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Gedichtsinterpretation zu „Weltende“

Das Gedicht „Weltende“ von Else Lasker-Schüler, 1905 verö entlicht, ist epochal in den
Expressionismus einzuordnen. Dieser zeichnete sich durch die Thematisierung von Krieg,
Großstadt, Zerfall und die Angst vor dem Ich-Verlust aus und dauerte von 1905 bis 1925
an. Die Autorin Else Lasker-Schüler, geboren 1869, war eine deutsche Dichterin, somit
eine Vertreterin der Moderne und des Expressionismus. Neben ihrer Tätigkeit als
Schriftstellerin zeichnete sie, bis sie 1945 verstarb. Historisch lässt sich das Gedicht an
die Anfänge der Industrialisierung und des Städtebaues verorten.

Else Lasker-Schüler setzt sich in diesem Gedicht kritisch mit der Gesellschaft und deren
Zerstörung der Welt, durch die Industrialisierung, auseinander. Dies wird von dem Inhalt
unterstützt, welcher verdeutlicht, dass alles trotzlos sei, man sich zusammen verstecken
solle, aber letztendlich trotzdem alle streben müssen. Die Intention Lasker-Schülers ist
nicht ganz deutlich. Einerseits könnte sie von einem allgemeinen Weltende für die
gesamte Bevölkerung, durch beispielsweise die Industrialisierung sprechen, aber
anderseits könnte sie auch über eine persönliches Weltende für das Lyrische-Ich reden.

Das im Präsens verfasste Gedicht „Weltende“ besitzt drei Strophen, bestehend aus zehn
Versen und 55 Wörtern. Die erste Strophe besitzt vier Verse und einen Kreuzreim (vgl. V.
1-4). Die beiden folgenden Strophen besitzen drei Verse und sind umarmende Reime (vgl.
V. 5-7, V. 8-10), wobei der von zwei Reimen eingeschlossene zweite Vers der beiden
Strophen, keinen passenden Reimpartner besitzt (vgl. V. 6, V.9). Ein klares Metrum ist
nicht feststellbar. Zudem sind die Kadenzen wechselnd und unregelmäßig. Durch diese
beiden Au älligkeiten wirkt das Gedicht sehr unharmonisch und wüst. Durch die
hauptsächliche Verwendung von Zeilensprüngen (vgl. V. 1-4, V. 6-7, V. 9-10), werden
größere Zusammenhänge im Gedicht von Lasker-Schüler transportiert. Die wenigen
Zeilenstile (vgl. V. 5, V.8) sind Unterbrechungen der Zeilensprünge. All diese
Veränderungen im formalen Aufbau erzeugen einen Umbruch, der auch Inhaltlich
wiedergeben wird.

Zu Beginn des Gedichtes beschreibt Lasker-Schüler die allgemeine Gefühlslage der


Menschheit im Hinblick auf das Ende der Welt. Die Menschen trauern um den Verlust der
Welt. Nicht einmal mehr Gott kann ihnen Ho nung oder Erlösung schenken.

Durch die Metapher „ein Weinen in der Welt“ (V. 1) wird die Trauer um den Verlust der Welt
und deren Menschheit betont. Der Vergleich mit Gott soll dieses Gefühl der Menschen
verstärken. Da Gott hier als Symbol für Ho nung und Erlösung steht (vgl. V. 2).

Das Lyrische-Ich hat Zweifel an Gott. Gott bleibt damit für das Ich und für die Menschen
unerreichbar. Der „bleierne Schatten“ ist eine Personi kation und ein Symbol für die
Industrialisierung (vgl. V. 3). Dieser Schatten fällt auf die Menschen nieder. Eine erneute
Personi kation, die untermalt, dass die Folgen der Industrialisierung auf die Menschen
niederfällt (vgl. V. 3).

Der Neologismus „grabesschwer“  verdeutlicht, wie schwer die Last auf den Menschen
liegt. Die schwere Last steht für das Schuldbewusstsein. Die Gesellschaft ist sich
bewusst, dass sie an der Zerstörung der Welt durch die Industrialisierung selbst schuld
habe.

Die zweite Strophe schildert im Gegensatz zur ersten Strophe, wie sich der Weltuntergang
auf die Menschheit, spezielle auf das Lyrische-Ich auswirkt. Der nahende Weltuntergang
fördert eine Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit, was von dem Zeilenstil in Vers fünf
beschrieben wird. Diese Suche nach Geborgenheit könnte ein inniger Ausdruck von Liebe
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sein. Die folgende Personi kation „Das Leben liegt in aller Herzen“ (V. 6) wirkt sehr
lebendig und beschreibt so, wie noch niemand vom Leben abdanken musste, allerdings
folgt durch den folgenden Vers, welcher einen Vergleich darstellt, ein Umbruch. „Wie in
Särgen“ (V.7), illustriert, dass scheinend Lebendige tot sein können. Särge stehen als ein
Symbol des Todes, Bedrohung, sowie für Leichen. Somit bildet diese Strophe den
Umbruch im gesamten Gedicht.

Die dritte Strophe und letzte Strophe schildert, wie die Zweite, einen Gegensatz zur ersten
Strophe. Der Ausruf „Du!“ (V. 8), bringt eine hektische Wirkung mit sich. Die
anschließende Metapher „wir wollen uns tief küssen“ (V. 8), beschreibt, wie Vers fünf, eine
Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe. Diese zwei Elemente spiegeln einen großen
Kontrast zum restlichen Inhaltes Lasker-Schülers Werkes. Durch die Beschreibung der
Sehnsucht (vgl. V. 9) ist ein Ausdruck einer grundsätzlichen Unzufriedenheit. Zudem kann
das Pochen der Sehnsucht (vgl. V. 9), mit dem Weltuntergang zusammenhängen. Die
Menschen be nden sich durch die Industrialisierung in einer ungewohnten Situation, aus
welcher sie gern ent iehen würden, und so für sie ein Weltende auf sie zukommt, da ein
folgendes Leben unvorstellbar ist. Der letzte Vers „An der wir streben müssen“ (V.10), teilt
mit, wie die Sehnsucht verantwortlich ist für den bevorstehenden Weltuntergang, da sich
die Bevölkerung nicht fügt und anpasst, sondern starr auf alten Vorstellungen beharrt und
festhält. Der Weltuntergang kann nicht verhindert werden, er ist nal und unaufhaltsam, so
dass sich das Lyrische-Ich schließlich resigniert dessen Unausweichlichkeit anerkennt
(vgl. V. 10).

Strophenübergreifend liegt eine Klimax-Struktur vor. Achtet man auf die jeweils letzte
Zeile jeden Vers, wird deutlich, wie eine dreigliedrige Steigerung vorzu nden ist. „Lastet
grabesschwer“ (V. 3), beschreibt eine schwere Last, Vers sechs, „Wie in Särgen“, zieht
einen Vergleich zum Tod, äußert diesen jedoch nicht konkret. Der letzte Vers, „An der wir
sterben müssen“ (V. 10), spricht nun den Tod voll und ganz aus.

Die Schilderungen des Lyrischen-Ichs sind durchweg subjektiv. Zur Unterstreichung der
Emp ndungen bedient es sich an einer sehr metaphorischen-ästhetischen, aber auch
recht düsteren Sprache (V. 3f, 6f).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Menschheit ihren Lebenssinn verloren hat.
Die Industrialisierung bringt nicht die erho ten Verbesserungen, sondern zerstört die Welt.
Doch die Gesellschaft ist Mitschuld in dieser Zerstörung und des dadurch
hervorgerufenen Weltuntergangs. Dieses Schuldbewusstsein lastet schwer.

Else Lasker-Schüler ermahnt den Leser, um das Bewusstsein dieses Problems zu


wecken. Die Thematik des Weltuntergangs ist Typisch für den Expressionismus. In dieser
Epoche setzte man sich kritisch mit der Gesellschaft, Industrialisierung und dessen
Fortschritte auseinander. Es herrschte eine Weltuntergangsstimmung.

Der Lebenssinn schwand in dieser Zeit und der Mensch trat mit seinen Bedürfnissen und
Gefühlen in den Hintergrund. Daher ist „Weltende“ deutlich in die Epoche des
Expressionismus ein zu ordnen.

Bewertend kann das Gedicht als eine frühe Darstellung der Ängste und Sorgen der
Menschen zur Zeit der Industrialisierung aufgezeigt werden. Es zeigt, wie die Welt sich auf
einen Schlag wendete und alles zerstört, unruhig und verwirrend wirkte. Else Lasker-
Schüler vermittelt dieses Gefühle, welche damals in den Menschen lebten sehr
eindringlich, aber auch subjektiv, da sie den Leser versucht auf emotionaler Ebene zu
ergreifen.

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