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KARL BARWICK

ZYKLEN B E I MARTIAL
UND IN D E N K L E I N E N GEDICHTEN D E S CATULL

Es ist eine bekannte und allgemein anerkannte Tatsache, daß in


antiken Gedichtbüchern mit einer Vielzahl kleinerer Gediohte diese
nicht wahllos und willkürlich aneinandergereiht, sondern nach be-
stimmten Gesichtspunkten und mit feiner Berechnung angeordnet
wurden. Das gilt ζ. B. auch f ü r die 12 Epigrammbücher Martials 1 .
Damit ist aber noch nicht alles über die Kunst der Anordnung inner-
halb der einzelnen Gedichtbücher gesagt. Martial pflegt sie mit einer
Anzahl von Zyklen auszustatten, d. h. mit Gruppen von Gedichten,
die irgendwie enger zusammengehören. Auch die Gedichte dieser
Gruppen, die in der Regel nicht nebeneinander stehen, sondern über
das ganze Buch oder Teile eines solchen zerstreut sind, folgen in einer
bestimmten Ordnung aufeinander. Man hat auf diese Kunst der An-
ordnung innerhalb der einzelnen Zyklen bisher kaum geachtet 2 ; und
doch hat es einen besonderen Reiz, die verschiedenen Kunstmittel
festzustellen, deren sich der Dichter hierbei bedient. Es dürfte zweck-
mäßig sein, mit den dem Kaiser geltenden Zyklen zu beginnen.

I. K a i s e r z y k l e n
1. D o r K a i s e r z y k l u s d e s 8. B ü c h e s
Das Buch wird in der Vorrede dem Kaiser Domitian gewidmet. Der
Dichter behauptet dort, die pars libri et tnaior3 et melior sei an die
Majestät seines heiligen Namens gebunden (ad maiestatem sacri TW-

1
Nur (lieso werdon in den folgenden Atisführungen berücksichtigt. Über dio
Anordnung der Gedichte in diesen Büchern H . B E R E N D S , Die A n o r d n u n g in
Martials Gedichtbüchern 1 — X I I . Diss. J e n a 1932.
* Ich selbst habe diese Ztsohr. 87, 1932, S. 73ff. auf diese Art der Anordnung
hingewiesen und vior Zyklen kurz besprochen. Sie sollon der Vollständigkeit
halber und weil ich heute die Dingo ζ. T. etwas anders soho, hier noch einmal
m i t b e h a n d e l t werdon.
3
I n Wirklichkeit beschäftigen sich von den 82 Epigrammon dos Buches
nur 18 m i t dem Kaiser. Die E r k l ä r u n g f ü r diesen seltsamen Widerspruch gibt
B . L E H M A N N , Antike Martialausgaben. Diss. J e n a 1 9 3 1 , !S. 4 4 und S. 5 7 f .

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minis alligata). Man könnte nun erwarten, Martial hätte die auf den
Kaiser bezüglichen Epigramme unmittelbar aufeinander folgen lassen.
Auch nach der Ansicht des Dichters wäre dies offenbar das Natürliche
gewesen; denn er betont in der Vorrede ausdrücklich, warum er das
nicht getan habe: quam (sc. materiam, d. h. den Stoff der Kaiser-
epigramme) quidem subinde aliqua iocorum mixtura variare tempta-
vimus, ne caelesti verecundiae tuae laudes suae, quae faciliu-s te fatigare
possint, quam nos satiare, omnis versus iru/ereret. Bei einem solchen
Verfahren, sollte man meinen, wäre die Reihenfolge der Kaisergedichte
gleichgültig gewesen; es war ja durch die Zwischenstellung anders-
artiger Gedichte für Abwechslung gesorgt. Trotzdem ist ihre Reihen-
folge so sorgfältig abgewogen, als ob die Gedichte unmittelbar auf-
einander folgten und einen geschlossenen Zyklus bildeten. Ebenso ist
Martial, wie wir sehen werden, auch bei den übrigen Zyklen ver-
fahren.
Formal und inhaltlich bilden die 18 Kaiserepigramme einen einheit-
lichen Zyklus. Sie sind alle, außer dem ersten (2), das aus Hendeka-
syllaben besteht, distichisch gehalten; und alle verfolgen das Ziel, dem
Kaiser irgendwie zu schmeicheln.
Wie Martial schon in der Vorrede andeutet, sind sie über das ganze
Buch verteilt, und zwar in folgender Weise: 2 4 8 11 15 21 24 26
30 36 39 49 (50) 53 (55) 56 (54) 65 78 80 82. Nirgends stehen also
zwei Kaisergedichte nebeneinander. Und nun die Art ihrer Ver-
teilung.
Eine Sonderstellung nimmt das letzte Kaisergedicht (82) ein, das
zugleich auch das letzte des ganzen Buches ist. Es behandelt das Ver-
hältnis des Kaisers zur Dichtkunst. Dabei wird in V. 2 (nos quoque
quod domino carmina parva damus) auf die in der Vorrede ausgespro-
chene Widmung des Buches Bezug genommen. Die Vorrede und das
letzte Kaiserepigramm des Buches gehören also inhaltlich eng zu-
sammen, sie bilden seine Umrahmung. Ebenso nimmt 24 unter den
Kaiserepigrammen eine Sonderstellung ein. Durch die Besonderheit
seines Inhaltes teilt es den Zyklus in eine erste kleinere und eine
größere zweite Hälfte. In vorsichtiger Zurückhaltung deutet der
Diohter an, daß er für seine Widmung eine Belohnung von dem Herr-
scher erwartet.
In der ersten Hälfte des Zyklus zeichnen sich deutlich zwei Gruppen
von je drei Epigrammen ab: 2 4 8 und 11 15 21. In der ersten Gruppe
wird anläßlich der Rückkehr Domitians aus dem Sarmatenkrieg die
Beliebtheit gefeiert, deren sioh der Kaiser bei Göttern und Menschen
erfreut. Die Gruppe wird umrahmt von zwei eng zusammengehörigen

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286. KARL BARWICK

Gedichten: In 2 heißt es von Janus, daß er, victorem modo cum videret1
Hietri (2), . . . Terrarum domino deoque rerum Promisit Pyliam quaier
eenectam (6f.). Auch in 8 wird Janus genannt und von ihm gesagt, die
Rückkehr des Kaisers nach Horn sei ihm lieber als alles andere. In
dem mittleren Gedicht (4) sind es die Götter überhaupt und darüber
hinaus die Menschen, die freudigen Anteil an der Rückkehr des
Kaisers nehmen, und zwar anläßlich des Festes der votorum nuncupatio
am 3. J a n u a r , „an dem im römischen Reiche die Beamten und die
Priester Gelübde f ü r Leben und Wohlfahrt des Princeps t u n " (Wis-
SOWA, Rel. u. Kultus d. Römer 2 448). Da der Herrscher unmittelbar
vorher nach Rom zurückgekehrt war, hatte das Pest, jedenfalls nach
der Darstellung Martials, diesmal einen besonders freudigen Charakter;
vgl. gaudia V. 3.
Wie die erste, so wird auch die zweite Gruppe (11 15 21) von zwei
Gedichten umrahmt, die enger zusammengehören: Nur in 11 und 21
wird der Kaiser (Caesar) angeredet, nicht in 15; nur in 11 und 21 wird
der Freude, die man dem Kaiser anläßlich seiner Rückkehr entgegen-
bringt (laetitia 11,4, gaudia 21, 1), Ausdruck verliehen: in 11 bei Ge-
legenheit eines Pferderennens im Zirkus; 21 schildert die Freude und
Ungeduld, mit der man den Herrscher in der Nacht vor seiner Ankunft
erwartete. Anders wird in dem mittleren Gedicht, iiV 15, dem Kaiser
geschmeichelt 2 . Es begründet die Beliebtheit des Kaisers durch eine
Eigenschaft, die der Schlußvers als maxima virtus eines Princeps be-
zeichnet. Nachdem der Dichter in 1 — 4 an die glücklichen Ereignisse
im Sarmatenkrieg erinnert hat, uhd, in ihrem Gefolge, an die Dankes-
bezeugungen des Volkes und die kaiserlichen dona, rühmen 5—8, daß
der Herrscher nur seinem eigenen Urteil traue und durch keine Ver-
dächtigungen in dem Glauben an die Seinen, d. h. seiner amici und
ministri, wie WISTRAND S. 29 richtig versteht, sich beirren lasse;

1
Höchstwahrscheinlich am 1. Januar 93. F R I E D L A E N I I E R , Komm. I Θ0 vor-
legt den Einzug Domitiane auf den 1. oder 2. Januar. Aber der 2. Januar galt
in R o m als dies ater; und es ist kaum wahrscheinlich, daß der Kaiser an einem
Holchen seinen Einzug gehalten hat. Bekanntlich rechnete man alle Nachtage
der Kalendao, Nonao und Idus unter die dies atri (reliyiosi): W I S S O W A , Rel.
II. Kultus d. Römer 2 S. 444.
2
Das Verständnis dieses schwierigen Gedichtes ist orst von W I S T R A N D in
einer ausgezeichneten Untersuchung erschlossen worden (Acta Univ. Goto-
burgonsis L X 1964, 9). Er gibt don Inhalt des Gedichtes S. 23 (vgl. auch S. 22)
folgendermaßen wieder: Martialis ergo poetquam narravit, quanto studio
reditus victoris imperatoris in urbe celebraretur, addidit simul alteram quoquo
gloriam principle populo in ore esse, quod maiorem ille se suspicione ostendisset,
maiorem quam ut fidom suis denegaret.

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und das soll wohl besagen, daß der Kaiser Einflüsterungen und De-
nunziationen nicht zugänglich ist.
Auoh in der zweiten Hälfte dos Zyklus lassen sich, nach der oben
begründeten Ausklammerung von 82, verschiedene Gruppen unter-
scheiden; zuerst zwei Gruppen von je 2, dann zwei Gruppen von je
3 Gedichten: 26 30; 36 39; 49 (50) 53 (55) 56 (54); 65 78 80. Der
ersten Gruppe gemeinsam sind Schaustellungen in der Arena, die aus
Anlaß der Feier der siegreichen Beendigung des Sarmatenkrieges ge-
boten wurden. In der zweiten Gruppe wird der neu errichtete Kaiser-
palast gefeiert und der in ihm befindliche prunkvolle Speisesaal. In
den beiden nächsten Gruppen wird ein größeres Gedicht von zwei
kleineren umrahmt. Die Rahmengedichte in der ersten dieser beiden
Gruppen rühmen die Freigebigkeit des Kaisers bei einer Speisung des
Volkes und drei Congiarien. Das mittlere Gedicht, 53 (55), schildert
einen gewaltigen Löwen, der bei einer Tierhetze in der kaiserlichen
Arena gezeigt wurde. In der letzten Gruppe greifen die beiden Rahmen-
gedichte auf Motive zurück, die früher schon in der zweiten Hälfte des
Zyklus behandelt worden waren, auf die Bautätigkeit des Kaisers
und die von ihm gegebenen Spiele: 65 verherrlicht einen prächtigen
Triumphbogen, den der Kaiser an der Stelle errichtet h%tte, wo er
bei seiner Rückkehr aus dem Sarmatenkrieg in Rom eingezogen war.
80 rühmt eine kaiserliche Anordnung, die Gladiatoren in der Arena
nach alter Weise kämpfen zu lassen. Neuartig ist das mittlere Gedicht
der Gruppe (78). Es beschäftigt sich nicht mit den Spielen, den Schen-
kungen oder Bauten des Kaisers, sondern mit den Spielen, die ein
anderer, L. Arruntius Stella, zur Feier der Erfolge im Sarmatenkrieg
gegeben hatte. Aber auch dieses Gedicht gipfelt in einer Schmeichelei
für den Kaiser: Alles, was Stella bei seinen prachtvollen Spielen
geboten hatte, heißt es in der Schlußpointe (15f.), wird übertreffen
durch die Ehre, daß der Kaiser als Zuschauer zugegen war.

2. D e r K a i s e r / . y k l u s d e s 9. B u c h e s
Auch dieses Buch enthält einen größeren Zyklus von Kaiserepigram-
men, die dem Herrscher irgendwie schmeioheln. Auch sie vorteilen sich
ungefähr gleichmäßig über das ganze Buch. Der Zyklus umfaßt
16 Gedichte, die nach meiner Untersuchung wie folgt gruppiert sind:
1 3 5 (6) 7 (8) 18 20 34 36 39 64 65 79 83 91 93 101. Es heben
sich also drei Gruppen zu je vier Gedichten ab: 1 3 5 7; 20 34 36
39; 79 83 91 93. Die zwei ersten Gruppen werden voneinander ge-
schieden durch 18. Das Epigramm nimmt inhaltlich gegenüber den
anderen eine Sonderstellung ein. Dem Kaiser wird nur nebenbei eine

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Schmeichelei gesagt. I m übrigen bittet ihn der Dichter um die Ver-


günstigung, sein H a u s in R o m durch die aqua Marcia mit Wasser zu
versorgen. Wie 18 nehmen auch 64/65, die die zweite und dritte Gruppe
voneinander trennen, eine Sonderstellung ein. Es sind die einzigen
Kaisergedichte des Buches, die nebeneinandergerückt sind und dabei
inhaltlich sich näher berühren: 64 berichtet, daß in dem von Do-
mitian e r b a u t e n Tempel des Herkules dessen Bild die Züge des Herr-
schers trage. Schmeichelhaft wird dieser als der größere (maior), der
andere als der kleinere {minor) Alcide bezeichnet. Auf 64 bezug-
nehmend betont 65: H ä t t e Herkules schon früher die Züge Domitians
getragen, so wären ihm die Erniedrigungen und Gefahren, die er in
seinem irdischen Leben auf sich nehmen mußte, erspart geblieben.
Eine Sonderstellung nimmt endlich auch das l ^ ^ t e Gedicht, 101, ein.
E s k n ü p f t an 64/65 an, übertrifft aber an Schmeichelei und seinem Um-
fang nach alle übrigen Gedichte des Buches: E s enthält 24 Verse 1 ,
während die übrigen Kaisergedichte nur 4—14 Verse zählen. Die Taten
des Herkules, des minor Alcides, werden mit denen des Domitian, des
maior Alcides, verglichen und geringer als diese befunden.
I n der ersten Vierergruppe werden die Gedichte durch je ein Stück
voneinander getrennt. Dabei heben sich wieder zwei Untergruppen
mit je zwei Gedichten voneinander a b : 1 und 3 auf der einen und
5 u n d 7 auf der anderen Seite gehören inhaltlich enger zusammen.
I n 1 und 3 ist von Tempelbauten des Domitian die Rede; in 1 von dem
Tempel der gern Flavia, in 3 von der Errichtung anderer Tempel,
wobei zuletzt (12) auch der Tempel der gens Flavia erwähnt wird.
5 und 7 rühmen Maßnahmen Domitians zur H e b u n g der Sittlichkeit.
Der Abwechslung innerhalb der Untergruppen wird dadurch Rech-
nung getragen, daß auf je ein Gedicht in H i n k j a m b e n ein solches in
elegischen Distichen folgt. Alle übrigen Kaisergedichte nach der ersten
Vierergruppe sind distichisch gehalten.
I n der zweiten Vierergruppe, 20 34 36 39, folgt abwechselnd
immer auf ein kleineres ein größeres Gedicht. Auch in ihr gehören in-
haltlich je zwei Gedichte etwas näher zusammen. 20 handelt von dem
Geburtshaus Domitians, an dessen Stelle der Tempel der gens Flavia
errichtet wurde. 34 verherrlicht diesen Tempel. 36 und 39 haben mit-
einander gemeinsam, d a ß neben dem Kaiser auch noch einer anderen
Person geschmeichelt wird, in 36 dem Mundschenk Domitians, in 39
einer Caesonia, der Gattin eines gewissen Rufus.
1
W i s t r a n d (Acta Univ. Gotoburgensis L X I I , 1956, 3 S. 23, 1) vermutet,
es hätte ursprünglich sogar 26 Verae gehabt; nach V. 16 sei ein Distichon aus-
gefallen.

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Zyklon bei Martini und (livtidl 289

I n der dritten Vierergruppe, 7!) 83 91 93, stehen die beiden größ-


ten Gediohte mit je acht Versen am Anfang und Ende der Gruppe,
die beiden kleinsten Gedichte in der Mitte. Eine Aufteilung in zwei
Untergruppen mit je zwei Gedichten wird insofern angedeutet, als
79 und 83 auf der einen, und 91 und 93 auf der anderen Seite näher
aneinandergerückt sind als 83 und 91. Aber eine sachliche Aufteilung
in zwei Untergruppen ist offensichtlich gemieden: inhaltlich ver-
schiedene Gedichte wechseln in bunter Folge miteinander ab.

3. E i n i g e kloinoro Kuiaerzyklon

Außer den größeren Kaiserzyklen des 8. und 9. Buches gibt es auch


noch einige kleinere; zunächst ein Zyklus im 4. Buch.
a) D e r K a i s e r z y k l u s d e s 4. B u c h e s . Es handelt sich um die
Gediohte 1 3 27. Sie sind alle in elegischen Distichon verfaßt. Daa
größte mit 12 Versen steht am Anfang, das kleinste mit (! Versen am
Ende. 1 und 3 bilden eine Gruppe f ü r sich. Sie stehen näher bei-
einander und gehören auch inhaltlich enger zusammen; beide huldigen
dem Kaiser: 1 entbietet ihm Glückwünsche zu seinem Geburtstag;
3 rühmt die Standhaftigkeit des Herrschers, mit der er bei einem
Schauspiel den niedergehenden Schnee ertrug. 1 und 3 haben auch
das miteinander gemeinsam, daß in ihnen der Kaiser nicht angeredet
wird. Gegenüber 1 und 3 nimmt 27, auch inhaltlich, eine Sonder-
stellung ein. Der Kaiser wird am Anfang und Schluß des Epigramms
angesprochen; und es wird ihm nicht, wie in 1 und 3, geschmeichelt,
sondern die Bitte unterbreitet, den Dichter, wie bisher, auch weiterhin
zu beschenken.
b) D e r K a i s e r z y k l u s d e s 5. B u c h e s . Don Zyklus dieses Buches
bilden die Gedichte 1 2 3 15 19 05. Schon äußerlich heben sich zwei
Gruppen in ihm ab. Die Gedichte der ersten Gruppe stehen nebenein-
ander, während die Gedichte der zweiten Gruppe voneinander ge-
trennt sind. Die Gruppen haben auch sonst manches, was sie von-
einander unterscheidet, daneben allerdings auch manches Gemein-
same. In der ersten Gruppe lösen elegische Distichen und Hendeka-
syllaben einander ab; die Gedichte der zweiten Gruppe sind aus-
schließlich in Distichen gehalten. In der ersten Gruppe wird nur in
1 und 3, also den umrahmenden Gedichten, der Kaiser angeredet,
in der zweiten Gruppe dagegen überall. Gemeinsam ist beiden Grup-
pen, daß ihre beiden ersten Gedichte inhaltlich enger zusammen-
gehören. Sie beschäftigen sioh in der ersten Gruppe mit dem vor-
stehenden Buch: In 1 wird es dem Kaiser gewidmet, 2 schildert den
Charakter des Buches, der seiner Widmung angemessen sei. Ganz

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anders 3; es schmeichelt dem Kaiser aus Anlaß der Sendung des Degis
als Friedensvermittler. In der zweiten Gruppe sind die zwei ersten
Gedichte schon äußerlich einander nähergerückt, sie stehen auch
inhaltlich einander näher. In 15 rühmt Martial dem Kaiser die Ver-
dienste seiner Epigramme und deutet, allerdings nur zwischen den
Zeilen, an, sie möchten ihm Nutzen bringen (prosint). In 19 wird der
Dichter deutlicher. Er klagt über die Knickrigkeit der modernen
Patrone und rät dem Kaiser, seinerseits Freigebigkeit zu üben. Da-
gegen ist 65, wie das letzte Gedicht der ersten Gruppe, nur der Schmei-
chelei gewidmet. Es verherrlicht die Schaustellungen Domitians bei
den Tierhetzen im Amphitheater.
c) D e r K a i s e r z y k l u s des 7. B u c h e s . Alle Gedichte des Zyklus,
1 2 5 6 7 8, haben die Abwesenheit des Kaisers im sarmatischen
Krieg zur Voraussetzung; und alle verfolgen das Ziel, dem Herrscher
zu schmeicheln. Die Gedichte zerfallen schon äußerlich, durch die A r t
ihrer Abfolge, in zwei Gruppen. Jede Gruppe bildet inhaltlich eine
Einheit. Die erste Gruppe, 1 2, huldigt dem Kaiser aus Anlaß eines aus
Eberklauen gefertigten Panzers, der ihm in den sarmatischen Krieg
geschickt wurde. Beide Gedichte sind in elegischen Distichen verfaßt.
Der Abwechslung wird dadurch Rechnung getragen, daß in 1 der
Kaiser angeredet wird, in 2 dagegen nicht. Die Gedichte der zweiten
Gruppe stehen alle irgendwie in Zusammenhang mit der erhofften
Rückkehr des Kaisers; und er wird in allen Gedichten mit Caesar
angeredet. Dabei treten 5 6 auf der einen, und 7 8 auf der anderen
Seite wieder näher zusammen. Die erste Untergruppe, 5 6, ist disti-
chisch gehalten. Beide Gedichte geben der Sehnsucht nach dem ab-
wesenden Kaiser Ausdruck. Das Motiv war bereits im Schlußvers
von 2 angeschlagen (V. 8 palmataeque ducem, sed cito, redde togae) und
so zur.nächsten Gruppe hinübergeleitet worden. Die beiden Gedichte
der zweiten Untergruppe sind nach Form und Inhalt verschieden:
7 besteht aus Hinkjamben, 8 aus elegischen Distichen. 7 versichert
dem Kaiser, daß die Herzen aller bei ihm in der Ferne weilen. 8 gibt
der Freude über die jetzt mit Sicherheit zu erwartende Rückkehr des
Herrschers Ausdruck, und damit beschließt das Gedicht in sinniger
Weise den Zyklus: in den beiden ersten Gedichten der zweiten Gruppe
blieb der Termin der Rückkehr noch völlig im Ungewissen.
d ) D e r K a i s e r z y k l u s d e s 10. B u c h e s . Der Zyklus gilt nicht,
wie die vorausgehenden, Domitian, sondern dem Kaiser Trajan. Er
besteht aus den Gedichten 6 7 34. Davon sind die zwei ersten, weil
inhaltlich näher verwandt, nebeneinandergerückt: 6 gibt der Sehn-
sucht nach dem am Rhein weilenden Kaiser Ausdruck. Das gleiche

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Zyklen bei Martial und Catull 291

Motiv liegt implicite auch 7 zugrunde: Der Dichter richtet an den Vater
Rhein die Bitte, Traianum jx>pulis et urbi zurückzuschicken. Die
beiden Gedichte haben auch das miteinander gemein, daß in keinem
der Kaiser angeredet wird. Der Variation zuliebe wird aber das Vers-
maß gewechselt: 6 ist in elegischen Distichen, 7 in Hendekasyllaben
gehalten. Das dritte Gedicht des Zyklus, 34, ist nicht nur räumlich
von den beiden ersten weit abgerückt, es ist auch inhaltlich ganz
anders geartet als diese. Martial rühmt den Kaiser wegen einer von
ihm erlassenen Bestimmung. Dabei wird er, anders als in 6 und 7,
angeredet. Das Versmaß ist distichisch, so daß der Zyklus von zwei
Gedichten in gleichem Versmaß umrahmt wird.

4. D o r L o w o n - H a s o n z y k l u H d o s l. l t u c h o s
Zum Schluß soll unter den Kaiserzyklen noch der Löwen-Hasen-
zyklus 1 besprochen werden, da auch er im wesentlichen auf eine Ver-
herrlichung des Kaisers hinausläuft. Es ist bedeutsam, daß er eröffnet
wird durch ein Gedicht (6), das unmittelbar folgt auf die dem Kaiser
gewidmeten Epigramme 4/5. Die sieben Epigramme des Zyklus schil-
dern ein glänzendes Dressurstück, das in der Arena des Amphi-
theaters gezeigt wurde: Löwen und Hasen im friedlichen Spiel
miteinander. Dieses Thema wird in immer neuen Variationen ab-
gewandelt, eine Kunst, die im Altertum hoch geschätzt und viel
geübt wurde.
Martial hat die Gedichte des Zyklus wie folgt über das Buch ver-
teilt: 6 14 22 48 51 CO 104. Es heben sich also schon äußerlich
zwei Gruppen voneinander ab: 6 14 22 und 48 51 CO; dazu tritt
noch als Nachzügler 104. Der Zwischenraum zwischen der ersten und
zweiten Gruppe ist größer als der zwischen den einzelnen Gedichten
der beiden Gruppen; und noch weiter ist 104 von der zweiten Gruppe
entfernt; das Gedicht nimmt, wie wir sehen werden, auch sonst eine
Sonderstellung ein.
Der Dichter hat die zwei Gruppen auch noch durch andere Mittel als
gesonderte Einheiten charakterisiert. Die Gedichte der ersten Gruppe
haben distichische Form und sind ihrem Umfang nach gleich (C Verse);
und bei allen enthält die Schlußpointe eine Schmeichelei f ü r den
Kaiser. In dem mittleren Gedicht (14) wird er angeredet; in den beiden
umrahmenden Gedichten 0 und 22 dagegen ist in der 3. Person von
ihm die Rode. — Die Gedichte der zweiten Gruppe haben ebenfalls

1
Zu seiner Interpretation vgl. O. W E I N R E I C H , Studien zu Martial (Tub.
Hoitriige ζ. Altortumsw. 4. H e f t 1028) S. ftOff.

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292 KAHL HARWICK

distichische Form, aber sie sind ihrem Umfang nach nicht gleich:
48 hat 8, 51 und 60 dagegen je 6 Verse. Auch in dieser Gruppe schließt
jedes Epigramm mit einer Pointe. Aber sie gipfelt nicht in einer
Schmeichelei f ü r den Kaiser, der nicht einmal genannt wird, sondern
verfolgt den Zweck, das Wunder der Dressur noch stärker heraus-
treten zu lassen.
Das f ü r sich stehende Epigramm 104 nimmt gegenüber den beiden
ersten Gruppen auch sonst eine Sonderstellung ein: Es ist daa bei
weitem umfangreichste Gedicht des Zyklus und enthält mehr Verse
(22) als die drei Epigramme der ersten bzw. zweiten Gruppe zusammen-
genommen. Die metrische Form ist, anders als in der ersten und zweiten
Gruppe, der Hendekasyllabus.
Werden also die zwei Gruppen und das Schlußgedicht des Zyklus
scharf voneinander geschieden, so ist der Dichter andererseits wieder
bemüht, sie miteinander in Beziehung zu setzen und so zu einer Ein-
heit zusammenzufassen. Das kommt schon inhaltlich durch ihr ge-
meinsames Thema zum Ausdruck. Aber das ist es nicht allein. Das
Schlußgedicht der zweiten Gruppe (60) weist unverkennbar auf das
Schlußgedicht der ersten Gruppe (22) zurück: In sämtlichen Gedichten
der zweiten Gruppe wird der Hase angeredet, in 48 mit lejms improbe,
in 51 mit avibitiose, lejrus, in CO dagegen, also dem Schlußgedicht der
Gruppe, allein mit le/piis. Diese Anrede findet sich nur noch im Schluß-
gedicht der ersten Gruppe (22), und zwar in beiden Fällen an der
gleichen Stelle des ersten Verses, der überdies noch mit den gleichen
Worten (ora leonis) schließt: 22, 1 placidi, lepus, ora leonis, 60, 1 tor vi,
lejms, ora leonis.
Wie die zweite auf die erste, so weist 104 auf die erste und zweite
Gruppe zugleich zurück. Diente in der ersten Gruppe das Dressurstück
dazu, dem Kaiser zu schmeicheln, und wurde es in der zweiten Gruppe
darauf abgesehen, jenes Dressurstück als etwas Außerordentliches er-
scheinen zu lassen, so wird in 104 beides miteinander vereint: Zuerst
wird die Dressur der Löwen und Hasen als eine Leistung gerühmt,
die alles überbietet, was sonst dem Publikum in der Tierschau der
Arena geboten wurde; und dann wird dieses alles überbietende Meister-
stück der Dressur zu einer Schmeichelei f ü r den Kaiser benutzt, dessen
Name aber, anders als in der ersten Gruppe, nioht genannt wird (21 f.):
Haec dementia1 non paratur arte,
f>'ed norunt cui eermant leonee.

1
Gemeint ist die dementia, die von den Löwen gegenüber den Hasen geübt
wird.

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Z y k l e n bei M a r t i a l u n d ( ' a t u l l 293

Mit dem Löwen-Hasenzyklus steht 44 in enger Beziehung. Zur Er-


klärung dieses vielumstrittenen Gedichtes und ebenso zu 45 habe ich
mich kurz geäußert a. a. Ο. 77fF.

II. Z y k l e n a u f F r e u n d e u n d G ö n n e r d e s D i c h t e r s
1. D m · D u o i m i IIH - ü ! y k I II Η I 8 24 39 4 0 61

Decianus, der uns nur aus Martial bekannt ist, war ein guter Freund
des Dichters. E r hat ihm das 2. Buch gewidmet. Außer in der praefatio
dieses Buches und 2, ß wird er nur noch in den genannten Epigrammen
des 1. Buches erwähnt. Martial schätzte in ihm den Menschen (1,8
39) und Schriftsteller (1, 01); auch als Sachwalter war er tätig (2, 5, 6).
Seine Heimat war Emerita in Spanien (1, Gl, 10).
Alle Epigramme des Zyklus dienen einer schmeichelhaften Charak-
teristik des Freundes. Das letzte (01) nimmt gegenüber den übrigen
Epigrammen, auch räumlich, eine Sonderstellung ein: Es ist von
ihnen erheblich weiter entfernt als diese unter sich. Auch metrisch
steht es allein. Es ist in einem Versmaß gehalten, das bei Martial
nur hier begegnet; Hinkjamben und jambische Dimeter werden
epodisch miteinander verbunden. Das Gedicht ist auch nicht, wie
die übrigen, Decianus allein gewidmet. Er wird vielmehr neben
anderen Schriftstellern, auf die ihre Heimat stolz ist, rühmend er-
wähnt.
Die vier ersten Gedichte des Zyklus haben alle distichische Form,
J e zwei (8 24) und zwei (39 40) bilden eine Gruppe: In jeder steht
das größere Gedicht am Anfang, es folgt ein kleineres mit je vier bzw.
zwei Versen. Auch inhaltlich gehören die beiden Gedichte jeder Gruppe
eng zusammen. 8 rühmt den Decianus als einen Stoiker „ohne Schroff-
heit und Ostentation" (FRIEDLAF.NDER). 24 verspottet einen Un-
genannten, der nach außen hin den strengen Stoiker zur Schau trägt,
insgeheim aber dem Laster ergeben ist. Das Gedicht ist an die Adresse
des Decianus gerichtet, dessen Stoikertum auf diese Weise offenbar in
Kontrast gestellt werden soll zu dem des verächtlichen Ungenannten.
Andere Eigenschaften des Decianus schildert 39: Seine stoische
Charakterstärke wird nur neben anderen Eigenschaften angedeutet
duroh die Worte maqnac, evbnixu« robore mentis. Im übrigen rühmt
ihn das Gedicht als treuen Freund und als oinen hochgebildeten und
sittonreinen Mann. Der auf 39 folgende Zweizeiler:
Qui ducie vultus et no» legis isla libenter,
Omnibus invideas, livide, nemo tibi

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294 KARL HARWICK

hängt mit 39 80 eng zusammen, daß er ohne das hier Gesagte nicht
verständlich ist 1 . Man kann den Zweizeiler als ein Nachwort zu 39
bezeichnen, das auf die dort dem Decianus nachgerühmten Eigen-
schaften noch einmal nachdrücklich hinweisen soll.

2. Der Rogulus-Zyklus 1 12 82 111


M. Aquilius Regulus 2 war einer der reichen und vornehmen Gönner
Martials, ein namhafter Redner, aber von zweifelhaftem Charakter.
Außer den drei Epigrammen des 1. Buches sind ihm noch einige Ge-
dichte der Bücher I I und IV—VII gewidmet.
Anders als im Decianus-Zyklus sind die drei Gedichte des Regulus-
Zyklus ziemlich über das ganze 1. Buch verteilt. Dabei ist ihre Reihen-
folge sorgfältig abgewogen und bestimmt durch das Streben nach
Abwechslung und Steigerung. 12 ist in elegischen Distichen, 82 in
Hendekasyllaben und 111 wieder in Distichen gehalten. In 12 wird
von Regulus in der 3. Person gesprochen, ebenso in 82, wo er aber
außerdem am Schluß noch angeredet wird; ausschließlich angeredet
wird er in 111. Alle Gedichte verfolgen den Zweck, Regulus zu schmei-
cheln.
12 und 82 knüpfen die Schmeichelei an einen Bericht über den Ein-
sturz einer Porticus auf einem Landsitz des Regulus, wobei er beinahe
den Tod gefunden hätte. Beide Gedichte variieren das gleiche Thema:
12 schildert ausführlich die Lage der Villa an der via Tiburtina\ in 82
wird darauf überhaupt nicht eingegangen. Den Einsturz der Porticus
schildert 12 ganz kurz, in 82 wird er breit ausgeführt. Die Schluß-
pointe, in der die Schmeichelei f ü r Regulus gipfelt, läuft in beiden Ge-
dichten auf dasselbe hinaus; sie wird aber verschieden gestaltet.
12 enthält zwei Pointen, und jeder werden zwei Verse gewidmet.
In der ersten (9/10) heißt es, Fortuna habe die Wehklagen der Freunde
des Regulus gefürchtet und ihn deshalb verschont. Die zweite (11/12)
betont, der Einsturz der Porticus · habe auch sein Gutes, da er die
Existenz der Götter bewies. Dadurch wird Regulus implicite als Gegen-
stand göttlicher Fürsorge bezeichnet. I n 82 werden diese beiden Pointen
wirkungsvoll in eine einzige zusammengezogen, die die letzten drei
Verse füllt. Von Fortuna ist nicht mehr die Rede, sondern nur von den
Göttern. Wurde in 12 nur angedeutet, daß Regulus durch das Ein-
greifen der Götter gerettet worden sei, so wird er in 82 ausdrücklich als
Gegenstand göttlicher Fürsorge (cura deorum) bezeichnet. Das Motiv

1
Andere Gedichte dieser Art bei Martial habe ich a. a. O. 63 ff. besprochen.
* Über ihn P. v. R O H D E N , R E II 331.

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Z y k l e n bei M a r t i a l u n d Catiill 295

der F u r c h t vor den Wellklagen der Freunde, dae in der ersten Pointe
von 12 angeschlagen worden war, wird auch in 82 verwendet. Sie wird
aber hier nicht f ü r Fortuna, sondern f ü r die Götter als Grund von
Regulus' R e t t u n g genannt.
I n ganz anderer Weise und wirkungsvoller schmeichelt 111 dem
Regulus. Es wird Vorausgesetzt, der Dichter habe ihm, bei irgendeiner
nicht näher bezeichneten Gelegenheit, ein Buch und Weihrauch ge-
schenkt; und man h a t wohl anzunehmen, daß das Gedicht den beiden
Geschenken, die einem so reichen Mann wie Regulus als belanglos er-
scheinen konnten, gewissermaßen als Rechtfertigung beigegeben war.
Das Begleitgedioht versucht nun zu zeigen, d a ß jene Gaben ein an-
gemessenes Geschenk f ü r Regulus seien; und damit wird in geschickter
Weise eine feine Schmeichelei verbunden. Viererlei wird Regulus
n a c h g e r ü h m t : sophiae farna, cura deorum1, pietas und ingenium. Am
Schluß des Gedichtes heißt es: Wer sich wundert, Regulus, daß dir ein
Buch und Weihrauch geschenkt werden, versteht nicht nach Gebühr
zu schenken. Dae Gebührende der Geschenke liegt natürlich darin, daß
ein Buch und Weihrauch passende Gaben sind f ü r einen Mann, dem
einerseits sophia und ingenium, andererseits cura deorum und pietas
zu eigen sind.

3. D e r F a u a t i n u s - Z y k l u s I I I 2 25 39 47 58

Faustinus war ein Freund des Dichters und, wie es scheint, stets zu
Scherzen aufgelegt. Man darf das wohl aus der Tatsache schließen,
d a ß Martial zahlreiche Scherz- und Spottepigramme an seine Adresse
gerichtet hat. Selbst Dichter, war er wohlhabend und Besitzer mehrerer
Villen 2 .
Von den fünf Gedichten des Zyklus sind nur das erste und letzte,
2 und 58, ernsthafter N a t u r und beschäftigen sich mit der Person des
Faustinus; sie gehören insofern zusammen und bilden die U m r a h m u n g
des Zyklus. I n 2 wird das 3. Buch dem Freund gewidmet. 58 r ü h m t dem
Baesus, der mit Martial und Faustinus befreundet war (vgl. V. 1), das
ertragreiche L a n d g u t des letzteren und stellt es in Gegensatz zu dem
nichts einbringenden Landsitz des Bassus. Metrisch sind die beiden
Gedichte verschieden: 2 ist in Hendekaayllaben, 58 in Hinkjamben
gehalten. — I m Gegensatz zu den beiden Rahmengedichten handelt
es sieh bei 25 39 47 um Scherz- und Spottepigramme, deren Inhalt

1
Von F R I E D L A E N D E R Z. St. richtig als objektiver Genitiv aufgefaßt.
1
Vgl. P. G I E S E , D O personis a Martinlo commemoratis. Diee. Greifewald
1872, S. 15 u n d FRIEDLAENDER ZU 1 , 2 5 .

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29« KARL HARWICK

Faustinus mitgeteilt wird. Die Anordnung der drei Gediohte ist durch
das Streben nach Abwechslung bestimmt: Auf die Hinkjamben in 25
folgen in 39 ein elegisches Distichon und in 47 wieder Hinkjamben.
In 25 treibt der Dichter seinen Scherz mit einem Mann, in 39 mit einer
Frau und in 47 wieder mit einem Mann. Daß dabei 47, und nicht 25,
vor 58 gerückt wird, ist kein Zufall. Beide Gedichte hängen eng zu-
sammen: In 47 macht sich der Dichter Faustinus gegenüber lustig
über das Landgut des Bassus, das so wenig ertragreich war, daß dieser
bei einem dortigen Aufenthalt alle Lebensmittel aus der Stadt mit-
bringen mußte. Umgekehrt rühmt 58 dem Bassus gegenüber das mit
allem Überfluß gesegnete Landgut des Faustinus.

4. I)or ZykhiH uuf doli Uoblirtetag Lucana VII 21—23


Zur Geburtstagsfeier des verstorbenen Dichters Lucan hatte seine
Witwe Polla Argentaria den Dichter Statius um ein genethliacon ge-
beten = Silv. 2,7; vgl. die Vorrede zum 2. Buch. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß Polla um eine ähnliche Geburtstagsgabe auch ihren
Klienten Martial ersucht und daß dieser in dem vorstehenden Zyklus
sich seiner Aufgabe entledigt hat.
Die drei Gedichte des Zyklus sind nicht, wie das bei Martial in der
Regel geschieht, über das Buch verteilt, sondern nebeneinander-
gerückt. Ihre Zusammengehörigkeit wird noch dadurch unterstrichen,
daß alle gleich groß und in dem gleichen Versmaß gehalten sind: Jedes
umfaßt drei elegische Distichen. Der Abwechslung wird schon äußer-
lich dadurch Rechnung getragen, daß das erste Gedicht an Polla, das
zweite an Lucan selbst und das dritte wieder an Polla gerichtet ist.

5. Dor Ovidius-Zyklue VII 44 45 93


Q. Ovidius war ein befreundeter Gutsnachbar des Martial, den er
außer in dem vorstehenden Zyklus auch sonst nicht selten in seinen
Epigrammen erwähnt.
Das Metrum in dem kleinen Zyklus wechselt: Die Distichen in 44
werden abgelöst in 45 durch HendekasyHaben, diesen folgen in 93
wieder Distichen. Die beiden ersten Gediohte sind nebeneinander-
gestellt, weitab von diesen das letzte; nicht ohne Grund. Die ersteren
gehören eng zusammen und variieren das gleiche Thema: Sie verherr-
lichen die Freundestreue des Ovidius, die er bewährte, als er Caesonius
Maximua in die Verbannung begleitete. Nicht nur der Inhalt, auch der
äußere Anlaß zu beiden Gedichten ist der gleiche: ein in Wachs ge-
formtes Bild des genannten Caesonius. Beide Gedichte haben auch das
miteinander gemeinsam, daß Martial den Freund mit Ovidi anredet.

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Zyklen bei Martial und Catull 297

Dagegen wird in 93 von ihm in der 3. Person gesprochen, lind er wird


dort mit seinem Vornamen Quintus genannt. Auch inhaltlich ist dieses
Gedicht ganz anders geartet als die beiden ersten. Der Dichter beklagt
sich, daß der benachbarte F r e u n d so häufig von seinem Gute bei
Nomentum abwesend sei und in Narnia sich aufhalte.

6. D e r Barinus-Zyklus 1X11 12(13) 13(12) 1 6 17 [36]

Mit den fünf Gedichten des Zyklus will Martial dem kaiserlichen
Mundschenk und Freigelassenen E a r i n u s 1 sich gefällig erweisen. 36, wo
ebenfalls des Earinus gedacht wird, schmeichelt weniger ihm als dem
Kaiser.
11 und 12 bilden inhaltlich eine Gruppe f ü r sich; beide verherrlichen
die Schönheit des Namens Earinus. Das erstere, in Hendekasyllaben
verfaßte, Gedicht weist außerdem auf die Schwierigkeit hin, den
N a m e n in diesem Metrum unterzubringen. Das dritte Gedicht des
Zyklus (13) folgt unmittelbar auf 11/12, offenbar deshalb, weil es in-
haltlich sich mit jenen berührt. Dort wurde, in 11,1 f. und 12,1 f.,
nebenbei bemerkt, der N a m e Earinus sei nach dem Frühling benannt.
Ausschließlich mit diesem Ursprung des Namens beschäftigt sich 13.
Wie 11 —13 gehören auch 16/17 eng zusammen. Beide Gedichte sind
in elegischen Distichen gehalten; und beide sind Weihepigramme, ver-
f a ß t zu Ehren des Earinus, als dieser seine Haare zusammen mit seinem
Spiegel dem Äskulap in Pergamus weihte. Der Dichter ist bemüht,
das Thema in beiden Gedichten nach Möglichkeit zu variieren. So wird
der Gott in 16 nicht angeredet und als Pergameus deus bezeichnet, in
17 dagegen wird er angesprochen und Latonae venerandus nepos ge-
n a n n t . Die Pointe von 16 verherrlicht die Haare des Earinus, die von
17 dessen jugendliche Schönheit, die, so wünscht der Dichter, nach
der Haarschur nicht geringer sein möge als vorher.
Auch Statius M t in einem Gedicht seiner Silvae (3,4) die Haar-
schur des Earinus zum Anlaß genommen, diesem, und darüber hinaus
dem Kaiser, zu huldigen. I n der Vorrede ?um 3. Buch bemerkt Statius,
er habe das Gedicht auf Wunsch des Earinus verfaßt, der ihn gebeten
habe, in Versen seine H a a r e (capillos suos) zu verherrlichen, quos cum
gemmata pyxide et speculo ad Pergamenum Asclepium mittebat. Die
Vermutung liegt nahe, daß auch der Earinus-Zyklus des Martial auf
Bestellung geschrieben wurde, und daß er 36 diesem hinzufügte, um
gleichzeitig auch dem Kaiser eine Schmeichelei zu sagen.

1
Ü b e r ihn FRIEDLAENDER, D a r s t e l l u n g e n a u s d e r Sittengeschichte R o m s
I" 6 3 .
9 Zeitschrift „Phllologuä" 3/4

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298 KARL HARWICK

7. Die Flaccus-Zyklori dor Büchor I IX und XI


Der in diesen Zyklen genannte Flaccus ist uns nur aus Martial be-
kannt. Ein Flaccus begegnet bei ihm außerdem auch sonst noch häufig.
Doch bezeichnet der Name nicht überall die gleiche Person. Mit dem
1, 107,4 8, 18,5 12,3 (4), 1 erwähnten Flaccus ist, wie sich aus dem
Zusammenhang deutlich ergibt, Horaz gemeint. Ebenso eindeutig
wird der 1,76 erwähnte Flaccus als ein armer Dichter aus Patavium
charakterisiert; er ist zweifellos identisch mit dem Pataviner Flaccus
in 1, 61,4. Es spricht nichts dagegen (und zu der gleichen Ansicht
neigt auch H E R A E U S in dem Index nominum seiner Ausgabe), daß
überall, wo sonst noch ein Flaccus bei Martial begegnet (4,42 49 7,82
87 8,45 55 (56) 10,48 12,74), dieser identisch ist mit dem Flaccus
unserer Zyklen. Dabei handelt es sich um einen wohlhabenden Gönner
des Martial, mit dem er besonders vertraut war, und überdies um einen
Mann, der einen ausgesprochenen Sinn für Humor und auch für die
gewagtesten Witze Verständnis hatte. Daher der scherzhafte und
lockere Ton, der in den an ihn gerichteten Epigrammen meist an-
geschlagen wird, und die niedere Sphäre, in der sie sich vielfach be-
wegen.
a) D e r F l a c c u s - Z y k l u s d e s 1. B u c h e s : 57 59 98. Das Versmaß
dieser drei Gedichte ist distichisch. Im übrigen sind 57 und 59 zu einer
Gruppe zusammengeschlossen und nur durch ein Gedicht voneinander
getrennt; beide sind gleich groß (4 Verse), und beide sind in einem
lockeren und scherzhaften Ton gehalten. Räumlich weit ab von dieser
Gruppe steht 98. Auch inhaltlich nimmt es eine Sonderstellung ein:
nur bei ihm handelt es sich um ein Spottgedicht; und es ist, anders
als 57 und 59, ein Zweizeiler.
b) D e r F l a c c u s - Z y k l u s d e s 9. B u c h e s : 33 55 90. Die drei Ge-
dichte des Zyklus, die weit auseinandergerückt sind, zeichnen sich aus
durch ein ausgesprochenes Streben nach Abwechslung: Das Metrum
ist überall verschieden: Auf Hinkjamben in 33 folgen elegische Disti-
chen in 55 und in 90 Hendekasyllaben. Auch Ton und Inhalt der Ge-
dichte sind völlig verschieden. 33 hat obszönen, 55 scherzhaften, 90
ernsthaften Charakter.
c) D e r F l a c c u s - Z y k l u s des 11. B u c h e s : 27 80 95 98 100 101.
Wie in den Zyklen des 1. und 9. Buches wird Flaccus auch in diesem
Zyklus überall angeredet. Im übrigen heben sich drei Gruppen von-
einander ab. Die beiden Gedichte der ersten Gruppe (27 80) sind
weit auseinandergerückt, dagegen die der zweiten Gruppe (95 98)
nur durch zwei Epigramme voneinander getrennt, unmittelbar neben-
einander stehen die zwei Gedichto der letzten Gruppe (100 101). In

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Zyklen bei Martial und Catull 299

jeder Gruppe wird als Versmaß das Distichon und der Hinkjambus
verwendet. Dabei steht in den beiden ersten Gruppen das distichische
Gedicht voran, in der letzten Gruppe ist es umgekehrt. Auch inhaltlich
heben sich die drei Gruppen voneinander ab. In der ersten werden
Stoffe verschiedener Art behandelt: 27 schildert in scherzhafter und
launiger Weise die Ansprüche, die der Dichter bei seinem Mädchen
erwartet. Auf einen scherzhaften Ton ist auch 80 gestimmt. Es ent-
hält die Antwort des Dichters auf eine Einladung des Flaccus, ihn in
Baiae zu besuchen (auch nach 1,59 hielt sich Martial zusammen mit
Flaccus in Baiae auf). Die beiden Gedichte der zweiten Gruppe (95
und 98) stehen inhaltlich insofern einander nahe, als es in beiden sich
um Küsse, um basia, handelt: 95 spottet über die basia der fellatores.
98 schildert in drastischen Farben, daß es unmöglich sei, der Auf-
dringlichkeit der basiatores zu entrinnen. Auch die beiden Gedichte
der letzten Gruppe (100 101) stehen inhaltlich einander nahe. In 100
setzt Martial dem Flaccus auseinander, sein Mädchen dürfe nicht
spindeldürr, aber auch nicht zu fleischig sein. In 101 übt der Dichter
seinen Witz an einer spindeldürren Thais.

III. Z y k l e n von S c h e r z - u n d Spottepigrammen


1. D o r P o s t u m u s - Z y k l u s I I 10 12 21 22 23 [67 72]
In dem Zyklus wird ein Postumus verspottet wegen seines üblen
Mundgeruchs, den man als Folge einer gewissen Art von sexueller
Perversität anzusehen pflegte. Alle Gedichte sind von geringem Um-
fang und auf das erste Viertel des Buches verteilt. Alle Gedichte haben
eine zur Zeit des Martial in Rom allgemein verbreitete Sitte zur Vor-
aussetzung, Bekannte und Freunde bei der Begegnung mit einem Kuß
zu begrüßen 1 . Das letzte Gedicht (23) steht für sich und kann gewisser-
maßen als Nachwort des Zyklus bezeichnet werden. Es ist das einzige,
das in Hendekasyllaben verfaßt ist, und es nimmt auf die voraus-
gehenden vier Gedichte Bezug: Der Dichter erklärt, er werde, wenn
man auch noch so sehr in ihn dringe, nicht verraten, wer der dort ge-
nannte Postumus sei, da er sich durch seine Küsse so vortrefflich
rächen könne. Jene vier Gedichte bilden ihrerseits eine Gruppe f ü r
sich. I n allen bringt Martial sein Widerstreben zum Ausdruck, sich
von Postumus küssen zu lassen; oder er deutet, so in 12, den Grund
seines Widerstrebens an. Das Verhalten des Postumus selber stei-
gert sich von anfänglicher Gleichgültigkeit zu größerer Vertraut-
1
Vgl. F R I E D L A E N D E R ZU 2, 10, 1 u n d Darstellungen aus der Sittengeschichte
Koma Ι ' 93 ff.

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300 KARL BAKWICK

heit; dadurch wird die Abfolge von 10 und 22 bestimmt: Naoh 10 küßt
Postum us den Dichter nur mit halber Lippe, dimidio labro, nach 22
hingegen mit beiden Lippen, utroque labro.
Ein Postumus ist im 2. Buch außerhalb des Zyklus noch zweimal
Zielscheibe des Spottes, in 67 und 72 1 . Aber der Inhalt dieser Gedichte
läßt darauf schließen, daß der hier verspottete Postumus mit dem
Postumus des Zyklus nichts zu tun hat; und um dies auch äußerlich
anzudeuten, hat Martial ihn offenbar weit von jenen Gedichten ab-
gerückt.
Anschließend noch ein Wort über 18. Hier wird ein Maximus verspottet,
weil er als Patron des Dichters selber Kliontendienste t u t . E r wird in V. 1
und 8 angerodet. Aber in dem lotztoron Vors bieten nur die Handschriften-
klassen α und β Maxime, γ dagogon Poslume. Wie erklärt sich diese merkwürdige
Differenz? Ein Schreibfehler ist in γ ausgeschlossen. Offenbar liegen die Dinge
folgendermaßen. Nach E. L E H M A N N a. a. O. erschienen Buch I I — V I I zu-
nächst einzeln und dann spätor noch einmal in einer zwoiten Gesamtausgabe,
wobei an dio Spitze der bisher schon einzeln veröffentlichten sechs Bücher das
jetzigo, im wesentlichen nun erst entstandene 1. Buch gestellt wurde. Auf dieser
Gesamtausgabo beruht der uns überlieferte T e x t der Bücher I —VII. I n dieser
zweiten Gesamtausgabo hieß 2,18 der Angegriffene Maximus, während er in der
ersten Ausgabo den Namen Postumus t r u g ; und aus ihr h a t der Name sich
irgendwie (wahrscheinlich auf dem Wege einer bald nach dem Tod Martials er-
schienenen kritischen Gesamtausgabe seiner Werke) in die Überlieferung von
γ herübergerettet. Weshalb Martial den Namon Postumus in dor zweiten Aus-
gabo durch einon anderon Namon, Maximus, ersotzt hat, läßt sich mit einiger
Sichorheit noch orraten. Offonbar sind die Gedichte des Postumus-Zyklus orst
in der zweiten Ausgabo hinzugokommon. D a f ü r spricht, daß Martial, nach 22
zu schließen, bei der Abfassung dos Zyklus boreits ein bortihmtor Mann war.
Dagogen standen 18 67 72 bereits in der erston Ausgabe. Martial h a t sie in
der zweiten Ausgabo an ihrom Platz belassen und den nougedichteten Postumus-
Zyklus in dem orsten Viortel dos Buches untergebracht, u m ihn, aus dom oben
angogebenen Grund, möglichst weit von 67 u n d 72 zu trennen. Nun war aber
18 mit Postumus als Adressat wogen seines Inhaltes innerhalb oder vor dem
Zyklus nicht mehr möglich. So entschloß sich Martial, 18 zwar an seinem Platz
zu belasson, abor den Namon Postumus durch einen anderen, Maximus, zu
ersotzon.
2. D e r S e l i u s - Z y k l u s I I 11 14 27 [69,6]
In den drei Gedichten wird ein gewisser Selius als Mahlzeitjäger
verspottet. Die beiden ersten nahe beieinander stehenden Gedichte
des Zyklus, 11 und 14, variieren das gleiche Thema. Beide zeigen den
Selius, wie er am späten Nachmittag noch verzweifelt bemüht ist, eine
Einladung zu einer Mahlzeit zu erhalten. Der Abwechslung wird durch
die Verschiedenartigkeit des Versmaßes Rechnung getragen: Hink-
jamben in 11, elegische Distichen in 14. In 11 liegt der Nachdruok der
1
Zur Interpretation dieses Gedichtes vgl. PRINZ, Wien. Stud, 47, 192Θ, 114,

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Z y k l e n bei M a r t i a l u n d Catull 301

Schilderung auf der Ausmalung der trüben Stimmung des Selius


während seiner wenig erfolgversprechenden Jagd auf eine Mahlzeit.
Seine krampfhaften Bemühungen, im letzten Augenblick noch eine
Einladung zu erhäschen, werden in V. 2 (quod ambulator porticum
terit seram) nur leicht angedeutet. In 14 dagegen wird dieses Motiv
breit ausgeführt. In einer ganz anderen Situation erscheint Selius in 27.
Das Gedicht ist auch räumlich weiter von 11 und 14 entfernt als diese
unter sich. Im Gegensatz zu diesen beiden Gedichten ist Selius in 27
erfolgreich bemüht, als Beifallklatscher bei Rezitationen und Gerichts-
reden sich eine Einladung zu verschaffen.
Sehr hübsch hat Martial die Gedichte nach dem Jagderfolg des
Selius geordnet. In 11 muß Selius, trotz aller Bemühungen um eine
Einladung, schließlich in tiefer Niedergeschlagenheit feststellen, daß
ihm nichts anderes übrig bleibt, als zu Hause zu speisen: domi cenat,
heißt es am Schluß. Ob in 14 seinen Bemühungen zuguterletzt doch
noch Erfolg beschieden ist, wird offen gelassen: Der Dichter bricht
seine Erzählung ab mit der boshaften Bitte an den die Europa tragen-
den Stier, er möge seinerseits Selius zu einer Mahlzeit einladen, d. h.
er möge, wie F R I E D L A E N D E R richtig erklärt, einem Stier in der Arena
des Amphitheaters vorgeworfen werden. In 27 endlich sind die Be-
mühungen des Selius erfolgreich.
Eine Einladung zu einer Mahlzeit war zur Zeit Martials in Rom eino
sehr begehrte Sache; und mancher arme und hungrige Teufel scheint
förmlich Jagd auf eino solche gemacht zu haben. Es wäre daher sehr
wohl denkbar, daß der Spott Martials gegen Selius einem Typus gilt
und nicht einer bestimmten Person. Doch darf das letztere mit ziem-
licher Sicherheit angenommen werden, wenn auch gewiß mit der
Einzelperson zugleich der ganze Typus der Mahlzeitjäger getroffen
werden soll. Für die Tatsache, daß mit Selius eine bestimmte Person
gemeint ist, die Martial, wie das in der Regel bei ihm der Fall ist,
hinter einem Decknamen verbirgt, spricht der Umstand, daß Selius
69,0 als stadtbekannter Mahlzeitjäger genannt wird. Wen Martial
mit dem Pseudonym im Auge hatte, können wir heute nicht ein-
mal vermuten; aber in den Kreisen der römischen Gesellschaft, in
denen der Dichter verkehrte, dürfte es kaum unbekannt gewesen sein.

3. D o r L i g u r i n u s - Z y k h i s I I I 44 45 60
Alio drei Gedichte verspotten die Rezitationswut 1 eines Dichters,
der Ligurinus genannt wird. Wie in dem Selius-Zyklus die beiden
1
Übor das Unwoson dor Rezitationen während dor römischon Kaiserzeit
FRIEDLAENDER, Darstollungon aus der Sittengeschichte Roms II· 223ff.

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302 KARL BARWICK

ersten, so bilden in diesem Zyklus die beiden letzten Gedichte eine


Gruppe für sich. Gegenüber dieser Gruppe hat dort das letzte, hier das
erste Gedicht (44) einen besonderen Charakter. Es sohildert in dra-
stischer Weise, wie Ligurinus überall, wo er außerhalb seines Hauses
erscheint, und in allen möglichen Situationen bemüht ist, seine Verse
vorzulesen, und wie er deshalb gefürchtet und gemieden wird. Das
Versmaß des Gedichtes sind Hendekasyllaben. 45 und 60 dagegen sind
in elegischen Distichen gehalten und berichten, wie Ligurinus auch zu
Hause, bei seinen Gastmahlen, gemieden wird. 45 beschränkt sich im
wesentlichen darauf, diese Tatsache zu konstatieren; der Grund hierfür
wird nur obenhin angedeutet, durch te recitante (4) und tace (6). In 50
dagegen wird breit ausgeführt, wie die ungezügelte Rezitationswut
den Gästen die cena des Ligurinus verleidet.
Wie in dem Selius-Zyklus kann man auch im Ligurinus-Zyklus
zweifeln, ob wir in dem Verspotteten einen Typus oder eine bestimmte
Person zu sehen haben. Richtig dürfte auch hier sein, daß Martials
Spott einer bestimmten Person, zugleich aber auch dem von ihr ver-
tretenen Typus gilt. Die Rezitationen waren ja in dem damaligen Rom
zu einer wahren Plage geworden, die ζ. B. auch den Spott Petrons
herausforderte. Aber daß Martial mit Ligurinus auch eine bestimmte
Person im Auge hat, darf man daraus entnehmen, daß er ihn mit ganz
konkreten Zügen ausstattete: Er ist ein rechtschaffener, braver und
unbescholtener Mann (vir iustus, probua, innocens 44,18); und er ist
auch kein armer Teufel, wie damals die Dichter meist, sondern wohl-
habend und in der Lage, kostspielige Gastmahle zu veranstalten
(45 50).

4. D i e Z o i l u e - Z y k l e n in II u n d X I
Beide Zyklen haben miteinander gemeinsam, daß sie aus kleinen Ge-
dichten in distichischer Form bestehen, wobei das kleinste zwei, das
größte sechs Verse zählt; sie haben ferner gemeinsam, daß Zoilus
überall 1 angeredet wird und daß sie ungefähr über das ganze Buch ver-
teilt sind; und endlich erscheint Zoilus in beiden Zyklen als ein ehe-
maliger Sklave, der mit üblen Eigenschaften allerlei Art behaftet ist.
a) Der Z o i l u s - Z y k l u s des 2. B u c h e s : 16 19 42 58 81. Eine
Gruppe für sich bilden 16 und 19: Nur sie stehen dicht beieinander
und haben etwas größeren Umfang (drei und zwei Disticha). In beiden
Gedichten wird Zoilus als Protz geschildert: In 16 stellt er sich krank,
um die kostbare Ausstattung seines Bettes zu zeigen; in 19 weist

1
Nur in 2,16 ist danoben auch in der 3. Person von ihm die Rode.

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Zyklon bei Martial und Catull 303

Martial eine Teilnahme an einem Gastmahl bei ihm zurück. E s wird


nicht angedeutet, warum er dos tut. Aber im Hinblick auf 16 dürfen
wir annehmen, daß ihm der geschmacklose Prunk, den Zoilus bei einem
Gastmahl entfaltet, widerwärtig ist. — Wie 16 und 19, so bilden auch
42 58 und 81 eine Gruppe: sämtliche Gedichte bestehen aus j e einem
Distichon und sind erheblich weiter auseinandergerückt als die der
ersten Gruppe. Inhaltlich malen sie das in 16 und 19 gezeichnete Bild
des Zoilus weiter aus oder ergänzen es: 42 deutet seine sexuelle Per-
versität an, in 58 protzt er mit seiner Kleidung, die er aber auf Pump
gekauft h a t ; 81 endlich bringt einen Hinweis auf seine Herkunft aus
dem Sklavenstande: E r protzt mit seiner geräumigen Sänfte; da sie
aber ihm gehöre, bemerkt der Dichter, sei sie eine sandapila. So heißt
die Bahre, mit der Arme ( 9 , 2 , 1 2 ) und Sklaven ( 8 , 7 5 , 9 if.) zur Ver-
brennungsstätte getragen wurden.
b) D e r Z o i l u s - Z y k l u s d e s 11. B u c h e s : 12 30 37 54 85 92. Von
den sechs Gedichten des Zyklus bilden j e zwei eine Gruppe. Die
erste und letzte Gruppe (12 30 und 85 92) setzt sich aus Gedichten
mit j e einem Distichon zusammen. Die beiden Gedichte der mittleren
Gruppe (37 54) haben größoren Umfang: j e zwei und drei Disticha;
und in beiden Gedichten erscheint Zoilus als ehemaliger Sklave, in
37 überdies als geschmackloser Protz, in 54 als gemeiner Dieb. Die
in den Gedichten der mittleren Gruppe gegebene Charakteristik des
Zoilus wird in den beiden anderen Gruppen noch weiter ausgeführt
oder durch neue Züge ergänzt. 12 weist darauf hin, daß er ehemals
Sklave war. In 30 wird er als fellator, in 85 als cunnilingus gebrand-
markt, in 92 endlich als ein Mann, der nicht lasterhaft (vitiosus), son-
dern das personifizierte Laster (vitium) ist. Man beachte die Steigerung
dieses Gedichtes gegenüber den vorausgehenden. Auch der Ton wird,
und zwar in beiden Gedichten der letzten Gruppe, gesteigert und ein-
dringlicher: Zoilus wird zweimal, im Hexameter und Pentameter des
Distichons, angeredet, wobei der Name in beiden Gedichten an den
gleichen Versstellen wiederkehrt.
Außer in den Zyklen des 2. und 11. Buches wird Zoilus noch zweimal
im 3. (29 82), je einmal im 4. (77), 5. (79), 6. (91) und 12. Buch (54)
angegriffen. Formal unterscheiden sich diese Gedichte von denen der
beiden Zyklen: Als Versmaß begegnen in ihnen außer elegischen
Distichen auch Sotadeen, Hinkjamben und Hendekasyllaben. Ferner
wird Zoilus nicht nur, wie überall in den beiden Zyklon, angeredot;
es wird auch in der 3. Person von ihm gesprochen; und endlich begegnet
in ihnen auch ein so umfangreiches Gedicht wie 3 , 8 2 (33 Verse). Ich
halte es für ausgemacht, daß der Zoilus der Bücher I I I I V V V I

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304 KARL BARWICK

und X I I mit dem der beiden Zyklen in I I und X I identisch ist 1 . Her-
kunft und Charakter des Zoilus sind hier und dort im wesentlichen
gleich: In 3,29 erscheint er als früherer Sklave. 5,79 hat seinen
protzenhaften Kleideraufwand zum Gegenstand. 3,82 schildert sein
unqualifiziertes Benehmen bei seinen Gastereien und brandmarkt
ihn überdies als fellator. Seine sexuelle Perversität deutet auch 6,91
an, seine Minderwertigkeit im allgemeinen 12,64. Nur 4,77 fällt etwas
aus diesem Bild heraus. Hier ist Zoilus neidisch auf Besitz und Wohl-
ergehen anderer. Aber da er einmal (11,92) als der Inbegriff aller Laster
hingestellt wird, wird man ihm auch das Laster niederen Neides nicht
absprechen dürfen.
Gewiß hat Martial mit Zoilus eine bestimmte Person im Auge, und
nicht einen bloßen Typus. Dafür sind die Farben, mit denen er gemalt
wird, viel zu individuell. Vermutlich hatte Martial schon in den ersten
Jahren seines römischen Aufenthaltes Beziehungen mit ihm an-
geknüpft, aber üble Erfahrungen mit ihm gemacht und ihn dann mit
seinem besonderen Haß und der ganzen Schärfe seines Spottes ver-
folgt. Wer sich hinter dem Namen Zoilus verbirgt, wissen wir nicht.
Aber für seine römischen Zeitgenossen hat es Martial deutlich genug
gesagt, bezeichnenderweise im letzten Gedicht, das ihm gewidmet ist
(12, 54). Es mutet an wie ein Steckbrief und lautet:
Crine ruber, niger ore, brevis pede, lumine laesus,
Item magnam praestae, Zolle, ei bonus es.
In unvergleichlicher Kürze wird hier Zoilus nicht nur als moralisch
minderwertig, sondern auch als ein Ausbund körperlicher Häßlichkeit
geschildert.

5. Z y k l e n auf Vergehon gegen k a i s e r l i c h e V e r o r d n u n g e n in V u n d VI

a) Z y k l u s a u f S ü n d e r g e g e n d i e lex theatralis2 V 8 14 23
25 27 35 38 38 a 3 41. Domitian hatte die alte lex theatralis, der zu-
folge den Angehörigen des Ritterstandes bevorzugte Plätze im Theater
zustanden, durch ein Edikt neu eingeschärft: Suet. Dom. 8,3 suscepta
correctione morum licentiam theatralem promiscue in equite s-pectandi
inhibuit. Sämtliche Gedichte des Zyklus haben jenes Edikt zur Voraus-

1
Der gleichen Ansicht ist auch Ö I E S E a. a. O. 35. H E R A E U S a. α. Ο. sondert
nur den Zoilus in 1 1 , 5 4 aus; wieder anders F R I E D L A E N D E R zu 2 , 1 0 , 1 und Ein-
leitung I S. 22.
* Übor sie M O M M S E N , Rom. Staaterecht III 519ff.
3
Die Teilung von 38 in zwei Gedichte (38, 1 - 4 und 3 8 , 5 - 1 0 = 38a)
habo ich eingehend begründet a. a. O. 68 ff.

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Zyklon boi Martini und Catull 305

eetzung und verspotten Personen, die gegen es verstießen oder doch


den Versuch dazt machten. Die Gedichte sind über die erste Hälfte des
Buches verteilt. Dabei lassen sich schon rein äußerlich drei Gruppen
unterscheiden: Der Abstand der Gruppen voneinander ist größer als
der Abstand der Gedichte innerhalb einer Gruppe; und jede folgende
Gruppe umfaßt ein Gedicht mehr als die vorausgehende. Die beiden
Gedichte der ersten Gruppe (8 14) sind ungefähr gleich lang (je 12
und 10 Verse) und verschieden im Versmaß: Hendekasyllaben in 8,
Hinkjamben in 14. Der aufsichtführende Beamte heißt in beiden Ge-
dichten Leitus, in beiden ein Hinweis auf das kaiserliche Edikt, und
in beiden ist von dem Verspotteten in der dritten Person die Rede. —
Das Versmaß der zweiten Gruppe (23 25 27) ist das elegische Di-
stichon. Die beiden kleineren Gedichte (23 und 27) stehen am Rande,
das größte (25) in der Mitte; also Umrahmung. Als aufsichtführender
Beamter wird in 23 und 27 Oceanus, in 25 Leitus genannt; also wieder
Umrahmung. In allen drei Gedichten wird der Verspottete, im Gegen-
satz zur ersten Gruppe, angeredet. Ein Hinweis auf das kaiserliche
Edikt nur in dem ersten Gedicht der Gruppe (23). — Während die Ge-
diohte der zweiten Gruppe durch je ein Epigramm voneinander ge-
trennt sind, stehen zwischen den Gedichten der dritten Gruppe (35
38 38 a 41) je zwei Epigramme, wobei 38 und 38a wegen ihrer engen
Zusammengehörigkeit als Einheit gezählt werden. 35 und 41 sind in
Hinkjamben gehalten, und ihr Umfang ist gleich (8 Verse). Die beiden
dazwischenstehenden Gedichte sind distichisch. In 35 und 38 wird
von dem Verspotteten in der 3. Person gesprochen, in 38a und 41 da-
gegen wird er angeredet. Eine Anspielung auf das kaiserliche Edikt
findet sich, anders als in der zweiten Gruppe, in der dritten an ihrem
Ende (41).
In allen Gedichten der drei Gruppen wird der Verspottete mit
Namen genannt, wobei der Name, wie in der Regel in den Spott-
epigrammen Martials, fingiert ist. Nur 27 macht eine Ausnahme 1 :
Ingenium etudiumque tibi moresque genueque
Sunt equilie, jateor: cetera plebis habeea.
Iiis eeptena tibi η on eint subsellia tanti,
Ut sedeas viso pallidus Oce<mo.
Daß der Angeredete nicht mit Namen genannt wird, ist kaum Zu-
fall. Nach der Darstellung des Dichters handelt es sich um einen sonst

1Uber das Lemma od Paulum in Τ R richtig F R I E D L A E N D E R .


* LINDSAY, HERAEUS und I Z A A C eotzon richtig nach habee Punkt und schrei-
ben (3) mit β eint (γ sunt).

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300 KARL HARWICK

ehrenwerten Mann, der aber offenbar die fatale Neigung besaß, im


Theater unberechtigterweise auf den Ritterbänken Platz zu nehmen.
Wohl aus Schonung f ü r den rechtschaffenen Mann hat Martial seinen
Namen unterdrückt. Er war aber trotzdem boshaft genug, den auf-
merksamen Leser nicht im Zweifel zu lassen, wer mit dem Mann ge-
meint ist. In dem unmittelbar vorausgehenden Epigramm (26) wird
ein gewisser Cordus angeredet, von dem es heißt:
Quod alpha dixi, Corde, paenulatorum
Te nuper, aliqua cum iocarer in Charta,
Si forte biletn movit hic tibi versus,
Dicas licebit beta me togalorum.
Demnach hatte Cordus die Gewohnheit, sich elegant zu kleiden;
und darauf deutet auch 5, 23 \ wo er als Freund des Dichters, als
meus Cordus, bezeichnet wird. Martial verspottet hier einen gewissen
Bosaus, der durch die Eleganz seiner Kleidung sich einen Platz auf den
Ritterbänken zu erschleichen suchte. In der Pointe am Schluß heißt es:
Quadringentorum nullae sunt, Basse, lacernae,
Aut meus ante omnia Cordus haberei equum.
Cordus hatte also auch das mit Bassus gemein, daß er, wie der Un-
genannte in 27, nicht den Ritterzensus besaß. Und die Art, wie er in 23
zusammen mit Baasus genannt wird, läßt darauf schließen, daß er mit
seiner eleganten Kleidung einen ähnlichen Zweck verfolgte wie jener.
Die Vermutung liegt daher sehr nahe, daß der in 26 erwähnte Cordus
identisch ist mit dem in 27 ohne Namen Angeredeten, dem der Dichter
rät, wegen Anmaßung der Ritterwürde sich nicht in Verlegenheit zu
bringen. Offenbar hat Martial 26 nur deshalb unmittelbar vor 27
gestellt, um dadurch auf die Identität der beiden Männer hinzuweisen.
b) Z y k l u s a u f V e r g e h e n g e g e n d i e lex Julia de adulterize
VI 2 4 7 22 45 91. Sämtliche Gedichte des Zyklus beschäftigen
sich mit der von Domitian neu eingeschärften lex Julia de adulter iis2
oder haben sie zur Voraussetzung. Sie sind klein und halten sich
zwischen 2 — 6 Versen. Alle sind in elegischen Distichen oder Hendeka-
syllabe» gehalten, die miteinander abwechseln; nur am Schluß des
Zyklus folgen zwei Gedichte mit distichischer Form aufeinander. Im
übrigen lassen sich deutlich, 91 abgerechnet, zwei Gruppen unter-
scheiden. Die erste Gruppe wird gebildet durch 2 und 4: Die beiden

1
D a ß dor hior gonannto Cordus m i t dem in 2, 57 u n d 5, 20 orwahnton
identisch u n d sein Namo nicht fingiert ist, h a t H E R A E U S im Indox nominum
Heiner Ausgabe richtig a n g e m e r k t ; falsch P . G I E S E a. a. O. 12.
2
Die Bezeichnung lex Julia 7,1 und 22,3.

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Zyklen hoi Martial u n d Catull 307

Gedichte stehen nahe beieinander u n d sind n u r durch ein Stück ge-


t r e n n t . I h r U m f a n g ist ungefähr gleich (6 und ß Verse). Inhaltlich
haben die beiden Gedichte die gleiche Tendenz. Beide schmeicheln dem
Kaiser wegen seiner Einschärfung der lex Julia1 und schaffen so die
Voraussetzung zu den Spottepigrammen der folgenden Gruppe. I n
beiden Gedichten wird der Kaiser angeredet, aber in verschiedener
Weise: in 2 mit Caesar, in 4 mit censor maxime jrrincipumquc princeps.
Die Gedichte der zweiten Gruppe, 7 22 45, richten sich alle gegen
Frauen, die g e b r a n d m a r k t werden, weil sie, jede in anderer Weise,
die lex Julia zu umgehen versuchen. In 7 u n d 45 wird von der An-
gegriffenen in der 3. Person gesprochen, in 22 wird sie angeredet; also
Umrahmung.
F ü r sich steht 91. Das wird äußerlich schon durch den weiten Ab-
s t a n d angedeutet, der zwischen 91 u n d dem letzten Gedicht der vorigen
Gruppe (45) b e s t e h t ; ferner durch den kleinen U m f a n g des Gedichtes,
2 Verse, während die E p i g r a m m e der beiden ersten Gruppen 4 bis
6 Verse zählen. I m Gegensatz zur zweiten G r u p p e ist in 91 der Gegen-
stand des Spottes ein Mann, Zoilus. E r wird auch nicht, wie die F r a u e n
in der zweiten Gruppe, der versuchten U m g e h u n g der lex Julia be-
schuldigt: F ü r ihn k o m m t wegen seiner sexuellen Perversität die lex
Julia ü b e r h a u p t nicht in Frage.

0. D o r P r i a p o e n - Z y k l u s VI 16 49 73

Wegen seines scherzhaften u n d humorvollen Charakters hier noch


einige W o r t e über den Priapeen-Zyklus. Seine drei Gedichte sind weit
auseinandergezogen u n d so geordnet, d a ß das Versmaß variiert: I n
16 Distichen, in 49 Hendekasyllaben, in 73 wieder Distichen. IG
n i m m t eine gewisse Sonderstellung ein. E s ist das kleinste von den drei
Gedichten u n d zählt vier, 49 und 73 dagegen 11 und 10 Verse. Auch
räumlich ist 10 weiter von 49 als 49 von 73 e n t f e r n t . Die beiden letz-
teren Gedichte gehören also enger zusammen, auch ihrer literarischen
F o r m nach. I n 16 wird P r i a p u s angeredet und um Schutz gegen Dieb-
stahl gebeten, in 49 u n d 73 dagegen spricht er selber; und in beiden
Gedichten n e n n t er d a u e r h a f t e s Zypressenholz als Material seiner
mentula. I n 73 wird überdies noch die kunstvolle Arbeit seines Bildes
g e r ü h m t . I n beiden Gedichten w a r n t der G o t t vor Diebstahl. Was
allerdings der Dichter von der Macht des Gottes erwartet, deutet er

1
In 2 wird außordom noch das Vorbot dor E n t m a n n u n g riihmond hervor-
gehoben, dae auch Stat. Silv. 4, 3, 13ff. orwühnt; vgl. Suet. Dom. 7, 1 (Do-
müianue) castrari marea vetuit.

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308 KARL HARWICK

scherzhaft dadurch an, daß er 72 unmittelbar vor das Schlußgedicht


des Zyklus gerückt hat. Dort wird erzählt, daß ein Dieb in einen Park
einbrach und ungestraft das Marmorbild des Priapus mitnahm, da es
dort sonst nichts zu stehlen gab.

IV. Z y k l e n in e i g e n e r S a c h e
1. Der Fidentinus-Zyklus I 29 38 [52] 63 [66] 72
In allen Gedichten des Zyklus wird ein gewisser Fidentinus des
Plagiates beschuldigt. Der Name ist, wie überall in den Spottepigram-
men Martials, fingiert; er soll offenbar auf die Frechheit seines Trägers
hindeuten. In dem Zyklus treten deutlich zwei Gruppen auseinander,
29 und 38 auf der einen, 53 und 72 auf der anderen Seite. 29 und 38
haben das gleiche Versmaß (elegische Distichen); sie stehen auch in-
haltlich einander nahe: In beiden Gedichten wird Fidentinus be-
schuldigt, die Epigramme Martials als seine eigenen zu rezitieren. In
der zweiten Gruppe finden sich keine Distichen, und jedes ihrer Ge-
dichte ist in einem anderen Versmaß gehalten: 53 in Hexametern,
72 in Hendekasyllaben. Auch inhaltlich bilden 53 und 72 eine Gruppe.
In beiden Gedichten wird festgestellt, daß Fidentinus wirklich sich des
Plagiates schuldig gemacht hat.
Es liegt nahe zu fragen, wer sich hinter dem Pseudonym Fidentinus
verbirgt. Tatsächlich hat Martial dafür gesorgt, daß seine zeitgenössi-
schen Leser in Rom darüber nicht im unklaren sein konnten. Im
Schlußgedicht des Zyklus, in 72, fragt er den Fidentinus: Glaubst und
wünschest du, daß man dich auf Grund meiner Verse für einen Dichter
hält? Dann hätte auch die zahnlose Aegle mit ihrem falschen Gebiß
wirklich Zähne, und die schwarze Lykoris, die sich weiß geschminkt
hat, wäre wirklich weiß. Das Gedicht schließt mit der Pointe: Auf die
Weise wie du Dichter bist, wirst du auch Haare haben, trotzdem du
ein Kahlkopf bist. Fidentinus hatte also eine Glatze, und überdies
betätigte er sich als Dichter: So konnte man in Rom vermutlich leicht
erraten, wer mit ihm gemeint war. Aber Martial wird noch deutlicher
in einem anderen Epigramm, in 52:
Commando tibi, Quintiane, nostros —
Noatroa dicere ai tarnen libelloa
Possum, quoa recital tuus poeta —:
Si de eervitio gravi querun tur,
Adeertor veniaa aatisque praeatea,
Et, cum ee dominum vocabit iüe,
Dicaa eaae meoa mamique miaaoa.
Hoc ai terque quaterque clamitarie,
Inponea plagiario pudorem.

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Zyklen bei Martial und Catull 309

Der in dem vorstehenden Gedicht angeredete Quintianus war nach


5,18, wo er ebenfalls genannt wird, ein reicher Gönner des Martial,
nach 1,52 war er aber zugleich ein Gönner noch eines anderen Dich-
ters: tuus poeta nennt ihn Martial und beschuldigt ilin des Plagiats.
Offenbar ist der in 52 angegriffene Ungenannte mit Fidentinus iden-
tisch 1 . Durch die Stellung des Gedichtes hat Martial darüber keinen
Zweifel gelassen; er hat es zwischen die beiden Gruppen des Zyklus
und unmittelbar vor 53 gerückt. Es weist V. 3 mit der Behauptung,
der Dichter des Quintianus rezitiere die libelli des Martial, als seien
es seine eigenen, zurück auf 29 und 38, wo das gleiche von Fidentinus
gesagt wird. Und auch die unmittelbare Stellung des Gedichtes vor 53
ist kein Zufall. In 52 wird ein Prozeß fingiert, in dem Martial den
Quintianus als adsertor für seine Büchlein bittet, die unrechtmäßig
von seinem poeta in Anspruch genommen würden. Die Fiktion eines
Prozesses wird auch in 53 angedeutet durch die Feststellung der Schluß-
pointe, es bedürfe keines Angebers und keines Richters, um zu be-
weisen, daß Fidentinus ein Dieb, ein Plagiator sei.
Gegen einen Plagiator, der aber nicht mit Namen genannt wird,
richtet sich auch 66; es dürfte kein Zweifel sein, daß auch hier Fiden-
tinus gemeint ist. Darauf deutet vor allem die Stellung des Gedichtes.
Martial hat es in die Mitte der zweiten Gruppe, also nach 53, gerückt.
Hier wird der Nachweis erbracht, daß Fidentinus wirklich ein fur ist;
mit den Worten fur es sehließt das Gedicht. Dieser Nachweis wird
in 66 vorausgesetzt: Der Ungenannte wird ohne weiteres als fur an-
geredet. Auch zu 29 weist 66 Beziehungen auf. In dem letzteren Ge-
dicht macht Martial den scherzhaft-ironischen Vorschlag, gegen Be-
zahlung das Plagiat des Ungenannten zu verschweigen. Einen ähn-
lichen Vorschlag hatte der Dichter dem Fidentinus auch in 29 gemacht.
Zum Schluß sei noch bemerkt, daß Fidentinus nicht der einzige
Plagiator war, dessen sich Martial erwehren mußte. Weitere werden
10,100 11,94 12,63 erwähnt. Sie bleiben überall ungenannt. Aber
wenigstens in zwei Fällen, 11,94 12,63, wird angedeutet, wer mit
dem Anonymus gemeint ist.

2. Zyklus auf a n o n y m e S c h m ä h d i c h t e r X 3 5 33
Als Martial zu einer gewissen Berühmtheit gelangt war, wurden,
wie es scheint, nicht selten boshafte Schmähepigramme unter seinem
Namen verbreitet. Das mußte ihm um so peinlicher sein, als Domitian

1
So z.B. schon F R I E D L A E N D E R ZU 6 2 , 3 und PERTSCH, De Valerio Mart.
Graocorum imitatore. Dies. Berlin 1911, S. Olf.

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310 KARL HARWICK

gegen famosa scripta vulgoque edita, quibus primores viri ac feminae


iwtabantur (Suet. Dom. 8,3), strenge Maßnahmen ergriff. Schon im
7. Buch verwahrt sich Martial zweimal (12 72) gegen den Mißbrauch
seines Namens und noch entschiedener in den drei Gedichten des ge-
nannten Zyklus. Ihre Anordnung ist wohl überlegt. Das umfangreichste
Gedicht (5) mit 19 Versen steht in der Mitte; es wird u m r a h m t von
zwei kleineren Gedichten, 3 und 33, mit je 12 und 10 Versen. Sie ge-
hören auch noch in anderer Beziehung enger zusammen. Nur in ihnen
n i m m t Martial ausdrücklich Stellung gegen den boshafton Mißbrauch
seines N a m e n s ; und nur in ihnen wendet er sich an hochstehende
Gönner 1 mit der Bitte um Verständnis und Unterstützung. I n 3 h a t
Martial eine bestimmte Person im Auge, die von ihm als poeta quidam
clancularius bezeichnet wird. E r leugnet entschieden, der Verfasser
der von diesem poeta ihm zugeschriebenen Schmähgedichte zu sein,
und er ist gewiß, daß auch Priscus dies nicht glaubt. Ein ähnliches Ziel
wie 3 verfolgt auch 33; aber dieses Gedicht bedeutet gegenüber dem
früheren eine Steigerung: Martial bittet seinen Gönner nicht um Ver-
ständnis, sondern um Unterstützung, und nicht nur in einem kon-
kreten Fall, sondern allgemein: E r möge, wie bisher (ut facis), so auch
weiterhin ihm seine Unterstützung leihen, si viridi tinctos aerugine
versus Forte malus livor dixerit esse meos (V. 5f.). — Ganz anders ge-
a r t e t als 3 und 33 ist 5, das offenbar der Abwechslung zuliebe seinen
Platz zwischen den genannten Gedichten erhalten hat. Martial bittet
hier nicht einen Gönner um Verständnis oder Unterstützung. E r
wendet sich gegen jeden, der hochgestellte Männer und Frauen durch
Schmähgedichte verunglimpft. Alles Schlimme wünscht er ihm, im
Leben und im Tod, bis er schließlich, von der Furie zum Geständnis
der Wahrheit gezwungen, schuldbewußt ausrufe: ich hab's geschrieben
(scripei). D a ß es sich dabei um anonyme Schmähverse handelt, k o m m t
erst am Schluß des Gedichtes zum Ausdruck. Nichts deutet auch
darauf hin, daß Martial als Verfasser ausgegeben wurde. Gleich-
wohl redet Martial auch hier in eigener Sache: Wer so, wie es in 5
geschieht, die Verfasser anonymer Schmähgedichte verwünscht und
b r a n d m a r k t , kann unmöglicli selbst Verfasser solcher Schmähgedichte
sein.

1
In 3 an einen Priscus, höchstwahrscheinlich idontiech mit dem aus
Spanien stammondon Torontius Priscus, don Martial in 12,3 (4) als seinon
Maocenas rühmt ( S T E I N , RE V A 1, 607f.); in 33 an Munatiue Gallus, im
Jahr 100 legatus Auguati pro praetore von Numidien ( G R O A G , R E X V I
538 ff.).

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Zyklon boi Martini und Oatiill 311

3. Z y k l u s a u f d i e R ü c k k e h r M a r t i a l s in s e i n e s p a n i s c h o Heimat
X 13 (20) 37 78 06 103 104
Die sechs Gedichte des Zyklus sind fast über das ganze Buch ver-
teilt; die beiden letzten sind zugleich auch die letzten des Buches. Je
zwei Gedichte bilden eine Gruppe; sie sind in jeder folgenden Gruppo
näher aneinandergerückt. Die zwei ersten Gruppen gehören inhaltlich
wieder enger zusammen; in beiden ist von dem Entschluß des Dichters
die Rede, in seine Heimat zurückzukehren; die zwei Gedichte der
letzten Gruppe dagegen kündigen die baldige Abreise des Dichters
nach seiner Heimat an. Die beiden Gedichte der ersten Gruppe sind in
Distichen gehalten; und beide sind an Männer gerichtet, die von Haus
aus Spanier und alte Freunde des Dichters waren. — Von den beiden
Gedichten der zweiten Gruppo besteht das eine aus Hendekasyllaben,
das andere aus Distichen; sie sind beide an Männer adressiert, die hoch-
gestellte Gönner des Dichters und nicht gebürtige Spanier waren. —
Die dritte Gruppe besteht, umgekehrt wie die zweite, aus Distichen
und Hendekasyllaben. Ihre beiden Gedichte sind nicht, wie die der
ersten und zweiten Gruppe, an einzelne Männer gerichtet, sondern
das eine (103) an die Bürger (munieipes) von Bilbilis, das andere (104)
an das Buoh (libellus). —
Wenn wir rückschauend die im vorstehenden bei Martial nach-
gewiesenen Zyklen überblicken, so hat sich immer wieder gezeigt, daß
die einzelnen Gedichto, aus denen die Zyklen sich zusammensetzen,
in sorgfältig abgewogener Anordnung einander folgen: ein Beweis,
daß sie dem Dichter als zusammengehörige Glieder eines Zyklus be-
wußt waren, obwohl sie in der Regel auf ein ganzes Buch oder größere
Streoken eines solchen verteilt sind. In vielen Fällen waren gewisse
Gedichte offenbar von vornherein als Teile eines Zyklus gedacht. Das
gilt besonders für solche Zyklen, die ganz, ζ. B. der Löwen-Hasen-
Zyklus, oder zum Teil, ζ. B. der Regulus-Zyklus, aus Gedichten be-
stehen, die ein bestimmtes Thema variieren. In anderen Fällen werden
die verschiedenen Gedichte eines Zyklus zunächst ohne Rücksicht auf
diesen entstanden sein; und der Dichter hat sie dann nachträglich zu
einem Zyklus zusammengeordnet und diesen nach bestimmten Ge-
sichtspunkten über ein Buch verteilt.
Natürlich hat Martial mit seinen Zyklen gewisse Absichten verfolgt.
Sie liegen so klar zutage, daß sie einer Erläuterung kaum bedürfen.
Einmal verdanken die Zyklen ihre Entstehung dem Streben des
Dichters, seine Kunst im Variieren zu zeigen. Wichtiger ist aber wohl
ein anderes: das Bemühen, irgendein Anliegen nicht in einem einzelnen
Gedicht, sondern einprägsamer in einer ganzen Gruppe von Gedichten,

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312 KARL BARWICK

einem Zyklus, zu behandeln, ob dieses Anliegen nun in dem Wunsoh


besteht, dem Herrscher oder hochgestellten Gönnern zu schmeicheln;
oder Freunden und Bekannten etwas Angenehmes zu sagen; oder
menschliche Torheiten, Schwächen und Laster zu verspotten und zu
geißeln; oder dem Leser Dinge vorzutragen, die den Dichter irgendwie
persönlich berühren.

V. Z y k l e n in d e n k l e i n e n G e d i c h t e n des C a t u l l

Gewiß hat Martial nicht als erster seine Epigrammbiioher mit einer
Anzahl von Zyklen ausgestattet. Aber es ist kaum möglich, etwas
Genaueres über seine Vorbilder zu sagen. Denn wir besitzen aus der ihm
vorausliegenden Zeit zwar zahlreiche griechische und römische Epi-
gramme, aber kein einziges Epigrammbuch. Eine gewisse Ausnahme
bilden nur die kleinen Gedichte des Catull 1 ( 1 — 6 0 ; 69 — 116). Sie sind
nach antiker Terminologie Epigramme und enthalten, wie im folgenden
gezeigt werden soll, eine Anzahl von Zyklen in der Art des Martial.

1. D e r L e s b i a - Z y k l u s 2 3 5 7 8 11
Zu Beginn der polymetrischen kleinen Gedichte 1—60 hat Catull
einen Zyklus eingelegt, der seiner Liebe zu Lesbia gilt. J e zwei Ge-
dichte bilden eine Gruppe. Sie stehen in der ersten Gruppe (2 3)
nebeneinander, in der zweiten (5 7) sind sie durch ein, in der dritten
(8 11) durch zwei Stücke voneinander getrennt. Formal und inhaltlich
bildet jede Gruppe eine Einheit: Die Gedichte der ersten Gruppe be-
stehen aus Hendekasyllaben; von der Geliebten wird in der 3. Person
gesprochen; und sie wird nicht mit Namen, sondern mea puella ge-
nannt. In beiden Gedichten der Gruppe ist von dem passer der Ge-
liebten die Rede. In 2 lebt er und bereitet der Geliebten Freude und
Trost; in 3 trauert sie um seinen Tod. Beide Gedichte setzen voraus,
daß das Liebesverhältnis zwischen dem Dichter und seiner jmella un-
getrübt ist und noch in den Anfängen steht. Das letztere ist in 2 ganz
deutlich. Es schildert das harmlose Spiel der puella mit ihrem Vogel;
das ist für sie ein Trost in ihrem Liebesschmerz (solaciolum sui dolor is)2,
der, so vermutet der Dichter, durch das Spiel zur Ruhe kommt 3 . Daran

1
Daß das unter seinem Namen erhaltene Buch von dem Dichter eolbst zu-
sammengestellt und geordnet worden ist, steht für mich fest, Ich habe mich
kurz darüber geäußert Hermes Θ3, 1928, 80.
a
Zur Anknüpfung dieses Ausdruckes durch et vgl. KROLL, Nachtrag zu S. 4.
' Ich schreibe V. 3 mit K R O L L und anderen: credo, \ul\ tum gravis acquiescet
ardor.

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Zyklen bei Martial u n d Catull 313

k n ü p f t er (9f.) den Wunsch, doch so wie die Geliebte mit dem passer
spielen und die tristis curas seines Herzens lindern zu können 1 . Der
Dichter schließt mit den Versen:
Tarn gratumst mihi quam jerunt puellae
Pernici aureolum fuisse malum,
Quod zonam soluil diu ligatam.
„Es wäre 2 mir so heb (aus V. 9f. ergänzt man leicht: wenn ich mit
dem passer sicut ipsa spielen könnte et tristis animi levare curas), wie,
nach der Sage, dem schnellen Mädchen der goldene Apfel war, der ihren
lang verschlossenen Gürtel löste." Ich sehe keinen zwingenden Grund,
diese Verse, wie es meist geschieht, von dem Vorausgehenden zu trennen.
Auch D O R N S E I F F , Philol. 91, 1936, 346f., spricht sich dagegen aus.
Wenn K R O L L bemerkt: ,,Das vorige Gedicht (d. h. 2 , 1 — 1 0 ) kann durch
eine Fortsetzung nur verlieren" 3 , so ist das auch nach meinem Ge-
fühl richtig, aber noch kein genügender Grund, gegen die Überliefe-
rung die drei Schlußverse von 2 abzutrennen. Sie sind nicht weniger
frostig als die Schlußstrophe von 51, die man ebenfalls, aber gewiß
mit Unrecht, beanstandet hat 4 . Zweifellos gehört 2, ebenso wie 51, zu
den Gedichten, die Catull in der ersten Zeit seiner Liebe zu Lesbia ge-
schrieben hat. Bei 51 ist das schon oft hervorgehoben worden. Das
gleiche gilt aber sicher auch von 2: Es ist erstaunlich, wie falsch Catull
in dem Gedicht über Lesbia und ihre Liebe urteilt; ein Be\veis, daß die
Geliebte erst vor kurzem in seinen Gesichtskreis getreten ist, später
kannte er sie besser. Überdies ist dem Dichter seine Liebe so un-
gewohnt und quälend, daß er nach Trost und Linderung sucht. Catull
befindet sich offenbar in einer Stimmung, die jener ganz ähnlich ist,
in der er 51 und insbesondere die Schlußstrophe des Gedichtes ge-
schrieben hat. — I n 3 spricht Catull nicht direkt von seiner Liebe,
aber sie steht im Hintergrund. Was die Geliebte schmerzt, berührt

1
V. 9 hat K R O L L mißverstanden. Er bemerkt dazu: „C. findet an dem Ge-
tändel mit dem Vögelchen kein Gefallen und bedauert das; posse wie 02, 21."
— B Ä H R E N S Z. St. leugnet irrtümlich, daß possem ohne utinam einen unerfüll-
bar gedachten Wunsch bezeichnen könne; vgl. dagegen ζ. B . F O R B I G E R ZU
Verg. Aen. 4, 678.
1
I n unpersönlichen Ausdrücken wird im Lateinischen häufig ein irreales
Verhältnis der Gegenwart durch den Ind. praes. wiedergegeben; vgl. ζ. B.
Cie. De or. 1, 203 infinitum est et non necessarium; Veil. Pat. 2, 42 longum est;
Mart. 2, 63, 3 Miliche, luxuria est, si tanti dives amares.
3
K R O L L fügt irrig hinzu: „Das behagliche Spiel mit dem Vögelchen läßt
eich nicht mit einem plötzlichen Ereignis wie dem Fallen des Apfels vergleichen."
Vgl. dagegen oben meine Übersetzung.
4
Vgl. ζ. B . K R O L L S Einleitung zu dem Gedicht.
10 Zeitschrift „Phitologue" 3/4

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314 K a r l Barwick

auch ihn: E r betrauert den Tod ihres Vogels und empfindet, wie KROLL
treffend zu V. 15 bemerkt, ihren Schmerz wie den eigenen. Natürlich
ist 3 nach 2 e n t s t a n d e n ; und man möchte vermuten, nicht allzu lange
danach. Jedenfalls weist nichts darauf hin, daß 2 und 3 zeitlich weit
voneinander ab liegen.
Auch die Gedichte der zweiten Gruppe (5 7) sind in Hendeka-
syllaben gehalten. Nur in ihr wird die Geliebte mit dem Pseudonym
Lesbia genannt (5, 1 7, 2). Während in der ersten Gruppe in der
3. Person von ihr gesprochen wird, wird sie hier angeredet. Inhalt-
lich hängen die beiden Gedichte eng zusammen: I n beiden wird das
K u ß m o t i v abgewandelt und beide setzen voraus, daß das Glüok der
Liebenden noch völlig ungetrübt ist und seinen Höhepunkt er-
reicht h a t .
Die zwei Gedichte der letzten Gruppe (8 11) stehen stimmungsmäßig
in einem starken Kontrast zu denen der beiden früheren Gruppen.
Dementsprechend ist auch das Versmaß v e r ä n d e r t : 8 besteht aus
H i n k j a m b e n , 11 aus sapphischen Strophen. Die Geliebte wird nicht
mehr, wie in der mittleren Gruppe, Lesbia, sondern n u r fuella ge-
n a n n t (8, 4, 7, 12) oder ironisch, so in 11,15, mea jniella. Während die
Gedichte der ersten und zweiten Gruppe der ersten Zeit der Liebe und
ihrem H ö h e p u n k t angehören, gelten die der letzten Gruppe ihrem
E n d o : I n 8 kündigt sich die Auflösung des Liebesbundes an. Die Ge-
liebte h a t sich von Catull a b g e w a n d t ; und auch er ist fest entschlossen,
mit ihr zu brechen. Der Bruch erfolgt in denkbar schroffer F o r m in 11.
H a t t e der Dichter in 8 der Geliebten zugerufen vale, jniella, so heißt
es in 11 von ihr, gesteigert und verletzend: cum suis vivat valeatque
moevhis. meae jmellae (V. 15) wird, gewiß absichtlich, aus dem Anfang
von 2, also dem ersten Gedicht der ersten Gruppe, wieder aufgenom-
men. Aber während der Ausdruck dort einen zärtlichen und innigen
Ton hat, wirkt er hier wie schneidender Hohn. Denn von dieser als mea
bezeichneten jmella heißt es unmittelbar darauf, daß sie simul complexa
tenet trecentos (moechos).
Catull n i m m t in den polymetrischen Stücken 1—60 noch öfter auf
sein Verhältnis zu Lesbia Bezug oder macht es zum Gegenstand ganzer
Gedichte; vgl. 13 16 36 37 40 (?) 51 58; dasselbe geschieht auch in den
distichischen Gedichten 69—116. Aber n u r die sechs Lesbia-Gedichte
a m Anfang der Sammlung (2 3 5 7 8 11) schließen sich zu einem
Zyklus zusammen und waren als solcher sicher auch von Catull ge-
d a c h t : Der Zyklus sollte die Liebe des Dichters von ihren ersten An-
fängen an (2 3) bis zu ihrem glückhaften H ö h e p u n k t (5 7) und ihrem
schließlichen E n d e (8 11) veranschaulichen.

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Zyklen bei Martial und Cattill 315

2. D e r A u r e l i u s - u n d F u r i u s - Z y k l u s 15 16 21 u n d 23 24 20
Alle drei Gedichte des Aurelius-Zyklus sind in Hendekasyllaben ge-
halten. Das größte (15) steht am Anfang, das kleinste (21) am Ende.
Diese die Umrahmung des Zyklus bildenden Gedichte gehören inhalt-
lich eng zusammen. In 15 fürchtet der Dichter von Seiten des Aurelius
f ü r die pudieitia seines Knaben; in 21 haben sich seine Befürchtungen
noch verstärkt. Im mittleren Gedicht (16) wird Aurelius zusammen
mit Furius angegriffen, aber nicht wegen des in 15 und 21 genannten
Knaben, sondern weil sie den Dichter wegen seiner Verse f ü r partim
pudicum gehalten haben.
Mit dem Aurelius-Zyklus hängt der Furius-Zyklus eng zusammen.
Er wird durch die Nennung des Furius in 16 gewissermaßen angekün-
digt. Auch er besteht aus drei Gedichten in Hendekasyllaben; auch in
ihm steht das größte Gedicht (23) am Anfang, das kleinste (26) am
Ende; auch in ihm sind die zwei ersten Gedichte unmittelbar neben-
einandergerückt, und das letzte ist von diesen durch ein Stück (17)
getrennt 1 ; und wie im Aurelius-, so gehören auch im Furius-Zyklus
die umrahmenden Gedichte eng zusammen: 23 schildert in drastischer
Weise die Armut und Hungerleiderei des Furius und seiner Familie, am
Schluß wird auf einen Pumpversuch des Furius angespielt. Auch 26
verspottet, wenn auch in anderer Weise als 23, die Armut des Furius
und seiner Familie; das letztere angedeutet durch vostra2; und auch
hier am Schluß ein Hinweis auf einen Pump oder Pumpversuch des
Furius. Einen ganz anderen Inhalt hat das mittlere Gedicht (24). Hier
erscheint Furius als ein gefährlicher Rivale des Catull bei dem Knaben
Juventius. Er versucht daher den ersteren, ohne freilich seinen Namen
zu nennen, wegen seiner Bettelarmut lächerlich zu machen. Er tut das
in höchst wirkungsvoller Weise, indem er dreimal, in leichter Ab-
wandlung, den ersten Vers aus 23 {Fiirei, quoi neque servos est
neque area) zitiert: 5 isti, quoi neque servos est neque area; 8 sed hello
huic neque servos est neque area·, 10 nee servom tarnen ille habet neque
arcam.
Durch die Gleichartigkeit des Aurelius- und Furius-Zyklus soll
offenbar die Gleichartigkeit der in ihnen verspotteten Personen unter-
strichen werden: Beide sind, nach Catull, arme Schlucker; beide
machen ihm Konkurrenz in seiner Liebe zu einem Knaben, und beide
wagen es (16), die Männlichkeit CatuOs zu bezweifeln.

1
Die in älteren Ausgaben als 18 — 20 gezählten Gedichte fehlten im Vero-
nensis.
3
So liest, in der 2. Auflage, auch K R O L L unter Hinweis auf B Ä H R E N S .
10·

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31 Ö KAHL HARWICK

3. Dor Voranius-Fabullus-Zyklus 9 12 13 28 47
Einen Doppelzyklus, wie die soeben besprochenen, freilich anderer
Art, bilden auch die dem Veranius und Fabullus gewidmeten Gedichte.
Die beiden waren offenbar miteinander befreundet und Catull seinerseits
mit ihnen durch eine enge Freundschaft verbunden. Beide waren Mit-
glieder der coJwrs eines Statthalters in Spanien, der Piso genannt wird.
Sämtliche Gedichte bestehen aus Hendekasyllaben. Schon ihre
räumliche Entfernung voneinander deutet darauf hin, daß zwei Grup-
pen zu unterscheiden sind: Die drei Gedichte der ersten Gruppe stehen
dicht beieinander; dagegen sind die beiden Gedichte der zweiten
Gruppe weiter auseinandergorückt, und auch zwischen den beiden
Gruppen besteht ein größerer Abstand. Die Gedichte der zweiten
Gruppe gehören inhaltlich eng zusammen. Sie sind beide dem Freundes-
paar Veranius und Fabullus zugleich gewidmet; und beide geben der
Entrüstung Ausdruck, daß die Freunde in der Provinz von Piso
schlecht behandelt und in ihren finanziellen Erwartungen enttäuscht
wurden. — In der ersten Gruppe zeigen die beiden umrahmenden
Gedichte 9 und 13 nähere Verwandtschaft: Nur in dem mittleren Ge-
dicht, in 12, werden beide Freunde genannt, während 9 und 13 an je
einen gerichtet sind: 9 an Veranius, 13 an Fabullus. 9 ist ein sehr herz-
lich gehaltenes Begrüßungsgedicht anläßlich der Heimkehr des
Veranius aus Spanien; 13 lädt in scherzhaftem und neckischem Ton
Fabullus zu einer Mahlzeit; er befindet sich also ebenfalls in der Hei-
mat. 12 sagt beiden Freunden eine Artigkeit: Der Marruciner Asinius,
ein Bruder des Asinius Pollio, hatte Catull bei einer Mahlzeit ein
Taschentuch stibitzt; er fordert ihn nun unter Drohungen zur Heraus-
gabe auf: es sei ein teures Andenken, da es zu jenen Taschentüchern
gehöre, die ihm seine lieben Freunde Fabullus und Veranius aus Spanien
als Geschenk gesandt hatten. Daß Catull 12 näher an 13 als an 9 ge-
rückt hat, hängt wohl mit der Motivverwandtschaft von 12 und 13
zusammen; in beiden Gedichten ist von einer cena die Rede.

4. Dor Montula-Zyklus 94 105 114 115


Mit Mentula, einem wohl von Catull selbst erfundenen Spitznamen,
ist Caesars Günstling Mamurra gemeint; vgl. 29, 13, wo er diffututa
mentula genannt wird, und F R I E D R I C H zu 9 4 . Mir scheint die Identität
des Mentula mit Mamurra sicher und nicht nur „höchst wahrschein-
lich", wie K R O L L zu 9 4 behauptet 1 .

K R O L L selbst bomorkt zu 29, 13: „Aus mentula hat C. dann einen Spite-
1

namon dos Mam. gomacht."

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Zyklon bei Martial und Catull 317

In allen Gedichten des Zyklus wird von Mentula in der 3. Person


gesproohen. Auch in 114,1 ist nach meiner Auffassung Mentula als
Nominativ, nicht als Vokativ aufzufassen und dementsprechend Fir-
manus saltus (saluis) in Firmano saltu zu ändern 1 .
Die beiden ersten (94 105) und letzten Gedichte (114 115) des
Zyklus bilden je eine Gruppe: 94 und 105 sind gleich groß, sie bestehen
aus je einem Distichon. Außerdem sind sie, im Gegensatz zu den Ge-
dichten der zweiten Gruppe, verhältnismäßig weit auseinander-
gertickt. Beide handeln von Betätigungsarton des Mentula: 94 ver-
spottet ihn als moechua, 105 als poeta. — Dio Gedichte der zweiten
Gruppe mit je 6 und 8 Versen sind größer als die der ersten und auch
nicht von gloichem Umfang wie dort. Offenbar sind sie wegen der
Ähnlichkeit ihres Inhalts unmittelbar nebeneinander gerückt: In beiden
handelt es sich um ein Landgut des Mentula, dos, aber in verschiedener
Weise, zum Anlaß seiner Verspottung genommen wird.

6. D e r G e l l i u s - Z y k l u s 74 80 88 89 90 91 110

Eine Reihe von Schmähgedichten auf einen gewissen Gellius2.


Schon äußerlich heben in ihr sich zwei Gruppen voneinander ab:
74/80 und 88 — 91. Für sich steht 116, das offenbar deshalb an den
Schluß des Zyklus gestellt ist, weil es die übrigen Gedichte voraus-
setzt: Ε8 berichtet von einem vergeblichen Versuch des Dichters, sich
mit Gellius, nach den gegen ihn gerichteten Angriffen, auszusöhnen.
Proben dieser Angriffe geben 74 80 88—91.
Während die Gediohte der ersten Gruppe weit auseinander gerückt
sind, stehen die der zweiten nebeneinander. In der ersten Gruppe
handelt es sich um sexuelle Dinge, aber ganz verschiedener Art:
74 wirft Gellius Unzucht mit der Frau seines Oheims vor; in 80 wird
er als fellator gebrandmarkt. — In der zweiten Gruppe wird Gellius
der Buhlschaft mit Mutter und Schwester bezichtigt. In den beiden
umrahmenden Gedichten, 88 und 91, wird er angeredet; dagegen
wird in den beiden mittleren Gedichten in der 3. Person von ihm
gesprochen. Eine gewisse Sonderstellung nimmt 91, das letzte Gedicht
der Gruppe, ein. Es bildet den Höhepunkt der gegen Gellius geführten
Angriffe und deutet den Grund an, weshalb der Dichter ihn angegriffen
hat. Dabei überhäuft er ihn mit neuen Schmähungen, die noch über
das sexuelle Gebiet hinausgreifen. —

1
Zur Begründung vgl. den Kommentar von FRIEDRICH.
* Über seine Person K R O L L ZU 74.

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318 KARL BARWICK

Es ist durchaus unwahrscheinlich, daß Catull von sich aus auf seine
im Vorstehenden nachgewiesene Zyklenbildung verfallen ist. Es dürfte
vielmehr so gut wie sicher sein, daß er, wie in vielem anderen, so auch
in seiner Zyklenbildung sieh an hellenistische Epigrammbücher an-
geschlossen hat. Sie und die nach Catull gedichteten Sammlungen
griechischer und römischer Epigramme dürften das Vorbild für die
Zyklen Martials gewesen sein. Ob daneben auch die Zyklen Catulls
auf ihn eingewirkt haben, sei dahingestellt; es ist aber nicht unwahr-
scheinlich, da Martial Catull hoch geschätzt, genau gekannt und viel-
fach nachgeahmt hat 1 .
Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß es Zyklen zweifellos
nicht nur in Epigrammbüehern gab, sondern auch sonst in Samm-
lungen kleinerer Gedichte, so etwa in den Oden des Horaz und bei den
römischen Elegikern. Das kann und soll hier nioht weiter verfolgt
werden. Es sei nur an den Zyklus der Römeroden des Horaz erinnert.
Horaz hat freilich die sechs nach Stimmung, Inhalt und Metrum
gleichartigen Gedichte des Zyklus nicht über das 3. Buch seiner Oden
verteilt, sondern nebeneinandergestellt, vermutlich in der Absicht,
durch das Nebeneinander der zusammengehörigen Gedichte die Wucht
ihres Inhalts zu steigern.

Jena

Nachtrag

Im Abschnitt II ist, nach dorn Faustinus-Zyklus, noch dor Stella-Zyklus


V 11 12 59 nachzutragen. Er wird umrahmt von 2 Godichten, 11 59, die in
ologischon Distichen vorfaßt und gleich groß (4 Vereo) sind. Das größte Ge-
dicht (7 Vorso), in Hondokasyllaben, steht in dor Mitte. Beide Gedichte ent-
halten Schmoicholoion: 11 für don Dichter, 59 für den Redner Stella, der
hier Stella diserte angeredet wird. Im übrigen gehören 11 und 12 nicht nur
räumlich, sondern auch sonst enger zusammen. In beiden sind es Stollaa
kostbare Ringe, dio Anlaß zu Schmoicholoion bieten; in beiden wird von ihm
in dor dritten Person gesprochen, während or in 59 angeredet wird.

1
R. PAUKSTADT, De Martiale Catulli imitatore. Diss. Halle 1876.

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