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Fünf Vorlesungen
über
HOMER
gehalten von
Berlin.
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1. Montag, den 29. Sept. 1902: Homer aonst und Jetzt.
des
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1
I.
ich will mehr Probleme, als Resultate zeigen, aber in der Art
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2.
wird ja nicht nur auf den Gymnasien gelesen, sondern auch auf
andern Bildungsanstalten; ich darf ihn daher inhaltlich und
wie Herr Vosb aus Eutin. Wie er selbst seine Luise, so hat
der gute, alte Homer seine Illas gedichtet - auf die Postille
gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens.- Doch das ist nicht
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3.
Behauung.
Virgil. Durch die Engländer und Rousseau wird Homer der Dich-
ter des Epos, wie es sein soll. Das ist jedoch ein ästheti-
Werk Tieler Dichter seien, ist die Hauptsache bei ihm, sondern
die Erschliessung der teilweise sogar noch ungedruckten an-
tiken Gelehrsamkeit über Homer. Ebenso wie für uns, war Homer
bestritten, dass die Illas und Odyssee yon zwei Dichtern stam-
me, die heute kaum noch bezweifelt wird; ferner, dass Homer
einer Zeit angehört, in der man noch nicht lesen und schrei-
ben konnte.
und ohne Hilfe der Schrift konzipiert ist, ist ein Unding. Man
kann nur eine bestimmte Zeil hören, und was hat ein Werk für
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wir nun zwei Epen haben statt vielen, ändert daran nichta.
Was ist das griechiache Epos gewesen? Homer deckt sich
auf die Idee, die sie auch im Homer sucht. So sei in der Ilias
die Idee verkörpert, wie böse es ist, so hartnäckig zu zürnen;
bei Seite lässt, wie etwa Hermann Grimm. Es kommt darauf an,
zelnen Gedichte hat kein Interesse. Auch ist bei der Ilias
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5.
standen hat, die dann durch das Hinzukommen etwa des drei-
ohne dass jedoch das Ganze von einem einheitlichen Willen be-
nichts anderes, als ein Gorilla sei; das sind moderne Be-
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waren die Stadt, die Lage, die Heste von Ilioe bekannt; den
aber einen Schatz, der viel älter ist, als die Zeit der home-
hen.- Es ist die gleiche Kultur, wie wir sie in Argos, Tl-
ben.
gangspunkt für die hellenische Kultur und somit auch für un-
sere Gesittung, aber auch das Zeugnis über eine Zeit, an deren
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sen Ist Stückwerk, doch kommt darauf wenig an. Es glebt darin
was wir nicht erfahren, wird später erreicht. Wir können die
schon die Zelt kommen, in der sie ebenso bekannt sein werden,
Unsere Präge ist also: Was läset sich jetzt über die ho-
merischen Gedichte deduzieren? Und wie verschiebt sich daher
bewilligt.
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beiden Orte negieren, wer an ihn glaubt, muee sie real fin
den. Ist dieser Schluae ohne weiteres richtig? Die Stellung-
gehen hin und graben nach, wenn wir zweifeln. Der Spaten tritt
nicht an die Stelle der Feder, aber er hilft dem, was lesen
lief erung. Für Homer als historische Quelle ist die Erschlies-
sung des Bodens die wichtigste Ergänzung und wird es noch
mehr werden. Für die Poesie ist qb gleichgilt ig, ob der Be-
cher des Xestor genau so gefunden ist, wie ihn Homer be-
schrieben: dadurch dass etwas real ist, kann sein Wert nach
Poesie nicht.
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9.
dabei auch auf die Prägen nach Einheit und Vielheit, nach der
erledigen, und dann endlich die Zeit auf das Residuum des
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II.
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für grosse und kleine Geschichten. Der Vers ist immer der-
und Anstand zu bewegen. Homer hat damit ein Kapital für die
Poesie geschaffen, das wir nicht mehr besitzen: Für uns ist
Das ist ein kolossaler Gegensatz, ebenso für die andern Völ-
jener hat eine Entwicklung von 800 Jahren durchgemacht und um-
phe ist zwar nicht von einem Verfasser, aber doch innerhalb
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wandt worden und dann Mb zur Romantik nicht wieder. Das alt-
phisch ist: Durch den Reim ist eine Beziehung zwischen 2 um-
fänglichen Massen von Je 12 Silben nötig. Auch der ursprüng-
chen zu wollen.
schöpft, offenbar nur wegen der Form, die Jedem im Ohre lag
und daher leicht haften blieb. Und doch entsprach zur Zeit
der Entstehung der Hexameter schon seit Jahrhunderten nicht
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nahm man den Zwang der Form und Stiles Homers auf sich, um
den Leuten eine Schrift mundgerecht zu machen. Dass sich das
nicht gehalten hat, hängt mit dem Sturze der Antike zusam-
men, seit dem Einbruch des Islam. Nach dieser Zelt entsprechen
sich Sprache und Form nicht mehr, und beide gehen zu Grunde.
Wir sehen, Homer laset eich mit keinem Epos irgend eines Vol-
kes vergleichen.
zwischen der dritten und vierten Hebung befindet sich ein Ein-
Cäsur; aber sie steht in der Mitte, sie ist das Scharnier
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ist zu lang. Es muss ein Ruhepunkt da sein, der aber den Vers
Blankvers, der ja auch fast immer eine Cäsur - etwa nach der
seit er ein solches Aussehen hat. Und zwar sind sie so gespro-
der selbst Rhapsode war, finden wir, wie diese Leute mit dem
werden, sind blind, und sitzend mit der Laute auf den Knieen,
Demo do kos, der vom Volke aufgenommene und Fhemios, der Sänger.
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Buch der Ilias finden wir Achilleus und Patrokles, wie sie
Und zwar passt immer der eine auf den andern auf, um einzu-
fallen, wenn dieser aufhört. Wir haben also drei Stufen zu
Alles, was wir haben, ist gesagt und nicht gesungen wor-
den. Doch müssen wir uns klar machen, das 8 Singen und Sagen
heute.
Auch der Mann, der zur Laute singt, hat keine Melodie ge-
lernt. Er begleitet nur den Ton der Stimme mit dem Ton seines
Inet rumentes
Immerhin mag es auch noch zur Zeit der Rhapsodie ein ge-
einschneiden würde.
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Früher aber war er ein gesungenes Verenas», wie auch die Ni-
seits des Jahres 1000. Wir können auch zeigen, woher dies
Veraraass ist: aus Lesbos. Noch in 600 wird bei Sappho der
hatte man bis vor drei Jahren noch kein Denkmal für eine Ge-
mer nie angewandte Vokabeln.- Wir können es etwa mit der Lu-
Worte erst kürzlich als noch lebend in irgend einer Ecke eines
weise. Viele Worte sind völlig unbekannt, wir können sie nur
Wae heisst das? Wir wissen es nicht, und wenn einer sagt,
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gehen darin nicht auf, sondern führen uns auf die Insel Lesbos
ben; die ältere Schicht ist jedoch das Aeollsche. Die weitere
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ist. Die Schlüsse aus Verstau, Sprache und Inhalt der Helden-
zeltlich festsetzen. Als Hesiod, der Sohn eines aus Asien ein-
tien die Ilias schon. Wir wissen nicht genau, wann Hesiod
die helle Zeit Solons hinein. Nur nach Italien und Sizilien
ist das Epos nicht mehr gedrungen, aber bis nach Nordafrika,
dieser En twicklungs reihe sind für uns Ilias und Odyssee das
weit er vom Anfang als vom Ende entfernt. Die kanonische Form
Von dieser Zeit können wir uns zufrieden geben; doch sie
führt uns nicht zum Dichter. Wir wollen zum Schluss noch mit
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so würde ich den alten Kann sicherlich nicht frei in der See-
telnder Rhapsode aus Kyme eingeführt wird. Das sind die Vor-
stellungen der Griechen ron Homer, nicht, wie sie sich Pritz
essen, oft auch nicht; von der Götter Blut entsprossen, wird
irgend etwas Ton einem Menschen mit Namen Homer, aber eine
sich nach ihm Homeriden nannten, weil sie Rhapsoden waren. Das
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Llan weiss also Ton Homer garnichts, bis auf eine: den
keines Heros , das ist der ganz unschuldige Name eines ge-
Tradition lebt als der grosse Dichter. Wir dürfen nicht an-
gen.
ste Lied hat doch gemacht der "blinde Sänger von Chios". Sei-
nen Namen hat der Dichter nicht genannt, weil er dufch seine
und aus Chios gewesen sei. Das ist die einfache Erklärung da-
für, wenn man nichts hineingehe imnissen will: bei den Aegyp-
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ist doch ganz natürlich: der Krüppel widmet sich den Wissen-
schob es daher dem Homer unter, der ja aus Chios stammen könn-
te, und so hat man ihn denn dorthin gesetzt. Man kann aber
darum nicht sagen: weil wir Ton Homer nichts wissen, hat es
der Weltordnung, dass man nicht den Ruhm auf einen Homer ver-
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22.
III.
beschränkt man sich auf einen grösseren Kreis, den man mög-
Wenn wir nicht die Person finden konnten, haben wir uns klar
Schlüsse zu ziehen auf Grund des Versmasses, der Form und der
Sprache der Epen und endlich gesehen, dass die uns erhaltenen
ner Teil des ganzen Epos drankommen. Im Altertums hat man nie
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der ganze Homer sei das Wesentliche. Es ist die Aufgabe des
Den Kitt ebenso schätzen wie das Gold? Es ist die Aufgabe, auch
der Schule, nicht den alten Zopf, an den keiner mehr glaubt,
Wer Ton der Ilias als Ganzes gar nichts weiss, kann eine
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den Griechen, aus dem 16. Buche des Patrokles Entlassung und
seine Heldentaten bis zum Falle Sarpedone kennt, und dann et-
wa noch aus dem 21. Buche den Kampf mit den Flussgöttern, -
Nachahme rpoesle vor uns. Und dann noch die beiden letzten Bü-
cher, die nur leider, weil sie die letzten sind, so oft ver-
so bewundern.
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hundert. Wie diese, hat sie eine Kultur zerstört und die
den Küsten und Inseln des ägäl sehen Meeres eine höchstblü-
streckt sie sich nur auf "beide Seiten des Aegäiechen Meeres,
haben, wenn sie auch mit Erde übergraben sind. Solche haben
Bestattung der Toten, die uns eine Vorstellung vom Leben und
nicht erst scharfe Formen und dann die Tektonik im Aufbau ei-
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chen, mit denen sich diese Barbaren - denn das waren sie im
schirre erhalten.
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nicht einer Sprache und Rasse an: eine Kultur wandert und wird
übernommen. Doch ist in der alten Zeit der Gegensatz der Rasse
tern, wie die Griechen und leben genau wie diese. Und das ent-
sen, - doch lesen schon, denn sie sind mit griechischen Buch-
Jahrhunderts, die auf ganz neuen Wegen wandelt. Da ist vom II-
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lusionlsmus nicht mehr die Rade, an Beine Stelle ist der geo-
und die ursprünglichen Bewohner über das Meer nach Asien ver-
den wir lauter Stämme, die später nicht mehr da sind: Da wird
Bei dem grossen Sturm und Stoss gegen die Balkanhalb Insel wer-
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müssen dann über das Meer weichen. Auf Chios und Lesbos grün-
den sie eich eine Existenz, die aber jämmerlich ist gegenüber
überall zu sehen Ist, ist noch immer der Wohnsitz des Zeus,
aber er ist nur noch der Götterberg. Will Zeus sehen, was
Torgeht, so begiebt er sich auf den Ida, den Jetzt alles über-
alter ist. Weil die eigene Existenz voll Mühsal ist, will man
sich aufrichten im Gedächtnis an die eigene Vergangenheit;
aus den Siegen und dem Glänze der Vorzeit wird neue Kraft
die Menschen kaum mehr zu zweit, was damals noch ein einzelner
konnte. Der Inhalt der Epen ist den Zeitgenossen alte, teure
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Aber natürlich, die grossen Heroen der Vorzeit müssen das er-
obert haben, was sie selbst nicht konnten. Zwar wird im alten
Epos die Zerstörung ron Troja nicht erzählt, sondern nur vom
Falle des Patrokles und des Hektor, aber das war doch auch ge-
plant.
legen.
alter Zeit und anderen Ortes. Was weiter daraus geworden ist,
so, wie die poetischen Formen. Wir kennen keine Personen, aber
Das andere ist, was jeder Dichter tut; er gestaltet die Din-
ge, die wesentlichen und noch öfter die unwesentlichen, von von
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fällt dae mehr auf, als wenn er das Volk von Rom ebenso schil-
sich der Dichter seinen Stoff um und leiht seinen Helden an*
well er das nicht weiss, den Reiz und die frische Poesiekraft.
Genau so ist es mit den Goethe* sehen Skythen, mit Thoas und
gehabt hat, der seine eigenen Kinder verzehrte. Das ist eben
ter, und das wird immer der Fall sein. Vergleichen wir nur
einmal das attische Drama mit Homer. Der Aias bei Sophokles
ist anders als der b-el Homer, und der Aias in Wirklichkeit
war wieder anders. Dies Miss Verhältnis kann nicht real und
deutlich genug auseinandergesetzt werden.
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gen finden wir Dietrich, der doch ein ordentlicher und histo-
bei Homer heiest der König der Athener Menestheus; den gab
wandert. Aehnlich ist es bei der Odyssee, nur ist Ithaka von
nis.
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ist das nie der Fall gewesen. Die Streitwagen sind nur auf
nien die Rede ist, wie sie nur möglich sind, seit die Streit-
Siege verdankte. Wir haben aus der späteren Kunet auf einer
Jahrhundert gemalt ist. In der alten Zelt kannte man das nicht,
das ist nicht die Kampfart für Herren, sondern für ein ge-
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als Mittel für einzelne Mitteilungen ist seit einer Zeit ver-
tes Beispiel will ich noch erwähnen: das Baden. Wir haben
Auch bei Homer ist das warme Bad allgemein verbreitet. Wenn
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Präge. In der Ilias findet sich nun ein Gedicht, das sich
diese beiden nun zurückkommen, gehen sie ins Meer und waschen
sich den Schweiße ab. Das zeigt die spätere Zeit, in der die
Griechen sich nicht mehr, wie Achill, vor dem kalten Wasser
Lichter gemerkt, dass der erste Zug nicht passt, und hat ihn
durch den zweiten wieder gut machen wollen. Falls nämlich
das Wort, was da steht so heisst; denn wir können nur hoffen ,
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Kammer. Sonst kennen wir Ton der Sprache nichts. Bas Aergste
aber von den Gegensätzen alter und neuer Zeit in der äusseren
und den grösseren Lederschild, der den ganzen Mann deckt. -Da-
neben aber giebt es noch eine seltsame ältere Sorte von Schil-
man dann nach der Gurgel. Auch kann noch ein anderer sich da-
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bekannt ist. Der Dichter aber, der im 18. Buche den Schild
des Achill beschreibt, denkt an einen Rundschild. Damit wol-
len wir Ton diesem Kapitel Abschied nehmen, nicht ohne darauf
Kulturentwickelung ist.
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IV.
die Wissenschaft etwas getan hat seit den 100 Jahren, in de-
ja, das meiste noch zu tun ist. Der Probleme sind weit mehr
als der Resultate. Jeder Tag kann frische Funde bringen, die
den Schatz des Wahren, noch mehr aber den Schutthaufen der
homerische Kultur nicht als den Anfang, sondern als das Ende
sachen sind mit Glauben und mit Unglauben hinzunehmen, und man
"Homer und die Natur" genannt. Das ist eine vieldeutige Be-
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Zeichnung, die ich gegeben habe, aus dem Zwange, einen Namen
der noch heute zu den reichsten zählt. Ja, und was ihm dabei
les für Homer nicht bekannt. All diese Pflanzen sind nach-
zwar nicht den botanischen Garten von Palermo, aber doch die
de Odysseus auf dem Wege zur Kirke den Hermes, einen Jüngling
einem anderen Bilde finden wir als Leukothea den nackten Leib
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das ist Preller, das ist Goethe , aber nicht Homer und dessen
das alles weit von sich weisen. Bin nackter Götterleib, das
wäre für Homer ein Sakrileg. Für die homerischen Helden wäre
die Nacktheit genau so unschicklich, wie wenn heute sich
lich zu tun hat. Die Götter sind wohl manchmal als Taucher,
als Möwe gedacht, aber als nacktes Weib nicht. Diese Aufnahmen
den Stoff nur von aussen nahe; sie sind ja oft schön und gross,
der Ilias gehört das Gleichnis zum Requisit des hohen epischen
Stiles. Wir haben uns daran so gewöhnt, das 8 wir meinen, ein
Epos ohne Gleichnisse gäbe es nicht. Das ist jedoch nicht rich-
tig; die frühesten deutschen Epen, so weit sie noch nicht von
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nicht, wie das Jetzt ist, als ich als Schüler die Gleichnis-
heisst soviel als: "Wie hat der Dichter das Gleichnis ge-
musste man finden, und wenn man rauss, - nun dann findet man
es ja.
der Blitze schleuderer Zeus von dem Kamm eines hohen Gebirges
vom Himmel, so atmen die Danaer auf .... u.s.w. Wir können
uns die Situation, wie bei Waterloo denken. Und dann einige
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haben wir eine schwarze Wolkenbank, die sich auf dem Berg-
Sonne kommt und umgekehrt: der Olymp liegt da, klar zu sehen
jeder selbst erlebt hat. Das Eine ist befreiend, das Andere
Da holest es: "Wie unter dem Gewitter die schwarze Erde schwer
vor dem Strafgerichte der Götter; alle Runsen füllen sich mit
Wasser und die Giesabäche reissen das Erdreich fort und stür-
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zen "brausend ins dunkle Meer vom Gebirge her reissenden Lau-
ist vom tertium coraparationis keine Rede, wir haben es nur mit
empfinden ganz die Gefühle, wie die Menschen in einem Tale der
Boden halten nur die wurzeln der Bäume das Land fest, wo man
säen kann. Und nun kommt das Wasser und reisst die Bäume und
zugleich den Humus fort. Da ist alle Mühe, alle Hoffnung dahin
Und jetzt überlegt sich der Mensch: das ist nicht ohne Grund
geschehen, Zeus zürnt über unsere Sünde, und er straft uns mit
gegen Gottes Hand ist der Mensch ohnmächtig. Das ganze Men-
wir verstehen es, wenn uns die Natur selbst geläufig ist.
Aus dem Menschenleben finden wir noch im selben Buche
zu Grunde gehen. Hektor steht vor den Schiffen und ruft nach
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wie ein kleines Mädchen, das der Mutter nachläuft und gern
hält sie auf, wenn sie es auch eilig hat, und "blickt zu ihr
Weinen, das Nasse, aber Scherz hei Seite. Schwarz kann das
Wasser nur sein, ohne Sonnenschein. Wenn wir über die Alpen
Bäche als weisse Silberfäden, die sich gegen das dunkle Ge-
aber hier ist vom schwarzen Wasser die Rede. Wer das dichtet,
und eine von diesen heisst noch heute das schwarze Wasser;
Aqua nera, noch heute sagen die Hirten, dass dieses Wasser
den Menschen töte. Das ist das schwarze Wasser des Styx, da
ist die Träne des Mitleids in seiner Empfindung, für uns aber
die Träne, die ihm den Tod bringt, die bewirkt, dass der
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als wolle er den Freund verhöhnen, aber, wenn wir das Gleich-
wenn auch dem Achill vielleicht nicht bewusst. Auf dem Kon-
was den Modernen an et ose ig ist, wie den Esel, den die Bauern-
ist das bei Sappho und bei Piaton. Da ist das Gefühlsleben
reicher und die Kenntnis des menschlichen Herzens und der Na-
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Nichts ist unangenehmer, als wenn der Dichter auf die Oleich-
In die Sonne geblickt hat, nun ihr Bild in allen Farben über-
mals mit der Farbenlehre, und so mag ihm das näher gelegen
schildert: Wie die Sonne in ein Zimmer scheint, und zwar auf
lungen gemacht hatte aus dem Jahre 1776, will Goethe klar
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Hand, das Schiff lein führt durch Wind und Wogen. Goethe
löst. Er will sagen: "Rede mir nicht darein, ich bin Manns
seele.
falls wir unter Lyrik die unmittelbare und in der Natur ge-
nis die Seele ihr Mittel auch in der Form der epischen Er-
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Zählung.
chen zu werden, aber im 15. Buche der Ilias heisst es: "Wie
ein Mann, der viele Städte gesehen hat, und sie sich wieder
will ich da sein, jetzt hier", so schnell ging die Göttin zum
Olymp." Wer hat viele Städte gesehen? Wer hat die Empfindung:
die freuen sich wohl daran, aber nachempfinden können sie das
räuber unter ihnen ist. Der Dichter giebt sich selber die
Möglichkeit, sich zu äussern.
weiss, dass er den Tag nicht überleben wird; wenn die Sonne
lebt habe, und dabei schildert er dann Rom. Und dann sagt er:
"Wie wunderbar ist es, dass dieser Tag mir Jetzt im Gedächt
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Kraft, die sich selbst zum ersten Male im Homer auf diesem
die Götter begrüssen ihn. Da ist alles erst, die ganze Natur,
auf dem Umwege über das Menschliche verstanden und zum Aus-
druck gebracht, bei Homer, wie in unserer Iyrik wird die Na-
tur genommen, wie sie ist, wie sie die Empfindungen der Men-
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ochenaeele wie der spie gelt. Bei Homer wird die Natur real ge-
die rosenfingrige Eos auf, aber das ist nur das Phänomen als
nicht gedacht, das Korgenrot hat die Strahlen, nur auf das
die meisten nehmen den anderen Weg, und der ist auch schön.
. und nun gar erat bei den Nachahmern Virgil und Ovid, liegt
niemand kann sagen, wie sie auf homerisch heissen. Nun hat
der alte Homer nicht einmal das Newton* sehe Spektrum gekannt.
Und warum? Ursprünglich haben nur die Farben Namen, die ver-
das wieder mit der Auffassung der realen Natur zusammen. Be-
Homer sieht die Natur nur als etwas Natürliches ohne das
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göttlich sind.
sie ist, kündet sich etwas anderes an, was man meistens bei
den Griechen vergisst: die Griechen sind das Volk, das die
Erben Homers. Sie halten zwar sein Gerede von Herren und Göt-
tern für verwerflich, aber von seinem Geiste und Auge haben
bemerken, wo das Objekt nicht einmal, doch das Ziel ein ver-
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52.
V.
Natur gesprochen, und das führt uns von selbst darauf, das
nem Worte des Piaton ausgehen, der Homer den Ahnherrn, den
Erzeuger der Tragödie nennt. Ebenso denkt Aristoteles, der
war, sondern das liegt auch in der Form. Dieses Epos führt,
tischen. Ich möchte Ihnen in dieser Richtung aus dem Buch von
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formen, ziemlich frei von dem, was jedes Zeitalter, Sitte und
sich wie ein unartiges Kind gebärdet und doch endlich die
ihm aus Gnade den Becher reicht, so darf es sich nur die Lip -
und keusch. Sonst hätte er nicht die Liebe der Nausikaa zu dem
sie heisst den Odysseus bei der Einfahrt in die Stadt hinter
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heisst Anschauungen tief aus der zweiten Hälfte dee 18. Jahr-
ist eigentlich nichts mehr als ein Typus, kaum mehr als ei-
auch sonst ein grosser Dichter ist. Priamos im 24. Buche ist
nur der Wahrheitssinn, wie bei der Natur: die Dichter würden
dies: die jüngeren Teile der Illas und auch der Odyssee ken-
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55.
nen Individuelle Menschen. So, wie wir sie vor uns sehen, glau-
ben wir, dass sie nichts an sich tragen, was starker Vermitt-
uns auch die Natur jener Gegenden so zeigt, wie unser Auge
sie sieht.
einst gereicht. Erst wenige Tage freue ich mich wieder der
ein besserer war als du. Ja, früher habe ich sie verschont,
Sieh, ich bin einer Göttin Sohn, aber bald muss auch ich
sterben, jung, wie ich bin. So stirb du auch." Wer das erfand,
der verstand es, zu individualisieren. Es ist der Widerstreit
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bewegt nicht aus Hase, sondern aus Liebe. Der Dichter war
freilich auf dem Wege, auf dem später die Tragödie erwachsen
ist.
Penelope; leider nicht immer so wie wir die Odyssee lesen. Wenn
man will, kann man sich aus eigenem Urteil überzeugen, dase
Jahres. Als der vom Krieg gealterte und von den langen See-
fahrt früh entstellte Mann, als der Bettler iet er ins Haus
und Liebe der Gattin, die sie selbst gesteht. Und Penelope
Lage, besser selbst als Telemach. " Er rührt sie, der fremde
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"Hast du nicht eine alte Frau, die Leiden erlebt hat, wie ich,
damit sie mir die Füsse wasche?" Er verlangt nach der, die
sein will. Soweit geht es. Dann kommt plötzlich eine ganz
seinem Gewissen zu nehmen. Noch mehr ist das bei Hektor der
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58.
Fall, dem Vaterlandahe lden; dos Dichters Herz ist "bei denen,
die fürs Vaterland fallen. Der Dichter, "bei dem Hektor seinen
pen kommen Uber das Meer, heimatlos und friedlos stehen sie
die Thraker und Phryger. Jetzt wendet sich die Sympathie der
b iaht auf der Seite der Achaier Sünde, bei den Troern, den
erstreckt sich über alles. Was ist der Inhalt der Odyssee?
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I
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nichts darüber, denn niemand kehrt von dort zurück, wenn die-
se sich nicht sein erbarmen. Aber es kann auch schön sein das
"Mit der musst Du dich gut" stellen, denn sie ist streng und
eifrig, und wem sie wohl will, dem ergeht es gut." Solohe
im G9Lt\z9i\ ist sie überwunden, sie ist ein Spiel geworden. Was
ist die ganze Odyssee weiter als nur ein Spiel? Hier ist von
zu nennen. Aber die Poesie hat mit dem Stoff frei zu schalten
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läufig ist. Dazu ist die Religion zu wenig bekannt. Vir kön-
sagen. Sie haben Fetische gehabt, von Natur oder Menschen ge-
von Menschen und Göttern in Tiere, wie wir sie aus dem Ovid
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61.
der Glaube an ein Fortleben der Seele. Wir müssen uns die
griechisoh denken.
Dazu steht im Gegensatze die gewaltige Bedeutung der
eondern als Möwe über die Fluten, Athene setzt sich in Ge-
Dieser Schritt ist die Grundlage für das, was später ganz
und gar die Phantasie der Hellenen erobert und bestimmt hat.
Weil die Hellenen nur die Menschengestalt angewandt haben, ist
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62.
chung ist als ein Fortschritt auf dem Gebiete der würdigeren
der Fesselung des Ares und der Aphrodite. Das ist im Guten
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eich mit dem Eindringen Homere das Kutterland erobert und sich
Sie sind mit ihm verbunden seit dem Tage seiner Geburt, sie
Jener Berg, Wasser oder Busch, an dem und durch den er lebt,
die Familie, die ihn aufnimmt, die Ahnherrn seines Blutes, de-
sind, wie uns unsere Vorfahren und unser Vaterland. Aber jetzt
hat ihn die Zeit der Verwüstung herausgerissen über das Meer
dem Boden selbst haften, haben den Söhnen nicht geholfen, als
bande. Da schwindet aus der Seele die Scheu vor den Banden,
die gerissen sind, da löst sich der Mensch von dem Gotte, an
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neuen Bmp findungen. Und diese sind nicht alle fromm, die
gemcht hat, redet von Zeus als dem Vater Aller. Dieser Ge-
Welt ist, die, weil sie keine Furcht hat, damit spielt. An
kein Zwang ist da, der sie zum Recht bringt, wenn nicht der
eigene Wille, der sich von selber beugt, aber nicht geneigt
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65.
uns klar machen müssen. Das mues man bedenken, wenn man die
der Betörung des Zeus auf dem Ida ist im Grunde eine läster-
liche Profanation.
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Spur, kaum, dass sie zwei, drei Mal erwähnt werden. Auch die-
lenentum und von der Geschichte nichts weiss, der meint, dass
das Wesentliche beschlossen läge in der homerischen Poesie.
Realismus, aber Homer ohne die Ergänzung des Dramas würd ein
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67.
ich vor ein paar Jahren gehört habe, in der Schule ausschliess-
dung handelt es sich noch vielmehr für den Knaben - der ihm
Mut und Haltung giebt fürs Leben. Wer dieses vergisst als
Komplement zu Homer, der wird auch bald nicht mehr dem Homer
gerecht werden. Philosophie ist ja Wissenschaft, und erst
sem Sinne möchte ich Ihnen den Poeten zum Studium empfohlen
lassen sein.