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Übersicht | Review article 2253

Bedeutung und Evidenz der körperlichen Aktivität


zur Prävention und Therapie von Erkrankungen
Importance and evidence of regular physical activity for prevention
and treatment of diseases

Autoren H. Löllgen1

Institut 1 Praxis Innere Medizin, Kardiologie, Sportkardiologie, Remscheid

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Einführung Sportmedizin
Übersicht | Review article

Tab. 1 Krankheiten mit evidenzbasierter, positiver Aus-


▼ wirkung eines körperlichen Trainings.
Im Hinblick auf verschiedene Krankheiten haben Schlüsselwörter
q Bewegung
sich regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivi- Krankheitsbild Evidenzgrad
q Training als Therapie
tät als wirksame Therapieform herausgestellt Koronare Herzkrankheit: Primär- und IA Krankheiten
(q Tab. 1). Wie bei jedem Medikament bestehen
q
Sekundärprävention q Prävention
auch bei der körperlichen Aktivität als Therapieform Bluthochdruck (-4 bis -8 mmHg) IA
Indikationen, Dosis-Wirkungs-Beziehungen, psy- Keywords
Herzinsuffizienz IA
choaktive Wirkungen, Nebenwirkungen und gele- q physical activity
(Anstieg der Auswurffraktion)
gentlich Kontraindikationen. Es liegt daher nahe, q exercise as treatment
Krebs (Dickdarm, Mamma, „Fatigue“) IA diseases
körperliche Aktivität wie ein Medikament als Re- q
Krebs (Prostata) IIb q prevention
zept zu verordnen [35, 53]. Dabei sind Umfang, In- Tumorleiden, je nach Art IA
tensität, Häufigkeit, Dauer und Art der Bewegung Chronische Bronchitis (COPD) IA
aufzuführen. Studien zum Wirkungsnachweis der Andere Lungenkrankheiten IB
körperlichen Aktivität sind weitgehend als prospek- Osteoporose (bes. Frauen) IA
tive Kohortenstudien durchgeführt worden, bei kür- Sturzneigung IA
zerer Beobachtungszeit auch als randomisierte Stu- Metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus IA
dien. Die Wirkung von Bewegung und körperlicher Fibromyalgie und Fatigue-Syndrom IA
Aktivität ist mit hoher Evidenz gesichert Periphere arterielle Verschlusskrankheit IA
[3, 12, 15, 18, 22, 30, 34, 39]. Depressionen IB
Kognitive Funktion IA
Körperliche Aktivität versus Fitness Neurologische Erkrankungen (Parkinson) IA

Zur Beurteilung der Prognose bei verschiedenen
Krankheiten werden die regelmäßige körperliche schöpfend anstrengt. Die Fitness hängt ab von regel-
Aktivität und die körperliche Fitness herangezogen mäßigem Training und der Veranlagung. Sie ist für
[3]. Beide Parameter hängen zusammen, beruhen eine prognostische Aussage zukünftiger Ereignisse
aber auf unterschiedlichen Erhebungs- und Mess- zuverlässiger als der Fragebogen. Zur Beurteilung
methoden. Die körperliche Aktivität wird mit einem von Morbidität und Mortalität bei Gesunden und eingereicht 20.12.2012
Fragebogen erfasst. Dieser Paffenbarger-Bogen ist Kranken werden beide Methoden alleine oder er- akzeptiert 08.07.2013
validiert, er entspricht in etwa der maximalen Sau- gänzend herangezogen.
Bibliografie
erstoffaufnahme. Er gibt die subjektive Einschät-
DOI 10.1055/s-0033-1349606
zung des Probanden wieder, mit einer gewissen
Dtsch Med Wochenschr 0 2013;
Fehlerquote. Fitness oder „exercise capacity“ be- Dosis-Wirkungsbeziehung 13800:2253–2259 · © Georg
zeichnet die höchste erzielte Belastungsstufe bei ei- ▼ Thieme Verlag KG · Stuttgart ·
nem Laufband- oder Fahrradergometertest, gemes- Zwischen Trainingsumfang und Morbidität/Mortali- New York · ISSN 0012-04721439-4 13
sen mit der V02max (physical or cardiorespiratory tät besteht eine nicht-lineare Beziehung [32, 34]. Die
fitness). Diese Belastungskapazität kann indirekt entscheidende Risikominderung durch körperliche Korrespondenz
Prof. Dr. med. H. Löllgen
über die Herzfrequenz oder das metabolische Äqui- Aktivität erfolgt beim Übergang von Bewegungs-
Praxis Innere Medizin,
valent (MET) geschätzt werden. Der Messwert Fit- mangel zu moderatem Training (q Abb.1). „Etwas
Kardiologie, Sportkardiologie
ness ist objektiv, gut zu messen und mit anderen körperliche Aktivität ist besser als gar nichts“ [32]. c/o Bermesgasse 32 b
Studien vergleichbar. Vorausgesetzt wird, dass der Wer mit einem regelmäßigen, moderaten Training 42897 Remscheid
Proband sich bei der Belastung maximal, also er- beginnt, hat den relativ größten Nutzen. 2 bis 2,5 eMail loellgen@dgsp.de

n Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! n


2254 Übersicht | Review article

Definitionen Männer Frauen


1,00 1,00

3Bewegung: Muskelaktivierung mit gesteigertem Energieumsatz


3Körperliche Aktivität: Muskelaktivierung mit deutlich intensiv

Relatives Risiko
gesteigertem Energieumsatz
0,75 0,75
3Training: geplante, strukturierte und wiederholte körperliche
Aktivierung zur Funktionsverbesserung
3Übung: geplante, strukturierte und wiederholte körperliche
Aktivierung ohne Funktionsverbesserung, aber mit Optimie-
0,50 0,50
rung von Bewegungsabläufen keine moderate intensive keine moderate intensive
3Sport: gezielte, intensive körperliche Aktivität mit dem Ziel einer a Aktivität Aktivität
persönlichen Leistungssteigerung, oft mit Wettkampfcharakter. Männer Frauen
1,25 1,25
3Belastbarkeit: höchste Belastung, die ohne krankhafte Sympto-
me oder Zeichen (Messwerte) erreicht werden kann, also nicht
1,00 1,00

Relatives Risiko
zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führt.
3Fitness: objektive Belastbarkeit, mit der ein Mensch in die Lage

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0,75 0,75
versetzt wird, körperlich und seelisch den Anforderungen des
täglichen Lebens nachzukommen. Fitness ist ein multidimensio- 0,50 0,50
nales Konzept mit Aspekten der Gesundheit, Physiologie und ver-
schiedenen motorischen Beanspruchungsformen. Fitness als kör- 0,25 0,25
perliche Leistungsfähigkeit beruht auf einer genetischen Kompo- keine leichte moderate intensive keine leichte moderate intensive
nente, auf Körperbau und Flexibilität, vor allem aber auf einem b körperliche Aktivität körperliche Aktivität

regelmäßigen Training mit Ausdauer- und Muskelkraftanteil.


Abb. 1 Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Trainingsumfang und Sterb-
3Evidenz: gewissenhafte, explizite und angemessene Anwen-
lichkeit für drei (oben) und vier (unten) Trainingsintensitäten, getrennt
dung der besten Daten („evidence“) aus der Gesundheitsfor- nach Geschlecht [34].
schung, um bei der Behandlung und Versorgung von Patienten
Entscheidungen zu treffen.
3Das Konzept „Gesundheit“ umfasst, ähnlich wie das des Robert- Psychoaktive Aspekte: Motivation zur Bewegung
Koch-Instituts, Anlage (Genetik) bzw. Erbfaktoren, Umweltein- ▼
flüsse und eine gesundheitsbewusste Lebensführung. Dieser ak- Viele Leitlinien beinhalten bei kardialen und pulmonalen Krank-
tive Lebensstil unterliegt vor allem der Beeinflussung durch den heiten körperliche Aktivität als essenziellen Teil von Prävention
Menschen bzw. Patienten. Aus der Sicht des Evolutionsbiologen und Therapie. Dennoch ist auffallend, dass Bewegungsmangel
beinhaltet Gesundheit (G) die Funktion (f) des evolutionären Ver- nach wie vor in allen Altersgruppen überwiegt, mit zunehmen-
ständnisses der Biologie (B) und der Umwelt (U), als Formel: G = f der Tendenz im Kindes- und Jugendalter [17, 32, 35]. Begünstigt
(evol. B, evol. U) (D. Ganten). Dieses Konzept geht über die wird der Bewegungsmangel durch Computernutzung, Fernsehen,
WHO-Definition hinaus, wonach Gesundheit ein Zustand des soziokulturelle Faktoren, fehlende Erziehung und Einübung in
vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens Kindergarten und Schule, die städtische Umgebung und Schul-
ist, und nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen. busse. Weitere Hindernisse zur Bewegung sind Zeitmangel, Ge-
fahr durch Straßenverkehr, fehlende Motivation oder Trägheit. Als
„psychoaktives Medikament“ [54] vermindert körperliche Aktivi-
Stunden körperliche Aktivität sind die Schwelle, oberhalb derer eine tät die Schmerzempfindlichkeit, verbessert die Lebensqualität,
nachhaltige präventive Wirkung eintritt. Dies entspricht einer Wal- senkt die Effekte einer Depression und verbessert die kognitive
king- oder Jogging-Strecke von 19,3 km (12 Meilen). Funktion [3, 6, 46]. Zahlreiche zerebral wirksame Hormone und
molekulare Mechanismen verstärken die Trainingswirkung.
Eine weitere Steigerung des Trainingsumfangs verbessert zwar die
Leistungsfähigkeit, das relative Mortalitätsrisiko jedoch nur wenig
mehr (q Abb.1). Vergleichbare nicht-lineare Beziehungen finden Körperliche Aktivität und Herz-Kreislaufkrankheiten
sich auch für die Überlebensrate (oder das relative Risiko) in Abhän- ▼
gigkeit von der funktionellen Kapazität im Belastungstest [3, 32]. Die Koronare Herzkrankheit
Risikosenkung der kardiovaskulären Mortalität liegt in einem ähnli- Die Wirkungen der körperlichen Aktivität auf Prävention und The-
chen Bereich wie die Risikosenkung der Gesamtmortalität. Die Risi- rapie bei der koronaren Herzkrankheit sind eingehend untersucht
koreduktion durch körperliche Aktivität entspricht somit einer ef- worden. In der Primärprävention lässt sich das koronare Risiko
fektiven medikamentösen Therapie. Sie ist daher wie ein Medika- durch regelmäßige Aktivität um 22–35% senken, dies gilt für Frau-
ment zur Prävention oder Therapie einzusetzen [35, 54]. en wie für Männer, besonders aber auch für ältere Menschen (< 65
Jahre) [34]. Die physiologischen Auswirkungen eines solchen Trai-
kurzgefasst nings sind vielfältig. Die Dosis-Wirkungsbeziehung ist nicht-linear
[32, 34]. Die Umstellung von Inaktivität auf moderate Aktivität
Körperliche Aktivität kann in gleicher Weise wie ein Medika-
bringt die relativ größte Verbesserung oder Risikominderung. Um-
ment verordnet werden. Es bestehen Indikationen, Dosis-
fang und Intensität des Trainings entsprechen den Empfehlungen
Wirkungsbeziehungen, Nebenwirkungen und bei akuten Er-
(q Tab.2, Tab.3) [22, 35]. Weitere Komponenten eines gesunden
krankungen Kontraindikationen. Die positiven Wirkungen
Lebensstils, wie mediterrane Kost und Normalgewicht, verstärken
sind somatischer und psychoaktiver Art.
die Risikoreduzierung. In der Rehabilitation nach einem Herzin-

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2253–2259 · H. Löllgen, Bedeutung und Evidenz …
Übersicht | Review article 2255

reduzierte Mortalität bei Hochdruckpatienten durch ein aerobes


Tab. 2 Aufgaben des Arztes bei Trainingsempfehlung und -verschreibung
(z. B. Rezept für Bewegung) [22, 35]. Training konnte in der aktuellen Analyse belegt werden [47]. Kör-
perliche Aktivität bzw. ein dosiertes Ausdauertraining ist somit un-
Anamnese abdingbarer Bestandteil der Hochdrucktherapie. Aerobe Belastun-
Befragung bei jedem Arztbesuch nach bisheriger körperlicher Aktivität und gen mit moderater Intensität stehen im Vordergrund, Krafttraining
Bewegung als Ergänzung scheint nach einer aktuellen Studie ebenfalls eine
Motivation blutdrucksenkende Wirkung zu haben [12].
motivierende Gesprächsführung im Patientengespräch
Individuelle Herzinsuffizienz
Trainingsberatung [35] nach Zahlreiche Studien haben die günstigen Auswirkungen von körperli-
3 Art der Aktivität: Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Atemmuskulatur, Kombi- chem Training auf Therapie und Prognose der Herzinsuffizienz ge-
nation aus allen Arten zeigt [8, 15–17, 29, 30, 43]. Regelmäßiges körperliches Training senkt
3 Art der Trainingsmethode: Laufen, Walking, Schwimmen, Radfahren etc. die Morbidität, Rehospitalisierung und die Mortalität bei Herzinsuf-
3 Frequenz, Intensität, Dauer pro Trainingseinheit fizienz. Eine Indikation zu Bewegung und körperlicher Aktivität be-
3 Steigerung von Umfang und Intensität im Verlauf des Trainings je nach steht für alle Herzinsuffizienzpatienten im Stadium I–III nach NYHA,
Möglichkeit sowohl für die systolische als auch für die diastolische Form der

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Kontrolle der Wirkung Herzinsuffizienz. Trainingsinhalte sind ein Ausdauertraining, aber
Schrittzähler, Tagebuch, Puls, Blutdruck, Gewicht, evtl. Ergometrie auch ein dosiertes Krafttraining (q Tab.2, Tab.3). Neuerdings er-
weist sich ein Intervalltraining (hochintensives Intervalltraining, HI-
Tab. 3 Praktische Trainingsempfehlungen. IT) als wirksam ohne bedeutsame Nebenwirkungen. Eine positive
MET: Metabolisches Äquivalent; HF: Herzfrequenz 1 /min, 1-RM: 1 Wiederho- Wirkung für kardiale Parameter, Überlebensrate und Lebensqualität
lung mit maximaler Kraft („one repetition maximum“) [22, 32, 35]. lässt sich auch nach 10 Jahren eines Trainingsprogramms noch signi-
fikant nachweisen [2]. Die Dosierung des Trainings erfolgt individu-
Ausdauertraining
ell nach Bestimmung der Ausgangsleistungsfähigkeit, man beginnt
Parameter Empfehlung
bei 40–50% peakV02 und steigert je nach Belastbarkeit.
Art des Trainings Ausdauertraining (Walking, Jogging, Radfahren)
Häufigkeit 5×/Woche moderates Training [1, 5, 41] oder
Körperliches Training führt zu einer Verbesserung der Leis-
3×/Woche intensives Training
tungsfähigkeit (z. B. VO2max) [16, 29] und der linksventrikulä-
Intensität moderat : 45–65 % der max. HF, MET 3–6,
ren Funktion: Die Auswurffraktion (EF) nahm um 2,6 % zu, das
Borg-Wert 11–13
endsystolische und enddiastolische Volumen verminderte sich
Intensiv: 65–85 % der max. HF, > 6 MET,
um 12,9 % bzw. 11,5 % [47]. Durch das Training stiegen Leis-
Borg-Wert 13–16
tungsfähigkeit (12–31 %) und Lebensqualität (27 %), die Mortali-
Dauer Moderat: 30 min oder mehr
tät sank um 35 %. Der kombinierte Endpunkt aus Mortalität und
Intensiv: 20 min oder mehr
Rehospitalisierungsrate reduzierte sich um 28 % (NNT=17)
Verlauf Dauer und Intensität steigern in Wochen und
[15, 24, 43, 50]. Auch Tai Chi wird als moderat wirksame nicht-
Monaten je nach Leistungsfähigkeit
medikamentöse Therapie aufgeführt [33].
Krafttraining
Parameter Empfehlung
Schlaganfall
Art Krafttraining, dynamisch
Beim Schlaganfall führt körperliches Training zu einer Senkung von
Häufigkeit 2×/Woche, 2–3 Durchgänge
Mortalität und Morbidität (25%–29%, 18 prospektive Kohortenstudi-
Intensität 30% der dynamisch- konzentrische Maximalkraft (1-RM)
en). Die Risikoreduktion betrug beim Hirninfarkt 25% (Mortalität),
Umfang 6–8 Übungen, 10–15 /25 Wiederholungen
bei Hirnblutung 33% und bei undifferenzierten Schlaganfällen 29%
Verlauf Steigerung der Kraft auf 50–60 %
(Männer) [44, 46]. Nach einem Schlaganfall konnte durch ein Trai-
ningsprogramm das Risiko für ein Rezidiv je nach Trainingsumfang
farkt führt ein körperliches Training zu einer signifikanten Risiko- gesenkt werden [53]. Ab mindestens 4 km Lauftraining betrug das
minderung (Tab.4) [11, 21, 27, 30, 38] . In einer kleinen Studie bei relative Risiko ca. 50% des Ausgangwerts, entsprechend 11% pro km
Patienten mit einer koronaren Eingefäßerkrankung konnten Ham- und Tag (32 Studien, 1414 Teilnehmer). Ein „Herz-Kreislauf-Trai-
brecht et al. [21] durch ein sehr intensives (tägliches) Training über ning“ (z.B. Walking) verbesserte die Geh- und Schrittgeschwindig-
ein Jahr sogar die Überlegenheit des Trainings gegenüber einer Bal- keit um 8,66 m/min bzw. 4,68 m/min. Ein gemischtes Training
londehnung mit Stentimplantation aufzeigen. Langzeitergebnisse (Geh-/Krafttraining) verbesserte die Gehgeschwindigkeit um 2,93
stehen noch aus. Anzumerken ist weiterhin, dass die Senkung kar- m/min und die Gehkapazität um 30,59 m innerhalb des 6-min-
diovaskulärer Risikofaktoren gleichzeitig die Häufigkeit von Tumo- Gehtests [5]. Eine Metaanalyse mit kleiner Probandenzahl (n=155)
rerkrankungen reduziert [44]. ergab eine Steigerung der VO2max um 0,83 ml/kg KG und der Geh-
strecke um 69% [53]. Nach eingetretenem Schlaganfall gehört ein
Arterieller Bluthochdruck körperliches Training zum wichtigen Bestandteil der Rehabilitati-
Körperliche Aktivität senkt den arteriellen Bluthochdruck in glei- on und Therapie [6, 54].
chem Umfang wie eine medikamentöse Monotherapie. Metaana-
lysen zeigen eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 3,84 Periphere arterielle Verschlusskrankheit
mmHg (95%-Konfidenzintervall [KI] 4,97–2,72) und des diastoli- Bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit verbesserte regel-
schen Werts um 2,58 (95%-KI 3,35–1,81) [12, 47]. In einer aktuel- mäßiges Gehen (Gehtraining) die arterielle Perfusion der Beinar-
len Analyse wurde sogar eine Senkung um 6,9/4,9 mmHg durch terien mehr als jedes Medikament [31]. Gleichzeitig minderte re-
moderates bis intensives Ausdauertraining beobachtet. Auch eine gelmäßiges Gehen die Schmerzen beim Gehen und verlängerte so

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2253–2259 · H. Löllgen, Bedeutung und Evidenz …
2256 Übersicht | Review article

Tab. 4 Risikoreduktion bei koronarer Herzkrankheit. Angegeben sind die jeweilige Odds Ratio mit 95%-Konfidenzintervall sowie das relative Risiko in %.

Literatur Gesamtmortalität Kardiale Mortalität Nicht-tödlicher Re-Infarkt Bypass-Operation Perkutane


Koronarintervention

Nur körperliches Training


Joliffe [27] 0,73 (0,54–0,98); -27 % 0,69 (0,51–0,94); -31 % 0,96 (0,69–1,35); -4 % – –
Taylor (nach [30]) 0,80 (0,68–0,93); -20 % 0,76 (0,71–0,90); -15 % 0,79 (0,57–0,91); -21 % 0,87 (0,65–0,84); -13% 0,81 (0,49–0,66);-19 %
Clark [11] 0,85 (0,77–0,94); -17 % 0,97 (0,82–1,14); -3 % – – –
(nach 12 Monaten).
0,53 (0,35–0,81); -47 %
(nach 24 Monaten)
Umfassende Rehabilitation
Joliffe [27] 0,87 (0,71–1,05); -13 % 0,74 (0,57–0,96); -26 % 0,88 (0,70–0,88); -12 % – –
Lawler [30] 0,74 0,64 0,54 – –
Martin [38] 0,59 (0,49–0,70) – – – –

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die Gehstrecke [31]. Eine aktuelle Studie zeigte eine Überlegen-
Tab. 5 Einfluss der körperlichen Aktivität auf die Mortalität bei Diabetes
heit des Gehtrainings gegenüber der Stentimplantation bei steno- mellitus [49]. RR: relatives Risiko.
sierender peripherer arterieller Verschlusskrankheit [42].
Gesamte körperliche Freizeitaktivität
kurzgefasst Aktivität

Körperliche Aktivität ist zur Prävention vieler Herz-Kreislauf- Gesamtmortalität RR 0,60 oder -40 % RR 0,63 oder -37 %
Krankheiten wirksamer als manche Medikamente. Bei bestehen- Kardiovaskuläre RR 0,61 oder -39 % RR 0,64 oder -36 %
den Krankheiten kann sie auch als Teil einer effektiven Therapie Mortalität
eingesetzt werden. Die Wirkung ist dabei einer medikamentö-
sen Monotherapie vergleichbar oder besser. Eine individuelle taktivität wurde eine Risikominderung um bereits 36 % gezeigt
Verordnung und Trainingsberatung in Absprache zwischen Fach- (q Tab. 5). Schnelles Gehen („Walking“) führte zu einer Senkung
arzt und Sportarzt oder Sportkardiologen ist notwendig. des Risikos um 38 % (Gesamtmortalität) und 42 % (kardiovaskulä-
re Mortalität). Folgerichtig ist körperliche Aktivität bei Diabetes
mellitus ein unabdingbarer Bestandteil der Therapie.
Körperliche Aktivität und andere Erkrankungen
▼ Chronische Nierenerkrankungen
Diabetes mellitus Körperliche Aktivität und körperliches Training bei Erwachse-
Regelmäßige Bewegung gilt seit längerem bei Diabetes mellitus nen mit chronischer Nierenerkrankung wurden in einer Meta-
und metabolischem Syndrom als unabdingbarer Bestandteil der analyse untersucht (45 Studien,1863 Teilnehmer, 32 auswertba-
Therapie. Eine Stellungnahme des IQWIG hat die körperliche Ak- re Studien [25]). Anhand verschiedener Trainingsformen und -
tivität bezogen auf Surrogatparameter als unwirksam beschrie- intensitäten konnte gezeigt werden, dass regelmäßiges Training
ben. Der HbA1c-Wert, ein wichtiger Surrogatparameter, wird zu signifikanten Verbesserungen führt: Die Fitness (aerobe Ka-
laut Studien jedoch durch körperliche Aktivität um ca. 33 % (16– pazität) stieg um 56 %, die Gehstrecke um 36 %. Der diastolische
51 %) gesenkt [19, 47]. Weitere Zielwerte sind Surrogatparameter Blutdruck sank um 6,08 mmHg, die Herzfrequenz um
wie Nüchtern-Glukosewerte, Lipidwerte, arterieller Blutdruck, 6 Schläge/min, die Lebensqualität nahm zu. Somit lässt sich
BMI und Bauch-Hüftumfang. auch für chronische Nierenerkrankungen ein positiver Effekt
durch körperliche Aktivität mit guter Evidenz nachweisen.
Eine prospektive Kohortenstudie zeigte bei einer regelmäßigen
körperlichen Aktivität von 15 min täglich eine Verminderung Tumorerkrankungen
der Gesamtmortalität um 14 % [45]. Bei Diabetikern mit modera- Mehrere Übersichtsarbeiten mit 52 bis 170 Studien zeigen eine
ter körperlicher Aktivität sank das Risiko um 22 %, bei intensiver hohe Evidenz für die Prävention des Kolon- und Mammakarzi-
Aktivität um 34 %. Für die präventive Wirkung ergaben sich ver- noms durch körperliche Aktivität in der Postmenopause
gleichbare Werte [49]. Bei Übergewicht und Diabetes sind Ge- [10, 20, 23, 51]. Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften un-
wichtsabnahme und körperliche Aktivität (beschrieben durch terstreichen den Stellenwert körperlicher Aktivität zur Präventi-
die Fitness) die wichtigsten Maßnahmen, um die Beweglichkeit on, Therapie und Rehabilitation von Tumorerkrankungen. Inhalt
zu erhalten und eine Beeinträchtigung im täglichen Leben zu und Umfang der körperlichen Aktivität variieren aber in den
vermindern. Dies wird auch durch die Look-AHEAD-Studie be- Studien erheblich. Mehrheitlich wird ein 3- bis –5-mal wöchent-
stätigt, die durch Lebensstiländerung eine verbesserte Mobilität liches Training empfohlen, mit moderater Aktivität über 20–30
und Fitness sowie eine Gewichtsabnahme ergab. Eine Mortali- min [23]. Allerdings erfüllt nur ein Teil der Studien tatsächlich
tätssenkung konnte nicht gezeigt werden, daher wurde die Stu- die Kriterien für das Training. Eine schwächere Evidenz liegt für
die vorzeitig abgebrochen [19, 47]. Eine aktuelle Studie zu kör- das Prostatakarzinom vor [51, 52], ebenso für das Uteruskarzi-
perlicher Aktivität und Diabetes mellitus [49] ergab hingegen nom (Endometriumkarzinom), Mammakarzinom vor der Meno-
eine deutliche Senkung der Mortalität (40 % bzgl. Gesamtmortali- pause sowie für Lungen- und Nierenkarzinom [51]. Kritisch an-
tät, 39 % bzgl. Herz-Kreislauf-Mortalität). Bei Analyse der Freizei- zumerken ist, dass es wenig prospektive Kohortenstudien für

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2253–2259 · H. Löllgen, Bedeutung und Evidenz …
Übersicht | Review article 2257

die letzteren Tumorarten gibt. Für die übrigen Tumorarten lie- Bei interstitiellen Lungenkrankheiten ist ein körperliche Trai-
gen zu wenige Studien zur Auswertung vor. Einzelstudien haben ning sicher und effektiv. Eine Verbesserung der funktionellen
naturgemäß unterschiedliche Ergebnisse, bedingt durch metho- Kapazität, der Lebensqualität und eine Abnahme der Dyspnoe
dische Ansätze und die Auswahl der Probanden [1]. Beim frühen nach kürzerem Training werden beschrieben [26]. Langzeitef-
Brustkrebs scheint körperliche Aktivität keine sichere protekti- fekte sind aber bisher noch nicht ausreichend untersucht wor-
ve Wirkung zu haben [52]. den. Im Rahmen einer umfassenden Rehabilitation mit einem
Während einer Chemotherapie oder Strahlenbehandlung wird intensiven körperlichen Training (Ausdauer, Kraft, Atemmusku-
ebenfalls ein individuell verordnetes und angepasstes körperli- latur) konnten die funktionelle Kapazität, die klinische Sympto-
ches Training empfohlen. Dieses führt zu einer besseren Ver- matik (Dyspnoe u. a.) und die Lebensqualität verbessert werden,
träglichkeit, eine negative Auswirkung besteht nicht. Die kör- Exazerbationen wurden reduziert [28].
perliche Leistungsfähigkeit wird durch das Training verbessert,
die Erschöpfung (Fatigue-Symdrom) wird vermindert oder ver- Bei Asthma bronchiale hat sich ein körperliches Training be-
bessert, die depressive Komponente wird geringer [13]. Bei An- währt. Die maximale Sauerstoffaufnahme nimmt zu, ebenso die
thrazyklin-haltigen Chemotherapeutika kann körperliches Trai- maximale Ventilation und die Lebensqualität. Die Lungenfunk-
ning die negativ inotrope Wirkung auf das Herz aufheben oder tion in Ruhe bleibt unverändert [9]. Liegt ein Belastungsasthma
verbessern [48]. Bewegung und körperlicher Aktivität kommt vor, ist ein Training nach Gabe eines Bronchodilatators (Spray)

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eine palliative Wirkung zu [41]. Zahlreiche Studien und eine möglich.
Metaanalyse weisen auf eine deutliche Verbesserung von Funk-
tion (peakVO2) und Lebensqualität hin [52]. Die amerikanischen Leitlinien [1] empfehlen bei Lungenkrankhei-
ten Training von Ausdauer, Kraft und Atemmuskulatur. Auch wer-
Nach der Diagnose eines Karzinoms, insbesondere nach Ab- den Dauer, Intensität, Häufigkeit und Art des Trainings mit einem
schluss der akuten Therapie, sollte bei allen Tumorarten das Rezept vorgegeben („exercise prescription“): 3–5 × 20–90 min
körperliche Training fortgeführt werden. Die notwendige „Do- über mindestens 3–4 Monate. Intensität und Trainingsart werden
sis“ liegt bei 18 MET × h/Woche [20]. So können Leistungsfähig- individuell festgelegt. Eine unbefristete Fortsetzung des Trainings
keit und Lebensqualität verbessert werden. In Nachsorgegrup- wird unbedingt empfohlen. Bei allen Lungenkrankheiten ist auf
pen für Tumorpatienten sind Gruppendynamik und ärztliche eine effektive Begleittherapie zu achten. Allgemein liegt bei Lun-
Betreuung wichtige soziale Komponenten, wie es den Forderun- genkrankheiten eine hohe Evidenz für das körperliche Training vor.
gen der Psychoonkologie entspricht.
kurzgefasst
Chronische Lungenkrankheiten
Körperliche Aktivität wirkt besonders bei Stoffwechsel-
Zahlreiche Studien belegen eine positive Wirkung der körperli-
erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) präventiv und thera-
chen Aktivität für Patienten mit Asthma, chronischer obstrukti-
peutisch. Regelmäßiges körperliches Training wird bei Lun-
ver Lungenkrankheit (COPD) und pulmonal-arterieller Hyperto-
gen- und Nierenerkrankungen als wichtige und wirksame
nie [26, 44]. Diese Befunde haben Eingang in die Leitlinien ge-
nicht-medikamentöse Therapie empfohlen. Tumorleiden
funden, u. a. die nationalen Versorgungsleitlinien (NVL).
werden, je nach Art und Lokalisation, durch körperliches Trai-
ning in einem deutlichen Prozentsatz verhindert. Nach Diag-
Mehrere Studien mit Arm-Ergometrie und Atemmuskeltraining
nose und während der Therapie bei Tumorerkrankungen ist
ergaben eine Kräftigung der Atemmuskulatur, eine Senkung der
ein begleitendes und rehabilitatives Training außerordentlich
Dyspnoe bei gleicher Leistung und eine verbesserte Ausdauer-
wirksam, es sollte ohne zeitliche Begrenzung fortgeführt
leistung (Fitness) [14, 44]. In weiteren Studien (n=8) wurde die
werden.
Wirkung eines Ausdauertrainings untersucht. Insgesamt fand
sich eine Zunahme der Gehstrecke (12-Minuten-Test), eine Ab-
nahme der Dyspnoe und der krankheitsbedingten Symptome, Sturzprophylaxe
eine Zunahme der Leistungsfähigkeit (peakVO2) und der Le- ▼
bensqualität [17]. Nach diesen Befunden besteht eine hohe Evi- Stürze sind eine wesentliche Gefährdung im Alter – nicht selten
denz für die positive Wirkung eines körperlichen Trainings. mit Frakturen, insbesondere des Oberschenkels. Risikofaktoren
sind Bewegungsmangel und geringe Fitness. Ein regelmäßiges
Das Training bei COPD umfasst Ausdauer, auch mit Intervallcha- Training mit Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit ist die wichtigste
rakter, sowie Kraft- und Atemmuskeltraining. Aktuelle systema- Maßnahme zur Sturzprophylaxe, bedeutsamer als Polsterungen
tische Übersichten und Metaanalysen zeichnen ein positives am Körper.
Bild für die Empfehlung zur körperlichen Aktivität. Eine Analyse
aus der Physiotherapie zur Wirkung bei COPD ergab eine mäßi-
ge, aber signifikante Verbesserung der Funktion [17, 24, 49]. Risiken und Nebenwirkungen
Kontinuierliches Ausdauer- und Intervalltraining zeigte in einer ▼
Cochrane-Analyse eine deutliche Verbesserung der kardiovas- Auch bei körperlichem Training sind Nebenwirkungen zu beach-
kulären Funktion und Lebensqualität [17]. Der körperlichen Ak- ten [40]. Alle akuten Organerkrankungen oder fieberhaften Er-
tivität bei COPD kommt somit eine hohe Evidenz zu, sie ist Be- krankungen sind Kontraindikationen und bedürfen der klini-
standteil der Leitlinien und der NVL. Das Training ist multimo- schen Abklärung. Verletzungsgefahren und muskulo-skelettale
dal, neben Ausdauer sollte wegen der Sarkopenie auch ein Verletzungen können durch sorgfältiges Aufbautraining unter
Krafttraining und ein Training der inspiratorischen Muskulatur fachlicher Anleitung vermieden werden. Psychiatrische Neben-
durchgeführt werden [14, 44]. wirkungen wie Anorexie, Medikamentenmissbrauch oder Über-
training sind zu beachten.

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2253–2259 · H. Löllgen, Bedeutung und Evidenz …
2258 Übersicht | Review article

Patientengespräch Krafttraining
▼ Zum Training gehört heute ein Krafttraining, vor allem im Alter
Jeder Arzt, gleich welcher Fachrichtung, sollte bei jedem Patienten- (2 ×/Woche) [22]. Das Muskel-Kraft-Training mit 8–10 Übungen
kontakt im Rahmen der Anamnese nach regelmäßiger körperlicher dient zum Erhalt oder Verbesserung der Muskelkraft und der
Aktivität fragen [54]. Liegt ein Bewegungsmangel vor, ist mit moti- Muskelausdauer. Der Widerstand wird so gewählt, dass 10–15
vierender Gesprächsführung das Thema Bewegung, körperliche Wiederholungen möglich sind, die Intensität der Anstrengung
Aktivität und Sport anzusprechen und zu Bewegung zu raten. Die liegt bei moderat bis hoch (13–16; Borg-Skala 6–20). Beweglich-
Empfehlungen beginnen mit Bewegung im Alltag wie Spazierenge- keitsübungen (Flexibilität) erfolgen nach Einweisung als Gym-
hen, Treppensteigen und Gartenarbeit. Es gilt, den Patienten von nastik oder Übungen mit einem Latexband, auch ein sensomo-
der Absichtslosigkeit zum Denken an die körperliche Aktivität zu torisches Training ist hilfreich.
bewegen, das Nachdenken anzuregen (Absichtsbildung), die Vorbe-
reitung zu fördern, beim Umsetzen (Handlung) zu beraten und die Konsequenz für Klinik und Praxis
Aufrechterhaltung des gesunden Lebensstils zu unterstützen (trans-
theoretisches Modell, motivierende Gesprächsführung). 3Körperliche Aktivität und Training sind bei den meisten
Krankheiten eine wichtige und wirksame Komponente der
Empfehlungen zur körperlichen Aktivität erfolgen auch durch nicht-medikamentösen Therapie. Die Wirkung von Bewe-

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ein individuelles Rezept für Bewegung oder zur Prävention gung und körperlicher Aktivität ist mit hoher Evidenz
(Bundesärztekammer, Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin gesichert.
und Prävention, Deutscher Olympischer Sportbund). Eine Kam- 3Training verbessert die kardio-pulmonale Funktion, vermin-
pagne „Exercise prescription for your health“ ist durch die Euro- dert die Sarkopenie und steigert die Muskelfunktion (Kraft,
pean Federation of Sports Medicine Association (EFSMA) im Ausdauer). Der Beginn des Trainings muss bei Patienten be-
März 2013 europaweit eingeführt worden. Zur Empfehlung re- reits in der Klinik erfolgen.
gelmäßiger körperlicher Aktivität gehört eine kompetente und 3Körperliche Aktivität kann die medikamentöse Behandlung
individuelle Trainingsberatung (q Tab. 2, Tab. 4). Eine eingehen- nicht ersetzen, ist jedoch ein essenzieller Bestandteil der
de sportärztliche Vorsorgeuntersuchung zur Vermeidung von Therapie. Die Verordnung von Bewegung und körperlicher
Zwischenfällen wird bei Neu- oder Wiedereinsteigern empfoh- Aktivität mit einem Rezept setzt sportärztliche Kenntnisse
len. Eine Kombination mit dem „Check-up 35“ bietet sich an. voraus.
Kontrollen der regelmäßigen Aktivität sind bei Patienten aus 3Körperliche Aktivität ist wirksamer als manche Medikamen-
psychologischer Sicht zu empfehlen. te und Medikamentenkombinationen. Regelmäßige körper-
liche Aktivität ist Prävention und Therapie für eine ganze
Reihe von Krankheiten mit einer nicht medikamentösen,
Evidenz der Trainingsempfehlungen preiswerten Maßnahme. Vor allem aber ermöglicht sie dem
▼ Patienten, eigenverantwortlich etwas für die eigene Gesund-
Training, Trainingsempfehlungen und physiologische Auswir- heit und Gesunderhaltung zu tun.
kungen der körperlichen Aktivität bei den verschiedenen
Krankheiten sind heute ebenfalls evidenzbasiert [22, 35]
(q Tab. 4). Körperliche Aktivität als Teil des gesunden Lebens- Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanziellen
stils dient dazu, die Gesundheit wieder herzustellen oder zu er- Verbindungen mit einer Firma hat, deren Produkt in dem Artikel
halten. Bei chronisch Kranken führt das körperliche Training zu eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkur-
einer Verbesserung von Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und renzprodukt vertreibt).
einer besseren Eingliederung in das tägliche Leben, vor allem
aber zu einer besseren Selbstbestimmung im höheren Alter. Das Literatur
Fatigue-Syndrom wird erheblich verbessert, der Muskel- 1 Adamsen L, Quist M, Andersen C et al. Effect of a multimodal high in-
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einer Trainingseinheit. Ausdauertraining erfolgt durch modera- ry fitness and other precursors on cardiovascular disease and all-
te bis intensive aerobe Aktivität über 30 min an mindestens 5 cause mortality in men and women. JAMA 1996; 276: 205–210
Tagen/Woche oder durch intensive aerobe Ausdauerbelastung 4 Bock C, Schmidt ME, Vrieling A et al. Walking, bicycling, and sports in
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über 20 min an 3 Tagen/Woche. Die Einschätzung moderat oder
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Übersicht | Review article 2259

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