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32 DEBATTE Deutsch perfekt 11 / 2018

Automatisch
Organspender werden?
In vielen Ländern sind alle Menschen ab 18 Jahren potenzielle Organspender,
außer sie widersprechen explizit. In Deutschland aber muss man aktiv
zustimmen. Und das, obwohl viele Patienten dringend ein neues Organ brauchen.
SCHWER
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Deutsch perfekt 11 / 2018
Ja „Niemand wird zur Spende gezwungen.“
Seit dem Jahr 2012 gilt in Deutschland die
der Organspender, -
Entscheidungslösung. Danach sind nur , von: Organe spenden
die Personen mögliche Organspender, = erlauben, dass ein Organ
die einer Entnahme explizit zustimmen. aus dem Körper genommen
wird, um damit einem ande-
Diese Lösung ist zum großen Teil wir- ren Menschen zu helfen
kungslos. Wenn Organe nur Menschen
zustimmen
entnommen werden dürfen, die ihre Be- , Ja sagen
reitschaft dazu vorher auf einem Spender- die Entnahme, -n
ausweis dokumentiert haben, ist das eine , von: entnehmen ≈
zu hohe Hürde – und ein viel zu großer herausnehmen aus
Aufwand. Die Nicht-Spende bleibt so das die Bereitschaft, -en
, hier: Absicht, Organe zu
Routineverhalten.
spenden
Als Arzt und Politiker kämpfe ich seit
die H•rde, -n
Jahren für die Einführung einer Wider- , hier: bürokratische
spruchslösung bei der Organspende. Je-
Regel
der, der nicht explizit widerspricht und der Aufwand, ¿e
diese Entscheidung dokumentieren lässt, , ≈ große Mühe; ≈ große
Anstrengung
kommt dann grundsätzlich als Spender
infrage. Auch die Angehörigen sollen ein die Widerspruchslösung,
-en
Widerspruchsrecht erhalten. , hier: ≈ Gesetz, dass man
Mit der Widerspruchslösung bringt
widersprechen muss, wenn
man Menschen dazu, sich überhaupt man nicht Organspender
sein will
erst die Frage zu stellen, ob sie spenden
infrage k¶mmen
wollen oder nicht. Das schuldet man
, hier: möglicher Spender
Schwerstkranken, die auf ein Organ war- sein
ten. Die hohe Zahl von Todesfällen unter br“ngen zu , einen Grund
Menschen, die auf der Warteliste stehen
geben, … zu tun
und nicht mehr rechtzeitig ein Organ be- der Todesfall, ¿e
kommen, ist nicht zu akzeptieren. , Sterben eines Menschen
Einen starken Eingriff in die Persön- r¡chtzeitig , früh genug
lichkeitsrechte des Einzelnen kann ich das Persönlichkeitsrecht,
dabei nicht erkennen. Niemand wird zur -e , Schutz der Intimsphä-
Spende gezwungen, jeder kann selbstbe- re eines Individuums (z. B.
Daten, Publikation von
stimmt Nein sagen und dann mit allen Bildern)
seinen Organen bestattet werden. Die best„tten
allermeisten Bürger erwarten schließ- , einen Toten mit einer
lich, im Fall der Fälle selbst ein Organ zu Zeremonie in die Erde legen
bekommen. der B¢ndestag
, deutsches Parlament
Die wichtige Debatte zur Neuregelung
der Organspende in Deutschland muss der [bgeordnete, -n
, Mitglied im Parlament
im Bundestag geführt werden. Für Abge-
Fotos: Jolygon/Shutterstock.com; SPD, FAU
ordnete kann das nur eine Gewissensent- das Gew“ssen, -
, hier: ≈ Gefühl
scheidung sein, bei der die Abstimmung
freigeben
freigegeben wird.
, hier: erlauben, etwas zu
machen
die SPD
, kurz für: Sozial-
demokratische Partei
Karl Lauterbach (SPD) ist Mitglied im Deutschlands
Deutschen Bundestag und Arzt.
DEBATTE 33
Nein „Schweigen ist keine Zustimmung.“
Deutschland ist Exportweltmeister. Aber
der Exp¶rtweltmeister, -
beim lebenswichtigen Thema Organ- , Nation mit dem
spende brauchen wir Importe. Das ist höchsten Warenexport in
schade, denn in Umfragen sagen 80 Pro- der Welt
zent der Deutschen, dass sie für Organ- aufgreifen
, hier: sich beschäftigen
spende sind. Es besitzen auch knapp
mit
30 Millionen Deutsche einen Spen-
einbringen
derausweis. Trotzdem konnten im letzten , etwas vorschlagen, über
Jahr nur knapp 769 Organspender rekru- das dann diskutiert wird
tiert werden. Das ist viel zu wenig, wenn „nkommen auf
man berücksichtigt, wie sehr Organspen- , hier: wichtig sein
de schwerstkranken Menschen hilft. bewährt
Daher ist es sehr zu begrüßen, dass Ge- , seit langer Zeit gut
funktionierend
sundheitsminister Spahn das Thema neu
aufgegriffen hat. Er will ein Gesetz ein- der Gr¢ndsatz, ¿e
, ≈ Prinzip
bringen, das die sehr ineffektiven Struk-
verpfl“chten
turen des Transplantationssystems refor- , hier: zwingen zu
mieren soll. Aus anderen Ländern wissen
… z¢m Gemeineigentum
wir, dass es genau darauf ankommt und erklären
nicht darauf, ob man bei möglicher Or- , sagen, dass … allen
ganentnahme eine Zustimmungs- oder gehört
Widerspruchslösung eingeführt hat. Ge- der Vors“tzende, -n
, Person, die einen Verein
nau die Letztere will Jens Spahn in seiner oder ein Meeting leitet
Funktion als Parlamentarier nun bewer-
der Deutsche Ethikrat
ben. Und weil er Einfluss hat, debattiert , ≈ Kommission aus
Deutschland seit Wochen über das Für Wissenschaftlern und Ju-
und Wider der Widerspruchslösung. risten, die über Ethikfragen
berät und die Öffentlichkeit
Ich bin für Organspende, habe einen informiert
Ausweis, bin aber gegen die Wider-
spruchslösung. Warum? Wir sind in
Deutschland in den letzten Jahrzehnten
meistens gut damit gefahren, wenn wir
Pragmatisches mit Grundsätzlichem
verbunden haben. Bei der Widerspruchs-
lösung werden zwei bewährte Rechts-
grundsätze nicht beachtet. Erstens:
Schweigen ist keine Zustimmung. Zwei-
tens: Wähle zuerst das mildere Mittel, um
ein Ziel zu erreichen. So könnte man je-
den Deutschen über 18 Jahren verpflich-
ten zu dokumentieren, ob er für oder ge-
gen Organspende ist. Deshalb muss man
aber noch lange nicht den Körper nach
dem Tod zum Gemeineigentum erklären.
Peter Dabrock ist Theologe an der
Universität Erlangen und Vorsitzender
des Deutschen Ethikrats.
 LV & HV:Organspende
A. HV-Quelle: https://www.dw.com/de/organspende-neue-hoffnung-f%C3%BCr-kranke/a-
15985484
B. Lies den Artikel vor!
C. Höre auch diese Radiosendung: https://www.deutschlandfunk.de/theologe-peter-dabrock-
widerspruchsloesung-bei-organspenden.694.de.html?dram:article_id=445133
D. Mach Dich mit dem Wortschatz aus den Quellen vertraut und falls es nötig ist,
übersetze unbekannte Vokabel!
E. Mach Online-Übungen aus der Deutschen Welle!
Glossar zur DW:
etwas verdrängen – über etwas nicht nachdenken wollen – wyprzeć coś

jemanden motivieren – jemanden positiv beeinflussen – zmotywować kogoś

Gesetzesreform, die – die Veränderung eines bestehenden Gesetzes – reforma ustawy

Spender/in, der/die – hier: eine Person, die eigene Organe für kranke Menschen weggibt -
dawca

etwas steht zur Verfügung – hier: etwas ist ausreichend vorhanden – coś jest do dyspozycji

Transplantation, die – die Übertragung eines Organs von einem Menschen auf einen
anderen

Herzzentrum, das – hier: das Krankenhaus, das auf Herzkrankheiten spezialisiert ist –
klinika chorób serca

Bereitschaft, die – hier: die Tatsache, dass jemand etwas gern tun will - gotowość

positiv eingestellt sein gegenüber etwas – etwas gut finden – być pozytywnie nastawionym
do czegoś

eine Erklärung abgeben – seine Meinung zu einer Sache sagen – złożyć oświadczenie

einen Schritt gehen – umgangssprachlich für: einen Entschluss fassen; eine Entscheidung
treffen – podjąć decyzję

Krankenkasse, die – die Krankenversicherung – kasa chorych

jemanden anregen etwas zu tun – jemanden →motivieren – zochęcać kogoś do czegoś

bewusst – hier: so, dass man etwas klar versteht

Druck auf jemanden ausüben – jemanden zwingen, etwas zu tun – wywrzeć na kimś presję

potentiell – möglich

Widerspruch einlegen – die Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde nicht
akzeptieren und dagegen vorgehen – wnieść sprzeciw

Bundestag, der – das deutsche Parlament

etwas bedauern – etwas schade finden – żałować czegoś

etwas im Gesetz verankern – etwas gesetzlich beschließen – ustanowić coś w

prawie/ustawie
die Widerspruchslösung – Regelung, die eine Entnahme von Spenderorganen bei jeder, jedem
Verstorbenen prinzipiell zulässt, sofern dem nicht zu Lebzeiten (oder durch Hinterbliebene:
sogenannte doppelte Widerspruchslösung) ausdrücklich widersprochen wird - domniemana
zgoda