oekotest.

de
INTERVIEW
Ist „klimaneutral“
nicht was Gutes,
Herr Resch?

TEST Januar 2024 6,90 Euro

109 DAS ÄNDERT SICH

P RO D U K T E G
FÜR JEDEN
TA 2024
STEUERN, GESETZE,
REGELUNGEN

Gesichtscremes 50 Produkte im Test:

Viele günstige überzeugen

FÜR GRÜN
GRÜNES
NEUES JAHR!
VERKAUFT
NACHHALTIGE So trickst die
VORSÄTZE FÜR Industrie mit
FAMILIEN Greenwashing
109 PRODUKTE

HUNDE SPIELZEUG BINDEN FÜR PIZZATEIG

IM TEST

Alle besser BLASENSCHWÄCHE Der von Aldi

als Stöckchen Welche hält dicht? überzeugt

JANUAR 2024 | D 6,90 Euro D 6311 | A, Benelux 6,90 Euro

 FrischeIdeen
vom Feld zu Dir nach Hause

Dafür stehen wir:

Soja aus Deutschland
Innovative Produktideen
Pflanzliche Alternativprodukte
Umwelt- und Insektenschutz

Wir bauen bereits viele der für unserere Produkte benötigten Rohstoffe
auf unseren eigenen Feldern innerhalb Deutschlands an. So verkürzen
wir die Transportwege und sparen Emissionen ein. Mit Blühstreifen an
unseren Anbauflächen setzen wir großen Wert auf Insektenschutz. Bei
uns entstehen die Ideen bereits auf dem Feld.
www.vefo.eu
Mehr Informationen über uns findest du online: www.vefo.eu
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Mut zur Lücke
beweisen.
EDITORIAL
Januar 2024
Nachverdichten
in bester Lage.

Kein Konsum
ist klimaneutral
Ein Wort wie eine Verheißung: „Klima-
neutral“. Klimaneutralität bedeutet,
dass wir Menschen mit unseren Aktivi-
täten in der Summe das Klima nicht
beeinflussen. Klimaneutral werden ist
das globale Ziel der Stunde. Und wäre
es nicht gut, wenn wir Verbraucherin-
nen und Verbraucher da ein kleines
bisschen mithelfen würden? Vielleicht
indem wir möglichst viele „klimaneu-
trale“ Produkte kaufen?
Stopp. So schön es wäre: Es gibt kei-
ne klimaneutralen Produkte. Auch
wenn auf dem Cremetiegel der Schrift-
zug „CO₂-neutral“ prangt. Konsum hat
immer eine negative Auswirkung aufs
Klima. Die Herstellung einer Creme,
eines Pizzateigs oder eines Hundespiel-
zeugs verursacht Klimagase. Rohstoff-
abbau, Verarbeitung, Produktion,
Verpackung, Energie, Transport, Ar-
beitswege der Mitarbeiter – all das
sorgt für CO 2 -Emissionen. Was die
Hersteller von Konsumgütern dann
aber meinen, wenn sie mit „klimaneu-
tral“ werben, ist von Fall zu Fall unter-
schiedlich. Mal wollen sie durch den
Kauf von Zertifikaten, zum Beispiel für
Fotos: Christina Laube; Nina Rocco/ÖKO-TEST
Kerstin Scheidecker
Chefredakteurin
Waldprojekte, ihre Emissionen kom-
pensieren. Und mal wollen die Herstel-
ler zeigen, dass sie an ihren Produkti-
onsstandorten Prozesse verbessert und
Emissionen gesenkt haben. Wir mei-
nen: wenn überhaupt Werbung, die in
diese Richtung geht, dann bitte mit
einer Einordnung. Wir kritisieren des-
halb in unseren Tests die Werbung mit
Klimaneutralität, CO₂-Neutralität oder
einer missverständlichen CO₂-Bilanz,
wenn es auf dem Produkt keine aus-
reichende Information dazu gibt.
Ganz klar: Wenn Hersteller etwas
für die Umwelt und das Klima tun,
dann ist das eine gute Sache. Aber das
verheißungsvolle Wort „klimaneutral“
ohne Erklärung auf einem Konsumgut
ist und bleibt schräg. So schön es wäre:
Es gibt keine CO₂-neutralen Produkte.
Nur kein Konsum ist klimaneutral. Gleich informieren: #Umweltpreis
#FeimannHirschmüller auf www.baufritz.de
Ihre Kerstin Scheidecker

In unserer Titelgeschichte „Kauft euch grün“ ab Seite

20 geht ÖKO-TEST-Mitarbeiterin Sarah Weik der De-
batte um Werbung mit Klima- und CO₂-Neutralität auf
den Grund. Die freie Journalistin hat Journalismus und Germanistik studiert
und schreibt seit vielen Jahren für ÖKO-TEST. Sarah Weik arbeitet auch multi-
medial, lehrt an der Uni und bildet Journalisten aus und weiter.

Magazin 1·2024
INHALT
Januar 2024
LEBEN
ESSEN
SCHÖNHEIT
GESUNDHEIT 41
42 Planetary Health Diet
Essen das gut für uns und
den Planeten ist
46 Kulinarischer Selbstversuch
Der Planetenteller im

50 Praxistest
50 Pizzateig
Alles paletti oder
Pizzateig Mamma mia?
Selbst belegt und
ruck, zuck 56 Das Rezept
auf dem Tisch Schnelle Neujahrspizza
58 Einlagen bei
Blasenschwäche
Trocken bleiben
64 Tabuthema Inkontinenz
Was tun, wenn die Blase
schwächelt?
68 Kurz & klar

TITEL

32
20 Grüne Werbelügen
Wie dreist die
Industrie ihre Produkte
grünwäscht
Gesichtscremes
28 Gibt's das auch Ziemlich schönes Ergebnis
in Grün?
Das neue Buch von
ÖKO-TEST
Titelfoto: Anneleven Stock/Shutterstock; picture alliance/epd-bild
32 Gesichtscremes
Viele im grünen
Bereich – auch ohne
überflüssige Klima-
auslobung

4 Magazin 1·2024
 INHALT

WACHSEN MACHEN BEWEGEN

KINDER
FAMILIE
PARTNERSCHAFT 69 BAUEN
WOHNEN
REISEN 83 UMWELT
POLITIK
GELD 103
84 Hundespielzeug 104 Das ändert sich 2024
Zum Anbeißen – oder doch Neues Jahr, neue Gesetze
lieber Stöckchen holen?
Illustrationen: sotisare/Shutterstock; TALVA/Shutterstock

112 Einschüchterungsklagen
90 Interview Wie Konzerne und
Martin Rütter über Stöckchen Lobbygruppen gegen
und das Ego der Hundehalter kritische Stimmen
vorgehen
94 Winderwandern
Traumhaft schöne Wege
durch den Schnee
100 Grüne Reisetipps
Unterwegs im Nachtzug Jürgen Resch
70 Grünes neues Jahr und auf Tang-Safari
Acht gute Vorsätze für
102 Kurz & klar
mehr Nachhaltigkeit im
Familienalltag
76 Lass uns übers Klima
reden 120 Von wegen klimaneutral
Jürgen Resch von der
Fotos: Liudmila Chernetska/getty images; picoStudio/Shutterstock; Sayouna/Shutterstock; Steffen Holzmann; Stephen Swintek/getty images

Kinderbuchtipps zu Themen
wie Klimakrise, Umweltschutz Deutschen Umwelthilfe über
und Artenvielfalt Werbelügen zum Klimaschutz

82 Kurz & klar 124 Kurz & klar

len?
Der will nur spie
off e!
Aber ohne Schadst
STANDARDS

84 3 Editorial
6 Gut durch den Alltag
Hundespielzeug 8 Leserbriefe
Ein paar Problem- 10 Augenblicke
stoffe sind Silvesterfeuerwerk
Spielverderber
14 ÖKO-TEST wirkt
16 Gemeinsam besser
126 Glossar
127 Impressum
128 Vorschau
129 Marktplatz
130 Glosse: Gibt’s das auch
in Grün? – Böllern für eine
bessere Welt

Magazin 1·2024 5
 ÖKO -TEST Gut durch den Alltag
GUT DURCH
DEN ALLTAG
Steigende Energiepreise, teurere
Lebensmittel, wenig nachhaltige
Produkte: Wie Sie der Inflation
entgegenwirken und vorbeugend
das Klima und die Umwelt
schützen.
ZUSATZVERDIENST
MIT AUFWAND
Worauf muss man achten,
wenn man sein Auto privat vermietet?
Das Auto steht oft ungenutzt herum? Da ist der
Gedanke reizvoll, damit nebenbei etwas Geld zu
verdienen. Vorab sollte man jedoch seinen Ver-
sicherungsschutz prüfen und gegebenenfalls auf-
stocken. Die Nutzungsänderung muss dann auch
im Versicherungsschein stehen. Wer mehr als 256
Euro im Jahr damit einnimmt, muss das zudem in
seiner Steuererklärung angeben. In den Vertrag
gehören neben der Höhe und Dauer der Miete, den
Kündigungs- und Versicherungsmodalitäten auch
Regelungen darüber, wer für Treibstoff, eventuel-
le Strafzettel, Verschmutzungen oder Schäden
aufkommt. Wichtig zudem: Was wird als Sicherheit
hinterlegt und welche Führerscheinklasse ist not-
wendig? Wem das zu aufwendig ist, kann sein
Fahrzeug über Carsharing-Plattformen anbieten
– das spart Zeit, Mühe und federt Risiken ab. Aller-
dings fließt ein Teil der Einnahmen als Provision
an Vermittler wie Getaround oder Snappcar.
6
Kondenswasser
vermeiden
Wie lüftet man im Winter,
um zu verhindern,
dass sich Schimmel bildet?
Um Schimmel zu vermeiden, ist es trotz gestiegener Heizkosten auch
im Winter wichtig, Wohnräume zu heizen und täglich zu lüften. Je
mehr Menschen in einer Wohnung leben, umso häufiger. Falls tags-
über keiner zu Hause ist, reicht es bei niedrigen Außentemperaturen,
morgens und abends jeweils drei bis fünf Minuten lang stoß- oder
querzulüften. Hält sich tagsüber jemand in den Räumen auf, besser
drei bis viermal. Damit sich möglichst wenig Kondenswasser an Fens-
tern niederschlägt, am besten gleich lüften, wenn viel Feuchtigkeit
entsteht – also nach dem Aufstehen, Duschen oder Kochen. Zunächst
jedoch beschlagene Scheiben trockenwischen, damit die Fenster
nicht zu lange offenstehen müssen. Ein Hygrometer misst die Luft-
feuchtigkeit im Zimmer zuverlässig. Relativ sicher vor Schimmelbe-
fall ist man bei einer Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 Prozent. Ab 70 bis
80 Prozent steigt das Risiko, dass Schimmelpilze wachsen.
Energieverschwendung
Wird ein Zimmer schneller warm, wenn man den Thermostat auf
die höchste Stufe dreht?
Nein. Die auf Ziffern auf Thermostaten haben nichts mit der
Illustration: Fourdoty/Shutterstock
Geschwindigkeit zu tun, in der ein Zimmer die gewünschte
Temperatur erreicht. Stufe 5 am Thermostat bedeutet vielmehr, dass
die Heizung so lange heizt, bis der Raum eine Temperatur von rund
28 Grad Celsius erreicht hat – und damit in der Regel zu warm ist.
Statt Heizkosten zu sparen, verschwendet man dadurch also eher
Energie. Thermostatstufe 1 entspricht in etwa 12 Grad Celsius, mit
Stufe 3 erreicht man eine für Wohnräume angenehme Temperatur
von 20 Grad. Zwischen den Stufen liegen ungefähr vier Grad, die
Striche dazwischen entsprechen jeweils rund einem Grad Celsius.
Fotos: IMAGO/Waldmüller; IMAGO/Bernd Leitner
Jedes Grad weniger senkt den Heizverbrauch um circa sechs Prozent.
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Vemondo belegt sowohl ** **
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Marketing & Branding (Verbraucherauszeichnung)
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ausgezeichnet sowie als Gewinner in der Kategorie „Marketing & Branding“. Für den „Consumer’s Choice Award“ erfolgte eine öffentliche Abstimmung mit insgesamt über 15.000 Stimmen, mit denen Verbraucher in 9 Kategorien Gewinner
gewählt haben. In der Kategorie „Marketing & Branding“ erfolgte die Auszeichnung der Gewinner aufgrund einer Expertenjury. Die „International V-Label-Awards“ werden von der V-Label GmbH (Schweiz) ausgerichtet, die mit dem „V-Label“
eine Kennzeichnung für vegane und vegetarische Produkte anbietet und mit der Ausrichtung der „International V-Label Awards“ positiven Einfluss, Qualität und Innovation im pflanzenbasierten Bereich auszeichnet. Mehr Informationen unter
https://awards.v-label.com • Dieser Artikel kann aufgrund begrenzter Vorratsmenge bereits im Laufe des ersten Angebotstages ausverkauft sein. Abb. ähnlich. Für Druckfehler keine Haftung. Filial-Angebote: Lidl Dienstleistung GmbH & Co.
KG, Bonfelder Str. 2, 74206 Bad Wimpfen · Namen und Anschrift der regional tätigen Unternehmen unter www.lidl.de/filialsuche oder 0800 4353361.
 ÖKO -TEST Leserbriefe
ÖKO-TEST INSGESAMT
Danke für die
wichtige Arbeit
Wir neigen dazu vor allem die negativen
Dinge zu kommentieren, aber nicht das was
uns positiv auffällt. Daher habe ich mir
zum Ende des Jahres vorgenommen, die
guten Dinge anzusprechen. Ich bin seit
vielen Jahren treue ÖKO-TEST-Leserin und
Abonnentin. Die Arbeit, die ÖKO-TEST
macht, ist aus meiner Sicht wirklich wich-
tig. Kritische Aufklärung, Nachfragen,
Nachhalten und nicht nachlassen. Diese
Art von kritischem Journalismus kann
nicht hoch genug wertgeschätzt werden.
Gerade in den letzten zwei Jahren ist mir
dies verstärkt aufgefallen, mit dem Wech-
sel zu Kerstin Scheidecker als Chefredak-
teurin. Übrigens: Unser Kindergarten hat
die Sonnencreme umgestellt, weil ich ih-
nen meine ÖKO-TEST mit dem Test der
Sonnencremes zu lesen gegeben habe. Vor-
her war dort die Creme im Einsatz, die im
Test am schlechtesten abgeschnitten hat.
Jetzt ist es eine mit dem Label „sehr gut“.
Daher ein großes Danke an Sie alle für Ihre
tolle Arbeit. Ich freue mich jeden Monat
auf das neue Heft!
Wiebke Losekamp, per E-Mail
„REZEPT“, 11/2023
Tipps zum Garen
von Kichererbsen
Mit Erstaunen habe ich den Hinweis zum
Garen von trockenen Kichererbsen gelesen.
Denn wenn man Kichererbsen am Vortag
mit Wasser einweicht, am nächsten Tag
abspült und im Schnellkochtopf zubereitet,
beträgt die Garzeit nur sieben bis acht Mi-
nuten. Eine Prise Natron kann den Gar-
prozess zusätzlich beschleunigen. So spart
man Energie und Zeit.
Marietta Sergejew, per E-Mail
8 Magazin 1·2024
Schreiben
Sie uns
Per E-Mail, auf Facebook oder
per Post. Sagen Sie uns Ihre
Meinung. Zu Ihren Themen und
zu unserer Arbeit.
Was machen wir gut? Was geht
besser? Was gar nicht? Was fehlt?
ÖKO-TEST Magazin
Stichwort Leserbriefe
Kasseler Str. 1 a
60486 Frankfurt a. M.
E-Mail:
redaktion@oekotest.de
Facebook:
facebook.com/oekotest
Instagram:
instagram.com/oekotest.de
Veröffentlichungen unter der Rubrik
Leserbriefe stellen nicht die Meinung
der Redaktion dar. Wir behalten uns
Kürzungen vor. Bitte versehen Sie
Leserbriefe mit Ihrem vollständigen
(und richtigen) Namen.
„GIBT’S DAS AUCH IN GRÜN?“,
ÖTM 12/2023
Selten so
gelacht
Meine herzlichen Glückwünsche zu Ihrer
neuen Kolumne! Sie haben ja so recht, alles
ist oder wird grün. Ich kann mich noch er-
innern, als „grün“ bzw. „Grüne“, „Grüner“
ein Schimpf-, mindestens aber ein abfälli-
ges Wort war. Hurra, das Wort hat steile
Karriere gemacht und heute ein tolles
Image. Wer berät eigentlich Wörter, die
ihren Ruf aufpolieren wollen?
ÖKO-TEST, so viel steht fest, ist nötiger als
je zuvor. Das Beharrungsvermögen bei al-
ten schlechten Gewohnheiten ist doch
enorm. Hatte ich das schon erwähnt: Die
neue Kolumne gefällt mir ausgesprochen
gut! Kleiner Nebeneffekt: Weil ich das Heft
rückwärts las, konnte ich am Schreibstil
erkennen, wer am Artikel zum Margarine-
Test mitgearbeitet hat. Selten so gelacht
wie beim ÖKO-TEST-Magazin 12/2023.
Weiter so!
Dr. Thomas Gall, per E-Mail
„TEST BARTSHAMPOOS“, 11/2023
Endlich das richtige
Bartshampoo
Ich habe mir den Bartshampoo-Test ein-
gehend zu Gemüte geführt. Frei nach der
Dichtung „Faust I“ von Goethe habe ich
danach Folgendes gereimt: „Da steh’ ich
nun, ich armer Tor, und wart fast genau so
klug, als wie zuvor! Ja, auch ich bin nur ein
,armer‘ Mann, trotzdem probierte ich –
Jahr um Jahr, so manches Bartshampoo aus
und kam mit keinem richtig klar. Doch
dank dem ÖKO-TEST aus dem elften Heft,
hab ich’s nun endlich entdeckt. Und wie
wahr, mit ,Brooklyn Soap‘ jubilierte sofort
jedes einzelne Barthaar!“
Klaus P. Jaworek, Büchenbach
HEUTE:
MIT BIO-QUALITÄT
DURCHSTARTEN.
Gutes für alle.
MORGEN:
GANZJÄHRIG BEWUSST
ERNÄHREN.

HEUTE FÜR MORGEN. MIT ALDI.

Bewusst ins neue Jahr? Das geht mit unserer Vielfalt an ausgewählten
Bio-Produkten sowie Obst und Gemüse in Bio-Qualität, das täglich frisch
in unsere über 4.000 Filialen geliefert wird. Am besten einfach selbst
probieren, genießen und 2024 voll durchstarten!

Alle Infos unter:

aldi-nord.de/bio | aldi-sued.de/bio

* Die obenstehenden Verpackungen

können regional abweichen.
 ÖKO -TEST Augenblicke

10 Magazin 1·2024
 ÖKO -TEST Augenblicke

Glanzvoller Abschluss
Raketen, Böller, Feinstaubrekorde: Trotz verstärkter Kritik am
Silvesterfeuerwerk lassen es viele Menschen in der letzten
Nacht des Jahres ordentlich krachen. Entsprechend optimis-
tisch ist die Pyrotechnik-Branche und hofft zum Jahreswech-
sel 2023/24 erneut auf ein Umsatzfeuerwerk. Im vergange-
Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich

nen Jahr wurden in Deutschland an Silvester rund 180

Millionen Euro in die Luft gejagt. Doch so schön das farben-
frohe Spektakel um Mitternacht aussieht – an den negativen
Folgen für Umwelt und Gesundheit entzünden sich immer
wieder Diskussionen um ein Böllerverbot.

Magazin 1·2024 11
 ÖKO -TEST Augenblicke

Glanzloser Auftakt
Abgesehen davon, dass es in der Silvesternacht regelmäßig
zu vollen Notaufnahmen und hohen Feinstaubkonzentrationen
kommt und Tiere massiv verstört werden, hinterlässt die Bölle-
rei auch Unmengen an Müll. So müssen die kommunalen Abfall-
entsorger am Neujahrsmorgen allein in den fünf größten deut-
schen Städten rund 200 Tonnen achtlos liegengelassenen
Silvestermüll von Straßen und Gehwegen entfernen – Böller-
Foto: IMAGO/Matthias Koch

reste, Plastik- und Pappverpackungen, Flaschen und Scherben.

Was an abgebrannten Feuerwerkskörpern und bedenklichen
Chemikalien unbemerkt auf Wiesen oder in Gewässern landet,
ist in solchen Statistiken noch gar nicht berücksichtigt.

12 Magazin 1·2024
 ÖKO -TEST Augenblicke

Magazin 1·2024 13
 ÖKO -TEST ÖKO-TEST wirkt
ÖKO-TEST
WIRKT
Die einen verklagen uns, die
anderen verbessern ihre
Produkte. Hier erfahren Sie, was
unsere Tests bewirken und wie
die Hersteller darauf reagieren.
Gesamturteil von
gut auf
SEHR GUT
Quinoa nun mineralölfrei
Bei dem Rewe Bio Quinoa Tricolore aus unserem
Test Quinoa (ÖKO-TEST Magazin 04/2023) gab es
bis auf „leicht erhöhte“ Mineralölbestandteile nichts
zu bemängeln. Daher schnitt das Korn von Rewe mit
„gut“ ab. Für die Wiederveröffentlichung des Tests
im ÖKO-TEST-Jahrbuch 2024 ließen wir das Rewe
Bio Quinoa Tricolore erneut im Labor analysieren,
da uns der Anbieter mitteilte, dass es einen
Lieferantenwechsel gegeben hat. Erfreulicher-
weise ist das Produkt nun frei von Mineralölrück-
ständen und verbessert sich so auf „sehr gut“.
Die 500-Gramm-Tüte Quinoa kostet 2,49 Euro.
14
Gesamturteil von
befriedigend auf
GUT
LIEFERKETTE JETZT
NACHVOLLZIEHBAR
In unserem Test Schwarztee (ÖKO-TEST
Magazin 11/2023) hatten wir den Bünting
Tee Darjeeling „first flush“ FTGFOP 1, lose
(Bio) unter dem Testergebnis Teeanbau und Transparenz nur
mit „ausreichend“ bewertet. Das lag vor allem daran, dass der
Hersteller die Lieferkette nur „wenig“ belegt hatte. Nach
Testveröffentlichung stellte er weitere Dokumente zur Ver-
fügung, die die Lieferkette von der eingekauften Produktcharge
bis zu den Teegärten jetzt vollständig belegen. Damit konnten
wir auch das mitgeschickte Zertifikat der Nachhaltigkeits-
organisation Rainforest Alliance anerkennen. Der Standard
macht Vorgaben unter anderem für faire Arbeitsbedingungen
auf den Plantagen, was extern überprüft wird. Insgesamt
verbessert sich der Bünting-Tee unter den Aspekten Lieferkette,
unternehmerische Sorgfaltspflichten, existenzsichernde Löhne
und Arbeitsbedingungen, wodurch das Testergebnis Teeanbau
und Transparenz auf „gut“ hochrutscht. Zusammen mit dem
„sehr guten“ Testergebnis Inhaltsstoffe verbessert sich auch das
Gesamturteil. 100 Gramm des Bio-Tees kosteten 4,40 Euro.
Gesamturteil lautet
korrekt
BEFRIEDIGEND
Berichtigung: K-Classic Pflanzen-
margarine ist „befriedigend“
Die K-Classic Pflanzenmargarine hatten wir in unserem Test
Margarine (ÖKO-TEST Magazin 12/2023) fälschlicherweise
nur mit „ausreichend“ bewertet. Bei der Auswertung der uns
von Kaufland zur Verfügung gestellten Unterlagen zur Liefer-
kette ist uns leider ein Fehler unterlaufen. Wir hatten über-
sehen, dass der Hersteller auch eine Initiative zur Satelliten-
überwachung in den Anbauländern unterstützt – das ist
ein Instrument, das die Einhaltung des Abholzungsverbots
überprüft. Unter dem Testergebnis CSR erhöht sich damit
die Gesamtpunktzahl auf 24, wodurch sich die Note von
„befriedigend“ auf „gut“ verbessert. In der Gesamtschau aller
bewerteten Testergebnisse (Inhaltsstoffe „ausreichend“,
Fettzusammensetzung „sehr gut“, Sensorik „gut“, CSR „gut“)
schneidet das Produkt somit „befriedigend“ und nicht „aus-
reichend“ ab. Für den 500-Gramm-Becher der K-Classic
Pflanzenmargarine hatten wir 1,54 Euro bezahlt.
Magazin 1·2024
 Anzeige
Gesamturteil von
ausreichend auf

GUT

Babytrage ohne Antimon

Die Stokke Limas Carrier Plus, Grey Melange
(ÖKO-TEST Spezial Baby 2023) hatte in
unserem Test Babytragen nur mit „aus-
reichend“ abgeschnitten, weil wir u.a.
lösliches Antimon und umstrittene halogen-
organische Verbindungen beim Testergebnis
Inhaltsstoffe kritisiert hatten. Antimon wird
bei der Herstellung von Polyester eingesetzt.
Der Anbieter teilte uns mit, dass er für die
Version der Trage mit der Art.-Nr. 619306
nun biozertifizierte Baumwolle als Haupt-
material verwendet. Ein Nachtest im Labor
zeigt: Aus den Gurten löst sich jetzt kein
Antimon mehr und das Hauptmaterial ist frei
von halogenorganischen Verbindungen.
Damit verbessert sich das Testergebnis
Inhaltsstoffe auf „sehr gut“. Auch das
Testergebnis Weitere Mängel verbessert sich
auf „sehr gut“, weil keine optischen Aufheller
mehr in den Etiketten nachweisbar waren.
Das neue Obermaterial färbte allerdings in
der Prüfung auf Speichel- und Schweißecht-
heit etwas ab. Dafür ziehen wir beim
Testergebnis Praxisprüfung 0,2 Noten ab,
wodurch es sich auf die Note 2,46 ver-
schlechtert und gerade noch „gut“ bleibt.
Die Trage kostet 149 Euro.

Magazin 1·2024
 ÖKO -TEST Gemeinsam besser
GEMEINSAM
BESSER
Was läuft in Sachen Verbraucher-
und Umweltschutz sonst noch?
Hier stellen wir vor, welche Themen
und Erfolge NGOs, Behörden und
Verbraucherzentralen auf dem
Schirm haben.
Titandioxid neu bewertet
Das wissenschaftliche Beratergremium der EU-Kommis-
sion für Verbrauchersicherheit (SCCS) hat eine vorläufige
Fassung seiner langersehnten Neubewertung für Titandi-
oxid (auch TiO2 oder CI 77891) in kosmetischen Mitteln ver-
öffentlicht. Demnach kann in Kosmetikprodukten, die oral
aufgenommen werden, eine erbgutverändernde Wirkung
für den überwiegenden Teil der eingesetzten TiO2-Partikel
nicht ausgeschlossen werden. ÖKO-TEST wertet TiO2 in
oral aufgenommener Kosmetik wie Zahnpasta oder Lip-
penstiften bereits seit einiger Zeit ab. Zuvor hatte die Euro-
päische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) das
Weißpigment wegen einer möglichen erbgutverändernden
Wirkung nicht mehr als sicher eingestuft. Es wurde darauf-
hin im August 2022 als Lebensmittelzusatzstoff verboten.
Auf gesunde Haut aufgetragen gehe von dem Pigment
nach aktuellem Stand kein Risiko aus. Das SCCS fordert je-
doch weitere Forschung, insbesondere zur Aufnahme von
TiO2-Nanopartikeln über die Mundschleimhaut.
16
Pilotprojekt
für entwaldungsfreie Lieferketten
Um die Kontrollen entwaldungsfreier Lieferketten zu erleichtern,
hat das Bundesumweltministerium (BMUV) das Pilotprojekt
„Forestguard“ gestartet. Es soll Informationen zusammenzufüh-
ren und Transparenz schaffen – dafür entwickelt das Fraunhofer-
Institut mit mehreren Unternehmen eine Open-Source-Lösung,
zunächst beispielhaft für Kaffee. „Forestguard“ soll auch die Um-
setzung der EU-Verordnung über entwaldungsfreie Agrarliefer-
ketten erleichtern. Diese soll sicherstellen, dass Rindfleisch, Kakao,
Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz, die in der EU in Verkehr
gebracht werden, nirgends auf der Welt zu Entwaldung und Wald-
schädigung führen. Die nötige Transparenz über eine Vielzahl von
Informationen stünde den Unternehmen entlang der Lieferketten
bislang gar nicht oder nicht in ausreichender Qualität zur Verfü-
gung, so das BMUV. Auch für das deutsche Lieferkettensorg-
faltspflichtengesetz soll „Forestguard“ ein Vorbild sein.
Illustration: Nosyrevy/Shutterstock
WASSERRAUB
FÜR ERDBEEREN
BLEIBT ILLEGAL
Im Doñana-Nationalpark in Südspanien, einem der wichtigsten
Naturschutzgebiete Europas, bleibt Wasserraub für den
Erdbeeranbau verboten. Die andalusische Lokalregierung hat
Fotos: IMAGO/Juan José Pascual; malerapaso/getty images
ein Gesetz zurückgezogen, mit dem bereits bestehende illegal
gebaute Brunnen legalisiert werden sollten. Zu dieser
Entscheidung hätten laut der Bürgerbewegung Campact und der
Verbraucherorganisation Foodwatch auch massive Proteste von
mehr als 270.000 Menschen aus Deutschland beigetragen, die
Mitte 2023 deren gemeinsamen Appell unterzeichnet hatten.
Sie hatten darin große deutsche Supermarktketten aufgefor-
dert, keine Erdbeeren mehr aus dem Dürregebiet zu verkaufen.
Der Erdbeeranbau trocknet das Feuchtgebiet in Andalusien
zunehmend aus – einer der Hauptkritikpunkte auch in unserem
Test Erdbeeren in der Maiausgabe (oekotest.de/13722). Die
Kampagne für einen Verkaufsstopp in Deutschland hatte für
tagelange Debatten im spanischen Wahlkampf gesorgt.
Magazin 1·2024
 alverde
Natural Expert
Mit
1 % Bisabolol &
0,3 % Ceramid-
Komplex
Mit
1 % AHA &
2 % PHA
Mit
1 % Vitamin C
dm-drogerie markt GmbH + Co. KG · Am dm-Platz 1 · 76227 Karlsruhe

1
Tagescreme: Verpackung besteht zu mind. 70 % aus Recycling-Material (ohne Verschluss)
Peeling Cleanser: Verpackung besteht zu mind. 50 % aus Recycling-Material (ohne Verschluss)

dm.de/alverde
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Grüne Energie muss günstig

und einfach sein
Wie deutsche Haushalte an der Energiewende teilhaben können

Klimawandel, steigende Rohstoffpreise, Heizungsgesetz: Dass an grüner Energie künftig kein

Weg vorbeiführt, ist den meisten Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst. Doch das
Thema ist komplex und viele Menschen sind verunsichert oder gar verärgert. Deutschlands
größter grüner Energiediscounter eprimo verfolgt deshalb vor allem jetzt das Ziel,
das Generationenprojekt Energiewende wieder begehrenswert zu machen.

Auch wenn die Nachrichtenlage im vergangenen Jahr anderes

vermuten lässt: Das Interesse der Verbraucherinnen und
Verbraucher an sicherer und sauberer Energie ist so hoch
wie noch nie. Viel mehr Bürgerinnen und Bürger als früher
hinterfragen Versorgungsicherheit, Klimaschutz und Preis
ihrer Energiequellen. Was sie zuletzt so stark verstimmt hat,
ist der fehlende Pragmatismus, wie etwa beim Gebäudeener­
giegesetz. „Die zahlreichen Vorteile grüner Energie sind in
den Köpfen der Verbraucherinnen und Verbraucher in den
Hintergrund gerückt. Das wollen wir ändern“, sagt Katja
Steger, CEO von eprimo.

Energiewende zu Hause muss nicht kompliziert sein

„Schon seit Jahren setzen wir den Impuls, dass Energiewende

nicht bedeutet, das eigene Leben vollständig umzukrempeln.
Ökostrom zu beziehen und sogar selbst zu erzeugen, geht
heute leicht und vom Sofa aus – ohne den Geldbeutel zu stra­
pazieren“, so Steger weiter. Denn als #energiewendemacher
bringt eprimo die Energiewende auf Wunsch in jeden deutschen
Haushalt. „Ja, das scheint ambitioniert, doch unser Anspruch
war es nie, die Energiewende allein zu stemmen. Aber wir
möchten jeder Verbraucherin und jedem Verbraucher ermög­
lichen, daran teilzuhaben.“ Haushalte können bereits durch
den Bezug eines Ökostrom­ oder Ökogas­Tarifs von Anbietern
wie eprimo einen Beitrag leisten. Bisher hat laut Bundesnetz­
agentur nur gut einer von fünf deutschen Haushalten einen
Ökostromtarif gewählt.

Wer allerdings noch mehr für die Energiewende tun möchte,

bekommt bei eprimo alle Möglichkeiten – und auch hier gilt:
einfach, pragmatisch und vom Sofa aus. „Wer einen Balkon hat,
kann von einer Balkon-PV-Anlage profitieren. Haushalten mit
einem geeigneten Dach installieren wir eine Solaranlage und
„Zum Erfolg der Energiewende
laden sie als Prosumer in unsere Grünstromcommunity ein“,
erläutert Steger. Diese funktioniert nach einem einfachen können alle etwas beitragen“,
Prinzip: Lokale Ökoenergie­Produzentinnen und ­Produzenten sagt eprimo­CEO Katja Steger.
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Im Solarpark in Biehla (Sachsen) entsteht Ökostrom für eprimo­Kundinnen und ­Kunden.

speisen ihre grüne Energie ein, während die Mitglieder der
Grünstromcommunity (GSC) grüne Energie beziehen. So können
lange Transportwege vermieden und CO2 eingespart werden.
Je mehr Menschen den Grünstromcommunity­Tarif beziehen,
also Teil der GSC sind, desto stärker wird der Ausbau erneuer­
barer Energien gefördert. Für jedes Mitglied in der GSC investiert
eprimo einen jährlichen Betrag in neue PV­ oder Windkraft­
anlagen. So entsteht nach und nach ein deutschlandweites Netz­
werk von Anlagen für günstigen und transparenten Ökostrom.
Energien sowie Ökogas an. Seit dem 1. Januar 2022 ist eprimo
zudem als Unternehmen klimaneutral zertifiziert und vermei­
det Emissionen, wo es geht. Und auch die Verbraucherinnen
und Verbraucher wissen dies zu schätzen: eprimo erhält jähr­
lich mehrfach Auszeichnungen sowohl für nachhaltiges Engage­
ment sowie für herausragende Servicequalität, ebenfalls vom
TÜV SÜD zertifiziert und durch zahlreiche Marktstudien und
Anbietervergleiche bestätigt.

Doch eprimo unterstützt auch Haushalte ohne eigene Anlage Über eprimo
dabei, Teil von Bürgerenergieprojekten zu werden oder über
die sogenannten „Sunpixel“ virtuelle Anteile an Erneuerbaren­ eprimo ist Deutschlands kundenstärkster grüner Energie­
Anlagen zu erhalten und somit ihren Ausbau zu fördern. Dank discounter und bringt die Energiewende in über 1,9 Mil­
dieser vielfältigen und auch lohnenden Optionen kann jeder lionen Haushalte. Neben grüner Energie bietet eprimo
erleben, wie gut die persönliche Energiewende in der Realität Kundinnen und Kunden zahlreiche Möglichkeiten, sich
funktioniert. aktiv am Ausbau der erneuerbaren Energien zu beteili­
gen: Über attraktive Zusatzvergütungen für Prosumer,
Grüner Strom von grünem Unternehmen die Förderung neuer PV­Anlagen sowie die Beteiligung
an Bürgerenergieprojekten werden Verbraucher zu
Für mehr Unabhängigkeit von den Weltmärkten müssen er­ #energiewendemachern. Damit schafft eprimo eine
neuerbare Energien in Deutschland weiter ausgebaut werden – lebenswertere Zukunft durch grüne Energie für alle:
dafür setzt sich eprimo ein. „Ende 2022 haben wir Anteile an einfach, individuell und günstig.
einem Solarpark in Biehla in Sachsen erworben, von dem wir
seit April 2023 100 Prozent Ökostrom beziehen. Ganz frisch
ist auch ein Power Purchase Agreement, also ein langfristiger
Stromliefervertrag, mit einem weiteren Solarpark in Krempe
in Schleswig­Holstein“, berichtet Katja Steger weiter. Nach
der Einrichtung wird die Anlage ab Februar 2024 jährlich etwa
50 GWh Ökostrom erzeugen, mit dem die Energiewende in
den heimischen Wohnzimmern vorangetrieben wird.

Dass die Energie von eprimo auch wirklich grün ist, prüft und
bestätigt der TÜV NORD regelmäßig. So bietet der Ökostrom­
discounter bereits seit 2020 allen Kundinnen und Kunden
ausschließlich Stromprodukte aus 100 Prozent erneuerbaren
 TITEL Greenwashing

Grüne Wäsche: Green-

peace streikt in Frankfurt
gegen das Greenwashing
von Banken.

20 Magazin 1·2024
 TITEL Greenwashing

Kauft euch
grün!
Grüne Werbebotschaften sind beliebt.
Sie prangen auf zahlreichen Produkten oder
Dienstleistungen, preisen sie als bienen-
und korallenfreundlich, als klimaneutral und sogar
klimapositiv an. Doch die Aussagen sind häufig vage,
irreführend und oft nicht mehr als Grünfärberei.
TEXT: SARAH WEIK

W
ie bekommt man einen Flug-
hafen CO₂-neutral? Indem
man die Flugzeuge nicht mit
einrechnet! Klingt wie ein Witz, ist aber
keiner. Der Flughafen Hamburg rechnet
sich genau so seine Klimafreundlichkeit
herbei. Allein ist er mit dieser Taktik aller-
dings nicht. Wer sich im Supermarkt um-
schaut, findet allerlei Produkte, die angeb-
lich besonders gut für unsere Umwelt sind.
Es gibt Milch „für mehr Artenvielfalt“ und
„korallenfreundliche“ Sonnencreme. Es
gibt „klimaneutrale“ Wandfarben und Ge-
Illustration: picoStudio/Shutterstock
unterschwellige Botschaft: Alles halb so
wild mit dem Klimaschutz. Niemand muss
seinen Lebensstil ändern oder auf Konsum
verzichten. Im Gegenteil: Wer Milch trinkt,
sorgt für mehr Artenvielfalt, und je mehr
Tomatensauce und Babybrei-Gläschen wir
kaufen, desto besser fürs Klima! Doch das
stimmt natürlich nicht. Ein Produkt kann
nur in einem Fall wirklich klimaneutral
sein: wenn es nicht hergestellt wird. Und
„klimapositiv“ ist eine Eigenschaft, die wir
besser den Wäldern, Meeren und Mooren
dieser Erde überlassen. Und nicht der Wer-

sichtscremes (siehe Seite 32). Auch die
Reiselust muss sich niemand mehr vermie-
sen lassen. Tanken, fliegen, auf Kreuzfahrt
gehen – für einen kleinen Aufpreis ist
mittlerweile alles „klimaneutral“ möglich.
Und es geht noch besser: Ppura etwa stell-
te Nudeln und Tomatensauce her, die sogar
„klimapositiv“ sein sollten, auch Babybrei-
Gläschen von Hipp werden so beworben –
selbst der Brei mit Kalbfleisch. Immerhin:
Foto: © Bernd Lauter/Greenpeace
bung für ein Konsumgut.
Dabei ist es natürlich gut und nur zu be-
grüßen, wenn Unternehmen sich darum
bemühen, ihren ökologischen Fußabdruck
auf dieser Erde so klein wie möglich zu hal-
ten. Wenn Ppura etwa seine Produkte per
Bahn nach Deutschland transportiert und
Hipp auf erneuerbare Energien setzt. Doch
das macht ein Produkt noch lange nicht
„klimaneutral“ oder gar „klimapositiv“.

Beide wollen diese Werbung aufgeben.
2020 hat die Europäische Kommission
mehr als 1.400 Lebensmittel untersuchen
lassen. Jedes vierte Produkt trug dabei ei-
nen Umwelt-Claim, jedes zehnte warb ex-
plizit mit einer Klima-Aussage. Mittlerwei-
le dürften es noch deutlich mehr sein. Ihre
Die Rechnung dahinter funktioniert nur
über einen CO₂-Ausgleich. Die Unterneh-
men kaufen CO₂-Zertifikate, die ihre Emis-
sionen kompensieren. Für jede Tonne CO₂,
die bei der Herstellung eines Produkts ent-
steht, erwirbt das Unternehmen ein Zerti-
fikat und investiert damit in ein Kli-

Magazin 1·2024 21
 TITEL Greenwashing
maprojekt, das die gleiche Menge an CO₂
einsparen soll. Damit gilt das Produkt als
„klimaneutral“. Und wenn das Klimapro-
jekt mehr CO₂ einspart, als das Produkt
verursacht, ist es „klimapositiv“. Das gro-
ße Problem dabei: Der Markt der CO₂-
Zertifizierungen ist völlig ungeregelt.
„Mittlerweile bekommt man solche Frei-
briefe für zwei Euro pro Tonne CO₂“, sagt
Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deut-
schen Umwelthilfe. „Mit Klimaschutz hat
das aber nichts zu tun“ (siehe Seite 120).
Auch für die Werbung mit grünen Aus-
sagen gibt es bisher keine einheitlichen
Regeln, ein Öko-Siegel mit selbst definier-
ten Kriterien ist schnell erfunden und auf-
gedruckt. „Bei umweltbezogenen Aussagen
handelt es sich um Vertrauenseigenschaften
22
eines Produkts“, erklärt Verbraucherfor-
scherin Dr. Anke Zühlsdorf. „Im Gegensatz
zu Erfahrungseigenschaften – also etwa ob
mir ein Lebensmittel schmeckt oder nicht
– kann ich als Verbraucherin nicht wirklich
überprüfen, wie umweltfreundlich ein Pro-
dukt tatsächlich ist.“ Ob hinter der grünen
Werbebotschaft ernsthafte Bemühungen
oder reines Greenwashing steckt – für die
Menschen vor dem Supermarktregal ist das
kaum zu durchschauen. „Es gibt mittler-
weile einige Hersteller, die sich sehr für den
Klimaschutz engagieren – aber auch viele
Trittbrettfahrer.“
Umweltfreundlicher Heiligenschein
Denn mit Klimaaussagen zu werben, ist
lukrativ. Viele Menschen achten mittler-
weile darauf, welche Auswirkungen ihr
Konsum auf die Umwelt und das Klima hat.
Gerade bei der Lebensmittelproduktion ist
einer deutlichen Mehrheit von 66 Prozent
der Bevölkerung Umweltschutz wichtig.
Das fand Zühlsdorf in einer Studie, die in
Kooperation mit der Universität Göttingen
für den Verbraucherzentrale Bundesver-
band entstand, heraus. Und wenn ein Pro-
dukt genau das verspricht, greifen sie ger-
ne zu. „Klimaschutz und Nachhaltigkeit
sind mittlerweile ein Wettbewerbsvorteil“,
sagt die Verbraucherforscherin. Die Her-
steller wissen das und werben offensiv mit
grünen Aussagen. Und die Werbung wirkt,
wie Zühlsdorf herausfand. Laut ihrer Stu-
die kommen 61 Prozent der Befragten bei
dem Claim „CO₂-neutral“ auf einer Voll-
Magazin 1·2024

Auch die EU kann Greenwashing:
Sie stufte Atomenergie und
Erdgas 2022 unter bestimmten
Bedingungen als „nachhaltig“ ein.
Aktivisten protestierten dagegen
in Frankfurt und übergossen
vermeintliche Atom- und
Gasfässer mit grüner Farbe.
milch zu einer positiven Umwelteinschät-
zung – 23 Prozentpunkte mehr als bei der
Variante ohne grünen Werbespruch. Und
80 Prozent der Befragten schätzten den
Naturjoghurt mit der Aussage „klima-
freundlich, weil aus der Region“ als um-
weltfreundlich ein, bei der Variante ohne
Claim waren es nur 57 Prozent.
„Es reicht tatsächlich aus, wenn die Wer-
bung nur einen Teilaspekt – wie die gerin-
ge Transportentfernung – herausgreift,
damit das Produkt als umweltfreundlich
wahrgenommen wird“, sagt Zühlsdorf. Ha-
lo-Effekt nennen das Experten: Er verpasst
dem Produkt einen umweltfreundlichen
Heiligenschein. Denn eine regionale Her-
stellung macht ein Produkt nicht automa-
Illustration: picoStudio/Shutterstock
tisch klimafreundlich: Wenn die Tomate im
Nachbarort im Gewächshaus reift, hinter-
lässt sie durchaus einen größeren CO₂-
Fußabdruck als die Tomate aus Spanien.
Genauso unklar ist vielen Verbrauchern
und Verbraucherinnen, was sich hinter
dem Label „klimaneutral“ tatsächlich ver-
birgt. Nur acht Prozent der Menschen, die
Zühlsdorf für die Studie befragte, wussten,
dass klimaneutral nicht gleichbedeutend
Fotos: imago images/Tim Wagner; Gert Baumbach/weissblick.com
mit „kein Treibhausgasausstoß“ ist, son-
dern bei der Produktion immer Treibhaus-
gase entstehen. Dabei hilft es auch wenig,
wenn Hersteller genauere Angaben hinter
Sternchen verstecken oder Zusatzinforma-
tionen auf Webseiten unterbringen. So
findet sich auf der Homepage von Hipp,
sehr weit unten auf einer Unterseite,
durchaus der Hinweis: „Klimapositiv soll
nicht suggerieren, dass ein Mehrkonsum
dieses Produktes positiv für das Klima
wäre.“ Doch kaum ein Verbraucher wird
sich im Supermarkt die Mühe machen, dort
vorbeizusurfen. Hängen bleibt durch die
grünen Werbesprüche vor allem eines:
Magazin 1·2024
Besonders
dreiste Beispiele
„Klimaneutrale“ Hähnchenbrust
Tierische Lebensmittel haben einen be-
sonders hohen CO₂-Fußabdruck. Da
überrascht es, wenn Hähnchenfleisch
plötzlich „klimaneutral“ sein soll. So
prangte auf der Packung Hähnchen-
Brustfilet der Rewe-Eigenmarke Wil-
helm Brandenburg das blaue Label von
ClimatePartner. Um das zu bekommen,
hatte Rewe CO₂-Zertifikate eines Pro-
jekts zum Waldschutz in Tambopata in
Peru gekauft. Doch nach Recherchen
von Foodwatch nahm die Entwaldung in
der Region nicht ab, sondern zu. Die Zer-
tifikate seien somit wertlos. Nach einer
Abmahnung von Foodwatch stellte Rewe
die Werbung mit dem Label ein und kün-
digte an, keine Eigenmarken-Produkte
mehr als „klimaneutral“ zu bewerben.
Die rifffreundliche Sonnenmilch
Im US-Bundesstaat Hawaii sind Sonnen-
cremes mit den chemischen UV-Filtern
Octinoxat und Oxybenzon seit 2021 ge-
setzlich verboten. Seitdem weisen viele
Hersteller von Sonnencreme lautstark
darauf hin, dass sie ebenfalls auf diese
Filter verzichten und bewerben ihre Son-
nencreme als „korallenfreundlich“ oder
„riffsicher“. Geschützt sind die Begriffe
allerdings nicht. Es ist also nicht auszu-
schließen, dass sich in der Creme ande-
re Substanzen befinden, die Mensch und
Umwelt schaden.
Fliegen für den Klimaschutz
Sie möchten kein schlechtes Gewissen
mehr haben beim Fliegen? Kein Prob-
lem, wählen Sie bei Lufthansa einfach
den Green-Fares-Tarif. Denn durch die
Nutzung nachhaltiger Flugkraftstoffe
werden laut Lufthansa 20 Prozent der
flugbezogenen CO₂-Emissionen redu-
ziert, der Rest durch Kompensation aus-
geglichen. Als Geschenk – und hier wird
es dann richtig zynisch – gibt es extra
Status- und Prämienmeilen obendrauf,
damit man noch viel öfter fliegen kann.
23
TITEL Greenwashing
Wenn ich nach diesem Produkt greife, tue
ich der Umwelt etwas Gutes.
Nach der Studie der EU-Kommission von
2020 waren 53 Prozent der geprüften Um-
weltaussagen vage, irreführend oder nicht
fundiert. 40 Prozent konnten gar nicht be-
legt werden. Vorschriften zu freiwilligen
Umweltaussagen gibt es nicht. Was ein
„ozeanfreundliches“ T-Shirt oder eine
„bienenfreundliche Landwirtschaft“ sein
soll, ist vollkommen unklar und genauso
wenig gesetzlich geregelt wie Aussagen zur
Klimaneutralität. Mit der „Green Claims“-
Richtlinie will die EU das ändern. Im März
hat die EU-Kommission einen Vorschlag
dafür vorgelegt. Demnach dürften Unter-
nehmen künftig nur noch mit Aussagen
werben, die unabhängig überprüft und an-
hand wissenschaftlicher Erkenntnisse be-
legt werden.
„Es wird Zeit,
dass das hohe
Täuschungs-
potenzial durch
umweltbezogene
Werbeaussagen
ein Ende hat.“
Stefanie Wetzel
Verbraucherzentrale Bundesverband
Hohes Täuschungspotenzial
Ein Vorstoß, den auch der Verbraucherzen-
trale Bundesverband (vzbv) begrüßt. „Es
wird Zeit, dass das hohe Täuschungspoten-
zial durch umweltbezogene Werbeaussa-
gen ein Ende hat“, sagt Stephanie Wetzel,
Projektkoordinatorin Lebensmittelklarheit
beim vzbv. Um auf der einen Seite die
 TITEL Greenwashing
Unternehmen zu unterstützen, die tat-
sächlich nachhaltige Produkte herstellen
und sich aktiv um Umweltschutz bemühen.
Und es auf der anderen Seite Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern zu erleichtern,
eine nachhaltige Kaufentscheidung zu
treffen. „Auf der Grundlage von Informa-
tionen, die wirklich verlässlich sind.“ Das
setzt auch voraus, dass es einheitliche Kri-
terien gibt. Wenn Verbraucher beispiels-
„Klimaneutralität
weise Eier mit einem Bio-Siegel der EU ist nur durch
kaufen, können sie davon ausgehen, dass
in dem Betrieb höchstens sechs Legehen- Kompensation
nen pro Quadratmeter leben. Solche Stan-
dards, die klar geregelt und überprüfbar
erreichbar.“
sind, fordern Verbraucherschützer auch bei
Green Claims.
Dass eine solche Richtlinie wirkt, zeig-
te bereits die Health-Claims-Verordnung
der EU. Warben Hersteller zuvor gerne mit
Aussagen wie „Stärkt das Immunsystem“
Dr. Michael Bilharz
oder „Für starke Knochen“, war das nach Umweltbundesamt
2007 nur noch nach ausdrücklicher Geneh-
migung und mit wissenschaftlichem Nach-
weis möglich. Ähnliche Vorgaben wünscht
sich der vzbv auch für grüne Claims. Mit
einer Einschränkung: „Die Werbung mit
einer angeblichen Klimaneutralität von
Produkten sollte grundsätzlich verboten
werden“, sagt Wetzel. „Wir begrüßen da-
„Gemeinsam verbessern wir mit jedem
Gläschen die Klimabilanz“ – die Hipp-
Werbung war besonders dreist. Der
Anbieter will die Werbung aufgeben.
24
her, dass sich das Europäische Parlament
und der Rat auf eine strengere Regulierung
dieser Werbeaussagen geeinigt haben.
Aussagen wie ‚klimaneutral‘ dürfen zu-
künftig nicht mehr auf Kompensations-
mechanismen beruhen.“ Denn das kaschie-
re lediglich die tatsächliche Klimabelas-
tung der Produkte.
Die „Green Claims“-Richtlinie soll dar-
über hinaus Kriterien festlegen, wie um-
weltbezogene Werbeaussagen belegt wer-
den können. Noch ist dies nur ein Vorhaben.
Derzeit wird die Richtlinie im zuständigen
Ausschuss des Europäischen Parlaments
und im Rat behandelt. „Es ist fraglich, ob
sie noch vor den Wahlen zum Europäischen
Parlament im Juni 2024 beschlossen wird“,
sagt Wetzel. Es ist also unklar, wann und ob
sie in Kraft treten wird.
Dass Unternehmen dennoch für ihre
grünen Aussagen geradestehen müssen –
dafür sorgen derzeit vor allem Verbrau-
cherschutzorganisationen wie der vzbv,
Foodwatch oder die Deutsche Umwelthilfe.
Mit Aufklärungsarbeit, Studien – und Kla-
gen. Denn auch in Deutschland gibt es ein
Gesetz, an das sich Unternehmen halten
müssen: das Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb. Auf dessen Grundlage geht
die Deutsche Umwelthilfe seit dem vergan-
Magazin 1·2024
 TITEL Greenwashing

genen Jahr gegen Unternehmen vor, die mit

angeblicher Klimaneutralität werben. Seit
Mai 2022 hat die DUH rund 40 Klagen ge-
gen Unternehmen wie dm, TotalEnergies,
oder HelloFresh geführt (siehe Interview
Seite 120). Verloren hat die Verbraucher-
schutzorganisation bisher noch nie, einige
Verfahren laufen noch. Die Wirkung zeigt
sich bereits über die Verfahren hinaus: So
vergibt der Zertifikatehändler Climate-
Partner sein „Klimaneutral“-Label nicht
mehr, stattdessen können Unternehmen
das Label „Finanzieller Klimabeitrag“ nut-
zen. Auch Hipp will seine Produkte künftig
nicht mehr als „klimaneutral“ oder „klima-
positiv“ ausloben. „Ich gehe davon aus,
dass 2024 Schluss ist mit falschen ‚klima-
neutralen‘ Produkten“, ist Geschäftsführer
Jürgen Resch überzeugt. „Wir können es
nicht durchgehen lassen, wenn jedes Un-
ternehmen sein eigenes Bewertungssystem
aufstellt und mit ein paar kleinen Kompen-
sationen sagt, dass es ‚umweltneutral‘ sei.“

Kompensation macht kein Produkt

umweltfreundlicher
Denn bisher ist der Handel mit Zertifikaten
völlig uneinheitlich. Es gibt weder gesetz-
liche Vorgaben noch unabhängige Kont-
rollen. Den Markt dominiert Verra. Die
Organisation vergibt drei Viertel der welt-
weit gehandelten Zertifikate auf dem
freiwilligen – also nicht dem staatlichen Der Protest gegen Greenwashing von Konzernen wächst,
wir hier auf dem globalen Klimastreik 2023 in Berlin.
– Kompensationsmarkt. Die meisten Zerti-
fikate kommen dabei von Waldschutz-Pro-
jekten. Die sich also nicht etwa dafür ein-
setzen, dass neue Bäume gepflanzt,
sondern bestehende nicht abgeholzt wer- nicht eingespart wurden.“ Auch aufgrund oder staatliche Organisationen entstande-
den. In einer Studie der Freien Universität dieser Berichterstattung hat Ppura ent- ne Emissionen an anderer Stelle durch die
Amsterdam, die im August dieses Jahres schieden, das „klimapositiv“-Label abzu- Förderung von Klimaschutzprojekten wie-
im Fachblatt Science erschien, haben For- legen und das Geld lieber in lokale Klima- der vermeiden.“ Voraussetzung dafür sei
scher und Forscherinnen 26 Waldschutz- schutzprojekte zu stecken. natürlich, dass die Projekte tatsächlich CO₂
projekte in sechs Ländern untersucht. Ihr Dass der freiwillige Markt für CO₂- einsparen. „Diese Projekte gibt es und sie
Ergebnis: Die meisten Projekte haben die Kompensationen dringend mehr Qualitäts- sind es wert unterstützt zu werden.“ Den-
Rodung nicht wesentlich reduziert. Und bei standards und gesetzliche Regeln braucht noch ist auch er dagegen, dass Produkte
Fotos: privat; IMAGO/Achille Abboud

den Projekten, bei denen dies doch der Fall
war, waren die Effekte deutlich geringer
als behauptet. In einer gemeinsamen Re-
cherche haben Zeit, Guardian und Source-
Material die Studie weiter ausgewertet und
kamen zu dem Schluss: „94 Prozent der
Zertifikate dürften demnach wertlos sein,
knapp 89 Millionen Tonnen CO₂, die gar
– davon ist auch Dr. Michael Bilharz, Ex-
perte für nachhaltigen Konsum im Um-
weltbundesamt überzeugt. Gerade weil er
Kompensationen für einen wichtigen Hebel
bei der Bekämpfung der Klimakrise hält.
„Klimaneutralität ist nur über Kompensa-
tionen erreichbar“, sagt er. „Deshalb ist es
toll, wenn Unternehmen, Privatpersonen
als „klimaneutral“ beworben werden. „Das
Problem ist, dass dadurch der Eindruck er-
weckt wird, dass die Klimaneutralität eine
Eigenschaft des Produkts selbst ist“, sagt
Bilharz. „Doch durch die Kompensation
verändert sich das Produkt ja nicht, es wird
nicht klimafreundlicher – im Gegensatz
etwa zu einem energieeffizienten

Magazin 25
1·2024
 TITEL Greenwashing
Kühlschrank oder zum Klopapier aus Re-
cyclingpapier.“ Deshalb sollten sich um-
welt- oder klimabezogene Werbeaussagen
seiner Meinung nach nur auf relevante
Produkteigenschaften beziehen, an denen
sich die Verbraucher auch verlässlich orien-
tieren können: Wie die Energieeffizienz
oder kontrollierte Bio-Label.
Verbraucherforscherin Anke Zühlsdorf
plädiert deshalb auch für ein staatliches
Klima- und Umweltlabel. Eines, das auf den
ersten Blick klar macht, welche Produkte
dem Klima besonders viel Schaden zufü-
gen. Denn Studien zeigten immer wieder,
dass Menschen kaum eine Vorstellung da-
von haben, welche Lebensmittel besonders
klimaschädlich sind. „Zum Beispiel über-
schätzen viele die Bedeutung von Plastik-
verpackungen oder des Transports für die
Klimarelevanz – unterschätzen auf der
anderen Seite aber den Unterschied zwi-
schen tierischen und pflanzlichen Produk-
ten erheblich.“ Sie schlägt ein Label vor,
ähnlich wie der Nutri-Score, das durch eine
farbliche Abstufung die Klimabelastung
26
Bäume pflanzen im
globalen Süden – und dann
ist eine Gesichtscreme
„klimaneutral“. Werbung
mit diesem Claim weckt
falsche Erwartungen.
deutlich macht. „Das kann in einem ersten
Schritt auf den CO₂-Fußabdruck hinwei-
sen, in einem nächsten Schritt dann auch
weitere Faktoren wie den Wasserfußab-
„Viele unterschätzen druck oder Biodiversität einbeziehen.“
den Unterschied Doch die Entwicklung eines solchen La-
bels kostet Zeit, genauso wie die Umset-
zwischen tierischen zung der Green-Claims-Richtlinie der EU.
Eine vollständige Lösung sieht Stephanie
und pflanzlichen Wetzel vom Verbraucherzentrale Bundes-
verband in keinem der Ansätze. „Natürlich
Lebensmitteln für ist es gut, wenn die Kennzeichnung von
die Klimarelevanz Produkten einheitlich und verlässlich ist“,
sagt sie. „Aber zusätzlich dazu müssen
erheblich.“ Unternehmen verpflichtet werden, die Pro-
duktion an sich nachhaltiger und klima-
freundlicher zu gestalten. Die Verantwor-
tung dafür darf nicht an Verbraucher:innen
ausgelagert werden.“ Klar sollte nur sein:
Kein Produkt kann so umweltfreundlich
sein, dass sich mit seinem Kauf die Klima-
Dr. Anke Zühlsdorf krise lösen lässt. Das ist nicht mit einem
Verbraucherforscherin mehr, sondern nur mit einem weniger mög-
lich. Weniger Produktion, weniger Kon-
sum, weniger CO₂.
Magazin 1·2024
 TITEL Greenwashing

Das Geschäft mit der Kompensation

Egal wie nachhaltig Staaten, Unterneh-
men oder Menschen ihr Leben gestalten
– sie werden immer einen deutlich sicht-
baren CO₂-Fußabdruck auf dieser Erde
hinterlassen. Deshalb macht es durchaus
Sinn, gezielt Klimaschutzprojekte zu un-
terstützen, die dafür sorgen, dass CO₂
eingespart wird. Dabei sollte klar sein,
dass Kompensation immer nur ein Bau-
stein sein kann und auf keinen Fall als Aus-
rede dienen sollte, sich zurückzulehnen
und weiterzuleben wie bisher. Es ist im-
mer besser, Emissionen zu vermeiden, als
sie zu kompensieren. „Aber wenn man
den Dreck schon mal hinterlassen hat“, so
formuliert es Michael Bilharz vom Um-
weltbundesamt, „dann kann man auch
dafür sorgen, dass er beseitigt wird.“
Dass Problem ist nun, dass es gerade für
Verbraucherinnen und Verbraucher aus
der Ferne kaum möglich ist zu beurteilen,
wie effektiv die Klimaschutzprojekte sind,
die mit Zertifikaten unterstützt werden.
Etwa ob die Reduktion, Vermeidung oder
Speicherung von Emissionen durch die
Projekte tatsächlich ist. Also dass es ohne
die finanzielle Unterstützung durch die
Illustration: picoStudio/Shutterstock
um etwa ein „klimaneutral“-Siegel zu er-
halten. So ist es Journalistinnen der Zeit
gelungen, ein solches Label für ein fiktives
Unternehmen zu erhalten. Einfach, indem
sie ihre Emissionen selbst schätzten.
Mittlerweile ist der weltweite Handel mit
CO₂-Zertifikaten milliardenschwer – wir
stellen einige der wichtigsten Händler und
Siegel vor:
VERRA
Die US-amerikanische Organisation ist
der weltweit führende Zertifizierer von
CO₂-Kompensationen und verwaltet un-
ter anderem den Verified Carbon Stan-
dard (VCS). Zu den Gründern zählten das
Weltwirtschaftsforum in Davos und die
Climate Group, ein Zusammenschluss von
Politikern und Unternehmen wie BP und
Banken wie HSBC. Gut drei Viertel aller
freiwilligen Gutschriften weltweit laufen
über Verra. Die Kompensationsprojekte
beschäftigen sich mit erneuerbaren
Energien, Carbon Capture and Storage
und – im Gegensatz zu anderen Anbietern
– oft mit Waldschutz. Diese stehen beson-
projekte oder Aufforstungen zertifiziert
werden. Jedoch ausdrücklich keine Wald-
schutzprojekte.
CLIMATE PARTNER
Das Unternehmen ClimatePartner aus
München ist in Deutschland einer der
größten Anbieter von Zertifikaten. Es
vergab das „klimaneutral“-Label, das in
Deutschland noch immer weit verbreitet
ist, in diesem Jahr jedoch eingestellt
wurde. Es wurde für einzelne Produkte
ebenso vergeben wie für Verpackungen
oder ganze Unternehmen. Nach einem
Bericht der Wirtschaftswoche setzte
ClimatePartner mit den Verkäufen von
Zertifikaten 2021 mehr als 56 Millionen
Euro um.

Zertifikate nicht stattgefunden hätte. Zu-
dem sollte die Emissionseinsparung
dauerhaft sein und darf nicht doppelt ge-
zählt werden. Etwa wenn sowohl das
Land, in dem ein Klimaschutzprojekt um-
gesetzt wird, als auch das Unternehmen,
das Ausgleichszertifikate aus dem Projekt
kauft, die CO₂-Einsparungen für sich be-
anspruchen.
Dazu schalten sich mit den Zertifikate-
Fotos: Fahroni/Shutterstock; Marco Buehl Photography
ders häufig in der Kritik, da Wälder über
Jahrzehnte intakt bleiben müssen, damit
die Rechnung aufgeht und das kaum je-
mand garantieren kann. Ebenso ist
schwer nachzuweisen, ob ein Wald ohne
das Schutzprojekt tatsächlich sicher ab-
geholzt worden wäre.
GOLD STANDARD

anbietern noch „Zwischenhändler“ da- Der WWF und weitere internationale

zwischen – deren Kriterien und Ansprü-
che sehr unterschiedlich sind. Gesetzliche
Vorgaben gibt es für sie nicht. „Bestimm-
te Zertifikateanbieter können wir nicht
empfehlen, eben weil es keine öffentliche
Kontrolle und damit Vergleichbarkeit
gibt“, sagt Stephanie Wetzel vom Verbrau-
cherzentrale Bundesverband. Und Food-
watch kritisiert, dass Unternehmen ihre
Emissionen gar nicht reduzieren müssen,
NGOs entwickelten 2003 den „Gold Stan-
dard“ als Regelwerk für Klimaschutzpro-
jekte. Etwa 20 Prozent der CO₂-
Gutschriften weltweit tragen dieses
Siegel. Es wird von der Gold Standard
Foundation verwaltet, die Emissionsgut-
schriften werden als Verified Emission
Reductions (VER) bezeichnet. Mit dem
Gold Standard können Projekte im Be-
reich der Energieeffizienz, Landnutzungs-

Magazin 1·2024 27
 TITEL Neues Buch von ÖKO-TEST

28 Magazin 1·2024
 TITEL Neues Buch von ÖKO-TEST

Gibt’s das
auch in Grün?
„Klimaneutrale“ Kuhmilch, „korallenfreundliche“ Sonnencreme und
in Ketchup versteckte Tomaten aus China: Die Industrie tut so
einiges, um uns Umweltsünden als vermeintlich grün zu verkaufen.
Über diese Greenwashing-Versuche könnte man ein ganzes Buch
schreiben – und genau das haben wir bei ÖKO-TEST getan.

TEXT: KATJA TÖLLE

..
ja Tol le
Kersti n Sch eidecker * Kat

Gibt's da..s au ch
A
m Anfang war der Ärger. Vielleicht washing-Versuche und andere Tricks der
waren es die in Ketchup versteck- Industrie ganz genau unter die Lupe
ten Tomaten, die den Ausschlag
gegeben haben. Oder die Chicken Nuggets,
in G ru n ? chs cha uen,
nimmt. Was ist wirklich grün, was bloß
grün gelogen? Und wie können wir das eine
Tri cks der Indust rie dur kau fen
die aus Brasilien, Thailand und der Ukrai- nachha lti g ein vom anderen unterscheiden?
Illustrationen: svetlatek/Shutterstock; picoStudio/Shutterstock

ne stammten – ohne dass ein Hinweis auf
der Verpackung das klar gemacht hätte.
Sicherlich hat auch die Sonnencreme mit
chemischen UV-Filtern, die als „korallen-
freundlich“ ausgelobt war, dazu beigetra-
gen. Und all die anderen vollmundigen
Versprechen, mit denen die Industrie in-
zwischen ihre Produkte grün färbt. Ein
Blättchen hier, ein „eco-friendly“ da – ein
„klimaneutral“ obendrauf, fertig ist das
vermeintlich grüne Produkt. Alles in allem
hatte sich irgendwann genug Ärger ange-
sammelt, um ihm Luft zu lassen – und das
haben wir bei ÖKO-TEST getan. Wir haben
ein Buch geschrieben, das all diese Green-
..
gepru fte
Einkaufst ipps
Kerstin Scheidecker, Katja
Tölle: Gibt’s das auch in Grün?
Tricks der Industrie erkennen,
nachhaltig einkaufen | Campus-
Verlag 2024 | 240 Seiten | 24 Euro.
Warum wir uns darüber ärgern? Weil
Greenwashing schadet. Es schadet dem
Großen und Ganzen, weil es die nachhal-
tige Entwicklung bremst. Weil wir Ver-
braucherinnen und Verbraucher die echten
Bemühungen und Verbesserungen nicht
erkennen können und nicht die wirklich
umweltfreundlichen Produkte kaufen. Und
Greenwashing schadet im konkreten Ein-
zelfall. Immer dann wenn Unternehmen
für ihre blumigen Versprechen auf den
Verpackungen mehr Platz brauchen – und
dafür allen Ernstes die Verpackungen auf-
blasen. Wenn sie also Extra-Verpackungs-
müll produzieren für ihre grünen Lügen.

Magazin 1·2024 29
 TITEL Neues Buch von ÖKO-TEST
Aber klar: Wir ärgern uns über Greenwash-
ing – und dennoch müssen wir ja einkau-
fen. Dabei wissen wir: Unser Konsum scha-
det der Umwelt, schadet Menschen, schadet
Tieren. Für den Glitzer in unseren Lippen-
stiften arbeiten Kinder in indischen Minen,
für unsere Milch leben Kühe angebunden
in engen Ställen, in denen sie sich nicht
bewegen können. Für unseren Ketchup
bauen Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter
in China Tomaten an. Unsere Waschmittel
spülen jede Menge Chemikalien in die Mee-
re und unser Hunger auf Erdbeeren und
Avocados trocknet die Anbauländer aus.
Und die Verpackungen, die unser Konsum
mit sich bringt, bilden inzwischen riesige
Plastikinseln in den Meeren. Und unser
Strom? Ist selten so „öko“ wie die Energie-
anbieter versprechen. Die Industrie ver-
kauft uns Umweltsünden – und wir kaufen
sie. Weil wir sie selten überhaupt erkennen.
Denn: Kein Hersteller, der chinesische To-
maten in seinem Ketchup verarbeitet, will
dass wir das wissen. Deswegen vertuscht
er diesen ökologischen Irrsinn. Nur wie?
Und wie verstecken Kosmetikhersteller Mi-
kroplastik in ihren Tuben? Wie täuscht die
Milch-Lobby Klimaschutz vor, obwohl die
Landwirtschaft und speziell die Rinderhal-
tung einer der massiven Treiber der Klima-
krise ist?
Tricks der Industrie erkennen
Das Buch, das wir bei ÖKO-TEST geschrie-
ben haben, zeigt, wie wir die Tricks der
Industrie erkennen – und was wir dagegen
tun können. Wie wir bewusst kaufen kön-
nen, ohne dabei ständig ein schlechtes Ge-
wissen haben zu müssen. Dabei bleiben wir
bewusst im Spannungsfeld zwischen „Was
soll es schon bringen, wenn ich festes
Shampoo kaufe?“ und den großen, notwen-
digen Veränderungen, für die Politik und
Industrie verantwortlich sind. Wir wälzen
die Verantwortung nicht auf die Einzelne
oder den Einzelnen ab, hängen nicht dem
Irrglauben an, dass individuelle Entschei-
dungen das Klima retten können. Aber wir
lehnen uns auch nicht einfach zurück.
Denn klar: Wir sehen Politik und Industrie
in der Verantwortung, wissen aber auch,
dass Veränderung im Großen durch Kon-
30
„Greenwashing
schadet. Deswegen
zeigen wir in dem
Buch, wie Sie grün
gelogene Produkte
von solchen unter-
scheiden können,
die wirklich besser
für die Umwelt
sind.“
Kerstin Scheidecker
ÖKO-TEST Chefredakteurin
Magazin 1·2024
sumveränderung im Kleinen möglich ist.
Denn: Bio-Lebensmittel im Discounter
gibt es nur, weil die Verbraucherinnen und
Verbraucher immer häufiger zu Bio gegrif-
fen haben. Die Auswahl an veganen Er-
satzprodukten ist nur so groß, weil immer
mehr Menschen immer häufiger auf Fleisch
verzichten. Und das Lieferkettensorg-
faltspflichtengesetz kommt nur, weil das
Bewusstsein dafür gestiegen ist. Weil Um-
welt- und Verbraucherschützer so genau
hingeschaut haben und immer wieder so
laut auf die Missstände am anderen Ende
der Lieferkette aufmerksam gemacht ha-
ben. Denn, wenn unsere Tests bei
ÖKO-TEST eines seit Jahrzehnten zeigen,
dann das: Die Industrie bewegt sich nicht
freiwillig. Bewegung entsteht durch Druck
– von Verbraucherschützerinnen, Umwelt-
schützern und von jedem und jeder Einzel-
nen. Und von uns bei ÖKO-TEST. Es hat
sich schon viel bewegt. Schließlich hat
auch die EU das Thema Greenwashing in-
zwischen auf dem Schirm und plant, viele
der grünen Lügen im Laufe der nächsten
Jahre zu unterbinden. Und es wird sich
noch viel mehr verändern. Denn wir wer-
den nicht aufhören, Produkte zu testen,
uns über Klimalügen und Greenwashing
zu ärgern und die Industrie immer wieder
laut zu fragen: „Gibt’s das auch in Grün?“.
Ein ganz großes Danke
Geschrieben haben das Buch Kerstin
Scheidecker, ÖKO-TEST Chefredakteurin,
und Katja Tölle, stellvertretende Chefre-
dakteurin. Ohne das gesamte Team bei
ÖKO-TEST wäre das Projekt allerdings
nicht möglich gewesen. Deswegen an die-
ser Stelle: ein großes Dankeschön an alle
im Team, die das Projekt unterstützt ha-
ben. An alle, die es kritisch hinterfragt
und geprüft haben. An alle, die es nun
digital oder analog in die Welt tragen. Am
Ende ist es ja schön, wenn Ärger zu etwas
Gutem führt – und wir hoffen, Sie sehen
das genauso, wenn Sie unser Buch gelesen
haben. Es erscheint am 7. Februar im Cam-
pus-Verlag – und, Achtung: Es ist nicht
„klimaneutral“. Kann es auch gar nicht
sein, weil es keine „klimaneutralen“ Pro-
dukte gibt.
 ANZEIGE

Kein Konsum ist auch

keine Lösung Ab
07.02.2024
erhältlich

Kerstin Scheidecker, Katja Tölle

Gibt’s das auch in Grün?
Tricks der Industrie durchschauen,
nachhaltig einkaufen

2024 · 240 Seiten · € 24,–

ISBN 978-3-593-51837-4
Auch als E-Book erhältlich
© Shutterstock / Oleksandra Naumenko

Tomaten aus China in unserem Ketchup, Gentechnik-Sojafutter aus gerodeten Regenwaldflächen für unser
Billigfleisch und dennoch versucht die Industrie uns diese und viele weitere Produkte als ökologisch fair,
nachhaltig und klimafreundlich zu verkaufen – durchaus mit Erfolg.

Gestützt von ihrer ÖKO-TEST-Expertise decken die Journalistinnen die Greenwashing-Lügen der Konsum-
güterhersteller auf und sorgen für Durchblick im Label-Dschungel. Sie zeigen, wie Sie mit Ihren Kaufent-
scheidungen den Anstoß zu echten Veränderungen in der Industrie hin zu wirklich nachhaltigen Produkten
geben können. Dabei wollen die Autorinnen nicht belehren, sondern aufklären, und geben Einkaufstipps für
Einsteiger, Fortgeschrittene und Hardcore-Ökos.
 TITEL TEST Gesichtscremes

GESICHTSCREMES

RATGEBER
1
Gute Pflege muss
nicht teuer sein: Unter
den empfehlenswerten
Produkten sind auch in
diesem Test wieder die
mit 1,95 Euro günstig-
sten Eigenmarken.

2
Große Worte, nix
dahinter: Anti-Aging-
Versprechen wecken
Hoffnungen, die auch in
diesem Test nicht ausrei-
chend belegt werden.

3
Eine normale Tages-
creme braucht keine
UV-Filter. Ist Sonnen-
schutz nötig, verwenden
Sie auch im Gesicht
lieber zusätzlich eine
richtige Sonnencreme.

32 Magazin 1·2024
 Was heißt
„klimaneutral“?
Mehr als zwei Drittel der Gesichtscremes in unserem
Test landen im grünen Bereich der Tabelle, darunter viele
zertifizierte Naturkosmetika. Wir kritisieren aber auch
hier einige Anbieter, die ihre Produkte als „klimaneutral“
bewerben ohne zu erläutern was sie damit meinen.
TEST: LISA-MARIE KARL TEXT: MARIEKE MARIANI

E
in Urteil gegen die Drogeriemarkt-
kette Dm hat im Juli 2023 für einen
Paukenschlag gesorgt. Das Land-
gericht Karlsruhe hatte nach einer Klage
der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ent-
schieden, dass Dm die betreffenden Pro-
dukte nicht mehr als „klimaneutral“ oder
Foto: Ekaterina Klishevnik/getty images
neutral“-Label von Climate Partner noch
prominent. Dabei hatte die zweite große
deutsche Drogeriekette einer DUH-Mit-
teilung zufolge vor einem Jahr angekün-
digt, auf Werbung mit Klimaneutralität
verzichten zu wollen. Wir fragten nach und
Rossmann antwortete: „Wir haben die

„umweltneutral“ bewerben darf. Eine zu-
nächst eingelegte Berufung hatte die Dro-
geriekette wenige Wochen später wieder
zurückgezogen. Und tatsächlich: Auf den
beiden Gesichtscremes der Dm-Brands Al-
verde und Balea in diesem Test fanden wir
keine derartige Werbung mehr. Auf der
Alterra Hydro Tagescreme Bio-Traube von
Rossmann hingegen prangt das „Klima-
Auslobung mittlerweile von all unseren
Alterra-Produkten entfernt“. Im Fall der
Creme in unserem Test sei die erste Aus-
lieferung ohne Klimaneutral-Auslobung
bereits ab Anfang August erfolgt – mittler-
weile sollten keine Produkte mehr damit
mehr im Verkauf sein. Wir hatten die Cre-
me für unseren Test Anfang September in
einer Rossmann-Filiale eingekauft.

Magazin 1·2024 33
 TITEL TEST Gesichtscremes
Der Zenit ist überschritten
Damit sind die beiden großen Drogerie-
märkte Teil der Eindämmung des Trends
mit Klimawerbung. Entsprechende Auslo-
bungen haben wir noch auf neun der 50 Ge-
sichtscremes in unserem Test gefunden.
Selbst Climate Partner, der zurzeit wohl
öffentlichkeitswirksamste Player beim Han-
del mit Kompensationszertifikaten, hat ei-
nen Sinneswandel vollzogen: Künftig ver-
heißt das Label nicht mehr Klimaneutralität,
sondern kennzeichnet nur noch ein „Clima-
te Partner zertifiziertes Produkt“.
Aber was ist eigentlich das Problem an
der Werbung mit „klimaneutral“? Umwelt-
und Verbraucherschützer wie die DUH und
auch entsprechende Gerichtsurteile kriti-
sieren vor allem die fehlende Transparenz.
Ist auf einer Verpackung ohne weitere Er-
läuterungen von „klimaneutral“, „klima-
positiv“ oder einem „CO2-neutralen Stand-
ort“ die Rede, können Verbraucher nicht
erkennen, wie genau diese Bilanz erreicht
wurde – ob lediglich über Kompensations-
projekte oder durch konkrete Klimaschutz-
maßnahmen des Unternehmens, um die
Emissionen bei der Herstellung seiner Pro-
dukte auf ein Minimum zu reduzieren. Bes-
ser als die Marken, die wir in diesem Test
kritisieren, macht es aus unserer Sicht der
Anbieter des Cosnature Hydro Creme Gel
Wasserlilie: Er wirbt zwar mit einer umwelt-
freundlichen Verpackung, erklärt aber ein-
deutig anhand mehrerer Punkte, was damit
„Alle bis auf zwei
Cremes kommen
ohne potenziell
allergisierende
Duftstoffe aus.“
Lisa-Marie Karl
ÖKO-TEST-
34
WISSEN
Gesichtspflege
1x1:
Weniger ist mehr
Die Reinigung
Für eine schonende Reinigung
der Gesichtshaut eignen sich
am besten klares Wasser und ein
mildes Reinigungsprodukt ohne
aggressive Tenside. Normaler Haut
können Sie mit einem Peeling hin
und wieder auch eine intensivere
Reinigung zumuten – aber bitte
nicht häufiger als einmal pro
Woche.
Die Pflege
Eine gute Basispflege hilft
der Haut nach der Reingung, ihr
natürliches Gleichgewicht wieder-
herzustellen. Am Morgen kann das
eine leichte, schnell einziehende
Feuchtigkeitscreme sein, die sich
auch gut als Make-up-Grundlage
eignet – am Abend eine etwas
reichhaltigere Creme mit
höherem Fettanteil.
Der Schutz
An Tagen mit niedrigem
UV-Index brauchen Sie keine
Gesichtscreme mit Lichtschutz-
faktor. Beim Wintersport in strah-
lendem Sonnenschein und natür-
lich im Sommer ist ein wirksamer
UV-Schutz aber sinnvoll. Kombinie-
ren Sie dann am besten eine nor-
male Tagespflege mit einer
echten Sonnencreme.
gemeint ist. Zum Beispiel, dass durch die
Verpackung entstandene Emissionen „CO2-
kompensiert“ wurden. So ist erkennbar, was
dahintersteckt. ÖKO-TEST meint: Wenn
Werbung in Bezug auf CO2 oder Klima, dann
transparent auf der Verpackung erklärt. In
diese Richtung weist auch die geplante EU-
Gesetzgebung: Laut der angekündigten
Green-Claims-Richtlinie muss in Zukunft
deutlich gekennzeichnet werden, was hinter
den Umweltaussagen auf Produkten steckt.
Pauschale Werbeclaims ohne nähere Erläu-
terungen wären dann nicht mehr erlaubt.
Hinzu kommt: Konsumgüter können nicht
gänzlich ohne klimaschädliche Emissionen
produziert werden. Wenn ein Hersteller mit
„klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ wirbt,
könnten Verbraucher es aber so deuten, als
hätten das Produkt und damit ihr Konsum
keine schädlichen Auswirkungen aufs Kli-
ma. Aus unserer Sicht ist das Greenwashing.
Auch Apotheken-Cremes fallen durch
In der Gesamtschau gibt es mit je 18 „sehr
guten“ und „guten“ Gesamturteilen viele
empfehlenswerte Gesichtscremes. Einige
enttäuschen allerdings. Sechs Produkte set-
zen in ihren Rezepturen auf Silikone bezie-
hungsweise Paraffine, die wir kritisieren,
weil sie sich nicht so gut ins Hautgleichge-
wicht einfügen wie natürliche Fette und Öle.
In den Apothekenprodukten Avène Hydrance
Feuchtigkeitscreme Reichhaltig und La Roche-
Posay Nutritic Intense sowie in der Hormo-
centa Anti-Age Spezialcreme und der Mouson
Anti-Falten Creme wies das beauftragte La-
bor zudem aromatische Mineralölkohlen-
wasserstoffe (MOAH) nach, die als Verun-
reinigung von Paraffinen ins Produkt
gelangen und unter denen sich krebserre-
gende Bestandteile befinden können. Unklar
Illustration: Muilee/Shutterstock
ist bislang, ob sie sich im Körper anreichern.
Drei der vier Produkte enthalten darüber
hinaus PEG/PEG-Derivate, von denen eini-
ge die Haut durchlässiger für Fremdstoffe
machen können. In der Hormocenta-Creme
steckt noch dazu das potenziell hormon-
wirksame Antioxidans BHT.
Foto: Anja Wägele
Markenprodukte mit Problemstoffen
Mit einem ganzen Cocktail an Problemstof-
fen wartet die Mouson Anti-Falten Creme aus
dem Hause L’Oréal auf: Sie enthält neben
Magazin 1·2024
 Anzeige
www.newkee.de

Paraffinen und MOAH auch mehrere be-

denkliche Duftkomponenten, darunter die
polyzyklischen Moschusverbindungen Ga-
laxolid und Tonalid, die derzeit von der
GESICHTSCREMES
europäischen Chemikalienagentur ECHA
wegen möglicher Auswirkungen auf das
Hormonsystem geprüft werden und die sich
im menschlichen Fettgewebe anreichern
können. Darüber hinaus wies das Labor die
stark allergisierenden Duftstoffe Hydroxy-
citronellal und Cinnamylalkohol nach. Ein
weiteres L’Oréal-Produkt, die Hydra Active body lotion
face cream
Feuchtigkeits-Pflege Tag, macht mit einem night
face cream
intensive

„mangelhaften“ Gesamturteil kaum eine day SPF 15

bessere Figur. Und auch die Neutrogena Hy-

dro Boost Aqua Intensivpflege landet am Ta-
bellenende. In ihrer Inhaltsstoffliste taucht
neben PEG/PEG-Derivaten und Silikonen FÜR EINE
die halogenorganische Verbindung Chlor-
phenesin auf. Der Konservierungsstoff kann
OPTIMALE
Hautirritationen auslösen. HAUTPFLEGE
IM HERBST
VON ANGELIQUE KERBER
TEST & MANUEL NEUER
Wir haben getestet Ò

So haben wir getestet

Insgesamt haben wir 50 Gesichtscremes für trockene Haut getestet, darunter 21-mal zer-
tifizierte Naturkosmetik. Eingekauft haben wir die Cremes in Apotheken, Drogerien, (Bio-)
Supermärkten und im Internet. Umgerechnet auf 50 Milliliter zahlten wir dafür zwischen
1,95 Euro und 48,32 Euro.
Unabhängige Labore prüften die Produkte auf halogenorganische Verbindungen, Form-
aldehyd/-abspalter, allergieauslösende Duftstoffe, Nitromoschus- und polyzyklische Mo-
schusverbindungen, Cashmeran und Diethylphthalat. Je nach Deklaration ließen wir die
Cremes auf Silikone, Paraffine und weitere Erdölverbindungen, MOAH oder Parabene und
andere Konservierungsstoffe untersuchen. War ein Bestandteil mineralischen Ursprungs
wie Hectorit, Bentonit oder Silica ausgelobt, ließen wir eine Elementanalyse durchführen.
Enthielt eine Creme laut Deklaration den Inhaltsstoff Silber, ließen wir auch diesen im La-
bor bestimmen. Eine Creme mit Octocrylen wurde auf das Abbauprodukt Benzophenon
geprüft. Anhand der Deklaration erfassten wir PEG/PEG-Derivate, synthetische Polymere,
UV-Filter und BHT.
Auch die Verpackungen prüften wir: Schützt der Umkarton einen Glastiegel vor dem Zer-
brechen oder umhüllt er nur aus unserer Sicht unnötigerweise ein Kunststoff- oder Alumi-
niumgebinde? Ist eine „klimaneutral“-Auslobung abgedruckt und wird diese konkret auf
dem Produkt erläutert? Darüber hinaus fragten wir bei den Herstellern nach Nachweisen
zum Anteil an Recyclingplastik aus dem Wertstoffkreislauf in den Kunststoffverpackun-
gen. War ein Anti-Aging-Versprechen ausgelobt, baten wir die Anbieter um vollständige,
produktbezogene Studien, die diese Wirkung überzeugend belegen.

Magazin 1·2024 35
 TITEL TEST Gesichtscremes

Gesichtscremes, zerti- Alverde Intensiv Benecos Bio Gesichts- Bioturm Gesichts- CMD Sandorini Dr. Hauschka Apriko-
Repair Pflegecreme creme Feuchte:r creme Nr. 8 Pflegecreme sen Tagescreme
fizierte Naturkosmetik Bio-Avocado
Anbieter Dm Cosmondial Bioturm CMD Wala

Preis pro 50 Milliliter 3,25 Euro 4,99 Euro 9,97 Euro 13,95 Euro 43,33 Euro
Parfüm und/oder ätherisches Öl ja; enthält Geraniol ja nein ja; enthält Citral, ja; enthält Citral, Citro-
Geraniol nellol, Eugenol, Geraniol,
Farnesol
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein nein nein nein
Inhaltsstoffe
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
Rezyklatanteil in der Kunststoffverpackung 38 % entfällt nein entfällt entfällt
Weitere Mängel ja nein nein nein ja
Testergebnis Weitere Mängel gut sehr gut gut sehr gut gut
Anmerkungen 1) 8) 8) 1) 9)
Gesamturteil sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut

Gesichtscremes, zerti- Cattier Feuchtig- Cosnature Hydro Cre- Lavera Basis Sensitiv Logona Zellerneuern- Santaverde Aloe Vera
keitsspendende me Gel Wasserlilie Reichhaltige Feuch- de 24H Vitamincreme Cream Rich ohne Duft
fizierte Naturkosmetik Tagescreme tigkeitscreme
Anbieter Cattier Cosmolux Laverana Logocos Santaverde

Preis pro 50 Milliliter 21,99 Euro 7,29 Euro 9,39 Euro 22,98 Euro 48,32 Euro
Parfüm und/oder ätherisches Öl nein ja ja; enthält Citral, ja nein
Citronellol, Geraniol
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein nein nein nein
Inhaltsstoffe
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
Rezyklatanteil in der Kunststoffverpackung nein keine Angabe 94 % nein nein
Weitere Mängel ja ja ja ja ja
Testergebnis Weitere Mängel befriedigend befriedigend befriedigend ausreichend ausreichend
Anmerkungen 1) 1) 1) 2) 1) 2) 1) 2)
Gesamturteil gut gut gut gut gut

Fett gedruckt sind Mängel. und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Abkürzungen: BHT = Butylhydoxytoluol; MOAH = aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe.
Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 126.
Legende: Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um
gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen
wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten
Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) PEG/PEG-Derivate;
b) MOAH; c) ein gemessener Gehalt von mehr als 1,0 mg/kg halogenorganische Verbindungen (deklarierte
halogenorganische Verbindungen in der Tabelle genannt: Chlorphenesin); d) ein gemessener Gehalt von mehr
als 10 mg/kg polyzyklische Moschusverbindungen (hier: Galaxolid (HHCB) und Tonalid (AHTN); in Tabelle:
künstlicher Moschusduft). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als 1 Prozent Silikonverbin-
dungen und/oder Paraffine/künstliche paraffinartige Stoffe; b) BHT; c) deklarationspflichtige Duftstoffe, die

36 Magazin 1·2024
I+M Crème de la Martina Gebhardt Pure Harmony Rainbow Aloecare Weleda Coldcream Alviana Happy Rose Blütezeit Tagescreme
Crème Rose Cream Tagescreme Feuch- Aloe Vera 24h Creme Gesichtscreme 24h Creme Bio-Wildrose
tigkeit+
I+M Martina Gebhardt Norma (Emil Kiessling) Rainbow Weleda Bonano Budni/Edeka (Euco/
Femia Cosmetic)
44,83 Euro 20,99 Euro 2,85 Euro 7,99 Euro 16,65 Euro 4,99 Euro 3,46 Euro
ja; enthält Citronellol ja; enthält Citronellol, ja; enthält Citral, ja; enthält Citronellol, ja; enthält Citral, ja; enthält Citronellol, ja; enthält Citronellol
Geraniol Cumarin, Geraniol Eugenol, Geraniol Citronellol, Geraniol Geraniol

nein nein nein nein nein nein nein

sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
entfällt entfällt entfällt nein entfällt 25 %, kein Nachweis 39 %
ja nein nein nein ja ja ja
gut sehr gut sehr gut gut gut befriedigend befriedigend
2) 8) 8) 8) 5) 1) 9) 1) 1) 2) 4)
sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut gut gut

Gesichtscremes mit
Sante Skin Protec- Terra Naturi Hydro
Anti-Aging-Versprechen, Alterra Hydro Tautropfen Sand-
tion 24H Feuchtig- 24H Feuchtigkeits- zertifizierte Tagescreme Bio- dorn Feuchtig-
keitscreme creme Traube keitsspendende
Logocos Müller Drogeriemarkt
Naturkosmetik Gesichtscreme
(Femia Cosmetic) Anbieter Rossmann Tautropfen
11,95 Euro 2,85 Euro Preis pro 50 Milliliter 3,49 Euro 30,90 Euro
ja; enthält Citral, ja; enthält Geraniol Parfüm und/oder ätherisches Öl ja; enthält Citral ja; enthält Citral
Eugenol, Geraniol Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein
nein nein Inhaltsstoffe
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut
sehr gut sehr gut Anti-Aging-Versprechen ersten Anzeichen von glättet erste Fältchen
nein nein Hautalterung wird
ja ja entgegengewirkt
ausreichend ausreichend Vollständige Studie vorgelegt ja nein
1) 2) 1) 2) Vorteil gegenüber herkömmlicher Pflegecreme nein entfällt
nachgewiesen
gut gut
Rezyklatanteil in der Kunststoffverpackung 26 %, kein Nach- entfällt
weis
Weitere Mängel ja nein
Testergebnis Weitere Mängel ungenügend mangelhaft
Anmerkungen 1) 2) 8)
Gesamturteil befriedigend befriedigend

Magazin 1·2024 37
 TITEL TEST Gesichtscremes

Annemarie Börlind Balea Reichhaltige Bevola Aqua Feuchtig- Isana Hydro Booster Joolea Hydro Effect
Aquanature Glättende Tagescreme keits Creme-Gel 24H Creme-Gel Creme Gel
Tagescreme
Gesichtscremes
Anbieter Börlind Dm Kaufland (Femia Rossmann Budni (Femia Cosmetic)
Cosmetic)

Preis pro 50 Milliliter 34,95 Euro 1,95 Euro 1,95 Euro 2,19 Euro 2,19 Euro
Parfüm und/oder ätherisches Öl ja; enthält Citral, ja ja ja ja
Geraniol

Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein nein nein nein

Inhaltsstoffe
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
Rezyklatanteil in der Kunststoffverpackung entfällt 43 % entfällt entfällt entfällt
Weitere Mängel nein ja nein nein nein
Testergebnis Weitere Mängel sehr gut gut sehr gut sehr gut sehr gut
Anmerkungen 8) 1) 8) 8) 8)
Gesamturteil sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut

M. Asam Hyaluron Nivea Reichhaltige Vichy Aqualia Thermal Florena 24h Feuchtig- Frei Öl Hydrolipid
Repair 24H Creme Tagespflege 24h Feuchtigkeitspflege keit Tagespflege Feuchtigkeits Creme
Gesichtscremes Feuchtigkeit Reichhaltig
Anbieter Asam Beauty Beiersdorf Vichy Beiersdorf Apotheker Walter Bouhon

Preis pro 50 Milliliter 25,99 Euro 4,49 Euro 27,00 Euro 4,95 Euro 11,95 Euro
Parfüm und/oder ätherisches Öl nein ja ja ja; enthält Citronellol, ja; enthält Citral, Citronel-
Geraniol lol, Geraniol
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein nein Octocrylen nein
Inhaltsstoffe

Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut sehr gut gut sehr gut
Rezyklatanteil in der Kunststoffverpackung nein 17 % entfällt entfällt nein
Weitere Mängel ja ja ja ja ja
Testergebnis Weitere Mängel befriedigend befriedigend befriedigend befriedigend mangelhaft
Anmerkungen 1) 1) 3) 8) 3) 6) 8) 1) 3)
Gesamturteil gut gut gut befriedigend befriedigend

Allergien auslösen können (hier: Cinnamylalkohol, Hydroxycitronellal); d) bedenkliche UV-Filter (hier:
Octocrylen).
Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: keine vollständige, produktbe-
zogene Wirksamkeitsstudie mit Ergebnissen für das konkrete Produkt zum Anti-Aging-Wirkversprechen
vorgelegt. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) Vorteil des Produkts mit Anti-Aging-Wirkver-
sprechen gegenüber einem herkömmlichen Pflegeprodukt nicht ausreichend durch die vorgelegte(n) Studie(n)
belegt; b) Silikone und/oder künstliche paraffinartige Stoffe (hier: Cera Microcristallina, C13-14 Isoalkane,
C15-C19 Alkane, Dimethicon, Dimethiconol, Paraffin, Synthetic Beeswax), wenn sie nicht schon unter den In-
haltsstoffen abgewertet wurden, und/oder weitere synthetische Polymere als weitere Kunststoffverbindungen
(hier: Acryl- und/oder Methacryl [Co- und Cross-]Polymere, Hydrogenated Polydecene, Polyisobutene, Peg-45
Dodecyl Glycol Copolymer). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Umkarton, der kein Glas schützt;
b) ein Anteil von Rezyklaten (Post-Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamt-
gewicht der Kunststoffverpackung, keine Angabe hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere
Anfrage; c) Werbung mit Klimaneutralität, CO₂-Neutralität oder einer missverständlichen CO₂-Bilanz ohne

38 Magazin 1·2024
 Kneipp Tagescreme Lacura Aqua Today Aqua Creme- Bebe Intensivpflege Heliotrop Moisture Hildegard Brauk- Jean & Len 24H
Spezialpflege Man- Complete Feuchtig- Gel Tagescreme mann Jeunesse Gesichtscreme
delblüten Hautzart keitsspendende Citronen Creme
Tagescreme
Kneipp Aldi Nord/Aldi Süd Rewe/Penny (Femia Johnson & Johnson Logocos Hildegard Braukmann Jean & Len
(Maxim Markenpro- Cosmetic)
dukte)
8,69 Euro 1,95 Euro 1,95 Euro 4,25 Euro 17,69 Euro 11,50 Euro 9,95 Euro
ja; enthält Citral, ja ja ja ja; enthält Cinnamyl- ja; enthält Citral ja; enthält Geraniol
Citronellol, Cumarin, alkohol, Hydroxy-
Geraniol citronellal, Citronellol,
Cumarin, Eugenol,
Geraniol
nein nein nein nein nein nein nein

sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut gut sehr gut sehr gut
entfällt entfällt entfällt entfällt entfällt nein nein
nein nein nein ja ja ja ja
sehr gut sehr gut sehr gut befriedigend gut befriedigend befriedigend
8) 7) 8) 8) 3) 8) 2) 8) 1) 1) 7)
sehr gut sehr gut sehr gut gut gut gut gut

L’ Occitane Shea- Medipharma L’Oréal Hydra Active Avène Hydrance La Roche-Posay Neutrogena Hydro
butter Ultra Riche Cosmetics Olivenöl Feuchtigkeits-Pflege Feuchtigkeitscreme Nutritic Intense Boost Aqua Intensiv-
Gesichtscreme Gesichtspflege Tag Reichhaltig pflege
L’Occitane Dr. Theiss L’Oréal Pierre Fabre (Apo- La Roche-Posay (Apo- Johnson & Johnson
theke) theke)
31,00 Euro 12,25 Euro 2,95 Euro 31,88 Euro 22,90 Euro 12,95 Euro
ja ja ja; enthält Citronellol ja ja ja

PEG/PEG-Derivate PEG/PEG-Derivate Paraffine, Silikone, Paraffine, MOAH, Paraffine, Silikone, Chlorphenesin,

PEG/PEG-Derivate PEG/PEG-Derivate MOAH, PEG/PEG-De- Silikone, PEG/PEG-
rivate Derivate
befriedigend befriedigend ausreichend ungenügend ungenügend ungenügend
entfällt entfällt entfällt nein nein entfällt
ja ja ja ja ja ja
befriedigend befriedigend befriedigend mangelhaft mangelhaft befriedigend
3) 8) 3) 8) 3) 8) 1) 3) 1) 3) 3) 8)
ausreichend ausreichend mangelhaft ungenügend ungenügend ungenügend

ausreichende Information dazu auf dem Produkt .
Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „mangel-
haft“ oder „ungenügend“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel,
das „befriedigend“ oder „ausreichend“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis
Weitere Mängel, das „gut“ ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht. Aus rechtlichen Gründen weisen wir
darauf hin, dass wir die (vom Hersteller versprochenen) Wirkungen der Produkte – außer bestimmte Wirk-
versprechen durch entsprechende Studienabfrage – nicht überprüft haben.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter oekotest.de/M2401.
Einkauf der Testprodukte: August – September 2023.
Dieser Test löst den Test Gesichtscremes aus dem ÖKO-TEST Magazin 02/2021.
Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen
keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder ver-
breitet werden.

Magazin 1·2024 39
 TITEL TEST Gesichtscremes

Eine einfache Feuchtigkeitscreme bietet

eine Basispflege und ist eine gute Grund-
lage für Make-up. Falten wegzaubern kann
sie allerdings nicht – egal was draufsteht.

Gesichtscremes
mit Anti-Aging- Cien Age Beauty CV Cadea Vera Alkmene Reichhal- Diadermine Lift+ Hormocenta Anti- Mouson Anti-Falten
Tagespflege Hyaluron Power tige Gesichtscreme Hydra-Lifting Anti- Age Spezialcreme Creme
Versprechen Tagescreme Age Tagescreme
Anbieter Lidl (Win Cosmetic) Müller Drogeriemarkt Mann & Schröder Labori International Hormocenta Garnier
(Femia Cosmetic) B.V. Kosmetik
Preis pro 50 Milliliter 3,95 Euro 5,95 Euro 5,99 Euro 6,99 Euro 3,83 Euro 1,63 Euro
Parfüm und/oder ätherisches Öl ja ja ja ja ja; enthält Citronellol, ja; enthält
Eugenol Cinnamylalkohol,
Hydroxycitronel-
lal, künstlichen
Moschusduft,
Citronellol, Cumarin,
Geraniol
Weitere bedenkliche und/oder nein nein nein nein BHT, Paraffine, Paraffine, MOAH
umstrittene MOAH, PEG/PEG-
Inhaltsstoffe Derivate
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut ungenügend ungenügend
Anti-Aging-Versprechen Anti-Hauterschlaf- Anti-Age-Booster; mindert erste Fält- Anti-Aging Anti-Age Anti-Falten Creme
fung schützt vor sicht- chen; regeneriert und
baren Anzeichen der glättet die Haut
Hautalterung
Vollständige Studie vorgelegt ja ja nein nein ja nein
Vorteil gegenüber herkömmlicher nein nein entfällt entfällt nein entfällt
Pflegecreme nachgewiesen
Rezyklatanteil in der Kunststoff- entfällt entfällt entfällt entfällt nein keine Angabe
verpackung
Weitere Mängel nein nein nein ja ja ja
Testergebnis Weitere Mängel befriedigend befriedigend mangelhaft ungenügend ungenügend ungenügend
Anmerkungen 6) 8) 8) 8) 3) 8) 1) 3) 1) 3)
Gesamturteil gut gut befriedigend befriedigend ungenügend ungenügend
Foto: Anna_Kim/Shutterstock

Anmerkungen: 1) Weiterer Mangel: Umkarton, der kein Glas schützt. 2) Weiterer Mangel: Werbung mit Klima-
neutralität, CO2-Neutralität oder einer missverständlichen CO2-Bilanz ohne ausreichende Information dazu auf
dem Produkt. 3) Weiterer Mangel: Silikone und/oder weitere Kunststoffverbindungen in der Rezeptur. 4) Geraniol
deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. Gehalte an Duftstoffen können unter anderem je nach Alter des Pro-
dukts schwanken. Geraniol-Allergiker sollten das Produkt vorsichtshalber nicht verwenden. 5) Benzylcinnamat
und Citral deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. Gehalte an Duftstoffen können unter anderem je nach
Alter des Produkts schwanken. Benzylcinnamat- und Citral-Allergiker sollten das Produkt vorsichtshalber nicht
verwenden. 6) Geraniol und Citronellol deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. Gehalte an Duftstoffen kön-
nen unter anderem je nach Alter des Produkts schwanken. Geraniol- und Citronellol-Allergiker sollten das Produkt
vorsichtshalber nicht verwenden. 7) Citronellol deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. Gehalte an Duft-
stoffen können unter anderem je nach Alter des Produkts schwanken. Citronellol-Allergiker sollten das Produkt
vorsichtshalber nicht verwenden. 8) Tiegel bzw. Flaschenkörper aus Glas. 9) Tube aus Aluminium.

40 Magazin 1·2024
 LEBEN Sonne

LEBEN
ESSEN • SCHÖNHEIT • GESUNDHEIT
Foto: Peter Schulte

56 Rezept: Schnelle Neujahrspizza

42 Planetary Health Diet: Gutes Essen für den Planeten
46 Kulinarischer Selbstversuch: Eine Woche mit der Planetenkost
50 Pizzateig: Selbst belegt und ruck, zuck serviert
58 Einlagen bei Blasenschwäche: Immer schön trocken bleiben
64 Tabuthema Inkontinenz: Wenn die Blase schwächelt
68 Kurz & klar
41 Magazin 06·2019 41
 LEBEN Planetary Health Diet

Essen für
den Planeten
Neues Jahr, neue Diät? Wir probieren dieses Jahr
etwas anderes: eine Ernährungsweise, die gut für uns sein
soll – und für den Planeten. ÖKO-TEST beantwortet die
wichtigsten Fragen rund um die Planetary Health Diet.
TEXT: ANNETTE SABERSKY

Was verbirgt sich konkret hinter der
Planetary Health Diet (PHD)?
Genau genommen ist die PHD keine Diät,
sondern eine Ernährungsweise, die dauer-
haft durchgeführt werden soll. Die Empfeh-
lungen sind so formuliert, dass sie dazu
beitragen, die im Pariser Klimaschutzab-
kommen definierten Ziele zu erreichen.
Danach sollte die Klimaerwärmung deutlich
unter zwei Grad Celsius bleiben – in Bezug
auf vorindustrielle Zeiten. Auch möchte
man so die steigende Weltbevölkerung ge-
sund satt bekommen – bis zum Jahr 2050
sind dies etwa zehn Milliarden Menschen.
Mithilfe der PHD sollen zudem unsere Le-
bensgrundlagen erhalten und rund elf Mil-
lionen vorzeitige ernährungs-mitbedingte
Todesfälle im Jahr verhindert werden.
Wer hat sich das überlegt und warum
brauchen wir die PHD?
neun sogenannten planetaren Belastungs-
grenzen haben bereits ein kritisches Maß
erreicht oder sind überschritten. Die Macher
der PHD fordern darum, dass die globale
Lebensmittelerzeugung radikal umgebaut
werden muss. Dazu gehört eine stärkere
(regionale) Bio-Landwirtschaft und die Ver-
minderung von Lebensmittel-Abfällen um
50 Prozent. Auch müsse sich komplett än-
dern, was auf den Feldern wächst, in Super-
märkten, Schulen und Restaurants angebo-
ten und was und wie gekocht wird.
Was kommt auf den Teller?
Basis sind pflanzliche Lebensmittel wie Ge-
müse und Obst, Vollkornprodukte, Hülsen-
früchte, Nüsse und pflanzliche Öle. Unter
dem Strich sollen sie mindestens drei Vier-
tel auf dem Teller ausmachen. Der Rest kön-
nen, müssen aber nicht, geringe Mengen an
Milch und Milchprodukten, Eiern, Fleisch,
Illustration: designbyrockers/Shutterstock

Entwickelt wurde die PHD von der soge-
nannten EAT-Lancet-Kommission, einem
Zusammenschluss von 37 Forscherinnen
und Forschern aus 16 Ländern. Ausgangs-
punkt war die Erkenntnis, dass wir eine
grundlegende Veränderung der derzeitigen
Ernährungsgewohnheiten und der Land-
wirtschaft brauchen, wenn auch zukünftig
weltweit alle Menschen gesund und nach-
haltig satt werden wollen. Denn vier der
Fisch und Geflügel sein.
PHD geht also auch vegan?
Ja. In den Empfehlungen sind jeweils Span-
nen angegeben. Bei Milch steht beispiels-
weise: 250 Gramm (0 bis 500 Gramm) am
Tag. Null bedeutet, dass auch ganz darauf
verzichtet werden kann – bei besonderer
körperlicher Beanspruchung aber auch
mehr Milch fließen kann, im Mittel soll-

42 Magazin 1·2024
 LEBEN Planetary Health Diet

43
Magazin 1·2024
 LEBEN Planetary Health Diet
Das kommt auf den Planetenteller
Gemüse und Obst Vollkornprodukte
Stärkehaltiges Gemüse,
z.B. (Süß-)Kartoffeln
Milch und
Milchprodukte
Tierisches Eiweiß
(Rind, Lamm und
Schwein, Geflügel,
Eier, Fisch)
Pflanzliches Eiweiß
(Hülsenfrüchte, Nüsse)
Pflanzenöle und -fette (mit vielen
ungesättigten Fettsäuren)
Zucker
(zugesetzt) Quelle: EAT-Lancet Commission,
leicht modifiziert
Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Pflanzenöle: Die
Planetary Health Diet ist eine stark pflanzenbetonte Ernährung, die zu mehr als
drei Vierteln aus Grünzeug besteht. Tierische Lebensmittel wie Milchprodukte und
Fleisch, Fisch und Eier kommen höchstens in kleinen Mengen als Ergänzung der
pflanzlichen Basics auf den Tisch – und können auch weggelassen werden.
Das Kochen mit
viel Gemüse, Hülsen-
früchten und Vollkorn
ist nicht nur planeten-
gerecht, sondern
bietet auch leckere
kulinarische Höhen-
flüge.
44 Magazin 1·2024
ten es aber maximal 250 Milliliter sein. Das-
selbe gilt für andere Lebensmittel von Tie-
ren. Planetenkost geht also als Mixkost,
vegetarisch und vegan.
Was muss sich bei unserer Ernährung
vor allem ändern?
Der Verzehr von Gemüse, Hülsenfrüchten
und Obst müsste sich verdoppeln, der Kon-
sum von Fleisch und Zucker halbieren. Das
bedeutet für viele eine radikale Umstellung.
Entspricht das den Ernährungs-
empfehlungen der Deutschen Gesell-
schaft für Ernährung (DGE)?
Die DGE hat im Mai 2022 eine Stellungnah-
me abgegeben, in der sie die PHD befürwor-
tet. Denn beide Ernährungsformen sind
plant based, also pflanzenbetont, und raten
zu ganz wenigen tierischen Lebensmitteln.
Sie empfehlen außerdem Einschränkungen
bei Zucker, gesättigten Fetten und hoch ver-
arbeiteten Lebensmitteln. Unterschiede
gibt es aber bei Milchprodukten, die wich-
tiger Teil der DGE-Empfehlungen sind. Im
Rahmen der PHD sollen Milchprodukte
durch andere eiweißreiche Lebensmittel wie
Hülsenfrüchte und Nüsse sowie Getreide
ersetzt werden. Darum sind die Mengen an
Linsen, Erbsen und Co. deutlich höher als
bei der DGE. Die PHD basiert auf einheitlich
2.500 Kilokalorien am Tag. Frauen benöti-
gen aber meist weniger, Männer ggf. mehr.
Die DGE unterscheidet hier genau nach Al-
ter und Geschlecht.
Wäre es möglich, alle Menschen
nach den Grundsätzen der PHD
zu ernähren, und das primär mit
regionalen Produkten?
Das wäre möglich, zumindest rechnerisch.
Eine Studie der Hochschule Fulda am House
of Logistics and Mobility errechnete den
Flächenverbrauch für das Bundesland Hes-
sen. Die verfügbaren Acker- und Weideflä-
chen dort würden ausreichen, sofern die
Menschen den Konsum von Fleisch, Milch-
produkten und Eiern stark einschränken,
wie es die PHD empfiehlt. Dann wären nur
Foto: j.chizhe/Shutterstock
noch die Hälfte der zurzeit 125.000 Milch-
kühe und ein Fünftel der derzeit gehaltenen
Mastschweine nötig. Dies wäre auch eine
Chance, die Tiere extensiver, also tier-
freundlicher und umweltgerechter zu hal-
ten. Gut so!
dm.de/dmBio
1,95 €
(6,50 € je 1 kg
kg))
1,95 €
(5,91 € je 1 kg)

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Alles lecker –
alles pflanzlich
1,15 €
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* 33 % weniger Verpackung als der 1 L dmBio Haferdrink Natur.

Berechnet auf Basis des Gesamtverpackungsgewichts.
ÖKO-Kontrollstelle: DE-ÖKO-007 dm-drogerie markt GmbH + Co. KG · Am dm-Platz 1 · 76227 Karlsruhe
 LEBEN Planetary Health Diet

Linse, lass nach!

Wie gut lässt sich die Planetary Health Diet im Alltag umsetzen?
ÖKO-TEST-Autorin Annette Sabersky hat´s probiert. Eine Woche lang kochte
und aß sie nach den Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission.

Fotos: Peter Schulte Photographie; xpixel/Shutterstock; AKaiser/Shutterstock; Arx0nt/getty images; (M)PinkPueblo/Shutterstock / Anakumka/Shutterstock
TEXT: ANNETTE SABERSKY

13 Gramm
Ei pro Tag

Vorweg:
Ich hasse Diäten. Okay, die Planetary Health Diet (PHD) ist
nicht wirklich eine. Doch ums Abwiegen komme ich nicht
herum. Denn ich muss erst mal ein Gefühl für die Mengen
bekommen, die bei der Planetendiät erlaubt sind. Zum Glück
gibt es eine Tabelle mit Gramm-Angaben zu den Lebens-
mitteln wie Gemüse, Obst, Getreide, Milch etc., die ich mir
jeden Tag schmecken lassen darf.
Das wird ansonsten sicher ganz easy, denke ich. Schließlich
esse ich schon plant based, also jeden Tag viel Gemüse und
andere pflanzliche Lebensmittel. Entsprechend grün ist der
Kühlschrank gefüllt. Nur ab und zu gibt es mal Fisch und ab
und zu ein Ei.
Als ich genauer in die kulinarische Tabelle zur Rettung des
Planeten gucke, merke ich allerdings, dass das Ganze doch
nicht so einfach ist. Danach sind 13 Gramm Ei, 28 Gramm
Fisch, 40 Gramm ungesättigte Fettsäuren und 232 Gramm
Vollkornprodukte am Tag okay. Wer isst 13 Gramm Ei? Ich
esse Eier!
Zum Glück bin ich die ersten Tage der Planetenkur allein zu
Hause. So muss ich nur für mich denken und kochen.

46 Magazin 1·2024
 LEBEN Planetary Health Diet

232 Gramm
ag
Vo ll korn pro T
232 Gramm Vollkorn, 250 Gramm Milchprodukte, 75 Gramm
Hülsenfrüchte … das und noch mehr ist heute erlaubt. Rezep-
te? Mangelware. Ich muss mir alles selbst überlegen. Darum
wiege ich erst mal die Zutaten für meinen geliebten Morning-
Porridge ab: 3 Esslöffel Haferflocken (=30 Gramm), 1 kleiner
Apfel (=145 Gramm), dazu 150 Milliliter Hafermilch und 1 Ess-
löffel Rapsöl (=10 Gramm). Obendrauf: 15 Gramm Nüsse und
TAG 1 Esslöffel Mandelmus (=15 Gramm), macht 30 Gramm Nuss.
1 Fehlen aber noch 20 Gramm, denn 50 Gramm Nüsse sollen
es am Tag sein … Hmm. Während ich den Porridge anrühre
denke ich: Viele Lebensmittel stehen ja gar nicht in der Ta-
belle. Wozu zählt nun der Haferdrink, geht er aufs Vollkorn-
konto? Den Rest des Tages bin ich mit Wiegen und Kochen
und Wiegen beschäftigt. Abends bereite ich was mit Voll-
kornreis zu. Und bin stolz wie Oskar auf meine Karotten-Chi-
nakohl-Sprossen-Kichererbsen-Reis-Pfanne.

Ich bin früh wach, habe von riesigen Linsenbergen geträumt.

Denn sie sind für mich ein Problem. 75 Gramm Hülsenfrüch-
te (roh), sollen es am Tag sein, das sind etwa 150 Gramm
gekochte Linsen oder eine halbe Dose Kichererbsen. Linse
lass nach! Muss ich das jetzt täglich essen, um genug Eiweiß
zu bekommen? Auch mit der Milch ist das so eine Sache. Ich
mag keine Milch, aber Käse. Wie viel sind denn nun 250 Mil- TAG
liliter Milch in Form von Käse? Irgendwo lese ich, dass es
rund 30 Gramm sind, etwa eine Scheibe. Voll wenig. Dafür
2
warten noch 450 Gramm Gemüse (davon 150 Gramm von
gestern), 300 Gramm Obst (100 Gramm von gestern) plus
70 Gramm Nüsse (davon 20 Gramm von gestern). Hilfe! Ich
brauche Hilfe!! … und erinnere mich an Christine Brombach.
Sie ist Professorin an der Zürcher Hochschule für Ange-
wandte Wissenschaften und hat sich schon viel mit der PHD
beschäftigt. Ich funke sie an, sie hat Zeit. Morgen!

Abends spreche ich mit ihr, erzähle, dass ich heute schon am
Frühstück gescheitert sei. Es gab Vollkornbrötchen mit Mar-
garine und Himbeermarmelade sowie pflanzlichen Aufstrich.
Doch da sind total viele gesättigte Fettsäuren drin. Und die
sind schlecht fürs Herz. Laut PHD sind darum gerade mal
11,8 (!) Gramm täglich erlaubt. Mit dem Frühstück habe ich die-

„Ich habe
se Menge fast schon überschritten. „Man muss sich mit der
PHD beschäftigen“, bestätigt Prof. Brombach. Es sei nur ein
TAG
von riesigen
Modell, das noch in die Praxis umgesetzt werden muss. Doch
Illustration: insemar.vector.art/Shutterstock

3 sie sagt auch: „Schon kleine Schritte sind gut. Man muss nicht

n
Linsenberge
alles auf einmal ändern.“ Das beruhigt. Denn da wären noch
die Riesenberge an Hülsenfrüchten. „Die Mengen entsprechen

geträumt.“
nicht unseren Essgewohnheiten“, erklärt die Professorin. Sie
hat den Tipp, sich auch an aus Hülsenfrüchten hergestellte
Lebensmittel zu halten: Hummus etwa (aus Kichererbsen),
Tofu (aus Soja) und Kichererbsen- oder Linsenmehl. Sie fängt
an zu schwärmen, was sich damit kochen lässt. Denn sie hat
mit einer Kollegin ein Kochbuch (siehe S. 49) geschrieben, in
dem die Empfehlungen der PHD in Gerichte umgesetzt werden.

Magazin 1·2024 47
 LEBEN Planetary Health Diet

Gegen Mittag ruft der Mann an. Er hat Lust, mal wieder Hal- Einen ganzen
Hall oumi?
loumi zu essen. Ob er welchen einkaufen soll? Und auch gleich
den Rest fürs Wochenende? Fisch und Eier für den geplanten
Brunch? „Das geht nicht“, sage ich, Spielverderberin. „Ich ma- Ich darf nur
30 Gramm
che doch PHD!“ Und rechne vor: Wir haben pro Kopf nur 30
Gramm Käse, 28 Gramm Fisch und 13 Gramm Ei am Tag! Mir
kommt eine Idee. Ich könnte die am Tag erlaubten Mengen an
Käse, Fisch & Co. auf eine Woche addieren und es dann richtig TAG
krachen lassen (na ja). Da ich in den vergangenen Tagen den
Käse tatsächlich vergessen habe, würde es für ein Stück Hal-
4
loumi à 150 Gramm heute Abend reichen. Mit diesem Trick
wäre auch der am Wochenende geplante Brunch gerettet.
Ein kleines Ei Größe S wiegt 53 Gramm. Wenn wir vier Tage
lang keine Eier essen, können wir uns am fünften eins pro Kopf
leisten.
Heute soll es Fisch geben. Aufgespart aus den Mengen einer
Woche. Macht 196 Gramm. Dazu Spinat und Kartoffeln. Easy.

t e d i e e rla u bten Mengen TAG

Während ich koche, denke ich: Da wir kein Fleisch und auch

„Ich könn h u n d C o. auf eine

keine Wurst essen, können wir doch eigentlich mehr bei Käse,
s c
an Käse, Fi en und es dann 5 Eier und Fisch genießen, oder? Ich frage noch mal bei Chris-
tine Brombach nach. Doch sie findet das keine gute Idee. Ziel
r
Woche addie lassen (na ja).“ sei doch, von den großen Mengen an tierischen Lebensmitteln
en
richtig krach
wegzukommen. „Wenn Sie jetzt doppelt so viel Käse, Eier und
Fisch essen, wie die PHD vorgibt, werden auch wieder ent-

Illustration: ProStockStudio/Shutterstock
sprechend mehr Tiere und Tierfutter benötigt.“ Das wiederum
bedeute: Massentierhaltung und Tierfutterimporte. Hmm.

Heute ist Family-Brunch. Ich bin etwas aufgeregt. Was biete

mmt das
Und woher ko
ich an, wenn Rühreiberge, Käseauswahl und Quiche nicht

K nochen?
gehen, die alle gern essen? Unser Käsekonto ist aufgebraucht.
lziu m f ü r die
Ein paar Eier gehen, aber höchstens vier. Also wird das Rühr-
Ka
milch
Aus Pflanzen
ei mit Lauchzwiebeln, Karotten, Kartoffeln und Schnittlauch
gestreckt. Ich backe Vollkornbrötchen (auf) und schäume TAG
Barista-Pflanzenmilch. Außerdem gibt’s eine vegane Quiche.
6 eher nicht.
Alles kommt prima an. Nur mit der Pflanzenmilch hadert einer
der Jungs. Er werde mich nicht pflegen, wenn ich mir wegen

Fotos: Tatjana Baibakova/Shutterstock; Esin Deniz/Shutterstock; baibaz/Shutterstock

der Pflanzenmilch die Knochen breche. Er weiß natürlich, dass
das Kalzium aus Milch wichtig für die Knochen ist. Ich lächele
den Einwand weg, denn darauf habe ich keine Antwort.

Fast geschafft. Zur Feier des Tages wird mal gar nichts ab-
gewogen. Denn inzwischen weiß ich, wie viel 300 Gramm
Gemüse, 200 Gramm Obst, 232 Gramm Vollkorn und 50
Gramm Nüsse etwa sind. Yeah! Doch das Kalzium geistert mir
durch den Kopf. Wo kommt das denn nun her, wenn nicht mehr
aus Milch oder Käse? Ich erfahre in einem Vegan-Forum, dass
TAG auch Brokkoli, Grünkohl, Blattspinat und Fenchel viel Kalzium
enthalten. Außerdem wird zu kalziumreichem Mineralwasser
7 geraten. Klingt gut. Und weil die PHD nun fast geschafft ist,
stoßen J. und ich mit einem Glas Sekt an. Da fällt mir auf: Wie-
viel Alkohol erlaubt eigentlich die Planetenkost? Keinen. Denn
Ernährungswissenschaftler empfehlen grundsätzlich keinen
Alkohol. Schade eigentlich, denn ein Gläschen Sekt hilft ja ir-
gendwie auch dabei, den Planeten zu retten. Schließlich ist er
(meist) vegan.

48 Magazin 1·2024

Fazit:
Planetenkost im Alltag? Geht! Aber ich bin noch längst nicht
am Ziel, muss noch viel mehr pflanzliche Lebensmittel essen.
Mein bisheriger Gemüsekonsum war zwar okay, aber es gab
zu wenig Vollkorn und Hülsenfrüchte. Mit dem Käse hadere
ich weiterhin. Linsen & Co. müssen noch stärker Einzug in
meinen Kopf halten. Außerdem habe ich einiges, was Spaß
macht, unter den Tisch fallen lassen: den Kaffee (kommt von
weit her), den ich morgens liebe und brauche, und den Kuchen,
den eine Freundin spontan mitbrachte. 31 Gramm zugesetzten
Zucker gestattet die PHD. Oha. Das war sicher mehr.
LEBEN Planetary Health Diet
BUCHTIPP
ZUKUNFTSFÄHIG KOCHEN
Wie wirken sich Lebensmittel auf das Klima aus?
Wie lässt sich eine nachhaltige und gesunde Er-
nährungsweise an den Familientisch bringen? Fra-
gen, die Der Klimatopf ebenso pragmatisch wie
visionär beantwortet – mit klimafreundlichen Mahl-
zeiten für die Alltagsküche. Herzstück der Samm-
lung sind leicht umzusetzende, saisonale und re-
gional ausgerichtete Rezepte, die auf der Küche des
weltweit ersten vegetarischen Restaurants – dem
Haus Hiltl in Zürich – basieren. Sie beruhen auf der
Planetary Health Diet und zeigen, wie leicht sich
Genuss, Gesundheit und Umweltfreundlichkeit ver-
binden lassen. Ergänzt werden sie durch Nährwert-
und CO 2 -Berechnungen.
Franziska Stöckli & Christine Brombach:
Der Klimatopf | AT-Verlag | erscheint im April 2024 |
340 Seiten | 45 Euro
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 LEBEN TEST Pizzateig

PIZZATEIG

RATGEBER
1
Gutes muss nicht
teuer sein. Der „sehr gute“
Pizzateig von Aldi Nord und
Aldi Süd gibt es bereits für
2,29 Euro zu kaufen.

2
Wer auf gesunde Fette
achten möchte, sollte zu
Teigen mit Raps- und/oder
Olivenöl greifen.

3
Fertiger Pizzateig
sollte aufgrund mög-
licher Keimbelastungen
niemals roh, sondern
immer nur gut durch-
gebacken verzehrt
werden. Ist der Teig im
Ofen, sollte man sich
außerdem die Hände
waschen.

50 Magazin 1·2024
 Prima Pizza?
Schnell und einfach: Wir haben 19 fertige Pizzateige für
zu Hause getestet. Klar vorne ist der Teig im Pizzaset von
Aldi Nord und Aldi Süd, bei vier anderen Pizzateigen reicht
es nur für ein „mangelhaft“. Darunter die bekannten
Marken Henglein und Knack & Back.
TEST: VANESSA CHRISTA TEXT: JULIA DIBIASI

W
as steckt in fertigen Pizzatei­ nemängeln tätig werden – liegt: Kornelia
Illustration: Mikhail Seleznev/getty images

gen? Das wollten wir genauer
wissen und haben 19 Pizza­
teige zur Analyse in unabhängige Labore
geschickt. Mit nicht immer erfreulichem
Ergebnis: Vier Pizzateige enttäuschen, Kri­
tikpunkte sind: Rückstände von Pestiziden
und umstrittene Phosphatzusätze. Auch
ein Bio­Produkt ist unter den Verlierern.
Dem gegenüber steht ein klarer Gewinner:
der Cucina Nobile Pizzateig von Aldi Nord
und Aldi Süd.
Foto: Maksym Ponomarenko/getty images
Bio Urkorn Pizzateig und Frischer Pizzateig
Bio. Obwohl die erhöhte Gesamtkeimzahl
(noch) nicht im gesundheitsgefährdenden
Bereich liegt, finden wir, dass die betrof­
fenen Hersteller für geringere Keimzahlen
sorgen sollten und ziehen eine Note ab. Das
gilt insbesondere für den Frischer Pizzateig
Bio, in dem das Labor zudem eine Konzen­
tration von Enterobakterien gefunden hat,
die ebenfalls über dem von uns herange­
zogenen DGHM­Richtwert, aber unter dem
entsprechenden Warnwert liegt. Entero­

Bedenkliche Keime bakterien sind Darmbakterien, die in hoher

Bei zwei Bio­Produkten hat das Labor eine
Gesamtkeimzahl festgestellt, die den emp­
fohlenen Richtwert für feuchte, verpackte,
gefüllte und ungefüllte Teigwaren der
Deutschen Gesellschaft für Hygiene und
Mikrobiologie (DGHM) übersteigt, jedoch
noch unter dem Warnwert – also dem Wert
ab dem die Behörden aufgrund von Hygie­
Konzentration für Magen­Darm­Verstim­
mungen sorgen können. Auch in fünf kon­
ventionellen Produkten lag der ermittelte
Gehalt an Enterobakterien über dem Richt­
wert, darunter der Henglein Frischer Pizza-
teig XXL, der zudem noch STEC aufweist.
STEC gehören zu den krankmachenden
unter den E.coli­Bakterien und kön­

Magazin 1·2024 51
 LEBEN TEST Pizzateig
nen beim Menschen schwere Darmentzün­
dungen verursachen. Obwohl mit der an­
gewa ndten L abor met hode nicht
nachgewiesen werden kann, ob die gefun­
denen STEC­Bakterien noch lebendig und
damit fortpflanzungsfähig waren, können
wir es auch nicht ausschließen. Wir ziehen
dem Henglein­Produkt daher eine Note für
den STEC und eine weitere für den Entero­
bakterien­Befund ab.
Außerdem hat das Labor im Knack &
Back Glutenfreier Pizzateig eine Menge Ba­
cillus cereus festgestellt, die über dem von
uns herangezogenen Richtwert, aber unter
dem Warnwert liegt. Laut dem Bundesin­
stitut für Risikobewertung können diese
Keime beim Menschen Magen­Darm­Er­
krankungen hervorrufen.
Um unerwünschte Keime abzutöten,
sollte fertiger Pizzateig deshalb nur gut
durchgegart und niemals roh verzehrt wer­
den. Viele, aber leider nicht alle betroffe­
nen Teige tragen einen entsprechenden
Warnhinweis auf der Verpackung. Neben
der Abtötung von Keimen ist der in fast
allen Pizzateigen zu Konservierungszwe­
cken eingesetzte Alkohol übrigens ein wei­
teres Argument, warum man die fertigen
Teige immer lange genug backen und nicht
roh essen sollte.
„Keine Keime,
Phosphate oder
unnötig viel Salz.
Der „sehr gute“
Teig von Aldi
macht vor, wie
es geht.“
Julia Dibiasi
ÖKO-TEST-Redakteurin
52
WISSEN
Pizza: Legende
und Realität
Grün, Weiß, Rot. Das sind
nicht nur die Farben der italieni-
schen Nationalflagge, sondern
auch der berühmten Pizza
Margherita. Die Legende des
mit Mozzarella, Tomaten und
Kräutern belegten Teigfladens
nimmt dabei ihren Ursprung im
Neapel des späten 19. Jahrhun-
derts. Denn zu dieser Zeit soll ein
Pizzabäcker namens Raffaele
Esposito den Auftrag erhalten
haben für König Umberto I und
dessen Frau Margherita eine
Pizza zu kreieren. Ganz Patriot
entscheid er sich dabei für die
drei bekannten Zutaten, die die
Italien-Flagge symbolisieren.
Danach verbreitete sich die Pizza
dank italienischer Auswanderer
in Amerika sowie in ganz
Europa. 2017 wurde die Back-
kunst der neapolitanischen Piz-
zabäcker „Pizzaiuolos“ sogar als
immaterielles Kulturerbe
von der UNESCO anerkannt.
Ihren Siegeszug setzt die Pizza
Margherita auch heute fort. So
handelt es sich nach Angaben
des Lieferdienstes Lieferando bei
jeder fünften in Deutschland aus-
gelieferten Bestellung um eine
Pizza Margherita.
Magazin 1·2024
Pizza mit Pestiziden?
Das beauftragte Labor hat zudem Rück­
stände von Pestiziden und Wirkverstärkern
in einigen Pizzateigen gefunden. Diese
sind in der geringen gefundenen Konzen­
tration zwar nicht akut giftig, doch über
die Wechselwirkungen von Rückständen
von mehr als einem Pestizid oder Wirkver­
stärker ist bislang wenig bekannt. Da wir
unerwünschte gesundheitliche Auswir­
kungen somit nicht gänzlich ausschließen
können, werten wir Produkte, bei denen
wir Spuren mehrerer Pestizide oder Wirk­
verstärker gefunden haben, ab. Das betrifft
in unserem Test das Ja! Pizza-Set, den Jeden
Tag Pizzateig und das Knack & Back Pizza-
Kit. Letzterem ziehen wir eine weitere Note
für den Befund an Deltamethrin ab, das wir
als besonders bedenklich ansehen. Es wird
als Nervengift gegen Insekten eingesetzt,
gefährdet aber auch wichtige Bestäuber wie
Bienen. Das Pestizid Aktions­Netzwerk
Germany stuft das Insektizid als „hoch­
gefährlich“ ein.
Besser ohne Phosphatzusatz
Phosphat ist wichtig für die Knochen und
wird über die Nahrung vom Körper auf­
genommen. Ein Zuviel an Phosphaten kann
Illustration: Mikhail Seleznev/getty images
jedoch den Nieren schaden. Die in vielen
Teigen als Backtriebmittel enthaltenen Di­
phosphate ließen sich leicht durch andere
unbedenkliche Backtriebmittel wie Wein­
stein oder eine Natron­Zitronensäure­
Kombination ersetzen.
Auch Salz, oder genauer: Natriumchlo­
rid, braucht der Körper, aber nur in Maßen.
Denn während Natrium für ein funktionie­
rendes Muskel­ und Nervensystem wichtig
ist, kann übermäßiger Salzkonsum das
Fotos: Nina Rocco/ÖKO-TEST; Africa Studio/Shutterstock
Risiko für Herz­Kreislauf­Erkrankungen
und Bluthochdruck steigern. Die Deutsche
Gesellschaft für Ernährung (DGE) emp­
fiehlt daher täglich nur sechs Gramm Salz
zu sich zu nehmen. Die meisten Menschen
nehmen laut einer Studie des Bundesge­
sundheitsministeriums jedoch 8,5 bis 10
Gramm, also zu viel Salz zu sich. Das hängt
laut DGE auch mit unerwartet hohen Salz­
gehalten in fertigen Lebensmitteln zu­
sammen. In Finnland müssen fertige und
halbfertige Lebensmittel, die mehr als 1,1
Gramm Salz enthalten, einen Warnhinweis
tragen. Wir orientieren uns an dieser Regel
zum Verbraucherschutz und werten in
unserem Test Teige mit höheren Salzge­
halten ab.
PIZZATEIG

Deklarationsmängel
In den Bofrost Free Pizzaböden werten wir
zusätzlich ab, dass der deklarierte Salzge­
halt zu niedrig liegt. Der im Labor gemes­
sene Gehalt liegt um mehr als 20 Prozent
darüber. Weitere Deklarationsmängel sind
aus unserer Sicht die unrealistisch kleinen
Portionsgrößen auf dem Knack & Back Glu-
tenfreier Pizzateig und dem Ja! Pizza-Set
– 43 bzw. 66,7 Gramm Pizzateig halten wir
für zu wenig. Mit der kleinen Portion lässt
sich auch die Kalorienzahl kleinrechnen.

Pizzateig ohne Gluten

Eine gute Nachricht für alle, die kein Glu­
ten vertragen: Die Pizzateige, die als glu­
tenfrei ausgelobt sind, halten was sie ver­
sprechen. Das hat das Labor bestätigt. Der
Schär Gluten-Free Pizza Base, Knack & Back
Glutenfreier Pizzateig und die Bofrost Free
Pizzaböden enthalten im Gegensatz zu den
anderen Teigen etwas Zucker. Der Anbieter
des Schär­Teigs gibt an, der Zucker unter­
stütze die Hefetätigkeit. Anbieter Knack &
Back erklärt, dass der Zucker für den Ge­
schmack wichtig sei. Apropos Geschmack:
Auf dem Knack & Back Glutenfreier Pizza-
teig sind „natürliche Aromen“ deklariert,
auf allen anderen Produkten nicht. Aus
unserer Sicht haben Lebensmittel, die ih­
ren Geschmack aus den eingesetzten
Grundzutaten beziehen eine höhere Quali­
tät als solche, deren Geschmack die Her­
steller mit Aromen aufpeppen. Die aller­
meisten Teige im Test kommen denn auch
ohne den Zusatz von Aromen aus.
TEST Wir haben getestet Ò punkt der Laboranalysen jedoch noch haltbar.
Tipps für richtig leckere selbstgemachte Pizza: 1. Verwenden Sie für den
Teig Weizenmehl Typ 00. 2. Bestreichen Sie den Teig aus Mehl, Wasser, Hefe
und etwas Salz mit Olivenöl und dann erst mit Tomatensoße. 3. Backen Sie
die Pizza auf höchster Stufe bei Ober-/Unterhitze auf dem Boden ihres
Backofens. Alternativ geht auch ein Pizzastein.
So haben wir getestet
Insgesamt haben wir 19 Fertigteige, darunter vier Bio-Produkte getestet.
Unter den Testprodukten befanden sich auch fünf Pizza-Sets, bestehend aus
Fertigteig und Tomatensoße. Untersucht wurde jedoch nur der Pizzateig. Ein-
gekauft hat das von uns beauftragte Labor die Produkte in Supermärkten und
Discountern zu Preisen zwischen 1,39 und 7,95 Euro pro Packung.
Untersucht wurden eine eventuelle Keimbelastung der Fertigteige, beispiels-
weise mit Salmonellen, genauso wie eventuelle Rückstände von Schimmelpilz-
giften (Mykotoxinen) oder Pestiziden, darunter auch die Wachstumsregulato-
ren Chlormequat und Mepiquat. Ebenfalls analysieren ließen wir, ob die Teige
Kontaminanten wie Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH/MOAH) oder Rück-
stände von Desinfektionsmitteln wie Chlorat/Perchlorat enthielten. Darüber
hinaus ließen wir bei Teigen, die Phosphate als Zutat deklariert hatten, die
Phosphat- und bei allen Teigen die Natriumgehalte bestimmen. Pizzateige, die
Reismehl enthielten, hat das Labor zudem auf Arsen getestet. Bei Teigen, die
laut Zutatenverzeichnis Maismehl oder Maisstärke enthielten, wurde über-
prüft, ob genmanipulierte Sorten eingesetzt wurden. Wir haben außerdem
analysieren lassen, ob als „glutenfrei“ ausgelobte Pizzateige tatsächlich glu-
tenfrei sind. Die Untersuchungen zur Mikrobiologie der Pizzateige wurden
zum Ende der Mindesthaltbarkeit durchgeführt. Die Teige waren zum Zeit-

Magazin 1·2024 53
 LEBEN TEST Pizzateig

Alnatura Pizzateig Donaustrudel Frischer Kornelia Bio Urkorn Frischer Pizzateig Bio
Bio-Pizzateig Pizzateig Bio Pizzateig
Anbieter Alnatura Donaustrudel Kornelia Urkorn Cérélia SAS
Preis pro 200 Gramm 1,50 Euro 1,60 Euro 2,00 Euro 1,30 Euro
Lagerung gekühlt gekühlt gekühlt gekühlt
Deklarierte Öle Sonnenblumenöl Sonnenblumenöl Olivenöl Sonnenblumenöl
Deklarierter Salzgehalt* 1,7 g/100 g 1,6 g/100 g 1,6 g/100 g 1,8 g/100 g
Pestizidbelastung nein nein nein nein
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein Gesamtkeimzahl Gesamtkeimzahl und
Inhaltsstoffe erhöht Enterobakterien er-
höht, Phosphat
Testergebnis Inhaltsstoffe gut gut befriedigend mangelhaft
Weitere Mängel nein nein nein nein
Testergebnis Weitere Mängel sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
Gesamturteil gut gut befriedigend mangelhaft

Penny Ready Frischer Tante Fanny Frischer Genuss Welt Pizza Ja! Pizza-Set K-Classic Pizzakit
Pizzateig XXL Pizzateig Blech Pizzateig XXL Teig XXL
Anbieter Penny (Tante Fanny Tante Fanny Frischteig Netto Marken-Discount Rewe (Tante Fanny Kaufland (Landmanns)
Frischteig) Frischteig)
Preis pro 200 Gramm 0,54 Euro 0,98 Euro 0,54 Euro 0,76 Euro 0,76 Euro
Lagerung gekühlt gekühlt gekühlt gekühlt gekühlt
Deklarierte Öle Olivenöl, Sonnenblu- Olivenöl, Sonnenblu- Rapsöl, Olivenöl Sonnenblumenöl, Rapsöl, Olivenöl
menöl menöl Olivenöl
Deklarierter Salzgehalt* 1,90 g/100 g 1,9 g/100 g 1,9 g/100 g 1,90 g/100 g 1,93 g/100 g
Pestizidbelastung nein nein nein 1 Pestizid und 1 1 Pestizid in Spuren
Wirkverstärker in
Spuren
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene Phosphat Phosphat Enterobakterien Phosphat Enterobakterien er-
Inhaltsstoffe erhöht, Phosphat höht, Phosphat

Testergebnis Inhaltsstoffe befriedigend befriedigend ausreichend ausreichend ausreichend

Weitere Mängel nein nein nein ja nein
Testergebnis Weitere Mängel sehr gut sehr gut sehr gut gut sehr gut
Anmerkungen 7) 2) 5) 3) 5)
Gesamturteil befriedigend befriedigend ausreichend ausreichend ausreichend

*Angabe des deklarierten Salzgehalts bzw. falls es sich um ein Set aus Pizzateig und Tomatensauce handelt, wurde
der Salzgehalt des Teiges ohne Sauce beim Hersteller angefragt und angegeben.
Fett gedruckt sind Mängel.
Abkürzungen: STEC = Shigatoxin bildende E.Coli-Stämme; KBE = koloniebildende Einheiten.
Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 126.
Legende: Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetz-
liche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von
ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methoden-
immanenter Varianzen festgelegt.
Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um jeweils eine Note: a) ein deklarierter Salzgehalt von
mehr als 1,1 g/100g (angelehnt an den Schwellenwert für einen Warnhinweis bei hohem Salzgehalt von Fertig-/
Halbfertiggerichten in Finnland); b) eine gemessene aerobe Gesamtkeimzahl von mehr als 1 × 106 KBE/g (in Tabelle:
„Gesamtkeimzahl erhöht“). Dieser Wert entspricht einer Überschreitung des DGHM-Richtwerts für feuchte, ver-
packte, gefüllte und ungefüllte Teigwaren; c) ein gemessener Gehalt an Enterobacteriaceae von mehr als
1 × 102 KBE/g (in Tabelle: „Enterobakterien erhöht“). Dieser Wert entspricht einer Überschreitung des DGHM-Richt-
werts für feuchte, verpackte, gefüllte und ungefüllte Teigwaren; d) ein gemessener Gehalt an Bacillus cereus von
mehr als 1 × 102 KBE/g (in Tabelle: „Bacillus cereus erhöht“). Dieser Wert entspricht einer Überschreitung des
DGHM-Richtwerts für feuchte, verpackte, gefüllte und ungefüllte Teigwaren; e) der Nachweis von STEC (in Tabelle:
„STEC“); f) der Nachweis von zwei bis sechs Pestiziden und/oder Wirkverstärkern; g) ein als besonders bedenklich
eingestuftes Pestizid in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg (hier: Deltamethrin); als besonders bedenklich
werden Pestizide eingestuft, wenn sie PAN-gelistet sind (in Gruppe 2 oder als bienentoxisch), nach EU-Datenbank
oder ECHA kanzerogen oder reproduktionstoxisch sind oder aus Gründen der Toxizität in der EU nicht mehr zuge-
lassen sind; h) der Zusatz von Aroma/natürlichen Aromen; i) Phospate.

54 Magazin 1·2024
 Cucina Nobile Pizza- Schär Gluten-Free Bofrost Free Chef Select Frischer Gut & Günstig Pizza-
teig Pizza Base, 2 Stück Pizzaböden, 2 Stück, XXL-Pizzateig teig XXL
Pizzateig glutenfrei
Anbieter Aldi Nord/Aldi Süd Dr. Schär Bofrost Lidl (Landmanns) Edeka
(Cérélia SAS)
Preis pro 200 Gramm 0,76 Euro 2,99 Euro 4,18 Euro 0,51 Euro 0,51 Euro
Lagerung gekühlt ungekühlt tiefgekühlt gekühlt gekühlt
Deklarierte Öle Olivenöl Olivenöl, Sonnenblumen- Rapsöl Rapsöl, Olivenöl Rapsöl, Olivenöl
kernöl
Deklarierter Salzgehalt* 1,02 g/100 g 1,3 g/100 g 1,3 g/100 g 1,93 g/100 g 1,2 g/100 g
Pestizidbelastung 1 Wirkverstärker in nein nein nein nein
Spuren
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein Phosphat Phosphat Phosphat
Inhaltsstoffe
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut gut befriedigend befriedigend befriedigend
Weitere Mängel nein nein ja nein nein
Testergebnis Weitere Mängel sehr gut sehr gut gut sehr gut sehr gut
Anmerkungen 5) 6) 1) 3)
Gesamturteil sehr gut gut befriedigend befriedigend befriedigend

Knack & Back Pizza-Kit Villa Gusto Pizzateig & Henglein Frischer Pizza- Jeden Tag Pizzateig Knack & Back Gluten-
Tomatensauce teig XXL freier Pizzateig
Knack & Back (Cérélia SAS) Norma (Landmanns) Hans Henglein & Sohn Zentrale Handelsgesell- Knack & Back (Cérélia SAS)
schaft
0,93 Euro 0,76 Euro 0,91 Euro 0,54 Euro 2,30 Euro
gekühlt gekühlt gekühlt gekühlt gekühlt
Olivenöl Rapsöl, Olivenöl Rapsöl, Olivenöl Rapsöl, Olivenöl Rapsöl

1,5 g/100 g 1,93 g/100 g 1,93 g/100 g 1,9 g/100 g 1,6 g/100 g
2 Pestizide und 1 Wirk- 1 Pestizid in Spuren 1 Pestizid in Spuren 2 Pestizide in Spuren nein
verstärker in Spuren,
darunter Deltamethrin
nein Enterobakterien er- Enterobakterien er- Enterobakterien er- Bacillus cereus erhöht,
höht, Phosphat höht, STEC, Phosphat höht, Phosphat natürliche Aromen,
Phosphat
ausreichend ausreichend mangelhaft mangelhaft mangelhaft
nein nein nein nein ja
sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut gut
4) 5) 3) 5) 3) 2)
Illustrationen: Mikhail Seleznev/getty images

ausreichend ausreichend mangelhaft mangelhaft mangelhaft

Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um eine Note: a) eine Abweichung des deklarierten
Salzgehalts vom im Labor ermittelten Wert von mehr als ±20 % bei deklarierten Salzgehalten über 1,25 g/100 g.
Diese Bewertung basiert auf dem EU-Leitfaden für Toleranzen zur Nährwertdeklaration für die Lebensmittelüber-
wachung; b) die angegebene Portionsgröße zur Berechnung der Nährwerte bezieht sich auf eine unserer Ansicht
nach zu geringe Portionsgröße von weniger als 100 Gramm.
Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „gut“ ist,
verschlechtert das Gesamturteil nicht. Steht bei konkret benannten Analysenergebnissen „nein“ bedeutet das
„unterhalb der Bestimmungsgrenze“ oder „unterhalb der Nachweisgrenze“ der jeweiligen Test-
methode.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter oekotest.de/M2401.
Einkauf der Testprodukte: September 2023.
Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen
keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet
werden.
Anmerkungen: 1) Weiterer Mangel: der deklarierte Salzgehalt weicht zu stark vom im Labor ermittelten Salzgehalt von 1,65
g/100g ab. 2) Weiterer Mangel: Angabe einer unserer Ansicht nach zu kleinen Portion von weniger als 100 Gramm Pizzateig
zur Berechnung der Nährwerte. 3) Laut Anbieter soll der Salzgehalt Anfang des Jahres 2024 bzw. im ersten Quartal auf 1,18
Gramm reduziert werden. 4) Laut Anbieter ist das Produkt inzwischen mit einem neuen Layout verfügbar. 5) Der Preis bezieht
sich auf das Set aus Pizzateig und Soße. Für den Test wurde lediglich der Teig berücksichtigt. 6) Laut Anbieter soll bei Aldi Süd
ein Lieferantenwechsel stattfinden. Bei Aldi Nord sei das Produkt weiterhin unverändert erhältlich. 7) Laut Anbieter wurde die
Rezeptur Anfang November angepasst und weist nun einen reduzierten Salzgehalt von 1,2 g/100g, einen höheren Ballaststoff-
gehalt sowie den Nutri-Score B auf.

Magazin 1·2024 55
 LEBEN Rezept

Schnelle Pizza
gegen den
Neujahrskater
Natürlich sind wir fürs Selbermachen. Aber am
Neujahrstag sollte eine Pizza aus frischem Fertigteig mit
leckeren Anti-Kater-Zutaten in Ordnung gehen.
Mit Fisch oder lieber vegan?
REZEPTE + TEXT: ANNETTE SABERSKY FOTOS UND FOODSTYLING: PETER SCHULTE

Fix-Pizza mit Fisch oder Pesto

Für 4 Portionen
Zubereitungszeit:
ca. 25 Minuten
(ohne Backzeit)
Nährwerte pro Portion:
• 830,3 Kcal / 3.676,6 kJ
• 32,4 g Eiweiß
• 47,9 g Fett
• 71,8 g Kohlenhydrate
• davon 7,5 g Zucker
• 5,7 g Ballaststoffe
Nährwerte pro 100 g:
• 247,1 Kcal / 1.032,0 kJ
• 9,6 g Eiweiß
• 13,4 g Fett
• 20,1 g Kohlenhydrate
• davon 2,1 g Zucker
• 1,6 g Ballaststoffe
Zutaten Zubereitung
Für die Fisch-Pizza 1. Teige aus der Packung nehmen und mit dem Pa-
• 1 Packung frischer pier – es ist, wenn nicht anders angegeben, Back-
Pizzateig (à 280 g) papier - je auf einem Backblech ausrollen.
• 1 Dose (200 g) Herings- 2. Für die Fischpizza Dose ein wenig öffnen, Sauce
filet in Tomatensauce auf den einen Teig träufeln und ihn damit bestrei-
• ½ Glas (100 g) saure chen. Gurkenscheiben abtropfen lassen. Käse fein
Gurken in Scheiben reiben, Nüsse grob hacken. Petersilie kurz abspü-
• 50 g herzhafter Käse len und Blätter von den Stängeln zupfen.
(z.B. Gruyère oder alter 3. Fisch aus der Dose nehmen, zerkleinern und
Gouda) gleichmäßig auf dem Teig verteilen. Gurkenschei-
• 50 g gesalzene ben und Erdnusskerne ebenfalls darauf verteilen.
Erdnusskerne Käse reiben und die Pizza damit bestreuen.
• 2 Stängel glatte 4. Für die Veggiepizza Teig mit Pesto bestreichen.
Petersilie Tofu in kleine Würfel schneiden, Oliven halbieren,
Sauerkraut aus dem Glas nehmen und abtropfen
Für die Pesto-Pizza lassen. Rucola kurz abspülen. Alles, bis auf Rucola,
• 1 Packung frischer gleichmäßig auf dem Teig verteilen.
Pizzateig (à 280 g) 5. Backbleche in den Ofen schieben. Mit Umluft bei
• 1 kleines Glas veganes 175 Grad ca. 15 bis 20 Minuten backen. Immer mal
grünes Pesto (130 g) nachgucken, dass die Pizza nicht zu dunkel wird,
• 1 Stück Räucher- ggf. mit Backpapier abdecken.
tofu (200 g) 6. Bleche aus dem Ofen nehmen, kurz abkühlen
• 10 Oliven ohne Stein lassen. Dann in Stücken schneiden. Fischpizza mit
• 4 Gabeln Sauerkraut Petersilie, Veggiepizza mit Rucola bestreuen.
(am besten frisch,
ca. 60 g)
• 1 Handvoll Rucola

56 Magazin 1·2024
 LEBEN Rezept

Mit Rucola
und Petersilie

Tipps
• Frische Fertigteige lassen sich vielfältig belegen. Neben
den klassischen Pizzazutaten wie Tomatensauce, Gemüse
und ein wenig Käse schmeckt es auch herzhaft süß: mit Äp-
feln oder Birnen, Walnüssen und (veganer) Creme Fraîche.
• Auch herzhafte Schnecken sind lecker und schnell fertig:
Dafür Teig ausrollen, mit z.B. Pesto bestreichen, von der
breiten Seite her aufrollen und mit einem scharfen Messer
vorsichtig in Scheiben schneiden. Einzeln auf ein Backblech
legen und zehn bis 15 Minuten backen.
• Ein veganer Flammkuchen aus frischem Fertigteig, vega-
ner Creme Fraîche, Zwiebeln und geräuchertem, angebra-
tenen Tofu ist zudem fix fertig.
• Aus dem Teig lassen sich auch Vier- oder Rechtecke
schneiden und einzeln nach Gusto belegen.

Magazin 1·2024 57
 LEBEN TEST Einlagen bei Blasenschwäche

EINLAGEN BEI
BLASEN-
SCHWÄCHE

RATGEBER
1
Auf die ist Verlass:
Sechs Einlagen für Blasen-
schwäche bestehen unse-
ren Praxistest mit Bestno-
te, fünf davon schneiden
auch insgesamt mit
„sehr gut“ ab.

2
Eine schwache Blase ist
nicht schicksalsgegeben,
sondern kann in den meis-
ten Fällen gut behandelt
werden. Scheuen Sie sich
nicht, bereits erste Be-
schwerden ärztlich abklä-
ren zu lassen.

3
Obacht: Das Tröpfchen-
System der Einlagen-
Hersteller ist nicht harmo-
nisiert und bietet nur einen
ungefähren Anhaltspunkt.
Deshalb bleibt auf der
Suche nach der richtigen
Einlage nur Ausprobieren
und an die richtige Saug-
leistung herantasten.

58 Magazin 1·2024
 Trocken
Wenn die Blase schwächelt,
dann muss die passende
Einlage vor allem eins: dicht-
halten. Die meisten Einlagen

bleiben
in unserem Test überzeug-
ten in der Praxisprüfung.
Das Always-Produkt ent-
täuscht in puncto Saugfähig-
keit und wird Testverlierer.
TEST: CHRISTINE THROL
TEXT: HEIKE BAIER

O
b nach einer Entbindung oder als
Folge von Alterungsprozessen: Für
eine Blasenschwäche gibt es viele
Ursachen und sie kann Menschen jeden Al-
ters treffen. Doch die wenigsten gehen da-
mit auch zum Arzt. Aus falscher Scham
leiden Betroffene lieber im Stillen und han-
geln sich so lange wie möglich mit Einlagen
durch. Dabei lässt sich gegen Harninkonti-
nenz, wie es im Fachjargon heißt, fast im-
mer etwas tun (siehe Seite 64). Einlagen
sollten eine Behandlung also nie ersetzen,
sondern sie höchstens begleiten. Doch wel-
ches sind die richtigen? Wir haben 19 ver-
schiedene Einlagen getestet, die als „nor-
mal“, „mittel“ oder mit einem diesen
Kategorien entsprechenden Sauglevel aus-
gelobt sind.

Praxistest: Sechs sind „sehr gut“

Eine gute Einlage muss sich angenehm tra-
gen. Und vor allem muss sie Verlässlichkeit
bieten. Maßgeblich für unseren Test war
deshalb eine umfassende Praxisprüfung mit
Anwendertests und Labortest. Zum einen
trugen je 30 Frauen und Männer mit leichter
oder mittlerer Blasenschwäche die Einlagen
über drei Tage hinweg und bewerteten an-
Foto: FOTOGRAFIA INC./getty images

schließend Eigenschaften wie Tragekom-

fort, Passform oder Handhabung. In dieser
Anwendungsprüfung schaffen es alle Pro-
dukte in einen „guten“ Bereich und liegen
damit nahezu gleichauf.
Größere Unterschiede gab es dagegen in
Teil zwei des Praxistests, bei dem wir die
Saugleistung der Einlagen unter stan-

Magazin 1·2024 59
w
LEBEN TEST Einlagen bei Blasenschwäche
dardisierten Bedingungen von einem Spe-
ziallabor überprüfen ließen.
Einlagen müssen häufig eine größere
Menge Urin in kurzer Zeit aufsaugen. Das
Labor simulierte deshalb drei Flüssigkeits-
schwälle à 30 Milliliter. Diese 90 Milliliter
Flüssigkeit entsprechen der Urinmenge, die
Menschen an der Obergrenze einer leichten
Harninkontinenz laut offizieller Einteilung
der Deutschen Gesellschaft für Pflegehilfs-
mittelversorgung in vier Stunden etwa ver-
lieren. Das Labor ermittelte, wie schnell die
Produkte die Flüssigkeit aufsaugen und ob
sie diese auch noch unter Druck in ihrem
Inneren festhalten konnten („Rücknäs-
sung“). Fast alle Einlagen waren in der Lage,
die drei Flüssigkeitsanstürme jeweils in
einer sehr guten Geschwindigkeit aufzu-
nehmen.
Geringe Saugleistung
Zwei Produkte fallen hier jedoch aus der
Reihe: Die Natracare Dry & Light Natural
Pads Plus konnten schon beim zweiten
Schwall nichts mehr aufsaugen, bei den Al-
ways Discreet Normal Einlagen war beim
dritten Schwall Schluss. Entsprechend stark
fällt bei beiden die Rücknässung aus. Die
„Für eine
,sehr gute‘ Einlage
müssen Sie nicht
tiefer in die Tasche
greifen. Die „sehr
guten“ Produkte
gehören im Ver-
gleich auch zu
den günstigsten.”
Christine Throl
ÖKO-TEST-Projektleiterin
60
WISSEN
Volksleiden
schwache Blase
10
Millionen
So viele Menschen leiden in
Deutschland etwa unter einer
Harninkontinenz. Das ist statistisch
gesehen etwa jede(r) Neunte.
80
Prozent der Fälle
von Blasenschwäche
gelten als gut behandelbar
oder sogar heilbar.
3 4
von
Menschen mit Harninkontinenz
sind Frauen. Vor allem in jünge-
ren Jahren ist die Kluft zwischen
Männern und Frauen groß, mit
zunehmendem Alter nähert sich die
Betroffenheit mehr und mehr an.
10
Prozent aller Frauen
zwischen 40 und 49 Jahren
geben in einer deutschen Befragung
an, unter unfreiwilligem Harnverlust zu
leiden. In der Altersgruppe zwischen
60 und 69 steigt dieser Anteil auf
knapp 25 Prozent, bei den Frauen
über 80 Jahren hat bereits jede
Dritte Inkontinenzbeschwerden.
Quellen: Robert Koch-Institut, Statista.com,
Deutsche Kontinenz Gesellschaft
beiden Produkte schneiden im Praxistest
deshalb nur „befriedigend“ ab. Für die ver-
gleichsweise schlechtere Leistung gibt es
Erklärungen: Natracare-Hersteller Body-
wise verzichtet bei den im Bio-Laden
angebotenen Einlagen auf so genannte
Superabsorber, also extrem saugfähige
Kunststoffpartikel. Die Always-Binden wie-
derum sind mit nur acht Gramm die mit
Abstand leichtesten im Test. Als Reaktion
auf die Mitteilung der Testergebnisse
schreibt uns Anbieter Procter&Gamble,
dass man das Produkt für eine leichte Bla-
senschwäche entwickelt habe und für eine
geringere Flüssigkeitsaufnahme als 90 Mil-
liliter. Auf der Verpackung ist davon keine
Rede. Dort steht als Kategorie „Normal“,
illustriert ist das mit drei von acht mögli-
chen Tröpfchen – diese Kennzeichnung
steht auch auf anderen Produkten im Test,
die jedoch in Sachen Aufsauggeschwindig-
keit und Rücknässung besser abscheiden.
Im Gegensatz zu allen anderen Marken
im Test trägt die Verpackung keinen Hin-
weis, ob die Einlagen für leichte oder mitt-
lere Blasenschwäche konzipiert sind. Diese
Angabe halten wir für wichtig, da Verbrau-
cherinnen und Verbraucher allein mit den
Tröpfchen-Angaben nicht einheitlich infor-
miert werden: Dieses System ist nicht har-
monisiert.
Rückstände aus der Chlorbleiche?
Wir haben die Einlagen auch auf umstritte-
ne Stoffe untersuchen lassen. Bis auf vier
Produkte kritisieren wir alle wegen der ge-
messenen Gehalte an halogenorganischen
Verbindungen (AOX). Dabei kann es sich um
Reste aus der Chlorbleiche des Zellstoffs
handeln. Auch Superabsorber könnten als
Eintragsquelle in Frage kommen. Die Stoff-
gruppe der halogenorganischen Verbindun-
gen umfasst mehrere Tausend Stoffe, viele
Illustration: IMAGO/McPHOTO
können Allergien auslösen, fast alle rei-
chern sich in der Umwelt an. Aus unserer
Sicht sollten Verbraucherprodukte mög-
lichst wenig halogenorganische Verbindun-
gen enthalten, um Risiken für Mensch und
Umwelt zu minimieren.
Foto: Anja Wägele
TEST Wir haben getestet Ò
Magazin 1·2024
So haben wir getestet
Wir haben 19 Einlagen für Menschen mit Blasenschwäche eingekauft. Dabei wählten wir Produkte, die laut
Verpackung als „normal“, „mittel“, „Level 2“ oder mit einer vergleichbaren Saugleistung deklariert sind und/
oder diese mit drei bis fünf Tröpfchen illustrieren. Die Einlagen sollten entweder für eine leichte, eine leichte
bis mittlere oder eine mittlere Blasenschwäche ausgelobt sein. In unserem Einkaufskorb landeten drei Pro-
EINLAGEN BEI
dukte speziell für Frauen, fünf für Männer und zwölf Produkte, die entweder als Unisex empfohlen sind oder BLASEN-
keine spezielle Zielgruppe angeben. SCHWÄCHE
Alle Fabrikate haben wir von spezialisierten Laboren auf Formaldehyd, PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen
und halogenorganische Verbindungen analysieren lassen. Außerdem absolvierten alle Einlagen eine zwei-
teilige Praxisprüfung: Teil eins bestand aus einem Anwendungstest. 30 Männer und 30 Frauen zwischen 41
und 90 Jahren, die nach eigenen Angaben unter einer leichten bis mittleren Harninkontinenz leiden, trugen
verschiedene Einlagen über mehrere Tage in rotierender Reihenfolge (anonymisiert). Anschließend beant-
worteten sie schriftlich und telefonisch Fragen zum Einlegen, zur Passform, zum Tragekomfort und zum Ent-
fernen der getesteten Produkte. Im zweiten Teil der Praxisprüfung haben Experten im Labor unter standar-
disierten Bedingungen die Saugleistung der Einlagen gemessen. Dazu gaben sie im Abstand von 20 Minuten
drei Flüssigkeitsschwälle von je 30 Millilitern auf die Einlagen und maßen jeweils, wie schnell die Produkte
die Flüssigkeit aufnahmen. Nach dem dritten Schwall ermittelte das Labor, ob und wie viel Flüssigkeit die Ein-
lagen unter Druck eines Gewichts wieder abgeben („Rücknässung“). Zudem wollten wir von den Herstellern
wissen, ob und wie viel Post-Consumer-Rezyklat (PCR) sie im Außenbeutel sowie in den Einzelverpackungen
der Einlagen aus Folie oder Vlies einsetzen. Außerdem achteten wir auf Aussagen zur Klimaneutralität.

Einlagen bei Blasen- Duchesse Jessa Diskret Men Facelle Diskret Men Sophie Men Hygiene- Tena Men Active
Men Hygiene-Einlagen Schutzeinlagen Einlagen Level 2 Einlagen Level 2 Fit Absorbierende
schwäche, Männer Level 2 Level 2 Protektoren, Level 2
Anbieter Müller Drogeriemarkt Dm (Attends) Rossmann (Abena) Budni (Euco/Curatex) Essity
(Abena)
Preis pro Stück 0,35 Euro 0,35 Euro 0,35 Euro 0,35 Euro 0,45 Euro
Geeignet für (lt. Hersteller) mittlere Blasenschwäche leichte bis mittlere mittlere Blasenschwäche leichte bis mittlere mittlere Blasen-
Blasenschwäche Blasenschwäche schwäche
Länge x Breite [cm] / Gewicht [g] 30 x 10-23 / 23,5 31 x 15 / 22,2 30 x 10-23 / 23,5 30 x 10-23 / 21,1 26 x 9-25 / 18,0
Bedenkliche und/oder umstrittene Inhalts- nein halogenorganische nein halogenorganische halogenorganische
stoffe Verbindungen Verbindungen Verbindungen
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut gut sehr gut gut gut
Aufsauggeschwindigkeit 1. / 3. Schwall sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / gut
Rücknässung sehr gering sehr gering sehr gering gering sehr gering
Teilergebnis Praxisprüfung Labor (50 %) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,3) sehr gut (1,33)
Beurteilung Einlegen gut (1,8) gut (1,8) gut (1,9) gut (2,0) gut (2,0)
Beurteilung Passform gut (2,1) gut (2,0) gut (2,2) gut (2,3) gut (2,2)
Beurteilung Tragekomfort gut (1,9) gut (1,9) gut (2,0) gut (1,9) gut (1,9)
Beurteilung Entfernen gut (1,7) gut (1,6) gut (1,9) gut (1,8) gut (1,8)
Teilergebnis Praxisprüfung Verbraucher (50 %) gut (1,89) gut (1,87) gut (2,00) gut (1,94) gut (1,93)
Testergebnis Praxisprüfung sehr gut (1,45) sehr gut (1,4) gut (1,5) gut (1,6) gut (1,6)
Rezyklatanteil in der Kunststoffverpackung* 30 % 12 % 30 % nein nein
Weitere Mängel nein nein nein nein nein
Testergebnis Weitere Mängel sehr gut gut sehr gut gut gut
Anmerkungen 8) 3) 5)
Gesamturteil sehr gut sehr gut gut gut gut

Magazin 1·2024 61
 LEBEN TEST Einlagen bei Blasenschwäche

Einlagen bei Blasen- Elkos Diskret Floriola Hygiene- Jeden Tag Bevola Hygiene Duchesse Jessa Diskret
schwäche, Unisex Hygiene-Einlagen Einlagen Normal Hygiene-Einlagen Einlagen Normal Hygiene-Einlagen Einlagen Extra
Normal Normal Normal Protect,
und Frauen 4 Tröpfchen
Anbieter Edeka (Curatex) Norma (Drylock Zentrale Handelsge- Kaufland (Ontex) Müller Drogerie- Dm (Curatex)
Technologies) schaft (Ontex) markt (Curatex)
Preis pro Stück 0,16 Euro 0,15 Euro 0,15 Euro 0,15 Euro 0,16 Euro 0,16 Euro
Geeignet für (lt. Hersteller) leichte bis mittlere leichte Blasen- leichte Blasen- leichte Blasen- leichte bis mittlere leichte bis mittlere
Blasenschwäche schwäche schwäche schwäche Blasenschwäche Blasenschwäche
Länge x Breite [cm] / Gewicht [g] 27,5 x 11 / 14,3 26,5 x 10 / 15,5 26,5 x 10 / 15,8 26,5 x 10 / 15,8 27,5 x 11 / 13,9 27 x 11 / 14,0
Bedenkliche und/oder umstrittene halogenorgani- nein halogenorgani- halogenorgani- halogenorgani- halogenorgani-
Inhaltsstoffe sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun-
gen gen gen gen gen
Testergebnis Inhaltsstoffe gut sehr gut gut gut befriedigend gut
Aufsauggeschwindigkeit 1. / 3. Schwall sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut
Rücknässung sehr gering sehr gering sehr gering sehr gering sehr gering sehr gering

Teilergebnis Praxisprüfung Labor (50 %) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0)
Beurteilung Einlegen gut (1,9) gut (1,7) gut (1,9) gut (2,0) gut (1,8) gut (2,0)
Beurteilung Passform gut (2,1) gut (1,9) gut (2,0) gut (2,1) gut (1,8) gut (2,2)
Beurteilung Tragekomfort gut (1,9) gut (1,8) gut (1,9) gut (2,0) gut (1,9) gut (2,0)
Beurteilung Entfernen gut (1,8) gut (1,7) gut (1,7) gut (1,9) gut (1,8) gut (1,8)
Teilergebnis Praxisprüfung gut (1,91) gut (1,79) gut (1,89) gut (2,00) gut (1,87) gut (2,00)
Verbraucher (50 %)
Testergebnis Praxisprüfung sehr gut (1,46) sehr gut (1,4) sehr gut (1,45) gut (1,5) sehr gut (1,4) gut (1,5)
Rezyklatanteil in der Kunststoffver- nein 25 % nein nein nein 14 %
packung*
Weitere Mängel nein nein nein nein ja nein
Testergebnis Weitere Mängel gut gut gut gut befriedigend gut
Anmerkungen 4) 1) 7)
Gesamturteil sehr gut sehr gut sehr gut gut gut gut

*Der Rezyklatanteil in der Kunststoffverpackung berechnet sich aus den in Außenbeuteln und Einzelverpa-
ckungen eingesetzten Anteilen von Post-Consumer-Rezyklat (PCR).
Fett gedruckt sind Mängel.
Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 126.
Legende: Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um
gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen
wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicher-
heiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.
Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um eine Note: halogenorganische Verbindungen
im Labor nachgewiesen.
Das Testergebnis Praxisprüfung setzt sich aus den Teilergebnissen Praxisprüfung Labor (50 %) und Praxis-
prüfung Verbraucher (50 %) zusammen. Die Noten wurden kaufmännisch gerundet.
Das Teilergebnis Praxisprüfung Labor setzt sich zu gleichen Teilen aus den Ergebnissen Aufsauggeschwindig-
keit 1. Schwall, Aufsauggeschwindigkeit 3. Schwall und Rücknässung zusammen.
Aufsauggeschwindigkeit 1. Schwall: > 1,0 ml/s = sehr gut; 0,67 – 1,0 ml/s = gut; 0,5 – 0,66 ml/s = befriedigend;
< 0,5 ml/s = ausreichend.
Aufsauggeschwindigkeit 3. Schwall: > 0,38 ml/s = sehr gut; 0,3 – 0,37 ml/s = gut; 0,25 – 0,29 ml/s = befriedigend;
0,1 – 0,24 ml/s = ausreichend; < 0,1 ml/s = mangelhaft; nicht messbar, da Einlage bereits 2. Schwall nicht mehr
vollständig aufsaugt = ungenügend.
Rücknässung nach drei Schwallen:
< 0,5 g = sehr gering = sehr gut; 0,5 bis < 1,0 g = gering = gut; 1,0 bis < 2,0 g = mittelmäßig = befriedigend; 2,0
bis 10,0 g = etwas stärker = ausreichend; > 10,0 g = stark = mangelhaft; bereits nach 2. Schwall mit > 10 g
„stark“ = ungenügend.
Das Teilergebnis Praxistest Verbraucher setzt sich zusammen aus den Ergebnissen Einlegen (10 %), Passform
(10 %), Entfernen (10 %) und Tragekomfort (70 %). Die Verbraucher beurteilten die einzelnen Parameter
anhand eines Fragebogens auf einer fünfstufigen Skala (5 = sehr gut; 4 = gut; 3 = befriedigend; 2 = schlecht;
1 = sehr schlecht). Dabei sind ≥ 4,5 Punkte = sehr gut; ≥ 3,5 bis < 4,5 Punkte = gut; ≥ 2,5 bis < 3,5 Punkte = be-
friedigend; ≥ 1,5 bis < 2,5 Punkte = ausreichend; < 1,5 Punkte = mangelhaft.
In das Einlegen fließen ein: das Entfernen der Klebestreifen (30 %) und das Positionieren (70 %). In das Ent-
fernen fließen ein: Haltekraft der Klebestelle (40 %) und Reißfestigkeit (60 %). In die Passform fließen ein:
Größe und Form der Einlage während des Tragens (je 25 %), Haftung im Slip (25 %), Nachgiebigkeit (15 %) und
das Aussehen des Produkts (10 %). In den Tragekomfort fließen ein: empfindliche Stellen (10 %), Hautverträg-
lichkeit (10 %), Saugfähigkeit (20 %), Schutz gegen Nässe (15 %), Weichheit des Materials (20 %), Atmungs-
aktivität (10 %) und Formbeständigkeit (15 %).
Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung jeweils eine Note: a) ein Anteil von Rezyklaten

62 Magazin 1·2024
 Rewe Beste Wahl Satessa Diskret Siempre Discreet Sophie Diskret Tena Discreet Facelle Diskret Natracare Dry Always Discreet
Hygiene Einlagen Hygiene-Einlagen Einlagen Normal Hygiene-Einlagen Einlagen Normal Slim & Fresh & Light Natural Normal
Normal Normal Normal Einlagen Normal Pads Plus,
3 Tröpfchen
Rewe (Intigena) Aldi Süd (Curatex) Lidl (Curatex) Budni, Netto (Euco/ Essity Germany Rossman (Ontex) Bodywise Procter & Gamble
Curatex) (Naturwarenladen)
0,15 Euro 0,15 Euro 0,16 Euro 0,16 Euro 0,33 Euro 0,18 Euro 0,44 Euro 0,37 Euro
leichte bis mittlere leichte Blasen- leichte bis mittlere leichte bis mittlere leichte bis mittlere leichte bis mittlere leichte Blasen- keine Angabe
Blasenschwäche schwäche Blasenschwäche Blasenschwäche Blasenschwäche Blasenschwäche schwäche
27,5 x 11 / 13,1 27,5 x 11 / 14,1 27,5 x 11 / 13,7 27,5 x 11 / 14,2 27,5 x 11 / 13,9 26,5 x 10 / 11,5 31 x 9-10 / 12,3 26,5 x 8-9,3 / 8,2
halogenorgani- halogenorgani- halogenorgani- halogenorgani- halogenorgani- halogenorgani- nein halogenorgani-
sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun- sche Verbindun-
gen gen gen gen gen gen gen
gut gut gut gut gut befriedigend sehr gut befriedigend
sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut sehr gut / sehr gut gut / ungenügend gut / mangelhaft
gering sehr gering sehr gering sehr gering sehr gering sehr gering bereits nach 2. stark
Schwall stark
sehr gut (1,33) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) sehr gut (1,0) mangelhaft (4,7) ausreichend (4,0)
gut (1,8) gut (2,1) gut (2,1) gut (2,0) gut (2,1) gut (2,0) gut (1,9) gut (1,9)
gut (2,1) gut (2,1) gut (2,3) gut (2,1) gut (2,2) gut (2,3) gut (2,1) gut (2,1)
gut (2,0) gut (2,1) gut (2,1) gut (2,0) gut (2,1) gut (2,1) gut (2,1) gut (2,0)
gut (1,8) gut (1,9) gut (1,9) gut (1,8) gut (1,9) gut (1,9) gut (1,9) gut (2,0)
gut (1,97) gut (2,08) gut (2,10) gut (1,99) gut (2,09) gut (2,09) gut (2,06) gut (2,00)

gut (1,7) gut (1,5) gut (1,6) gut (1,5) gut (1,5) gut (1,5) befriedigend (3,4) befriedigend (3,0)
nein nein nein nein nein 8% nein 50 % im Außenbeu-
tel, kein Nachweis
nein nein nein nein nein ja nein ja
gut gut gut gut gut befriedigend gut befriedigend
9) 6) 1) 10) 3) 2)
gut gut gut gut gut befriedigend befriedigend ausreichend

(Post-Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoff-
verpackung (äußerer Verpackungsbeutel und ggf. Einzelverpackungen aus Folie oder Vlies), keine Angabe
hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage; b) Werbung mit Klimaneutralität, CO2 -Neu-
tralität oder einer missverständlichen CO 2 -Bilanz ohne ausreichende Information dazu auf dem Produkt;
c) fehlende Angabe, für welchen Grad der Blasenschwäche das Produkt geeignet ist.
Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Praxisprüfung. Ein Testergebnis Inhaltsstoffe, das „befriedi-
gend“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Inhaltsstoffe, das „gut“ ist, ver-
schlechtert das Gesamturteil nicht. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „befriedigend" ist, verschlechtert
das Testergebnis Inhaltsstoffe um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „gut“ ist, verschlechtert
das Testergebnis Inhaltsstoffe nicht.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter oekotest.de/M2401.
Einkauf der Testprodukte: Juni – Juli 2023.
Dieser Test löst den Test Einlagen bei Blasenschwäche aus dem ÖKO-TEST Magazin 9/2013 und dessen Wieder-
veröffentlichung im Jahrbuch für 2014 ab.
Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags
dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/
oder verbreitet werden.
Anmerkungen: 1) Weiterer Mangel: Werbung mit vermeintlicher Klimaneutralität, CO2-Neutralität oder einer
missverständlichen CO2-Bilanz. 2) Weiterer Mangel: Fehlende Angabe, für welchen Grad der Blasenschwäche
das Produkt geeignet ist. 3) Umverpackung aus Karton, aber Produkt einzeln in Folie verpackt. 4) Laut Anbieter
stammt der ausgelobte Recyclinganteil von 35 % im Außenbeutel aus Post-Industrial-Rezyklat (PIR). ÖKO-TEST
fordert jedoch Post-Consumer-Rezyklat (PCR). 5) Laut Anbieter handelt es sich bei der Packungsgröße „10+2
Gratis“ um einen Promotionsartikel, der nicht mehr erhältlich sei. Der UVP für die reguläre 10er-Packung sei 5,49
Euro. 6) Laut Anbieter hat das seit Mai 2023 produzierte Produkt einen Außenbeutel mit einem PCR-Anteil von
60 Prozent. 7) Laut Anbieter wird das Produkt ab zirka Ende 01/2024 durch eine optimiertes Produkt mit der
Bezeichnung „Jessa Diskret Einlagen Normal“ ersetzt. 8) Laut Anbieter wird das Produkt ab zirka Ende 01/2024
durch ein optimiertes Produkt mit der Bezeichnung „Jessa Diskret Einlagen Men Level 2“ ersetzt. 9) Laut Hersteller
Curatex wird das Produkt seit Sommer 2023 nicht mehr für Lidl produziert, es sei mittlerweile nicht mehr in den
Lidl-Filialen erhältlich. 10) Laut Anbieter richtet sich das Produkt aufgrund „weiblicher“ Bedruckung und der Ver-
packungsgestaltung an Frauen. Weil keine Angabe zur Zielgruppe auf dem Produkt angegeben ist, haben wir es als
Unisex-Produkt eingeordnet und in der Praxisprüfung Verbraucher durch Frauen und Männer beurteilen lassen.
Eine getrennte Auswertung der Beurteilungen nach Frauen und Männern zeigt bei dem Produkt insgesamt nur
einen sehr geringen Unterschied im Teilergebnis Praxisprüfung Verbraucher. Die Beurteilungen der Frauen allein
würden ebenfalls zu einem guten (1,5) Teilergebnis Praxisprüfung Verbraucher führen.

Magazin 1·2024 63
 LEBEN Schwache Blase

Bis zu
acht Mal Pinkeln
täglich ist okay
Eine schwache Blase mit unfreiwilligem
Harnverlust ist noch immer ein Tabuthema.
Dabei betrifft sie acht bis zehn Millionen Menschen
in Deutschland – und längst nicht nur die Älteren.
Wie erkennt man eine Harninkontinenz, woher
kommt sie und was hilft?
TEXT: HEIKE BAIER

Was ist eine Harninkontinenz
und wie zeigt sie sich?
Einmal kräftig geniest – und unwillkürlich
gehen ein paar Tropfen Urin ab. Das ken-
nen gerade Frauen nach einer Entbindung
nur zu gut und es kann ein erstes Anzei-
chen für eine Blasenschwäche sein. Im
Fachjargon heißt sie „Inkontinenz“ und
anders als häufig gedacht kann sie Men-
schen fast jeden Alters treffen. „Die Harn-
inkontinenz ist eine Volkskrankheit“, sagt
Fassungsvermögen der Blase sinkt, Betrof-
fene quasi aus dem Nichts von einem plötz-
lichen Harndrang überfallen werden und
es im schlimmsten Fall nicht mehr recht-
zeitig zur Toilette schaffen. Treten diese
beiden Formen in Kombination auf, spre-
chen Fachleute von einer „Mischinkonti-
nenz“.
„80 Prozent der
Muss ich mich mit der
Blasenschwäche abfinden?
Meistens nicht. Für eine schwache Blase
gibt es viele Möglichkeiten einer Behand-
lung, von Beckenbodentraining über Me-
dikamente bis zu Elektrostimulation oder
Operation. „80 Prozent der Fälle kann man
heilen“, sagt Daniela Schultz-Lampel. Vier
von fünf Betroffenen gingen allerdings gar
nicht zum Arzt. Sie nehmen ihre schwächer
werdende Blase als schicksalsgegeben, lei-
Foto: privat

Daniela Schultz-Lampel, Direktorin des
Kontinenzzentrums Südwest in Donau-
eschingen. „Acht bis zehn Millionen Men-
schen sind in Deutschland von ihr betrof-
den still vor sich hin und schlagen sich mit
Fälle kann man Einlagen durch. „Der Grund dafür ist meis-
tens Scham, von allein outen sich die meis-
heilen.“ ten Betroffenen beim Arzt nicht.“ Viele
Illustration: AlonzoDesign/getty images

fen – das sind mehr als von Bluthochdruck
und Diabetes zusammen.“ Zwei Formen der
Blasenschwäche sind dabei am häufigsten:
Erstens die „Belastungsinkontinenz“, bei
der der Schließmuskel am Blasenausgang
versagt, wenn sich beim Husten, Lachen,
Niesen oder Heben schwerer Gegenstände
der Druck im Bauchraum erhöht. Und zwei-
tens die „Dranginkontinenz“, bei der das
Daniela Schultz-Lampel
Direktorin des Kontinenzzentrums
Südwest in Donaueschingen
Hausärzte wiederum sprechen Patienten
ungern darauf an, weil das eine aufwendi-
ge Anamnese nach sich ziehe, erzählt die
Fachärztin für Urologie. „Dabei kann man
eigentlich fast immer was machen und es
ist auch meistens nicht zu spät. Das Wich-
tigste ist, erst mal die Ursachen einer In-
kontinenz zu erkennen und dann gezielt zu
behandeln.“

64 Magazin 1·2024
 LEBEN Schwache Blase

Magazin 1·2024 65
 LEBEN Schwache Blase
Was sind die Ursachen?
Da muss man unterscheiden. Hinter der
Belastungsinkontinenz steckt häufig ein
lädierter Beckenboden. Der Beckenboden
ist eine Schicht aus Muskeln und Binde-
gewebe, die wie eine Schüssel als untere
Begrenzung des Beckens verläuft. Ist der
Beckenboden geschwächt, beeinträchtigt
das auch die Funktion des angrenzenden
Blasen-Schließmuskels. Das erklärt, war-
um die Belastungsinkontinenz häufiger
Frauen trifft: Gerade bei den jüngeren,
deren Beckenboden durch Schwanger-
schaften und Entbindungen mitgenommen
ist, macht die Belastungsinkontinenz mehr
als die Hälfte aller Fälle aus, bei Männern
nur 10 Prozent. Mit zunehmendem Alter
wird die Dranginkontinenz jedoch bei bei-
den Geschlechtern die vorherrschende
Form. Bei ihr kann die Blase weniger spei-
chern als zuvor und meldet früher ans Ge-
hirn, dass sie voll ist. Eine häufige Ursache
dafür sind Abbauprozesse im Gehirn, in
deren Folge die Übermittlung von Signalen
schlechter funktioniert.
Wer ist von der
Blasenschwäche betroffen?
Schon junge Menschen können unter In-
kontinenz leiden. Deren Verbreitung steigt
mit zunehmendem Alter jedoch rapide an.
Und: Quer durch alle Altersgruppen leiden
deutlich mehr Frauen unter unfreiwilligem
Harnverlust. Der Unterschied zwischen den
Geschlechtern nivelliert sich mit zuneh-
mendem Alter jedoch, ohne je ganz zu ver-
schwinden. Sind einer Befragung des Ro-
bert Koch-Instituts (RKI) zufolge in der
Gruppe der 40- bis 49-Jährigen noch zehn
Prozent der Frauen und nur drei Prozent
der Männer von unfreiwilligem Harnver-
lust betroffen, steigt der Anteil bei den
70- bis 79-jährigen Frauen auf 30 Prozent
und liegt bei den gleichaltrigen Männern
immerhin schon bei fast 25 Prozent.
Tröpfeln nach der Entbindung – was tun?
Kinderkriegen belastet die Blase gleich auf
mehrfache Weise. Während der Schwan-
gerschaft drückt das Gewicht des Kindes
auf den Beckenboden, dessen Bindegewebe
infolge der veränderten Hormonsituation
ohnehin leichter nachgibt. Unter der Ge-
burt selbst muss er dann eine enorme Deh-
66
nungsleistung erbringen, damit der Kopf
des Kindes durch eine seiner Öffnungen
hindurchpasst. Ganz wichtig deshalb nach
einer Entbindung: Den Beckenboden durch
gezielte Übungen wieder zu trainieren.
Viele Frauen lernen solche Übungen im
Rahmen eines Rückbildungskurses oder
durch ihre Hebamme. Wer einmal verstan-
den hat, welche Muskeln genau sie wie an-
spannen muss, kann dann auch per App
„Man kann
eigentlich fast
immer was
machen und
es ist auch
meistens nicht
zu spät.“
Daniela Schultz-Lampel
auf eigene Faust weiter trainieren. Zum
Teil erholt sich der Beckenboden nach einer
Entbindung übrigens von selbst wieder.
Allerdings sollten sich Frauen bei der heu-
tigen Lebenserwartung nicht allein auf
diese natürliche Regenerationsfähigkeit
verlassen, warnt Expertin Schultz-Lampel:
„Frauen, die sich nie um ihre Beckenboden-
Probleme gekümmert haben, werden teils
noch Jahre nach der Entbindung inkonti-
nent.“
Nehmen Blasenprobleme in
den Wechseljahren zu?
Ja. Leidet noch mit Anfang 40 nur knapp
jede zehnte Frau an unfreiwilligem Harn-
verlust, ist es nach Ende der Wechseljahre
schon etwa jede vierte, so besagen Zahlen
des RKI. Grund ist die drastische Reduktion
des Östrogen-Spiegels mit Beginn der Me-
nopause: Durch den Verlust des Hormons
wird der untere Teil der Harnröhre schlech-
ter durchblutet, Blasenentzündungen neh-
men ebenso zu wie das Gefühl, ständig zur
Toilette zu müssen. Bei Frauen, die seit
ihrer Entbindung an einer Belastungsinkon-
tinenz leiden, kommen in diesem Fall noch
Symptome einer Dranginkontinenz oben-
drauf – und die „Mischinkontinenz“ ist
perfekt. „Gegen die hormonell bedingte
Drangblase kann man aber ganz gut ange-
hen durch eine lokale Hormonersatzthera-
pie“, empfiehlt Schultz-Lampel. Bei dieser
landen die Östrogene per Creme oder Zäpf-
chen direkt an Ort und Stelle, also im Uro-
genitalbereich. „Das wirkt gegen Drang-
symptome besser als eine systemische
Hormonersatztherapie und ist auch mit
weniger Nebenwirkungen verbunden.“
Und was ist mit den Männern?
Blasenschwäche trifft Männer weitaus sel-
tener als Frauen – was hauptsächlich daran
liegt, dass sie keine Kinder bekommen. Drei
von vier Menschen mit Blasenproblemen
sind weiblich. Aber verschont sind Männer
von Inkontinenz bei Weitem nicht: Ab 70 ist
bereits fast jeder vierte Mann betroffen. Am
häufigsten von der Dranginkontinenz mit
einer überaktiven Blase, die häufig durch
eine gutartige Vergrößerung der Prostata
mitverursacht ist. Inkontinenz-Fälle, die als
Folge einer Prostata-Operation auftreten,
sind durch die neuen Operationsmethoden
hingegen seltener geworden, berichtet die
Expertin.
Ab wann sollte ich zum Arzt?
Illustration: Taras Dubov/getty images
Eigentlich dann wenn die Sache zu stören
beginnt. Wer ab und zu beim heftigen Nie-
sen mal einen Tropfen Urin verliert, muss
sich noch keine Sorgen machen. Wenn das
jedoch jede Woche passiert, sollte man über
einen Arztbesuch nachdenken. „Letztend-
lich geht es aber darum, ob jemand einen
individuellen Leidensdruck verspürt und
Magazin 1·2024
 Anzeige
sich im Alltag stark eingeschränkt fühlt“,
sagt Urologin Schultz-Lampel. Wenn je-
mand in der Stadt sämtliche öffentliche
Toiletten kennt und seine Einkaufsroute
danach organisiert, ist das zum Beispiel ein
deutliches Zeichen. Faustregel für die Häu-
figkeit der Toilettengänge: Achtmal pro Tag
pinkeln und zweimal pro Nacht gelten noch
als normal. Alles was drüber liegt bezeich-
nen Mediziner als überaktive Blase. Sie
muss nicht mit unfreiwilligem Harnverlust
verbunden sein, kann es aber.

Wo bekomme ich Hilfe?

Es gibt viele mögliche Anlaufstellen für Pro-
bleme mit der Blase: Die Hausärztin, der
Gynäkologe, die Urologin – sie alle können
helfen oder die richtige Behandlung ein-
leiten. Hinzu kommt ein deutschlandweites
Netz interdisziplinär aufgestellter Konti-
nenz- und Beckenbodenzentren, deren Zer-
tifizierung durch die Deutsche Kontinenz
Gesellschaft erfolgt. Auf kontinenz-gesell-
schaft.de finden Betroffene und Angehöri-
ge Adressen solcher Zentren sowie von an-
erkannten Beratungsstellen in ihrer Nähe.

Was kann ich selbst gegen MenoFree®

Blasenschwäche tun?
Ist ein geschwächter Beckenboden das Pro-
blem, lässt sich relativ einfach durch geziel-
te Übungen gegensteuern, siehe oben. Auch
moderate Sportarten wie Schwimmen, Ra-
deln, Pilates oder Yoga kräftigen den Be-
ckenboden. Sportarten wie Trampolinhüp-
fen, Joggen, Volleyball oder Tennis sind
dagegen kontraproduktiv. Auch Überge-
wicht und häufige Verstopfung gehören zu
den Risikofaktoren für Harninkontinenz:
Regelmäßige Bewegung und eine gesunde,
ballaststoffreiche Ernährung sind somit
wichtige Maßnahmen zur Vorbeugung. Eine
beginnende Dranginkontinenz kann durch
ein paar Verhaltensregeln gemildert wer-
den: Dazu gehört, Kaffee und kohlensäure-
haltige Getränke nur in Maßen zu trinken
und nicht den Fehler zu begehen, schon bei
den kleinsten Anzeichen von Harndrang
eine Toilette aufzusuchen. „Man kann sich
die Blase auch klein trainieren“, sagt die
Expertin. Besser sei es, den nächsten Toi-
lettengang etwas hinauszuzögern – nicht
zu oft, aber auch nicht zu selten pinkeln zu
gehen. Eben bis zu acht Mal am Tag.
Natürlich harmonisch durch die
Wechseljahre
So unterschiedlich der Hormonhaushalt von Frauen in
der ersten Lebenshälfte ist, so individuell präsentieren
sich auch die Wechseljahre. Manche Frauen spüren die
Veränderungen deutlich, manche bemerken sie kaum.
MenoFree® ist ein rein pflanzliches Nahrungsergänzungs-
mittel für Frauen in den Wechseljahren. Es kombiniert
Yamswurzelpulver mit natürlichen B-Vitaminen.
Ich liebe meine neue Freiheit!
1
Vitamin B6 trägt zur Regulierung der Hormontätigkeit bei
2
Vitamin B2 und Biotin tragen zur Erhaltung normaler Haut
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Vitamin B2, B6 und B12 tragen zur Verringerung von Müdigkeit
und Ermüdung, einem normalen Energiestoffwechsel und einer
normalen Funktion des Nervensystems bei
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psychischen Funktion bei
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Magazin 1·2024
 LEBEN Kurz & klar
Kurz
&
klar
AUFWIND FÜR
FORDERUNGEN NACH EINER
ZUCKERSTEUER
Die Besteuerung zuckergesüßter Getränke
kann in Deutschland bei Erwachsenen den
täglichen Zuckerkonsum reduzieren, Er-
krankungen wie Adipositas oder Typ-
2-Diabetes vorbeugen, zu einer Entlas-
tung des Gesundheitssystems beitragen
und damit Kosten sparen. Zu diesem Er-
gebnis kommt eine Studie von Forschen-
den der Technischen Universität Mün- Die Zahl
631
chen. Die Wissenschaftler spielten darin
zwei Versteuerungsszenarien durch. Ein-
mal wurde angenommen, die Softdrinks
selbst würden mit zwanzig Prozent mehr
besteuert, was die Nachfrage senken und
Einsparungen im Sozial- und Gesund-
heitswesen von etwa 9,6 Milliarden Euro
bringen könnte. Die zweite Variante geht
Masthühner wurden 2022
von einer gestaffelten Besteuerung aus.
in Deutschland geschlachtet.
Diese könnte Hersteller veranlassen, Zu-
Das sind 84 Prozent aller
ckergehalte zu senken. Das würde rund
geschlachteten Landtiere
244.000 Typ-2-Diabetes-Fälle verhindern
und bis zu 16 Milliarden Euro einsparen.
Auch die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) empfiehlt eine Zuckersteuer, die es
bereits in über 100 Ländern weltweit gibt.
Ein Problem könnte jedoch sein, dass Her-
steller mehr künstliche Süßstoffe einset-
zen, wovon einige bedenklich sind. So
stufte die WHO erst im Sommer Aspartam
als „möglicherweise krebserregend“ ein.
Quelle: Albert Schweitzer Stiftung
68
BfR rät von Vitamin-D-
Supplementierung ab
Vitamin D ist wichtig für die Entwicklung
und den Erhalt gesunder Knochen, stärkt
die Muskeln und trägt zu einem funktionie-
renden Immunsystem bei. Deshalb ist es
wichtig, genug Vitamin D aufzunehmen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung
(BfR) hat das Vitamin, das die Haut bei Kon-
takt mit Sonnenlicht gut selbst bilden kann,
neu bewertet. Demzufolge könne die benö-
tigte Vitamin-D-Menge im Frühling und
Sommer zu 80 bis 90 Prozent erreicht wer-
den, nicht jedoch im Herbst und Winter.
Allerdings kann der Körper Vitamin D ein-
lagern und später freisetzen. Ein Grund,
warum das BfR von einer pauschalen
Vitamin-D-Supplementierung abrät.
Millionen Multiresistente Keime
durch Abwässer?
Illustrationen: KaanC/getty images; noun project
Wenn mit Antibiotika verunreinigte Ab-
wässer in die Umwelt gelangen, fördert das
die Entstehung multiresistenter Keime, die
hierzulande.
wiederum gefährlich für die menschliche
Gesundheit sind. Eine vom Umweltbundes-
amt unterstütz te Studie von AOK und dem
Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasser-
forschung über die Belastungen der Produk-
tionsabwässer von Herstellern in zehn
Ländern fand heraus: 40 Prozent der Betrie-
be überschreiten zugesicherte Höchstkon-
zentrationen von Antibiotika im Abwasser.
Foto: Sea Wave/Shutterstock
Das Umweltbundesamt warnt daher vor
massiven gesundheitlichen wie finanziellen
Auswirkungen und fordert, die Produktions-
bedingungen weltweit besser zu kontrollie-
ren, da sich antibiotikaresistente Keime nicht
von Landesgrenzen aufhalten ließen.
Magazin 1·2024
 LEBEN Sonne

WACHSEN KINDER • FAMILIE • PARTNERSCHAFT

Illustration: IrDesign90/Shutterstock

70 Grünes neues Jahr: Acht gute Vorsätze für mehr Nachhaltigkeit

76 Buchtipps: Mit Kindern über Klimakrise, Umweltschutz und Artenvielfalt reden
82 Kurz & klar

69 69
Magazin 06·2019
 WACHSEN Grüne Vorsätze

Grünes
neues Jahr!
Endlich abnehmen, endlich nicht mehr rauchen?
Auch gute Vorsätze. Wir wollen nächstes Jahr
aber der Umwelt etwas Gutes tun – mit diesen
acht grünen Vorsätzen für Familien.
TEXT: THERESA HORBACH

1
DEN KINDERGEBURTSTAG
NACHHALTIG(ER) FEIERN
Becher, Strohhalme und Besteck aus Plastik
sind nicht besonders umweltfreundlich.
Daher ist ihr Verkauf in der EU seit gut zwei
Jahren verboten. Doch auch ohne diese
Wegwerfprodukte, die oft im Meer landen,
wird der Kindergeburtstag schnell zur Müll-
schlacht. Das geht schon bei der Deko los:
Kinder lieben Luftballons, doch deren Le-
bensdauer ist kurz. Das Start-up „Reloons“
schätzt, dass jedes Jahr 15 bis 30 Milliarden
Luftballons aufgepustet werden – um kurze
Zeit später im Müll zu landen. Daher hat das
Kölner Unternehmen ein wiederverwend-
bares Modell aus Naturkautschuk entwi-
ckelt. Laut Hersteller kann man den „Re-
loon“ bis zu 15-mal wiederverwenden. Auch
die restliche Deko lässt sich umweltfreund-
lich gestalten: Konfetti gibt es zum Beispiel
tungspapier als Verpackung auch. Wenn Sie
den Gästen eine Kleinigkeit mit nach Hause
geben wollen, bietet es sich an, gemeinsam
zu werkeln: Samenbomben formen, Insek-
tenhotels basteln, Vogelhäuschen bemalen,
Papier schöpfen oder Getränkekartons in
Geldbeutel verwandeln. Ganz nebenbei ler-
nen die Kinder so, dass aus Abfall etwas
Neues werden kann. Wenn Sie den Tag
draußen verbringen, können die Gäste auch
Schneckenhäuser, Steine, Blätter oder Stö-
cke sammeln. Ein Geburtstag in der Natur
ist ohnehin viel nachhaltiger als ein Ausflug
in den Freizeitpark oder zum Indoor-Spiel-
platz. Erkunden Sie stattdessen den Wald,
einen Park oder einen Gemeinschaftsgar-
ten. Hier kann sich jedes Kind in seinem
eigenen Tempo ausprobieren. Sie können
Illustration: sotisare/Shutterstock

aus Samenpapier, aus dem bunte Wildblu-
men wachsen. Oft bietet sich zudem Upcyc-
ling an: Eine Wimpelkette kann man aus
Stoffresten zusammentackern, Luftschlan-
gen aus Altpapier ausschneiden.
Am besten schreiben Sie schon in die
Einladung, dass Second-Hand-Geschenke
ausdrücklich erwünscht sind – und Zei-
gemeinsam ein Waldtipi aus Ästen bauen,
im Bach plantschen, Ameisen beobachten,
einen Barfußpfad anlegen (mit ordentlich
Matsch!), Feuer machen, Wildkräuter sam-
meln oder Spuren lesen. Sie trauen sich das
alleine nicht zu? Viele Erlebnis- und Wild-
nispädagogen bieten ein Programm für
Kindergeburtstage an.

70 Magazin 1·2024
 WACHSEN Grüne Vorsätze

Magazin 1·2024 71
 WACHSEN Grüne Vorsätze
2 3
EINER SOLAWI BEITRETEN
Fast ein Drittel der weltweiten Treibhaus-
gasemissionen gehen auf unsere Ernährung
zurück. Das schätzt das Intergovernmental
Panel on Climate Change (IPCC). Eine Mög-
lichkeit, die CO₂-Bilanz unserer Lebensmit-
tel zu verbessern, ist saisonale Ware aus der
Region. Laut Institut für Energie- und Um-
weltforschung Heidelberg verursachen To-
maten aus einem beheizten Gewächshaus
zum Beispiel zehnmal so viele Treibhaus-
gase wie Tomaten, die nur durch die Kraft
der Sonne reifen.
Aber welches Gemüse hat eigentlich ge-
rade Saison? Und kommen die Lebensmittel
im Supermarkt wirklich aus der Gegend?
Wer Mitglied in einer Solidarischen Land-
wirtschaft (kurz: Solawi) ist, muss sich die-
se Fragen nicht stellen. Statt einzelner Le-
bensmittel finanzieren die Solawi-Mitglieder
72
die komplette Produktion eines landwirt-
schaftlichen Betriebs oder einer Gärtnerei
vor ihrer Haustür. Sie garantieren, dass sie
die Ernte gegen einen festen Betrag abneh-
men werden. So können die Produzenten
besser planen – und die Abnehmer ihrem
Gemüse beim Wachsen zusehen.
Das Netzwerk Solidarische Landwirt-
schaft listet über 400 Solawis in Deutsch-
land. In der Regel wirtschaften sie öko-
logisch. Manche organisieren sich als
Verein, andere als Genossenschaft oder
man schließt eine Art Abo ab – ähnlich
wie bei einer Gemüsekiste. Toll für Fami-
lien mit schmalem Budget: Bei einigen
Solawis entscheidet jeder Haushalt selbst,
wie viel Geld er für seinen Ernteanteil
zahlen will. Die meisten Solawis freuen
sich außerdem über Unterstützung beim
Ernten, Gießen oder Jäten. So können Kin-
der hautnah miterleben, woher ihr Essen
kommt. Beim Abholen der Ernte oder beim
Anpacktag sehen sie krumme Gurken,
Möhren mit zwei Beinen und vielleicht
sogar einen Kartoffelkäfer. Wenn Sie noch
mehr selbst ackern wollen, können Sie an
vielen Orten in Deutschland auch einen
Selbsterntegarten mieten, den Sie im
Frühjahr bepflanzt übernehmen. Über den
Sommer pflegen Sie die Parzelle und holen
die Ernte ein. Die Vorbereitung für das
nächste Jahr übernehmen dann wieder die
Profis.
REPARIEREN LERNEN
In jedem Strampler, jedem elektronischen
Gerät und jedem Fahrradschlauch steckt
Energie: Rohstoffe wurden abgebaut und
verarbeitet, das Produkt verpackt und
transportiert und irgendwann muss es ent-
sorgt werden. Je länger wir etwas nutzen,
umso mehr lohnt sich dieser Aufwand –
und umso weniger Treibhausgase werden
durch die Herstellung eines neuen Pro-
dukts freigesetzt. Geht ein Elektrogerät
Illustrationen: Gvardgraph/Shutterstock; Keena Design/Shutterstock
kaputt, entscheiden sich laut einer Umfra-
ge des Versicherers „Wertgarantie“ jedoch
nur zwei von zehn Personen für eine Repa-
ratur – weil sie ihnen zum Beispiel zu teu-
er erscheint oder weil sie sich nicht trauen,
selbst Hand anzulegen.
Doch Reparieren kann man lernen: Laut
Verbraucherzentrale gibt es in Deutschland
über 1.000 Repair-Cafés. Dort zeigen ver-
sierte Hobbyhandwerker unbedarften
Laien, wie sie Toaster aufschrauben, So-
cken stopfen oder die Bremsblöcke am
Fahrrad tauschen können. Viele Volks-
hochschulen bieten Kurse im Nähen, Fli-
cken und Stopfen an. Gerade in Uni-Städ-
ten gibt es oft Selbsthilfewerkstätten für
Magazin 1·2024

Probleme rund ums Fahrrad. Oder Sie fra-
gen Verwandte und Bekannte, ob sie wei-
terhelfen können.
Gut möglich, dass die Reparatur nicht
sofort klappt, der Pulli nach dem Stopfen
nicht mehr so aussieht wie vorher oder der
erste Flicken auf dem Fahrradschlauch
nicht hält. Wie bei allen Vorsätzen gilt hier:
nicht aufgeben, durchatmen und die Ziele
runterschrauben. Dass man sich überhaupt
an ein kaputtes Stück herantraut anstatt
es wegzuwerfen ist ein Erfolg – und eine
Einstellung, die man schon Kindern ver-
mitteln kann.
4 im Bus achten müssen, ob sie sich auf dem
ALTERNATIVEN
ZUM AUTO
AUSPROBIEREN
Das eigene Auto abzuschaffen können sich
viele Familien nur schwer vorstellen. Da-
bei wäre gerade hier ein Umdenken nötig:
Magazin 1·2024
Anzeige
Wärmezoo
Der Verkehr ist der einzige Sektor in
Deutschland, in dem die Treibhausgas- Jetzt wird‘s
emissionen in den vergangenen Jahrzehn-
ten nicht gesunken sind. Aber wohin mit
tierisch warm!
all dem Gepäck und dem wöchentlichen
Großeinkauf? Und wie kriegt man die Kin-
der bei Regen aufs Rad? Um sich langsam
an einen autofreien Alltag heranzutasten,
kann es helfen, mögliche Alternativen
schrittweise auszuprobieren. Verzichten
Sie zum Beispiel zwei Wochen aufs Auto
und finden heraus, ob sich der Weg zur
Schule, zum Sport und zu den besten
Freundinnen und Freunden auch mit öf-
fentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelli-
gen lässt. Besprechen Sie mit Ihren Kin-
dern, worauf sie in der Straßenbahn oder
Fahrrad sicher fühlen – und suchen Sie
gegebenenfalls andere Wege. Oder leihen Mit Traubenkernen gefüllte
Sie ein Lastenfahrrad aus und testen, ob Wärmekissen zur Erwärmung in
das etwas für Sie ist. Viele Bikesharing-
Anbieter haben mittlerweile Lastenräder
der Mikrowelle oder im Backofen
im Fuhrpark. Manchmal können Sie auch Sind kleine Tröster bei Beschwer-
eins über den Allgemeinen Deutschen den wie Bauchschmerzen/-
Fahrrad-Club (ADFC) leihen. krämpfen, Erkältungen oder
einfach nur zum Kuscheln!
www.gruenspecht.de
 WACHSEN Grüne Vorsätze

6
KINDERSACHEN MIETEN
Gute Kinderkleider sind teuer und passen
meist nur kurz. Doch jeder Body, Strampler
und Pulli verursacht CO₂. Je nach Schätzung
ist die Textilbranche für fünf bis zehn Pro-
zent der weltweiten Treibhausgasemissio-
nen verantwortlich. Gebrauchte Kleidung
schont nicht nur den Geldbeutel, sondern
auch das Klima. Nicht jede Familie hat al-
lerdings das Glück aus dem Bekanntenkreis
etwas zu erben – oder die Zeit, Flohmärkte
5 und Kleinanzeigen nach passenden Stücken
zu durchforsten. Eine bequeme Alternative
DEN GARTEN sind gewerbliche Anbieter, bei denen man

UMGESTALTEN Kleider mieten kann – und zwar oft zu nied-

Bei der Gartenplanung legen viele Familien
Wert auf Platz – ob fürs Trampolin, die
Schaukel, den Sandkasten, den Grill oder
zum Bolzen. Meist heißt das: viel Rasen,
wenige Bäume, Gehölze, Beete, Blühpflan-
zen oder gar Trockenmauern. Dabei
braucht es manchmal gar nicht viel, damit
sich heimische Tiere im Garten wohlfüh-
len. Beispiel Mähen: Wählen Sie ein Stück
Rasen aus, das Sie entbehren können. Mä-
hen Sie dort nur zwei- bis dreimal im Jahr
und lassen Sie das Gras dabei mindestens
fünf Zentimeter hoch stehen. Nach und
nach verwandelt sich der Rasen so in eine
Wildblumenwiese – mit ordentlich Futter
und Verstecken für Wildbienen, Schmet-
terlinge und Co. Im Sommer wird der Be-
reich ganz nebenbei zum Paradies für klei-
ne Entdecker.
Ebenfalls mit wenig Aufwand umzuset-
rigen Preisen. Für ein Langarmshirt aus
Wolle-Seide, das neu um die 25 Euro kostet,
zahlt man bei „Räubersachen“ zum Beispiel
zwischen 3,40 und 4,90 Euro im Monat. Der
Preis variiert je nach Zustand. Passt das
Stück nicht mehr, schickt man es zurück. Es
wird gereinigt, ausgebessert und wieder
verliehen.
Auch Stoffwindeln, Tragejacken, Kinder-
wägen, Federwiegen, Reisebetten, Autosit-
ze, Laufräder, Spielsachen und vieles mehr
kann man mittlerweile mieten. Besser für
die Umwelt ist das allerdings nur, wenn die
Anbieter die Artikel lange im Sortiment be-
halten – und nur das bestellt wird, was man
wirklich braucht. Denn auch der Transport
verbraucht Ressourcen.
7 „ökologischer Handabdruck“ bekannt ge-

Illustrationen: TopVectors/getty images; jenny on the moon/Shutterstock

zen: Tränken für Vögel und Bienen auf-
stellen und einen Nistkasten, ein Insekten-
hotel oder ein Futterhaus für Eichhörnchen
aufhängen. Dort lässt sich die heimische
Tierwelt ebenfalls gut beobachten. Anlei-
tungen zum Selbstbauen gibt es zum Bei-
spiel bei den Umweltverbänden NABU und
BUND. Auch hier gilt: Die Natur zu schüt-
zen muss nicht viel Arbeit machen. Ein
Haufen aus Laub, Reisig oder Steinen reicht
vielen Tieren als Rückzugsort.
Wer keinen eigenen Garten hat, kann
der Natur übrigens trotzdem auf die Sprün-
ge helfen: Bienenfreundliche Pflanzen ge-
deihen genauso gut in Kübeln auf dem
Balkon oder vor der Haustür.
SICH IN DER SCHULE,
DER KITA UND IM VEREIN
FÜR MEHR NACHHALTIG-
KEIT EINSETZEN
Wir können unseren Alltag noch so sehr
verändern: Nur noch im Unverpacktladen
einkaufen, das Auto abschaffen und vegan
essen. Der Einfluss, den unser individuelles
Handeln aufs Klima hat, ist beschränkt. Un-
abhängig von unserem ökologischen Fuß-
abdruck kann sich unser Verhalten jedoch
positiv auswirken – wenn wir andere damit
zum Umdenken anregen. Die Idee, dass wir
so zu mehr Klimaschutz beitragen, ist als
worden. Die meisten Familien haben stän-
dig Kontakt zu anderen: Die Kinder gehen
morgens in die Kita oder die Schule und
mittags in den Verein, die Musikschule oder
die Jugendgruppe. Dort können Sie einiges
bewirken: Brennen die Strahler auf dem
Sportplatz mit Öko-Strom? Bei welcher
Bank hat Ihr Verein sein Konto? Kommen
beim Schulfest auch vegane Würstchen auf
den Grill? Und könnte Ihre Kirchengemein-
de nicht einen „Fairteiler“ für gerettete Le-
bensmittel betreuen? Solche und ähnliche
Aktionen verbessern nicht nur die CO₂-
Bilanz Ihrer Organisation, sondern können
andere Familien, Mitglieder und Gäste zum
Nachahmen anregen.

74 Magazin 1·2024

8
SICH POLITISCH ENGAGIEREN
Ob Klimakrise, Mikroplastik oder Arten-
sterben: Über viele Probleme unserer Zeit
(und mögliche Lösungen) entscheidet
maßgeblich die Politik. Unsere Demokra-
tie bietet viele Möglichkeiten, an politi-
schen Entscheidungen mitzuwirken – aber
die wollen gelernt sein. Wie meldet man
eine Demo an? Was ist der Unterschied
zwischen Bürgerinitiative und Bürgerbe-
gehren? Was entscheidet der Gemeinde-
rat? Wer sich im politischen System aus-
kennt, kann sich leichter einbringen – und
fühlt sich angesichts von Krisen und Ka-
tastrophen womöglich weniger hilflos.
Dabei muss es nicht immer der große
Klimastreik sein: Weniger Kohle, bessere
Fahrradwege und mehr Solaranlagen auf
Magazin 1
·2024
den Dächern – all das haben in Deutsch-
land bereits lokale Initiativen bewirkt. Auf
klimawende.org haben sich deshalb ver-
schiedene Organisationen zusammenge-
schlossen, um die Klimapolitik mittels
direkter Demokratie voranzubringen. Das
Bündnis unterstützt Menschen, die sich
in ihren Städten und Gemeinden für mehr
Klimaschutz einsetzen. Eine Karte zeigt,
welche Initiativen es bereits gibt. Einige
von ihnen denken Kinder explizit mit. So
zum Beispiel viele Radentscheide, also
Bürgerbegehren für eine bessere Fahrrad-
infrastruktur, die oft auch dem Aktions-
bündnis „Kiddical Mass“ angehören. Das
Bündnis setzt sich für einen kinder-
freundlichen Straßenverkehr ein und or-
WACHSEN Grüne Vorsätze
ganisiert regelmäßig Fahrraddemos für
die ganze Familie.
In einigen Städten und Gemeinden, vor
allem in Baden-Württemberg, gibt es
außerdem sogenannte Jugendgemeinde-
räte. Sie vertreten die Interessen der Ju-
gendlichen gegenüber der Stadt. Mitma-
chen darf man meist ab 14 Jahren. Aber
auch jüngere Kinder können die Lokal-
politik kennenlernen: Überlegen Sie ge-
meinsam, was Ihre Kinder in Sachen Kli-
maschutz vor Ort interessiert – und
bringen Sie Ihre Fragen zusammen zum
Bürgermeister, der Landtagsabgeordneten
oder in den Stadtrat. Vielleicht stößt das
sogar die eine oder andere Veränderung
in Ihrer Gemeinde an.
75
 WACHSEN Mit Kindern übers Klima sprechen

BUCHTIPPS

Klartext
Klimakrise Mit dem Nachwuchs über
Erderwärmung, Artensterben oder
Umweltverschmutzung zu sprechen
fordert Eltern ganz schön heraus.
Wir haben Buch- und Hörtipps zu-
sammengestellt, die sich super als
Einstieg in lebhafte Diskussionen und
kreatives Miteinander eignen.
TEXT: ANNETTE DOHRMANN

AB 3 JA HR E

WAS NACH DER WELLE KOMMT

M
ama, Papa – was bedeutet Klimakrise? Was haben
rülpsende Kühe damit zu tun? Und warum ist es
schlimm, dass es auf der Erde immer heißer wird?
Geht das auch wieder weg? Bei Fragen wie diesen geraten
auch Eltern ordentlich ins Schwitzen. Klar ist, schon die ganz
Kleinen bekommen mit, dass es alles andere als gut um un-
sere (Um-)Welt und das Klima steht. Und natürlich versuchen
Eltern ihr Bestes, um mit ihren Kindern über dieses drän-
gende, komplexe Thema zu sprechen. Ohne zu beschönigen,
aber auch ohne Panikmache.
Zugegeben, dieser Spagat ist anspruchsvoll. Aber gerade
in den vergangenen Jahren sind etliche Bücher und Podcasts
erschienen, die Themen wie Umweltschutz, Artenvielfalt und
Klimakrise altersgerecht aufgreifen. Mal nüchtern und fak-
tenorientiert, mal poetisch, lustig oder aberwitzig – doch
niemals trivial und immer Mut machend und voller Zuver-
sicht, selbst etwas ändern zu können. Hier eine Auswahl, die
Eltern gemeinsam mit ihren Kindern anschauen, (vor-)lesen
und anhören können.
Ein selten schöner Axolotl lebt auf dem Grund eines Sees mit-
ten in einer großen Stadt. Obwohl er der vielleicht Letzte sei-
ner Art ist, hat er ein lustiges Leben – geht in die Unterwasser-
schule, tanzt mit seinen Tigersalamander-Freunden und
sammelt Schätze, die die zweibeinigen Plumpiane an Land ins
Wasser werfen. Doch die Welt wird heißer und das Wasser im-
mer trüber, und irgendwann ist der kleine Schwanzlurch ganz
allein im See, der nach Ruß schmeckt und ihm rote Pusteln be-
schert. Eines Tages wirbelt eine riesige Welle das Leben des
Axolotls durcheinander – eine Katastrophe mit überraschen-
den Folgen. So wie in diesem heiteren und doch eindringlichen
Buch mit seinem liebenswer-
ten Helden wurde die Klima-
krise wohl noch nie erzählt.
Linda Bondestam:
Mein Leben als einsamer Axo-
lotl – unten am Grund | Limbi-
on Books 2023 | 48 Seiten |
19 Euro.

76 Magazin 1·2024

AB 4 JA HR E
ZUSAMMEN GANZ STARK
Früher trank der Eisbär heißen Tee, um sich auf seiner Eis-
scholle aufzuwärmen. Doch inzwischen schwitzt er ständig und
hockt zum Abkühlen an der Heißbär-Bar. Denn dort, wo er lebt,
ist es viel zu heiß geworden: „Ist das der Nordpol oder etwa Ha-
waii“, fragt er den Barchef, Herrn Hai. Zusammen machen sich
die beiden auf den Weg, um alle zu warnen, dass sich die Erde zu
sehr erwärmt. Und dass jeder selbst etwas dazu beitragen
kann, um die Welt zu retten. Ein so heißes Thema wie die Klima-
krise schon für die ganz Kleinen anschaulich und begreifbar zu
machen und trotzdem viel Hoffnung zu vermitteln, ist das große
Verdienst dieses fantastischen Bilderbuchs von Sänger
und Autor Alex Fischer, das gerade für
den Selfpublishing-Buchpreis als bestes
Kinderbuch 2023/24 nominiert wurde.
Die witzig-liebevollen Illustrationen von
Maryna Skyba – plus Plakat mit Ener-
giespartipps – machen den Lesespaß
perfekt.
Axel Fischer: Der Heissbär | heissbär.
com | 2023 | 40 Seiten | 16 Euro.
AB 5 JA HR E
BADESTRAND UND BOHRINSEL
Fragt der Junge auf dem gelben Schwimmreifen: „Sind wir
hier im Meer oder im Ozean?“ „Keene Ahnung, wunderschön
ist es in jedem Fall!“, erwidert das neben ihm planschende
Mädchen. Antworten auf alle Fragen rund um das Wasser, das
die Erde zum blauen Planeten macht, um Gezeiten, Wetter,
Meerespflanzen und -tiere und die Ozeane als Rohstoffquelle
gibt dieses klug komponierte Sachbuch – verständlich erklärt
und feinsinnig illustriert. Es zeigt neben den schönen Seiten
des Meeres auch, was passiert, wenn der Mensch in das
Gleichgewicht dieses Öko-Systems
Illustrationen: yusufdemirci/Shutterstock
eingreift und welche Folgen das auch
fürs Klima hat. Trotz des ruhigen
Grundrauschens, das den Sound und
die Optik des Buches prägt, wird deut-
lich, was wir verlieren wenn wir nicht
gegensteuern.
Kristina Scharmacher-Schreiber:
Wir Menschen und das Meer | Beltz &
Gelberg 2023 | 78 Seiten | 16 Euro.
Magazin 1·2024
WACHSEN Mit Kindern übers Klima sprechen
AB 4 JA HR E
AB ZUM MARS? VIEL ZU KALT!
Auf der Venus ist es viel zu heiß. Auf dem Mars dagegen viel
zu kalt. Und die Erde? Die ist genau richtig für uns Menschen.
Warum sie so lebenswert ist und was sie so besonders macht
– dazu kommt die Erde in diesem liebevoll illustrierten Bilder-
buch selbst zu Wort. Sie erklärt auch, warum der Klimawandel
sie ins Schwitzen bringt und dass es gar nicht so schwer ist,
etwas für die Zukunft des Planeten zu tun, der unser Zuhause
ist. Dass es besser ist, Dinge zu teilen, Gebrauchtes zu recyceln
und alte Sachen zu reparieren statt sie wegzuwerfen – das ver-
steht eigentlich jedes Kind.
Stacy McAnulty &
David Litchfield:
Planet Erde – Ich bin dein
Zuhause! | Gabriel 2023 |
40 Seiten | 15 Euro.
AB 5 JA HR E
WELTRETTER SPAREN WASSER
Zum Zähneputzen, Trinken, Hände und Wäsche waschen,
Blumen gießen: Für alles brauchen wir Wasser. Ohne die
wertvollste Ressource der Erde könnten weder Menschen
noch Tiere und Pflanzen existieren. Deshalb ist es so wichtig,
sparsam mit Wasser umzugehen und es zu schützen. Wie
das am besten geht, lernen kleine Leserinnen und Leser mit
diesem spannenden interaktiven Buch. Wenn sie am „Rad der
Möglichkeiten“ drehen, können sie die Lösung für ein Problem
finden und bestimmen damit selbst über den Fortgang der
Geschichte. Erfrischend, wie der pädagogische Ansatz spiele-
risch verpackt wird. In dieser Reihe
ebenfalls erschienen:
„Rette den Planeten! Recycling“.
Paolo Mancini & Luca de Leone:
Rette den Planeten! Wasser | Na-
tional Geographic Kids / White Star
2023 | 24 Seiten | 12,95 Euro.
77
 WACHSEN Mit Kindern übers Klima sprechen

AB 8 JA HR E

SO WAS WIE EIN STANDARDWERK

Umfassender geht es kaum. Dieser reich bebilderte und
illustrierte Band aus der Was-ist-was-Reihe ist so etwas
wie ein Standardwerk für Kinder zum Thema Erde und
Klima. Die sechs Kapitel steigen tief in verschiedene
Aspekte wie Wetter und Klimazonen, Naturgewalten,
die Geschichte des Erdklimas, die Klimakrise und ihre
Folgen, nachwachsende Rohstoffe und grüne Energien
ein. Das ist detail- und faktenstrotzend, ohne die jungen
Leserinnen und Leser zu erschlagen. Mit eindrucks-
vollen Fotos und anschaulichen Grafiken. Kinder dürf-
ten besonders viel Spaß an den aufgeführten Rekor-
den und der Rubrik „Angeberwissen“ haben.

Was ist Was: Entdecke die Erde und ihr Klima |

Tessloff 2023 | 192 Seiten | 22 Euro.

AB 10 JA HR E

INS HANDELN KOMMEN

Klima. Was ist das eigentlich und warum ist es in der Krise?
AB 10 JA HR E Lässt die sich noch aufhalten? Und kann ich selbst etwas
beitragen? Dieses klar gegliederte Sachbuch zeigt nicht nur,
VON FRITTENFETT UND welche Folgen es hätte, wenn sich die Erde um mehr als die

INVASIONSAMEISEN angepeilten 1,5 Grad Celsius erwärmen würde. Es erklärt

Palmen am Nordpol? Haha, gibt’s doch gar nicht! Warum
dieses Szenario weder unwahrscheinlich noch lustig ist, son-
dern bald schon Realität sein könnte, wenn die Klimakrise
ungebremst fortschreitet, erläutert Marc ter Horst in diesem
großartigen Sachbuch. Dabei zeigt der niederländische Autor
gleichzeitig, dass sich auch ernste Themen und komplexe
Zusammenhänge unterhaltsam vermitteln lassen, ohne ins
Banale abzurutschen oder mit dem
Zeigefinger zu dozieren. Besonders
lesenswert: Das Buch nimmt auch
auch, warum es manchmal so schwer ist, ungute, aber beque-
me Gewohnheiten aufzugeben – und wie es trotzdem funktio-
nieren kann. Im Gegensatz zu anderen Büchern klammert es
auch die psychische Komponente nicht aus, sondern spricht
Ängste, negative Gedanken und
Schuldgefühle im Zusammenhang
mit diesem Thema an und zeigt Lö-
sungsstrategien. Das macht Kindern
Mut und stärkt ihr Gefühl für Selbst-
wirksamkeit.
Illustration: yusufdemirci/Shutterstock

Scheinargumente und einlullende Eddie Reynolds & Andy Prentice:

Phrasen auseinander, wonach wir Klimakrise – einfach verstehen!
eigentlich sowieso nichts gegen die Was kannst du zur Lösung beitra-
Klimakrise ausrichten können. gen? | Usborne 2021 | 128 Seiten |
12,95 Euro.
Marc ter Horst & Wendy Panders:
Palmen am Nordpol. Alles über
den Klimawandel | Gabriel 2020 |
184 Seiten | 19 Euro.

78 Magazin 1·2024

AB 12 JA HR E
IM DRAMATISCHEN SINKFLUG
Von wegen Comics sind lustige Bildergeschichten mit banalen
Sprechblasen. Diese Graphic Novel ist ein beeindruckendes Ge-
genbeispiel. Zeichnerin Hanna Harms setzt darin Zahlen und
Fakten zum Insektensterben, der Klimakrise und einer von Mo-
nokulturen und Pestiziden dominierten Landwirtschaft in klare,
poetische Illustrationen um. Die wirken gerade durch die Re-
duktion auf wenige Farben umso schonungsloser und zeigen
eindringlich, welche dramatischen Folgen
es für Öko-Systeme und Menschen hätte,
wenn Honigbienen – und andere unver-
zichtbare Bestäuber wie Wildbienen,
Hummeln, Wespen und Schmetterlinge
– verschwinden würden. Man kann nur
hoffen, dass dieses Kunstwerk ein breites
Publikum findet.
Hanna Harms: Milch ohne Honig | Carl-
sen Comics 2022 | 112 Seiten | 20 Euro.
Hilf vernachlässigten
Kindern, deren
Leid niemand sieht.
Alle 13 Minuten muss ein Kind in Deutschland zum
Schutz aus seiner Familie genommen werden.
Jetzt spenden
WACHSEN Mit Kindern übers Klima sprechen
AB 12 JA HR E
ODE AN DIE VIELFALT
Unser Planet wimmelt nur so von faszinierenden Lebewesen –
doch viele davon werden wir niemals kennenlernen, denn jeden
Tag sterben 130 bis 150 Arten aus. Andere, die wir kennen, wird
es nur noch als Stofftiere oder in YouTube-Videos geben. Weil
wir Menschen ihre Lebensräume zerstören, vergiften und das
Klima so rasant verändern, dass sie sich nicht daran anpassen
können. Das Buch zeigt, wie wir mit anderen Lebewesen ver-
bunden sind, wie sehr sie unser Leben
bereichern – und was wir verlieren,
wenn Mistkäfer, Gespenstblattschwanz-
gecko oder der Küstenmammutbaum
verschwinden. Eindringliche und wun-
derschöne Liebeserklärung an unsere
Erde und ihre Vielfalt.
Sascha Mamczak & Martina Vogl:
Überall Leben | Peter Hammer 2023 |
280 Seiten | 24 Euro.
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Erfahre mehr unter
sos-kinderdorf.de
 WACHSEN Mit Kindern übers Klima sprechen

PODCASTS

SCHLAUER FUCHS UND CLEVERE SCHLANGE

Warum es ohne Bäume nicht geht, weshalb Artenvielfalt so wichtig ist, welche
Rechte Kinder haben – oder wie jede und jeder selbst etwas für Umweltschutz und
damit für das Klima tun kann. Das und vieles mehr erfahren Grundschulkinder von
Fox Schlaufuchs und Polly Plapperschlange. Die beiden leben gemeinsam im Wun-
6
TIPPS
derwigwam und reisen um die Welt. Dabei lernen sie faszinierende Orte kennen
und erleben jede Menge Abenteuer. Davon Mit Kindern
berichten sie im Kinderpodcast Wunder-
wigwam von HR2 Kultur. Alle zwei Wochen
über die Klimakrise
samstags erscheint eine neue Folge, abruf- sprechen
bar über die ARD Audiothek.
wunderwigwam.de

1
ZWISCHEN THEORIE UND ALLTAGSTIPPS Hintergrundwissen
Informieren Sie sich zunächst über die
So komplex Themen wie die Klimakrise und Nachhaltigkeit sind – der Klimakrise. Wissenschaftlich fundierte
Kinder-Podcast Hitzefrei! von Hannah Weber bringt sie gut verständlich Fakten finden Sie über Umwelt- und
auf den Punkt. Und bei Fragen wie „Klimawandel – was ist das eigent- Naturschutzorganisationen, den Deut-
lich?“ oder „Wohin mit dem Müll?“ erfahren auch schen Wetterdienst, das Umweltbun-
zuhörende Erwachsene interessante Fakten. Doch desamt oder den neuesten Bericht des

Illustration: yusufdemirci/Shutterstock; HR/Inga Reichert/Markus Reinheimer

es bleibt nicht bei der Theorie: Hannah und ihre UN-Weltklimarats IPCC.
jungen Co-Moderatoren Helen und Max geben im-
mer auch Tipps, die sich gut im Alltag umsetzen
lassen. Die 15- bis 20-minütigen Folgen sind über
gängige Podcast-Plattformen abrufbar.
2
Hitzefrei! – der Klima-Podcast für Kinder Geborgenheit vermitteln
Auch wenn Ihre Ängste und Unsicher-
heiten groß sind – lassen Sie die
Gespräche mit Ihrem Kind nicht von
Ihren eigenen starken Emotionen do-
minieren. Vermitteln Sie trotz allem,
dass Sie Verantwortung übernehmen
– das schafft Geborgenheit.
FRAG DICH SCHLAU
„Kinder bei Fridays for Future – Was können wir gegen den
Klimawandel tun?“ heißt eine Folge des Kinderpodcasts
Kakadu von Deutschlandfunk Kultur. In der Episo-
3
de kommen neben Expertinnen und Experten Handeln
auch Kinder zu Wort, die erklären, warum sie zu So wichtig es ist miteinander zu reden,
Klimademonstrationen gehen und wofür sie pro- doch ohne entsprechend zu handeln
Foto: Deutschlandradio

testieren. Kakadu erscheint alle paar Tage mit machen Sie sich unglaubwürdig. Denn
einer neuen Folge, in der jeweils Fragen beant- Kinder orientieren sich mehr an dem,
wortet werden, die wissbegierige Kinder stellen. was ihre Eltern tun als an dem was sie
Entsprechend groß ist die Bandbreite der The- sagen. Umso wichtiger ist deren Vor-
men. Mehr Infos unter kakadu.de bildfunktion.

80 Magazin 1·2024
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324 1.2024
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4
Zuhören
Sie müssen nicht auf jede Frage eine
Antwort haben. Hören Sie Ihrem Kind
zu. Finden Sie heraus, wie viel es schon
Nachtwäsche und Loungewear aus
Biobaumwolle, ökologisch und fair.
Zertifizierte Qualität, produziert in Europa.
www.greenjama.com CERES-053

über diese Themen weiß und welche

Gefühle es dabei leiten. Nehmen Sie
seine Sorgen ernst und schieben Sie
sie nicht beschwichtigend beiseite.

5
Altersgerecht kommunizieren
Sie kennen Ihr Kind am besten und
können einschätzen, welche Informa-
tionen seinem Wissensstand entspre-
chen. Um komplexe Sachverhalte an-
schaulich zu machen, eignen sich
Beispiele, Gegenstände oder Situatio-
nen, die Ihr Kind aus seinem Alltag
kennt.

6
Ab in die Natur
Ob Sie Wildblumen im Balkonkasten
säen, Wolken beobachten oder Spa-
ziergänge bei Wind und Wetter ma-
chen – bringen Sie Ihrem Kind die Na-
tur nah. Darin liegt der Schlüssel zu
umweltbewusstem Verhalten. Denn
Sie können helfen
Mit Ihrer Spende können wir kranken, behinderten
oder vernachlässigten Kindern in Bethel besser helfen.
Spendenkonto: DE 48 4805 0161 0000 0040 77, BIC: SPBIDE3BXXX,
Stichwort »Kinder«, Online spenden unter www.spenden-bethel.de
362

was man kennt und wertschätzt, das

will man auch schützen.

Magazin 1·2024
 WACHSEN Kurz & klar

Deutlich weniger
HPV-Impfungen

Kurz
Die Zahl der Erstimpfungen gegen
Humane Papillomviren (HPV) geht in
Berlin dramatisch zurück. Das zeigt eine
Sonderanalyse des Kinder- und

&
Jugendreports der DAK-Gesundheit. Im
Jahr 2022 wurden demnach 32 Prozent
weniger Kinder und Jugendliche im Alter
zwischen neun und 17 Jahren erstmals
gegen verschiedene Krebsarten geimpft

klar

Illustrationen: noun project; Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

als im Vorjahr. Hochgerechnet auf die
Gesamtzahl der Kinder in der Hauptstadt
sind das rund 10.000 Erstimpfungen
Klimakrise gefährdet weniger. Besonders stark sei der Rück-
gang bei Jungen (–41 Prozent). Bei den
Kinder besonders Mädchen ging die Quote um ein Viertel
zurück (–24 Prozent). HP-Viren werden
Kinder sind besonders von den Folgen der
sexuell übertragen und können unter an-
Klimakrise bedroht. In einem Appell warnen
derem Gebärmutterhalskrebs und Tumore
die Weltgesundheitsorganisation (WHO),
im Mund-Rachen-Raum hervorrufen.
das Kinderhilfswerk UNICEF und der Bevöl-
kerungsfonds der Vereinten Nationen
Die Zahl

26,7
UNFPA vor den Folgen der Erderhitzung für
Kinder, Ungeborene und Schwangere. Die
Organisationen fordern die Einbeziehung
dieser Risikogruppen in die Klima- und Ka- LINKTIPP

Fotos: AndresGarciaM/getty images; IMAGO/Pond5 Images

tastrophenschutzpolitik, die Reduktion der
Treibhausgasemissionen, Maßnahmen zur
Klimafinanzierung sowie mehr Forschung,
DAS IST KINDERSACHE!
um die Auswirkungen der Klimakrise auf die
Gesundheit von Müttern und Kindern bes-
PROZENT Die Kinderwebseite des Deutschen
Kinderhilfswerks ist eine Mitmach-
und damit nur etwas mehr
ser zu verstehen. Auch Kinderärztinnen und seite für Kinder zwischen acht und 13
als ein Viertel der deutschen
-ärzte der Deutschen Allianz Klimawandel Jahren. Neben vielen Infos zu Kinder-
Viertklässler nutzen wöchentlich
und Gesundheit (KLUG) forderten unlängst rechten bietet die Webseite Kindern
digitale Medien zum Lesen in der
in einem Positionspapier, Kinder gezielt vor einen geschützten Raum, um selbst
Schule. Der EU-Durchschnitt liegt
den Folgen der Klimakrise zu schützen. Es im Internet aktiv zu werden, ohne ge-
mehr als 10 Prozent höher, in
beschreibt unter anderem, dass die durch fährdenden Inhalten zu begegnen.
Norwegen sind es sogar
Hitze steigende Feinstaub- und Ozonbelas- Jeder Artikel, jedes Video und jeder
85 Prozent.
tung Organschäden bei Kindern verursacht, Trickfilm, aber auch alle Kommentare
wie Chemikalien Ungeborene schädigen auf der Seite werden von der Redak-
und welche Folgen starke UV-Strahlung für tion gesichtet, bevor sie freigeschaltet
die Haut junger Menschen hat. Infektions- werden. kindersache.de
krankheiten, Allergien und Asthma, Über-
gewicht, aber auch psychische Belastungen
würden durch die Klimakrise deutlich zu-
nehmen, heißt es. Auf all diese Folgen bei
Kindern und Jugendlichen sei das Gesund-
heitssystem nicht ausreichend vorbereitet.

Quelle: Institut für

Schulentwicklungsforschung (IFS) /
Internationale Grundschul-Lese-
Untersuchung (Iglu)

82 Magazin 1·2024
 LEBEN Sonne

MACHEN BAUEN • WOHNEN • REISEN

Foto: IMAGO/blickwinkel

94 Winterwandern: Schöne Wege durch den Schnee

84 Hundespielzeug: Zum Anbeißen?
90 Interview: Martin Rütter zu Hundeschulen, Spielzeug und Leckerlis
100 Grüne Reisetipps: Unterwegs im Nachtzug und auf Tang-Safari
102 Kurz & klar

83 Magazin 06·2019 83
 MACHEN TEST Hundespielzeug

HUNDESPIELZEUG

RATGEBER
1
Mit den 11 „sehr guten“
Produkten im Test
machen Sie nichts falsch.
Achten Sie aber darauf,
dass das Spielzeug der
Größe und Kaukraft Ihres
Hundes entspricht.
Generell gilt: Lieber zu
groß als zu klein.

2
Zeigt ein Spielzeug
Beschädigungen oder
Zeichen von Verschleiß,
lassen Sie Ihren Hund
nicht weiter damit
spielen.

3
Manche Spielzeuge
können mit Leckerlis
befüllt werden und mo-
tivieren so beim Training.
Aber auch für Hunde gilt:
Snacks besser nur in
Maßen anbieten.
Foto: Iuliia Zavalishina/getty images

84 Magazin 1·2024
 Zum
Anbeißen
Ob beim Apportieren, Spielen, Trainieren
oder Kuscheln: Hunde lieben Spielzeug.
Mit elf Produkten im Test können die Vierbeiner
ihren Kau- und Jagdtrieb bedenkenlos ausleben.
In einigen der Textil- und Gummispielzeuge wies
das Labor allerdings Problemstoffe nach.
TEST: PHILIP SCHULZE
TEXT: MARIEKE MARIANI

H
unde haben einen natürlichen
Spiel- und Jagdtrieb, der befrie-
digt werden will. Der Handel bie-
tet dafür eine Vielzahl von Spielzeugen an
– von weichen Plüschtieren über feste Kor-
deln, bis hin zu Gummiknochen und -bäl-
len ist für jeden Hundetyp etwas dabei.
Welches Spielzeug sich für Ihren Hund
am besten eignet, hängt von mehreren Fak-
toren ab. Ist Ihr Hund eher der verschmus-
te, fürsorgliche Typ? Dann wird er womög-
lich ein Plüschtier bevorzugen, von denen
wir sechs Exemplare in unserem Test unter-
sucht haben. Haben Sie einen jungen, ver-
spielten oder besonders jagdfreudigen
Hund, der gerne mal die Zähne einsetzt?
Für diesen müssen stabilere Spielzeuge her,
die sich nicht beim wilden Raufen in Einzel-
teile auflösen. Geknotete Kordeln oder sta-
bile Kau- und Beißspielzeuge aus festem
Gummi – meist aus Thermoplastischen
Elastomeren (TPE) oder Naturkautschuk
– bieten sich am ehesten an.
Ganz egal aus welchem Material, Halter
wollen sicher sein, dass ihre Vierbeiner
beim Toben und Kauen keine Schadstoffe
aus dem Spielzeug aufnehmen. Wir haben
zehn Hundespielzeuge aus Gummi und elf
aus textilen Materialien in die Labore ge-
schickt. Good news: Mehr als die Hälfte der
Produkte schneidet „sehr gut“ ab.
PAK in Gummispielzeugen
In zwei Spielzeugen aus Naturkautschuk
– dem Kong Classic Klein und dem Trixie
Denta Fan Spielzeug – hat das Labor aus
unserer Sicht bedenkliche Mengen poly-
zyklischer aromatischer Kohlenwasser-

Magazin 85
1·2024
 MACHEN TEST Hundespielzeug
stoffe (PAK) nachgewiesen. PAK entstehen
bei unvollständigen Verbrennungsprozes-
sen und gehören zu den am weitesten ver-
breiteten Schadstoffen der Welt. Das Um-
weltbundesamt beschreibt sie als schwer
abbaubar, darüber hinaus können sie sich
in der Umwelt anreichern. Im Kong sowie
im Gummiball von Trixie zeigten sich in der
Analyse deutliche Gehalte an Phenanthren.
Es gilt als umweltgefährlich, vor allem für
Wasserorganismen. Im Kong kommen dazu
kleinere Mengen der PAK-Verbindung
Naphthalin, die als krebsverdächtig einge-
stuft ist.
Umstrittene Stoffgruppe
In acht Textilspielzeugen kritisieren wir die
Gehalte an halogenorganische Verbindun-
gen. Es handelt sich dabei um eine Stoff-
gruppe, deren Vertreter Chlor, Brom oder
Jod enthalten. Viele Vertreter der Stoff-
gruppe können Allergien auslösen, fast alle
reichern sich in der Umwelt an. Sie können
auf verschiedenen Wegen in die textilen
Produkte gelangen, zum Beispiel können
sie aus Färbe- oder Bleichprozessen stam-
„Viele Hunde-
spielzeuge
im Test sind
unbedenklich.
Dennoch sollten
Halter ein beschä-
digtes Produkt
sofort aus-
tauschen.“
Marieke Mariani
ÖKO-TEST-Redakteurin
86
WISSEN
Zahnpflege
mit Spielzeug?
Auch für Hunde ist eine gute Mund-
hygiene wichtig, damit ihr Gebiss so
lange wie möglich gesund bleibt.
Viele Hundespielzeuge werden auch
als Hilfsmittel zur Zahnpflege be-
worben. Dabei sollten Hundehalter
wissen: Ein Kauspielzeug kann zwar
die Gebissreinigung unterstützen,
indem es die Zähne mechanisch rei-
nigt und den Speichelfluss anregt,
aber es kann die Zahnhygiene nur
ergänzen, nicht ersetzen.
Darauf können Hundebesitzer
außerdem achten:
Gewöhnen Sie Ihren Hund von klein
auf ans Zähneputzen. Mit einer spe-
ziellen Hundezahnbürste oder ei-
nem Fingerling schrubben Sie am
besten mehrmals pro Woche.
Überprüfen Sie selbst regelmäßig
Zähne und Zahnfleisch Ihres
Hundes auf Verletzungen.
Lassen Sie das Gebiss Ihres Hundes
regelmäßig vom Tierarzt kontrol-
lieren. Dieser kann Zahnstein
professionell entfernen und Fehl-
stellungen erkennen.
Meiden Sie Futter oder Leckerlis
mit Zucker. Dieser kann wie beim
Menschen Karies verursachen.
men. Um welche Verbindungen es sich ge-
nau handelt, lässt sich mit der Prüfmetho-
de des Labors nicht feststellen. Aus Gründen
des vorbeugenden Schutzes werten wir
diese Stoffe ab.
Weitere Mängel in sieben Produkten
Im weißen Garn, dem Füllmaterial oder den
Etiketten von insgesamt sieben Stoffspiel-
zeugen wies das Labor optische Aufheller
nach. Optische Aufheller stellen eine Um-
weltbelastung dar, da sie schwer abbaubar
sind. Zwei Hundespielzeuge haben ein ganz
anderes Problem: Sie sind nicht speichel-
und schweißecht. Beim Hunter Hundespiel-
zeug Eiby Giraffe S färbte das gelbe Garn
stark ab, beim Vitakraft Pure Nature Pony
färbte der braune Stoff an Kopf und Körper
ab.
Spuren von Blei und Antimon
War das schon alles? Fast. In einer Vorprü-
fung auf Schwermetalle fand das beauftrag-
te Labor in einigen Gummispielzeugen
Spuren von Blei beziehungsweise Antimon.
Blei ist ein als Nervengift bekanntes
Schwermetall, das sich im Körper anrei-
chern kann. Antimon ist ein toxisches
Spurenelement, das beispielsweise bei der
Produktion von Polyester oder als Flamm-
hemmer eingesetzt wird.
Wir wollten genauer wissen, ob die Ele-
mente sich lösen und, sodass wir für die
betroffenen Produkte eine weitergehende
Illustration: noun project
Analyse beauftragten, die auch in der Spiel-
zeugrichtlinie für Menschenspielwaren
vorgesehen ist. Da nicht auszuschließen ist,
dass Hunde unter Umständen Teile ihres
Spielzeugs verschlucken, simuliert diese
Analyse, wie viel der Substanzen sich in
Magensäure aus dem Produkt herauslösen.
Fotos: Nina Rocco/ÖKO-TEST; Tiny Turkey/Shutterstock
Im Wolters Pure Nature Dental Herz-Knochen
Small lösten sich dabei ganz winzige Spuren
von Blei, in fast allen Plüschtieren und in
allen drei geknoteten Baumwolltauen im
Test fand das Labor geringe Gehalte an An-
timon. Die nachgewiesenen Mengen liegen
weit unterhalb der Grenzwerte der Spiel-
zeugnorm – wir werten sie nicht ab.
TEST Wir haben getestet Ò
Magazin 1·2024
 So haben wir getestet
Für unseren Test haben wir im Tierfachhandel, in Bau- und Super- HUNDESPIELZEUG
märkten sowie im Internet insgesamt 21 Hundespielzeuge einge-
kauft – zehn davon aus Gummi und elf aus textilen Materialien. Das
günstigste Produkt ist bereits für 50 Cent zu haben, das teuerste
kostet 14,99 Euro.
In verschiedenen Laboren ließen wir alle Produkte auf halogenorga-
nische Verbindungen, Schwermetalle und weitere Elemente sowie
auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Material und in der Ver-
packung untersuchen. Zeigten sich in der Vorabanalyse der Elemen-
te auffällige Befunde, ließen wir orientiert an der Spielzeugrichtlinie
(2009/48/EG) zusätzlich überprüfen, wie viel Blei und Antimon sich
in simulierter Magensäure aus dem Material löst.
Die Gummispielzeuge wurden darüber hinaus auf 24 polyzyklische
aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Nitrosamine und Chlorpar-
affine untersucht. In einem erweiterten Materialscreening prüfte
das beauftragte Labor auf phenolische Verbindungen, Weichma-
cher und Ersatzweichmacher.
Die Stoffspielzeuge analysierte ein Labor auf Formaldehyd, Azo- und Ob Knochen, Ball oder Beißring – mit oder
Dispersionsfarbstoffe sowie auf optische Aufheller. Außerdem prüf- ohne Leckerli-Füllung: Hunde lieben es, Spielzeug
ten die Experten die Schweiß- und Speichelechtheit der Textilien. zu apportieren und darauf herumzukauen.

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Magazin 1·2024 87
 MACHEN TEST Hundespielzeug

Corwex Nature Play Das Futterhaus Trixie Spielzeug Anione Spielzeug Beeztees Hundespiel-
aus 100 % Schafwolle Plüschhund Eichhörnchen Hund Astronaut zeug Eco Hase Jenno
Hundespielzeug, Textil Geräuschlos Plüsch M
Anbieter Royal Animal Das Futterhaus (Trixie Trixie Heimtierbedarf Fressnapf (Multifit) Beeztees
Heimtierbedarf)
Preis 11,99 Euro 5,99 Euro 12,99 Euro 9,99 Euro 9,99 Euro
Material laut Anbieter Schafwolle Polyester Polyester Baumwolle, Polyester keine Angabe
Elemente nein Antimon in Spuren Antimon in Spuren Antimon in Spuren Antimon in Spuren
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein nein halogenorganische halogenorganische
Inhaltsstoffe Verbindungen Verbindungen
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut sehr gut gut gut
Weitere Mängel nein nein ja ja nein
Testergebnis Weitere Mängel sehr gut sehr gut gut gut sehr gut
Anmerkungen 1) 1)
Gesamturteil sehr gut sehr gut sehr gut gut gut

Hundespielzeug, Chuckit Air Fetch Ball Dehner Lieblinge Dokka Blubb S gelb Hundespielzeug Nobby Rubber Line TPR
Medium Snackball Chewie Gummiknochen Stick Wave, grün
Gummi 7 cm
Anbieter Petmate Dehner Petlando Tedi Nobby Pet Shop
Preis 11,99 Euro 5,99 Euro 9,99 Euro 2,55 Euro 9,99 Euro
Material laut Anbieter keine Angabe Gummi Naturkautschuk keine Angabe TPE
Elemente nein nein nein nein nein
Polyzyklische aromatische Kohlenwasser- nein nein nein nein nein
stoffe (PAK)
Weitere bedenkliche und/oder umstrittene nein nein nein nein nein
Inhaltsstoffe
Testergebnis Inhaltsstoffe sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
Weitere Mängel nein nein nein nein nein
Testergebnis Weitere Mängel sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
Gesamturteil sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
Illustration: Vector Map/Shutterstock

Fett gedruckt sind Mängel.
Abkürzungen: PAK = polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe; TPE = Thermoplastisches Elastomer
Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 126.
Legende: Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um
gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen
wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten
und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.
Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: ein gemessener Gehalt von in der
Summe mehr als 200 µg/kg PAK (hier: Phenanthren und/oder Naphthalin). Zur Abwertung um eine Note führt:
halogenorganische Verbindungen im Labor nachgewiesen.
Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: Spielzeug färbt stark ab (ein
oder mehrere Komponenten schneiden schlechter als Stufe 3 der Grauskala ab). Zur Abwertung um jeweils
eine Note führen: a) Spielzeug färbt ab (ein oder mehrere Komponenten schneiden schlechter als Stufe 4–5
der Grauskala, aber immer besser als Stufe 2–3 in der Speichel- und/oder Schweißechtheitsprüfung ab);
b) optische Aufheller.

88 Magazin 1·2024
 Bubimex Nature Label Fit+Fun Spielzeug Heim Spieltau 27 cm Woolie Pets Hundespiel- Hunter Hundespielzeug Vitakraft Pure Nature
Spieltau Baumwolltau 26 cm zeug Knot Eiby Giraffe S Pony

Bubimex Fressnapf (Multifit) Heim Woolworth Hunter International Vitakraft

1,97 Euro 0,99 Euro 2,79 Euro 0,50 Euro 14,99 Euro 6,99 Euro
keine Angabe Baumwolle keine Angabe Baumwolle Wolle, Polyester, Polyfiber Baumwolle
Antimon in Spuren Antimon in Spuren Antimon in Spuren nein Antimon in Spuren nein
halogenorganische Ver- halogenorganische halogenorganische halogenorganische halogenorganische halogenorganische
bindungen Verbindungen Verbindungen Verbindungen Verbindungen Verbindungen
gut gut gut gut gut gut
nein ja ja ja ja ja
sehr gut gut gut gut ausreichend befriedigend
1) 1) 1) 4) 1) 2) 1) 3)
gut gut gut gut befriedigend befriedigend

Vitakraft Activity Wolters Pure Zoo Royal Beißring Kong Classic Klein Trixie Denta Fun
Dog Disc Gelb Nature Dental Herz- Hundespielzeug Spielzeug
Knochen Small
Vitakraft Wolters Cat & Dog Rewe Kong Company Trixie Heimtierbedarf
4,99 Euro 6,99 Euro 3,49 Euro 8,79 Euro 2,99 Euro
TPE Naturkautschuk TPE Naturkautschuk Naturkautschuk
nein Blei in Spuren nein nein nein
nein Spuren nein ja ja

nein nein nein nein nein

sehr gut sehr gut sehr gut befriedigend befriedigend

nein nein nein nein nein
sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
sehr gut sehr gut sehr gut befriedigend befriedigend

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „befrie-
digend“ oder „ausreichend“ ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe um eine Note. Ein Testergebnis
Weitere Mängel, das „gut“ ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe nicht.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter oekotest.de/M2401.
Einkauf der Testprodukte: September – Oktober 2023.
Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen Anmerkungen: 1) Weiterer Mangel: Optische Aufheller. 2) Weiterer Mangel: Gelbes Garn färbt stark ab. 3) Weiterer
keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder ver- Mangel: Kopf/Körper braun färbt ab. 4) Laut Anbieter handelt es sich um ein veraltetes Produkt, das inzwischen für 0,50
breitet werden. Euro statt 1,50 Euro angeboten werde. Seit Juni werde der Artikel mit der neuen EAN 2000009798470 verkauft.

Magazin 1·2024 89
 MACHEN 8 Fragen an Martin Rütter

Martin Rütter, 53,

studierte Tierpsychologie in der
Schweiz und arbeitete mit Wölfen
und Wildhunden. 1995 eröffnete
er seine erste Hundeschule und
entwickelte die einfühlsame Hun-
deerziehungsmethode DOGS (Dog
Orientated Guiding System), nach
der inzwischen 140 Hundeschulen
arbeiten. Zurzeit ist der Hunde-
profi mit seinem Programm „Der
will doch nur spielen" auf Tour.

Illustration: Vector Map/Shutterstock

Fotos: Alex Stiebritz; Klaus Grittner

90 Magazin 1·2024
 MACHEN 8 Fragen an Martin Rütter

INTERVIEW

„Das gefährlichste
Spielzeug ist
das Stöckchen“
Deutschlands wohl berühmtester Hundeflüsterer Martin Rütter
ist vor allem durch seine TV-Dokus rund um die Erziehung der
Vierbeiner bekannt. Wenn es um Hundespielzeug geht, hat er
eine eindeutige Meinung. Und er sagt: Über den Besuch einer
Hundeschule sollte nicht das Ego-Prinzip der Halter entscheiden.
Wir haben ihm acht Fragen gestellt.

VON MARIEKE MARIANI

1 3
Woran merke ich, dass meinem Hund
langweilig ist?
Dafür gibt es verschiedene Anzeichen. Zum
Beispiel, wenn der Hund seinen Menschen
anstupst. Oder wenn er anfängt, Dinge zu
stibitzen oder einfach sein eigenes Ding
macht. Deswegen erkläre ich den Menschen
immer, dass ein monotoner Spaziergang,
bei dem nichts wirklich Spannendes
passiert, für viele Hunde einfach sehr
langweilig ist. Der Hund denkt sich: Hier
ist ja gar nichts los, mir ist langweilig, dann
mache ich es mir mal selber nett. Deswegen
sollte der Mensch seinem Hund beim
Spaziergang, aber auch daheim etwas
Spannendes bieten. Denn Hunde brauchen
körperliche und geistige Auslastung. Dann
wird ihnen auch nicht so schnell lang­
weilig.
2 Welche Hundespielzeuge sind sinnvoll,
Wie beschäftige ich meinen Hund beim
Gassigehen und zu Hause denn am besten?
Such­ oder Apportierspiele mit dem Lieb­
lingsspielzeug des Hundes sind schöne Bei­
spiele für Beschäftigungsformen, die man
gleichermaßen zu Hause, als auch unter­
wegs ins Training oder einfach in den All­
tag integrieren kann. Grundsätzlich ist bei
der Beschäftigung alles erlaubt, was
Mensch und Hund Spaß macht. Wenn der
Hund zum Beispiel gerne die Nase einsetzt
und ständig irgendwelchen Gerüchen „auf
der Spur“ ist, kann man gezielt etwas ver­
stecken, das der Hund dann suchen muss.
Dabei ist es egal, ob es sich bei der versteck­
ten Beute um Futter oder um ein Spielzeug
handelt.
welche unnötig oder sogar gefährlich?
Das gefährlichste und gleichzeitig leider
wahrscheinlich am weitesten verbreitete
Spielzeug schlechthin ist das Stöckchen.
Ich habe es schon oft erlebt, dass die Vier­
beiner kleine Holzstückchen abkauen und
dann Splitter im Hals hängen haben oder
aber – noch viel schlimmer – dass sie sich
den Stock beim Aufschnappen in den Hals
rammen. Auf Stöckchenwürfe sollte man
also unbedingt verzichten, weil sie zu sehr
schlimmen Verletzungen führen können.
Der sinnvolle Ersatz hierfür sind biegsa­
me, flexible Stöcke aus robustem und le­
bensmittelechtem TPE, die der Hund ge­
fahrlos tragen, fangen und apportieren
kann. Sie lassen sich weit werfen und sind
auch für Spiele im und am Wasser ge­

Magazin 1·2024 91
 MACHEN 8 Fragen an Martin Rütter
eignet, weil sie in der Regel schwimmfähig
sind. Wovon ich auch noch ein großer Fan
bin, sind befüllbare Futterbälle. Sie sind
ideal für die geistige Forderung des Hun­
des, da er sich die Belohnung durch Be­
wegung des Balls erarbeiten muss. Und
was ich auch noch ganz klar empfehlen
kann sind Reizangeln, zumindest für die
Hunde, die gern hetzen und Beute nach­
jagen.
4 Vorlieben ein Hund bereits durch seine
Stichwort Zähne: Sind Kauspielzeuge zur
Gebisspflege ratsam?
Sie können ratsam sein. Ich empfehle hier
gerne die nicht splitternden Wurzeln aus
der Baumheide, der Erika. Durch das Kau­
en hierauf wird zum Beispiel Zahnstein
gelöst, sodass sie eine natürliche Hilfe bei
der Zahnpflege des Hundes ist. Kauspiel­
zeuge können eine vernünftige Zahnpflege
aber nie ersetzen, nur ergänzen. So gehö­
ren regelmäßige Gebisskontrollen und
Checks beim Tierarzt genauso dazu, wie
regelmäßiges Zähneputzen, an das man
den Hund am besten bereits von Welpe an
in kleinen Schritten gewöhnt.
5 finden zum Beispiel das Apportieren an
Welche Ansprüche haben unterschiedli-
che Rassen ans Spielen – wie wollen sie
gefordert werden?
Welche Vorlieben ein Hund hat, hängt zum
einen von seiner Veranlagung, seinen
Genen und damit natürlich von seiner Ras­
sezugehörigkeit ab. Denn bei der Zucht
wurden durch gezielte Selektion auf be­
stimmte Eigenschaften Verhaltensmerk­
male ausgeprägt. Der Apportierhund, der
das erlegte Wild zum Jäger bringen soll,
wird daher in der Regel großes Interesse
an Beutespielen haben. Der Nordische
Hund, der über weite Strecken laufen soll,
hat dagegen zum Beispiel eher Spaß an
ausdauernden Bewegungsspielen. Weiter­
hin spielen aber auch Erfahrungswerte eine
92
Rolle. Veranlagungen müssen gefördert
werden, damit sie sich entwickeln. Ein
Hund, der beispielsweise nie gelernt hat,
seine Nase einzusetzen, wird anfangs vom
Fährtentraining, also dem Verfolgen einer
Spur, nicht so begeistert sein, da er noch
gar nicht versteht, worauf das Ganze hin­
auslaufen soll. Erst nach einigen Wieder­
holungen zeigt sich dann, inwieweit tat­
sächlich eine Motivation zur Nasenarbeit
vorhanden ist oder aber nicht. Es macht
also total Sinn, herauszufinden, welche
Veranlagung mitbringt.
„Kauspielzeuge
können eine 6
vernünftige Zahn- Wie sinnvoll ist es, beim Spielen Leckerlis
pflege nie ersetzen, zu füttern?
Total sinnvoll, allerdings kommt es auch
nur ergänzen. hier auf das Timing an. Leckerlis sollte man
natürlich nicht wahllos verfüttern, son­
Gebisskontrollen dern gezielt im Training einsetzen. Für die
und Zähneputzen Belohnung beispielsweise. Ganz grund­
sätzlich ist Belohnung an den richtigen
gehören auch dazu.“ Stellen ein ganz wichtiges Thema in der
Hundeerziehung. Womit man einen Hund
Martin Rütter belohnt, hängt stark davon ab, was ihn
Hundeexperte motiviert. Denn nicht für jeden Vierbeiner
ist ein Leckerli das Größte. Manche Hunde
sich bereits so toll, dass es für sie schon
eine Belohnung ist, noch einmal den ge­
liebten Ball apportieren zu dürfen. Andere
Hunde sind einfach froh darüber, wenn der
Mensch selbst sich freut. Sie arbeiten ger­
ne mit dem Menschen zusammen und so
reicht ihnen ein Lob wie ein Streicheln oder
ein nettes Wort.
Illustration: Vector Map/Shutterstock
7
Sollte jeder Hund eine Hundeschule
besuchen?
Ob ein Hund in die Hundeschule sollte,
entscheiden viele leider nur nach dem
Ego­Prinzip: „Wie sehr nervt mich diese
Symptomatik?“ Das macht mich wütend.
Magazin 1·2024
 Anzeige

ab 7onat
€
Grundsätzlich finde ich, dass man als Hun­
dehalter die Pflicht hat, den Hund gesell­ im M
schaftstauglich zu machen. Wenn ich mei­
nen Hund zum Beispiel ableine, muss ich
ziemlich sicher sein, dass er kommt, wenn
ich ihn rufe. Wichtig ist aber auch, dass der
Hund lernt: „Ich bin jetzt nicht dran.“ Frus­
trationstoleranz ist sowieso ganz wichtig
bei Hunden. Viele Menschen machen den
Fehler, ihre Hunde permanent zu bespa­

Ein besonderes Geschenk

ßen. So ein Hund kann es nicht ertragen,
wenn er mal Pause hat. Und außerdem fin­

für Tierliebende!
de ich es wichtig, dass sich ein Hund Men­
schen gegenüber nicht aggressiv verhält,
dass er nicht losrennt und auf Leute los­
geht. Die Hilfe eines Profis kann dabei si­
Eine Geschenkpatenschaft für das Pro Wildlife
cherlich nicht schaden.
Affenschutzprogramm hilft uns dabei, Affen aus
dem Tierhandel zu befreien, verwaiste Primaten
zu versorgen und gegen den Verlust ihres
8 Lebensraums vorzugehen.
Sollten Spiel und Training besser getrennt
oder kombiniert werden?
Ich bin da ganz klar für eine Kombination, Gemeinsam Gutes tun:
die mit der eben beschriebenen Belohnung
Jetzt eine Patenschaft
an den richtigen Stellen einhergeht.
verschenken!
Magazin 1·2024
www.prowildlife.de
 MACHEN Zu Fuß unterwegs

Wanderwege
mit Winterfreuden
Es geht auch ohne Ski und Snowboard: Der Winter lässt
sich in der Stille abseits der Pisten besonders intensiv erleben.
Wer zu Fuß auf knirschenden Pfaden unterwegs ist, braucht
auch keine teure Ausrüstung. Wanderschuhe mit Gamaschen
und eine normale Kondition genügen. Vielleicht noch ein
Fotos: IMAGO/Westend61; IMAGO/ingimage

paar Riegel und eine Thermosflasche mit heißem

Inhalt im Tagesrucksack.
TEXT: HANNAH GLASER

94 Magazin 1·2024

ZUGSPITZE: RUND UM DEN EIBSEE
Der Eibsee, 1,5 Autostunden südlich von München, ist alles andere
als ein Geheimtipp. Kein Wunder, denn der türkisleuchtende See
liegt malerisch vor der Zugspitzkulisse und ist noch dazu auf einem
der schönsten Wanderwege Bayerns zu umrunden. Es gibt nur we-
nige Steigungen, erdige Passagen können bei Nässe rutschig sein,
aber generell gilt die sieben Kilometer lange Strecke als familien-
tauglich und ist im Winter prima mit Schlitten begehbar. Der Rund-
weg startet am Parkplatz vor dem Eibsee-Hotel und man geht ihn
am schönsten gegen den Uhrzeigersinn. Entstanden ist der Bergsee
Magazin 1·2024
MACHEN Zu Fuß unterwegs
Inseln
im Eibsee
in einer Senke als Überrest eines Gletschers. Das heutige Natur-
paradies mit Untiefen und mehreren Inseln formte sich vor vier
Jahrtausenden, als die Westflanke des Zugspitz-Massivs abbrach
und ins Tal rauschte. Im Januar ist der See oft zugefroren und man
spaziert durch eine verzuckerte Märchenlandschaft. Im Anschluss
kann man sich im Seerestaurant Eibsee Pavillon aufwärmen – mit
Blick durch die Panoramafenster. 300 Meter entfernt startet die
Seilbahn auf die Zugspitze, die bodentief verglasten Großraum-
kabinen bieten einen Blick auf den Eibsee. eibsee.de
95
 MACHEN Zu Fuß unterwegs
Kunst im
Sauerland
SAUERLAND:
ELF KUNSTWERKE IM SCHNEE
Er beginnt am Rathaus von Bad Berleburg und endet nach 23
Kilometern am Rathaus von Schmallenberg. Der Waldskulpturen-
weg will Natur und Kultur verbinden, elf internationale Künstler
haben großformatige Werke geschaffen, die unterwegs aus der
Landschaft wachsen. Besondere Hingucker: Timm Ulrichs „Blin-
ker II“, ein Stahlgerüst im Format einer Autokinoleinwand, steht
auf einer weiten Wiese und trägt 196 lose eingehängte Edelstahl-
Lamellen. Sie fangen Windböen ein, pendeln in der Brise und
spiegeln ihre Umgebung – ein Lichtspieltheater, bei dem die
Natur Regie führt. Nicht zu übersehen ist auch der Krummstab
von Heinrich Brummack, eine 7,5 Meter hohe Skulptur, die bei
Schanze aus dem Wald zu kippen scheint. Die tschechische Bild-
hauerin Magdalena Jetelová hat ein mit Blattgold überzogenes
riesiges Ei in die Landschaft gelegt, „als Sinnbild für die Leben
hervorbringende Natur“. Um den fliegenden Falken aufs Bild zu
bannen, den der New Yorker Künstler Alan Sonfists aus bewach-
senen Erdwällen modellierte, bringt man am besten eine Drohne
mit.
Die Wanderung startet auf 390 Höhenmetern, der höchste
Punkt ist mit dem Ort Schanze auf 740 Metern erreicht. Wenn es
im Januar und Februar geschneit hat, wird der Weg gewalzt, pa-
rallel führt eine gespurte Langlaufloipe. Die Tour lässt sich auch
in zwei Etappen aufteilen. Die „Almhütte Schanze“ auf der Hälf-
te der Strecke bietet deftige Küche und vier Ferienwohnungen.
waldskulpturenweg.de
96
HARZ: MIT GOETHE AUF DEN BROCKEN
Der Brocken ist ein Sehnsuchtsort, verschwand für viele Jahre als
militärisches Sperrgebiet hinter dem Eisernen Vorhang und ist
heute ein Symbol der Wiedervereinigung. Mit zwei Millionen
Besucherinnen und Besuchern im Jahr ist er auch das beliebteste
Ausflugsziel im Harz, doch die wenigsten besuchen ihn im Winter.
Auf dem ungeschützten und baumfreien Gipfelplateau liegt die
Durchschnittstemperatur bei 2,9 Grad, an mehr als 300 Tagen im
Jahr herrscht zumindest stundenweise Nebel. Kein Wunder, dass
auf dem „Blocksberg“ angeblich Hexen, Gespenster und der Teu-
fel selbst ihr Unwesen treiben. Goethe, der den Berg viermal be-
stieg, setzte ihm mit der Walpurgisnacht-Szene im „Faust“ ein
literarisches Denkmal.
Der „Goetheweg“ ist einer der kürzesten Wanderwege auf den
1.142 Meter hohen Gipfel. Er beginnt im Altenauer Ortsteil Torf-
haus auf 800 Metern, 350 Höhenmeter und acht Kilometer weiter
ist man am Ziel. Bei gutem Wetter ist der Brocken schon beim
Start in Sichtweite. Die gut ausgebaute Route ist ein Teil des He-
xen-Stiegs, ein Fernwanderweg, der von West nach Ost in fünf
Etappen durch den Harz führt. Das Brockenhaus genannte Na-
tionalpark-Besucherzentrum neben dem 123 Meter hohen Funk-
turm ist das ganze Jahr geöffnet und informiert in spannenden
Ausstellungen über Geschichte und Natur des sagenumwobenen
Berges. In der gemütlichen Cafeteria „Hexenflug“ stehen Basics
wie Bockwurst, Pizza und Kuchen auf der Speisekarte.
Wer sich den Aufstieg zum Gipfel ersparen will, kann von Torf-
haus auf Goethes Spuren die Harzmoore erkunden. Der ausge-
schilderte Weg rund um das große Torfhausmoor ist 4,5 Kilo-
meter lang, hat kaum Höhenunterschiede und führt über
Bohlenwege und durch Wälder. Bei Schnee wird eine identische
Strecke als Langlaufloipe gespurt. Problemlos auch für Kinder zu
bewältigen ist der zwei Kilometer lange Brocken-Rundweg, der
am Brockenbahnhof beginnt und vorbei an den markanten Gra-
nitfelsen von Teufelskanzel und Hexenaltar zurück zum Aus-
gangspunkt führt. Private Fahrzeuge dürfen nicht auf den Brocken
fahren. nationalpark-harz.de, brockenhaus-harz.de
Fotos: Schmallenberger Sauerland Tourismus GmbH; IMAGO/imagebroker
Magazin 1·2024

ZWISCHEN EIFEL UND MOSEL: ELTZER BURGPANORAMA
Der 12,6 Kilometer lange Wanderweg gilt als einer der schöns-
ten in ganz Deutschland – allerdings nur bei gutem Wetter.
Wenn bei Starkregen die Elz über die Ufer tritt, wird die Strecke
unpassierbar. Doch an einem klirrend kalten Wintertag, wenn
die Sonne tief über dem Horizont steht und ihr ganz besonderes
Winterlicht über die Landschaft wirft, gibt es kaum eine schö-
nere Tour. Start ist in der Gemeinde Wiescherm, und wer die
Foto: IMAGO/Pond5 Images
bestens ausgeschilderte Route im Uhrzeigersinn läuft, erspart
sich die Steigung bei der Ringelsteiner Mühle.
Größte Attraktion der Wanderung über die weiten Ebenen
des Moselplateaus, durch Wälder und am Bachlauf entlang, ist
der Blick auf die sagenhafte Ritterburg Eltz, die auf einem 70
Meter hohen Felskopf über dem Tal der Elz sitzt, mit dicken
Magazin 1·2024
MACHEN Zu Fuß unterwegs
Sagenhafte Ri
tterburg
Eltz
Mauern über steilen Felswänden, mit fünf Türmen und zahl-
losen Giebeln. Ihre 500-jährige Baugeschichte hat einen gran-
diosen Stilmix aus Schieferstein und Fachwerk geschaffen – eine
echte Märchenburg eben, die nie zerstört wurde. Die Burg kann
nur während der Sommermonate besichtigt werden, aber die
Ringelsteiner Mühle ist auch im Winter geöffnet. Das Land-
hotel lockt mit einem Kuchenbuffet und bietet eine Pauschale
für Wanderer, die das Eltzer Burgpanorama unter die Füße neh-
men wollen: Zum Empfang gibt’s Kaffee und Kuchen, zusammen
mit zwei Nächten samt Frühstücksbuffet, Lunchpaket und
3-Gang-Dinner kostet das Paket 128 Euro pro Person im Doppel-
zimmer.
ringelsteiner-muehle.de, traumpfade.info
97
 MACHEN Zu Fuß unterwegs

ALLGÄU: MIT DER HÖRNERBAHN ZUM

PANORAMA-HÖHENWEG IN BOLSTERLANG
Die Versuchung wartet bereits an der Bergstation der Hörnerbahn
in Form von Liegestühlen auf der windgeschützten Sonnenter-
rasse. Hier könnte man sich hinlegen, die Nase in die Winterson-
ne halten und das Bergpanorama bestaunen. Aber gefaulenzt wird
später. Jetzt geht es auf dem gespurten Winterwanderweg von der
Bergstation zum bewirtschafteten Berghaus Schwaben und in den
schneereichen Talkessel des Bolgentals hinein, und nach einem
kleinen Schlenker auf dem gleichen Weg zurück, wieder am Berg-
haus Schwaben vorbei – immer zwischen 1.400 und 1.600 Höhen-

Mit dem
metern. Mit acht Kilometern ist der Panorama-Höhenweg einer
der längsten im Allgäu. 20 Ruhebänke auf der Strecke laden ein,

Bähnle fahren
die Aussicht auf die Felskette der Allgäuer und Lechtaler Berge zu
genießen. Mit der Hörnerbahn geht es am Ende wieder hinab ins
idyllische Bergdorf Bolsterlang, wo Andrea und ihr Team in der
Talhütte hausgemachten Blechkuchen und Kaiserschmarrn ser-
vieren.
hoernerdoerfer.de/winterwandern-allgaeu

Fotos: Allgäu GmbH-Matthias Wendling; Allgäu GmbH

98 Magazin 1·2024

SÄCHSISCHE SCHWEIZ: ÜBER DIE HEILIGE STIEGE
Wer im Alltag lieber auf Treppen in den 5. Stock hochspurtet, statt
den Fahrstuhl zu nehmen, der ist hier richtig. Auf dieser Wanderung
sind nicht nur die Wege steil, da will auch die Heilige Stiege erklettert
werden, die mit 903 stählernen Stufen einen Höhenunterschied von
190 Metern überwindet – die Steiganlage in der Sächsischen Schweiz
mit den meisten Stufen. Die mittelschwere, acht Kilometer lange
Foto: picture alliance/Zoonar
Wanderung startet in Schmilka – ein heimeliges Winterdorf mit
knackendem Kaminfeuer und dampfenden Badezubern – und führt
über die besagte Heilige Stiege durch die mystische Felsenwelt des
Elbsandsteingebirges bis zum Carolafelsen, der mit einer fantasti-
schen Aussicht die ganze Plackerei vergessen lässt.
Magazin 1·2024
MACHEN Zu Fuß unterwegs
Gigantische A
ussicht
An Sommerwochenenden ist der Carolafelsen von Besucherinnen
und Besuchern belagert, im Winter hat man die gigantische Aussicht
meist ganz für sich allein: auf Pfaffensteine, Königstein, Lilienstein,
Schrammsteine, eben auf die ganze Vordere Sächsische Schweiz. Über
den Reitsteig geht es zurück nach Schmilka, wo die Winterdorf-Saison
noch bis 16. März 2024 dauert. Das kleine Bio-Dorf mit 75 Einwohnern
hat sich auf Winterfreuden anno 1665 spezialisiert: Baden in damp-
fenden Holzbottichen, Glühweinplausch am Kamin im Mühlenhof
und deftige Bio-Küche. Wer länger bleiben will, kann zwischen Unter-
künften in allen Kategorien wählen, von der Villa Waldfrieden über
das Hotel zur Mühle bis zur Villa Thusnelda direkt an der Elbe.
4
saechsische-schweiz.de, .schmilka.de/winterdorf
99
 MACHEN Grüne Reisetipps

Inzell: Alm-Chalets
mit eigener Sauna
Zwischen Chiemsee und Königsee im oberbayrischen
Grüne
Landkreis Traunstein liegt der Holznerhof, seit Anbeginn
im Jahr 1212 im Familienbesitz. Andrea und Peter Holzner
bewirtschaften den Bio-Hof mit Milchvieh, mit Ziegen, Ha-
sen, Hühnern und dem Pony Lena. Fünf noble Ferienwoh-
Reisetipps
nungen hat der Holznerhof und – ganz neu – zwei luxuriöse TEXT: HANNAH GLASER
Chalets mit je zwei Schlafzimmern und privater finnischer
Sauna. Brötchen kann man bestellen, Milch, Eier, Käse und
Nudeln liefert der Bio-Hof, im „Schmankerlschrank“ war-
ten regionale Spezialitäten. Die luxuriösen Ferienwohnun-
gen mit zwei Schlafzimmern kosten 90 Euro pro Nacht für
zwei Personen (jedes Kind plus 10 Euro), die beiden Alm- Oberammergau: Im Schnee
Chalets jeweils 275 Euro pro Nacht. Die Langlaufloipe führt
direkt am Bauernhof vorbei.
auf König Ludwigs Spuren
holznerhof-inzell.de, blauergockel.de Vom 20. Januar bis 2. März wandern Urlauber jeweils eine
Woche mit Wikinger Reisen auf Schneeschuhen auf den
Spuren von König Ludwig II durch die Welt der Ammer-
gauer Alpen, besuchen das Kloster Ettal und die gleichna-
mige Schaukäserei, steigen durch die Schleifmühlklamm
und erklimmen das Hintere Hörnle mit freiem Blick auf
Toskana: Bio-Urlaub Alpenkette und Zugspitze. Standort für alle geführten Aus-
bei den „Viallini“ flüge ist das 4-Sterne-Parkhotel Sonnenhof in Oberam-
mergau, wo an den beiden programmfreien Tagen Zeit ist
zum Relaxen mit Bio-Sauna, Dampfbad, Fitnessraum und
Spa-Anwendungen. Frühstücksbuffet und fünf Gänge am
Abend sind im Preis ab 945 Euro für die einwöchige Reise
inklusive. Sechs Termine stehen zur Auswahl.
wikinger-reisen.de

Toskanische
Steinhäuscr
In den Chianti-Hügeln der Toskana, zwischen Arezzo, Florenz und
Siena, versteckt sich ein besonderer Bauernhof: Fattoria La Vialla.
Piero und Giuliana erweckten 1978 das verlassene Gehöft mit
Weinbergen, Olivenbäumen und Gemüsegärten zu neuem Leben
– komplett biologisch. Heute bestellen die drei Söhne Gianni, Anto-
nio und Bandino mit 300 Mitarbeiterinnen das Land und verarbei-
ten seine Früchte zu Wein, Olivenöl, Nudeln, Schafskäse und Konfi-
türen, biologisch, Demeter-zertifiziert und nur direkt zu bestellen.
Die Weine und Olivenöle räumen seit Jahren internationale Preise
ab. Was nur Eingeweihte wissen: Auf La Vialla kann man auch Ur-
laub machen, zwischen April und Oktober in einem der verwun-
schenen Steinhäuschen – renoviert, voll ausgestattet und nur über
Feldwege zu erreichen. Mittag- und Abendessen gibt es auf der
„Piazzetta“ und im Hofladen kann man sich mit allen Köstlichkeiten
eindecken. lavialla.com, cappannelle.it/de/fattoria-la-vialla

100 Magazin 1·2024

 MACHEN Grüne Reisetipps

DB und ÖBB: Drei neue Nachtzüge

Dank der Zusammenarbeit der DB mit den Österreichischen Bundes-
bahnen (ÖBB) gibt es jetzt drei neue Nachtzugverbindungen. Von Ber-
lin geht es in 12 Stunden nach Paris mit Stopps in Halle, Erfurt, Frank-
furt (Süd) und Straßburg; von Berlin nach Brüssel mit Stopps in Halle,
Erfurt, Köln, Aachen und Lüttich, Fahrzeit 13,5 Stunden, sowie von Mün-
chen nach Warschau in 14,5 Stunden mit Stopps in Rosenheim, Salz-
burg, Linz, Wien und Krakau. Sitzplätze gibt es (frühzeitig gebucht) ab
29,90 Euro. Wer ein Abteil bucht, zahlt im Sitzwagen ab 99 Euro für
Dänemark: Auf maximal drei Reisende und im Liegewagen ab 199 Euro; ein eigenes

Tang-Safari in die Ostsee Abteil im Schlafwagen kostet ab 159 Euro. Seit Dezember pendeln
auch die neuen ÖBB Nightjets zwischen Hamburg und Wien bzw. Inns-
Wenn Algen im Meer treiben, sehen sie nicht un- bruck mit mehr Komfort und Mini-Cabins für Alleinreisende. oebb.at
bedingt aus, als würden sie schmecken und hätten
großen Nutzen für die Gesundheit. Doch beides ist
der Fall, und kaum übergießt man sie mit heißem
Wasser, wird aus dem modderigen braunen Hau-
fen ein knackiges Gemüse in leuchtendem Grün. In
Asien stehen Algen längst auf dem Speiseplan und
auch in Frankreich wird das Meeresgemüse als
Superfood gehandelt. An der dänischen Ostsee-
küste kann man jetzt auf Algen-Safari gehen, bei
der das schwimmende Grünzeug geerntet und
gleich am Strand zubereitet und verspeist wird.
Am schönsten im Tanggarten auf der kleinen Insel
Endelave, aber auch in Ebeltoft auf der Halbinsel
Djursland und auf der Insel Læsø im Kattegatt, wo
die traditionellen Hausdächer mit Tang gedeckt
sind. Der halbtägige Ausflug in hüfthohen Watho-
sen kostet etwa 30 Euro. tanggaarden-endelave.
Fotos: picture alliance/zb; imago images/imagebroker; © Harald Eisenberger; Destination Kystlandet

dk, kystlandet.de, dansktang.dk, visitlaesoe.de

fari
Auf Algensa
in der Ostsee

Magazin 1·2024 101

 MACHEN Kurz & klar
Erfolgreich
auf dem Holzweg
Dagmar Fritz-Kramer, Geschäftsführerin
des Allgäuer Fertighausherstellers Bau-
fritz, wurde von der Deutschen Bundes-
stiftung Umwelt (DBU) mit dem Deut-
schen Umweltpreis 2023 ausgezeichnet.
Fritz-Kramer erhielt den Preis zusammen
mit der Klimawissenschaftlerin Friederike
Otto. Begründung: Trotz verheerender
Kriege „machen die beiden Preisträgerin-
nen Mut, nicht zu verzagen und Arten-
und Umweltschutz anzupacken“.
In der Laudatio des von Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier überreichten
Preises hieß es zu Baufritz: Das Unterneh-
men leiste „vorzügliche Pionierarbeit“ und
mache seit Jahrzehnten vor, wie Klima-
und Umweltschutz durch Fertigholzbau
bei Häusern, Wohnungen und Sanierun-
gen gelinge. Baufritz sei Motor für die
Branche und die Bauwende. Der traditi-
onsreiche Handwerksbetrieb verarbeitet
nach eigenen Angaben in Zusammen-
arbeit mit Säge- und Hobelwerken im
120-Kilometer-Radius pro Jahr vor allem
„heimisches Fichtenholz vor der Haustür“.
102
Kurz
&
klar
Die Zahl
1/3
aller Heizungen
in Deutschland sind
aktuell älter als 20 Jahre.
Das Durchschnittsalter
von Heizungsanlagen
hierzulande beträgt
13,9 Jahre.
Quelle: BDEW-Studie
„Wie heizt Deutschland?“ 2023
KOMMUNALE WÄRMEPLÄNE
Wie sie künftig (klimafreundlicher) heizen,
ist wohl eine der drängendsten Fragen, die
Hausbesitzende derzeit umtreibt. Um leich-
ter entscheiden zu können, welcher Energie-
träger infrage kommt, hat die Bundesregie-
rung eine kommunale Wärmeplanung
beschlossen. So müssen Städte und Gemein-
den in den kommenden Jahren Karten und
Pläne erstellen, aus denen hervorgeht, wel-
che Voraussetzungen es vor Ort für die Wär-
meversorgung gibt oder welche Gebiete und
Stadtviertel an das Fernwärmenetz ange-
schlossen werden können. Großstädte mit
mehr als 100.000 Einwohnern müssen ihren
Wärmeplan bis Mitte 2026 vorlegen, kleine-
re Städte und Gemeinden zwei Jahre später.
Illustrationen: John1179/Shutterstock; noun project
Endlich bleifrei
Innerhalb der kommenden zwei Jahre – bis
zum 12. Januar 2026 – müssen Hauseigen-
tümer und Trinkwasserversorger alle Leitun-
gen und Teilstücke mit oder aus Blei entfer-
nen, austauschen oder zumindest stilllegen.
Fotos: Peter Himsel www.himsel.de; Another77/Shutterstock
Das sieht die im Juni 2023 in Kraft getretene
neue Trinkwasserverordnung vor. Darin wird
außerdem der Grenzwert für Blei von aktuell
10 Mikrogramm pro Liter (µg/l) zum 12. Janu-
ar 2028 weiter abgesenkt, auf dann 5 µ/l. In
älteren Gebäuden, die vor 1973 gebaut wur-
den, sind teils noch immer Wasserrohre aus
Blei installiert. Vor allem die regelmäßige Auf-
nahme kleinerer Bleimengen kann die Ge-
sundheit gefährden. So beeinträchtigt Blei die
Blutbildung und Intelligenzentwicklung von
Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern,
da das kindliche Nervensystem äußerst emp-
findlich auf das giftige Schwermetall reagiert.
Magazin 1·2024
 LEBEN Sonne

BEWEGEN UMWELT • POLITIK • GELD

Foto: Joerg Farys/www.dieprojektoren.de

112 SLAPP-Verfahren: Einschüchterungsklagen gegen kritische Stimmen

104 Das ändert sich 2024: Neues Jahr, neue Gesetze
120 Interview: Jürgen Resch – Über Werbelügen zum Klimaschutz
124 Kurz & klar
130 Kolumne: Gibt’s das auch in Grün? – „Böllern für eine bessere Welt“

103 103
Magazin 06·2019
 BEWEGEN Neue Gesetze, Abgaben, Zuschüsse

Das ändert sich

2024
Mit dem neuen Jahr kommen auch lauter
neue Gesetze, Verordnungen, Abgaben, Zuschüsse.
Wie der Umwelt geholfen werden soll, wer mit
Entlastungen rechnen kann und wer draufzahlen
muss – der Überblick.
TEXT: DANIEL SANDER

Illustration: Serif Affinity/Shutterstock

104 Magazin 1·2024

 BEWEGEN Neue Gesetze, Abgaben, Zuschüsse

Umwelt
WENIGER
GREENWASHING IM
SUPERMARKT
Mit einer neuen Richtlinie will die EU irrefüh-
renden Umweltlabels auf Produkten ein Ende
setzen. Angaben wie „umweltfreundlich“ oder
„klimaneutral“ (siehe Titelgeschichte ab S. 20
und Interview ab S. 118) sollen in Zukunft nur
noch verwendet werden dürfen, wenn die
Aussagen nachweislich zutreffen. Derzeit gibt
es in Europa mehr als 200 solcher Siegel, die
jeweils ganz unterschiedliche, oft undurch-
schaubare Kriterien anwenden. Die neue
Richtlinie soll nur noch Umwelt-Label zulas-
sen, die auf offiziellen Zertifizierungssyste-
men basieren. Die Regel soll 2024 eingeführt
werden, die EU-Mitgliedstaaten haben dann
zwei Jahre Zeit bis zur Umsetzung.

Magazin 1·2024 105

 BEWEGEN Neue Gesetze, Abgaben, Zuschüsse
CO2 -PREIS FÜR TANKEN,
HEIZEN UND MÜLL-
VERBRENNEN STEIGT
Die Bundesregierung will die sogenannte
Klimaabgabe für das Tanken und Heizen mit
fossilen Brennstoffen erhöhen. Ab dem
1. Januar soll der Preis für eine Tonne CO₂
von 30 Euro auf 40 Euro steigen. Laut Au-
ßenhandelsverband für Mineralöl und Ener-
gie werden Benzin und Diesel an den Tank-
stellen jeweils um etwa drei Cent pro Liter
teurer. Auch die Kosten des Heizens mit
Heizöl und Erdgas steigen in der Folge. Ganz
neu ist, dass die Abgabe dann auch für Müll-
verbrennung gilt – damit werden die Müll-
gebühren steigen, denn die Entsorgungs-
betriebe planen, die Kosten direkt an die
Kundschaft weiterzugeben.
106
STROMKOSTEN
SPAREN
MIT SÜDBALKONEN
Die Bundesregierung will mehr Menschen
dazu bringen, sich eine sogenanntes Balkon-
kraftwerk zuzulegen, um über Sonnenener-
gie eigenen Strom zu produzieren. Das ge-
plante Lockmittel: Statt maximal 600 Watt
im Jahr dürfen mit einer Solaranlage am
Balkon künftig 800 Watt ins Stromnetz ein-
gespeist werden – man kann also mehr So-
larstrom nutzen und dabei weniger Haus-
haltsstrom verbrauchen. Dass es überhaupt
so eine Grenze gibt, hat übrigens mit der
Sicherheit zu tun, nicht mit einer Lobbyver-
schwörung von Energiekonzernen: So soll
verhindert werden, dass Leitungen überlas-
ten und Kabelbrände entstehen.
PFANDPFLICHT
FÜR MILCH-
GETRÄNKEFLASCHEN
Ab Januar 2024 gilt auch für Milchgetränke,
die in Einweg-Kunststoffgetränkeflaschen
verkauft werden, ein Pfandzuschlag von 25
Cent – damit gibt es für Kakao-Drinks oder
Trinkjoghurts keine Ausnahmen mehr. Oder
eher fast keine, denn Getränkekartons wie
jene des Marktführers Tetra Pak sind weiter
pfandbefreit, obwohl auch sie Kunststoff
enthalten. Und auch auf die Größe kommt
es an: Die Pfandpflicht gilt nur für Plastik-
flaschen, die zwischen 0,1 und drei Liter
Platz bieten.
EINWEGKUNSTSTOFFFONDS
WIRD VORBEREITET
Ab dem 1. Januar 2024 müssen sich Her-
steller von Einwegplastik beim Umweltbun-
desamt im neuen Einwegkunststoffregister
registrieren – um ein Jahr später in den
sogenannten Einwegkunststofffonds ein-
zuzahlen. Betroffen sind vor allem Herstel-
ler von Lebensmittel- und Getränkebe-
hältern, aber auch von Plastiktaschen,
Feuchttüchern, Luftballons und Tabakfil-
tern. Die Höhe der Abgabe legt das Bundes-
umweltamt fest. Das erklärte Ziel laut Amt:
„die Vermüllung der Umwelt mit Einweg-
kunststoffprodukten zu reduzieren“.
DAS HEIZUNGSGESETZ
KOMMT (WAHRSCHEINLICH)
Über das Gebäudeenergiegesetz wurde so
viel gestritten, dass man kaum glauben
Illustration: FAHMI98/Shutterstock
kann, dass es ab 2024 wirklich in Kraft tre-
ten soll. Oder das was davon übrig geblie-
ben ist. Heißt: Neu installierte Heizungen
müssen zu mindestens 65 Prozent mit er-
neuerbaren Energien betrieben werden.
Ein generelles Verbot von Öl- und Gashei-
zungen oder eine direkte Verpflichtung zur
Wärmepumpe waren mal geplant, gehören
aber nicht mehr dazu.
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KEINE LOSEN
VERSCHLUSSKAPPEN
MEHR
Auf 100 Meter Nordseestrand fanden For-
scherinnen und Forscher im Durchschnitt
43 lose Plastikdeckel und Flaschenver-
schlüsse. Auch wegen solcher Zahlen
schreibt eine neue EU-Richtlinie ab dem
3. Juli 2024 sogenannte „Tethered Caps“ für
Einweg-Getränkeverpackungen aus Kunst-
stoff vor – also Verschlusskappen und De-
ckel, die fest mit dem Milchkarton oder der
Cola-Plastikflasche verbunden sind. Oder
zumindest so fest, dass man sie nur mit viel
Mühe ganz ablösen kann. Einige Hersteller
haben die Regel bereits umgesetzt, nicht
alle Kundinnen und Kunden waren darauf
vorbereitet. Um überlange und weitgehend
zwecklose Abschraubversuche in Zukunft
zu verhindern, drucken manche Unterneh-
men mittlerweile einen entsprechenden
Hinweis auf den Verschluss.
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EINHEITLICHE LADEKABEL
Bis Ende 2024 soll USB-C zum neuen Stan-
dard-Kabel für alle Smartphones, Digital-
kameras, Kopfhörer, Tablets, tragbare Vi-
deospielekonsolen, Tastaturen, E-Reader,

Was wirklich wichtig ist, kauft

Navigationsgeräte, Headsets und tragbare
Lautsprecher werden. Ab 2026 soll der
Standard auch für Notebooks gelten. So sol-
len Nerven geschont und Tonnen von Elekt-
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Magazin 1·2024
 BEWEGEN Neue Gesetze, Abgaben, Zuschüsse
Geld
ERHÖHUNG VON
MINDESTLOHN, BÜRGER-
GELD UND ERWERB-
MINDERUNGSRENTEN
In Elferschritten zum Inflationsausgleich: Die
Bundesregierung erhöht im Januar den Min-
destlohn von 12 Euro auf 12,41 Euro, ein Jahr
später soll es dann 12,81 Euro geben. Spür-
barer ist die geplante Erhöhung des Bürger-
gelds – so sollen Alleinstehende statt 502
Euro insgesamt 563 Euro monatlich bekom-
men. Zudem kommt ab Juli 2024 ein pau-
schaler Zuschlag auf alle Erwerbsminde-
rungsrenten, die in der Zeit von 2001 bis 2018
begonnen haben: Bei Rentenbeginn zwi-
schen Januar 2001 und Juni 2014 gibt es 7,5
Prozent mehr; bei einem Start zwischen Juli
2014 und Dezember 2018 sind es 4,5 Prozent.
Laut Deutscher Rentenversicherung waren
diese beiden Gruppen gegenüber allen an-
deren mit voller oder teilweiser Erwerbs-
minderung (bis 2001 auch Berufsunfähig-
keit) bisher benachteiligt.
108
MINIJOBBER DÜRFEN
MEHR VERDIENEN
Wer einen Minijob hat, darf ab 2024 im Mo-
nat 538 Euro verdienen, ohne Abgaben zah-
len zu müssen, das sind 18 Euro mehr. Wobei
der monatliche Lohn auch mal schwanken
und drüber liegen darf: Am Ende zählt die
Jahresverdienstgrenze von 6.456 Euro, die
nicht überschritten werden darf.
AUS FÜR DIE ENERGIE-
PREISBREMSE
Eigentlich sollten die Preisbremsen für
Strom, Gas und Wärme bis Jahresende gel-
ten, dann wollte die Bundesregierung sie bis
Ende April 2024 verlängern. Dann hieß es:
bis 31. März. Mit der Haushaltssperre war
schnell klar: Die Energiepreisbremse läuft
zu Beginn des Jahres 2024 aus.
NEUE STEUERTARIFE
Um eine inflationsbedingte Steuererhöhung
zu verhindern, werden einige Punkte der Ein-
kommenssteuer weiter angepasst. So steigt
zum Beispiel der Grundfreibetrag von 10.908
Euro ab 2024 auf 11.604 Euro, erst ab diesem
Wert beginnt die Besteuerung. Der Kinder-
freibetrag samt Freibetrag für Betreuungs-
oder Ausbildungsbedarf erhöht sich um
weitere 360 Euro auf 9.312 Euro. Der Spit-
zensteuersatz soll 2024 erst ab einem Jah-
reseinkommen von 66.761 Euro erhoben
werden; aktuell gelten für Einzelpersonen
noch 62.810 Euro. Vorbei sein wird es mit
den Steuererleichterungen, die seit der Pan-
demie für Speisen in der Gastronomie gel-
ten: Der Mehrwertsteuersatz wird wieder
von sieben auf 19 Prozent steigen.
KEIN ELTERNGELD MEHR
FÜR GUTVERDIENENDE …
… oder Sehr-Gutverdienende, je nach Sicht-
weise: 2024 soll die Einkommensgrenze für
den Anspruch auf Elterngeld stark sinken.
Bislang konnten Eltern mit einem gemeinsa-
men zu versteuernden Einkommen von bis
zu 300.000 Euro mit der staatlichen Hilfe
rechnen, im neuen Jahr soll es schon ab
200.000 Euro nichts mehr geben. Für Allein-
erziehende fällt die Grenze von 250.000
Euro auf 150.000 Euro. Was sich unabhängig
vom Einkommen ändert: Von den insgesamt
14 Monaten dürfen beide Elternteile nur noch
einen Monat lang parallel Elterngeld bezie-
hen. Aktuell ist es zum Beispiel auch möglich,
Illustrationen: FAHMI98/Shutterstock
dass Paare sieben Monate lang gleichzeitig
zu Hause bleiben können. Geburtsstichtag
für beide Änderungen ist der 1. April 2024.
Verschieben wird sich derweil die sogenann-
te Familienstartzeit, die das Familienminis-
terium eigentlich zum neuen Jahr einführen
wollte: zehn Tage bezahlter Zusatzurlaub für
den Partner oder die Partnerin der Mutter
direkt nach der Entbindung.
Magazin 1·2024
 BEWEGEN Neue Gesetze, Abgaben, Zuschüsse

Mobilität
BLACKBOX FÜR ALLE NEU
ZUGELASSENEN AUTOS
Flugzeuge haben längst alle eine, jetzt wird
die Blackbox auch für alle in der EU zugelas-
senen Neuwagen zur Pflicht: Ab dem 7. Juli
2024 muss in allen entsprechenden Autos,
Lastern und Bussen ein sogenannter Event
Data Recorder verbaut sein, kurz EDR. Wie
die Flugzeug-Blackbox zeichnet das Gerät
permanent alle wichtigen Reisedaten auf
und überschreibt sie wieder neu, etwa den
Standort, die Geschwindigkeit und die Ta-
geszeit. Dauerhaft gespeichert werden nur
die Daten, die kurz vor und nach einem Unfall
aufgenommen werden – sie können dann
Hinweise zur Ursache liefern.

WENIGER FÖRDERUNG
VON E-AUTOS
Sind E-Autos noch Teil der Mobilitätswende?
Der Staat reduziert seine Zuschüsse für den
Neuwagenkauf jedenfalls deutlich: Ab dem
1. Januar 2024 gibt es für den Kauf eines
elektrisch betriebenen Autos ab 45.000
Euro Nettolistenpreis überhaupt keine För-
derung mehr; für alle neuen E-Autos unter
45.000 Euro soll die einstige „Umweltprä-
mie“ von 4.500 Euro auf einen Zuschuss von
3.000 Euro sinken. Oder auch auf null, wenn
die Fördertöpfe leer sind.

Magazin 1·2024 109

 BEWEGEN Neue Gesetze, Abgaben, Zuschüsse

Sonstiges
KEIN KINDERREISEPASS
MEHR
Ab Januar 2024 können Eltern keine Kinder-
reisepässe mehr beantragen. Wer mit sei-
nen Unterzwölfjährigen künftig in Länder
außerhalb der EU reisen möchte, muss ihnen
einen normalen Reisepass mit Chip besor-
gen. Der kostet statt 13 Euro allerdings auch
37,50 Euro. Bei Reisen im Schengen-Raum
genügt ein Personalausweis – für 22,80 Euro.

AUSWEISE PER
POST
Deutschlands Behörden üben weiter Kun-
denfreundlichkeit: Am 1. November 2024
sollen die rechtlichen Grundlagen für den
sogenannten Direktversand von hoheitli-
chen Dokumenten geschaffen werden. Da-
mit können zum Beispiel Personalausweise,
Reisepässe oder Führerschein auf Wunsch
direkt an die Meldeanschrift der Person ver-
sendet werden, die das Dokument beantragt
hat – ganz ohne Gang zur Behörde. Oder wie
es das Bundesinnenministerium nicht ohne
Stolz auf seiner Internetseite verkündet:
„Wer möchte, nimmt künftig neue Ausweis-
dokumente bequem zu Hause in Empfang.“
Von der Schaffung der rechtlichen Grund-
lage bis zum tatsächlichen Erstversand kann
es dann allerdings etwas dauern. Denn, so
warnt das Ministerium, „die technische und
organisatorische Umstellung wird etwas
Zeit benötigen“.

MEHR
KINDERKRANKENTAGE
Illustration: FAHMI98/Shutterstock

Eltern können ab dem neuen Jahr offiziell 15

bezahlte Kinderkrankentage beantragen –
nach dem Ablauf von Pandemie-Sonderre-
gelungen wären es sonst wieder zehn Tage
pro Jahr und Elternteil gewesen. Zudem soll
man dafür sein Kind nicht schon am ersten
Tag in die Praxis schleppen müssen – in Zu-
kunft soll Tag 4 ausreichen.

110 Magazin 1·2024


ELEKTRONISCHES REZEPT
WIRD STANDARD
Seit Mitte 2023 können Rezepte in Apotheken
auch in digitaler Form eingelöst werden, ab
dem 1. Januar 2024 soll das zum verbindli-
chen Standard in der Arzneimittelversor-
gung werden. Und so funktioniert es: In der
Arztpraxis wird ein elektronisches Rezept
ausgestellt. Dabei wird ein Rezeptcode gene-
riert, der zum Einlösen in der Apotheke nötig
ist. Diesen Code kann man in der E-Rezept-
App direkt öffnen. Wer möchte, kann sich in
der Praxis aber auch einen Ausdruck geben
lassen. Das E-Rezept gilt als fälschungssicher
und soll Zeit und Wege sparen.
AUSGLEICHSABGABE
FÜR FIRMEN OHNE
SCHWERBEHINDERTE
ANGESTELLTE
Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitenden sind
verpflichtet, fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze
mit schwerbehinderten Personen zu beset-
zen – wenn sie das nicht tun, fällt eine Aus-
gleichsabgabe an. Die lag pro unbesetztem
Pflichtarbeitsplatz bislang bei bis zu 360 Euro.
Ab dem 1. Januar fallen bis zu 720 Euro an.
MEHR SORGFALT IN DEN
LIEFERKETTEN
Ab Januar 2024 gilt das Lieferkettensorg-
faltspflichtgesetz auch für Unternehmen mit
mindestens 1.000 Angestellten – vorher wa-
ren es 3.000. Doch auch kleine Unterneh-
men werden betroffen sein: Wenn sie Teil der
Lieferkette sind, müssen ihre Auftraggeber
sicher sein können, dass auch sie alle Vor-
gaben einhalten. Das Gesetz soll unter an-
derem Kinder- und Zwangsarbeit verhin-
dern und eine angemessene Entlohnung
entlang der ganzen Lieferkette sichern.
Magazin 1·2024
BEWEGEN Neue Gesetze, Abgaben, Zuschüsse
NEUE ETIKETTEN-
VORSCHRIFT FÜR WEINE
Wein-Fans sollen mehr darüber erfahren,
was genau sie da eigentlich trinken. Nach
einer neuen EU-Verordnung müssen auf
dem Etikett in Zukunft Inhaltsstoffe, Allerge-
ne sowie Energie- und Nährwerte deklariert
werden. Die Regel gilt nur für Weine, die nach
dem 8. Dezember 2023 hergestellt wurden
und in der EU verkauft werden sollen. Einige
Informationen, etwa über Allergene, müssen
direkt auf das Etikett gedruckt werden. Für
andere reicht zum Beispiel ein QR-Code, der
auf eine Website mit den entsprechenden
Angaben führt.
LEGALER
RAUSCH
Anfang 2024 soll Cannabis legalisiert wer-
den, jedenfalls bis zu einer bestimmten Men-
ge: Erwachsene sollen 25 Gramm Gras
besitzen dürfen. Hobbygärtner und -gärtne-
rinnen dürfen zu Hause bis zu drei Pflanzen
ziehen – Anbauvereinigungen sind möglich.
SAMMELKLAGEN
LEICHTGEMACHT
Gemeinsam stärker: Eine neue EU-Richtlinie
soll es Menschen leichter machen, gesam-
melt gegen Konzerne zu klagen. So soll es
Verbraucherinnen und Verbrauchern zum
Beispiel in Zukunft möglich sein, sich noch
bis zu drei Wochen nach Schluss der münd-
lichen Verhandlung einer sogenannten Ver-
bandsklage anzuschließen. Ziel der Reform:
Menschen sollen schneller eine Entschädi-
gung bekommen können, ohne alleine vor
Gericht ziehen zu müssen – etwa wenn Flüge
annulliert werden oder fehlerhafte Produk-
te Schaden anrichten. Für eine Sammelklage
braucht es mindestens 50 Betroffene, die
sich zusammentun möchten.
DIGITALE
SICHERHEIT
Ab dem 1. Januar 2024 soll in der EU ein ein-
heitliches Regelwerk für digitale Dienste
und Märkte gelten. Onlineplattformen und
Suchmaschinen sollen sich dann EU-weit
zum Beispiel an dieselben Sorgfaltspflich-
ten halten müssen, einige neue Pflichten
kommen hinzu. Für Privatpersonen soll der
digitale Raum sicherer und transparenter
werden, die Macht der großen, marktbe-
herrschenden Digitalkonzerne soll be-
schränkt werden.
LÄNGERE
TÖTUNGSFRIST FÜR
MÄNNLICHE
KÜKENEMBRYOS
Nach dem Schlüpfen dürfen Küken seit 2022
nicht mehr umgebracht werden, das be-
rüchtigte Schreddern der männlichen Tiere
direkt nach der Geburt ist verboten. Nach
wie vor dürfen aber männliche Hühnerem-
bryos getötet werden – und hier werden die
Regeln in Zukunft sogar etwas aufgeweicht.
Bislang war eine Tötung bis zum 6. Be-
brütungstag möglich, ab dem 1. Januar 2024
gilt dies bis zum 12. Tag. Laut neuen wissen-
schaftlichen Erkenntnissen sollen Hühner-
embryos vor dem 13. Bebrütungstag kein
Schmerzempfinden haben, heißt es als Be-
gründung.
111
 BEWEGEN SL APP-Verfahren

Abmahnen,
verklagen,
einschüchtern
Immer häufiger verklagen Unternehmen, Lobby-
gruppen oder einflussreiche Privatpersonen
Aktivistinnen, Journalisten oder Vereine – mit dem
Ziel sie einzuschüchtern und mundtot zu machen.
Experten halten solche SLAPP-Verfahren
für eine ernste Bedrohung der
Demokratie und Meinungsfreiheit.
TEXT: GINA HAUBNER

S
üdtirol ist bei Touristen für seine
schöne Natur bekannt, besonders
im Frühling, wenn die Äpfel blühen.
Und Apfelplantagen gibt es hier viele, denn
Südtirol ist das größte zusammenhängen-
de Apfelanbaugebiet Europas. Knapp
913.000 Tonnen Äpfel wurden hier 2022
geerntet. Um solche Erntemengen zu er-
zielen, hilft die Landwirtschaft ordentlich
nach, mit chemisch-synthetischen Pestizi-
den. Vinschgau macht flächentechnisch
knapp ein Fünftel von Südtirol aus. 2017
spritzten hier zwischen März und Septem-
ber um die 700 Landwirte ihre Apfelplan-
tagen – jede im Schnitt 38 Mal. Darunter
bedenkliche Substanzen und viele Stoffe,
die die Artenvielfalt gefährden. Zu diesem
Ergebnis gelangt das Umweltinstitut Mün-
chen durch die Auswertung der Spritzbü-
cher, in denen 681 Vinschgauer Apfelbau-
ern ihren Pestizideinsatz dokumentierten.
Dass in den Monokulturen ihrer Gegend
massenhaft Spritzgifte eingesetzt werden,
beunruhigte die Menschen im Dorf Mals
in Südtirol schon länger – und zwar so sehr,
dass sie sich zur Wehr setzten und als ers-
te Gemeinde in Europa per Volksabstim-
mung Pestizide auf ihrem Gebiet verboten.
Beeindruckt von diesem Engagement be-
gann der Filmemacher Alexander Schiebel
ab 2014 ihre Geschichte in „Das Wunder
von Mals“ zu erzählen – in zwei Filmen und
als Buch.
1.372 Strafanzeigen
Doch die Begeisterung über sein Buch
hielt sich auf Seiten der Landwirte und der
Politik in Grenzen. Am 29. September
2017, wenige Wochen nach dessen Ver-
öffentlichung, sitzt Schiebel im Zug. Er ist
auf dem Heimweg von einem Interview,
als ihn der Klingelton seines Handys aus
den Gedanken reißt. Am anderen Ende ist
eine Journalistin. Sie bittet ihn um eine
Stellungnahme zu der Strafanzeige gegen
ihn. Schiebel ist perplex. Er weiß nicht
wovon sie spricht. Auf diese Weise erfährt
er, dass Landesrat Arnold Schuler, zustän-
dig für die Landwirtschaft in Südtirol, Fotos: Joerg Farys - www.dieprojektoren.de; Hanae Yamashita
Strafanzeige gegen ihn erstattet hat. Die
Begründung: In „Das Wunder von Mals“
hatte Schiebel den Südtiroler Obstbauern
wegen ihres Pestizideinsatzes „Tötung
durch vorsätzliches Ignorieren von Ge-
fahren“ vorgeworfen. Davon fühlten sich
die Landwirte und Landwirtinnen verun-
glimpft, weshalb Schiebel in Italien wegen
„diffamazione“ – ähnlich dem deutschen
Straftatbestand der üblen Nachrede – an-
geklagt wurde. Doch damit nicht genug.
In den kommenden Tagen trudelte eine
Strafanzeige nach der anderen ein – ins-
gesamt 1.372 sind es am Schluss. Der Süd-

112 Magazin 1·2024

 BEWEGEN SL APP-Verfahren

„Die Wahrheit
auszusprechen ist kein
Verbrechen" steht auf dem Plakat,
das Aktivisten zum Auftakt des
Pestizidprozesses hochhalten.

„Auch dann tiroler Bauernbund und viele Obstbauern

hatten sich als Nebenkläger angeschlos-
wenn ich nicht sen.
direkt mit dem Ein SLAPP-Verfahren par excellence
Der sogenannte Pestizidprozess gilt in-
Verfahren beschäf- zwischen als eines der bekanntesten
Organe, stellt die EU-Kommission im Ap-
ril 2022 fest. Das Ziel: Öffentliche Äuße-
rungen, Kritik oder Proteste durch oft
hohe Schadenersatzansprüche oder teure
und aufwendige Unterlassungsklagen zu
sanktionieren und zu unterbinden.
Die Europäische Kommission beschreibt

tigt war, konnte SLAPP-Verfahren Deutschlands. SLAPP

ich mich kaum
auf etwas anderes
konzentrieren.“
Alexander Schiebel
Betroffener einer SLAPP-Klage
– das ist die Kurzform für „strategic law-
suits against public participation“, auf
Deutsch: strategische Klagen gegen öf-
fentliche Beteiligung. Und es ist kein Zu-
fall, dass die Abkürzung ähnlich klingt,
wie das englische Wort „to slap“ (schla-
gen/ ohrfeigen). Verklagt werden Journa-
listen, Aktivistinnen und andere Vertei-
diger von Menschenrechten, wie etwa
Nichtregierungsorganisationen (NGO).
Kläger sind in der Regel einflussreiche
Privatpersonen, Lobbygruppen, Unter-
nehmen und manchmal sogar staatliche
den Hintergrund solcher Verfahren wie
folgt: „Der Zweck solcher Klagen besteht
darin, Kritiker zu zensieren, einzuschüch-
tern und zum Schweigen zu bringen, indem
ihnen so lange die Kosten für die Verteidi-
gung aufgebürdet werden, bis sie ihre Kri-
tik oder Opposition aufgeben.“ So sollen
Kritiker von ihrer Arbeit abgehalten wer-
den. Deswegen handele es sich bei SLAPPs
um „grundlos übertriebene Gerichtsver-
fahren“, die einen „Missbrauch“ dieser Ver-
fahren darstellen, so die Kommission.
Einschüchterung war wohl auch das Ziel
im Pestizidprozess. Denn neben Autor

Magazin 1·2024 113

 BEWEGEN SL APP-Verfahren
Alexander Schiebel waren auch sein Ver-
leger Jacob Radloff vom Oekom Verlag und
Mitarbeitende des Umweltinstituts Mün-
chen angeklagt. Genauer: mehrere Vor-
standsmitglieder der NGO und der dama-
lige Mitarbeiter Karl Bär, der heute als
Abgeordneter für die Grünen im Bundestag
sitzt. Hintergrund: Im Herbst 2017 hatten
Mitarbeitende des Umweltinstituts an ei-
ner U-Bahn-Station in München ein Plakat
aufgehängt. Statt dem Tourismus-Slogan
„Südtirol sucht dich“, stand darauf „Süd-
tirol sucht saubere Luft“, darunter ein Link
mit Infos zum Pestizideinsatz in Südtirol.
„Es war keine große, aufwändige Kampa-
gne“, sagt Veronika Feicht, Referentin für
Agrarpolitik beim Umweltinstitut Mün-
chen. Nur wenige Tage hing das Plakat,
doch es reichte für eine Strafanzeige wegen
übler Nachrede und einer Klage wegen
114
2.
1. Alexander Schiebel (l.) und Karl Bär
nach dem ersten Freispruch im Südtiroler
Pestizidprozess.
2. Pestizideinsatz im Vinschgauer Apfelan-
bau: Im Jahr 2017 wurde jede Apfelplantage
dort im Schnitt 38 Mal gespritzt, ergab die
Auswertung der Spritzbücher Südtiroler
Apfelbauern.
1.
Markenfälschung. Denn statt des Logos
„Der Zweck von Südtirol war ein ähnliches Logo mit
dem Namen „Pestizidtirol“ abgebildet.
solcher Klagen
Freispruch nach 15 Minuten
besteht darin, Im Mai 2021 ist es dann so weit: Dreieinhalb
Kritiker zu Jahre nach der Anzeige gegen ihn steht Ale-
xander Schiebel in Bozen vor Gericht. Der
zensieren, ein- Autor und Filmemacher hatte zwar damit
gerechnet, dass die Obst- und Pestizidlobby
zuschüchtern juristisch gegen ihn vorgehen würde. „Aber
und zum dass die italienische Staatsanwaltschaft
wirklich etwas findet, um einen Strafprozess
Schweigen zu eröffnen, das hatte ich nicht erwartet.
Ich hatte ja nichts gemacht“, sagt er. Und so
zu bringen.“ sieht es auch der Richter. Gerade einmal
einen Tag lang steht Schiebel letztendlich
EU-Kommission vor Gericht, genauer gesagt sind es sogar
in einer Richtlinie vom
nur 15 Minuten. Dann spricht ihn der Rich-
April 2022
ter frei.
Magazin 1·2024

„Verursacher von SLAPPs zur Verantwortung ziehen“
Was war für Sie persönlich die
schlimmste Erfahrung im
Zusammenhang mit dem SLAPP-
Verfahren?
Alexander Schiebel: Von ehemaligen
Mitstreitenden allein gelassen zu wer-
den – das fand ich besonders schockie-
rend. Und auch die Teilnahmslosigkeit
der Zivilgesellschaft, insbesondere von
grün-gesinnten Menschen, hat mich
enttäuscht. Ich hätte mir mehr Unter-
stützung gewünscht. Speziell in Süd-
tirol.
Und was ist die für Sie wichtigste
Konsequenz aus dem Prozess?
Wir haben ein so großes ökologisches
Problem weltweit, nicht nur mit Blick
auf den Pestizideinsatz. Dass die Ver-
ursacher dieser Krise ihre Kritiker mit-
tels SLAPP-Klagen einfach aus dem
Weg räumen können, sofern sie ihren
Interessen gefährlich werden – das
lässt mich desillusioniert zurück. Aber
es stärkt mich auch gleichzeitig. Weil
ich jetzt weiß, worauf ich mich einlasse.
Fotos: C. Dörfler/Villagio Photography; Joerg Farys/www.dieprojektoren.de; Hanae Yamashita
Und obwohl es nur ein Verhandlungstag
war, sind die Konsequenzen für Schiebel
verheerend. Anderthalb Jahre lang hatte das
lange Warten auf den Prozess seine Ressour-
cen vereinnahmt – zeitlich und finanziell.
„Auch in Momenten, in denen ich nicht di-
rekt mit dem Verfahren beschäftigt war,
konnte ich mich nicht wirklich auf etwas
anderes konzentrieren“, erzählt Schiebel.
Insgesamt schätzt er seinen Schaden – auch
aufgrund des zeitlichen Aufwands – auf
60.000 Euro, inklusive der Kosten für einen
Staranwalt. Denn ohne ihn hätte es auch
ganz anders ausgehen können, davon ist
Schiebel überzeugt. Eine finanzielle Ent-
schädigung hat er nicht erhalten.
Insgesamt dauerte der Prozess gegen
sämtliche Beteiligte mehrere Tage: Alle An-
geklagten wurden jedoch schnell freige-
sprochen. Der entstandene Schaden geht
Magazin 1·2024
INTERVIEW
Alexander Schiebel
Filmemacher und Autor
Diese Art der Repression wird mir
nichts mehr anhaben. In meinem aktu-
ellen Buch „Gift und Wahrheit“ setze
ich mich daher noch konsequenter mit
der Monokultur-Landwirtschaft und
ihrer Abhängigkeit von Ackergiften
auseinander.
Was erhoffen Sie sich von der geplan-
ten EU-Richtlinie?
Hätte es zu meiner Zeit bereits ein
Anti-SLAPP-Gesetz in allen europäi-
schen Ländern gegeben, hätte ich nicht
vor Gericht gemusst. Der Richter hätte
das Verfahren vorher beenden können.
also noch weit über Alexander Schiebels
Verluste hinaus. Veronika Feicht erinnert
sich: „Im Umweltinstitut haben alle Mit-
arbeitenden zirka ein halbes Jahr lang fast
ausschließlich an unserer Verteidigung ge-
arbeitet. Denn im Falle einer Verurteilung
wäre die Existenz der gesamten Organisa-
tion bedroht gewesen.“
Hohe Kosten für Betroffene
Und genau das sei Ziel von SLAPP-Klagen,
betonen Experten: die Ressourcen der Be-
troffenen zu binden. Sie verlieren Zeit und
Geld. Bei den meisten SLAPP-Klagen han-
delt es sich – anders als im Pestizidprozess
– um Zivilverfahren, also um Verfahren
zwischen zwei privaten Parteien, in denen
teilweise auch hohe Schadenersatzforde-
rungen geltend gemacht werden. Die Kosten
eines solchen Zivilverfahrens müssen die
BEWEGEN SL APP-Verfahren
Das wäre eine große Hilfe gewesen.
Was ich mir deswegen von der EU-Ini-
tiative wünsche, ist, die Verursacher
solcher Verfahren künftig daran zu
hindern und sie auch zur Verant-
wortung zu ziehen. Damit anderen
nicht das Gleiche passiert. Eine Kom-
pensation zu erhalten wäre auch schön
gewesen.
Hat sich Ihrer Meinung nach durch
den Prozess und das öffentliche Inter-
esse etwas am Einsatz von Pestiziden
in Südtirol geändert?
Nein. Im Moment geht alles weiter wie
bisher. Die Apfellobby in Südtirol weiß
jetzt, dass sie sowohl die Anliegen der
lokalen Bevölkerung erfolgreich igno-
rieren kann als auch Kritik aus benach-
barten Ländern. Da diese Form der
Landwirtschaft jedoch nicht nachhaltig
ist, werden die ökologischen und ge-
sundheitlichen Probleme sich leider
machtvoll zurückmelden. Hoffentlich
können wir in der Zukunft aus unseren
heutigen Erfahrungen lernen.
Betroffenen zunächst selbst aufbringen.
Und selbst wenn sie vor Gericht siegen, wird
ihnen oftmals nur ein Teil der entstandenen
Kosten erstattet. Auch eine Entschädigung
für eventuelle Verluste bekommen sie in den
meisten europäischen Ländern nicht. Selbst
dann nicht, wenn sie gewinnen, erklärt
Joschka Selinger, Jurist bei der Gesellschaft
für Freiheitsrechte. „Für Betroffene bedeu-
tet eine SLAPP-Klage oft den finanziellen
Ruin“, betont er. Selinger leitet bei dem ge-
meinnützigen Verein zur Verteidigung der
Grundrechte den Bereich Demokratie und
Grundrechte. SLAPP-Klagen sind seit meh-
reren Jahren eines seiner Schwerpunktthe-
men. Er ergänzt: „Auch psychisch sind die
Gerichtsverfahren, die zum Teil jahrelang
dauern, für die Betroffenen oftmals sehr be-
lastend.“ Zudem fühlten sich viele der Be-
troffenen alleine gelassen.
115
 BEWEGEN SL APP-Verfahren
Gefahr für die Demokratie
Und nicht nur für die direkt Betroffenen
stellen SLAPPs eine Bedrohung dar, betont
Selinger: „Sie schüchtern auch andere Men-
schen ein.“ Experten betonen deswegen die
Gefahr für die Meinungs- und Informati-
onsfreiheit. Ilja Braun, Politikreferent bei
Reporter ohne Grenzen, sagt: „Wenn Jour-
nalist:innen befürchten müssen, sich nach
unliebsamen Recherchen jahrelang vor
Gerichten gegen hohe Schadensersatzfor-
derungen verteidigen zu müssen, werden
sie sich gründlich überlegen, ob sie über
Korruption, Machtmissbrauch oder Verstri-
ckungen von Politiker:innen in kriminelle
Machenschaften berichten. Je mehr solcher
Klagen es gibt, desto weniger Skandale wer-
den im Zweifelsfall aufgedeckt.“ Aus Selbst-
schutz könnten Journalisten vor der Be-
richterstattung über bestimmte Themen
zurückschrecken, so Braun. Deswegen
können SLAPPs nicht nur die Meinungs-
freiheit Einzelner, sondern auch die Infor-
mationsfreiheit vieler anderer gefährden.
„In der deutschen
Justiz gibt es bisher
noch kein großes
Bewusstsein für
SLAPP-Klagen.
Das ist ein großes
Problem.“
Joschka Selinger
Jurist bei der Gesellschaft für
Freiheitsrechte (GFF)
Um sich eben nicht zum Schweigen bringen
zu lassen, veröffentlichte Schiebel nach
„Das Wunder von Mals“ noch ein Buch. In
„Gift und Wahrheit“ (siehe Kasten rechts),
erschienen im Oktober 2023, schrieb er all
seine Erfahrungen rund um die Anklage
auf. Seine liebste Beschäftigung war es
116
SLAPPs
ZAHLEN &
FAKTEN
820
SLAPPs verzeichnet die Coalition
Against SLAPPs in Europe (CASE) für
das Jahr 2023 (bis August) in ihrer
Datenbank. 2022 waren es europaweit
insgesamt 570 Fälle. Für Deutschland
sind dort 12 Fälle aufgeführt.
Die häufigsten Ziele von SLAPPs
sind Journalisten, Medien, Redakteure,
Aktivisten und Nichtregierungsorgani-
sationen (NGO). Die Klagen zielen meist
auf Aktionen oder Veröffentlichungen
zu Korruption, Regierungs-, Geschäfts-
und Umweltfragen.
48
Klagen lagen gegen die investigative
Journalistin Daphne Caruana Galizia
zum Zeitpunkt ihrer Ermordung im Jahr
2017 vor. Nach ihrem Tod wurde ein Teil
der Klagen gegen Galizias Angehörige
weitergeführt.
15.150
Euro: Das ist der Median-Wert
der geltend gemachten
Schadenersatzzahlungen,
schlussfolgert CASE.
Auf 78 Millionen Euro
Schadensersatz wurde die Süd-
deutsche Zeitung verklagt. Es ging
um die Berichterstattung über
den Niedergang der Firma Solar
Millennium und den Verdacht auf
Insiderhandel. Der Fall liegt in-
zwischen beim Bundesgerichtshof.
Hilfe
finden Betroffene
von SLAPPs
beispielsweise hier:
the-case.eu
antislapp.eu
BUCHTIPP
KAMPF VON DAVID
GEGEN GOLIATH
Spannend wie in einem Krimi zeichnet
Alexander Schiebel seine Erinnerungen
und Eindrücke als Betroffener im „Süd-
tiroler Pestizidprozess“ nach, der inzwi-
schen als Deutschlands bekanntestes
SLAPP-Verfahren gilt. Der Autor und
Filmemacher zeigt darin die perfiden
Methoden auf, mit denen eine mächtige
Agrarlobby gegen Kritiker ihres Modells
der Landwirtschaft vorgeht.
Alexander Schiebel:
Gift und Wahrheit. Wie
Konzerne und Politik
ihre Macht missbrau-
chen, um Umweltakti-
vist:innen mundtot zu
machen | Oekom Ver-
lag 2023 | 208 Seiten |
20 Euro.
nicht, sich noch einmal mit all dem ausei-
nanderzusetzen, gesteht der Autor. Den-
noch erfüllt das Buch für ihn eine wichtige
Aufgabe: „Ich will mich durch Transparenz
wehren, gegen den gruseligen SLAPP-
Wahnsinn“, sagt er.
Auch das Umweltinstitut München hat
sich durch das SLAPP-Verfahren nicht ein-
schüchtern lassen. Agrarpolitik-Expertin
Feicht kann dem Ganzen sogar noch etwas
Fotos: © Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.; T. Cytrynowicz; EU/Michal Cizek
Gutes abgewinnen: „Ohne das Verfahren
wären wir nie an die Spritzbücher der Süd-
tiroler Landwirtinnen und Landwirte ge-
kommen.“ Diese hatte das Umweltinstitut
als Beweismittel beantragt, um die Fakten
zu prüfen und sich gegen die strafrechtli-
chen Vorwürfe zu wehren. Und tatsächlich
erhielt es die Bücher der mehr als 1.300
Landwirte, die Anzeige erstattet hatten.
Darin notieren sie ihren gesamten Pesti-
zideinsatz. Das Umweltinstitut wertete die
Bücher von knapp 700 Landwirten aus und
veröffentlichte die Daten auf seiner Web-
site. „Solche Daten hat sonst niemand,
denn an diese Bücher zu gelangen, ist nor-
malerweise unmöglich. Deswegen ist die
Klage für die Südtiroler Apfelindustrie et-
Magazin 1·2024
 BEWEGEN SL APP-Verfahren

Věra Jourová,
EU-Kommissions-
vizepräsidentin, be-
grüßt die geplanten
EU-Maßnahmen
zum Schutz vor
SLAPP-Klagen: „Das
neue Gesetz wird all
jene abschrecken,
die mit solchen
missbräuchlichen
Klagen liebäugeln.“

was nach hinten losgegangen, denn jetzt
haben wir mehr Transparenz über den
Pestizideinsatz als vorher“, erläutert
Feicht. Und das Umweltinstitut hat noch
mehr gemacht. Es schloss sich dem euro-
„In einer päischen Anti-SLAPP-Bündnis „Coalition
Against SLAPPs in Europe“, kurz CASE, an.
Demokratie Das Bündnis startete eine Petition, gerich-
gen, könnten fortan die Kläger als Geschä-
digte aus einem SLAPP-Verfahren gehen.
Jourová begründete die Richtlinie mit den
Worten: „In einer Demokratie dürfen Reich-
tum und Macht nie über die Wahrheit be-
stimmen. Mit diesen Maßnahmen tragen
wir zum Schutz der Menschen bei, die Ri-
siken eingehen und sich zu Angelegenhei-

dürfen Reichtum tet an die EU-Kommission, um Betroffene

von SLAPPs in der EU künftig besser zu
ten im öffentlichen Interesse äußern.“ In
vielen Bundesstaaten der USA und in Ka-
und Macht nie schützen. Im Februar 2022 überreichten sie
200.000 Unterschriften an Věra Jourová,
nada gibt es solche Gesetze bereits.

über die Wahrheit
bestimmen.“
Věra Jourová
EU-Kommissarin für Werte und
Transparenz und Vizepräsidentin
der EU-Kommission
Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Sanktionen gegen Kläger geplant
Und die EU-Kommission hat die große Ge-
fahr, die von SLAPP-Klagen für demokra-
tische Grundrechte ausgeht, inzwischen
erkannt. Im April 2022 stellte sie einen
Richtlinienentwurf vor. Er soll Richtern
unter anderem ermöglichen, Klagen, die
offenkundig missbräuchlich sind, schnell
abweisen zu können. Außerdem sieht der
Vorschlag Entschädigungen für Betroffene
und abschreckende Sanktionen für Kläger
bei missbräuchlichen Klagen vor. Würde die
Richtlinie so verabschiedet wie vorgeschla-
Mehr und mehr SLAPPs
Der europäische Gesetzesvorschlag kommt
zur richtigen Zeit, denn SLAPPs nehmen
zu in Europa. Insbesondere Kroatien und
Polen geben laut EU-Kommission Anlass zu
großer Sorge. Auch die CASE-Statistik
führt Polen mit 128 Klagen an, gefolgt von
Malta (88), Frankreich (76) und Kroatien
mit 54 Klagen. In Deutschland beobachten
Experten zwar noch verhältnismäßig we-
nige – CASE zählt zwölf, Joschka Selinger
und sein Team schätzen, es sind sehr viel
mehr –, doch insbesondere im Kontext der
Klima- und Umweltbewegung steige die
Zahl. Der Energiekonzern RWE sei hier-

117
Magazin 1·2024
 BEWEGEN SL APP-Verfahren
zulande Vorreiter, sagt Selinger. 2023 kün-
digte RWE an, eine Gruppe von Klimaakti-
visten auf 1,4 Millionen Euro Schadenersatz
verklagen zu wollen. Sie hatten das Braun-
kohlekraftwerk Neurath in Teilen blockiert.
2019 wollte RWE außerdem 2,17 Millionen
Verfahren wären
Euro Schadenersatz von fünf Aktivisten
fordern – für die teilweise Besetzung des
Braunkohlekraftwerks Weisweiler. Sie hat-
ten 2017 den Betrieb des Kraftwerks für
einen halben Tag lahmgelegt.
Hohe Dunkelziffer
Oft aber bekommt die Öffentlichkeit von
SLAPPs gar nichts mit. Nämlich dann,
wenn die Initiatoren ihr Ziel bereits außer-
gerichtlich erreichen. Etwa durch Abmah-
nungen, die eine sofortige Unterlassung
kritischer Äußerungen fordern und andern-
falls mit langwierigen Gerichtsverfahren
und hohen Schadenersatzforderungen dro-
hen. Die Dunkelziffer dieses Vorgehens
wird als hoch eingeschätzt.
Eine europäische Anti-SLAPP-Richtli-
nie könnte hier Abhilfe schaffen. Nach dem
Vorschlag der EU-Kommission haben sich
das EU-Parlament und der EU-Rat Ende
118
Nachdem Aktivisten
die Gleise zum RWE-
Kraftwerk Neurath
blockiert hatten,
kündigte RWE eine
Klage an – auf
1,4 Millionen Euro
Schadensersatz.
November 2023 auf einen Richtlinientext
geeinigt. Diese Einigung muss aber noch
einige Hürden nehmen. Würde die EU-
„Ohne das Richtlinie erlassen, hätten die Mitglieds-
staaten in der Regel 18 bis 24 Monate Zeit,
um sie in nationales Recht zu gießen.
wir nie an die Nach derzeitigem Stand strebt die
Richtlinie nur einen Mindeststandard als
Spritzbücher Schutz gegen SLAPPs an. Die Mitglieds-
staaten können jedoch darüber hinausge-
der Südtiroler
Fotos: Lars Heidrich/FUNKE Foto Services/imago; Umweltinstitut München
hen. Hierfür hat die EU Empfehlungen
Landwirtinnen herausgegeben. Ein Punkt auf der Liste:
Opfer von SLAPP-Klagen sollen individu-
und Landwirte elle Unterstützung erhalten, insbesondere
auch hinsichtlich der hohen Kosten. Auch
gekommen.“ eine Schulung für Juristen empfiehlt die
Kommission, um deren „Kenntnisse und
Fähigkeiten im Hinblick auf einen wirk-
samen Umgang mit SLAPP-Klagen zu ver-
bessern“. Selinger betont die Wichtigkeit
einer solchen Schulung: „In der deutschen
Veronika Feicht Justiz gibt es bisher noch kein großes Be-
Referentin für Agrarpolitik am wusstsein für das Thema SLAPP-Klagen.
Umweltinstitut München Das ist ein großes Problem.“ Auch Alexan-
der Schiebel erhofft sich viel von der Anti-
SLAPP-Richtlinie. Sie könnte Fälle wie
seinen in Zukunft verhindern.
Magazin 1·2024
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 BEWEGEN Interview

INTERVIEW

„Ein klimaneutrales
Produkt gibt es nicht“
Er kämpft gegen Greenwashing, zur Not auch vor Gericht:
Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch,
über Werbelügen zum Klimaschutz.
INTERVIEW: SVEN HEITKAMP

120 Magazin 1·2024


ÖKO-TEST: Klimaneutralität ist zum
weit verbreiteten Werbeversprechen
geworden, mit dem Unternehmen ihren
Produkten ein grünes Image verpassen.
Was ist dagegen zu sagen?
Jürgen Resch: Das Problem ist: Statt ihre
Produkte tatsächlich klimafreundlicher
zu machen, besorgen sich Unternehmen
über Minimalzahlungen CO2-Zertifikate.
Mittlerweile bekommt man solche Frei-
briefe für zwei Euro pro Tonne CO2. Mit
Klimaschutz hat das aber nichts zu tun.
Gilt da nicht: besser als gar nichts?
Stellen Sie sich folgendes Dilemma vor:
Im Supermarktregal stehen drei Sham-
poos zur Auswahl. Das erste Produkt ist
pflanzlichen Ursprungs, mit guten In-
haltsstoffen aus Öko-Landbau. Mehrkos-
ten ein Euro. Das zweite Shampoo ver-
meidet außerdem noch
Einwegverpackungen und kommt in einer
Mehrwegflasche, Mehrkosten zwei Euro.
Und das dritte Shampoo hat billigste In-
haltsstoffe und ist in einer Plastikeinweg-
flasche abgefüllt. Mehrkosten 1 Cent für
Klimazertifikate. Als einziges der drei
Produkte wirbt es aber groß mit „100%
klimaneutral“, obwohl das Produkt selbst
sehr viel umweltschädlicher ist als die
ersten beiden Shampoos, bei denen der
Hersteller wirklich versucht hat, die Um-
weltbelastung zu reduzieren. Gelingt es
uns nicht, diese Verbrauchertäuschung zu
stoppen, wird sich zukünftig der Wettbe-
werb verlagern: weg von der wirklichen
Verbesserung des Produkts, hin zur dreis-
ten Klimaschutz-Lüge. So erschwert irre-
führende Werbung dem Verbraucher die
Entscheidungsfindung. Das ist wettbe-
werbsrechtlich nicht korrekt. Wegen die-
ser schlimmen Entwicklung haben wir
Fotos: picture alliance/dpa; IMAGO/epd
Dutzende Rechtsverfahren geführt und
bisher alle gewonnen! Inzwischen können
wir Unternehmen sogar außergerichtlich
dazu bringen, von ihrer Verbrauchertäu-
schung abzulassen.
Sie haben rund 40 Klagen gegen Unter-
nehmen geführt. Wie fällt die Bilanz aus?
Die Verfahren gegen TotalEnergies, die
Magazin
1·2024
Drogeriemarktkette dm und HelloFresh
haben wir vor Gericht gewonnen. 22 Ver-
fahren haben wir außergerichtlich durch
Unterlassungserklärungen für uns ent-
schieden, wie bei Rossmann. 16 Verfahren
laufen noch. Anfang 2024 finden die Ge-
richtsverfahren zu BP und Shell statt.
Was waren besonders krasse Fälle,
gegen die Sie vorgegangen sind?
Es ging um sehr irreführende Werbever-
sprechen über vermeintliche Klimaneut-
ralität von Produkten oder Dienstleistun-
gen. Besonders abstrus war TotalEnergies,
wo man für 1 Cent Aufpreis angeblich
klimaneutrales Heizöl bekam – also eine
klimaneutrale Ölheizung. Shell und BP
bieten vermeintlich klimaneutrale Kraft-
oder Schmierstoffe an. Oder die von uns
abgemahnten „Green Airlines“, die be-
hauptet haben, sie würden Flüge über-
kompensieren. Nach dem Motto: Je mehr
Green-Airlines-Kurzstreckenflüge ich
nutze, desto besser geht es der Umwelt.
Zeigen die Gerichtsurteile und Unter-
lassungserklärungen Wirkung? Halten
sich die Unternehmen daran?
Bei den Verstößen, die wir bis jetzt ver-
folgt haben, haben wir keinen Wieder-
holungsfall erlebt. Sonst würde den
Unternehmen auch eine hohe Konventio-
nalstrafe drohen. Deswegen können wir
mit wenigen Dutzend Verfahren das
Rechtsgebiet der „klimaneutralen“ oder
– hier streiten wir noch mit dm – „um-
weltneutralen“ Werbung weitgehend klä-
ren. Ich gehe davon aus, dass 2024 Schluss
ist mit falschen „klimaneutralen“ Pro-
dukten.
Erstaunlich ist, dass eine Umweltorgani-
sation in diesem Bereich für Recht und
Gesetz sorgen muss …
Das erstaunt uns auch. Seit 20 Jahren
warten wir darauf, dass endlich die ei-
gentlich zuständigen Behörden beginnen,
Handel und Industrie bei Verbrauchertäu-
schung mit Umweltaussagen zu kontrol-
lieren, so wie dies die EU für ihre 27 Mit-
gliedsstaaten vorsieht. Andere Staaten
BEWEGEN Interview
machen das sehr effektiv. In Deutschland
wagt es der Staat aber nicht, gegen große
Wirtschaftsunternehmen vorzugehen,
sondern überlässt die Kontrolle Verbrau-
cherorganisationen wie der Deutschen
Umwelthilfe. Wir können allerdings nur
erhebliche Verstöße verfolgen, diese müs-
sen „wettbewerbsrechtlich relevant“ sein.
Der Staat hätte es einfacher, er kann jeden
Verstoß verfolgen. So streiten wir uns oft
mit den Konzernen vor Gericht über die
Frage, ob der eindeutig vorliegende Ver-
stoß auch groß genug ist, dass wir berech-
tigt sind, ihn zu verfolgen. Das ist eigent-
lich absurd.
„Statt ihre Pro-
dukte tatsächlich
klimafreundlicher
zu machen, besorgen
sich Unternehmen
über Minimal-
zahlungen CO2-
Zertifikate.“
Jürgen Resch
Geschäftsführer der
Deutschen Umwelthilfe
Ist das Gericht die Hauptarena ihres
Kampfes gegen Klima-Label-Lügen?
Eigentlich sind die Klagen für uns eine
leider notwendige Nebentätigkeit.
Schwerpunkt unserer inhaltlichen Arbeit
ist die Verbesserung von Umwelt- und
121
 BEWEGEN Interview
Verbraucherschutzstandards. Durch das
Versagen von Landes- wie Bundesregie-
rungen beim Gesetzesvollzug sind wir
„Wir können es
aber tatsächlich stark damit beschäftigt,
zumindest die bestehenden gesetzlichen
nicht durchgehen
Regeln durchzusetzen. Und das gelingt lassen, wenn jedes
uns ganz gut. Ein wichtiger weiterer As-
pekt ist die Umwelt- und Verbraucherin- Unternehmen sein
formation und Gespräche mit Unterneh-
men, wie sie Produkte verbessern können.
eigenes Bewertungs-
Auf diese Weise werden wir als Akteur
wahrgenommen und können im juristi-
system aufstellt
schen Verfahren Unternehmen davon ab- und mit ein paar
halten, sich die Finger zu verbrennen. Wir
haben sogar Dankesbekundungen von kleinen Kompen-
Unternehmen bekommen, die froh waren,
bestimmte Werbefehler nicht gemacht zu
sationen sagt,
haben. Wir haben generell nichts gegen
Unternehmen wie dm. Aber wir können es
dass es ,umwelt-
nicht durchgehen lassen, wenn jedes Un- neutral‘ sei.“
ternehmen sein eigenes Bewertungssys-
tem aufstellt und mit ein paar Kompensa- Jürgen Resch
tionen sagt, dass es „umweltneutral“ sei.
122
Halten Sie Kompensationen generell für
unsinnig? Oder gibt es Labels, die okay
sind?
CO2-Kompensationen bei Produkten und
Dienstleistungen, die dann entsprechend
als CO2-neutral oder klimaneutral bewor-
ben werden, lehnen wir grundsätzlich ab.
Wenn Umwelt- und Naturschutzprojekte
unterstützt werden, finden wir das gut,
solange diese nicht in irgendeiner Weise
bei der Vermarktung von Produkten miss-
braucht werden. Wir brauchen die ehrli-
che Darstellung, wie hoch oder wie gering
die Umweltbelastung eines Produktes ist
– direkt und ohne Verfälschungen durch
Kompensationen. Denn ein klimaneutra-
les Produkt gibt es per se nicht.
Das dürften die Klimaschutzprojekte an-
ders sehen …
Die Kompensationsprojekte, die wir bis-
her angeschaut haben, haben sich alle als
Potemkinsche Dörfer herausgestellt. Ent-
Foto: picture alliance/dpa
Klagen fürs Klima: Die
Deutsche Umwelthilfe führt
Prozesse gegen Unterneh-
men, die ihre Produkte als
vermeintlich klimaneutral
verkaufen – mit Erfolg.
Magazin 1·2024

weder ist das Geld weitestgehend auf
dem Weg zu den Projekten verloren
gegangen oder es bestand keine
Transparenz, was dort tatsächlich an-
kommt. Bei vielen Projekten stellt sich
auch die Frage: Warum gibt es dafür
Kompensationszuschriften? Etwa bei
Windrädern in Afrika, die in vielen
Fällen sowieso gebaut würden, weil es
sich rechnet. Waldschutzprojekte sind
generell ungeeignet, weil keines die-
ser Projekte eine langfristige Siche-
rung hat. Wer mit Waldprojekten ehr-
lich CO2 kompensieren will, müsste
für 500 Jahre sicherstellen, dass dieser
Wald stehen bleibt und nicht mehr ge-
nutzt wird. Ergo: Wir müssen weg vom
Greenwashing, vom Behaupten einer
Umwelt- oder Klimaneutralität. Wir
brauchen stattdessen eine ernsthafte
Auseinandersetzung darüber, wie Um-
weltbelastungen real reduziert werden
können.
Geld für Klimaprojekte nützt nichts?
Wir freuen uns über jede Unterstüt-
zung ehrlich gemeinter Öko-Projekte,
idealerweise betreut von seriösen Um-
weltorganisationen – solange diese
Projektunterstützung eben nicht in
der Werbung missbraucht wird. Rewe
hat in diesem Sinne richtig entschie-
den, zukünftig auf Werbung mit dem
Begriff „klimaneutral“ zu verzichten,
gleichzeitig aber weiterhin Umwelt-
und Klimaschutzprojekte zu fördern.
Dieses Vorgehen empfehlen wir auch
anderen. Die Unternehmen sollen ih-
rer gesellschaftlichen und ökologi-
schen Rolle nachkommen und ehrli-
che Umwelt-, Klima- oder
Sozialprojekte unterstützen. Darüber
können und sollen sie reden. Aber sie
sollen Spenden nicht mit Werbelügen
über Produkte verquicken und be-
haupten, nur weil man irgendwelche
Projekte unterstützt, seien bestimmte
Waren oder Dienstleistungen klima-
neutral. Wir wollen Produkte, die tat-
sächlich so umweltverträglich wie
möglich sind.
Magazin 1
·2024
Was könnten Unternehmen dafür tun?
Ein Unternehmen wie dm könnte zum
Beispiel versuchen, den Verpackungsmüll
zu reduzieren, etwa durch die Einrichtung
eines Mehrwegsystems für viele Produkte.
Sie können ihre Firmenflotten auf Elektro
umstellen und Warentransporte wo im-
mer möglich auf die Schiene verlagern.
Alle Standorte und Parkplätze können mit
Photovoltaikanlagen versehen werden. Es
gibt ein großes Potenzial für Produkt-
und Verpackungsverbesserungen und
Transportoptimierungen, die die Umwelt-
qualität wirklich verbessern – aber teurer
sind als das gern genutzte CO2-neutral-
Täuschungslabel. Und die Unternehmen
sollen Umweltprojekte unterstützen, egal
ob im Moorschutz in Deutschland oder in
Tropenwaldprojekten.
Autofabriken wie von Porsche und BMW
planen, ihre Autos CO2-neutral zu produ-
zieren durch eigene Solaranlagen, Wind-
räder, den Einsatz von Wasserstoff,
Energieeinsparungen und anderes. Wie
glaubwürdig ist das Bild von der CO2-frei-
en Autofabrik?
Natürlich begrüßen wir es, wenn die Au-
tomobilindustrie anfängt, erste eigene
Windräder aufzustellen und hie und da
Photovoltaikanlagen zu installieren. Ich
habe aber den Eindruck, das ist bisher nur
Folklore. Der Weg bis zu einer CO2-freien
Autofabrik ist noch weit. Was mich beun-
ruhigt, sind die immer größeren, schwe-
reren und energieaufwändigeren Fahr-
zeuge: in der Produktion wie im späteren
Gebrauch. Selbst wenn es irgendwann ge-
lingen sollte, die Umwelt- und Klimabe-
lastungen in der Produktion ehrlich aus-
zugleichen, verbleibt die Belastung durch
das Auto selbst beim Gebrauch auf der
Straße. Der Energieverbrauch in der Nut-
zung ist mehr als fünfmal so hoch wie in
der Herstellung.
Sie kritisieren besonders häufig ein Logo
von Climate Partner. Warum?
Wir kritisieren alle CO2-neutral-Label,
aber tatsächlich war das von Climate
Partner besonders verbreitet. Meines Wis-
BEWEGEN Interview
sens wird dieses Logo von Climate Partner
nicht mehr lizenziert.
Gibt es überhaupt Zertifikate, an denen
sich Verbraucher orientieren können?
Leider nein, weil es dazu keine staatliche
Regulierung oder Kontrolle gibt. Jeder
kann alles versprechen. Besonders
ärgert mich, wenn sich Unternehmen
selbst auch noch als „Goldstandard“ titu-
lieren …
„Wer mit Wald-
projekten ehrlich
CO2 kompensieren
will, müsste für
500 Jahre sicher-
stellen, dass dieser
Wald stehen bleibt
und nicht mehr
genutzt wird.“
Jürgen Resch
Die Deutsche Umwelthilfe könnte sich
dann auch als „Goldstandard“ der Um-
weltorganisationen titulieren …
Würden wir aber nicht tun, obgleich Um-
weltorganisationen tatsächlich viele Vor-
schriften erfüllen müssen, um beispiels-
weise ihr Klagerecht ausüben zu dürfen.
Wir müssen auch für den Erhalt unserer
Gemeinnützigkeit sehr viele Vorschriften
einhalten und werden streng kontrolliert.
Darüber beklage ich mich nicht, auch
wenn es teilweise sehr viel Arbeit bedeu-
tet. Aber für Klimazertifikate gelten diese
hohen Standards eben nicht. Daher kann
man ihnen auch nicht trauen.
123
 BEWEGEN Kurz & klar
Weniger Plastikmüll
in der EU
In der Europäischen Union sollen
nach einer Entscheidung des Europa­
parlaments künftig deutlich weniger
Verpackungen auf dem Müll landen. Die
neuen Regelungen sehen daher unter
anderem ein Verbot leichter Plastiktüten
für Obst und Gemüse in Supermärkten
und eine Reduktion der Gesamtmenge
der Plastikverpackungen bis 2040 um 20
Prozent vor. Zudem sollen Verpackungen
künftig grundsätzlich recycelbar sein
und keine schädlichen Zusatzstoffe wie
PFAS oder Bisphenol A mehr enthalten.
Damit ist die EU den Vereinten Nationen,
die gerade noch um die konkrete
Ausgestaltung eines Abkommens zur
Reduzierung von Plastikmüll ringen,
einen Schritt voraus. Ebenfalls
beschlossen wurde auf europäischer
Ebene ein Ausfuhrverbot von Kunststoff­
abfällen in Länder außerhalb der OECD.
124
Kurz
&
Fahren mit Frittenfett
Dieselkraftstoffe dürfen in Deutschland
künftig zu 100 Prozent aus Altspeiseölen
wie Frittierfett hergestellt werden. Das hat
klar
das Bundeskabinett beschlossen. Denn ob-
wohl die Altöle bereits heute Dieselkraft-
stoffen beigemischt werden, waren sie in
ihrer Reinform nicht als Kraftstoff zugelas-
sen. Autofahrer sollen sich an Tankstellen
darüber informieren können, ob der Kraft-
stoff für das eigene Auto in Frage kommt.
Im Zuge der neuen Regelungen soll auch
die staatliche Förderung von Dieselkraft-
stoffen mit fossilen Bestandteilen beendet
werden. Der Haken: Die Menge der Alt-
Die Zahl speiseöle ist begrenzt und fließt bereits in
die Kraftstoffproduktion.
24.400 TONNEN
Feuerwerkskörper
wurden von Januar bis Septem-
UN WARNT VOR
ber 2023 importiert. Das ist zwar „VERSTECKTEN KOSTEN“
Illustrationen: smartboy10/getty images; noun project
fast viermal so viel wie im UNSERER ERNÄHRUNG
Vorjahreszeitraum, jedoch
knapp 20 Prozent weniger Ungesundes Essverhalten und umwelt-
als noch 2019. schädliche Landwirtschaft verursachen
jedes Jahr Schäden in Höhe von zehn Bil-
lionen US-Dollar. Laut der UN-Ernährungs-
und Landwirtschaftsorganisation (FAO)
zeige dieser hohe Wert die versteckten
Kosten, die entstehen, wenn fettleibige
Menschen aufgrund ungesunder Ernäh-
rung die Gesundheitssysteme belasten
oder umweltschädliche Landwirtschaft die
Klima- und Biodiversitätskrise weiter an-
heize, woraus wieder Folgekosten entste-
Foto: Hekunechi/Shutterstock
hen. Die FAO sieht Regierungsvertreter in
der Pflicht, die Ernährungssysteme zu-
kunftsfit zu machen, und möchte selbst
konkrete Möglichkeiten ausarbeiten, wie
diese versteckten Kosten reduziert werden
können.
Quelle: Statistisches Bundesamt
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 ÖKO -TEST Glossar
A lohexene carboxaldehyde). Als Allergene weit-
Aerobe Gesamtkeimzahl: Die Deutsche Gesell-
schaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM)
schlägt für verschiedene Produktgruppen
Richtwerte für aerobe mesophile Keime vor.
Richtwerte geben eine Orientierung, welches
produktspezifische Mikroorganismenspekt-
rum zu erwarten und welche Mikroorganis-
mengehalte in den jeweiligen Lebensmitteln
bei Einhaltung einer guten Hygienepraxis ak-
zeptabel sind.
Antimon ist ein toxisches Spurenelement. Wenn
es in das Blut gelangt, wirkt es sehr giftig. Anti-
monverbindungen werden zum Beispiel als Ka-
talysator bei der Produktion von Polyester oder
als Flammhemmer eingesetzt. Sowohl Antimon
wie auch das aus dem Katalysator entstehende
Antimontrioxid gelten als krebsverdächtig,
wenn sie eingeatmet werden. In Polyesterfa-
sern bleiben Rückstände, die sich zum Beispiel
mit Schweiß lösen und die über die Haut aufge-
nommen und mit dem Hausstaub eingeatmet
werden können. Untersuchungen weisen zudem
darauf hin, dass Antimonverbindungen Haut und
Schleimhäute reizen.
B
Bacillus cereus ist ein sporenbildendes Bakte-
rium. In kontaminierten Lebensmitteln bildet
es ein hitzestabiles Toxin, das zu Übelkeit und
Erbrechen, Bauchkrämpfen und Durchfall füh-
ren kann. Der Keim vermehrt sich insbesonde-
re in stärkehaltigen und warmgehaltenen Spei-
sen wie Reis und Nudeln.
Blei: Schwermetall, das sich im Körper anrei-
chern kann. Blei ist als nervengiftig bekannt
und kann bei Kleinkindern das Gehirn schädi-
gen. Schon geringe Mengen können zu Kopf-
schmerzen, Abgeschlagenheit und Gewichts-
abnahme führen.
BHT (Butylhydroxytoluol) wird als Antioxidans
eingesetzt. Die Substanz steht unter Verdacht,
wie ein Umwelthormon zu wirken. Tierversu-
che geben unter anderem Hinweise auf eine
Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion.
D Verdacht, dass sie das Hormonsystem beein-
Duftstoffe, die Allergien auslösen können:
Studien und Datenvergleiche des Informations-
verbundes Dermatologischer Kliniken (IVDK)
zeigen, dass die Duftstoffe Eichenmoos (Ever-
nia prunastri extract), Baummoos (Evernia fur-
furacea extract), Methylheptincarbonat (INCI:
Methyl 2-octynoate), Isoeugenol und Cinnamal
sehr potente Allergene sind. Weniger potente,
aber immer noch problematische Stoffe sind
Cinnamylalkohol, Hydroxycitronellal und Lyral
(= Handelsname, INCI: Hydroxyisohexyl 3-cyc-
126
aus seltener in Erscheinung treten Farnesol,
Citral, Citronellol, Geraniol, Eugenol, Cumarin,
Amylcinnamylalkohol, Benzylcinnamat. Der
IVDK ist ein Netzwerk von Hautkliniken, in
dem die diagnostizierten Fälle von Kontaktall-
ergie (pro Jahr > 10.000) zentral ausgewertet
werden. Ziel: Früherkennung ansteigender
Trends von bekannten und neuen Allergenen
(ivdk.org).
E O
Enterobakterien gehören zu den coliformen
Keimen und sind in der Regel harmlos. Manche
können allerdings Brechdurchfall auslösen.
Häufig handelt es sich um Darmbakterien. Sie
deuten auf hygienische Mängel hin. Shiga-Toxin
bildende E.coli-Bakterien werden als STEC be-
zeichnet.
H ren sich nicht so mühelos ins Gleichgewicht der
Halogenorganische Verbindungen sind eine
Gruppe von mehreren Tausend Stoffen, die
Brom, Jod oder (meistens) Chlor enthalten.
Viele gelten als allergieauslösend, manche er-
zeugen Krebs, fast alle reichern sich in der Um-
welt an. Die Hersteller wenden oft ein, dass es
unschädliche und sogar nützliche halogenor-
ganische Verbindungen gibt. Dabei handelt es
sich aber zumeist um natürliche, nicht um
künstlich hergestellte Stoffe. Wegen der Viel-
zahl der halogenorganischen Verbindungen ist
mit der Testmethode, die das von uns beauf-
tragte Labor anwendet, die genaue Verbindung
nicht feststellbar. Auch die Hersteller wissen
meist nicht, welcher Stoff in ihrem Produkt
vorkommt. Wer jedes Risiko meiden will, muss
daher zu Produkten ohne halogenorganische
Verbindungen greifen.
K R
Künstlicher Moschusduft: Dazu zählen poly-
zyklische Moschus-Verbindungen, die sich im
menschlichen Fettgewebe anreichern. Neuere
Tierversuche geben Hinweise auf Leberschä-
den. Zudem stehen Galaxolid und Tonalid im
trächtigen könnten, weshalb sie im Rahmen
des EU-Aktionsplans CoRAP zur Neubewertung
anstehen.
M Kunststoffen tragen zur Kreislaufwirtschaft
Mineralöl/MOAH in Kosmetika: In Kosmetika
verwendete Paraffine/Erdölverbindungen ent-
halten teilweise aromatische Kohlenwasser-
stoffverbindungen (MOAH). Unter den MOAH
können sich krebserregende Substanzen be-
finden. MOAH können über die Haut aufgenom-
men werden. Unklar ist noch, ob sie im Körper
verstoffwechselt und danach wieder ausge-
schieden werden. Laut Bundesinstitut für
Risikobewertung (BfR) konnte eine Anreiche-
rung von MOAH im Körper bislang nicht nach-
gewiesen werden. Auch seien gesundheitliche
Risiken durch die in Kosmetika eingesetzten
Mineralöle nach derzeitigem Kenntnisstand
nicht zu erwarten.
Optische Aufheller belasten die Umwelt, weil
sie kaum abgebaut werden. Ihre Herstellung
ist sehr aufwendig. Die Weißmacher sind in den
Fasern der Textilien nicht fest gebunden.
P
Paraffine/Erdölprodukte: Meist aus Erdöl
hergestellt. Diese künstlichen Stoffe integrie-
Haut wie die Bestandteile natürlicher Öle, die
beispielsweise in Naturkosmetikprodukten
stecken. Paraffinhaltige Kosmetika sind häufig
mit aromatischen Kohlenwasserstoffen
(MOAH) verunreinigt. Einige MOAH stehen in
Verdacht Krebs zu erregen.
PEG/PEG-Derivate verbinden als Emulgatoren
Wasser und Fett. Diese Stoffe können die Haut
durchlässiger für Fremdstoffe machen. In Sal-
ben werden sie eingesetzt, um die Bestandteile
gleichmäßig zu mischen; in Shampoos dienen
sie auch als Tenside.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasser-
stoffe (PAK): Einige dieser Stoffe sind
krebserzeugend, die meisten besitzen einen
eindringlichen Geruch. Der bekannteste ge-
sundheitlich relevante Vertreter ist Benzo(a)
pyren. PAK können über die Nahrung, die Atem-
wege und die Haut aufgenommen werden.
Rezyklatanteil: Post-Consumer-Rezyklate
(PCR) in Kunststoffen sind die Anteile wieder-
verwerteten Plastiks, die aus der häuslichen
Wertstoffsammlung (Gelber Sack, Gelbe Tonne)
und dem Kreislauf für PET- und PE-Pfandfla-
schen stammen. Bei Post-Industrial-Rezyk-
laten (PIR) hingegen handelt es sich um Reste
aus der Kunststoffproduktion, die noch nicht
im Wertstoffkreislauf waren. PCR-Anteile in
bei, verringern die Abhängigkeit von fossilen
Rohstoffen und entlasten so die Umwelt.
S
Salz kann bei empfindlichen Personen den
Blutdruck erhöhen. Die Deutsche Gesellschaft
Magazin 1·2024

für Ernährung empfiehlt vorbeugend allen
Verbrauchern nicht mehr als sechs Gramm
Kochsalz pro Tag aufzunehmen. Die Weltge-
sundheitsorganisation (WHO) rät zu maximal
fünf Gramm Salz pro Tag.
Silikone sind synthetische Polymere, in meh-
reren Stufen hergestellt aus Silizium und
(meistens) Methan, dem Hauptbestandteil von
Erdgas, und ein Ersatz für hochwertige pflanz-
liche Öle.
Speichel- und schweißecht sollte Kinderspiel-
zeug sein, damit sich Farbstoffe nicht heraus-
lösen und in den Körper gelangen.
Synthetische Polymere sind künstliche, durch
ein Polymerisationsverfahren hergestellte
Makromoleküle. Sie stellen die Hauptkompo-
nente von Kunststoffen dar. In fester Form
eingesetzt dienen sie in kosmetischen Mitteln
beispielsweise als Abrasiva in Peelings. In
halbfester, gelartiger oder flüssiger Form fun-
gieren sie als Filmbildner, Viskositätsregler,
Emulgatoren oder Trübungsmittel. Wie sich
schwer abbaubare, wasserlösliche syntheti-
sche Polymere auf die Umwelt auswirken ist
bislang unbekannt.
U Cordula Posdorf (Leitung Onlineredaktion),
Umkartons belasten die Umwelt unnötig und
sind nur akzeptabel, wenn sie eine Glasverpa-
ckung schützen oder mehrere unverzichtbare
Teile/Produkte beinhalten.
Bedenkliche UV-Filter: Etliche chemische
UV-Filter sind in den Verdacht geraten, wie
Hormone zu wirken. Für die Filter 4-Methyl-
benzylidencampher (4-MBC bzw. MBC), Ethyl-
hexylmethoxycinnamat (Octylmethoxycinna-
mat, OMC), 3-Benzylidencampher (3-BC),
Benzophenon-1 (BP1), Benzophenon-2 (BP2),
Benzophenon-3 (Oxybenzon) wurde die hor-
monelle Wirksamkeit im Tierversuch gezeigt.
Bei den Filtern Homosalat (Homomenthylsali-
cylat bzw. HMS), Octyl-Dimethyl-Para-Amino-
Benzoic-Acid (OD-PABA), Octocrylen und Eto-
crylen liegen Hinweise auf eine hormonelle
Wirkung aus Zellversuchen vor. Zudem gibt es
für Homosalat Hinweise für eine mögliche
Schädigung von Nieren, Leber und Schilddrüse
aus Tierversuchen. Kosmetika fürs Gesicht,
die Lippen, die Hände und den Körper mit Ben-
zophenon-3 müssen spätestens ab Juli 2023
den Hinweis „Enthält Benzophenon-3“ tragen,
sofern der UV-Filter nicht zum Produktschutz
bis zu einem Gehalt von 0,5 % im Einsatz ist.
Zudem ist der UV-Filter in Aerosol- und Pump-
sprays verboten.
Magazin 1·2024
Impressum
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Erscheinungsweise: monatlich
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Preise Jahresabo (ab 1.1.2024): Inland 74,90
Euro; EU: 86,90 Euro; restliche Welt: 100,70 Euro;
Schüler/Studenten (Inland): 49,99 Euro; Digital:
64,99 Euro; weitere attraktive Angebote siehe
shop.oekotest.de
Preise Einzelhefte: Inland, Österreich, Benelux:
6,90 Euro; auch erhältlich in den Bahnhofs- und
Flughafenbuchhandlungen in Deutschland.
Digitale Ausgabe (ePaper): 6,49 Euro.
ISSN 0948-2644
Druck/Belichtung: ADV Schoder, Augsburger
Druck- und Verlagshaus GmbH
Papier/Inhalt: hergestellt aus 100 % Altpapier,
zertifiziert mit dem „Blauen Umweltengel“
127
 VORSCHAU Februar 2024
ÖKO-TEST 02/2024 erscheint
am Donnerstag, dem 25. Januar 2024

Linsen

Ausgepresst – bis auf

Linsen gelten als gesund,
eiweißreich und ideal für
Veggies. Wir haben 20
den letzten Tropfen Produkte getestet.

Diätdrinks
Brasilien ist einer der Hauptproduzenten für Orangen, die
Letzte Hoffnung, wenn
zu Saftkonzentrat weiterverarbeitet werden. Wie die
die Pfunde trotz FdH
Klimakrise den dortigen Orangenanbau bedroht – und wie
brasilianische Arbeiter unter oftmals katastrophalen
Bedingungen für unseren Orangensaft schuften.
nicht schmelzen? 20
Diätdrinks im Test. EXTRA
Pommes Energie
Orangensaft
Ob mit Ketchup, Mayo
Wir lieben Orangensaft: Doch können wir das Wie geht es mit der
oder pur: Pommes sind
tägliche Glas mit gutem Gewissen genießen? Trüben Wärme-, Energie- und
beliebt. Wir haben 20
Bauwende weiter?

Illustration: noun project

Pestizide das Ergebnis? Wie schmecken die Säfte
TK-Marken überprüft.
und wie wurden die Früchte dafür angebaut und
geerntet? Mehr als 20 O-Säfte im Test. Gesichtspeelings
Rubbeln für reine Haut:
Mehr als 30 Peeling-
Pasten im Test.
Feste Duschen
Warum wir den
Klimaschutz mit Öko-
stromtarifen kaum
voranbringen.
Teilwarmmiete – was
dahinter steckt und was

Fotos: fcafotodigital/getty images; Iryna_Kolesova/Shutterstock; SAG stock/Shutterstock

Saubere Sache? Wie sie im Wohnsektor
die Dusch-Stücke im bewirken könnte.
Vergleich zu Duschgel
abschneiden.

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128 Magazin 1·2024

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Magazin 1·2024 129

 ÖKO -TEST Gibtʼs das auch in Grün?

KOLUMNE
' n?
Gibt s das auch in Grü

Böllern für eine bessere Welt

Klimaneutrale Kuhmilch, CO₂-positive Flüge und korallenfreundliche
Sonnencreme: Die Industrie will unser schlechtes Gewissen beim
Kauf umweltschädlicher Produkte mit grünen Versprechen beruhigen.
Wir kaufen ihr das nicht ab. Heute auf der Greenwashing-Liste:
„klimaneutrales“ Feuerwerk.

VON KATJA TÖLLE

E
s gibt Zusammenhänge, die sind gar nicht so kom-
pliziert. Ursache, Wirkung, fertig. Nehmen wir
Silvester: Wer böllert schadet der Umwelt. Silves-
ter steigt die Schadstoffbelastung der Luft explosionsartig
an. An Neujahr liegt laut Umweltbundesamt so viel Fein-
staub in der Luft wie sonst im ganzen Jahr nicht. Hinzu
kommt der Müll – geböllert, geflogen, liegengelassen.
Einen Teil des Mülls entsorgen die Städte und Gemeinden
an Neujahr. Der andere liegt in Seen, Flüssen, Wäldern
und auf Wiesen, verrottet, und lässt langsam Schadstoffe
in die Umwelt sickern.
Daraus ergeben sich zwei logische Handlungsoptionen:
Man kann nicht böllern, was dann besser für die Umwelt
ist – oder man böllert trotzdem und lebt damit, dass es,
siehe oben, eben schlecht für die Umwelt ist. So weit, so
fein. Einige Feuerwerkshersteller bieten frei Haus eine
vermeintlich dritte Option: böllern – und dabei die Umwelt
retten. Absurd? Ja. Aber tatsächlich schrecken einige Her-
steller nicht davor zurück, das Produkt, das wir in die Luft
schießen um es abzufackeln, als vermeintlich „klimaneu-
tral“ zu verkaufen. Glauben Sie nicht? Wir zitieren an die-
ser Stelle gern eine Originalquelle, die Website des Her-
stellers Magnum Feuerwerk, einfach weil keine Glosse,
und Sie werden zu einer besseren Welt beitragen.“ Es sind
eben nicht alle Zusammenhänge so einfach wie der ein-
gangs erwähnte. Die Ursache (ich bestelle online [!] ein
Feuerwerk [!] und schieße [!] es in die Luft [!]), soll hier zu
der vermeintlichen Wirkung führen, dass ich zu nicht we-
niger als einer besseren Welt beitrage. Mehr Böller = mehr
Bäume = bessere Welt. Für einen intellektuellen Spagat
wie diesen braucht man sicherlich langes Training, Respekt
dafür. Aber was behauptet Magnum Feuerwerke hier und
warum?
Das Unternehmen lässt für die Treibhausgase, die sein
Strom, seine Lkws, Autos, Gabelstapler und Container-
transporte verursachen, Bäume pflanzen. Äh – okay, aber
was hat das mit dem Müll zu tun? Mit dem Feinstaub, den Illustration: TALVA/Shutterstock
die Böller in die Luft schießen? Klar, so ein Baum ist was
Gutes – aber ein Baum, der hoffentlich irgendwo in Afrika
gepflanzt wird und hoffentlich ein paar Jahrzehnte dort
überlebt, wie genau gleicht der die Schadstoffe aus, die das
Feuerwerk in die Luft schießt? Gar nicht, natürlich nicht.
Es geht nicht einmal um die Hauptkritikpunkte an Feuer-
werk: den Müll, den Feinstaub. Es geht nicht um das Pro-
dukt, nicht um die Böller. Es geht um eins allein: eine
Umweltsünde grün aussehen zu lassen.
Foto: Nina Rocco/ÖKO-TEST

keine Kolumne der Welt es absurder formulieren könnte: Sie zu Hause wirft das nach dem Wachsgießen leider
„Während wir Ihnen das beste Feuerwerk bieten, schaffen auf die zwei ursprünglichen Handlungsoptionen zurück
wir anderswo auf der Welt ganze Wälder aus dem Boden. – ja oder nein, schwarz oder weiß, grün oder nicht. Wie
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130 Magazin 1·2024

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