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Wellenreiten 21/1/24 13:05

KLASSIK

Wellenreiten

Wie fliegt der Holländer? Bei Wagner flott durch die Fluten.

Mario Gerteis

Wann hört die «alte Musik» auf? Einige meinen: bei Bach & Co.
Andere sagen: bei den Wiener Klassikern. Der Dirigent Bruno Weil
stürmt mit Originalinstrumenten und «authentischem» Klang in die
Romantik. Nach Webers «Freischütz» ist er jetzt mit dem
«Fliegenden Holländer» beim jungen Richard Wagner gelandet. Ein
logischer Schritt, Wagner sah sich durchaus in (früh)romantischer
deutscher Tradition; samt – er war eben kein Kostverächter –
Verbeugung vor den Italienern Rossini und Bellini.

Als «Der fliegende Holländer» 1843 in Dresden zur Uraufführung


kam, war dies bereits eine zweite Fassung. Zunächst war das Stück
für Paris bestimmt, wurde dort jedoch abgelehnt. Bruno Weil greift
nun auf diese erste Version zurück, die übrigens noch nicht in
Norwegen, sondern in Schottland handelt (auch mit teilweise
geänderten Namen: der geschäftstüchtige Kaufmann Daland heisst

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hier Donald; Erik der Jäger Georg). Bei allen Einflüssen, die sich
Wagner noch so gerne aneignete, wird freilich auch das revolutionär
Neue spürbar: Psychologie und Bühneneffekte im Dienste eines
frappierenden Realismus.

Wir machen zwei Hörproben. Zunächst die Ouvertüre: Weil operiert


bei der auf ihn eingeschworenen Cappella Coloniensis mit
bescheidener Streicherzahl (alle mit Darmsaiten), unterscheidet bei
Hörnern und Trompeten genau zwischen Natur- und
Ventilinstrumenten. Das Blech gibt sich dominant und ziemlich rau,
ein äusserst charakteristischer Klang (den Wagner in der
Überarbeitung milderte). Die Tempi frisch und flüssig, wozu die
direkt anspringende Artikulation natürlich verlockt. Kurzum, der
fluchbeladene Holländer flitzt flott durch die Fluten.

Hörprobe Nummer zwei: die Ballade der Senta, die Keimzelle der
Oper. Astrid Weber singt sie im originalen a-Moll und nicht – wie
meist üblich – herabtransponiert. Das ist löblich und bereitet
zugleich Mühe, wie überhaupt die Vokalbesetzung der
problematischste Aspekt bleibt: Terje Stensvold als fast zu eleganter
Holländer, Franz-Josef Selig als fast zu gemütlicher Donald, Jörg
Dürmüller als fast zu aufgeregter Georg. Fazit: Die stürmische
Meerfahrt auf aufgewühlten Orchesterwellen (samt mitreisenden
Chören aus Köln und Prag) fällt aufregender aus als die
Erlösungssehnsucht der Protagonisten.

Wagner: Der fliegende Holländer.


Deutsche Harmonia Mundi 82876 64071, zwei CDs

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