verzicht. Gleich-
Nach Erhalt eines Lehens preist er Friedrich ll; Der edel h nec, der wohl ist die höfische Liebe durchaus keine uplatonische" Liebe, weil die
rnibe k nec bät mich beräten nDer edelmütige, der freigebige König hat sexuelle Erfüllung als Möglichkeit präsent bleibt. Konstitutiv für die
mich versorgt" (28, 34). lm Minnes angist es dre orouwe in der Rolle der Minnedichtung ist die permanente, unerlöste Spannung zwischen Begeh-
Lehnsherrin, die der werbetde man um milte bntet. ren und Erfüllung. Der Mann dient der D ame in triuwe ur,d sr,ete, um sein
Über die Bedeutung Ziel zu erreichen: ze u,erder minne [,, ,] dä heret dienst oor und.e näcb
"freundlich" hat sich nhd. "mild" im Gegensatz (P2.511, 15f.). In dieser Anstrengung liegt die erzieherische Funktion
zu <strent» entwickelt; vgl. jedoch "eine milde Gabe". Beim Subst. hat
sich die allgemeinere Bedeutung nMilde, durchgesetzt. der Minne und der Frau für den Mann, der an seiner Leidenscha{t leidet
Lit.: J. Bumke, Mäzene im Mirtelalter. Die Gönner und Auftraggeber der höfi- mit allen Symptomen einer Krankheit (vgl. Ovid und Veldekes .Eneit,).
schcn Literatur in Deutschland ll5O-l3OO, München 1979, S.455If.; Texte; E. Dieses Ideal der nHohen Minne, haben die deutschen Minnesänger
Köhler, Reichtum und Freigebigkeit in der Trobadordichtung. In: E. K., Troba- seit etwa 1170 im vresentlichen unverändert aus der provenzalischen
dorlyrik und höfischer Roman, Berlin 1962, S. 45-72; E. R. Curtius, Europäische Troubadourlyrik übernommen. Enmcheidend ist in beiden Literaturen
Literatur und lateinischcs Mittelalter, 3. Aufl. Bern/München 1961; E. Klein der Bezug des Frauendienstes zum außerliteiarischen Lehensdienst: Das
schmidt, Herrschcrdarstellung, Bern/München 1974; C. Ortmann, Der Spruch- Zcichensystem des Minnesangs beruht weitgehend auf der Vasalli-
dichter am Hof. Zur Funktion dcr \üalther-Rolle in Sangsprüchen mit rzlre- tätsterminologie ) man, ) dienest, l6n, -+ bnld.e, -+ mibe, -+ tritue. -
Thematik. In: \Yalther von der Vogelweide. Hamburgcr Kolloquium 1988, hrsg. Im 15./16. Jh. wird nz inne dwch --.> liebe verdrängt.
v. J.-D. Müller u. F.J. \forstbrock, Stuttgart 1989, S. tZ-35; H. Ragotzky, Die
Ktnst der mibe, Anspruch und Funktion dcr rzrlre Diskussion in Texten dcs Lit.: H. Kusch, ,Minna, im Althochdeutschen. In: PBB 72 O95A),5.265-297i
Strickers. ln: Gesellschafdiche Sinnangebotc mittelalterlicher Literatur, hrsg_ v. D. \Viercinski, Minne. Herkunft und Anwendungsschichtcn eines \flortes, Köln/
G. Kaiser, München 1980, S.77 100; H. H. Anron. Fürstcnspiegel und Herr Graz 19641' D. Klein, Der caritas-minna-Begriff im Psalmenkommentar Not\ers
scherethos in der Karolilgerzeir, Bonn 1968; V. Berges, Die Fürstenspiegel des des Deutschen, Diss. Freiburg 1963; H. Taigel, Minne bei Mechthild von Mag-
hohen und spären Mirtclalrcrs, lcipzig te38. deburg und bei Hadewijch, Diss. (Masch.) Tübingen 1955; L. Seppänen, Zur
Liebesterminologie in mirtelhochdeutschcn geistlichen Texten, Tampere 1967;
minne st. F.: Ahd. minna > mhd- minne
"Liebe" hcißt zunächst eigent- J. F. Poag, Heinrich von Veldeke's .minne,, §/olfram von Eschenbach's .liebe,
lich .liebendes Gedenken"; denn zugrunde liegt die idg. Vurzel'tmen- and .triuwe'. In:JEGP 6l (1,962),5.721-735; F. Neumann, Hohe Minne. [n: Zs.
"denken, im Sinn haben" (vgl. lx. memtnt, reminiscoi, monc,,c, mens; f. Deutschhde.39 (1925), S.81-91; U. Liebertz-Grün, Zur Soziologic des.amour
got. gaminbi, an. minni, engl. min$. counois'. Umrisse der Forschung, Heidelberg 1977.
Der Bcgriff ist nach Umfang und Inhalt sehr komplex. Er meint ein-
mal die unbegründet schenkende, erbarmende, helfende Liebe wie lat. muot st. M., ahd. auch N.: Germ. 'tmöda (vgl. got. möls "Zorn,) um-
caritas llrtd griech. Agape - die Nächstenliebe und die Liebe Gottes zu schreibt eine «starke Seelenstimmung,, auch "heftige Erregung". Im
den Menschen. Zum anderen ist minne wie |at. fraternitas die Brüder- Ahd. vertritt lnt ot lat. anima, cor, spiritus \1nd v.a. mens, animus,
lichkeit, nämlich "[.inrracht, Verbundenheit, jütliches übereinkom- Ahd./mhd. m,rot bezeichnet das gesamte Seelenleben, bes. die Gemüts-
verfassung, die nStimmung" (etgl. mood), im Unterschied zum weniger
men., Schließlich und vor allem aber bedeutet minne die verlangende,
bcgchrende Licbc (lar. azor. griech. Eros). emotionalen -J.tir, doch kann es auch "Gesinnunt, Sinn, Verstand, Ab-
sicht, Entschluß, Wunsch" heißen. Im Nhd. hat "Mut" eine Bedeu-
122 5. Semantih 5.5 Bedeutung und. BedeutungswandeL an Wortbeipielen 123

tungsverengung erfahren. Ebenso umfaßt gemüete als dettet rät aluch konkret ouxilium. Rät ist daneben der "Ratgeber, Bera-
"lnbegriff der gei-
stigen Fähigkeiten und Tätigkeiten" mehr als "Gemür,. ter", die "beratende Versammlung".
ze muote raerden Feste Verbindunge ez @irt rdt m- Gen. "es wird abgeholfen,, z.B. es
"einen Entschluß Iasset"; mit kchendem ruuote ent- oirt rät, daz man [,,.] gedienet bät "man wird belohnt für das, worum
warte Rüedeg4r
"roll Freude antwortete Rüdiger"; /ri ge däbte diu guote man Bedienr hat" MF 84, 26; rit bän "verzichten, sn1§3tr1s1», z.B. er
oil dicke in ir muote "da bedachte die Vortreffliche wiederholt bei sich";
d.az meine ich an den muot «rn meinem Herzen, MF '142, 20 an dem uolde siner reise baben deheiner slahte rät "er wollte au{ keinen Fall auf
muote @il icb tndngiu jär beliben seine Fahrt verzichten» NL 65,4; diner übermüete solde icb oon rebte
"an dieser Gesinnung werde ich immer baben rät "möchte ich mir verbitten" NL 825, 4; ze räte non "Abhrlfe
festhalten"; oalsch geselleclicber muot
"die Gesinnung eincs treulosen schaffen", z.B. uol micb deicb siner börscbaft hän ze räte galfin d.aß
Freundes". "gtt,
ich seiner Herrschaft ein Ende gemacht habe" NL 993, 4.
Der b6be mtaot rn der Minne, beim Turnier und Fest umschreibt die
Hochstimmung und das Hochgefühl der adelig-höfischen Gesellschaft, recke ssr'. M.: A.hd. wrecheo > recch(e)o (ar rehhr, as. urehkio) gehört
z.B, d6 uart im von dem gruoze vil utol geh<zbet der muot NL 292, 4. zum st. Vb. ahd. rehhan "rächen, vergelten, 5s16fep" (vgl. got. wrihan
Der b6be muot als Inbegriff der Daseinsfreude des Rittertums wird me i- "verfolgen", lat. urgere "bedrängen") und bedeutet "Verbannter, Ver-
stens vom blcbmuot als triebener, Landflüchtiger, Fremdling". So im Hildebrandslied, 46*48:
"F{eghrrq Vermessenheit, überheblichkeir"
unterschieden, während übermuot im Nibelungenlied teils positiv, teils .utela gisibt ih in dinembrustim, "An deiner Rüstung sehe ich deutlich,
negativ versranden werden kann. Atch hicbttart isr nicht ohne weiteres tlat d.u habes beme benon goten, daß du zu Hause einen mächtigen Herrn
der uHoffart" gleichzusetzen, sondern meinr ursprünglich die Art, vor- hast
nehm und selbstsicher zu leben. Diese Begriffe können auch gegenein- datdunob bi desemo iche reccheo ni und dall du dieses Herrschers wegen
ander ausgetauscht werden, und in der geistlichen Literatur weräen sie @urt;., noch nicht in die Verbannung hast ge-
ohnehin d,er superbia ztgeordnet.
Lit.: A. Arnold, Studien über den Hohen Mut, Leipzig 1930. Der recleeist ursprünglich der allein + im e//ezle umherziehende Krie-
ger. Daran erinnert eine Szene im Nibelungenlied 341, 1, in der nur vier
orden st. M. : Aus dem Lat. entlehnt, bedeutet ahd. ord,o (o ena) Ptitter in rechen toise die Brautvrerbungsfahn um Brünhild antreten. In
"Ordnung, Reihenfolge, Regel". Im Mhd. um{aßt orden auch das Ge- der Regel sind jedoch mhd,. --l. degen, heb, -;ritter und @igdnt syn-
serz, unter dem eine Gruppe steht: den Stand als oein Stehen in einem onyme "Heldenwörter" für den "Helden, Ritter" geworden.
größeren Ganzen, - lar- status, gradus, ordo, cond.itio; mhd,- auch ö, am-
Lit.: G. \fleber, Das Nibelungenlied. Problem und Idee, Stuttg. 1963, S.212-218;
bet, name, rebt, leben, z.B. Freidank, .Bescheidenheit, 27, 1t Got bdt
E. Wiessner/H. Burger,I)ie hö{. Blütezeit. ln: DVg., Bd. 1,t1974,5.229-233.
driu leben geschaffen: gebA.re, ritter unde pfffin.
riche Adj. u. st. N.: Das Adi. ahd. ribhi, mhd- ricb(e) helßt allerersr
Im.Helmbreht, (v. 289_291) von vernher dem Gartenere mahnt der Meier sei_ .vornehm, mächtig", dann auch "reich, begütert". Das Subst. iche steht
nen Sohn:
als udas Reich" fir lat. impeium, aber auch für den "Herrscher, König"
wan sehen im gelinget, Denn niemals hat der Erfolg (vgl. gor. reihs,lat. rex,-gis).
gehabt,
der uider sinen orden ringet. der gegen seinen Stand außegehn. Lit.: J. Trier, Vorgeschichte des Vortes Reich. In: Nachr. d. AkdV. in Göttin-
din ordenunge ist der phluoc gen, Philol.-hist. Kl. 1941, Nr, 14, S.535-582; R. Ris, I)as Adjektiv reicD im mit
Deiner Herkunft (Lebensordnung)
nach gehörst du hinter den Pflug. telalterlichen Deutsch. Geschichte - semantische Struktur - Stilistik, Berlin/
New York 1971; E. Nellmann, Die Reichsidee in deutschen Dichtungen der Sa-
Lit.: H. \ü7., Med., S. 155-161
[S.336 mit Literaturhinweisen zum ordo- lier- und frühen Stauferzeit, Berlin 196J.
Gedankenl.
ritter, riter, itare st. M: Das Nomen agentis zu .reiten" meinr ur-
rät st. F.: einmal in der konkreten Bedeutung sprünglich den schwergepanzerten Reiter zu Pferde (vgl, frz. cbettalier <
"Vorrat, vorhandene Mit-
tel',, zum anderen in der abstrakten
"Rat, Abhilfe, Ausweg, Hilfe,. Der spi.tJat. cabalhrius). In der mhd. höfischen Dichtung ist aus dem
lehnsrechtlichen Formel auxilium et consilirm entspricht mhd,. üt and nReiter" ein "Ritter" Beworden - ein Begriff, nicht weniger komplex als
belfe,aber die beiden Begriffe sind nicht immer zu tiennen; denn oft be- der des rziles in den historiographischen Quellen:
t24 Semantib \Yortbeüpielen
5. 5.5 Bedeutung und Bedeutungsuandel an r2 t
Hartmann von Aue etwa nennt sich in seinem Prolog zum.Armen s6 sage mir, a er git ritterschaft ?
' dann sage mir, wer verleiht Ritterschaft ?
"
Heinrich, sowohl "riaer" a\s auch *d,ienestmaz" (Ministeriale). Ein IDarauf antwortet Karnahkarnanzl
Ritter kann also einem Herrn dienen. Auf der anderen Seite heißt in ,daz tuot der bi.inec Attül "Das nrt der König Artus.
Hartmanns Arrusroman ein berre hünec wie Erec gleichfalls juncbine, homt ir in des his, Wenn Ihr an seinen Hof kommt, Jun-
'tnd ker,
"ritter". Herrschaft und Dienst, die in der sozial- und rechtsgeschichtli- der brixget iucb an ritters hamn, wird er Euch den Titel eines Ritters ver-
chen Realität grundverschieden sind, schließen in der Fiktion einander
Ieihen,
nicht aus - der Ritterbegriff integriert beide zu einer idealen Einheir.
daz irs iuch nimmer durfet schamn, und zwar so, daß Ihr Euch dessen nie
Dies wird möglich durch die Aufwertung des Dienstes in der höfischen
werdet zu schämen brauchen.
Epik und Lyrik. Hier heißen alle, die einer Dame dienen, die dem Näch- ir mugt aol sin ron ritters art.'
lhr mögt wohl das Zeug zum Ritter ha-
steq in der Gefahrensituation einer äz entiure helfer, und die für Gott im
Kreuzzug kämpfen,
"Ritter". Nach dieser "Definition" verleiht Artus den Titel eines Ritters demjeni-
Joachim Bumke erschließt folgende Merkmale des Ritterbegriffs: ge4 der oon ritters art ist; Man vrird nicht von vornherein als Ritter ge
oIm militärischen Sinn hieß jeder schwergepanzerte Reiter so, gleich boren, aber man bringt die Anlage zum Ritter mit. In der Fiktion legiti-
ob er ein Fürst oder ein Söldner war. miert sich der Ritter nicht einfach durch adelige Geburt, sondern - und
Ritter waren zweitens alle, die zum Gefolge der Könige und der gro- das meint ja auch der alte Topos vom Seelenadel - durch eigene Lei-
ßen Herren gehörten; hier war der Dienst das einzige alien gemeinsame stung. Verdienst ist an Dienst gebunden; Verdienst durch Dienst bringt
Element: je höher der Herr stand, um so mehr waren diejenigen ausge- die verdiente Anerkennung bei Hofe äre.
zeichnet, die sich in seinem Gefolge befanden. Diese Auffassung, die im Artusroman, im .Tristan' und im Nibelun-
Drittens wurde dann der gesamte Adel zu den Ritern gezählt; in die- genlied immer wieder demonstriert und - wie der Streit über Siegfrieds
sem Sinn bezeichnete das §?ort eine Gesellschaft gleicher Lebensformen Status zeigt - problematisiert wird, läßt sich als Posrulat an die histori-
und gleicher ldeale. sche IJüirklichkeit verstehen: Dieses Ideal kam den Aufstiegsbestrebun-
Schließlich stand das V/ort auch noch für die unterste Schicht des gen der Ministerialität mit ihrem gehobenen Sozial- und gemindenen
Adels, die sich seit dem 13. Jahrhundert in den Territorien als Ritter- Rechtsstatus entgegen. Die Bejahung des Dienstes mußte auf der ande-
stand nach unten abzugrenzen begann. ren Seite auch im Interesse der großen Herren liegen. An deren Höfen
Mindestens mit diesen vier Bedeutungen - dazu kommt fünftens der formiert sich im Zuge des Territorialisierungsprozesses seit dem 13, Jh,
religiöse Sinn des ,miles christianus, - hat man es in den Quellen zu tun. eine neue Hofgesellschaft, in welcher die ursprünglich unfreien Ministe
(s. 181). rialen und die aldreien Adeligen nach und nach zu einer Gesellschaft
gleicher Lebensform und gleicher ldeale zusammenwachsen. Bei diesem
Die ritterliche Gesellschaft der Stauferzeit umfaßt den ganzen Adel, aber
Integrationsprozeß spielt das allen gemeinsame Ritterideal eine bedeut-
das Rittertum ist eine gesellscha{tliche, keine ständerechtliche Erschei-
same Rolle. Die großen Leitbilder der folgenden Jahrhunderte, der cor-
nung. Der Riter im geburts- und herrschaftsständischen Sinne begegnet
tegiano des 16., der honnAte bomme des 17,, der gentil 'homme des
erst im Spätmittelalter. Auch das Fest der Schwertleite, das im Zeitalter
18. Jahrhunderts und noch der Kaaalier :und gentleman haben hier lhre
der Kreuzzüge mit dem kirchlichen §üeiheakt des Schwertsegens ver-
Vurzeln.
knüpft wurde, bleibt ein rein gesellschaftliches Ereignis ohne rechtliche
Relevanz. Der Lit.: J. Bumke, Studien zum Ritterbegriff, 2. Aufl. mit einem Anhang: Zum Stend
"Ritter" ist ein Erziehungs- und Bildungsideal der Lite- der Ritter{orschung, Heidelberg 1977; V, Schr6der, Zum Ritter-Bild der früh-
ratur, das nicht fraglos mit der Realität gleichgesetzt werden kann:
mittclhochdeutschen Dichter. In: GRM 53 (1972), S.ll3 351; J. Fleckenstein,
Der tumbe Parzivalbegegnet im Valde vier Reitern, unter ihnen Karnahkarnanz, Zum Problem der Abschließung des Ritterstandes. In: FS rW. Schlesinger. Histo
den er für *Gott" hält. Der Fürst belehrt ihn, daß er und seine Beglciter .Ritter" rische Forschungen, hrsg. v. H. Bcumann, Köln/\ü7ien 1974,5.252171; deß.
seien (Pz. III, 123,3-ll)l Rittertum und ständische Ordnung. In: Mitt. a. d. Max Planck-Gesellsch. 3
(1972), S. 157-170; d,ers., Friedrich Barbarossa und das Rittenum. Zur Bedeutung
der lendppe frigrcfürbdz Der Knabe fragte weiter:
der großen Mainzer Hoftage von 1184 und 1188. ln: FS H. Heimpel,8d.2, Göt-
|
,d,u nennest itter: uaz ist daz
"Du sagst .Ritter,. §/as ist das? tir,gen 1972, S. 1023-1041; H. G. Reuter, Die Lehre vom Ritterstand. Zum Rit-
hästu niht gotliher hraft, rWenn Du nichr die Stärke Gortes
hast, terbegriff in Historiographie und Dichtung vom 11. bis zum lJ.Jahrhundert,
r26 5. Semahtik 5.5 Bedeutung und BedeutungswandeL an WortbeispieLen t 27

2.Aufl. Köln/Vien 1975i J. Johrendt, ,Milites, und .Militia' im I 1. Jahrhundert. sene st. F.: nSchmerz", bes. Schmerz aus Liebe, das liebende, schmerzli-
Untersuchungen zur Frühgeschichte des Rittertums in Frankreich und Deutsch-
che Verlangen - "Liebe". So bedeutet auch das Vb. sezez "seelischen
land, Phil. Diss. Erlangen/Nürnberg 1971; A. Borst (Hrsg.), Das Rittertum rm
Mittelalter, Darmstadt 1976 (\(dF 349) fmit Bibliographic]; K.O. Brogsitter,
Schmerz leiden", liebend, schmerzlich unach etwas verlangen". Das
Miles, cbeoalier, rirer. In: Sprachliche Interferenz. FS V. Betz, hrsg. v. H. Kolb Part, PrÄt. senende > senede > send.e begegnet in Bezeichnungen für den
u. H. Lauffer, Tübingen 1977, 5.421435: Die geistlichen Ritterorden Europas. Liebesschmerz: seneditu n6t, senedez leit/ - ungemdcb, senediu arbeit/ -
Hrsg. v. J. Fleckenstein u. M. Hellmann, Sigmaringen 1980 (Vorträge u. For suare. Eine Erzählung von Liebe und Liebesleid ist im .Tristan, ein se-
schungen 26). nedez ,nare, ein senenare. Der Liebende, der seze empfindet, ist ein se-
ned.are, die Liebende eine seneddrin(ne). Nhd. "Sehnsucht" ist also ur-
riuwe st. F.: ahd. (b)riuua gibt sowohl allgemein lat. dolor sprünglich das schmerzliche Verlangen nach Liebe.
"seelischer
Schmerz" als auch das k)rchetlat. poeniten ra "Reue, Buße" wieder. Im
Zusammenhang mn -> buoze wird die wäre ritu)e zum Lcitbegriff im sin st. M.: Ahd./mhd, stn (vgl. lat. sent s, sententia, sentire; alrz. sen(s)/
.Gregorius' ('t. 74 ff .,
27ü 1., 3369-72). Im Minnesang ist riut»e der saz) gehön zu den §üörtern aus dem "Sinnbezirk des Verstandes"
"Minaeschmerz". Erst im Spärmittelalter wird die umfassende Bedeu- (. Trier). Auf die Ausgangsbedeutung verweist das ahd. Yb. sinnan
tung von "Schmerz, Kummer, Leid" verengt zu "Schmerz über etwas,
"eine Richtung nehmen, gehen, reisen" und "nach erwas streben, begeh-
das man selbst getan oder unterlassen hat" - zu .Reue". ren". Mhd. siz ist die Richtung hin zur Vahrnehmung, die Fähigkeit
einmal der sinnlichen §(ahrnehmung, der Sinn als einer der fünf Sinne,
Lit.: lV. Schröder, Zum §/ortgebrauch von riuwe hel Harrmann und \Molfram.
In: GRM 40 (1959), S. 228 ff.; G. Ising, §7ortgeogr., l, S. 62-66.
zum anderen der "innere Sinn" als Fähigkeit und Ergebnis dieser Tätig-
keit: "Geist, Verstand, Vernunft, Weisheit, Einsicht; Bewußtsein, Besin-
s€lde st. F., aru.ch salecbeit; Mhd, selde bedeutet wie schon ahd,. salid,a nung, Meinung, Ansicht, Absicht."
IJnsin ist dagegen "Raserei, Torheit, IJnverstand; Bewußtlosigkeit".
"Glück, Heil, Seten" und im religiösen Sinn .Seligkeit". Es ist verwandr ]i/ährend ---> muot eher im emotionalen Bereich anzusiedeln ist, zielt stn
mit dem Adj. selec, saLic "wohlgearter, beglückt, glücklich, gut, fromm,
selig". In der höfischen Dichtung bezeichnet selde, dte auch personifi- mehr auf die intellektuellen und radonalen Kräfte, au{ das Vermögen des
ziert als arou Selde auftritt (so bei Hanmann und Valther), die guten Erkennens und Denkens, doch hier gibt es mannigfaltige Überschnei-
Eigenschaften von Mann und Frau, die vom Schicksal, Glück oder durch dungen.
Gottes Segen mit allen Tugenden begabt sind: Mhd. slz ist wie afrz. san /sen(s) eir, poetologischer Zentralbegriff, um
dessen Klärung sich bes. E. Köhler und V. Haug bemüht haben. Chr6-
fil d.e roi Lac, d.er orümeheit rnd sa:lden phlac "der tüchtig
d.iz oas Erec tien de Troyes z.B. unterscheidet nach dem Vorgehen der Rhetodk und
und von Fortuna begünstigt war" Er. 3 f.; min seld,e bät mich wol der geistlichen Exegese für den Artusroman zwischen san urtd matiere.
bedäbt "das Schicksal har es gut mit mir gemeint" Tr. 498; suer an rehte Der Dichter verfügt über einen ihm von Gott verliehenen sen(s); kra[t
girete uend.et sin gemüete, dem aolget selde and lre seines sea(s) findet er in der matiere ("Stoff") einen sez(s) ("§inn, gs-
"himmlisches
Glück" Iw. 3; mit sald.en müeze icb biute if st1n, got börre "mit Deinem deutung") und stellt diesen an der vorgefundenen Materie in seiner In-
Segen möchte ich heute aufstehen, (Herr-) Gott» §tra. 24, 18. terpretation dar.
Ahnlich lobt Gott{ried von Straßburg an Hartmann ,ron L:ue, uie der
Salrle vertritt einerseits lat. beatitudo, felicitas, and,erseits fortuna, wobei
diu mare beide i.zen und.e innen mit uorten und mit sinnen d.wchverwet
scld.e atmeist ein freundliches Geschick meint. Der Begrif{ berührt sich
und durchzieret! @ie er mit rede figieret der äventiure meine! "wie der
mit beil und. --> geläcbe: "Das beil fällt einem z;.t, das gelücke ercigaet
den Stoff seiner Geschichten außen und innen mit Vorten und Ge-
sich, die salde hat man" (R. Strümpell). Gelüche hat im Spätmittelalter
danken koloriert und schmückt! Vie er mit seiner Aussage den Sinn
scld.e verdrärgt, rur nhd. "Seligkeit" hat sich behauptet.
der Erzählung trifft!" Tr. 4621,1f. - \Wort und Sinn sind identisch.
Lit.: R. Strümpell, a.a.O.; Th. Scharmann, Studien über die,Selde, in der ritterli- §(. Haug (S.214f.) folgen. "sin ist zum einen die subjektive Fähigkeit
chen Dichtung des 12. und l3.Jahrhundens, Vürzburg 19.15; A. Salzer, Der des Autors, sinnvoll zu gestalten, rin ist zum anderen objektiv das sinn-
Schicksalsbegriff in der mittelhochdeutschen Dichrung. (Untersuchung der voll Gestaltete [...] des \Vortes im einzelnen wie als Sinn des ganzen
Wörter gelücke, heil, selde), Phil. Diss. (Masch.) F. U. Berlin 1953; Ritter, Hist. Verkes. Und drittens muß dem wiederum der slz au{ seiten des Hörers
\flb. d. Philos., s. v. *Glück". entsprechen".
128 5. Semantih t.t Bed.ertung tund BedeutangsuandeL an Wortbeüpielen r29

sein pflegt, ist es "selten", "in geringem Maße, oder


Lit.: J. Trier, a.a.O.; B. Boesch, a,a.O.; \0. Schröder, a.a.O. [ -l ärzsr]; E. Köhler, "gar nicht vorhan-
Zur Selbstauffassung des höfischen Dichters. In: E. K., Trobadorlyrik und höfi- den," z.B. d.er imbiz lDas im tioe "er hatte nichts zu essen,. Dagegen
scher Romxn, Berlin 1962, S.9-20; W. Haug, Literaturtheorie im deurschen dient das Adv. tiure der Y erstärkung: usehr, dringend, heftig, innig",
Mittelalter von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, 2. Aufl. Darm- z.B. tiure hlagen.
stadt 1992; Chr. Huber, §(ort - Ding - Entsprechungen. Zur Sprach- und Das faktirive Yerb tiuren bedeutet einmal lVert erhöhen, ehren",
Sriltheorie Gottfrieds von Straßburg. In: Befund und Deurung. Zum Verhältnis "an
z.B. des dübte sicb getiuret des hi.inec Guntberes lip.dadurch fühlte sich
von Empirie und Interpretation in Sprach und Literaturwissenschaft. FS König Gunther geehrt" NL 396, 4, zum anderen «selten machen, ent-
H. Fromm, hrsg. v. K. Grubmüller u.a., Tübingen 1979, S. 268-302.
ziehen, berauben" bzw. intransitiv "selten sein, {ehler,", z,B. icb tiure
state Adi. u. st. F.: Das Ad| stai > mhd stete, das mit dem Vb. allen u.,iben.
^hd-
stAn yerwandt ist (lat. srare), heißt
"beständig, fest, unveränderlich, an-
haltend". Im Sinne von triuwe st. F.: Ahd. triwwa > mhd. triulee (as. treuua, got. triggll)a) geht
"Beständigkeit, Festigkeit, Beharrlichkeir" steht
mhd. srare der Tugend der constantia nahe. In Verbindung mit -> triuwe zurück auf gemeingerm. "'trewwo/truuö "Vertrag, Versprechen". Aus
betont state die Dauer im Treueverhältnis zum Lehnsherrn, zur Min- dem Germ. entlehnt sind mlat treaga (seit dem Ende des 11.Jhs. ver-
neherrin oder zum geliebten Mann, Ist stete das Beharren im Guten, so kündet die Kirche wiederholt die pax Dei und eine !üaffenruhe an be-
unstete das Festhalten am Bösen, der Mangel an Festigkeit und Stetig- stimmten Tagen, die treuga Dei) :und akz. trieoe "Y,/aflenstillstand».
keit (vgl. den Prolog zum Pz.). Im Nhd. erhalten haben sich der adv. Das Versprechen der triu,ree impliziert "Zuverlässigkeit, V/ahrheit,
Gen. «stets» und die Ableitungen "srerig", "Stetigkeit". Aufrichtigkeit, Vertrauen, Zuversicht" und "Hilfe". Die Treue als ein
vertragliches Verhältnis auf Gegenseitigkeit ist konstitutiv sowohl für
Lit.: V. Vollmcr, Der Begriff der Triuwe und der Stete in der höfischen Minne- das germ. Gefolgschafts als auch für das mittelalterliche Lehnswesen.
dichtung, Phil. Diss. Tübingen 1914.
Sie verpflichtet zur f-Interlassung aller Handlungen, die zum Nachteil
süeze Adj. u. st. F.: Das Adj- ahd. suozi > mhd. sleze ist dem lat. suat'is von Herrn und Mann ausschlagen könnten. Der feudalrechtliche Begriff
ver-wandt und bedeutet "süß, viohlschmeckend", aber auch wie lat. der Herrentreue wird übcrtragcn auf das Verhältnis zwischen Mensch
dalcis "angenehm, lieblich, reizend, schön, und im religiösen Bereich und Gott sowie auf das zwischen Frau und Mann, und zwar sowohl in
der Ehe als auch in der Minne (+ rrere).
"gnädig, gütig, {reundlich, heilig". Entsprechendes gilt für das Subst.
Gegenbegriff ist die Verletzung der Bindungen in Akten der untriuue
d.iu säeze surnerzit; ein edel süeze wip; der junge süeze h nec ("schöne");
got der süeze ("gnädige"); der süezen Herzeloyde batn "der Sohn der wie z.B. bei der Ermordung Siegfrieds, NL 915,4.
seligen Herzeloyde".
sit got selbe ein triuute ri, «da Gorr selbst Inbegriff der Liebe ist" Pz.
Lit.: §/. Armknecht, Geschichte des'§üortes,süß', Berlin 1936; F. Ohly, Geistigc 462, 19; so velscbe durcb got niemdn mine trirawe «so zsleifle doch nie-
Süße bei Otfried (1969). In: F. O., Schriften zur mittelakerlichen Bedeutungsfor- mand an meiner Aufrichtigkeit, MF 133, 19; bästx triuwe und stateheit
schung,2. Aufl. Darmstadt 1983; ders.. Süße Nägel der Prssion. Ein Beitr. zur
"bist Du aufrichtig und treu» §la. 15,13; icb gibe is mine triuue und si-
theologischen Semantik, Baden-Baden 1989 (Saecula Spiritalia 21). cherlicbe bant "ich gebe Euch mein'§üort und meine Hand dafür" NL
swere Adj. u. sw. F.: Das Adj. bedeutet im konkreten §inn "gswichtig, 2277,1; bl minen triureen, in triuoen, entriuwen "wahrhaftig, wirklich"
schwer,, im übertragenen sind Formeln zur Beteuerung der Glaubwürdigkeit.
"drückend, schmerzlich, unangenehm, be-
schwerlich", das Subst. gleichfalls entweder "großes Gewicht, Schwere"
Lit.r F. L. Ganshof, a.a.O.; V. Schlesinger, Randbemerkungen zu drci Aufsätzcn
oder "Beschwernis, Bedrängnis, Kummer, Leid, Schmerz". Im Min-
übcr Sippe, Gefolgschaft und Treue. In: Alteuropa und die moderne Gesellschaft,
tesang ist swere Ausdruck des Minneleids: icb bän mir selber gemacltet
l-S O. Brunner, Götg. 1963, S. 11 59; H. Helbig, Fidcles Dei et regis. ln: AfK
die swere, daz icb der ger, diu sicb mir wil entsagez Rudolf von Fenis, 33, S.275-306; G. Spiess, Die Bedeutung des §/ortes ,triuwe, in den mittelhoch-
MF 83, lr. deutschen Epen ,Parzival,, ,Nibelungenlied, und,Tristan,, Phil. Diss. (Masch.)
tiure Adj.: "wertvoll, kostbar", im Hinblick auf Personen ohoch- Hamburg 1957; H. Albrand, Untersuchungen übcr Sinnbereich und Bedeutungs
geachtet, angesehen, ausgezeichner». Da das Kostbare meist einen hohen geschichte von ahd. triuwa und mhd. rrll,u,e bis einschließlich Hartmann von
Preis hat, ergibt sich auch die Bedeutung «teuer», im Unterschied zu Aue, Phil. Diss. (Masch.) Göningen 1964; F. G. Gentry, Triuwe and vriunt in the

"wohlfeil, billig".
pa das, was tiure ist, nicht zahlreich vorhanden zu Nibelungenlied, Amsterdam I 975.
r30 5. Semantik 5.5 Bedettung und Bedeatungswandel an Wortbeispielen rJ r

trüt Adj., triutensw. Vb.: Vom Adj. trit


"rratt,lieb, geliebt" ist das Lit.: H. Kunisch. ln: D§/b. u. D\[g. 1, S.213 f{.; W. Bopp, Die Geschichte des
Faktitivum triuten "lieben, liebhaben, liebkosen" (mit stark sinnlicher Wortes "Tugend", Phil. Diss. (Masch.) Heidelberg 1934; G. Eifler (Hrsg.), Rit
Konnotation) abgeleitet, z.B, des tnorgens er ni.der kc, d.az er sin wip terliches Tugendsystem, Darmstadt 1970 (§üdF 56).
trfrte Er.2938 L Die triutinne ist die Geliebte, die Gattin. Der Min- I
l tump Adj.: Die Grundbedeutung ist «stumpf an Sinnen" (got. dumbs
nesang begegnet zuerst um 1160 in einer Mernento mori-Btßpredigt
«stumm»), aber schon im Ahd. geht die Richtung mehr au{
(,Von den tödes gehügede) des sog. Heinrich von Melk, der als Beispiel "unerfahren,
unverständig, einfältig, ungelehn" als auf
der neuen höfischen Mode Liebcslicder - trot4tlißt (trütliet) - tadelt. "dumm, töricht, unsinnig,.
Die Jungen gelten als unerfahren, nunerschlossen", die Alten als -+ o,ise,
-erfahrcn, verständig. bcs.rnnen, weise-.
tröst st. M.: Im Ahd. bedeuter das mit utrauen" (ahd. trnen, triuin) und
«treu» verwandte Vort 1. "Vertrauen, Hof{nung, 7rrusy5i6h1" (engl. Im Unterschied zu der clerici aeL litterati si l'd die illitterati vel idiotae
trtust, ygl. lat. s?es);2. "Hilfe, Beistand, Unterstützung" (lat. auxiLiam)
ungelehrte tumbe leien. So auch in Rugges Leich: ein tumber (.schlich-
und 3. - ausgehend von der Klostersprache - "Trost" (lat. consohtio). ter, einfältiger") rzan iu bät gegeben disen uisen rät MF 96,1. Parzivals
Im Mhd. bezeichnet es auch den "Hel{er, Schützer", z.B. GotL Christus tumpheit ist nicht nur mangelnde Weltkenntnis, sondern auch mangeln-
und Maria, aber im NL 1626, 2 atch Hagen, auf den man seine Zuver- de Gotteskenntnis (H. Rupp), doch solche trmpbeit ist einvah im
sicht setzt - er was d.en Nibelungen ein belflkber tr6st.lm Minnesang ist christlichen Sinne. Das lat. Aquivalent fljr tump ist dementsprechend
nicht nur stzäzs, sondern auch simplex; insofern sind der tumbe Parzival
es die Dame, von der rrrisr,
"Erfüllung,, erhofft wird. wd. Simplätts Simplicissimus Geistesverwandte. Im Minnesang beklagt
Lit.: H. Götz, Leitwörter des Minnesangs, Berlin 1957 (Abh. d. Sächs. Akdrü. zu der Minnende selner, tumben t tt'än, seine "törichte Hoffnung (Illu-
Leipzig, Philolog.-hist. Kl.49, H. 1). sion)". 161 Nhd. ist rzrzp einseitig auf die pejorative Bedeutung von
"dumm" verengt worden.
tugent st. F.: Lhd,. tugund., tuged., twgül ist gebildet vom Prät.-Präs. ta- l,it.: H. Rupp, Die Bedeurung des §Vortcs .tump, im .Parzival' Wolframs von
gd.n <tengen, nützen, und bedeutet dementsprechend Eschenbach. In: GRM 38 (1957),5.97-1,A6 R. Gruenter, Parzivals .einvalt,. [n:
"Tauglichkeit,
Brauchbarkeit, (kriegerische) Tüchtigkeit". Das Vort wurde dann für Euph. 52 (1958), S.297-302; B. Könneker, §resen und §üandlungen der Narren-
lat. virtus (vgl. griech. Arete) verwandt, ein Oberbegriff für die römi- idee im Zeitalter des Humanismus. Brant - Murner - Erasmus, Viesbaden 1966,
schen Tugenden der temperantia, fortiud.o, sapientia, iustitia lnd zn- s.5,28.
gleich für die christlichen der fides, spes wd caritas.
In der hö{ischen Literatur umfaßt tagen, (oft im Pl.) alle guten Eigen- urloup st. M., N.: Die Nominalbildung ürloup verhäk sich zum Vb. ez-
schaften, die höfische Vorbildlichkeit und Vollkommenheit schlechthin, l6uben wie ürteil zt ertiilen. Allgemein die "Erlaubnis", im besonderen
die "sachgerechtes, weltläufiges und religiöses Verhalten in eins, setzt auch die "Erlaubnis zu gehen, Abschied", die der Herr oder die Damc
(H. Kunisch). So wird Rüdiger im Nibelungenlied 2202,4 der oater aller gibt. Die Tageliedsituation kulminiert seit Volfram häl.t{ig rm urloup,
tugende ("aller ritterlichen Vollkommenheit") genannt. lm Minnesang wenn es im Augenblick des Abschieds noch einmal zu einer letzten Ver-
heißt es von der Dame: si bät micb mit ir rugende ("Gite") gemacbet einigung der Liebenden kommt. Im Nhd. ist "Urlaub" auf die zeitweili
ge Befreiung vom Dienst u.a.m. ausgedehnt worden.
lei.des ori MF 4,21.
Die tugent, oft mit -+ mäze tnd -+ zubt verbunden, beruht auf Anla- veige Adj.: Die Grundbedeutung ist wie rm an. feigr "zum Tode be-
ge und Erziehung (l6re). Es gibt in der höfischen Literatur Ansätze zu s1i111111s" (vgl. lat. moribund.us). §(enn es im Nibelungenlied 150,2 dA
einer Tugendlehre und eine Rangordnung der Güter, aber kein sterbent udn die aeigen heißt, so entspricht dies ganz dem heroischen
"ritterliches Tugendsystem" (G. Ehrismann, l9l9), keine förmlich sy- Denken und ist nicht mit mhd. zage "feige" zu verwechseln. Aus mhd.
stematische Grundlegung des ritterlich-höfischen Verhaltens, vielmehr zeige entwickelt sich offensichtlich nhd. .feige,, weil derjenige, der
ein "Schweben zwischen vielen, teils nahe verwandten, teils auch pola- weiß, daß er sterben muß, sich womöglich doch nicht wie ein Held,
ren Idealen" (E. R. Curtius). sondern furchtsam verhält.
Tugend als lnbegriff des Sinlichen wird im Nhd. - außerhalb der volc st. N.: Im Ahd. überschneiden sich die drei Kollektiva /o/ä,
philosophischen Vertethik (M. Scheler) - zum Moralbegri{f verengt, -+ d,eota und -> liuti, z:;rr:,al bei der Überserzung von Iat. gens, populus
vgl. z.B. die nTugend" einer Frau. wd plebs (s. o. diet).
1J2 5. Semantib 5.5 Bedeutung und Bedeutungswandel an \Yonbeispielen IJj
In den Straßburger Eiden von 842 beginnt die Invocatio romana lin- nFreund, und/oder der gemeint, gelegentlich auch der Va-
"Geliebte"
gua; ,Pro deo arnul et pro cbristian poblo et pro nostro commtn salua- sall. §(i alther (L.-K.79,22-24) iber mäc wd oriwnt:
ment [. . .], tead.isca lingua:,ln god.es minna ind. in tbes cbristianes folcbes
mägschaft ist ein selboabsen Are: Verwandtschaft ist eine Ehre, die einem
ind unser bed.hero gebabnissi [.. ./ "Aus Liebe zu Gort und zur Erlösung von selbst/ohne Verdicnst zufällt.
des christlichen Volkes und unser beider". Im Hildebrandslied v. 27 ist Freunde muß mrn sich mühe,oll verdie-
sö muoz man fiunde oerdienen sare
die Kriegerschar gemeinc ber uas eo folcbes at ente "immer ritt er dem
Heer voran". Vom 9. bis ins 13. Jh. schränkt das dominierende üzr den taäc hiLfet tool, friunt vene baz Nützlich ist ein Verwandter, doch cin
Gebrauch von zo/ä ein. Frcund um vieles mehr.
Im Mhd. bedeutet oolc y.a. die .,Heerschar", das "Kriegsvolk,, ähn-
Das movierre Fem. vriundinne ist die "Freundin" und/oder die "Ge-
lich mhd. ber, bere st. N. "Heer, Kriegerschar,: icb u,ene d.az oolc de-
liebte". In einem Lied der Neuen Hohen Minne \(/althers soll nsie" ihm
beinez grezer angest ie gewdn "Ich glaube, keine Kriegerschar geriet je
in größere Bedrängnis" NL 2111, 4. ftiundin vÄ fror»e in einer utete (in eir,em Kleid/einer Erscheinung)
sein, friunt vrd geselle will er ihr sein (L.-K. 63, 8).
Für das gemeine Volk im verächtlichen Sinne bürgern sich pouel
+ mäc; --> ämis, --t geselle etc.
"P;5bel" (lar. populus,ltz. peuple, engl. people) und baufen als Synonyma
ein. Volc konkurriert auch mit natio, einem Begriff, der als Synonym für vrouwe st. F., vor Namen und in der Anrede auch in der abgekürzten
Form orot: Ahd. froutta tst (wie an- Freya nt Freyr) die Femininbildung
"Volk, Stamm, Landsmannschaft" zunächst nur eine gcographische Ba-
sis für gemeinsame Herkunft voraussetzt, sich dann im 16, Jh, aber vor- zt ahd. t'rö «Herr» (got. frauja), also die "Herrin, Dame", auch die
nehmlich auf die Repräsentanren des Volkes bezieht. Die ungeheure Gottesmutter ("Unsere liebe Frau", "Notre p"ms"). In der Regel ist
Aufwertung, die der Begriff uVolk, um 1800 erfährt, beginnt bereits bci ml.d. orour»e eine Standesbezeichnung, mhd. -+'a,ip eher eine Ge-
den barocken Sprachgesellschaften. schlechtsbezeichnung, und dieser Unterschied gilt auch für das Verhält-
nis von -+ juncuroutoe, vrowweLin wd -) maget.
Lit.: O. Ehrismann, Volk, a.a.O., S. 7l fI. Zu Beginn des 13. Jhs. scheint der Minnekult um die zrouwe das sti.n-
disch indi{ferente wip h den Schaten gestellt zu haben, jedenfalls wird
vriedel st. M., (vriedele sw. F.): der "Geliebte", auch der geliebte Ehe- die Bewertung von u,ip undorouwe zum Gegenstand dichterischer Aus-
mann. Das §(ort ist in der Heldenepik (NL 847,3;2372,): daz truoc min
einandersetzung. V/alther von der Vogelweide: wip muoz iemer sin der
bolder oriedel, do icb in jungest sacb) urd, im Minnesang bei Dietmar t»ibe b\chste narne, und tiuret baz dan frowe, als icbz erhenne ("'Frav
von Eist (Skfest du, oriedel ziere MF 39, 18), Valther 39, 22 und Neid-
wird immer die höchste Bezeichnung für das weibliche Geschlecht sein
hart (49, 6; 68,31;7 8, 22) belegt, also im bairisch-österreichischen Raum.
und ehn meiner Meinung nach mehr als .Dame,,) L. K. 48, 38 f., und
Eine uFriedelehe" beruht lt. H. Meyer (vgl. jedoch E. Ebel) auf der oip d|st ein name d.ers alle hrenet L.-K. 49, 11. In der Spruchdichtung
freiwilligen Übereinkunft beider Partner; sie respektiert beider Gleich- um 1300 nimmt Frauenlob das Thema wieder auf und beharrt gegen
wertigkeit (die Frau steht nicht unter der munt des Mannes) und ist je- Barthel Regenbogen a:uf frouwe als Ehrcnbe zeicluung für die Frau,
derzeit lösbar. Ein Mann wohnt mit seiner Gcliebtcn zusammen und während Rumelant den Streit für überflüssig erklärt.
.geht bei Licht in ihr !,611". Die Offenkundigkeit der Verbindung
Seit dem Spätmittelalter verliert "Frau" die ständische Bedeutung, es
(Heimführung, Beilager, Morgengabe) scheidet die Friedelehe vom rei-
bezeichnet das weibliche Geschlecht und heute auch die unverheiratete
nen Kebsverhältnis (--s hebese, --> uine).
Frau. Für die vornehme Frau ("Gnädige Frau" in der Anrede) hat sich
Lit.:E. Ebcl, Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen. Philologische seit dem 17./18. Jh. "[x6e" gehalten.
1V. König hat versucht, die Entwicklung des Vortfeldes Frau vom
Srudien zur sogcnannten "Friedelehe", Berlin/New York 1993.
Althochdeutschen zum Neuhochdeutschen graphisch darzusrellen:
vriunt st. M., vriundinne st. F.: Das \Vort ist eigentlich wie beiknt,
uigant, viant, välant ("Teufel") ein substantivierres Part. Präs.: ein
"Liebender" (vgl. gor frij1n "lieber" - frijinds "Freund"). Die älteste
Bedeutung ist (an. froend.i
"Blutsverwandter" vs. rzlSr
"Verwandter"
"angeheirateter Verwandter"); im Mhd. sind jedoch häufiger der
r34 5. Semantih 5.5 Bedeutung und BedeutangswandeL an Wortbeispielen I3 t
Lit.: \7. Kotzenberg, a.a.O.; W. Mohr, Die "vrouwe" §(althers von der Vogel-
l ;;;l--- l-----i;^,dn -;;M1 weide. In: ZfdPh 86 (1967), S. 1-10; B. Vachinger, Sängerkrieg. Untersuchungen
(tt@ddlf-- th@rtußtuj zur Spruchdichtung dcs 13. Jahrhunderts, München 1973, S. 188-246.
I huo,a
r "', rL I

I
vrum Adj,: Das \iüort, das mit got. fruma «erster» und lat. primus ver'
wandt ist, bedeutet "brauchbar" (ahd,. fruma st. F. «Nutzen, Vorteil"),
began, der ritter
"rechtschaffen, tüchtig, mp{er, brav". Erec dO abten
ioare d,ebein lrtutn mdn "Erec gewann danach den Eindruck, der Ritter
könne kein anständiger Mensch sein" Er. 66f. Die im Mhd. noch seltene
Vali2nte "gottgefällig, gottesfürchtig" (lat. pi*s) hat sich seit dem 16. Jh.
mit nhd. .fromm" durchgesetzt. Das Subst. pr mecbeit "Tüchti8keit,
Tapferkeit, Trefflichkeit, wird auf nhd. "Frömmigkeit, eingeengt.
Lit.: E. E. Müller, Das mittelalterliche und das reformatorische "fromm". [n:
PBB(§U) es (1e71), S.333-357.

wän st. M.: Aus der Grundbedeutung ..Erwartung» erteben sich zwei
Bedeutungskomponenten:
1. auf Zukünftiges bezogen: "Hoffnung, unsichere Erwartung, Zuver-
5i6[1,, auch "Absichr". Im Minnesang ist der tumbe wän die
"vergebliche, trügerische Hoffnung, lllusion,.
Vgl. die Kritik Hart-
manns von L:ue: Ir minnesinger, iu muoz ofte misselingen, daz iu den
schaden tuot, d.az ist der uän "lhr Minnesänger, Ihr müßt ja scheitern.
Ihr seid erfolglos, weil Ihr Euch auf die bloße Hoffnung verlaßt" MF
218,2t f.
(Für die biblische spes konkurrieren dagegen mhd. -+ gedinge, boffe-
nrnge sr\d z uoversiär miteinander.)
2. auf Gegenwärtiges gehend: «Vermutung, Meinung, Ansicht", Davon
r- ;;tu^ ist das sw. Yb. uenen abgeleitet: "meinen, glauben, 'n61mu1qn"; vgl.
z.B. im .Tristan,, v- 18.222f[. Markes Schwankcn zwrscher, uizzen

E] wd wenen. (äne wän, sunder wän "gewiß"; näcb uäne "a:ulrs Geta-
tewohl").
Lit.: I. Ruttmann, Die Bedeutungskomponente des Trügerischen in mhd. .wän,
und .wrnen', Phil. Diss. (Masch.) Frankfurr a.M. 1965; H. Götz, a.a.O.

wigant st. M.: Eigentlich das Part. Präs. eincs Verbs für "kämpfen": ahd.
ubar-slehan "siegen, widerstehen", got, ueiban, vgl.lat. oincere, Es isr
verwandt mit dem st. M. s,i6 "Kampf, Krieg, Schlacht"; uicgeu,ant
Abb. 7: Entwiblang des Wonfeld.es Frut oom Althochdeutschen zum Neu- .Streitgewand", einwic "Einzelkamp{", z.to L«rlic "Kampf zweier Heere".
bochdeatschen (In: V/. König, dtu-Aths zxr deutschen Spracbe. 10. Aufl. Mhd. uigant wird wie beh, -.> recbe, -+ ritter, "t degen als Bezeichnung
Müncben 1994, S, 112) für den tapferen Krieger gebraucht, lm Laufe des 13.Jhs. veraltet das
\Wort.

wine st. M. F.: Das in der höfischen Sprache ungebräuchliche Vort be-
deutet "Freund, Geliebter, Q211s» bzw. "Geliebte, Beischläferin, Gat-
tin,. Im Frauenstreit des Nibelungenliedes beschimpft Brünhild ihre
IJ5 5. Semantih 5-6 Zam Übersetzen aus dem Mittelhocbdeutscben r37

Schwägerin Kriemhild als Beischläferin eines Leibeigenen, als er'gez Lit.: J. Trier, a.a.O.; Renatc Schmitt-Fiack, \(ise und wisheit bei Eckhart, Tauler,
mannes @ine 822,2. Seuse und Ruusbroec, Mcisenheim/Gl. 1972; G. lsing, I, S. 53-61.
In der dörperlichen Tanzdichtung Neidhans kehrt der Terminus toi-
nelicdel wreder, der sich zuerst in einem karolingischen Kapitular von witze st, F.: Das Abstraktum zu "wissen', umfaßt schon im Ahd. ähnlich
789 findet, wo Klosterfrauen untersagt wird, uuinileodos scribere vel wie -+ uisheit "Verstand, Vernunft, Einsicht, Klugheit, Weisheit". Bei
mittere. Obgleich ahd. wini sowohl den "Freund" als auch den Otfried von 'Weißenburg und Notker entspricht ahd. uizzi lat. mens
r^d rdtio. Die mhd. Hauptbedeutung ist uVerstand,,. Der "Puer senex"
"Geliebten" meinen kann, werden hier doch wohl eher Liebeslieder als Gregorius ist z.B. der järe ein kint, der u,itze ein man (v. 1180). Das
gesellige Lieder unter Freunden yerhoten. -+ amis/amie, -+ geselLe,
--> hebese, -+ triutinne, -+ oriedel, --l. vriunt/oriundinne
Vort steht auch der fruotheit (< Ldj. fruot "gesund, frisch; klug, ur-
teilsfähig") nahe - vgl. lat strenuitas, prudeztia. Im Spmhd. stellt Kon-
l,
Lit.: H. de Boor, Art. "winileod,. In: RL, Bd. 1928/29, S.5a3; G. Baesecke, rad von Megenberg (ß5$ wishait z\ sdpientia lnd uitz z\ prudentia.
Vorgeschichte des deutschen Schrifttums, Halle 1940, S.340-351; P. B. Vessels, Der Pawr stirt witzig (seiner selbst bewußt) Iautet ein Schlagwort von
Zur Vesensbestimmung des \ü(ineliedes. In: Neophilologus 41 (1957),S. tgt5, 1525. Im 18. Jh. erfährt n§(/itz, unter dem Einfluß von lat. izgenium, {rz.
esprit wd engl. uit etne Bedeutungsverengung: Man hat §fitz, nämlich
wip st. N.: l. Allgemein "Frau" als Bezeichnung für das weibliche Ge-
das Talent zu geistreichen Einfällen, die dann auch als "\iflitze" kursie
schlecht - wie -+ man lür das männliche: ein man ein uip, ein wip ein
ten.
man, Tristan Isoh, Isolt Tristan. Anders aIs bei -+ orouwe karrn von uip
ohne Rücksicht auf den Stand gesprochen werden: jä muget ir an der Lit.: I7. Schmidt-Hidding, K. O. Schütz, \f. Hempel, Humor und \Vitz, Mün-
trowwen/d.az schqniste taip schouuen. Venn allerdings von einer Frau chen 1963.
niederen Standes die Rede ist, so heißt sie wip :und nicht orouwe.
Im besonderen ist 2. zoft die Frau, die mit einem Manne verkehrt (im zuht st. F.: Das Verbalabstraktum zu ahd. zioban nziehen" meint einmal
Gegensatz zu ) mdget). Fnr Qlich) zuip das "Aufziehen, Versorgen», zum anderen das Ziehen in eine bestimmte
"Ehefra! sind im Alemann. Richtung, nämlich das "Erziehen, Bilden, Belehren, Züchrigen,, und
daneben die Bezeichnungen uirtinne und biwroutoe, im Bair.-österr.
hirsarouwe und hone (< ahd,. quena) gebräuchlich. Zt mhd gemabele/ schließlich die "Erziehung, Bildung" als Ergebnis.
gernabel "Braut, Gemahlin" das sich als sw. st. Fem. (u. frnhd. Neutr.) In der höfischen Literatur drückt zubt d;\e Übereinstimmung von
zum gleichlautenden Mask. stellt, s. o. ) brrt. innerer Gesinnung und äußerem Benehmen aus: «edle Bildung, Fein-
In der Gegenwartssprache wird "\7eib" als abwertend empfunden gefühl, Liebenswürdigkeit, Höflichkeit" und "feine Lebensart, An-
und durch .Frau, ersetzt - im Unterschied zu "weiblich" (vgl. .frau- stand, höfische Manieren", geprägt von -+ mäze. Der Mangel an
lich") und .\(eiblichkeit". zubt ist unz bt, der Verstoß gegen die guten und feinen höfischen
Sitten, das ungehörige Betragen, keineswegs nur nhd. "Unzucht,.
Lit.: G. A. R. de Smet, ,Ehefrau, in den altdeutschen Originalurkunden bis zum Im Spätmittelalter zeichnet sich wie bei -+ tugent eine Verengung
Jahre 1300. Eine historisch-wortgeographische Skizze. ln: t S K. Bischofi. Hrsg. aufs Moralische ab: "Zurückhaltung, Sittsamkeit, Keuschheit" - eine
v. G. Beflmann u.a., Köln/§/ien 1975,5.27-39; J. Erben, nEhefrauen, in der
Sprache Martin Luthers. In: wortes anst. FS G. de Smer, ed. H. L. Cox u.a., Leu-
Tendenz, die vorschnell als "Verbürgerlichung,, interpretiert worden
vcn 1986, S. 137-142; K. Bischoff, @,f, ololte und ihresgleichen im mittelalterli- ist.
chcn Elbostfälischen. Eine wortgeschichtliche Sodie, §fiesbaden 1977 (Mainz.
Lit.: H. Kunisch, D§üg., Bd. 1,21959, S. 215 ff.
Akd\( u. Lit., Abh. d, geistes- u. sozialwiss. Kl. 1977, Nr. 6).
wise, wis Adj.: Die Grundbedeutung ist
"wissend,, nicht nur uabgeklärt,
abwägend, einsichtig, weise" (wie lat- sapiens), sondern auch
"klug, (wie 5.6 Zum Übersetzen aus dem Mittelhochde utschen
lat, prudens), und zwar v.a. durch Erfahrung, im Gegensatz zv -s turup,
Das seltenere hhtoc meint nicht nur
"geistig, fein, klug", sondern auch Das Mittelhochdeutsche als Ausgangssprache ist im Vergleich zum
«zart, nett, artit, hübsch,. Mhd. zoisheit umfaßt
"Erfahrung, Gelehr- Neuhochdeutschen als Zielsprache eißer Übersetzung keine Fremdspra-
samkeit, §üissen" und "Verstand, Klugheit, Veisheit,. Als letztere zählt che, sondern eine ältere - uns mehr oder minder fremd gewordene -
sie zu den vornehmsten Herrschenugenden.
Sprachstufe des Degtschen. In dieser historischen Distanz und zugleich

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