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deutsch lk q4 pascal burkhardt 08.03.

2021

Gedichtvergleich "Heimkehr"/ "Im Grase"

Das 1954 veröffentlichtete Gedicht "Heimkehr" von Hans Bender handelt von der Heimkehr eines deutschen
Soldaten, der kurz zuvor aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen wurde. Bender möchte die Rezipienten mit
seinem Gedicht in die Gefühlswelt eines ehemaligen Soldaten/Kriegsgfangenen eintauchen lassen, der mit der
Rückkehr in seine Heimat wortwörtlich die ersten Schritte zur Resozialisierung in die Nachkriegsgesellschaft
antritt. Das Gedicht ist aufgrund seines Erscheinungsdatums und seiner thematischen Auseinandersetzung in
die Nachkriegslyrik einzuordnen.

Das Gedicht besteht aus zehn Versen, die sich auf zwei Sätze aufteilen und nicht in Strophen unterteilt sind. Die
Zahl "10" steht in der katholischen Kirche im göttlichen Zusammenhang, da es die "10 Gebote" sind, die das
"katholische Grundgesetz" bilden. Außerdem hat die "10" die biblisch-symbolische Bedeutung der
Vollkommenheit, was sich inhaltlich mit dem "vollkommenen" Gefühl des Soldaten durch die Rückkehr in seine
Heimat verbinden lässt. Es gibt kein durchgängiges Metrum und auch kein erkennbares Reimschema. Diese
unkonventionelle und freie Form der Gedichtsschreibung ist charakteristisch für die Nachkriegslyrik, die sich
ungeschönt und unmittelbar der Realität widmete. H.Bender hat das Gedicht in der 2.Person verfasst, womit
man sich als Leser direkt angesprochen fühlt. Desweiteren ist die deskriptive Sprache des Autors auffällig, die
sich in der zahlreichen Verwendung von adjektivischen/adverbialen Attributen widerspiegelt ("...großen
Schuhen(...)blattgefleckten Wegen(...)zögernd pocht(...)stumme,neue Tür.",vgl.V.2-10) und zusammen mit der
"Du-Form" dem Rezipienten die Möglichkeit bietet, sich gedanklich in die Gefühlswelt und Umgebung der von
Bender aufgebauten Szene hineinzuversetzen.

In den ersten beiden Versen greift der Autor die Armut und Mittellosigkeit des ehemaligen Kriegsgefangenen
auf, der sich "im Rock des Feindes"(V.1) und "in zu großen Schuhen"(V.2) auf dem Heimweg befindet. Da alle
deutsche Kriegsgefangene der alliierten Westmächte bereits 1948 entlassen wurden, entstammte der
Protagonist wahrscheinlich einem Gulag der Sowjetunion, im Gegensatz zu den Kriegsgefangenenlagern der
Westalliierten, wo die Wärter oftmals ein fast freundschaftliches Verhältnis zu den deutschen Insassen
pflegten, mussten die Insassen im Gulag Schwerstarbeit bei Kälte und mangelnder Verpflegung verrichten. Dies
würde dann nämlich auch die Bezeichung "des Feindes"(V.1) erklären. Nach dieser Beschreibung der Kleidung,
wird der Leser in die Jahreszeit der Szene eingeführt, den Herbst(vgl.V.3). Der Herbst steht symbolisch für das
Loslösen von Allem, dass überflüssig oder unterdrückend ist. Auf dieselbe Art wie die Bäume langsam Blatt für
Blatt fallen lassen, befreit sich dazu analog die Seele des ehemaligen Kriegsgefangenen auf der Heimkehr
Schritt für Schritt von all der negativen Energie/den negativen Erlebnissen der vergangenen Zeit. Passend zu
meiner These verhält sich dazu der Neologismus "blattgefleckten"(V.3) und die offensichtliche Anspielung auf
das martialisch-kriegerische Wort "blutbefleckt". Auch könnte der Herbst als Vorläufer der winterlichen Kälte
interpretiert werden, wodurch auf die bevorstehenden Schwierigkeiten bei der Resozialisierung des
Kriegsveteranen aufmerksam gemacht werden soll. Während der erste Satz von Vers 1-3 sich mit äußerlichen
Beschreibungen befasst, wird im zweiten Satz von Vers 4-10 mehr auf die Gefühlswelt des Heimkehrers
eingegangen. Sinnbildlich für die Aufbruchsstimmung und den Beginn eines neuen Lebensabschnittes werden
krähende Hähne in Vers 5 eingeführt, die mit ihrem Krähruf bekannterweise einen neuen Tag einläuten und in
diesem Falle die (Vor-)Freude des Protagonisten auf seine Heimat in den Wind krähen (vgl.V.5f.). Die doch
recht positive,feierliche Stimmung wird in den folgenden Versen unterbrochen, einerseits durch einen kurzen
Einblick auf die körperliche Verfassung des ehemaligen Kriegsgefangenen, der augenscheinlich abgemagert
ist("Knöchel",V.8), und dadurch dass er nun vor der "stummen, neuen Tür"(V.9f.) des Hauses "zögernd
hält"(vgl.V.7), in dem er, wie ich annehme, vor Kriegsbeginn wohnhaft war. Das zögerhafte Halten des
Heimkehrers vor der neuen Tür interpretiere ich als Angst vor der Veränderung oder aber auch als Angst vor
dem Unbekannten, da er mit Sicherheit in der Gefangenschaft desöfteren sein altes Leben potenziert hat und
die kleine Veränderung, einer neuen, ihm unbekannten Tür, seine Traumvorstellung, dass alles wieder so wie
früher wird, aus dem Gleichgewicht gebracht hat.

Das Gedicht "Heimkehr" beschäftigt sich vorrangig mit den psychischen Folgeschäden und
Resozialisierungsschwierigkeiten von Soldaten/Kriegsgefangenen nach dem 2.Weltkrieg. Hans Bender hat in
dem zehnverskurzem Gedicht die Problematik von Leuten beschrieben, die über einen längeren Zeitraum von
ihrer Heimat getrennt waren und mit Veränderungen konfrontiert wurden. Die zwischen Vorfreude und Angst
vor dem Ungewissen schwankende Gefühlswelt des Heimkehrers wurde trotz der Kürze des Gedichtes und des
überwiegenden Verzichtes von stilistischen FIguren eindrucksstark rübergebracht. Meiner Meinung nach ist die
Thematik des Gedichtes zeitlos, da sie sich problemlos auf Gefängnisinsassen, Flüchtlinge und Obdachlose der
heutigen Zeit beziehen lässt, sodass das Gedicht nie an Aktualität einbüßen wird.

Das Gedicht "Im Grase" von Friedrich Georg Jünger wurde 1952 veröffentlicht und beschreibt eine Muße in der
Natur. Derjenige, der sich in die Natur begibt, treibt und verliert sich in der Schwerelosigkeit und
Unbegrenztheit der idyllischen Natur, bis zum Punkt, dass er eins mit ihr wird. Das Gedicht ist in die
naturmagische Lyrik der Nachkriegsliteratur einzuordnen, die die beseelte, mystische Natur als Grundlage jeder
menschlichen Existenz darstellte und mittels idealisierender Naturbeschreibungen den Menschen in der
Nachkriegszeit ein eskapistisches Verhalten hinsichtlich der Nachkriegsaufarbeitungen nahelegte.

Das Gedicht ist in sieben Quartette aufgebaut, was hinsichtlich der biblisch-symbolischen Bedeutung sehr
interessant ist. Die sieben verkörpert als heilige Zahl die Ganzheit und Fülle, so ist etwa der 7. Tag der
Sabbattag und das 7. Jahr das Sabbatjahr. Im Kontext des Gedichtes könnte die Zahl sieben auf die ewige
Sehnsucht des Menschen nach Ganzheit,Fülle und Vollkommenheit verweisen, die der Autor mit der Muße im
"locus amoenus" zu stillen sucht. Das Metrum des Gedichtes ist ein fünfhebiger Jambus, was die heitere
Stimmung des Gedichtes verstärkt. Zudem fallen die vielen männlichen Kadenzen auf, welche längere
Sprechpausen beim Zeilenbruch provozieren. Das Reimschema ist eine Art partiellen Kreuzreimes, wobei
lediglich immer zwei Verse pro Quartett reimschematisch zusammenhängen. Damit könnte Jünger intendiert
haben die inhaltlichen Versverknüpfungen hervorzuheben. Zusätzlich gibt es eine Reihe an Enjambements, die
das Gedicht harmonischer und flüßiger gestalten. Die Sprache des Gedichtes ist reich an rhetorischen
Stilmitteln: Personifikationen, Tautologien, Metaphern und Akkumulationen sorgen für eine künstliche
Sprache, die an das poetologische Konzept der Romantik erinnert.

Die erste Strophe widmet sich der Einführung des Rezipienten in die Thematik des Gedichtes. Hierbei ist es
auffällig, dass es kein lyrisches Ich gibt, dass von seiner subjektiven,individuellen Naturerfahrung spricht,
sondern stattdessen anaphorisch Indefinitpronomina verwendet werden (vgl.V.1f), die eine Verallgemeinerung
und Allgemeingültigkeit für die folgenden Aussagen folgen lassen. Besondere Gewichtung bekommt, durch das
Einsetzen eines Enjambements, die Tautologie (vgl.V.3), die das Lossagen von zivilisatorischer Hektik und Arbeit
beschreibt. Die Ellipse im folgenden Vers (vgl.V.4) kann man als allgemeine Lebensweisheit bzw.
Zusammenfassung der vorangegangen Verse verstehen. Sie verdeutlicht den mystischen Charakter der Natur,
der einen alles nebensächliche vergessen lässt und den Fokus auf das Einswerden mit der Natur schärft.
Aufgrund seiner aphoristischen Natur und seines elliptischen und paraktischen Aufbaus, hebt sich der vierte
Vers deutlich von den anderen Versen der ersten Strophe ab. Die zweite Strophe geht verstärkt auf die
Einflüsse der umliegenden Natur ein. Dadurch, dass Jünger von der lebendigen, sich um das "lyrische Ich"
bewegenden Natur spricht (vgl.V.5), ist es naheliegend, dass die Szene im Frühling/Sommer spielt, was eine
Konkretisierung des Naturschauplatzes als "locus amoenus" bekräftigen würde. Zusätzlich dazu kommt, dass
die Insekten, die vom Menschen häufig vielmehr als nervige Begleiterscheinung des Frühlings wahrgenommen
werden, in dem Gedicht (als Teil der Mutter Erde) die übersinnlich-transzendente Aufgabe des sanften Wiegens
(vgl.7f) des "lyrischen Ichs" vollziehen. Die dritte Strophe sticht dem Rezipienten direkt wegen seines
parallelistischen Aufbaus ins Auge. Die Strophe legt das Augenmerk auf die Dinge, die im Prozess des
Einswerdens mit der Natur , die Seele des menschlichen Körpers verlassen. Die ersten beiden Verse der
Strophe, die mittels eines Enjambement miteinander verbunden sind, befassen sich mit dem Verlust von Zahl
und Zeit (vgl.V9f.). Die alliterative Akkumulation (vgl.V.10) lässt sich dem Oberbegriff der
menschengeschaffenen Symbole zuordnen, woraus sich eine grundsätzliche Distanzierung des "lyrischen Ichs"
von der Zivilisation, im Zuge des spirituellen Aufenthalts in der Natur, ableiten lässt. Die beiden folgenden
Verse samt alliterativer Akkumulation (vgl.V.12) , die sprachlich identisch aufgebaut sind, widmen sich dem
Verlust vom Affekt zu. Dieser Verlust vom Affekt wird bezweckt durch den inneren Frieden des "lyrischen Ichs"
und der idyllischen Umwelt, die ihm keinen Anlass bietet für kurzweile Gemütserregungen. Sprachlich
erwähnenswert ist die Symploke in der Strophe - der erste Satz der Strophe wird mit einer Anapher
angeklungen und der zweite Satz wird mit einer Epipher abgeschlossen. Was in den ersten drei Strophen sehr
auffällig ist, ist das häufige Vorkommen des harten Konsonanten "t" am Versende (vgl.V1ff), wodurch
Sprechpausen provoziert werden und kein wirklicher Sprechrhythmus Fahrt aufnehmen kann. Die vierte
Strophe wird mit einer Inversion eröffnet, die die "Weiswerdung" des "lyrischen Ichs" während des mystischen
Aufenthalt in der Natur hervorhebt (vgl.V.13). Der Vergleich mit dem Gras bzw. Moos verdeutlich die innere
und äußere Ruhe der Szene und symbolisiert gleichzeitig die Einswerdung des "lyrischen Ichs" mit der
Natur(vgl.V.14f). In den folgenden Versen werden pantheistische Züge erkennbar, nach denen "Gott" und
Natur gleichgesetzt werden (vgl.V.16). Das "lyrische Ich" befindet sich durch die Kraft der Natur inmitten einer
Art spiritueller Erleuchtung, die es ihm erlaubt "Gott" nahe zu kommen. Stilistisch wird die entstandene
"Geborgenheit" des "lyrischen Ichs" durch das "Nahekommen" mit "Gott" mittels einer Metapher untermalt
und verbildlicht(vgl.V.16). In der fünften Strophe werden einzelne Elemente des Kreislaufs der Natur
thematisiert. Dadurch hebt der Autor die Zeitlosig -und Beständigkeit der Natur im Gegensatz zur künstlich
geschaffenen Gesellschaft hervor. Während die Weltkriege die menschengeschaffenen Gesellschaften und
ihren Alltag komplett auf den Kopf stellten, blieb die Natur (nach Auffassung der naturmagischen Lyriker)
unberührt. Dieser ewige,beständige Kreislauf der Natur wird in Vers 20 anhand des Beispieles des Windes
durch eine Personifikation und einen Hendiadyoin sehr treffend dargestellt. Auffällig ist in der Strophe der stark
parataktische Satzbau, wodurch die einzelnen Elemente trotz aufzählerischem Charakter nicht an Strahlkraft
verlieren. Außerdem werden alle einzelnen Naturelemente personifiziert(vgl.V.17ff.), wodurch die Lebendigkeit
und Anschaulichkeit der Beschreibung intensiviert wird. Diese Beschreibung der Naturelemente wird in der
erneut parallelistisch aufgebauten sechsten Strophe im Grunde genommen identisch weitergeführt. Ein neues
Motiv tritt in Vers 24 mit dem "Kreis" auf - dieser steht symbolisch für die Unendlichkeit und soll den niemals
brechenden Kreislauf des Windes und des Wassers (vgl.V.23) unterstreichen. Die letzte Strophe thematisiert
den positiven Einfluss des "Göttlichen" auf das Leben der Menschen. Die ersten beiden Verse vermitteln mittels
Parallelismus, dass das irdische Leben ein trister gleichförmiger Ablauf ist(vgl.V.24f). In den letzten beiden
Versen des Gedichtes verweist Jünger darauf, dass erst die Götter unserem Leben Spaß und Freude injizieren,
was mittels der Begriffe "Tanz" und "Gesang" symbolisiert wird (vgl.V.28).

Alles in allem ist "Im Grase" ein recht repräsentatives Gedicht der naturmagischen Lyrik. Jünger baut eine
idyllische Natur auf, die dem Menschen als Rückzugs -und Rückbesinnungsort dient, da einzig sie zeitlos, rein
und auf Ewigkeiten beständig ist. Da viele Menschen in den Jahren nach dem Krieg existenzielle Sorgen hatten
und vor einer ungewissen Zukunft standen, suchten sie sich Parallelwelten in der Literatur, in denen sie den
Alltagsstress für einen Moment abschalten konnten. Zwischen der Aufarbeitung der Vergangenheit und der
Planung der Zukunft in den frühen 50ern scheint das Abwenden der Naturlyriker jeglichen politischen und
gesellschaftlichen Engagements aus unserer heutigen Sicht ein wenig verantwortungslos, für die Menschen
damaliger Zeit boten Gedichte wie "Im Grase" aber eine willkommene Verschnaufspause vom kräftezehrenden
Alltag.

Der zentrale Unterschied der beiden Gedichte liegt in der Intention der Autoren. Während "Heimkehr" als
klassisches Gedicht der Trümmerliteratur/Heimkehrerliteratur die Empfindungen eines ehemaligen
Kriegsgefangenen bei der Kehr in seine Heimat schildert und somit das Schicksal vieler Soldaten nach dem
2.Weltkrieg porträtiert, soll "Im Grase", als repräsentatives Gedicht der naturmagischen Lyrik, dem Menschen
die Natur über die Mythologisierung wieder nahe gebracht werden. Die Natur als "locus amoenus" in der
naturmagischen Lyrik bedeutete für die deutsche Nachkriegsbevölkerung eine Möglichkeit des Fortträumens
aus der tristen Realität, währenddessen die Trümmer/Heimkehrerliteratur sich deskriptiv den Schicksalen und
Verhältnissen im Nachkriegsdeutschland widmete. Besonders fällt die durchweg positive Stimmung in "Im
Grase" auf im Gegensatz zu "Heimkehr", wo einerseits auch die Vorfreude des Heimkehrers beschrieben wird,
andererseits aber auch auf Ängste eingegenagen wird. Auch in der Motivik der beiden Gedichte lassen sich
gravierende Unterschiede findig machen. In "Heimkehr" spielt das Motiv der Natur eine eher untergeordnete
Rolle, in "Im Grase" ist sie das zentrale Motiv, um das die ganze Handlung aufgebaut ist. Auch formal
unterscheiden sich die Gedichte enorm von einander. Während sich Autoren der Trümmerlyrik wie Bender
demonstrativ von allen herkömmlichen Formen abwendeten (Metrum,Reimschema,Sprache etc.), macht sich
in "Im Grase" eine sehr ausgefeilte Sprache bemerkbar, die die "Magie" der Natur widerspiegeln soll. Alles in
allem lässt sich zusammenfassend sagen, dass die beiden Gedichte für zwei Varianten des Umgangs mit der
Realität in der Nachkriegszeit stehen und aufgrund dessen erhebliche Unterschiede in der Intention, Motivik
und formalen Gestaltung aufweisen.

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