Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
L ö h e r , der
wegen Verdacht der Hexerei geflohen war, hat diesen Rat später
benutzt und eine Übersetzung der CCr. gab ihm manche Argumente
ein, die er in seiner „Hochnötige... Klage", Amsterdam 1676, verwer-
tete ( 2 3 ). Von dem Autor weiß Löher nur, daß er Jesuit war, denn er
nennt ihn oft zugleich mit Tanner als „Die Hoch Ehrwürdige Herrn
Patres S.J. Tannerus und Cautio Criminalis" ( 2 4 ).
Die Bibliographie der Ordensschriften, die B i b l i o t h e c a S c r i p -
t o r u m S . J ., vom Jahre 1643, deutet wohl auf die Cautio als das
Werk Spees hin, aber wagt es nicht, den Titel zu nennen ( 2 5 ). Justus
О 1 d e к ο ρ , der edle Jurist, nennt nur einmal die CCr., „incerti
autoris" ( 2 6 ) , aber hat wohl viele Gedanken der Lektüre des Buches
entnommen, weshalb er es ausdrücklich empfiehlt. Wir vermuten, daß
er sich scheute, ein anonymes Werk zu zitieren.
Neuauflagen und Übersetzungen um die Jahrhundertmitte.
Ende der vierziger Jahre endlich setzt eine neue Verbreitung der
Cautio Criminalis ein. Noch immer bleibt zwar der Name des Autors
im Dunkeln, denn erst zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts wird
die Überlieferung über Schönbom und Leibniz an die Öffentlichkeit
dringen. Aber auch anonym tat das Buch sein Werk. Im Jahre 1647
erscheint die dritte Auflage in lateinischer Sprache, diesmal in Posen
beim Verleger Albertus Regulas. Sie ist den beiden Grafen de Bnin,
Christophorus und Lukas Opalinski gewidmet ( 2 7 ). Dieser polnischen
Ausgabe wird später, 1680, ebenfalls in Posen, eine polnische Überset-
zung folgen, und diese wieder wird 1714, diesmal in Danzig, noch eine
Neuauflage erleben ( 2 8 ). Leider läßt sich weiter nicht feststellen, ob
286
diese polnischen Ausgaben der CCr. zum Aufhören des Hexenwahns in
Polen beigesteuert haben; überhaupt sind uns nur sehr wenige Quellen
über Hexenprozesse in Polen unter die Augen gekommen.
Die erste d e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g — nach der Bearbeitung
von Mcyfart 1635 — erschien 1647 in Bremen von der Hand eines
schwedischen Feldpredigers J o h a n S e i f e r t von Ulm, in einem
Auszug etwa bis zur Hälfte des Originals ( 2 9 ). Der Übersetzer empfiehlt
sein Werk nachdrücklich der Obrigkeit zur Lektüre, insbesondere den
„Generalen und Gouvemeum dero Ertz- und Stifter Bremen und Vöhr-
den" und seinem Herrn Hans Christoff von Königsmarck. Er weiß,
daß er sich mit diesem Werk falschen Verdächtigungen aussetzt, aber
sein Gewissen und seine Pflicht lassen ihm keine Ruhe: „Es mag mir
feind sein wer will, so muß ichs leiden, und Gott für ihn bitten : Unter-
dessen muß ich doch meins Ampts und Gewissens nicht vergessen" ( 3 0 ).
Er hatte die Ausgabe 1631 zur Vorlage, ein seltener Fall, denn die
zweite Ausgabe war weit mehr bekannt und fast alle Übersetzungen
und andere Zitate gehen auf diese zweite zurück. Vom Autor weiß
Seifert nur, daß er katholisch sei.
Zwei Jahre später erschien eine zweite, jetzt zum ersten Male voll-
ständige deutsche Übersetzung, besorgt von H e r m a n n S c h m i d t
aus Siegen ( 3 1 ). Der Übersetzer war viele Jahre Sekretär der Grafen
von Nassau und er wählte sich in der Widmung zum Patron Johann
Moritz Graf von Nassau-Catzenellebogen, Vianden und Dietz, General-
Lieutenant der Kavallerie der Vereinigten Niederlande. Schon im
Jahre 1642 habe er die CCr. zum Geschenk bekommen und 1644 sei
seine Übersetzung fertig gewesen. Weil er aber wenig Erfolg erhoffe,
habe er die Arbeit liegen lassen. Denn Deutschland „stinkt noch immer
von Hexenbränden" und die CCr. war schon längst vergessen. Als er
nun gehört habe, daß ein anderer — wer? etwa Seifert? — eine Über-
setzung herauszugeben dachte, habe er sein Werk dem Druck übergeben.
Doch da er Anfeindungen fürchtete, „sintemalen da dieser Author...
nicht ohne Lästerung geblieben", suchte er Schutz bei seinem Herrn von
287
Nassau. — Diese Übersetzungen machten die CCr. wieder mehr bekannt
und riefen neue Mitkämpfer aber auch Gegner auf den Plan.
Die Übersetzung von Johann Seifert findet einen erbitterten Gegner
im lutherischen Superintendenten im Stift Verden, Heinrich R i m ρ -
h o f f , der sich durch die Widmung von Seifert persönlich beleidigt
fühlte. In einem dicken duodez-Bändchen „Drachen-König", noch im
Jahre 1647, also gleich nach Seiferts Werk, erschienen, läßt er alle
Elemente des Hexenwahns wieder neu aufleben ( 3 2 ). Das Buch ist voll
der tollsten Berichte über Hexenkünste und Teufelserscheinungen.
Zwischendurch bringt das Werk uns sehr viele Angaben von Hexen-
hinrichtungen aus jenen Jahren in und um Verden. Die zweite Hälfte
enthält heftige Ausfälle gegen Seifert ( 3 3 ). In einem aufgeblasenen
Stil ruft er Gottes Zom über seinen Gegner herab, der so schmählich
die Richter der Hexen sowie die frommen Prediger beleidigt hat: „ich
schreye euch als höllische Wölffe und des Satans manieipia an, О du
Kind des Teuffels, voll aller List und aller Schalkheit und Feind aller
Gerechtigkeit, du hörest nicht auff, abzuwenden die rechte Wege des
Herrn" ( 3 4 ), und so geht es seitenlang weiter, wutschnaubend, schimp-
fend und beschwörend. Das letzte Kapitel oder Appendix greift noch
einmal den unbekannten Autor der CCr. an, der wohl deswegen seinen
Namen verschwiegen habe, weil er für seine Verleumdungen eine Be-
strafung fürchtete. Endlich bringt Rimphoff einen kritischen Vergleich
der CCr. 1631 mit der Bearbeitung von Seifert, worin er nachweist, daß
Seiferts Zusätze und Änderungen absichtlich die Richter und Prediger
in Verden in Verruf bringen wollen ( 3 5 ). Im ganzen ist das Buch
von Rimphoff ein überzeugendes Beispiel, wie stark der Hexenwahn
noch zur Zeit des Westfälischen Friedens die Gemüter der Masse eben
in einem protestantischen Lande beherrschte. Der Inhalt gibt dem
Malleus, einem Remigius, Binsfeld oder Schultheiß in nichts nach.
Femer ist das Werk der einzige uns bekannte ausführliche Angriff auf
die CCr. Der Erfolg war dennoch gering: Rimphoffs Werk hatte keinen
Nachhall.
288
schon am Ende des 16. Jahrhunderts ein Hexenprozeß eine Seltenheit,
und die Gerichte ließen es in den meisten Fällen mit leichten Strafen
ausgehen. Die Hexenliteratur der Niederlande ist äußerst gering, und
Förderer des Wahns gibt es kaum einige ( 3 6 ). Ob es die holländische
Nüchternheit war, die sowohl den abergläubischen Wahn wie die grau-
samen Prozesse verabscheute, oder ob der geschäftige Sinn der Männer,
die erst kurz ihre Selbständigkeit erobert hatten und nun ein goldenes
Jahrhundert vorbereiteten, sie von dem eitlen Hexenbetrieb zurückhielt,
wollen wir dahingestellt sein lassen. Die Gelehrten betrachteten mit
spöttischem Interesse die schrecklichen Folgen des tragischen Wahnes in
den Nachbarländern, besonders in Deutschland.
Johan v a n H e e m s k e r k war angesehener Rechtsgelehrter, Mit-
glied des obersten Gerichtes im Haag und Schriftsteller. Im Jahre 1637
erschien von seiner Hand die ,.Batavische Arcadia", eine Art Schäfer-
idylle in Romanform, worin er die Unterhaltungen der Personen zu
kleinen Abhandlungen über allerhand Wissenswertes aufwachsen ließ.
Die bedeutend erweiterte zweite Auflage dieser Batavischen Arkadia
vom Jahre 1647 bringt einen kurzen und guten Abschnitt über den
Hexenprozeß, reichlich mit Zitaten und Fußnoten versehen, fast alles
aus der CCr. Er überschüttet das Buch mit höchstem Lob, und obwohl
ihm auch viele andere wie Wier, Gòdelmann und Grevius bekannt
sind, zitiert er immer mit Vorliebe die CCr., deren zweite Auflage er
benutzte, und deren Autor ihm unbekannt blieb. Heemskerks Roman
erfuhr viele Neuauflagen und machte so die CCr. in Holland be-
kannt ( 3 7 ).
Der erste der, durch Heemskerk darauf aufmerksam gemacht, die
Cautio Criminalis ausführlich zu einer langen Abhandlung benutzte,
war der Arzt Daniel J o n k t y s in Dordrecht in seinem: „De pijnbank
wedersproken en bematigt" ( 3 8 ). Das Werk ist ein scharfer Angriff auf
die Folter; es folgt, nach der Aussage des Autors besonders Grevius' Tri-
bunal Reformatum. Das Buch jedoch, das er am meisten anführt, ist die
CCr. Sowohl mit den strafrechtlichen Fragen der Folter, wie mit dem
Hexenwahn ist er sehr vertraut und er kennt auf beiden Gebieten die
wichtigsten Autoren. Immer wieder zitiert er am liebsten Stellen aus
( 3 0 ) Der einzige von Bedeutung ist Franz Agricola, Pfarrer in Sittard, mit
seinem: „Gründlichen Bericht, ob Zauberey die ärgste und grewhrhste
Sund auf Erden sey Colin, bei Henncus Falkenberg 1597". Harmloser
war das Gespräch des Pfarrers Jacob Valhck von Groessen (bei Zevenaar) :
„Tooveren, wat dat voor een werk is" 1559. Beide Werke oft neu auf-
gelegt. — Dagegen lieferten die Niederlande einen Wier und einen Loos.
Bücher aus dem Ausland, wie von Reginald Scot, wurden ins „Belgische",
d.h. Niederlandische übersetzt und viel gelesen.
( 3 7 ) Erst die 3. Aufl. 1657, tragt den Namen des Autors: Johan van Heemskerk:
„Batavische Arcadia", der Autor war 1656 gestorben. Wir zahlen 10 Aufla-
gen bis 1765. Die Stellen, wo er sich auf die CCr. bezieht, sind in der
Ausg. 1765 S. 45-65 und 447-450.
( 3 8 ) Rotterdam 1651; Neuafl. 1740.
289
Specs Werk, dessen Gedanken man überall in dem klugen Buch
begegnet.
Nachdem in dieser Weise die GCr. in Holland bekannt geworden,
wagte ein unternehmender protestantischer Prediger, ein Remon-
strant ( 3 9 ) , N i c o l a a s B o r r e m a n s , eine niederländische Über-
setzung von Spees Werk. Borremans war 1645-1648 Prediger in Oude-
water, wo, wie wir schon berichteten, eine berühmte Hexenwaage im
Brauch war. Borremans widersetzte sich gegen diesen Aberglauben und
als das Buch vom Engländer Reginald Scot ( 4 0 ) die Schöffen und das
Volk nicht bekehrte, machte er sich an die Lektüre und bald an die
Übersetzung der Cautio Crimalis des 'römischen Theologen'. Erst neun
Jahre nach der Vollendung seiner Übersetzung erschien sie im Jahre
1657 im Druck ( 4 1 ) . In der Einleitung berichtet Borremans, d a ß ein
Freund ihm einmal den Namen des Autors der CCr. mitgeteilt habe;
er habe ihn jedoch vergessen. Der Autor soll ein katholischer Priester und
Beichtvater eines großen Prinzen ( 4 2 ) gewesen sein. D a ß dieser selbst
an Hexen glaubte, will Borremans nicht a n n e h m e n : der Autor verstelle
sich n u r so, um nicht, wie Scot es erfahren hatte, sofort von seinen
Gegnern abgelehnt zu werden ( 4 3 ) . Obwohl wir in Holland, sagt Bor-
remans noch, seit Jahren keine Zauberer m e h r verurteilen, weil wir
glauben, daß es sie nicht gibt, erachte ich meine Übersetzung doch
nicht für unnütz, weil die CCr. so klar alle Falschheit und List mancher
Hexenrichter aufdeckt. Er hofft denn auch, d a ß seine Übersetzung mit
dazu beitragen darf, d a ß der Zauberwahn bei allen Menschen völlig
verschwinde.
Noch zwei Mal finden wir die CCr. in Holland im 17. Jahrhundert
erwähnt. Beide Werken nannten wir schon: die Selbstverteidigung, die
290
der 80-jährige Hermann Löher 1676 in Amsterdam ins Licht gab ( 4 4 ) ,
und das aufsehenerregende Werk des protestantischen Pastors Balthasar
В е к к e r „De betooverdc Wereld" ( 4 5 ) , worin er den Teufelsglauben
aus theologischen Gründen in cartesianischem Geiste bekämpfte ( 4 6 ) .
Wo er im vierten Buch auf den Hexenprozeß zu sprechen kommt, lobt
er die CGr. wiederholt. Er gibt einen Auszug an Hand der Übersetzung
von Borremans und erklärt schließlich, daß dieses Büchlein „in allen
Sprachen Europas gedruckt zu werden und von Personen jeden Standes
betrachtet zu werden verdiene" ( 4 7 ).
291
Exorzismen geheilt werden müssen, und daß die Hexen für diese Ver-
brechen die schwerste Strafe verdienen.
Späte Wirkung in Frankreich.
Gering war auch der Erfolg in Frankreich. Im 17. Jahrhundert
loderten auch dort die Scheiterhaufen allerorts mit kürzeren oder
längeren Unterbrechungen. Die Literatur hält an den Ansichten eines
Bodin und Remigius fest. Frankreich hat für den Teufels- und Hexen-
glauben eine Menge Theoretiker gestellt: Daneau, Jacquier, Crespet,
Boguet, Lancre und Michaelis ( 5 2 ). Der erste Widerstand kam erst
Anfang des 17. Jahrhunderts in der „Apologie pour tous les grands
personnages qui ont esté soupçonnez de magie" von Gabriel N a u d é
im Jahre 1625 ( 5 3 ). Der lange Traktat verteidigt viele historische Per-
sonen, die in der Nachwelt für Magier gehalten wurden, und greift den
leichtfertigen Teufelswahn an. Mit J. d e N y n a u l d ( 54 ) bleibt
Naudé auf Jahrzehnte der einzige Bekämpfer des Hexenwahns in
Frankreich. Erfolg hatten ihre Schriften kaum : der Hexenwahn forderte
auch unter dem Sonnenkönig ihre Hunderte von Opfern. In einem
Werk über Strafrecht und Prozeßführung vom Jahre 1659 behandelt
der Befehlshaber der königlichen Armee in Italien, der Jurist B o u v e t ,
die Hexerei als ein unzweifelbar wirkliches Verbrechen ( 5 5 ). Obwohl
er über den Foltergebrauch einige mäßigende Anschauungen vertritt,
ist er leider in Zaubereifragen allzu leichtgläubig und befürwortet
scharfe Folter, wenn aus den von ihm bestimmten Merkmalen sich
ergeben sollte, daß der Angeklagte sich des 'Schweigezaubers' bedient
habe (56).
Da erschien im Jahre 1660 als erster großer Angriff auf den Hexen-
glauben die f r a n z ö s i s c h e Ü b e r s e t z u n g der CGr. ( 5 ' 7 ). Der
Übersetzer gab seiner Arbeit eine lange Einleitung mit, in der er die
Hauptpunkte der CCr. betont und wiederholt beteuert, daß er nicht
( 52 ) Die Titel in Anhang III; für Michaelis siehe Kap. VIII, Note 71, S. 229.
(GS) Paris 1625; sehr viele Neudrucke.
( 54 ) J. de Nynauld: De la lycanthropie, transformation et extase des sorciers...
avec la réfutation des arguments de Bodin. Paris 1615. — Ferner war schon
Johan Wier durch eine Übersetzung: „Cinq Livres de l'imposture et trom-
perie des Diables... pris du Latin par Jaq. Grevin, Paris 1567", auch in
Frankreich mehr bekannt geworden.
55
( ) Les manieres admirables pour découvrir toutes sortes de crimes et de
sortileges. Avec l'instruction solide pour bien iuger un proces criminel...
par le Sieur Bouvet... Paris 1659.
(И) o.e. Chap. 20, p. 192 ff.
5T
( ) Advis aux criminalistes sur les abus qui se glissent dans les Proces de
Sorcellerie. Dédié aux Magistrats d'Allemagne. Livre tres necessaire en ce
temps icy, à tous luges... Par le P.N.S.I. Theologien Romain... Mis en
François par F.B. de Velledor... à Lyon... MDCLX. Der Übersetzer war
Ferdinand Bouvot de Besançon (chrysopolis, Ville d'Or). Daß er seinen
Namen verbarg, beweist die Gefahr, die die Verteidiger der sog. Hexen
noch immer riskierten.
292
die Hexen, sondern die Unschuldigen verteidigen wolle. Auch ist er
sich darüber klar, daß ihn wegen dieser Arbeit Mißachtung und
Schmach treffen werden. Darum versteckt er sich in der Anonymität.
Den Namen des ursprünglichen Autors jedoch will er offen bekannt
geben, damit man nicht glaube, das Werk sei eine Schmähschrift. Er
weiß aus guter Quelle, daß der Autor N. Spee heiße und schon vor
vielen Jahren gestorben sei, und daß er Jesuit war ( 5 8 ). Dies ist das
erste Mal, daß der Name Spee in einer Druckschrift mit der CCr. ver-
bunden wird; sonst haben wir bis auf dieses Jahr 1660 nur geschriebene
Chroniken und Andeutungen ( 5 9 ).
Der Erfolg dieser Cautio-Übersetzung in Frankreich läßt sich schwer
nachweisen. Trotzdem glauben wir bestimmt Einflüsse von Spee an-
nehmen zu dürfen bei den Maßnahmen gegen Hexenprozesse, die ab
1660 von verschiedenen Instanzen erlassen wurden. Das Parlement von
Paris wollte schon 1660 nicht mehr Hexenprozesse führen lassen; Rouen
jedoch hielt am Hexenglauben fest und ließ 1670 auf einem Schlag 34
Zauberer und Hexen verhaften. Nach vielen Diskussionen griff der
König selbst ein, von Minister Colbert dazu bewogen, und verbot 1672
Fortsetzung aller Hexenprozesse ( 6 0 ). Seit diesem Datum finden wir in
Frankreich nur noch wenige Prozesse. Zu erwähnen wäre nur noch der
berühmte Prozeß gegen die Wahrsagerin und Zauberin Catherine
Deshayes, genannt La Voisin, der den französischen Adel in heftige
Aufregung brachte. Die vom Sonnenkönig verstoßene Marquise de
Montespan versuchte durch die widerlichen Künste der Voisin fes
wurden dazu verschiedene Kinder ermordet) die Liebe des Königs
zurückzugewinnen. Der Prozeß, 1679 eröffnet, brachte Mitschuld vieler
adeligen Personen ans Licht, die politisch dabei interessiert waren. La
Voisin wurde 1680 mit 36 anderen verbrannt; viele Beschuldigte wa-
ren schon vorher den Kerkerqualen erlegen oder hatten Hand an sich
gelegt. Ein eigentlicher Hexenprozeß war es wohl nicht: die Beschuldi-
gungen lauteten auf Kindesmord und politische Verschwörung ( 6 1 ).
Spee hatte vergebens geschrieben und Ferdinand Bouvot hatte um-
sonst die CCr. übersetzt für den Kapuzinerpater Jacques d Ά u t u η
(Chevannes), der in einem Buch von über tausend Quartseiten den
Hexenglauben unter allen Gesichtswinkeln beleuchtet, leider allzuwenig
293
mit dem Licht der Vernunft ( 6 2 ). Er ist eifrig bestrebt, Mißbräuche beim
Hexenprozeß sowie die dumme abergläubische Hexenangst zu bekämp-
fen. Er bemüht sich, zwischen Unglauben und Wahn eine Mitte zu
finden, aber seine Leichtgläubigkeit, die mehr fromm als vernünftig
ist, treibt ihn immer wieder zu gefährlichen Formulierungen. In diesem
Werke spiegelt sich der Zweifel und die Unsicherheit jener Zeit.
Dann mehren sich aber die Stimmen für eine vernünftige Ansicht
in der Hexenfrage: Spee war der wichtigste Gewährsmann für den
königlichen Ratsherrn Augustin Nicolas in seiner klugen Abhandlung:
„Si la torture est un moyen suer à verifier les crimes secrets" vom
Jahre 1682 ( 6 3 ). Femer wäre noch der Aufklärungsphilosoph Pierre
Bayle zu nennen, der auch die CCr. lobend erwähnt und Spees Ansich-
ten hinsichtlich der Hexenprozesse vollständig teilt ( 6 4 ).
294