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Gedichtinterpretation „Der Bauer an seinen durchlauchtigen

Tyrannen“ (Gottfried August Bürger)

Das Gedicht „Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen“ ist 1776 von Gottfried August Bürger
verfasst worden. Es fällt somit in die Zeit des Sturm und Drangs und beschreibt einen Bauer, welcher
sich bei seinem Landesfürsten über seine schrecklichen Zustände beklagt. Das Gedicht umfasst vier
Strophen, von denen die ersten beiden je drei und die letzten beiden je fünf Verse beinhalten. In der
ersten und der zweiten Strophe, spricht der Bauer die Unbarmherzigkeit und Kaltblütigkeit seines
Herrschers an. Die nächste Strophe veranschaulicht des Bauers täglichen Kampf ums Überleben,
während der Fürst damit um sich wirft. Darauf folgt die letzte Strophe, in der der Bauer von seiner
täglichen, harten Arbeit spricht, für die letztendlich sein Landesfürst von Gott belohnt werde. Dieses
Gedicht ist eine scharfe Kritik gegen die damalige Unterdrückung der Bauern und das zügellose
Verhalten der Herrscher. Der Bauer macht seinem Ärger Luft, kritisiert die skrupellose Lebensweise
seines Fürsten und veranschaulicht, dass er sich den Regeln nicht mehr länger unterwirft.

Typisch für die Zeit des Sturm und Drangs ist der Jambus, welcher sich durch das gesamte Gedicht
zieht. Der erste und der zweite Vers jeder Strophe bestehen jedoch aus einem vierhebigen, der dritte
Vers aus einem dreihebigen Jambus. Da sowohl kein Reimschema vorhanden ist als auch die
Verslänge variiert, wird nochmals deutlich hervorgehoben, dass der Bauer sich bewusst den Regeln
widersetzt. Es handelt sich bei diesem Gedicht um ein Rollengedicht, wobei jedoch nur der Bauer
spricht, welcher selbst das lyrische Ich verkörpert. Auf seine Fragen erhält er keine Antwort, was
auch ein Zeichen für die Sprachlosigkeit des Fürsten darstellt. „Wer bist du Fürst, daß ohne Scheu
Zerrollen mich dein Wagenrad, zerschlagen darf dein Roß?“ (V. 1-3)

Bereits am Titel erkennbar, stellt dieses Gedicht die Respektlosigkeit des lyrischen Ichs gegenüber
dem Fürsten dar. Einerseits spricht es über seinen „durchlauchtigen“ Herrscher, was die
ursprüngliche Bedeutung „hellstrahlend, leuchtend“ hat, doch andererseits wird er als „Tyrann“
bezeichnet. Eine Ironie ist hier ebenso feststellbar. Deutlich zu erkennen sind respektlose und
gewaltsame Begriffe, wie „zertritt“ und „verschlingst“ in den Versen elf und zwölf, die im ganzen
Gedicht vorzufinden sind. Es ist ebenso eine Steigerung aufzufinden. Während das lyrische Ich in der
ersten Strophe noch von „zerrollen“ und „zerschlagen“ spricht, beschreibt es in der letzten Strophe
die Skrupellosigkeit des Fürsten und bezeichnet ihn im letzten Vers sogar als „Tyrann“.

In der ersten Strophe beginnt das lyrische Ich gleich damit, die Menschlichkeit seines Fürsten
anzuzweifeln. Es stellt dessen Position in Frage, woher der Fürst das Recht besitze, so rücksichtslos
mit dem Bauer umzugehen. „Wer bist du Fürst, daß ohne Scheu Zerrollen mich dein Wagenrad,
zerschlagen darf dein Roß?“ (V. 1-3) Deutlich zu erkennen sind ebenso die Anaphern „Wer bist du
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Fürst“, welche jeweils am Beginn der ersten drei Strophen aufzufinden sind. Der Bauer macht seinem
Ärger Luft und entledigt sich mit diesen Beschuldigungen und rhetorischen Fragen seiner
aufgestauten Wut gegenüber seinem Herrscher.

Die nächste Strophe ist wieder eine Steigerung gegenüber der vorherigen. Nun zweifelt das lyrische
Ich sogar seinen Wert als Mensch an. Wieder stellt er mit der Anapher „Wer bist du Fürst“ die Rechte
seines Herrschers in Frage. Nun geht es aber nicht nur darum, dass der Fürst das Recht besitzt, den
Bauer zu zertrampeln, sondern, dass sogar des Fürsten Hund sich an dem Bauer „ungebleut“ zu
schaffen machen darf, und somit mehr Rechte als der Bauer selbst besitzt. „Wer bist du Fürst, daß in
mein Fleisch Dein Freund, dein Jagdhund, ungebleut Darf Klau‘ und Rachen hau’n?“ (V. 5-7)

Nun beschreibt das lyrische ich in der dritten Strophe sein Leid und die vielen Abgaben an seinen
Herrscher. In Vers zehn erzählt das lyrische Ich, wie die „Jagd“ des Fürsten seine „Saat zertritt“. Der
Bauer, der ja sowieso schon viel zu wenig von seiner eigenen Ernte bekommt, muss nun auch noch
zusehen, wie der Fürst die mickrigen Überbleibsel bei der „Jagd zertritt“ und fast schon Spaß daran
findet, den Bauer zu quälen. Das Symbol „Brot“ in Vers 13 steht für alle Abgaben und Steuern -
besonders die Lebensmittel - die der Bauer tagtäglich an seinen Fürsten abgeben muss.

In der vierten und somit letzten Strophe legt der Bauer seinem Fürsten nochmals die wirkliche
Situation vor Augen. Mit der Wortwiederholung „Mein, mein“ in Vers 13, betont er auch seinen
eigenen Fleiß und die Faulheit des Fürsten. Er unterstreicht die unfairen Bedingungen zusätzlich,
indem er seinen trägen Herrscher anprangert. Denn der Bauer, welcher „den Erntetag durchschwitzt“
arbeitet für sein Brot, wohingegen der Fürst nichts Anstrengendes macht, und dabei immer noch viel
besser davonkommt. „Du Fürst hast nicht, bei Egg‘ und Pflug, Hast nicht den Erntetag
durchgeschwitzt. Mein, mein ist Fleiß und Brot!“ (V. 14-16) Zuletzt stellt das lyrische Ich mit der
ironischen rhetorischen Frage in Vers 17 „Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?“ sogar die Humanität des
Herrschers in Frage. Er beschuldigt ihn des in Vers 18 des „Raubes“ und legt ihm mit einer Antithese
deutlich den spürbaren Gegensatz zu Gott dar, welcher „Segen spendet“. Das Gedicht endet mit der
einfachen, klaren Aussage „Du nicht von Gott, Tyrann!“ welche die gesamte Wut des lyrischen Ichs
zusammenfassend beschreibt.

Das Gedicht fällt in die Epoche des Sturm und Drangs, welche auch deutlich zu erkennen ist. Die
Auflehnung des Bauernvolkes gegen die Tyrannen und die Allgegenwärtigkeit Gottes in der Natur
sprechen für die Epoche. Auch nimmt das Gedicht Stellung zwischen den Ständen Adel und
Bauervolk. Die Bauern wurden zu dieser Zeit extrem unterdrückt. Doch der Bauer lässt sich dies nicht
mehr länger gefallen. Er entledigt sich mithilfe dieses Gedichtes all seiner aufgestauten Wut
gegenüber dem Tyrannen. Er behandelt ihn respektlos und redet spöttisch über ihn, genauso, wie es

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der Herrscher üblicherweise auch zu tun pflegt. Die Wut des Bauern steigert sich im Laufe des
Gedichts immer mehr, bis sie am Ende schließlich explodiert. Der Tyrann ist alles andere als von Gott
eingesetzt und das macht der Bauer vor allem in der letzten Strophe deutlich. Das Gedicht hat auch
heute noch Aktualität, denn es gibt immer noch Länder, in denen die Bürger von Diktatoren
unterdrückt werden, welche teilweise immer noch mit grausamer Brutalität vorgehen. Genauso wie
für die Bauern im Gedicht, ist ein Kampf dagegen aber sehr schwer.

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