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Wissenschaft und Scheinwissenschaft

M1 Wissenschaftliche Aussagen? festzustellen, ob ein bestimmtes Ding babig ist oder


nicht? Nun wollen wir zunächst einmal annehmen,
der Gefragte bleibe die Antwort schuldig; er sagt, e
Metall dehnt sich aus, gebe keine empirischen Kennzeichen für die Babig.
wenn es erhitzt wird. keit. In diesem Falle werden wir die Verwendung des
Der böse Blick Wortes nicht für zulässig halten. Wenn der das Wort
macht die
Verwendende trotzdem sagt, es gebe babige und nicht
Milch sauer. babige Dinge, nur bleibe es für den armseligen, e
lichen Verstand des Menschen ein ewiges Geheimnis,
welche Dinge babig sind und welche nicht, so werden i5
Ihr Horoskop wir dies für leeres Gerede ansehen. (..)
für heute: Eine Bei vielen Wörtern der Metaphysik zeigt sich nun,
Die Verwendung chicksalhafte (..) dass sie also ohne Bedeutung sind. I..J Ein (.)
von Glühlampen Begegn ny
könnte eine
Beispiel ist das Wort „Gott“. [..) Im metaphysischen
trägt zur globalen Sprachgebrauch .)bezichnt „Gott“ etwas Über-
Wende in Ihrem
Erwärmung bei. apirisches. Die Bedeutung eines körperlichen oder
Leben bringen. eines im Körperlichen steckenden seelischen We-
sens wird dem Wort ausdrücklich genommen. Und
da ihm keine neue Bedeutung 8gegeben wird, so v
es bedeutungslos, Allerdings sieht es häufig so aus,
M2 Rudolf Carnap: Metaphysische Scheinsätze als gäbe man dem Wort „Gott“ eine Bedeutung auch
Rudolf Carnap war Mitglied des Wiener Kreis des Logischen im Metaphysischen. Aber die Definitionen, die man
Empirismus, einer Gruppe von Philosophen, Mathematikerm aufstellt, erweisen sich bei näherem Zusehen als
Logikern und Natur- und Sozialwissenschaftlern, die sich von
Scheindefinitioonen;sie führen entweder auf logisch
1924 bis 1936 regelmäßig trafen.1936 emigrierte er in die USA.
unzulässige Wortverbindungen (..) oder auf andere
Auf dem Gebiet der Metaphysik (einschließlich aller metaphysische Wörter zurück (z. B. „Urgrund“, „das
Wertphilosophie und Normwissenschaft) führt die lo-
Absolute“, „das Unbedingte“, „das Unabhängige“,
gische Analyse zu dem negativen Ergebnis, dass die „das Selbstständige“ und dergl.) (..J.
vorgeblichen Sätze dieses Gebietes gänzlich sinnlos Ebenso [..) sind auch die meisten anderen spezi-
sind. [..J Im strengen Sinn sinnlos ist eine Wortreihe, fisch metaphysischen Termini ohne Bedeutung, z. 45
die innerhalb einer bestimmten, vorgegebenen Spra- B. „Idee“, „das Absolute“, „das Unbedingte", das
che gar keinen Satz bildet. Es kommt vor, dass eine „Unendliche“, „das Sein des Seienden“, „das Nicht
solche Wortreihe auf den ersten Blick so aussieht, als Seiende“ I..) usW. Mit diesen Ausdrücken verhält es
sei sie ein Satz; in diesem Falle nennen wir sie einen sich nicht anders als mit dem Wort „babig“" (). Der
Scheinsatz. [..) Metaphysiker sagt uns, dass sich empirische Waht-
Nehmen wir beispielshalber an, jemand bilde das heitsbedingungen nicht angeben lassen [..). Die me-
neue Wort „babig“ und behaupte, es gäbe Dinge, die taphysischen angeblichen Sätize, die solche Wörter
babig sind, und solche, die nicht babig sind. Um die enthalten, haben keinen Sinn, besagen nichts, sind
Bedeutung dieses Wortes zu erfahren, werden wir ihn bloße Scheinsätze. Überwindung der MetaphySIR aR
nach dem Kriterium fragen: Wie ist im konkreten Fall ogische Analyse der Sprache (1931l
DIE FRAGE DER O JEKTIVITÄT IN DEN NATURWisSENSCHAFTEN
N3 Rudolf Carnap: Sinnvolle Aussagen
Der Sinn einer Aussage besteht darin, dass sie ei- de, wenigstens als Erlebnisse denkbar sind und ihrer
Beschaffenheit nach angegeben werden können. [.
nen (denkbaren, nicht notwendig auch bestehenden)Kann eine Aussage nicht nur gegenwāntig nichi, son-
Sachverhalt zum Ausdruck bringt. Bringt eine (ver
dern grundsätzlich nicht durch Erlebnisse fundiert
meintliche) Aussage keinen (denkbaren) Sachver- werden, so ist sie nicht sachhaltig.
halt zum Ausdruck, so hat sie keinen Sinn, ist nur Scheinprobleme in der Philosophie (1928)
scheinbar eineAussage. Bringt eine Aussage einen
Sauchverhalt zum Ausdruck, so ist sie jedenfalls sinn- MA Moritz Schlick:
voll; und zwar ist sie wahr, wenn dieser Sachverhalt Beobachtung und Verifikation
hesteht, falsch, wenn er nicht besteht. Man kann vonDer Physiker und Philosoph Mortz Schlick (1882-1936) war wie
einer Aussage schon wissen, ob sie sinnvoll ist, nochRudolf Camap Mitglied des Wiener Kreises.
bevor man weiß, ob sie wahr oder falsch ist. Wo immer ein sinnvolles Problem vorliegt, kann man
Enthält eine Aussage nur Begriffe, die schon be- theoretisch stets auch den Weg angeben, der zu sei-
Kannt und anerkannt sind, so ergibt sich aus diesen ner Auflösung führt, denn es zeigt sich, dass die An-
hr Sinn. Enthält dagegen eine Aussage einen neuengabe dieses Weges im Grund mit der Aufzeigung des
Begriff oder einen solchen, dessen Legitimität (wis- Sinnes zusammenfällt; die praktische Beschreitung
senschaftliche Verwendbarkeit) infrage gestellt wird, des Weges kann natürlich dabei durch tatsächliche
0 muss angegeben werden, welchen Sinn sie hat. Umstände, z. B. mangelhafte menschliche Fähigkeiten,
Dazu ist notwendig und hinreichend, dass angegebenverhindert sein. Der Akt der Verifikation, bei dem der
wird, in welchen Fällen von (zunächst nur gedachter)Weg der Lösung schließlich endet, ist immer von der-
Erfahrung sie wahr heißen soll (nicht: „wahr ist“") undselben Art: es ist das Auftreten eines bestimmten Sach-
in welchen Fällen sie falsch heißen soll. [..) verhaltes, das durch Beobachtung, durch unmittelbares
Beispiel: Der Begriff „Jupiter" kann dadurch einge- Erlebnis konstatiert wird. Auf diese Weise wird in der
führt werden, dass festgesetzt wird: Die Aussage „Ju- Tat im Alltag wie in jeder Wissenschaft die Wahrheit
piter brummt zur Zeit t am Ort p" soll wahr heißen,(oder Falschheit) jeder Aussage festgestellt. Es gibt also
wenn zur Zeit t am Ort p ein Donner feststellbar ist, keine andere Prüfung und Bestätigung von Wahrhei-—
andernfalls soll sie falsch heißen. Durch diese Fest- ten als die durch Beobachtung und Erfahrungswissen
tzung hat, ohne dass etwas über den Sinn des Be- schaft. Jede Wissenschaft (sofern wir bei diesem Worte
griffes „Jupiter" gesagt worden ist, die Aussage einen an den Inhalt und nicht an die menschlichen Vera
Sinn bekommen; denn wenn ich jetzt zu jemandem staltungen zu seiner Gewinnung denken) ist ein System
die Aussage mache: „Jupiter wird um 12 Uhr hiervon Erkentisen, d. h. von wahren
und die Gesamtheit der Wissenschaften, mit EinschlusSs
brummen", so weiß er, was er zu erwarten hat; er
kann, wenn er sich in die geeignete Situation [.) be- der Aussagen des täglichen Lebens, ist das System der
gibt, eine Erfahrung machen, durch die meine Aussa- Erkenntnisse (..). LIcVYC L (7 IUSU▇ | ▇ ▇

ge bestätigt oder widerlegt wird.


Die geforderte Angabe ist aber auch notwendig. Beurteilen Sie, welche der Aussagen wissen-
Denn wenn man es für zulässig ansehen wollte, in schaftlich sind, und begründen Sie Ihre Auf-
der Wissenschaft eine Aussage zu machen, deren fassung. » M1
Gültigkeit nicht in bestimmter Weise durch Erfahrun- 2 Analysieren Sie Carnaps Kritik an metaphysi-
schen Sätzen. Nehmen Sie dazu Stellung. » M2
gen bestätigt oder widerlegt werden kann, s0 würde 3 Untersuchen Się, was nach Carnap eine wis-
man das Eindringen auch ganz offenkundig sinnlose senschaftliche Aussage ausmacht. » M3
(Schein-Aussagen nicht verhinderm können. (.) Eine Erläutern Sie Schlicks Auffassung wissen-
Aussage p heißt „sachhaltig", wenn Erlebnisse, durch schaftlicher Erkenntnis. » M4
oder das Gegenteil von p fundiert werden wür
die p (
354 WI5 N5 Al | UN E KENNlNI5

Das Falsifikationsprinzip

M1 Karl R. Popper: Tatsachenfragen [..), sondern nur für Geltungsfragen


Die deduktive Überprüfung von Theorien (..J - das heißt für Fragen von der Art, ob und wie
ein Satz begründet werden kann [..J. Damit aber ein
Satz in diesem Sinn erkenntnislogisch untersucht
werden kann, muss er bereits vorliegen; jemand muss
Der österreichisch-britische Philo- ihn formuliert, der logischen Diskussion unterbreitet
soph Karl Raimund Popper (1902- haben.
1992)begründetemitseinen Wir wollen also scharf zwischen dem Zustandekom-
Arbeiten zur Erkenntnis- und Wis-
senschaftstheorie den kritischen gen des Einfalls und den Methoden und Ergebnissen
Rationalismus. Er gilt als der ein- seiner logischen Diskussion unterscheiden und daran
flussreichste Wissenschaftstheo- festhalten, dass wir die Aufgabe der Erkenntnistheo-
retiker des 20. Jahrhunderts.
rie (..J derart bestimmen, dass sie lediglich die Me-
Die empirischen Wissenschaften können nach einer thoden der systematischen Überprüfung zu untersu-
reit verbreiteten, von uns aber nicht geteilten Auf- chen hat, der jeder Einfall, soll er ernst genommen
fassung durch die so genannte induktive Methodewerden, zu unterwerfen ist. I..)
charakterisiert werden [..). Nun ist es aber nichts we- Die Methode der kritischen Nachprüfung, der Auslese
niger als selbstverständlich, dass wir logisch berech der Theorien, ist nach unserer Auffassung immer die
tigt sein sollen, von besonderen Sätzen, und seien es folgende: Aus der vorläufig unbegründeten Antizipa-
noch so viele, auf allgemeine Sätze zu schließen. Ein tion, dem Einfall, der Hypothese, dem theoreti
plcher Schluss kann sich ja immer als falsch erwei- System, werden auf logisch-deduktivem Weg Folge-
sen: rungen abgeleitet; diese werden untereinander und
10 Bekanntlich berechtigen uns noch so viele Beobach- mit anderen Sätzen verglichen, indem man feststellt,
tungen von weißen Schwänen nicht zu dem Satz, welche logischen Beziehungen (z. B. Äquivalenz, Ab-
dass alle Schwäne weiß sind. (...)
teitbarkeit, Vereinbarkeit, Widerspruch) zwischen ih-
Unsere im Folgenden entwickelte Auffassung steht nen bestehen.
in schärfstem Widerspruch zu allen induktionslo-
Dabei lassen sich insbesondere vier Richtungen un-
gischen Versuchen; man könnte sie etwa als Lehreterscheiden, nach denen die Prüfung durchgefüh
on der deduktiven Methodik der Nachprüfung kenn-
rd: der logische Vergleich der Folgerungen unter-
zeichnen. [.)
einander, durch den das System auf innere Wider-
Wir haben die Tätigkeit des wissenschaftlichen For- spruchslosigkeit hin zu untersuchen ist; eine Unter-
schers eingangs dahin charakterisiert, dass er Theori- suchung der logischen Form der Theorie mit dem Ziel,
n0 en aufstellt und überprüft. festzustellen, ob es den Charakter einer empirisch-
Die erste Hälfte dieser Tätigkeit, das Aufstellen der
wissenschaftlichen Theorie hat [); der Vergleich mit
Theorien, scheint uns einer logischen Analyse weder anderen Theorien, um unter anderem festzustellen,
fähig noch bedürftig zu sein: An der Frage, wie esob die zu prüfende Theorie [.) als wissenschaftlicher
1or sich geht, dass jemandem etwas Neues einfällt - Fortschritt zu bewerten wäre; schließlich die Prüfung
sei es nun ein musikalisches Thema, ein dramatischer
durch „empirische Anwendung" der abgeleiteten Fol-
Konflikt oder eine wissenschaftliche Theorie -, hat BuIugeII.

wohl die empirische Psychologie Interesse, nicht aber


Die letzte Prüfung soll feststellen, ob sich das Neu
die Erkenntnislogik. Diese interessiert sich nicht für
das die Theorie behauptet, auch praktisch bewährt,
IE FRAGE DER 0BJEKTIVITÁT IN DEN NATURWI5SENSCHAFTE 355

wa in whenschafitlichen Experimenten oder in der


iechnisch paktischen Amwendung., Auch hier ist das Die Aufgabe, ein solches Kriterium zu finden, durch
Prüfungsverfahren ein deduktives: Aus dem System
das wir die empirische Wissenschaft gegenüber (.)
„metaphysischen" Systemen abgrenzen können, be
werden (unter Verwendung bereits anerkannter Sät
zeichnen wir als Abgrenzungsproblem. L..)
ze) empirisch möglichst leicht nachprüfbare bzw, an- Der neuere Positivismus (der logische Empirsmus)
ndbare singuläre Folgerungen („Prognosen")
wer
eII(
de-
will nur jene Sätze als „wissenschaftlich" .) aner-
duziert und aus diesen insbesondere jene ausgewählt, kennen, die sich auf elementare Erfahrungssätze (.)
die aus bekannten Systemen nicht ableitbar sind bzw.logisch zurückführen lassen. Es ist klar, dass dieses
mit ihmen in Widerspruch stehen. Über diese - undAbgrenzungskriterium mit der Forderung der Induk-
andere - Folgerungen wird nun im Zusammenhangtionslogik identisch ist. [)
mit der praktischen Anwendung, den Experimenten Dieser Abgrenzungsversuch scheitert aber am In-
uSW, entschieden. Fällt die Entscheidung positiv aus,duktionsproblem. Der positivistische Radikalismus
werden die singulären Folgerungen anerkannt, veri- rernichtet mit der Metaphysik auch die Naturwissen-
fiziert, so hat das System die Prüfung vorläufig be schaft: Auch die Naturgesetze sind auf elementare
standen; wir haben keinen Anlass, es zu verwerfen.Erfahrungssätze logisch nicht zurückführbar. (..J
Fällt eine Entscheidung negativ aus, werden Folge- Wollen wir den positivistischen Fehler, die naturwis-
angen falsifiziert, so trift ihre Falsifikation auchsenschaftlich-theoretischen Systeme durch das Ab-
das System, aus dem sie deduziert Wurden grenzungskriterium auszuschließen, vermeiden, so
Die positive Entscheidung kann das System immermüssen wir dieses so wählen, dass auch Sätze, die
nur vorläufig stützen; es kann durch spätere negati- nicht verifizierbar sind, als empirisch anerkannt wer-
ve Entscheidungen immer wieder umgestoßen wer- den können.

den. Solange ein System eingehenden und strengenNun wollen wir aber doch nur ein solches System als
deduktiven Nachprüfungen standhält und durch die empirisch anerkennen, das einer Nachprüifung durch
fortschreitende Entwicklung der Wissenschaft nich die „Erfahrung" fähig ist. Diese Überlegung legt den
überholt wird, sagen wir, dass es sich bewährt. (..) Gedanken nahe, als Abgrenzungskriterium nicht die
Auch durch ihre verifizierten Folgerungen kön- Verifizierbarkeit, sondern die Falsifizierbarkeit des
nen Theorien niemals als „wahr“ oder auch nur alsSystems vorzuschlagen; mit anderen Worten: Wir
„Wahrscheinlich“ erwiesen werden. fordern zwar nicht, dass das System auf empirisch-
ogik der Forschung (1934) methodischem Wege endgültig positiv ausgezeichnet
rerden kann, aber wir fordern, dass es die logische
Form des Systems ermöglicht, dieses auf dem Wege
M2 Karl R. Popper:
methodischen Nachprüfung negatív auszuzeich-
Abgrenzung durch Falsifikation
Der ernsteste unter den Einwänden, die man gegennen: Ein empirisch-wissenschaftliches System muss
unsere Ablehnung der induktiven Methode erhebenan der Erfahrung scheitern können.
kann, ist wohl der, dass wir damit auf ein, wie es L0gIR aeT FO1SCn ng |1 34)

cheint, entscheidendes Kennzeichen der empirischen


Wissenschaften verzichten, wodurch die Gefahr des Analysieren Sie das Verfahren der deduktiven
Abgleitens der empirischen Wissenschaften in Me- Überprüfung von Theorien und stellen Sie es in
taphysik entsteht. Was uns aber zur Ablehnung der Form eines Schaubildes dar. M1r

Induktionslogik bestimmt, das ist gerade, dass wir in 2 Untersuchen Sie Poppers Vorschlag zur Ab-
grenzung der empirischen Wissenschaften ge-
dieser induktiven Methode kein geeignetes Abgre genüber metaphysischen Systemen. M2
zungskriterium sehen können, d. h. kein Kennzeiche Finden Sie Beispiele für falsifizierbare und
des empirischen, nicht-metaphysischen Charakters hicht-falsifizierbare
nic Sätze. > M2
eines theoretischen Syster
: WnI N f F" UNL N N N|NI

Fortschritt durch Falsifikation

M1 Karl R. Popper:
Sicher (haben Eddingtons Beobachtungen Einsteins
Ein Beweis der Relativitätstheorie? Theorie) nicht [bewiesen). Man kann wissenschafi-
In einem TV-Gespräch erläutert Popper seine Wissenschafts-liche Theorien Theorie
senschaftliche reich beweisen.
überhauptist nicht Eine wis-
an (..J Konsequen-
theorie an einem berühmten Beispiel.
zen. Vieles kann man daraus ableiten. Der Nachweis,
Sterr dass eine dieser Konsequenzen richtig ist, kann nicht
nachweisen, dass alle die anderen Konsequenzen
richtig sind. Es kann auf diese Weise die Theorie in-
Erde teressanter werden, sie kann sich bewähren, wie der
Fachausdruck ist, aber sie kann nicht bewiesen wer-
Sonne den. Im Gegenteil hätte die Theorie aber widerlegt
werden können, wenn die Eddington-Beobachtung
umgekehrt ausgegangen wäre, wenn sie nicht zu die-
Einstein hat aus seiner Theorie abgeleitet, dass Licht- sen Abweichungen geführt hätte. (..J Und hier ist das
strahlen, die ganz nahe an der Sonne vorbeilaufen, wichtige, dass die Experimente nur anscheinend dar-
con der Sonne angezogen werden, so dass [..) (sie)auf hin angelegt sind, um die Theorie zu beweisen. In
in der Nähe der Sonne abgelenkt werden. [.J Und Wirklichkeit müssen Experimente daraufhin angelegt
wenn [...) (ein) Stern (, der in der Nähe der Sonne sein, die Theorie – wenn möglich - zu widerlegen.
steht, von der Erde aus beobachtet wird), so schaut hilosophie gegen falsche Propheten (1974)
der Stern aus, als ob er weiter von der Sonne weg
wäre, als er wirklich ist. (.J Das ist die AblenkungM2 Karl R. Popper:
des Lichtes. (..) Keine endgültigen Wahrheiten
10 Nun kann man aber einen Stern normalerweise nichtObwohl wir in der Wissenschaft unser Bestes tun, die
sehen, wenn er in der Nähe der Sonne ist und kannWahrheit zu finden, sind wir uns doch des Umstandes
daher diesen Versuch nicht wirklich durchführe wohl bewusst, dasS wir nie sicher sein können, ob v
Es ist Einstein eingefallen, dass man während einersie gefunden haben. Wir haben in der Vergangenheit
Sonnenfinsternis, wenn der Mond vor der Sonneaus vielen Enttäuschungen gelernt, dass wir niemals
steht, (..) die Sterne um die Sonne herum fotografie- Endgültigkeit erwarten dürfen [..). Wir können in den
ren und mit einer Fotografie derselben Sterngruppemeisten Fällen mit großer Zuverlässigkeit feststellen,
|.J in der Abwesenheit der Sonne (vergleichen könn- welche von zwei vorgelegten Theorien die bessere
ze). Da nimmt man dieselbe Sterngruppe sechs Mo- ist. |...J Denn wenn sie sich voneinander unterschei-
ate später oder sechs Monate früher auf, wenn die den, dann werden sie zu verschiedenen Voraussagen 1
Sonne nicht in diesem Stermbild steht. Und das Wurde führen, die sich oft experimentell überprüfen lassen;
durchgeführt von Eddington. Die Sterngruppe, in der und auf der Basis eines solchen erperimentum erucis
die Sonne erwartet wurde, wurde sechs Monate vor können wir manchmal entdecken, dass die neue The
der Sonnenfinsternis aufgenommen und während derorie gerade dort zu befriedigenden Resultaten führi
Sonnenfinsternis wurde dieselbe Sterngruppe um diewo die alte versagt.
Sonne herum aufgenommen. Und es stellte sich her- Wir können also sagen, dass wir auf unserer Suche
aus, dass der Voraussage gemäß diese Sterne vonein- nach der Wahrheit die wissenschaftliche Sicherheit
nder
an
ind weg waren (..). durch den wissenschaftlichen Fortschritt ersetzt ha-
NSCHATEN

Und dicse Aisicht von der wisenschaltlichen


jaalke wind ducd d Eusicking der Wisee
el * M3 Karl R. Popper:
i keaiig, Deaae die Wiscnshat cawisie Die Idee einer objektiven Wahrheit
e maht lI duch eine alaihikde mzyklge
he Aabhiusśng weeticher laformation, sondem
ed ine weitevaluiositere Metiade;sie schmet
jea aimth kihne ldeen duch die Vehreiung neet
öchst selisamer Theorien (wie etwa der
nd Iie
s die Erde nichu Nlach ist oder dass der „metrisie
puen" niclit lach ist) und durch das Verwerfen der
iea. Aber diese Auffassung der wissenschaflichen
uehode bedeutet, das es in der Wisenschalft kein
se* in dem Sinne gibt (.), in dem es Endgültig-
isSei Der Status der Wahrheit im objektiven Sinn als Über
ieit einschlielt. In der Wissenschaft besitzen wir nie einstimmung mit den Tatsachen und ihre Rolle als
einen himreichenden Grund zu der Annahme, dass egulatives Prinzip lässt sich mit einem Gipfel ver-
air die Wahrheit crreicht haben. Was wir gewöhn- gleichen, der meist von Wolken verhüllt ist. Der Berg-
ieh .NiSsenschaftliche Erkenntnis" nennen, ist in der steiger wird nicht nur Schwierigkeiten haben, hinauf-
Regel nnicht ein Wissen in diesem Sinn, sondern ein amal bemerken, wenn
zugelangen - er wird nicht einm
formation über die verschiedenen rivalisierenden dort angekommen ist, denn in den Wolken kann
Hlypothesen und über die Weise, in der sie sich in er womöglich nicht zwischen dem Hauptgipfel und
schiedenen Prüfungen bewährt haben [.). Diese einer Nebenspitze unterscheiden. Die objektive Exis—
Auffiassung bedeutet weiterhin, dass es in der Wis- enz des Gipfels wird dadurch jedoch nicht berührt;
senschaft keine Beweise gibt (reine Mathematik und ans der Bergsteiger erzählt, „ich zweifle,
und wenn uns
Logik sind natürlich ausgenommen). In den empi- ob ich den wirklichen Gipfel erreicht habe“, dann
rischen Wissenschaften, die uns allein Information erkennt er implizit das objektive Vorhandensein des
iber die Welt, in der wir leben, verschaffen können, Gipfels an. Schon die bloße Vorstellung von Irrtum
kommen keine Beweise vor, wenn wir unter einemoder Zweifel (im ganz normalen Sinn) impliziert die
Beweis“ ein Argument verstehen, das die Wahrheit Idee einer objobjektiven Wahrheit, die wir möglicher-
einer Theorie ein für alle Mal begründet. (Hingegenweise nicht erreichen.
rheit, Rationalität und Wachstum der Wissenschaft (1963)
ist es möglich, wissenschaftliche Theorien zu wider-
legen.) Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (1945)

Analysieren Sie das Beispiel und beurteilen Sie,


Wir haben zwar in den empirischen Wissenschaften ob Eddingtons Beobachtungen als Beweis für
hiemals genügende Argumente für die Behauptung, Einsteins Theorie gelten können. > M1
vir hätten tatsächlich die Wahrheit erreicht; aber wir 2 Erörtern Sie Poppers Auffassung von Fort-
kónnen starke und recht gute Argumente dafür ha- schritt, Wahrheit und Annäherung an die
ben, dass wir uns der Wahrheit ein Stück genähert Wahrheit auf der Grundlage der Texte und des
haben; das heißt, dass die Theorie T2 ihrem Vorgän- Bildes. M2/M3

ger TI vorzuziehen ist, jedenfalls im Lichte aller be-


kannten Vernunftargumente. Darüber hinaus können Medienhinweis:
wir die wissenschaftliche Methode und einen guten Philosophie gegen falsche Propheten. Gespräch mit
Ieil der Wissenschafisgeschichte als das vermünftige Karl Popper (Hessischer Rundfunk 1974);
Der kritische Rationalismus (0:04:06-0:09:13)
Verfahren zur Annäherung an die Wahrheit erklären.
Objektive Erkenntnis (1972)

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