Sie sind auf Seite 1von 88

Die Macht des Wortes

Die Fähigkeit durch manipulative Rede und Kommunikation


Einfluss auf das Denken und Handeln anderer zu nehmen

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades


einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von
Melisa PALAVRA

am Institut für Philosophie


Begutachter: Payer, Peter, Ao.Univ.-Prof.i.R. Dr.phil.

Graz, 2017
Vorwort

Diese Diplomarbeit trägt den Titel „Die Macht des Wortes- Die Fähigkeit durch
manipulative Rede und Kommunikation Einfluss auf das Denken und Handeln
anderer zu nehmen“, die unter der Betreuung von Dr. phil. Peter Payer
entstanden ist. Ich habe diese Diplomarbeit als Abschlussarbeit meines
Lehramtstudiums, mit den Unterrichtsfächern Psychologie/Philosophie und
Englisch, verfasst. Ich habe dieses Thema gewählt, da mich die Linguistik
interessiert und ich mich mit Freude ausgiebig mit der Linguistik, sowohl der
deutschen, als auch der englischen Sprache während meines gesamten
Studiums beschäftigt habe. Außerdem ist das Thema Sprachmanipulation im
Alltag, dem Beruf und der Wissenschaft stets vertreten und präsent, was mich
umso mehr dazu bewegt hat darüber zu schreiben.

Ich möchte ich mich auf diesem Wege bei meiner Familie bedanken, die mich
währen des gesamten Studiums und beim Verfassen der Diplomarbeit moralisch
unterstützt hat.

Melisa Palavra

Graz, am 20. Juni 2017

1
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ..........................................................................................................................................1
1. Einleitung ............................................................................................................................4
2. Der Begriff und Ursprung der Sprache ..........................................................................6
2.1. Metasprache vs. Objektsprache...............................................................................9
2.2. Idealsprache und Weltsprache .............................................................................. 11
3. Die Struktur und Bedeutung der Sprache .................................................................. 14
3.1. Semiotik und Zeichen der Sprache ..................................................................... 15
3.2. Die Deixis und ihre Referenz zu Bedeutung und Symbol ................................ 17
4. Die Pragmatik ................................................................................................................. 20
4.1. Linguistische Komponente .................................................................................... 23
4.1.1. Die Manipulation in sprachpragmatischer Anwendung .......................... 24
4.2. Pragmatisches Wissen und Nutzen..................................................................... 27
5. Wahrheit und Lüge......................................................................................................... 28
6. Der Gebrauch von Zeichen zum Erreichen von Reaktionen ................................... 31
7. Sprechakttheorien .......................................................................................................... 33
7.1. Lokutionärer Akt...................................................................................................... 35
7.2. Illokutionärer Akt ..................................................................................................... 35
7.2.1. Sprechaktverben im illokutionären Akt ..................................................... 36
7.3. Perlokutionärer Akt ................................................................................................. 38
7.4. Beitrag von J. R. Searle zur Sprechakttheorie................................................... 39
7.5. Der Einfluss der Sprechakte in Entscheidung und Handlung.......................... 40
7.6. Machtverstärkung durch Implikaturen ................................................................. 41
7.7. Analyse des politischen und persuasiven Diskurses ........................................ 43
8. Kommunikationsmodelle ............................................................................................... 45
8.1. Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun ................................................. 46
8.2. Maximen der Kommunikation nach Grice........................................................... 48
8.3. Kommunikation nach Rogers ............................................................................... 49
8.4. Kommunikationsmodell nach Watzlawick ........................................................... 50
8.5. Missverständnisse gezielter Einflussmechanismen .......................................... 51
8.6. Mehrdeutigkeit in der deutschen Sprache .......................................................... 53
9. Die Rhetorik .................................................................................................................... 55
9.1. Rhetorische Figuren, Metaphern und Metonymien ........................................... 56
9.1.1. Rhetorik und Manipulation .......................................................................... 57

2
10. Holismus vs. Modularismus in der Sprachphilosophie .......................................... 58
10.1. Nativismus nach Noam Chomsky ........................................................................ 60
10.2. Konstruktivismus nach Jean Piaget..................................................................... 62
10.3. Moralische Entwicklung nach Jean Piaget und Lawrence Kohlberg .............. 64
10.3.1. Sprachmanipulation unter Einfluss der Moral .......................................... 67
11. Sprache und Sozialstruktur .......................................................................................... 68
11.1. Klasse und Schicht im Sozialisationsprozess des Sprachverhaltens ............ 72
11.2. Der Zusammenhang von Soziolinguistik und Intelligenz.................................. 74
11.3. Strategien der Persuasion .................................................................................... 75
12. Sprachgebrauch und ihre Funktion in den Unterrichtseinheiten............................. 78
12.1. Der Unterrichtston .................................................................................................. 78
12.2. Manipulation erlernen ............................................................................................ 80
13. Schlussbemerkung ........................................................................................................ 82
14. Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 84

3
1. Einleitung

Die Macht des Wortes ist eine Macht, die jeder Mensch zu seinen eigenen
Gunsten in Anspruch nehmen kann. Es besteht die Möglichkeit sich mit
geschickter Ausdrucksweise zu präsentieren und Einfluss auf die Reaktionen
anderer Menschen zu nehmen. Dennoch müssen dafür mehrere
Vorgangsweisen beachtet und verwendet werden, um ein erfolgreiches Ergebnis
zu erzielen. Meist geschehen diese Vorgänge in einem unbewussten Zustand,
der erst durch eine genauere Analyse sichtbar wird. Bei jeder Art von
Sprachgebrauch gibt es viele Theorien und ethische Einflüsse die trotzdem
beachtet werden müssen.

Um die Sprache jedoch als Mittel einer Kraft zu verwenden, ist zunächst
wichtig, den Ursprung und die Funktion dieser zu kennen. Sprache ist ein
soziales Mittel, das durch die Kultur- und Gesellschaftsformung entstanden ist.
Zum einen ist es möglich die Sprache zu verwenden, um sich auszudrücken und
zum anderen kann man die Sprache gebrauchen, um über sie selbst zu
sprechen. Im Folgenden werden beide Arten von Sprachgebrauch untersucht,
um die Funktionen des Machtgewinns durch Sprache näher beschreiben zu
können. Jedes Wort und die Verwendung der Sprache besteht aus einer
Sprachstruktur, die sich in einem großen Ausmaß auf die Bedeutung bezieht.
Jedes Objekt ist mit einem verbalen Wort verbunden, um Dinge erklären,
beschreiben und benennen zu können. Die Wort-Objekt-Beziehung ist jedoch
willkürlich und ist durch Kulturen und Interaktionen der Menschen entstanden.
Die Zeichenlehre hilft den Sprechern und Hörern dabei, sich zu verständigen und
eine kommunikative Basis zu erreichen. Zudem sind Semantik und Pragmatik in
der Kommunikation von großer Bedeutung, da sie der Bedeutung und Situation
gerecht werden, in der ein Diskurs stattfindet. Diese Bereiche sind für die
Erörterung der manipulativen Kommunikation entscheidend, da eine
Untersuchung dieser die Grundsätze der persuasiven Kunst wiederspiegeln.

Die pragmatischen Ansätze manipulativer Absichten sind für eine erfolgreiche


Überzeugungskunst entscheidend, da die Situation und der Zeitpunkt einer Rede
Einfluss auf die Reaktion der Zuhörer haben. Äußere Umstände können
demnach das Ausmaß der Manipulation verstärken oder vermindern. Zudem
haben diese pragmatischen Einflüsse die Fähigkeit dem Gesprochenen Sinn zu

4
verleihen und, demzufolge, ihre Ziele zu erreichen. Weiters wird besprochen,
dass die Grenze wischen Wahrheit und Lüge eine sehr geringe ist. Was als wahr
angesehen werden kann, wie sich Lügen entfalten und welche Auswirkungen
beide auf eine Person haben können, entscheiden mitunter über das Ausmaß
der Manipulationsfähigkeit. Designatoren und Preskriptoren haben demnach eine
besondere Stellung in der Persuasionsanalyse, um als Überzeugungs- und
Überredungskraft agieren zu können. Neben diesen äußeren und inneren
Sprachuntersuchungen wird behandelt, welche Auswirkungen die Sprechakte in
unterschiedlichen Situationen haben. Es ist nämlich nicht immer auf den ersten
Blick ersichtlich, was ein Sprecher mit seiner Äußerung aussagen möchte.
Manchmal können Aussagen mit mehrdeutigen Hintergründen getätigt werden
und zu manchen Zeitpunkten haben gewisse Aussagen eine verdeckte Intention.
Implikaturen haben in diesen Bereichen die Möglichkeit etwas auf implizite Weise
auszudrücken. Diese Implikaturen sind bei der persuasiven Sprache ein wichtiger
Aspekt, da sie keine genauen Angaben machen und dennoch ihre Informationen
vermitteln können. Diese Implikaturen werden im politischen Diskurs ebenfalls
näher bearbeitet, da sie ein Teil davon sein können.

Um jedoch die Sprache auf all diese Arten wiedergeben zu können und
Gebrauch von diesen genannten Theorien machen zu können, stehen
Kommunikationsmodelle im Vordergrund, denen sich alle Menschen auf
unbestimmte Weise bedienen. Der Einfluss dieser Modelle auf die
Ausdrucksweise und Übermittlung einer Nachricht wird näher beschrieben, um
den Hintergrund einer möglichen Manipulation zu erläutern. Warum geschieht
Manipulation und auf welchen Ebenen wird sie transportiert? Meist nutzen diese
Ebenen nämlich rhetorische Ansätze, die andere Personen einfacher
beeinflussen können. Metaphern und Metonymien sind dabei von großer
Bedeutung, da sie die Sprache verbildlichen und auf die Wahrnehmung der
Empfänger eingehen können. Um jedoch in der Lage zu sein, diese rhetorischen
Figuren und Sprechakte durchführen zu können, benötigt es Chomsky
entsprechend eine generative Grammatik, die jedem Menschen angeboren ist.

Zusätzlich spielen die moralischen Einflüsse bei einer sprachlich bedingten


Manipulation mit. Was ist moralisch akzeptabel und wieweit lassen sich Moral
und Sprache verbinden? Diese beiden Fragen werden in Anbetracht der

5
unterschiedlichen Stufen der Moral untersucht und genauer erläutert. Zudem
werden die Einflüsse der Umgebung und die Interaktion mit anderen analysiert,
um die Hintergründe der sprachlichen Entwicklung und die Ansätze einer
möglichen Manipulation zu ermitteln. Diese hinterlassen einen enormen Eindruck
auf die Fähigkeiten und Leistungspräsenz einer Person, die sie zur manipulativen
Kommunikation befähigen oder verhindern. Wenn ein sprachliches Wissen
vorhanden ist, lassen sich auch Strategien erlernen, die der Persuasion von
anderen Aushilfe leisten. Obwohl Manipulation durch Sprache auf den ersten
Blick einfach und unkompliziert erscheint, ist diese sehr komplex und
situationsgemäß abweichend. Folgende Kapitel bieten eine Darstellung der
Gründe und eine analytische Ausarbeitung der manipulativen Kommunikation.

2. Der Begriff und Ursprung der Sprache

Das Konzept der Sprache ist ein äußerst komplexes und schwer
durchschaubares System der alltäglichen Gesellschaften, der vielen hundert
vergangenen Jahre. Sprache wird in vielen möglichen Lebenslagen verwendet
und kann verschiedene Stellungen einnehmen. Die Macht, die eine Sprache
ausüben kann, erstreckt sich über signifikante Bereiche der äußeren Welt, wie
zum Beispiel Realität, Individuum, Bewusstsein und Gesellschaft. (vgl. Prost
1990: 17f) Doch um jegliche sprachliche Macht zu erlangen und zudem diese
nachvollziehen zu können, muss man erst den Ursprüngen der Sprache auf den
Grund gehen. Wie der heutigen Gesellschaft bekannt ist, ist das menschliche
Wesen das einzige Lebewesen, das durch seine Sprache die meiste Wirkung
erzielen kann. Auch wenn Menschen die Sprache der Tierwelt nicht verstehen,
obwohl sie durchaus durch Laute und auf eine eigene spezielle Weise existiert,
ist sichtlich bekannt, dass Menschen durch ihre Sprache einen großen Einfluss
auf nahezu alle Lebensbereiche nehmen können. Dr. Gustav Baumann
unterscheidet in seinem Werk Ursprung und Wachstum der Sprache zwischen
einer Willensprache und einer Begriffsprache. Diese Begriffe gehen weit auf die
ersten Findungen unterschiedlicter Philosophen zurück. Die Willensprache
bezeichnet jene Ausdrücke, die sich auf einen persönlichen oder allgemeinen
Willen beziehen. Die Begriffsprache jedoch ist sichtlich komplexer und beinhaltet

6
mehrere aufeinanderfolgende Gedanken, die die vorgegebene Reihe der
Gedanken vorgibt. Aus dieser Sequenzierung entwickelt sich der eigentliche
Wille eines Lebewesens. Im Gegensatz zu den Tieren, von denen angenommen
wird, dass sie nur auf den Gebrauch der Willensprache beschränkt sind und ihre
Gedanken nicht sinnvoll sortieren können, können Menschen diese beiden Arten
der Sprache verknüpfen, um ihren Willen zu haben, zu übermitteln und
durchzusetzen. (vgl. Baumann 1913: 2)
Den Ursprüngen der Sprache zufolge ist die Sprache an Sprachzeichen
gekoppelt, die laut der Bibel von Adam kreiert wurden, um Gegenständen einen
Namen zu geben und somit Macht über diese äußere Welt zu verüben. (vgl. Prost
1990: 12f) Diese Art von Brauch hat sich über die vielen Jahre bis zur heutigen
Zeit durchgesetzt, da die Menschen die Benennung von Dingen und anderen
Menschen immer noch auf diese Weise handhaben. Wenn ein Kind geboren wird,
dann wird ihm ein Name gegeben, um es ansprechen und vor allem leiten zu
können. Diese Aktivitäten sind Zeichen von hoher Macht, die Eltern über ihre
Kinder erhalten. Doch nicht nur Kinder bekommen einen Namen zugewiesen,
sondern auch Gegenstände, die neu erschaffen oder weiterentwickelt werden.
Wenn man zum Beispiel Objekte wie Fernseher, Mobiltelefone oder andere
technische Geräte in Anbetracht zieht, wird einem bewusst, dass diese Dinge vor
hunderten von Jahren nicht existiert haben und somit auch ihre Bezeichnung
nicht. Die Personen, die einen solchen Gegenstand erschaffen haben, haben
diesem auch seinen Namen gegeben, um somit die eigene Macht über solche
Objekte in der Gesellschaft und Wirtschaft zu platzieren. Dadurch erhält die
Sprache eine viel größere Autorität über die Einflussnahme von Menschen über
Dinge und sogar andere Menschen, als einem im Alltagsgebrauch zunächst
bewusst wird.
Um die Sprache sinnvoll nutzen und verstehen zu können, kann das
menschliche Wesen auf seine Sinne zurückgreifen. In diesem Fall unterscheidet
man von fünf verschiedenen Arten von Sprache, Getast-, Gehör-, Gesicht-,
Geschmack- und Geruchsprache. (vgl. Baumann 1913: 2) Um an den Ursprung
der Sprache, wie wir sie heute kennen, anzuknüpfen, konzentriert man sich eher
auf die ersten drei Arten der Sinnessprachen, vor allem jedoch auf die
Gehörsprache. Diese wird auch Lautsprache genannt, welche allgegenwärtig
und unbewusst ständig im Einsatz ist. Die Gesichtsprache ist durch die Mimik,

7
Gestik und Körpersprache gekennzeichnet, die einiges über einen Menschen
und die Richtigkeit der Aussagen verraten. Parallel zur Lautsprache ist diese
unumgänglich, wenn eine natürliche Art von Rede oder Kommunikation
vorhanden ist. Die hier genannte Getastsprache ist weniger oft präsent, ist jedoch
von großer Wichtigkeit für blinde Menschen. Diese haben eine eigene Sprache,
die sie durch Ertasten entschlüsseln können, um Geschriebenes verstehen zu
können. Diese ist in unserer Gesellschaft stark aufgenommen und durch die
Repräsentation von kleinen Pünktchen in verschiedenen Formen dargestellt.
Um den Ursprung der Sprache, wie wir sie heute kennen, zu klassifizieren,
gibt es vier verschiedene Theorien, die die alten Philosophen aufgestellt haben.
Dabei handelt es sich um die Lautnachahmungstheorie, die Interjektionaltheorie,
die Vereinbarungstheorie und die traditionalistische Theorie (vgl. Baumann 1913:
4f). Die Lautnachahmungstheorie, nach der sogar Kinder die Sprache ihrer Eltern
und Umgebung erlernen, scheint die wichtigste dieser vier zu sein, um die
Herkunft und Entwicklung der Sprache einer Region oder eines Landes durch die
Leute widerzuspiegeln. Demokrit zufolge werden die Lautnachahmungen dem
Gehörsinn zugeschrieben, welche sich auf die gegebenen Wörter, die hier auch
begriffliche Lautsprachzeichen genannt werden, bezieht. (1913: 5) Platon und
Aristoteles haben schon die Sprache durch die Lautnachahmung beschrieben,
da sie die Aussprache von gewissen Buchstaben auf klassifizierte
Gegenstandsgruppen zurückgeführt haben. Buchstaben wie ‘s’ und ‘f’ wurden
zum Beispiel für luftartige Laute verwendet, wohingegen feine, geschmeidigere
Töne mit einem ‘i‘ gekennzeichnet wurden. Aufgrund dessen wird diese Theorie
für gewöhnlich als eine onomatopoetische Theorie bezeichnet (vgl. Baumann
1913: 5). Als eine Onomatopoesie werden Wörter bezeichnet, die sich durch ihre
Laute auszeichnen, wie zum Beispiel ‘zzz’ als ein Geräusch, das eine Biene
macht, oder ‘buff‘ für einen lauten Knall. Die zweite genannte Theorie geht auf
Epikur zurück und besteht aus unwillkürlichen Lauten, wie husten und nießen.
Diese Laute können nicht willkürlich vom Menschen erzeugt werden, werden
aber erst dann zur Sprache, wenn sie willkürlich also künstlich kontrolliert, bewirkt
werden. Wenn man also nur diese ersten beiden Theorien berücksichtigt, dann
ist die Sprache durch natürliche Einflüsse entstanden. (vgl. Baumann 1913: 5)
Nichtsdestotrotz, wenn man auf die dritte Theorie näher eingeht, die
Vereinbarungstheorie, dann lässt sich die Definition vom Ursprung der Sprache

8
auffallend erweitern. Bei dieser Theorie geht es darum, dass gewisse
Gegenstände ihren Namen durch eine Namensgebung bekommen. Wie schon
erwähnt, war der Bibel zufolge Adam der Erste, der den Dingen der Welt Namen
gegeben hat. Ebenso wie schon angeführt, existiert diese Namengebung im
alltäglichen Gebrauch auch heute noch. Oft müssen mehrere Menschen eine
Vereinbarung treffen um sich auf einen Namen oder eine Bezeichnung zu
einigen, weswegen diese Theorie ihren Namen erhalten hat. Konkret betrachtet
jedoch, wird diese Theorie nicht dem eigentlichen Ursprung, sondern eher dem
Wachstum der Sprache zugeschrieben. Die letzte Theorie, die traditionalistische
Theorie, geht auf den Willen Gottes und den Glauben an die Forschung zurück.
(vgl. Baumann 1913) Diese vier Theorien können auf verschiedene Weise
miteinander verknüpft und angepasst werden, um neuere Annahmen zu
entwickeln und der Herkunft der Sprache mehrere Ansatzpunkte zu geben.
Außerdem lässt sich durch die Existenz dieser vier Theorien erklären, dass
verschiedene Länder unterschiedliche Sprachen sprechen. Diese werden jedoch
nicht unbedingt durch eine Staatsgrenze strikt abgetrennt, sondern verlaufen in
Bezug auf Dialekte und Akzente ineinander über, die es in vielen Sprachen gibt.

2.1. Metasprache vs. Objektsprache

Die Verwendung einer Sprache bezieht sich grundsätzlich auf eine von zwei
verschiedenen Möglichkeiten. Bei der Analyse und der weiteren Aufarbeitung von
Sprache muss deutlich von diesen beiden Arten der Sprachverwendung, nämlich
der Metasprache und Objektsprache, unterschieden werden. Die Objektsprache
hat die Funktion über bestimmte Sachverhalte zu sprechen und Dinge, Objekte
oder Situationen näher zu beschreiben. Bei dem Satz „Lügner werden früher oder
später ertappt“, handelt es sich um einen Ausdruck auf einer objektsprachlichen
Ebene. Damit wird der Inhalt einer Aussage ausgedrückt und ein Sachverhalt
näher beschrieben. Bei diesem benannten Satz handelt es sich darum, dass
Menschen, die lügen, mit ihren Lügen nicht erfolgreich sein werden und die
Wahrheit zu einem unbestimmten Zeitpunkt hervortreten wird. Die Metsprache
jedoch ist die Sprache über eine Sprache. Somit ist festzustellen, dass es sich
bei der Metasprache um eine Sprache handelt, die sich auf einer höheren Ebene
befindet, als die Aussagen und Angaben, die dadurch näher beschrieben

9
werden. Genauer gesagt, ist die Metasprache diejenige Sprache, die man
verwendet, um Sätze zu beschreiben. Wenn man die vorhin verwendete Aussage
über Lügner verwendet, wäre ein mögliches Beispiel für die Metasprache
folgendes: „Die Behauptung ‘Lügner werden früher oder später ertappt‘ ist
vollkommen unbegründet“. Bei diesem Satz wird die Aussage über Lügner
genauer erläutert und Sprache verwendet, um über diesen Satz, also eine
weitere Sprache, zu sprechen. Die Metasprache lässt sich auf mehreren Ebenen
näher erklären. Wenn der Satz „Lügner werden früher oder später ertappt“ einer
Ebene E1 angehört, dann kann man den Satz „Die Behauptung ‘Lügner werden
früher oder später ertappt‘ ist vollkommen unbegründet“ auf eine Ebene E2
stellen. Wenn man jedoch noch eine weitere Ebene E3 bieten möchte, kann man
den Ausdruck „Es ist wahr, dass die Behauptung ‘Lügner werden früher oder
später ertappt‘ vollkommen unbegründet ist“. Auf dieser dritten Ebene, spricht
man sowohl über E2 als auch über E1. Einfach verständlichere Beispiele für
Objekt- und Metasprache sind Aussagen wie, „Schule ist verpflichtend“
(Objektsprache) und „Das Wort ‘Schule‘ hat sechs Buchstaben“ (Metasprache).
Bei persuasiver Kommunikation und manipulativer Rede sind sowohl
Objektsprache, als auch Metasprache notwendig. Um andere durch Sprache
erfolgreich manipulieren zu können, muss man sich ständig auf der Ebene des
Sachverhalts bewegen. Der Inhalt einer Aussage ist für jede Art von
Kommunikation wichtig, um das Verständnis zu gewährleisten und die
notwendige Nachricht zu erhalten. Um jemanden sprachlich zu manipulieren, ist
Metasprache möglicherweise nicht notwendig. Um diese Manipulation
aufzudecken und deren Hintergründen näher zu kommen, ist Metasprache
durchaus erforderlich, da die verwendete Sprache der Persuasion analysiert
werden muss. Die Metasprache ist ebenfalls essentiell, um ein Konzept oder
einen Plan für eine manipulative Rede, Kommunikation oder Nachricht zu
erstellen. Bevor die manipulierende Person ihre Persuasion ausführt, beschäftigt
er oder sie sich mit der Wortwahl, der Tonart und Ausdrucksweise auf
metasprachlicher Ebene. Demnach lässt sich feststellen, dass sowohl
Objektsprache als auch Metasprache ständig im alltäglichen Gebrauch
vorhanden sind, obwohl der Mehrheit der Menschen diese Begriffe und deren
Verwendung nicht bewusst sind. Intuitives Sprechen und Handeln ist von

10
ursprünglicher Natur, kann aber durch unterschiedliche Mechanismen und
Techniken kontrolliert und gesteuert werden.

2.2. Idealsprache und Weltsprache

Man würde meinen eine einzige Sprache, die weltweit gesprochen werden
sollte, würde zu einem allgemeinen Ideal führen, welches auf jedem Kontinent
und in jedem Land von allen Einwohnern dieser Welt verstanden werden könnte.
Wie uns jedoch bekannt ist, existiert eine solche Sprache nicht. Die Welt ist divers
und differenziert sich sowohl durch Sprache, als auch durch Kultur, Sitten und
Bräuche. Diese Elemente der Welt und des Lebens sind aus unterschiedlichen
Regionen und Klimata entstanden. Viele Welteinflüsse spielen bei der
Entstehung von Sprache und Kultur eine Rolle, die uns hinsichtlich dessen nicht
unbedingt bewusst sind. Einer Weltsprache1, die als allgemeine Vorlage der
Kommunikation dienen soll, wurde von verschiedenen Philosophen
unterschiedliche Namen gegeben. Nal Bino, Pasilingua und Volapük sind die
Bezeichnungen des Begriffs „Weltsprache“ im 20sten Jahrhundert. Um letzteres
genauer zu beschreiben, wurde eine Sprache von einem einzelnen Menschen
erfunden, die einfach, logisch und originell sein sollte. Das Volapük wurde von
dem deutschen Priester Johann Martin Schleyer geschaffen, indem aus allen
möglichen Sprachen der Welt die einfachsten Regeln der Sprache verwendet
werden, um eine gemeinsame Grundbasis einer „Idealsprache“ zu bilden (vgl.
Kleinpaul 1972:6f). So hat er sich Sprachen, die an Grenzgebieten entstanden
sind, wie zum Beispiel das Pigeon-English, das aus chinesisch-englischen
Wörtern besteht, oder Chreolendialekte, die im tropischen Amerika aus dem
Spanisch-französisch-englischem entstanden sind, als Vorlage genommen. Sein
Wortschatz und die Entwicklung seiner Weltsprache liegen grundsätzlich dem
Englischen zugrunde. Kleinpaul behauptet in Sprache ohne Worte, dass
Schleyer aus world vol gemacht hat und aus speak pük wurde (1972:10).
Abgesehen davon kamen aber auch viele seiner Wörter fürs Volapük auch aus
anderen Sprachen, wie dem Lateinischen oder auch Französischen.

1Eine Weltsprache ist die Sprache, die kreiert wird, um sich unabhängig von Kultureinflüssen
und Muttersprache in allen Ländern der Welt verständigen zu können. (vgl. Kleinpaul 1972)

11
Nichtsdestotrotz ist wahrlich deutlich, dass eine Sprache nicht von einem
einzelnen Menschen kreiert werden kann und sie nicht durch beliebige
Festlegungen entworfen werden kann. Eine bestimmte Sprache lässt sich
ebenso wenig zu einzelne Generationen zuordnen und anpassen, da diese
vielfachen Generationen, bestehend aus dem Zusammenleben von Millionen von
Menschen, sowohl jungen als auch alten, eine gemeinsames Volk bilden. Diese
Völker durchgehen eine lange gemeinsame Geschichte, die sich über Jahre,
Jahrzehnte und Jahrhunderte streckt und eine vereinte Kultur und somit auch
Sprache bildet. Viele Elemente, die im alltäglichen Gebrauch verwendet werden
und mit der Interaktion zwischen Menschen zusammenhängt, können nicht von
einer Person erstellt werden, da es ein Zusammenspiel zwischen einer Gruppe
von Individuen bedarf:

Es gib Dinge, die der Einzelne machen, durch die er sich in seinem Volke
auszeichnen und dem Vaterlande nützlich erweisen kann; es gibt aber auch
Dinge, die der Einzelne überhaupt nicht machen kann, weil eben ein Volk
dazu gehört. Kann ein Einzelner Krieg führen? Kann ein Einzelner einen
Staat entwickeln? Kann ein Einzelner eine Kultur, eine Civilisation
aufweisen? Und kann ein Einzelner Sprache erfinden? […] Eine Sprache
wird nicht erfunden wie eine Dampfmaschine, sondern sie ist unbewusst mit
der Kultur und Religion entstanden; sie stellt gleichsam ein Netz von
Brückchen dar, welche die Menschen der Urzeit über das Wasser zu
einander schlugen, um untereinander verkehren und sich gegenseitig ihre
Gedanken mitteilen zu können. (Kleinpaul. Sprache ohne Worte: 6f)

Nicht nur bei der Kreation und Entwicklung der Sprache ist mehr als ein
Mensch notwendig, sondern auch beim Praktizieren dieser. Um sinn- und
zielgemäß sprechen zu können benötigt man immer ein Gegenüber, welches das
Gesprochene annimmt und aufnimmt. Um das Phänomen der Sprache etwas
näher bringen zu können, kann weitgehender betrachtet werden, dass ein
Mensch nie in einzelnen Worten, sondern immer nur in ganzen Sätzen spricht,
um sich sinngemäß ausdrücken zu können. Demnach gehen Wörter und die
Grammatik einer Sprache nicht der Sprache selbst voraus, sondern erhalten erst
dann ihre Bedeutung, wenn die Sprache bereits abgeschlossen ist. (vgl.
Kleinpaul 1972: 7) Aufgrund dessen lässt sich das Phänomen der
Sprachentwicklung auf eine ähnliche Weise erklären. Die Menschen, ihre
Wortkreationen und Regelbestimmung gehen nicht der eigentlich gesprochenen

12
Sprache voraus; die Entwicklung sämtlicher Wörter und Grammatikregeln
entstehen erst nachdem die Sprache im Kontext der Interaktion vollendet wurde.
Diesen Argumentationen zufolge also, lässt sich eine Weltsprache nicht
definieren oder erschaffen, da zu viele Einflussfaktoren der Umwelt eine enorme
Rolle spielen. Was wäre aber, wenn eine Art von Weltsprache bereits existiert?
Grundsätzlich definieren wir Sprache als gesprochene Ausdrücke, die nur
zwischen Menschen erfolgen kann. Über diese Grenzen hinaus betrachtet, gibt
es dennoch eine andere Art von Sprache, die unsere ganze Welt verwenden
kann, die Sprache ohne Worte2. Diese Art von Kommunikation erfolgt durch
Naturgesetzte, Visualisierung und Handeln. Rudolf Kleinpaul erklärt, dass
Sachen und Dinge zu jemandem sprechen können, indem sie Tatsachen
aufweisen oder diese bestätigen: „Wenn der Arzt über eine Krankheit, der
Naturforscher über ein Tier die Diagnose stellt, indem er an den eigentümlichen
Merkmalen, welche das Exemplar an sich trägt, die Art zu erkennen sucht, so
spricht die Sache zu ihm“ (Kleinpaul 1972: 17).
Aufgrund von diesen Erkenntnissen lässt sich die Manipulation durch
Sprache auf einer zusätzlichen Ebene analysieren. Zum ersten sollte die Frage,
welchen Einfluss manipulative Kommunikation auf Basis einer allgemein
gesprochenen Weltsprache, die beispielsweise von Schleyer beschrieben wurde,
auf die Menschen hätte, beantwortet werden. Wenn es eine einzige Sprache
gäbe, die von allen Menschen dieser Erde gesprochen und verstanden werden
würde, dann wäre das Ausmaß der sprachlichen Manipulation grenzenlos.
Politiker hätten eine größere Möglichkeit die Menschen zu erreichen und diese
für ihre persönlichen Vorteile zu nutzen. Obwohl die englische Sprache beinahe
einer solchen Weltsprache ähnelt, da viele Menschen Englisch als Zweit- oder
Drittsprache sprechen, unterscheiden sich Muttersprachler weitgehend von
Lernenden dieser Sprache durch ihre Kultur und Umwelt, die mitunter durch die
jeweilige Amtssprache ihrer Nation geprägt wurden. Abgesehen von politischen
und diplomatischen Einflüssen hätten Werbeagenturen und industrielle
Gewerkschaften bei einer allgemeinen Weltsprache eine hohe Kontrolle über die
Menschheit. Durch die Werbe- und Marktpsychologie ist bewusst, dass Werbung

2Sprache ohne Worte: Darunter versteht man hier Körpersprache, die Präsenz der
Gegenstände selbst und die Darstellung von Merkmalen durch die Vorgabe von Normen der
Gesellschaft

13
und Reklamen das Denken und Handeln einer Gesellschaft oder eines einzelnen
beeinflussen können. Obwohl die Mehrheit der Menschen das weiß, reagieren
sie diesen Manipulanten zu Gunsten durch sowohl bewusste, als auch
unbewusste Handlungen. Bei der Präsenz einer allgemeinen Weltsprache,
bestünde die Möglichkeit, dass zusätzlich zu den visuellen und aktiven
manipulativen Handlungen eine gesprochen-auditive Komponente größeren
Einfluss auf Verhalten und Reaktionen nehmen kann. Um hier eine bildhafte
Parallele erstellen zu können, möchte ich auf den Nationalsozialismus im zweiten
Weltkrieg hinweisen, wo überwiegend durch Mund- und Werbepropaganda ein
großer Teil Europas manipuliert werden konnte und zu der Diktatur durch einen
einzelnen Menschen führte. Neben den vielen Vorteilen, stellt sich die Frage,
welche enormen und gewaltigen Nachteile für die Menschheit eine einheitliche
Weltsprache mit sich ziehen könnte?

3. Die Struktur und Bedeutung der Sprache

Menschen erlernen ihre Muttersprache im Kindesalter. Die einzige Aufgabe


eines Neugeborenen ist es, sich mit der Umwelt vertraut zu machen, Dinge und
Handelswege kennen zu lernen und zu lernen, die gehörte Sprache
wiederzugeben. Jedes Wort hat seine Bedeutung und jede Bedeutung hat einen
Bezug zu einem Objekt in der Realität. Obwohl Wörter und Satzzusammenhänge
aus dem Kontext unbewusst hergeleitet werden und es für jedes Objekt eine klare
Bezeichnung gibt, ist die Zusammensetzung und der Ursprung dieser Wort-
Objekt-Beziehung nicht so deutlich zu erklären, wie man zu meinen vermag.
Wörter und Laute sind beliebig gewählt und haben keine logisch erklärbare
Verbindung zu dem Objekt3, das sie beschreiben, obwohl sich die Sprache
dadurch strukturell durch das Unbewusste bildet: „Für die Gruppe ist es, wie die
Sprache, in seiner Form verpflichtend, aber in seiner Struktur unbewußt.“ (Lacan
1953, 117) Wörter bestehen aus Buchstaben und Buchstaben repräsentieren
beliebige Zeichen, die von einer Gesellschaft festgelegt wurden. Ein einzelnes
Zeichen wird als starres Gebilde einer Realität angesehen, das bereits vor dem
Sprachlichen existiert hat. Die Sprache fungiert deshalb als ein Zeichensystem,

3 Willkürlichkeit der gewählten Wörter und Wortbedeutungen

14
das schriftlich wiedergegeben werden kann und eine Relation zu den
sprachlichen Elementen hat. Durch all diese Besonderheiten nimmt die natürliche
Sprache eine zentrale Stellung ein: „Sprache ist hier in einem weiten Sinne zu
verstehen d.h. als beliebiges System, das aus Zeichen und Regeln zur
Kombination von Zeichen besteht und zum Austausch von Nachrichten dient. […]
Sie ermöglicht nicht nur die menschliche Denktätigkeit, sondern bildet auch die
Grundlage für alle künstlichen Sprachen.“ (Klaus 1969: 11) Somit ist jedes
Zeichen, das jedes Wort bildet, an die Gesamtheit des Sprachsystems
gebunden.
Um die Sprache sinnvoll einsetzten zu können, müssen der Sprachabsender
und -empfänger gewisse Regeln befolgen. Durch eine gemeinsame Basis, die
von der Nachricht geleitet wird, entsteht eine erfolgreiche Kommunikation
zwischen zwei oder mehreren Parteien.

3.1. Semiotik und Zeichen der Sprache

Menschen sind die einzigen Lebewesen, die ein komplexes Zeichensystem


entwickelt haben, um Sprache in unterschiedlichsten Bereichen ausdrücken zu
können. Mittlerweile sind Zeichen untrennbar mit den Fachbereichen jeglicher
Forschung und Mitteilung miteinander verbunden. „Die Zeichentheorie oder
Semiotik hat ein zweifaches Verhältnis zu den Wissenschaften: Sie ist einerseits
eine Wissenschaft unter anderen Wissenschaften und andererseits ein
Instrument aller Wissenschaften.“ (Morris 1988: 18) Morris ist jedoch nicht der
Einzige, der dies behauptet. Ferdinand de Saussure, hat sich sehr viel mit der
Zeichenlehre beschäftigt und ist der Meinung, dass es eine Wissenschaft von der
Sprache und eine Wissenschaft vom Sprechen gibt. (vgl. Gasde et al. 1974)
Saussure meint: „Der eine, wesentliche, hat als Objekt die Sprache, die ihrer
Wesenheit nach sozial und unabhängig vom Individuum ist; … der andere Teil,
der erst in zweiter Linie in Betracht kommt, hat zum Objekt den individuellen Teil
der menschlichen Rede, nämlich das Sprechen“. (Gasde et al. 1974: 126) Diese
beiden Ansätze von Morris und Saussure bedeuten, dass die Zeichentheorie
notwendig ist, um Wissenschaften ausdrücken und Ergebnisse darlegen zu
können. Die Semiose, die der Prozess der Zeichenlehre ist, besteht grundsätzlich
aus vier verschiedenen Aspekten. Es gibt etwas, das als Zeichen wirkt, ein Objekt

15
worauf sich das Zeichen bezieht und eine Wirkung, die in einem Empfänger
ausgelöst wird. Manche Zeichen können sich auch auf denselben Gegenstand
beziehen, müssen aber nicht dieselbe Bedeutung haben, da unterschiedliche
Personen verschiedene Ansichten und Beziehungen zu einem Gegenstand
haben können. (vgl. Morris 1988: 20f)

Abhängig von der Sichtweise, kann die Semiotik auf zwei Arten untersucht
und gedeutet werden. Entweder man konzentriert sich auf die Beziehung
zwischen den Zeichen und den Gegenständen, dann erfolgt der
Untersuchungsprozess auf einer semantischen Dimension, oder man widmet die
Aufmerksamkeit der Beziehung zwischen dem Sender und Gegenstand, dann
liegt ein pragmatisches Dimensionsverfahren vor. Die Semantik und Pragmatik
sind wichtige Bereiche der Kommunikation und ausschlaggebend für die
Vermittlung und das Verständnis zwischen den Sprechparteien. Außerdem ist es
auch naheliegend, dass alle Zeichen auch eine Beziehung zu anderen Zeichen
haben. Dadurch haben sie die Möglichkeit semantische und pragmatische
Aussagen zu treffen. Dieses System der Zeichenverbundenheit, ist eine dritte
Komponente an Dimensionen, nämlich die syntaktische Dimension des
Prozesses. (vgl. Morris 1988: 24f) Aus diesem Grund zählt die Syntaktik4 ebenso
zu den wichtigen Bereichen der Kommunikation, um Wort- und
Satzkonstruktionen effektiv und korrekt übermitteln zu können.

Nichtsdestotrotz sind die genannten Dimensionen nicht ausreichend, um die


Struktur der Sprache und den Sinn der Zeichentheorie nachvollziehen zu können.
Es gibt Regeln, die dazu führen, die Zeichen, Wörter und Sätze in der Pragmatik
auf syntaktische und semantische Weise verständlich ausdrücken zu können.
Außerdem spielt die Phonologie eine enorme Rolle bei der Vermittlung und dem
Verständnis von Sprache. Die Phonologie ist die Lehre der Laute. Das bedeutet,
dass die korrekte Aussprache der Zeichen und Wörter notwendig ist, um die
Intentionen des Gesprochenen übermitteln zu können.

Ein sechsschichtiges Modell der Sprache wurde von David Crystal etwickelt,
um die Struktur und die Zusammenhänge der einzelnen Dimensionen
darzustellen und besser veranschaulichen zu können. Es beinhaltet alle

4Die Syntaktik beschreibt die Beziehung eines Zeichens zu anderen Zeichen. Sie ist eine
Unterordnung der Semiotik

16
möglichen Bereiche der Sprache, die einander ergänzen und die Kommunikation
zum Mittel der Sprachverständigung machen.

(Crystal. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache. 1993)

3.2. Die Deixis und ihre Referenz zu Bedeutung und Symbol

Die Zufälligkeit der Zeichenwahl für die Struktur der Sprache erfordert eine
genauere Erklärung für den Bezug zwischen Zeichen und Objekt, um die
Bedeutung der Wörter mit den jeweiligen Objekten herstellen zu können. Der
Sprachpsychologe M. M. Lewis hat sich mit der Lauterzeugung von
Neugeborenen und Kleinkindern auseinandergesetzt. „Er ist der Ansicht, man
könne das Kind nicht dazu bringen, irgendeinen Laut mit irgendeinem
Gegenstand zu verknüpfen. Der Laut, der Gegenstand und ein gewisser
affektiver Zustand müssen eine Einheit bilden.“ (Segerstedt 1947: 35) Die
Gesamtreaktion des Kindes besteht aus mehreren Aspekten die diese Einheit
herstellen. Das gesprochene Wort des Kindes ist die Reaktion auf eine gegebene
Situation. Durch diese Reaktion liegt sowohl eine Gefühlsreaktion als auch eine
Willensrichtung vor, um die Hintergründe der verbalen Aussage des Kindes
näher zu bringen. Im Anfangsstadium agieren Kinder als Nachahmer, indem sie
die Handlungen und Sprache der Erwachsenen, vor allem ihrer Eltern,

17
nachahmen. Durch die Kombination von Sprache und Handlung verknüpft das
Kind diese beiden Elemente um eine allgemeine Gesamtreaktion zu erstellen.
Diese Verknüpfungen erfolgen so lange bis das Kind die Erwachsenen nicht mehr
benötigt um Wörter oder Sätze frei wiederzugeben. Als Beispiel nennt Lewis den
Gegenstand einer Puppe. Der Erwachsene zeigt dem Kind die Puppe und sagt
das Wort Puppe, wonach diese beiden Aktionen immer wieder miteinander
assoziiert werden. Im fortgeschrittenen Stadium der Sprachentwicklung des
Kindes meint Lewis: „Das Kind sieht bloß die Puppe und reagiert dennoch verbal
auf sie. […] Das Ding hat nun einen Namen bekommen, und insofern ist der
Prozeß abgeschlossen.“ (Segerstedt 1947: 35f)
Nichtsdestotrotz ist die Benennung eines Gegenstands nicht ausreichend,
um sich sprachliche Mittel anzueignen und diese korrekt wiederzugeben. Es
bedarf eine gesellschaftliche Funktion, die einen Kontext bietet, um ein Wort wie
Puppe sinngetreu einsetzten zu können. Dieses Ergebnis wird nur dann erzielt,
wenn die sprechende Person, das Wort und das Objekt selbst zu einer
gemeinsamen allgemeinen Situation gehören. Obwohl man dem Kind nicht direkt
erklärt und beibringt wie Wörter mit Objekten verknüpft werden, erfahren sie
durch Körpersprache und Verhaltensweisen, wie und welche Assoziationen man
machen kann. Auf diese Weise wird dem Kind auch ein gewisses Verhalten mit
Manieren und Normen beigebracht. Zusätzlich ist es wichtig Begriffe nicht durch
eine einfache Beschreibung zu definieren, da es dadurch ebenso zu großen
Missverständnissen und Unklarheiten kommen kann. Wenn man zum Beispiel
den Begriff Ball näher beschreiben möchte, ist es unzureichend zu sagen „Das
ist ein rundes Objekt, das man werfen kann“. Da man andere runde Dinge ebenso
werfen kann, wie zum Beispiel einen Apfel, ist die Beschreibung nicht
ausreichend, um ausschließlich das Objekt eines Balles zu beschreiben (vgl.
Segerstedt 1947: 37).
Abgesehen von der Sprachentwicklung in der Kindheit, ist die Verknüpfung
von Wort, Objekt und Situation ebenso wichtig, um sinngemäße Kommunikation
zu erzeugen. Die Situation ist demnach insofern ausschlaggebend, da sich
Wörter und Objekte in Wechselwirkung je nach Situation verändern können. Als
Beispiel nenne ich die Aussage „Von meinem Standpunkt aus ist Wien rund 200
Kilometer entfernt“. Diese Aussage ist nur dann korrekt, wenn ich mich an einem
Ort befinde, der wirklich diese Entfernung zu Wien hat. Befindet sich der Sprecher

18
aber zum Beispiel in Innsbruck, erhält diese Aussage eine Falschheit. Zeitlich
und räumlich definierte Begriffe, wie „hier“, „heute“, „in einer Stunde“, „letztes
Jahr“, usw. können einem Gegenüber nur bei einer gemeinsamen Deixis
sinngetreu mit absoluter Richtigkeit mitgeteilt werden. Diese Aussagen und die
Analyse des deiktischen Sprachgebrauchs hat immer einen Bezug zur Realität
und kann nur dann als wahr gelten, wenn der Inhalt das wiedergibt, das in der
Realität auch wirklich der Fall ist. Die Theorie der Deixis ermöglicht es der
Sprache konkrete, nachvollziehbare und genau Angaben über die
Vergangenheit, Präsens und Zukunft zu geben. Sie verschafft Klarheit und
enthält dann den Wahrheitswert „wahr“, wenn das gesagte zutrifft. (vgl. Braunroth
et al. 1975: 189)
Diese Entdeckungen scheinen zunächst eher unwichtig für die Analyse einer
verbal manipulativen Absicht, die ein Sprecher haben könnte. Dennoch sind
diese Anfänge und die Struktur der Sprache, die der Großteil der Menschen über
die Jahre hinweg verinnerlicht hat, ausschlaggebend für die Art und den Skrupel
eines manipulativen Zwecks. Indirekt betrachtet beeinflussen Erwachsene, vor
allem Eltern, ihre Kinder vom Tag ihrer Geburt über ihre komplette Lebensspanne
hindurch. Die Anfänge eines Neugeborenen Sprache zu erwerben erfolgen durch
unbewusste Manipulation der Eltern, da diese ihre Kinder, sowohl verbal, als
auch aktiv, auffordern, das zu sagen oder zu machen, das sie sehen und hören.
Aufgrund dessen erwerben Kinder die Sprache ihrer Eltern als Muttersprache
und keine andere und verhalten sich den Normen nach, die sie von ihnen gelehrt
bekommen haben. Normen, Gesellschaft, Regeln, Manieren sind alle Begriffe
und Verhaltensweisen, die durch eine manipulative Haltung eines jeden
angefordert und angestrebt werden. Zusätzlich ist hier zu erwähnen, dass bei
einer beabsichtigten Manipulation die Deixis eine Rolle spielt. Wo sich der
Manipulator und der Manipulierende befinden und welche gemeinsamen
Konnotationen sie teilen, entscheidet über die Möglichkeit Manipulation
erfolgreich durchzuführen. Demnach lässt sich feststellen, dass Manipulation
unterschiedliche Stärken und Ebenen mit sich bringt, die je nach Zielrichtung gute
oder schlechte Konnotationen aufweisen. Nicht nur verbale Manipulation,
sondern auch aktive Spracheinflüsse begleiten jeden Menschen auf seinem
Lebensweg; vom Kleinkindalter, Kindergarten, Schule bis zum Berufsleben
beeinflussen die Umwelt und Gesellschaft die Lebensweise der Menschen und

19
die Menschen die Lebensweise der Gesellschaft. Diese Wechselwirkung lässt
sich schwer vermeiden, da ein geregeltes und anständiges Leben miteinander
anders kaum denkbar oder möglich wäre.

4. Die Pragmatik

Die Pragmatik beschäftigt sich mit der Verwendung der Sprache in


unterschiedlichen Situationen und zu verschiedensten Zeitpunkten. Je nach
Umgebung und Umfeld ändert sich die Sprache und die Wortwahl der
Kommunikationspartner. Grundsätzlich sind der Ursprung, der Gebrauch und die
Wirkung von zusammengesetzten Zeichen ausschlaggebend, um den
pragmatischen Kontext bestimmen zu können. Der Gebrauch der Sprache kann
für mehrere Zwecke eingesetzte werden. Man kann dadurch Informationen
weiterleiten, um Dinge zu erfahren und sich weiterzubilden. Außerdem kann man
durch zusammengesetzte Wörter und Sätze einen Kontext bilden, der
Sachverhalte und Ereignisse beschreibt und diese wieder hervorruft. Dadurch
werden Erinnerungen geweckt und sowohl die Vergangenheit, als auch die
Zukunft können ausgedrückt werden. Doch nicht nur eigene Erfahrungen können
sprachlich wiederhergestellt werden, sondern auch fremde Aussagen,
Wissenschaften und Darlegungen können bewertet werden. Da, wie schon
erwähnt, die Sprache eine soziale und gemeinschaftliche Kreation ist, können
diese Bewertungen anhand von gesellschaftlichen Normen bestimmt werden.
Für diese Kritiken gibt es positive und negative Verhaltensweisen, die sich durch
Adjektive äußern; „gut“, „schlecht“, „schön“, „hässlich“ sind solche Adjektive, die
einen Bewertungscharakter haben. Sie haben die Fähigkeit Objekte näher zu
beschreiben und diese auf die eine oder die andere Weise zu klassifizieren (vgl.
Klaus 1969: 21). Diese Vorgehensweise sagt einiges über den Bewerter aus,
kann aber auch vollkommen von der Haltung dieser Person abweichen. Wie unter
Punkt 2. und 2.1 schon erwähnt, ist das allgemeine Gerüst der Sprachstruktur
ausschlaggebend, um eine pragmatische Dimension ermöglichen zu können. Die
Pragmatik hängt dabei von der kompletten Struktur der Sprache und der
Situation, in der sie gebraucht wird, ab. Zusätzlich aber kommt noch eine
Komponente dazu, die weniger der Linguistik zuzuschreiben ist, sondern
vielmehr zum psychologischen und philosophischen Bereich der

20
Spracherzeugung und -empfang gehört. Dieser bezieht sich auf die emotionale
Ebene der Kommunikationsparteien, die manchmal bewusst, aber oft auch
unbewusst die Sprache der beteiligten Person steuern kann. Es ist wichtig in
Betracht zu ziehen, dass die Einstellung einer Person sich oft durch die
persönlichen Gefühle im Vorhinein schon leiten lässt. Diese gefühlsmäßige
Reaktion auf etwas kann sehr gut von der Charakteristik und Wertung eines
Gegenstandes abweichen. Das bedeutet, dass der reale Bezug einer Person zu
einem Gegenstand durch den emotionalen Einfluss beeinträchtigt werden kann
und somit eine Fehlinformation liefern würde. (vgl. Klaus 1969) Georg Klaus
beschreibt in seinem Werk Die Macht des Wortes, welche wichtige Stellung die
Gefühlseinordnung in der Verwendung der Sprache und somit im pragmatischen
Kontext hat:

Wir haben bereits gesehen, dass die Sprache nicht nur zur
Informationsübermittlung verwendet wird, zur Beschreibung von
Sachverhalten und Ereignissen, sondern auch, um bestimmte Gefühle des
Sprechers (Sympathie, Empörung usw.) auszudrücken und um beim
Empfänger von Zeichen einen bestimmten inneren Zustand hervorzurufen,
der sich in Lust- und Unlustgefühlen, in bestimmten Einstellungen zum
Mitgeteilten, bestimmten Handlungsplänen und schließlich in bestimmten
Verhaltensweisen und Handlungen selbst ausdrückt. Diese Funktionen der
Sprache gehören zum speziellen Gegenstandsbereich der Pragmatik.
(Klaus. Die Macht des Wortes: 20)

In Anbetracht all dieser Aspekte ist die Natur des Menschen im


Zusammenhang mit der Pragmatik ausschlaggebend. Die pragmatisch korrekte
Sprache ist notwendig um sich in jeglichen Situationen ausdrücken und
normgemäß verhalten zu können. Da diese Verhaltensweisen psychologisch-
biologischer Natur zugeordnet werden und dem Menschen eine so genannte
„Naturgesetzlichkeit“ unterstellt wird, sind gemeinschaftliche Handlungen und
Unterhaltungen ein Teil des Lebens. Dadurch sind jegliche Verhaltensweisen
nicht, wie möglicherweise gedacht, autonomer und bewusster Aktivitäten
zuzuschreiben, sondern beziehen sich auf instinktive Handlungen. (vgl.
Braunroth et al. 1975: 17) Aufgrund dessen lässt sich allgemein beurteilen, dass
die Eigeninteressen von den Gemeinschaftsinteressen beeinflusst und geleitet
werden. Nichtsdestotrotz ist das schon grundsätzlich als Erziehungsreaktion

21
festzulegen, da Normen und Regeln, nach denen Menschen leben, festgelegt
und eingebürgert sind.

In diesem Fall ist es nicht einfach einen klaren Anfangspunkt der möglichen
Manipulation festzulegen. Es stellt sich auch hier die Frage, wo diese eigentlich
beginnt. Gesellschaftliche Einflüsse sind so groß, dass konstant auf mehrere
Arten Einfluss auf das Denken und Handeln von Personen genommen wird. Die
Pragmatik als eigenständiger Bereich einer Sprache beeinflusst die Reaktion und
Aussagen vieler Menschen. Dadurch ändert sich das Handeln dieser Menschen,
da sie sich an Situationen und Normen anpassen müssen. Obwohl viele Nationen
und Gesellschaften sich offensichtlich für eine Meinungsfreiheit einsetzten, sind
diese dennoch aufgrund von Sitten, Bräuchen und Manieren eingeschränkt. Hier
spielt vor allem die Politik eine wichtige Rolle. Da man sich den Vorschriften5
eines gewissen Landes anpassen muss, in dem man lebt, wird man durch
Nachrichten, Werbeplakate und Angebote so geleitet, dass schlussendlich
erwünschte Ergebnisse als Resultat hervorscheinen. Nichtsdestotrotz sind
pragmatische Einflüsse wichtig, um ein geregeltes Miteinander ermöglichen zu
können. Pragmatik ist also nicht nur situationsspezifisch zu erklären, sondern
beschäftigt sich auch mit längeren Perioden, die sich auf Jahre, Jahrzehnte oder
sogar eine noch längere Spanne beziehen können. Entscheidungen und
Handlungen in und gegen die Politik haben einen längerfristigen Einfluss auf die
Menschheit. Einzelne Reaktionen von Personen gegen die Normen der
Gesellschaft werden oft verurteilt oder ignoriert. Personen des öffentlichen
Lebens stellen überaus gute Beispiele dar, um etwas zu bewegen und sich gegen
die politische Manipulation äußern zu versuchen. Dabei spielt es keine Rolle, ob
deren Reaktionen und Handlungen durch aktive Sprache oder sogar nonverbale
Kommunikation geäußert werden. Viele dieser Aktionen bekommen einen hohen
Stellenwert in der Geschichte der Politik, können aber oft wenig gegen diese
versteckten Manipulationsformen ausrichten.

5Unter "Vorschriften“ sind hier sowohl die Regeln der Gesellschaft für ein angenehmes
Zusammenleben, als auch die Gesetze eines Landes gemeint.

22
4.1. Linguistische Komponente

Der Bezug der Pragmatik zur Linguistik ist eng mit der Soziologie verbunden
und agiert als Grundbaustein der gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den
Menschen. Drei Unterkategorien entwickeln sich als Teilaspekte, die das
Handeln beeinflussen. Zum einen sind das „Sprache und Arbeit“, zum anderen
„Sprache und Bewusstsein“ und schließlich „Sprache und Gesellschaft“. (vgl.
Braunroth et al. 1975: 50) Mit dem ersten Begriff ist nicht die Sprache, die man
im Berufsalltag verwendet, gemeint, sondern der Aufwand, der geleistet werden
muss, um eine Sprache zu erlernen und sinnvoll nutzen zu können. Es liegt in
der Natur des Menschen, sich Herausforderungen zu stellen und diese
bewältigen zu wollen. Deshalb ist es dem Menschen ebenso von Natur aus
zugeschrieben, dass er immer wieder neue Erfahrungen macht und sich
unbekannte Informationen und Fähigkeiten aneignet. In dieser Hinsicht tritt die
Sprache als ein soziales Produkt hervor, da sie von den Leuten aufgegriffen und
in Verwendung gebracht wird. Der Prozess dieser gesellschaftlichen
Interaktionen und der zwischenmenschlichen Kommunikation resultiert in der
Sprache als Ergebnis. Da sich die Sprache also auf eine menschliche
Reproduktion bezieht, lässt sich feststellen, dass sie veränderbar ist und durch
mehrere Einflüsse verändert werden kann. Auf diese Weise lassen sich auch die
unterschiedlichen Dialekte im deutschsprachigen Raum erklären, die durch
kulturelle Einflüsse und abweichende Ansichtsweisen verschiedener Völker
entstanden sind und geprägt werden. Um aber überhaupt auf den Prozess durch
die Arbeit mit der Sprache eingehen zu können, ist das persönliche Bewusstsein
notwendig.
Die Theorie der „Sprache und Bewusstsein“ geht grundsätzlich von den
Gedanken aus. Um diese zu verdeutlichen und in mündlicher oder schriftlicher
Weise wiedergeben zu können, wird Sprache benötigt. „Sprechen und Denken
sind so wenig identisch wie individuelles und gesellschaftliches Bewusstsein,
aber erst im Sprechen wird das Denken zum sozialen Prozeß und unterliegt damit
auch den Entwicklungsgesetzten sozialer Prozesse.“ (Braunroth et al. 1975: 55)
Diese zusätzliche Aufgabe des Denkens, die es durch sprachliche Prozesse der
Bedeutung und Handlung zugeschrieben bekommt, wird zu einer
grundsätzlichen gesellschaftlichen Angelegenheit. Aufgrund dessen, dass

23
Sprache und Denken miteinander verbunden sind, stehen sprachliche Erkenntnis
und sprachliche Kommunikation in einer ständigen Wechselwirkung. Aufgrund
von diesen Erkenntnissen können Semantik, die eine Bedeutungslehre der
Wörter wiederspiegelt, und die Pragmatik, die eine kontextabhängige
Sprachlehre darstellt, nicht voneinander getrennt werden.
Um schließlich auf den dritten und entscheidendsten Punkt der linguistischen
Pragmatik einzugehen, wird die Sprache im Zusammenhang mit der Gesellschaft
erläutert. Teilweise wurde diese Zusammengehörigkeit schon dargelegt. Sie
benötigt aber noch eine explizitere Beschreibung, um die Wichtigkeit und den
Einfluss der Sprache auf die Gesellschaft, und den Einfluss der Gesellschaft auf
die Sprache näherbringen zu können. Der Bereich „Sprache und Gesellschaft“
ist neben den bisher genannten Gründen auch für die Bearbeitung und
Wiedergabe von bereits erworbenem Wissen zuständig und bezieht sich auch
auf emotionale und volitionale Aspekte des Menschen. Somit ist die
kommunikative Funktion der pragmatischen Linguistik großer Teil der
gesellschaftlichen Beziehungen. (vgl. Braunroth et al. 1975: 56f) Die Beziehung
der Sprache zur Gesellschaft sagt aus, dass die Verhaltensweisen der Menschen
einerseits durch Sprache bestimmt sind und andererseits durch sprachliche
Handlungen durchgeführt werden.

4.1.1. Die Manipulation in sprachpragmatischer


Anwendung

Diese eben genannten Feststellungen sind überaus wichtig, wenn man auf
die manipulative Einsatzfähigkeit der Sprache eingeht. Sie sagt aus, dass die
Sprache auf unbewusste Art und Weise Einfluss auf die Verhaltensweisen der
Menschen hat. Eine Persuasion oder linguistisch pragmatische Manipulation6 ist
also dennoch vorhanden, ohne sich gezielt dafür zu entscheiden oder darauf
hinzuarbeiten. Die Sprache hat somit die Fähigkeit durch ihre selbstständige
Einflussnahme, indem sie das Handeln und Verhalten kontrolliert, und agierend
durch humanistische Repräsentanten Macht auszuüben. Nichtsdestotrotz hängt

6Die linguistisch pragmatische Manipulation ist Manipulation durch Sprache, die durch
kontextabhängige Situationen unterstützt wird.

24
die menschliche Gesellschaft nicht unmittelbar und ausschließlich von der
Sprache ab, sondern beruht auf objektiven, ökonomischen und politischen
Beziehungen (vgl. Klaus 1969: 28). Dennoch, wie bereits erwähnt, hat die
Sprache sehr großen Einfluss auf diese Bereiche des Lebens. Speziell die
Entwicklung der Technik und die Erweiterung der Kommunikationsarten hat die
Möglichkeit einer Manipulierung im Allgemeinen geprägt und vereinfacht.
Einerseits wächst dadurch die Bevölkerung der Welt näher aneinander und kann
einfacher Informationen miteinander austauschen. Diese können durch
verschiedene Dimensionen in Verwendung gebracht werden und die Sprache auf
mehrere Arten einsetzen. Doch andererseits kann es sehr häufig auch zu einer
einseitigen Nachrichtenübermittlung kommen, die Missverständnisse,
Missbrauch oder auch Manipulation hervorrufen kann.
Massenkommunikationsmittel, wie Zeitung, Rundfunk oder Fernseher können
den Großteil der Menschen an nahezu jedem beliebigen Ort erreichen und
Informationen weiterleiten. Dennoch stellt der hier erklärte Kommunikationsakt
ein Problem dar, da der gemeinsame Kanal nur von einer in die andere Richtung
verläuft:

Andererseits erhöhen sich aber auch die Gefahren des Mißbrauchs,


der Manipulierung; wenn der unmittelbare Kontakt zum Sender einer
Nachricht erschwert ist, dann verhält sich der Empfänger dieser
Nachricht gegenüber unbeteiligter und damit auch unkritischer,
zumindest nimmt die Kritik andere Formen an und wird auch in ihrer
Motivierung komplizierter. Zeitungs- und Rundfunkwesen, Fernseher
und Film haben sich in der jüngsten Vergangenheit stürmisch
entwickelt und besitzen heute außerordentlich große Bedeutung für
die ideologische und politische Beeinflussung der Massen. (Klaus.
Die Macht des Wortes: 29)

Die Feststellungen von Georg Klaus beziehen sich auf die späten 60er Jahre.
In der heutigen Zeit sind die Technik und ihre Möglichkeiten noch weiter
gewachsten, da es Internet und soziale Plattformen gibt, die als
Kommunikationsmedium ihre Verwendung finden.

Grundsätzlich sind diese Medien aber nicht notwendig, um Einfluss auf


andere zu nehmen. Sie sind lediglich Hilfsmittel, die es vereinfachen, Kontrolle
auszuüben. Klaus zitiert in seinem Werk Die Macht des Wortes (1969) Charles

25
Morris, der sich viel mit Propaganda und dem Sprachgebrauch als Manipulation
beschäftigt hat. Nicht jede einzelne Person wird von Wörtern gelenkt, kann aber
eine große Wirkung auf sie haben. Objektive Sachverhalte, die von der
Gesellschaft vorgegeben und aufgenommen werden, können zu Gunsten der
Sprecher gelenkt werden und gewünschtes Verhalten der Masse bewirken.
Trotzdem ist das nicht bei jedem möglich und hängt größtenteils von der
Vorerfahrung und dem Vorwissen der Empfänger ab. „Imperialistische Ideologen
wenden solche Methoden an, um die tatsächlichen gesellschaftlichen
Verhältnisse zu verschleiern, sie benutzen die „Macht des Wortes“, um den
gesellschaftlichen Fortschritt zu behindern“. (Klaus 1969: 31) Oft ist die
Überredenskunst nicht davon geprägt eigene Vorteile in den Vordergrund zu
stellen und diese sprachlich so gut wie möglich auszuschmücken, sondern die
gegnerische Darstellungsweise zu entkräften.
Zudem ist die Semantik in einer politischen Anwendungsweise entscheidend,
um die Bedeutung einer Äußerung richtig deuten zu können. Werner Betz erklärt
in seinem Werk Sprachkritik- Das Wort zwischen Kommunikation und
Manipulation die Schwierigkeiten der deutschen Sprache, wenn es um politische
Beschreibungen und Deutungen geht. Er erläutert die Unterschiede zwischen
den Wörtern „Gruppe“ und „Bande“, die vor allem im Baader-Meinhof Fall in den
70er Jahren, als Benennung dienen sollten. Die genaue Unterscheidung dieser
beiden Begriffe lässt sich nicht bestimmen, da es dem Wörterbuch nach ähnliche
Definitionen gibt. Dennoch werden Konnotationen wie „Jugend“, „Schüler“ und
„Menschen“ mit dem Begriff „Gruppe“ geboten, bei „Bande“ sind es „Dieb“,
„Räuber“, und „Verbrecher“. Die Definition von beiden Begriffen bezieht sich aber
auf eine Anzahl von Dingen und Menschen gleicher Art, oder Personen, die die
gleichen Interessen verfolgen. (vgl. Betz 1975: 69) Die Baader-Meinhof
Attentäter erzielen durch ihre Zusammensetzung und selben Interessen eine
Definition von beiden Begriffen. Dies ist ein gutes Beispiel, um die
Schwierigkeiten der Mehrdeutigkeit, die in einem späteren Kapitel noch genauer
erläutert wird, und Eindeutigkeit zu untersuchen oder in Frage zu stellen.

26
4.2. Pragmatisches Wissen und Nutzen

Das Erlernen einer Sprache liegt in der Natur vom Menschen. Phonologie,
Semantik und Syntax werden durch die Sprache festgelegt und weichen je nach
Art der Sprache voneinander ab. Die Sprache, die jeder als seine Muttersprache
bezeichnet, wird von der Umgebung und der des Menschen umkreisenden
Gesellschaft vorgegeben. Dennoch ist es wichtig die pragmatische Komponente
in Betracht zu ziehen und als eine eigenständige Fähigkeit im Sprachgebrauch
anzusehen. Deshalb wird von dem Nachrichtensender und -empfänger erwartet
eine vorhandene Nachricht situationsgemäß zu erzeugen oder zu empfangen.
Dadurch wird das soziale Umfeld miteinbezogen, welches für jeglichen
Sprachaustausch vorhanden sein muss, weil: „keine Person als isoliertes
Individuum spricht, sondern weil sie Kontakte mit anderen Personen sucht, um
mit ihnen Informationen, Meinungen, Absichten usw. auszutauschen.“ (Braunroth
et al. 1975: 202) Um diese Voraussetzungen und Vorschriften zu erfüllen verfügt
ein Individuum über eine so genannte „Metakompetenz“, die einen Sprecher
dazu befähigt, bei aktiver Kommunikation jedes Mal aufs Neue Sprache zu
erwerben, indem sie Gesprächspartner und angemessene Gesprächssituationen
dabei unterstützt. Die gegebenen Gesprächssituationen sind mitunter eine
Komponente, die dem gesprochenen Inhalt Sinn verleiht und die schon zuvor
genannten deiktischen Aspekte von Ort, Zeit und Person als soziales Muster
unterstreichen. (vgl. Braunroth et al. 1975: 203)
Nichtsdestotrotz ist das Wissen von diesen allgemeinen Regeln alleine nicht
ausreichend, um sinnvolle Sätze zu konstruieren oder richtige Gespräche zu
führen. Die Pragmatik spielt für den semantischen und syntaktischen Aspekt der
Sprache insofern eine große Rolle, dass sinngemäße Kommunikation nur dann
entsteht, wenn inhaltlich und situationsgemäß eine korrekte Verbindung und der
allgemeine Kontext hergestellt werden. Ausdrücke wie „sie geht“ oder „Das Regal
singt“ sind syntaktisch zwar korrekt, sagen aber entweder viel zu wenig aus, um
das Verständnis zu befriedigen, oder sind inhaltlich nicht akkurat, um die
semantische Komponente komplett auszufüllen. Demnach werden von Klaus
(1969) drei Ebenen genannt, die für sinnvolle und akkurate Kommunikation
zuständig sind, die syntaktische, semantische und pragmatische Ebene. Sie
werden in dieser Reihenfolge angewendet, um dir Richtigkeit einer Aussage zu

27
prüfen. Ein pragmatisch richtiger Satz, erfordert auch eine richtig angewandte
Syntax und Semantik, umgekehrt muss das jedoch nicht zwingend der Fall sein
(vgl. Klaus 1969: 35f). Dennoch haben wir als Sprecher und Hörer die Möglichkeit
inkorrekte Ausdrücke zu vervollständigen oder zu ergänzen. Durch unser
passives Wissen und den eigenen Sprachspeicher werden Aussagen von
anderen, die syntaktisch, semantisch oder pragmatisch nicht vollkommen korrekt
sind, häufig unserer Kenntnis nach angepasst. Dieser persönliche Speicher spielt
bei der Manipulation durch Sprache auch eine enorm wichtige Rolle, da viele
Manipulanten die angestrebte Sprache so anwenden, dass die Speicher einer
gezielten Gesellschaftsgruppe angesprochen werden. Dadurch werden
selbstständige Verknüpfungen gemacht und die Ziele anderer verfolgt, ohne
möglicherweise den eigenen Willen und Gedanken in Erwägung ziehen zu
können.

5. Wahrheit und Lüge

Die Begriffe und das Verständnis von Wahrheit und Lüge sind sehr wichtig
für die Auswirkungen von manipulativen Kommunikationsvorgängen. Der
Hintergrund und die Bedeutung von Wahrheit und Lüge sind ausschlaggebend
für die Analyse dieser manipulativen Absichten. Grundsätzlich ist die Wahrheit
erkenntnistheoretisch der Semantik zuzuschreiben. Dabei steht also die
Beziehung zwischen dem Objekt und den subjektiven Aussagen im Mittelpunkt.
Diese beiden Bereiche erhalten eine Verbindung, um den Wahrheitswert der
Aussage und der Realität wiedergeben zu können. „Eine Aussage ist nun wahr,
wenn eine Beziehung R [Relation] zwischen S [Sachverhalt] und A [Abbilder]
derart besteht, daß S [Sachverhalt] durch A [Abbilder] adäquat abgebildet wird.“
(Klaus 1969: 95) Das bedeutet, dass, sowohl die Abbildung der Realität, als auch
die gegebenen Fakten der Realität miteinander übereinstimmen müssen, um
eine wahre Aussage oder Situation vorfinden zu können. Klaus unterscheidet
auch grundlegend zwischen objektiver Wahrheit7 und Parteilichkeit8, da die

7 Die Wahrheit bezeichnet einen Sachverhalt, der nicht von dem Sprecher oder der Äußerung
abhängig ist. (Klaus 1969: 102)
8 Die Parteilichkeit nimmt den Standpunkt anderer mit ein. Sie repräsentiert die Beziehung

zwischen Mensch und Objekt und Mensch und Gedanke. (Klaus 1969: 103)

28
Parteilichkeit situationsabhängig ist und erkenntnistheoretisch der Pragmatik
zuzuschreiben ist. (1969: 94) Daher die Parteilichkeit aber den Nachteil hat, eine
subjektive Entscheidung miteinfließen zu lassen, entspricht sie nicht immer einer
wahren Aussage oder der objektiven Realität.
Um die Richtigkeit der Wahrheit festlegen zu können, müssen jedoch auch
menschliche Verhaltensweisen berücksichtig werden. Diese beziehen sich
hauptsächlich auf das Streben nach der Wahrheit und sind nicht mit der
eigentlichen Existenz von wahrheitsbezogenen Grundlagen gleichzusetzten.
Manchmal können aber Missverständnisse und Ungenauigkeiten auftreten, die
durch sprachliche Kompetenzen auf eine bessere oder verständlichere Weise
nicht ausgedrückt werden können. Das Verb „sein“ ist ein Wort, das zu solchen
Verwirrungen führen kann und dadurch die Wahrheit nicht immer vollkommen
ausdrücken kann. Viele Aussagen mit zum Beispiel „ist“, oder „sind“ drücken eine
Gleichstellung der Satzglieder davor und danach aus. Die Aussage „Die Wahrheit
ist gerecht“, kann zweierlei, leicht voneinander abweichende Bedeutungen
haben. Zum einen kann dies bedeuten, dass der Inhalt der ausgedrückten
Wahrheit gerecht ist, oder, dass „Wahrheit“ mit „gerecht“ gleichzusetzen ist und
deshalb immer gerecht ist. Nichtsdestotrotz muss man ebenfalls zwischen dem
Fakt des „Wahrseins“ und dem „Wahrhabenwollen“ unterscheiden. Denn auch
hierbei können Unrichtigkeiten entstehen, die einem anfangs nicht unbedingt
bewusst sind. Manchmal hängen Menschen nämlich so sehr an einer Tatsache,
dass sie die Realität nicht sehen möchten und deshalb glauben, dass der Inhalt
ihres Denkens der allgemeinen Wahrheit entspricht. Es ist also wichtig, sich an
eine objektive Wahrheit zu halten, die unabhängig vom Standpunkt und
unabhängig von der agierenden Person wahr ist. (vgl. Klaus 1969: 100f) „Wenn
wir behaupten, die Wahrheit ist objektiv, so meinen wir damit folgendes: Jeder
wahren Aussage entsprich ein Sachverhalt, der unabhängig von der Aussage
und der Person existiert, die diese Aussage formuliert.“ (Klaus 1969: 102) Wenn
man jedoch von der Erfahrung wahrheitsgemäßer Situationen und Relationen
ausgeht, dann spielt die Subjektivität eine wichtige Rolle. Um Einheiten und
Objekte aktiv wahrzunehmen, müssen sie von der persönlichen selektiven
Aufmerksamkeit aufgenommen werden. Dadurch erhalten Dinge einen Platz im
Kurzzeitgedächtnis und können weiterverarbeitet werden. Die Aktivität der

29
verbalen Ausführungen im Gehirn beeinflusst die vorselektierten Informationen
zusätzlich. (Cicourel 1975: 191)
Um auf den Begriff und die Bedeutung von „Lüge“ einzugehen, kann man
nicht einfach das Gegenteil von „Wahrheit“ annehmen. Eine Lüge liegt dann vor,
wenn eine Person etwas behauptet, wovon sie überzeugt ist, dass es unwahr ist.
Trotzdem muss man aber die Möglichkeit eines Irrtums berücksichtigen. Eine
Unwahrheit ist nicht unbedingt eine Lüge. Denn manchmal sind Menschen von
Unwahrheiten überzeugt, ohne zu wissen, dass diese falsch sind. Ein dritter
Aspekt, der oft mit einer Lüge gleichgesetzt wird, ist „Falschheit“. Dieser Begriff
ist jedoch von einer Person und der Situation nicht unbedingt abhängig, wie die
ersten beiden Begriffe. Aus diesen guten Gründen dürfen Lüge, Irrtum und
Falschheit nicht miteinander verwechselt werden. (vgl. Klaus 1969: 104)
In der Manipulation spielen diese Faktoren eine große Rolle. Was Wahrheit,
Lüge oder Irrtum ist, betrifft die komplette Menschheit in vielerlei Hinsicht. Wenn
man auf die Manipulation der Gesellschaft eingeht, sind diese Begriffe nicht so
offensichtlich, wie es jemandem scheinen mag. Frühe Philosophen schon waren
der Meinung, dass die Sprache die Wirklichkeit verhüllen würde. Lamento
Heraklit war schon der Ansicht, dass der Ausdruck der sprachlichen Verwendung
eine Beschränkung und Verfälschung des eigentlichen Gegenstandes sei.
Ebenfalls wird behauptet, dass die Nutzung der Sprache der Vernunft schaden
würde und ihr nicht behilflich sei, wie anfangs vermutet. (vgl. Heringer 1990: 40)
Nichtsdestotrotz gibt es auch Gegenstände und Objekte, die sich ohne Sprache
sehr schwer ausdrücken lassen. Dinge wie Brot, Tisch und Glas sind physisch
präsent und sichtbar und können deshalb ohne Worte dargestellt werden. Doch
wie beschreibt man Begriffe wie „Gerechtigkeit“, „Chance“ oder
„Durchhaltevermögen“? Diese Substantive können als geistige Gegenstände
bezeichnet werden, sind aber visuell nicht sichtbar und deshalb auch nur durch
Sprache darstellbar. Aus diesem Grund muss die Wirklichkeit durch mentale und
soziale Gegenstände erweitert werden. „Die Welt ist die Gesamtheit der
Tatsachen, nicht der Dinge.“ (Wittgenstein 1921: 199)
Bei der Berücksichtigung von Wahrheit und Lüge muss ebenso bedacht
werden, dass unser gesamtes Sprechen und Denken von Annahmen und
vorausgesetzten Wahrheiten bestimmt wird. Diese Einflüsse sind zunächst nicht
sichtbar, bis Unstimmigkeiten zwischen zwei Parteien, oder

30
Meinungsverschiedenheiten entstehen. Solange eine sprechende und
handelnde Person ihre Sichtweise durchsetzen kann, entsteht für sie oder ihn
eine subjektive Realität und verlangt deshalb keine weiteren Erklärungen. (vgl.
Heringer 1990: 48) Über all dem steht jedoch die Meinung von Locke. Er
behauptet, dass es nicht die Wörter sind, die zur Manipulation führen, sondern
dass es am Menschen liegt, die Sprache zur Manipulation zu missbrauchen. (vgl.
Heringer 1990: 55) Außerdem geht er davon aus, dass dieselben Worte nicht für
jede einzelne Person dasselbe bedeuten. Daneben führt die Verwendung von
Neologismen in unterschiedlichen Situationen und der metaphorische Ausdruck
zu Verwirrung und Missverständnissen. „Andererseits sind es Mängel, die mit
der fahrlässigen Verwendung sprachlicher Mittel zu tun haben, also vielleicht der
moralischen Kritik des Individuums unterliegen, weil sie auch zum Zweck der
Täuschung genutzt werden können.“ (Heringer 1990: 55)

6. Der Gebrauch von Zeichen zum Erreichen von Reaktionen

„Beim informativen Gebrauch von Zeichen versucht der Zeichenerzeuger


den Interpreten zu veranlassen, so zu handeln, als ob irgendeine gegenwärtige,
vergangene oder zukünftige Situation die und die Charakteristiken hätte.“ (Klaus
1969: 64) Demnach ist es das Ziel des Sprechers beim Hörer bestimmte
Reaktionen hervorzurufen, die ein gewünschtes Verhalten erzeugen. Dieser
Prozess besteht darin, dass eine Person durch gesendete Mitteilungen das
Denken und Urteilen der anderen Person so beeinflusst, dass diese nach dem
Willen der ersten (unwissentlich) handelt. Die Zeichen, die hierfür verwendet
werden, haben nicht in erster Linie den Sinn einen bestimmten Sachverhalt zu
übermitteln, sondern vielmehr eine Überzeugung des Gegenübers zu erreichen.
Demnach spielt der Wahrheitswehrt der Aussage, der soeben ausführlich
beschrieben wurde, keine entscheidende Rolle. „Morris schreibt, jemanden
überzeugend zu informieren, bedeute nicht notwendig, ihn auch wahrheitsgemäß
zu informieren.“ (Klaus 1969: 65) Dieser Vorgang ist eine Kreation der
Menschheit, da es auch viele Zeichen gibt, die in einer bestimmten Konstellation
keine genaue Bezeichnung haben. Trotzdem werden sie durch den vermehrten
Einsatz von Schlagwörtern, die in einem späteren Kapitel noch genauer
behandelt werden, von Menschen in der Wirklichkeit aufgenommen und

31
akzeptiert. Zeichen haben dann eine Überzeugungskraft, die durch kommerzielle
oder politische Mittel angestrebt werden, wenn der Empfänger die gleichen
Annahmen hat, wie der Sender dieser Zeichen. Diese Designatoren sind ein
entscheidender Anteil der Überzeugungskraft, der eine Machtgewinnung
ermöglicht. (vgl. Klaus 1969)
Morris hat aber auch das Phänomen der Überredungskraft untersucht. Diese
nennt er Preskriptoren, die die Aufgabe haben durch erzeugte Zeichen die
Reaktion einer Person konkret zu bestimmten. Dabei ist es wichtig die Antworten
und deren Folge auf eine bestimmte Gruppe des gesellschaftlichen Systems
anzupassen. Dabei wird das Verhalten des Gegenübers durch die Verwendung
von Zeichen in bestimmte Richtungen gelenkt, um seine persönlichen Interessen
zu verfolgen. Im Gegensatz zu den Designatoren, die die Zuhörer durch
Informationen in eine Richtung lenken, haben Preskriptoren ihre Wirkung in einer
gezielten Ausführung andere zu lenken. Diese Arten von Sprachgebrauch haben
also Einfluss auf die Empfänger einer Nachricht, Handlungen durchzuführen, die
nicht unbedingt ihren eigenen Interessen entsprechen müssen. Dennoch kann
die Verwendung dieser Applikationen auch eine rückkoppelnde Wirkung haben:

Wer ständig versucht, durch Lügen andere zu bestimmen, für sich selbst
vorteilhaften, für den anderen aber schädlichen Verhaltensweisen zu
überreden, kann schließlich selbst ein Opfer dieser Lügen werden und in die
Gefahr geraten, diese Lügen zu glauben und sein eigenes Verhalten nach
ihnen einzurichten. (Klaus. Die Macht des Wortes: 69)

Trotz alldem sind verbale Zeichenäußerungen nicht die einzige Möglichkeit


seiner Überredungskraft gerecht zu werden. Nonverbale, körperliche und
mimische Unterzeichnung der Sprache können denselben Effekt auf den Zuhörer
haben.

32
7. Sprechakttheorien

Die Sprechakttheorie wurde von viele Philosophen und Linguisten genauer


untersucht um die Bedeutung mit dem Zusammenhang zum Gegenstand
genauer analysieren zu können. Grundsätzlich wird behauptet, dass die
Bedeutung eines Satzes mit dem Wahrheitswert identisch ist. Eine Aussage ist
entweder wahr oder falsch und kann somit auch einen Bezug zu Wahrheit und
Lüge herstellen. Wittgenstein hat in seinem Tractatus behauptet, dass aufgrund
dieser Annahmen nur wissenschaftliche Aussagen korrekt getroffen werden
können. Man dürfe ansonsten über keine anderen Bereiche Urteile fällen und
Aussagen äußern, ohne in Gefahr zu kommen, die Unwahrheit sprechen zu
können. Die Wirklichkeit und linguistische Äußerungsmethoden werden durch
das menschliche Bewusstsein widergespiegelt und können in sprachlicher Form
nicht vollkommen objektiv angenommen werden. Eine unbewusste
Eigeninterpretation fließt mit ein und verzerrt das Wahrheits- und Realitätsbild auf
unabsichtliche Weise. (vgl. Braunroth et al. 1975: 137) Um diese Behauptungen
bewahrheiten zu können, wurden nur Aussagesätze in Betracht genommen. J. L.
Austin hat andere Arten von Sätzen untersucht, um die Bedeutung dieser
beschreiben zu können und vom alleinigen Wahrheitswert abweichen zu können.
Nichtsdestotrotz hat Austin sich auch auf vielseitige Aussagesätze bezogen, um
deren unterschiedliche pragmatische Ansätze zu zeigen. Ein Satz muss nicht
wahr oder falsch sein, um eine konkrete Bedeutung aufweisen zu können.
Dadurch entstanden die unterschiedlichen Sprechakte, die eine Analyse des
Gesagten vorweisen. Wenn ein Aussagesatz ein Handeln beschreibt, dann
müssen diese nicht unbedingt als wahr oder falsch eingestuft werden.
Äußerungen wie „Ich taufe dieses Schiff auf den Namen ‘Queen Elizabeth’” sind
vorgesetzte Handlungen, die eine Intention und ein Vorhaben beschreiben aber
keinen grundsätzlichen Wahrheitswert enthalten müssen. Dem
gegenübergestellt nennt Austin die Sätze, die solch einen Wahrheitswert
enthalten konstative Sätze. (vgl. Braunroth et al. 1975: 138)
Zusätzlich muss erwähnt werden, dass der Wahrheitswert eines Satzes nicht
immer so einfach bestimmt werden kann. Bei Sätzen, die pronominale und
deiktische Wörter besitzen, ist der Inhalt der Aussage nicht immer von
vorneherein klar. Diese beziehen sich nämlich auf bestimmte Personen und

33
Situationen, die nur zu gewissen Zeitpunkten und auf gewisse Orte zutreffen. Um
allgemeine Äußerungen von intentionierten Handlungen unterscheiden zu
können, unterscheidet Austin performative von konstativen Sprechakten. Der
Begriff „Sprechakt“ könnte einen jedoch in die Irre führen, da die performativen
Sprechakte, nicht unbedingt gesprochen werden müssen, sondern auch durch
reines Handeln zum Ausdruck kommen können. Demnach kann man ein
Vorhaben sprachlich ausdrücken, oder durch spezifisches Handeln zeigen.
Manchmal jedoch lassen sich performative Sprechakte von konstativen nicht
immer so einfach unterscheiden. Deshalb ist die Bedeutung und Intention des
Gesagten oder Gemachten oft nur durch zusätzliche Indikatoren möglich.
Außerdem sind diese Sprechakte nur dann erfolgreich, wenn sie ihren Zweck
erfüllen und situationsgemäß verwendet werden (vgl. Braunroth et al. 140ff)
Da diese Äußerungen an die bewussten und unbewussten Meinungen und
Handlungen von Menschen geknüpft sind, wird dadurch auch die Sozialität
geprägt. Die Interaktion von Menschen untereinander wir in speziellen Kontexten
beeinflusst und formt auf diese Weise die Konstellation von Gesellschaften und
Denkweisen. Die Umgebung und dessen Zusammensetzung bestärkt dadurch
das persönliche Bewusstsein und prägt die vorhandene Sprache im weiteren
Sinne. Die gesellschaftliche Struktur wird von mehreren Einzelstrukturen der
Sprache geformt, die durch das subjektive Handeln aus dem eigenen
Bewusstsein heraus verstärkt werden. Die sprachliche Nutzung unterstreicht die
soziale Rolle einer Person und macht das Individuum zum Teil einer Gesellschaft
(vgl. Müller 2011: 4) Aufgrund dessen ist die Möglichkeit eine Gruppe von
Menschen zu manipulieren einfacher, da sie ein gemeinsames Gebilde der
Gesellschaft bilden und dadurch gleiche Normen und Ansichten teilen. Es steht
fest, dass jeder eine konstative Aussage treffen kann, diese aber erst dann in
einen performativen Sprechakt gewandelt wird, wenn dieser seine Handlung
erfüllt. Ebenso ist offensichtlich, dass eine Manipulation durch Sprache nur dann
erfolgreich ist, wenn sie eine Wirkung auf die Zielgruppe oder -person hat und zu
einem performativen Akt führt. Demnach können beispielsweise Politiker ihre
Reden halten und manipulative Ansätze verfolgen, dennoch erzielen sie erst
dann eine Wirkung damit, wenn eine Gruppe von Menschen ihr Vorhaben
annehmen und unterstützten. Zusätzlich ist offensichtlich, dass nicht nur die
Reaktionen der Gesellschaft einen Einfluss auf jeden Einzelnen haben, sondern

34
auch die Handlungen der Menschen entscheidend sind, die gewisse
Versprechen machen und dadurch den Prozess der Beeinflussung beginnen.
„Das Ziel der Äußerungen, welcher Art sie auch sein mögen, ist ihr Gelingen.
Dazu gehört, dass die Intention des Senders erhalten bleibt und dem Empfänger
unverändert übertragen wird.“ (Müller 2011: 7) Außerdem ist der Großteil an
Sprechakten an bestimmte Vereinbarungen geknüpft, die nicht gehindert werden
dürfen, um den Erfolg zu gewährleisten.

7.1. Lokutionärer Akt

Der Akt des Sprechens und die bisher genannten Sprechakte werden dem
lokutionären Akt zugeschrieben. Er ist für die Analyse der Sprechakttheorie und
die Bedeutung gegebener Aussagen nicht grundlegend wichtig, entscheidet aber
über den grammatikalischen und phonetischen Zusammenhang der Wörter und
Sätze. Der lokutionäre Akt besteht aus einem phonetischen, phatischen und
rhetischen Akt, die für die Kommunikation grundlegend sind. Dennoch ist er
immer Teil des illokutionären Aktes, der anschließend noch genauer erarbeitet
wird. Der phonetische Akt bezieht sich auf die Geräusche und Laute, die von
einem Sprecher erzeugt werden. Der phatische Akt handelt von den
Grundvoraussetzungen, dass Morpheme, also Wörter, vorhanden sind, die auch
im Kontext die korrekte Bedeutung repräsentieren müssen. Der rhetische Akt ist
entscheidend um einen Satz oder eine Aussage zu treffen, um über einen
bestimmten Gegenstand oder eine Situation zu sprechen. (vgl. Braunroth et al.
1975: 143)

7.2. Illokutionärer Akt

Dieser zweite Sprechakt ist wesentlich wichtiger für die Erarbeitung und
Beschreibung der sprachlichen Bedeutung einer Aussage. Sowohl der
Wahrheitswert, als auch die Intention, die sich hinter einer Aussage verbergen,
sind in diesem Sprachakt von Bedeutung. Um den lokutionären Akt von einem
illokutionären Akt zu unterscheiden, ist es notwendig zu bestimmen, welche
Handlung der Sprecher durch seine oder ihre Äußerung erzielt. Aufgrund dessen
lässt sich feststellen, dass der illokutionäre Akt eine Intention und daraufhin eine
35
Handlung hervorruft. Welche Intention hat die Aussage? Wird der Satz dazu
verwendet, um zu warnen, etwas vorauszusagen, eine Feststellung zu treffen
oder etwas zu erfragen? Die Beantwortung dieser beiden Fragen konzentriert
sich auf den Verwendungszweck einer Äußerung, der ausschlaggebend ist, um
diesen Sprechakt genauer analysieren zu können. Jeder Mensch, der sich einer
Sprache bedienen kann, besitzt einen enormen Bestand an illokutionären Akten,
die in Verwendung gebracht werden können, um die Bedeutung und den Zweck
einer Äußerung näher zu bringen. Die Auswahl die ein Sprecher trifft, um sich
auszudrücken, kann keinesfalls willkürlich sein, da immer
Handlungsbedingungen vorhanden sind, die die gegebene Handlung
hervorrufen. (vgl. Hindelang 2010: 9)

7.2.1. Sprechaktverben im illokutionären Akt

Um Sprechaktverben9 von anderen Verben unterscheiden zu können,


müssen zunächst die unterschiedlichen Formen von performativen Sätzen
berücksichtigt werden. Der performative sprechhandlungsbezeichnende
Ausdruck (SB-Ausdruck) muss innerhalb des gleichen Satzes vorkommen, um
eine performative Äußerung machen zu können. „Syntaktisch sind performative
Sätze, […], aus einem übergeordneten Satz (Matrixsatz) mit einem einbetteten
Satz (Konstituentensatz) aufgebaut. Im übergeordneten Satz steht der
performative SB-Ausdruck. Der eingebettete Nebensatz erhält den
propositionalen Gehalt der Äußerung.“ (Hindelang 2010: 27) Abhängig davon, ob
ein Satz mit einem Modalverb oder ohne gebildet wird und um welche Art von
Satz es sich handelt, nimmt das dominierende Verb eine andere Stelle im Satz
ein.

9 Verben die eine Handlung oder Intention mit sich bringen oder hervorrufen

36
(Hindelang. Einführung in die Sprechakttheorie. 2010: 28)

Diese Abbildung zeigt, wie die syntaktische Aufstellung eines performativen


Satzes sein muss, um eine Handlung einem sprechhandlungsbezogenen
Ausdruck zuschreiben zu können. In dieser Form von performativen Sätzen wird
die Absicht und der Verwendungszweck des Gesagten schon im ersten Teil der
Äußerung indiziert. Des Weiteren gibt es auch eine so genannte explizit-
performative Handlung. Dabei handelt es sich vorwiegend um Reaktionen auf
das Gesagte des Gegenübers. Das bedeutet, dass es immer zwei Parteien
geben muss, die in einem Gespräch zueinander und aufeinander reagieren. „Es
handelt sich dabei hauptsächlich um zustimmende oder ablehnende Reaktionen
des Sprechers Sp1 auf die unmittelbar zuvor gemachte Äußerung eines
Gesprächspartners Sp2.“ (Hindelang 2010: 30) Durch die Nutzung von
unterschiedlichen Pronomen und somit eines deiktischen Ansatzes entsteht ein
Rückbezug auf die Äußerungen des Gesprächspartners.
Nichtsdestotrotz, wenn man über Verben spricht, die für die Sprechakttheorie
von Bedeutung sind, müssen die Unterschiede zwischen Indikativen und
Konjunktiven ebenfalls in Betracht gezogen werden, da sie eine große Wirkung
für das Verständnis einer Mitteilung mit sich bringen. Hauptsächlich entstehen
Probleme, bei der Verwendung von indirekten Reden, die etwas Gesagtes aus
der Sicht einer anderen Person wiedergeben. Bezieht man sich auf die Aussage
„Peter sagte, dass er traurig ist/sei.“, dann kann man beide Formen von „sein“

37
verwenden, ohne einen groben Unterschied in der Bedeutung des Satzes zu
erkennen. Bei der Aussage „Peter war sehr traurig. Er sprach von seinem
Liebeskummer. Er sei auch gesundheitlich völlig am Ende“ jedoch kann man statt
„sei“ nicht die konjugierte Form „ist“ verwenden, da diese Veränderung einen
Unterschied der Bedeutung des Inhalts hervorruft. Der Konjunktiv indiziert, dass
die Aussage ursprünglich von Peter getroffen wurde, der Indikativ jedoch
signalisiert eine mögliche Äußerung des aktuellen Sprechers. (vgl. Hindelang
2010: 33)

7.3. Perlokutionärer Akt

Der perlokutionäre Sprechakt ist weniger eindeutig auf den ersten Blick. Doch
geht man etwas tiefer in den Hintergrund und die Wirkung auf eine Äußerung ein,
wird dieser wesentlich sichtbarer. Jemanden zu beleidigen oder zu beschimpfen
wird dieser Kategorie zugeordnet, da es hauptsächlich um die Wirkung auf den
Empfänger der Nachricht geht. Dieser Sprechakt bezieht sich nicht auf eine
performative Reaktion, kann aber ebenfalls ausdrücken, was durch das
Sprechen erzielt werden soll. Eine Aussage kann gewissen Umständen nach
wahr sein und verstanden werden, auf welche Weise aber der Empfänger das
Ausgedrückte aufnimmt und darauf reagiert, ist dem perlokutionären Akt
zuzuschreiben. Trotzdem muss man unterscheiden, ob der Sprecher das
Resultat und die Wirkung auf den Empfänger absichtlich erzielt hat oder, ob er
oder sie dies zufällig erreicht hat. Dadurch kann zwischen zwei grundlegenden
Ergebnissen unterschieden werden. Zum einen kann es ein Ergebnis geben,
dass noch mit der Handlung selbst in Verbindung gebracht wird und zum anderen
kann es eine Auswirkung geben, die sich auf die Folgen darauf bezieht. (vgl.
Braunroth et al. 1975: 146) „Wenn Sp1 also gegenüber Sp2 eine Drohung
ausspricht, und Sp2 daraufhin eingeschüchtert ist, so kann man diese Wirkung
als den perlokutionären Effekt des illokutionären Aktes der Drohung ansehen.“
(Hindelang 2010: 11) Bisher waren nur die verbalen Äußerungen wichtig, um
einen lokutionären, illokutionären oder perlokutionären Akt beschreiben zu
können. Dennoch kann aber ein perlokutionärer Akt auch durch nonverbale
Kommunikation hervorgerufen werden und eine gewisse Wirkung beim
Gegenüber erzielen. Gesten, Mimik und Körpersprache können einen ähnlichen

38
Effekt wie gesprochene Aussagen haben. Wie schon erwähnt, gibt es bestimmte
Verben, die einen illokutionären Akt herbeiführen. Es gibt aber auch einige
Verben, die einen perlokutionären Akt verursachen, wie zum Beispiel
„verunsichern“, „trösten“ und „überzeugen“ (vgl. Hindelang 2010: 13) Trotzdem
gibt es Aussagen, die sowohl eine illokutionäre Handlung als auch eine
perlokutionäre Reaktion beinhalten können. Wenn man jemandem versichert und
ihn oder sie überzeugen will, dass man in naher Zukunft an einem bestimmten
Ort sein wird, dann liegt das Ergebnis der Überzeugung schlussendlich beim
Hörer der Nachricht. Es wird dadurch also etwas ausgedrückt, das eine Handlung
angezeigt, das sich auf den illokutionären Akt bezieht, die Wirkung auf den
Gesprächspartner liegt jedoch im perlokutionären Effekt. (vgl. Braunroth et al.
1975: 148)

7.4. Beitrag von J. R. Searle zur Sprechakttheorie

John R. Searle war ein Schüler von Austin und hat sich mit der
Sprechakttheorie auf semantischer Ebene befasst. „Searles Grundthese lautet,
daß das Sprechen eine ‘regelgeleitete Form des Verhaltens’ […] darstellt. […],
denn unter Regel versteht er keineswegs ein ‚stimulus-response-Schema‘ und
unter ‚Verhalten‘ versteht er ‚intentionales Verhalten‘. (Braunroth et al. 1975: 169)
Dieser Ansatz hängt grundsätzlich vom Wissen der aktiven Personen ab, dieses
muss aber das sprachliche Verhalten vom gesamten kommunikativen Verhalten
strikt trennen. Um die Handlungen der Sprecher und deren Absichten erläutern
zu können, hat Searle sich vorwiegend auf die illokutionären Akte festgelegt. Auf
diese Weise wollte er herausfinden, durch welche Regeln eine Satzbedeutung
die Reaktion und eine Handlung hervorruft. (1975: 170) Um dieses Ziel zu
erreichen hat er zwischen regulativen und konstitutiven Regeln unterschieden.
Erstere sind Regeln, die durch Normen und von der Gesellschaft festgelegt
werden und von einzelnen Personen in persönlichen Situationen und durch
eigene Handlungen befolgt werden. Diese Vorschriften bestimmen das geregelte
Zusammenleben von Menschen und helfen der Gesellschaft Richtlinien als
Lebensleiter zu befolgen. Konstitutive Regeln hingegen sind Bestimmungen, die
Verhaltensweisen kreieren, indem sie Regeln einführen. Brettspiele und
Sportarten, die einen Konkurrenzkampf mit sich bringen, sind alltägliche

39
Beispiele für solche Richtlinien. Dadurch kommt es dazu, dass
Kommunikationspartner ihr Verhalten in bestimmten Sprechsituationen
entwickeln und dieses auf ähnliche andere Situationen wieder anwenden. Dieser
Prozess hat zur Folge, dass Vorurteile entstehen können und sich die Meinung
und Reaktion einer Person auf das Minimalste beschränkt. Natürlich gibt es nach
dieser Searle’schen Auffassung aber auch eine positive Ansichtsweise.
Gesellschaftliche und institutionelle Tatsachen können von natürlichen
unterschieden werden. Das bedeutet, dass Fakten, die nach ihrer
wissenschaftlichen Richtigkeit begründet werden, durch Beobachtung
empiristisch beschrieben werden können. Entstandene und kreierte Prozeduren
jedoch, die von der Gesellschaft geschöpft wurden, haben einen eigenen
Gegenstandsbereich in der Sprachwissenschaft10. Für Searle ist
ausschlaggebend, dass die Absichten des Sprechers eine große Rolle spielen,
um eine gewünschte Handlung zu erzielen. (vgl. Braunroth et al. 1975: 170ff)

7.5. Der Einfluss der Sprechakte in Entscheidung und


Handlung

Da sich die Sprechakttheorie auf die Handlungen, Absichten und Wirkungen


von Äußerungen bezieht, ist sie sehr wichtig für die weitere Analyse der
Manipulation, die durch Sprache erfolgt. Obwohl der Charakter der menschlichen
Tätigkeit darin besteht, durch den Einsatz von sozialen Mitteln bestimmte Zwecke
zu erreichen, muss Wahrheit von Lüge und Aufrichtigkeit von Manipulation
unterschieden werden. Diese klaren Gegensätze als Begriffe sind in der Realität
jedoch nicht immer eindeutig voneinander unterscheidbar. Des Weiteren wird in
der Kommunikationsstrategie der Sprechaktthesen hervorgehoben, dass
getätigte Handlungen zu einer Verinnerlichung des Gemachten führen. Das
bedeutet, dass diese Handlungen die Gedanken einer Person beeinflussen und
diese dementsprechend weitere ähnliche Handlungen hervorrufen können. (vgl.
Braunroth et al. 1975: 278)

10Siehe auch: Searle, John (2001). Geist, Sprache und Gesellschaft: Philosophie in der
wirklichen Welt. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

40
Wie unter 5.3 erklärt wurde, ist der perlokutionäre Akt der Bereich, der die
Wirkung auf den Hörer verursacht. Beim Thema der manipulativen
Kommunikation ist deshalb zu beachten, dass gewisse Reaktionen von
Menschen entweder intuitiv oder zufällig vom Sprecher herbeigeführt werden.
Normen und Regeln, die, wie schon erwähnt, bei der Searle’schen
Sprechakttheorie wesentlich sind, können eine manipulative Wirkung haben,
ohne es als primäre Absicht zu haben. „Es leuchtet ein, daß Menschen durch
solche Regelungen und Normierungen in ihrem Verhalten beeinflußt sind. Nun
sind Normen zwar notwendig zum Zusammenleben, aber die Art der Normen und
deren Inhalt sind relativ zufällig und willkürlich.“ (Prost 1990: 73) Aufgrund dessen
leben und verhalten sich Menschen in ihrer Gesellschaft grundlegend nach dem
Aufbau und Vorhandensein eines manipulativen Gerüsts, ohne sich dessen
bewusst zu sein. Manipulanten setzten ihre Sprache gezielt ein, indem sie sowohl
illokutionäre, als auch perlokutionäre Effekte beabsichtigen, um ihre Ziele zu
erreichen. Der performative Ansatz wird also durch verbale Äußerungen von
ihnen getätigt, um andere Reaktionen zu triggern. Dieser Prozess hat die
Möglichkeit eine Kettenreaktion auszulösen, da die Wirkung einer Aussage zu
einer bestimmten Handlung führt und diese bestimmte Handlung wiederum zu
einer davon abhängigen Äußerung kommen kann. Diese Vorgehensweise kann
dann unter Umständen eine Verinnerlichung von zuvor nicht dagewesenen Denk-
und Sichtweisen erzeugen.

7.6. Machtverstärkung durch Implikaturen

Bestimmte Implikaturen11 haben die Fähigkeit mehrere Informationen zu


vermitteln. Diese Phänomene lassen sich am besten durch Beispiele erklären.
Wenn ein Schlittschuhläufer zu einer anderen sagt: „Das Eis dort ist sehr dünn.“,
dann hat diese Äußerung mehrere Wirkungen auf den Empfänger der Nachricht.
(vgl. Braunroth et al. 1975: 181) Zum einen ist es eine Aussage die einfach
besagt, dass das Eis an einer bestimmten Stelle dünn ist. Zum anderen enthält
diese Äußerung auch eine Warnung an den Gesprächspartner. Grice hat sich mit

11Implikaturen sind die Bedeutungen von Äußerungen, die nur angedeutet und nicht direkt
ausgesprochen werden. Dadurch ermöglichen es Implikaturen mehr zu kommunizieren als die
wortwörtliche Äußerung darstellt.

41
diesen Implikaturen beschäftigt und vertritt die Meinung, dass jegliche
Äußerungen des Behauptens sich nicht eindeutig von denen des Bemerkens
oder einer allgemeinen Aussage abgrenzen lassen. Obwohl in unserem Beispiel
der eine Schlittschuhläufer den anderen nicht über die Dicke des Eises gefragt
hat, ist die hier genannte Äußerung für den Hörer relevant. Die Relevanz eines
Satzes besteht nur dann, wenn es einen Grund gibt, der für den Zuhörer von
Bedeutung sein könnte. (vgl. Braunroth et al. 1975) Implikates Sprechen ist
verdecktes Sprechen, das durch die Anreihung und aus dem Kontext verstanden
wird. Braunroth et al bieten in ihrem Werk Ansätze und Aufgaben der
linguistischen Pragmatik einen aufschlussreichen Dialog, um das zu
veranschaulichen:
A: „Kannst du überhaupt Schlittschuh laufen?“
B: „Klar kann ich das. Heute morgen haben wir dort hinten Eishockey
gespielt.“
A: „Das Eis dort ist sehr dünn.“
B: „Willst du damit etwa behaupten, daß ich lüge?“
(Braunroth et al. 1975: 183)

Die Aussage von B, dass er/sie an einem gewissen Ort Eishockey gespielt
hat und die Antwort von A, dass das Eis an dieser Stelle sehr dünn sei, zeigt,
dass A Schwierigkeiten hat, B zu glauben, dass das Eishockeyspielen an dieser
Stelle möglich sei, da die Möglichkeit besteht, dass das Eis einbrechen könnte.
Die Schlussreaktion hier von B zeigt diese Annahme, da er/sie sich
möglicherweise angegriffen fühlt und eine Lüge ausschließt. In keinem dieser
Sätze wird ausdrücklich behauptet, dass A dem Gegenüber B nicht glaubt.
Ebenso wird nicht ausdrücklich gesagt, dass A behauptet B würde lügen.
Dennoch bietet dieser Dialog eine klare Konversation zwischen zwei Parteien.
Trotz alldem gibt es weitere Faktoren, die eine Klarstellung dieser Situation
erlauben. Die Identität von A und B hier ist für die genauere Analyse dieses
Redewechsels notwendig. Welche die genauen Hintergründe und Absichten der
beiden Sprecher sind, ist aus diesem kurzen Gespräch nicht ersichtlich. „Viele
Alltagsgespräche lassen sich tatsächlich fast lückenlos durch die Verwendung
konventioneller Formeln, Stereotype, Topoi usw. beschreiben.“ (Braunroth et al.
1975: 184) Dennoch muss man alle Faktoren, die eine Situation und das darin

42
entstehende Gespräch ausmachen, in Betracht ziehen, um Absichten und Ziele
erkennen zu können.
Diese Implikaturen sind in der Politik ebenfalls sehr präsent. Wenn ein
Politiker sagt, dass die Flüchtlingskrise eine negative Auswirkung auf das Land
hat, dann ist damit implizit gemeint, dass es eine Änderung geben muss und man
sich mit diesem Thema genauer auseinandersetzten muss. Demnach verlangt
der Redner hier, dass die Situation, wie sie zu diesem Zeitpunkt besteht, nicht so
belassen werden kann. Auch wenn dies nicht explizit ausgedrückt wurde,
versteht man aus dem Kontext heraus, welche Intentionen eine Aussage mit sich
bringt. Diese indirekten Implikaturen haben den Vorteil Objekte oder Personen
nicht direkt zu benennen oder zu kritisieren, indem sie nicht direkt angesprochen
werden. Demnach können Politiker auf diese Weise ihre Meinung vertreten,
haben aber bei einer Konfrontation immer noch die Möglichkeit sich aus der
Affäre zu ziehen.

7.7. Analyse des politischen und persuasiven Diskurses

Obwohl sich der Diskurs grundsätzlich auf gesprochene Vorträge bezieht,


werden hier zunächst die Schriften überzeugungs- und überredungsfähiger Texte
analysiert. Dabei geht es darum, dass Niederschriften, die von der Gesellschaft
und einer Nation festgelegt werden, so akzeptiert werden, dass keine
Überschreitungen dieser ungestraft behandelt werden. Schriften wie die
Unabhängigkeitserklärung der USA und der Gesellschaftsvertrag von Rousseau
sind Beispiele für solche Festlegungen. (vgl. Morris 1973: 240) Diesen
Ergebnissen zufolge ist es das Ziel der Verfasser eine Zustimmung der
Gesellschaft zu erlangen. Grundsätzlich ist es die Absicht der Redner, oder in
diesem Fall der Verfasser, dass eine neue Situation der Gesellschaft konstituiert
wird.

Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung enthält Äußerungen, die


einerseits deskriptiv und andererseits präskriptiv agieren können. „Ein Satz wie
etwa der: ‘Alle Mensen sind gleich’, hat zwar die zuerst genannte Form, meint
aber: ‚Behandle alle Menschen als gleich!“ (Klaus 1969: 89) Durch die in 7.6
erläuterten Implikaturen können Sätze wie diese ebenfalls gedeutet werden.

43
Obwohl der genannte Satz nicht direkt aussagt, andere Menschen als gleich zu
behandeln, ist die indirekte Bedeutung dahinter offensichtlich gegeben. Auch
diese Sätze in der Unabhängigkeitserklärung sind Beispiele, um einer neuen
besseren Gesellschaft entgegenzutreten. Der Sprachgebrauch im politischen
Diskurs ist von der Überzeugungskunst und der angesprochenen Zielgruppe
abhängig. Tagtäglich erwerben Menschen neues Wissen und lernen auf
unterschiedliche Weise Neues dazu. (vgl. Morris 1973: 241) Außerdem
verändern sich soziale Ziele, die sich durch die laufende Zeit und die ständig
wachsenden und veränderbaren sozialen Umstände beeinträchtigen lassen. Das
bedeutet, dass Menschen und Redner zu unterschiedlichen Zeitpunkten
verschiedene soziale Ziele als wichtig und sinnvoll ansehen. Aufgrund dessen
besteht die Möglichkeit, dass der politische Diskurs aus früheren Reden und
Aufforderungen seine Wirkung verliert. Dadurch können Differenzen zwischen
den Vertretern des früheren und den Vertretern des neuen Diskurses entstehen.
(vgl. Morris 1973: 241) Diese Erkenntnisse sind vor allem in der politischen
Situation der USA zu bemerken. Barack Obama hat mit seinen Anhängern des
Kongresses eine Gesundheitsversicherung „Affordable Care Act“ eingeführt, die
nun von Donald Trump, als neuen Präsidenten abgesetzt oder verändert werden
soll. Diese Positionsveränderungen und somit die Veränderungen der sozialen
Ziele haben einen Einfluss auf die amerikanische Gesellschaft und führen zu
Streitigkeiten zwischen den demokratischen und republikanischen Anhängern.

Der propagandistische Diskurs hat eine ähnliche Wirkung und Bedeutung. In


diesem Diskurs werden Menschen dazu aufgefordert sich anderen zu
widersetzten oder bestimmte Handlungen durzuführen. Es geht dabei nicht direkt
darum, Situationen hervorzurufen, die eine Änderung bewirken könnten, sondern
eher um die explizite Aufforderung etwas zu tun. Dabei steht im Vordergrund,
dass Verbindungen von Präskriptionen im Diskurs selbst präskriptiv sind. (vgl.
Morris 1973: 245) Der Prozess der Persuasion besagt in dieser Theorie also,
dass die gängigen Äußerungen präskriptive Merkmale beibehalten, um ein
beabsichtigtes Ziel zu erreichen. Dieser Diskurs verwendet, um seine Wirkung zu
erzielen oft die Sprache der Dichtung, der Moralität und Kritik, die in späteren
Kapiteln noch genauer erläutert werden (vgl. Morris 1973: 245)

44
8. Kommunikationsmodelle

Kommunikation ist aus genannten Gründen, weder aus unserem Alltag, noch
aus zweckorientierten Gründen nicht wegzudenken. Wir benutzen sie in
verschiedensten Situationen, um unterschiedliche Dinge damit auszudrücken.
Zum einen ist Sprache notwendig, um ein allgemeines Gespräch zwischen zwei
Parteien zu führen, oder um Informationen an andere weiterleiten zu können.
Dennoch muss dem Sprecher bewusst sein, dass Kommunikation nicht immer
erfolgreich übermittelt werden muss. Nicht alle Menschen haben dieselbe
Fähigkeit zu kommunizieren und appropriierte Nachrichten zu senden. Die
kommunikative Kompetenz unterstützt eine Person dabei, sich sinngemäß
auszudrücken, ohne in die Kommunikationssphäre des anderen einzudringen.
Demnach ist die kommunikative Kompetenz eine Subkategorie der sozialen
Kompetenz. (vgl. Röhner, Schütz 2016: 6f) Diese beiden Arten der Kompetenz
unterstützen eine Person beim Umgang mit anderen Menschen und der
Selbstreflexion in der Gesellschaft. Zum anderen spielen äußere Einflussfaktoren
ebenfalls eine große Rolle, die die Kommunikation beeinflussen können.
Das Verhalten während des Aktes der Kommunikation hat eine Wirkung auf
den Sender und Empfänger einer Nachricht. Ebenso wie bei der
Sprechakttheorie ist hier auch die Wechselwirkung zwischen den
Gesprächspartnern für die Nachrichtenübermittlung relevant. Zusätzlich jedoch
sendet jeder Sprecher persönliche Merkmale an den Empfänger, die sowohl
bewusst, als auch unbewusst vermittelt werden. Die Nachricht, die der
Empfänger erhält, wird durch diese Merkmale beeinflusst, welche die
ursprüngliche Nachricht verändern können. (vgl. Röhner, Schütz 2016: 11)
Um die Kommunikation anzukurbeln und die persönlichen Interessen
manipulativ durchsetzen zu können, haben Sender viele Möglichkeiten, den
Empfänger der Nachricht zu manipulieren. Beispielsweise überzeugen Personen
andere, indem sie kostenlose Proben eines Produkts anbieten, anfangs andere
in ihr Gespräch einwickeln, um ihnen eine negative Meinung später zu
erschweren, oder die soziale Mehrheit als Vorwand mit einbinden. Gewisse
Charaktereigenschaften und persönlichen Fähigkeiten können aber ebenfalls
einen Einfluss auf die Empfänger haben. Sympathische Personen werden eher
beachtet und sind erfolgreicher als unsympathische. Demnach spielt ein zu

45
verkaufendes Produkt eine kleinere Rolle, als das Auftreten des Verkäufers
selbst. Diese These trifft sowohl in der Markpsychologie, als auch in der Politik in
den Vordergrund. Bei dem hier erwähnten „Produkt“ muss es sich nicht unbedingt
um einen physischen Gegenstand handeln, sondern kann auch ein Versprechen
oder eine vermittelte Theorie sein. (vgl. Röhner, Schütz 2016: 12) Diese Faktoren
sind eine grundsätzliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Zielführung des
Sprechers. Dennoch sind die Umstände, der Zeitpunkt und die Situation ebenfalls
entscheidend, um eine erfolgreiche Manipulation erreichen zu können.
Kommunikation kann genauer analysiert werden, indem man mehrere
Ebenen, Perspektiven und Ansätze in Betracht nimmt. Kommunikationsmodelle
dienen dazu, zu verstehen warum gewisse Gespräche erfolgreich von statten
gehen und andere Missverständnisse und Unklarheiten nach sich ziehen. Kraus
und Fussel haben 1996 vier Gruppen von psychologischen
Kommunikationsmodellen entwickelt und diese als wichtigste Überbegriffe der
existierenden Modelle bezeichnet. Es gibt Encoder-/Decodermodelle,
Intentionsorientierte Modelle, Perspektivenübernahmemodelle und
Dialogmodelle, die als Grundkategorien dienen. (Kraus, Fussell. Social
Psychological Models of Interpersonal Communication. 1996) Grundsätzlich geht
es in allen vier Modellen um die Beantwortung der Frage, wie Kommunikation am
besten gelingen kann. Viele Psychologen und Philosophen beschäftigen sich mit
unterschiedlichsten Modellen, die sie entwickelt haben, um Kommunikation zu
analysieren, erfolgreiche Wege des Gesprächs zu finden und Missverständnisse
zu vermeiden.

8.1. Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun

Das Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun basiert auf der Grundlage
der Encoder-/ Decodermodelle und beschreibt verschiedene Ebenen der
Kommunikation, auf denen eine Nachricht versendet wird. Dieses Modell enthält
vier grundlegende Ebenen: Sachinhalt, Apell, Beziehung und Selbstkundgabe,
nach denen jede Nachricht gedeutet werden kann und ausgedrückt wird.
Gemeinsam bilden diese vier Ebenen ein so genanntes

46
Kommunikationsquadrat12. Jede Äußerung, die ein Sender macht, wird auf
diesen vier Ebenen kommuniziert, genauso wie jede Äußerung vom Empfänger
auf denselben vier Ebenen empfangen wird. Dennoch besteht des Öfteren die
Möglichkeit durch einen Ausdruck eine dieser vier Ebenen stärker zu betonen.
Beispielsweise bezieht sich die Aussage „Mir gefällt dieses Hemd
außerordentlich!“ hauptsächlich auf die Ebene der Selbstkundgabe. Trotzdem
muss beachtet werden, dass die Ebene, die vom Sender betont wird, nicht
gezwungenermaßen dieselbe sein muss, die der Empfänger primär aufnimmt.
(vgl. Plate 2015: 59) Demnach ist festzustellen, dass Kommunikation immer von
beiden Gesprächsparteien beeinträchtigt wird, da beide Parteien eine

Eigeninterpretation mitbringen. Darüber hinaus ignoriert Schulz von Thun


keinesfalls zusätzliche Aspekte, die in der Kommunikation einen Einfluss haben,
wie Mimik, Gestik, Tonfall, Stimmung oder den Kontext einer Situation.

Modell der Kommunikation nach Schulz von Thun. 2000


(Röhner, Schütz. Psychologie der Kommunikation. 2016)

Wenn man die Sachebene etwas genauer unter die Lupe nimmt, dann wird
einem schnell bewusst, dass diese die wichtigste und präsenteste von allen

12Dieses Modell wird auch Nachrichtenquadrat, Vier-Ohren-Modell oder Vier-Seiten-Modell


genannt

47
vieren ist. Sie ist immer vorhanden, da eine Aussage immer einen sachlichen
oder faktischen Inhalt beinhalten muss. Die Beziehungsebene ist hingegen der
einflussreichste Teil einer Äußerung. Sie entscheidet über die Aufnahme des
Sachinhaltes und über die Verbindung zwischen den beiden Gesprächspartnern.
Wenn es Unstimmigkeiten in einer Beziehung gibt, dann kann der eigentliche
Grund einer Äußerung in den Hintergrund treten. Persönliche
Charaktereigenschaften bestimmen über das Ausmaß des Einflusses der
Beziehungsebene, das den Inhalt der Nachricht verzerren kann. Die dritte Ebene,
die Selbstkundgabe-Ebene, offenbart Informationen über den Sprecher selbst.
Sie hat die Fähigkeit explizite oder implizite Auskünfte zu geben. Diese Ebene
bringt bestimmte Eigenschaften zum Vorschein und kann den sozialen Status
des Sprechers untermalen. Die Appell-Ebene schließlich bezieht sich auf die
Ergebnisse einer Äußerung, die erzielt werden sollen. Sie ist ein Appell an den
Hörer, ein gewisses Verhalten oder Reaktion zu zeigen. Diese Ebene ist
entscheidend für eine erfolgreiche manipulative Kommunikation. Auch hierbei ist
eine explizite und eine implizite Nachricht möglich. Auch Politiker setzen, je nach
Situation und Themenbereich einen Appell direkt oder indirekt ein. Einerseits
rufen sie oft direkt zu Handlungen auf und andererseits machen sie das indirekt,
indem sie durch eine der anderen drei Ebenen einen Appell ausrichten. (vgl. Plate
2015: 62-70)

8.2. Maximen der Kommunikation nach Grice

Das Kommunikationsmodell von Grice wird der Kategorie der


Intentionsorientierten Modelle zugeordnet. Hierbei handelt es sich um ein
kooperatives Handeln während des Kommunikationsaktes. Es liegt in beider
Gesprächspartner Interesse die Nachricht verständlich zu senden und zu
empfangen. Demnach müssen beide Parteien ein gemeinsames Interesse teilen,
um Kommunikation erfolgreich aufrecht zu halten. Grice entwickelte hierfür vier
Kommunikationsmaximen, deren Präsenz den Kommunikationserfolg
unterstützen. Die vier ausschlaggebenden Maximen für die Kommunikation nach
Grice sind Maxime der Quantität, der Qualität, der Relevanz und der Klarheit. Um
diese Maximen zu befolgen, darf der Sprecher nicht zu viel und nicht zu wenig
Informationen geben, die Übermittlung der Nachricht muss so gestaltet werden,

48
dass sie wahr ist, nur relevante Inhalte sind wichtig und klar und deutliche
Äußerungen sollen berücksichtigt werden. (Röhner, Schütz 2016: 25f)
Ungewissheit und Rücksicht auf den Nachrichtenempfänger können eine
Verletzung gewisser Maximen hervorrufen und die Wirkung und ursprüngliche
Intention der Aussage verändern.

8.3. Kommunikation nach Rogers

Das Perspektivenübernahmemodell der Kommunikation nach Rodgers


beruht darauf, sich in die Position anderer hineinzuversetzen. In der Natur des
Menschen liegt es, nach Autonomie und Selbstverwirklichung zu streben.
Deshalb ist es für jeden relevant zu verstehen, wie das Gegenüber sich in
bestimmten Situationen verhalten würde und warum. Es gibt drei
Verhaltensmerkmale, die bei der Kommunikation beachtet werden müssen, um
sich in die Lage der betroffenen Person hinein versetzten zu können. Dadurch
wird die Kommunikation an den Gesprächspartner angepasst und ermöglicht
dem Sender und Empfänger die Nachricht aus verschiedenen Perspektiven
wahrnehmen zu können. Dabei stehen einfühlendes Verstehen, Echtheit und
emotionale positive Wertschätzung im Vordergrund. Das erste Basismerkmal
dieses Kommunikationsmodelles ist das entscheidendste und basiert
hauptsächlich darauf, die Perspektive des Gegenübers übernehmen zu können,
um erfolgreiche Kommunikation zu erzielen. Einerseits ist es wichtig die Gefühle
des anderen nachvollziehen zu können, doch andererseits geht es auch um die
Vermittlung des Sachinhaltes. Die Spiegelneuronen, die sich im Mechanismus
eines Menschen befinden, unterstützen ihn oder sie dabei, auf das Verhalten des
anderen reagieren zu können. (vgl. Röhner, Schütz 2016: 28) Als nächstes
müssen die Empfindungen und die Perspektive wahr- und ernstgenommen
werden. Schlussendlich basiert dieses Modell auf der Wertschätzung des
Empfundenen und der Meinung des Gesprächspartners.

49
8.4. Kommunikationsmodell nach Watzlawick

Das Dialogmodell der Kommunikation von Watzlawick hat als Grundsäulen


fünf essentielle Axiome. In diesem Fall erfolgt die Kommunikation im Kreis, da
nicht nur die gesprochene Nachricht entscheidend ist, sondern auch die Reaktion
und die Rückwirkung des Gesprächspartners. Watzlawick behauptet, dass der
Austausch von Informationen nicht nur darauf beruht, die Informationen
weiterzugeben, sondern dass die persönlichen Interessen von großer Bedeutung
sind. Wenn diese fünf Axiome nicht berücksichtigt werden, dann kann es zu
Störungen in der Kommunikation kommen und wiederum zu Missverständnissen
oder Fehlinformationen. Die fünf Axiome, die Watzlawick für relevant hält, sind:

1. Axiom zur Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren


2. Axiom zum Inhalts- und Beziehungsaspekt von Kommunikation
3. Axiom zur Interpunktion von Ereignisfolgen
4. Axiom zu digitaler vs. analoger Kommunikation
5. Axiom zu symmetrischer vs. komplementärer Kommunikation
(Watzlawick et al. 2000: 13)

Das erste Axiom besagt, dass Schweigen auch kommunikatives Verhalten


ausdrücken kann. Die Körpersprache, Gestik und Mimik spricht auf nonverbale
Art und Weise für sich selbst. „Demnach ist alles Verhalten Kommunikation. Kann
man sich nicht nicht verhalten? Nein. […] Watzlawick geht davon aus, dass
Kommunikation (gewollt oder ungewollt) stattfindet, sobald Menschen sich
wahrnehmen.” (Röhner, Schütz 2016: 30) Das zweite Axiom drückt aus, dass
jede Botschaft auf einem Inhalts- und Beziehungsaspekt basiert, die ähnlich wie
im Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun dieselbe Wirkung haben. Das
dritte Axiom beschreibt den Kreislauf der Kommunikation. Das bedeutet, dass es
keinen klaren Anfang oder Ende gibt. Demnach ist auch nicht ersichtlich, welche
Sätze eines Gesprächs eine Ursache oder die drauffolgende Wirkung erzielen.
Die von Watzlawick vertretene Position des Konstruktivismus unterstreicht die
Meinung, dass Menschen nach einer Wirklichkeit leben, die durch persönliche
Erfahrungen geformt wird. Das vierte Axiom besagt, dass der verbale Austausch
eines Gespräches als digitale und das nonverbale Verhalten, also die
Körpersprache und Tonart, als analoge Modalität fungiert. Beide Modalitäten sind

50
bei einem Kommunikationsaustausch vorhanden. Bei dem letzten Axiom des
Kommunikationsmodells sind die Verhaltensweisen der beiden Parteien
entscheidend. Je nachdem welche Beziehung die beiden Parteien miteinander
haben, können sie zwischen komplementären und symmetrischer Ansichtsweise
wechseln. Zusätzlich ist die Rollenverteilung in der Gesellschaft, die eine Person
einnimmt relevant und entscheidet welche Verhaltensweise und Beziehung
hervorgerufen werden. (vgl. Röhner, Schütz 2016: 31-34)

8.5. Missverständnisse gezielter Einflussmechanismen

Die erläuterten Kommunikationsmodelle sind eine gute Grundlage, um den


Inhalt einer Sprache zu analysieren und deuten zu können. Je nachdem welchen
Effekt ein Sprecher erzielen möchte, kann sich die Auslegung eines
Sprachbereiches ändern. Manipulanten, die sich viel mit der Sprache und ihrer
Rede auseinandersetzten, können ihren Fokus auf bestimmte Bereiche legen,
um ein bestmöglichstes Ziel zu erreichen. Trotzdem ist offensichtlich, dass eine
bestimmte Nachricht nicht dieselbe Wirkung bei allen Menschen erzielt. „Nicht
alle Personen lassen sich unter den gleichen Umständen zu jeder Zeit gleich
stark beeinflussen.“ (vgl. Röhner, Schütz 2016: 13) Es ist aber möglich eine
große Gruppe an Menschen zu erreichen und Einfluss auf ihr Denken und somit
Handeln zu nehmen. Die Personen, die eine Persuasion in Absicht legen,
müssen zuerst die Ursache eines möglichen Gegenarguments erarbeiten.
„Widerstand, ein gewünschtes Verhalten zu zeigen (z.B. den Müll zu trennen),
muss jedoch nicht notwendigerweise daraus resultieren, dass die zu
überzeugende Person der entsprechenden Einstellung ablehnend
gegenübersteht.“ (Röhner, Schütz 2016: 13) Deshalb besteht die Möglichkeit auf
unterschiedliche Weise ein gewünschtes Verhalten zu erzielen. Die Gründe für
ein ablehnendes Verhalten können anderer Natur sein und von vielen
umgebenden Faktoren, wie persönliche Prioritäten, oder Unwissen, abhängig
sein. Zusätzlich haben Bereiche, die durch die Gesellschaft festgesetzt sind und
als Gesetzte fungieren, die Möglichkeit Einschränkungen festzulegen und mit
Konsequenzen auf ein Verhalten zu reagieren. Die zuvor genannten
Kommunikationsmodelle beziehen sich nicht nur auf die Nachricht des Senders,

51
sondern auch darauf, wie diese vom Empfänger aufgenommen wird. Röhner und
Schütz erklären in ihrem Werk Psychologie der Kommunikation, dass es zwei
Informationsverarbeitungswege in einem Gespräch gibt. Zum einen gibt es einen
zentralen Weg, der den Hörer dazu bewegt, die möglichen Ansichtsweisen und
die gegebene Information abzuwägen. Zum anderen gibt es einen peripheren
Weg, der die Persuasion erleichtert, da kein aufwändiger Denkprozess
stattfindet. Um einen dieser beiden Wege zu wählen, sind die Auswirkungen der
Selbstmotivation und die Fähigkeit Informationen gerecht zu prozessieren,
entscheidend. (2106:14) Wiederum haben hier deiktische und pragmatische
Faktoren einen Einfluss, da der verfügbare Zeitrahmen und der Ort von
Bedeutung sind. Nichtsdestotrotz sind all diese Faktoren alleine nicht
ausreichend, um alle Menschen einer Zielgruppe zu manipulieren.
Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften formen das Denken und
Handeln einer Person und entscheiden über ihre Urteilsfähigkeit. Deshalb
entstehen viele verschiedene Meinungen, obwohl mehrere Menschen den selben
Umständen einer manipulativen Kommunikation ausgesetzt sind.
Obwohl es zur Sprache, wie alle Menschen sie benutzen, keine Alternative
gibt, kann man sich ihr in gewissen Situationen, aber nur teilweise, entziehen.
Wenn man also die genannten Modelle der Kommunikation genauer betrachtet,
sind sie ein guter Wegweiser, um eine mögliche Manipulation zu vermeiden.
Demnach ist es wichtig den zentralen Informationsverarbeitungsweg zu
berücksichtigen und Aussagen auf einer Sachebene zu analysieren. Zusätzlich
ist für die Vermeidung manipulativer Einflüsse erforderlich die Beziehungsebene
außer Acht zu lassen. Dennoch sollte man in Betracht ziehen, dass jeder
Sprecher durch seine Reden und Äußerungen etwas von sich selbst preisgibt.
Wenn man diese Information rational bewertet, kann man seine persönlichen
Ansichtspunkte mit denen des Sprechers vergleichen und abwägen. Auf diese
Weise wird auf das Handeln weniger einfach Einfluss genommen und Ursachen,
Gründe und Absichten eines Nachrichtensenders werden auf persönliche
Merkmale und Meinungen angepasst.

52
8.6. Mehrdeutigkeit in der deutschen Sprache

Nicht nur aufgrund von Ebenen der Kommunikation können Nachrichten


unterschiedlich gedeutet werden, die einer Äußerung mehrere Inhalte verleihen
können, sondern auch durch unklare oder mehrdeutige Sprachformen. Auf den
ersten Blick scheint es, dass jedes Wort einem Gegenstand zugewiesen werden
kann und eine klare fixierte Bedeutung hat. Diese Annahme kann Probleme der
Kommunikation mit sich bringen. Die Erläuterungen der Begriffe „positiv“ und
„negativ“ sind ein perfektes Beispiel sprachliche Missverständnisse zu
verdeutlichen, wenn einem Wort eine einzige bestimmte Bedeutung zugeordnet
wird. Obwohl viele Leute nicht wissen, was ein „positives Recht“ ist,
veranschaulicht dieses Beispiel die Kontextabhängigkeit von „positiv“ zu Dingen
oder der Umgebung. Obwohl viele etwas Angenehmes und prinzipiell
Vorteilhaftes darunter verstehen würden, handelt es sich dabei um festgehaltene
Gesetze, die unter allen Umständen eingehalten werden müssen. Diese
Vorschrift kann zu negativen Auswirkungen führen und somit eine gegensätzliche
Bedeutung des Wortes „positiv“ vermitteln. Zudem ist hervorzuheben, dass das
Gegenteil von „positiv“ in diesem Fall nicht „negativ“ ist, wenn man die Bedeutung
dieses Ausgangsbegriffs analysiert; das Gegenteil von „positives Recht“ ist
„überpositives Recht“ oder „Naturrecht“. Es ist anzunehmen, dass Menschen die
gegensätzliche Bedeutung von „positiv“ und „negativ“ aus der Medizin kennen,
da ein „positiver Befund“ etwas Negatives und Bedrohliches darstellt 13.
Dessen ungeachtet haben die Begriffe „positiv“ und „negativ“ in der Logik
jedoch eine vollkommen andere Funktion. Sie werden wertneutral in Gebrauch
genommen und dienen grundsätzlich als Bejahung und Verneinung. Die negative
Bestimmung eines Begriffs bezieht sich auf Momente, die in einer bestimmten
Situation nicht vorliegen. Um diesen Vorgang zu veranschaulichen kann der
Begriff „Freiheit“ näher betrachtet werden. Dieser wird bei „negativer
Bestimmung“ als „Nicht-Vorhandensein von Zwängen“ beschrieben. Die „positive
Bestimmung“ hingegen nennt zutreffende Merkmale und beschreibt demnach
den Begriff „Freiheit“ als „Autonomie“ oder „Spontaneität“. (vgl. Engels 1992)

13Die Bedeutung von "positiv" und "negativ" sind also von pragmatischen Einflüssen abhängig,
um eine wahre Bedeutung erschließen zu können

53
Außerdem sind Fachtermini von der Mehrdeutigkeit der Sprache nicht
ausgeschlossen. Begriffe wie „Hyperbel“, „Parabel“ und „Ellipse“ haben sowohl
eine mathematische, als auch literarische Bedeutung. Eine „Hyperbel“ in der
Sprachwissenschaft ist eine sprachliche Übertreibung, wie zum Beispiel in dem
Satz „Der Schuss, der von der ganzen Welt gehört wurde“. Da hierbei
ausgedrückt werden soll, dass der Schuss enorm laut war, wird der Ausdruck
„die ganze Welt“ mit einbegriffen, obwohl allen klar sein sollte, dass nicht wirklich
die ganze Welt diesen hören kann. Eine sprachliche Parabel stellt eine lehrreiche
kurze Erzählung da, die den Leser zum Denken anregen und sie oder ihn
schlussendlich zu einer Erkenntnis bringen soll. Die Ellipse ist eine Art von
Eliminierung. Sie kennzeichnet eine Auslassung von Wörtern oder Satzgliedern
im Satz. Als Beispiel könnte man folgenden Satz nennen: „Markus fährt im
Sommer nach Italien, Thomas [fährt] nach Spanien“. Das Wort „fährt“ ist im
zweiten Satz eine Ellipse, da es für das Sprachverständnis und die Ermittlung
des Inhalts nicht notwendig ist. Es ist jedoch nicht dringend erforderlich diese
Begriffe der Sprachwissenschaft zu kennen, um diese in ihrer Funktion
anzuwenden.

Nichtsdestotrotz sind diese komplexen Begriffe nicht die einzigen, die zu


Missverständnissen in der Philosophie führen können. Das Wort „subjektiv“ bietet
eine gute Grundlage für nähere Erläuterungen in diesem Bereich. Für die
Mehrheit der Leute ist etwas Subjektives willkürlich, zufällig oder durch eine bloße
Meinung gekennzeichnet und wird als Gegenteil von „objektiv“ verwendet. Die
philosophische Bedeutung von „subjektiv“ ist jedoch „wertneutral“, nach Engels
also so viel wie „auf ein Subjekt bezogen“ oder „zu einem Subjekt gehörig“. (vgl.
Engels 1992: 112) Das bedeutet, dass im Alltag viele Wörter und Begriffe
verwendet werden, die eine andere Bedeutung haben, als zunächst gedacht
wird. Diese alltäglichen Vorgänge unterstützen also die manipulative Fähigkeit
andere, indem sie Gebrauch von der Mehrdeutigkeit vieler Wörter machen.

54
9. Die Rhetorik

Die Rhetorik beschäftigt sich damit eine Rede, ein Gespräch und andere
Informationen so auszuschmücken, dass sie verständlich, ansprechend und
interessant erscheinen. Dennoch ist es die Aufgabe der Rhetorik eine der
Situation und den Zuhörern angemessene Rede zu schaffen. Sie entscheidet
darüber welche Argumente und welche Metaphern zum Inhalt am sinnvollsten
verwendet werden. Es ist aber nicht ausreichend so viele Argumente oder
Metaphern wie möglich zu verwenden, um den Zuhörer aufmerksam und
interessiert zu machen, wenn der Inhalt nicht angemessen ist und dadurch nicht
das abgesehene Ziel erreicht wird. Die Funktion der Rhetorik liegt darin,
Ausdrucksmöglichkeiten zu erkunden, die Verständnisbrücken zu anderen
Menschen schaffen. „Neben der Mitteilung des Alltäglichen muss sie auch helfen,
Persönliches, Heikles oder Unangenehmes konstruktiv zu kommunizieren.“
(Prost 2010: 19) Die Rhetorik beschreibt grundlegend den Prozess, dass Innere
nach außen fließen zu lassen und somit seine Gedanken und Gefühle durch
Sprache auszudrücken. Ebenso ist es das Ziel das Innere des Gegenübers zu
erreichen und eine Äußerung verständlich zu übermitteln. Aufgrund dessen ist
die Wirklichkeit und Wahrheit die Grundlage rhetorisch erfolgreicher
Kommunikation, die dadurch die wahre Persönlichkeit des Sprechers zum
Ausdruck gebracht wird.

Um rhetorisch erfolgreiche Reden zu halten oder Gespräche zu führen, hat


der Redner drei grundlegende Aufgaben. Eine ist intellektueller Natur und zwei
beziehen sich auf affektive Ziele. Zunächst ist es wichtig die Einsicht des
Gesprächspartners zu gewinnen und ihn oder sie zu belehren oder Dinge zu
beweisen, indem man jegliche Informationen präsentiert. Als nächstes kommt es
auf affektiver Ebene dazu, die andere Partei wissbegierig zu machen und
anschließend durch gebotene Aufklärung zu besänftigen. Schließlich endet der
Prozess darin, dass der Gesprächspartner Erregung verspürt und auf bestimmte
Weise bewegt oder zufrieden gestellt, oder sogar bedrängt wird. Um jedoch diese
Absicht zu verfolgen und zu erreichen, ist eine Bearbeitungsphase des
Sprechens notwendig. Zunächst erfolgt ein Prozess in Gedanken des Sprechers,
nämlich die Erfindung der Gedanken, deren Gliederung und das Memorieren der
Rede. Im zweiten Abschnitt wird die Sprache durch die Darstellung der Gedanken

55
und abschließend mit dem Vortrag der Rede bereitgestellt. Diese beiden
Grundprozesse sind nicht unmittelbar voneinander trennbar, da sie meist
unbewusst und in einem rapiden Fluss geschehen. (Göttert 2009: 27ff)

9.1. Rhetorische Figuren, Metaphern und Metonymien

Metaphern und Metonymien sind rhetorische Figuren in der Sprache, die


Ausdrücke und allgemeine Sätze ausschmücken. Sie stellen das Gesagte bildlich
dar, verwenden aber unübliche visuelle Darstellungen, die wortwörtlich eine ganz
andere Bedeutung haben. Sie haben die Fähigkeit Sätze in einem anderen Licht
auszulegen, um die Äußerung zu betonen, deklassieren, oder hervorzuheben.
Grundsätzlich haben Sprecher einer Muttersprache keine Schwierigkeiten diese
zu verstehen oder deuten zu können. Sie können dem Kontext nach erfasst
werden und man weiß deshalb, dass diese nicht wörtlich zu nehmen sind.
Beispiele wie „das Licht der Vernunft“, oder „blindes Zusammenwirken der
Einzelkräfte“ beschreiben die Klarheit der Bedeutung hinter diesen Metaphern.
(vgl. Engels 1992) Metaphern werden tagtäglich, auch im Alltag, verwendet, doch
Metonymien sind meist weniger bekannt. Diese kommen in Form von
Namensvertauschungen oder Umbenennungen vor. Dabei wird der
Wortgebrauch innerhalb eines Sachbereichs verschoben. Diese wird in drei
Bereiche unterteilt; 1) das Wort für das Gefäß zum Inhalt, 2) das Wort für das
Material des bestehenden Gegenstandes und 3) das Wort für das
Kollektivabstraktum des Konkretums. Der erste Bereich personifiziert Objekte
und macht sie dadurch lebendig (Bsp. „Das Stadion tobte“). Der zweite Bereich
verwendet etwas, das grundsätzlich ein Material ist als agierendes Objekt. In „Er
zog das Eisen.“ ist mit „Eisen“ ein Schwert oder ein Messer gemeint, das je nach
Satzzusammenhang und Kontext leicht erfasst werden kann. Der dritte Bereich
wird durch den Ausdruck „Die Jugend revoltierte gegen die Alten“ dargestellt. Die
Wörter „Jugend“ und „Alten“ weisen selbstständig nicht auf Subjekte hin, die
selbstständig etwas durchführen können. Dennoch wird „die Jugend“ hier als
Metonymie für junge Leute verwendet und trotzdem ist es für den Hörer oder
Leser offensichtlich, was damit gemeint ist. (vgl. Engels 1992: 114)
Des Weiteren gibt es drei wesentliche Gruppen, die einen Ansatz zur
Klassifikation metonymischen Sprechens bieten. Wenn ein Prozess eines

56
Vorganges und das Resultat davon mit demselben Wort bezeichnet werden,
dann entsteht metonymisches Sprechen, da eine klare Bedeutung des Wortes
nicht festzulegen ist. Das Wort „Produktion“ kann in Zusammenhängen wie
diesen verwendet werden. Es kann zum einen als die „Produktion des Jahres“-
also den Vorgang des Produzierens, oder das Produkt selbst- also das in einem
Jahr Produzierte, meinen. Die zweite Gruppe geht auf die Bezeichnung einer
Sache zurück. Der Begriff „Geschichte“ kann unbewusst metonymischer
Verwendung sein. Obwohl man meinen sollte, dass dieser Begriff eine klare
Bedeutung hat, gibt es zwei Interpretationen davon. Einerseits kann es sich dabei
um Taten oder etwas Geschehenes handeln und andererseits um eine fiktive
Erzählung. Die dritte Gruppe erklärt die Metonymie eines Trägers einer
Eigenschaft oder Fähigkeit, die einem zugesprochen wird. Das bedeutet, dass
„eine Schönheit“ eine schöne Frau ist, deren Eigenschaft zu ihrer Benennung
geführt hat. Zusätzlich zu dieser Gruppe erscheint auch der Begriff „Wahrheit“.
Dieser wird im Alltag oft in Gebrauch genommen und unwissend als Metonymie
verwendet. Wenn ein Sprecher „Sag die Wahrheit“ sagt, sind damit die Aussagen
gemeint, die wahr sind und nicht die entsprechende Definition des Begriffs
„Wahrheit“. Metonymien verkörpern einen komplexen Themenbereich und haben
die Fähigkeit zu einer Verschleierung zu dienen, da eine gewisse Anonymität
verliehen werden kann (Bsp.: „Die Wirtschaft verschärft die Krise“- Wer ist „die
Wirtschaft“?). (vgl. Engels 1992: 115)

9.1.1. Rhetorik und Manipulation

Die Aufgabe der Rhetorik besteht darin, jemanden von etwas zu überzeugen
oder zu einer Handlung zu bewegen. Das meist gelesene Buch der Welt, nämlich
die Bibel enthält rhetorische Figuren, die als Sprichwörter agieren. Diese
Sprichwörter haben die Funktion die Menschen in eine gewisse Richtung zu
lenken und ihnen gut ins Gewissen zu reden. Diese Sprichwörter sind meist
Metaphern, die eine bildliche Darstellung bieten, um einen größeren Effekt zu
erzielen. Demnach kann durch die Verwendung von Sprichwörtern und
Redensarten Einfluss auf Menschen genommen werden. Um dieses Ziel zu
erreichen, müssen gewisse Faktoren eingehalten werden. „Darin liegt eine
wichtige Funktion formelhafter Rede: Zweifel auszuschalten, Handeln

57
abzusichern und Sicherheit zu geben.“ (Prost 1990: 41) Oft helfen Sprichwörter
einem Menschen auch dabei ihr Handeln zu erklären und zu rechtfertigen, vor
allem wenn sie nicht genau wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Zudem sind
Sprichwörter in metaphorischer Weise dazu da, verlockende Hinweise zu geben.
Als Überschriften in Zeitschriften ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich, um
andere dazu zu bewegen den nachfolgenden Artikel zu lesen. Solche
Überschriften lauten wie folgt: „Aufs Kreuz gelegt“, „Gefundenes Fressen“ oder
„Von der Hand in den Mund“. Vor allem in der Werbewelt werden solche
Sprichwörter gerne verwendet, da sie eine bildhafte Darstellung unterstützten.
Wenn ein Konzern oder Verkäufer ein neues Produkt vorstellen möchte, sind
Sprichwörter von großer Bedeutung, da diese zum einen etwas Vertrautes bieten
und zum anderen lässt es die Menschen und potentiellen Käufer mit etwas
Bekanntem identifizieren. (vgl. Prost 1990: 42)
Ludwig Wittgenstein hat schon Sprichwörter verwendet, um seine Meinung
und Stellung näher zu bringen; „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen
meiner Welt“. Manchmal jedoch verwenden Menschen Sprichwörter und
Redensarten nur, um ihr Gegenüber zum Schweigen zu bringen und sie oder ihn
sprachlos zu machen. „Heute ist das eben alles anders“ ist zum Beispiel eine
Redensart, die keine sinnvolle Antwort erlaubt und andere einschüchtert.
Grundsätzlich werden Sprichwörter und Redensarten im Alltag verwendet, um
etwas zu illustrieren oder eine schnellere Zusammenfassung eines Gedankens
zu bieten. Nichtsdestotrotz sollten diese nicht als einzige Ausdrucksweise
fungieren und als solche von anderen angenommen werden. „Originell wirkt es,
wenn Sie mit einem Sprichwort so jonglieren, daß es durch eine kleine
Veränderung seinen Sinn wandelt, aber trotzdem noch erkennbar bleibt.“ (Prost
1990: 46) Diese Methode ermöglicht es dem Sprecher seine Meinung zu
übermitteln, aber erlauben es trotzdem vielfältige Interpretationen zu schaffen.

10. Holismus vs. Modularismus in der Sprachphilosophie

Der Holismus und Modularismus sind für den Erwerb der Sprache und den
Prozess der Sprachspeicherung wichtig. Der Holismus beschreibt ein System als
Ganzes und schenkt den Einzelteilen, die das Ganze bilden, keine weitere
Aufmerksamkeit. Er besagt auch, dass ein System oft nicht durch all seine

58
Einzelteile beschrieben werden kann, da es durch die Darstellung jedes
Einzelnen eine andere Bedeutung bekommen könnte. In diesem Fall sind das
System und die Zusammensetzung des menschlichen Gehirns ein perfektes
Beispiel, um das Konzept des Holismus genauer zu beschreiben. Das Gehirn ist
ein Organ, das aus vielen verschiedenen kleineren Zellen und Teilchen
zusammengesetzt ist. Oft ist es möglich, dass eine Zelle beschädigt ist, das
restliche Gehirn dennoch intakt ist. Wenn man das Phänomen einer Aphasie
näher betrachtet, dann ist es einem Patienten nicht möglich Sprache korrekt zu
produzieren, da ein bestimmter Bereich im Gehirn beschädigt wurde. Trotzdem
funktioniert das Gehirn als Ganzes und der beschädigte Bereich in Bezug auf
mögliche andere Anwendungen. (vgl. Müller 1991: 50f) Aufgrund dessen ist das
Denken stark mit dem verinnerlichten Sprechen verbunden und ein Grundstein
für kognitive Prozesse.
Im Gegensatz dazu steht der Modularismus, der auch Reduktionismus
genannt werden kann. Dabei handelt es sich um die Analyse aller einzelnen
Bestandteile eines Systems, um dessen Wirkung und Sinn erforschen zu können.
Vor allem Chomsky, ein bedeutender Philosoph und Linguist, hat die These des
Modularismus im Themenbereich der Sprache untersucht:

Das Studium der Interdependenzen zwischen kognitiven Teilfähigkeiten ist für


Chomsky also sekundär. Er führt ein primär methodologisches Argument ein
und unterstellt implizit, daß (eventuelle) integrative oder ganzheitliche
Merkmale des Forschungsgegenstandes Geist/Gehirn unwesentlich sind,
d.h., daß sich Teilbereiche der Kognition zunächst isoliert voneinander
untersuchen lassen, ohne daß damit deren Organisation und Eigenschaften
verkürzt oder verzerrt werden. (Müller 1991: 73)

Bei der erworbenen Sprachkompetenz, die vom Kleinkindalter an eine


zentrale Komponente der Entwicklung ist, unterscheiden sich der Erwerb der
Syntax von der übrigen Intelligenz grundlegend. Beide Bereiche funktionieren
auch unabhängig voneinander und werden als selbstständige Komponenten
kognitiver Prozesse angesehen. (vgl. Müller 1991)
Berücksichtigt man diese beiden Thesen beim Spracherwerb des Kindes,
stellt sich die Frage, ob sich ein manipulatives Verhalten und die Fähigkeit andere
zu beeinflussen als Gesamtkonzept oder als Zusammensetzung vieler kleiner
Teilbereiche beschreiben lässt. Zum einen könnte die Begabung andere

59
Menschen durch Sprache zu beeinflussen aus vielen kleinen Teilfähigkeiten
bestehen, die zusammengesetzt diese Macht erzeugen können. Zum anderen
besteht dieser Thesen nach auch die Möglichkeit, dass das Manipulieren durch
verwendete Sprache einem Gesamtkonzept zugrunde liegt, das nur als solches
funktioniert. Welche der beiden Annahmen jedoch sinnvoller erscheint, ist nicht
explizit festzustellen, da verschiedene Betrachtungsweisen und verschiedene
Situationen gewisse andere Möglichkeiten und Fähigkeiten hervorrufen können.

10.1. Nativismus nach Noam Chomsky

Der Philosoph und Linguist, Noam Chomsky, hat die Angeborenheitsthese


entwickelt, die besagt, dass jeder Mensch von Natur aus die Möglichkeit hat eine
Sprache zu erlernen. Er behauptet, dass diese Fähigkeit dem Menschen
angeboren sei und, dass der Spracherwerb der Menschen ein Naturgesetz sei
und durch generative Grammatikmodelle ausgezeichnet ist. Chomsky lehnt den
Behaviorismus ab, der sich auf die empiristische Theorie bezieht, dass das
Wissen der Menschen durch Erfahrung erlernt wird. Dieses Wissen ist nicht nur
auf Informationswissen reduziert, sondern umfasst auch das Wissen, das enthält
wie man etwas macht, wie zum Beispiel Sprechen. Die rationale Theorie besagt,
dass Kinder mit gewissen Veranlagungen geboren werden, die verinnerlicht sind.
Zum Beispiel ist es Kindern angeboren zu schreien, wenn sie etwas brauchen.
(vgl. Hacking 1984: 59) Um die Sprache zu erlernen und den angeborenen
Spracherwerb zu fördern, fokussiert sich Chomsky nicht auf das Erlernen von
Wörtern, sondern auf die Verwendung der Grammatik. Obwohl Kinder nicht alle
möglichen Satzkonstellationen und -verbindungen hören, sind sie mit der Zeit in
der Lage eigene, zuvor ungehörte Sätze zu sprechen. Sie kreieren eine
Grammatik, die sowohl semantisch, als auch syntaktisch als eine „richtige“
Grammatik gedeutet wird. „Deshalb kommt Chomsky zu dem Vorschlag: Kinder
kommen mit der angeborenen Fähigkeit, den richtigen Entwurf zu machen, auf
die Welt.“ (Hacking 1984: 65) Außerdem meint Chomsky, dass jedes Kind mit
vielen Grammatiken14 auf die Welt kommt, die es ihm ermöglichen jede beliebige

14Die vielen Grammatiken sind verinnerlichte Systeme, die jeder möglichen Kultur und Sprache
unterliegen. Jeder Mensch hat die angeborene Möglichkeit die Sprache jeder Kultur zu
erlernen. (vgl. Lyons 1971)

60
Sprache zu erlernen, in die sie zufällig hineingeboren werden. Sie entwerfen
demnach dann eine wirkliche Sprache, indem sie von Grammatiken umgeben
werden, die um sie herum gesagt werden. (vgl. Hacking 1984: 65)
Da Sprachmanipulation ein Teil der Sprache ist, die allen angeboren ist, kann
behauptet werden, dass die Fähigkeit andere Menschen durch Sprache zu
beeinflussen ebenfalls angeboren ist. Das bedeutet, dass die Grammatik, die uns
verhilft die Sätze zu äußern, die einen Einfluss auf Personen haben könnten, ein
Teil der biologischen Anlage ist, die in unserem Geist sässig ist:

Denn Chomsky glaubt ja, daß die Universalität gewisser charakteristischer


Eigenheiten der Sprache beweist, daß zumindest dieser Teil der menschlichen
Natur allen Angehörigen der Gattung gemeinsam ist, unabhängig von ihrer
Rassen- oder Klassenzugehörigkeit und von den unzweifelhaften geistigen,
charakterlichen und körperlichen Unterschieden. (Lyons 1971: 16)

Da es offensichtlich ist, dass Menschen, vor allem Politiker und Mitarbeiter


von Marketingfirmen, in der Lage sind Sprache zu ihrem eigenen Nutzen zu
verwenden und von der Manipulation der anderen profitieren, ist durch diese
Behauptung Chomskys offensichtlich, dass jeder Mensch eine verinnerlichte
Grammatik besitzt andere zu beeinflussen. Ob diese Grammatik zum Vorschein
tritt, entscheidet aber jede Person selbst. Zudem liegt es in der Entscheidung und
Reaktion des Gegenübers, ob die Äußerungen des anderen angenommen
werden.
Die Generative Grammatik befasst sich grundsätzlich mit den möglichen
Satzstrukturen und den Satzgliedern, die in einem Satz vorkommen können.
Diese sind für jegliche Sätze unendlich, obwohl die Anzahl der vorhandenen
Wörter, die einem Sprecher zur Verfügung stehen endlich und begrenzt ist. Die
Operationen und Regeln, die eine Sprache zur Verwendung anbietet, sind
ebenso endlich. Es gibt in jeder Sprache eine gewisse Anzahl an Regeln, die zur
allgemeinen Konstruktion von Sätzen möglich sind. Diese rekursiven Regeln, das
heißt wiederkehrenden Regeln, können unendlich angereiht werden und immer
wieder in Verwendung treten. (vgl. Lyons 1971: 60f)
„Die einfachsten von Chomsky diskutierten Grammatiken, die eine unendliche
Menge von Sätzen mit Hilfe einer endlichen Menge von rekursiven Regeln über
einem endlichen Wortschatz generieren können, sind die von ihm so genannten

61
Grammatiken mit endlich vielen Zuständen.“ (Lyons 1971: 63) Das bedeutet,
dass die Wortarten, die in einem Satz vorkommen, von den vorhergehenden
abhängig sind. Diese Satzkonstruktion erlangt ihre Struktur von links nach rechts.
Jedes Wort, das rechts von einem anderen steht, ist von seinem Vorgänger auf
der linken Seite abhängig. Die vorangehenden Wörter entscheiden über das
Auftreten und die Möglichkeit der kommenden. Da diese Strukturen die Sätze
und deren Bedeutung grundlegend beeinflussen, ist die Satzstellung jeglicher
Satzglieder in einer gewissen Ordnung für eine mögliche Manipulation
entscheidend. (vgl. Lyons 1971) Das heißt, dass ausgesprochene Wörter und
Phrasen einen Einfluss auf den Rest des Gesagten haben und dadurch die
Fähigkeit andere zu manipulieren beeinträchtigen kann. Eine „korrekte“
Satzstellung ist demnach wichtig, um eine gezielte Wirkung auf Menschen zu
haben und eine Veränderung in ihrem Verhalten zu bewirken.

10.2. Konstruktivismus nach Jean Piaget

Jean Piaget hat sich mit der Hinterfragung vieler Begriffe auseinandergesetzt,
die von vielen anderen Philosophen nicht hinterfragt wurden und einfach in ihrer
Darstellung hingenommen wurden. Im Gegensatz zu Chomsky war Piaget der
Meinung, dass jegliches Wissen durch die Art des Wahrnehmens und Denkens
einer Person hergeleitet wird. Piaget hat sich vielseitig mit der Entwicklung und
dem Spracherwerb der Kinder beschäftigt. „Die konstruktive Aktivität während
der ersten zwei Lebensjahre legt damit den Grundstein für das, was die
Erfahrungswelt des Kindes werden wird: sie entfaltet das Grundgerüst aller
weiteren Konstruktionen.“ (Rusch, Schmidt 1994: 22) Die darauffolgende Phase
eines Kindes beschreibt die so genannte „aufgeschobene Nachahmung“, was
bedeutet, dass ein Kind etwas nachahmen kann, obwohl eine damit verbundene
Wahrnehmung nicht unbedingt vorhanden sein muss. Diese beiden
Anfangsphasen sind für den Spracherwerb und die -produktion wesentlich, da
sich Kinder in diesen beiden Phasen Wörter zum Sprachgebrauch aneignen aber
viele andere Wörter nicht unbedingt kennen und nur im passiven Wortschatz
liegen. Dennoch ist Piaget aber auch der Meinung, dass es wichtig ist,
Gegenstände mit der Vorstellung und einer Äußerung verknüpfen zu können.
Diese Entwicklung nennt er „Objektkonstanz“, die die Gleichheit zweier

62
Erfahrungen auf einen Gegenstand reduziert und im Gegensatz dazu nicht zwei
Gegenstände, die sich auf einen Wahrnehmungshinweis beziehen, erläutert.
(vgl. Rusch, Schmidt 1994: 25)
Wenn es zu den Reaktionen auf Sprache oder Gegenstände kommt, dann
unterscheidet Piaget zwischen figurativem Handeln und operativen Operieren.
Ersteres beinhaltet eine Bearbeitung der sinnlichen Daten der Wahrnehmung,
die eine motorische Wirkung haben. Deshalb ist Handeln eine sensomotorische
Reaktion, die eine physische Darlegung bietet, die auf sinnlich wahrnehmbare
Gegenstände reagiert. Im Gegensatz dazu stehen Handlungen, die von
Vorerfahrungen oder zuvor erlebten Handlungen beeinflusst wurden. „Jedes
Ergebnis begrifflicher Konstruktion, das nicht von bestimmten sensorischen
Signalen abhängt, sondern von dem was das Subjekt tut, heißt in Piagets
Terminologie ‚operativ‘. ‚Operationen‘ sind daher immer Operationen des
Verstandes; und als solche sind sie nicht beobachtbar.“ (Rusch, Schmidt 1994:
37) Dementsprechend kann das Phänomen Sprache und dessen
darauffolgendes Verhalten grundsätzlich, je nach Ansichtsweise, beiden
Theorien von Handlungen zugesprochen werden. Einerseits reagieren Sprecher
auf die Äußerungen ihres Gesprächspartners und haben deshalb eine figurative
Handlung zur Folge. Auch wenn die Sprache als solche nicht unbedingt
physische Bewegung hervorruft, entsteht sie in diesem Fall durch die
Verarbeitung der Sinnesempfindungen und persönlicher Gedanken.
Andererseits beruhen Äußerungen auf Operationen, die sich auf zuvor
gesprochene, eigene Äußerungen beziehen und dadurch geprägt werden.
Das ist jedoch nicht die einzige Weise Manipulation zu erzeugen:

Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Tatsache, daß Sprache, obwohl sie ein
System von Zeichen ist […], das für den rationalen Diskurs und für die
Kommunikation benutzt werden kann, dennoch nicht nur dafür verwendet zu
werden braucht. Tatsächlich können sprachliche Formen als Signale
verwendet werden, auf die eher ‘reagiert‘ wird, als daß sie ‘verstanden’
werden: Einfache Beispiele dafür sind die Tierdressur und das verbale
Konditionieren. (Wenzel, Hartig 1977: 156)

Vor allem in der Psychologie und durch die Theorie des Konditionierens
scheint Manipulation leicht erreichbar zu sein. Wenn gewisse Wörter, Sätze oder
Ausdrücke mit einem anderen Objekt, einer gewissen Situation oder einer Person

63
gekoppelt werden, und dieses gemeinsame Auftreten eine bestimmte Reaktion
oder Handlung hervorrufen, dann können dieselben Wörter, Sätze oder
Ausdrücke, ohne der Präsenz dieser Objekte, Situationen oder Personen
dieselbe Reaktion erzeugen. Diese Methode ist eine wichtige Waffe, um Einfluss
auf das Handeln anderer zu nehmen, ohne dieses Vorgehen augenscheinlich
Preis zu geben. Aus diesem Grund werden Menschen meist manipuliert, ohne
sich dessen Bewusst zu sein. Die Konditionierung ist eine stark kognitiv
gekoppelte Weise unbestimmte Reaktionen gezielt auszulösen. Eine
Gegenmethode von Seiten des Hörers ist deshalb nur schwer einsetzbar.

10.3. Moralische Entwicklung nach Jean Piaget und


Lawrence Kohlberg

Die Moralentwicklung eines Menschen geht auf die frühen Anfänge des
Lebens zurück. Schon im Kleinkindalter lernen Kinder welche Entscheidungen
und Handlungen moralgerecht sind und welche nicht. Diese Einflüsse der Moral
beziehen sich auf die Normen der Gesellschaft und auf menschenrechtlich
akzeptable Verhaltensweisen. Diese Normen und Verhaltensweisen werden
grundsätzlich von Menschen internalisiert und als selbstverständlich angesehen.
Die Gründe für die Befolgung dieser Normen beruhen auf den Konsequenzen
des eigenen Verhaltens. Bei der Befürchtung einer Strafe als Folge eines
individuellen Handelns, verhalten sich Individuen regelkonform. „Ein zweites
Kriterium für das Vorhandensein internalisierter Maßstäbe (Standards) ist das
Gefühl von Schuld, d.h. das Auftreten von selbstbestrafenden, selbstkritischen
Empfindungen der Reue und Angst nach der Verletzung kultureller Normen.“
(Althof 1996: 8) Moralisch richtig handelnde Personen müssen Urteile auf der
Basis eines gesellschaftlich akzeptierten Wertmaßstabs fällen und sich selbst
rechtfertigen können. Dennoch ist es wichtig die situationsabhängigen
Versuchungen zu betrügen oder lügen mit einfließen zu lassen, da bestimmte
Situationen andere Umstände hervorrufen und das Selbstbeherrschungsgefühl
unterdrücken. Um moralisches Handeln bestimmen zu können, werden sowohl
innere, als auch äußere Einflussfaktoren zur Kenntnis genommen. Eigene
Triebe, gesellschaftliche Einflüsse und situationsbedingte Eindrücke spielen eine

64
Rolle bei moralisch korrekten Entscheidungen. Moralisch richtiges Verhalten
erfordert vielerlei Charakterzüge, die gemeinsam eine Einheit bilden. Dabei
handelt es sich um Eigenschaften wie Empathie, Voraussicht,
Beurteilungsvermögen und die Fähigkeit zum Aufschub. (vgl. Althof 1996: 14)
Wenn man all diese Faktoren besitzt und beim Handeln mit einbezieht, dann
gelangt man zum moralisch klugen Handeln. „Man nimmt an, Moral sei ein
System von Regeln und Werten, die durch die Kultur gesetzt werden, und das
einzelne Kind erwerbe diese Werte jeweils gebrauchsfertig durch Mechanismen
der kulturellen Überlieferung, z.B. durch Verstärkungslernen oder Identifikation.“
(Althof 1996: 18) Das bedeutet, dass die moralische Entwicklung durch die
Menschheit selbst gesteuert wird und niemand dieser entgehen kann.
Nichtsdestotrotz kann es zu Situationen kommen, die für einen selbst einen guten
Ausgang haben und für andere einen schlechten. In solchen Fällen besagt das
moralische Empfinden, dass Personen moralisch so handeln, dass die Mehrheit
der Individuen ein positives Ergebnis empfinden oder erzielen.
In Piagets Moralentwicklung ist die Position des Kindes entscheidend. Kinder
beachten Regeln als von außen festgelegte Gegebenheiten, die für etwas
Universelles angenommen werden. Kinder haben nicht die Möglichkeit ihre
eigene Sicht von der Sicht der anderen zu unterscheiden. Demzufolge sind sie
der Meinung, dass die Eltern allwissend sind und nur gute und richtige
Entscheidungen treffen und vorleben. Da sich in der Kindesentwicklung diese
Persönlichkeitsbereiche verändern und wachsen, können sich moralische
Annahmen und Empfindung der Richtigkeit von denen ihrer Eltern unterscheiden.
Piaget hat dafür sechs Stufen in drei Hauptniveaus entwickelt, indem das Heinz-
Dilemma15 als Vorlage diente. Je nach Alter konnten die Kinder einer gewissen
Stufe zugeordnet werden, die das moralische Verhalten entscheidend erklärt
haben. Dabei wurde beachtet, ob die Kinder eher Regeln befolgen, oder ein
Menschenleben retten würden. Ihre Entscheidungen haben das Ausmaß ihrer
moralischen Vorstellungen unterstrichen. (vgl. Althof 1996)

15Das Heinz Dilemma beschreibt eine moralisch zweifelhafte Situation, in der sich ein Mann
namens Heinz befindet. Seine Frau liegt im Sterben und gegen ihre Krankheit gibt es eine
Medizin. Der Apotheker jedoch verlangt eine enorm hohe Summe für das Medikament, die
Heinz nicht aufbringen kann. Er überlegt das Medikament zu stehlen. Soll Heinz das
Medikament stehlen oder nicht?

65
Kohlberg hingegen hat das moralische Urteilen in drei Hauptgruppen mit
jeweils zwei Substufen unterteilt; das präkonventionelle, konventionelle und
postkonventionelle Niveau. In diesem Fall wurde ebenfalls das Heinz-Dilemma,
wobei ein Mann sich zwischen Gesetz und der Gesundheit seiner Frau
entscheiden muss, bearbeitet. Kinder unterschiedlichen Alters haben
beschrieben, was ihrer Meinung nach moralisch richtig ist und welche
Entscheidungen sie fällen würden. Dabei hat man erfahren, dass jüngere Kinder
den gesellschaftlichen Regeln nach urteilen würden und kein Medikament
stehlen würden, um ein Menschenleben zu retten. Junge Erwachsene sind der
Meinung, dass jedes Menschenleben wichtig ist und allem voraus im
Vordergrund steht. Dennoch kann erfasst werden, dass das Menschenleben auf
jeder Stufe als wichtig eingestuft wird, trotzdem haben ältere Menschen ein
anderes Moralverständnis, das anders interpretiert wird. (vgl. Althof 1996: 51ff)
Nichtsdestotrotz wird die Moralentwicklung im Laufe des Lebens durch
kulturelle Einflüsse, die Erziehung und die sozialen Interaktionen. Obwohl sich
die grundlegenden Entwicklungen in allen Kulturen sehr ähneln, können
Unterschiede entstehen, die für das Urteilen signifikant sind. Das Handeln und
Urteilen nach einem manipulativen Versuch des Gegenübers erfolgt
augenscheinlich im Erwachsenenalter, da sinngemäßes Handeln und die
gesetzlich anerkannte Entscheidungskraft erst mit der Mündigkeit einer Person
vollkommen akzeptiert werden. Diese Phase tritt altersabhängig mit ungefähr 16
Jahrein ein. All das bedeutet jedoch nicht, dass Jugendliche unter 16 nicht
manipuliert werden können und keine Entscheidungsgewalt haben, meist sogar
im Gegenteil. Jüngere Menschen mit weniger Erfahrungen können leichter
beeinflusst werden, da ihre persönlichen Meinungen noch nicht so stark gefestigt
sind. Viele Kinder und Jugendliche durchgehen während der Pubertät eine
Orientierungsphase, die zum Finden des eigenen Ichs notwendig ist. In dieser
Phase und davor sind Jugendliche manipulativ stärker beeinflussbar und nehmen
die Denkweisen anderer eher auf. Wenn es um die Politik oder
Marketingstrategien geht, die einen großen manipulativen Einfluss haben, ist das
Alter einer Person und dessen Erfahrung von großer Bedeutung. Abhängig von
den gesellschaftlichen Kreisen, in denen sich eine Person befindet, können ab
einem bestimmten Alter, in Österreich 16 Jahre, eigene Entscheidungen
getroffen werden, die einen Einfluss auf die restliche Nation haben können. Da,

66
wie gesagt, jüngere Leute in der Regel formbarer sind und ihre Meinung noch
nicht gefestigt haben, ist es einfach auf diese Menschen Einfluss zu nehmen.

10.3.1. Sprachmanipulation unter Einfluss der Moral

Moralisch gesehen ist kommunikative Manipulation nicht akzeptabel. Sie


mischt sich in die Gedanken der Menschen und verändert auf negative Art und
Weise das Denken und folglich auch Urteilen und Handeln vieler Menschen.
Grundsätzlich geht man davon aus, dass die Kommunikation von
unterschiedlichen Maximen geregelt wird. Diese werden von der Gesellschaft
und deren Entwicklung festgelegt und gelten für alle teilnehmenden Sprecher.
„Wer sich an die Maximen nicht hält, wird einfach nicht verstanden oder falsch
verstanden.“ (Heringer 1990: 83) Trotz dieser grundlegenden Regel wird gegen
einige Maximen verstoßen, was hauptsächlich die Basis einer manipulativen
Annäherung ist. Wie in 7.2 schon beschrieben, hat Grice die Maximen der
Kommunikation erforscht und sie auf den moralischen Einfluss angewendet. Um
ein erfolgreiches Gespräch führen zu können, ist eine kooperative Einstellung
beider Seiten notwendig. Das bedeutet, dass beide Gesprächspartner, Sprecher
und Hörer, aufeinander Rücksicht nehmen müssen, um die moralische
Akzeptanz einhalten zu können. Dennoch besteht auch eine kompetitive
Strategie einer Situation kommunikative gegenüber zu treten. Dabei handelt es
sich um verbale Reaktionen auf die Handlungen anderer. Das heißt, wenn eine
Person etwas sagt oder macht, das einer anderen nicht recht ist, könnte diese
andere Person als Racheakt unangemessen darauf reagieren. Deshalb ist es
möglich zu behaupten, dass die Grice’schen Maximen für die Kommunikation
moralisch notwendig sind. „Moralisch nicht zu verantworten ist das auch, weil wir
bei Eintritt ins Spiel das Commitment eingegangen sind, nach den Maximen zu
handeln. Also würden wir unsere Partner elementar täuschen.“ (Heringer 1990:
100) Täuschen würden wir unsere Gesprächspartner also, wenn wir uns nicht an
die gesellschaftlich vorgegebenen Kommunikationsmaximen halten würden.
Dieser Behauptung nach wäre das Verstoßen dieser Maximen moralisch
unakzeptabel. Wenn also die Maxime der Quantität nicht eingehalten wird, dann
kann es zu einer Unterinformation oder Überinformation kommen. Die
Überinformation wird stets von vielen Politikern in Anspruch genommen, da sie

67
ihre Zuhörer mit Informationen überhäufen. Dadurch entsteht eine Übertreibung,
die als Irreführung resultiert und dem Politiker zu seinem Ziel verhelfen kann.
„Solange die Adressanten sie nicht erkennen, -werden viele vielleicht dem
Falschen zustimmen, -wird nicht über die eigentlichen Probleme argumentiert,
und der Kern der Diskussion bleibt verdeckt.“ (Heringer 1990: 101) Dieses Zitat
sagt genau das aus, was der Großteil der Menschen weiß; Politiker haben ein
großes Potenzial und eine gute Möglichkeit andere zu beeinflussen. Trotzdem
haben Wörter und Sprache eine Wirkung auf unser Unterbewusstsein und
können somit ihre Folgen auf politische Reden mit sich ziehen.
Die kommunikative Moral, die also moralische Einflüsse auf das Sprechen
und Verstehen hat, ist ein Teilbereich der allgemeinen Moral einer Gesellschaft.
Moralisch vorgegebene Grundprinzipien, wie „Sei wahrhaftig!“ sind ein Beispiel
für beide Arten von Moral, die kommunikative und die allgemeine. (vgl. Heringer
1990: 104) Hier wird von einer Person verlangt die Wahrheit zu sagen und sich
somit verständnisvoll seinem Gegenüber zu verhalten. Das bedeutet, dass die
Wahrheit, die jemand ausspricht moralisch korrektes Handeln übermittelt, ein
Verstoß dagegen aber unmoralisches Urteilen hervorhebt. Mit den Themen, die
bisher zur Manipulation berücksichtigt wurden, stehen diese Feststellungen in
einem offensichtlichen Zusammenhang. Marketingkonzerne und Politiker, die
sich der Manipulation durch sprachliche Äußerungen bedienen, stellen die
Maxime der Quantität, also die Verwendung der Übertreibung, und die Maxime
der Relation, also die Verdeckung der kompletten Wahrheit, in den Vordergrund.
Diese beiden Maximen sind für die Beeinflussung entscheidend und meist von
den Lesern und Hörern nicht auf den ersten Blick erkennbar.

11. Sprache und Sozialstruktur

Die gesprochene Sprache eines Individuums ist zum einen Teil der sozialen
Schicht, der jemand angehört, zuzuschreiben und zum anderen bestimmt die
Sozialstruktur, in der jemand lebt, die Sprache die er oder sie zu verwenden
vermag. „Einerseits ist sie die kleinste soziale Einheit [die soziale Rolle], über die
die unterschiedlichen Sprechkodes vermittelt werden, andererseits sind es die
Sprechkodes, die soziale Rollen hervorbringen.“ (Dittmar 1973: 19) Auch
Bernstein ist der Meinung, dass die Sprache und sogar ihre intellektuellen

68
Leistungen durch die familiären Umstände beeinflusst werden.
„Unterschichtmütter elaborieren ihre Sprache also weniger als
Mittelschichtmütter, sie determinieren das Verhalten des Kindes weitgehend
durch Appelle an den Status und geben dem Kind wenig Impulse für eine
rationale und kognitive Entfaltung des Denkens.“ (Dittmar 1973: 81) All das
bedeutet, dass soziale Einflüsse schon in der Kindheit eine große Bedeutung für
die Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten einer Person haben. Die
Sozialisation in der sich Menschen auf ihrem Lebensweg befinden, wird durch
Sprache, Denken und die Sozialstruktur geprägt:

Ich benutze den Begriff [der Sozialisation – N.D.], um mich auf den Prozeß
zu beziehen, durch den ein Kind eine spezifische kulturelle Identität gewinnt
und auch seine Reaktionen gegenüber dieser Identität. >Sozialisation<
bezieht sich auf den Prozeß, in dem Biologisches in ein spezifisches
kulturelles Wesen umgeformt wird. Daraus ergibt sich, daß der
Sozialisationsprozeß einen komplexen Kontrollkomplex darstellt, der im
Kinde das Bewußtsein einer je besonderen moralischen, kognitiven und
affektiven Ordnung entstehen läßt und diesen Ordnungen spezifischen Inhalt
und Form verleiht. (Dittmar. Soziolinguistik: 16)

Diese Aussage von Bernstein unterstreicht die Zusammenwirkung von vielen


Prozessen in der menschlichen Entwicklung. Die Identität und dadurch auch die
sprachliche Fähigkeit werden durch moralische und kognitive Vorgaben geformt
und bildet den Menschen zu einem Mitglied seiner Gesellschaft und Kultur aus.
Um diesen Prozess zu ermöglichen, sind andere Personen, die auch ein Teil
dieser Kultur sind, die ständigen Begleiter und Leiter dieser vorangehenden
Sozialisation. Das bedeutet, Familie, Freunde, Bekannte, Schule und Beruf
entscheiden mitunter über die Schichtenzugehörigkeit einer Person. Kinder einer
Mittelschicht, oder höher, erhalten durch die verbalen Interaktionen mit ihren
Eltern, und deren Erziehungsmethoden, eher die Fähigkeit elaboriert Sprechen
zu lernen. Das bedeutet, dass sie in der Lage sind durch die Sprache Konflikte
und mögliche Probleme behandeln zu können. (vgl. Dittmar 1973: 17) Kinder
hingegen, die sich in einer niedrigeren sozialen Schicht befinden, sind eher
kurzen Äußerungsakten ausgeliefert, die sich, wie schon erwähnt, auf Apelle und
Befehle beziehen. Aufgrund dessen lernen sie auf diese Weise mit unbekannten
Situationen umzugehen, was auch einen Eindruck auf ihre Lernfähigkeit und -
motivation hinterlässt. All diese Erkenntnisse kommen zu dem Ergebnis, dass

69
Sprachverhalten und die sozialen Einflüsse einer Person ständig in einer
Wechselwirkung stehen. Von allen grammatikalischen und spezifischen
Richtungen einer Sprache ist die Syntax am wenigsten von der Sozialstruktur
betroffen; Semantik und Pragmatik können demnach je nach Kultur und sozialer
Umgebung leicht variieren. (vgl. Dittmar 1973: 294f) Diese Beurteilungen
ermöglichen es von der Gesellschaft, die aus vielen unterschiedlichen Individuen
besteht, auf eine einzelne Person zu schließen. Die Sprache ist nämlich ein
wichtiges Mittel die Identität zu prägen und ein eigenes Selbst zu bilden. Dadurch
erlangt jede Person zu einer eigenen Persönlichkeit, die ihn oder sie speziell und
individuell macht. (vgl. Hager et al. 1973: 150)
Da die Sprache also mit der sozialen Umwelt in ständiger Interaktion steht,
gibt es eine grundlegende kommunikative Funktion der Sprache. Diese Funktion
ermöglicht es dem Sprecher sich auf sein Gegenüber einzustellen und eine
gewisse Reaktion von dieser Person zu bewirken. Demnach wird das
Sprachverhalten dem sozialen Handeln zugeschrieben und lässt es zu, die
gegenseitige Wirkung der beiden zu steuern. Dennoch muss hervorgehoben
werden, dass die Sprache auch als Mittel dienen kann, um soziales Handeln zu
vereinfachen oder überhaupt zu gestatten (vgl. Hager et al. 1973: 148) Die
Sprache ist also von dem sozialen Leben nicht zu trennen. Sie unterliegt der
Grammatik, die ein anderes Regelsystem in jeder Sprache nachweist und der
Bedeutung der Ausdrücke in unterschiedlichsten Situationen, die sich
überwiegend auf die sozialen Wirkungen zwischen verschiedenen Gruppen
beziehen. „[…] in der Bedeutung finden wir eine soziale wie eine referentielle
Komponente; die dazwischenliegenden Beziehungen finden wir nicht in einer
gewöhnlichen Grammatik, sondern im sozialen Leben.“ (Jäger 1975: 6)
Diese Erkenntnisse sind für die Manipulation von großer Bedeutung. Die
sozialen Einflüsse, das Rollensystem und der Sozialisationsprozess haben
demnach eine Wirkung auf die manipulativen Fähigkeiten, die man schon
teilweise in der Kindheit entwickelt und mit auf den Weg bekommt. Die
Grundlagen der Sprechweise der Eltern, vor allem der Mutter, geben einer
Person die Mittel zu einer möglichen manipulativen Einflussnahme mit auf den
Weg. Wie erfahren wurde, hat das Ausmaß der mütterlichen Interaktion und der
Umgangston mit ihrem Kind eine große Wirkung auf die sprachlichen Fähigkeiten
in der Lebenslaufbahn. Da die kommunikative Funktion der Sprache

70
hauptsächlich auf die Erzeugung einer Reaktion des Gesprächspartners abzielt,
steht die Begabung Einfluss auf das Urteilen und Handeln dieser Personen zu
nehmen auf einer sehr wichtigen Position in der Sprache. Wenn man diese
Fähigkeit besitzt, hat man die Möglichkeit eine angesehene Position in der
Gesellschaft zu erreichen. Ob diese Einflussnahme auf positive oder negative
manipulative Art und Weise erfolgt, ist dabei von zweitrangiger Bedeutung.
Des Weiteren hat die soziale Umgebung zusätzliche Auswirkungen auf die
persönliche Entwicklung einer Person. Die Konzeption der Gesellschaft erfordert
einen konstanten Konkurrenzkampf, mit dem man immer wieder konfrontiert wird.
Im Kindergarten messen sich die Kinder schon an Spielen und Fähigkeiten daran,
wer der oder die Bessere ist, gefolgt vom Schulalltag, wo die Kinder mit Noten
beurteilt werden. Im Berufsleben gibt es diese Art von Wettkampf ebenfalls, da
der oder die Bessere eine Arbeitsstelle bekommt oder vertrauenswürdigere
Aufgaben zugeteilt bekommt. Um die bestmöglichsten Ziele zu erreichen, sind
Menschen beinahe dazu gezwungen bei diesem Konkurrenzkampf
mitzumachen. „[…] man ist gezwungen, blödsinnige Artikel, leeres Geschwätz,
ein enormes Arsenal von Täuschungsmanövern, Mystifizierungsstrategien,
intrigante Spielen zu erfinden, […]. (Jäger 1975: 68) Das bedeutet, dass die
Methoden der Manipulation von der Gesellschaft schon vorgegeben werden.
Wenn man sich nicht dazu bereit erklärt, diese Täuschungen durchzuführen,
dann geht man in der Masse der vielfältigen Leute unter. Zudem wird erwähnt,
dass es nicht ausreicht die anderen als unfähig darzustellen, sondern man auch
die Vorzüge der eigenen Person hervorheben muss. „[…] man muß
ausgeklügelte Techniken bereitstellen, die Leistungen der anderen zu schmälern,
zu entwerten, damit sie sich möglichst schlecht verkaufen können, und
Techniken, selbst mehr zu scheinen als man ist, um sich möglichst extra-
profitabel zu verkaufen. (Jäger 1975:68)

71
11.1. Klasse und Schicht im Sozialisationsprozess des
Sprachverhaltens

Die Gesellschaft, der alle Menschen in verschiedenen Kulturen und Nationen


unterliegen, ist durch untergeordnete Sozialgebilde, wie Familie,
Wirtschaftseinflüsse, Religionen und dergleichen, geformt. Diese Menschen sind
wiederum in Klassen eingeteilt, die ihre Stellung in dieser Gesellschaft
wiedergeben. Sie können einander über-, unter- oder nebengeordnet sein.
Dennoch unterscheiden sich diese Personen individuell voneinander, indem sie
unterschiedliche Rollen in ihrer Klasse, und demnach der gesamten Gesellschaft,
einnehmen. (vgl. Francis 1957: 118f) Durch diese Charakterisierung entstehen
mehrere Klassen, die sich durch ihr Wohlhaben, ihre Lebensweise und ihre
Sprache unterscheiden. Die soziale Schicht wird nicht nur durch die
verhältnismäßige Macht über Menschen oder Dinge bestimmt, sondern auch von
„zeitlicher Priorität, Leistung, Lebensstil, Bildungsniveau und vielen anderen
Kriterien, deren Bewertung kulturell bedingt ist und von Kultur zu Kultur wechselt“
(Francis 1957: 120f)
Demnach ist die Klasseneinteilung, wie auf den ersten Blick wohlmöglich
vermutet nicht nur von dem Wohlstand und Geldbesitz abhängig. Es spielen
andere Persönlichkeitsmerkmale ebenfalls eine Rolle, die eine Person ihren
allgemeinen Eigenschaften nach einer bestimmten Klasse zuordnen. Im Laufe
des Lebens wird eine Person von vielen äußeren Faktoren beeinträchtigt, die ihre
gesellschaftliche Situation bestimmen. Die ökonomische Struktur der
Gesellschaft spielt dabei eine wichtige Rolle, da diese Art von äußeren Einflüssen
eine oft unbewusste und widerwillige Einstellung verursachen. „Es ist nicht das
Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr
gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt“. (Hager 1973: 216)
Diese Annahme ist auch im Alltag ersichtlich. Wenn man vom Schulalter
ausgeht, in dem sich viele Menschen in einer der wichtigsten Perioden ihres
Lebens befinden, kommt man zu dem Entschluss, dass sich in einer
Klassengemeinschaft ähnliche Klassenschichten bilden. Ebenso wie im
alltäglichen Leben setzen sich diese durch verschiedene Komponenten
zusammen. Diese Komponenten unterscheiden sich nur wenig von den schon
genannten. Wohlstand, Leistung und Lebensstil stehen also im Vordergrund

72
dieser Einteilungsgrundlagen. Jeder Schüler hat eine eigene Stellung in der
Klasse und erhält demnach zum Teil eigene Aufgaben, die zu erfüllen sind. Diese
Klassifizierung wird im Berufsleben weitergeführt. Die Klassenzuweisung vom
Kleinkindalter verfolgt eine Person auf längere Sicht auch in späteren
Situationen. Wenn jemand also aufgrund seiner oder ihrer Schichtzugehörigkeit
nicht die Möglichkeit hatte ein gewisses Bildungsniveau zu erreichen, bleiben ihm
oder ihr auch in Zukunft viele Möglichkeiten verwehrt. „Nur noch der ‘Fachmann’
ist in der Lage, sich im Dschungel moderner Terminologien zurechtzufinden.“
(Badura 1973: 103)
Zusätzlich ist es möglich eine Subkategorie dieser Schichten zu klassifizieren,
wenn man sich genauer auf die Sprache konzentrieren möchte. Es können
mehrere Sprachschichten unterschieden werden, die von ihren behandelnden
Bereichen abhängig sind. Es gibt Kategorien der wissenschaftlichen, Verkäufer-
und Werkstattsprache. Um der Manipulation durch Sprache näher auf den Grund
zu gehen ist die „Verkäufersprache“ die hier entscheidende. Dabei geht es nicht
nur darum Sprache zu verwenden, um Produkte zu verkaufen, sondern auch um
die Möglichkeit jemandem seine persönliche Meinung in gewisser Weise zu
verkaufen. Diese Manipulanten können unterschiedliche Rollen einnehmen und
je nach Situation und Notwendigkeit ihren Sprachgebrauch anpassen. „Ebenso
wie der einzelne über mehrere Rollen verfügt, verfügt er auch über mehrere
entsprechende Rollensprachen, deren Mobilisierung von der jeweiligen Rolle, der
jeweiligen Situation und dem jeweiligen Gesprächspartner abhängt.“ (Badura
1973: 104) Dennoch hat diese sprachliche Ausdrucksweise, die von ihren
vielfältigen Rollen abhängig ist, auch eine zusätzliche moralische und
zwischenmenschliche Funktion. Die Rollensprache ermöglicht es dem Sprecher
Respekt und Ehrfurcht ihrem Gesprächspartner zu vermitteln, der die verwendete
Sprache nicht verstanden hat. Die Verkaufssprache hat hier eine besonders
starke Wirkung vor allem im Markt- und Politikbereich, wie Badura explizit
hervorhebt:

Naive Wissenschaftsgläubigkeit kann hier zu kommerziellen oder politischen


Zwecken ausgenutzt werden. Dies geschieht, wenn sich Reklame
fachsprachlicher Termini bedient, um die Vorzüge neuer Waren zu
suggerieren. Dies geschieht aber auch, wenn in der Politik,
interessenbedingte Entscheidungen mit „Sachzwängen“ in einer meist stark

73
mit ökonomischen Termini durchsetzen Sprache gerechtfertigt werden. Durch
die Wahl einer nicht allgemein verständlichen Sprache werden dann
politische Sachverhalte der öffentlichen Kontrolle entzogen. An die Stelle der
Begründung tritt eine nicht hinterfragte und für viele nicht hinterfragbare
Autorität der Fachleute. (Badura. Sprachbarrieren: 105)

Diese Erkenntnisse von Badura sind entscheidende Faktoren in der


manipulativen Kommunikation. Das bedeutet, dass viele Fachausdrücke die von
Konzernen und Politikern verwendet werden, durch das Unwissen der
Bevölkerung als wahrheitsgetreu, sinnvoll und akkurat angesehen werden.
Dieses Unwissen und die daraus resultierenden Falschannahmen haben nicht
nur einen Einfluss auf das Denken und Handeln der beteiligten Personen,
sondern auch auf den Rest der Mitbürger.

11.2. Der Zusammenhang von Soziolinguistik und Intelligenz

„[…] schichtspezifische Sprachunterschiede unabhängig von der


gemessenen nichtverbalen Intelligenz bestehen. Sprachliche Unterschiede
existieren also nicht aufgrund unterschiedlicher genetische Anlagen, sondern
sind über die Sozialstruktur vermittelt.“ (Dittmar 1973: 36) Diese Behauptungen
werden durch unterschiedliche Tests gemessen, da Arbeiter, die der unteren
Sozialschicht angehören, bei sprachlichen Tests schlechtere Ergebnisse
erzielen, als bei nicht sprachlichen. Demnach ist offensichtlich, dass verbale
Tests anspruchsvoller sind und von den verbalen Situationen abhängig sind,
denen eine Person des Öfteren ausgesetzt wurde. Aufgrund dieser schlechteren
verbalen Ausdrucksfähigkeit lässt sich schlussfolgern, dass diese Personen eine
weniger gute Ausbildung abgeschlossen haben. Eine geringere Ausbildung und
die Möglichkeit das Wissen zu erweitern nicht zu haben, schlägt auf eine
schwächere Sozialisation und demnach weniger ausgeprägte Intelligenz zurück.
(vgl. Dittmar 1973: 37f) Weitere Gründe für diese Ergebnisse sind die
Erziehungsmethoden der Eltern. Wie bereits erwähnt, neigen Eltern der
Unterschicht dazu einen Befehlston und Appelle an ihre Kinder zu richtigen, das
grundsätzlich einem autoritären Erziehungsstil nahekommt. Diese
Erziehungsweise gibt den Kindern weniger Freiraum eigene Erfahrungen zu
machen und eigene Entscheidungen zu treffen, die ihnen bei der Entwicklung der

74
Intelligenz helfen würden. Der Intelligenzquotient setzt sich aus der Fähigkeit
gute und sinngemäße Entscheidungen in neuen Situationen zu treffen,
zusammen. Deshalb ist diesen Theorien nach auch offensichtlich, dass die
kleineren IQ-Werte von Kindern aus der Unterschicht auf die
Erziehungsmethoden der Eltern zurückfallen. (vgl. Hager 1973: 224) „In der Art
der Begriffsbildung spiegelt sich ihr konkretes Denken wider; sie antworten
emotional und lassen jede Art von Abstraktionen vermissen.“ (Dittmar 1973: 41)
Diese Begründung lässt sich aus dem bevorzugten autoritären Erziehungsstil
herleiten. Eine emotionale Reaktion auf Fragen und Probleme erklärt die
Unfähigkeit sich verbal geschickt und akkurat ausdrücken zu können. Zusätzlich
resultiert aus den Erziehungsmethoden der Eltern und der verbalen
Kommunikation mit ihren Kindern die Annahme, dass die
Wahrnehmungsfähigkeit dieser Kinder mit der Ausdrucksfähigkeit korreliert. (vgl.
Dittmar 1973: 42) Demzufolge erzielen Kinder mit einem aktiveren
Sprachgebrauch insgesamt eine bessere Leistung. Sie sind neugieriger und
aufmerksamer als andere, was wiederum zur Folge hat, mehr Informationen und
Wissen speichern zu können. Wenn sich also die Umgebung eines Individuums
verändert, besteht die Möglichkeit, dass sich auch sein oder ihr Sprachgebrauch
verändert, was zum Ergebnis führen kann die Wahrnehmung zu beeinträchtigen.
Da also diese Voraussetzungen die Wahrnehmung beeinflussen und die
Wahrnehmung wiederum die Intelligenz beeinflusst, befinden sich solche
Personen in einem Teufelskreis, den sie nur sehr schwer verlassen können.

11.3. Strategien der Persuasion

Sinnvolle Verwendung der Sprache in verschiedenen Sozialstrukturen hängt


von mehreren Faktoren ab. Um Kommunikation erfolgreich meistern zu können,
ist die Wahl der Wörter mit ihrer eigenständigen Bedeutung und die
darauffolgende Interpretation der Nachrichtenempfänger essentiell. Das hängt
von der Absicht des vermittelten Inhalts ab und von den Interessen die der
Sprecher durch seine Mitteilung erzielen möchte. Zusätzlich hängt eine
erfolgreiche Kommunikation und vor allem, wenn gewollt, Manipulation von der
Art des Publikums und den Zuhörern, sowie von dem vorhandenen

75
Wortgebrauch, der aus dem Rollensystem entstanden ist, ab. (vgl. Badura 1973:
52)
Um persuasiv vorgehen zu können, müssen jedoch gewisse Wörter
zugänglich sein, die allgemein gebräuchlich sind, eine beschreibende Bedeutung
haben und eine intensive emotionale Bedeutung aufweisen. Dieser letzte
Ansatzpunkt ist einer der entscheidendsten. Die emotionale Verbindung zu
einem Wort- beziehungsweise Sprachverhalten erreicht die Menschen an ihrer
anfälligsten Stelle. Emotionale Verknüpfungen mit Entscheidungen beeinflusst
das darauffolgende Urteilen und Handeln. Zudem sind die Menschen durch
emotionale Einflüsse manipulativ einfacher zu lenken. „Manipulative Ausbeutung
der alltagssprachlichen Ungenauigkeiten und des in der Alltagssprache
angesammelten Potentials emotiver Besetzungen von Worten kann bei allen
verbalen Taktiken im Interesse der Sprechenden bzw. Schreibenden eingesetzt
werden.“ (Badura 1973: 56) Diese Schwäche wird sowohl von politischen
Parteien als auch für kommerzielle Werbezweck ausgenutzt. Die Gefühle eines
Menschen schlagen sich auf ihr allgemeines Verhalten nieder, manchmal
bewusst, manchmal unbewusst. „In jede Entscheidung, in jede
Verhaltensäußerung fließen als Beweggründe Emotionen ein. […] Ungefähr
neunzig Prozent des Verhaltens eines Menschen ist durch seine Emotionalität
bestimmt“ (Prost 1990: 83f) Trotzdem ist nicht nur die emotionale Wirkung auf
den Hörer von großer Bedeutung, wenn es zum manipulativen Sprechen kommt,
sondern auch das emotionale Empfinden des Sprechers. Persönliches Interesse
und emotionale Verbundenheit zu einer gewissen Position oder einer bestimmten
Information, an der er oder sie andere teilhaben lassen möchte, beeinflusst die
manipulative Fähigkeit und die Möglichkeit seinen Willen durchzusetzen. Der
Vorgang der Manipulation eines Politikers bezieht sich auf einen
Selbstbehauptungskampf des jeweiligen Politikers, um sich selbst in einem
besseren Licht darzustellen als der Gegner. Die Ziele dieser Personen sind es in
einer politischen Situation seine eigenen Herrschaftschancen zu erhöhen und die
des Gegners einszuchränken. „Der Sprechende gibt vor, eine Veränderung der
Ausgangssituation durch eine von ihm vorgeschlagene Entscheidung führe zu
einer für alle Beteiligten vorteilhaften Endsituation.“ (Rucktäschel 1972: 106) Ein
sehr wichtiges taktisches Mittel, um erfolgreicher als der Gegner Manipulation
durchzuführen, sind ideologische Aussagen. Diese haben die Fähigkeit eine

76
bestimmte Situation verschiedener sozialer Gruppen zu einer sozialen Einheit
erscheinen zu lassen, indem sie sich auf die sozialwissenschaftlichen Ansprüche
beziehen. Politiker die in einer Demokratie für sich kämpfen, haben demnach
keinen speziellen Gebrauch seine Reden vorzutragen, da sie sich auf die
Sprache aller beteiligten Mitglieder der Bevölkerung konzentrieren. Dadurch
haben sie eine größere Reichweite und können mehr Leute auf ihre Seite ziehen.
Aus all diesen bisher genannten Gründen fungiert die Sprache als einziges
legitimes Mittel politischen Handelns. (vgl. Rucktäschel 1972)
Nichtsdestotrotz sind politische Einflussnahmen von unterschiedlichen
Situationen gekennzeichnet. Sie können eine entscheidende Wirkung auf den
Ausgang einer Rede haben, wenn Zwischenrufe durch die Zuhörer gestattet sind,
oder wenn der Redner nur die Rede in einem Zug durchführt. Bei Zwischenfragen
und Unterbrechungen kann der Politiker beeinflusst werden und muss demnach
seine Rede diesen Kommentaren anpassen. Bei einer selbstständigen
durchlaufenden Rede hat er oder sie die Möglichkeit ohne jegliche Einwände
seinen Standpunkt zu vertreten. (vgl. Rucktäschel 1972)
Sowohl die eine als auch die andere Variante haben Mittel, die sie beim
Ausdruck ihrer Rede unterstützen. Ein sehr wichtiger Bestandteil aller Reden und
Manipulationsversuche sind Schlagwörter. Sie haben einen gewissen Reizwert
und bleiben mit einer höheren Wahrscheinlichkeit den Hörern in Erinnerung.
Zudem fordert die Wirkung dieser Schlagwörter die Zuhörer zu einer negativen
oder positiven Reaktion heraus, was das Ziel des Sprechers grundlegend
unterstützt. Obwohl sehr wenige Sprecher diese Schlagwörter beschreiben und
ihre wahre Bedeutung erklären, haben diese einen so starken Einfluss, da sie
wiederum auf die emotionale Ebene der Menschen zugreifen. Die
Charakteristiken dieser Schlagwörter hängen vom teilweise unklaren Wortinhalt,
wiederholten Gebrauch und dem Ausmaß des Reizwertes ab. (vgl. Rucktäschel
1972) Diese Schlagwörter und andere Arten von Sprachgebrauch haben oft eine
versteckte Absicht und Wirkung, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind,
aber eine enorme Reaktion hervorrufen können.

77
12. Sprachgebrauch und ihre Funktion in den
Unterrichtseinheiten

Die Art und Weise wie man einem Gesprächspartner mit dem Medium
Sprache gegenübertreten soll, ist von den gegebenen Gesprächssituationen
abhängig. Ebenso ist die Tonart, die man in einem Gespräch verwendet für den
korrekten Empfang einer Nachricht ausschlaggebend. „Man kann z.B. freundlich
mit jemand sprechen und diese Freundlichkeit des Sprechens ist unabhängig von
den bestimmten Wörtern und Wendungen, deren man sich dabei bedient.“
(Bollnow 1966: 73) Dieser Gesprächston und die Haltung einer Person seinem
Gesprächspartner gegenüber sind Arten sich auf verbale oder nonverbale weise
auszudrücken. Die Person, die das Gespräch anführt, gibt den Gesprächston an
und gibt den Verlauf des Gesprächs an. Zudem ist jedoch auch essentiell, wie
das Gegenüber darauf reagiert, um ein erfolgreiches oder scheiterndes
Gespräch zu erzielen. Dabei besteht die Möglichkeit, die Tonart anzunehmen
und in gleicher Weise zu antworten, oder einen komplett anderen Ton
einzuschlagen. Bei bekannten Personen und Menschen, die öfter miteinander
kommunizieren entwickelt sich ein gemeinsamer Umgangston, der dem
Gespräch die Richtung vorgibt. Der Gesprächston zwischen zwei Personen gibt
die Rollenverteilung vor, Dennoch kann nicht jedes Thema in jedem beliebigen
Gesprächston wiedergegeben und behandelt werden. Der Sprecher, der den
Gesprächston vorgibt, entscheidet somit auch darüber, welche
Gesprächsthemen besprochen werden können und wie der andere darauf
reagieren kann. (Bollnow 1966: 74f)

12.1. Der Unterrichtston

Beim Unterrichtston geht es darum, den Ton zwischen einem Kind und
seinem Erzieher und die Antworten, die durch das Verhalten wiedergegeben
werden, näher zu beschreiben. (vgl. Ballnow 1966: 81) Vor allem neue Lehrer
haben hier eine schwierige Aufgabe. Zum einen bestimmt der Ton, der anfangs
vorgegeben wird die restliche Atmosphäre in einer Klasse und zum anderen ist
die Bandbreite der Tonarten enorm groß. Um die Stellung als Autoritätsperson in
einer Klasse festzulegen und konstant beizubehalten, müssen unterschiedliche

78
Faktoren einbezogen werden. Diese dürfen aber nicht den Unterricht als solchen
gefährden. „[…] denn der Unterricht hat eine eigene unverkennbare Weise zu
sprechen, die nicht preisgegeben werden darf, ohne ihn in seinem Charakter als
Unterricht, als Ernst und Aufmerksamkeit erfordernde Belehrung zu gefährden.“
(Ballnow 1966: 81)
Vor allem bei den Kindern ist der Unterschied der Tonart eine wichtige
Differenzierungsweise zwischen den Welten ihrer Kommunikationsmöglichkeit.
Kinder und Jugendliche haben unterschiedliche Gesprächstöne, wenn sie mit
ihren Erziehern sprechen, als mit ihren gleichaltrigen Gesinnten. Abgesehen
davon nehmen die Lehrer die Rolle der Erzieher ein und würden durch die
Verwendung eines lockeren Gesprächstones ihre eigene Stellung den Kindern
gegenüber gefährden. Zudem hat der Lehrer die Pflicht sich durch angemessene
Sprechweise im Unterricht auszudrücken und benötigt dafür möglicherweise
mehr Vokabeln, als im alltäglichen Sprachgebrauch. Das hat den Sinn, dass das
beabsichtigt Vermittelte zur Gänze an die Zuhörer übertragen werden kann. (vgl.
Bollnow 1966: 82)
Die Verwendungsarten der Tonart in der Schule können auf zweierlei Weisen
erfasst werden. Der Lehrer muss sich also persönlich mit den Schülern in einem
Gesprächston unterhalten und zudem einen Unterrichtston anstreben, um sein
Wissen an sie weitervermitteln zu können. Auf diese Weise gibt der Erzieher hier
den Gesprächston an und formt die Sprechweise und Haltung der
angesprochenen Schüler. Wie unter Punkt 11. erläutert wurde, ist die Sprache
der Erwachsenen eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung der
Kinder. Sie hat Einfluss auf die Intelligenz und allgemeine Leistungsfähigkeit der
Kinder. Auch in der Schule wird die Sprache zum Mittel einer erzieherischen
Maßnahme. (vgl. Bollnow 1966: 83) Aufgrund dessen sind die Eltern nicht die
einzigen Vorbilder im Leben der Kinder, die einen Einfluss auf deren Entwicklung
haben. Kinder verbringen sehr viel Zeit ihrer wichtigsten Lebensjahre der
Prägung in der Schule und lernen somit sprachliches Verhalten auch von ihren
vortragenden Lehrern.
Bei der Aneignung des Unterrichtsstoffes stehen Schüler/innen in einer
ständigen Wechselwirkung von Kognition und Kommunikation mit ihren
Vortragenden. (vgl. Gasde et al. 1974: 353) Die Vermittlung von Bildung und
Erziehung geschieht durch die Verwendung von unterschiedlichen

79
Unterrichtsmethoden, die vom Lehrer selbst gesteuert werden können. Bevor der
Lehrer eine Unterrichtsstunde hält, widmet er sich einer Unterrichtsplanung, um
die Ziele des Unterrichts festzulegen. „Durch die Bestimmung der
Unterrichtsziele gewinnt der Lehrer gleichzeitig Klarheit über die Funktion der
Unterrichtsstunde als Kommunikationsereignis.“ (Gasde et al. 1974: 356)
Grundsätzlich sollen Schüler nach einer Unterrichtseinheit fähig sein, den
gelehrten Stoff wiederzugeben, Dinge und Namen zu benennen, Unterschiede
aufzuzählen oder Prozesse zu beschreiben. Diese Aneignungen sind
kommunikativer Natur und setzten eine gute Ausdrucksweise voraus. Falls diese
nicht bestehen sollten, wird die Darstellungsweise dieser Ergebnisse mit dem
Inhalt eines Themas im Unterricht mitgelernt.

12.2. Manipulation erlernen

Die Definition der Manipulation lässt sich durch das Bewusstsein der
allgemeinen Menschenmasse erklären. Objektive Interessen werden dabei
imperialistischen Ideologien16 angepasst (vgl. Gasde et al. 1974: 482) „Sie ist die
‘Zurichtung des ganzen Menschen, aller seiner Gedanken und Handlungen im
systemkonformen Sinne.‘“ (Gasde et al. 1974: 483) Die Manipulation besteht aus
unzähligen Herrschaftstechniken, die subjektive Vorteile zur Folge haben. Durch
das Wachstum der Medien hat die Manipulation eine höhere Stellung erlangt, die
eine Irreführung der Bevölkerung unterstreicht. Anfänglich wurde durch
Manipulation Einfluss auf die Arbeiterklassen genommen, die leichter
beeinflussbar waren, da sie von höheren Ständen abhängig waren. Opfer der
Manipulation sind alle möglichen Schichten und Klassen. Eigenständige
Persönlichkeiten und die geistige Einflussnahme sollen beeinträchtigt werden
und zu Gunsten der Menschen an höheren Positionen geformt werden:

„Die ‘Manipulatoren’ versuchen, auf Denken und Fühlen der Menschen einen
solchen Einfluß zu gewinnen, daß letztlich der ‘Idealtyp‘ ihrer ideologischen
Formierung erreicht wird, nämlich ‘der gehorsam und unter vollem Einsatz seiner
Person arbeitende, auf seinem Spezialgebiet gut ausgebildete, politisch aber
gleichermaßen verständnislose wie inaktive Untertan, der aus einer politischen
Verständnislosigkeit heraus für imperialistische Interessen leicht aufputschbar

16 Ideologie einer politischen Führung, um Einfluss nehmen zu können

80
und mobilisierbar ist.“ (Gasde et al. Sprachliche Kommunikation und
Gesellschaft: 484)

Wenn man diese Erkenntnisse auf andere Situationen umlegt, können


manipulative Strategien erlernt werden. Worte haben die Fähigkeit
Gedankensysteme zu transportieren. Trotzdem muss darauf geachtet werden,
dass man mit einer bestimmten Wortwahl nicht das Gegenteil seiner eigenen
Absichten erreicht. (vgl. Prost 1990: 31)
Zuerst hat jemand, der keine Übung in manipulativer Interaktion hat, die
Möglichkeit bestimmte Begriffe so oft wie möglich zu verwenden, um diese
seinem Gegenüber selbstverständlicher erscheinen zu lassen. Danach ist es
wichtig, den Zuhörer dazu zu bringen diese Begriffe selbst so oft wie möglich zu
verwenden, da das zu einer Akzeptanz des Inhalts führt. Zudem ist es von großer
Bedeutung, die Gedankensysteme des anderen zu beeinträchtigen, indem man
diese für nichtig oder mangelhaft erklärt. Wenn das erreicht wurde, besteht der
nächste Schritt darin, seine eigene Meinung als Lösungsweg vorzustellen. (vgl.
Prost 1990) Wie schon in früheren Kapiteln erwähnt ist ein grundlegender Schritt
Manipulation ausüben zu können, die Überzeugungen seiner Gegner oder der
Zuhörer als schlecht oder unzureichend zu präsentieren. Demnach erhält die
eigene Meinung und Stellungnahme einen höheren Stellenwert für diese
Personen.
Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Individuen sind immer
vorhanden. Manchmal jedoch gibt es Bereiche in der sozialen Umgebung, über
die sich eine Person selbst nicht einig werden kann und keine entscheidende
Meinung zu fällen vermag. Durch die Einflussnahme von bestimmten Wörtern,
können gegensätzliche und widersprüchliche Meinungen miteinander verbunden
werden und ins Bewusstsein geschleust werden. Durch die andauernde
Einflussnahme und Gewöhnung an diese Wörter und Annahmen, ist es nicht
möglich diesen Bewusstseinsmanipulationen zu entgehen (vgl. Prost 1990: 48)
Wenn Menschen mit einer Situation nicht zufrieden sind, dann benötigen sie eine
Abwechslung oder Veränderung. In dieser Lage ist es für eine andere Person
einfacher Einfluss auf die Persönlichkeitsstruktur und emotionale Beschaffenheit
eines anderen Menschen zu nehmen. Wenn es jemandem möglich ist, die
negativen Reize eines anderen zu steuern, erlangt er Macht über dessen

81
Gedankensystem. Dabei kann es zu einer Unklarheit zwischen Fantasie und
Realität kommen, die die betroffene Person anfälliger macht, manipuliert zu
werden. Wenn man zusätzlich noch erreicht, dass die manipulierte Person sich
selbst in einer dieser aufgezwungenen Situationen wohl zu fühlen beginnt und
eine eigene Funktion darin entwickelt, dann verfestigen sich die neuen
Gedankensysteme und Verhaltensweisen von selbst. Abgesehen von diesen und
zuvor erwähnten Strategien (Verwendung von Schlagwörtern), geschieht
Manipulation auch im alltäglichen Sprachgebrauch immer wieder. Oft ist man sich
dessen nicht bewusst, da man keine explizite Absicht hat, jemand anderen so
stark zu beeinflussen. Dennoch kommt es unbewusst zur Persuasion, da man in
vielen Lebenssituationen gezwungen ist, seine eigene Meinung und persönliche
Darstellung zu präsentieren. In Gesprächen mit Freunden und Familie geschieht
dies oft, wenn man von persönlichen Erlebnissen und vor allem Erkenntnissen
spricht, von denen das Gegenüber keine Möglichkeit hat Erfahrungen zu
erlangen. Zusätzlich wächst man sein ganzes Leben lang in einem
Konkurrenzkampf auf, der es von den beteiligten Menschen erfordert, durch
sprachliche Geschicklichkeit seine Ziele zu erreichen. In diesem Fall kann es des
Öfteren zu manipulativen Einflussmechanismen kommen, die diesen Personen
eine Machtposition verleihen.

13. Schlussbemerkung

Der Manipulation durch Sprache wird im Alltag sehr wenig Aufmerksamkeit


geschenkt. Obwohl alle Menschen davon umgeben sind und ständig unter
dessen Einfluss stehen, widmen sie sich nicht den Gründen und Funktionen
dieser. Die meiste Zeit dringen kommerzielle und politische Machtvertreter in
unsere Gedanken ein, ohne dass uns das bewusst ist. In dieser Arbeit wurde
gezeigt, welchen Funktionen, Modellen und Sprechweisen die Sprache unterliegt
und wie diese genutzt werden können, um Einfluss auf das Denken und Handeln
anderer zu nehmen. Obwohl auch die moralische Richtigkeit manipulativer
Reden in Frage gestellt wurde, ist immer wieder zu erkennen gewesen, dass
Manipulatoren diesen keine weitere Beachtung schenken. Zudem konnte in
Erfahrung gebracht werden, dass gesellschaftliche Sozialstrukturen das Ausmaß
und die allgemeine Manipulationsfähigkeit mancher Menschen bevorzugt

82
unterstützten. Die Intelligenz, Bildung und Leistungsfähigkeit korrelieren mit der
Möglichkeit sprachlich manipuliert zu werden. Psychologen und Linguisten haben
gezeigt, dass die sprachliche Interaktion mit Eltern und anderen Erziehern die
Selbstständigkeit und Intelligenz fördern oder mindern. Manchmal jedoch, durch
vorhandene oft ungewollte Situationseinflüsse, haben diese Menschen keine
Möglichkeit ihre Erziehungsmaßnahmen zu verbessern. Abgesehen davon
konnte ebenfalls zur Kenntnis genommen werden, dass jede Person die
Fähigkeit und Möglichkeit besitzen kann, andere Menschen in ihrem sozialen
Umfeld zu manipulieren. Dazu sind Strategien notwendig, die keine allzu
anspruchsvollen Leistungen erfordern. All dem entgegen zu bringen ist, dass
eine starke eigene Meinung und die Vermeidung manipulativer Einflüsse Macht
über die eigene Person und Persönlichkeit verleiht.

83
14. Literaturverzeichnis

Althof, Wolfgang (1996). Lawrence Kohlberg: Die Psychologie der


Moralentwicklung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Badura, Bernard (1973). Sprachbarrieren: Zur Soziologie der Kommunikation.


Stuttgart: problemata frommann-holzboog.

Baumann, Gustav (1913). Ursprung und Wachstum der Sprache. München: R.


Oldenbourg.

Betz, Werner (1975). Sprachkritik- Das Wort zwischen Kommunikation und


Manipulation. Zürich: Edition Interfrom AG.

Bollnow, Otto Friedrich (1966). Sprache und Erziehung. Stuttgart: W.


Kohlhammer GmbH.

Braunroth, Manfred et al. (1975). Ansätze und Aufgaben der linguistischen


Pragmatik. Frankfurt am Main: Athenäum Fischer Taschenbuch Verlag.

Cicourel, Aaron V. (1975). Sprache in der sozialen Interaktion. München: Paul


List Verlag KG.

Crystal, David (1993). Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache. Frankfurt am


Main: Campus-Verlag.

Dittmar, Norbert (1973). Soziolinguistik: Exemplarische und kritische


Darstellung ihrer Theorie, Empirie und Anwendung. Mit kommentierter
Bibliographie. Frankfurt am Main: Athenäum Verlag.

Engels, Helmut (1992). “Wie man der Mehrdeutigkeit der Sprache im


Philosophieunterricht begegnen kann“. Zeitschrift für Didaktik und Philosophie.
Hannover: Schroedel.

Francis, E.K. (1957). Wissenschaftliche Grundlagen soziologischen Denkens.


Bern: Francke Verlag.

Gasde, Dieter et al. (1974). Sprachliche Kommunikation und Gesellschaft.


Berlin: Akademie Verlag.

84
Göttert, Karl-Heinz (2009). Einführung in die Rhetorik. (4. Aufl.). Stuttgart: UTB
GmbH W. Fink.

Hacking, Ian (1984). Die Bedeutung der Sprache für die Philosophie. Band 10.
Königstein/Ts: Hain.

Hager, Frithjof, Hartmut Haberland, Rainer Paris (1973). Soziologie und


Linguistik: Die schlechte Aufhebung sozialer Ungleichheit durch Sprache.
Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhandlung.

Heringer, Hans Jürgen (1990). “Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“: Politik,
Sprache, Moral. München: C.H.Beck Verlag.

Hindelang, Götz (2010). Einführung in die Sprechakttheorie. Sprechakte,


Äußerungsformen, Sprechaktsequenzen. Berlin, Boston: De Gruyter. (accessed
May 30, 2017, from http://www.degruyter.com/view/product/43627)

Jäger, Siegfried (1975). “Probleme der Soziolinguistik”. In: Helmut Kreuzer,


Wolfgang Klein, Rul Gunzenhäuser, Wolfgang Haubrichs (eds.). Zeitschrift für
Literaturwissenschaft und Linguistik. (Beiheft 3). Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht.

Klaus, Georg (1969). Die Macht des Wortes: Ein erkenntnistheoretisch-


pragmatisches Traktat. (5. Aufl.) Berlin: VEB Deutscher Verlag der
Wissenschaften.

Kleinpaul, Rudolf (1972). Sprache ohne Worte: Idee einer allgemeinen


Wissenschaft der Sprache. The Hague: Mouton.

Krauss, Ronald M., Fussell, Susan R. (1996). ”Social Psychological Models of


Interpersonal Communication”. In: E.T. Higgins & A. W. Kruglanski (eds.),
Social Psychology: Handbook of Basic Principles. New York: Guilford Press,
655-701.

Lacan, Jacques (1953). “Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in
der Psychoanalyse.“ In: Schriften I. (4. Aufl.) Olten: Walter.

85
Lyons, John (1971). Noam Chomsky. München: Deutscher Taschenbuch
Verlag.

Morris, Charles William (1973). Zeichen, Sprache und Verhalten. Düsseldorf:


Pädagogischer Verlag Schwann.

Morris, Charles William (1988). Grundlagen der Zeichentheorie Ästhetik der


Zeichentheorie. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Müller, Anna-Lisa (2011). "Worte schaffen Soziales: Wie Sprache Gesellschaft


verändert." In: Journal für Psychologie 19, no. 1: 1-15. Academic Search
Complete, EBSCOhost (accessed May 30, 2017).

Müller, Ralph-Axel (1991). Der (un)teilbare Geist: Modularismus und Holismus


in der Kognitionsforschung. Berlin: Walter de Gruyter.

Plate, Markus (2015). Grundlagen der Kommunikation. Gespräche effektiv


gestalten. (2. Aufl.) Göttingen, Bristol: Vandenhoeck & Ruprecht.

Prost, Winfried (1990). Manipulieren durch Sprache: Unterschwellige


Beeinflussung erkennen, einsetzen, abwehren. 3. Aufl. München: Heyne.

Prost, Winfried (2010): Rhetorik und Persönlichkeit. Wie Sie selbstsicher und
charismatisch auftreten. (1. Aufl.). Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Röhner, Jessica, Astrid Schütz (2016). Psychologie der Kommunikation. (2.


Aufl.). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Rucktäschel, Annamaria (1972). Sprache und Gesellschaft. München: Wilhelm


Fink Verlag.

Rusch, Gebhard, Siegfried J. Schmidt (1994). Piaget und der Radikale


Konstruktivismus. (1. Aufl.). Frankfurt am Main: Suhrkamp (Delfin).

Segerstedt, Torgny T. (1947). Die Macht des Wortes: Eine Sprachsoziologie.


Zürich: Pan Verlag.

Watzlawick, Paul, Beavin, J.H., Jackson, D.D. (2000). Menschliche


Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien (10. Aufl.). Bern: Hans Huber.

86
Wenzel, Ursula, Matthias Hartig (1977). Sprache- Persönlichkeit- Sozialstruktur.
Hamburg: Hoffmann und Campe.

Wittgenstein, Ludwig (1921): “Tractatus logico-philosophicus: Logisch-


philosophische Abhandlung“. In: Wilhelm Oswald, ed. Annalen der
Naturphilosophie, Band. 14: Leipzig: Unesma, 185-262.

87

Das könnte Ihnen auch gefallen