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Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur

Von 1750 bis 1800


Theodor Brüggemann in Zusammenarbeit
mit Hans-Heino Ewers

Handbuch zur
Kinder- und Jugendliteratur

Von 1750 bis 1800

Erschienen im dreihundertsten Jahr


der J. B. Metzlersehen Verlagsbuchhandlung
Stuttgart
Redaktion:

Otto Brunken, Hans-Heino Ewers, Susanne


Hahn und Maria Michels (Bibliographie)

Mitarbeiter:

Theodor Brüggemann (B.), Otto Brunken


(O.B.), Carola Cardi (C.), Hans-Heino
Ewers (E.), Dagmar Grenz (G.), Susanne
Hahn (H.), Jörg-Dieter Kogel (K.),
Magdalena Nima-Rolf (N.), Beate Carola
Padtberg, Bärbel Pnzer (P.),
Günter Rixen (G. R.), Theresa Rixen (T. R.),
Gabriele Rummler (R.), Barbara Stallberg (S.)
und Yasuo Tanaka

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur/


Theodor Brüggemann in Zusammenarbeit
mit Hans-Heino Ewers.
[Mitarb. Theodor Brüggemann ...]
Stuttgart: Metzler
NE: Brüggemann, Theodor [Hrsg.]
Von 1750bis 1800.-1982.
ISBN 978-3-476-00484-0 ISBN 978-3-476-03158-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-476-03158-7

© 1982 Springer-Verlag GmbH Deutschland


Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung
und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1982
Vorbemerkung

Unter den an der historischen Kinderbuchfor- lieh eingeschränkt werden, was dazu geführt hat,
schung Beteiligten scheint in einem Punkt ein daß nicht alle Gattungen der Kinder- und Jugend-
Konsens zu herrschen, darin nämlich, daß zum literatur in ihrer Mannigfaltigkeit zur Darstellung
gegenwärtigen Zeitpunkt an eine neue historische kommen konnten. Zudem mußte auch innerhalb
Gesamtdarstellung der deutschsprachigen Kin- der Einzelartikel auf manche Detailanalysen und
der- und Jugendliteratur nicht zu denken ist. Die weiterführende Hinweise verzichtet werden. Es
Voraussetzungen sind hierfür allein schon auf der wurde dennoch versucht, innerhalb dieses engen
Ebene der Materialerschließung nicht gegeben. Rahmens die Kinder- und Jugendliteratur des
Die Forschung muß sich vorerst mit kleinen Zeitraums 17 50-1800 in ihrer gesamten Ausbrei-
Schritten begnügen, wie es vor kurzem noch Al- tung einzufangen; dies brachte jedoch mit sich,
fred Clemens Baumgärtner festgestellt hat. »Zu- daß innerhalb des Kreises einer einzelnen Gat-
nächst und auf lange Zeit wird es in der histori- tungen manches fehlen mußte. Hier müssen mo-
schen Jugendliteraturforschung nur um geduldi- nographische Studien die angedeuteten Linien
ge Detailarbeit, dicht an der überhaupt erst noch fortführen.
festzumachenden Sache gehen; Interpretationen Das Forschungsvorhaben wurde in großzü-
von Veränderungsprozessen innerhalb der Ju- giger Weise vom Minister für Wissenschaft und
gendliteratur dürften gewissermaßen >kleinräu- Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen ge-
mig< bleiben, das heißt, sich auf einzelne Epo- fördert. Weitere Unterstützung erhielt es von Sei-
chen beschränken; eine historische Gesamtdeu- ten des Rektors der Pädagogischen Hochschule
tung wird einstweilen kaum möglich sein.« Dieser Rheinland und des Dekans ihrer Kölner Abtei-
Forschungssituation entspringt es, daß hier ein lung. Nach der 1980 erfolgten Integration der
Handbuch vorgelegt wird, das nicht Forschungs- Pädagogischen Hochschule in die Universität wa-
resultate zusammenfaßt, sondern das Forschung ren es der Rektor der Universität zu Köln wie der
erst anregen will, das Material erschließen will, Dekan ihrer Erziehungswissenschaftlichen Fa-
das allererst einen Zugang zu einem Gegenstand kultät, die dem Forschungsvorhaben durch Hilfe
verschaffen will, der bisher vernachlässigt wurde. und Entgegenkommen die Weiterarbeit ermög-
Die gegenwärtige Lage bedingt gleichfalls, daß lichten. Ihnen gebürt an dieser Stelle Dank.
das vorgelegte Handbuch sich auf eine Phase der Ohne die intensive Hilfe der wissenschaftli-
geschichtlichen Entwicklung der Kinder- und Ju- chen Bibliotheken wäre ein erfolgreicher Ab-
gendliteratur beschränkt. schluß des Forschungsvorhabens ganz und gar
Das Handbuch wird jedoch auch nach dem undenkbar gewesen. Hier ist an erster Stelle die
Vorliegen einer historischen Gesamtdarstellung Bibliothek der Pädagogischen Hochschule
nicht seinen Wert verlieren. Dies liegt in dem be- Rheinland unter der Leitung von Bibliotheksdi-
sonderen Charakter des hier behandelten Litera- rektor Dr. Jürgen Hönscheid zu nennen, die den
turzweiges begründet. Die einzelnen Werke der umfangreichen Fernleihverkehr des Forschungs-
Kinder- und Jugendliteratur werden, sofern sie projektes über Jahre hinweg abwickelte. Ihre
überhaupt noch erhalten sind, immer schwer zu- Nachfolge hat in jüngster Zeit die erziehungswis-
gänglich bleiben. Mit Nachdrucken wird nur in senschaftliche Abteilungsbibliothek der Universi-
Ausnahmefällen zu rechnen sein. Deshalb wird tät zu Köln unter der Leitung von Frau Oberbi-
ein Handbuch, das einzelne Werke repräsentati- bliotheksrätin Maria Olesch angetreten. Allen ih-
ven Charakters ausführlich beschreibt, auch dann ren bibliothekansehen Kräften muß hier großer
noch von Nutzen sein, wenn eine historische Ge- Dank ausgesprochen werden.
samtdarstellung vorliegen sollte. Geht es einer Von besonderer Bedeutung war für das For-
solchen Darstellung um die Herausarbeitung hi- schungsprojekt die enge Zusammenarbeit mit der
storischer Zusammenhänge, so ist das Handbuch Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Die-
auf die Präsentation des Einzelwerkes aus; beide se machte dem Projekt in großzügiger Weise ihre
sind solchermaßen auf eine wechselseitige Ergän- Kinderbuchbestände und auch ihre Portrait-
zung hin angelegt. Anlage und Aufbau des Hand- sammlung zugänglich; ihrem Direktor Paul Raa-
buches werden an anderer Stelle, unter den Be- be verdankt es zudem zahlreiche Hilfestellungen
nutzungshinweisen, ausführlich dargelegt. und manches fördernde Gespräch. Auch dem
Mit dem Handbuch legt ein mehrjähriges Frankfurter Institut für Jugendbuchforschung
Forschungsprojekt seine Ergebnisse vor. Der nur und seinem Leiter Klaus Doderer muß Dank ge-
begrenzt zur Verfügung stehende Raum erlaubt es sagt werden für mannigfaltige Hilfe und fruchtba-
hierbei nur, einen Teil der Resultate zu präsentie- ren Gedankenaustausch. Rainer Eck sorgte da-
ren. Die Zahl der vorgestellten Titel mußte erheb- für, daß die Kinderbuchbestände der Göttinger
XI Vorbemerkung XII

Universitätsbibliothek eingesehen werden konn- zelner Teilgebiete übernommen haben. Ihnen sei
ten; Dr. Peter Düsterdieck öffnete dem Projekt ebenso gedankt wie den studentischen Hilfs-
die Bestände der Sammlung Höbrecker, die sich kräften, ohne deren Unterstützung das For-
in der Braunschweiger Universitätsbibliothek be- schungsprojekt kaum erfolgreich hätte arbeiten
finden. Einem langjährigen Kontakt mit dem Di- können.
rektor der Abteilung »Kinder- und Jugendbuch« Schon in einem frühen Stadium der Arbeit
der Deutschen Staatsbibliothek Berlin, Heinz bezeugte die J. B. Metzlersehe Verlagsbuchhand-
Wegehaupt, sowie dem von ihm veröffentlichten lung ihr Interesse an der Veröffentlichung der
Bestandskatalog Alte deutsche Kinderbücher. Bi- Forschungsergebnisse. Dies führte zu einem an-
biliographie 1507-1850 verdankt das Projekt haltenden und fruchtbaren Dialog mit Dr. Bernd
wichtige Anregungen. Darüber hinaus gebürt Lutz. Seinem fachkundigen und engagierten Rat
zahlreichen Bibliotheken der Bundesrepublik, verdankt das Handbuch zu einem wesentlichen
der DDR und der Schweiz Dank für ihr freundli- Teil seine Drucklegung und Ausgestaltung in der
ches Entgegenkommen. vorliegenden Form.
Neben den bibliothekansehen und wissen-
schaftlichen Kräften konnte sich das Projekt auch
auf interessierte und engagierte freiwillige Mitar- Köln, im März 1981 Theodor Brüggemann
beiter stützen, die im Rahmen eines Dissertations- Hans-Heino Ewers
bzw. Habilitationsprojektes die Bearbeitung ein-
Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung IX 1782 G.C. Claudius, Kinder-Theater(C.) 279


1783 Pabst, Die Entdeckungen des fünften
Hinweise zur Benutzung des Bandes XXI Welttheils (P.) 283
Einleitung I Sander, Pusillana, ein Schauspiel (C.) 290
Eingrenzung des Gegenstandes (E.) I 1784 Deutsche Zeitung für die Jugend und ihre
Hauptströmungen und Tendenzen (E.) 15 Freunde(O.B.) 293
Die einzelnen literarischen Bereiche und Sander, Friedrich Robinson (E.) 299
Gattungen (E.) 35 Unger, Julchen Grünthai (G.) 305
Literaturfür Mädchen (G.) 58 Wening, Historisch- und moralische
Erzählungen für den gemeinen Mann
unddieJugend(S./O.B.) 318
1786 Campe, Reise des Herausgebers von
Historischer Teil Harnburg bis in die Schweiz (P.) 323
Liebeskind, Palmblätter(O.B.) 329
Unterhaltende Schriften
1787 Cervantes/ Andre, Don Quixote (E.) 338
1758 La Vie et !es Fahles d'Esope (N./H.) 67 Engelhard, Neujahrs-Geschenk für liebe
1759 Lessing, Fabeln(O.B.) 74 Kinder(N./O.B.) 348
17 61 Die von der Tugend neueröffnete Guenther, Kindermährehen aus münd-
Ehrenpforte (H.) 76 Iichen Erzählungen gesammlet (R./H.) 354
1765 Die Wege der Tugend, oder die Geschich- R. Chr. Lossius, Lieder und
tederberühmtenPamela ... (G.) 84 Gedichte(O.B.) 358
1767 Weiße,LiederfürKinder(H.) 86 1788 Campe, Beschreibung einer Reise um die
1768 Iselin, Sammlung dem Nutzen und Ver- Erdkugel (P.) 367
gnügen der Jugend geheiliget (T.R./H.) 93 G.C. Claudius, Ludwig Helmann (K.) 374
1769 Pfeffel, Dramatische Kinderspiele(C.) 98 Musäus, Moralische Kinderklapper(H.) 379
1770 Moissy, Spiele der kleinen Thalia (C.) 102 1789 Textor, Entlarvter Aberglaube(H.) 386
1771 Wochenschrift zum Besten der Erziehung 1790 Bertuch, Bilderbuch für Kinder(H./B.) 391
der Jugend(H.) 108 Für Jünglinge jeden Standes. Traurige
1772 Engel,DerEdelknabe(C.) 113 Wahrheiten im Romangewande (K.) 401
Zimmermann, Briefe für Knaben (H.) 115 Lavater, Gesänge zur Beförderung
1773 Bodmer, Sittliche und gefühlreiche vaterländischer Tugend (E.) 406
Erzählungen (O.B.) 119 1791 Eckartshausen, Bibliothek für
1774 Niedersächsisches Wochenblattfür Mädchen(G.) 412
Kinder(H.) 124 Meißner, Aesopische Fabeln fürdie
177 5 Schieh Sadi, Persisches Rosenthai Jugend (N./O.B.) 418
(N./O.B.) 131 1793 Voit, Zeitvertreib für junge Leute (H.) 421
1776 Der Kinderfreund. Ein Wochen- 1794 Neue Bilder Gallerie für junge Söhne
blatt(O.B.) 137 und Töchter(P./B.) 429
Rode, Briefwechsel einiger Kinder (O.B.) !56 Sittenlehre in Fabeln und Erzählungen
Rode, Kinderschauspiele ( C.) !59 fürdieJugend(N./O.B.) 438
Schummel, Fritzens Reise nach Strobl, Folgen unrichtigerund verwahr-
Dessau(E.) 161 loster Erziehung (O.B.) 446
Schummel, Kinderspiele und 1796 Gutsmuths, Spiele zur Uebung und Erho-
Gespräche (E.) 166 Jung des Körpers und des Geistes (O.B.) 455
Weiße, Schauspiele für Kinder (C.) 174 1798 Ebert, Fabeln und Erzählungen
1777 Burmann, Kleine Lieder für kleine für Kinder und junge Leute (H.) 463
Mädchen, und Jünglinge (T.R./H.) 187 1799 Glatz, Familiengemählde und Erzählun-
Röding, Der großmüthige Bauern- genfürdieJugend(O.B.) 469
knabe(C.) 193 Löhr, Kleine Geschichten und Erzählun-
1778 Campe, Kleine Kinderbibliothek (E.) 196 genfür Kinder (H.) 475
Stroth, Kar! Weissenfeld (O.B.) 206
1779 Campe, Robinson der Jüngere (E.) 215
Moralisch belehrende Schriften
Vermischte Abhandlungen und
ErzählungenfürKinder(O.B.) 233 1753 Miller, Historischmoralische Schilde-
Wezel, Robinson Krusoe. rungen (B.H.) 481
Neu bearbeitet (E.) 238 17 56 Tessin, Briefe an einen jungen
1781 Fürdeutsche Mädchen. Eine Wochen- Prinzen(K.) 490
schrift (G.) 255 1758 LePrince de Beaumont, Lehrreiches
Kleine Romane für Kinder (E.) 259 Magazin für Kinder (G.) 494
Overbeck, Fritzchens Lieder(H.) 269 1759 Maubert de Gouvest, Die Schule
Sander, Der kleine Herzog (C.) 277 des Edelmanns (K.) 506
XV Inhaltsverzeichnis XVI

1761 S. Fielding, Die Hofmeisterinn(G.) 512 1782 Lavater, Brüderliche Schreiben an


1763 Bibliothek für Jünglinge (H.) 521 verschiedene Jünglinge (E.) 762
1767 Fordyce, Predigten für junge Frauen- 1784 R. Chr. Lossius, Die ältesten Geschichten
zimmer(G.) 528 der Bibelfür Kinder(O.B.) 770
1771 Schlosser, Katechismus der Sittenlehre 1788 Lavater, Christlicher Religionsunterricht
für das Landvolk (E.) 535 für denkende Jünglinge (E.) 774
Schönberg, Die Zierde der Jugend (K.) 542 1789 Liebner, Nöthiger Unterricht über
177 4 Steinberg, Sittenlehre für Junge Frauen- den noch herrschenden schädlichen
zimmer(G.) 548 Aberglauben
177 5 Trapp, Unterredungen mit unter den Christen (H.) 782
der Jugend (O.B.) 553 1790 Bahrdt, Katechismus der natürlichen
1777 Campe, Sittenbüchlein für Kinder (E.) 561 Religion (G.) 786
1780 Moritz, Unterhaltungen mit seinen 1791 Campe, Versuch eines Leitfadens beim
Schülem(E.) 567 christlichen Religions-Unterrichte (E.) 791
1782 Emesti, Kleine Moral für Kinder(E.) 571 1795 K. Fr. Lossius, Gumal und Lina (E.) 801
Salzmann, Moralisches Elementar-
buch(O.B.) 574
1783 Campe, Theophron, I. Auflage (G.) 593
Lavater, Lebensregeln für Jünglinge (E.) 597
1785 Geliert. Ein Lesebuch für Kinder (H.) 601
von La Roche, Briefe an Lina(G.) 606 Werke fiir den Lese- und Schreibunterricht
1787 Oest, Höchstnöthige Belehrung und und fiir den deutschen Sprach-, Rhetorik-
Warnung(K.) 612 und Poetikunterricht
Spach, Ein Sterbender Greis an seinen
Sohn(G.) 613 1753 Gottsched, Kern der Deutschen Sprach-
1789 Campe, Vaeterlicher Rathfürmeine kunst(O.B.) 813
Tochter(G.) 625 1771 Basedow, Kleines Buch für Kinder aller
1790 Campe, Theophron, 3. Auflage (G.) 638 Stände(E.) 821
1792 Heusinger, Gutwills Spaziergänge mit 1772 Weiße, Neues A, B, C, Buch (O.B.) 830
seinem Wilhelm (O.B.) 650 1776 Rochow, Der Kinderfreund (O.B.) 835
1796 Baratier, Sittliche Gemälde guterund 1777 Seybold, Deutsche Chrestomathie für
böser Kinder(H.) 654 Jünglinge (G.) 850
1798 Ewald, Die Kunst ein gutes Mädchen, 1778 Campe, Neue Methode, Kinder auf eine
eine gute Gattin, Mutterund Hausfrau leichte und angenehme Weise Lesen zu
zu werden (G.) 659 lehren(E.) 854
Thieme, Aufmunterungenzum vernünf- 1779 Friedländer, Lesebuch für Jüdische
tigen Denken und Handeln (O.B.) 667 Kinder(N./H.) 862
1800 Knigge/Grober, Überden Umgangmit 1780 Sulzer/Meierotto, Vorübungen zur
Menschen(K.) 676 Erweckung der Aufmerksamkeit und
des Nachdenkens (E.) 865
1781 Adelung, Deutsche Sprachlehre (O.B.) 870
17 83 Wolke, Erste Kenntnisse für
Religiöse Schriften Kinder(N./H.) 878
1785 Basedow, Unerwartlichgrosse
1753 Miller, Erbauliche Erzählungen Verbesserung der Kunst Lesen
der vornehmsten biblischen zu lehren (O.P.) 882
Geschichten (O.B.) 681 1787 Herd er, Buchstaben- und Lese-
1758 Poetischer Bilderschatz der vornehmsten buch(O.B.) 888
Biblischen Geschichte (O.B.) 687 1790 Hähn, Berlinisches neu eingerich-
1764 Basedow, Methodischer Unterricht tetes ABC Buchstabier-und Lese-
der Jugend in der Religion und Sitten- büchlein (O.B.) 892
lehre (O.B.) 693 Moritz, Neues A.B.C. Buch (E.) 895
1771 Felbiger, Katholischer Katechismus (H.) 707 Seiler, Allgemeines Lesebuch (H.) 898
1772 Seiler, Religionder Unmündigen (O.B.) 712 1791 Gedike, Kinderbuch zur ersten Übung im
1773 Burk, Gebetsbüchlein in Versen für Lesen(O.B.) 904
Kinder(H.) 719 Reinhardt, Der Märchenspiegel oder
177 4 Biblische Erzählungen fürdie Lesebuch für Töchter (G.) 908
Jugend (O.B.) 723 1794 Thieme, Gutmann oder der sächsische
1777 Feddersen, Das LebenJesu (T.R./H.) 732 Kinderfreund (0 .B.) 912
177 6 Schlosser, Katechismus der christlichen 1796 Löhr, ABC und Bilderbuch (G.R./H.) 921
Religion für das Landvolk (E.) 735 Vetter!ein, Chrestomathie deutscher
1777 Felbiger, Kern der Geschichte des alten Gedichte (G.) 926
und neuen Testaments (G.R./H.) 740 1797 Funke, Neue Bilder-Fibel (H.) 929
Sturm, Vollständiges Gesangbuch für 1798 Salzmann, Conrad Kiefers ABC und
Kinder von reiferm Alter (H.) 743 Lesebüchlein (O.B.) 937
1779 Resewitz, Predigten für die Jugend (H.) 745 1800 Wilmsen, Der Brandenburgische Kinder-
1781 Salzmann, Gottesverehrungen(O.B.) 750 freund(H.) 944
XVII Inhaltsverzeichnis XVIII

Belehrende und unterhaltende Sach- 1786 Moritz, Versuch einer kleinen praktischen
schriften Kinderlogik (E.) 1130
Warlich, Geschichte aus Ober-Sachsen
1750 Desing, Hinlängliche Schul-Geographie füreinen deutschen Knaben(O.B.) 1135
für Junge Leute (H.) 951 1787 Seiferheld, Sammlung elektrischer Spiel-
1766 LePrince de Beaumont, Auszug aus werke fürjunge Electriker(O.B.) 1140
der alten Geschichte zur Unterweisung Villaume, Practische Logik für junge
der Kinder(S.) 953 Leute(E.) 1143
1769 Bodmer, Historische Erzählungen 1788 Baumeister, Die Welt in Bildern vorzüg-
(S./O.B.) 958 lieh zum Vergnügen und Unterricht der
1770 Basedow, Elementarbuch, l. Auflage (K.) 961 Jugend (T.R./O.B.) 1153
177 4 Basedow, Elementarwerk (K.) 969 Pabst, Leben Friedrichs II Königs von
1770 KupfersammlungzuJ.B. Basedows Preußen für deutsche Jünglinge (G.) 1157
Elementarwerke (B.) 984 Voit, Faßliche Beschreibung der gemein-
1771 Adelung, Unterweisung in den vor- nützlichsten Künste und Handwerke für
nehmsten Künsten und Wissen- junge Leute (H.) 1161
schaften (O.B.) 991 1789 Meil, Unterricht im Zeichnen für
1774 Voit, Schauplatzder Naturund Künste Kinder(O.B.) 1167
(H./O.B.) 997 1792 Forster/Klügel, Beschreibungen zu den
1775 Büsching, Unterrichtinder Natur- Abbildungen merkwürdiger Völkerund
geschichte (O.B.) 1007 Thiere(E.) 1169
1776 Ebert, Naturlehre für die Jugend (O.B.) 1010 Steinbeck, Der aufrichtige Kalender-
Raff, Geographie für Kinder(G.R./H.) 1014 mann(G.) 1176
Trembley, Unterricht eines Vaters Villaume, Geographie und Geschichte für
fifr seine Kinder über die Natur und die die Jugend der Bürger (E.) 1179
Religion (O.B.) 1017 1794 Steinbeck, Frey- und Gleichheits-
1778 Raff, Naturgeschichte für Kinder (O.B.) 1021 büchlein (G.) 1184
Reiche, Die Geschichte Roms (S./O.B.) 1027 1797 Blasche, Der Papparbeiter (O.B.) 1189
1779 Schlözer, Vorbereitungzur Welt- Zahn, Historisches Bilderbuch für die
geschichtefür Kinder(O.B.) 1033 Jugend(O.B.) 1192
Schröckh, Allgemeine Weltgeschichte 1798 Vieth, Physikalischer Kinder-
für Kinder(S.) 1039 freund (O.B.) 1200
Seybold, Einleitung in die Griechische 1800 Kirsten, Seelenlehre für die Jugend
und Römische Mythologie (H.) 1046 nach den Grundsätzen der Kautischen
17 80 Campe, Kleine Seelenlehre für Philosophie (E.) 1206
Kinder(E.) 1050 Funke, Lehrbuchzum Unterricht
N eues Elementarwerk für die niedem derTöchter(O.B.) 1212
Klassen lateinischer Schulen und
Gymnasien (O.B.) 1057 Autorenbiographien 1217
1783 Truckenbrot, Geschichte der Deutschen
fürdie Jugend (S./O.B.) 1081
Villaume, Geschichte des Menschen (E.) 1086
1784 Campe, Geographisches Karten- Bibliographischer Teil
spiel (H.) 1093
Schlözer, NeuJahrs-Geschenk Bibliographie von Kinder- und Jugend-
aus Westfalen für einen deutschen büchem 1750-1800 1255
Knaben (S./O.B.) 1094 Chronologisches Register 1587
Stoy, Bilder-Akademie für die Gattungsregister 1591
Jugend(H.) 1099 Verlags- und Ortsregister 1595
1785 Gutsmuths, Zusammenkünfte am
Atlas(H.) 1114
Illustratorenregister 1603
Liebner, Martin Luthers Reformations- Literaturverzeichnis
geschichtefürdie Jugend (O.B.) 1116 Stichwortregister 1609
Scheppach, Mythologisches Lesebuch für Vorl850 1613
dieJugend(H.) 1122 Nach 1850 1645
Wolke, Das Buch für Anfänger im Lesen Personenregister 1711
und Denken(N./H.) 1126 Nachweis der Bildquellen 1725
Hinweise zur Benutzung des Bandes

Historischer Teil Iage zugleich eine starke Veränderung und Neu-


bearbeitung des ursprünglichen Werkes darstellt.
Der historische Teil enthält Einzelartikel zu aus- Artikel zu Werken desselben Erscheinungsjahrs
gewählten Kinder- und Jugendbüchern der zwei- wurden alphabetisch nach Verfassern, bei anony-
ten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Hierbei wurden men Schriften nach Titeln in mechanischer Wort-
Werke ausgewählt, die für einzelne Genres reprä- folge angeordnet.
sentativ sind und denen eine typenbildende Funk- Die einzelnen Artikel suchen, ohne nach ei-
tion zukommt; Werke sodann, in denen sich be- nem strengen Schema ausgerichtet zu sein, bei der
deutende philosophische, pädagogische oder Beschreibung der Werke doch einheitlich vorzu-
theologische Strömungen niederschlagen und die gehen. Am Beginn der Artikel findet sich zumeist
repräsentativ für eine der verschiedenen Tenden- eine Klärung des Adressatenbezuges: An wen ist
zen der Kinder- und Jugendliteratur der Zeit sind; das Werk gerichtet? Werden die angesprochenen
Werke schließlich, die in der geschichtlichen Ent- Kinder und Jugendlichen dem Alter, dem Ge-
wicklung der Kinder- und Jugendliteratur eine in- schlecht und der sozialen Stellung nach näher
novatorische Wirkung gezeitigt haben und auf charakterisiert? Welche Bildungsvoraussetzun-
diese Weise zu einer literaturgeschichtlichen Be- gen müssen sie mitbringen? Wie soll das Werk
deutung gelangt sind. Berücksichtigt wurden den Kindem und Jugendlichen vermittelt wer-
gleichfalls Übersetzungen wichtiger ausländi- den, zu welchem Zweck soll es ihnen dienen? In
scher Kinder- und Jugendbücher. Stammt ein einem nächsten Schritt wird versucht, die Absich-
Werk von einem bedeutenden Autor oder fand es ten herauszuarbeiten, die der Autor mit seiner
eine außerordentlich große Verbreitung, so wurde Schrift verfolgt. Will er unterhalten oder beleh-
es ebenso beachtet. Bei der Auswahl spielte end- ren? Will er beides, wie soll es dann sich vereinen?
lich auch eine Rolle, ob in einem Werk sich theo- Geht es um moralische, religiöse oder um sachli-
retische und programmatische Äußerungen zur che Belehrung? Welche pädagogischen Absich-
Kinder- und Jugendliteratur fanden. Daß die ge- ten hegt der Autor? Welchen Platz nimmt das
nannten Auswahlkriterien sich überschneiden Werk in seinen Erziehungsvorstellungen ein?
und ineinanderspielen, bedarf kaum einer Er- Von welchem didaktischen Konzept geht er aus,
wähnung; für viele der ausgewählten Bücher tref- welche erzieherischen Methoden will er anwen-
fen denn auch mehrere der Kriterien zu. den? Diese Fragen lassen sich zumeist aus der
Die Einzelartikel sind nach Sektoren zusam- Vorrede oder der Einleitung der Schrift beantwor-
mengefaßt und gegliedert. Unter Sektoren wer- ten, in denen die Autoren des 18. Jahrhunderts oft
den hierbei die verschiedenen literarischen Spar- eine sehr genaue Rechenschaft ablegen. Finden
ten oder Bereiche der Kinder- und Jugendlitera- sich solche Hinweise nicht, so müssen die Inten-
tur verstanden: die unterhaltende Literatur, das tionen aus dem historischen und gattungsmäßi-
moralisch belehrende und religiöse Schrifttum, gen Kontext erschlossen werden.
die Werke für den Lese- und Schreibunterricht In einem dritten Schritt geht es um eine Be-
und für den deutschen Sprach-, Rhetorik- und schreibung der formalen und inhaltlichen Struk-
Poetikunterricht, schließlich der große Bereich tur des Werkes. Dieser Teil der Artikel wird klein
der Sachliteratur. Eine Erläuterung und Begrün- gedruckt: Er sucht einen Überblick über Aufbau
dung dieser sektoralen Gliederung der Kinder- und Gliederung sowie über die behandelten Ma-
und Jugendliteratur sucht die Einleitung zu ge- terien zu geben, Darbietungsweisen und Vermitt-
ben. Ist ein Werk mehreren Sektoren gleich gut lungsformen zu beschreiben und Sprach- und
zuzuordnen, ist dies durch entsprechende Verwei- Stilmerkmale hervorzuheben. Bei literarischen
se deutlich gemacht. Innerhalb der einzelnen Sek- Texten zeichnet er das Handlungsgefüge, Rah-
toren sind die Einzelartikel chronologisch ange- menhandlung; einzelne Handlungsstränge, Figu-
ordnet. Maßgebend ist hierbei stets das Jahr der ren und Motive nach und stellt die lyrische, epi-
Erstausgabe des jeweils besprochenen Werkes. sche oder dramatische Struktur heraus. In einem
Dies gilt auch dann, wenn das besprochene Werk vierten Schritt versuchen die Artikel, die unter-
nur in einer späteren Auflage zugänglich war. Die suchte Schrift in einen übergreifenden histori-
vorgestellte Jahreszahl markiert hierbei stets den schen Zusammenhang zu stellen und historisch
Zeitpunkt des Ersterscheinens, während die Jah- zu bewerten. Zudem greifen sie einzelne Themen-
reszahl am Ende der Artikelüberschriften sich auf komplexe heraus, um sie gesondert zu erörtern.
die jeweils zugrunde gelegte Ausgabe bezieht, aus Die Artikel versuchen auf diese Weise, Formen
der dann auch zitiert wird. Von diesem Prinzip und Inhalte des Werkes einzelnen zeitgenössi-
wurde nur dort abgewichen, wo eine spätere Auf- schen Strömungen und Tendenzen sowie ver-
XXIII Benutzungshinweise XXIV

schiedeneo ständisch und sozial geprägten Be- tung gleichermaßen realisiert werden. Bei den
wußtseinsformen zuzuordnen. Gerade dieser Grammatiken, Rhetoriken und anderen Schul-
vierte Schritt aber fällt bei den Artikeln höchst un- buchgattungen etwa, bei zahlreichen Sparten der
terschiedlich aus; die Einheitlichkeit ist hier mini- religiösen und der Sachliteratur können die hier
mal und soll es denn auch sein. In einem fünften verzeichneten Titel nicht als eine repräsentative
und letzten Schritt suchen die Artikel Hinweise Auswahl gelten. Bei diesen mehr am Rande lie-
zur Rezeptionsgeschichte des Werkes zu geben. genden Bereichen kam es denn auch bloß darauf
Diese betreffen zunächst die Auflagengeschichte an, diese Gattungen mit einigen Titeln überhaupt
und die zeitgenössische Aufnahme des Werkes, vertreten zu haben, um so die Kinder- und Ju-
soweit sie sich in Rezensionen niederschlägt und gendliteratur in ihrer gesamten Ausbreitung ein-
in Empfehlungen und Kritiken zum Ausdruck zufangen.
kommt. Sodann wird die Beurteilung des Werkes Die zeitliche Eingrenzung 17 50-1800 wurde
in der Literaturgeschichtsschreibung des 19. und in mehrfacher Hinsicht nicht streng genommen.
20. Jahrhunderts dokumentiert und kritisch über- So sind auch Werke, die vor 17 50 erschienen sind,
prüft. Dieser letzte Teil wird wiederum klein ge- aufgenommen, wenn sie zwischen 17 50 und 1800
druckt; er ist in größerer Ausführung zudem nur weitere Auflagen erlebt haben; sie sind allerdings
bei bedeutenderen Werken anzutreffen. nur mit diesen späteren Auflagen verzeichnet. Die
Im Rahmen der Einzelartikel werden Zitate hintere Grenze von 1800 wurde dann durchbra-
unmittelbar im Text belegt. Hierbei bezieht sich chen, wenn es sich um Autoren handelte, deren
eine Seitenangabe ohne jeglichen Zusatz auf das jugendliterarisches <Euvre zum weitaus überwie-
in der Artikelüberschrift genannte Werk. Zitate genden Teil vor 1800 erschienen ist. Hier ging es
aus anderen zeitgenössischen Schriften wie aus darum, die Kinder- und Jugendbücher etwa eines
der Sekundärliteratur werden entweder mit einer Campe oder Salzmann möglichst vollständig auf-
Kurzform des Titels oder durch Angabe von Au- zunehmen, auch wenn wenige späte Titel erst
tor und Erscheinungsjahr belegt. Die genaueren nach 1800 erschienen sind. Bei Autoren wie Glatz
bibliographischen Angaben müssen dem Litera- oder Wilmsen, die erst im letzten Jahrzehnt des
turverzeichnis entnommen werden.- Die einzel- 18. Jahrhunderts mit der Publikation von Kinder-
nen Artikel sind von verschiedenen Autorinnen und Jugendbüchern beginnen, wurde dagegen bei
und Autoren verfaßt, die jeweils mit ihren Siglen 1800 ein Schnitt gemacht. Schließlich wurden
unterzeichnen. Ein Verzeichnis der Mitarbeiter auch nach 1800 erschienen Auflagen von Werken
und ihrer Siglen befindet sich hinter dem Titel- aufgenommen, die erstmals vor 1800 erschienen
blatt des Handbuches. Unterzeichnen zwei Auto- sind.
ren, so hat der erste davon eine Vorstudie angefer- Die Bibliographie ist alphabetisch nach Ver-
tigt, die dann redaktionell bearbeitet wurde. fassern und anonymen Sachtiteln geordnet. Bei
Angaben zu den Autoren, Herausgebern den anonymen Titeln wurde von der gegebenen
und Bearbeitern sind an das Ende des histori- Wortfolge ausgegangen, wobei der Artikel am
schen Teils gestellt. Hier finden sich knappe, al- Anfang des Titels nicht berücksichtigt wurde.
phabetisch angeordnete Biographien, wobei nur Den Verfassern wurde, soweit dies ermittelt wer-
Autoren berücksichtigt wurden, von denen Wer- den konnte, Geburts- und Sterbejahr sowie einige
ke im historischen Teil zur Vorstellung gelangen. Angaben zu Beruf und Wirken hinzugefügt. Sind
zu den Verfassern im historischen Teil ausführli-
chere biographische Angaben gemacht, so macht
Bibliographischer Teil und Register ein Verweis hierauf aufmerksam. Die Titelwie-
dergabe erfolgt in größter Vollständigkeit; abge-
Die Bibliographie von Kinder- und Jugendbü- kürzt wurden nur Ausgabebezeichnungen und
chern der Zeit von 17 50 bis 1800 stellt eine Aus- Angaben im Impressum. Ergänzungen, die aus
wahlbibliographie dar und beansprucht in keiner dem Buch entnommen sind, sind durch runde
Hinsicht Vollständigkeit. Sie umfaßt bis aufweni- Klammem, solche, die nicht aus dem Buch stam-
ge begründete Ausnahmen nur Werke, die der men, sondern ermittelt wurden, sind durch eckige
»intentionalen Kinder- und Jugendliteratur« zu- Klammem gekennzeichnet.
zurechnen sind. Eine Eingrenzung dieses Begrif- Die Werke eines Verfassers sind chronolo-
fes wird in der Einleitung zu geben versucht. Die gisch angeordnet. Das frühest erschienene Werk
Auswahlbibliographie will für jede einzelne Gat- steht also an erster Stelle. Maßgebend für die Pla-
tung der Kinder- und Jugendliteratur eine reprä- zierung eines Titels war stets das Ersterschei-
sentative, hinreichend große Anzahl von Titeln nungsjahr. Dies gilt auch für Titel, die nicht in der
zusammenstellen, die es erlaubt, die einzelne Gat- Erstausgabe zugänglich waren: Diese wurden an
tung in ihrer unterschiedlichen Ausprägung und der Stelle des Ersterscheinungsjahres eingeord-
ihrer zeitlichen Entwicklung zu erkennen. Dieses net, wobei eine vorangestellte Ordnungszeile die
Prinzip der repräsentativen Titelauswahl konnte Jahreszahl der Erstausgabe angibt. Zeitschriften
jedoch aus Umfangsgründen nicht bei jeder Gat- sind unter ihrem Sachtitel zu finden; von Autoren
XXV Benutzungshinweise XXVI

und Herausgebern wird hierauf verwiesen. Des- lieh der Standort des autopsierten Exemplars an-
weiteren wird von anonymen Titeln auf ermittelte gegeben.
Verfasser verwiesen. Von zweiten oder dritten Aus Umfangsgründen mußten alle Register
Verfassern auf den ersten sowie von Mitarbeitern als Nummernregister angelegt werden. Der Bi-
u. ä. auf den Verfasser wird dagegen nur dann ver- bliographie ist ein chronologisches Register bei-
wiesen, wenn die ersteren sonst nicht in der Bi- gegeben, in dem alle Titel verzeichnet sind, ein
bliographie vertreten sind. Alle übrigen in den Ti- Gattungsregister, in das nur die Werke ohne An-
telaufnahmen aufgeführten Namen sind mittels gabe evtl. weiterer Auflagen aufgenommen wur-
des Registers zu erschließen. den, und ein Verlagsregister, das wiederum alle
Der Titelaufnahme schließt sich ein Ab- Nummern enthält. Das dem Gattungsregister zu-
schnitt zu den Illustrationen an. Hierauf folgt eine grunde liegende Gattungsschema wird im Rah-
kursiv gesetzte kurze Kommentierung des Wer- men der Einleitung entwickelt und wiedergege-
kes, die zumeist Angaben zur Gattung und zum ben. Das Verlagsregister verzeichnet zugleich die
Adressaten macht, teilweise auch Hinweise zur Verlage nach Orten. Bis einschließlich des Illu-
Erscheinungsgeschichte gibt. Ist ein Werk im hi- stratorenregisters beziehen sich alle Register auf
storischen Teil durch einen eigenen Artikel aus- die Nummern der Bibliographie. Lediglich das
führlicher vorgestellt, so wird hierauf verwiesen. Personenregister macht Spaltenangaben; es um-
Die Standortangaben besitzen keinerlei Vollstän- faßt nur Personen bis zum frühen 19. Jahrhundert
digkeit. Es ist also stets davon auszugehen, daß und erstreckt sich auf die Einleitung, den histori-
sich das jeweilige Werk auch noch an anderen schen und den bibliographischen Teil mit Aus-
Standorten findet. In den meisten Fällen ist ledig- nahme des Literaturverzeichnisses.
Einleitung

An dieser Stelle soll kein historischer Abriß des »Das Objekt der Kinder- und Jugendliteratur
Gegenstandes, der Kinder- und Jugendliteratur kann als das Zusammenspiel zwischen der Litera-
1750-1800, gegeben werden. Dies ist im gegen- tur und den Kindem und Jugendlichen definiert
wärtigen Augenblick noch ein Ding der Unmög- werden.« [1] Welch zahlreiche Aspekte in diesem
lichkeit; eine neue Geschichte der Kinder- und Zusammenspiel eingeschlossen sind, läßt Kling-
Jugendliteratur ist bisher noch nicht geschrieben. bergs Abhandlung eindrucksvoll hervortreten.
Das vorliegende Handbuch möchte dazu beitra- Klingberg konzediert jedoch, daß einzelne Unter-
gen, die Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Es suchungen nicht das Zusammenspiel in seiner
breitet eine Fülle von Material aus und sucht die Gesamtheit als Objekt ansetzen, sondern einen
Aufmerksamkeit auf zahlreiche einzelne Werke begrenzten Teilbereich herausgreifen. Hierbei
und deren Autoren zu lenken. Die Einleitung will führt er einzelne Beispiele möglicher Eingrenzun-
für diesen Zugang zum Material lediglich einige gen an: Eine Untersuchung kann sich auf die »tat-
Fragestellungen liefern und einzelne durchgehen- sächliche Literaturkonsumtion« der Heran-
de Linien aufzeigen. Sie soll einer ersten Orientie- wachsenden, auf all die Literatur also beziehen,
rung dienen und Hilfestellung bei ersten Versu- die Kinder und Jugendliche tatsächlich lesen; sie
chen der Einordnung des Materials leisten. Der kann aber auch nur »die für Kinder und Jugendli-
beschränkte Platz zwingt sie, vieles nur anzuspre- che produzierte Literatur« auswählen und die üb-
chen, ohne es zur Zufriedenheit auszuführen und rige von Heranwachsenden gelesene, aber nicht
zu erklären. Sie muß sich zudem auf wenige für sie produzierte Literatur außer acht lassen; sie
Aspekte beschränken und andere unberücksich- kann sich auf »die von Kindem und Jugendlichen
tigt lassen, die doch untrennbar mit dem Gegen- selbst geschaffene Literatur« beschränken; sie
stand verbunden sind. So wird in ihr nichts über kann schließlich ihren Gegenstandsbereich so-
die Geschichte der Kindheit und der Familie, weit ausdehnen, daß auch die Schulbücher mit
über die soziale Schichtung der Gesellschaft des eingeschlossen sind [2]. Walter Scherf sieht diese
18. Jahrhunderts und deren Bildungswesen, über von Klingberg aufgezählten Beispiele von Ein-
den Prozeß der Zivilisation u. dgl. m. zu erfahren grenzungen als eine Reihe »nebeneinanderste-
sein. Sie kann lediglich einige Hinweise zur Ge- hende[r] Einzel-Definitionen« von Kinder- und
schichte der pädagogischen Ideen und des Erzie- Jugendliteratur an, die sich zwar überschneiden,
hungsdenkens geben; in enger Verbindung mit in ihrer Gesamtheit aber den Gegenstandsbereich
dieser bilden sich verschiedene Tendenzen der der Kinderbuchforschung abdecken. Bei Scherf
Kinder- und Jugendliteratur heraus, von denen heißt es: »Gegenstand einer Geschichtsschrei-
hier auch nur die Hauptströmungen charakteri- bung der Kinderliteratur sind also alle mündlich
siert werden können. Sodann sucht sie, einen oder schriftlich überlieferten Texte, die (1) aus-
Überblick über die Gattungen der Kinderliteratur drücklich für Kinder bestimmt sind, (2) aus der
des Zeitraums zu geben, und geht gesondert auf Literatur für Erwachsene ausgewählt und für
die Mädchenliteratur ein. Auf diese Weise erhält Kinder bearbeitet sind, (3) von Kindem tatsäch-
der Leser zumindest einige Fragestellungen, die lich aus dem Gesamtangebot heraus gelesen wer-
ihn bei der Durchsicht des Materials leiten kön- den, (4) von Kindem selbst hervorgebracht wer-
nen. Daß sie ganz und gar nicht ausreichen, den den, (5) als Mittel schulischer Belehrung ver-
komplexen Gegenstand zu erfassen, bedarfkaum wandt werden.« [3] Von diesen Einzeldefinitio-
eines Hinweises.* nen könne eine »neue Geschichtsschreibung«
ausgehen, wobei sie sich entscheiden muß, »ent-
weder einer einzigen, mehreren oder allen Defini-
Eingrenzung des Gegenstandes tionen zugleich [zu] folgen« [4].
Für die historische Kinderbuchforschung ist
Der Begriff »Kinder- und Jugendliteratur« die von Scherf angesprochene Entscheidung nur
bedingt eine freie: Die außerordentlich schwieri-
In seiner Studie von 1973 hat Göte Kling- ge Quellenlage und das Fehlen von Detailunter-
berg versucht, den Gegenstandsbereich der Kin- suchungen und Monographien zwingt sie augen-
der- und Jugendliteraturforschung zu umreißen: blicklich noch zu Eingrenzungen, die eher der
*Das Vorwort zu der Textsammlung Kinder- und Ju- Not der gegenwärtigen Forschungslage entsprin-
gendliteratur der Aufklärung (1980) und der Beitrag gen, als daß sie in der Sache begründet und wün-
»Gattungen der Kinder- und Jugendliteratur im 18. schenswert wären. Dies betrifft insbesondere die
Jahrhundert« (1981) von Hans-Heino Ewers müssen erste von Klingberg angesprochene Eingrenzung,
als Vorstudien zu dieser Einleitung angesehen werden. die bei Scherf als dritte Einzeldefinition erscheint.
3 Einleitung 4

Hiernach geht es darum, als Forschungsgegen- tionaler Kinder- und Jugendliteratur eine erhebli-
stand die gesamte tatsächliche Lektüre von Kin- che Einschränkung bedeutet, gilt es hierbei immer
dern und Jugendlichen anzusetzen. Von einer sol- wieder bewußt zu machen: Mit ihr wird nur ein
chen Definition geht auch Elisabeth Frenzel aus: Teilbereich des Gesamtobjektes der Kinder- und
»Die Bezeichnung Jugendliteratur faßt die Fülle Jugendliteraturforschung erfaßt. Mit der Erfor-
der literarischen Erzeugnisse zusammen, die der schung bloß der intentionalen Kinder- und Ju-
heranwachsende Mensch vom Kleinkind bis zum gendliteratur tritt nur ein Teil dessen zu Tage, was
Jugendlichen der Entwicklungsjahre bevorzugt Kinder und Jugendliche tatsächlich gelesen ha-
aufnimmt und liest.« [5] Diese Definition schließt ben und lesen. Gerade deshalb gilt es, den Begriff
sowohl ausdrücklich für Kinder produzierte der intentionalen Kinder- und Jugendliteratur so
Schriften wie auch Texte ein, die sich nicht an weit wie möglich zu fassen und von allen weiter-
Kinder und Jugendliche wenden, dennoch aber gehenden Einschränkungen frei zu halten.
von ihnen gelesen werden. Für frühere Epochen So lassen sich mehrere der bei Scherf formu-
dürften wohl große Teile der Volksliteratur und lierten Einzeldefinitionen unter einem weitgefaß-
des Erbauungsschrifttums zur Jugendliteratur in ten Begriff intentionaler Kinder- und Jugendlite-
diesem Sinne zu rechnen sein. Das entscheidende ratur subsumieren: Eingeschlossen sind aus-
Kriterium ist hier die faktische Aufnahme durch drücklich für Kinder bestimmte Texte ( 1. Defini-
Kinder und Jugendliche; eine verläßliche Ein- tion), für Kinder bearbeitete Erwachsenenlitera-
grenzung der Jugendliteratur in diesem Sinne tur (2. Definition), schließlich von Kindern selbst
kann deshalb nur auf dem Wege einer detaillier- hervorgebrachte Texte, sofern sie wiederum an
ten Rezeptionsforschung geleistet werden. Auf Kinder gerichtet sind (4. Definition). Damit aber
solcherlei Vorarbeiten kann aber gerade die histo- sind noch nicht alle Möglichkeiten des Begriffs
rische Kinderbuchforschung nur bedingt zurück- ausgeschöpft: Auf der allgemeinen Ebene umfaßt
greifen. Es liegen noch kaum Erfahrungen dar- er alldiejenigen Texte, Schriften oder Bildwerke,
über vor, in welchem Ausmaß es möglich ist, den die ausdrücklich an Kinder und/oder Jugendli-
literarischen Bestand exakt zu rekonstruieren, che gerichtet sind. Diese können von Erwachse-
den Heranwachsende etwa im 16., 17. oder 18. nen oder von Kindern oder Jugendlichen selbst
Jahrhundert aufgenommen oder gar selbst gele- (4. Definition von Scherf) verfaQt sein. Sie kön-
sen haben. Beim augenblicklichen Forschungs- nen eigens für Kinder und Jugendliche produziert
stand stellt die Orientierung an dem Begriff der bzw. geschrieben sein (1. Definition von Scherf)
tatsächlichen Lektüre der Jugend keinen gangba- oder Werke der Erwachsenenliteratur darstellen,
ren Weg dar, auf dem es zu verläßlichen Gegen- die für Kinder und Jugendliche bearbeitet (2. De-
standseingrenzungen kommen kann. Die For- finition von Scherf) oder gar als geeignete Lektüre
scher, die heute schon mit diesem Begriff operie- nur herausgegeben worden sind. Das entschei-
ren, müssen in hohem Maße auf Vermutungen dende Definitionsmoment ist in allen Fällen die
und Hypothesen zurückgreifen. Hierbei bleibt es Intention des Autors, Bearbeiters oder Herausge-
durchaus ein Desiderat auch der historischen bers, ein Werk an Kinder und Jugendliche zu
Kinderbuchforschung, die Jugendlektüre einzel- adressieren. Diese Intention kann im Titel, im Un-
ner Epochen in ihrer Gesamtheit zu rekonstruie- ter- oder Reihentitel, durch das Erscheinen in ei-
ren; allein die Bedingungen, es zu realisieren, sind nem reinen Kinderbuchverlag, im Vor- oder
noch nicht gegeben. Nachwort zum Ausdruck kommen bzw. gebracht
Als realistisch erweist sich dagegen eine Ori- werden. Ein Autor kann jedoch auch außerhalb
entierung an der zweiten von Klingberg angespro- des Werkes dieses als ein an Kinderund Jugendli-
chenen Eingrenzungsmöglichkeit, bei der es aus- che gerichtetes Buch kenntlich machen. Einen
schließlich um die »für Kinder und Jugendliche Grenzfall stellen die Werke dar, die nicht vom Au-
produzierte Literatur« geht. Diese Eingrenzung tor, Bearbeiter oder Herausgeber, sondern gleich-
ermöglicht es jetzt schon, einen klar umgrenzten sam nachträglich erst von der pädagogischen und
Schriftencorpus herauszuschälen; sie gibt eine literarischen Kritik als Schriften für Kinder und
tragfähige Basis für eine bibliographische Ermitt- Jugendliche angesehen werden und auf entspre-
lungsarbeit ab und ist von den noch ausstehenden chenden Empfehlungslisten erscheinen. Auch
Rezeptionsforschungen weitgehend unabhängig. diese Werke sollten noch als intentionale Kinder-
Für die »für Kinder und Jugendliche produzierte und Jugendliteratur gelten, wenn sich eine solche
Literatur« ist von Egon Schmidt 1974 der Begriff zeitgenössische Zuordnung festmachen läßt.
der »intentionalen Kinder- und Jugendliteratur« Gegenüber dem Begriff der intentionalen
in die Diskussion gebracht worden, der zum Aus- Kinder- und Jugendliteratur hat der Terminus
druck bringt, daß das Kriterium nicht die fakti- »spezifische Kinderliteratur«, der gleichfalls in
sche Rezeption eines Werkes durch Kinder und Gebrauch ist, einen engeren Bedeutungsumfang,
Jugendliche, sondern die Intention des Produzen- obwohl hier die Verwendung nicht einheitlich ist
ten ist, eine Schrift an Heranwachsende zu rich- und häufig beide Termini für ein und dasselbe gel-
ten. Daß die Orientierung an dem Begriff inten- ten. In der engen Bedeutung meint »spezifische
5 Eingrenzung des Gegenstandes 6

Kinder- und Jugendliteratur« nur Werke, die aus- zur intentionalen Jugendliteratur zu rechnen.
drücklich für Kinder- und Jugendliche verfaßt Keinesfalls ist es legitim, hierunter nur Schriften
sind (I. Deliniton von Scherf). Ausgegrenzt sind für die Eigenlektüre der Kinder und Jugendlichen
die für Heranwachsende bearbeiteten Werke der zuzulassen. Hinzuzunehmen sind vielmehr all die
Erwachsenenliteratur wie auch Schriften, die sich Schriften, die sich an Erwachsene richten, um ih-
nicht allein und ausschließlich an Kinder und Ju- nen Anregungen, Stoffe und Erzählungen für den
gendliche richten. Spezifische Kinderliteratur ist Umgang mit Kindern zu geben.
eigens für Kinder verfaßte und allein an sie ge- Die historische Kinderbuchforschung muß
richtete Literatur. Mit dem Terminus »Jugend- sodann jegliche normative Aufladung des Be-
buch« sind landläufig noch stärkere Eingrenzun- griffs der Kinder- und Jugendliteratur vermeiden,
gen verbunden: Brüggemann weist darauf hin, wie sie für die traditionelle Kinderbuchforschung
daß man hierunter »ausschließlich das eigens für kennzeichnend ist. Diese maß bekanntlich, inso-
die Jugend geschriebene erzählende Buch ver- fern sie literaturpädagogisch ausgerichtet war,
steht, wobei man in der Regel auch erwartet, daß den historischen Bestand an den eigenen pädago.-
dieses Buch aus einem Jugendbuchverlag kommt gischen Vorstellungen, um solchermaßen zu prü-
und von einem Jugendbuchautor verfaßt ist« [6]. fen, welche Werke als Jugendlektüre für sie noch
Die aufgezählten Eingrenzungen sind in besonde- in Frage kommen. Dies führte, wie Baumgärtner
rem Maße für die historische Kinderbuchfor- festgestellt hat, zu einer »selektiven Verfahrens-
schung als zu eng anzusehen. In einem solch be- weise« [8], deren Basis zumeist ein unhistorisches
grenzten Rahmen ist es unmöglich, die histori- Werten darstellte. Demgegenüber gilt es hier, alle
sche Entwicklung des für Kinderund Jugendliche Vorstellungen einer »echten«, »wahren« oder
bestimmten Schrifttums nachzuzeichnen und de- wirklich »kindgemäßen« Kinderliteratur zurück-
ren Wandlungen deutlich zu machen, zumal eine zuweisen. Die historischen Erscheinungen dürfen
»spezifische Kinderliteratur« und erst recht das nicht an einer abstrakten Norm gemessen und in
»Jugendbuch« historisch gesehen relativ späte »echte« und >>Unechte« Kinderliteratur eingeteilt
Erscheinungen darstellen. werden. Eine kritische Historiographie kann ein
Der Begriff intentionaler Kinder- und Ju- Werk nicht aussondern, das zwar an Kinder ge-
gendliteratur bietet demgegenüber einen genü- richtet ist, dem heutigen Betrachter aber als für
gend weiten Rahmen, dessen eine literaturge- Kinder völlig ungeeignet erscheint und nicht als
schichtliche Untersuchung bedarf. »echtes« Kinderbuch empfunden wird. Sie hat
Er sollte hierbei nur dieses eine Merkmal ent- sich aller Urteile über Kindgemäßheit zu enthal-
halten: das Gerichtetsein eines Werkes an Kinder ten zugunsten einer getreuen Registrierung des-
und Jugendliche, oder, wie Brüggemann es for- sen, was zu verschiedenen historischen Augen-
muliert, seine intentionale »Zuordnung zum blicken an Kinder gerichtet und ihnen zugemutet
Kind und Jugendlichen als Hörer oder Leser« [7]. wurde. Nur so kann der historische Wandel nicht
Doch besteht die Gefahr, auch dieses einzige Kri- nur von Kinder- und Jugendliteratur, sondern
terium noch zu eng zu fassen: Häufig wird näm- auch der von Kindheit und Jugend sichtbar ge-
lich davon ausgegangen, daß ein literarisches macht werden.
Werk nur dann an Kinder und Jugendliche wirk- Zu einem normativen Begriff von Kinder-
lich gerichtet ist und nur dann erst eigentliche und Jugendliteratur gehört schließlich auch die
Kinder- und Jugendliteratur darstellt, wenn es Annahme einer festen Altersgrenze, wie dies
von den Heranwachsenden selbst gelesen werden jüngst noch Christirre Pressier getan hat. Sie legt
soll. Nur in Bezug aufkleine Kinder im Vorschul- fest: »Unter Kinder- und Jugendbüchern verste-
alter ist man bereit, Vorlesebücher zuzulassen. hen wir im folgenden Bücher für alle Altersstufen
Die Eigenlektüre unter Ausschluß erwachsener vom Kleinkind bis zum etwa 15jährigen Le-
Vermittler, in der Kinder und Jugendliche als ser.« [9] Einer solchen Annahme liegt die Vorstel-
selbständige Literaturkonsumenten auftreten, lung zugrunde, daß Kindheit und Jugend un-
stellt jedoch nur eine der möglichen Ausgestal- wandelbare Konstanten seien, wogegen doch
tungen des Adressatenbezugs dar, die historisch längst erwiesen ist, daß es sich hierbei selbst um
sich im übrigen erst Ende des 18. Jahrhunderts historische Größen handelt. Damit aber kann un-
durchzusetzen beginnt. Vor 1800 ist es weitaus denkbar eine für alle Epochen gültige Alters-
häufiger anzutreffen, daß Werke sich nur mittel- schwelle angesetzt werden, die die Gruppe der ju-
bar an Kinder und Jugendliche wenden und auf gendlichen Leser von den Erwachsenen trennt.
den Erwachsenen als Vermittler rechnen: Dieser Gerade im Bereich der sog. Übergangs- oder
soll das Buch zunächst selbst lesen, um es dann Schwellenliteratur muß mit erheblichen, histo-
erst den Kindern vorzulesen oder in freier Erzäh- risch bedingten Schwankungen gerechnet wer-
lung und Unterhaltung weiterzuvermitteln. Ob- den. Werke für die höheren Altersstufen können
wohl sich solche Werke unmittelbar nur an die Er- zu einem Zeitpunkt noch als Jugendliteratur gel-
wachsenen richten und teilweise gar nicht in die ten, zu einem anderen Zeitpunkt schon der Er-
Hände der Kinder geraten sollen, sind auch sie wachsenenliteratur zugerechnet werden. Maßge-
7 Einleitung 8

bend können hier jeweils nur die zeitgenössischen ben haben [11]. In den vorausgehenden Epochen
Abgrenzungen sein. Doch kann selbst für den hier besteht das Schrifttum für Kinder und Jugendli-
behandelten Zeitraum keine feste Altersgrenze che noch überwiegend aus nichtfiktionalen di-
angegeben werden, stehen sich hier doch gegen- daktischen Zweckformen und Gebrauchstexten.
sätzliche Tendenzen gegenüber: Geht es der frü- Folgte die Kinderbuchforschung dem traditionel-
hen rationalistischen Aufklärungspädagogik um len Verständnis von Literaturwissenschaft als
eine möglichst frühe Eingliederung der Jugendli- Dichtungswissenschaft, müßte sie auf die Erfas-
chen in die Welt der Gelehrsamkeit, so ist die spä- sung dieses historischen Entwicklungsabschnit-
tere von Rousseau geprägte Erziehungslehre ganz tes ihres Gegenstandes verzichten. Ein erweiterter
auf Retardierung aus und sieht noch im 20jähri- Literaturbegriff ermöglicht es ihr demgegenüber,
gen den Jugendlichen, der vom Erwachsenen weit ihren Gegenstand in seiner ganzen historischen
entfernt ist. Ausfaltung in den Blick zu bekommen.
Weil mit Blick auf die Gesamtlektüre der Die Annahme eines solchermaßen erweiter-
Heranwachsenden die intentionale Kinder- und ten Literaturbegriffes bedeutet, daß die Kinder-
Jugendliteratur bereits nur einen Ausschnitt dar- und Jugendliteratur nicht nur in ihren erzählen-
stellt, gilt es, ihren Begriffvon allen weiteren Ver- den, lyrischen und dramatischen Formen, son-
engungen frei- und die in ihm enthaltene Zahl von dern zugleich auch in ihrem gesamten nicht fiktio-
Kriterien so niedrig wie möglich zu halten. Nur so nalen Bestand zur Darstellung kommen muß.
gewinnt die historische Kinderbuchforschung ei- Einzuschließen sind also der große Bereich der re-
ne begriffliche Basis, auf der es ihr möglich wird, ligiösen Literatur mit belehrendem und erbauli-
den historischen Wandel dieses Literaturzweiges chem Charakter, die Sittenschriften und An-
und seiner Institutionen sichtbar zu machen. Jede standslehren, die Enzyklopädien, die Lehr- und
weitergehende Verengung stellt nichts anderes als Lesebücher der zahlreichen Disziplinen, die prak-
die Hypostasierung einer ihrer historischen Aus- tische und ökonomische Literatur u. v. m. Dies
prägungen zu der Kinder- und Jugendliteratur darf nicht nur am Rande geschehen; es kommt
dar, der gegenüber andere Gestalten dann als vielmehr darauf an, fiktionale und nichtfiktionale
Randerscheinungen, als Vorläufer oder Vorstu- Literatur in einem solchen Ausmaß zu berück-
fen erscheinen müssen. sichtigen, wie es ihrer tatsächlichen Stellung und
Bedeutung im jeweiligen historischen Kontext
entspricht. Jede einseitige Gewichtung der fiktio-
Fiktionale und nicht-fiktionale Literatur. nalen zu Lasten der nichtfiktionalen Literatur
Kinderliteratur und Schulbücher muß zugunsten einer getreuen Widerspiegelung
der tatsächlichen historischen Gewichtsvertei-
Eine neue Geschichtsschreibung der Kin- lung vermieden werden.
der- und Jugendliteratur darf ihre Aufmerksam- Nach der bisher entwickelten Definition in-
keit nicht allein auf fiktionale Texte, auf Werke tentionaler Kinder- und Jugendliteratur müssen
der Belletristik richten. Die historische Kinder- hierzu auch sämtliche schulischen Lehr- und Le-
buchforschung darf gerade in diesem Punkt sich sebücher gezählt werden. Diese Möglichkeit sieht
von einer Entwicklung der Literaturwissenschaft auch Klingberg: Die Schulbücher gehören für ihn
nicht abschneiden, die seit den 60er Jahren zu ei- ganz »offensichtlich zu der von Erwachsenen für
ner Umfangserweiterung des Literaturbegriffes Kinder und Jugendliche produzierten Litera-
geführt hat. Literaturwissenschaft versteht sich tur« [12]. Kinderbuch- und Schulbuchforschung
seither nicht mehr ausschließlich als Dichtungs- aber haben sich im Laufe der jüngeren Wissen-
wissenschaft. Zu ihren legitimen Gegenständen schaftsgeschichte institutionell getrennt, obwohl
werdenjetzt nicht nur minderwertige Formen fik- beide es mit intentionalem Jugendschrifttum zu
tionaler Literatur, Unterhaltungs- und Triviallite- tun haben. Diese institutionelle Trennung wird al-
ratur, gezählt, sondern auch die zahlreichen nicht- lerdings von der Sache her erst seit Beginn des 19.
fiktionalen literarischen Zweckformen und die Jahrhunderts gestützt. Mit der Etablierung eines
mannigfaltigen Erscheinungen der Gebrauchsli- gefestigten Schulsystems und dem weitgehenden
teratur [l 0]. Diese Ausweitung des Gegenstands- Rückgang häuslicher, privater und hofmeisterli-
bereiches von Literaturwissenschaft, die im übri- eber Erziehung setzt sich auch eine stärkere insti-
gen keinesfalls neu ist, ist für die historische Kin- tutionelle Trennung zwischen Kinderliteratur
derbuchforschung von entscheidender Bedeu- und Schulbüchern durch, bilden diese sich zu se-
tung, gewinnt die belletristische, fiktionale Litera- paraten Literatursparten aus. Für die Aufklärung
tur im Bereich des Kinder- und Jugendschrift- dagegen ist es charakteristisch, daß sie eine solche
tums doch relativ spät erst einen größeren Stellen- Trennung bewußt zu vermeiden sucht. Ihre Wer-
wert. Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ke wollen häufig beides zugleich sein: schulisches
wächst der Anteil dichterischer Schriften zu zen- Lehr- und Lesebuch und Unterhaltungsbuch für
traler Bedeutung heran, was einige Forscher als die private Lektüre. Begründet ist dies in der auf-
einen Prozeß der » Belletristifizierung« beschrie- klärerischen Spielpädagogik, die Lernen und Ver-
9 Eingrenzung des Gegenstandes 10

gnügen, Unterricht und Erholung einander nahe- die These verteidigt, daß erst vom letzten Drittel
zubringen und anzugleichen sucht. Das Lernen des 18. Jahrhunderts an von einer »spezifischen
soll spielerisch gestaltet werden, Vergnügen und Kinder- und Jugendliteratur« geredet werden
Erholung wiederum stets auch nützlich und lehr- könne und alle vorausliegenden Erscheinungen
haft sein: Eine feste Grenze zwischen Kinder- nur als »Vorstufen« und »Vorläufer« zu werten
und Schulbuch ist im 18. Jahrhundert nicht seien [15]. Erst in dieser Zeit würden Kinder, so
existent. Kunze, als »selbständige Literaturkonsumenten«
Läßt sich für das 19. Jahrhundert der Bereich auftreten, was eine unumgängliche Vorausset-
der Schulliteratur leichter ausgrenzen, so muß be- zung für die Existenz eines echten Jugendschrift-
züglich des 18. Jahrhunderts die historische Kin- tums sei. Zudem habe die Pädagogik der vorauf-
derbuchforschung Schulbücher konsequenter- klärerischen Zeit den Kinder gar nicht das Recht
weise in ihre Betrachtung mit einschließen, gehen auf eine unterhaltsame Lektüre zugestanden.
diese in ihrer schulischen Funktion doch höchst Kunze weist hin auf die »Tatsache, daß das auf
selten auf. Schulbuch- und Kinderliteraturfor- Zucht, Gehorsam und Unterweisung abgestellte
schung fallen hier dennoch nur partiell zusam- Erziehungssystem gar keinen Raum für freie Kin-
men. Die aufgezeigte Vermischung gilt nämlich der- und Jugendlektüre bot« [16]. Weiter heißt es:
vorwiegend nur für das deutschsprachige Schrift- »Erst die Aufklärung räumt dem Kind und Ju-
tum; dieses aber macht im 18. Jahrhundert nur ei- gendlichen das Recht auf unterhaltsame Beleh-
nen Teil, im 16. und 17. Jahrhundert sogar den rung grundsätzlich ein, und deshalb beginnt die
weitaus geringeren Teil der gesamten Schullitera- Kinder- und Jugendliteratur als spezifische Lite-
tur aus. Die lateinischen und griechischen Schul- ratur erst mit der Aufklärung [ ... ]« [17].
schriften besitzen bis aufwenige Ausnahmen den Die angeführten Äußerungen machen deut-
Charakter ausschließlicher Schulwerke und he- lich, daß die Festlegung der historischen Anfänge
ben sich solchermaßen schon vor 1800 deutlicher dieses Schrifttums davon abhängig ist, welcher
von der Kinder- und Jugendliteratur ab. Die mehr Begriff von Kinder- und Jugendliteratur jeweils
und mehr entstehenden deutschsprachigen zugrunde gelegt wird. Hierbei zeigt sich, daß ins-
Schulwerke - Lesebücher, Enzyklopädien, Ge- besondere Kunze von einem enger gefaßten Kin-
schichts-, Geographie- und Naturkundebücher- derbuchbegriff ausgeht: Er versteht hierunter zu-
suchen dagegen bis zum Ende des 18. Jahrhun- nächst nur die Literatur, die für die Eigenlektüre
derts zumeist auch für eine außerschulische Ver- der Kinder- und Jugendlichen gedacht ist. So-
wendung offen zu sein- nicht zuletzt deshalb, um dann muß es unterhaltende und belletristische Li-
die Absatzchancen zu erhöhen, denn das Schulsy- teratur sein. Das Vorhandensein religiös-erbauli-
stem steckt noch in seinen Anfängen. Nur dieser cher und nützlich-belehrender Schriften gibt für
Teil der Schulliteratur soll im Rahmen dieses ihn noch keine Veranlassung ab, von Kinder- und
Handbuches berücksichtigt werden, Schulbücher Jugendliteratur zu sprechen. Von einer solchen
also nur insoweit, als sie zugleich über den schuli- kann nach Kunze erst ausgegangen werden, wenn
schen Rahmen hinausreichen und sich in allge- innerhalb des Schrifttums für Kinder und Jugend-
mein belehrender und unterhaltender Weise an liche die Belletristik einen vorrangigen Platz ein-
Kinder und Jugendliche richten. genommen hat, was tatsächlich erst Ende des 18.
Jahrhunderts der Fall ist. Kunzes Kinderbuchbe-
griff zeigt aber noch eine normative Eingrenzung:
Zur Frage der historischen Arifänge der Kinder- Zur Kinderliteratur gehört als Konstitutivum eine
und Jugendliteratur merkliche Anpassung an den kindlichen Intel-
lekt. Wo eine solche Anpassung nicht vorliegt,
In der bisherigen Geschichtsschreibung der kann, auch wenn Kinder angesprochen sind, von
Kinder- und Jugendliteratur ist häufig die Auffas- eigentlicher Kinderliteratur nicht die Rede sein.
sung zu finden, daß im deutschsprachigen Raum Kunze lehnt deshalb auch den Begriff intentiona-
erst in derzweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein ler Kinder- und Jugendliteratur ab, für den das
selbständiges Schrifttum für Kinder- und Jugend- Kriterium allein in der Absicht des Autors oder
liche entsteht. So steht etwa für Göhring fest, daß Herausgebers liegt: »Das Apostrophieren von
erst »in jene Zeit [ ... ]die Entstehung der Jugend- Kindern und Jugendlichen [ ... ] kann kein Maß-
literatur [fällt]«[l3], was schon der Titel seiner stab für das echte Kinder- und Jugendbuch
Studie signalisiert. Mit Bezug auf das historisch sein.« [18] So lehnt er denn auch die Schriften des
noch weiter zurückliegende Schrifttum bemerkt 15. und 16. Jahrhunderts als »unechte Kinderbü-
er, daß »gegenüber dem genau abgesteckten Be- cher« ab[l9]; ihre Adressierung an Kinder und
griff >deutsche Jugendliteratur< von jenen verein- Jugendliche hält er für bloß verkaufsstrategisches
zelten und in Zeiträumen von Jahrtausenden zer- Anpreisen, dem keine Bedeutung zugemessen
streuten Schriften nicht die Rede sein (kann), weil werden darf.
sie eben keine eigentlichen Jugendschriften wa- Für eine Geschichtsschreibung, die sich auf
ren« [14]. Jüngst noch hat Horst Kunze vehement eine solche Eingrenzung, insbesondere auf die
II Einleitung 12

Vorstellung einer »echten« Kinderliteratur nicht Iiteratur das Gepräge, das sie ihren wesentlichen
einlassen will, sondern von einem weitgefaßten Grundzügen nach noch bis in die Gegenwart hin-
Begriff intentionaler Jugendliteratur ausgeht, be- ein trägt. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts
steht keinerlei Veranlassung, die zweite Hälfte des konstitutiert sich die Kinder- und Jugendliteratur
18. Jahrhunderts als den Beginn dieses Schrift- in ihrer modernen Gestalt; der Darstellung dieses
tums anzusehen. Das 16., 17. und frühe 18. Jahr- historischen Entwicklungsabschnittes kommt
hundert kennen bereits eine Fülle religiös, mora- deshalb zentrale Bedeutung auch für das Ver-
lisch und auch sachlich belehrender Literatur, die ständnis der Kinder- und Jugendliteratur der Ge-
sich, ohne immer allein für sie gedacht zu sein, be- genwart zu.
sonders an Kinder und Jugendliche richtet. In ih- Angenommen wird also, daß der Konstitu-
nen sind nicht bloß »Vorstufen« und »Vorläu- tionsprozeß der Kinder- und Jugendliteratur in
fer«, sondern allenfalls eine von der modernen ihrer modernen Gestalt, wie er sich in der zweiten
abweichende Gestalt und Ausprägung von Ju- Hälfte des 18. Jahrhunderts vollzieht, nicht iden-
gendliteratur zu erblicken, wie denn auch die ent- tisch mit den historischen Anfängen des Jugend-
sprechenden Zeiträume als vollwertige Abschnit- schrifttums überhaupt ist. Dieser Prozeß ist eher
te der Geschichtsschreibung der Jugendliteratur als ein tiefgreifender Strukturwandel zu begrei-
anzusehen sind. An der aufklärerischen Kinder- fen, der diesen Schrifttumszweig als ganzen erfaßt
und Jugendliteratur selbst läßt sich schließlich ab- und ihm ein grundsätzlich neues Gepräge gibt.
lesen, daß sie ganz und gar nicht einen Anfang Dieser Strukturwandel gibt hierbei nicht eine ab-
darstellt, sondern selbst noch in kinder- und ju- geschlossene Voraussetzung der aufklärerischen
gendliterarischen Traditionen steht, die auf das Jugendliteratur ab; sie stellt vielmehr diesen
17. und 16. Jahrhundert verweisen. Hinweise in Wandlungsprozeß selbst dar und ist deshalb als
dieser Richtung hat es in der Forschung zahlrei- ein Übergangsphänomen zu bezeichnen. In sei-
che gegeben. So bemerkt etwa Baumgärtner: »Es ner aufklärerischen Phase zeigt sich der Zweig der
kann [ ... ] nicht übersehen werden, daß sich be- Kinder- und Jugendliteratur in einer außeror-
reits in der Zeit von Humanismus, Renaissance dentlichen Bewegung: Alte Traditionen und neue
und Reformation wenigstens Ansätze zu einer Li- Impulse treten nicht nur nebeneinander auf, son-
teratur finden, die, wenn auch nicht ausschließ- dern gehen auch eine vielfältige Mischung ein. In
lich, so doch vor allem für die Heranwachsenden der aufklärerischen Jugendliteratur - hierauf hat
gedacht war.« [20] Und Spriewald weist darauf schon Klingberg hingewiesen [22] - ist die refor-
hin, daß es »zumindest beim Jugendbuch, tat- matorische und humanistische Tradition des 16.
sächlich frühere Anfange gegeben [hat], die unse- und 17. Jahrhunderts noch lebendig, aufbewahrt
re Aufmerksamkeit verdienen und die den Prozeß und mit neuen Antrieben durchdrungen. Erst im
einer allmählichen Entfaltung dieses Literatur- 19. Jahrhundert verlieren sich diese Traditionsli-
zweiges um zwei Jahrhunderte vorverlegen, in die nien mehr und mehr; erst hier ist der Wandlungs-
Epoche der frühbürgerlichen Revolution, die Zeit prozeß zum Abschluß gekommen und hier erst
von Reformation und Humanismus.« [21] tritt das neue Gepräge des Literaturzweiges
gleichsam rein hervor.
Auch wenn sie selbst noch eine Phase des
Der Zeitraum 1750-1800 Umbruchs darstellt, so kommen in der aufkläreri-
schen Kinder- und Jugendliteratur doch schon
Die Auswahl des Zeitraums 17 50 bis 1800 Grundzüge des modernen Jugendschrifttums zur
geschieht hier mithin nicht in der Absicht, die An- vollen Ausbildung. Einer dieser Züge ist der er-
fänge der deutschsprachigen Kinder- und Ju- heblich ausgeweitete Produktionsumfang: Ende
gendliteratur zu dokumentieren. Es ist damit viel- der 60er Jahre des 18. Jahrhunderts läßt sich ein
mehr eine Zeitspanne aus der Geschichte der Kin- plötzliches Anschwellen der Produktion von spe-
der- und Jugendliteratur herausgegriffen, der an- ziell an Kinder und Jugendliche gerichteten Zeit-
dere Entwicklungsabschnitte durchaus noch vor- schriften und Büchern beobachten, mit dem ver-
gelagert sind. Die getroffene Auswahl will auch glichen die vorangegangenen Produktionsziffern
keineswegs besagen, daß diese vorausgehenden als verschwindend gering erscheinen. Ein erster
Abschnitte keine Beachtung durch die Ge- Höhepunkt ist in den 80er Jahren erreicht, was
schichtsschreibung verdienten. Im Gegenteil: den Schulrat Gedike bereits veranlaßt, die » Bü-
Auch sie zur Darstellung zu bringen, ist ein immer chermacherei für die Jugend« als die emsigste
dringenderes Desiderat der historischen Kinder- ))litterarische Manufaktur« zu bezeichnen, die
buchforschung. Der vorliegende Band bedarf al- von Messe zu Messe ))Wie die Flut des Meeres ei-
so einer Fortführung und Ergänzung sowohl nach ne zahllose Menge Bücher ans Ufer [spült]« [23].
vorne wie nach hinten. Dem ausgewählten Zeit- Diese Umfangserweiterung der Produktion stellt
raum kommt dennoch in der Geschichte der Kin- nun keine Besonderheit des Jugendschrifttums
der- und Jugendliteratur eine herausragende Be- dar; es nimmt hierin vielmehr teil an einer allge-
deutung zu: Hier erlangt die Kinder- und Jugend- meinen Entwicklung des literarischen Marktes,
13 Eingrenzung des Gegenstandes 14

die mehr oder weniger alle Literaturzweige er- Kinder- und Jugendliteratur noch in enger Ver-
faßt [24]. Dieser Strukturwandel des gesamten li- bindung mit den Erziehungsschriften bleibt, so
terarischen Marktes verändert das Jugendschrift- daß ihre Verselbständigung eher eine des umfas-
tum tiefgreifend: An die Stelle weniger, immer senderen Sektors des pädagogischen Schrifttums
wieder aufgelegter und gelesener Werke tritt nun überhaupt ist. Eine Absetzung der Kinder- und
eine unübersehbare Fülle stets neu auf den Markt Jugendliteratur auch noch vom pädagogischen
geworfener Titel, deren Lebensdauer nur kurz ist. Schrifttum beginnt sich erst im 19. Jahrhundert
Dem entspricht es, daß die Praxis des wiederhol- durchzusetzen.
ten Lesens durch die extensive Lektüre stets neuer Ein vierter Grundzug besteht darin, daß die
Titel verdrängt wird. Kinder- und Jugendliteratur sich nun auf alle Ar-
Ein weiterer Grundzug modernen Jugend- ten des Schrifttums ausdehnt und nahezu alle auf
schrifttums ist bereits bei der Kinderliteratur des dem literarischen Markt vorhandenen Genres
18. Jahrhunderts anzutreffen: Sie ist durch ein einschließt. Für die vorausgehende Zeit war es
neues und geschärftes Adressatenbewußtsein ge- charakteristisch, daß das Jugendschrifttum
kennzeichnet. Waren zuvor Kinder und Jugendli- schwerpunktmäßig in einzelnen Sektoren und
che weniger ausschließlich angesprochen, son- Gattungen auftrat: Hierzu gehörten neben dem
dern häufig in eine Reihe mit anderen noch unge- Komplex der ABC-Bücher und Fibeln die Berei-
bildeten Lesergruppen gestellt, so gelten sie jetzt che des religiösen und des Anstands- und Sitten-
mehr und mehr als eine ausgegrenzte und festum- schrifttums sowie die Fabel, wozu im 17. Jahrhun-
rissene Bezugsgruppe, die von der erwachsenen dert noch die Kinderenzyklopädie in Gestalt des
Leserschaft deutlich abgesetzt wird, als eine Be- »orbis pictus« kam. In anderen Bereichen war of-
zugsgruppe zudem, die nun auch in sich noch fensichtlich kein größeres Bedürfnis nach spezi-
nach Alter und Geschlecht differenziert wird. ellem Schrifttum für Kinder und Jugendliche vor-
Diesem geschärften Adressatenbewußtsein ent- handen. Dies ändert sich in der zweiten Hälfte des
sprechen ein deutliches Absetzen und Trennen 18. Jahrhunderts: Die Forderung nach einer be-
des Kinder- und Jugendschrifttums von der Er- sonderen Literatur für Kinder wird nun in allen
wachsenenliteratur. Der Abstand zwischen Kin- Zweigen und Sektoren des literarischen Marktes
der- und Jugendliteratur einerseits und der Er- erhoben. Es gibt keine Disziplin mehr, in der nicht
wachsenenliteratur andererseits hat sich damit eigene Lehr- und Lesebücher für Heranwachsen-
nicht etwa nur vergrößert; er rückt jetzt auch deut- de herausgegeben werden. Die Jugendliteratur
lich in das Bewußtsein der Zeitgenossen. Für die hat damit nahezu alle Literaturzweige und Gat-
vorangegangenen historischen Epochen ist eine tungen erobert. Sie hat sich mit dieser nicht nur
größere Nähe von Jugendschrifttum und solchem quantitativen, sondern auch qualitativen Ausdeh-
für Erwachsene charakteristisch; hierauf hat be- nung zu einer umfassenden literarischen Vermitt-
reits Kühner in seinem Lexikonartikel aufmerk- lungsinstanz entwickelt, die sich auf allen Gebie-
sam gemacht[25]. ten zwischen die Literatur und die Gruppe der
Hieraus ergibt sich ein dritter Grundzug mo- Kinder- und Jugendlichen stellt. Sie beansprucht
dernen Jugendschrifttums: Die Kinder- und Ju- damit tendenziell, daß das »Zusammenspiel zwi-
gendliteratur entwickelt sich zu einem relativ selb- schen der Literatur und den Kindern« sich aus-
ständigen Zweig des literarischen Marktes. Auch schließlich über sie selbst abwickelt.
diese Entwicklung setzt bereits im 18. Jahrhun- Eines der wichtigsten Momente dieser quali-
dert ein, ist aber noch weit entfernt von einer tativen Ausdehnung der Jugendliteratur in der
Ghettoisierung. Die Jugendliteratur steht wie alle zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellt die Er-
anderen Erziehungsangelegenheiten vielmehr im oberung des großen Bereiches der Belletristik, der
Zentrum der zeitgenössischen Aufmerksamkeit »schöngeistigen« Literatur für die jungen Leser
und der aufgeklärten Öffentlichkeit; dem tut die dar. Nach und nach werden die unterhaltenden
institutionelle Verselbständigung zu einem beson- Lesebücher und Almanache, die Gedichtbände,
deren literarischen Zweig noch keinerlei Ab- Fabelbücher, Erzählungs- und Dramensammlun-
bruch. Diese Verselbständigung deutet sich auf gen zum eigentlichen Zentrum aufklärerischer
verschiedenen Ebenen an: auf der der Verlage, Kinder- und Jugendliteratur. Damit hat sich ein
der Autoren und der Kritik. Verlage und Autoren fünfter Grundzug modernen Jugendschrifttums
beginnen, sich auf Kinderliteratur zu spezialisie- herausgebildet: Im Ensemble aller jugendliterari-
ren, auch wenn es im 18. Jahrhundert noch nicht schen Gattungen nimmt der Bereich der unter-
zur Herausbildung reiner Kinderbuchverlage haltenden und belletristischen Schriften einen
kommt und auch der ausgesprochene Kinder- herausragenden Platz ein. Dies heißt nicht, daß
buchautor in der Minderzahl bleibt. Die literari- zuvor überhaupt keine literarischen Werke an
sche Kritik spezialisiert sich ebenfalls und schafft Kinder und Jugendliche adressiert worden sind;
sich hierzu besondere Zeitschriften und Rezen- sie galten jedoch vornehmlich als belehrende
sionsorgane. Hierbei bleibt es jedoch für das 18. Schriften. Erst die Aufklärung gewährt den Ju-
Jahrhundert charakteristisch, daß der Zweig der gendlichen die Möglichkeit der literarischen Un-
15 Einleitung 16

terhaltung. Dieser Aspekt des umfassenden kung mit der allgemeinen Literaturgeschichte; sie
Strukturwandels des Jugendschrifttums im 18. berührt sich auch stets mit den mannigfaltigen
Jahrhundert ist es denn auch, der die meisten Ge- Formen und Gestalten der Volksüberlieferung
schichtsschreiber bisher hat von den Anfängen und ist nicht zuletzt in hohem Ausmaß eine Mani-
der Kinder- und Jugendliteratur reden lassen. Es festation der pädagogischen Vorstellungen und
sind tatsächlich die Anfänge eines literarisch un- der Erziehungsideale der jeweiligen Epoche. Für
terhaltenden Schrifttums für Kinder und Jugend- gewisse Zeitabschnitte muß schließlich ihre enge
liche, die sich hier zeigen und die sich aus einem Verbindung mit der Religions- und Kirchenge-
umfassenden Strukturwandel dieses bisher nahe- schichte bedacht werden. Eine Geschichtsschrei-
zu ausschließlich belehrenden literarischen Zwei- bung der Jugendliteratur muß deshalb interdiszi-
ges entwickeln. plinär ausgerichtet sein und neben der Literatur-
Der ausgewählte Zeitraum stellt mithin in wissenschaft die Erziehungswissenschaft, Volks-
der Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur kunde und Religionswissenschaft mit einbezie-
eine Phase tiefgreifenden Umbruchs dar: Nicht hen. Auf diese Schwierigkeit historischer Kinder-
nur das Gattungsgefüge verändert sich, der Lite- buchforschung hat Scherf eindringlich hingewie-
raturzweig als ganzer gewinnt ein neues Gepräge. sen [2]. Als besonders problematisch erweist sich
Er weitet sich quantitativ aus, setzt sich deutlich hierbei die Periodeneinteilung der Geschichte der
von anderen literarischen Zweigen ab, entwickelt Kinder- und Jugendliteratur. Deren epochale
sich auf dem literarischen Markt zu einem relativ Gliederung ist nur selten mit der eines anderen
selbständigen Sektor, dehnt sich auch qualitativ Bereiches, etwa der allgemeinen Literaturge-
aus, indem er die ganze Fülle der Buchgattungen schichte, kongruent; sie ergibt sich vielmehr aus
erobert, und gewinnt schließlich eine belletri- der Überlappung mehrerer, z. T. höchst dispara-
stisch unterhaltsame Ausrichtung. Damit erhält ter Einflüsse. Hierbei kann jeweils nur für die ein-
der Zweig des Jugendschrifttums in seinen we- zelne, konkrete historische Situation festgemacht
sentlichen Grundzügen den Zuschnitt, der ihm werden, welche der Einflüsse dominieren. Dies
bis heute noch anhaftet. kann in einer Epoche mehr die allgemeine Litera-
Die Begrenzung des Zeitraums 1750 bis turentwicklung, in einer anderen stärker die Ge-
1800 ist aus rein pragmatischen Gründen erfolgt. schichte der pädagogischen Ideen sowie die des
Auf die Geschichte der Kinder- und Jugendlitera- Erziehungs- und Schulwesens sein. Generalisie-
tur zumindest dieses Zeitraumes lassen sich Da- rung, die sich auf die gesamte Geschichte der Kin-
ten und Begrenzungen der allgemeinen Literatur- der- und Jugendliteratur beziehen, verbieten sich
geschichte nur in sehr begrenztem Ausmaß über- hier: Mit dem historischen Wandel des Jugend-
tragen. Eine eigenständige epochale Gliederung schrifttums treten stets andere Einflüsse als prä-
der Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur gend hervor.
kann jedoch erst das Ergebnis einer neuen Ge- Für den hier gewählten Zeitraum von
schichtsschreibung sein, zu der hiermit allenfalls 17 50-1800 hat sich in der Forschungsliteratur die
erste Schritte beigetragen werden können. Eben Meinung herausgebildet, daß es eher die Ge-
deshalb wurde eine Limitierung getroffen, die schichte der pädagogischen Ideen als die der Lite-
mechanisch anmuten mag, dafür aber keinerlei ratur ist, die die Entwicklung und Gliederung der
Präjudiz beinhaltet. Der hier angesprochene Kinder- und Jugendliteratur bestimmt. Als Anzei-
Strukturwandel ist allerdings in dem gewählten chen dafür, daß »jugendliterarische Texte allzu-
Zeitraum eingeschlossen: Der Konstitutionspro- meist die pädagogischen Anschauungen ihrer
zeß aufklärerischer Jugendliteratur als eines ei- Epoche reflektieren«, weist Baumgärtner auf die
genständigen Literaturzweiges setzt etwa Mitte engen »Beziehungen zwischen Texten von Cam-
der 60er Jahre ein und erreicht Mitte der 80er Jah- pe, Rochow oder Salzmann und den Erziehungs-
re seinen Höhepunkt. E. vorstellungen der Philanthropisten« hin[3]. In ei-
ne ähnliche Richtung geht Kunzes Vorstellung,
»daß die Kinder- und Jugendliteratur einen spezi-
Hauptströmungen und Tendenzen fischen Teil der deutschen Nationalliteratur bil-
det, für den in seinen Anfängen und bis gegen En-
Die Kinderliteratur und die Geschichte de des 19. Jahrhunderts überwiegend nicht die li-
der Pädagogik terarische Form, sondern der Inhalt die wesentli-
che Seite ausmacht. Über diese weite Strecke wird
Die historische Kinderbuchforschung hat es der Inhalt dieser spezifischen Literatur vom Bil-
mit einem Gegenstand zu tun, der gleichsam aus dungsideal der jeweils herrschenden Klasse be-
der Berührung mehrerer Gebiete hervorgeht. Die stimmt; er ist pädagogisch-didaktisch.« [4] Für
Jugendliteratur stellt, so Baumgärtner, ein » Phä- Kunze ergibt sich hieraus die Konsequenz, daß
nomen« dar, »das an einer ganzen Reihe von Be- die Periodisierung der allgemeinen Literaturge-
reichen Anteil hat« [l]. Ihre historische Entwick- schichtsschreibung nicht auf die des Jugend-
lung vollzieht sich nicht nur in enger Wechsel wir- schrifttums übertragen werden kann. Tatsächlich
17 Hauptströmungen und Tendenzen 18

gibt die aufklärerische Pädagogik den wohl wich- thropischen Erziehungsreform wie die Gründung
tigsten Gesichtspunkt für eine Periodisierung der von Musterschulen und Philanthropinen. Steht
Kinderliteratur des 18. Jahrhunderts ab, wobei bei Basedows Plänen zu einer Reform des Schul-
bedacht werden muß, daß die Pädagogik ein inte- und Unterrichtswesens die Schaffung neuer Ele-
graler Bestandteil der Philosophie der Aufklä- mentar- und Lehrbücher im Mittelpunkt, so rückt
rung darstellt und eine enge Verbindung zur auf- bei der nachfolgenden Generation der philan-
geklärten Theologie aufweist. Kinderliteratur thropischen Theoretiker, bei Campe, Wolke,
und Pädagogik sind denn auch während des ge- Trapp und Salzmann etwa, die Hervorbringung
samten 18. Jahrhunderts eng miteinanderverbun- von unterhaltenden Kinderbüchern in das Zen-
den und institutionell verschränkt. Zahlreiche trum ihrer jugendschriftstellerischer Aktivität.
Autoren von Jugendschriften sind zugleich Erzie- Die philautropische Bewegung setzt Ende der
hungstheoretiker und haben eine größere Anzahl 60er Jahre mit Basedows pädagogischen Pro-
pädagogischer Erwachsenenschriften herausge- grammschriftenein und bringt 1770 mit der ersten
bracht. Zahlreiche Kinderbücher selbst begreifen Auflage des Elementarbuchs die erste markante
sich als praktische Umsetzung bestimmter päda- Jugendschrift hervor. Mitte der 7Oer Jahre geraten
gogischer Anschauungen. Sie enthalten stets eine Autoren wie Rochow und Christian Felix Weiße
an Erwachsene gerichtete Vorrede, die die zu- unterden Einfluß philanthropischer Ideen. In der
grunde liegende didaktische Konzeption darlegt, zweiten Hälfte der 70er Jahre wird sodann mit
wie sie überhaupt auch von den Erwachsenen ge- Campe die zweite Philanthropengeneration aktiv,
lesen werden wollen, denen sie pädagogischen die sich teilweise ab 1785 zur Herausgabe des Re-
Anschauungsunterricht zu geben beabsichtigen. visionswerkes und des Braunschweigischen Jour-
Bis aufwenige Ausnahmen halten sie alle die Um- nals noch einmal zusammenfindet. Die philan-
setzung der pädagogisch-didaktischen Intentio- thropische Bewegung fällt zeitlich mit der zuvor
nen für das vorrangige Ziel, hinter dem die Beach- beschriebenen Ausweitung und Umstrukturie-
tung literarisch-künstlerischer Ansprüche und rung des literarischen Marktes zusammen, was
Normen zurückzustehen hat. Damit ist die Gren- zur Folge hat, daß die plötzlich anschwellende
ze zwischen Kinderschrift und pädagogischer Er- Kinderliteratur in hohem Ausmaß philanthropi-
wachsenenschrift überhaupt fließend, was etwa sche Züge trägt. Doch finden auch andere päd-
in der häufiganzutreffenden Doppeladressierung agogische Tendenzen in der Kinderliteratur Nie-
»für Kinder und Kinderfreunde« zum Ausdruck derschlag und Verbreitung.
kommt. Dieser engen Verbundenheit trägt Der Philanthropismus gibt einen Fall ab, in
schließlich auch die Kritik Rechnung. In fast al- dem einer relativ homogenen pädagogischen Be-
len einschlägigen Rezensionsorganen der Zeit - wegung eine eingrenzbare Strömung der Kinder-
von den Anfängen in den 60er Jahren über Nico- und Jugendliteratur entspricht. Eine vergleichbar
lais Allgemeine Deutsche Bibliothek bis hin zu enge und eindeutige Zuordnung von pädagogi-
Gutsmuths Bibliothek der pädagogischen Litera- scher Theorie und Kinderliteratur, die zudem
tur zu Beginn des 19. Jahrhunderts[5]- wird die noch durch die Einheit von Pädagoge und Kin-
Kinder- und Jugendliteratur zusammen mit päd- derbuchautor garantiert wird, findet sich im 18.
agogischen Erwachsenenschriften, Erziehungsleh- Jahrhundert sonst nur noch in Ausnahmefällen
ren, Methodenschriften und Fachdidaktiken un- wie etwa bei J.P. Miller, Sulzer, Iselin und Gedi-
ter einer Rubrik verzeichnet, die zumeist den Titel ke. Pädagogische Theoriebildung und Kinder-
»Erziehungsschriften« oder »pädagogische Lite- buchproduktion fallen in der Regel stärker aus-
ratur« aufweist. Trotz der zunehmend unterhal- einander als bei den Philanthropen. Zugleich
tenden und belletristischen Ausrichtung bleibt die neigt die aufklärerische Pädagogik zumindest in
Kinder- und Jugendliteratur noch bis zur Jahr- der vorphilanthropischen Zeit noch nicht zu einer
hundertwende dem umfangreicheren Sektor des derart prononcierten Schulbildung, wie sie für die
pädagogischen Schrifttums angehörig. Sie wird philanthropische Bewegung und später für den
noch nicht als Zweig des »schönen« Schrifttums Neuhumanismus charakteristisch ist. Sie stellt
angesehen, von dem sie sich selbst denn auch eher vielmehr eine breite Strömung dar, die wohl eine
abzusetzen sucht. In der überwiegenden Zahl will gemeinsame Basis hat, durch die sie vom traditio-
sie vorrangig pädagogischen Zwecken dienen, nellen Schulhumanismus sowie von der orthodox
ohne literarische Ambitionen zu verfolgen. protestantischen und der katholischen Erzie-
Der Philanthropismus ist, wie bereits Baum- hungspraxis klar sich abhebt, die aber auf dieser
gärtner andeutete, ein ganz offenkundiges Bei- gemeinsamen Basis eine Vielzahl von Tendenzen
spiel für die Nähe, die zwischen der Pädagogik und Ausprägungen entwickelt. Diese Verästelun-
und der Kinderliteratur des 18. Jahrhunderts be- gen der vorphilanthropischen Aufklärungspäd-
steht. Nahezu alle seine Theoretiker sind zugleich agogik schlagen sich durchaus in der Kinderlite-
Kinderbuchautoren, und dies ist nicht zufällig: ratur nieder, führen hier aber nicht zur Herausbil-
Die Hervorbringung einer neuen Kinderliteratur dung deutlich auszumachender Tendenzen und
gehört ebenso zu den Kernstücken der philan- Richtungen. Es liegt deshalb nahe, für die vor-
19 Einleitung 20

philanthropische Zeit die gesamte der Aufklä- der Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur
rungspädagogik verpflichtete Kinderliteratur als scheint es kein Pendant zur Phase der Hochauf-
eine Strömung zu fassen und von dem durchaus klärung ab 1750 zu geben, die mit den Namen
noch zahlreichen Schrifttum abzusetzen, das wei- Lessing und Mendelssohn verbunden ist[7]. Das
terhin voraufklärerischen Inhalten und Metho- neue Interesse für die Erfahrung, für das konkrete
den verpflichtet bleibt. Diese Strömung vorphil- Individuum und die Gefühle des Herzens dringen
anthropisch-aufklärerischer Jugendliteratur wäre nur vereinzelt in das Jugendschrifttum vor; ge-
zu eng gefaßt, wenn sie als rationalistische Kin- genüber der neuen überschwenglichen Sympa-
der- und Jugendliteratur bezeichnet würde, drin- thie- und der tränenreichen Mitleidsbereitschaft
gen doch ab Mitte des Jahrhunderts in bedeuten- verhält es sich in seiner Mehrzahl äußerst spröde.
dem Ausmaß empfindsame und sentimentalisch- Doch macht sich ein Unbehagen an der vorhan-
rührende Elemente in sie ein, wofür die ersten ju- denen deutschen Erziehungsliteratur breit, was
gendliterarischen Produkte Weißes, aber auch die dazu führt, daß verstärkt auf englische und fran-
aus dem Französischen übersetzten Werke der zösische Vorbilder zurückgegriffen wird. In die
LePrince de Beaumont und der Genlis Beispiele 50er und 60er Jahre fallen die zahlreichen Über-
abgeben. setzungen der Werke Sarah Fieldings und Ri-
Die vorphilanthropisch-aufklärerische Ju- chardsons, der LePrince de Beaumont, der Genlis
gendliteratur konstitutiert sich bereits in der er- und des Moissy.
sten Hälfte des 18. Jahrhunderts; sie wird im vor- Eine tiefergreifende Veränderung erfährt
liegenden Band also nur in ihren Ausläufern er- das Jugendschrifttum erst in den 70er Jahren mit
faßt, die sich jedoch lange halten und auch vom dem Philanthropismus, dessen Anfänge ja zeit-
Philanthropismus nicht gänzlich verdrängt wer- lich mit der »Sturm und Drang«-Bewegung zu-
den. Ihre Basis gibt die Aufklärungspädagogik in sammenfallen. Hier ist es vornehmlich die Wir-
ihrer vorrousseau'schen Gestalt ab, wie sie neben kung Rousseaus und des 1762 erschienenen Emi-
Fenelon und Rollin hauptsächlich durch Locke le, die den pädagogischen Rationalismus zu Fall
und seine Gedanken über Erziehung ihre Grund- bringt. Der Philanthropismus erobert jedoch
legung erfahren hat. LockesAnsichten finden in nicht die gesamte jugendliterarische Szene, auch
Deutschland über das Medium der moralischen wenn er deren markanteste Strömung während
Wochenschriften schnelle Verbreitung und Auf- der 70er und 80er Jahre darstellt. Neben diesem
nahme [6], vereinigen sich hier aber mit einer phi- hält sich insbesondere bei Professoren und Schul-
losophischen Tradition, die dem Sensualismus männern eine aufgeklärte Pädagogik, die von
des Engländers entgegengesetzt ist. Gemeint ist Rousseau unbeeinflußt bleibt, die humanistische
die Monadologie und Metaphysik von Leibniz Traditionen bewahrt hat und deshalb am Ende
und ihre Fortbildung in der rationalistischen Sy- des Jahrhunderts sich zum Neuhumanismus hin
stemphilosophie Christian Wolffs. Auf diese Wei- entwickelt. Im Gefolge der Genie-Bewegung tre-
se bildet sich in Deutschland bei Wolff, Gott- ten aber auch aufklärungskritische Tendenzen
sched und Sulzer eine rationalistische Pädagogik auf, die sich in der Aufassung von Kindheit und
heraus, die zwar einzelne Elemente des Erzie- Jugend von der Aufklärung absetzen, wie es etwa
hungsdenkens von Locke aufnimmt und inte- bei Herder geschieht, und die sich mehr und mehr
griert, am rationalistischen Rahmen aber festhält von der aufklärerischen Religionspädagogik ab-
und der weltmännisch-praktischen Ausrichtung setzen, wofür die Kinderschriften von J.G.
der Erziehung bei Locke eine mehr theoretisch- Schlosser und Lavater ein Beispiel abgeben. Ne-
gelehrsame Bildung entgegenstellt. Wie Wolff ben diese präromantische Aufklärungskritik tritt
noch die gesamte Schulphilosophie des 18. Jahr- eine materialistisch-skeptizistische Strömung, die
hunderts bestimmt und Gottscheds erfolgreiche in Gestalt Wezels auch in denjugendliterarischen
Schul- und Lehrbücher von großer Wirkung sind, Sektor hineinwirkt
so zeigt auch die rationalistische Pädagogik an Gegen Ende der 80er Jahre macht sich eine
Universitäten und Schulen eine lange Lebens- verstärkte Kritik an der philanthropischen Bewe-
dauer. gung geltend, die damit ihren Höhepunkt über-
Es hat den Anschein, als hätte die langsame schritten hat. Diese Kritik ist eine allgemeinpäda-
Zersetzung des strengen Rationalismus, die be- gogische, in besonderem Maße aber auch eine re-
reits bei den Schweizern Bodmer und Breitinger ligionspädagogische, die nun Anstoß an der gro-
beginnt, sich vorerst auf das Gebiet der Ästhetik ßen Bedeutung nimmt, die bei den Philanthropen
beschränkt und das der Pädagogik ebenso wie die die »natürliche Religion« einnimmt. Diese Kritik
Schul- und Erziehungspraxis lange Zeit unbe- ist zweifelsohne Ausdruck der seit Wöllners Re-
rührt gelassen. Zwar finden sich bei Sulzer und ligionsedikt sich breitmachenden antiaufkläreri-
dann bei Geliert pädagogische Ansätze, die über schen Stimmung. Kritik am Philanthropismus
den Rationalismus hinausführen, doch findet kommt aber auch von Seiten der politisch radika-
dies in der Kinder- und Jugendliteratur der Jahr- len Spätaufklärung, der die philanthropische
hundertmitte keine sichtbare Entsprechung. In Spielpädagogik als zu aristokratisch erscheint.
21 Hauptströmungen und Tendenzen 22

Kritik kommt schließlich auch von Seiten des kann ich nicht umhin, dies als die rechte Art des
Neuhumanismus, wobei diese eng mit der philo- Umgangs mit ihnen anzusehen; und wenn ich
sophischen Aufklärungskritik des Idealismus zu- recht sehe, wollen sie gern als vernunftbegabte
sammenhängt. Sie formiert sich zwar erst nach Wesen behandelt werden, und zwar früher als
der Jahrhundertwende, setzt dann aber einen hef- man denkt. Es ist dies ein Stolz, den man in ihnen
tigen Richtungsstreit in Gang, dessen Höhepunkt nähren und, so weit es geht, zum wichtigsten
Niethammers Streitschrift von 1808 ist. Neuhu- Werkzeug ihrer Bildung machen sollte.« [8] Zur
manistische Einflüsse schlagen sich denn auch frühen Vernunfterziehung gehören für Locke der
erst nach 1800 nennenswert in der Jugendliteratur frühzeitige Beginn mit dem Lesenlernen und der
nieder, finden folglich in diesem Band keine Do- Beschäftigung des Knaben mit Büchern: »Wenn
kumentation mehr. Eng mit dem Neuhumanis- er sprechen kann, ist es Zeit, daß er mit dem Le-
mus geht seit Ende der 80er Jahre eine klassizisti- senlemen anfängt.« [9] »Wenn er so allmählich zu
sche Strömung einher, die in der Ästhetik der Wei- lesen anfängt, sollten ihm leichte, vergnügliche
marer Klassik kulminiert und in Gestalt von Bücher, die seinen Fähigkeiten angemessen sind,
K.Ph. Moritz auch in den Bereich der Kinder- in die Hand gegeben werden, Bücher, die Unter-
und Jugendliteratur hineinreicht. haltung bieten, ihn mitreißen und die Mühen sei-
Der Überblick macht deutlich, daß seit etwa nes Lesens belohnen [ ... ]« [l 0].
1770 in dem nun deutlich angeschwollenen So früh auch mit der Vemunfterziehung,
Zweig der Kinder- und Jugendliteratur sich alle dem Lesenlernen und Bücherlesen begonnen
Tendenzen der Zeit widerspiegeln, auch wenn werden soll, so betont Locke doch gleichzeitig,
dies in unterschiedlichem Ausmaß der Fall ist. Si- daß hierbei stets Rücksicht auf die jeweiligen Fä-
cherlich dominieren Aufklärungspädagogik und higkeiten und die jeweilige Fassungskraft der
Philanthropismus; andere Tendenzen, wie Sturm Kinder genommen werden müsse. Keinesfalls
und Drang, Klassizismus und Präromantik, darf hier sich übereilt werden: »Es ist besser, es
schlagen sich jedoch auch in der Kinder- und Ju- dauert ein Jahr länger, bis er lesen kann, als daß er
gendliteratur des 18. Jahrhunderts nieder. Die auf diese Weise eine Abneigung gegen das Lesen
namhaft gemachten Strömungen können hier faßt.«[ll] Das Lernen und der Umgang mit Bü-
nun keine ins Detail gehende Darstellung erfah- chern darf nie zu einer Last und unangenehmen
ren; wenige Hinweise müssen im Rahmen dieser Pflicht werden. Die Erziehung muß deshalb
Einleitung ausreichen, den Überblick inhaltlich Rücksicht auf die besondere Eigenart der Kinder
zu füllen. nehmen, die noch ganz von den Sinnen be-
herrscht, unstet, wechsel-und sprunghaft, unkon-
zentriert und wenig ausdauernd sind. »Nur das
Die vorphilanthropische Phase der Pädagogik und Neue fesselt sie; was sich als neu vorstellt, wollen
der Kinder- und Jugendliteratur sie sofort kosten, und ebenso schnell sind sie ge-
sättigt. Sie werden eines Dinges schnell überdrüs-
Lockes Gedanken über Erziehung gelten sig und haben fast alle ihre Freude an Verwunde-
dem gesamten 18. Jahrhundert als die Bibel der rung und Abwechselung. Es steht im Wider-
Erziehung. Ihr Ausgangspunkt ist eine empirisch- spruch zu dem natürlichen Zustand der Kindheit,
psychologische Auffassung des Menschen als wenn sie ihre schweifenden Gedanken festhalten
animal rationale, als eines Wesens, dessen Trieb- sollen.« [12] Diesen natürlichen Zustand der
system das der Tiere ist, das sich aber mit einer Fä- Kindheit darf eine Erziehung jedoch keinesfalls
higkeit, der ratio, über die Tiere erhebt. Die Ver- bestätigen und bekräftigen; es gilt Kinder viel-
nunft erscheint hierbei als eine seelische Anlage mehr in allen Phasen zur Vernunft zu erziehen.
im Menschen, die der planmäßigen Ausbildung Locke willlediglich dafür sorgen, daß die Ver-
und Übung bedarf. Sie gilt zugleich als die ent- nunfterziehung sich nicht vermittelst einer unnö-
scheidende moralische Handlungsinstanz; ohne tigen rigiden Unterdrückung der kindlichen We-
Vernunft ist sittliches Handeln undenkbar. Das sensart vollzieht. Die kindliche Wesensart muß
Ziel der Lockeschen Tugenderziehung ist deshalb berücksichtigt werden, ohne ihr allerdings größe-
die möglichst frühe Herausbildung von Vernunft re Beachtung zu schenken. Locke empfiehlt, an-
und Urteilskraft. Kinder sind, je jünger, um so statt sie zu unterdrücken, sie einfach hinzuneh-
stärker von den Trieben beherrscht; dennoch hilft men, zumal sie über kurz oder lang von selbst ab-
es, die Macht der Triebe zu brechen und die Her- gelegt wird.
ausbildung von Vernunft zu beschleunigen, wenn Lockes Tugenderziehung ist weitgehend
Kinder so früh wie möglich behandelt werden, als praktisch ausgerichtet. Durch die Autorität des
seien sie bereits vernunftbegabte Wesen. Für Lok- Erziehers wie durch Ausnützung des Nachah-
ke ist deshalb die adäquateste Umgangsform mit mungstriebes können Kinder frühzeitg bereits an
Kindem das vernünftige Gespräch. »Man wird ein Verhalten gewöhnt werden, das der Sittlich-
sich vielleicht darüber wundem, daß ich von ver- keit entspricht, ohne im eigentlichen Sinne schon
nünftigem Gespräch mit Kindem rede; und doch tugendhaftes Handeln darzustellen. Denn von ei-
23 Einleitung 24

ner ausgebildeten Vernunft kann auf dieser Stufe Bildung hat hierbei zugleich eine sittliche Dimen-
der Kindheit noch nicht ausgegangen werden. sion: Nicht nur erfüllt sich in ihr das innere telos
Der moralische Anfangsunterricht verläuft des- der Seele selbst; es stellt auch die Voraussetzung
halb bei Locke ganz unintellektualistisch: Es geht allen sittlichen Handeins dar. Tugendhaftes Ver-
um Gewöhnung an bestimmte Verhaltensweisen halten entspringt der Aufklärung und Erleuch-
und um Einübung in Handlungsmuster, deren tung, ist Resultat der intellektuellen Erkenntnis
sittliche Qualität erst später eingesehen werden des Weltzusammenhangs. »Aus diesem Erkennt-
kann. Auch die Herausbildung der Vernunft voll- niszusammenbang fließen dann die Antriebe zum
zieht sich bei Locke in hohem Maße auf einer Handeln, das sittlich gut ist, wenn es den erkann-
praktischen Ebene: Entscheidend ist nicht so sehr ten Wesensbeziehungen gemäß ist; aus seiner Fe-
der Erwerb eines umfassenden Wissens als die stigkeit und Weite kommt die Beständigkeit der
Übung der Vernunft als einer Kraft, die Triebe zu guten Gesinnung und die harmonische Ordnung
beherrschen und zu lenken. Auf diese Weise rückt der Neigungen.« [ 17]
mehr eine formale Verstandesbildung in den Mit- Dieses gelehrte und kontemplative Bil-
telpunkt, der ein Zuviel an Wissen und Gelehr- dungsideal bleibt in hohem Maße bestimmend
samkeit nur als störender Ballast gelten kann. für die enzyklopädische und sachlich belehrende
Locke wendet sich gegen Bücher für seinen Zög- Kinder- und Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts
ling, die »seinen Kopf mit völlig unnützem Plun- bis hin zum Philanthropismus. Ihre Wurzeln ge-
der füllen« [13]. Gerade dieser Punkt macht deut- hen weit in das 17. Jahrhundert zurück, auf den
lich, in welchem Ausmaß Lockes Erziehungsleh- »orbis pictus« des Comenius und die »spectacule
re in der Tradition der Kavaliers- bzw. Gentle- naturae et artium ... «. Dem heutigen Betrachter
manerziehung steht: Bei allem Plädoyer für eine fällt zunächst der ungeheuere Bildungsstoff auf,
frühe intellektuelle Erziehung wendet sie sich ge- der hier Kindem zugemutet wird. Welche Fülle
gen eine allzu gelehrte Bildung, wie sie im Gefolge an Schulwissen aus allen Disziplinen bieten die
des Humanismus sich herausgebildet hatte. zahlreichen Enzyklopädien und Elementarwer-
Für die deutsche Aufklärungspädagogik, ke; welche Stoffmenge enthalten die religiösen,
wie sie sich in der ersten Jahrhunderthälfte bei geschichtlichen, geographischen, naturkundli-
Wolff, Gottsched und Sulzer konstitutiert, spielt chen und mythologischen Lehrwerke für Kinder
Locke eine große Rolle. Seine Einflüsse mischen und Jugendliche! Man gewinnt den Eindruck,
sich hier jedoch mit einer Traditionslinie, die auf daß hier eine besondere Anpassung, eine » Adap-
Leibniz zurück geht und die E. Heimpel-Michel tion« [18] an die jungen Leser, an ihr begrenztes
als die. »inhaltliche Richtung der Aufklärung« Fassungsvermögen und an ihre besonderen Be-
kennzeichnet und von der formalen bei Locke ab- dürfnisse nicht stattfindet. Dies gilt nicht nur in
hebt[l4]. Ausgangspunkt ist hier die Auffassung stofflicher, sondern auch in methodischer und
der Seele als einer Monade, die in sich bereits ein sprachlicher Hinsicht: Von einer Anpassung an
vollständiges, aber noch dunkles und verworre- die besondere Wesensart der Kinder, die Locke
nes Bild des Weltganzen enthält[l5]. Der Bil- als unachtsam, unkonzentriert und sprunghaft
dungsprozeß besteht nun darin, daß die Seele von kennzeichnete und als »natürliche Folge ihres Al-
diesen verworrenen Vorstellungen stufenweise ters« ausgab, ist auch in dieser Hinsicht wenig zu
fortschreitet zu immer klareren und bestimmteren spüren.
Begriffen. Ziel dieses Prozesses ist ein vollendetes Tatsächlich ist diese Literatur nicht auf An-
Aufgeklärtsein, das zugleich eine deutliche Er- passung an eine spezifische kindliche Wesensart
kenntnis des Weltzusammenhanges darstellt und aus. Sie sieht im Kind vielmehr das Vemunftwe-
mit dem die Seele sich Gott nähert. Bildung ist sol- sen, das eine wenn auch dunkle und verworrene
chermaßen zugleich ein innerer wie äußerer Vor- Vorstellung des Weltganzen bereits in sich hat
gang. Zum einen bemächtigt sich die Seele, erken- und dem sie deshalb auch nicht Gehalte von au-
nend nach außen gewendet, des Weltganzen und ßen heranträgt. Sie macht vielmehr nur durch-
seines objektiven Sinnes; zum anderen erfüllt sie sichtig und klar, was im Geiste bereits an sich vor-
damit nur ihre innere Richtung, realisiert sie da- handen ist. Für sie hat deshalb das Auswendigler-
mit ihre eigene Bestimmung, sich aufzuklären, zu nen noch keinen negativen Beigeschmack: Der
erleuchten und Gott zu nähern. Für diese Rich- Sache nach sind die Gegenstände immer schon
tung aufklärerischer Pädagogik steht die intellek- begriffen, so daß es nur noch darum geht, die Be-
tuelle Bildung im Mittelpunkt, wobei nicht nur an griffe bereitzustellen, mit Hilfe derer die Gegen-
eine formale Verstandesbildung, sondern auch an stände klarund deutlich zu erkennen sind. Zudem
den Erwerb eines umfangreichen, enzyklopädi- geht sie davon aus, daß der Stufengang des seeli-
schen Wissens gedacht wird. Es geht dieser Rich- schen Bildungsprozesses aufgrundeiner prästabi-
tung, so Heimpel-Michel, »um die Bildung eines lierten Harmonie übereinstimmt mit dem Aufbau
Zusammenhanges geistiger Gehalte im Men- und dem objektiven Sinn der Welt, daß also »die
schen, der möglichst umfassend dem Weltzusam- psychologisch-geistige Gesetzlichkeit mit der on-
menhang entspricht« [16]. Diese enzyklopädische tologischen des Kosmos« verknüpft ist [19]. In ih-
25 Hauptströmungen und Tendenzen 26

rem Aufbau spiegeln die Enzyklopädien und will sie sich in der Tugenderziehung allein auf die
Lehrwerke denn auch stets die objektive Struktur intellektuelle Einsicht verlassen. Sie gilt ihr weiter
ihres Gegenstandes wider, womit zugleich unter- zwar als die höchste Quelle sittlichen Handelns,
stellt ist, daß dies auch der rechte Weg sei, auf dem erscheint ihr aber als untaugliche Basis einer in
die einzelne Seele sich Klarheit über den Gegen- die Breite gehenden moralischen Bildung. Hier
stand verschafft. Das Bedürfnis nach einer von greift sie auf Locke zurück: Auf der Suche nach
der Sache selbst abweichenden besonderen An- wirksameren Methoden der Tugenderziehung
ordnung des Stoffes, die sich aus der Rücksicht nimmt sie dessen zahlreiche Vorschläge einer Ge-
auf den kindlichen Leser ergibt, taucht hier also wohnheitserziehung auf. Besonders in bezug auf
garnicht auf, wie denn auch das Kind garnicht als den moralischen Anfangsunterricht der Kinder
ein vom Erwachsenen prinzipiell verschiedenes wird ihr bewußt, daß abstrakte Regeln und de-
Wesen begriffen wird. Die Monaden unterschei- monstrative Lehrart wenig fruchten. Eine rationa-
den sich nur nach dem Grad der Aufgeklärtheit le Einsicht in das, was sittlich gut ist, kann Kin-
voneinander. dem noch nicht abverlangt werden- ganz abgese-
Eine Anpassung an die spezifische kindliche hen davon, ob sie allein ausreicht, das wirkliche
Wesensart findet sich auch nicht bei der vorphil- Handeln zu bestimmen. Hier greift die Aufklä-
anthropischen Sachliteratur, die sich von der rungspädagogik auf untere, Vorrationale Er-
Leibnizschen Metaphysik löst und die kindliche kenntnisvermögen, auf die sinnliche Anschauung
Seele als tabula rasa ohne eingeborene Ideen be- nämlich, zurück und macht sich selbst einige Trie-
greift. Dieser Literatur kommt es darauf an, die im be zunutze, wobei der Nachahmungstrieb die
Kind noch leere, inhalts-und formlose Vernunft größte Rolle spielt. Der moralische Anfangsun-
an den objektiven Zusammenhang der Wahrhei- terricht operiert nun nicht mehr mit Regeln und
ten zu heften. Die objektive Aufeinanderfolge der Beweisen, sondern mit Veranschaulichungen und
Ideen ist es denn auch, die den Aufbau ihrer Wer- plastischen Beispielen tugendhaften Handelns,
ke bestimmt. Schlözer hat versucht, einige Auf- die von den Kindem nachgeahmt werden sollen.
bauprinzipiell von Elementarbüchern für Kinder An die Stelle der demonstrativen Methode ist die
heranzustellen. Die größte Aufmerksamkeit ver- Exempelmethode getreten, die nun als die psy-
dient für ihn die Festlegung der »Succeßionsord- chologisch wirksamere angesehen wird. So heißt
nung der Ideen, wie solche auf die leere Kinder- es bei Sulzer: »Es ist eine gemeine Anmerkung,
seele aufgetragen, ausgedrückt, und angereiht daß die Exempel mehr Eindruck auf das Gemüth
werden« sollen[20]. Hier kommt es für Schlözer machen, als die Lehren, und der Grund dieser
darauf an, daß die Ideen untereinander zusam- Wahrheit dünkt mich sehr leicht zu finden. Die
menhängen und logisch aufeinander folgen, daß Lehre ist eine Beschreibung, das Exempel aber ei-
vom Bekannten zum Unbekannten, vom Einfa- ne wirkliche Vorstellung, ein lebendiges Ge-
chen zum Zusammengesetzten, vom Abstraktem mähld. Gleichwie nun ein Gemähld, oder eine
zum Konkreten fortgeschritten wird u. dgl. m. Der wirkliche Aussicht auf ein schönes Land mehr
objektive Aufbau des Wissens ist maßgebend, Eindruck macht als die bloße Beschreibung, so ist
nicht die Besonderheit der kindlichen Natur.- Es es auch mit den Lehren und Exempeln.« [21] Ex-
wäre falsch, die vorphilanthropische Sachlitera- empel haben den Vorzug, das Gemüt des Men-
tur, sei sie vom metaphysisch-objektiven oder schen zu affizieren, das immer mehr zum eigentli-
vom subjektiven Rationalismus geprägt, eben chen Adressaten der sittlichen Erziehung wird.
deshalb nicht als eigentliche Kinderliteratur gel- Tugendhaftes Handeln soll zur »Gewohnheit«
ten zulassen. In ihr findet eine Adaption statt, eine werden und einer »Neigung zur Tugend« ent-
Anpassung allerdings nicht an das Kind in seiner springen. Diese Neigung ins Gemüt einzupflan-
konkreten psychischen Eigenart, sondern an das zen, bedarf es vorrationaler Mittel: Das Exempel
Kind als noch verworrener Seele bzw. noch un- löst eine affektive Identifikation und Nachah-
entwickelter Vernunft. Und diese Anpassung be- mungsbegierde aus und erzeugt so eine bleibende
steht paradoxerweise gerade in der strengen Ob- Verinnerlichung von Tugend.
jektivität der Werke: Je unausgebildeter die Ver- Der Rückgriff auf niedere Erkenntnisvermö-
nunft ist, umso klarer und stringenter, umso syste- gen und die Exempelmethode stellt eine entschei-
matischer müssen die Lehrbücher angelegt sein. dende Öffnung des Erziehungsprozesses für die
Das kontemplative Bildungsideal des stren- schöne Literatur dar. Denn es geht hierbei nicht
gen Rationalismus wird in einem Punkt frühzeitig nur um Vorbilder aus dem wirklichen Leben und
schon in Zweifel gezogen: Problematisch er- der Geschichte, sondern auch um Beispiele, wie
scheint, ob aus der bloßen Erkenntnis des Weltzu- sie in der Dichtung zu finden sind. Der Streit dar-
sammenhangs gleichsam zwangsläufig sittliches über, welcher Sorte von Exempeln der Vorzug zu
Handeln sich ergibt und zur Gewohnheit wird. So geben ist, erstreckt sich über das gesamte Jahr-
sehr die aufklärerische Pädagogik in bezug auf hundert. Für die einen sind die realen Vorbilder
die Hochschätzung der intellektuellen Bildung überzeugender, weil sie nicht nur die Möglichkeit,
dem 17. Jahrhundert verpflichtet bleibt, so wenig sondern die Wirklichkeit von Tugend dartun; für
27 Einleitung 28

die anderen sind die fiktiven Beispiele eindringli- Kinder sind, bevor sie zum Erwachsenen werden.
cher, weil diese ganz auf die Wirkung hin gestaltet Wollen wir diese Ordnung umkehren, erzeugen
werden können. So argumentiert jedenfalls Sul- wir frühreife Früchte, die weder Saft noch Kraft
zer, wenn er den »erdichteten« Beispielen den haben und bald verfault sein werden [ ... ]« [23]
Vorzug gibt: Diese können »durch die Geschick- Bereits Locke kannte ja eine spezifische kindliche
lichkeit des Schreibers so rührend werden, daß sie Wesenart; die Erziehung sollte jedoch garnicht
mehr Eindruck machen als die lebendigen Exem- auf sie abheben, sondern lediglich darauf achten,
pel«. Eine »geschickte Feder« kann »der Erzeh- daß sie nicht unterdrückt wird. Bei Rousseau wird
Jung eine solche Stärke, und einen solchen Reiz diese kindliche Wesensart zum alles bestimmen-
geben, daß der Leser auf das kräftigste gerühret den Mittelpunkt: »Jedes Alter,jeder Lebensstand
wird. Man kann Historien erdenken, und sie so hat seine ihm eigene Vollkommenheit, seine ihm
einrichten, wie sie für die Kinder am allerbequem- eigene Art von Reife.« [24] Damit rückt sie in das
sten scheinen.« [22] Die Literatur erhält damit ei- Zentrum aller pädagogischen Aktivität: Die Er-
ne zentrale Funktion im Rahmen der aufkläreri- ziehung muß die kindliche Wesensart nicht nur
schen Tugenderziehung: Sie wird zu einem der berücksichtigen, sondern diese herausbilden und
wichtigsten Mittel der frühen sittlichen Gewohn- bejahen. Das Kind hat zunächst allein Kind zu
heitsbildung. Hierbei wird sie pädagogisch be- werden und erreicht darin, ein »fertiges Kind« zu
deutsam zunächst nur aufgrund ihrer Bildhaftig- sein, die ihm gemäße Vollkommenheit und Reife
keit und Anschaulichkeit. Ihr unterhaltender [25]. Damit ist jegliche Instrumentalisierung der
Charakter gerät in der vorphilanthropischen Zeit Kindheit für spätere Lebensabschnitte ausge-
nur am Rande in das Blickfeld; Dichtung wird schlossen. Die aktuellen Bedürfnisse der Kinder
überwiegend noch als belehrende Literatur ange- stecken den Rahmen dessen ab, was ihnen zuge-
sehen und in der moralischen Unterweisung ein- mutet werden darf. So sollen sie insbesondere
gesetzt. nichts lernen, »wovon sie nicht den aktuellen und
Die Propagierung der Exempelmethode augenblicklichen Vorteil spüren, sei es Vergnü-
setzt sich schnell in der literarischen Praxis durch: gen, sei es Nutzen« [26].
Die Verhaltensanweisungen und Regelbücher Schon Locke sah, daß die kindliche Wesens-
der Moral, die Sittenlehrbücher in Vortrags- oder art von der Vernunft weit entfernt ist. So denkt
Paragraphenform mit Herleitungen und Bewei- auch Rousseau; er folgert jedoch hieraus, daß auf
sen werden zurückgedrängt. Ihren Platz nehmen der Stufe der Kindheit eine Vernunfterziehung im
die zahlreichen neu entstehenden literarischen Sinne Lockes gänzlich unangebracht ist. Die Ver-
Lesebücher für Kinder und Jugendliche ein, die nunft entwickelt sich von allen Fähigkeiten des
in Form von Beispielgeschichten, Erzählungen, Menschen am spätesten, und es ist unnatürlich,
Dialogen, Fabeln und Gedichten eine Fülle mora- sie schon in der Kindheit herausbilden zu wollen.
lischer Exempel bieten, anhand derer nun die mo- »Die Kindheit hat ihre eigene Weise zu sehen, zu
ralische Unterweisung vorgenommen werden denken und zu empfinden. Nichts ist unsinniger,
soll. Hierbei ist es für die vorphilanthropische als ihr die unsrige unterschieben zu wollen.« [27]
Phase der Kinder- und Jugendliteratur charakte- Diese kindliche Denk- und Sehweise ist ein von
ristisch, daß die Beispiele aus allen Gebieten des der }}intellektuellen oder menschlichen Ver-
Wissens stammen und keine Rücksicht auf den nunft« der Erwachsenen gänzlich verschiedenes;
begrenzten Anschauungs- und Erfahrungsraum Rousseau bezeichnet sie als »sensitive oder kind-
der Kinder genommen wird, wie dies später die liche Vernunft« [28]. Widerspruch legt Rousseau
Philanthropen fordern werden. Auf diese Weise gleichfalls gegen das Konzept moralischer Erzie-
bietet auch die vorphilanthropische Exempellite- hung ein, das über den Weg der Nachahmung gu-
ratur ebenso wie die Sachliteratur den jungen Le- ter Beispiele Kinder frühzeitig an ein tugendhaf-
sern die gesamte Welt der Bildung und Gelehr- tes Verhalten gewöhnen will. Rousseau antwortet
samkeit. hierauf, }}daß alle durch Nachahmung erworbe-
nen Tugenden nur Tugenden von Mfen sind«
[29], und macht hiermit deutlich, daß auf diese
Philanthropische Kinder- und Jugendliteratur Weise nur eine frühe kindliche Mimikri von Tu-
gend hervorgebracht wird. Rousseau schlägt
Die entscheidenden theoretischen Impulse demgegenüber vor, auf der Stufe der Kindheit
verdankt der Philanthropismus unstreitig Rous- und der ersten Jugend von einer sittlichen Unter-
seaus berühmtem Erziehungsroman von 1762. weisung überhaupt abzusehen, sich allenfalls auf
Hierbei markiert weniger Basedow selbst als viel- die Vermittlung weniger elementarer Moralbe-
mehr die jüngere Philanthropengeneration den griffe zu beschränken. }}Gut und Böse zu erken-
Höhepunkt der Rousseau-Rezeption. Ausgangs- nen, die Begründung menschlicher pflicht zu ver-
punkt ist hier Rousseaus neue Sicht der Kind- stehen ist nicht Sache des Kindes.« [30]
heitsstufe, der eine gänzlich neuartige Autonomie Bei dieser Kritik aller frühen Vernunft- und
zuerkannt wird: »Die Natur will, daß Kinder Moralerziehung verwundert es nicht, wenn Rous-
29 Hauptströmungen und Tendenzen 30

seau auch alle frühe literarische Bildung radikal suchte stets »im Kind den Erwachsenen, ohne zu
verwirft. Er macht die Verankerung von Literatur bedenken, was ein Kind vorher ist« [33]. Eine sol-
im Erziehungsprozeß, wie sie das Werk dervoran- che durch Rousseau ausgelöste Legitimationskri-
gegangenen Aufklärungspädagogik darstellt, in se steht am Beginn der philanthropischen Kinder-
vollem Ausmaß wieder rückgängig. Berühmt ist literatur; sie erzeugt in der Entwicklung der Ju-
der Ausspruch, daß die Bücher die Quelle des gendliteratur einen Schub neuer Adaptionswei-
größten Unglücks der Kinder seien. »Die Lektüre sen. Hierbei trifft es nicht zu, daß die bisherige Li-
ist die Geißel der Kindheit und dabei fast die ein- teratur keinerlei Anpassung an die jungen Leser
zige Beschäftigung, die man ihnen gibt. Emile kannte, wie es die Philanthropen selbst oft be-
wird mit zwölf Jahren noch kaum wissen, was ein haupten: die Anspassung war hier nur nicht eine
Buch ist.« [31] Emiles intellektuelle Bildung voll- an die Kinder als Kinder, sondern als Vernunft-
zieht sich gänzlich ohne Bücher; er lernt unmittel- wesen, deren Vernunft allerdings noch ganz un-
bar an der Wirklichkeit und der ihn umgebenden entwickelt ist. Jetzt dagegen geht es um eine An-
Natur. Die sinnliche Vernunft der Kinder kann passung an die spezifisch kindliche Wesensart, an
für Rousseau nur aus der Anschauung der wirkli- das also, worin Kinder sich von Erwachsenen un-
chen Dinge lernen; ein Wissen, das allein aus Bü- terscheiden. Die Literatur soll sich nun zu den
chern geschöpft ist, muß ein leeres Wortwissen Kindem herablassen und sie als Kinder bestäti-
bleiben. Damit sind alle Enzyklopädien und Ele- gen, anstatt sie frühzeitig zu den Erwachsenen
mentarwerke mit einer natürlichen Erziehung un- heraufzuziehen und sie in die Welt der aufgeklär-
vereinbar. Der Exempelliteratur geht es nicht an- ten Bildung zu integrieren.
ders, wie Rousseau in seiner bekannten Polemik In einem Punkt versagen die Philanthropen
gegen die Fabel darlegt, die ja das traditionsreich- Rousseau allerdings die ungeteilte Gefolgschaft:
ste Genre der Kinderliteratur darstellt. Die gebo- Seiner radikalen Kritik aller literarischen Bildung
tenen literarischen Beispiele und Gleichnisse mö- können sie nur bedingt zustimmen. Im allgemei-
gen zwar anschaulich sein, können aber in ihrem nen folgen sie durchaus der Intention Rousseaus,
Kern von Kindem nicht verstanden werden. Kin- mit dem Lesenlernen und Bücherlesen wie mit al-
der werden von der Fiktion verführt und lassen lerintellektuellen, moralischen und religiösen Bil-
die Wahrheit unbeachtet; sie können die Rück- dung eben nicht so früh, sondern so spät wie mög-
wendung der im Gleichnis demonstrierten Wahr- lich zu beginnen und sich in der ersten Zeit auf die
heit auf sich selbst nicht vollziehen, weil ihre sinn- Stärkung des Körpers und aufwenige Sachkennt-
liche Vernunft zu einer solchen Abstraktionslei- nis aus Naturund Technik zu beschränken. Über-
stung nicht fähig ist. Was zuvor als Vorteil von trieben erscheint ihnen allerdings, daß ein Kind
Dichtung galt und deren pädagogischen Ge- bis zum zwölften Lebensjahr nicht weiß, was ein
brauchswert begündete, die gleichnishafte Ein- Buch ist. Campes Reaktion ist hier bezeichnend:
kleidung einer abstrakten Lehre in eine Erzäh- Rousseau habe ihm aus der tiefsten Seele gespro-
lung, gilt Rousseau gerade als Hindernis eines chen, aus äußeren, pragmatischen Gründen sehe
wirklichen Begreifens. Das Fazit seiner Fabelkri- er sich aber gezwungen, seinen Wunsch um die
tik lautet deshalb: »Fabeln können zur Belehrung Hälfte herab zu stimmen. Wenigstens die ersten
Erwachsener dienen, den Kindem aber muß man sechs Lebensjahre des Kindes möchte er von Bü-
die nackte Wahrheit sagen. Sobald man sie mit ei- chern und von dem »Verderben des Schulunter-
nem Schleier verdeckt, machen sie sich nicht richts« gänzlich freihalten; vom sechsten Lebens-
mehr die Mühe, ihn zu lüften.« [32] Rousseau ge- jahr an könne aber getrost schon mit dem Lesen
langt derart zu einer radikalen Verurteilung aller lernen und einem maßvollen Unterricht begon-
Kinderliteratur, von der er nur ein Buch, den Ro- nen werden. Bei Campe bleibt diese Position stets
binson Crusoe, auszunehmen bereit ist. ein Kompromiß wider besseres Wissen, von dem
Rousseaus Verdikt gegen jede frühe literari- er denn auch später wieder abweicht zugunsten
sche Bildung löst in Deutschland eine Legitima- einer stärkeren Annäherung an Rousseau [34].
tionskrise der Kinder- und Jugendliteratur aus. Andere Philanthropen rücken hier deutlicher von
Autoren wie Campe und Salzmann lassen sich Rousseau ab. Trotz allem bleibt der Kampf gegen
durch Rousseaus Einwände ernsthaft beunruhi- »das schädliche Frühwissen und Vielwissen der
gen: Wenn eine Kinder- und Jugendliteratur Kinder«, wie es im Titel eines Aufsatzes von Cam-
überhaupt noch zu rechtfertigen ist, so ihre Über- pe heißt [35], eines der zentralen Anliegen der
legung, muß sie sich in einer ganz und gar neuen philanthropischen Bewegung.
Weise auf Kinder beziehen und sich radikal dem Die oberste Maxime des philanthropischen
spezifisch kindlichen Denken und Empfinden Schrifttums besteht nach einer Formulierung Vii-
anzupassen suchen. Die bislang hervorgebrachte laumes darin, »daß man sichzur Empfänglichkeit
Literatur für Kinder ist jedenfalls nicht mehr zu der Kinder herab lassen müsse« [36]. Bei Salz-
halten. Für sie trifft zu, was Rousseau mit bezug mann heißt es: »Wer die Kinder gut erziehen will,
auf die bisherige Pädagogik feststellte: Die Kind- der muß sich nothwendig zu ihnen herablassen
heit war ihr etwas vollkommen Unbekanntes; sie können, er mag ihnen das Gehen oder sonst etwas
31 Einleitung 32

lehren wollen; dann bekommen die Kinder ihn erziehung vor. Es scheint ihnen gänzlich unange-
lieb, [ ... ] und begreifen leicht seine Lehren. Will bracht zu sein, Kindern ein vollständiges System
man sich aber nicht zu dem Kinde herablassen, der Sittenlehre vorzutragen, das größtenteils für
verlangt man von ihm, daß es gleichsam herauf- sie reine Theorie bleiben muß. Ihnen dürfen nur
steigen soll, so bekommt es gegen uns eine Abnei- die Tugenden vermittelt werden, die ihr eigenes
gung, lernt mit Verdruß und folglich sehr lang- Verhalten betreffen und von ihnen als Kindern
sam.« [37] Dieses Prinzip hat zunächst eine radi- schon verwirklicht werden können. »Die Moral
kale stoffliche Veränderung der Kinder- und Ju- für Kinder [ ... ] scheint mir sehr faßlich und sehr
gendliteratur zur Folge. Das vorphilanthropische kurz zu seyn, und muß eigentlich in Ausübung be-
Schrifttum kannte ja so gut wie keine stoffliche stehen, und nicht in vielen Lehren. Sie muß mit
Adaption; sie traf kaum eine Auswahl und nahm der Gelegenheit zur Ausübung fortwachsen; je
die ganze Gelehrsamkeit des Zeitalters in sich auf. größer das Kind und sein Wirkungskreis werden,
Mit dem Philanthropismus wirft die Kinderlitera- jemehr muß sich seine Moral, immer verhältnis-
tur nun einen großen Ballast an Schulwissen und mäßig aber, und in elementarischer Ordnung, er-
Gelehrsamkeit ab. Die Fassungskraft der Kinder weitern.« [39] Auf dem Feld der intellektuellen
gibt den alleinigen Maßstab dafür ab, was in die Bildung nehmen die Philanthropen - zumindest
Kinderbücher gehört. »Man muß den Kindern was den frühen Kinderunterricht betrifft - Ab-
dasjenige garnicht vortragen, was sie nicht mit schied von dem enzyklopädischen Prinzip. Der
Hilfe guter, geschickter Erklärungen fassen kön- Unterricht soll nicht mehr alle Gebiete umfassen
nen: alles, wovon sie nur etwas, alles, das sie nur und auf das Ganze des Wissens hinsteuern, denn
dunkel fassen würden, alles, was ihnen, ahne- nur einzelne Gebiete bieten einen Stoff, der der
rachtet aller Erklärungen, unrichtige Begriffe sinnlichen Vernunft der Kinder angemessen ist
beybringen würde, muß gänzlich wegfallen.« [38] und von Kindern wirklich begriffen werden kann.
Dies bedeutet, daß in allen Wissensgebieten nur Zu diesen Gebieten werden mit Vorliebe die Na-
wenige elementare Sachverhalte ausgewählt und turkunde und die Geographie gezählt; in ihnen
in Kinderbücher aufgenommen werden. Hierbei erblicken die Philanthropen die eigentlichen Fä-
verändert sich der Begriffsinhalt des Elementari- cher des Kinderunterrichts. Anderen Disziplinen
schen. Das Elementare bedeutet jetzt nicht mehr - Physik, Mathematik, Geschichte, Sprachen,
das logisch oder systematisch Erste, Grundlegen- Rhetorik und Poetik - werden eher auf das Ju-
de und Einfach-Abstrakte einer Disziplin. Ele- gendalter verschoben. Daneben tritt im Kinder-
mentar sind Sachverhalte nun, wenn sie zu den er- unterricht der Philanthropen die Ausbildung
sten sinnlichen Erfahrungen der Kinder gehören. praktischer, handwerklich-technischer Fähigkei-
Sie müssen in ihren Wahrnehmungshorizont fal- ten, die allerdings aus rein pädagogischen Grün-
len und etwas mit ihren Bedürfnissen zu tun ha- den erfolgt und nicht etwa als handwerkliche Be-
ben. Das Elementarische bemißt sich nicht mehr rufsausbildung gedacht ist.
rationalistisch an dem Kind als werdendem Ver- Das Erziehungskonzept der Philanthropen
nunftwesen; es wird jetzt auf eine noch ganz dem ist, was die inhaltliche Seite angeht, deutlich von
Sinnlichen verhaftete kindliche Wesensart und Rousseau beeinflußt; hinsichtlich der Methoden
Wahrnehmungsweise bezogen. Was Kinder ler- wird dagegen stärker auf Locke zurückgegriffen.
nen sollen, muß ihrer sinnlichen Vernunft faßbar Hier sind denn auch bei Rousseau, gerade was die
und für sie von Interesse und unmittelbarem Nut- literarische Erziehung betrifft, keinerlei Anregun-
zen sein. gen zu finden, verbannt er doch den Umgang mit
Die stoffliche Entrümpelung der Kinderlite- Büchern ganz aus der Kindheit. Die Philanthro-
ratur manifestiert sich am deutlichsten auf dem pen halten demgegenüber den Beginn der literari-
traditionsreichen Sektor des religiösen Schrift- schen Erziehung wie auch den einer maßvollen
tums. Zwar folgen die Philanthropen Rousseau religiösen und moralischen Unterweisung schon
nicht darin, jegliche religiöse Unterweisung über- vom 6. Lebensjahr an für sinnvoll. Damit nähern
haupt auf das Jugendalter zu verschieben. Ihr reli- sie sich stärker der Lockeschen Position: Dieser
giöser Anfangsunterricht für Kinder vom 6. Jahr ging ja von derNotwendigkeiteiner relativ frühen
an bricht dafür aber deutlich mit der Tradition: intellektuellen Bildung aus, bestand jedoch dar-
Katechetische und biblische Unterweisung wer- auf, daß diese Rücksicht auf die kindliche
den aus dem Kinderunterricht verbannt zugun- Wesensart zu nehmen und sich ihr anzupassen ha-
sten einer Belehrung über die Grundwahrheiten be, ohne sie freilich in den Mittelpunkt zu stellen.
der natürlichen Religion, die zumeist aus der Be- Gerade diese Seite der Lockeschen Pädagogik
trachtung der Natur hergeleitet werden. Die bibli- wurde von der vorphilanthropischen und rationa-
sche Geschichte, die Lehren der Offenbarung, die listischen Kinderliteratur so gut wie garnicht rezi-
Unterschiede der Konfessionen und die einzel- piert; sie kommt erst in der zweiten, der philan-
nen kirchlichen Dogmen sollen dagegen erst im thropischen Locke-Rezeptionzum Tragen. Nach-
späten Jugendalter thematisch werden. Ähnlich dem unter dem Einfluß Rousseaus die kindliche
gehen die Philanthropen auf dem Feld der Moral- Wesensart in das Zentrum der pädagogischen
33 Hauptströmungen und Tendenzen 34

Aufmerksamkeit gerückt ist, geraten nun auch die terarischer Formen; hierbei können sie zumeist
bei Locke eher en passantgeäußerten Vorschläge auf schon gebräuchliche literarische Genres zu-
bezüglich einer Anpassung des Unterrichtes und rückgreifen, auf die Beispielgeschichte, die
der Bücher an die spezifischen Bedürfnisse des Anekdote, die Fabel, auf Lieder, Gespräche und
Kindes in ein neues Licht. Schauspiele. Da diese jetzt aber nicht mehr aus-
Dies gilt in besonderem Maße für Lockes schließlich der Belehrung, sondern in etwa gleich-
Vorschlag, den Lemprozeß spielerisch zu gestal- rangig auch dem Amusement dienen wollen, ver-
ten, der seitens der bisherigen rationalistischen mögen sie sich freier in ihren literarisch-ästheti-
Kinderliteratur keinerlei Beachtung gefunden schen Momenten zu entfalten. Allerdings setzt die
hat, von den philanthropischen Autoren hinge- philanthropische Pädagogik hier eine schwerwie-
gen begeistert aufgegriffen wird. Die Einkleidung gende inhaltliche Grenze: Die Exempel müssen
des Lemens in die Form des unterhaltenden streng aus dem Anschauungs- und Erfahrungsbe-
Spiels wird zu einer ihrer wichtigsten formalen reich der Kinder genommen werden. Wenn nur
Anpassungsweisen an die kindliche Wesensart. eben möglich, sollten Kinder selbst die Helden
Auch hier hat die Anregung Lockes erst durch der Geschichten und Schauspiele sein. Diese Ein-
Rousseau ihre Aufwertung erfahren: Rousseau schränkung ergibt sich aus der philanthropischen
ist es, der das Recht der Kinder auf Spiel und Un- Moralpädagogik.
terhaltung herausstellt und in ihnen das Glück der Einschneidender noch als auf dem literari-
Kindheit begründet sieht, das zu trüben niemand schen sind die Veränderungen auf dem Sektor des
befugt sei. »Ihr seid beunruhigt, wenn es seine er- Lehr- und Elementarbuches. Das philanthropi-
sten Jahre mit Nichtstun verbringt. Aber was sche Bemühen, das Lernen spielerisch und unter-
denkt ihr denn! Ist es etwa nichts, glücklich zu haltsam zu gestalten, hat das Eindringen literari-
sein. Ist es nichts, den ganzen Tag herumzusprin- scher Einkleidungsformen in den Lehrbuch-Be-
gen, zu spielen und zu rennen?« [40] Dem sucht reich zur Folge. Viele Werke kennen eine ausge-
die philanthropische Kinderliteratur Rechnung sprochene Rahmenhandlung, die den Umgang
zu tragen: Sie entwickelt zum einen ausgespro- eines Vaters oder Erziehers mit seinen Kindem
chene Lernspiele, Leselemspiele, naturkundliche schildert und die einzelnen Belehrungen jeweils
und geographische Spiele, greift zum anderen aus konkreten Situationen hervorwachsen läßt.
aber auch gebräuchliche Gesellschaftsspiele von Manche Werke besitzen die Form eines lehrrei-
Kindem und Erwachsenen auf, um diese didak- chen Spaziergangs oder gar einer Reisebeschrei-
tisch umzufunktionieren. Sie entwickelt zudem bung. Die literarischen Einkleidungsformen wer-
eine neue Vorliebe zum Singspiel und Schauspiel den häufig dazu benutzt, die zu vermittelnden
für Kinder, wobei stets an· eine Aufführung im Lehrinhalte an den aktuellen Erfahrungshorizont
Kinderkreis selbst gedacht wird. Auch der Um- der Kinder anzuknüpfen. Verändert sind auch der
gang mit anderen literarischen Formen wird mehr Aufbau der Lehrbücher und die Anordnung des
und mehr als Spiel begriffen: Das Geschichtener- Stoffes: Es gilt nicht mehr die objektive Systema-
zählen, Gedichtevortragen, Liedersingen und tik und Gliederung der Sache selbst. Die Inhalte
Rätselraten gelten jetzt als unterhaltende Be- werden nicht mehr in ihrer rein logischen Aufein-
schäftigungen und angenehmer Zeitvertreib. anderfolge präsentiert. Maßgebend ist jetzt die
Die philanthropische Spielpädagogik stellt subjektive Wahrnehmung der Kinder: Es wird
einen neuen Impuls dar, die schöne Literatur in ausgegangen von dem, was Kinder bereits ken-
den Erziehungsprozeß einzubeziehen. Die Litera- nen. Statt streng logisch fortzuschreiten, wird auf
tur wurde bisher vornehmlich in der moralischen stete Abwechslung geachtet und bewußt auch
Unterweisung herangezogen, weil sie es vermoch- Aufregendes und Exotisches geboten. Auf diese
te, Tugenden zu veranschaulichen; sie galt als ei- Weise sucht man der unsteten, sprunghaften Art
nes der wichtigsten Mittel des Exempelunter- und der noch geringen Konzentrationsfähigkeit
richts. Hierbei spielte das >delectare< neben dem der Kinder Rechnung zu tragen. Zudem will man
>prodesse< nur eine nebensächliche Rolle; die un- das Aufkommen von Langeweile, Unlust und
terhaltende Funktion von Literatur wird gleich- Überdruß beim Lernen verhindern. Schließlich
sam nur geduldet und noch nicht pädagogisch sucht man sich ganz auf die sinnliche Vernunft
fruchtbar gemacht. Die Philanthropen halten an der Kinder einzustellen: Kupfertafeln und
der belehrenden Beispielfunktion der schönen Li- Schaubilder sind nun nicht mehr bloß illustrieren-
teratur fest; darin aber erschöpft sich bei ihnen des Beiwerk. An ihnen soll sich jetzt das eigentli-
die pädagogische Funktion von Literatur nicht che Lernen vollziehen; der Text gilt nur noch als
mehr. Die schöne Literatur wird jetzt auch des- begleitender Kommentar.
halb für die Erziehung wichtig, weil sie eine Quel- Das Bemühen, der kindlichen Wesensart
le der Unterhaltung und des Vergnügens der Kin- sich anzupassen, schlägt sich auch sprachlich nie-
der darstellt und somit zum Glück der Kindheit der: In der philanthropischen Kinderliteratur fin-
beiträgt. Bei den Philanthropen kommt es denn den sich erste Versuche, kindliche Sprechweisen
auch zu einem sehr viel reichhaltigeren Einsatz Ii- aufzugreifen und zu Kindem in ihrer eigenen
35 Einleitung 36

Sprache zu sprechen. Der Kinderstil der Philan- mehr wie zuvor in verschiedenen Schrifttums-
thropen will, wie verhalten auch immer, etwas sparten gleichsam versteckt. Dennoch bildet sie
von der Spontaneität und Expressivität kindli- nicht einen derart kohärenten und geschlossenen
chen Sprachverhaltens widerspiegeln und sich Literaturzweig, daß sie nicht selbst noch in ver-
von der Dürre und Sprödigkeit eines gelehrten schiedene Sparten und Bereiche zerfiele. In ihr
Sprachduktus fernhalten, der in der vorphilan- spiegelt sich die Gliederung des allgemeinen lite-
thropischen Kinder- und Jugendliteratur weitge- rarischen Marktes in verschiedene Sektoren noch
hend noch vorherrscht. Inwieweit die philanthro- einmal wider. Die Kinderliteratur stellt also ganz
pische Kinderliteratur hier an den sprachlichen und gar nicht einen homogenen Literaturzweig
Innovationen teilhat, die von der Empfindsam- dar; sie weist immer noch disparate Sparten auf,
keit und dem Sturm und Drang ausgegangen in denen verschiedene Gattungstraditionen vor-
sind, bedarf noch einer Untersuchung. herrschen und die auch eine unterschiedliche
Die vorphilanthropisch-rationale und die Entwicklungsdynamik zeigen. Solcherlei Sparten
philanthropische Richtung machen die beiden der Kinder- und Jugendliteratur stellen etwa das
Hauptströmungen der Kinder- und Jugendlitera- religiöse und erbauliche Schrifttum, das sittenbe-
tur des 18. Jahrhunderts aus. Es handelt sich hier- lehrende Schrifttum, die wissenschaftlichen
bei nicht um Strömungen, die starr aneinander Lehr- und Sachbücher, die Schulschriften etc.
entgegengesetzt sind. Sie haben nicht nur zahlrei- dar. Die erste Aufgabe eines Gattungssystems
ches gemeinsam; auch die Grenze zwischen bei- müßte es sein, diese Gliederung der Kinder- und
den ist fließend und weist vielfältige Zwischenstu- Jugendliteratur in einzelne Bereiche, in einzelne
fen und Vermischungen auf. Desgleichen stellen literarische Sektoren aufzuzeigen. Bei dieser sek-
sie nur die dominierenden, nicht aber die einzigen toralen Gliederung geht es nicht schon um einzel-
Tendenzen der Jugendliteratur des 18. Jahrhun- ne Gattungen, sondern um Gattungsgruppen. In
derts dar. Insbesondere für die letzten drei Jahr- diesen sind einzelne Gattungenaufgrund einer in-
zehnte des Jahrhunderts zeigt sich, wie zu Beginn haltlichen Gemeinsamkeit (z. B.: religiöses
dieses Abschnittes angedeutet wurde, eine Man- Schrifttum) oder aufgrund einer gemeinsamen
nigfaltigkeit von Richtungen. Diese darzustellen, Funktion (z. B.: Schriften für den Leseunterricht)
ist Aufgabe einer Geschichte der Kinder- und Ju- zusammengefaßt.
gendliteratur des 18. Jahrhunderts und übersteigt In einem zweiten Schritt wäre die Binnen-
bei weitem den Rahmen dieser Einleitung. E. gliederung der einzelnen literarischen Sektoren
des Jugendschrifttums zu entfalten. Erst auf die-
ser hierarchisch niederen Ebene geht es um ein-
Die einzelnen literarischen Zweige zelne Gattungen bzw. Genres, deren Merkmale
und Gattungen nun nicht mehr nur inhaltlicher und funktionaler
Art sind. Sie können sich auch allein durch ästhe-
Entww:f eines Gattungssystems der Kinder- und tisch-formale Kriterien voneinander abheben.
Jugendliteratur Die Kombination einer übergeordneten sektora-
len Einteilung mit einer untergeordneten Gat-
Die Kinderliteratur erlebt, so wurde oben tungsgliederung wird sich nicht in jedem Einzel-
dargelegt, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- fall stringent durchführen lassen; beide Gliede-
derts einen tiefgreifenden StrukturwandeL Sie rungsarten werden nicht in jeder Hinsicht zur
dehnt sich auf alle Zweige des literarischen Mark- Deckung gebracht werden können. Es wird Gat-
tes aus und spiegelt in sich eine Mannigfaltigkeit tungen geben, die zwischen zwei verschiedenen
von Genres wieder, wie sie für die allgemeine Sektoren angesiedelt sind bzw. beiden gleich gut
Buchproduktion der Zeit charakteristisch ist. Es zuweisbar sein werden. Trotzdem erscheint ein
darf deshalb nicht Wunder nehmen, daß die Zahl solch mehrschichtiges Gliederungsschema als
der anzutreffenden Genres relativ groß ist. Ein durchaus geeignet, die Struktur des Zweiges der
gattungsmäßiger Überblick dieses Literaturzwei- Kinderliteratur konkret zur Darstellung zu brin-
ges sollte sich nicht damit begnügen, die einzel- gen; zudem wäre es aussagestärker als eine Gat-
nen Genres bloß aufzählend aneinander zu rei- tungsgliederung, die nur eine Ebene kennt und
hen; es wäre vielmehr wünschenswert, wenn die Einzelgattungen mehr oder weniger mechanisch
einzelnen Gattungen in ein Ordnungsschema, ein aufzählt und aneinanderreiht
Gattungssystem gebracht würden, aus denen ihr Ein Gattungssystem wäre damit aber noch
Beziehungsgeflecht hervorginge. Dieses Ord- nicht zum Abschluß gebracht: Als weitere Aufga-
nungsschema müßte so angelegt sein, daß in ihm be ergäbe sich, noch innerhalb der einzelnen Gat-
die objektive Struktur und Gliederung des Litera- tungen zu differenzieren und deren Untergattun-
turzweiges zum Ausdruck käme. Die Kinderlite- gen bzw. Subgenres namhaft zu machen. Doch
ratur entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 18. stellt sich die Frage, bis zu welchem Differenzie-
Jahrhunderts zwar zu einem relativ selbständigen rungsgrad die Gattungseinteilung im Rahmen
Zweig des literarischen Marktes und ist nicht dieses Handbuches vorangetrieben werden soll.
37 Literarische Zweige und Gattungen 38

Bei der hier zur Diskussion stehenden Gattungs- geht, primär auf einen Entwicklungsabschnitt der
gliederung der Kinderliteratur des 18. Jahrhun- Kinder- und Jugendliteratur, der mit der philan-
derts soll es nur um eine erste qualitative Erfas- thropischen Reform Ende der 60er Jahre beginnt
sung des Literaturzweiges gehen, die seiner bi- und bis über die Jahrhundertwende reicht. Zwei
bliographischen Erfassung an die Seite treten soll. Faktoren haben das Gepräge dieses Gattungssy-
Der Akzent liegt deshalb zunächst auf der Propor- stems entscheidend bestimmt: Es sind die philan-
tionierung des Ganzen, nicht schon auf der inne- thropische Bewegung und die allgemeine Struk-
ren Ausdifferenzierung der einzelnen Gattungen turveränderung des literarischen Marktes, die
und ihrer Subgenres. Intendiert ist nur der Ent- sich in den 60er und 70er Jahren vollzieht. Dies
wurf eines ersten Ordnungsschemas, das die Basis bedeutet aber, daß das hier zugrunde gelegte Gat-
für das Gattungsregister abgeben soll. Weil es sol- tungssystem für die vorphilanthropische Phase
chermaßen nicht um die einzelne Gattung, son- der Kinder- und Jugendliteratur nur eine be-
dern um die Gattungsgliederung des Ganzen schränkte Gültigkeit besitzt. Die vorphilanthropi-
geht, ist es legitim, die dritte Gliederungsebene sche Kinderliteratur konstitutiert sich in der er-
der Untergattungen bzw. Subgenres unausgefüllt sten Jahrhunderthälfte und wird im vorliegenden
zu lassen. Für ein Gattungsregister, das nur eine Band nur noch in ihren Ausläufern erfaßt. Zudem
erste Disponierung der großen Literaturmasse macht sie gegenüber dem Mitte der 60er Jahre an-
vornehmen will, ist ein Klassifizierungsschema schwellenden Schrifttum umfangsmäßig nur ei-
ausreichend, das nur bis auf die Ebene der Gat- nen kleinen Teil des hier erfaßten Materials aus.
tungen reicht. Eine solche Beschränkung legt Aus diesem Grunde wurde darauf verzichtet, die-
nicht zuletzt auch der augenblickliche For- sem Band zwei verschiedene Gattungssysteme zu-
schungsstand nahe: Die Ausdifferenzierung der grunde zu legen. Dafür aber mußte in Kauf ge-
Subgenres setzt eine größere Anzahl monographi- nommen werden, daß die Schriften der ersten bei-
scher Gattungsstudien voraus, die bezüglich der den Jahrzehnte des erfaßten Zeitraums in ein
Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts größtenteils Klassifikationssystem einbezogen werden, das ih-
noch ausstehen. nen nicht in jeder Hinsicht historisch adäquat ist.
Es erscheint sinnvoll, ein solches Ordnungs-
schema der Gattungen nur auf einen eingrenzba-
ren historischen Zeitraum zu beziehen und seinen Der Sektor des unterhaltenden Schrifttums
Geltungsbereich hierauf zu beschränken. In der
historischen Entwicklung verändern sich nicht Es zeigte sich, daß die aufklärerische Päda-
nur die einzelnen Gattungen; ihre Veränderung gogik von Beginn an bestrebt war, die schöne Lite-
ist zugleich eine des Gattungssystems, wie umge- ratur in den Erziehungsprozeß einzubeziehen
kehrt ein verändertes Gattungssystem auch einem und als Mittel zur moralischen Unterweisung zu
gleichbleibenden Gattungsbestand einen neuen benutzen. Die Philanthropen schätzen die schöne
Stellenwert gibt. Nicht nur die einzelnen Gattun- Literatur zusätzlich um ihres unterhaltenden Cha-
gen, auch ihr Ordnungsgefüge unterliegt einem rakters willen. Tatsächlich wächst in den letzten
historischen Wandel. Für den Entwurf solcher hi- Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts der Anteil bel-
storisch-spezifischer Gattungssysteme ist es wich- letristischer Kinder- und Jugendschriften erheb-
tig, an die zeitgenössische Kategorienbildung und lich, so daß sich die Frage stellt, ob sich nicht be-
Gattungseinteilung anzuknüpfen. An ihnen kann reits im 18. Jahrhundert ein spezifisch belletristi-
abgelesen werden, wie das Selbstverständnis ei- scher Sektor der Kinderliteratur herausbildet.
nes Literaturzweiges sich ausnimmt und nach Wird hier bereits das dichterische bzw. fiktionale
welchen Prinzipien sich dieser in Sektoren und Schrifttum als ein eigener literarischer Sektor an-
Gattungen gliedert. Zeitgenössische Klassifika- gesehen? Mag auf dem allgemeinen literarischen
tionssysteme, wie sie etwa in Bücherverzeichnis- Markt im späten 18. Jahrhundert sich ein belletri-
sen und Rezensionsorganen zu finden sind, kön- stischer Sektor herausschälen und verselbständi-
nen jedoch nicht geradewegs übernommen wer- gen, so gilt dies noch nicht für den speziellen
den. Es müßte eine Vermittlung zwischen zeitge- Zweig der Kinder- und Jugendliteratur. Bei allem
nössischer Kategorienbildung und gegenwärti- Anwachsen belletristischer Texte vollzieht sich
gen Forschungsinteressen hergestellt werden, wie die sektorale Binnengliederung der Jugendlitera-
sie der historischen Kinderbuchforschung zu- tur weiterhin nach pädagogisch-funktionalen
grunde liegen. Das für das Handbuch entwickelte und inhaltlichen Gesichtspunkten, während for-
Gattungsschema ist der Auseinandersetzung mit mal-ästhetische Merkmale eine ganz und gar un-
einem zeitgenössischen, von Gutsmuths tergeordnete Rolle spielen. Für die vorphilanthro-
( 1759-1839) entworfenen Klassifikationssystem pische Zeit muß davon ausgegangen werden, daß
entsprungen, die an anderer Stelle bereits doku- belletristische Schriften wie die Fabel- und Exem-
mentiert worden ist [1]. pelsammlungen dem Sektor der belehrenden Sit-
Das hier entworfene Gattungssystem bezieht tenschriften zugeordnet sind, dienen sie doch vor-
sich, was seinen historischen Geltungsbereich an- nehmlich der moralischen Unterweisung und
39 Einleitung 40

dem Anstandsunterricht. Der unterhaltende oder bewußt für die »Erholungsstunden« gedacht
gar der ästhetische Charakter von Literatur bleibt sind.
hierbei gänzlich am Rande. Die vorphilanthropi- Die schöne Literatur erlebt damit durch die
sche Kinder- und Jugendliteratur besitzt vor- philanthropische »Reform« der Jugendliteratur
nehmlich belehrenden Charakter und kennt folg- gleichsam einen Stellungswechsel: Fand sie zuvor
lich auch nur Sektoren belehrenden Schrifttums, Verwendung vornehmlich im Rahmen der mora-
den der Sitten- und Anstandsschriften, den der re- lischen Unterweisung und der Klugheitserzie-
ligiösen Literatur, den der Sachliteratur, den der hung, war sie also einbezogen in den zumeist pri-
Leselernbücher etc. vaten, hofmeisterliehen Unterricht, so wird sie
Erst mit dem Philanthropismus entwickelt nun mehr und mehr Gegenstand der freien, au-
sich ein Sektor der Kinder- und Jugendliteratur, ßerunterrichtlichen Lektüre. Sie gibt hierbei ihre
der nicht mehr überwiegend belehrenden Cha- moralisch belehrende Funktion nicht auf, rückt
rakter hat. Es ist dies aber nicht ein belletristischer aber deutlicher von den reinen Sittenlehren und
Sektor des Jugendschrifttums, in dem nach rein moralischen Abhandlungen ab und kehrt ihre
formal-ästhetischen Kriterien die schöne Litera- Doppelfunktion, gleichzeitig zu belehren und zu
tur, die Belletristik, von allem anderen Schrifttum unterhalten, hervor. Sie bringt sich damit in eine
für Kinder und Jugendliche abgehoben wird. Es Opposition zu dem weiterhin vorwiegend beleh-
handelt sich vielmehr um einen Sektor, der alle renden Schrifttum für Kinder, demgegenüber sie
unterhaltenden Schriften für Kinder und Jugend- sich zu einem besonderen Sektor verselbständigt.
liche umfaßt und von dem belehrenden Schrift- Sie verselbständigt sich aber nicht als schöne Lite-
tum aller Art absetzt. Die sektorale Trennung von ratur, als Dichtung, die aufgrundrein ästhetischer
unterhaltendem und belehrendem Schrifttum Kriterien von anderem Schrifttum sich abhebt.
steht quer zu der von Fiktionsliteratur und Sachli- Von wenigen Ausnahmen abgesehen- Wezel ist
teratur; es wird sich denn auch zeigen, daß der un- das prominenteste Beispiel hierfür -, geht es der
terhaltende Sektor der Jugendliteratur im 18. Kinderliteratur des 18. Jahrhunderts noch nicht
Jahrhundert nicht nur belletristische Texte, son- um eine literarisch-ästhetische Erziehung. Sie
dern in erheblichem Ausmaß auch unterhaltende zielt nicht auf die Herausbildung ästhetischer Ge-
Sachliteratur umfaßt. nußfähigkeit ab und sieht in literarischen Werken
Der Sektor des unterhaltenden Schrifttums nicht vornehmlich das Kunstwerk. Schöne Litera-
wird nicht durch ein formal-ästhetisches Merk- tur gilt ihr weiterhin als Vermittler moralischer In-
mal eingegrenzt; konstitutiv ist für ihn vielmehr halte; ihre formal-ästhetischen Qualitäten be-
eine intentionale bzw. funktionale Kategorie, die trachtet sie unter wirkungsästhetischen Gesichts-
der literarischen· Rhetorik und Wirkungsästhetik punkten als Quelle angenehmer Empfindungen.
entstammt, aber auch einen zentralen Begriff der Zu einer Verselbständigung von Literatur als
Aufklärungspädagogik darstellt. Schon Locke Dichtung kommt es im Bereich der Kinder- und
billigte den Kindern das Recht auf ausreichende Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts nicht; schö-
Erholung und Unterhaltung, auf Zerstreuung, ne Literatur bleibt vielmehr eingebunden in den
Spiel und Vergnügen zu. Aber erst mit Rousseau Sektor der unterhaltenden Schriften. Dieser Sek-
und den Philanthropen wird dies zu einem zentra- tor aber ist umfangreicher; er umfaßt nicht nur
len Bestandteil aufklärerischer Erziehungspraxis. dichterische Genres im engeren Sinne, sondern
Die Neubewertung und Hochschätzung, die die auch nichtbelletristische Unterhaltungsliteratur.
Unterhaltung bei ihnen findet, bilden die ent- Wenn dieser neu entstandene Sektor als der
scheidende Voraussetzung dafür, daß neben dem des unterhaltenden Schrifttums für Kinder und
traditionellen und ausschließlich belehrenden Jugendliche bezeichnet wird, so ist damit nicht ge-
Schrifttum für· Kinder und Jugendliche über- sagt, daß es sich um reine Unterhaltungsliteratur
haupt ein neuer Literaturbereich erwächst, der handelt. Die hier erscheinenden Schriften bewah-
nicht mehr ausschließlich belehren, sondern auch ren ihren belehrenden Charakter; ihr konstituti-
vergnügen will, der Abwechslung und Zerstreu- ves Merkmal besteht nicht darin, daß die Unter-
ung zu bieten die Absicht hat. Hier gerät denn haltung den alleinigen Zweck abgibt, die Unter-
auch die neben der eigentlichen Unterweisung haltungsfunktion tritt vielmehr gleichgewichtig
rein zur Erholung und Entspannung gepflegte neben die belehrenden Absichten. Schriften, in
Privatlektüre der Kinder und Jugendlichen in das denen die Unterhaltungsfunktion eindeutig über-
Blickfeld der Pädagogen und Erziehungsschrift- wiegt und die Belehrung an den Rand gerückt ist,
steller. Mußten die Kinder zuvor gerade für die treten nur erst vereinzelt auf. Es überwiegt das
Erholungslektüre, wenn solche überhaupt zuge- Modell, in dem Belehrung und Unterhaltung glei-
standen war, auf allgemeine Literatur, Volksbü- ches Gewicht haben. Gegen eine reine Unterhal-
cher und Unterhaltungsliteratur für Erwachsene, tungsliteratur spricht der erklärte Wille der phil-
zurückgreifen, so entstehen nun speziell für sie anthropischen Pädagogik, auch die Erholungs-
hervorgebrachte Unterhaltungsschriften, die, stunden der Kinder nicht ganz ungenutzt verstrei-
auch wenn sie noch stark belehrende Züge tragen, chen zu lassen. Es steht dahinter aber auch die
41 Literarische Zweige und Gattungen 42

Gattungen der Kinder- und Jugendliteratur 1750-1800

I. Unterhaltende Schriften für Kinder und Jugendliche


I. Unterhaltende Lesebücherund Almanache 7. Romane
2. Wochenschriften, Zeitschriften, Zeitungen 8. Abenteuererzählungen und -romane
3. Spiel- und Beschäftigungsbücher 9. Märchen und morgenländische Erzählungen
4. Sammlungen von Reimen, Gedichten und Liedern I0. Briefe und Briefwechsel
5. Fabelsammlungen II. Schauspiele, Szenen, Dialoge
6. Sammlungen von Beispielgeschichten, Anekdoten 12. Bilder- und Anschauungsbücher
und moralischen Erzählungen 13. Reisebeschreibungen

II. Moralisch belehrende Schriftenfür Kinder und Jugendliche


14. Sentenzensammlungen 20. Lehrgespräche, lehrreiche Unterredungen
15. Sittenlehren, Werke für den Moralunterricht 21. Moralische Biographien
16. Standeslehren, ständische Bildungsliteratur 22. Vermischte, moralisch und sachlich belehrende
17. Elterliche Räte und Vermächtnisse Schriften
18. Anstandsliteratur, Verhaltenslehren, Klugheitsre- 23. Sonstige Sittenschriften, moralische Abhandlun-
geln gen und Reden
19. Schriften zur sexuellen Erziehung

III. Religiöse Schriften für Kinder und Jugendliche


24. Katechismen, religiöse Lehrbücher in katecheti- 29. Bilderbibeln und -katechismen
scherForm 30. Predigten
25. Religiöse Lehrbücher in freier Form 31. Gebet-, Gesang- und Andachtsbücher
26. Religiöse Lesebücher 32. Religiöse Hausbücher
27 Historienbibeln, biblische Geschichten 33. Sonstige religiöse Schriften
28. Bibelauszüge, biblische Spruchsammlungen, bibli-
sche Handbücher

IV. Werke für den Lese- und Schreibunterricht und Werke für den deutschen Sprach-,
Rhetorik- und Poetikunterricht
34. ABC-Bücher, Fibeln 38. Lehrbücher der Rhetorik und Poetik, Stillehren
35. Lesebücher 39. Rhetorische und poetische Chrestomathien, An-
36. Schreibmeisterbücher thologien
37. Grammatiken, Sprachlehren 40. Briefsteller

V. Belehrende und unterhaltende Sachliteratur für Kinder- und Jugendliche


41. Enzyklopädische Werke, Bilderenzyklopädien (Or- 46. Geographie
bis pictus) 47. Naturkunde, Naturgeschichte
42. Kinderlogiken, Seelenlehren 48. Mathematik und einzelne Naturwissenschaften
43. Geschichte des Menschen, Kulturgeschichte, (Physik, Kosmologie, Astronomie)
Ethnologie 49. Diätetische und Gesundheitsschriften
44. Mythologie 50. Hauswirtschaftslehren, Ökonomie, Handwerke,
45. Geschichte und Politik Handlung
51. Handarbeiten, Bastelanweisungen, schöne Künste
43 Einleitung 44

Auffassung, daß eine Beimischung belehrender phisehe und physikalische Werke, die ganz und
Elemente der Unterhaltung und dem Vergnügen gar als unterhaltende Lehrbücher aufgezogen
keinerlei Abbruch tut. Belehrung und Unterhal- sind. So ergibt sich von den 70er Jahren an, daß
tung werden noch nicht in ein sich ausschließen- innerhalb der einzelnen Disziplinen auf der einen
des Verhältnis zueinander gebracht. Hierbei ist es Seite reine Lehrbücher und Unterrichtswerke, auf
durchaus nicht so, daß die Unterhaltung zu einem der anderen Seite stärker auf Unterhaltung ausge-
bloßen Vehikel der Belehrung gemacht wird. Die richtete Lesebücher sich finden, wobei es zwi-
Unterhaltung wird vielmehr als selbständiger schen beiden Extremen eine Fülle von Abstufun-
Zweck aufgefaßt. Dies wird dadurch nicht in Fra- gen gibt. Es stellt sich mithin die Frage, ob die
ge gestellt, daß nebenher auch noch belehrende Fachliteratur nicht teilweise dem unterhaltenden
Zwecke verfolgt werden. Beides kann nach Auf- Sektor zugewiesen werden soll. So berechtigt dies
fassung der philanthropischen Schriftsteller zu- von der Sache her zu sein scheint, so schwer ist
sammengehen, ohne sich in der Substanz wech- doch in der Praxis eine solche getrennte Rubrizie-
selseitig zu schmälern. rung des stärker belehrenden und des mehr unter-
Behält sie auch ihren belehmden Charakter, haltenden Fachschrifttums durchzuführen. Aus
so ist für die unterhaltende Literatur doch eine ge- mehr pragmatischen Gründen legt es sich nahe,
wisse Unterrichtsfeme konstitutiv. Dies kommt bezüglich des Fachschrifttums die reinen Lehrbü-
darin zum Ausdruck, daß die von ihr gebotene Be- cher und die mehr unterhaltenden Schriften einer
lehrung sich in methodisch-formaler und inhaltli- Disziplin jeweils in einer Rubrik zu verzeichnen
cher Hinsicht von der der Lehrbücher deutlich und diese insgesamt einem fachliterarischen Sek-
unterscheidet. Hier ist kaum eine strenge und sy- tor zuzuordnen, der bei des, belehrende und unter-
stematische Anordnung des Stoffes anzutreffen; haltende Sachliteratur for Kinder und Jugendli-
er wird zumeist zerstreut und zersplittert geboten, che enthält, auch wenn dies eine Durchbrechung
weil hierdurch größere Mannigfaltigkeit und Ab- der strengen sektoralen Trennung belehrenden
wechslung garantiert ist. Die Auflösung der syste- und unterhaltenden Schrifttums bedeutet. Hier-
matischen Anordnung des Stoffes wie die Auftei- bei wären lediglich die Schriften, die verstreutes
lung der großen Wissensmasse in kleinen »Lek- Wissen aus mehreren verschiedenen Sachgebie-
tionen« sorgen dafür, daß die unterhaltende Wir- ten unterhaltend vermitteln wollen, dem Sektor
kung nicht beeinträchtigt wird. Inhaltlich gehört der unterhaltenden Literatur zuzurechnen.
zu ihren bevorzugten Themen, was nicht zum Ge- Diese Abgrenzung ist bei aller größeren
genstand der klassischen Schulnieher gehört. Es Praktikabilität doch nicht ganz ohne Fundament
sind Fragen der moralisch-sittlichen Erziehung in der Sache. Eine sachliche Belehrung in ver-
sowie Lehren der Klugheit und des richtigen Um- streuter Gestalt bietet gerade durch den steten
gangs mit Menschen. Hinzu kommen religiöse Wechsel der Fachgebiete einen besonderen Reiz;
Themen, so daß ein gewichtiger Teil dieses Sek- sie kommt dem Bedürfnis nach Abwechslung und
tors als religiös und moralisch unterhaltende Lite- Mannigfaltigkeit stärker entgegen. Der Aufent-
ratur for Kinder und Jugendliche gekennzeichnet halt in den Grenzen bloß einer Disziplin vermag
werden kann. Etwa von Beginn der 80er Jahre an nicht entfernt solcherlei Reize, Neuigkeiten und
wird die ausschließlich religiöse und moralische Überraschungen zu bieten. Es erscheint deshalb
Ausrichtung der Unterhaltungsschriften als ein- angebracht zu sein, der nicht fachgebundenen un-
seitig empfunden. Nun dringt stärker auch sachli- terhaltenden Sachliteratur eine besondere Stel-
che Belehrung in sie ein, wodurch sie noch größe- lung einzuräumen und sie insgesamt dem Sektor
re inhaltliche Mannigfaltigkeit gewinnt. Sie ent- der unterhaltenden Literatur zuzuordnen. Umge-
hält jetzt auch merkwürdige und anreizende Stof- kehrt haben die unterhaltenden Elemente im
fe aus Naturkunde, Geographie, Ethnologie, Ge- Fachschrifttum selten einen wirklich selbständi-
schichte, Technik u. dgl. Sie wird damit zu einer gen und gleichgewichtigen Wert; sie sind hier viel
religiös, moralisch und sachlich unterhaltenden eher ein Vehikel der Belehrung. Die unterhaltend
Literatur. angelegten Fachschriften stehen denn auch in
Weil der Philanthropismus bestrebt ist, Ler- größerer Nähe zum Unterricht und begreifen sich
nen und Spiel, Unterricht und Erholungszeit ein- häufig als dessen Ergänzung, wollen gleichsam
ander anzugleichen, nimmt es nicht Wunder, dessen Nachbereitung sein. Diese Gruppe nicht
wenn er die Grenze zwischen unterhaltendem im Sektor der unterhaltenden Schriften anzusie-
und belehrendem Schrifttum zu verwischen deln, erscheint deshalb nicht gänzlich ungerecht-
sucht. Unter seinem Einfluß ist selbst die reine fertigt. Was hier von der Sachliteratur ausgeführt
Fachliteratur bemüht, in einem erheblichen Aus- wurde, trifft auch auf andere Sektoren des beleh-
maß unterhaltende Züge zu entwickeln. Sie adap- renden Schrifttums zu; so ergibt sich das Resultat,
tiert literarische Darbietungs- und Einkleidungs- daß, wenn ein gesonderter Zweig unterhaltender
formen, sucht nach Auflockerung und Abwechs- Literatur angesetzt wird, damit nicht ausgeschlos-
lung, um das Lernen spielerisch und vergnüglich sen ist, daß auch das belehrende Schrifttum unter-
zu gestalten. So finden sich historische, geogra- haltende Momente entwickeln.
45 Literarische Zweige und Gattungen 46

Die einzelnen Gattungen der unterhaltenden mischten Themen enthalten. Allerdings werden
Literatur sie später zusammengefaßt und als Jahres- oder
Halbjahresbände erneut auf den Markt gebracht,
Die sektorale Gliederung der Kinder- und so daß hier der Unterschied zum unterhaltenden
Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts vollzieht Lesebuch ganz verschwindet. Die Kinderzeit-
sich, so wurde gesagt, nach inhaltlichen und funk- schriften stehen überwiegend in der Tradition der
tionalen Kriterien; erst bei der Binnengliederung moralischen Wochenschriften und kennen bis-
der Sektoren kommen formal-ästhetische Ge- weilen eine durchgehende Rahmenhandlung und
sichtspunkte ins Spiel. Doch auch auf der Ebene ein festes Personal, wie dies bei Weißes »Kinder-
der Gattungen zeigt sich, daß inhaltliche und freund« der Fall ist. Aus dieser Tradition lösen
funktionale Aspekte bedeutsam bleiben und die sich die Zeitungen fii.r Kinder und Jugendliche
literarische Form nur eine unter mehreren Unter- heraus, die Nachrichten und Neuigkeiten aus den
scheidungskriterien darstellt. So ist etwa einem verschiedensten Gebieten enthalten. Eine Weiter-
der zentralen Genres der aufklärerischen Kinder- entwicklung der Almanache und unterhaltenden
literatur von der formalen Seite gattungsmäßig Lesebücher stellt das Spiel- und Beschäftigungs-
gar nicht nahe zu kommen, weil es fast alle literari- buch dar, das Anregungen zur vergnüglichen Ge-
schen Gattungen in sich vereinigt. Es ist am ehe- staltung der Erholungsstunden geben will. Zu sol-
sten mit funktionalen Kategorien zu charakteri- chen Vergnügungen, die freilich immer noch ei-
sieren. Zu unterhaltenden Zwecken sind in ihm nen Nutzen haben sollen, gehören etwa das Vorle-
die verschiedenartigsten Texte zusammenge- sen von Gedichten, Fabeln und Erzählungen, das
stellt: Beispielgeschichten, Erzählungen, Fabeln, Rätselraten, das Sprichwörterfinden und das
Sinnsprüche, Rätsel, Gedichte, Dialoge, kleine Aufführen von Schauspielen. Insoweit sie hierfür
Dramen, Beschreibungen, historische Anekdoten die nötigen Texte liefern, unterscheiden sich die
u. dgl. m. Inhaltlich geht es zumeist um morali- Beschäftigungsbücher nicht von den Almana-
sche, praktisch verhaltensmäßige und religiöse chen. Ihre Besonderheit besteht darin, daß sie
Fragen, aber auch um Themen aus Naturkunde, darüber hinaus Gesellschafts- und Lernspiele
Geographie, Geschichte etc. Solcherlei Sammel- vorschlagen und deren Regeln darlegen, Anre-
werke vermischten Inhalts treten nicht etwa nur gungen zu Handwerks- und Bastelarbeiten geben,
sporadisch auf; sie machen im Gegenteil den ei- Experimentieranweisungen enthalten und bis-
gentlichen Prototyp der unterhaltenden Kinder- weilen gar kleine Zauberkünste vermitteln wol-
und Jugendschrift des 18. Jahrhunderts aus. Ihre len. Die Spiel- und Beschäftigungsbücher kom-
Benennungen sind so zahlreich, daß von einer men in den 70er Jahren im Gefolge des Philan-
vorherrschenden Typenbezeichnung nicht die thropismus auf, ohne allerdings stark anzu-
Rede sein kann. Für dieses Genre, das gattungs- schwellen. Die unterhaltenden Lesebücher und
mäßig zwischen der Anthologie und dem Kalen- die Kindzeitschriften machen dagegen quantita-
der bzw. dem Almanach steht, wird hier der Ter- tiv wie qualitativ den Kernbereich der unterhal-
minus unterhaltendes Lesebuch vorgeschlagen. tenden Kinder- und Jugendliteratur des 18. Jahr-
Hierbei wird an den Lesebuch-Begriff des 18. hunderts aus. Sie erscheinen in zahlreicher Ge-
Jahrhunderts angeknüpft, der noch eine sehr um- stalt und finden weite Verbreitung. In ihnen sind
fassende Bedeutung hat und alles das meint, was alle Genres und Themen, die dieser Literatur-
nicht ein Lehrbuch ist. Das unterhaltende Lese- zweig aufgreift und entwickelt, in eine abwechs-
buch ist gattungsmäßig wohl am engsten mit dem lungsreiche Mischung gebracht.
Genre der Almanache, Taschenbücher, Jahrbü- Die einzelnen Gattungen der Kinder- und
cher oder Neujahrsgeschenke verbunden, mit de- Jugendliteratur, die in den Lesebüchern und Zeit-
nen es die formale und inhaltliche Vielfalt teilt. Es schriften bereits vereint enthalten sind, erschei-
tritt denn auch häufig unter einem dieser Etikette nen auch separat, wobei dies sehr häufig den Cha-
auf, so daß es sich anbietet, den Terminus Kinder- rakter der Verselbständigung einzelner Momente
almanach als Nebenbezeichnung dieser Gattung hat, die in den Lesebüchern noch in ihrer Gesamt-
zu führen. Erscheint es nicht als Almanach oder heit und in ihrem Zusammenhang auftreten. So
Jahrbuch, so fehlen gewöhnlich ein Kalendarium werden Lieder aus Campes Kinderbibliothek
oder ähnliche Verzeichnisse. nachträglich separat herausgegeben und mit Me-
Eng verwandt mit dem unterhaltenden Lese- lodien versehen, und auch die Schauspiele aus
buch sind die Zeitschriften fii.r Kinder und Ju- Weißes Kindeifreund erscheinen später selbstän-
gendliche, die sich inhaltlich und formal vonjenen dig. Ihr Platz im Lesebuch oder in der Zeitschrift
kaum unterscheiden und lediglich durch eine an- aber ist jeweils der ursprüngliche, was noch ein-
dere Publikationsweise charakterisiert sind. Er- mal die zentrale Bedeutung dieser Genres belegt.
scheinen jene als einmalige Buchpublikation oder Doch trifft dies nicht auf alle Separatpublikatio-
in Jahres- oder Halbjahresbänden, so kommen nen zu, und so treten neben die Lesebücher, Al-
diese in zumeist wöchentlichen Lieferungen her- manache und Zeitschriften Sammelwerke für
aus, die dann pro Stück vermischte Texte zu ver- Kinder und Jugendliche, die sich an literarische
47 Einleitung 48

Gattungsgrenzen halten und nur Texte ein und form tangiert allerdings den Bereich der Kinder-
derselben Gattung aufnehmen. Hierzu gehören und Jugendliteratur nur peripher; sie ist eng mit
die Sammlungen von Liedern, Reimen und Ge- dem begrenzten Einwirken der Empfindsamkeit
dichten, denen häufig Melodien beigegeben sind, verbunden und bestimmt vornehmlich die frühe
wie auch die Separatausgaben oder Sammlungen Erzählliteratur für Mädchen und junge Frauen-
von Schauspielen, Kurzszenen oder Dialogen. zimmer. Im Gattungsregister des vorliegenden
Gleichfalls verbreitet sind Werke der erzählenden Bandes wird allerdings darauf verzichtet, die hier
Literatur fiir Kinder; sie enthalten zumeist Stücke differenzierten Prosagattungen getrennt zu rubri-
ein und derselben oder verschiedener Prosagat- zieren. Es werden vielmehr gemäß dem weiten
tungen. Zu diesen epischen Gattungen der Kin- Bedeutungsumfang, den der Terminus »morali-
der- und Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts ge- sche Erzählung« im 18. Jahrhundert besetzt, alle
hört zunächst die Fabel als das traditionsreichste Prosaformen unterhalb des Romans zusammen-
Genre. Eng mit ihr verwandt und ebenso beliebt gefaßt zu einer Rubrik mit dem Titel »Sammlun-
wie verbreitet sind die Beispielgeschichten und An- gen von Beispielgeschichten, Anekdoten und mo-
ekdoten, Prosastücke zur Veranschaulichung ei- ralischen Erzählungen«. Gerade die vielfältige di-
nes moralischen Satzes, eines Sprichwortes oder daktische Erzählprosa bedarf am dringlichsten ei-
einer Lebensweisheit, die in der Traditionslinie ner monographischen Aufschlüsselung, die über
sowohl der biblischen Gleichnisse, der mittelal- die hier gemachten Andeutungen weit hinausge-
terlichen Predigtmärlein wie der rhetorischen Ex- hen muß. Dies aber ist vorausgesetzt, wenn das
empel stehen. Es kann sich hierbei um didakti- Gattungsregister hier stärker differenzieren soll.
sche Kurzprosa handeln; es erscheinen aber auch Die Romane fiir Kinder und Jugendliche
längere, episch ausgeführte Beispielgeschichten, können von der Art der moralischen Erzählung
die jedoch bei aller epischen Breite die Exempel- im engeren Sinne, also durch die gleiche Verbin-
struktur beibehalten und die Veranschaulichung dung von Moral und Psychologie gekennzeichnet
eines oder mehrerer moralischer Sachverhalte und auf die Darstellung moralischer Charaktere
sind. Die Beispielgeschichte oder Beispielerzäh- gerichtet sein. Sie können aber auch- und dies ist
lung faßt also sehr Disparates unter sich: Es kann weitaus häufiger der Fall - aus einer größeren
sich sowohl um fabelähnliche Kurzprosa wie um Zahl aneinandergereihter Beispielerzählungen
längere Erzählformen handeln. Bei der Anekdote bestehen, die durch eine Rahmenhandlung und
wird als Exemplum ein historisches Ereignis, bis- durch ein und dasselbe Personal zusammengehal-
weilen auch ein Sachverhalt aus der Naturkunde ten werden. Allerdings darf hierbei ein solcher
herangezogen. Alle bisher genannten epischen Rahmen nicht eine bloß äußerliche und formale
Formen sind der Struktur nach identisch; es Klammer darstellen; denn dann wäre eher von ei-
handelt sich um Exemplum-Literatur. Sie finden ner in eine Rahmenhandlung gekleideten Samm-
sich denn auch häufig in einer Sammlung zusam- lung von Beispielerzählungen zu reden. Dem er-
mengefaßt, was der im 18. Jahrhundert gebräuch- zählerischen Rahmen muß ein größeres Gewicht
liche Titel »Fabeln und Erzählungen« zum Aus- zukommen, er muß einen übergreifenden epi-
druck bringt. schen Spannungsbogen zeigen, wenn wirklich ein
Daneben aber entwickelt sich eine Erzähl- Roman vorliegen soll. Eine der Untergattungen
prosa, die sich von der Exempelstruktur löst. Bei des Romans bedarf allerdings im Rahmen der
diesen Erzählungen steht zwar häufig noch eine Kinder- und Jugendliteratur in jedem Fall einer
zu illustrierende Tugend im Mittelpunkt; siege- gesonderten Rubrizierung, nämlich der Aben-
hen aber in dieser Illustrationsfunktion bei wei- teuerroman bzw. Abenteuererzählung, worunter
tem nicht mehr auf. Ihnen geht es statt um eine im 18. Jahrhundert bereits der Robinson und di-
einzelne Tugend um den moralischen, ganzheit- verse Robinsonaden wie auch schon der Don
lich gesehenen Charakter eines Menschen. Die Quijote vertreten sind.
Moral verbindet sich hier mit der Psychologie; es Es verbleiben noch zwei epische Gattungen
geht nicht mehr um die Kenntnis bloß einzelner der Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts: Ge-
Tugenden, sondern um die des ganzen Menschen meint sind zum einen die Märchen einschließlich
und seines moralischen Charakters, wie denn der morgenländischen Erzählung, die wohl bereits
auch diese Erzählungen auf die moralische Rüh- zur Kinder- und Jugendlektüre, aber kaum schon
rung des Lesers hinaus wollen. Der Terminus zur intentionalen Kinder- und Jugendliteratur
»moralische Erzählung« hat im 18. Jahrhundert zählen und auch von der Aufklärungspädagogik
eine sehr weitgefaßte Bedeutung: Er kann die ge- mit Mißtrauen betrachtet werden. Zum anderen
samten Prosagattungen unterhalb des Romans sind noch die Briefe und Briefwechsel fiir Kinder
bezeichnen. Hier wird dagegen vorgeschlagen, und Jugendliche, womit nicht die Briefsteller ge-
den Terminus der moralischen Erzählung auf die meint sind, lehrhafte Anweisungen also zur kor-
soeben beschriebene Prosagattung einzugrenzen, rekten Anrede und zum Briefeschreiben, und
die durch die neue Verbindung von Moral und gleichfalls nicht ausgesprochene Briefromane.
Psychologie gekennzeichnet ist. Diese Erzähl- Die hier angesprochene Gattung steht genau in
49 Literarische Zweige und Gattungen 50

der Mitte zwischen Briefsteller und Briefroman: Der Sektor der moralisch belehrenden Schriften
Es handelt sich zumeist um die Wiedergabe eines
Briefwechsels zwischen Kindem und Erwachse- Dem Bereich der Sitten- und Anstandslitera-
nen wie zwischen Kindem selbst mit ganz ver- tur ist für die vorphilanthropische Phase die große
mischten Themen. Zahl der Fabel- und Exempelbücher und der lite-
Zum Sektor der unterhaltenden Kinder- und rarischen Lesebücher zuzurechnen, wurden diese
Jugendschriften gehört auch ein erheblicher Teil doch vornehmlich zur moralischen Unterweisung
nichtbelletristischer Sachliteratur. Daß unterhalt- eingesetzt. In der philanthropischen Phase wer-
sam nur der Konsum von Belletristik sei, ist eine den diese literarischen Formen stärker als Unter-
dieser Zeit fremde Vorstellung. Eine Kenntnisver- haltungsschriften angesehen und dem belehren-
mittlung, die in bunter Mischung, mit steter Ab- den Schrifttum jetzt entgegengesetzt. Sie gliedern
wechslung und Überraschung geboten wird, wird sich damit aus dem Sektor der sittenbelehrenden
durchaus als Vergnügen und Erholung empfun- Literatur aus. In vielen Fällen wahren sie jedoch
den. Unterhaltsame Sachliteratur war bereits ihren Charakter als sittenbelehrende Schrift, was
reichhaltig in den Lesebüchern und den Zeit- dazu führt, daß sie eine Doppelfunktion überneh-
schriften enthalten. Sie konzentriert sich darüber men. Sie wollen zum einen ein unterhaltsames Le-
hinaus in zwei Gattungen des unterhaltenden sebuch sein, zum anderen aber die Funktion eines
Schrifttums. Eine davon machen die Bilder- und ersten Sittenlehrbuchs ausfüllen. Salzmanns Mo-
Anschauungsbücher aus. Diese dienen im 18. ralisches Elementarbuch ist hierfür ein klassisches
Jahrhundert vornehmlich der Erweiterung der Beispiel. Solcherlei Werke gehören beiden Sekto-
Realienkenntnisse, bieten diese Belehrung aber ren an, dem unterhaltenden wie dem sittenbeleh-
auf eine äußerst unterhaltsame Weise. Die Bilder- renden; nur eine solche Doppelverzeichnung
galerien sind nach dem Prinzip der Abwechslung kann ihrem Charakter gerecht werden. Die hierin
angelegt und bieten Mannigfaltiges und Zerstreu- zum Ausdruck kommende Nähe beider Sektoren
tes aus allen Wissensgebieten. Auszuschließen kann daher nicht verwundern, hat sich die unter-
sind hier allerdings Bildwerke mit rein fachspezi- haltende Literatur für Kinder doch gerade erst
fischem Charakter wie auch solche, die einem en- aus dem Sittenschrifttum herausgelöst und ver-
zyklopädischen Lehrbuch zugeordnet sind; diese selbständigt.
sind nicht zur Unterhaltung, sondern für den un- Auch wenn sich die belletristische Literatur
terrichtlichen Einsatz und das anschauliche Ler- mehr und mehr aus ihr herauslöst, bleibt der Sek-
nen bestimmt. tor des moralisch belehrenden Schrifttums im 18.
Zum unterhaltenden Sektor müssen schließ- Jahrhundert von erheblicher Bedeutung. Seine
lich noch die Reisebeschreibungen gerechnet wer- Gattungen und Formen nach erhält dieser Litera-
den. Hierbei läßt sich durchaus auch im Bereich turzweig bereits im 16. und 17. Jahrhundert sein
der Jugendliteratur eine mehr belletristische Rei- Gepräge. Mit Blick auf diese Zeit charakterisiert
seliteratur von einer mehr wissenschaftlich ausge- Klingberg dieses Schrifttum als ))höfische Litera-
richteten absetzen, die geographische und ethno- tur<< [2]. Tatsächlich ist in diesen historischen Ab-
logische Kenntnisse verbreiten will. Es wäre je- schnitten die Sittenliteratur noch überwiegend
doch falsch, diese dem fachwissenschaftliehen auf Zucht, Betragen und Anstand, auf das richti-
und allein jene dem unterhaltenden Sektor zuzu- ge, äußere, standesgemäße und höfliche Verhal-
ordnen. Denn im Rahmen der Jugendliteratur des ten, auf Klugheit und Politik ausgerichtet. Im 18.
18. Jahrhunderts wird die gesamte Reiseliteratur, Jahrhundert aber erfährt die gesamte Verhaltens-
auch die mehr wissenschaftliche, durchaus als un- literatur eine weitgehende Moralisierung wie eine
terhaltendes Schrifttum angesehen, ohne daß da- umfassende bürgerliche Verinnerlichung: Aus
durch die belehrenden Absichten hinten gestellt der höfisch-ständischen wird eine moralisch-be-
werden. Nach Ansicht der Aufklärungspädago- lehrende Literatur. Mit der Moralisierung und
gik ist ihre Lektüre ebenso unterhaltsam wie das Verinnerlichung wird denn auch der ständische
Romanelesen, darüber hinaus aber viel nützli- Charakter dieser Literatur zurückgedrängt, die
cher, weshalb denn auch die Reisebeschreibun- sich mehr und mehr auf die Ethik des Allgemein-
gen im jugendlichen Lektürekanon die Romane Menschlichen beruft. Diese Veränderungen brin-
ganz verdrängen sollen. Außerdem bieten sie gen auch das Gattungsgefüge dieses Zweiges in
Kenntnisse aus ganz verschiedenen Gebieten in Bewegung: Neue Genres tauchen auf, andere tre-
zerstreuter und abwechslungsreicher Weise und ten in den Vordergrund und selbst die äußerlich
in quasi-romanhafter Einkleidung. Was kann un- unverändert fortlebenden wandeln sich von in-
terhaltsamer sein! Die Reisebeschreibungen sind nen heraus. Hierbei sind die Traditionen des 16.
tatsächlich schnell zur Lieblingslektüre der Kin- und 17. Jahrhunderts noch lebendig und gehen
der avanciert. Für den späten Campe stellen sie mit neuen Tendenzen und Impulsen eine Mi-
die ideale unterhaltende Jugendliteratur dar. schung ein. Gerade an diesem Zweig läßt sich be-
sonders gut ablesen, in welchem Ausmaß die Kin-
der- und Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts ein
51 Einleitung 52

Übergangsprodukt darstellt. Eine Gattungsglie- mein-Menschlichen vordringt, die zumindest im


derung dieses Zweiges muß sowohl die noch fort- Grundsätzlichen Geltung für alle Stände bean-
lebenden Traditionen der »höfischen Literatur« sprucht.
des 16. und 17. Jahrhunderts hervorheben wie Den Platz der zurückgehenden Ständelehren
auch daneben das Neue sichtbar machen. Auf- nehmen im Rahmen der aufklärerischen Kinder-
grund der Bewegtheit dieses Literaturzweiges ist und Jugendliteratur die allgemeinen Sittenlehren
eine Gattungsgliederung jedoch besonders ein, worunter Werke für den zusammenhängen-
schwierig; sie wird nur in Annäherung zu realisie- den Unterricht der Moral zu verstehen sind. In-
ren sein, ohne jemals vollends zu befriedigen. haltlich geben diese zumeist einen Abriß der ethi-
Zu den fortlebenden Genres gehören zu- schen Pflichtenlehre mit den drei Hauptabschnit-
nächst die Sentenzensammlungen, die eine Zu- ten der Pflichten gegen Gott, der Pflichten gegen
sammenstellung von Lehren, Sprüchen, Aphoris- sich selbst und der Pflichten gegen andere bzw.
men und Regeln zu Fragen der Moral, der Klug- die Gesellschaft. Im Unterschied zu den Stände-
heit und des richtigen Verhaltens darstellen und lehren sind sie nicht mehr ständisch ausgerichtet
auch im 18. Jahrhundert noch beliebt sind. Des- und bieten nur selten noch standesspezifische In-
gleichen lebt die eigentliche Anstandsliteratur halte. Dennoch nehmen auch sie noch eine sozia-
fort. Hierbei sind allerdings die Zuchtbücherund le Differenzierung bezüglich des Adressaten vor:
Schriften zur Umgangserziehung (»Benimmbü- Sie sind entweder für die »gesitteten Stände«,
cher«) im Gefolge von Erasmus' De civilitate mo- d. h. für das gehobene Bürgertum, den Adel und
rum puerilum, die sich an jüngere Kinder richten, die Hofgesellschaft, oder für »alle Stände«, d. h.
nur wenig noch vertreten. Dieses Genre geht im vornehmlich für die unteren städtischen Schich-
18. Jahrhundert stark zurück, während die Ver- ten und für das Landvolk konzipiert. Dieser Un-
haltenslehren fiir Jugendliche, die kurz vor dem terschied ist aber weniger ein inhaltlicher, denn ei-
Eintritt ins Leben stehen, lebendig bleiben. Be- ner der Ausführlichkeit und der Methodik. Ne-
treffen die Zucht- und » Benimmbücher« das ben diese soziale tritt zunehmend eine Differen-
kindliche Betragen und Benehmen, das Verhalten zierung nach Altersstufen: So tauchen die Kleine
bei Tisch, in der Schule und in der freien Zeit, sein Moralfiir Kinderund das Sittenbüchlein als Wer-
Aufführen gegen die Eltern, Lehrer und Gefähr- ke für den moralischen Anfangsunterricht auf, ge-
ten, so befassen sich die Verhaltens- und Klug- gen die sich die differenzierteren Lehrbücher der
heitsbücher mit dem richtigen Auftreten in der Moral für ältere Kinder und Jugendliche abset-
Gesellschaft, bei Hofe und im Berufsleben; sie su- zen. Die Sittenlehren machen die zentrale Gat-
chen dem älteren Jugendlichen Welt- und tung des moralisch belehrenden Zweiges der Ju-
Menschenkenntnis zu vermitteln. Gleichfalls gro- gendliteratur des 18. Jahrhunderts aus und sind
ßer Beliebtheit erfreut sich im 18. Jahrhundert die zudem noch ein genuin aufklärerisches Genre.
traditionelle Gattung des elterlichen Rates und An die Stelle der zurückgehenden Gruppe
Vermächtnisses fiir Söhne und Töchter. Dieses der Zucht- und Anstandsbücher tritt ebenfalls ei-
Genre definiert sich von der literarischen Form ne neue Gattung: Gemeint sind die Schriften zur
her: In ihm treten ein Vater, eine Mutter, ein wei- sexuellen Erziehung. Im 18. Jahrhundert sind die
ser Greis oder ein Jugendfreund auf, um die mo- Tischsitten und das gesittete Betragen kein dring-
ralischen Einsichten, die Weltkenntnis und gesell- liches Thema mehr für die pädagogische Litera-
schaftlichen Erfahrungen, die sie während ihres tur; bewegt wird sie von einem anderen Problem,
ganzen Lebens gesammelt haben, den Jugendli- dem der Keuschheit und der pubertären Sexuali-
chen als ein Vermächtnis zu überantworten. In- tät. Der Zivilisationsprozeß hat sich gleichsam
haltlich handelt es sich zumeist um die Kombina- auf ein anderes Gebiet verlagert. Die Durchset-
tion einer Sitten- und einer Verhaltenslehre; es zung eines gesitteten Betragens ist weit fortge-
geht also um Inneres und Äußeres zugleich. Eng schritten und bedarf keiner literarischen Propa-
mit den elterlichen Räten verwandt ist die Gat- gierung mehr. In ein neues Bewußtsein ist dage-
tung, die Klingberg als » Bildungsliteratur« be- gen die pubertäre Sexualität geraten, auf die sich
zeichnet [3], für die hier aber der Terminus Stan- nun die zivilisatorischen Bemühungen richten
deslehre vorgeschlagen wird. Inhaltlich gesehen und die neu zu domestizieren sucht. Die Schriften
stellen diese gleichermaßen eine Sitten- und eine zur sexuellen Erziehung sind im 18. Jahrhundert
Verhaltenslehre dar; sie zeigen allerdings keine li- denn auch weniger sexuelle Aufklärungsschrif-
terarische Einkleidung mehr, sind dafür aber auf ten, als Kampfschriften gegen die Onanie, die
die Bedürfnisse eines Standes zugeschnitten. »Selbstschwächung«. Sie richten sich zunächst
Klingberg zählt hierzu die Fürstenspiegel, die an Eltern und Lehrer, was ein Zeichen für die
Werke über die »echte Ritterlichkeit« und »Bü- Neuartigkeit des Problems ist, wenden sich dann
cher, die die Pflichten und Eigenschaften der aber auch an die Jugendlichen selbst, um sie recht
Stände darstellen« [4]. Diese ständische Bil- drastisch von den negativen Folgen der Selbstbe-
dungsliteratur geht allerdings im 18. Jahrhundert friedigung zu überzeugen. Die traditionellen Be-
in dem Maß zurück, als eine Moral des Allge- nimmbücher sterben nicht gänzlich aus; den Platz
53 Literarische Zweige und Gattungen 54

aber, den sie räumen, nehmen die neuen Anti- Weitere Zweige des belehrenden Schrifttums
Masturbations-Schriften ein.
Das moralisch belehrende Schrifttum des Eng mit dem der Sittenschriften ist der Sek-
18. Jahrhunderts weist eine solche formale und in- tor der religiösen Literatur for Kinder und Ju-
haltliche Mannigfaltigkeit auf, daß es unmöglich gendlicheverbunden, der gleichfalls bereits im 16.
ist, es vollständig in klar umgrenzte Gattungen und 17. Jahrhundert sein wesentliches Gepräge
aufzuteilen. Die bisher genannten Genres greifen erhalten hat. Er umfaßt sowohl religioll$unter-
denn auch aus diesem großen literarischen Feld richtliche Werke wie auch ausgesprochene Er-
nur enger eingrenzbare Gruppen heraus, ohne es bauungsschriften. Bei den Unterrichtswerken ist
damit schon vollständig erschöpft zu haben. Es als erstes der Katechismus zu nennen, der ein
scheint deshalb angebracht zu sein, eine Auffang- Genre der Reformationszeit darstellt. Es gibt ihn
gruppe mit dem Rubrum »sonstige moralische als >>Kleinen Katechismus« für den religiösen
Schriften« in das Gattungsschema einzufügen, in Anfangsunterricht und als ))Großen Katechis-
der alle die Schriften zu verzeichnen sind, die sich mus« für die fortgeschrittene Unterweisung. Ne-
keinem der bisher genannten Genres zuordnen ben zahlreichen Ausgaben des Lutherischen Ka-
lassen. Es handelt sich zumeist um Schriften, die techismus treten solche von anderen Verfassern,
nicht, wie die Sittenlehren es tun, eine vollständi- die aber in Form und Inhalt von gleicher Machart
ge ethische Pflichtenlehre bieten, sondern einzel- sind. Dabei behalten häufig auch die Werke, die
ne moralische Fragen und Problemkomplexe her- sich inhaltlich weiter von der traditionellen Ge-
ausgreifen und in Form etwa einer Abhandlung stalt entfernen, die katechetische Frage-Antwort-
oder Predigt darbieten. Eine solche Auffanggrup- Form. Doch erscheinen mehr und mehr religions-
pe ist jedoch so klein wie möglich zu halten. Tat- unterrichtliche Werke, die sich in Inhalt und
sächlich lassen sich aus dem Feld der Sittenschrif- Form vom Katechismus lösen. Dies hängt mit
ten noch weitere Literaturgruppen herausheben, dem Eindringen der aufgeklärten Theologie und
die deutlich einzugrenzen sind. Eine inhaltliche der natürlichen bzw. Vernunftreligion in den Un-
Gemeinsamkeit liegt den moralischen Biogra- terricht zusammen, reflektiert aber auch das Auf-
phien zugrunde: Es handelt sich, so die Formulie- kommen neuer Unterrichtsmethoden, die das
rung Klingbergs, um >>Schilderungen musterhaf- bloße Auswendiglernen zurückdrängen. Diese
ter Gestalten«, wobei es sich etwa um historische Werke sind Lehrbücher in Vortrags- oder Para-
Persönlichkeiten, Regenten, Feldherren, Wissen- graphenform, in Brief- oder in Form eines sokrati-
schaftler, Künstler etc., aber auch um gemeine schen Gesprächs. Soweit Werke sich in Form und
Leute und gar um Kinder handeln kann. Kling- Inhalt vom Katechismus lösen, werden sie hier
berg weist darauf hin, daß auch dieses Genre getrennt aufgeführt unter dem Rubrum »religiöse
schon im 16. und 17. Jahrhundert ausgebildet Lehrbücher in freier Form«. Im Philanthropismus
ist[5]. Mehr durch formale Kriterien ist eine wei- werden die religiösen Lehrbücher weiter zu unter-
tere Gruppe der moralisch belehrenden Literatur haltenden religiösen Lesebüchern entwickelt, bei
bestimmt, und zwar solche Schriften, die in die denen die religiöse Unterweisung in literarischer
Form des Gespräches, der Unterredung einge- Einkleidung geboten wird. Sie kann in Erzählun-
kleidet sind, die Lehrgespräche und lehrreichen gen aufgelöst oder in einen Roman eingelassen
Unterredungen, die sich im I 8. Jahrhundert gro- sein, wie dies bei Salzmanns Religionsbüchern
ßer Beliebtheit erfreuen. Inhaltlich bieten sie mo- der Fall ist. Es kann soweit gehen, daß die literari-
ralische Belehrung in aufgelockerter Form, wobei sche Komponente nicht mehr bloße Einkleidung
häufig Erzählungen und Märchen eingeschoben ist, sondern gleichgewichtig neben den religiösen
werden. Hierdurch nähern sie sich dem unterhal- Teil tritt. K.F. Lossius' Buch Gumal und Lina ist
tenden Schrifttum an. Das prominenteste Bei- in fast gleichgewichtiger Weise ein Werk für die
spiel für diese Gruppe stellt das Magasin des en- religiöse Unterweisung wie ein unterhaltender
fans der Madame LePrince de Beaumont dar. Als Abenteuerroman, eine Robinsonade.
eine besondere Gruppe stechen schließlich die Der umfangreiche Sektor der biblischen Li-
Schriften hervor, die sowohl moralische wie sach- teratur wird hier nur dreifach untergliedert. Bei
liche Belehrung liefern. Es handelt sich zumeist den Historienbibeln handelt es sich um speziell für
um umfangreichere, mehrbändige Werke, wie Kinder und Jugendliche angefertigte Nacherzäh-
dies etwa bei Millers Historisch-moralischen Schil- lungen ausgewählter biblischer Geschichten, die
derungen der Fall ist. Diese vermischten, mora- sich verschieden weit vom biblischen Text entfer-
lisch und sachlich belehrenden Schriften stehen ei- nen können. In den Bibelauszügen und den bibli-
gentlich auf der Grenze zwei er literarischer Sekto- schen Spruchsammlungen wird dagegen der bibli-
ren; die besondere Bedeutung, die das I 8. Jahr- sche Text selbst auszugsweise geboten, während
hundert der moralischen Erziehung zubemißt, die biblischen Handbücher zu bestimmten Frage-
rechtfertigt es jedoch, diese Buchgattung hier zu stellungen Bibelstellen verzeichnen, ohne den
verzeichnen. Text selbst zu zitieren. Letztere verstehen sich als
Anweisungen zur geordneten Bibellektüre. Bei
55 Einleitung 56

den Bilderbibeln steht die bildliehe Darstellung holungsstunden gedacht. Das Lesebuch hingegen
biblischer Ereignisse im Mittelpunkt; die Texte dient zunächst einmal vorrangig der Übung im
haben hier nur eine untergeordnete, bilderklären- Lesen, wobei nicht nur an den Erstleseunterricht
de Funktion. - Von den zahlreichen Gattungen zu denken ist. Hieraus ergibt sich eine stärkere
der Erbauungsliteratur werden hier nur drei Gen- Bindung an den schulischen oder privaten Unter-
res separat aufgeführt: die Predigten, die Gebet-, richt. Es geht aber in der Funktion, Leseübungs-
Gesang- und Andachtsbücher und die religiösen buch zu sein, nicht auf, auch wenn diese Funktion
Hausbücher. Bei letzterem handelt es sich um ein das konstitutive Gattungsmerkmal abgibt. Es will
Sammelwerk, in dem so gut wie alle religiösen darüber hinaus auch inhaltlich bedeutsam sein,
Gattungen vereinigt sind. Es ist für den häusli- wobei es ihm sowohl um moralische wie um sach-
chen Religionsunterricht, für die häusliche Er- liche Belehrung geht. Es sucht aber zugleich noch
bauung und für das tägliche Beten gedacht. unterhaltend zu sein und nimmt aus diesem Grun-
Der vorliegende Band schließt, wie oben be- de zahlreiche fiktionale und dichterische Texte
reits dargelegt wurde, die deutschsprachige auf. Es weistjedoch bei weitem nicht die Mannig-
Schulliteratur mit in die Betrachtung ein. Bei den faltigkeit und den Abwechslungsreichturn auf,
zwei folgenden Sektoren handelt es sich um Zwei- wie sie für die unterhaltenden Lesebücher und die
ge, in denen Schulbücher stärker als sonst vertre- Kinderalmanache charakteristisch sind. Zumeist
ten sind, wenn sie nicht sogar überwiegen. Ge- beschränkt es sich auf wenige Formen, um den
meint ist der Sektor der Lese- und Schreibunter- Leseanfänger nicht zu überfordern. Der außeror-
richtswerke wie der der philologischen Schriften. dentliche Formenreichtum der Almanache setzt
Der erstere enthält drei Gattungen: die ABC-Bü- demgegenüber eine entwickelte Lesefähigkeit
cher und Fibeln, die eigentlichen Lesebücher so- schon voraus, wenn sie nicht bloß zum Vorlesen
wie die Schreibmeister- oder Schönschreibbücher. gedacht sind. Bei den Anthologien bzw. Chresto-
Die Trennungslinie zwischen den Fibeln und den mathien handelt es sich um Zusammenstellungen
Lesebüchern ist nicht immer eindeutig zu ziehen: von prosaischen und dichterischen Texten mit
Die Fibeln enthalten zumeist nur wenige Lese- dem Zweck, an ihnen rhetorische und poetische
lernstücke für den Anfangsunterricht im Lesen, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und deklamato-
während sich in den Lesebüchern Lesestücke fin- rische Übungen vorzunehmen. Die Lesebücher
den, die auch für den fortgeschrittenen Leseunter- enthalten zwar auch schon dichterische Texte;
richt gedacht sind und zugleich schon der morali- diese werden aber nur aufgrund ihres unterhal-
schen und sachlichen Belehrung dienen sollen. tenden Charakters aufgenommen; einem Dich-
Lesebücher können einen vorangestellten ABC- tungsunterriebt wie einer ästhetischen Erziehung
Teil und eine Fibel enthalten; sie sind dann für al- wollen sie im 18. Jahrhundert noch ganz und gar
le Stufen des Leseunterrichts gedacht. - Der nicht dienen. Diese Funktion erfüllt zu dieser Zeit
grammatisch-rhetorische Sektor wird hier nur zu noch eine vom Lesebuch getrennte Gattung, die
einem geringen Teil erfaßt; berücksichtigt werden der poetischen Chrestomathie; anband der in ihr
hier nur die Werke for den deutschen Sprach-, zusammengestellten Texte sollen die poetischen
Rhetorik- und Poetikunterricht. Die hier unterge- Regeln und die Merkmale der dichterischen Gat-
ordneten vier Einzelgattungen bedürfen keiner tungen erkannt und angeeignet werden. - Gegen
besonderen Erläuterung. Weil der Sektor dieser Ende des Jahrhunderts gerät allerdings die klare
Schulschriften insgesamt nur mit einem kleinen Scheidung dieser drei Lesebuchgattungen in Be-
Ausschnitt zur Darstellung kommt, wird er im wegung: Hierbei ist es vornehmlich die Chresto-
Rahmen dieses Handbuches mit den Werken für mathie, die sich aus der ausschließlichen Bindung
den Lese- und Schreibunterricht zu einer Abtei- an den Rhetorik- und Poetikunterricht löst. Sie
lung zusammengefaßt. kann zunehmend unterhaltenden Charakter an-
Das bisher entwickelte Gattungsschema nehmen und damit sich dem unterhaltenden Le-
weist drei verschiedene Lesebuchtypen auf, die sebuch annähern, aber auch mit dem Lesebuch
jeweils verschiedenen Sektoren zugeordnet sind; im engeren Sinne sich vereinigen, das dann so-
ihre Abgrenzung gegeneinander erweist sich als wohl für Leseübungen, zur moralischen und sach-
ein besonders diffiziles Problem. Gemeint sind lichen Belehrung wie auch zur literarischen Erzie-
das unterhaltende Lesebuch, das für den Leseun- hung gebraucht werden kann. Charakteristisch
terricht gedachte Lesebuch und die Anthologie für das 18. Jahrhundert bleibt jedoch die hier auf-
bzw. Chrestomathie. Alle drei Buchgattungen gezeigte dreifache Gliederung des Lesebuchbe-
stellen Sammelwerke bzw. Textsammlungen dar, reiches, seine funktionale Auffächerung in unter-
wobei es sich teilweise sogar um dieselben Texte haltende Werke, in solche, die vorwiegend dem
handeln kann. Was sie unterscheidet, sind ihre je- Leseunterricht, und solche, die dem Rhetorik-
weils verschiedene Funktion und der andersartige und Poetikunterricht dienen.
dominierende Zweck, dem sie dienen sollen. Bei Der Realienunterricht entwickelt seit den
dem erstgenannten geht es primär um Unterhal- Philanthropen mehr und mehr auch spielerisch-
tung; es ist für die vergnügliche Lektüre in den Er- unterhaltenden Charakter, nachdem zuvor schon
57 Literatur für Mädchen 58

das Prinzip des anschaulichen Lernens breite An- Literatur für Mädchen
erkennung gefunden hatte. Deshalb gibt es neben
einer rein belehrenden zunehmend auch unter-
haltende Sachliteratur fiir Kinder und Jugendli-
che. Ein Teil der Sachliteratur, die Bilderbücher Analog zu dem Begriff der intentionalen
und die Reisebeschreibungen, ist bereits dem Sek- Kinder- und Jugendliteratur wird unter Mäd-
tor der unterhaltenden Literatur zugeordnet wor- chenliteratur die Literatur verstanden, die für
den. Es handelte sich hierbei um eine unterhaltsa- Mädchen verfaßt oder herausgegeben wurde. Im
me, nicht fachspezifische und unsystematische 18. Jahrhundert hat die Mädchenliteratur noch
sachliche Belehrung. Der spezifisch sachliterari- nicht eine nur ihr spezifische Gattung entwickelt;
sche Sektor umfaßt nun die Literatur, die entwe- vielmehr geht sie in den Gattungen der übrigen
der enzyklopädisch und systematisch oder fach- Kinder- und Jugendliteratur auf. Unterscheiden-
spezifisch angelegt ist. An erster Stelle sind hier des Merkmal (aus dem sich erst mit der Zeit auch
die enzyklopädischen Werke fiir Kinder und Ju- weitere Charakteristika entwickeln) ist zunächst
gendliche zu nennen. Sie sind ein genuines Pro- lediglich der Adressatenbezug.
dukt des 17. Jahrhunderts, bewahrenjedoch wäh- Eine geschlechtsspezifische Differenzierung
rend des gesamten 18. Jahrhunderts ihre Bedeu- innerhalb der Kinder- und Jugendliteratur gibt es
tung und gehen erst mit dem Ende des Philanthro- nicht von Anfang an und längst nicht in allen
pismus zurück. Es gibt sie als reine Lehrbücher in Genres. Sie setzt zunächst- in den 60er und 70er
katechetischer Frage-Antwort-, aber auch in Pa- Jahren- innerhalb der moralisch-belehrenden Li-
ragraphenform oder als Anschauungsbücher mit teratur ein, in moralischen Abhandlungen, in
aufwendigem Bildteil; es kann sich um kompen- lehrreichen Unterredungen und in elterlichen
diöse, mehrbändige Werke, aber auch um knappe (oder freundschaftlichen und verwandschaftli-
Kinderenzyklopädien handeln, wofür etwa der chen) Räten und Vermächtnissen. Diese Schrif-
Orbis pictus des Commenius steht. Dieser erlebt ten sind- auch über den gesamten Zeitraum gese-
auch im 18. Jahrhundert noch zahlreiche Aufla- hen- zugleich die am stärksten vertretene Gruppe
gen. Ein typisches Produkt der Aufklärung stellen innerhalb der Mädchenliteratur, sozusagen das
die Kinderlogiken und Seelenlehren dar. Es geht Kernstück der aufklärerischen Mädchenliteratur.
diesen Werken nicht bloß um die Einübung lo- Charakteristisch für sie ist ein ganz spezifischer
gisch richtigen Denkens, sondern darum, die Kin- Verwendungszusammenhang (sieht man einmal
der mit der Natur des menschlichen Geistes ver- ab von einigen wenigen ausländischen Vorbil-
traut zu machen und ihnen die verschiedenen See- dern, die zwar von Bedeutung für die allgemeine
lenvermögen vorzustellen. Eng mit den Kinderlo- Kinderliteratur waren, innerhalb der deutschen
giken verwandt sind die Werke über die Geschich- Mädchenliteratur jedoch kaum Nachfolge fan-
te des Menschen: Ging es jenen um die subjekti- den): Sie wenden sich an das »junge Frauenzim-
ve, psychologische Seite des Menschen, so wird in mer« oder die »erwachsenere weibliche Jugend«
diesen seine objektive, kulturelle Seite ausgebrei- aus bürgerlichem (oder adligem) Stand, die auf
tet. Sie bringen das Menschengeschlecht in der ihren künftigen Status als verheiratete Frauen vor-
Mannigfaltigkeit seiner Erscheinungsformen zur bereitet werden sollen. Die Geschlechterdiffe-
Darstellung, wobei der gesellschaftliche, politi- renzierung innerhalb der Kinder- und Jugendlite-
sche und kulturelle Gesichtspunkt im Vorder- ratur beginnt also zunächst im Jugendalter, zu ei-
grund steht. Hierspielen denn auch die ethnologi- nem Zeitpunkt, wo es darum geht, das Mädchen
schen Interessen der Aufklärung herein. Bei den auf die von ihr verlangten Standespflichten und
weiteren Gattungen dieses Sektors handelt es sich Standestugenden vorzubereiten, die sich wesent-
um die Literatur, die sich in den Grenzen jeweils lich von denen des Jünglings unterscheiden. Das
einer Disziplin, eines Fach- oder Wissensgebietes ist gegenüber früheren Jahrhunderten etwas
bewegt; hier ist keine besondere Erläuterung er- durchaus Neues, hatten sich doch die alten Sitten-
forderlich. Am Gattungsregister ist abzulesen, und Anstandsbüchlein, aus denen sich die elterli-
daß im Rahmen der aufklärerischen Jugendlitera- chen Räte und moralischen Abhandlungen ent-
tur die geschichtlichen, geographischen und na- wickelt haben, fast ausschließlich an Knaben und
turkundlichen Werke eine zentrale Stellung ein- Jünglinge gewendet. Im 18. Jahrhundert gibt es
nehmen. Auch läßt sich beobachten, daß der An- dagegen fast ebenso viele elterliche Räte für Mäd-
teil der Fachschriften mit dem Rückgang der en- chen wie für Jünglinge.
zyklopädischen Werke zunimmt; hierin spiegeln Literatur, die sich an jüngere Mädchen wen-
sich die zunehmende Ausweitung der einzelnen det, gibt es zwar seit den Anfängen der aufkläreri-
Wissensgebiete ebenso wie die fortschreitende schen Kinder- und Jugendliteratur; sie ist aber
Verselbständigung der Einzelwissenschaften wi- noch nicht von ihr als spezifische Mädchenlitera-
der. E. tur abgetrennt. In Almanachen, Zeitschriften und
Lesebüchern - sowohl den unterhaltenden wie
den für den Schul- und Privatunterricht bestimm-
59 Einleitung 60

ten Lesebüchern - finden sich Lieder, Gebete, Publikum wendet. Auch strukturell und thema-
szenische Dialoge und vor allem Geschichten, in tisch unterscheiden sich diese Romane nicht von
denen Mädchen als Handlungsträger auftreten, anderen empfindsam-didaktischen Romanen,
wobei sie bereits öfters mit einer als geschlechts- denen die spezifische Anrede an »Mütter und
spezifisch angesehenen Eigenschaft ausgestattet Töchter« oder »deutsche Mädchen« fehlt. Man
sind. Mädchen als Leserinnen, so kann man dar- muß deswegen davon ausgehen, daß die Romane
aus schließen, werden von den Autoren also nicht zwar sehr wohl auf junge Mädchen als (Mit-)Le-
übergangen, sondern bewußt miteinbezogen. serinnen abzielen, daß zwischen Romanen für
Aus diesen Textsammlungen für Knaben junge Mädchen und für Frauen (bzw. Erwachse-
und Mädchen entwickeln sich in den 90er Jahren ne) in dieser Zeit jedoch noch nicht geschieden
die ersten Lesebücher, die speziell für jüngere wird. - Ähnliches gilt für die Zeitschriften, die
Mädchen bestimmt sind: aus dem Philanthropi- sich an Mädchen und Frauen wenden.
schen Lesebuch for die Jugend der Mädchen- Die Voraussetzungen, unter denen es inner-
freund von Andre (1789/91), aus Rochows Kin- halb der allgemeinen Kinder- und Jugendliteratur
derfreund Reinhardts Mädchenspiegel oder Lese- überhaupt zu einer geschlechtsspezifischen Diffe-
buch for Töchter in Stadt- und Landschulen renzierung kam, können hier nur angedeutet wer-
( 1791) und aus Campes Kleiner Kinderbibliothek den. [2] Eine wichtige Rolle hat das seit der Früh-
die von Eckartshausen herausgegebene Biblio- aufklärung rege Interesse an einer verbesserten
thek for Mädchen ( 1791 ). Die beiden letztge- weiblichen Erziehung gespielt, das seinerseits mit
nannten Titellehnen sich an ihre Vorbilder so eng verschiedenen anderen Faktoren zusammen-
an, daß sie wörtlich oder mit kleinen Veränderun- hängt. Die allmähliche Auflösung der alten Haus-
gen eine große Zahl von Geschichten daraus haltsfamiliedurch die Herauslagerung der Arbeit
übernehmen- mit Vorliebe solche, die bereits ei- des Mannes - eine Entwicklung, die zunächst im
ne weibliche Hauptfigur haben, daneben aber Bildungsbürgertum einsetzte -, veränderte auch
auch andere Geschichten, die dann entsprechend entscheidend die Rolle der bürgerlichen Frau.
abgeändert werden. Die Lesebücher und Alma- Durch die ständige Abwesenheit des Mannes
nache für die jüngeren Mädchen entstehen also vom Hause erhielt sie nun Verantwortlichkeiten
erst sehr viel später als die moralisch-belehrenden (als Aufseherin des Hauses, als Erzieherin der
Schriften, die sich an die reifere weibliche Jugend Kinder), zu denen sie eigens erzogen werden
wenden; außerdem fallen sie zahlenmäßig sehr mußte; auf ihre moralische Bildung mußte nun
viel weniger ins Gewicht. Diese Relation sollte größere Sorgfalt gelegt werden. [3] In den höheren
sich erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts än- Beamtenfamilien war eine bessere weibliche Bil-
dern; aus den in den Lesebüchern enthaltenen dung auch deswegen erwünscht, damit die Frau
Beispielgeschichten und Beispielerzählungen sich als Gesprächspartnerin und Dame in den
entwickelte sich nun die Gattung, die den Haupt- besseren Kreisen zu bewegen verstand - dies um
anteil an der Mädchenliteratur des 19. Jahrhun- so mehr, als die partielle Allgleichung an den
derts stellt- die Erzählung. Lebensstil des Beamtenadels auch eine Verän-
Neben den moralisch-belehrenden Schriften derung der bürgerlichen Frauenrolle mit sich
für die reifere weibliche Jugend und den Lesebü- brachte.
chern und Almanachen für jüngere Mädchen Die Entwicklung einer spezifischen Litera-
spielt noch eine dritte Gattung für die Mädchenli- tur für Mädchen - wie überhaupt die Flut von
teratur des 18. Jahrhunderts eine wichtige Rolle- Schriften über die weibliche Bestimmung, die seit
der empfindsam-didaktische Roman in der den 70er Jahren entstanden -läßt sich allerdings
Nachfolge Richardsons. Freilich kommt ihm nicht ausschließlich auf das Interesse an einer
nicht die Rolle zu, die ihm in der bisherigen Ge- besseren weiblichen Bildung zurückführen. Min-
schichtsschreibung der Kinder- und Jugendlitera- destens ebenso einflußreich ist eine seit der Emp-
tur überwiegend zugeschrieben wird, daß mit ihm findsamkeit herrschende Gegentendenz (die sich
nämlich die Mädchenliteratur überhaupt erst be- mit der ersten durchaus verquickt), nämlich die
ginne[!]. Bei dieser These wird übersehen, daß ängstliche Abwehr einer zu großen Bildung der
die moralisch-belehrenden Schriften weit früher bürgerlichen Frau, die Sorge um eine weitere Aus-
als die ersten in Frage kommenden Romane er- breitung der durch die Menschenrechtsdiskus-
schienen und daß letztere auch quantitativ weni- sion in Gang gesetzten Emanzipationsbestrebun-
ger stark vertreten sind. Und nicht zuletzt läßt sich gen (wie sie in radikaler Form von Condorcet,
der empfindsam-didaktische Roman nur bedingt Mary Wollstonecraft und Hippe! vertreten wur-
zur Mädchenliteratur rechnen: Er spricht zwar öf- den) und- als Konsequenz darauf- der Versuch,
ters im Titel oder im Vorwort ein weibliches Publi- die Frau auf ihren häuslichen Tätigkeitsbereich
kum und speziell auch Mädchen an; er ist jedoch festzuschreiben. Im Zusammenhang dieser Ten-
keine spezifische Mädchenliteratur, da er sich zu- denzen wurde das Paradigma vom männlichen
gleich an erwachsene Frauen und darüberhinaus und weiblichen »Geschlechtscharakter« entwik-
an ein geschlechtsunspezifisches erwachsenes kelt, die Vorstellung also, daß dem Manne und
61 Literatur für Mädchen 62

der Frau von Natur aus nicht nur bestimmte phy- nimmt: Er fordert von dem Mädchen eine Reihe
siologische, sondern auch ganz bestimmte psy- von Eigenschaften, die inhaltlich zum Teil bereits
chologische Eigenschaften zukommen - dem mit dem von Rousseau dargestellten weiblichen
Mann vorwiegend Rationalität und Aktivität, der »Geschlechtscharakter« übereinstimmen; es
Frau Emotionalität und Passivität. [4] Männliche sind aber noch nicht Eigenschaften, die ihr von
und weibliche Natur werden dabei als zwar we- Naturaus zugeschrieben werden, sondern Tugen-
sensmäßig verschieden, formal aber als gleich- den, die sie sich durch moralische Selbstüberwin-
wertig gesehen. Das ist ein entscheidender Wan- dung zu erwerben hat. Für die endgültige Konso-
del gegenüber den traditionellen Vorstellungen lidierung der Mädchenliteratur als eines eigen-
beispielsweise der Hausväterliteratur, die die un- ständigen Sektors innerhalb der Kinder- und Ju-
terschiedlichen Rechte und Pflichten der Frau gendliteratur spielte das Paradigma vom weibli-
aus ihrem Stand ableitete und dabei von einer chen »Geschlechtscharakter« freilich eine wichti-
ganz selbstverständlichen, weil theologisch legiti- ge Rolle. Kommen der Frau bestimmte, von Na-
mierten Unterordnung der Frau unter den Mann tur gegebene Eigenschaften zu, die eine entspre-
ausging. Die Entwicklung der »Geschlechtscha- chende Erziehung zu beachten hat, so heißt das,
raktere« läßt sich von daher als neues Legitima- konsequent weitergedacht, daß nicht nur das er-
tionsmuster patriarchalischer Herrschaft erklä- wachsene Mädchen auf einen anderen Aufgaben-
ren; die überholte theologische Begründung wird kreis vorzubereiten ist als der Jüngling, sondern
abgelöst durch Vorstellungen, die den Gleich- auch bereits das kleine Mädchen anders zu erzie-
heitsgrundatz der Menschenrechte aufnehmen, hen ist als der Knabe und dementsprechend auch
seine materielle Umsetzung aber verhindern eine ihm eigene Kinderliteratur mit einer ganz
durch die Berufung auf Unterschiede zwischen spezifischen »Sittenlehre« benötigt. Langfristig
den Geschlechtern, die von »Natur« gegeben heißt das zugleich, daß nicht nur die Inhalte, son-
sind. dern auch die Form der Vermittlung an die beson-
Obwohl bereits von Rousseau im 5. Buch des dere Weise, wie Mädchen von »Natur« aus füh-
Emi/epropagiert, hält das Paradigma vom weibli- len und empfinden, anzupassen sind - eine For-
chen »Geschlechtscharakter« in die Mädchenli- derung, die dann im 19. Jahrhundert tatsächlich
teratur nur langsam Einzug. Charakteristisch ist aufgestellt wird, und die weitere Entwicklung der
die Zwischenstellung, die Campe in seinem Vä- Mädchenliteratur bestimmt. G.
terlichen Rath fiir meine Tochter ( 1789) ein-

Anmerkungen
Eingrenzung des Gegenstandes 19 Kunze ( 1965), S. 27
20 Baumgärtner ( 197 4), S. 12
I Klingenberg, Kinder- und Jugendliteraturfor- 21 Spriewald ( 197 4), S. 14
schung(l973), S. 21 22 Klingberg, Das deutsche Kinder- und Jugendbuch
2 ebd., S. 25 f. im schwedischen Raum (1973), S. 25
3 Scherf(I975),S.I51 23 Friedrich Gedike ( 1789), S. 422 f.
4 ebd., S. 150 24 Vgl. stellvertretend für zahlreiche Studien: Kiesel/
5 Frenzel (2. Aufl. 1958), Bd. I, S. 770 Münch ( 1977)
6 Brüggemann ( 1966; Nachdr. 1977), S. 19 25 Kühner(I862;2.Aufl.l876-87; Nachdr.l980)
7 ebd.,S.26
8 Baumgärtner(1978; Nachdr. 1980), S. 2
Hauptströmungen und Tendenzen
9 Pressler(I980),S.8
10 Vgl. die Zusammenfassung bei Pott (1975); ebenso I Baumgärtner(l978; Nachdr. 1980), S. 2
Belke(l973) 2 Scherf ( 197 5), S. 166
II Vgl. Egon Schmidt(l974) 3 Baumgärtner ( 1978; Nachdr. 1980), S. 2
12 Klingberg(I973),S.26 4 Kunze(1970),S.99f.
13 Göhring(1904; Nachdr.I967),S.4 5 Vgl. Marx(1929)
14 ebd. 6 Vgl. Stecher(1914)und Brown(1952)
15 Vgl. Kunze (1965) und (1975), ebenso sein Vorwort 7 Grimminger( 1980), S.48 ff.
zu der Studie von Wegehaupt ( 1977) 8 Locke(dt. v. H. Wohlers; 1970), S. 89, Abschn. 81
16 Kunze(1975),S.47 9 ebd.,S.186,Abschn.148
17 ebd. 10 ebd.,S.191,Abschn.156
18 ebd. II ebd.,S.191,Abschn.155
63 Einleitung 64

12 ebd., S. 204 f, Abschn. 167 37 Salzmann, Conrad Kiefer (1796; 3.Aufl. 1827),
13 ebd.,S.191,Abschn.156 S.56
14 Heimpei-Michel ( 1928), S. 29 ff. 38 Villaurne ( 1778), S. 111
15 Vgl. Ballauf(1964) 39 ebd.,S.l35
16 Heimpei-Miche1(1928), S. 31 40 Rousseau(dt. v. E. Sckommodau),S.240
17 ebd.
18 Vgl. Brüggemann (1966; Nachdr. 1977), S.26f.; Die einzelnen literarischen Zweige
Klingberg, Kinder- und Jugendbuchforschung und Gattungen
(1973),S.92ff.
19 Heimpei-Michel(1928), S. 31 I Vgl. Bibliothek der pädagogischen Literatur
20 Schlözer(l77l),S.LXXXIII (!800ft); Ewers(l981) S.l08 ff.
21 Sulzer(2.Aufl.I748),S.I05f. 2 Klingberg (1967), S. 331; Klingberg, Das deutsche
22 ebd.,S.llOf. Kinder- und Jungendbuch im schwedischen Raum
23 Rousseau(dt. v. E. Sckommodau), S.206f (1973),S.ll f.
24 ebd., S. 340 3 Klingberg(l967),S.332
25 ebd. 4 ebd.
26 ebd., S. 258 5 Klingberg(l973),S.12
27 ebd., S. 207
28 ebd., S. 339 Literatur for Mädchen
29 ebd., S. 234
2 Vgl. Koester 1908, S. 56f.; Goehring 1904/1967,
30 ebd., S. 206
S. 57; Prestel 1933, S. 29; Dahrendorf 1978,
31 ebd., S. 258
S. 21-24. Lediglich Dyrenfurth und Köberle vertre-
32 ebd., S. 251
ten eine etwas andere Auffassung, gehen aber nicht
33 ebd., S. 102
explizit auf diese Frage ein.
34 Vgl. Ewers (Hrsg.), Kinder- und Jugendliteraturder
2 Ausführlicher hierzu Grenz 1981.
Aufklärung ( 1980), S. 33-38
3 Vgl. Tomieporth 1977,S. 45,61 f.
35 Campe, Sammlung einiger Erziehungsschriften
4 Vgl. Hausen 1976.
(1778), T. 2, S. 225-268
36 Villaume, Bemerkungen für schreibende und reden-
de Kinderlehrer(l778), S.lOl
Historischer Teil
Unterhaltende Schriften für Kinder und Jugendliche

1758 eher anekdotisch abgehandelt, um insbesondere seinen


Witz, Scharfsinn und seine Klugheit hervorzuheben, die
Jeanne-Marie LePrince de Beaumont im krassen Gegensatz zu seinem äußeren Erscheinungs-
(1711-1780): bild stehen. Eine weitere Illustration, die in zweifacher
Ausführung mit französischem und deutschem Text er-
Lehrreiches Magazin fiir Kinder zu richtiger scheint, greift dieses Thema auf. Sie zeigt ein Bildnis
Bildung ihres Verstandes und Herzens. Äsops, unter dem sich folgender Text befindet: » Diß ist
4 Teile. Dritte verb. Auflage. der göttliche, doch ungestallte/ Mann,/ In welchem
Leipzig 1761 Witz, Verstand und Tugend/ sich vereinet/ Sieh nie das
Außenwerkbey deinemf Urtheil an :/ Der ist oft Kronen
werth, der uns ver-/ächtlich scheinet.«
Siehe : Moralisch belehrende Schriften, Spal- Die sich anschließenden 117 bearbeiteten Fabeln
te 494 des Äsop (S.48-289) decken in ihrer Anwendung auf
den menschlichen Lebensbereich ein denkbar breites
Spektrum unterschiedlicher Verhaltensweisen und
Charaktere ab. Die vom Herausgeber beigefügten »Sit-
1758
La Vie et /es Fahles d 'Esope, avec des
rejlections mora/es,
en franfois & en allemand.
Straftburg 1758

Das Werk ist nicht ausdrücklich als Jugendlitera-


tur ausgewiesen. Aus dem Frontispiz von J.
Striedbeck geht jedoch hervor, daß auch die Ju-
gend angesprochen werden soll. Die Illustration
zeigt den körperlich mißgebildeten Äsop inmitten
einer Schar unterschiedlichster Tierarten. Die Tu-
gend wird in allegorischer Form als eine unbeklei-
dete Frau auf einer Wolke schwebend dargestellt.
In ihrer rechten Hand hält sie einen Palmzweig, in
ihrer linken einen Lorbeerkranz. Darunter finden
sich folgende Zeilen in französischer Sprache :
»Venes aIa Leyon jeunesse aimable et folle !/ Eso-
pe en Precepteur vous appelle aI'ecole ;/ Les betes
autrefois parloient mieux que Ies gens :/ La Vertu
n'eutjamais de plus doctes Regens.«
Der eigentlichen Fabelsammlung ist zunächst ein
umfassender Lebensbericht »Das Leben des Esopus
des Phrygiers« (S. 3 -47) - wie das gesamte Werk in
zwei Sprachen abgefaßt- vorangestellt. Der Herausge-
ber merkt an, er sei den Schriften des Planudes
( 1260- 131 0) gefolgt und habe »von dem, was er vom
Esop geschrieben, nichts ausgelassen, als was mir ein
wenig zu kindisch vorgekommen, oder sonst gewisser
maßen wider den Wohlstand zu seyn geschienen« (S. 5).
Er beklagt sodann, daß man »von dem Herkommen des
Horneros und des Esopus keine zuverlässige Nach-
richt« habe. Der Herausgeber hält dies für einen be-
denklichen Mangel, da man seines Erachtens Äsop
»unter die Zahl der von dem ganzen Griechenlande so
hoch gerühmten Weisen setzen sollte, weil er nicht nur
die wahre Weisheit gelehret, sondern auch weil er die- Aesop: La vie et l esfables d'Esope, avec des rejle-
selbe mit weit mehrerer Kunst gelehret, als alle diejeni- xions mora/es, en franrois et en allemand. -
gen, welche mühsame Beschreibungen und Regeln da- Strasbourg 1758 (Nr. 21). Kupferstich-Frontispiz
von geben« (S. 3). Das Leben des Fabeldichters wird von J. Striedbeck
69 La Vie et les Fahles d'Esope, 1758 70

tenlehren« konkretisieren die schon in der Fabel deut-


lich hervortretende Moral und beziehen sie häufig auf
zeitgenössische Erscheinungen des 18. Jahrhunderts.
Die Epimythien werden zunächst in Prosa formuliert,
worauf als Zusammenfassung des Gesagten ein kurzer
Vers folgt. Thematisiert werden hauptsächlich allge-
mein menschliche Tugenden und Laster wie Bosheit
(Nr. 8 und 13), Eitelkeit (Nr. 23), Ehrgeiz (Nr. 85), Un-
dankbarkeit (Nr. 44), Duldsamkeit (Nr. 63), Beschei-
denheit (Nr. 64), Neid (Nr. 68), Hilfsbereitschaft
(Nr. 78), Aufrichtigkeit (Nr. 84), Geiz (Nr. 101) und
Klugheit (Nr. 103). Doch werden auch Themen wie
Reichtum und Macht sowie das Verhältnis zwischen
Regenten und Volk, Standesunterschiede und Gerech-
tigkeit im Staat angesprochen.
Es schließen sich sechs philosophische Texte an,
die jeweils verschiedene philosophische Schulen reprä-
sentieren: Es handelt sich hierbei um die vorattische
Philosophie, zu der der fünfte Text »Lehrsätze und Re-
geln, Aus den sogenannten goldenen Versen des Pytha-
goras gezogen« (S. 378 -397) zu rechnen ist, um die atti-
sche Philosophie mit Sokrates und den Sokratikern, die
mit dem Platonischen Text »Rede über das Schicksal
der Seelen, So, wie man sie in dem zehenten Buche der
Republik des Platon findet« (S. 358-369) vertreten ist.
Eine weitere Richtung ist die ältere kynische Schule, zu
der der dritte Text gehört: »Rede über die Gemüths-
und Seelen-Ruhe, Aus den Schriften des Pythagori-
schen Weltweisen Hippacebias gezogen« (S. 370-377).
Es folgt die hellenistisch-römische Philosophie mit den
Hauptrichtungen der Stoa, dem Kynismus und der spä- Richardsons Sittenlehre for die Jugend in den
teren Stoa, die hier durch Cebes, Epictet und Seneca auserlesensten Aesopischen Fabeln [Übers. von G.
vertreten sind: »Das Tafei-Gemählde des Cebes, Plato- E. Lessing].- Leipzig 1757 (Nr. 718) Tafel JI
nischen Weltweisens, Enthaltend die Abschilderung
des menschlichen Lebens« (S.299-337); »Gespräch
zwischen dem Kayser Hadrian und Epictet dem Welt-
folgende Text, ein Gespräch zwischen dem Kaiser Ha-
weisen« (S. 378-397); »Der Geist des Seneca oder Die drian und dem Philosophen Epictet, ist in katecheti-
schönsten moralischen Gedanken Dieses großen Welt-
scher Form abgefaßt. Hadrian stellt Fragen über die we-
weisens« (S. 398-404). sentlichen Begriffe menschlichen Daseins und über die
Der erste Text aus den Schriften des Cebes zeigt in Pflichten sich selbst, den Mitmenschen und Gott gegen-
allegorischer Darstellung den Weg des Menschen zur über, die Epictet in Form von moralischen Sentenzen
Glückseligkeit. Der Weg zur Glückseligkeit führt über beantwortet. Ähnliche Fragen wirft der fünfte Text auf.
den steinigen Weg zur »wahren Unterweisung« Neben den moralisch-philosophischen Sentenzen fin-
(S. 313), zu der die »Wahrheit« und die »Beredungs- den sich praktische Ratschläge zur Einrichtung des Ta-
kunst« gehören. Nachdem der Mensch durch die wahre gesablaufs und zur Gesundheit. Bei dem letzten Text
Unterweisung von seinen Lastern befreit ist, gelangt er handelt es sich um eine umfangreiche Sammlung philo-
in die »Wohnung der Wissenschaften und anderen Tu- sophischer Betrachtungen und sittlicher Regeln des Se-
genden«, als da sind: »Wissenschaft«, »Tapferkeit«, neca. Hier wird der Mensch aufgefordert, nur der Tu-
»Gerechtigkeit«, }}Redlichkeit«, }}Mäßigkeit«, }}Be- gend zu folgen, stets Gutes und dies ohne Eigennutz zu
scheidenheit«, }}Freyheit«, }}Eingezogenheit« und tun.
Sanftmuth«. (S. 317). Erst jetzt kann der Mensch den
Berg besteigen, auf dem die Glückseligkeit wohnt. Der Die Zusammenstellung von äsopischen Fa-
zweite philosophische Text aus der}} Republik« des Pla- beln und Texten der antiken Philosophie ist nicht
ton schildert eine Versammlung von Seelen. Ein Priester willkürlich erfolgt; vielmehr stehen beide Teile
verkündet den Seelen, wie sie sich in ihrem Leben ver- thematisch in einem engen Zusammenhang.
halten sollen. Jeder Mensch könne seine Lebensart })Das Tafel-Gemählde des Cebes« folgt dem Ge-
selbst wählen, sei jedoch dann gezwungen, dieser ein- dankengut der Stoa, die davon au sgeht, daß die
mal gewählten Form zu folgen. Nach dieser Rede des
Tugend das höchste Gut ist und allein den Weg
Priesters wählen alle Seelen ihre Lebensart.
zur Glückseligkeit zeigen kann, wobei Mäßigkeit
Der dritte Text von Hippacebias gibt den Weg an,
und Geduld im Zentrum stehen. Das Streben
den man wählen soll, um sein Leben in Ruhe und Zu-
friedenheit zu führen. Das sicherste Mittel hierzu beste- nach Reichtum, Würden und Ämtern mache die
he darin, }}Sich selbst wohl erkennen zu lernen<< (S. 371 ), Menschen »weder redlicher noch glücklicher,
was hauptsächlich durch die }}Weltweisheit« möglich weil die Reichen oftmals größere Bösewichtee als
werde, die den Menschen von seinen Irrtümern befreie die Armen sind« (S. 333 ). Ein Hauptthema ist die
und }}seine Begierde und Wollust« mäßige (S. 377). Der Unbeständigkeit des Glücks. Das Glück wird in
71 Unterhaltende Schriften 72

einem allegorischen Gemälde als eine Frauenge- Immer wieder wird hervorgehoben, daß ge-
stalt dargestellt, »die einer Rasenden und Blinden rade Reichtum negativ zu beurteilen sei, daß er
gleichet, und mit einem Fuß auf einer Kugel ste- den Menschen an einem tugendhaften Lebens-
het«. Die Auslegung der Abbildung erfolgt mit wandel hindert. Dagegen sei die Armut »eine
den Worten: »Sie ist nicht nur blind, sondern Mutter der Gesundheit, eine Entfernung von Sor-
auch taub und närrisch; sie schweift allenthalben gen, ein Werkzeug der Weisheit, eine unbeneidete
aufs ungewisse herum: Dem einen nimmt sie was Erbschaft, eine unschädliche Sache, eine ruhige
er hat, um es dem andem zu geben, und gleich Glückseligkeit« (S. 383). In »Die Tanne, und der
darauf nimmt sie ihm wieder was sie ihm gegeben Strauch« (Nr. 98) rühmt sich die Tanne ihres
hatte, um wiederum andere damit zu beschenken; schlanken hohen Wuchses, aufgrund dessen sie
sie siebet nicht wem sie es giebt, und ihre Ge- zum Bau fürstlicher Paläste und großer Schiffe
schenke sind von der größten Unbeständigkeit. auserwählt sei. Hierauf entgegnet ihr der Strauch
[ ... ] Man läuft große Gefahr, wenn man ihren bescheiden, »daß die großen Vortheile, welcher
Versprechungen trauet.« (S. 307). Das Thema der sie sich mit so großen Stolze rühmte, sie großen
Vergänglichkeit des Glücks wird in unterschiedli- Widerwärtigkeiten aussetzten: denn der Holz-
chen Variationen in den Fabeln behandelt. So bei- schläger schläget sie ohne Erbarmen in Stücken,
spielsweise in der Fabel »Der Esel, und das und fället sie mit der Axt zu Boden; da hingegen
Pferd« (Nr. 40). Ein prächtig geschmücktes Pferd der Strauch in dem allerunbekanntesten Zustan-
begegnet einem Esel, der unter seiner schweren de in Sicherheit lebet« (S. 247). Der Text des Se-
Last seufzt. Das Pferd befiehlt dem Esel, aus dem neca hebt hervor, daß alle tugendhaften Hand-
Weg zu gehen und dieser kommt der Aufforde- lungen des Menschen ihre Belohnung fänden,
rung sofort nach. Das Pferd muß in den Krieg zie- wenn nicht in diesem Leben, so doch im zukünfti-
hen und kehrt so übel zugerichtet zurück, daß sich gen. In zahlreichen Formulierungen wird die
sein Herr von ihm trennt und es an Bauern ver- Wichtigkeit der Tugend zur Erreichung der
kauft, der es vor seinen Mistwagen spannt: »Der Glückseligkeit herausgestellt: »Die Liebe zur Tu-
Esel begegnete ihm nach Verlauf einiger Zeit, und gend und der Haß gegen das Laster, sind die wah-
fragte es ganz bestürzt über eine so außerordentli- re Glücksseligkeit auf Erden« (S. 415). »Wer tu-
che Veränderung, wo es sein schönes Zeug, seine gendhaft lebet, der lebt lange, weil man die An-
reiche Decke, und sein vergoldetes Gebiß hinge- zahl seiner Jahre nach der Anzahl seiner guten
tharr hätte, welches ihn so stolz und hochmüthig Thaten rechnet« (S. 417). »Die Tugend ist der
gemacht, und so viel Verachtung gegen diejenigen wahre Stein der Weisen, weil sie uns ewig reich
eingeblasen, welche itzo sich nicht in die geringste machen kann« (S. 437).
Vergleichung mit ihm stellen wollen« (S.l27). Die Fabeln erhalten mehrfach durch die
Auch der platonische Text stellt den Wert »Sittenlehren« des deutschen Bearbeiters eine
der Tugend heraus und betont, daß es vornehm- konkrete, zumeist politische Auslegung. Ange-
lich auf die » Erlangung nöthiger Einsicht« ankä- klagt werden die Mächtigen, die oft genug ihre
me, »um das Gute vom Bösen unterschieden zu Macht mißbrauchten. So heißt es in dem Epimy-
lernen.« (S.36l). Weiter heißt es: »Ehre und thion zu der bekannten Fabel >>Ein Wolf und ein
Reichthum soll niemanden von der wahren Tu- Lamm« (Nr. 2): » Denejenigen, welche die Ge-
gend abziehen, und niemand soll sich um Würden walt in Händen haben, fehlet es niemals an Vor-
und Ehrenstellenwillen zu bösen Thaten verleiten wanden, diejenigen zu unterdrücken, welche von
lassen, sondern allezeit das Gute und Tugendhaf- ihrer Gewalt abhangen, und sich ihrer Tyranney
te erwählen; und hierinnen bestehet der Men- nicht entziehen können« (S. 51).
schen ihre höchste Glückseligkeit.« (S. 363). Die- Es wird häufig geraten, sich vor denen, die
se Auffassung entspricht in ihrem Kern dem pla- ihre Macht mißbrauchen, zu hüten: »Man muß
tonischen Idealismus, für den die Idee des Guten sich durch andrer Schaden klug machen, um
das höchste Erkenntnisziel und das letzte Lehrob- nichts mit Mächtigem zu entscheiden zu haben,
jekt in der stufenweisen Heranbildung der Jugend welche ihrer Stärcke mißbrauchen« (S. 59). Der
bedeutet. Dies macht den Grundtenor aller Fa- Regent wird aufgefordert, dem Volk Gerechtig-
beln aus und kann letztlich die Intention des ge- keit widerfahren zu lassen, weil es sonst leicht in
samten Werkes angesehen werden. Der Text der Aufruhr geraten und ihn stürzen könne: » Dieje-
Hipparchias trägt die Auffassung hinzu, daß der nigen, welche die Schwächsten zu seyn scheinen,
Mensch sein wechselndes Schicksal auf sich neh- entlehnen Kräfte von ihrer Verzweiflung, wenn
men müsse, denn jegliches Aufbegehren gegen man sie unterdrucket. Dieses soll die Großen leh-
das Schicksal könne die Situation nicht verbes- ren, der Kleinen zu schonen, und ihre Verzweif-
sern. Die Duldsamkeit erscheint als Thema zahl- lung zu fürchten, welche sich manchmal in Wuth
reicher Fabeln. So wird häufig die Warnung aus- und Raserey verkehrt, und große Unordnungen
gesprochen, aus Ehrsucht oder Machtstreben, verursachet« (S. 288 f.).
den eigenen Stand verlassen zu wollen (z. B. Ein weiteres Thema, das vom deutschen Be-
Nr.35). arbeiter angesprochen wird, ist das Verhältnis von
73 Lessing, Fabeln, 1759 74

1759
Gotthold Ephraim Lessing ( 1729-1781):
Fabeln . Drey Bücher. Nebst Abhandlungen
mit dieser Dichtungsart verwandten Inhalts.
Berlin 1759
Lessings Fabelsammlung stellt keine intentionale
Kinderliteratur dar, doch wurde sie schon zu sei-
nen Lebzeiten zur Schullektüre. Schon in eine der
ersten Schulanthologien deutscher Dichtung, Ig-
naz Weitenauers Sammlung kürzerer Gedichte,
meistens aus neuen deutschen Dichtem (2 Teile,
Augsburg 1768/ 69), wurden Teile seines Werks
aufgenommen, und späterfanden sie in eine Viel-
zahl von Lesebüchern Eingang (vgl. Dolle, in: Le-
xikon der KJL, Bd. 2, 1977; dort auch ausführli-
che Literaturhinweise). -Es soll daraufverzichtet
werden, an dieser Stelle näher auf Lessings Fabel-
werk und seine Fabeltheorie einzugehen (vgl. da-
zu u.a. Markschiess 1954/ 55, Ott 1959, Thaiheim
1969, Bauer 1973, Killy 1979); abweichend von
derüblichen Beschreibungsform sei hier lediglich
der von Lessing erörterte Aspekt des Gebrauchs
der Fabeln im Schulunterricht vorgestellt. Diese
Frage ist Gegenstand der fünften Abhandlung zur
Fabeltheorie »Von einem besondern Nutzen der
Fabeln von Hagedorn, Gleim und Lichtwer. Mit Fabeln in den Schulen« (S. 233- 240).
Kupfern von J. R. Schellenberg. - Winterthur: Für Lessing ist die Fabel moraldidaktische
Steiner u. Co. 1777 (Nr. 369). Illustration zu Fa- Poesie, ))eine Erdichtung, die auf einen gewissen
bel VI: Der Löwe und Wolf Zweck abzielet« ())Von dem Wesen der Fabel«,
S.1l3); ihr Endzweck >)ist der moralische Lehr-
satz« (S. 136). Sie hat es nicht mit Leidenschaften
Stadt- und Landleben. So ist der Fabel »Die zu tun, »sondern allein mit unserer Erkenntniß«
Stadtratte und die Dorfratte« (Nr.10) eine »Sit- und will den Leser »von irgend einer einzeln mo-
tenlehre« beigefügt, die eindringlich vor dem ge- ralischen Wahrheit lebendig überzeugen«
fährlichen Luxus warnt: »Ein Privatleben ist viel (S. 154). Das Wesen der Fabel faßt Lessing in dem
glücklicher und ruhiger, als das unter dem Lerm Satz zusammen: >>In der Fabel wird nicht eine je-
und in den Verwirrungen des Hofes zugebracht de Wahrheit, sondern ein allgemeiner morali-
wird. Das Gastmahl der zwo Ratten bedeutet scher Satz, nicht unter die Allegorie einer Hand-
nichts anders, als daß eine reuhige Armuth, einem lung, sondern auf einen einzeln Fall, nicht ver-
termhaften und unsichern Ueberflusse vorzuzie- steckt oder verkleidet, sondern so zurückgeführet,
hen ist, dergleichen man gemeiniglich an den Hö- daß ich, nicht bloß einige Aehnlichkeiten mit dem
fen der Großen findet« (S. 67). Gleichzeitig wird moralischen Satze in ihm entdecke, sondern die-
immer wieder davor gewarnt, seinen Stand verän- sen ganz anschauend darinn erkenne« (S. 159).
dern zu wollen. So heißt es mehrfach, man solle >>Wenn wir einen allgemeinen moralischen Satz
nicht nach fremden Gütern streben, sich mit weni- auf einen besondern Fall zurückführen diesem
gem begnügen und »keine Begierde zur Verände- besondern Falle die Wirklichkeit ertheiien, und
rung des Standes« zeigen: »Die Bauern bemühen eine Geschichte daraus dichten, in welcher man
sich, den Bürgern nachzuahmen, die Bürger ver- den allgemeinen Satz anschauend erkennt: so
gleichen sich durch ihren Aufwand den Edelleu- heißt diese Erdichtung eine Fabel« (S.l72).
ten. Diese Verwirrung verursacht große Unord- In seiner Auseinandersetzung über die
nungen, und öfters den Untergang der Privatper- Brauchbarkeit der Fabeln im Schulunterricht be-
sonen, welche ihre Kräfte nicht genugsam zu ra- handelt Lessing den möglichen heuristischen
theziehen« (S. 189). N./H. Nutzen der Fabel. Zwei Aspekte der Brauchbar-
keit der Fabel inder Schule schließt er aus seiner
Betrachtung aus: den möglichen moralischen
Nutzen, weil er dessen Erörterung in den Bereich
der allgemeinen praktischen Philosophie verweist
-als grundlegendes Werk über diese Frage nennt
75 Unterhaltende Schriften 76

er Christian Freiherr von Wolfs Philosophia prac- eher abbricht, bald weiter fortführt, bald diesen
tica universaUs methodo scientifica pertractata oder jenen Umstand derselben so verändert, daß
(Halle 1738/39; N.A. 1744, 1750) -,zum andern sich eine andere Moral darinn erkennen läßt«
den Nutzen der Fabel für rhetorische Übungen; (S. 238). Lessing demonstriert diese Empfehlun-
diesen Gebrauch der Fabel lehnt er ab, weil sie gen anband der Veränderung verschiedener Fa-
Widerwillen gegen die Gattung erzeuge. beln (S. 238 ff.), indem er eine Änderung der Um-
Den Ausgangspunkt seiner Erörterung bil- stände vornimmt, sich den »merkwürdigsten Um-
det die Frage: »Warum fehlt es in allen Wissen- stand« herausgreift, um ihn zum Ausgangspunkt
schaften und Künsten so sehr an Erfindern und einer neuen Fabel zu machen, die moralische
selbstdenkenden Köpfen?« (S. 233). Die Antwort Lehre auf eine andere Ebene verlagert oder auch
gibt er mit einer Gegenfrage: »Warum werden wir versucht, »eine edlere Moral in die Fabel zu le-
nicht besser erzogen?« (S. 234). »Gute Erzie- gen« (S. 240).
hung« definiert Lessing mit den Worten: »Ein In diesen Übungen zum Finden und Erfin-
Knabe, dessen gesammte Seelenkräfte man, so den von Fabeln geht es ihm nicht vorrangig um ei-
viel als möglich, beständig in einerley Verhältnis- ne Einübung in den »vernünftigen Gebrauch der
sen ausbildet und erweitert; den man angewöh- Imagination« (Killy, 1979, S. 209), sondern vor
net, alles, was er täglich zu seinem kleinen Wissen allem um eine qualifizierte Übung des Denkens,
hinzulernt, mit dem, was er gestern bereits wußte, die ihren Wert daraus ableitet, daß sie als princi-
in der Geschwindigkeit zu vergleichen, und Acht pium reductionis die Grundlage jeder hochste-
zu haben, ob er durch diese Vergleichung nicht henden intellektuellen Arbeit, jeder Bereicherung
von selbst auf Dinge kommt, die ihm noch nicht der Wissenschaft bildet.
gesagt worden; den man beständig aus einer Lessings Anregungen wurden mehr als zwanzig
Scienz in die andere hinüber sehen läßt; den man Jahre später von Meierotto wieder aufgegriffen. In den
lehret sich eben so leicht von dem Besondern zu Vorübungen zur Erweckung der Aufmerksamkeit und
dem Allgemeinen zu erheben, als von dem Allge- des Nachdenkens (4 Teile, Berlin 1780-82) schlägt
meinen zu dem Besondern sich wieder herab zu Meierotto u. a. vor, daß auch die » Erfindsamkeit des
lassen: Der Knabe wird ein Genie werden, oder kleinen Lehrlings ( ... )mannigfaltig erweckt, und geübt
man kann nichts in der Welt werden« (ebd.). werden« könne (4. Teil, S. 29). Hierbei bezieht er sich
Unter den Übungen, die diesem allgemeinen direkt aufLessings Abhandlung: »Ich weiß nicht, durch
Plan zufolge angestellt werden sollten, mißt Les- welch ein Geschick die Anweisung, welche Lessing da-
zu in dem 5ten Abschnitt seiner Abhandlungen über die
sing der »Erfindung aesopischer Fabeln« (ebd.) Fabel giebt, entweder in keiner Schule bisher benutzt,
den höchsten Stellenwert bei. Er nennt dafür zwei oder wie die Schule, wo es geschehen seyn mag, nicht
Gründe: Einmal sei die Erfindung solcher Fabeln bekannter geworden ist« (4. T., S. 46). Er macht so dann
dem Alter der Schüler am angemessensten; zum eine Reihe von Vorschlägen, wie Kinder durch Verän-
andern komme bei der Erfindung von Fabeln das derungen von Fabeln ihre Erfindungskraft anregen
gleiche Mittel zur Anwendung, das auch die könnten und hebt hervor, daß solche Übungen keines-
Grundlage aller Erfindungen überhaupt bilde, wegs »Jünglings-Genies, wie das seinige« (Lessings,
das Prinzip der Reduktion. Dieses Prinzip anzu- d. Red.) zur Voraussetzung hätten. (Vgl. entsprechende
wenden hält Lessing deshalb für schwierig, weil es Beschreibung.) In Campes Kleiner Kinderbibliothek
werden im zwölften Bändchen ( 1785) mehrere Fabeln
»eine weitläufige Kenntniß des Besondern und Lessings wiedergegeben(S. 127,132, 156-158). 0. B.
aller individuellen Dingen, auf welche die Reduc-
tion geschehen kann« erfordere. Dies sei jedoch
von jungen Leuten nicht ohne weiteres zu erwar-
ten. Daher empfiehlt er, den Schülern schrittweise 1761
diese Fähigkeiten zu vermitteln.
An den Anfang allen Unterrichts soll nach Die von der Tugend neueröffnete
seiner Vorstellung die Beschäftigung mit der Na- Ehren- fforte in welcher drey und dreyßig
turgeschichte treten, da sie den »Saamen aller üb- (Teil 2: vier und zwanzig) anmuthige und
rigen Wissenschaften« (S. 236) enthalte, die mo- lehrreiche Geschichte enthalten. Sowohl für
ralischen Wissenschaften eingeschlossen, auch
die aesopischen Fabeln. Ausgehend von der
die Jugend als auch für erwachsene
Kenntnis der Naturgeschichte sollen die Schüler Personen zu einem angenehmen Zeitvertreib
sodann zur Beschäftigung mit Fabeln geleitet abgefasset. 2 Teile.
werden, wobei anfänglich weniger das Erfinden Nürnberg 1761
als das Finden von Fabeln geübt werden müsse.
Lessing schlägt dazu vor, die alten Fabeln ent- Der Verfasser gibt an, er habe ))für allerley Leser
sprechend den Regeln der Schulrhetorik zu ver- geschrieben, und daher eine anmuthige Abwechs-
ändern und um- und weiterzudichten. Zu diesem lung in seinen Erzehlungen beobachtet«. Mit dem
Zweck könne der Lehrer die alten Fabeln modifi- ersten Teil will das Werk ))junge Leute vom Stan-
zieren, »indem er die Geschichte derselben bald de« erreichen, die ))darinn allemahl finden, was
77 Ehren-Prorte, 1761 78

sich zu dem Schönen, zu den Vorzügen, die ihnen einmal oder öfters den Weg zurückgeleget: so
Geburt und Glück gegeben, und zu weiterem wird ein Leser um so aufmerksamer gemacht,
Nachdenken allerdings wohl schicket« (Vorre- wenn er die Straße der Tugend also betretten sie-
de). Zu dem angesprochenen Leserkreis gehört bet, daß ihm ein Gefehrde bald da, bald dorten
ebenfalls die weibliche Jugend, an die sich der die Merkmale zeiget, wie nahe oder wie ferne die
Verfasser in der Vorrede noch einmal gesondert wahre Glückseligkeit zu finden, die wir Sterbliche
wendet: »Ein Frauenzimmer wird ihre Tugend alle suchen« (Vorrede). Die Erzählungen sollen
nicht beleidigt finden, wenn sie darinn Liebesge- >>Unser Vertrauen auf Gott stärken, die Schönheit
schichte lieset. Sie sind so gestellet, daß sie das der Tugend, welche ihren Liebhaber nicht unbe-
Herz bessern, aber nicht in Lüsternheit setzen« lohnt lasset, die Heßlichkeit des Lasters, das sei-
(Vorrede). nen Anhänger in das Verderben stürzet« vor Au-
Die vorliegende Ausgabe stellt laut Vorrede gen führen (Vorrede). Der Verfasser will seine
eine Neuauflage dar: »Bey gegenwärtigerneuern jungen Leser durch seine Beispiele dazu anleiten,
Auflage« sei man darauf bedacht gewesen, das »vernünftig durch die Welt« zu kommen. Er sieht
Werk »mit mehrernund gleich angenehmen Er- sein Werk zudem als ein »bequemes und glückli-
zehlungen zu versehen, welche über die bisheri- ches Mittel, welches viele Leute von der Pest, die
gen Stücke der Moar! noch eine nähere Anleitung sich in den Romanen sonst findet, und so man-
und Erläuterung in ihren Regeln geben möchten, ches zarte Gemüth anstecket, befreyet, und un-
damit der Nutzen, den man Anfangs für Kinder gleich nützlichere Vergnügungen schenket, als die
gewiedmet, sich weiter und auf die Erwachsenen Lüsternheit der Jugend in solchen Verwirrungen
verbreiten könnte« (Vorrede). So sei der zweite eines Venus-Ritters anzutreffen vermeynet«
Teil »für Leute von mehrerm Nachsinnen, für El- (Vorrede).
tern und Lehrmeister der Kinder, und für Liebha- Das Werk enthält insgesamt 56 Erzählungen, de-
ber einer reinen Erzehlung aus der Tugendlehre« nen jeweils eine Bildtafel mit zwei übereinanderstehen-
bestimmt (Vorrede). Es wird den Erwachsenen den Kupferstichen zugeordnet ist. Entgegen der Anga-
anempfohlen, das Buch den ihnen »anvertrauten be im Titel besteht der erste Band aus 32 Erzählungen,
und empfohlenen Kindern in die Hände zu ge- denen sich 50 Sinnsprüche anschließen, während der
ben«, um so zu ihrem »Nutzen und Wohlgefal- zweite Teil24 Erzählungen enthält. Der erste Band ist in
len« beizutragen (Vorrede). drei Teile gegliedert: Die ersten 24 Erzählungen haben
überwiegend märchen-und schwankhaften bzw. volks-
Der Verfasser vergleicht seine Bestrebungen tümlichen Charakter. Die folgenden acht Texte werden
mit den Absichten der »besten Moralisten«. Die- unter dem Titel »Sonderbare Zugabe verschiedener cu-
se hätten als Darbietungsweise »die Art durch riosen Begebenheiten, samt beygefügten merkwürdigen
Geschichte und Erzehlungen von geschehenen und erbaulichen Sittenlehren« zusammengefaßt. Sie
Dingen der Lehrart durch Fabeln, Gleichnisse besitzen vorwiegend Anekdotencharakter und nehmen
und allegorische Ausführungen vorgezogen«, auf angeblich wahre Ereignisse Bezug. Den Beschluß
weil solche Geschichten und Erzählungen »die des ersten Bandes bilden »Einige scharfsinnige Reden
Möglichkeit der Dinge ehender an sich tragen, als und kurze Erzehlungen, Fragen und Antworten, welche
die Fabeln, die mehrentheils leblose Creaturen re- als eine Zugabe zur Ergätzung beygefüget werden«.
Sämtliche Texte beider Bände enthalten stets eine
dend einführen, und aber eben auch keinen Glau- klare, einsichtige lebenspraktische Moral, die in den an-
ben finden, auch, so bald sie gelesen werden, sich gefügten »Lehren« konkretisiert wird. In der Vorrede
in dem Gemüthe wieder auslöschen« (Vorrede). heißt es hierzu: »Ich habe, gleich in dem ersten 1heil ge-
Tugend und Laster könnten »am besten aus schehen, beyeiner jeden Erzehlung einige Folgerungen,
menschlichen Handlungen erkannt werden, und als Lehren mit angehänget, ohnerachtet sie einem geüb-
diese Kenntniß gründet erst die Erfahrung, und ten Leser selbst in der Geschichte in de Augen fallen
leitet den Menschen auf das Nachdenken. Wer werden. Ihre besondere Ansetzung mag den Vortheil
aber Fabeln lesen und verstehen will, muß schon haben, daß man ihren Grund und Ursache selbst in der
einen deutlichen Begriffvon deme mitbringen, zu Erzehlung nachsuche. Denn ich habe nach der Natur
geschrieben, die einen Umstand aus dem andem her-
deme sie angewandt werden sollen« (Vorrede). vorbringt« (Vorrede). Im zweiten Teil des Werks wird
Dennoch habe er sich bemüht, auch demjenigen eine stärkere Akzentuierung der Sittenlehren erkenn-
Leser Rechnung zu tragen, der »an Fabeln oder bar. Die Anordnung der Texte läßt keine strenge Syste-
an Erzehlungen Geschmack findet, welche eine matik erkennen; sie zielt vielmehr auf Abwechslung
Sache unter Abentheuern und außerordentlichen und Unterhaltung ab: »Eine ernsthafte und rührende
Wundem vortragen«. Er werde sich »mit einem [Erzählung] geht oft einer Conte de Fe und einer Fabel
Paar vergnügen, das jedoch sein Nutzbares nicht nach, und erquickt das gerührte und bewegte Gemü-
verläugnen kann« (Vorrede). the« (Vorrede). Schauplätze und Handlung zahlreicher
Erzählungen sind u. a. England, Frankreich, Italien,
In der Vorrede wird der Leser des Werks mit
Spanien, Portugal, der Orient und sogar China.
einem »Pilgrim« verglichen, der »desto ermun- Das Werk entwickelt stets in unterschiedlicher
terter seine Reise fortsetzet, wenn er auf eben der Einkleidung einen Tugendkatalog, der auf der Überzeu-
Straße, welche ihn an den Ort seines gewünschten gung von der Allmacht Gottes und der Machtlosigkeit
Aufenthalts führet, Gefehrden siebet, die schon des Menschen fußt und die Vergänglichkeit und Wert-
79 Unterhaltende Schriften 80

losigkeit zeitlicher Güter und irdischer Glückseligkeit es beispielsweise, daß Eltern beizeiten »den Zweig, weil
im Hinblick auf das ewige Leben hervorhebt. Ein weite- er noch jung ist, biegen« (T. 1, S. 307) und daß »Mütter
rer Grundsatz ist der, daß Tugend stets belohnt und La- ihren Töchtern in jungen Jahren den Willen brechen«
ster stets bestraft wird. Ausgehend von diesen Grund- sollten (»Der listige Mann«, T.l, S.308-313). Auch
sätzen bilden sich drei in den Sittenlehren stets wieder- der Schaden, den zu große Verzärtelung bei den Kin-
kehrende Themenschwerpunkte heraus. Dies ist zu- dem anrichten könne, wird aufgezeigt und häufig in
nächst der Versuch einer moralischen Bewertung des drastischer Form geschildert (»Der verwegene Spie-
Verhältnisses von Armut bzw. Reichtum und Tugend. ler«, T.l, S.326-334). In zahlreichen Fällen wird den
Hierzu gehören die Erzählungen »Der reiche Bettler« Eltern eine schlechte Erziehung angelastet und ein
(T. I, S. 3- 8), worin vor dem Hochmut der Reichen ge- Mangel an Sorgfalt und Behutsamkeit vorgeworfen, da
warnt wird, und» Derschöne Cranz« (T.l, S. 8-13), ei- sie nicht die Unterschiede in Neigung und Naturell der
ne Geschichte mit märchenhaften Zügen, in der die Kinder berücksichtigten, so daß die Kinder schließlich
grundsätzliche Auffassung des Autors so formuliert auf Abwege gelangen müßten. Ein Beispiel für diesen
wird: »Zum andem lernt man daraus, wahre Tugend Fehler bietet die Erzählung »Kleine Kinder tretten den
höher zu achten als großen Reichthum, denn dieser ist Eltern auf die Füsse, die großen aber aufs Herz« (T. 2,
vergänglich, die Tugend aber bleibt beständig, und wird S.l93-218). In der Vorrede wird noch einmal beson-
allezeit von Gott und Menschen hoch geachtet, und mit ders auf die Thematik der Kindererziehung hingewie-
Segen belohnet« (S. 13). Insbesondere in bezugauf die sen und ihre Bedeutung betont: »die mehrestenStücke
Wahl des künftigen Ehepartners wird häufig davor ge- handeln von einem Gegenstand in der Kinderzucht, die
warnt, nur des Geldes wegen zu heiraten, vielmehr sei ohnehin den ersten Abriß der ganzen Moral in zarte
der Wert der Tugend höher zu veranschlagen. Hierfür Herzen legen soll« (Vorrede).
gibt es denn auch abschreckende Erzählungen, die Weitere Erzählungen thematisieren das Verhältnis
volkstümlichen und schwankhaften Charakter haben. von Herrschaft und Gesinde (T.l, S.315-326) und
Die Erzählung »Die täglich sich selbst gemachte Haus- warnen vor Machtmißbrauch (T. I, S. !52 -162,
plage« (T.l, S. 127 -134) erzählt von einem jungen 185-203). Konkrete Verhaltensmaßregeln für junge
Mann namens Malheureux, der gegen den Rat seiner Männer, die sich aufReisen befinden, vermitteln die Er-
Freunde die reiche Witwe Malapesta heiratet, die von zählungen »Der betrogene Edelmann« (T.l, S. 25-32)
ihrem ersten Mann als die »tägliche Hausplage« be- und »Der liederlich fein Lustige« (T. I, S. 73- 82), die
zeichnet wurde. Dennoch läßt sich Malheureux vom beide der Abschreckung dienen sollen.
Geld verlocken, merkt jedoch bald nach der Hochzeit, In den »Lehren« zu den Erzählungen werden stets
daß seine Freunde recht behalten würden. Als er seine verschiedene Themen angesprochen. Neben den schon
Schwester besucht, reist seine Frau ihm nach und hört genannten Aspekten finden sich Warnungen vor Hoch-
gerade noch, daß er seine Schwester als Erbin des Ver- mut, Untreue und Falschheit, schlechter Gesellschaft
mögens einsetzt. Malapesta »sprang dahero wie eine und Lektüre, Mahnungen zu Redlichkeit, Nächstenlie-
Furie zu Malheureux in das Zimmer hinein, flucht und be, Verschwiegenheit und regelmäßigem Gebet. Auffal-
schalte wie ein Landsknecht, erzümete sich aber so dar- lig ist die häufige Verknüpfung von Märchen oder
über, daß sie auf der Stelle darnieder fiel, und vom Volkslegenden mit einer realitätsnahen, lebensprakti-
Schlag gerühret wurde« (S. 132). Mann und Frau be- schen Unterweisung. So dient die Erzählung »Das Per-
schimpfen sich sechs Wochen lang, bis sie am selben lein-Halsband umhabende Rehlein« (T.l, S.43-52),
Tag sterben. bei der es um eine in ein Reh verwandelte Prinzessin
Der zweite Themenschwerpunkt behandelt Wert geht, die von einem Prinzen erlöst wird, als Mahnung
und Bedeutung von Glück und Unglück, wobei davon für »junge Herren von hoher Geburt«, »sich nicht gar
ausgegangen wird, »daß das größte gegenwärtige Glück zu sehr in die Jagd zu verlieben, und sich denen vielen
bloß der Vorbothe eines desto grössem zukünftigen Un- dabey oft zu Schuld kommenden Gefahrlichkeiten, und
glücks zu seyn pflegt« (T. 2, S. 248). Dieses Thema wird widrigen Unglücks-Fällen, welche schon mehrmalen
in den Erzählungen »Der unglücklich-scheinende, den Jagdbegierigen begegnet sind, muthwillig ausset-
doch zuletzt glückliche Nagel« (T. 1, S. 99-115), »Der zen« (S. 52).
ungerechte Richter« (T.l, S.l53-162) und »Der ge- Das Frontispiz des ersten Bandes stellt in Anleh-
bührend-gestrafte Fürwitz« gleichfalls behandelt. (T. 1, nung an Matthäus 7. V.l3 und 14 die Stationen zum
S. 287- 294). In diesen Kontext gehört die Warnung an »Ewig Wohl« und zum »Ewig Wehe« dar. Ein Engel
den Leser, dem Glück nicht zu vertrauen oder es etwa er- verkündet: >>Hier folgt der Tugend bahn.« Deren steini-
zwingen zu wollen. So heißt es im zweiten Teil zu der Er- ger und enger Weg führt über >>Glaub«, >>Liebe«,
zählung »Wer ist so klug, daß er nicht bethöret werden »Hoffnung« und »Gedult« zum Ziel. Auf der anderen
könne« (T. 2, S. 218- 227): »Sey nicht stolz auf den Be- Seite schlagen die Menschen tanzend den breiten und
sitz des Glückes; ein einziger Tag ist zureichend, dir es bequemen Weg ein, derüber >>Fleisches Lust«, >>Augen
zu rauben« (S. 227). Lust«, >>Hoffärtiges Leben« und >>Verzweiflung« zum
>>Ewig Wehe« führt, das als ein riesenhafter, feuer-und
Der dritte größere Komplex befaßt sich mit der wasserspeiender Fischschlund dargestellt ist. Darunter
Kindererziehung, worunter vorwiegend die Gehor- stehen die Worte >>Hier frölich man sein kan.« Unter
sams- und Dankbarkeitspflicht der Kinder verstanden dem Kupfer findet sich der Vers: >>Fürchte Gott in dei-
wird. Als eine »Triebfeder des Satans« (T. 2, S. 217) ner Jugend,/Und befleisse dich der Tugend/Fleuch die
wird Uneinigkeit unter Geschwistern verurteilt, wobei Sünden ja vor allen,/So wirst du Gott wohlgefallen.«
häufig die Märchenmotive des faulen Sohnes (»Der
wohlgelungene Betrug«, T.l, S.295-307) und der bö- Das Werk läßt eine noch ganz und gar barok-
sen Stiefmutter aufgegriffen werden (»Die Königin ke Grundhaltung erkennen. Die stets wiederkeh-
Xantippe«, T.l, S.235-248). Hier werden in den Leh- rende Betonung der Vergänglichkeit irdischen
ren konkrete Erziehungsvorschläge formuliert. So heißt Glücks und der Machtlosigkeit des Menschen
81 Ehren-Pforte, 1761 82

dem göttlichen Willen gegenüber weist darauf dem, und überall das Glück am nächsten« (T. 2,
hin. Es wird eine Lebenshaltung gefordert, die auf s. 88 ff.).
absolutem Gottvertrauen beruht und dem Men- Von vierTexten bemerkt der Verfasser in der
schen Gelassenheit in Anbetracht aller Unglücks- Vorrede eigens, sie behandelten Gegenstände der
falle oder Katastrophen abverlangt. >>Wer weiß, »höheren Moral«. Sie unterscheiden sich von den
wie lange der gegenwärtige Zustand dauret, so er- übrigen Erzählungen, die überwiegend volks-
haben oder so elend er auch ist? Es gehöret uns tümlichen Charakter besitzen, durch anspruchs-
nichts zu, als der Punct, in welchem wir leben, und vollere Thematik und Sittenlehre. Die Erzählung
wir haben nicht die geringste Gewißheit, daß uns »Wer ist so klug, daß er nicht bethöret werden
noch mehr eingeräumet wird. Laßt uns also die könne« berichtet von Azem, einem Türken, »wel-
Zeit nicht bitterer machen, als sie wirklich ist, cher sich von einer weitläufigen Handlung abge-
wenn wir uns angewöhnen, unser zukünftiges than, damit er desto besser der Weltweißheit
Elend auch jetzt schon zu fühlen, und solche Un- nachhängen möchte, von der er ein sehr großer
glücksfälle zu fürchten, welche wir vielleicht nie- Liebhaber war« (T. 2, S. 218). Er lebt in Zurückge-
mals erleben werden, oder die ihr ganzes Daseyn zogenheit, ist stolz auf seine Philosophie, die ihn
nur in unserer Einbildung haben. Lasset uns viel- über seine Mitmenschen erhebt, und dünkt sich
mehr uns selbst stärken, indem wir uns dem Wil- frei von Leidenschaften und Ängsten. Von Seli-
len des Höchsten gänzlich überlassen, und ein fe- ma, seiner Geliebten, läßt er sich aber schließlich
stes Vertrauen in seine Barmherzigkeit setzen, daß doch überreden, seine Einöde zu verlassen. Er
er uns in allen Anfechtungen erhalten, und end- wird jedoch von ihr und seinem Freund hinter-
lich gar von der Last derselben befreyen wird« gangen und verliert schließlich sogar seine Ehren-
(T.l, S.76f.). Auch in der formalen Gestaltung stelle. Auf seinen Grabstein läßt er setzen: »Hier
zeigen sich noch Einflüsse des Barock. So fällt die liegt Azem, ein größerer Narr, als alle Menschen,
allegorisierende Namensgebung auf, die bereits weil er weiser, weil er glücklicher, als sie alle, seyn
auf den Charakter der handelnden Personen wollte« (S. 227). In der Erzählung »Der gerecht-
schließen läßt. In diesen Kontext gehören so- fertigte Jupiter« (T. 2, S. 229) gewährt Jupiter den
dann die häufig anzutreffenden antithetisch kon- sich ständig beklagenden Menschen einen
struierten Titel der Erzählungen: »Der reiche Wunsch, woraufhin sie von ihm fordern, er möge
Bettler« (T. I, S. 3 ff.), »Das unglückseelige ihnen Auskunft über ihre Zukunft geben. Jupiter
Glück« (T.I, S. 38 ff.), »Der liederlich fein Lusti- erfüllt diesen Wunsch: »So lasset denn die Un-
ge« (T. I, S. 73 ff. ), »Ein Unglück nach dem an- glücklichen lernen, sprach Jupiter, daß nicht ich,

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Mährehen und Erzählungenfor Kinder und Nicht-Kinder. - Riga 1796 (Nr. 552). Titelblatt mit Kupfer-
stich-Frontispiz von Geyser nach Schubert
83 Unterhaltende Schriften 84

sondern sie selbst ihr Unglück gewollt haben« antwortete dieser, den er fragte, und um in meiner
(S. 229). Die Geschichte »Die Schäferin ohne ih- Muse mich zu ergötzen, will ich jetzt die Egypti-
res Gleichen« (T. 2, S. 256 ff.) erzählt von einer schen Pyramiden umstürzen. Von da werde ich
jungen Frau adliger Abstammung, die sich am mich einschiffen, um nach den Sudländern zu ge-
Tod ihres Mannes schuldig fühltund zur Buße ein hen, wo ich die Patagons finden werde, bewun-
Leben als Schäferin in einem Tal in Savoyen derswürdige Menschen, die von hinten her lange
führt, wo ihr Mann begraben liegt. Ein junger Schwänze haben. Viel Glück auf der Reise, mein
Marquis hört von ihr und sucht sie in Schäferklei- Freund, sagte Ithuriel, ich bedaure euren Kopf,
dung auf. Er gesteht ihr seine Liebe, und schließ- aus dem die Pyramiden schon hervor ragen«
lich heiratet sie ihn, ohne ihn jedoch selbst lieben (ebd.). Auch das Thema des Krieges kommt zur
zu können. Dennoch endet die Geschichte posi- Sprache. Als lthuriel erfährt, »daß in Germanien
tiv. Die letzte Erzählung dieses Komplexes han- Krieg wäre, und daß die Frivoliten als gute Freun-
delt von der »Insel der Verschwiegenheit« und de diesem Volk zu Hülffe« kommen wollen
der» Insel Frevelland«, die von zwei miteinander (S. 303 f.), sucht er die Ursache zu ergründen. Auf
verfeindeten Völkern bewohnt werden: » lthuriel, seine Frage antwortet ihm ein Soldat: »Dies geht
der Vornehmste unter den Schutzgeistern, [ ... ] mich nichts an, mein Amt ist, zur Erhaltung mei-
wollte den Frieden unter ihnen wieder herstellen. nes Lebens zu dulden, oder mich tödten zu lassen.
Zu dem Ende entschloß er sich, die eine, wie die Mir ist es gleich, wem ich diene« (S. 304). Nach-
andere zu besuchen, und welche er die weiseste zu dem lthuriel auch von einem Hauptmann ab-
seyn befinden würde, wollte er zum Haupt der an- schlägig beschieden wird, erhält er schließlich
dem machen, in beeden Ländern aber die Thoren vom General folgende Antwort: »Die erste Ursa-
zu Grund richten, das ist, alle die aus dem Wege che dieses Krieges rührt von einem Streit zwi-
schaffen, deren Thorheit sich über die ordentli- schen einem Zollbeamten und einem Kaufmann
chen Gränzen erstreckte« (T. 2, S. 278). Er ver- in dem an dem Reiche her. [ ... ]Der Streit war hit-
birgt sich unter verschiedenen Verkleidungen, um zig. Man ließ von beeden Seiten eine Armee von
so die Menschen des jeweiligen Landes besser einer Million Soldaten ins Feld rücken. Das
kennenlernen zu können. Allerdings muß lthuriel Schwerd, das Feuer, die Verwüstung breitet sich
zum Schluß feststellen, daß er nirgendwo Weis- je weiter und weiter aus. Der Erdkreis leidet, und
heit gefunden habe. die Erbitterung dauert immer fort. Auf beeden
Diese letzte Erzählung enthält zahlreiche Seiten versichert man die Welt, daß man bloß we-
Anspielungen zeitgeschichtlicher Art. So nimmt gen des Wohls des menschlichen Geschlechts so
lthuriel unter anderem die Gestalt eines Wilden handle, und beyjeder Betheuerung wird eine zer-
an: »Man umringte ihn, als ein besonders und sel- störte Stadt mehr« (S. 305). H.
tenes Thier, und man bot ihm zuletzt Kleider und
Mittel an, sich säubern zu lassen. Hierauf kam ein
Mensch herbey, der noch beschmutzter und nak-
1761
kender war, als er; er ging auf allen Vieren, und Sarah Fielding (1710-1768:)
schien mit seiner Stellung wohl zufrieden zu seyn. Die Hofmeisterinn, oder die kleine
Er fand sogar, daß Ithuriel schon sich in etwas
Akademie für Frauenzimmer, zum
von dem Zustande der Natur entfernet hatte. Sei-
ne Haube von Federn schien ihm etwas überflüs- Vergnügen und Unterrichte junger Personen
siges zu seyn, das schon etwas von Pracht an sich dieses Geschlechtesbey ihrer Erziehung.
hätte. Er ermahnte ihn, sie abzulegen, und auf al- Leipzig 1761
len vier Füssen zu gehen« (S.294f.). Auf diese
Weise wird der Eifer der Zeit fürden »guten Wil- Siehe: Moralisch belehrende Schriften, Spal-
den« karikiert. lthuriel nimmt schließlich auch te 512
die Gestalt eines >>Herrn aus Germanien« an und
erwartet, übel empfangen zu werden: »Aber wie
groß war seine Bestürzung, da er einhundert Fri-
1765/69
voliten mit Ehrfurcht ihn umringen sahe. Meine Die Wege der Tugend, oder die Geschichte
Herren, rief er ihnen zu, ich bin aus Germanien. der berühmten Pamela, der Klarissa
Wir wissen es wohl, sagten die Vornehmsten aus Harlowe und des Ritters Kar! Grandisans im
dem Haufen, und dies ist es eben, was euch unsere
Ehrerbietung zuziehet. Bey euch wohnet die wah-
Kleinen entworfen. Aus dem Englischen
re Weisheit, da giebt es keine Vorurtheile, die den übersetzt von Friedrich Wilhelm Streit. 2
Weisen beschimpfen, der es wagt zu denken« Teile.
(S. 302). In ironischer Form behandelt der Verfas- Altenburg 1765-69
ser auch die Reise- und Entdeckungsfreude seiner
Zeit. Von einem Reisenden erhält lthuriel folgen- Die vorliegende Kurzfassung der drei Romane
de Auskunft: »Ich bin krank und ein Philosophe, Richardsons ist vom (englischen) Bearbeiter
85 Weiße, Lieder für Kinder, 1767/69 86

»einzig und allein« für die )>Jugend beiderley Ge- stellt eine drastisch gekürzte Fassung der drei Ro-
schlechts« bestimmt (Vorrede des Autors). Ziel ist mane dar. So ist beispielsweise die Clarissa auf
die moralische Unterweisung des Jünglings und weniger als ein Zwanzigstel des Gesamtumfangs
des jungen Frauenzimmers, nämlich die Ein- gekürzt. Was dabei von den Romanen übrig-
pflanzung von Grundsätzen der Religion, der Tu- bleibt, ist lediglich ein kümmerlicher Torso, näm-
gend und der Beherrschung ihrer Leidenschaften. lich die Wiedergabe der wichtigsten Handlungs-
Um dies zu bewirken, sei es nötig zu zeigen, daß schritte, bei der die Briefform durch Er-Erzäh-
allein die Wege der Tugend ))ZUm Vergnügen, zur lung ersetzt ist. Alles, was Richardsons Romane
Ruhe und zur Ehre führen«, das Laster hingegen lesenswert macht, fällt damit weg: die empfindsa-
nur eine trügerische Glückseligkeit schenke. me Darstellung der Gefühle, die ständige Refle-
Die moralische Unterweisung soll jedoch xion der Ereignisse und des eigenen Verhaltens
nicht in der direkten Form der Sittenlehre stattfin- durch die Briefschreiber, die psychologische
den, weil das Gemüt der Jugend davon häufig ab- Konzeption und Vielschichtigkeit der Figuren
gestoßen werde. Statt dessen sollten aus dem oder die aus der Befangenheit der einzelnen Brief-
wirklichen Leben entnommene Begebenheiten schreiber resultierende Unabgeschlossenheit der
und Charaktere dargestellt werden, an denen die dargestellten Situationen. Dadurch fehlt jegliche
Folgen der Tugend und des Lasters sichtbar her- innere und äußere Spannung; alles ist eindeutig
vortreten und an deren innersten Regungen der und platt und allein auf die Handlung und die in
Leser unmittelbar teilnehmen kann. )) Diese le- der Vorrede explizierte Moral ausgerichtet. Das
bendige Gemählde nehmen die Gemüther der Ju- fällt besonders bei der Clarissa auf, dem komple-
gend durch unwiderstehliche Reize ein. Sie erlan- xesten und differenziertesten Roman Richard-
gen auf diese Art eine Kenntniß der menschlichen sons. Während z.B. der auktoriale Erzähler der
Natur und der Welt, und bekommen eine Erfah- Kurzfassung von vornherein weiß, daß Lovelace
rung, die ihnen sonst nur eine lange Reihe von ein Schurke ist, enthüllt sich in der Clarissa das
Jahren zuwege bringen konnte« (Vorrede des Au- Ausmaß seiner Intrigen erst allmählich - feilich
tors). nur dem Leser, während Clarissa selbst noch lan-
Diese an die moralische Unterweisung der ge ahnungslos bleibt. Oder es bleibt unklar, was
Jugend gestellten Forderungen scheinen dem Be- Lovelace an Clarissa anzieht, und umgekehrt, daß
arbeiter am ehesten in den Werken des von ihm auch Clarissa eine Neigung für ihn entwickelt.
hochgelobten Richardson verwirklicht zu sein. Vor allem bleibt ausgespart, daß Clarissa diese
Sie geben den herrlichsten moralischen Unter- Neigung lange Zeit nicht wahrhaben will, weil ih-
richt, ))indem alle zufällige Ereignisse [ ... ] selbst re Vernunft sie nicht gutheißen kann- eine Selbst-
beynahe jede Tugend einschärfen, und für das La- täuschung, an deren Ende freilich Clarissas er-
ster einen gerechten Abscheu erwecken, ohne erst schrockene Erkenntnis steht, daß ihr Grundsatz,
diese Lehren in unnöthige Anmerkungen und nur nach Maßgabe ihrer Vernunft zu lieben und
weitläufig ausgearbeitete Ausschweifungen um- zu hassen, nicht so leicht durchzuführen ist (vgl.
zubilden«. Während den Mädchen die Unschuld Watt 1974). Solche und andere Widersprüche, die
der Pamela zur Nachahmung dienen soll, könne in der im Vorwort (der Kurzfassung) extrapolier-
die männliche Jugend am Beispiel des Herrn B. ten Moral keineswegs aufgehen, werden nicht
den Verführer unschuldiger Mädchen verab- dargestellt, sondern im Sinne einer eindeutigen
scheuen lernen. Clarissa wird beiden Geschlech- Moral eingeebnet.
ternaufgrund der Unerschütterlichkeit und Stär- Von der Clarissa erschien 1788/89 eine deutsche
ke ihrer Tugend als Vorbild empfohlen, während Bearbeitung »für deutsche Mädchen«: Friedrich
Lovelace den Jünglingen als abschreckendes Bei- Schulz: Albertine. Richardsons Clanssen nachgebildet
spiel eines Bösewichts dienen und die Mädchen und zu einem lehrreichen Lesebuch für deutsche Mäd-
vor einem Liebhaber warnen soll, der keine Tu- chen bestimmt. 5 Teile. Zur Rezeption und Wirkung der
gend hat. Grandison dagegen ist die Figur, die Romane Richardsons vgl. Grenz (1981 ). G.
den Jünglingen als leuchtendes Vorbild vor Au-
gen gestellt wird.
Auf die vorgenommene Kürzung wird nur
kurz eingegangen. »Viel« mußte weggelassen 1767/69
werden, »um den erhabenem Figuren Platz zu Christian Felix Weiße:
machen, und sogar einige von den bewunderten
und rührenden Sätzen hat man übergehen müs-
Lieder für Kinder.
sen, weil es unmöglich war, sie alle in einem so Leipzig 1767.
schmalen Umfang darzustellen«. Keinesfalls ha- -Zugabe zu den Liedern für Kinder.
be man mit den Kürzungen das Original ))be- Leipzig 1769
schimpfen« wollen.
Die vorliegende Bearbeitung von Richard- Die Sammlung war zunächst für kleinere Kinder
sons Pamela, Clarissa und Sir Charles Grandison bestimmt, denen die Lieder vorgesungen werden
87 Unterhaltende Schriften 88

2 t eb er
singen, tanzen, scherzen,/Nur verscherzt die Tu-
gend nie!« Weiße wendet sich auch an Kinder, die
seine Lieder bereits selbst singen können. So fin-
filr den sich einige Lieder, die mit verteilten Rollen

st •
n b t r,
vorgetragen werden sollen.

l Die Liederfor Kinderumfassen insgesamt 54 Tex-


te, in denen häufig mit Hilfe von bildhaften Beispielen
t>frmt~rtt Qtu~ag<.
aus dem Tier- und Pflanzenreich eine moralische Lehre
vermittelt wird. Einige Lieder zeigen deutliche Anklän-
ge an die Fabel : »Der Sperling und das Turteltäub-
~it neu r n g»r(obirn
chen«, S. 21; »Die Dohle und die Nachtigall«, S. 27).
••• Es finden sich Lieder, in denen ein Geschehen, ein Er-
lebnis besungen wird (z.B. »Der Apfel«, S. 9; »Der
~of:ann ~bam ~illtr.
Fisch an der Angel«, S. 14; »Die Furcht« u.a.), und sol-
che, in denen allgemeine moralische Gedanken, Be-
trachtungen, Mahnungen und Vorsätze formuliert wer-
den: u.a. »Lob der Unschuld«, S. 3; »Die wahre Grö-
ße«, S. II; »Der wahre Reichthum«, S. 13; »Die
Freundschaft«, S. 23. Sodann enthält die Sammlung
Lieder, in denen bei steter Lobpreisung Gottes die
Schönheiten der Natur und die weise Einrichtung der
Welt besungen werden: »Der May«, S. 7; »Die Sonne«,
S. 19; »Der Mond«, S. 48; »Der Morgen«, S. 61. In et-
lichen Liedern werden die Kinder mit Alter und Tod
konfrontiert (z.B. »Der Tod«, S. 8; »DerGreiß«, S.32)
und gleichzeitig ermahnt, sich in den Willen Gottes zu
ergeben (»Der Vorwitz das Künftige zu wissen«, S. 41)
und auf das ewige Leben zu hoffen (»An den Schlaf«,
S. 24). Es überwiegen vierzeitige und sechszeitige Stro-
{!tip;ig, phen, die in Kreuz- und Paarreim gehalten sind und vor-
~'9 !liMbmannl! !!r&tn unb !Xthf}. 17~.
rangig vier Hebungen aufweisen.
Die Liedersammlung enthält drei unsignierte
Kupfertafeln. Das Frontispiz zeigt eine Mutter oder
Weiße, Christion Felix: Lieder für Kinder, ver- Amme, die einem Kind in der Wiege aus einem Lieder-
mehrte Auflage. Mit neuen Melodien von Johann buch vorsingt. Auf der Titelvignette sind drei spielende
Adam Hiller. - Leipzig 1769 (Nr. 973). Titelvi- Putten abgebildet: zwei Jungen mit Trommel und Stek-
gnette von Stock kenpferd und ein Mädchen mit Puppe. Die Schlußvi-
gnette stellt drei musizierende Kinder dar.
Die Zugabe zu den Liedern for Kinder umfaßt
insgesamt siebzehn längere Lieder, in denen die Reime
sollten. Zur Entstehung des Buches heißt es in abwechslungsreicher gestaltet sind. Es finden sich
Christion Felix Weißens Selbstbiographie (1806, sechszeitige Strophen, in denen vornehmlich die ersten
S. 129f.): »Im Jahre 1765 war Weiße zum ersten- beiden Verse als Paarreim, die letzten vier als Klammer-
mal Vater geworden. Seine innige Freude darüber reim abgefaßt sind, sowie Gedichte, bei denen die ersten
und die Anhänglichkeit an das kleine Geschöpf vier Verse als Kreuzreim, die letzten beiden paarreimig
ward Ursache, daß er oftmals in der Nähe dessel- vorliegen. Besungen werden auch hier zunächst allge-
ben war und die abgeschmackten Lieder der Am- meine Tugenden wie z.B. »Das Vergnügen wohl zu
me und Kinderwärterin singen hörte. Das brachte thun«, (S. 12); »Die Vorsicht«, (S. 20); »Falsches und
wahres Lob«, (S. 22) oder »Brüderliche Eintracht«, (S.
ihn auf den Entschluß, kleine moralische Lieder 26). Betrachtungen über Jugend und Alter werden in
für Kinder zu dichten.« In den Themen der Lie- den gebräuchlichen Vergleichen mit Blumen und Bäu-
der zeigt sich Weißes Absicht der vornehmlich men vorgenommen: »Die Rosenknospe«, (S. II) ; »An
moralischen Belehrung. So sollen die Kinder einen Baum im Herbste«, (S. 23). Sodann finden sich
frühzeitig auf den Weg der Tugend gebracht und Lieder zu bestimmten Anlässen und Themen: »An die
zu Aeiß und Pflichtgefühl, zu Liebe gegen Eltern Gesundheit«, (S. 3), ein Winterlied (S. 5), eine Aufmun-
und Geschwister, zu Mitleid und Hilfsbereit- terung zum Fleiß (»Der Aufschub«, S. 7), Naturlob
schaft, zu Bescheidenheit und Dankbarkeit ange- (»An einen Bach«, S. 9), Tierlieder (»Auf ein paar von
der Katze erwürgte Lachtauben«, S. 13; »Das
leitet werden. Im letzten Lied »Ermahnung an
Rothkehlchen«, S. 18; »An die Spinne«, S. 24) und
zwey Kinder« (S. 65 f.) wird diese Intention zu- schließlich ein Lied, in dem Nutzen und Wert der Bil-
sammengefaßt. In der letzten Strophe heißt es: dung besungen werden (»An die Bücher«, S. 15).
»Ja, geliebte, zarte Beyde,/Tausendmal umarm
ich Euch !/ Immerdar sey Eure Freude/ Eurer jetz- Die Aufmunterung zur Tugend ist das
gen Freude, gleich./Unschuld wohn in Euem Hauptziel dieser Sammlung.Weiße greift hierzu
Herzen ,IKeine Bosheit komm in sie !/ Ihr könnt häufig auf Tierlieder zurück, wobei die Nähe zur
89 Weiße, Lieder für Kinder, 1767/69 90

Fabel deutlich hervortritt. Weiße geht hier zwei euch wird fremde Weisheit mein:/lhr leuchtet
verschiedene Wege. Entweder ist die Lehre impli- mir in meinen Finsternissen/Und ladet mich zur
zit im Lied enthalten, oder aber sie wird ausdrück- Wahrheit ein :/Ihr tragt mich in die Zukunft hin/
lich auf den Menschen bezogen. Als Beispiel mag Und zeigt mir, was? warum ich bin./ I[ ... ] Und
das Lied vom »Fisch an der Angel« dienen. les' ich euch, ihr Dichter ewger Lieder,I Die ihr so
Zuerst wird das Treiben des Tieres beschrieben: schön die Tugend singt,/Und Adlern gleich, mit
»Das kleine Fischchen spielet hier/In silbernem heiligem Gefieder/Euch von der Erd am Himmel
Bach,/ Und hängt, volllüsterner Begier,I Bloß sei- schwingt:/So öffnet ihr mir Herz und Ohr/Und
nen Freuden nach.« Mit der Ankunft des Anglers bebet mich mit euch empor./ I [ ... )« (Zugabe,
setzt die Handlung ein, die damit endet, daß der s. 15 f.).
Fisch gefangen wird: »Die Ruthe mit der der An- Die Lieder »Die wahre Größe« (S. 11) und
gel spielt/Schon über ihn hin,/ Und voller Neube- »Das größte Glück« (S. 45) fassen die wesentli-
gierde schielt/Es bloß nach dem Gewinn./ /Es chen Intentionen des Verfassers zusammen. Im
naht sich schon- itzt schnappt es zu !/Was hast du ersten Lied ist der Ausgangspunkt der falsche
gethan?/Du blutest, armes Thierchen du,/0 bis- Ehrbegriff des Soldaten, den Weiße ablehnt:
sest du nicht an!« Die letzte Strophe enthält die »Der Krieger dürstet nach Ehre/In eisernem
moralische Lehre, die der Leser des Gedichts für Feld,/Und glaubt, er bau ihr Altäre,/Wenn man-
sich ziehen soll: »Mich reiße nie, was mir gefällt,/ cher edle Held/Von seinem Schwerdtstreich
Unprufend dahin !/Dein Beispiellehre mich die fallt./ /Und wenn er Länderverwüstet/Und Städ-
Welt/Und ihre Reizung fliehn!« (S. 14) te verbrannt,/Und sich auf Leichen gebrüstet/
Ein Themenschwerpunkt ist die Ermahnung Mit Blut bespritzter Hand;/Wird er oft Groß ge-
an die Kinder, dem äußeren Schein nicht zu ver- nannt./ /Doch wer sich selber bestreitet,/ Die Tu-
trauen, sondern stets darauf zu achten, ob ein gend verehrt,/Um sich das Glücke verbreitet,/
Mensch Tugend und Vernunft besitze. Die Sei- Und durch sein Beyspiel lehrt,/Ist nur des Na-
fenblase, Sinnbild für Glanz und Leichtigkeit, mens werth.« »Das größte Glück« sei es nicht,
wird unter anderem von Weiße als Symbol ge- » Reichthum, Ehr und Schätze« zu besitzen, son-
wählt: »Wie spielt die schöne Blase nicht/So bunt dern »des größten würdig« zu sein.
am goldnen Sonnenlicht?/ Allein, ein Hauch!
weg ist die Pracht,/ Und ihrer wird nicht mehr ge- Über das Ersterscheinungsjahr der Liederfür Kin-
der gehen die Meinungen auseinander. In der Selbstbio-
dacht./ /Ihr ist ein junges Herrchen gleich,/ Stolz graphie(1806, S. 130) wird 1766 als Jahrder ersten Ver-
auf sein Kleid, vom Golde reich,/ Selbst aber an öffentlichung angegeben. Hierzu heißt es weiter: »Der
Verdiensten leer:/Man nehm es ihm, so bleibt Dänische Capellmeister Scheibe hatte sie schon nach
nichts mehr.« (S. 15) Auch der bunte Schmetter- der Handschrift in Musik gesetzt. Ihm folgten, nachdem
ling, vormals noch als Larve >>ein kriechend garst- sie vermehrt im Druck erschienen waren, in Leipzig
ges Thier« dient dieser Belehrung. (S. 59) Aus- Hunger und Hiller.« Es ist jedoch davon auszugehen,
gangspunkt für einen tugendhaften Lebenswan- daß es sich dabei um zwei verschiedene Ausgaben han-
del müsse die Erkenntnis der zeitlichen Begrenzt- delt. Bei der in der Selbstbiographieerwähnten Ausgabe
könnte es sich um die bei Kayser vermerkten Lieder für
heit sein, aus der heraus sich der Mensch bemü-
Kinder, mit Melodien (2 Teile) handeln, die 1766 und
hen solle, seine Zeit nutzbringend für sich und an- 1768 in Altona erschienen und direkt- möglicherweise
dere anzuwenden: >>Wie muß mir jeder Augen- von Scheibe- vertont wurden. Kayser führt sodann das
blick/unschätzbar seyn!/Leg ich ihn ungenützt Werk Lieder für Kinder. Leipzig 1767 mit der Zugabe
zurück,/ So bring ich nie ihn ein.« (S. 25) Der Seil- zur I. Auflage von 1769 an, die in 2. Aufl. 1769 und in 3.
tänzer, dessen Kunst zwar selten sei und viel Mü- Aufl. 1770 veröffentlicht wurden. Weitere Ausgaben
he koste, bringe jedoch niemandem Nutzen, so mit Melodien von Hiller und Hunger datiert Kayser für
die Moral des Liedes »Der Seiltänzer« (S. 43). So 1775 bzw. 1772 ebenfalls in Leipzig bei Weidmann. Al-
sollen bereits Kinder auf die Kürze ihrer Jugend- lerdings existiert eine frühere Ausgabe: Lieder für Kin-
jahre aufmerksam gemacht und auf das Alter vor- der, vermehrte Auflage. Mit neuen Melodien von Jo-
hann Adam Hiller. (Leipzig: Weidmann 1769). Diese
bereitet werden. In der Zugabe schließt beispiels- Ausgabe ist inhaltlich identisch mit den Liedernfür Kin-
weise das Lied »An einen Baum im Herbste«, der der von 1767 und der Zugabe von 1769. Sie weist le-
den alternden Menschen symbolisieren soll, mit diglich geringfügige Veränderungen in der Reihenfolge
folgenden Zeilen: »Heil mir! ruft mich, einst ähn- der Lieder, im Stil, in der Orthographie und Interpunk-
lich Dir,/Des Lebens später Herbst zum Grabe,/ tion auf.
Und nehm ich diesen Ruhm mit mir,/Daß ich viel Der Aufbau der insgesamt 71 Lieder ist der glei-
Frucht getragen habe :/Daß ich nach Kräften je- che: zuerst werden die Noten für Klavier mit hand-
dermann/Genützt, gedient und wohlgethan!« schriftlichem Text der ersten Strophe abgedruckt, die
(Zugabe, S. 23) gewünschten Tempi sind darüber angegeben. Es folgen
jeweils die Titel der Lieder und die einzelnen Strophen.
Den hohen Wert der Verstandes- und Her- 1807 erschien bei Crusius in Leipzig eine von Weißes
zensbildungdurch intensive Lektüre betont Wei- Schwiegersohn Samuel Gottlob Frisch herausgegebene
ße in seinem Lied »An die Bücher« : »[ ... ] Ihr Sammlung unter dem Titel: Christian Feli.x Weiße'ns
lehret mich, was nöthig ist, zu wissen,/Durch Lieder und Fabelnfür Kinder undjunge Leute. Sie um-
91 Unterhaltende Schriften 92

faßt neben den Fabeln und Erzählungen insgesamt 116 stellten Ausgabe sowie der Zugabesind in dieser Samm-
Lieder, die in »Moralische Lieder«, »Religiöse Lie- lung abgedruckt. In der Vorrede des Herausgebers heißt
der<<, »Elegien« und »Lieder der Freude und des Scher- es hierzu: >>Es war der Wunsch des verewigten Weiße,
zes« eingeteilt sind. Auch die 54 Lieder der hier vorge- welchen er mehrmals gegen mich äußerte, und selbst in

Angenehme Bilder-Lust Der Lieben Jugend zur Ergätzung also eingerichtet. Nümberg um 1760 (Nr. 32).
Tafel 1 mit Titel

Angenehme Bilder-Lust Der Lieben Jugend zur Ergätzung also eingerichtet. Nümberg um 1760 (Nr. 32).
Tafel 19. »Das Schreiner Handwerk«
93 Iselin, Sammlung, 1768 94

den Aufsätzen zu seiner Biographie schriftlich hinter- viele Dinge die entweder irrig sind, oder doch bey
ließ, daß die Sammlung seiner Kinderlieder, welche er jungen Leuten irrige Begriffe erwecken können«
zuerst 1766 herausgegeben hätte, durch die Lieder für (S. III). Für Iselin ist die Lektüre »der unschuldig-
Knaben und Mädchen, wie durch die Fabeln und Er-
ste« und »der nützlichste Zeitvertreib für alle
zählungen, welche im Kinderfreunde, im Briefwechsel
des Familie des Kinderfreundes und in mehrem Ta- Stände und für alle Alter« (ebd. ), und insbesonde-
schenbüchern enthalten sind, möchte vermehrt und aufs re die Jugend müsse man frühzeitig an die geeig-
neue herausgegeben werden« (S. V f.). Frisch vermerkt nete Literatur heranführen. Dies stelle eines der
sodann, daß die Lieder dreimal in Musik gesetzt worden wirksamsten Mittel dar, »die Glückseeligkeit des
seien (Scheibe, Hunger, Hiller), und daß »die erste einzelnen Menschen, so wohl als den Wohlstand
Sammlung der Kinderlieder im Verlag der Weidmanni- der Gesellschaft zu befördern« (ebd.). Nach die-
schen Buchhandlung erschienen war, wo sie auch noch sen Grundsätzen habe er »eine Auswahl der be-
nebst den Melodien besonders verkauft wird« (S. IX). sten und der einfältigsten Stücke der deutschen
Die Liedersammlung Weißes fand große Verbrei-
Litteratur« getroffen (S. IV).
tung. Allgemein wird das »Auftreten des spezifischen
Kinderliedes« (Köster 1927, S. 103) mit dem Erschei- Iselin geht sodann gesondert auf bestimmte
nen dieses Werkes angesetzt. Baur (1790, S. 555) wür- Beiträge seines Buches ein. Die mythologischen
digt die Lieder fiir Kinder »wegen ihres treflichen Inn- Themen und das Feenmärchen sollen »zum Nut-
halts, als auch wegen ihrer Naivität und glücklich herab- zen und zum Vergnügen« der Kinder beitragen
gestimmten Tons«. So fand denn auch Weiße zahlrei- und ihnen begreiflich machen, »daß die göttliche
che Nachahmer in Schmidt, Lossius oder Burmann, wie Fürsehung die Tugend oft so unverhoffet beloh-
-so Köster- »ja immer die erfolgreiche Mittelmäßig- ne, und das Laster so unerwartet bestrafe, als es da
keit zur Nacheiferung anreizt, da das wirklich Große von den Feyen erzählet wird; daß unwissende
nicht nachgeahmt werden kann.« (S. I06). Ausführlich
Völker, die den wahren Gott zu miskennen das
setzt sich auch Schmidt (1974, S. 32 ff.) mit Weißes Lie-
dern auseinander, die er als »gereimte Lehren, ethische Unglück gehabt hätten, diese Ereignisse gerin-
Normen« charakterisiert (S. 36), denen »das Lyrische, gem Gottheiten oder Geistern zugeschrieben ha-
echtes Erleben und Empfinden« fehle (S. 35). Kunze ben; und daß die Feyenmährchen und die Mytho-
(1965, S. 122 f.) ist der Auffassung, der Anspruch Wei- logie aus disem Irrthume entstanden seyn.« (S.
ßes, die alten volkstümlichen Kinderlieder und -reime V). Der sachlich-belehrende Schlußteil der
durch »Kunstdichtung« zu ersetzen, sei unverzeihlich: Sammlung schließlich sei in der Absicht abgefaßt
>>Wie viele der Literatur verfallene Gebildete seiner Zeit worden, der Jugend »mehr als läre Namen« be-
vermochte Weiße zu reimen, nicht aber zu dichten. Sei- kannt zu machen. Es sei hierbei die Aufgabe des
ne Kindergedichte sind moralische Erbauungsliteratur
Lehrers, »dem jungen Leser von dem was vor-
für Eltern, zu erzieherischen Zwecken bestimmt.« Ein-
zig Schmidt führt neben aller negativen Kritik auch kömmt, was ein Staat, ein König, ein Minister,
Positives an, da Weiße mit seinen Liedern »eine Ideo- was schön, was nützlich, was rühmlich, was
logie popularisiert« habe, »die behutsame bürgerliche Handelschaft, was Gelehrsamkeit, was Freyheit,
Emanzipation« anstrebe: »Diese ideologiebildende was zu dem Besten der Staaten vorträglieh ist, ge-
und ideologieverbreitende Funktion wie die häufigen sunde und deutlich Begriffe beyzubringen«
und umfangreichen Auflagen der Weißeschen Lieder, (ebd.). Der Geschiehtsteil soll dem Lehrer dazu
sicher auch unterstützt durch die Sangbarkeit und Ein- dienen, seine Schüler mit den »wichtigsten mora-
gängigkeit ihrer den Zeitgeschmack treffenden Verto- lischen Wahrheiten auf eine angenehme Weise«
nungen, lassen es verfehlt erscheinen, Weißes pädago-
vertraut zu machen (ebd.), was auch in Verbin-
gisch orientierte Kinderlieder nur als unkünstlerisch zu
bezeichnen und sie damit summarisch abzutun.« dung mit dem Geographieunterricht geschehen
~-3~ H. könne. Im Anschluß an die Vorrede folgt ein Ab-
druck der leicht gekürzten Vorrede Johann Georg
Sulzers zu den Vorübungen zur Erweckung der
Alifmerksamkeit und des Nachdenkens, die 1768
1768 für den Unterricht am Joachimthalschen Gymna-
Isaak Iselin (1728-1782): sium zu Berlin veröffentlicht wurden. Iselin be-
dauert, daß ihm das Werk nicht früher in die Hän-
Sammlung dem Nutzen und dem Vergnügen
de gelangt sei, »weil er die Arbeit des berlinischen
der Jugend geheiliget. Philosophen sich sehr zu Nutz gemacht haben
Base/1768 würde, um der Seinigen eine höhere Vollkom-
menheit zu geben« (S. VI). So sehe er es als seine
Iselin wendet sich mit seiner Sammlung an Kin- Pflicht an, wenigstens die Vorrede Sulzers hier in
der von sieben bis zwölf Jahren, bei denen sie Auszügen wiederzugeben.
>>Nutzen stiften« soll (S. IV). Er möchte mit dieser
Schrift dem Mangel an geeigneten Büchern für Die Sammlung umfaßt insgesamt 63 Beiträge, von
denen nur der Geschiehtsteil »Kurzer Begriff aus der
Kinder abhelfen: »Die vortreflichsten Werke al- allgemeinen Geschichte« (S. 137-185) von Iselin selbst
ler Nationen sind voll von Sachen, welche die verfaßt wurde. Er erschien erstmals in einem Anhang
Kinder entweders nicht verstehen können, oder vermischter Schriften zu dem Werk Politischer Versuch
nicht verstehen sollen. In den besten Büchern sind über die Berathsch/agung (1761). Die überwiegende
95 Unterhaltende Schriften 96

Mehrheit der Texte stammt von Geliert (21 ), sodann fol- ehe wie auf die moralische Verfassung der Men-
genGleim (9), Weiße (8), Hagedom (6) und Gessner schen herausgesteHt Evander, der Sohn des grie-
(4). Besondere Würdigung erfahren Christian Felix chischen Herrschers Pyrrhus, und Alcimna, die
Weißes Lieder für Kinder ( 1766), die Iselin aus seiner
Tochter des vornehmen Hofmannes Arates, wer-
Kritik an den Produkten der pädagogischen Schriftstel-
ler ausdrücklich ausgespart wissen möchte (S. III). Et- den auf dem Land von Hirten erzogen, ohne ihre
was später äußert er den Wunsch, »daß der vortrefliche Abstammung zu kennen. Sie sind kräftig und ge-
Verfasser der Lieder für Kinder, sein glückliches Genie sund von der Bewegung in frischer Luft, der einfa-
ferner zum Besten der Jugend anwendete, und in dieser chen Kleidung und ihrer Arbeit. In der Stadt hät-
Absicht eine beträchtliche Anzahl von Fabeln, von Er- ten sie keine der ihnen jetzt gewohnten Arbeiten
zählungen, von Liedern, und von kleinen Lehrgedich- ausführen können; »daher haben reicher und
ten herausgäbe« (S. IV). Ferner sind vertreten: Licht- vornehmer Aeltern Kinder so oft einen schwach-
wehr und Haller mit je einer Fabel, E. v. Kleist mit einem chen Körper, einen schwachen Verstand und was
epischen Gedicht, Tessin mit einer moralischen Erzäh-
noch schlimmer ist, eine schwache Herrschaft
lung, Leprince de Beaumont mit einem Feenmärchen
und Werthmüller mit einer poetischen Abhandlung über sich selbst« (S. 104). Evander und Alcimna
über» Die vier Stuffen des menschlichen Alters« (S. 74). haben einfache Sitten, sie lieben dieNaturund se-
Sodann enthält die Sammlung zwei Schweizerlieder mit hen darin ihr höchstes Vergnügen; sie sind tu-
deutlich patriotischen Zügen. Insgesamt 15 Beiträge gendhaft, ehrlich, offenherzig, unschuldig und
wurden dem Werk Kleine Beschäftigungen für Kinder weise durch das Landleben geworden. Sie kennen
(1766) von Gottfried Benedikt Funk entnommen, dar- nicht die Intrigen der Hofleute, »welche mit dem
unter vier äsopische Fabeln. Funk hat die Texte z.T. ver- Prinzen so arglistig umgehen, daß er zu seinem
ändert und überarbeitet, um sie für Kinder verständli- Unglück entweder auf die kindische Einbildung
cher zu machen. Iselin will sich diesem Verfahren Fun-
fällt, er habe viele Vo11kommenheiten, die ihm
kes nicht anschließen und führt aus: »Erst nachdem di-
se Sammlung bereits schon lang entworfen war, wurden doch fehlen, oder sich die lächerliche Meynung in
dem Herausgeber derselben die kleinen Beschäftigun- den Kopf setzt, er sey schon von Natur besser, als
gen für Kinder bekannt. Er sah mit vielem Vergnügen, andere Menschen« (ebd.). Eines Tages erschei-
daß der einsichtsvolle Sammler derselben mit ihm in nen die Väter mit großer Gefolgschaft, um ihre
den meisten Stücken gleich dächte; und durch dessen Kinder abzuholen. Als diese ihre wahre Herkunft
vortrefliche Anmerkungen bewogen, verwarf er man- erfahren und über ihre zukünftige Lebensform in-
ches Stück, das bereits seiner Verzeichnis eingerücket formiert werden, sind sie nur schweren Herzens
war. Da er sich nicht erlauben durfte etwas an andrer bereit, ihr glückliches Leben mit dem Stadtleben
Schriftsteller Arbeiten abzuändern: ließ er solche lieber
bey Seiten. Nur glaubt er es verantworten zu können,
zu vertauschen. In Gesprächen mit den Gefolgs-
wenn er einige, die er sonst obwohl ungern würde weg- leuten ihrer Väter stellen sie die Wertvorstellun-
gelassen haben, mit den Aenderungen abdrucken Ii esse, gen der Hofleute in Frage und kritisieren das
welche sein Vorgänger bereits daran gemachet hatte.« Kriegführen, die Vergnügungen, das Streben
(S. IV) nach Ruhm und Reichtum. Evander lernt jedoch
eifrig das Regierungshandwerk und wird ein gu-
Ein herausragendes Thema der Sammlung ter Fürst.
ist die Lobpreisung der Natur. So findet sich ein Die Lebensführung der Menschen sollte von
kurzer Prosatext von Gessner. »Die Gegend im Tugend, Religion und Patriotismus geprägt sein.
Grase«, eine idyllische Naturbetrachtung, die am Häufig wird die Weisheit Gottes verwiesen und
Ende zum Sinnbild menschlicher Verhältnisse ge- der Mensch ermahnt, auch in Schicksalsschlägen
macht wird und den Wert eines tugendhaften aber auf Gottes Hilfe zu vertrauen, so wie Iselin es be-
einfachen Lebens dartun soll: »Zarte Kräuter reits in seiner Vorrede in bezugauf den Abdruck
winden sich durch das Gras mit schlanken Aesten des Feenmärchens »von dem Prinzen Fatal und
und mannichfaligem Laube; oder sie steigen aus dem Prinzen Glückhaft« formuliert hat (s.o.).
dem fetten Erdreiche über die andern Kräuter auf Das Märchen handelt von einer Fee, die den kö-
hohen saftigen Stengeln empor, und tragen Blu- niglichen Zwillingen zur Taufe ein Geschenk
men ohn allen Geruch; indeß daß die kleine nidri- macht. Der erste soll bis zum 25. Lebensjahr nur
ge Viole in bescheidenem Glanze am dürren Hü- Unglück haben und wird Fatal genannt, dem
gel steht, und die lieblichsten Düfte umher zweiten Sohn wird auf den Wunsch der Mutter ge-
streuet; So lebt in Dürftigkeit und nidrigem Stan- währt, daß ihm bis ins gleiche Alter alles gelingen
de manch tugendhafter Mann; welcher Vilen wird, weshalb er Glückhaft genannt wird. Fatal
nutzlieh ist; dagegen Vornehme und Reiche oft erfährt mancherlei Widerwärtigkeit. Von seinen
nur die Früchte des Landes verzehren, sich präch- Eltern wird er verstoßen, ärmlich muß er sich auf
tig kleiden, und müssig gehen« (S. 67). Sodann dem Land durchschlagen. Ungerechtigkeiten und
dient die Naturbeschreibung dem Lob Gottes, Härten muß er ertragen; aber durch sein Elend
wie es sich in zahlreichen Gedichten Gellerts fin- wird er stark, fleißig, gelehrt, heldenhaft, wohltä-
det. In Gessners Hirtenspiel »Evander und Al- tig. Sein leichtfertiges, aufbrausendes Tempera-
cimna« (S. 103 ff.) werden die Auswirkungen ei- ment wird gezügelt. Glückhaft hingegen wird stets
nes naturhaften Lebens sowohl auf die körperli- verwöhnt und mit Reichtümern überschüttet. Da
97 Pfeffel, Kinderspiele, 1769 98

er sich niemals anstrengen muß, wird er verweich- billigt worden« seien.-Göhring (1904, S. 37) zählt lse-
licht, boshaft, unwissend, tyrannisch und ängst- lins Sammlung unter die »besseren« Produktionen im
lich. Das Schicksal will es, daß Fatal Glückhaf- Rahmendieser Gattung. T. R./H.
tens Unmut erregt, so daß dieser seinen Bruder
köpfen lassen will. Allein die Gaben der Fee erfül-
len sich: Fatals Soldaten, die ihn als Heerführer
lieben, töten Glückhaft; Fatal wird befreit und er- 1769
hält die schöne Prinzessin des Nachbarreiches zur
Frau (S. 88 ff.). Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809):
Zwei Lieder besingen Treue, Tugend und Dramatische Kinderspiele.
Heldenmut der Schweizer, in denen das erste Lied Straßburg 1769
»Der Schweizer« beginnt mit folgenden Zeilen
(S. 69 f.): »Wer, Schweizer, wer hat Schweizer- Pfeffel hat seine 1769 unter dem Titel Dramati-
blut?/Der, der mit Ernst und frohem Muht,/ sche Kinderspiele erschienenen Dramen aus-
Dem Vaterlande Gutes thut,/In seinem Schoose drücklich für Kinder geschrieben und für sie in
friedlich ruht ;/Nicht förchtet seiner Feinde faßliche Prosa gekleidet. In seiner Vorrede zu den
Wut;/Indem fließt reines Schweizerblut«. Der Stücken beklagt er sich über den Mangel an
anschließende Text »Gemeineidgnössisches brauchbaren Schauspielen für die Schulbühne
Lied« (S. 70) behandelt mit patriotischem Pathos und betont, daß es ihm besonders darauf ankäme,
das Freiheitsstreben der Schweizer. So lautet die daß seine Kinderspiele dem Verständnis von Kin-
vorletzte der insgesamt elf Strophen (S. 73): dern voll zugänglich gemacht würden. So sollen
»Fremder Fürsten Feinde schlagen,/ Feil sein die Kinder Tugend und Laster nicht etwa nur
Blut und Leben tragen,/Schweizer, das ist Rase- nach ihren »Hauptzügen« unterscheiden lernen,
rey!/Das ist Knechtschaft! bleibet frey!/Sucht »sondern auch die Art einsehen, wie die Men-
bey keinem fremden Heere,/Sucht nur in der schen sie ausüben«. Pfeffel besteht darauf, auch
Freyheit Ehre,/Stärke in der Eintracht nur,/Lieb- das Böse auf die Kinderbühne zu stellen. Er will
lingssöhne der Natur«. Die moralischen, religi- dem Kinde - wenn auch mit Behutsamkeit - die
ösen und patriotischen Elemente des Werkes er- ganze Wirklichkeit vor Augen führen und das Bö-
scheinen gebündelt in Werthmüllers Abhandlung se folglich »nicht immer unter dem Bilde einer
»Die vier Stuffen des menschlichen Alters« (S. 7 4 Hyderzeigen; diese Gestalt ist seine gewöhnlich-
ff.). Der unschuldige, fromme, elternliebende, ste nicht; es hat tausenderley Masken, womit es
fleißige Knabe entwickelt sich zum wissensdursti- sich bedeckt, und nie ist es gefährlicher, als wenn
gen, sittsamen, nach Vernunft und Weisheit, Frei- es de~ blendenden Putz der Sophisterey entleh-
heit und Tugend strebsamen Jüngling; dieser hei- net« (Vorrede).
ratet, um sich gemeinsam mit seiner Frau der Kin- Es geht Pfeffel nicht mehr in erster Linie um
dererziehung anzunehmen und in Fleiß, Spar- die korrekte Deklamation der Rollen, sondern um
samkeit und Menschenliebe als patriotischer Bür- das sie begleitende inhaltliche Verständnis als
ger zu leben, bis er als frommer Greis ausruhen Voraussetzung für eine Identifikation und Nach-
dürfe, von allen als wohltätiger Christ und patrio- ahmung durch das Kind. Das dramatische Kin-
tischer Bürger geehrt und geliebt. Schließlich derspiel erkennt er als ein besonders geeignetes
nimmt er Abschied von seiner Frau, um heiter zu Instrument, Kinder aufvergnügliche Weise zu be-
sterben. lehren und zu bessern und ihnen über Handlung
Iselins Sammlung erschien in weiteren Auflagen eine »sinnliche Moral beyzubringen«. So kommt
1773 und 1776. Die zeitgenössischen Rezensionen be- es ihm weniger auf die Wirkung seiner Kinder-
ziehen sich überwiegend auf die zweite verbesserte Auf- spiele beim Zuschauer an, als vielmehr auf die
lage von 1773, die in zwei Bänden veröffentlicht wurde.
Aus Götz' ( 1780, S. 18) Besprechung geht hervor, daß sinnlichen Erfahrungen der Akteure selbst. Seine
bei dieser Ausgabe noch Texte von Lessing und Uz hin- Vorstellungen, das Kinderschauspiel solle »unter
zugefügt worden sind. Er rezensiert das Werk wohlwol- dem Scheine der Ergötzung lehren und bessern«
lend, kritisiert allerdings, daß einige Beiträge nicht für und »aus der Sittlichkeit sein Hauptwerk« ma-
Kinder geeignet seien. Baur ( 1790, S. 193) würdigt das chen, decken sich weitgehend schon mit denen
Leben und Schaffen Iselins ausführlich. Für ihn ist Ise- seiner Nachfolger. Wie diese erklärt Pfeffel sich
lin »einer der wenigen Sittenlehrer, deren Leben ihren bereit, für seine moralischen und pädagogischen
Glauben an ihre Lehre beweist«. Die Sammlung emp- Zwecke ästhetische Einbußen in Kauf zu neh-
fiehlt Baur eindringlich zur Lektüre, und zwar in der men: >> Uebrigens muß man in diesen Spielen kei-
Reihenfolge zwischen Funks Kleine[n] Beschäftigungen ne ausführliche Handlung, keine Mannigfaltig-
und Sulzers Vorübungen. Funk selbst geht in seiner Vor-
rede zur zweiten Auflage seiner Sammlung von 1772 auf keit der Situationen, keine ausgemalte Karaktere,
Iselins Kritik ein und hält ihr entgegen, daß sie »auch keine Gradation des Affects; mit einem Worte,
von einem lselin, Sulzer, Basedow sc. dadurch, daß sie man muß nichts darinnen suchen, was mit denen-
viele dieser Stücke mit allen von mir gemachten Aende- gen Gränzen nicht bestehen kann, die ich bey mei-
rungen in ihre Sammlungen aufgenommen, thätig ge- ner Absicht mir setzen mußte.«
99 Unterhaltende Schriften 100

Neben der schon im Vordergrund stehenden gabeder Festung zu bewegen, die er auf Dauer ohnehin
unterhaltenden und belehrenden Funktion seiner nicht halten könne. Artbur lehnt Fairfax' Ansinnen je-
Kinderspiele sollen diese aber doch noch die doch ab, weil er sich nicht in den Dienst seiner Pläne ge-
Zwecke des alten Schultheaters übernehmen. Sie gen den Vater stellen lassen will. Er wird dabei von sei-
nem Freund Edmund unterstützt, der mit ihm zusam-
sollen an eine »artige Leibesstellung« und »ge-
men vergeblich einen Fluchtversuch unternimmt. Dar-
wisse Sprache der Geberden« gewöhnen und aufhin droht Fairfax seinem Widersacher mit der Hin-
nicht zuletzt auch eine rethorische Übung darstel- richtung Arthurs, wenn er nicht zur Kapitulation bereit
len. Deshalb sind diese Spiele im Gegensatz zu ist. Fairfax' Pläne scheitern aber am Heldenmut vön Va-
den deutschen Kinderschauspielen seiner Nach- ter und Sohn, die für ihren König zu jedem Opfer bereit
folger für eine öffentliche Aufführung auf der sind, und an dem Widerstand und der treuen Freund-
Schulbühne entworfen. Pfeffel berichtet in seiner schaft seines eigenen Kindes, das sich zusammen mit
Vorrede davon, daß seine Dramatische[n] Kinder- dem Freund opfern will. Angesichts solch bewegender,
spiele von 6-9 jährigen Knaben aufgeführt wor- edler Tugendbekundungen gibt Fairfax seinen Plan reu-
mütig auf. Er und Cape! scheiden in gegenseitiger Ach-
den seien, woraus wohl geschlossen werden darf,
tung und führen den Kampf auffaire Weise fort.
daß er dieses Alter auch als Adressatengruppe an-
sprechen wollte. Pfeffel stellt in diesem Kinderschauspiel den
jungen Edmund in den Konflikt, zwischen zwei
»Darnon und Pythias«: Der Grieche Darnon ist
moralischen Prinzipien, dem kindlichen Gehor-
vom Tyrannen Dionys wegen angeblichen Betruges
zum Tode verurteilt worden, erhält jedoch von diesem sams und dem der Freundestreue, sich entschei-
die Erlaubnis, vor seiner Hinrichtung von seinen Ange- den zu müssen. Er zeigt, daß Edmund gegen die
hörigen in Korinth Abschied zu nehmen. Sein Freund Tugend des kindlichen Gehorsams, die er im
Pythias verbürgt sich mit seinem Leben für seine Rück- Grunde anerkennt, verstoßen muß, um das mora-
kehr. Celon, der Günstling des Tyrannen, und der lisch Gute durchzusetzen. Ähnlich wie in )) Da-
Schiffshauptman Patin ur, der Darnon zu seiner Familie mon und Pythias« genügt auch hier das morali-
bringen soll, schmiedenjedoch eine Intrige. Aufheimli- sche Musterbeispiel, damit die fehlerhafte Figur
chen Befehl von Celon stürtzt Palinur den Darnon auf ihr sittlich unrechtes Handeln erkennt und über-
der Überfahrt nach Korinth ins Meer und behauptet ge-
windet. Mit der Figur des Lord Cape! illustriert
genüber Dionys und Pythias, Darnon habe seinen
Freund verraten und sei nicht zuriickgekehrt. Pythias Pfeffel die Tugenden der Königstreue und der
vertraut seinem Freund dennoch fest; er glaubt nicht an Pflichterfüllung.
dessen Betrug und ist mit Freuden bereit, sein Leben für
ihn zu opfern. Darnon kehrt - durch eine günstige
Schicksalswendung gerettet- im letzten Augenblick zu-
rück und entdeckt dem König das intrigante Verhalten
Celons und Palinurs. Dionys ist von der aufrichtigen
Freundschaft zwischen Darnon und Pythias gerührt,
schließt sich dem Freundschaftsbund an und schenkt
beiden das Leben. Auf Fürbitte der beiden Freunde
bleibt den Verrätern der Tod erspart.
Der Handlungsaufbau dieses in Prosa abge-
faßten Schauspiels ist einsträngig und linear. Es
geht Pfeffel darum, den Wert und die Schönheit
aufrichtiger und treuer Freundschaft zu demon-
strieren. Zur Veranschaulichung dieser Tugend
verwendet er eine außergewöhnliche Bewäh-
rungssituation, in der seine tugendhaften Modell-
figuren durch ihre Standhaftigkeit Rührung und
Spannung erzeugen und zur Identifikation anre-
gen. Pfeffel zeigt, daß das sittlichgute Beispiel des
Freundespaares Darnon und Pythias selbst das
Herz eines absolutistischen Herrschers rühren
und zur Umkehr bewegen kann.
»Die Belagenmg von Glocester«: Lord Fairfax,
Feldherr des englischen Parlaments, versucht vergeb-
lich, die vom königstreuen Stadthalter, Lord Cape!, ver-
teidigte Festung Glocester einzunehmen. Er beschließt
daher, Lord Cape!, dessen Heldenmut und Pflichtbe-
wußtsein er zwar bewundert, aber auch fürchtet, durch
eine List zur kampflosen Übergabe der Stadt zu zwin- Gottlieb Konrad ffeffel (1736-1809). Abbildung
gen. Aus London läßt er heimlich seinen Sohn Edmund entnommen aus: Guhde, Edgar: Gottlieb Konrad
und dessen Freund Arthur, den Sohn von Lord Cape!, ffeffel. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des El-
kommen und fordert Arthur auf, seinen Vater zur Über- saß. - Winterthur 1964
101 Moissy, Spiele der kleinen Thalia, 1770 102

»Die Gefahren der Verführung«: Der junge Rö- tische Erscheinungsform, wird jedoch einhellig aner-
mer Askan ist von seinem Freund Mela dazu angestiftet kannt. Göhring ( 1904, S. 80) und Köberle ( 1972, S. 115)
worden, seinem Vater Probus Geld zu stehlen und die- rechnen sich noch vorwiegend zu den alten Schulkomö-
ses zu verspielen. Kurz darauf bereut Askan seine Tat dien. Während Göhring verächtlich davon spricht, daß
heftig und sieht im Selbstmord den einzigen Ausweg aus »in diesen von Schwulst starrenden Schulkomö-
seiner Lage. Mela, der die Rache des Probus fürchtet, dien[ ... ] das Herkömmliche schon schwach mit moder-
überredet Askan jedoch, seinen Vater zu vergiften, um nen Anschauungen durchsetzt[ ... ]« sei (S. 80 f.), sieht
ihm diesen schrecklichen Kummer zu ersparen. Askan Egon Schmidt »produktive Ansätze für ein realistisches
verfällt in seiner Verzweiflung zunächst dieser tödlichen Kinderschauspiel« in der am historischen Stoffvermit-
Logik und entschließt sich aus Liebe zu seinem Vater telten Belehrungs- und Erziehungsfunktion und dem
zum Mord. Als er aber seinem zärtlichen und besorgten Bemühen, »Gewichtigkeit und Bedeutung mit den psy-
Vater gegenübersteht, erweist er sich als unfähig, sein chischen Besonderheiten des Kindes« (Schmidt, 1974,
Vorhaben in die Tat umzusetzen. Daraufhin versucht S. 52) zu vereinigen. Minor (1884, S. 50) erhebt Preffel
Mela, den Probus zu töten, wird aber vor Ausführung sogar zu einem der ersten, wenn nicht dem ersten »Be-
des Mordes von den Göttern mit dem Tode bestraft. gründer der dramatischen Kinderliteratur« und das Le-
Probus verzeiht seinem reuigen Sohn, an dessen Tugend xikon der Kinder- und Jugendliteraturpreist sein Bemü-
er nicht gezweifelt hat. hen, ȟber die engen Zwecke des Schuldramas hinaus,
Ansätze zu einer ästhetischen Bildung und Erziehung«
»Die Gefahren der Verführung« ist das kür- (3. Band, 1979, S. 33) entwickelt zu haben. C.
zeste der drei Kinderspiele Pfeffels. Die Hand-
lung ist auf eine prägnante Situation zusammen-
gedrängt und stellt mehr als die anderen beiden
Schauspiele Pfeffels den moralisierenden Dialog
in den Vordergrund des Geschehens. Pfeffel will 1770
die Gefahren der Verführung zum Laster durch
schlechten Umgang verdeutlichen. Mela verkör- Alexandre Guilleaume Mouslier de Moissy
pert als Verführer das Böse schlechthin, während (1712-1777):
Askan tugendhaft angelegt ist und nur durch den Spiele der Kleinen Thalia. Oder: Neue
schlechten Einfluß Melas vorübergehend dem
kleine dramatische Stücke über
Laster verfällt. Seine rechtzeitige Reue und die
verzeihende Liebe seines Vaters ermöglichen ihm Sprüchwörter, zu Bildung der Sitten der
die Besserung und Umkehr. Kinder und jungen Leute von fonf bis
zwanzig Jahren. Aus dem Französischen
Preffels Dramatische Kinderspiele haben in den
tonangebenden Kinderschriften und Rezensionsorga-
übersetzt.
nen seiner Epoche eine zwar positive, aber doch ver- Berlin 1770
gleichsweise zurückhaltende Aufnahme gefunden. Der
Herausgeber der Kinderbibliothek fiir Aeltem und Er- Wie bereits dem Titel zu entnehmen ist, richtet
zieher, G. F. Götz, erwähnt die Spiele kurz, lobt ihre sich das Werk an Kinder und junge Leute von
»faßliche Sprache« und hebt hervor, daß sie »sehr viele
fünfbis zwanzig Jahren. Im Vorbericht legt Mois-
Kenntniß des menschlichen Herzens verrathen« (1.
Stck. Frankfurt a.M. 1780, S. 15). Soweit ermittelt, hat sy seine didaktischen Intentionen ausführlich
die Erstausgabe aus dem Jahre 1769- von einem Nach- dar. Mit der Aufforderung, »der Erziehung nüzli-
druck in Dillingen 1771 abgesehen- keine Neuauflage chere und angenehme Wege zu zeigen, als bisher
erlebt, noch sind die Spiele vollständig odervereinzelt in bekannt sind« (S.III), wendet sich Moissy an die
einer der zahlreichen Wochenzeitschriften für Kinder Schriftsteller. Er selbst ist dieser Aufforderung ge-
oder Erzieher abgedruckt worden, die im zweiten Drit- folgt; er will die Kinder »für die Welt« (S. IV) un-
tel des Jahrhunderts in so großer Anzahl in Erscheinung terrichten, indem er ihnen die ihrem Alterund den
traten. Lediglich Sartorius hat »Die Belagerung von verschiedenen Ständen entsprechende Tugenden
Glocester« in den ersten Teil seines Theater[s} fiir die
auf möglichst leichte und angenehme Weise ver-
Jugend (3 Teile. Frankfurt a.M. 1782-85) aufgenom-
men und zählt sie neben anderen zu den »besten Stük- mittelt. Eine Aufführung seiner Kinderdramen
ken dieses Zweigs der deutschen Literatur«, von deren voraussetzend, hofft er, daß diese über die morali-
Nutzen als »Übungen zur Bildung des Verstandes und sche Belehrung hinaus den Kindem helfen, »mit
Herzens« (Vorrede) er sich überzeugt äußert. »Damon Zuversicht sprechen, und von selbst sich über Sa-
und Pythias« ist in der von Joh. D. Leydings 1778 her- chen, die ihnen angehen, die sie ergözzen, und die
ausgegebenen Handbibliothekfiir Kinder(2. Bd. Rens- sie intereßiren, unterreden [zu] lernen« (S. VI). Er
burg und Leipzig 1778) abgedruckt. schlägt vor, die Stücke »theils aus dem Gedächt-
In den beiden nachfolgenden Jahrhunderten ha- niß, theils aus dem Stegereif« vorzustellen, damit
ben diese Kinderspiele Preffels in der Geschichtsschrei-
die Kinder lernen, »mit einer anständigen Zuver-
bung eine recht unterschiedliche Aufnahme erfahren:
Die Bedeutung von Preffels Dramatische{n} Kinderspie-
sicht in einer Gesellschaft zu reden« (S. VII). Sei-
len als eine im Scheitelpunkt zwischen den alten Schul- ne kleinen Dramen sollen unter ihnen »eine leb-
dramen und den spezifischen moralisch-didaktischen, hafte Nacheiferung des Geistes entstehen [las-
in der bürgerlichen Alltagswelt angesiedelten Kinder- sen]«; so daß sie »alle insgesamt zu handeln, zu
schauspielen der Aufklärungsepoche stehende drama- reden, zu denken, und ihre Handlungen, ihre
103 Unterhaltende Schriften 104

Ideen und ihre Reden in schickliche Grenzen zu ralischen Aussage des jeweils einhergehenden
halten, anfangen« (S. VIII-IX). Sprichwortes, so daß dieses dann schwer oder gar
Den Spielen ist ein »Verzeichniß der Stücke nicht zu erraten ist.
mit dem Inhalt des moralischen Gegenstandes, »Das Vesperbrod«: Herr und Frau Blandineau
welcher unter einem jeden derselben abgehandelt sind mit ihren beiden Kindem für ein paar Monate aufs
worden« (S. X) vorangestellt. Das Werk enthält Land gezogen. Herr Bandineau hofft, seinem 8-jährigen
insgesamt 20 kleine Schauspiele, die jeweils einen Sohn dort die Fehler wieder abzugewöhnen, die er
moralischen Sachverhalt illustrieren sollen, der durch die falsche mütterliche Erziehung in Paris ange-
einem bekannten Sprichwort zugrunde liegt. Das nommen hat. Er macht seiner Frau zum Vorwurf, den
jeweilige Sprichwort soll nach der Lektüre bzw. Kindem »zu viel Stolz, zu viel Geschmack an Pracht in
der Kleidung und im Staat, zu viel Neigung zu denen
Aufführung des entsprechenden Stückes erraten
verführerischen und selbst gefährlichen Künsten« (S.
werden. Ein Verzeichnis der zu erratenden 147) eingeflößt zu haben. Vor allem stört ihn, daß sein
Sprichwörter wird am Ende des Bandes gegeben. Sohn sich »das Ansehen eines kleinen Marquis giebt,
Moissy führt in seinen kleinen Dramen tu- und einen verächtlichen Ton gegen diejenigen an-
gendhafte und lasterhafte Handlungen vor. Die nimmt, von welchen er glaubt, daß sie unter ihm sind«
Palette der angesprochenen moralischen Themen ( 148). Insbesondere wünscht Herr Blandineau, daß sich
reicht etwa von der Darstellung der Laster sein Sohn mit dem kleinen Gärtnerssohn Jannot be-
(Adels)-Stolz, Hochmut, Eitelkeit, Verschwen- freunde und diesen sich zum Vorbild nehmen möge,
dungssucht, Naschsucht und Aberglaube bis zur dessen »ganze Gemüthsart« und dessen »Annehmlich-
keiten und gute Gesinnungen« (S. 149) er schätzt. Über
Veranschaulichung von Fleiß, Natürlichkeit, Be-
diesen Punkt ist sich das Ehepaar Blandineau uneinig.
scheidenheit, Wohltätigkeit, kindlicher Liebe und Während Frau Blandineau die Befürchtung äußert, daß
Gehorsam. der in ihren Augen grobe und lasterhafte Jannot, von
Die kleinen dramatischen Stücke haben alle dem sie behauptet, er sei »unbedachtsam in seinen Re-
durchweg Gesprächscharakter; es fehlt ihnen der den, näschig, faul, lügenhaft, und selbst boshaft« (S.
»dramatische Knoten«, d.h. der die dramatische 150), die guten Sitten ihres Sohnes verderben könne,
Handlung in Gang setzende Konflikt und die Ver- wirft Herr Blandineau seiner Frau vor, sie verachte den
wicklung. Die Handlungen, deren Struktur ver- Jungen nur wegen seiner geringen Herkunft.
einfacht ist und die auf eine überschaubare Fabel Um sich von der Wahrheit zu überzeugen, verstek-
ken sich schließlich beide und beobachten ihre Kinder,
reduziert sind, werden in der Regel durch Intri-
die mit Jannot das Vesperbrod einnehmen sollen. Sie
gen, Bewährungs- und Tugendproben sowie werden alsbald Zeuge des unartigen Betragens ihrer
durch das Prinzip der Kontrastierung von bei- Kinder, die den Gärtnerssohn demütigen und maltrai-
spielhaften und fehlerhaften moralischen Hal- tieren und schließlich von ihm verlangen, daß er für sie
tungen vorangetrieben. Die Intrigen bestehen in Birnen aus dem Garten stehlen gehe. Jannot läßt indes-
der Hauptsache aus absichtsvoll arrangierten, der sen alle Grobheiten bescheiden und höflich übersich er-
Belehrung oder der Überführung der Lasterhaf- gehen, weigert sich abermit Bestimmtheit, die Birnen zu
ten dienenden Situationen. Dabei trägt die Dar- stehlen. »Ich willlieber Schläge aushalten, als etwas bö-
stellungsweise durchweg einen ernsthaften und ses thun« (S. 156). Die Szene genügt, um Frau Blandi-
neau von ihrem Irrtum zu überzeugen: »Ey! Ey! Ihr
z.T. moralisierenden Charakter. Im Gegensatz et-
seyd schöne Kinder, ich habe alles gehöret, wie ihr mich
wa zu den deutschen Kinderschauspielen der in der Erzählung von dem armen J annot alle beyde belo-
Epoche, verwendet Moissy keine ironischen, sati- gen habt. Er soll näschrig und fräßig seyn, er soll Birnen
rischen oder rührenden DarstellungsmitteL Seine stehlen, boshaft und lügenhaft seyn, da ihr es doch nur
Figuren sind längst nicht so erkennbar typisiert, seyd, die ihr alle diese Laster an euch habet. Es ist mir
so vorhersehbar in ihren Handlungsweisen, wie sehr lieb daß ich euch kennen lerne« (S. 157). Die Kin-
dies etwa bei den deutschen Kinderschauspielen der werden für ihre Fehler getadelt und bestraft; Jannot
der Fall ist. Da Moissys Figuren auf der anderen wird zur Belohnung an Sohnes statt angenommen.
Seite aber auch keine individuellen Charakterzü- »Das Vesperbrod « soll eine Lehre »in Anse-
ge tragen, wirken sie oftmals recht blaß und wenig hung der natürlichen Gleichheit« sein, »welche
einprägsam. Ihre Besserung und Einsicht erfolgt, hochmüthig erzogenen Kindern, die armer Leute
sofern es sich um fehlerhafte Typen handelt, mei- Kinder verachten«, gegeben werden kann
stens allzu unmotiviert und aufgesetzt als Folge (S. XIII). Sie wird begleitet von dem Sprichwort
von Drohungen, Züchtigungen oder abschrek- »Pauvrete n'est pas vice« (welches etwa dem
kenden Erfahrungen. deutschen Sprichwort »Armut schändet nicht«
Es gelingt Moissy nicht immer, den morali- entspricht). Moissy veranschaulicht diese Moral,
schen Gehalt des jeweiligen Sprichwortes mit den indem er den in der Stadt zu Eitelkeit, Hochmut
des jeweiligen Stückes erklärten pädagogischen und galantem adeligen Lebensstil erzogenen
Absichten und der Wahl und Darstellung des Blandineau-Kindem die natürlichen, ehrlichen
Stoffes in einen einsichtigen und erhellenden Zu- und unverdorbenen Gesinnungen und Haltungen
sammenhang oder gar Einklang zu bringen. Der des Landkindes Jannot gegenüber stellt. In der
moralisch-belehrende Inhalt seiner kleinen Dra- Auseinandersetzung des Ehepaars verkörpert
men deckt sich nicht in allen Stücken mit der mo- Frau Blandineau die unaufgeklärte Gesinnung,
105 Moissy, Spiele der kleinen Thalia, 1770 106

Moissy, Alexandre Guilleaume Mouslier de: Spiele der Kleinen Thalia.- Berlin 1770 (Nr. 594). Kupfer-
stich-Frontispiz von C. L. Crusius nach Eisen
107 Unterhaltende Schriften 108

während ihr Mann die Tugend als das Wichtigste die Form eines spezifischen Kinderschauspiels.
in der Beurteilung eines Menschen ansieht: »Er Das Neuartige daran war, daß diese kleinen Kin-
ist nur eines armen Gärtners Sohn; aber er ist der derdramen neben dem Aufbau nach Altersstufen,
Sohn eines ehrlichen Mannes, der andern Leuten Überschaubarkeit der Handlung und ihrer Spiel-
nützlich ist« (S. 149 f). Dies sei keine »gewöhnli- figuren Stoffe aus der Alltagswelt und dem unmit-
che Philosophie« - wie ihm von seiner Frau vor- telbaren Erfahrungs- und Erlebnisbereich der an-
geworfen wird - sondern gebe ihm »der gesunde gesprochenen Kinder aufgriffen, Kinder zu den
Menschenverstand« (S. 150) ein. Die »natürliche Trägern der Hauptrollen machten und sie in ei-
Gleichheit« aller Menschen betont Moissy noch nem für das Empfinden der Zeit »kindgemäßen«
in zwei anderen Kinderschauspielen: in »Der und vernünftigen Tonfall reden ließen. Die Spiele
kleine dreuste Bauer« und in »Das Kleid ohne haben als Idee eines spezifischen Kinderschau-
Tressen«. spiels mit unterhaltendem und moralisch beleh-
»Die Pocken«: Mamsel Larcis, ein ehemals sehr rendem Auftrag zweifellos auf die wenige Jahre
hübsches Mädchen, ist durch die Pocken völlig entstellt später in großer Anzahl entstehenden deutschen
worden. Ihre Mutter, die davon überzeugt ist, daß Kinderschauspiele eingewirkt, welche sich aller-
Schönheit für eine Frau das wichtigste Attribut darstellt, dings in ihrer dramaturgisch-didaktischen Struk-
will sie dazu überreden, sich ins Kloster zurückzuzie- tur mehr an den Modellen der bürgerlichen Ko-
hen, um so den Kränkungen zu entgehen, die sie durch
mödie der Gottsched- und Geliert-Ära orientier-
die Gleichgültigkeit der Männer erfahren würde. Mam-
sel Larcis hat sich jedoch mit dem Verlust ihrer Schön- ten.
heit abgefunden und gewinnt ihremUnglücknur die po- Die 1769 in Frankreich erschienen Spiele der klei-
sitiven Seiten ab. Sie will sich in einem »kleinen Circkel nen Thalia wurden bereits ein Jahr darauf in Berlin in
redlicher Leute, die das Herz und den Verstand doch et- französischer und in deutscher Sprache herausgegeben.
was schätzen, und die Reitzedergestalt als ein flüchtiges Neben verschiedenen Neuauflagen und Nachdrucken
Verdienst das nicht von uns abhänget, ansehen, ein- wurden immer wieder einzelne Stücke aus der Samm-
schliessen« (S. 238). Das Gespräch zwischen Mutter lung in den bekannten Wochenzeitschriften für Kinder
und Tochter belauscht der junge Dürce, der vor Mamsel abgedruckt, so z.B. in Böckhs Wochenschrift zum Besten
Larcis' Pockenkrankheit als ihr Verlobter galt. Er ist von der Erziehung der Jugend (Stuttgard 1771-72, 4 Bde.)
den guten »Eigenschaften des Herzens und den Reizen und in Adelungs Leipziger Wochenblatt fiir Kinder
des Geistes« (245) seiner ehemaligen Braut so angetan, (Leipzig 1773-75, 9 Tie.). Die Spiele fanden zunächst
daß er sie ohne zu zögern zur Frau begehrt: »[ ... ] und sehr viel Anklang, da es bis zu diesem Zeitpunkt noch
ich will, wenn Mamsel meine Hand annehmen will, kei- keine deutschen Kinderschauspiele ähnlicher Art gab.
ne andere Frau, indem ich den wenigen Werth, den ich So würdigen die Pädagogischen Unterhandlungen fiir
der äusserlichen Gestalt und den vernünftigen Vortheil, Erzieher(Dessau 1778) in ihrer Besprechung der Spiele
den ich den Eigenschaften des Herzens und den Reizen denn auch Moissys Verdienste um die Entwicklung ei-
des Geistes beylege, kenne« (S. 245). nes »muntern natürlichen Dialog[s]« sowie die »man-
Es ist Moissys Intention, mit diesem Stück nigfaltigen, aus dem wahren Kinderleben hergenomme-
»junge Frauenspersonen zu trösten, welche die nen Vorfallenheiten«, bedauern aber gleichzeitig, daß
er nicht ebenso gut »für die Sittenlehre der Kinder, als
Pocken verderben, und eine tröstliche Moral für fürihre Unterhaltunggesorgt hätte!« (S. 825)
junge häsliche Personen« (S. XIII) zu geben. Das Ferner beklagen sie- acht Jahre nach Erscheinen
kleine Schauspiel vermittelt die Erkenntnis, daß der Übersetzung der Spiele- daß Moissy noch in »vie-
das Äußere eines Menschen gegenüber seinem in- len Erziehungsstuben gebraucht wird, und zwar ohne
neren Wert unwesentlich ist. Zu erraten ist hier alle Unterscheidung dessen, was gut darinn ist, von
das Sprichwort: »A quelque chose Je malheur est dem, was nothwendig schaden muß« (S. 826). Es gebe
bon« (welches im Deutschen etwa »Glück im Un- Stücke darunter, die >>Unsere ehrlichen deutschen
glück« bedeuten könnte). Das Schauspiel besteht Grundsätze einer reinen Kindermoral vorzüglich zu be-
aus einer dramatisierten Gesprächsszene, in der leidigen schienen« (S. 829). C.
Moissy die fehlerhaften Ansichten den richtigen
der Mamsel Larcis gegenüberstellt. Den Aus-
schlag, und damit die Verstärkung dertugendhaf- 1771-1772
ten Haltung, gibt der junge Dürce. Indem er das
Wochenschrift zum Besten der Erziehung
entstellte Mädchen wegen ihrer Tugend zur Frau
begehrt, straft er die Mutter» Lügen«, die den äu- der Jugend. Herausgegeben von
ßeren Glanz für das Wesentliche einer Frau hält. Christian Gottfried Böckh (1732-1792).
Die Figuren des Stücks treten lediglich als Träger Bd.1-4.
der gegensätzlichen Standpunkte auf; sie sind we- Stuftgart 1771/72
der besonders stark typisiert, noch sind sie indivi-
dualisiert. Etwas unmotiviert gerät Moissy die Der Herausgeber wendet sich mit der Wochen-
Horchszene, die die Wende der Handlung zum schrift an »Personen von allen Ständen« (S. 11 ),
Guten bringt. um eine >>christliche und vernünftige Kinders-
Moissy's »Spiele der kleinen Thalia« stellten zucht« (S. 5) zu fördern und »die vortreflichsten
eine neue dramatische Form für Kinder bereit: Unterweisungen über die Erziehungbey Gelehr-
109 Wochenschrift, 1771/72 110

ten und Ungelehrten bekannter und gemeinnützi- ten zu hoffen« (S. 811 ). Sodann findet sich ein geson-
ger zu machen« (S. 8). Die beigefügten Stücke für dertes Kapitel, das sich ausführlich mit der Mädchener-
Kinder sollen »theils zur Abwechslung, theils zur ziehung befaßt (XXXXVII. Stück). In diesem Band
Unterhaltung der Eltern mit ihren Kindern Etwas wird mit den Reiseerfahrungen sogenannter »Erzie-
hungs·Kundschafter« begonnen, deren Berichte im
Lehrreiches und Angenehmes für die Jugend dritten und vierten Band fortgeführt werden. Im Kin-
selbst« beitragen (S. 16). Böckh will »Eltern, Leh- derteil finden sich neben den Gedichten, Fabeln und
rern und Kinderfreunden« »ohne viele Kosten Liedern, kleine Schauspiele von Moissy. Dieser zweite
den Kern aus den bewährtesten Erziehungs- Band verfolgt nicht mehr die rein theoretische, sachlich
Schriften« mitteilen (S. 7), um so »in der Abschil- orientierte Form im Rahmen der Erziehungsstücke, son-
derung der Pflichten einer rechtschaffenen Kin- dern vermittelt die Grunsätze in eingekleideter Form, in
derzucht die Labyrinthe von Schwierigkeiten Unterhaltungen, Erzählungen und Briefen, wodurch der
deutlich genug [zu] entwickeln, die sich bey der- Unterhaltungswert der Zeitschrift zunimmt.
selben wie Berge aufthürmen, und unverheirathe- Band 3 verfolgt sowohl formal als auch inhaltlich
ten Personen die Prüfung vorhalten, ob sie zu die Tendenz des vorangegangenen Bandes. Er enthält
künftiger Erziehung ihrer Kinder tüchtig genug 26 Erziehungstexte und 45 Beiträge im KinderteiL Der
inhaltliche Schwerpunkt liegt auf Ausführungen zur
sind« (S. 3 f.). In seinem Plan sei er »der Erzie- Töchtererziehung und auf medizinischen Ratschlägen
hungs-Kunst des Herrn D. Millers« gefolgt. zur Verhütung von Kinderkrankheiten. Die Kapitel zur
(S.l2). So unterscheidet Böckh, in der Folge der Mädchenerziehung setzen sich ausführlich mit den Ge-
Millerschen Grundsätze einer weisen und christli- danken Rousseaus und Basedows auseinander. Die
chen Erziehungskunst(l769), drei Erziehungsfor- aufgelockerte Vermittlungsform der Erziehungsvorstel-
men: »die allgemeine Privat oder häußliche«, lungen tritt hier verstärkt hervor. So dient das Lustspiel
»die öffentliche in Schulen« und »die besondere ))Der dankbare Sohn« von Johann Jakob Engel, mit
Privat, oder so genannte vornehme Erziehung« umfangreichen Kommentaren versehen, zur Veran-
(S. 12). schaulichung moralischer und erziehungstheoretischer
Vorstellungen. In Band 4 werden die letzten Punkte im
Die Wochenschrift erschien jeden Donnerstag. Erziehungsprogramm Böckhs abgehandelt: ))Von der
Die ersten beiden Bände der Buchausgabe umfassen öffentlichen Erziehung in Schulen« und )Non derbe-
den Zeitraum von Januar bis Dezember 1771, Band drei sonderen Privatodervornehmen Erziehung« (S.l3). Er
und vier das Jahr 1772. Das vorangestellte Konzept der umfaßt 26 theoretische Abhandlungen (XXVII.-
Zeitschrift ist denn auch auf zwei Jahre berechnet. Der LII. Stück) und 46 Texte für Kinder. Dieser Band be-
erste Band soll »mit der nöthigen Vorbereitung zum Er- faßt sich zunächst mit dem elementansehen Unterricht
ziehungs-Geschäft der Jugend« beginnen (S. 12). Er insbesondere auf dem Lande (XXVII.- XLI. Stück),
umfaßt 27 theoretische Abhandlungen zu Erziehungs- behandelt sodann die Lateinschulen (XLII.- L. Stück)
fragen, die häufig in Fortsetzungen erschienen, und 56 und beschließt das Gesamtwerk mit dem Bereich der
teils prosaische, teils poetische Beiträge für Kinder. Es ))Vornehmen Erziehung« (LI. und LII. Stück), wobei
handelt sich um Artikel zur »Erziehung der Jugend die Verfasser zu dem Schluß kommen, daß vieles "im ge-
überhaupt« (Il.- XIII. Stück). Hierzu gehören insbe- genwärtigen Schulunterricht verbesserungswürdig sei.
sondere Ausführungen zu den Erziehungspflichten der Die Texte für Kinder finden sich jeweils am Ende
Eltern, Lehrer und der Obrigkeit. Die Stücke XIV.- der theoretischen Abhandlungen. Sie sind inhaltlich
XXV. vermitteln einen Abriß der »Erziehungs-Ge- z. T. auf die Jahreszeit oder das Kirchenjahr bezogen.
schichte verschiedener Völker«. Behandelt wird die Oftmals bieten sie auch ihre Quintessenz der vorange-
Kindererziehung der Juden, Chinesen, Ägypter, der gangenen Erörterungen für Erwachsene. Daneben fin-
Perser, Griechen und Römer, sowie der Germanen und den sich jedoch auch Texte ohne ersichtlichen Bezug,
der ersten Christen. Abgeschlossen wird der Komplex die allgemeine Lebensweisheiten, Tugenden und Laster
mit einem » Beytrag eines Würtembergischen Gelehr- und auch religiöse Themen behandeln. Der Herausge-
ten, von der gegenwärtigen Lage der Erziehung, insbe- ber empfiehlt, diese Texte zur Grundlage von Gesprä-
sondere in seinem Vaterland« (S. 396). Die Texte für chen zwischen Eltern und Kindem zu machen, um da-
Kinder umfassen u. a. Fabeln von Lessing, Gleim und mit die Kinder zu selbständigem Nachdenken und Ur-
Lichtwer, Lieder, Gebete und Gedichte von Geliert und teilen anzuregen.
Weisse. Die Wochenschrift bietet eine Fülle von Quellen
Der zweite Band handelt über »Die allgemeine für den erziehungstheoretischen Teil, wobei der
Privat oder häußliche Erziehung, die den Eltern zu Schwerpunkt auf den Werken Millers liegt. Aus folgen-
Hauß oblieget, und sich von der öffentlichen in Schulen den Zeitschriften wurden u. a. Beiträge entnommen:
unterscheidet.« (S.l3) Er enthält 25 Abhandlungen zur Berlinisches Wochenblatt zum Besten der Kinder von
Erziehung (XXVIII.-LII. Stück) und 46 Beiträge für Samuel Krickende (1760-69), Unterhandlungen mit
Kinder. Die Texte befassen sich mit Schwangerschaft Menschenfreunden von Johann Bemhard Basedow
und Geburt, geben Gesundheitsregeln zur Ernährung (1768/69), Magazin for Schulen und die Erziehung
und Kleidung von Säuglingen und Kindern, beschäfti- überhaupt von Johann Friedrich Schöpperlin
gen sich mit der religiösen und der Charaktererziehung (1766-72), Schwabacher Schulzeitung von Johann
der Kinder und geben Beispiele für ein gutes und Christian Heinrich Brand (1763-65). Die Texte für
schlechtes Elternhaus. Der Band schließt mit einem Kinder stammen z. T. aus Leydings Handbib/iothekfor
»Prognosticon besserer Zeiten« (S. 809), in dem die Kinder und junge Leute ( 1770), Funks Kleine Beschäfti-
These aufgestellt wird: »Wenn sich die Erziehung der gungen for Kinder (1765), Weißes Lieder for Kinder
Jugend gründlich bessert: so hat man auch bessere Zei- (1766;) und Langes Briefefor Kinder(l767).
III Unterhaltende Schriften 112

Eltern und Lehrer sollten - so im dritten Interessant sind die Stellungnahmen der
Stück »Von der Wichtigkeit der Erziehung wegen Verfasser zu den Erziehungsvorstellungen Rous-
des großen Werths der Kinder« (Bd. 1, S.33 ff.)- seaus,jenes »berüchtigten Bürger[s] zu Genf[ ... ],
folgende fünf Gesichtspunkte beachten und zur den die der alten Weisheit und der christlichen
Grundlage ihrer Erziehung machen: »Kinder Wahrheit längst überdrüßige und eckle Welt
sind Geschöpfe Gottes. Kinder sind Menschen schon als den wiederauferstandenen Socrates
mit vorzüglicher Annehmlichkeit ausgeschmük- staunend anhörte, ja blindlings schon zu ihrem
ket. Kinder sind Christen und beyGottbesonders Lycurge wählte« (Bd. 1, S. 94). Entsetzt rufen sie
werth geachtet. Kinder sind Bürger der Welt und aus: »Wollen wir unsere Kinder, nach der Vor-
Glieder des Staats. Kinder sind zu großen Absich- schrift und dem Beyspiele dieses Rousseau, wie
ten bestimmt, und haben die Anlage dazu schon junge Thiere der Natur und sich selber überlas-
in sich« (Bd. 1, S. 41 ). Um diese Anlage zu entwik- sen; oder wollen wir ihnen mit eben den Kräften
keln, sei zum einen die Unterweisung in der aufhelfen, die wir selbst der Erziehung zu danken,
»Frömmigkeit« als »Hauptlektion in deutschen überhaupt aber zum gemeinen Besten empfangen
Schulen« unbedingt vonnöten (Bd. 3, S. 554), haben?« (Bd., S. 94 f.) So wird denn auch aus-
zum anderen müsse das Erziehungswesen stärker führlich auf das deutsche Gegenstück zu Raus-
den Bedürfnissen und Forderungen des Staates seaus Erziehungsroman Der neue Aemil, oder
angepaßt und die Unterweisung und Erziehung von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen
der Jugend zu »rechtschaffenen«, patriotischen (1768) von Feder eingegangen, der als positiver
Bürgern angestrebt werden. Beitrag zur Kindererziehung gewürdigt wird.
Die methodischen Ausführungen hinsicht- Zwar solle man grundsätzlich bei der Erziehung
lich der Erreichung dieses Ziel zeigen eine gewisse insbesondere »bey Bearbeitung der Seele der Na-
Distanz zu den Reformbestrebungen der Philan- tur folgen, und sie so bilden, wie sie sich nach und
thropinisten, wie sie in der von 1773 bis 1786 er- nach entwickle« (Bd. 2, S. 601 ), wobei alles dar-
schienen und von Böckh herausgegebenen Allge- auf ankomme, »daß ihr den Sinnen, den Empfin-
meine[n] Bibliothek filr das Schul- und Erzie- dungen, und der natürlichen Neigung eurer Kin-
hungswesen in Deutschland noch verstärkt her- der zum Vergnügen eine gute Richtung gebet«
vortreten wird. Zwar hebt die Wochenschrifthäu- (Bd. 2, S. 606). Doch bedeutet dies konkret, daß
fig die pädagogischen Unternehmungen Base- die Erzieher »dem Willen der Kinder eine Rich-
dows lobend hervor, zitiert ganze Passagen aus tung geben« sollten (Bd. 2, S. 631 ), was nur durch
dem Methodenbuch und den Vorstellungen an seine Unterdrückung erfolgen könne, wozu es
Menschenfreunde, doch setzen sich die Verfasser denn auch zahlreiche »praktische Anweisungen«
unter besonderer Wertschätzung der älteren Pä- gibt. Die Schilderung von Fällen, in denen Einge-
dagogen wie Thilo oder Schöpperlin und mit di- borenenkinder nach Europagebracht und hier er-
rekter Bezugnahme auf den Basedowgegner zogen wurden, sollen die These untermauern, daß
Schlözer von den pädagogischen Neuerern ab. es »bey der Bildung eines Menschen auf den Um-
Das Stück XXXIII. im vierten Band handelt gang mit Menschen ankomme« (Bd. 1, S. 90) und
»Von den Ursachen, warum die meisten Schulen daß »Menschen, ohne odervon schlechter Erzie-
noch immer so sind, wie sie sind« (Bd. 4, hung [ ... ] der menschlichen Gesellschaft in allen
S. 505 ff.) und enthält eine Unterredung zwischen Ständen schädlich« seien, »und darum [ ... ]die
Sirnon und Aeschines über dieses Thema, wobei rechtschaffene Erziehung der Jugend nothwen-
letzterer die Position der Wochenschrift vertreten dig« sei (Bd. 1, S. 91). Als Ideal gelten der Wo-
soll. Sirnon hält Basedow für einen Menschen, chenschrift jene Erziehungsgrundsätze, die ein
»der Projecte über Projecte entwirft, und unzähli- Vater in einem Schreiben an »die Erziehungs-
ge Revenüen verspricht, die ungemein viel Gutes Kundschafter« darlegt. Er gibt vor, er habe seine
und Brauchbares enthalten, aber nur im Ganzen Kinder »halb und halb« nach den Vorstellungen
nicht auszuführen sind, ob sie gleich auf dem Pa- Rousseaus erzogen, »nicht zwar, daß ich sie der
pier angenehm zu lesen sind« (Bd. 4, S. 511 ). blossen wilden Natur überlasse, aber doch ihrer
Aeschines stimmt dieser Aussage zu und fährt Freyheit« (Bd. 2, S. 719), wobei man nach folgen-
fort: »Doch Basedows Schul-Gebäude scheint dem Rezept zu verfahren habe: »Man lege der
weiter nicht gekommen zu seyn, als zum Riß auf Freyheit sanfte und unvermerkte Fesseln an; man
dem Papier, und der Herr Professor Schlözer so- schränke Freyheit durch Freyheit ein, und gebe
wohl als Andere, haben das Chimärische seiner ihr auf diesem Wege nach und nach eine gute
Vorschläge bereits aufgedeckt« (ebd.). Die Wo- Richtung« (Bd. 2, S. 721).
chenschrift plädiert für einen Mittelweg bei der
Marx (1929, S.l23) bezeichnet die Wochenschrift
schulischen Erziehung, auf dem man »das Alte
als »Vorübung« zur Allgemeinen Bibliothek und führt
und Neue mit einander prüfte, von beyden das zu Entstehung und Aufnahme der Zeitschrift aus:
Beste behielte, das Alte mit dem Neuern aufstutz- »Nachdem der Plan ausgeführt ist- innerhalb von zwei
te, und aus beyden ein verbessertes Ganzes for- Jahren-, wird das »Buch« geschlossen. Äußere Gründe
mierte« (Bd. 4, S. 512). können nicht die Ursache sein; denn das Unternehmen
113 Engel, Der Edelknabe, 1775 114

fand allgemeinen Anklang und wurde von dem aufstre- eher und auf das Wohl seiner Untertanen auf-
benden Verlag Cotta-Stuttgart getragen. Freund und merksam bedachter Fürst. Diese idealisierte Für-
Feind erkennen an, daß die Verfasser die Quintessenz stenfigur soll Engel laut Koberstein ( 1866, Bd.
aller seithefigen pädagogischen Literatur in sich aufge-
III., S. 3055) dem Herzog von Gotha nachemp-
nommen, sie geistig assimiliert und dann zugleich fach-
gerecht und volkstümlich wiedergegeben haben.« In funden haben; sie trägt aber zweifellos auch Züge
der zeitgenössischen Rezension von Samuel Baur Friedrichs II. Der von Engel dargestellte Fürst
(1790, S. 43) wird Böckhs pädagogisches Bemühen ent- führt nicht Krieg für seine dynastischen Ansprü-
sprechend gewürdigt. Die Wochenschrift sollte man che; er nimmt an kriegerischen Auseinanderset-
nicht »in die gemeine Klasse dieser Art von Blätter wer- zungen nicht aus »Neigung«, sondern aus »Not-
fen [ ... ],denn sie enthält viel Gutes, und trug vorzüglich wendigkeit« (S.47) teil. Zu dem Entwurf eines
in der damals noch ziemlich dunklen Gegend ihres Ver- idealen Herrschers im 18. Jahrhundert gehört
fassers viel zur Verbreitung richtiger Grundsätze bei.« auch, daß er sich der Bedeutung der Erziehung
Marx (S. 124) hebt insbesondere das Verdienst Böckhs
seiner Untertanen ordentlich bewußt ist, denn, so
hervor, das er sich durch die »Erforschung der konkre-
ten Volksschulverhältnisse« erworben habe, »die in Be- Engels Fürst: »Ohne Vermögen! ohne Unterricht!
richten über Besuche in den Schulen eine naturalisti- ohne Erziehung!- Wie soll das werden? Was soll
sche Darstellung finden«. H. da heraus kommen, Madame?« (S. 76). Folglich
besteht die Unterstützung des Fürsten in erster Li-
nie in einer ordentlichen und standesgemäßen Er-
ziehung des Edelknaben, um die er sich höchst
1772 persönlich bekümmert. Er lädt den Direktor eines
Erziehungsinstitutes zu einem Gespräch ein, in
Johann Jakob Engel (I 741-1802): dessen Verlauf er u. a. sein großes Interesse an ak-
Der Edelknabe. Ein Lustspiel in tuellen, pädagogischen Fragen bekundet: »Nä-
einem Aufzuge. her her, Herr Director! Mit Männern, wie Sie,
Franlifurt und Leipzig 1775 muß man nicht bloß von weitem bekannt seyn.
[ ... ] Ich habe Ihr Buch von der Erziehung gele-
sen- Was haben Sie sonst noch geschrieben?«
Der Edelknabe, ein Lustspiel, wurde von Engel (S. 89).
bereits 1772 geschrieben, erschien aber vermut- Die beiden übrigen Hauptfiguren tragen
lich erst 177 4 im Druck. In dieser ersten Leipziger ebenfalls keine individuellen Charakterzüge. Sie
Ausgabe wird es offenbar noch als »ein Lustspiel stehen als Vorbilder für Tugendhaftigkeit und
für Kinder« bezeichnet (vgl. Götz' Kinderbiblio- uneigennützige Mutterliebe auf der einen sowie
thek für Aeltem und Erzieher, 1780, I. Stck., für kindliche Unschuld, Gehorsam und Dankbar-
S. 15). Der Zusatz »für Kinder« ist bei den späte- keit auf der anderen Seite. Engels Dialoge sind
ren Veröffentlichungen entfallen. 177 5 findet sich einfach und klar. Sie tendieren weniger zu dem
ein vollständiger Nachdruck des Edelknaben im sonst häufig in den Kinderschauspielen der Epo-
Niedersächsischen Wochenblattfür Kinder, (Jg. 2, che üblichen, betont moralisierenden Charakter.
Bdch. 1-4., 3.-6. Stck., Hannover 1775,
S. 32-96). Engel hat sein Lustspiel Der Edelkna- Der Edelknabewurde der A.D.B. zufolge (Bd. 33,
be den Kindern seines Freundes Weiße gewid- Stck. 2, S. 514f.) »auf allen unsern Theatern mit größ-
tem Beifall« gegeben. Gertrude Dieke (1934) berichtet
met. Daraus darf geschlossen werden, daß er Kin- ebenfalls von einer ganzen Reihe erfolgreicher öffentli-
der mit diesem Stück ansprechen wollte. cher Aufführungen für Erwachsene durch die damals in
Der jüngste Sohn der ohne eigenes Verschulden Mode gekommenen und bekannten Kindertruppen von
verarmten Frau von Detmund dient als Page bei einem Felix Berner, Constantini und Merschy. Die Auffüh-
Fürsten. Der Fürst wird eines Tages auf die kindliche rungen fanden etwa in dem Zeitraum von 1774-1786 in
Unschuld und reine Tugend des Jungen aufmerksam verschiedenen deutschen Städten statt, u. a. in Breslau,
und beschließt gerührt, ihn und seine Mutter zu unter- Dresden, Günzburg, Dillingen und Ulm.
stützen. Zuvor stellt erbeidejedoch noch einmal auf die Die beiden Schauspiele finden auch in der Kinder-
Tugendprobe: Den Sohn prüft er auf seine kindliche bibliothek for Aeltem und Erzieher (1 780) lobende Er-
Dankbarkeit, die Mutter auf ihre Mutterliebe. Da beide wähnung. Hier heißt es, sie seien »für die Erziehung
die Prüfung bestehen, übernimmt der Fürst die standes- eben so wichtig als für das Theater; der richtige Dialog,
gemäße Erziehung des Edelknaben. Den ebenfalls in die vortrefliche Sprache, das Orginaldeutsch, die sanf-
seinen Diensten stehenden ältesten Sohn Frau von ten und rührenden Affekten sind die Vorzüge dersel-
Detmunds, der sich durch jugendlichen Leichtsinn und ben« (1. Stck., S. 15). C.
aus Unerfahrenheit zu einer strafbaren Handlung hat
verführen lassen, bestraft der Fürst mit einer Degradie-
rung in der Hoffnung, ihn auf diese Weise zu bessern
und vor dem moralischen Verderben zu bewahren.
Im Mittelpunkt der Handlung, die durch das
Prinzip der Tugendprüfung in Gang gehalten
wird, steht ein aufgeklärter, menschenfreundli-
ll5 Unterhaltende Schriften 116

1772 Hofmeister alleine die Hauptrolle spielen ließe« (ebd.).


So bildet der Briefwechsel zwischem dem vierzehnjähri-
Joseph Ignatius Zimmermann gen Alfons und seinem Vetter, dem zehnjährigen Ferdi-
nand, das Gerüst des Werkes. Alfons, der in der Stadt
(1737-1797): das Gymnasium besucht, hat sich von Freunden und
Briefe fiir Knaben von einer kleinen Verwandten »Sittenbriefe« ausgebeten, um sein »Herz
Sittenakademie. zur Tugend auszubilden« (S. 2 f.). Die bei ihm eingehen-
Solothum 1772 den Briefe schickt er kommentierend und beurteilend
an Ferdinand weiter. Neben Briefen von seinen Eltern,
seinen Schwestern, dem Großvater, dem Onkel, einem
Zimmermann wendet sich mit seiner Briefsamm- Schloßkaplan und verschiedenen Hofmeistern, korre-
lung vornehmlich an die männliche Jugend. Die spondiert er mit Florimund Leberecht, einem jungen
Jungen, die die Korrespondenz führen, sind un- Mann von achtzehn Jahren, der Philosophie studiert,
terschiedlich alt; die Spanne liegt zwischen zehn sich jedoch zum Dichter berufen fühlt und Alfons zahl-
und achtzehn Jahren. Sie entstammen dem Adel reiche Proben seiner Kunst zuschickt. Im letzten Drittel
und dem gehobenen Bildungsbürgertum. Der des Werkes wird das durch den Briefwechsel zwischen
Verfasser möchte »gelehrigen Knaben eine faßli- Alfons und Ferdinand zusammengehaltene Hand-
che und brauchbare Moral von den wichtigsten lungsgefüge aufgelöst. Hier rückt Leberecht in den Vor-
dergrund, der zahlreiche BriefeanAlfons schreibt, die
Wahrheiten eines gesitteten Lebens injungenJah- jedoch nicht beantwortet werden, und sodann mit Fer-
ren« einprägen (Vorrede). Er habe zudem Gel- dinand, einigen Grafen und seinem ehemaligen Kost-
lerts Freundschaftliche Briefe( 1770) in einer Bear- herrn, einem weiteren Vetter von Alphons, korrespon-
beitung aufgenommen, »damit es Jünglingen zur diert. Den Ausgangspunkt der in den Briefen abgehan-
Bildung des guten Geschmackes auch an gesi- delten Themen, bildet die Vermittlung der Grundsätze
cherten Mustern nicht mangeln möchte« (ebd.). einer religiös-sittlichen Lebensführung. Hierzu gehören
Er will »der Jugend auf eine reizende Art nützlich die Pflichten eines guten Christen (Nr. 9) und Bürgers
[ ... ]werden« (ebd.). Eine als »Zugabe« bezeich- (Nr. 81 ), das Streben nach Glückseligkeit in der Er-
nete »Praktische Anleitung zum Briefschreiben« kenntnis (Nr. 7 u. 10) und Verehrung Gottes (Nr. 77).
Ausgehend von der Überzeugung der Allgegenwart
soll »geschickten Hausinformatoren« dienen, um
Gottes (Nr. 4) wird eindringlich vor dem göttlichen Ge-
»nach diesem Plane ihre Schüler im Briefeschrei- richt gewarnt (Nr.32). In diesen Rahmen gehört eben-
ben zu üben, wenn sie nur solche Materien dazu falls die Auseinandersetzung mit der neueren Philoso-
wählen, die die Kräfte eines Anfängers nicht phie und der Freigeisterei (Nr. 87). Sämtliche Verrich-
übersteigen« (Anleitung, S. 2). Für jüngere Kna- tungen des Menschen müßten auf dem Christentum
ben sieht Zimmermann einen stufenweisen Un- aufbauen, denn nur aus einem solchen Lebenswandel
terricht vor, der ausgehend vom Lesenlernen die erwüchsen Tugenden wie Erkenntlichkeit gegen Wohl-
Beschäftigung mit Grammatik sowie Stilübungen taten (Nr. 68 u. 93), wahre Freundschaft (Nr. 64 u. l 06),
und deutsch-lateinische Übersetzungsübungen Freigebigkeit (Nr. 100), Mitleid und Nächstenliebe
(Nr. 74), Gehorsam (Nr. 39) und Wahrheitsliebe
vorsieht (vgl. Anleitung, S. 51). Die Briefsamm-
Nr. 65). Diese Tugenden befähigten den jungen Men-
lung verfolgt als Hauptziel die moralisch-religiöse schen, vor den Gefahren der Welt gefeit zu sein (Nr. 81)
Unterweisung, die in unterhaltender Einkleidung und das Laster zu verabscheuen (Nr.46 u. 181). Die
dargeboten wird, um die Jugendlichen »zu guten Kinder sollen frühzeitig zu Arbeitsamkeit (Nr. 53),
Bürgern und eifrigen Christen, dem Vaterlande Reinlichkeit (Nr. 43) und Ordnungsliebe angeleitet wer-
zum Troste, und zum Ruhme der heiligen Reli- den (Nr.44). Ferner äußern die jungen Leute in ihren
gion« heranzubilden (Vorrede). Briefen ihre Auffassung von den Pflichten des Adels
Zur Entstehungsgeschichte des Werkes führt (Nr. 34 u. 81 ), geben Beispiele für eine nützliche Be-
Zimmermann aus, daß die Briefe von Schülern schäftigung in den Nebenstunden (Nr. 84), entwickeln
einen Plan über richtiges und nützliches Bücherlesen
aus Solothurn und München verfaßt worden
(Nr.48 u. 75) und warnen vor der Lektüre »schändli-
seien, die er dazu angeregt habe. Die Namen sei- cher Bücher« (Nr. 54 u. 76). Zahlreiche Themen entste-
ner »jungen Herren Scribenten« sind in der Vor- hen aus der jeweiligen Lebenssituation der Briefschrei-
rede abgedruckt. ber. So setzt sich Leberecht mit dem Schicksal der Auto-
ren (Nr. 90 u. 91) und den Pflichten eines Dichters
»Alfons, ein Herrchen von ungemeinen Natursga- (Nr. 93) auseinander, und Alfons, selbst ein »christli-
ben bekömmt Sittenbriefe von verschiedenen Personen: cher Student« (Nr.l2 u. 26), berichtet über die Einrich-
Er schickt sie alle stückweise Ferdinanden, seinem lie- tung öffentlicher Schulen (Nr. 89), über Vergnügungen
ben Vetterchen, und drückt in einem eigenen Schreiben (Nr. 25) und Verschwendung (Nr. 74) sowie über Stut-
seine Gesinnungen und Empfindungen darüber aus: zer (Nr. 27 u. 89) und Spieler (Nr. 83), die ihm in der
Ferdinand antwortet Alfonsen mit einer Freymüthig- Stadt begegnen. Eine fortschreitende Handlung wird in
keit, die sich für ein tugendbegieriges Herzchen schik- den Briefen nicht entwickelt, der Leser erfährt lediglich
ket.« (Vorrede). Mit diesen Worten umreißt Zimmer- episodenhafte Begebenheiten aus dem Leben der Brief-
mann den Plan seines Werkes, den er seinen Schülern schreiber. Einige Briefe enthalten verschiedene Texte,
vorgegeben habe. Auf diese Weise hoffe er, dem Werk die anderen Werken und Zeitschriften entnommen
»durch die abwechselnden Charaktere der Personen, sind.
die an Alfonsen schreiben, mehr Leben und Annehm-
lichkeit zu geben [ ... ],als wenn ich z. B. einen erfahrnen Die Zugabe )) Praktische Anleitung zum Brief-
117 Zimmermann, Briefe für Knaben, 1772 118

schreiben« besteht aus einem »Briefwechsel zwischen lerdings lehnt der Verfasser nicht die Philosophie
einem Rhetor zu München und einem Hrn. Philoso- schlechthin ab, sondern lediglich die Bestrebun-
phen zu Solothurn«. Hier finden sich zahlreiche gute gen der Deisten und Freigeister.
und schlechte Beispiele für die Abfassung verschiede- Häufig weist Zimmermann daraufhin, »daß
ner Briefe. Von der Gattung der Briefsteller hält der Ver-
fasser wenig, denn es könne keine Regeln für das Brief- die Eltern nie genug Sorge tragen können, daß ih-
schreiben geben: »Wohl aber giebt es nützliche Anlei- ren Kindern das Christenthum recht tief einge-
tungen. Gute Muster von Briefen, wenn man sie wohl präget werde.« (S. 20). Durch diese Erziehung
vorträgt, lehren vieles: auch schlechte Briefe, wenn man könne ein tugendhafter und edler Charakter ge-
sie beurtheilt, nutzen. Das Uebersetzen guter Briefe ist formt werden. Dies sei insbesondere beim Adel
ebenfalls sehr vorträglich.« (Anleitung, S. 2). Die Krite- vonnöten, da dieser häufig aufgrund seines Stan-
rien füreinen gelungenen Brief, der als »schriftliche Un- des und seiner Privilegien von vornherein Tu-
terredung eines Abwesenden mit einem Abwesenden« gendhaftigkeit für sich beanspruche. So heißt es
bezeichnet wird (ebd.), faßt der Philosoph im vierten
in einer Trauerrede auf einen verstorbenen jun-
Brief zusammen: »Ist der Brief A. Natürlich? B. Leb-
haft? C. Vernünftig? D. Edel? E. Kurz und doch voll- gen Grafen, die im 81. Brief abgedruckt ist: »Es
ständig? F. Rein, und in der Sprache, worinnen er ge- ist für viele Menschen ein Unglück, in einem ho-
schrieben, gut abgefaßt? G. und endlich wohl verbun- hen Stande, undbeyvielen Glücksgütern geboren
den?« (Anleitung, S. 9). zu werden. Sie lassen es dabey bewenden, daß sie
die Früchte der Arbeit und des Ruhms ihrer Vor-
»Besonders erwieg diejenigen Grundsätze fahren geniessen. Sie sind mit einer fremden und
wohl, die aus dem Christenthume, dieser reichen entlehnten Größe zufrieden. Sie sind ihr ganzes
Quelle aller guten Wahrheiten geschöpfet sind. Leben lang weiter nichts, als was sie Vermöge ih-
Alles andere, was die Vernunft allein hervor- rer Geburt sind. Oftmals kennen sie so gar die
bringt, hält keinen Bestand, wenn die Religion Vorzüge derselben nur, um sie zu mißbrauchen;
nicht damit verbunden ist.« (S. 3). - Mit diesen und sie erben nur einen großen Namen, und gro-
Worten ermahnt der Großvater seinen Enkel Al- ße Titel, um sie zu beflecken und zu beschimp-
fons zu einem christlichen Lebenswandel. Da die fen.« (S. 293 f.). Das Thema wird in der Korre-
Aufmunterung zu steter Religionsausübung im spondenz noch vertieft. Ferdinand kommt
Vordergrund steht, fließen in das Werk mehrfach schließlich zu dem Schluß, daß die Menschen un-
Stellungnahmen zu Neuerungs- und Reformbe- ter dem göttlichen Gesetz alle gleich seien und ar-
strebungen insbesondere von seiten der Philoso- gumentiert mit der heiligen Schrift, daß es Hirten
phen ein. In seinem ersten Brief erinnert der gewesen seien, die zuerst an die Krippe kamen,
Großvater Alfons an eine Begebenheit, die dieser daß Christus Zeit seines Lebens mit den einfa-
sodann Ferdinand ausführlich schildert: »Ich chen Menschen umgegangen sei, »daß er über die
war noch zu Hause, als wir von einem gewissen Reichen und Großen dieser Erde mehrmal ein
Herrn Besuch bekamen; bey der Tafel ward von entsetzliches Wehe ausgesprochen, und daß er
der guten Erziehung der Jugend geredet. Der Gast beym Pilatus und Herodes nur damals erschie-
behauptete, man soll jungen Leuten die bekann- nen, da seine Stund zum Leiden angekommen ist.
ten Sittenschriften der heutigen Philosophen vor Schröckliche Wahrheiten für den Adel; wenigst
allem in die Hände geben; ihr Verstand würde auf finde ich, so jung ich noch bin, gar keine Ursache,
diese Art aufgeklärt, die Pflichten des gesell- warum ich mit meinem Range groß zu thun be-
schaftlichen Lebens vom Grunde aus zu durch- rechtigt wäre.« (S.l28). So läuft denn der Ge-
spüren. Alle drey Worte warf er mit Menschenlie- dankenaustausch der beiden Vettern darauf hin-
be, und Patriotismus um sich. Mein Großpapa aus, daß es weit anerkennenswerter sei, Seelena-
hörte ihm lange geduldig zu; endlich fragte er ihn: del zu besitzen, und Alfons schlägt vor, man solle
wo bleibt aber alsdann das Christenthum? Ha, er- es den Chinesen gleich tun, wo es Gesetz sei, »daß
wiederte der Gelehrte, das ist es eben, daß man die Söhne der Mandarinen [ ... ], den Adel von ih-
durch ewiges Catechitzirenjunge Herzen mit un- ren Eltern nicht ererben, sondern erst alsdann ge-
nützen Tändeleyen voll anpfropft. So wird der adelt werden, wenn sie hinlängliche Proben ihrer
Saamen einer ächten Vernunft vor der Zeit er- Gelehrtheit und guten Sitten von sich gegeben ha-
stickt, und ihnen der Kopf mit kindischen Voror- ben. Geschieht dieses nicht, so werden sie unter
theilen warm gemacht.« (S. 5). Dieser Philosoph den gemeinen Pöbel gestoßen.« (S.l24).
soll den Unterschied zwischen einem gelehrten
und einem weisen Menschen deutlich machen, so Das Werk erschien in einer weiteren Auflage 1773
wie ihn Ferdinands Vater im zwölften Brief for- unter dem erweiterten Titel: Briefe for Knaben, von ei-
muliert: »Sey stets ein ungeheuchelter Freund der ner kleinen Sittenakademie. Nach den Grundsätzen
Gellerts. Zum Nutzen und Vergnügen. In einer neuen
Tugend: so wirst Du ein desto beßrer Freund der Auflage wurde das Werk 1777 herausgegeben (Ky).
Wissenschaften und der Menschen seyn! Du Baur (1790, S. 679) hebt die »gelehrige, Knaben faßli-
kannst gelehrt werden, ohne fromm zu seyn; aber che und brauchbare Moral zum gesitteten Leben« her-
wisse, daß ein Gelehrter ohne Tugend das elende- vorund empfiehlt das Werk der »heranwachsenden Ju-
ste und verächtlichste Geschöpf ist.« (S. 34). Al- gend« zur Lektüre. A. Angst (1948, S.I03) führt zu der
119 Unterhaltende Schriften 120

Sittenakademie aus: »Die Knaben, die in dem Buch ei- se 28. 29; Erzählungen 81-84: die Josephgeschichte,
ne Rolle spielen, erleben sozusagen keine Schwierigkei- I. Mose 37 und 39-45; Erzählungen 86 und 87: die
ten sittlicher Art; Versuchungen erfahren sie kaum. Ihre Geschichte Mardochais und Esthers, Esther 2, 21-23
größte Freude sind Tugendlehren; andere Wünsche als und Esther, 6-9) oder schildern kurze Episoden aus
zunehmen an Weisheit und Frömmigkeit, kennen sie größeren Zusammenhängen wie z. B. die Zurechtwei-
nicht. Sie leben in einem aristokratischen Milieu, wo die sung des Propheten Jona wegen seiner Unzufriedenheit
Eltern keine andern Ansprüche an die Kinder erheben, über die Verschonung Ninives (Erzählung 79 nach Jona
als dass sie ihre Schularbeit gut erledigen; sie schwim- 4) oder die Erziehung Daniels und seiner Freunde am
men in Entzücken, wenn ihre Söhnchen tiefsinnige Auf- babylonischen Hofe (Erzählung 13 nach Daniell); die
sätze über Religion und Tugend schreiben können. Die 44. Erzählung »Die Aehrenleserin« gibt in groben Zü-
Bewährung dieser Tugenden in einem problematischen gen eine Zusammenfassung des gesamten Buches Ruth.
Alltag wird selten gezeigt. Die allzu gehobene Sprache Abgesehen von der letztgenannten Erzählung wer-
erweckt den Eindruck des Unechten. Und schließlich ist den vor allem einzelne Episoden als Beispiele tugend-
das Buch zu lang, um bei so schwacher Handlung für hafter Eigenschaften oder Handlungen geschildert.
Knaben anziehend bleiben zu können. Dennoch war es Bodmer kommt es nicht auf eine detailgerraue Wieder-
eine beachtliche Leistung und konnte wohl in vermögli- gabe des Bibeltextes an- er verzichtet häufig auf die Be-
chen Familien Gutes wirken; mindestens war es für nennung der Begleitumstände und Vorgeschichten, die
Hauslehrer eine anregende Unterlage für die Sitten! eh- handelnden Personen werden lediglich kurz mit Namen
~« K vorgestellt, eine Einordnung in einen übergreifenden
Zusammenhang findet nicht statt -, sondern auf die
Zeichnung moralischer Charaktereigenschaften. Eben-
so wie die anderen Geschichten haben daher die bibli-
schen Erzählungen häufig mehr anekdotischen Charak-
1773 ter und stellen insofern innerhalb des Kontextes auch
keine Besonderheit dar; die Wahl dieser Stoffe erklärt
Johann Jakob Bodmer (1698-1783): sich daher nicht aus ihrem religiösen Charakter, son-
Sittliche und gefohlreiche Erzählungen. dern ist ausschließlich von der Nutzanwendung der mo-
Für die Real-Schulen. ralischen Belehrung bestimmt. Dies wird auch deutlich,
wenn religiöse und weltliche Texte thematisch zu Grup-
Zürich 1773 pen geordnet werden. So korrespondiert mit der Dar-
stellung der Erziehung Daniels am babylonischen Hofe
Das vorliegende Werk gehörte ebenso wie die An- (13. Erzählung) die 14. Erzählung »Cyrus an des
leitung zur Erlemung der deutschen Sprache und Astyages Tafel«; in beiden Erzählungen wird der Vor-
die Biegungen und Ausbildungen der deutschen zug des einfachen und bescheidenen Lebens vor dem
schwelgerischen Leben bei Hofe thematisiert. Auf eine
Wörter zu einer Gruppe von Schulschriften Bod-
jüdische Parabel »Der Weg der Vorsehung« (S. 78), die
mers, die im Verlauf des Jahres 1773 erschienen als Beispiel für die Richtigkeit des Prädestinationsglau-
sind. Sie tragen den Untertitel» Für die Realschu- ben genommen werden kann, folgt in mehreren Erzäh-
len«. Aufgrund derinhaltlichz. T. hochstehenden lungen die Geschichte Josephs (S. 79-87) als Illustra-
Erzählungen und der häufig anspruchsvollen, tion.
wenn auch schlichten Sprache darf geschlossen Die thematische Gliederung bildet ein wichtiges,
werden, daß sie vornehmlich für Schüler höherer wenn auch nicht durchgängiges Strukturmerkmal des
Klassen bestimmt sind. Auffällig ist zudem die für Werkes. Die göttliche Vorsehung ist Thema der beiden
ersten Erzählungen über die Aussetzung Moses (S. 4)
Realschulen eigentlich unübliche Verwendung und die Errettung Ismaels nach seiner und Hagars Ver-
lateinischer Redensarten, Sprichwörter usw., die treibung aus dem Hause Abrahams (S. 4). Die nächsten
zumeist unübersetzt bleiben. drei Erzählungen behandeln die Elternliebe und rüh-
Bodmers Sammlung zielt ab auf die sittliche men den Kinderreichtum: »Ein Haufen Kinder ist
Bildung der Schüler und vermittelt einen Kanon wahrhaftig ein großer Segen Gottes.« (S. 7) Naturbe-
grundlegender ethischer Werte. Im Mittelpunkt trachtungen liefern die Erzählungen 6-8 mit der Schil-
steht die Erziehung zu einer einfachen und natür- derung eines Sonnenaufgangs, der vergänglichen
lichen Lebensweise. Schönheit einer Blume und eines schönen, weil natürli-
chen Gartens; dazu paßt thematisch die Belehrung über
Das Werk besteht aus 100 moralischen Erzählun- Tierquälerei »Das Spiel der Knaben, der Frösche Tod.«
gen und Anekdoten, die aus verschiedenen Quellen ge- (S. 11). Drei kurze Anekdoten aus der Antike beschäfti-
schöpft sind. Neben Schriften zeitgenössischer Schrift- gen sich mit den Zielen richtiger und falscher Erzie-
steller wie Rousseau (z. B. Erzählungen 29 und 30) hat hung. Ein Lob einfacher Kost enthalten die Geschich-
Bodmer Fabeln, u. a. von Hesiodus (Erzählung 90) und ten 17 und 18 »Die schwarze Brühe der Spartaner« und
Horaz (Erzählung 91), vor allem jedoch Werke antiker »Die Stadtmahlzeit, und die Landmahlzeit« (S.l7f.).
Schriftsteller und Philosophen als Stoffgrundlage be- Die Ehrfurcht ist Gegenstand der 57. und 58. Erzäh-
nutzt. Ein Viertel aller Erzählungen sind dem Alten Te- lung, die Freundschaft Thema der 59. und 60. Erzäh-
stament entlehnt. Die biblischen Erzählungen behan- lung. Reichtum und Armut werden zusammenhängend
deln z. T. fortlaufend eine Geschichte aus dem AT (Er- in den Erzählungen 71 bis 75 behandelt. Zwei schon er-
zählungen 39 und 40: die Brautwerbung Eliesers, wähnte Fabeln (S. 96f.) beschäftigen sich mit dem Pro-
I. Mose 24, 15ff., und Rebekkas Empfang durch blem der Macht, und die Erzählungen 97 und 98 stellen
Isaak, I. Mose 24, 62 ff.; Erzählungen 42 und 43: Ja- kontrastiv die sich im Sport stählenden Griechen den
kobs Flucht vor Esau und sein Dienst um Rahe!, I. Mo- verweichlichten Sybariten gegenüber.
121 Bodmer, Erzählungen, 1773 122

stellung Bodmers in jeder Hinsicht Vorzüge vor


einem Leben in Reichtum und Luxus. Dies wird
bereits deutlich in der Geschichte Daniels und sei-
ner Freunde am babylonischen Hofe: die Knaben
bitten den Kammerherrn um gemeine Speisen,
um Gemüse und Wasserzur Nahrung. Fürchtet er
auch, »daß ihre gute Gestaltbey ihren schlechten
Speisen sich verlieren« könnte, läßt sich der Kam-
merherr doch zu einer zehntägigen Fastenprobe
überreden: »Nach diesenzehenTagen fand er sie
von besserer Gestalt und ansehnlicher als die
Jünglinge, die man von der Tafel des Königs spei-
sete.« (S.l2) Ein einfaches, arbeitsames Leben
befördert zudem die Bildung eines moralischen
Charakters. Illustriert wird dies u. a. an der Ge-
schichte eines armen Mannes, der die Einladung
zu einem Gastmahl bei dem reichen Chatem Thai
ausschlägt:» Wer sein Brod mit seiner Arbeit ver-
dienen, und für sich essen kann, der hat nicht nö-
thig, daß er des Chatem Thai Tafel besuche, und
dann für einen Schmarozer angesehen werde.«
(S. 71) Daß ein einfaches, aber zufriedenes Leben
größeres Glück bedeuten kann als ein Leben in
Reichtum, erfährt man aus der Geschichte eines
zu Geld gekommenen Seifensieders (S. 73 ff.), der
schließlich den erworbenen Reichtum zurück-
gibt, weil er erkennt: es ist besser arm, aber froh zu
leben als reich und unglücklich und verdrossen.
Ein solches Glück findet seine Erfüllung vor
allem im häuslichen Rahmen der Familie, in der
sorgenden Liebe der Eltern für ihre Kinder, der
dankbaren Liebe der Kinder gegen ihre Eltern
und der aufopfernden Gattenliebe. Bodmer ent-
Johann Jakob Bodmer (1698-1783). Zeitgenössi-
wirft in diesem Zusammenhang drei typisierte
scher Kupferstich.
Idealbilder eines Vaters, eines Kindes und einer
Mutter. Den guten Vater kennzeichnet nicht nur
Weitere, teilweise häufiger wiederkehrende The- die Sorge um das materielle Wohl der Familie,
men sind die Torheiten des Adels, echtes Gottvertrauen, sondern vor allem die Zufriedenheit, die er im
Furchtsamkeit, Schönheit und Nützlichkeit, Gerechtig- Kreise seiner Kinder empfindet. Als Idealbild ei-
keit (»das ist recht, was den Gesetzen gemäß ist, und ge- nes guten und wohlgeratenen Kindes preist Bod-
waltthätig ist, was ihnen zuwider ist«, S. 27), weibliche mereinen Sohn Quintilians: »Ich habe viele Kin-
Geschäftigkeit, Liebe und Gattenliebe, die Lächerlich- der gesehen, aber bey keinem, ich sage nicht bloß
keit mancher französischer Moden (z. B. der Aufzug
von »geschminkten französischen Frauenzimmern«,
so schöne Anlagen für die Wissenschaften, so viel
S. 49), Tapferkeit und Schutz des Staates gegen Ein- Neigung zum Lernen, so viel Geschmack an gu-
dringlinge sowie die Mängel einer monarchischen Ver- ten Schriften, [ ... ]sondern die Unschuld, das gu-
fassung. Hervorzuheben ist, daß Bodmer die morali- te Gemüth, die Frömmigkeit, die Sanftmuth, die
schen Lehren, die er mit seinen Erzählungen vermitteln Begierde sich gefällig zu erzeigen, bemerkt, wel-
will, nicht in die Form zu beherzigender Lehrsätze kJei- che ich an ihm wahrgenommen. Er hatte über die-
det ; er stellt an die Schüler die Forderung, jeweils selbst ses die unschuldigen Vortheile der Natur, einen
den moralischen Kern aus den Erzählungen herauszu- reizenden Ton der Stimme, liebliche Gesichtszü-
filtern und über den ethischen Gehalt der Erzählungen ge, eine ungemeine Leichtigkeit die beyden Spra-
eigenständig nachzudenken.
chen auszusprechen. Ich mache doch mehr aus
Die Sittlichen und gefiihlreichen Erzählun- seinen Tugenden, seiner Gleichmüthigkeit, seiner
gen entwickeln in ihrer Gesamtheit das Bild eines Entschlossenheit, der Stärke seiner Seele, mit wel-
tugendhaften Charakters und einer moralisch cher er sich gegen Schmerzen und Gefahr bewaff-
vollkommenen Lebens- und Handlungsweise, die nete.« (S.l9) Bodmer faßt die Vorzüge einer gu-
ihre Grundlage im Ideal eines einfachen, arbeit- ten Gattin und Mutter folgendermaßen zusam-
samen Lebens, in Familiensinn, christlicher men : >>Sie ist untadelhaft und ohne Fehler. Ihr
Nächstenliebe und staatsbürgerlicher Verantwor- Haus blühet und gedeihet durch ihre gute Wirth-
tung findet. Ein einfaches Leben hat nach Dar- schaft. Sie liebt ihren Mann und wird von ihm ge-
123 Unterhaltende Schriften 124

liebt. Sie gebiehrt ihm schöne und tugendhafte Der tugendhafte Mensch wird somit in vier-
Kinder. Sie unterscheidet sich unter den Weibern faeher Hinsicht dargestellt: l. in bezug auf sich
durch ihre Würde. Anmuth und Lieblichkeit um- selbst und seine Lebensgestaltung; 2. in bezug
ringen sie. Sie sitzt niebeyden Zusammenkünften auf seine nähere Familie; 3. in bezug auf seinen
frecher Weiber, beyihnen die Zeit mit leichtsinni- Nächsten, d. h. seine Mitmenschen außerhalb der
gen Reden zuzubringen. Reich ist sie an Tugen- Familie; 4. in bezugauf das· staatliche Gemein-
den und Klugheit; o sie ist das beste Weib, das wesen und seine staatsbürgerliche Verantwor-
Gott einem Mann bescheren kann.« (S. 45) Be- tung.
sonders lobt Bodmer die weibliche Geschäftigkeit Bodmers Werk erlebte zwei Neuauflagen 1782
in häuslichen Dingen (S. 28 f.) und die tätige und 1793. Eine kurze Besprechung findet sich bei Angst
christliche Nächstenliebe (Krankenpflege usw.), (1948, S.l03 f.), die lobend hervorhebt: »Nie schlägt er
die eine gute Frau besonders auszeichne (S. 30). [Bodmer] den unangenehmen Ton des Moralpredigers
Wirklich glücklich kann der Mensch jedoch an; die gegebenen Beispiele verfehlen in ihrer sachli-
erst dann werden, wenn er christliche Nächsten- chen, gediegenen Darstellung die Wirkung nicht«. 0. B.
liebe praktiziert. Dies schließt nicht nur treue
Freundschaft zu anderen ein, sondern Gefällig-
keit, Freigebigkeit, Großmut, Nachsicht, Demut,
Uneigennützigkeit, Verständigungsbereitschaft
und selbst Milde gegenüber dem Feind. Bodmer 1774-1776
macht dies deutlich am Beispiel der Troglodyten,
die den ungerechten Forderungen eines »bösen
Niedersächsisches Wochenblatt for Kinder.
benachbarten Volkes« mit Milde begegnen Hrsg. von Johann Lorenz Benzier
(S. 93 f.). Gleichzeitig sind sie jedoch zur Verteidi- (1747-1817).
gung ihrer Freiheit entschlossen, denn ohne Frei- Hannover 1774-1776
heit kann der Mensch nicht glücklich sein; eine
grundlegende Tugend bildet daher die Verteidi- Der Herausgeber wendet sich mit seiner Wochen-
gungsbereitschaft und der Opfermut: »Dieses schrift an Knaben und Mädchen in der Absicht,-
wilde Volk rückte in das Land der Troglodyten so die Verfasser in ihren »letzte(n) Ermahnun-
ein; sie glaubten, daß sie ein Volk leicht bemei- gen« an die Leser- »etwas zu Ihrer Besserung, zu
stern könnten, welches sich nur durch seine Un- Vermehrung Ihrer Kenntnisse, und zugleich zu
schuld vertheidigte: Aber sie wurden mit der Ent- Ihrem Vergnügen beyzutragen« (3.Jg., S.817).
schlossenheit ächter Helden empfangen. Einer Die Schrift soll Wegbereiter sein in Hinblick auf
wollte für seinen Vater sterben; ein anderer für einen christlichen Lebenswandel, indem die Ver-
sein Weib und seine Kinder; dieser für seine fasser in den Lesern »eine brennende Begierde«
Freunde; alle für die Nation der Troglodyten.« wecken möchten, »sich Christo, dem Stifter die-
(S. 93 f.) ser Religion, ihrem Lehrer, ihrem Freunde, ihrem
Der Opfermut im Eintreten für die Freiheit Erlöser und Retter von Sünde und Verderben, ih-
der Nation wird auch am Beispiel einer kühnen rem Oberhaupt und Anführer zu ewiger Glückse-
Frauenlist, der Ermordung Sisseras durch Jael ligkeit, auf ihr ganzes Leben mit allen ihren Kräf-
(S.lOl f.) demonstriert; in ähnlicher Weise wird ten und Bestrebungen zu widmen« (a.a.O.,
Esther als Vorkämpferin der Rechte ihres Volkes S. 882). Der erste Schritt zu dieser Erkenntnis
dargestellt (S.90ff.). Bodmer läßt in diesem Zu- müsse es ein, die »zarten Gemüther für alles, was
sammenhang keinen Zweifel daran, daß die Re- schön und gut und edel ist, zu öffenen, ihnen alle
publik die wohl beste Form der Organisierung der die Tugenden, die den Menschen zieren und un-
Gesellschaft sei. Bezeichnend ist dafür nicht nur ser Leben auf Erden beglücken, Unschuld,
seine Adelskritik (besonders prononciert auf Menschenliebe und Gerechtigkeit, Mitleiden und
S. 32), sondern seine ausführliche Wiedergabe Wohltäthigkeit, Gefälligkeit, Dienstfertigkeit und
der Warnung der Propheten Samuel vor der Ein- Verträglichkeit, Gehorsam und Ehrerbietung ge-
setzung eines Königs: »Ihr werdet ihm eure Söh- gen Aeltern, brüderliche und schwesterliche Lie-
ne zu Knechten geben müssen, daß sie neben sei- be usw. durch unterhaltende Beyspiele und Be-
nem Wagen hergehen, ihm in die Feldschlacht trachtungen recht liebenswürdig zu machen; ih-
folgen, ihm seiner Aecker bauen. Eure Töchter nen zu zeigen, daß wir ohne dieselben uns weder
wird er zu seinen Köchinnen und Bekerinnen ma- Achtung noch Ehre noch Liebe von andern ver-
chen, die Jünglinge werden seinen Hof, und die sprechen können, uns selbst verachten, und das
Töchter seine Kammer bestellen müssen. Er wird Leben verbittern, und uns unglücklich machen
eure Gelberge und Weinberge seinen Günstlin- müssen« (a.a.O., S.819f.). Hinter dieser Inten-
gen geben.« (S. 94 f.) Bodmer hat diese Erzählung tion tritt die andere Absicht zurück, den Jugendli-
von der Einsetzung des ersten jüdischen Königs chen deutlich zu machen, »was der Mensch ei-
betitelt mit »Das Verlangen nach der Knecht- gentlich seyn soll und muß, wenn er die gnädigen
schaft«. Absichten seines Schöpfers erfüllen, sich sein
125 Niedersächsisches Wochenblatt, 1774-76 126

Wohlgefallen erwerben, und in Zeit und Ewigkeit (46., 47.Stück). Weitere Themen kommen wiederum
glücklich seyn will, und wie er es eigentlich anzu- aus der Tierwelt (7.,8.,43.-45.Stück). Sodann enthält
fangen habe, das zu werden« (ebd.). Diese Unter- dieser letzte Jahrgang mehrere kleine dramatische Sze-
weisung gehört nach Ansicht der Verfasser nur in nen (»Der wohlthätige Unbekannte« [4. -6. Stück],
»Carlchen« [2l.Stück]) und Schauspiele: »Das Ge-
den Bereich der Religion, die jedoch einen »eig-
burtstagsgeschenk« (29., 30. Stück), »Der Ausgang«
nen Unterricht, eine immer währende Aufsicht (38., 39.Stück), »Die Rückkunft, oder das falsche Da-
und thätige Uebung«rfordere, was die Wochen- tum« (48., 49. Stück). Wie ein roter Faden durchziehen
schrift nicht zu leisten vermöge (ebd.). Aus die- zum einen die Gespräche zwischen dem Hofmeister
sem Grund hätten die Verfasser nur »zuweilen Dorant und seinem Zögling Wilhelm, zum anderen Un-
und beyläufig einige Rücksicht auf die Religion terredungen zwischen Malehen und ihrer Mutter die
genommen« (ebd.). dreiJahrgängeder Wochenschrift. Die ersteren handeln
sowohl moralische als auch sachliche Themen ab (Jg. I,
Das Werk erschien im Verlauf von drei Jahren wö- 4., 27.-29.Stück; Jg. 2, 1., 2.Stück; Jg. 3, 13., 14., 36.,
chentlich und wurde in Vierteljahrsbändchen zusam- 37. Stück), die Gespräche zwischen Malehen und ihrer
mengefaßt, so daß jeder Jahrgang aus vier Bändchen be- Mutter enthalten überwiegend Begriffserklärungen
steht. Jeder Jahrgang umfaßt 52 Stücke mit mehreren zum Verhalten eines kleinen Mädchens und seiner Be-
Texten, die häufig abgebrochen und in einem der fol- stimmung im späteren Leben. (Jg. I, 50., 51. Stück; Jg. 2,
genden Stücke fortgeführt werden. Die Wochenschrift 13., 28., 29., 46.-48. Stück; Jg. 3, 17., 18. Stück).
enthält Gedichte, Anekdoten, Briefe, Schauspiele, Bei-
spielgeschichten, Fabeln und Gebete verschiedener Au- Die Funktion, die die Texte erfüllen sollen,
toren zur moralischen Belehrung und zur Unterhaltung.
Der sachlich informierende Teil besteht aus Abhand- liegt vornehmlich im Bereich der moralisch-religi-
lungen über naturkundliche, geographische und histori- ösen Unterweisung. Sie dienen letztlich sämtlich
sche Themen. Die Textabfolge zeigt keine erkennbare dazu, die Weisheit und Güte des Schöpfergottes
Systematik; die einzelnen Stücke reihen sich in bunter bei Einrichtung der Welt zu loben und lassen so
Folge aneinander. Dennoch lassen sich in den einzelnen die eigentliche Hauptabsicht der Wochenschrift-
Jahrgängen unterschiedliche Schwerpunkte feststellen. die Verherrlichung des Christentums und seiner
Den ersten Jahrgang bestimmen belehrende Themen. Glaubensinhalte- erkennen. Nicht von ungefähr
So befassen sich mehrere Texte mit Naturthemen beginnt das Werk zunächst mit Morgen-, Abend-
(4. Stück) und mit der Einrichtung des Weltgebäudes
und Tischgebeten. So handelt es sich denn auch
(27 ., 28., 29. Stück), andere zeigen durch abschreckende
Beispiele die Folgen einer untugendhaften Lebensfüh- bei der überwiegenden Mehrzahl der abgedruck-
rung (37., 38.Stück) auf. Die Wochenschrift behandelt ten Gedichte um religiöse Lob- und Dankgebete,
sodann die LebensgeschichtedesCyrus(9., 10., 18. ,25., und auch die naturkundlichen Themen werden
32. Stück), der sich als Fortsetzung eine Schilderung des mit religiöser Tendenz abgehandelt. Im dritten
Kambyses, seines Sohnes, anschließt (43. Stück). In Jahrgang findet sich ebenfalls eine Abhandlung
sechs Stücken werden die Sinne des Menschen abge- über den Begriff und Charakter der christlichen
handelt (35., 36., 44., 45., 49.,52. Stück). Sodann finden Religion, die »für jeden sterblichen Menschen
sich Texte zur Beschaffenheit des menschlichen Kör- das Angelegentlichste, Nützlichste und Nothwen-
pers ( 11., 12., 21. Stück), Ausführungen zu den Insekten
digste ist, ohne welches selbst die Kronen, die
(7., 8. Stück), zur Licht-und Farbenlehre (16., 17. Stück)
und zur Geschichte Babyions (19., 20.Stück). Einen Schätze, die Freuden der größten Fürsten nichts
weiteren inhaltlichen Schwerpunkt des ersten Jahrgan- als ein prächtiges Elend sind« (3.Jg., S.6). So
ges bilden direkt an den Leser gerichtete Abhandlungen warnt denn der Verfasser auch eindringlich vor
»von der Absicht der Jugend«; in denen die Bestim- der »Verführung in Religionssachen« (a.a.O.,
mung zunächst der Knaben (33., 34. Stück), sodann der S. 24), die insbesondere durch die schädlichen
Mädchen ausführlich dargelegt wird (40.-42. Stück). Einflüsse der Freigeister und der Anhänger der
Unterbrochen werden diese Texte durch Fabeln, Bei- natürlichen Religion geschehen könne. Erstere
spielerzählungen, Lieder und ein Schauspiel »Der Or- führten »ein völlig thierisches Leben, ohne Ge-
bis pictus« (30., 31. Stück), in denen allgemeine kindli-
setz, Gewissen und Zwang« (a.a.O., S.26), und
che Tugenden und Untugenden thematisiert werden.
Der Jahrgang zwei der Wochenschrift behandelt die Ursache ihres Unglaubens läge einzig »in ih-
schwerpunktmäßig zum einen das Thema Krankheit rem Willen und verderbten Begierden« (a.a.O.,
und Tod (10., 17.-19., 21., 22., 41. Stück) sowie histo- S. 27). Gleichzeitig wendet er sich jedoch auch ge-
risch-geographische Themen (42.- 46., 49.-51. Stück). gen jene »unbedachtsame(n) und milzsüchtige(n)
Weitere Texte behandeln die Vögel (7.-9.Stück) und Lehrer [ ... ], welche verbieten, wo Gott nicht ver-
die Säugetiere (30., 31. Stück). In Fom von Unterredun- boten hat, welche unschuldige Dinge als Werke
gen, Briefen und längeren Erzählungen werden hierbei der Hölle ausschreyen und verdammen, das Regi-
die Tugenden der allgemeinen Menschenliebe, der Ge- ster der Sünde vergrößern, und vom Christenthu-
rechtigkeit und Wohltätigkeit behandelt. In diesen Rah- me diejenigen abschrecken, die da einsehen, daß
men gehört auch der vollständige Abdruck des Kinder-
schauspiels »Der Edelknabe« von J.J. Engel (3.- nach ihren Forderungen es unmöglich sey, sich
6. Stück). Im dritten Jahrgang überwiegen Naturbe- vor Sünden zu hüten« (a.a.O., S.45 f.). So er-
trachtungen (24.- 28. Stück), die mit dem Lob des Land- mahnt der Verfasser die Kinder: »Machet in eu-
lebens verbunden werden (22., 23. Stück), wozu denn ren Gedanken nichts zur Sünde, was Gott nicht
auch der Abdruck einiger Idyllen von Gessner gehört selbst dazu gemacht hat« (a.a.O., S. 45), aber
127 Unterhaltende Schriften 128

ebenso: »Hütet auch, daß ihr nichts zur Tugend thun müsse, wenn er nicht seine Geburt und sei-
macht, was Gott nicht selbst dazu gemacht hat.« nen Stand beschimpfen und sich verächtlicher
(a.a.O., S.47). Das göttliche Gesetz sei vollkom- machen wollte, als der geringste Bürger, der die
men und bedürfe keiner menschlichen Zusätze, Pflichten seines Standes erfüllt« (2. J g., S. 419 f. ).
auch die häufig anzutreffende Kritik an der Um ihm eine andere Denkungsart beizubringen,
christlichen Lehre wende sich nicht gegen die verbannt ihn der König gemeinsam mit einem ar-
Aussagen der Bibel, sondern dagegen, »wie sie in men Korbmacher auf eine Insel. Letzterem ge-
mancher Kirche, unter mancherley menschlichen lingt es, sich bei den Eingeborenen durch seine
Zusätzen, mit Hintansetzung ihrer göttlichen Ein- Korbmacherkünste beliebt zu machen, und erst
falt und Lauterkeit geübet wird« (a.a.O., S.48). auf Fürbitte des Korbmachers hin lassen diese da-
Dieser Einwand richtet sich vornehmlich gegen von ab, den Edelmann zu töten. Dieser muß nun
die Praktiken der katholischen Kirche: »Wie als Handlanger für den Korbmacher arbeiten,
glücklich wären die überlasteten Gewissen im und die Eingeborenen »betrachten ihn von der
Pabstthum, wenn man daselbst keine andere Tu- Zeit an als Einen, der weit geringer wäre, als der
gend und Pflicht kennete, als was Gott selbst dazu Andre ihr Wohlthäter, und auch als ein geringerer
gemacht hat.« (ebd.). Dennoch ruft die Wochen- Mensch müßte behandelt werden« (a.a.O.,
schrift zur Toleranz gegenüber Andersgläubigen S. 248). Der Edelmann erkennt schließlich das
auf. Dieser aus der Aufklärung hervorgegangene Unwürdige seines vormaligen Verhaltens, und so
Toleranzgedanke wird deutlich in einem Ge- läßt ihn der König wieder zurückbringen. Auf der
spräch, das sich im zweiten Jahrgang der Wo- Insel sei es allerdings seitdem Brauch, »alle Edel-
chenschrift findet. Ein kleiner Junge bittet seine leute ihrer Würde zu entsetzen, die keine bessere
Mutter um ein Stück Brot für ein Judenkind. Um Ursache ihres Hochmuths anzuführen wissen, als
ihren Sohn auf die Probe zu stellen, fragt sie ihn: daß sie geboren sind, nichts zu thun« (a.a.O.,
»Ein Judenkind- dem sollt' ich was geben? [ ... ] S.430).
Wer wollte sich eines Juden annehmen? es ist ja Zahlreiche Stücke lassen die besondere
solch böses betrügerisches Gesindel-«. Darauf Wertschätzung eines einfachen und naturhaften
erwidert ihr der Sohn: »Unter den Juden sind Lebens erkennen. Häufig wird das Landleben
auch gutherzige Menschen [ ... ]. Erbarmen, um durch Gegenüberstellung positiv von dem Stadt-
Gottes willen Erbarmen, für das arme Kind- Sie leben abgehoben. So beispielsweise in der Erzäh-
wollen nicht durch sein Weinen und Jammern ge- lung »Der Junker und der Bauerknabe« (a.a.O.,
rührt werden! so hören sie doch mein Klagen!«. S. 605), in der der Knabe aus der Stadt die einfa-
Die Mutter eröffnet ihm nun, daß sie nicht im chen und ganz anders gelagerten Bedürfnisse des
Ernst gesprochen habe, und fragt ihren Sohn, wer Bauernjungen nicht begreifen kann und von sei-
ihm gesagt habe, daß man sich eines jeden Hilf- nem Hofmeister belehrt wird: »Je mehr wir uns
losen erbarmen müsse. Dies sei »der liebe Jesus in von der Natur entfernen, desto mehr verderben
der Geschichte vom barmherzigen Samariter« ge- wir die Gesundheit unsers Körper, ohne welche
wesen, antwortet der Junge. Die Mutter ist gerührt wir nie glücklich seyn können, und desto mehr
von der Menschenliebe ihres Sohnes und lobt sein füllen wir unsere Seele mit verkehrten Begriffen
recht verstandenes Christentum (2. Jg., S. 637 ff.). von dem Werth der Dinge dieser Welt und von
Die Vermittlung aufklärerischen Gedanken- unsrer Glückseligkeit an. Der Bauerknabe dachte
gutes tritt bei der Behandlung verschiedener Ge- hierüber weit richtiger als Sie; und Sie werden nie
genstände hervor. So zeigt sich etwa bei der Be- glücklich werden, wenn Sie nicht seine Gesinnun-
handlung des Verhältnisses Adel- Bürgertum be- gen und seine Lebensart, so viel es sich mit Ihrem
ginnendes bürgerliches Selbstbewußtsein: »Gott Stande vereinigen läßt, nachahmen.« (a.a.O.,
schuf uns alle, daß wir einander dienen sollen; S. 616).
und es ist kein Mensch ein Bißehen besser gebo- Im ersten Jahrgang der Wochenschrift be-
ren, als der andere, und derjenige ist der beßte handeln die Verfasser ausführlich die Absicht
und größte unter allen, welcher den Meisten bzw. die Bestimmung der Jugend, wobei sie aus-
dient, und am wenigsten fordert, daß man ihm drücklich zwischen den Aufgaben und Pflichten
diene und aufwarte. Und, mein liebes Kind, der- der Knaben und der Mädchen unterscheiden.
jenige, der heute ein König ist, kann morgen ein Ziel der männlichen Jugend solle es sein, »nützli-
Bettler werden« ( 1. J g., S. 18). Dieser Grundsatz che Mitglieder der menschlichen Gesellschaft [zu
wird in einer Erzählung veranschaulicht. Geschil- werden], rechtschaffene unbeugsame Richter, ge-
dert wird das Verhalten eines Edelmannes, der wissenhafte Advocaten, treue Bedienten des Kö-
»ungefähr eben so gesinnt« gewesen sei, »wie der nigs, erbauliche Prediger, verdienstvolle Schul-
unwissende Adelbey uns zu seyn pflegt: er vergaß leute, Officiere, Hofleute, Kaufleute, nach ihrem
daß seine Vorfahren sich ehemals aus einem nied- Stande, nach ihrem Genie, nach ihrem Fleiße,
rigen Stande durch ihre Verdienste emporge- nach ihrer Geschicklichkeit, nach günstigen Um-
schwungen hatten, und daß er sich ebenfalls ständen, die man das Glück nennt.« (l.Jg.,
durch vorzügliche Verdienste vor Andern hervor- S. 513) Sollen sich die Knaben auf das öffentli-
129 Niedersächsisches Wochenblatt, 1774-76 130

ehe Leben vorbereiten, so subsumiert der Verfas- auftreten, dient durch Vorstellung unterschiedli-
ser die Pflichten der Mädchen unter folgende fünf cher Charaktere selbstverständlich auch der mo-
Punkte: »Erst/ich, Sie müssen sich überall um gu- ralischen Belehrung. Jedoch wird hier nicht die
te Einsichten bekümmern, und je höher Ihr Stand Lehre durch Erwachsene direkt formuliert oder
ist, desto bekannter müssen Ihnen die schönen mit Mitteln der Abschreckung deutlich gemacht.
Wissenschaften seyn. Zweytens, Sie müssen sich Zwar vermittelt Clarchen - die selbst nicht ohne
früh zur Eingezogenheit gewöhnen. Drittens, für Tadel ist - den anderen einen düsteren Ausblick
sich müssen Sie beständig beschäfftigt und ämsig auf ihr späteres Leben, wenn sie sich nicht änder-
seyn. Viertens, Sie müssen sich früh um die innere ten, doch geschieht dies eher auf eine humorvolle
Oekonomie bekümmern. Fünftens, in allen Din- und dem kindlichen Verhalten angemessene Art.
gen müssen Sie sich gewöhnen ordentlich zu Hierauf scheint es dem Verfasser insbesondere
seyn.« (a.a.O., S. 646). anzukommen: die unmittelbare Darstellung ver-
Auch zur Lektüre, zu erlaubten Belustigun- gleichsweise harmloser kindlicher Fehler in einer
gen der Jugend nehmen die Verfasser Stellung. So unterhaltenden und durchaus realitätsnahen, am
erörtert der dritte Jahrgang z. B. in Form von Brie- Erfahrungsbereich der Kinder orientierten Hand-
fen das Für und Wider der Komödie. Im Hause lung, ohne das moralisierende, zurechtweisende
von Lottchen soll eine Komödie aufgeführt wer- Eingreifen Erwachsener. Die hohe Veranschla-
den, wozu sie ihre Freundin Friederike einlädt. gung des Unterhaltungswerts tritt im Schlußsatz
Diese erhält jedoch nicht die Erlaubnis, da sich des Stückes noch einmal hervor, in dem Fiekchen
die Großmutter darüber »aufgehalten« habe, zwar etwas ängstlich darauf hinweist, es werde
»weil sie's fürSünde hält« (3. Jg., S. 529). Lotte er- »heute noch einige traurige Gesichter« geben,
zählt dies nun ihrem Vater: »Da fieng erlaut an zu doch »vorerst will ich über die Comödie lachen:
lachen, und ich will dir's wohl mal alleine sagen, ha! ha! ha!« (l.Jg., S.492).
was er von deiner Großmama sagte! Daß du's Das Niedersächsische Wochenblatt erschien in ei-
aber nur weißt, so wie wir Comödie spielen, ists ner weiteren Ausgabe 1779- 84 in Bremen. Am Schluß
keine Sünde, und Papa würde auch sonst gewiß so des Werkes liefern die Verfasser ihre Begründung dafür,
was nicht zugeben. Er sagte sogar, Doctor Luther warum sie die Veröffentlichung des Wochenblattes ein-
selbst sollt' es wohl für keine Sünde halten, wenn stellten; sie hätten ihre Arbeit noch fortsetzen können,
»wenn nicht seit kurzem so viele treffliche Schriften für
er uns heute abend zusähe, aber Comödien wie
Sie erschienen wären, und noch ferner erscheinen wer-
die, und Comödien wie deine Großmama meyn- den, daß wir uns nicht getrauen, in einer so viel würdi-
te, das wäre zweyerley.« (a.a.O., S. 530). Was gem und angenehmeren Gesellschaft Ihnen noch län-
Benzier unter einer erlaubten Komödie versteht, ger so willkommen zu seyn, als wir vielleicht bisher ge-
geht aus dem Abdruck einer Kinderkomödie wesen sind. Wir treten jetzt also gern zurück, und ver-
» DerOrbis pictus« hervor(!. Jg., S. 461 ff.), in der weisen Sie fürs künftige auf jenen Schriften, in denen
in z. T. humorvoller Weise Kinder mit ihren klei- Sie, zu Befriedigung Ihrer Wißbegierde, zu Ihrer Beleh-
nen Schwächen dargestellt werden. Vorgestellt rung und angenehmen Unterhaltung, alles das und weit
werden zunächst die Geschwister David, Clar- mehr finden werden, als was sie durch uns verlieren
können.« (3. Jg., S. 818). Gemeint sind u. a. Weißes Kin-
chen und Fiekchen. David ist stets bestrebt, an
derfreund (1776-1782), Schummels Kinderspiele und
Geld zu kommen, was von den beiden Freunden Gespräche (1776-1778), Eberts Naturlehre fiir Kinder
Carlchen und Fritz ausgenützt wird. Der eine hat (1776-1778), Raffs Geographiefiir Kinder(l776), Le-
durch die vielen Geschenke für Fiekchen Schul- sebuch für Kinder ( 1776) sowie Briefwechsel fiir Kinder
den gemacht, der andere hat noch beim Konditor (1776) und Kinderschauspiele(l776) von August Rode.
eine Rechnung offen. So beschließen beide, Da- In der» Nacherinnerung zum ersten Bändchen« (l.Jg.,
vid einen Orbis pictus zu verkaufen, und sich da- S. 200) nehmen die Autoren Stellung zu verschiedenen
bei einer List zu bedienen. Im übrigen habe Herr Kritikpunkten. So seien »einige Pränumeranten unzu-
Holzmann, Fritzens Informator, ihm gesagt, er frieden, daß wir nicht mehr originale Aufsätze geliefert
haben. Uns dünkt aber, wenn ein Kind etwas Nützli-
sollte den Orbis pictus »nur aus dem Fenster wer-
ches, ihm noch Unbekanntes lernt, so ist es wohl sehr
fen; seit dem wir des Herrn Basedows Bilderbuch gleichgültig, ob es neu oder alt ist.« (a.a.O., S.201). Auf
hätten, könnte uns dieses nichts mehr nutzen; wir den wohl erfolgten Einwand, daß viele der Beiträge be-
lernten nur dummes Zeug daraus« (a.a.O., reits in den Kinderbibliotheken stünden, argumentieren
S. 470). Carlchen fragt nun David, ob er nicht be- die Verfasser damit, daß sie zuverlässig wüßten, daß die-
reit sei, ihm einen Orbis pictuszu verkaufen. Er sei se Bücher »in den Händen der wenigsten von denen
bereit, dafür einen Taler zu zahlen. Sodann er- Aeltem sind, welche diese Blätter halten«. So sei dies
scheint - wie verabredet - Fritz mit dem Buch, auch eine Frage der Kosten: »Oder sollen sich die Ael-
und David, der sich ein gutes Geschäft verspricht, tem, welche nun nur dieses Wochenblatt anschaffen,
ihrentwegen auch alle andem Bücher für Kinder kau-
kauft dieses für den halben Preis, einen Gulden,
fen?« (a.a.O., S. 202). Der Kritik, das Wochenblatt sei
in der Hoffnung, ihn für das Doppelte, einen Ta- für Kinder zu schwierig gewesen, wird entgegengehal-
ler, an Carlchen zu verkaufen. Dieser weigert sich ten, daß es kaum ein Buch gebe, »welches man Kindem
jedoch nun, und David sieht sich geprellt. von verschiedenem Alter, ohne weitere Erklärung, in
Die Komödie, in der ausschließlich Kinder die Hände geben kann« (a.a.O., S. 204). Schließlich
131 Unterhaltende Schriften 132

scheint sich auch einige Kritik gegen die Auswahl der kreis: »Damals hatte ich schon ein und das andre
Stücke, insbesondere wohl der Gebete am Anfang, er- Stück von diesem Buche entworfen und zu Papie-
hoben zu haben. Baur ( 1790, S. 36) jedoch rezensiert das re gebracht, als zum Exempel von der Art, mit
Werk- immerhin über zehn Jahre später- überaus
Leuten umzugehen, und höflich und gesprächig
wohlwollend; es sei »noch jetzt mit Ueberzeugung (zu)
empfehlen. Gesunden Verstand, eine gute Moral, faßli- zu seyn; Dieses war insbesondere zum Nuzen der
che und nicht ganz gemeine Gedanken findet man al- Redner und zierlicher Scribenten bestimmt.«
lenthalben. Auch fehlt es nicht an Mannigfaltigkeit in (Vorrede Sadis, S.26). Den Inhalt seines Werks
der Wahl der Sachen und in der Einkleidung.« -Eine umreißt Sadi mit den Worten: »Ich habe also in
ausführliche Besprechung des erwähnten Kinderschau- diesem Buche in aller Kürze etwas weniges aus
spiels »Orbis pictus« findet sich bei Brüggemann den Denkwürdigkeiten der alten Könige beige-
(1980). H. bracht und mit Moralischen Sentenzen und Ver-
sen durchwebt, zugleich aber auch den edelsten
Theil meines Lebens eingeflochten.« (Vorrede
Sadis, S. 32). Der ganze »Endzwek und Fleiß«
des Buches gehe dahin, »guten Rath zu ertheilen
und Nuzen zu stiften« (Vorrede Sadis, S. 34).
1775
Das Werk ist in acht Bücher untergliedert: »Vom
Schich Sadi: Geiste und den Sitten der Könige« (1), »Vom Geiste
Persisches Rosenthai nebst Locmans Fabeln. und den Sitten der Derwische« (2), »Von der Ruhe und
Herausgegeben von Johann Gottlieb vom Glüke der Zufriedenheit« (3), »Vom Nuzen der
Schummel (1748-1813). Verschwiegenheit« (4), »Von der Liebe und Tugend«
(5), »Von Schwachheit und Alter« (6), »Von Erziehung
Wittenberg und Zerbst 1775 der Kinder und von guten Sitten« (7) und »Von der
Kunst mit Leuten umzugehen. Spruchwörter und Re-
In einer Vorrede zu seiner Bearbeitung des Gu/i- geln für das gemeine Leben« (8). Diese Aufgliederung
stan (Originaltitel) betont Schummel, er habe Sa- geht auf das mohammedanische Bild des Paradiesgar-
dis Werk auf eine Empfehlung Friedrich tens zurück: »Bei Ausarbeitung dieses Buches hab ich
Schmidts kennengelernt, als er »gute moralische mich sowohl in den Worten als in den Sachen der Kürze
Erzehlungen für die Jugend« gesucht habe. Das beflissen und es, so wie der große paradiesische Garten
8 Eingänge hat, auch in 8 Bücher abgetheilt, um besserer
Werk Sadis, 1258 entstanden, war in deutscher Ordnung willen, und um allem Ekel bei meinen Lesern
Sprache 1656 in Schleswig als Anhang zu Ole- vorzubeugen.« (Vorrede Sadis, S.33) Dieser Vergleich
arius' Moscowitischer und Persianischer Reisebe- deutet bereits auf die Funktion des Werkes hin, die mo-
schreibung (EA 1647) erschienen. Nach Schurn- ralische Unterweisung des Menschen, die ihn befähigen
meis Angaben sei das Werk hier entweder völlig soll, eben dieses Paradies zu erreichen.
übersehen oderzumindest doch nur »von Liebha- Die einzelnen Bücher sind in Kapitel unterteilt, in
bern der Reisen gelesen« worden. Er habe sich denen moralische Beispielgeschichten und -erzählun-
daher zur Aufgabe gesetzt, das Werk in einer Ein- gen morgenländischen Charakters, Märchen, Fabeln,
zelveröffentlichungbesser zugänglich zu machen sowie häufig Sprichwörter und Sentenzen zu finden
sind. Gerade diese Sprichwörter und Sentenzen, aber
und zugleich »die Sprache, so gut ich konnte, je- auch die vielen in die laufenden Erzählungen eingewo-
doch mit aller nur möglichen Treue um 100 Jahre benen philosophischen Dialoge und kurzen Traktate
zu verjüngen«, denn sie sei »schon zu veraltet« mit ihren zahlreichen Bezügen auf große und weise
gewesen, »als daß sie unserm heutigen, nur gar zu Männer des Volkes, auf Könige, Dichter und Philoso-
eklen Publikum noch hätte schmecken können« phen dienen einer verstärkten, den textlichen Gehalt
(ebd. ). Als einen wichtigen Grundzug seiner Bear- wiederholenden moralischen Belehrung der Leser. Die-
beitung nennt Schummel, daß er »Olearius unter- se Belehrung erfolgt oftmals zusammenfassend am En-
mischte Verse prosaisirt habe« (Vorrede, S. 6). de einer Erzählung durch mehrere, bis zu sechs aufein-
Schummel, der Sadi mit Geliert in eine Reihe anderfolgende Sprichwörter und Redewendungen.
Diese kunstvolle Addition gleicher Inhalte bei unter-
stellt (Vorrede, S. 8), lobt am Gulistan, er kenne schiedlicher formaler Gestaltung stellt ein typisches
im Deutschen durchaus kein Buch, »welches in Stilmerkmal orientalischer Literatur dar.
so mannichfaltigen Erzehlungen so viel Weisheit Die Bücher, in denen uns Sadi häufig in der ersten
lehrte und so viel gesunde Vernunft enthielte« Person entgegentritt, wenden sich an unterschiedliche
(ebd. ). Er hebt daneben den Aspekt der vergnügli- Kreise, das erste Buch an Könige und hohe Würdenträ-
chen Lektüre hervor, zu der Sadis Werk dienen ger des Staates, andere Bücher an Erzieher, an das Volk,
könne (Vorrede, S.4). an die Alten usw. Dieser unterschiedliche Adressaten-
Sadi selbst hat sein Werk keineswegs aus- bezug bedingt eine zuweilen differierende, manchmal
schließlich für ein jugendliches Publikum be- sogar konträre Abfassung der Aussagen zu gleichen
Problemstellungen. Das Werk stellt daher keinen ein-
stimmt. Er hat es »zum Vergnügen der studiren- heitlichen, für alle Menschen stets gleichen Tugendka-
den Jugend und zur Ergözung der Gelehrten« talog auf, sondern es nimmt vielmehr eine Relativierung
verfaßt (Vorrede Sadis, S. 25); auch »Redner« moralischer Werte vor, je nachdem, an wen es sich in
und »Scribenten« gehören zu seinem Adressaten- welcher Situation wendet. Nicht eine abstrakte, sondern
133 Sadi, Persisches Rosenthal, 1775 134

eine auf die konkrete Situation des einzelnen Menschen nige Glückseligkeit im Diesseits und Verzeihung und
bezogene Ethik soll gelehrt werden. Gnade im Jenseits finden könne, der ein tugendhaftes
I. Buch: >>Vom Geist und den Sitten der Könige« Leben geführt habe.
(S.l-80). Das erste Buch besteht aus 45 kurzen Erzäh- Die Derwische werden angehalten, allen irdischen
lungen und wendet sich an Könige und hohe Würden- Gütern, der Musik und den »Saufgelagen« sowie der
träger des Staates. Die Erzählungen spielen zumeist an Völlerei zu entsagen, besonders aber der Liebe zu den
Königshöfen in Persien und Ägypten; die handelnden Frauen, denn diese brächten die Männer vom tugend-
Personen sind Sultane, Wesire, Königssöhne, Schatz- haften Wege ab: »Blicke nicht zu sehr nach den Haaren
meister, Philosophen, Gelehrte und Hofleute, aber auch schöner Jungfrauen. Sie sind heimliche Fallstricke, die
von Soldaten und Kaufleuten ist die Rede. dich fesseln, und, ehe du es inne wirst, dein Herz, deinen
Gezeigt wird das wechselnde, oftmals lobenswer- Verstand vom Guten abziehen!« (S.ll4)
te, häufigjedoch zu verurteilende Verhalten der Könige, In vielen Texten werden die Derwische wegen reli-
wobei einige Könige als tyrannisch, wollüstig, faul und giöser Scheinheiligkeit kritisiert, und es wird betont, daß
ungerecht, andere jedoch als großmütig, weise und frei- ein wahrhaft tugendsamer Mann sich nie als ein solcher
gebig gezeichnet werden. Das Buch will den zumeist ty- bezeichne, da er sich stets seiner verborgenen Fehler
rannischen Herrschern einen Spiegel vorhalten und sie und Schlechtigkeiten bewußt sei. Die Derwische wer-
einen Katalog moralischer Verhaltensweisen lehren, die den angehalten zum religiösen Leben, zur Nächstenlie-
für die Ausübung einer weisen und gerechten Staatsfüh- be und zur Nachsicht besonders auch gegenüber Fein-
rung unumgänglich erscheinen. den; sie sollen keinem zur Last fallen, sich nicht an irdi-
So etwa wird in der Erzählung» Von einem Köni- sche Güter hängen und ihr Leben in Einsamkeit fern der
ge, der mit seinen Unterthanen sehr grausam verfuhr« verderblichen menschlichen Gesellschaft führen:
(S. 19 ff.) am Beispiel eines ausbeuterischen, unklugen »Denn die Zufriedenheit des Gemüths besteht in der
Königs, der sein Volk gegen sich aufbringt, verdeutlicht, Einsamkeit.« (S. 86)
daß sich ein Herrscher nur durch gütiges und gerechtes Schummel hat in dieses Buch zahlreiche Anmer-
Verhalten sein Volk geneigt machen könne. Ein Wesir kungen eingefügt, die teilweise der Erklärung dienen,
zieht die Lehre: »Thue wohl, so wirst du durch Wohl- teilweise jedoch auch seine eigene Meinung zu be-
thun auch einem Fremden und Freyen einen Ring ins stimmten Wertvorstellungen - häufig bekräftigend -
Ohr werfen. Besser wäre es, du erhieltest dein Volk, wiedergeben oder auf ähnliche Stoffe und Motive in der
wenn es möglich wäre, mit deiner Seele: Denn ein Kö- antiken und zeitgenössischen europäischen Literatur
nig wird erst durch seine Unterthanen König.« (S. 20) hinweisen.
Ferner erteilt er den Ratschlag: »Von einem König fo- 3. Buch:» Von der Ruhe und dem Glücke der Zu-
dert [!] man Freundlichkeit, damit er Menschen an sich friedenheit« (S. 127 -172). Während die beiden ersten
ziehe: Billigkeit, damit sie ruhig und sicher unter seinem Bücher thematisch durch ihren jeweiligen Adressaten-
Regimente wohnen können.« (S. 20 f.) Abschließend bezug ausgewiesen sind, steht das dritte Buch unter ei-
heißt es: »Ein Herr, der gegen seine Unterthanen Unge- nem einheitlichen Thema, der Bedeutung der Zufrie-
rechtigkeit verübt, wird selbst in seinen Freunden zur denheit für ein glückliches Leben. Angesprochen wer-
Zeit des Unglücks Feinde sehen. Lebe mit deinen Unter- den die Menschen allgemein, besonders jedoch die Ar-
thanen in Frieden, so wirst du auch im Kriege vor dei- men (Bettler, Fischer, arme Philosophen, Derwische,
nen Feinden sicher seyn: Einem billigen und gütigen Soldaten, Verunstaltete), die zum geduldigen Ertragen
Herrn dient zur Zeit der Noth ieder Unterthan gern als auch eines schweren Schicksal aufgefordert werden. Es
Soldat.« (S. 21) sei besser, arm zu leben als zu betteln, da dies den Stolz
Immer wieder wird vor dem verderblichen und ge- der Menschen verletze: »Von harten Leuten etwas er-
fährlichen Hofleben und vor königlichen Ämtern ge- betteln, thut zwar dem Leibe wohl, aber dem Geiste ist
warnt, denn im Dienst der Herrschenden finde man nur es eine Höllenquaal.« (S.l37) Nicht Rebellion gegen
zwei Dinge: » Hofnung zu Brod« und »Furcht vor den soziale Ungerechtigkeit, sondern stolzes Sterben in Ar-
Tod« (S. 35). Der Herrscher wird zu Freigebigkeit ge- mut empfiehlt Sadi den Notleidenden: »Was ein Hund
genüber seinem Volk aufgefordert, gewarnt wird er vor übrig läßt, frißt kein Löwe! Ehe würd er Hungers ster-
falschen Freunden und Schmeichlern. Der Untertan ben, als diese Mahlzeit zu sich zu nehmen! Stirb lieber
hingegen wird zu treuer Dienerschaft angehalten, denn vor Nothund Hunger, als daß du deine Hand gegen ei-
solche finde immer Belohnung. Allgemein wird geraten, nen solchen Hund nach Brod ausstrekest!« (S. 140)
wechselndes Schicksal mit Geduld zu ertragen, denn Bemerkenswert in diesem Buch sind die Züge reli-
»Geduld ist bitter, aber sie kann süße Früchte bringen.« giöser Intoleranz. So etwa schreibt Sadi: »Ist schon der
(S. 39) Brunn der Christen unrein, was schadet das, wenn man
2. Buch: »Vom Geist und den Sitten der Derwi- einen todten Juden darinn wäscht[ ... ]?« (S.l46); an
sche« (S. 81- 126). Das zweite Buch erzählt in 39 Texten anderer Stelle heißt es: »Wenn schon ein Jude seine
aus dem Leben der Derwische, Mitglieder eines religi- Schwelle mit klarem Silber überzogen und mit goldnen
ösen Ordens, die ihr Leben in Armut und oftmals als Nägeln beschlagen hätte, diswürde ihn doch zu keinem
Eremiten führen. Indem es von Begegnungen mit Köni- edlen und vortreflichen Manne machen: Er würde im-
gen, Kaufleuten und Räubern berichtet und das biswei- mer und ewig ein Jude seyn und heissen.« (S. 152 f.)
len tadelnswerte Leben der Derwische darstellt, will es 4. Buch: »Vom Nutzen der Verschwiegenheit«
den Derwischen Ratgeber sein und den Lesern allge- (S. 173- 184). Das vierte Buch umfaßt vierzehn Bei-
mein zur moralischen Unterweisung dienen. spielgeschichtenund Anekdoten, die jeweils ein Sprich-
Die Texte sind von Sadi vielfach in Ich-Form ab- wort oder eine moralische Sentenz veranschaulichen
gefaßt und berichten häufig von Ratschlägen, die Sadi und in vielfältiger Weise den Nutzen der Verschwiegen-
selbst zuteil wurden, sowie von für ihn wichtigen Bege- heit begründen. Gelehrt wird, daß man von seinen Fein-
benheiten. Hauptaussage des Buches ist, daß nur derje- den nichts Schlechtes reden solle, in bezugauf die eige-
135 Unterhaltende Schriften 136

ne Person jedoch auch nichts Gutes, da dies in den Au- tion anzupassen, und warnt vor der Auffassung, die Al-
gen der Feinde ein Laster sei. Bei Schmähungen solle ten könnten es mit den jungen Leuten aufnehmen. Dar-
man nichts entgegnen, da man selbst um seine eigenen gestellt wird dies am Beispiel eines Greises, der ein jun-
Fehler genügend wisse. Leid müsse vor anderen Perso- ges Mädchen heiratet und versucht, ihr >>mit allerhand
nen verborgen werden, man werde sonst ein Opfer der scherzhaften Reden die Zeit zu vertreiben und sich bey
Schadenfreude. Man solle nicht reden, wenn andere ihr angenehm zu machen, daß sie sich nicht nach einem
sprächen, sondern erst dann, wenn Schweigen herrsche. andem sehnen sollte« (S. 220). Doch das Mädchen wird
Schweigen solle man gegenüber Ungläubigen, die sich des Alten überdrüssig und läßt sich von ihm scheiden,
uneinsichtig und unbelehrbar gäben. Vor allem solle denn »wenn ein Greiß, derselbst ohne Stab nicht aufste-
man aber keine Geheimnisse von Vorgesetzten und hen kann, ein iunges Weib heyrathet, wie kann sie an
Herrschern verraten, denn »sonst setzest du deinen ihm einen Stecken und Stab finden!« (S. 221) Sie heira-
Kopf in Gefahr« (S. 179). tet darauf einen armen und verderbten, aber jungen
5. Buch: »Von der Liebe und Tugend« (S.l85- Mann, bei dem sie viel Elend zu erdulden hat. Dennoch
216). Das Buch enthält 20 kurze Erzählungen- darunter bereut sie ihren Schritt nicht: »Ist dein Herz gleich böse
eine Fabel -, Anekdoten und Sentenzen mit teilweise und mit Lastern angesteckt, ich will es ertragen, weil du
erotischem Charakter. Mehrere Sätze sowie den ganzen iung und schön bist! Lieber mit dir in der Hölle Pein lei-
6. Text hat Schummel herausgestrichen und durch den, als mit dem Alten im Paradiese seyn!« (S. 222)
Querbalken ersetzt. Zur Begründung führt er an: »Weil 7. Buch:»Von Erziehung der Kinderund von gu-
wir aber, mit Künsten, zu lieben, selbst schon hinläng- ten Sitten« (S. 228-275). Das siebte Buch enthält 21
lich versorgt sind, so habe ich meinen reifen Lesern et- (bei Schummel durch Doppelzählung der Texte 20 und
was sehr bekanntes, meinen jungen Lesern aber einige 21 bis auf die Zahl20 numerierte) Texte, in der Mehr-
irritamanta malorum ersparen wollen, und um deswil- heit kürzere Beispielerzählungen, die sich mit Fragen
len einiges in diesem Buche weggelassen.« (S. 216, der Kindererziehung beschäftigen. Die letzten beiden
Anm.; Hervorhebung durch Schummel) Texte widmen sich anderen Themen: Im ersten wird die
Frage der Beurteilung von Reichtum und Armut in
Behandelt wird in diesem Buch die Liebe zwi-
Form eines Streitgesprächs zwischen Sadi und einem
schen Mann und Frau sowie zwischen Männem und
Derwisch aufgeworfen, den letzten Text bildet ein persi-
Knaben, die Liebe und Freundschaft zwischen Perso-
sches Märchen »Abrahams Geburt und Nimruths Un-
nen unterschiedlichen Standes und unter Männem all-
tergang« (S. 268 ff.), das Schummel offensichtlich nicht
gemein. Sadi erteilt- teilweise wieder aus eigener Erfah-
von Sadi, sondern aus den Anmerkungen Olearius'
rung - für alle diese Beziehungen Ratschläge, wie der
übernommen hat.
Mensch sich in ihnen zu verhalten habe, ohne Schaden
zu nehmen. Sadi warnt vor der Liebe zwischen sozial Als höchstes Ziel der Erziehung bezeichnet Sadi
Ungleichen, denn sie werde für den Höherstehenden »Tugend und Rechtschaffenheit«, wozu Elternliebe,
zum Nachteil, da sich das Herrschaftsverhältnis umkeh- Aeiß und Geschicklichkeit sowie die Beherrschung von
re: »Wenn du mit deinen Sklaven spielest und scherzest, »Mfekten und Begierden« (S. 252) gerechnet werden.
so wird er dein Herr und du sein Sklav seyn. Räumst du Um dies zu erreichen, befürwortet er harte Erziehungs-
ihm deine Rechte ein, ist es dann wohl zu verwundern, methoden. Eine Erziehung durch Lehrer, die wie »En-
wenn du Knechteslast tragen mußt!« (S. 186) gel« seien, verführe die Kinder nur dazu, die meiste Zeit
»mit Spielen und andem Bübereyen« (S. 234) zuzubrin-
In der Freundschaft müsse man alles vermeiden, gen, statt zu lernen. Der Beginn der Erziehung soll früh
was zur Gewohnheit führe, denn dies verursache Ekel gesetzt werden, denn: »Krumme Zweige, die noch iung
vor dem Freund. Betont wird, daß in einer echten und grün sind, kann man grade machen« (S. 233). Da-
Freundschaft der Freund stets das Beste für den an dem bei betont Sadijedoch, alle Erziehung sei nicht von Nut-
beabsichtige und gewillt sei, alle Widerwärtigkeiten zu zen, wenn das Kind nicht schon von Natur her entwick-
ertragen. In der Darstellung der Liebe zwischen Mann lungsfähige Anlagen und Eigenschaften mitbringe.
und Frau betont Sadi nahezu durchgängig die äußerli-
che Schönheit der Frau als das für den Mann Wichtig- Sadi plädiert für eine standesgemäße Erziehung,
ste. Vergeht diese Schönheit, so erkaltet auch die Liebe: da - so sein Argument - die unterschiedlichen Stände
»Geh mit deiner verlegnen Waare, wo du einen Käufer auch unterschiedliche Funktionen in der Gesellschaft
findest. Wenn das Gras im Garten grün ist, verweilt man zu übernehmen hätten. Außerdem bedürften die Kinder
sich lieber darinn, als wenn es verwelkt und beynahe vornehmerer Eltern einer strengeren Erziehung als die
Kinder gemeiner Leute, denn sie begingen häufig grö-
dem Miste ähnlich ist. Unsre Augen ergötzen sich innig-
lich an der Blüthe zarter Jugend: Schöne Leute sieht ßere Fehler. Zum andem müßten sie besser erzogen
man gern: Häßliche kann man missen.« (S.l92) werden, da »grosser Herrn Thaten und Reden [ ... ]
schnell von Reich zu Reiche« gingen: »Drum muß man
6. Buch:» Von Schwachheit und Alter« (S. 217- bey Erziehung königlicher, fürstlicher oder andrer vor-
227). In acht kurzen Erzählungen mit teilweise anekdo- nehmen Kinder wachsamer seyn und grössern Aeiß an-
tischem Charakter wendet sich Sadi der Stellung des al- wenden, als bey gemeinen, weil iene andem als Muster
ten Menschen in der Gesellschaft zu. Im ganzen wird und Regenten sollen vorgestellt werden« (S. 232).
das Alter als ein negatives Stadium im menschlichen Le- 8. Buch: »Von der Kunst mit Leuten umzugehen,
ben angesehen, als eine Zeit des Verzichts und der Sprichwörter und Regeln, für das gemeine Leben«
Freudlosigkeit, wo »Scherzhaftigkeit, Fröhlichkeit und (S. 276-332). Dasachte Buch bestehtaus 152 zum über-
lustige Laune« (S. 224) fehlten, denn diesen »Kin- wiegenden Teil einzelnen moralischen Sentenzen, die in
dereyen« entsage der alte Mensch; er habe »die Kinder- komprimierter Form noch einmal wiederholen, was Ge-
schuhe« ausgezogen: »Nichts gewährt mehr Freude, genstand der Beispielerzählungen, Anekdoten usw. der
wenn einem das Alter den M uth benommen hat.« (ebd.) vorhergehenden Bücher war. Zum Schluß (S. 332-334)
Sadi rät den Alten, sich ihrer veränderten Situa- teilt Sadi noch einmal seine mit diesem Werk verbunde-
137 DerKinderrreund,l776-82 138

nen Intentionen mit: er habe »die bittere Arzney der will. Angesprochen sind Kinder beiderlei Ge-
züchtigenden Wahrheit mit holder Süssigkeit vermi- schlechts von ca. 5 Jahren bis zum Eintritt »ins ju-
schen« und auf diese Weise »gute Lehren« und »guten gendliche Alter« (24. Th., »Abschied des Kinder-
Rath« geben wollen (S. 333). freundes an seine jungen Leser«, S. 199). Aus-
Anhang: »Locmanns Fabeln« (S. 335-358).
Schummel hat Sadis Werk 37 Fabeln Locmanns (Luq- drücklich knüpft Weiße mit seiner Kinderzeit-
mans) beigegeben, die auch schon in der von Olearius schrift, deren einzelne Stücke anfangs wöchent-
besorgten Ausgabe enthalten waren. Die Fabeln Loc- lich, später - mit Rücksicht auf die Arbeit der
manns ähneln vom Figureninventar her (Löwe und Kupferstecher und Drucker- jedoch quartalswei-
Ochse, Hirsch, Löwe und Fuchs, Mann und Tod) den se erschienen, an Adelungs Leipziger Wochenblatt
äsopischen Fabeln; sie können als episierende Fabeln für Kinder an, das 1772 bis 1774 bei Crusius in
bezeichnet werden, deren Aussage jeweils in einen Epi- Leipzig herauskam: »Ich höre von dem Verleger
mythion zusammengefaßt wird. Behandelt werden die des Leipziger Wochenblattes für Kinder, daß Ihr
Themen Uneinigkeit, Bedeutung der Verachtung, Vor- den Beschluß desselbigen ungern gesehen, und
sicht, Weisheit, Tätigkeit und Habsucht.
oftbeyihm angefraget habt, ob sich Niemand ge-
Mit dem Persischen Rosenthailegte Schum- funden, der sich wieder Eurer annehmen, und auf
mel eines der bekanntesten Werke der persischen eine eben so unterhaltende Art Euch wöchentlich
Literatur, das im Anhang zu Olearius' Reisebe- einen kleinen Unterricht ertheilen wollte.«
schreibungen kaum Beachtung gefunden hatte, ( l. Th., I.- V. Stück, S. 3)
erneut dem Publikum vor. Im Vergleich mit Lie- Weißes Absicht ist es, die Kinder »auf eine
beskinds Sammlung morgenländischer Erzählun- leichte Art zu vergnügen, zu unterrichten, und so
gen Palmblätter, deren erster Band mehr als ein (ihnen) ein kleines Lesebuch von etlichen Bänden
Jahrzehnt nach dem Persischen Rosenthal, 1786, nach und nach in die Hände zu spielen« (24. Th.,
erschien, fällt die besondere Bedeutung auf, die »Abschied des Kinderrreundes ... «, S.l97).
Schummel der moralischen Belehrung beimißt Rückblickend äußert er sich über seine Intentio-
Er betont vor allem den Aspekt der »Weisheit« nen: »Keine Arbeit [ ... ] ist mir so leicht, so er-
und »gesunden Vernunft«, den das Werk vermitt- quickend gewesen, als diese, und zwar hauptsäch-
le, und ist hier noch ganz der aufklärerischen Lite- lich deswegen, weil ich mich schmeicheln durrte,
raturauffassung verpflichtet. Wenngleich das durch diese kleinen Blätter, wenigstens doch Et-
Werk mit besonderer Absicht auf Jugendliche was, entweder zur Bildung eures Verstandes und
herausgegeben wurde, so hat doch Schummel im Herzens, oder auch nur zu eurer Unterhaltung
Gegensatz zu Liebeskind auf eine besondere Ein- beygetragen, in euch gute Entschließungen veran-
richtung des Werkes für Jugendliche weitgehend laßt, oder befestiget, und Liebe zur Tugend und
verzichtet; auch die Sprache Olearius' wurde, Religionbey euch befördert zu haben.« (24. Th.,
wenn auch modernisiert, so doch nicht grundle- »Abschied des Kinderrreundes [ ... ]«, S. 201)
gend verändert. Einschränkungen macht Schum- Weiße greift mit seinem Kinderfreund das
mellediglich im 5. Buch über die Liebe, wobei er Gestaltungsprinzip der moralischen Wochen-
jedoch nur offensichtlich weitgehende Stellen schriften auf und übernimmt deren Modell einer
zensiert hat; die von Sadi benutzten erotischen fiktiven Verrasserschaft (»Mentor«), durch die
Emblemata hat er dagegen ohne besondere Bear- die Einzelbeiträge der Zeitschrift in den Rahmen
beitung übernommen. Durch die enge Anleh- eines integrierenden Ganzen gestellt und verein-
nung an das Original des Gulistan und den Ver- heitlicht werden. In seiner Selbstbiographie heißt
zicht auf eine »jugendgemäße« Umarbeitung des es dazu: »Das Mittel, ihn (den Kinderfreund,
Stoffes leistet das vorliegende Werk einen Beitrag d. Red.) schon durch die Form anziehend zu ma-
zum Verständnis der orientalischen Literatur und chen, entlehnte Weiße von dem englischen Zu-
des orientalischen Geisteslebens. N./0. B. schauer (Spectator, d. Red.). Er hatte bemerkt,
daß dieser einen Theil des erhaltnen Beyfalls dem
Umstande verdankte, daß er gleich anfangs meh-
rere Personen mit bestimmten Charakteren einge-
führt hatte, aus deren Munde die verschiedneu
1776-1782 Urtheile über Menschen und Begebenheiten lie-
ber angehöret wurden, als wenn der Verrasser sie
Der Kindeifreund. Ein Wochenblatt.
in eigner Person vorgetragen hätte. Es war durch
Von Christian Felix Weiße (1726-1804). dieses Mittel Handlung und Leben in die Unter-
24 Teile. haltung gebracht. Weiße schilderte daher zur Ein-
Leipzig 1776-1782 leitung in seinen KindeiTreund eine bürgerliche
Familie von Eltern, Kindern, und Hausfreunden,
Weiße wendet sich mit seinem Kinderfreund an welche sich alle unter einander und von einander
das literarisch durch die moralischen Wochen- in ihrer Denk- und Sinnesart, in ihren Neigungen,
schriften vorgebildete Publikum, über das er die Sitten und Lieblingsbeschäftigungen hinlänglich
Kinder des »gesitteten« Bürgerstandes erreichen und genau unterschieden. Der ganze Stoff der Be-
139 Unterhaltende Schriften 140

lehrung für die Jugend, welcher bearbeitet ward, befriedigen. Herr Spirit schließlich ist »ein Dichter vol-
erschien als Unterhaltung dieser Familie, an wel- ler Empfindsamkeit, Edelmuthund Menschenliebe, der
cher jedes Glied nach seiner Weise Antheil mit den schönen Wissenschaften sehr bekannt, und
nahm.« ( Christian Felix Weißens Selbstbiogra- hauptsächlich in den witzigen Schriften der alten und
neuen Völker wohl belesen ist« (a.a.O., S. 26). Er unter-
phie, hg. von C.E. Weiße und S.G. Frisch, Leipzig
hält die Kinder nicht nur mit dem Vortrag aus Werken
1806, S.l84f.) bekannter Dichter, sondern liest ihnen »auch von sei-
nen eigenen Arbeiten kleine Lieder, Schäfergedichte,
Der Kindeifreund besteht aus 326 Stücken in 24 Fabeln, Erzählungen, Sinngedichte usw. vor. Bisweilen,
Teilen; die einzelnen Teile haben eine durchschnittliche wenn eine besondere Veranlassung ist, verfertigt er auch
Länge von etwa 200 Seiten. Zu Beginn des ersten Teils kleine Schauspiele, vertheilet die Rollen unter die Kin-
gibt Weiße eine Einführung in die Rahmensituation der, und läßt sie dieselben aufführen.« (a.a.O., S. 27) Zu
und schildert seine »bürgerliche Familie von Eltern, diesem Zweck hat er den Kindern ein kleines Marionet-
Kindern, und Hausfreunden« (s.o.). Der Kinderfreund tentheater geschenkt; auch einen »Karton mit artigen
»Mentor«- sein Name wurde offensichtlich in Anleh- Zeichnungen und Kupferstichen« (a.a.O., S. 33) haben
nung an den Begleiter Ulysses' in Fenelons Telemach sie von Herrn Spirit erhalten.
( 1699) gewählt - präsentiert sich den Lesern als Erzäh-
ler in der ersten Person. Sein Grundsatz ist, »daß man Mit lehrhaftem Unterton sind dagegen die Kinder
der Kindheit ihr Leben so freudig und glücklich, als nur Mentors gezeichnet. Jedes Kind hat seine Vorzüge und
möglich, und ihnen jede Art des Unterrichts zum Spiel Fehler, die jeweils in die Gespräche und das Hand-
machen müsse« ( l. Th., S. 7). Selbstlos liebt er seine vier lungsgeschehen einwirken. Charlotte, elf Jahre alt, ist
Kinder, verzichtet auf den Kauf wertvoller Bücher für lebhaft, gutherzig, witzig, leicht zu begeistern, aber auch
sich zugunsten der Anschaffung von Kinderschriften, leichtsinnig, flüchtig, naschhaft und neckt gern ihre Ge-
unternimmt keine Reise, ohne seine Kinder mitzuneh- schwister. Der neunjährige Karl ist fleißig, ehrgeizig,
men und so das Vergnügen mit ihnen zu teilen, entsagt wissensdurstig und besonders intelligent, er ist freigebig
gar »allen Vergnügungen, damit ich ihnen Vergnügen und weichherzig, seine Fehler sind jedoch Stolz, Jäh-
und Unterricht verschaffen kann« (a.a.O., S.4) und hat zorn und Humorlosigkeit. Der siebenjährige Fritz dage-
sich nur solche Freunde gewählt, »die selbst Kinder- gen ist unternehmungslustig, neugierig, geschickt und
freunde, folglich auch Freunde der Meinigen sind: die empfindsam; steht ihm auch in seiner rastlosen Art das
sich mithin durch das Gute, was siebeymeinen Kindern Lernen weniger an, so ist er doch ein eifriger Freund der
stiften, sich selbst und mir eine Freude, vielleichtbeyder Mathematik, seine geschäftig-kaufmännische Art
folgenden Nachwelt einen aufrichtigen Dank, und in scheint ihn zu einem Kaufmann zu bestimmen. Doch
dem Himmel selbst eine Belohnung verschaffen kön- dabei ist er verschlagen, eigennützig, voller Ränke und
nen« (a.a.O., S. 5 f.). immer auf seinen Vorteil bedacht. Das kleine Luischen,
Diese Hausfreunde schildert »Mentor« in einer erst fünf Jahre alt, ist ein »dreustes kleines Ding«
heiteren- und humorvollen Art. Da ist zunächst der lie- (a.a.O.,S.l4) mit vortrefflichem Gedächtnis und
benswürdige Sonderling, der Magister Philoteknos schalkhaftem Witz. Gefällt sie auch durch ihr lebhaftes,
»oder auf gut deutsch, Kinderlieb. Er gab sich aber vor- offenes Wesen, so neigt sie doch zu Eitelkeit, Eigensinn
mals jenen Namen, weil ihm dieser zu deutsch klang, und Angeberei. Weiße zeichnet somit- sowohl in bezug
und er ein gewaltiger Freund der griechischen Sprache auf die Kinder als auch in bezug auf die Kinderfreunde
war. Er hat ihn seit der Zeit behalten, und wäre ihn jetzt -gemischte Charaktere, die ihm eine Verlebendigung
gerne wieder los, seit die Gelehrten sich nicht mehr ihrer der Gespräche, Reaktionen und Verhaltensweisen er-
Muttersprache schämen« (a.a.O., S.l7). Seine Stärke möglichen; gleichwohl bleiben alle Charaktere durch-
besteht »hauptsächlich in artigen Mährehen und Erzäh- weg statisch, Entwicklungen sind nicht zu erkennen.
lungen: zu den kleinsten Kinderspielen läßt er sich her- Hiermit ist der Rahmen des Kindeifreundes abge-
ab, wenn er sie nur belustiget.« (a.a.O., S.l9) Häufig steckt, den Weiße mit sachlich-, moralisch- oder auch
bringt er den Kindern Bilder, Kalender, Spielsachen religiös-belehrenden Stoffen anfüllt, die zugleich je-
und Bücher mit, auch hat er ihnen »eine kleine auserles- doch auch unterhaltender Natur sind. Die Familienge-
ne Kinderbibliothek angeleget« (a.a.O., S.29). Herr schichte, die Erlebnisse, die Unterredungen Mentors
Chronickel dagegen ist, wie der Name schon andeutet, und seiner Freunde mit den Kindern bilden den roten
für die Geschichte zuständig. Er bleibt aber »in seinen Faden, an den Lieder, Gedichte, Fabeln, Märchen, Bei-
Erzählungen nichtbeyden Vortheilen der Staaten, bey spielgeschichten, Anekdoten, Beschreibungen, Briefe,
Kriegen und Bündnissen stehen, sondern sucht immer Rätsel sowie längere Schauspiele geknüpft sind. Die
beymeinen Kindern eine kleine moralische Geschichte einzelnen Stücke hängen oft als durchgehende Fortset-
oder eine artige Anekdote auf, die in ihr Leben eine~ zungen inhaltlich zusammen, wobei das Thema in der
Einfluß haben kann, oder unterhält sie mit den beson- Regel in verschiedenen Formen variiert wird.
dern Sitten und Charakteren, Tugenden und Lastern Der Themenbogen des Kindeifreunds ist weit ge-
verschiedener Völker, oder mit Lebensbeschreibungen spannt. Einen wichtigen Strang bildet die sachliche Be-
großer, frommer, tugendhafter und gelehrter Männer.« lehrung und Unterhaltung. Aus dem Bereich der Natur-
(a.a.O., S.21) Von seinen Gipsmünzen und Abdrücken kunde und Naturgeschichte werden nicht nur Tiere und
alter Edelsteine hat er den Kindern ein kleines Kabinett Pflanzen vorgestellt, ausführliche Kapitel finden sich
zusammengestellt. auch zu verschiedenen Natur- und Lufterscheinungen,
Der dritte im Bunde ist der etwas zerstreute Herr astronomischen Grundkenntnissen, zu den Elementen
Papillion, der die Kinder in die Geheimnisse der Natur und verschiedenen Stoffen. Eingewoben ist auch eine
einweiht. Eine Insektensammlung, ein Mineralienkabi- ausführliche Darstellung der Gartenbaukunst (22. Th.,
nett, ausgestopfte Tiere und Instrumente zur Naturbe- S.l69 ff.). Daß Weiße sich dabei keineswegs auf eine
obachtung hat er herbeigeschafft, um ihre Neugierde zu nüchtern-trockene Vorstellung des Gegenstandes be-
141 DerKindenreund, 1776-82 142

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Weiße, Christian Felix (Hrsg.): Der Kinderfreund. Ein Wochenblatt. 1heil1. Leipzig 1776 (Nr. 429).
Frontispiz und Titelblatt

schränkt, zeigt z. B. seine Behandlung des Weins und und Häßliche zu empfinden und mit Gewißheit zu un-
der Weinstöcke im 17.Teil (S.60-114), die in die Be- terscheiden: und das erwirbt man sich durch eine fleißi-
schreibung einer »Reise aufs Land zur Weinlese« ge Beobachtung der Natur, oder der gegenwärtigen
(S.60ff.) eingebettet ist. An weiteren Themen finden Welt. Die Natur ist das Urbild, das Muster der Künste:
sich neben geographischen auch solche aus der Kultur- denn sie und alles, was darinnen ist, hat Gott geschaf-
geschichte; u. a. werden Volksbräuche, traditionelle Fe- fen, und dieser ist doch unstreitig der größte Werkmei-
ste (Karneval, Saturnalien, Rosenfeste, Bohnenkönigs- ster, der die Verhältnisse der kleinsten Theile zum Gan-
wahl, Kirmes), Spiele (z. B. Pfanderspiele) u.ä. be- zen, Einheit, Ebenmas und Mannichfaltigkeit am be-
schrieben. Auch pädagogische Themen werden ange- sten zu bestimmen weiß. Die Kunst bildet der Natur
schnitten. So etwa bespricht Herr Philoteknos auf der nach, trägt die äußere Bildung und Züge, die in dersel-
Messe neu erschienene Kinderbücher (3. Th., ben liegen, über, und stelletsie in solchen Gegenständen
S. 121 - 131) und berichtet den Kindern vom Examen an dar, denen diese Züge nicht eigenthümlich zugehören.«
Basedows Dessauer Philanthropin (3. Th., S. 132-138). (ebd.) Da die Natur als »Urbild« und »Muster« der
In engem Zusammenhang mit der sachlichen Be- Künste angesehen wird, das Erkennen ihrer ebenmäßi-
lehrung und Unterhaltung stehen die Beiträge zur Bil- gen Schönheit und Wohlgeordnetheil daher eine Vor-
dung des Geschmacks als Bestandteil einer »gesitteten aussetzung der Geschmacksbildung ist, hat Weiße ver-
Erziehung«. Neben der schon erwähnten Abhandlung schiedene Naturbetrachtungen in den Kindeifreund
zur Gartenbaukunst finden sich auch ausführliche Dar- eingerückt, z. B. die einer Landschaft im Herbst (5. Th.,
stellungen z. B. zur Bildhauerkunst (Th. 20, bes. S.64f.).
S. 183 ff.; Th. 21, S. 13 ff.), die darauf abzielen, Kindern Im Mittelpunkt des Kindeifreunds steht die sitt-
eine Vorstellung des »Geschmack{s] in den schönen lich-moralische Bildung der Kinder, die sie zu einem so-
Künsten« (Th. 21, S. 5) zu vermitteln. Über den »guten zialen Verhalten befahigen soll. Weiße behandelt Tu-
Geschmack« äußert sich der Magister Philoteknos in ei- genden und Laster vor allem unter dem Aspekt ihres
nem Brief an Lottchen mit den Worten: »Nach meinen Nutzens für die bürgerliche Gesellschaft. Behandelt
Gedanken besteht der gute Geschmack in der Fertigkeit werden u. a. Ehrlichkeit, Großmut, Edelmut, Beherr-
das Gute und das Schlechte, das Schöne, Mittelmäßige schung von Leidenschaften und Begierden, Geschwi-
143 Unterhaltende Schriften 144

sterliebe, Mäßigkeit im Genuß von Speisen und Geträn- und hüte dich - [ ... ) so wirst du dich hüten, daß du in
ken, von Vergnügen etc., Genügsamkeit, Reinlichkeit, keine Sünde willigest, noch wider Gottes Gebot thust.
Fleiß, Schamhaftigkeit, »Simplicität«, Mitleid, Freund- Ganz unstreitig [ ... ] ist dieß das einzige wahre Mittel,
schaft, Nachsicht, zuvorkommende Gefälligkeit, Dank- immer gut zu seyn, immer recht zu tun! Wenn ich ein tie-
barkeit, Tätigkeit, Tapferkeit, Mut und Anpassungsfä- fes Gefühl von dem Daseyn eines Gottes, von unsern
higkeit Als schlechte, zu bekämpfende Eigenschaften Verbindlichkeiten gegen ihn, und von unserer Abhän-
werden dem entgegengestellt: Geiz, Gespensterfurcht, gigkeit von ihm habe: [ ... ] so würde es in der That seit-
Mißtrauen, Vorurteile, Tierquälerei, Eigensinn, Scha- sam seyn, wenn ich mich nicht bestreben wollte, mehr
denfreude, Ungezogenheit, Lügen, Eitelkeit, Putzsucht, Gutes, als Böses zu thun. Nur dieser Gedanken kann
Müßiggang, Affektation, Unbedachtsamkeit, Ungesit- uns in Stand setzen, unsern schwindelnden Leiden-
tetheit, Spottsucht, sinnliche Vergnügen und Spielsucht schaften und ungestümen Begierden zu widerstehen,
Der Tugendkatalog wird häufig in kontrastiver Gegen- und uns von schlechten Handlungen abzuziehen.«
überstellung tugend-und lasterhafter Personen entwik- (22. Th., s. 21 f.)
kelt, so etwa in der allegorischen Erzählung »Die Reise Einen weiteren Strang bildet die staatsbürgerliche
nach dem Lande der Glückseligkeit« (9. Th., S. 68 ff.). Unterweisung. Hierein fallen die mannigfachen Aus-
Zur Erziehung der Kinder gehört weiterhin die führungen zu den Ständen (s. u.), die Begründung der
Unterweisung in der »guten Lebensart«, die Weiße mit Notwendigkeit der Todesstrafe gegen einen Mörder
den Worten umschreibt »Artigkeit, Höflichkeit, ein ge- (5. Th., S. 45 ff.), Erörterungen über die Toleranz gegen-
sittetes und geschliffenes Wesen, feine Lebensart« über Juden und insbesondere die Auseinandersetzun-
(17. Th., S. 24). Er zählt dazu zunächst die Höflichkeit, gen über Krieg und Frieden und die Notwendigkeit des
»die sich durch gewisse Ceremonien, über die man einig Soldatenstandes ( II. Th., S. I 04 ff.; 14. Th., S. 173 ff.,
geworden ist, ausdrückt, und wodurch man einander S.l89ff.; 15.Th., S.81-208; 20.Th., S.l-41). An-
seine Freundschaft, Liebe, Hochachtung oder Ehr- knüpfungspunkte bilden hierbei zumeist zeitgenössi-
furcht bezeiget« (ebd.). Vor allem zeige sie sich jedoch sche Ereignisse (im letzteren Falle der Bayrische Erb-
»in jener Bereitwilligkeit, andern in allen Dingen, die folgekrieg), die unter belehrendem Aspekt ausgewertet
mit der Tugend bestehen können, gefällig zu seyn, in der werden.
anständigen Herablassung, bey der wir zwar unserer Mit Ausnahme der Schauspiele, die häufig vorher
Würde nichts vergeben, unsern Willen nach dem Willen im Familiengespräch bereits thematisierte Tugenden
anderer zu richten, in der Aufmerksamkeit andern oder Laster noch einmal sinnfallig vor Augen stellen,
Dienste zu leisten, ihre eigenen Verdienste geltend zu sind die meisten Texte sehr knapp gehalten. Dabei be-
machen, und ihnen ein Vergnügen zu machen, wo sich müht Weiße sich um Abwechslung, indem er in kurzer
nur Gelegenheit dazu findet« (a.a.O., S. 29). Endlich be- Folge die verschiedensten literarischen Formen verwen-
stehe die »gute Lebensart« auch in der Achtung, die det und die Gespräche durch Zwischenfragen, Einwen-
man anderen entsprechend ihrem Range, Charakter dungen usw. auflockert. Besonderen Anreiz schaffen
und Stande entgegenbringe. Daher sei sie keineswegs ei- zudem acht Notenblätter mit Melodien zu Liedern aus
ne Ansammlung von Komplimenten, sondern vielmehr dem Kindeifreund sowie zahlreiche Kupfertafeln. Na-
»eine Gemüthsverfassung, die Personen leicht und un- hezu jeder Teil ist mit einer Titelvignette und zwei bis
gezwungen in ihrem Betragen, angenehm und liebens- vier Kupfertafeln (einschließlich Frontispize) ausge-
würdig im Umgange, aufmerksam andern zu dienen stattet. Die einzelnen Tafeln illustrieren- unter Angabe
macht« (ebd.). Aus diesem Grunde auch erfordere sie der betreffenden Textpassage- einzelne der im Kinder-
»große Weltkenntniß und Erfahrung<< (ebd.). freund geschilderten Begebenheiten.
Stellt auch die religiöse Belehrung ein durchgängi-
ges Moment in allen Teilen des Kindeifreunds dar, so In seiner Selbstbiographie schreibt Weiße
finden sich doch nur wenige Stücke, die sich ausschließ- über den Kinderfreund: »Waren indessen gleich
lich religiösen Themen zuwenden, so etwa eine Betrach- die eingeführten Personen nicht die Kinder und
tung über die »Ursachen zum Preise gegen Gott in Hausfreunde Weißens, so war doch die Beleh-
Rücksicht auf das genossene Gute, so wohl in Ansehung rung und Unterhaltung, welcher er der jungen
des Ganzen als der besandem Verhältnisse des Standes, Welt ertheilte, von der Art und auf die Weise ein-
Alters und anderer Umstände« (14.Th., S.l ff.) oder gekleidet, wie sie in seiner Familie und in jeder an-
»Betrachtungen über einen frühzeitigen Tod« (24. Th.,
dem, wo das Bildungsgeschäfte vernünftig und
S. 81 ff.). Auch ein Feenmärchen gehört in diesen Kom-
plex: Die vermeintlich guten Taten Evergetes, der Feen- zweckmäßig betrieben wird, wirklich Statt fand
königin, und ihre übernatürlichen Wunschvorstellun- und Statt findet. Die eingemischten Gedichte und
gen verkehren sich jeweils in schicksalhafte Nachteile Dramen waren Nebensache, die aber freylich
für die Menschen. Die Fee erkennt, daß man den göttli- zum Vergnügen der jungen und ältem Leser mit-
chen Plan in seiner Größe und Einzigartigkeit nicht be- wirkten. - Die Belehrung, welche man Kindem
einflussen darf, daß auch Not und scheinbares Elend außer den eigentlichen Lehrstunden geben will,
immer nur zum Besten der Menschen gereichen wird am sichersten an die kleinen Vorfälle des Ta-
(18. Th., S. 3 -35). - Die religiöse Unterweisung dient ges angeknüpft, in den Antworten aufihre neugie-
im Kinderfreundvor allem dazu, die Durchsetzung bür-
rigen und wißbegierigen Fragen fortgesponnen,
gerlicher Moral- und Tugendvorstellungen zu fördern.
So etwa gibt der Magister Philoteknos auf die Frage, wie und in Unterredungen, oder Erzählungen, oder
man am besten Herr über seine Leidenschaften werden auch in Dichtung eingekleidet. Behandelt man
könne, die Antwort: »Ich weiß kein sichers, kein be- Kinder zwar als ungebildete aber als Bildungsfä-
währteres Mittel, als eine frühzeitige Frömmigkeit. hige Wesen, läßt man sie sprechen, ist man gedul-
Dein Lebenlang habe Gott vor Augen und im Herzen, dig bey ihren schiefen Urtheilen und Ansichten
145 Der Kinderfreund, 1776-82 146

der Dinge, nimmt man Rücksicht auf die Ver- Körperliche Züchtigungen werden in schweren
schiedenheit ihres Temperamentes, ihrer Neigun- Fällen allenfalls angedroht, nie jedoch in die Tat
gen und Fähigkeiten, so kann man sie bald an umgesetzt. Den Gehorsam, den sie fordern, be-
lehrreiche Gespräche über ernsthafte und wichti- gründen die Eltern mit ihrer sachlichen Autorität
ge Gegenstände gewöhnen; vorausgesetzt, daß und Erfahrung; in der Regel bleibt den älteren
sie von erster Kindheit an in der Gewöhnung zum Kindem Raum für eigene Entscheidungen, nur
Aufmerken, zum Denken und Sprechen nicht bei Kleinen fordert Mentor unbedingten Gehor-
ganz zurückgeblieben sind.« ( Christian Felix sam.
Weißens Selbstbiographie, a.a.O., S. 186f.) Das Leitbild einer guten Erziehung entwirft
Mit diesen pädagogischen Maximen, die er Weiße in dem Schauspiel »Gute Kinder der Ael-
der Gestaltung seines Kindeifreundes zugrunde- tem größter Reichtum« (18. Th., S.lOS-200).
legte, propagierte Weiße ein neues Bild der Fami- Auf die Frage, wodurch seine Kinder so wohlge-
lie und der häuslichen Erziehung, das er bewußt raten seien, antwortet Herr Amold, ein Kauf-
der herkömmlichen Kinderzucht entgegenstellte. mann:» Ich habe ihnen stets Liebe und Ehrfurcht
Dieser traditionellen Erziehung stellt Weiße das für Gott und für die Tugend eingeprägt, sie ge-
Bild einer neuen, einer »liberalen« (ebd.) Fami- lehrt, daß diese allein hier und dort glücklich
lienerziehung entgegen. Der Kindeifreund be- macht, ihnen gesagt, daß Reichthum und Ehre
kommt dadurch neben der Aufgabe, die Kinder nur in so fern gut sind, als man sie zum Guten an-
zu belehren und zu unterhalten, eine zusätzliche wendet, sie frühzeitig vor dem Müßiggange zu
Funktion, die der »Erziehung der Erzieher«. Er verwahren gesucht, zum Gehorsam gewöhnt, sie
wendet sich somit auch an Erwachsene, denen am nach meinem Vermögen in Allem unterrichten
Beispiel des pädagogisch vorbildlichen Verhal- lassen, was ihnen Nutzen oder auch Vergnügen
tens Mentors und seiner Freunde das Modell die- verschaffen kann, und ihrem Stand gemäß ist,
ser neuen Erziehung sinnfällig vor Augen ge- mich endlich bestrebt, ihnen nach meiner
bracht wird. Hurrelmann ( 197 4, S. 202 f.) bemerkt Schwachheit selbst von Allem das Beyspiel zu ge-
dazu: »Im Rückgriff auf die fiktive Einkleidung ben. Ich habe ihnen Beweise von meiner Liebe
der Moralischen Wochenschriften nutzt Weiße beyjeder Gelegenheit gegeben, und so haben sie
nicht nur ein literaturpädagogisch glückliches mich mit Gegenliebe belohnet.« (S.l95) Hurrel-
Darbietungsprinzip, sondern das erzählerische mann ( 197 4, S. 212 ff.) weist darauf hin, daß die
Band der Familiengeschichte erhält in seinem personalisierten und emotionalisierten Beziehun-
Kindeifreund einen eigenen didaktischen Sinn. gen zwischen den Kindem und Erwachsenen
Über die wöchentlichen lehrreichen Unterhaltun- auch ein verändertes literarisches Verhalten der
gen der Mentor-Kinder hinaus wird hier ein Fa- Familie einschließen, daß die Familie selbst zur
milienleben in aller Anschaulichkeit vorgestellt, »Gesprächs- und Lesegemeinschaft« wird: »So
das vom üblichen familia1en Umgang der Gene- scheint die in der erzählerischen Einkleidung des
rationen miteinander abweicht. Das Familienge- Kinderfreunds propagierte Familienstruktur al-
schehen im Kindeifreund bildet [ ... ] einen zwei- lererst die Voraussetzung für eine angemessene
ten Strang sozialer Erziehung, die sich insbeson- Rezeption der neuen Gattung >Jugendliteratur<
dere an die erwachsene Generation [ ... ], vor al- zu eröffnen, die außerhalb der eigentlichen Un-
lem an die Eltern wendet. Auf der Ebene der Fa- terrichtsstunden zur unterhaltsamen Belehrung
miliengeschichte entfaltet Weiße eine deutliche junger Leser dienen will.« (S. 216)
Bemühung um die >Erziehung der Erzieher< und Die von Weiße propagierte Familienstruktur
knüpft damit an die auf die Erwachsenen gerich- schafft darüberhinaus jedoch vor allem die Vor-
tete Belehrungstradition der periodischen Erzie- aussetzungen, die er als notwendig erachtet, die
hungsschriften an.« für das noch junge Bürgertum typischen Tugend-
Was Weiße unter der von ihm so bezeichne- und Moralvorstellungen auf eine einprägsame
ten »liberalen« Erziehung versteht, wird schon in Weise zu vermitteln. Die soziale Erziehung inner-
der Charakterisierung von Mentors Erziehungs- halb der Familie, die Verbreitung der bürgerli-
grundsatz- man müsse den Kindem das Leben so chen Normen steht denn auch im Mittelpunkt des
freudig und glücklich wie möglich machen, jeder Kinderfreunds. Der von Weiße behandelte Tu-
Unterricht sei spielerisch durchzuführen(s.o.) - gendkatalog ist nicht im eigentlichen Sinne um-
deutlich. Entsprechend wachsen die Kinder in ei- fassend, er stellt vielmehr einen in didaktischer
ner Atmosphäre gegenseitiger Zuneigung und Absicht präsentierten Ausschnitt dar, der sich um
Liebe, gegenseitigen Vertrauens und kamerad- originäre bürgerliche Wertvorstellungen wie Tä-
schaftlicher Hilfe auf. Die Erwachsenen nehmen tigkeit und Tüchtigkeit, Ehrlichkeit und Recht-
die Kinder geduldig als Gesprächspartner ernst, schaffenheit, Genügsamkeit und Wohltätigkeit,
setzen sich mit ihnen auf »vernünftige« Art und gesittete Lebensart sowie Bildung des Verstandes
Weise auseinander, berücksichtigen ihre Meinun- und des Geschmacks gruppiert. In welchem Ma-
gen und Wünsche und versuchen, in der Erzie- ße diese Wertvorstellungen klassenbezogen sind,
hung möglichst ohne Strafen auszukommen. zeigt sich daran, daß Weiße sie häufig am Beispiel
147 Unterhaltende Schriften 148

von Kaufleuten demonstriert. Im Kaufmanns- Abcbuch für das kleine Kind auf dem Arme, und
stand sieht Weiße das Ideal gemeinnütziger Wirk- einen kleinen Katechismus für das große kaufen;
samkeit geradezu verkörpert. Es wird auch nicht ließ sie die Schürze aufhalten, und schüttete es ihr
dadurch verdunkelt, daß Besitzstreben und Ge- hinein, mit der Erinnerung, daß sie dieses morgen
winnsucht der Antrieb des Handels ist (vgl. 3. Th., Abends ihren Kindem bescheren möchte. [ .. . ]So
S. 45 f. ). Ist das sich im Handel verkörpernde Be- sind [ ... ] meine acht Groschen fortgegangen.«
sitzstreben einerseits schon durch den allgemei- 1. Th., s. 198 f.)
nen Nutzen, den die Gesellschaft aus dem Handel Die von Weiße vertretenen Tugenden und
zieht, legitimiert, so wird es zusätzlich dadurch Verhaltensstandards orientieren sich zwar ein-
moralisch gerechtfertigt, daß es erst die Voraus- deutig an den Bedürfnissen und Klasseninteres-
setzungen schafft, derer der Mittelstand bedarf, sen des gehobenen Bürgertums; sie werden je-
um Wohltätigkeit gegenüber den niederen doch nicht auf das Bürgertum beschränkt, son-
Schichten und den Armen zu praktizieren, die in dern zu einem allgemeingültigen Wertmaßstab er-
besonderem Maße der Fürsorge des Mittelstan- hoben, an dem auch das Verhalten der übrigen
des anempfohlen werden. So ist denn auch der Stände gemessen wird. Dies wird besonders deut-
Kinderfreundvoll von Beispielen der wohltätigen lich in der Darstellung des Adels. Eine vornehme
Sorge des Mittelstands. Auch Mentors Kinder Geburt ist nach Weißes Auffassung ebenso wenig
stehen da nicht abseits. So etwa dauert Lottchen ein Verdienst wie Schönheit oder Begabung (vgl.
das Los einer armen Familie, der sie auf dem 7. Th., S. 49ff.), er will die Menschen nicht nach
Weihnachtsmarkt begegnet: »Ich rufte die Frau Geburt oder Stand beurteilt wissen, sondern
auf die Seite, sagte zu ihr, sie sollte einen Augen- »nach ihrem wahren Werthe, ihren Verdienste
blick warten, ließ unsre Marie gleich ein paar und ihrem Nutzen, in Absicht auf die bürgerliche
Buchsbäume, ein paar Wachsstöckchen, ein und menschliche Gesellschaft« (19. Th., S. 5).

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1777· I 8.
Weiße, Christian Felix (Hrsg.): Der Kinder- Weiße, Christian Felix (Hrsg.): Der Kinder-
freund. Ein Wochenblatt. 1heil 6. Leipzig 1777 freund. Ein Wochenblatt. Iheil 12. - Leipzig
(Nr. 429) Titelblatt 1778 (Nr. 429). Titelblatt mit Vignette
149 Der Kinderfreund, 1776-82 150

Weißes Adelskritik im Kinderfreund greift nahe- vorgehoben wird vor allem seine Tätigkeit, seine
zu alle geläufigen Angriffspunkte auf: Besonders Sorge für das Gemeinwohl, seine intellektuelle
angeprangert werden die Verschwendungssucht, Bildung und seine vergleichsweise einfache, länd-
der Standeshochmut und die Ablehnung einer liche Lebensweise- alles im Kern bürgerliche Tu-
nützlichen Bildung. Scharf greift Weiße auch die genden, die sich der Landadel angeeignet hat. Der
Nachahmung des adeligen Lebensstils durch das Kinderfreund verdeutlicht jedoch auch das
Bürgertum an. So etwa stellt er in dem Schauspiel Schwanken des niederen Landadels zwischen
»Das junge Modefrauenzimmer« ( 17. Th., den ererbten Privilegien und der damit einherge-
S. 114-198) den Versuch einer Bürgerlichen dar, henden Bindung an den vornehmen Adel und
ihrer Pflegetochter eine adelsorientierte Erzie- dem Bürgertum, der aufstrebenden Klasse. Ein
hung angedeihen zu lassen. In den Mittelpunkt Beispiel dafür bietet das Schauspiel » Edelmuthin
ihrer Erziehung stellt sie die Ausbildung äußerer Niedrigkeit« (7. Th., S. 147 -198), der diesen Wi-
Reize und Fertigkeiten wie Singen, Klavierspie- derspruch in den Personen Herrn und Frau von
Jen usw. Das Nachahmen eines adeligen Lebens- Grünthals veranschaulicht. Frau von Grünthai re-
stils richtet sich gegen die bürgerlichen Prinzipien präsentiert den hochmütigen, sich auf seine Ge-
und wird daher von Weiße abgelehnt. Das Mäd- burts- und Standesprivilegien berufenden Adel,
chen soll keine »Spielpuppe für die Welt, sondern Herr von Grünthai den aufgeklärten Landadel,
auch ein nützliches Glied derselben« werden der die bürgerliche Moral als bestimmenden
(S. 198): gepflegte Lebensart an sich wird als wert- Stützpfeiler der Gesellschaft anerkennt und be-
los beurteilt, wenn sie nicht mit den bürgerlichen fürwortet. Aus dieser Polarität entwickelt Weiße
Tugenden in Einklang gebracht wird. die Richtigkeit der Position des aufgeklärten
Demgegenüber wird der niedere Landadel Adels. Ausgehend von der naturgegebenen
mit ausgesprochener Sympathie gezeichnet. Her- Gleichheit aller Menschen betont er, daß allein

Weiße, Christian Felix (Hrsg.): Der Kinder- Weiße, Christian Felix (Hrsg.): Der Kinder-
freund. Ein Wochenblatt. 1heil 2. -Leipzig 1776 freund. Ein Wochenblatt. 1heil 3. Leipzig 1776
(Nr. 429). Frontispiz (Nr. 429). Illustration zu S. 122
151 Unterhaltende Schriften 152

die tätige Verwirklichung allgemeiner, alle Men- neweber: Kinder von fünfbis sechs Jahren kräm-
schen ohne Unterschied der Herkunft verpflich- peln schon Wolle, spinnen und stricken.« (7. Th.,
tender Moralprinzipien den gesellschaftlichen s. 62 f.)
Wert eines Individums ausmache. Bezeichnend ist, daß sich Herr Chronickel
Zu den niederen Ständen hat Weiße, wie dafür ausspricht, daß reiche Familien »oft zu den
Hurrelmann (1974, S.l08ff.) nachgewiesen hat, Gesellschaften ihrer Kinder, armen Kindern, die
ein zwiespältiges Verhältnis: »Zwar gilt, daß das sie kennen, bisweilen einen Zutritt vergönnten,
Vorurteil der höheren Geburt, das dem Adel als und sie selbst in gewissen Lehrstunden eines ge-
Laster vorgehalten wird, ebenso zu verurteilen ist, meinschaftlichen Unterrichts genießen ließen«
wenn es sich im Mittelstand den unteren Schich- (7. Th., S. 65), Mentors Kinder aber keinerlei
ten gegenüber äußert, aber es wird durch ein intel- Kontakte zu gleichaltrigen Kindem aus niederen
lektuell-bildungsbezogenes ersetzt, mit dem sich Ständen haben oder mit ihnen gemeinsam Lehr-
das Bürgertum bis in unser Jahrhundert von den stunden erhielten. Soweit Arme und Bettler im
unteren Gesellschaftsschichten abgrenzte. [ ... ] Kinderfreund in Erscheinung treten, sind sie zu-
Der Tugend der >niederen< Stände fehlt der An- meist als Adressaten bürgerlicher Mildtätigkeit
teil von Bildung und Gesittung, die für den Bürger dargestellt. Nur selten schildert Weiße ihre küm-
unerläßlich sind.« (S. l 08 f.) Deutlich wird diese merlichen Existenzbedingungen, wie er auch
Beurteilung der niederen Stände an ihrer Gegen- kaum auf die tatsächliche soziale Situation der
überstellung mit dem »Gassentroß, oder solchen niederen Schichten eingeht. Armut begreift er we-
Leuten, die bloß von sklavischen Handthierun- niger als soziales, denn als individuelles Problem
gen, Höckereyen, Lasttragen, Tagelohnen, oder (vgl. 4. Th., S. 144). Mentor antwortet an einer
wohl gar vom Müßiggange und Betteln leben«: Stelle auf die Frage nach der Herkunft der Armut:
»Auch diese [d.i. die niederen Stände] fuhr ich »Gott läßt es zu, er läßt diesen in Armuth und
fort, sehen wir oft ihren Kindern eine bessere Er- Krankheit gerathen, jenen aber erhebt er aus dem
ziehung geben, als vielleicht in manchen großen Staube oder überschüttet ihn mit Überfluß: sind
und reichen Häusern statt findet, wo sie durch manche Menschen an ihrem Elende nicht selbst
Ueppigkeit, Eitelkeit, Schmeicheley, Müßiggang, Schuld, so muß er seine gerechten, seine weisen
Stolz und Nachsicht schon frühzeitig verdorben und gütigen Ursachen dazu haben, weil er der ge-
werden. Sie halten sie zur Frömmigkeit an, wenn rechteste, der weiseste, der gütigste ist. Ferner
sie bisweilen auch mechanisch seyn sollte, schik- müssen die Güter in der Welt ungleich vertheilet
ken sie in die öffentlichen Schulen, wo sie doch seyn, weil sonst keiner dem andem dienen wollte,
wenigstens einige, und wären es auch unvollstän- und der Lahme oft dem Blinden sein Auge, und
dige Begriffe, von Gott, dem Werthe der mensch- dieser jenem seinen Fuß leihen muß. Endlich ist
lichen Seele und Tugend, von einer Ewigkeit und dieses Leben ja nicht alles, sondern das große lan-
einer künftigen Strafe und Belohnung bekom- ge Leben geht erst in der Zukunft an, und eher
men: gewöhnen sie frühzeitig zur Arbeitsamkeit können wir nicht urtheilen, als bis wir alles, das
und einem thätigen Leben, und lehren sie mit ih- Ganze im ganzen Zusammenhang übetsehen ha-
rem Stande zufrieden zu seyn, welches eine Quel- ben.« (4. Th., S.l40)
le guter Handlungen ist.« (l. Th., S. 71 f.) Kenn- Ist Weißes Kritik am Adel auch energisch, so
zeichnen den tugendhaften Bürger Eigenschaften geht es ihm doch keineswegs -wie diese Ausfüh-
wie aufgeklärte Vernunft, Gesittetheit und guter rungen zeigen- um eine Infragestellung der stän-
Geschmack, so sind die Merkmale der Tugend- destaatliehen Ordnung. Seine Adelskritik zielt
haftigkeit in den niederen Ständen ursprüngliche nicht auf den Adelsstand als solchen, sondern auf
Gutherzigkeit, unverdorbene Gefühle »von standestypische Laster adeliger Individuen, de-
Recht und Unrecht, Wahren und Falschen, Edeln ren Korrektur eine Änderung des persönlichen
und Unedeln« (a.a.O., S. 72), rechtschaffene, Verhaltens, nicht jedoch eine gesellschaftliche
noch kindlich anmutende Frömmigkeit, die von Reform notwendig macht. Konsequent macht
allen Zweifeln des Verstandes ungetrübt ist, und Weiße in seiner Adelskritik denn auch vor dem
der tätige Nutzen für die bürgerliche Gesellschaft. Fürstenthrone halt, selbst der Fürstenhuldigung
Auch an die niederen Stände wird der Maßstab bringt er keine Einwände entgegen (vgl. Hurrel-
der Nützlichkeit für die bürgerliche Gesellschaft mann, 1974, S.97ff.). Gleichwohl ist Weißes Be-
angelegt. Dies zeigt sich z. B. in einer kritiklosen gründung der Notwendigkeit des Ständestaats in
Darstellung der Kinderarbeit; über ein armes sich keineswegs befriedigend. An einer Stelle äu-
Kind heißt es: » Dieß muß schon oft seinen Eltern ßert sich Magister Philoteknos: »Nachdem die
das Brod verdienen helfen, so bald es nur die Menschen sich aus einem natürlichen oder aus ei-
Hände rühren kann. Geh einmal auf das Land! nem solchen Stande, wo Jedermann einander
Der kleine Bauernjunge oder das Mädchen hütet gleich war, in einen gesitteteren oder cultivirtem
schon die Gänse oder Schaafe, liest seinem Vater Stand übergiengen, so war freylich der Unter-
die Steine vom Acker auf, oder jätet das Unkraut schied der Stände nöthig, und diejenigen von vor-
aus. Gebet in die Werkstätte, z. B. beyeinem Lei- züglichen Geistes- und Gemüthsgaben, oder auch
153 Der Kinderfreund, 1776-82 154

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Weiße, Christian Felix. (Hrsg.): Briefwechsel der Adelung, Johann Christoph (Hrsg.): Leipziger
Familie des Kinderfreundes. Th. 1. - Leipzig: Wochenblatt for Kinder. Bdch. 2. - Leipzig 1773
Crusius 1784 (Nr. 119). Titelblatt mit Vignette (Nr. 509). Titelblatt
nach D. Chodowiecki. - Nach Engelmann 499
handelt es sich bei der vorliegenden Fassung um
eine Kopie des von Chodowiecki stammenden
Originalkupfers.

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XII. !Danblttn.

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Enge/hardt, Kar/ August und Merke/, Dankegott Jmmanuel (Hrsg.): Neuer Kinderfreund. Bdch. 12.-
Leipzig: Barth 1798 (Nr. 627). Titelblatt mit Kupferstich- Vignette und Frontispiz
155 Unterhaltende Schriften 156

Leibeskräften, maßten sich einer gewissen Ober- 1776


herrschaft über die andem an, oder diese, die ihre
Schwachheit fühlten, räumten sie ihnen auch gut- August von Rode (1751-1837):
willig ein, um von ihnen Schutz, Gesetze, Künste Briefwechsel einiger Kinder.
und Wissenschaften zu erhalten. Diese denn hat- Dessau 1776
ten denn freylich wohl einen gerechten Anspruch
auf vorzügliche Titel und Ehrenstellen, auf das
Recht, die geringem Dienste von denjenigen zu Rodes Briefwechsel richtet sich an Kinder unter-
fordern, denensiehöhere leisteten« (19. Th., S. 7). schiedlichen Alters. Entsprechend dem Alter der
Da man vorausgesetzt habe, die Eltern würden ih- korrespondierenden Personen sind vermutlich
re Kinder zu gleichen Fähigkeiten und Verdien- Kinder von mindestens acht und höchstens sech-
sten erziehen, die Kinder aber würden dem Vor- zehn Jahren angesprochen (vgl. Vorrede, S. XII).
bild der Eltern nachzueifern trachten, habe man Seine Absicht bei der Verfertigung der Briefe
die Ehrenstellen, Würden, Titel usw. zu erblichen sei es gewesen, »Kindern nicht sowohl ein Mu-
erklärt. Der Magister schließt daran die Frage: ster, als vielmehr ein Beyspiel von einer Schreibart
»Wenn nun aber Kinder auch diese Titel und Na- zu geben, welche in jedem Alter nicht minder an-
men ihrer Aeltem und Vorältem führen, haben sie genehm als nützlich ist« (Vorrede, S. III). Rode
denn deswegen gleiche Verdienste?- 0 wie viele benennt zwei wichtige Funktionen, die Kinderli-
werden dann vornehme Taugenichts, und Müs- teratur zu erfüllen habe: die Kinder müßten durch
siggänger, die nicht den Schatten von ihrer Ael- Lektüre nach und nach »zum Studiren gewöhnt
tem Tugenden und nichts als den bloßen Namen werden«, zudem diene sie der moralischen Erzie-
haben. Ein, von ihnen ererbter Name und Titel hung (»wie in einem Stäftgen, nehmen sie so man-
aber ist nichts, und eben so viel, als wenn ein Blin- che gute Lehre mit ein, die man ihnen vielleicht
der stolz darauf seyn wollte, daß seyne Vorfahren sonst nicht so faßlich hätte machen können«,
trefflich gesehen haben [ ... ).« (S. 8) Weiße be- Vorrede, S. IV). Briefe für Kinder könnten dar-
zieht sich hiermit in einer historischen Sichtweise überhinaus noch eine dritte Aufgabe wahrneh-
auf den Gesellschaftsvertrag, ohne jedoch eine men, indem sie Kindern, die häufig nicht wüßten,
aktuell gültige Begründung für die Notwendig- wie sie einen Brief aufzusetzen hätten, anschauli-
keit des Ständestaats zu liefern. An ihre Stelle setzt che Beispiele vorstellten, was und wie sie etwas
er vielmehr eine Belehrung über den Standesdün- schreiben könnten: »Auch fällt ihnen gar wohl
kel. Nicht die Berechtigung der Ständeordnung ein, daß sie manches, das sie da geschrieben lesen,
steht damit zur Debatte, sondern die Lehre, die selbst schon gedacht haben, nur daß sie es sich
das Kind aus den gesitteten Ständen daraus zie- nicht hinzuschreiben getrauet, weil es so natürlich
hen soll: Nur eigene Verdienste zählen, nicht aber gewesen wäre. Dann ist auf einmal die Quelle ih-
der Stand, in den man hineingeboren wird. res Verstandes geöffnet, die Briefe fließen ihnen,
Eine ausführliche Darstellung der Auflagen, der nach den Umständen, so gut als den Erwachse-
Ausgaben und des Verkaufs des Kinderfreunds, seines nen.« (Vorrede, S. VII)
Lesepublikums in sozialer und beruflicher Hinsicht so- Rode stellt verschiedene Kriterien auf, die
wie der Resonanz des Kinderfreunds in der zeitgenössi- Kinderbriefe zu erfüllen hätten, wenn sie dieser
schen Literaturkritik findet sich bei Hurrelmann ( 1974), Aufgabe nachkommen wollten. Zum einen müß-
die an seinem Beispiel die soziale Erziehung in der Ju- ten die Briefe, die man Kindem vorlege, »ganz
gendliteratur der Aufklärung behandelt. Sie stellt zu-
und gar in ihrem Geiste geschrieben seyn« (Vorre-
sammenfassend zur sozialen Erziehung im Kinder-
freundfest: »So bleibt Weiße innerhalb der Bestrebun- de, S. VIII), d. h. auch die für Kinder typischen
gen seiner Zeit, wenn er seine soziale Tugendlehre für Stilfehler enthalten. Die Moral, die vermittelt
die junge Generation undiskutiert an die spezifischen werden solle, müsse in Form von Beispielen und
politisch-gesellschaftlichen Voraussetzungen seiner nicht von Lehrsätzen vorgebracht werden, da sie
Gegenwart knüpft. Soziale Erziehung ist bei ihm- wie sonst langweilig werde und die Kinder zu Heuch-
schon in den Moralischen Wochenschriften - Erzie- lern erziehe. Zudem müsse ein Briefwechsel für
hung zu einem unpolitischen Gemeinsinn. Die Bindung Kinder »Betrachtungen und Schilderungen von
der Tugenden des einzelnen an die Idee des Gemein- Empfindungen« sehr »behutsam« anbringen.
wohls als Charakteristikum der Gesellschaftserziehung Rodes Briefwechsel enthät 68 Briefe der Geschwi-
des »Kinderfreunds« bedeutet also konkret die Ver- ster Sophie und Carl sowie der Freunde Carls. Die Kor-
pflichtung auf gemeinnütziges Wirken im vorgefunde- respondenz umfaßt die Zeit vom März 1754- Carl und
nen Staat mit seiner vorgegebenen Gesellschaftsord- Sophie sind zu diesem Zeitpunkt etwa acht oder neun
nung. Sie bedeutet eine Erziehung zu grundsätzlich so- Jahre alt -bis zum November 1761. Der Briefwechsel
zialkonservativer Einstellung und sozialintegrativen wird aufgenommen, als Sophie das väterliche Haus ver-
Tugenden.« (S. 134f.) O.B. läßt und zu einer entfernter wohnenden Tante gegeben
wird, die sie, da Sophies Mutter verstorben ist, in weibli-
chen Geschäften ausbilden soll. Die Briefe geben Aus-
kunft über die Lebensumstände beider Kinder, ihre Be-
schäftigungen und Vergnügungen, ihre Lektüre und ih-
157 Rode, Briefwechsel, 1776 158

ren Unterricht, ihren gesellschaftlichen Umgang und abgebildeten Gegenstände mit einem französi-
besonders ihre Freundschaften, über Reisen, Spiele, schen Namen benennt, ohne daß die Kinder wis-
handwerkliche Tätigkeiten, das Einstudieren einer Kin- sen, daß es sich hierbei um Französisch handelt.
derkomödie usw. An einer Stelle erzählt Sophie ihrem Auch Sophie wird von ihrer Tante spielerisch an
Bruder eine Beispielgeschichte nach Gesner (S. 12 f. ).
Der Briefwechsel der beiden Geschwister wird einmal ihre zukünftigen Aufgaben als Hausfrau herange-
für nahezu vier Jahre unterbrochen, ohne daß hierfür ei- führt. Später erkennt sie, wie das Spielerische
ne hinreichende Begründung gegeben würde. In dem mehr und mehr zu einer nützlichen Beschäftigung
entsprechenden Briefe Carls heißt es lediglich, eine Rei- ausgeweitet und übergeleitet wurde: »Ich erstau-
se, die er mit seinem Vater, seinem Mentor W. und sei- ne, wie [meine Beschäftigungen] unmerklich ein
nen Freunden gemacht habe, habe ihn von der Korre- ander Ansehn gewonnen, seitdem ich nichts da-
spondenz abgehalten (S. 30). von an dich erwähnt habe! Sie sind nicht mehr so
In der zweiten Hälfte des Briefwechselsfinden sich gespielt, ohne daß sie darum weniger Reiz für
neb den geschwisterlichen Briefen auch Briefe Carls mich haben. Ja im Grund sind sie noch alle diesel-
und seiner Freunde Albert, Heinrich, Casimir und Ha-
milton; mit Hamilton korrespondiert Carl in dessen
ben, nur daß ihr Zweck verändert ist. Ich koche,
Muttersprache, Französisch. Mit dem Erwachsenwer- wie sonst, nur ist es nicht mehr zum Spiel; ich löse
den der Kinder wird der Briefwechsel beendet: Carl be- die Muhmen wochenweise damit ab. Ich führe
zieht- begleitet von seinem Mentor W. - die Universi- Rechnung, nicht mehr über Bohnen, sondern
tät, Albert erhält bei seinem Onkel eine landwirtschaftli- über würkliche Einnahme und Ausgabe. Anstatt
che Ausbildung, Heinrich wird Offizier, und Casimir meiner Puppen, kleide ich izt mich. Meine Leetü-
geht zu einem Kaufmann in die Lehre. re besteht nicht mehr in kleinen Kindergeschich-
Rode will den Eindruck hervorrufen, als ten. Ich zeichne, habe bestimmte Stunden im Tan-
handle es sich bei seinem Briefwechsel um eine zen, in Musik. Mein Zeitvertreib in Gesellschaf-
Sammlung authentischer, von Kindern geschrie- ten ist angenehme Unterhaltung, und nicht Pup-
bener Briefe. So heißt es etwa in einer Anmerkung penspiel mehr« (S. 39 f.).
S. 28: »Das Französische ist in dem Manuscripte In der Erziehung der Jungen nehmen körper-
sehr fehlerhaft geschrieben; aber den kleinen Le- liche Übungen sowie handwerkliche Tätigkeiten
sern zum Besten, hat man es lieber nach der einen breiten Raum ein, viel wird auch experi-
Rechtschreibung drucken lassen.« Dieser Ein- mentiert, wenig dagegen gelesen. In einer Bemer-
druck wird dadurch zu verstärken gesucht, daß er kung über Carls Tagesablauf heißt es: »Viel Lei-
typische Fehler von Kindern in seine Briefe ein- besübung, wenig Gelese; Unterhaltungen mit
baut. So verliert Carl in seinem Brief an Sophie Herrn W***; physikalische Versuche; allerhand
z. B. den Faden(» Doch wo bin ich nun? Ich muß Spiele, Spatziergänge, Drechseln, Tischern, Zim-
zurück lesen.«, S. 3), so daß der Argumentations- mern, Gärtnern, Jagen und dergleichen, ist unser
strang durcheinandergerät, oder er berichtet so Tagewerk. Zuweilen gehen wir auch Feldmessen,
wirr von Neuigkeiten, daß ihn seine Schwester er- und das ist besonders mein Lieblingszeitvertreib«
mahnen muß, er solle sich »ein wenig der Ord- (S. 56 f.).
nung im Erzählen befleißigen«, denn sonst hätten Philanthropische Einflüsse zeigen sich auch
sie nur ein halbes Vergnügen an ihrer Korrespon- in Rodes Vorstellungen von der unterschiedli-
denz (S. 18). Dem gleichen Ziel, den Eindruck chen Erziehung von Jungen und Mädchen. In be-
von Authentizität zu erwecken, dient auch der zug auf die Jungen stellt er verschiedene Ausbil-
Kunstgriff, daß sich die Kinder teilweise in ihren dungen- zum Landwirt, zum Kaufmann zum Of-
Antworten auf Briefe beziehen, die in der Samm- fizier und zum Akademiker- einander als gleich-
lung gar nicht enthalten sind, so daß die Vorstel- wertig gegenüber; er hebt die Notwendigkeit her-
lung suggeriert wird, es handle sich bei dem Brief- vor, daß Jungen sich aus Gründen ihres späteren
wechsel um eine Auswahl tatsächlich verfertigter Berufes auch mit toten Sprachen beschäftigen
Briefe. müßten. Sophie dagegen lernt italienisch, eng-
Die im Briefwechsel auftretenden Kinder lisch und französisch, um sich richtig in einer Ge-
und Erziehungspersonen werden als Vorbilder sellschaft bewegen zu können. Beherrscht sie
hingestellt, deren Verhalten nachzuahmen ist. auch verschiedene Sprachen, so ist doch ihre Aus-
Dies bezieht sich nicht nur auf die vorgestellte in- bildung nicht gelehrt, sondern immer auf ihre zu-
nige Geschwisterliebe, die tiefe Freundschaft der künftige Bestimmung als Hausfrau, Mutter und
Kinder untereinander, ihre dankbare Liebe und Wirtschafterin ausgerichtet. Die Ausbildung soll
Verehrung ihrem Vater und ihren Erziehungsper- sie nicht über diese Bestimmung hinwegheben,
sonen (Mentor, Tante) gegenüber, sondern auch sondern sie geschickt machen, ihre spätere Funk-
auf die im Briefwechsel propagierten Erziehungs- tion auf das Beste auszuüben.
grundsätze, die stark philanthropisch geprägt Baur (1790, S.369f.) hebt das Werk lobend her-
sind. Besonders betont Rode das Prinzip des Spie- vor: »Herrn Rodes Briefwechsel einiger Kinder 1776 ist
lerischen. So etwa lehrt der Mentor Carl und seine ganz im Geiste der Kinder geschrieben, und handelt von
Freunde auf spielerische Art das Französische, in- Gegenständen, die Kinder interessiren. Durchgehends
dem er ihnen Kupfertafeln zeigt und die darauf ein leichter Styl, kurze, nicht schnelle Uebergänge von
159 Unterhaltende Schriften 160

einer Sache zur an dem, wie sie in der Seele eines Kindes glückwünscht und beschenkt und ist tief bewegt über
gewöhnlich sind. Die Erziehungs- und Unterweisungs- seine guten Kinder. Er belohnt sie, indem er ihnen einen
methode, die in diesen Briefen, aus den Erzählungen angenehmen Tag verspricht.
der Kinder durchschimmert, ist vortreflich.« 0. B. »Die Abreise«: Carl, der älteste von drei Brüdern,
soll von einem Nachbarn nach Dessau gebracht wer-
den, wo er das Philanthropin besuchen wird. Kurz vor
Antritt der Reise trifftjedoch die Nachricht ein, daß die
1776 Reise verschoben werden müsse, weil der kleine Sohn
des Nachbarn einen schweren Unfall gehabt habe und
August von Rode (1751-1837): wahrscheinlich tot sei. Während die Brüder sehr betrof-
Kinderschauspiele. fen sind und den Unfall bedauern, ist Carl zunächst nur
Leipzig 1776 enttäuscht, die Fahrt nicht sofort antreten zu können. Er
wird von der Mutter für dieses Verhalten beschämt. Die
Enttäuschung verwandelt sich kurz darauf wieder in
Rode widmet seine drei Kinderschauspiele dem Freude. Es stellt sich heraus, daß der Unfall doch nicht
Dessauischen Philanthropin, in dessen Rahmen so schwerwiegend war und die Reise nun wie geplant
die beiden ersten mehrmals mit Erfolg aufgeführt durchgeführt werden kann. Es kommt zu einem rühren-
worden sind. In seiner Vorrede drückt er die Hoff- den Abschied, bei welchem die Mutter ihrem Sohn Er-
nung aus, daß die Aufführung der Stücke Kin- mahnungen zum Fleiß undzur Tugend mit auf den Weg
dem leicht und angenehm sei und sie belustige. gibt. Carls Brüder bleiben traurig zurück und müssen
getröstet werden. Die Mutter erklärt ihnen, warum
Zugleich wendet sich Rode auch an die erwachse-
Carls Abschied notwendig war, und daß sie selbst eines
nen Zuschauer, von denen er sich aufmerksames Tages das Haus verlassen müßten, um etwas zu lernen:
Interesse und Bewegung des Gemüts wünscht. »[ ... ] Ihr werdet einmal Männer werden, und da müßt
Rode versichert ausdrücklich, daß seine Kinder- Ihr was gelemet haben, wenn Ihr in der Welt nützlich
dramen keinerlei Ähnlichkeit mit französischen und glücklich werden wollt.« (S. 57).
oder deutschen Mustern hätten. Er habe sich viel- »Der Ausgang, oder die Genesung«: Die Ge-
mehr bemüht, nur »Kinder der Natur, gute, gera- schwister August, Heinrich, Christian und Malehen
de, unverdorbene Geschöpfe«, derenzarte Seelen spielen fröhlich und lärmend in einem Zimmer. Ihre
»noch nie den beizenden Eindruck« des Lasters Schwester Louisehen kommt dazu und berichtet, daß
der Vater sich von seiner Krankheit erholt habe und am
gefühlt hätten, auf die Bühne zu bringen (Vorre-
nächsten Morgen zum erstenmal wieder auszugehen ge-
de, S. III). Sie redeten daher auch »blos die Spra- denke. Die Kinder freuen sich über seine Genesung und
che ihres Herzens; niemals jene langweilige wel- beschließen voller Eifer, ihm an diesem Tag eine Über-
che sie aus den eben so abgeschmackten, als un- raschung zu bereiten. Ihre Vorfreude wird aber durch
nützen moralischen Predigten ihrer Aufseher im ein plötzliches auftretendes Schlechtwetter getrübt, das
Gedächtnisse behalten haben« (Vorrede, S. VI). den Vatervon seinem Entschluß abzubringen droht. Al-
Die Vorstellungen der Kinder seien »häusliche le sind sie sehr enttäuscht. Kurz daraufwendet sich alles
Auftritte, in einer ganz einfachen Einkleidung« wieder zum Guten. Sie erfahren, daß der Vater seinen
(Vorrede, S. VI). Ausgang auf Anraten des Arztes nun doch unternehmen
Wie sich aus der Abschilderung ihrer häusli- werde. Außer sich vor Freudetreffen sie nun ihre Vorbe-
reitungen und begrüßen ihren Vater am nächsten Mor-
chen Gegebenheiten entnehmen läßt, entstam- gen mit einem Reigentanz und rührenden Versen. Alle
men die in den drei Kinderstücken auftretenden sind sie tiefbewegt und drücken gegenseitig Freude und
Kinder (in »Das Geburtstagsgeschenk« sind sie Rührung aus.
nicht älter als 8 Jahre) dem wohlhabenden Bür-
gertum. Sie alle verfügen über Bedienstete, und in Entsprechend seinen in der Vorrede ange-
»Die Abreise« soll der älteste Sohn Carl das Phi- kündigten Intentionen hat sich Rode bemüht, die
lanthropin in Dessau besuchen. Kinder in einfachen häuslichen Auftritten zu zei-
gen und in einen unprätenziösen, natürlichen
»Das Geburtstagsgeschenk«: Die Geschwister
Dorchen, Wilhelm und Heinrich sind mit dem Bau ei-
Tonfall reden zu lassen. Die kleinen Szenen beste-
nes Kartenhauses beschäftigt, während ihre Schwester hen vornehmlich aus einer Aneinanderreihung
Louisehen emsig an einem Geldbeutel strickt. Bei dem alltäglicher kindlicher Unterhaltungen und Nek-
Versuch, Louisehen zum Mitspielen zu bewegen, stellt kereien ohne eigentliche dramatische Struktur.
sich heraus, daß der Geldbeutel ein Geburtstageschenk Rode verzichtet auf eine einseitige Typisierung
für den Vater werden soll. Nun zeigen auch die anderen seiner Kinderfiguren. Er stellt gutartige Kinder
Kindem ihre Überraschungen vor: Dorchen hat ein mit altersbedingten kleinen Schwächen dar, die-
paar Manschetten für ihn gefertigt, Heinrich den Riß ei- ohne die sonst in den Kinderschauspielen des
nes Hauses gezeichnet und Wilhelm einen Brief in 18. Jahrhunderts übliche Übergewichtung der
Schönschrift verfaßt Die Vorfreude der Kinder auf den
Moral- nachahmungswürdige Beispiele von Ge-
Geburtstag ihres Vaters am folgenden Tag wird aber
durch die Nachricht getrübt, daß dieser die Absicht ha- schwisterliebe und rührender Elternliebe geben.
be, zu verreisen. Der Mutter gelingt es jedoch, ihn zu ei- Insgesamt vermitteln die Szenen das Bild eines
nem Aufschub der Reise zu überreden, so daß den Kin- glücklichen und harmonischen Familienlebens.
dem eine große Enttäuschung erspart bleibt. Am näch- Neben der Veranschaulichung von Geschwister-
sten Morgen wird der Vater von seinen Kindem be- und Elternliebe hebt Rode thematisch die Bedeu-
161 Schummel, Fritzens Reise, 1776 162

tung der Erziehung hervor. In »Der Ausgang, ner, die sich zu Kindem herabstimmen können«
oder die Genesung« bedankt sich der gerührte (S. 9). Es gibt also zwei Adressaten: Kinder, die
Vater bei seinen tugendhaften Kindem mit dem gleichaltrig mit den Schülern des Dessauer Phi-
Versprechen: »[ ... ] Ich kann nun noch bey Euch lanthropins sind (10-15 Jahre), sollen durch
bleiben, meine Kinder, weil mir meine Gesund- Schilderung des Anstaltslebens begeistert, Leh-
heit wieder verliehen ist. Der beste Gebrauch, den rer, Erzieher und Eltern von dem Vorzug der neu-
ich davon machen kann und will, ist, daß ich sie zu en Erziehungsmethode überzeugt werden. Dieser
Eurem Besten, zu Eurer Erziehung anwende. zweifachen Adressatenausrichtung wird im Buch
Euch, junge Pflanzen, will ich mit Sorgfalt ziehen genauestens Rechnung getragen: Die gewählte
und pflegen - und daß ich mich einst in Euren Briefform erlaubt es, daß der Erzählersich an ver-
Schatten lagern, und mich an dem Wohlgeruch schiedene Adressaten richten kann. Hierbei ent-
Eurer Blüten ergötzen möge!« (S. 96) sprechen dem kindlichen Adressaten die Briefe
In »Die Abreise« verabschiedet Carls Mut- an die Geschwister, die Briefe an Mutter und On-
ter ihren Sohn ins Philanthropin mit den folgen- kel dem Adressatenkreis der Lehrer, Erzieher und
den Erklärungen: »[ ... ] Ich lasse Dich ungern Eltern. Zugleich aber sind alle Briefe so gehalten,
von mir, ich liebe Dich herzlich, hätte Dich gern daß beide Leserkreise Zugang finden können; so
noch immer um mich;- aber ich muß für dein Be- nehmen insbesondere die Briefe an Mutter und
stes sorgen; ich muß Dich was lernen lassen, da- Onkel Rücksicht auf den kindlichen Leser. Im
mit Du einmal in der Welt fortkommest; und hier Text selbst findet sich denn auch die Aufforde-
ist dazu keine Gelegenheit« (S. 45). rung, daß die verschiedenen Briefempfänger sich
Die zeitgenössische Resonanz auf Rodes Kinder- wechselseitig die an sie gerichteten Briefe vorle-
schauspiele war außerordentlich wohlwollend und an- sen sollen (vgl. S. 53).
erkennend. Die ersten beiden Schauspiele des vorlie- Schummel will nicht, wie es in der »Vorerin-
genden Bandes wurden wiederholt im Dessauer Philan- nerung« heißt, eine »vollständige Beschreibung«
thropin von Kindern und Erwachsenen aufgeführt, so (S. 9) des Basedowschen Philantropins geben, die
z. B. auch anläßlich der im Mai 1776 abgehaltenen öf- wisschenschaftlichen Ansprüchen genügte. Es
fentlichen Prüfung, von der Eberhard von Rochow in geht ihm vielmehr um einen Erlebnisbericht, des-
seiner Authentischen Nachricht von der zu Dessau auf sen Basis eine eigene Reise nach Dessau und die
dem Philanthropinum den 13. bis 15. Mai 1776 ange-
stellten öffentlichen Prüfung berichtet. Aus Fritzens Rei-
persönliche Teilnahme an dem »öffentlichen Ex-
se nach Dessau ist uns ebenfalls eine Schilderung dieser amen« des Philanthropins abgeben. Die Mittei-
Aufführungen überliefert (vgl. Leipzig 1776, S. 94ff.). lung subjektiver Eindrücke und Erlebnisse soll
Rodes Kinderschauspiele finden ferner lobende dennoch nicht bloß unterhaltend, sondern auch
Erwähnung in Götz' Kinderbibliothek fiir Aeltem und belehrend sein: Die Lektüre soll »eine angeneh-
Erzieher, die sie als für »ebenso unterhaltend und lehr- me und nicht ganz unnütze Stunde« darstellen
reich« bezeichnet (Frankfurt a.M. 1780-82, I. Stck., (S. 9). Das Buch ergreift begeistert Partei für Base-
S. 14). Im Philanthropischen Archiv, das »Das Geburts- dow und sein Philanthropin und versteht sich als
tagsgeschenk« und »Die Abreise« im 2. Stück abge- publizistische Unterstützung des Dessauer Unter-
druckt hat, wird das erstere als »vollkommen philan-
thropisch« gepriesen und der Wunsch geäußert,» ... 0,
nehmens. Es will, so kann geschlossen werden,
hätten wir doch solcher Schriftsteller für die Kindheit um finanzielle Unterstützung werben, neue Zög-
ein Dutzend, und zwar besonders für die philanthropi- linge anziehen, schließlich in allgemeiner Weise
nische Kindheit, für welche ganz anders, als für die ge- zur Verbreitung der Basedowschen Ideen beitra-
wöhnliche, geschrieben werden muß!« (Dessau 1776, gen. Die intendierte Werbewirkung wird hierbei
l.Stck., S.94). Baur (1790, S.370) zählt sie >>Unter die getragen von der Überzeugungskraft persönli-
besten dieser Art die bisher erschienen sind.« In der chen Erlebensund subjektiver Begeisterung. Ver-
neueren Geschichtsschreibung wird Rode von Göhring stärkt wird diese Wirkung zudem noch dadurch,
(1904) und Sophie Köberle (1972) nur kurz erwähnt. daß als Ich-Erzähler ein Kind bzw. Jugendlicher
Göhring bringt einen Dialogausschnitt aus Rodes »Ge-
burtstagsgeschenk«, das er ein »nichtssagende[s] Kin-
auftritt.
dergespräch« (S. 82) nennt. C. Den Inhalt des Buches bildet die ca. einwöchige
Reise, die Fritz, der Ich-Erzähler, mit seinem Vatervon
Magdeburg nach Dessau unternimmt, um an dem »öf-
fentlichen Examen« des Basedowschen Philanthropins
teilzunehmen. Die ersten zwei Briefe schildern die An-
1776 reise nach Dessau, deren letzte Zwischenstation die
Stadt Zerbst ist, wo ein Naturalienkabinett besichtigt
Johann Gottlieb Schummel (1748-1813): wird. Nach Ankunft in Dessau wird sogleich das Philan-
Fritzens Reise nach Dessau. thropin aufgesucht, wo ein erstes Gespräch mit Base-
Leipzig 1776 dow und den Lehrern der Anstalt geführt wird und eine
erste Begegnung mit den Schülern stattfindet; am
Abend wird ein Konzert aufgesucht (Brief III- V). In
Die Reisebeschreibung in Briefform ist adressiert den nun folgenden drei Tagen (13.-15. Mai 1776) fin-
an »Kinder« und »Kinderfreunde«, d. h. » Män- det das »öffentliche Examen« statt, das in den Briefen
163 Unterhaltende Schriften 164

VI bis XII geschildert wird. Es beginnt mit einer Feier der Schüler und ihrer Spiele. Die an den Onkel gerichte-
und einem Gottesdienst in Anwesenheit des Fürsten; ten Briefe (insges. 4) geben hauptsächlich eine Darstel-
anschließend führen die Schüler Spiele vor. An den lung des Philanthropins, der Lehrmethoden und Unter-
kommenden beiden Tagen wird den Gästen der Unter- richtsform, schließlich des »öffentlichen Examens«.
richt vorgeführt; abends finden Theateraufführungen Die Briefe an die Mutter (insges. 4) schildern die Reise
statt, wobei am letzten Abend von den Schülern selbst selbst wie die Begegnungen mit dem Fürstenpaar. An
ein deutsches und ein französisches Lustspiel aufge- seine Schwester Lottchen (3 Briefe) berichtet Fritz von
führt wird. Die Abreise am 16. Mai 1776 führt über Konzert- und Theaterbesuchen. Der Absicht, durch die
Werlitz, wo das Lustschloß des Fürsten besichtigt wird Einführung verschiedener Briefempfänger dem unter-
und eine nochmalige Begegnung mit dem Fürsten statt- schiedlichen Adressatenkreis Rechnung zu tragen, wird
findet. also auch vom Inhalt her entsprochen.
Eine über die Schilderung der Reise und der Ereig-
nisse des »Examens« hinausgehende Handlungsstruk- Den zentralen Inhalt des Buches bildet die
tur besitzt das Buch nicht. Der Ich-Erzähler bleibt weit- ausführliche Schilderung des »Öffentlichen Ex-
gehend in der Rolle des Beobachters der selbst nicht in
amens« des Philanthropins. Hierbei werden zu-
das Geschehen involviert ist. Nur vereinzelt kommt es
zu Gesprächen mit Teilnehmern des »Examens« bzw. nächst die in der Anstalt tätigen Lehrer und Erzie-
Schülern der Anstalt; auch Unterhaltungen zwischen her vorgestellt (Brief 111): Neben Basedow wer-
Vater und Sohn sind selten. Um so intensiver ist dafür den Wolke, Simon, Schweighäuser und Benzier
die Kommunikation mit den Briefempfängern, denen charakterisiert, wobei sie positiv von den üblichen
das Beobachtete mitgeteilt wird. »accuraten« Dorfschulmeistern abgehoben wer-
Schummel wählt als Darstellungsform die des den (S. 28 f.). Basedows z. T. merkwürdige Er-
Reisebriefes, übernimmt damit eine der bedeutendsten scheinung wird an besonderer Stelle humorvoll
literarischen Gattungen der >>Empfindsamkeit«. Wie herausgestellt (S. 52). Im VII. Briefwerden in aus-
allgemein im Briefroman die bürgerlichen Subjektivität, führlicher Weise die zum »Examen« erschiene-
das »Herz« und die Innerlichkeit sich aussprechen, so nen Gäste aufgezählt und beschrieben. Erwäh-
teilt hier gleichermaßen der Ich-Erzähler nicht nur das
Geschehene und Erlebte in der Form bloßer Nachricht
nung finden hier u. a. Probst Teller, Campe, von
mit; er schildert zugleich seine Betroffenheit und Begei- Rochow, Jacobi und Bode, wobei das Fehlen von
sterung, gibt eigene Gemütszustände wieder und stellt Lavater, Iselin, Wieland, Goethe und Gleim aus-
eine stete Verbindung her zwischen dem neu Erlebten drücklich moniert wird. Die anwesenden Persön-
und seiner bisherigen Erfahrungswelt, die auch die der lichkeiten werden z. T. aus einer kindlichen Per-
Adressaten ist. spektive beschrieben und charakterisiert, wobei
Dem entspricht es, daß die Sprache ganz und gar die äußere Erscheinung im Vordergrund steht. So
von Stilelementen der Empfindsamkeit beherrscht heißt es über Teller: »Er sieht so ehrlich aus, und
wird: Häufige Ausrufe, Anreden, reichhaltige Verwen- so rechtschaffen, und dabey so gelehrt, er muß
dung sentimentalischen Vokabulars. Im Rahmen dieser wohl sehrviel studieren!« (S. 45). Der Erzähler ist
empfindsamen Sprache werden auch Elemente der
Kindersprache aufgenommen(»[ ... ] wenn Du erst die
teilweise jedoch schon vorinformiert, wie das fol-
kleinen Krausköpfe sollst lateinisch reden hören, Du gende Beispiel zeigt: »Den Domherr von Ro-
freutest Dich todt!«), ohne jedoch Oberhand zu gewin- chow kannt ich gleich an seinem Kreuze: aber in
nen. Die Erzählsituation wird von Schummel deutlich seinem Gesichte sieht er ganz anders aus, als ich
herausgestellt: Häufig werden die Briefe unterbrochen ihn mir vorgestellt hatte. Er ist nochjung [( ... )]er
durch direktes Anreden des Adressaten, oft werden die sprach so schön, und es floß ihm alles so vom
Reaktionen des Empfängers vorweggenommen («Sey Munde, ganz scharmant!« (S. 46 f.). Der weitläu-
lustig, springe, tanze: Ich will Dir was von den kleinen fige Überblick über die prominenten Gäste des
Philanthropisten erzehlen!«, S. 31). So entsteht ein per- »Examens« hat, so darf geschlossen werden, den
manenter »Dialog« zwischen Briefeschreiber und
-Empfänger, wodurch schließlich mittelbar auch der
Zweck, das Basedowsche Unternehmen selbst
reale Leser mit in das Erzählgeschehen einbezogen aufzuwerten; auch ist er sicher von nicht gerin-
wird. gem zeitgeschichtlichen Wert. Die Vorstellung
Schummel kombiniert die Form des Briefromans der Personen sucht hierbei Rücksicht auf die
zudem mit der des Reisetagebuchs. Die Herreinahme kindliche Wahrnehmung zu nehmen.
des Reise-Fiktion erlaubt es, den Kontrast zwischen Einen weiteren Schwerpunkt bildet die
dem Bisherigen, Bestehenden und dem Neuen, Unbe- Schilderung des Unterrichts, der Schüler und ih-
kannten stärker hervortreten zu lassen. Der Reisevor- rer Spiele. Die Schüler werden als »freundlich«
gang setzt zugleich den Rezeptionsvorgang des Lesers und »dreust« beschrieben; frühzeitige Begeiste-
ins Bild um, der ja etwas Neuesund Unbekanntes ken- rung erweckt die Verwendung des Lateinischen
nen lernen und sich hierfür begeistern soll.
als Spiel- und Umgangssprache (S. 31 f.). Der
Der Verschiedenheit der Briefempfänger ent-
VIII. Brief schildert weitläufig die Spiele der
spricht zugleich auch eine thematische Gliederung.
Empfänger sind zum einen die Geschwister Fritzens, Schüler (Kommandierspiel, Versteckspiel, Nach-
Carl und Lottchen, zum anderen seine Mutter und sein ahmungsspiel). Der X. und der XII. Brief be-
Onkel. Den Adressaten sindjeweils folgende Themen- schreiben den Unterrricht in den Fächern Reli-
bereiche zugeteilt: Die Briefe an Carl (insges. 3) enthal- gion, Französisch, Historie, Mathematik, Geome-
ten Schilderungen des Anstaltslebens, des Unterrichts, trie und Latein, wobei die von Basedow entwik-
165 Schumme1, Kinderspiele, 1776-78 166

kelten neuen Unterrichtsmethoden besonders schätzt, wenn er glaubte, sie nur für die Jugend geschrie-
herausgearbeitet werden (Spielcharakter, Verbin- ben zu haben.« (S. 95). Das Werk ist dementsprechend
dung von Sprachlehre und Sachkunde, Anschau- nicht nur als Jugendbuch, sondern auch als Quellentext
lichkeit, Spontanität der Schüler). In diesem Zu- zur Geschichte der deutschen Philanthropine angese-
sammenhang wird auch die während des Ex- hen worden. Es ist denn auch 1891 in der von A. Richter
besorgten Reihe Neudrucke pädagogischer Schriften bei
amens geäußerte Kritik vermerkt: »[ ... ] ein paar, Fr. Brandstätter, Leipzig, neu herausgegeben worden.
die hört ich hinter dem Rücken ganz verzweifelt E.
räsonnieren. Sie sagten, das waren alles nur Kin-
dereyen, man sollte nur einmel den Cicero, Li-
vius, Horaz, Virgil er dergleichen aufs Tapet brin-
gen, denn würde man erst sehen, ob die Philan-
thropisten lateinisch könnten« (S. 90). Die Kritik 1776-78
wird von Schummel zurückgewiesen; er läßt den-
noch die bei Basedow selbst noch vorhandene Johann Gottlieb Schummel (1748-1813):
Unzufriedenheit über den augenblicklichen Kinderspiele und Gespräche. 3 Teile.
Stand des Philanthropins durchblicken(»[ ... ]izt, Leipzig 1776-1778
sagt er, wär es noch so gut, wie nichts!«, S. 82) und
macht deutlich, wie dringend finanzielle Hilfe Die einzelnen Stücke richten sich an Kinder ver-
vonnöten ist. schiedenen Alters. Ein Stück ist für die »jüngsten
Das Buch enthält desweiteren Schilderun- Geschwister« (1, S. IX), Kinder ab 3 Jahren, ge-
gen von Konzert- und Theateraufführungen, Be- dacht, ein anderes Stück für »erwachsene Kin-
schreibungen des Hoflebens und der Stadt Des- der« (1, S. VIII), für Jugendliche also, die kurz da-
sau. Auffallend ist die starke Verehrung des Für- vor stehen, aus dem Hause zu gehen (Stücke V
sten und seiner Familie, die schon in der Dedika- und 111 von Teil 1). Die restlichen Spiele sind für
tion zum Ausdruck kommt. Die Begegnung mit Kindervon ca. 8 bis ca. 15 Jahren.
dem Fürsten ist auch im Rahmen der Erzählung Zu den Adressaten gehören wohl im wesent-
dem Besuch des Philanthropins an Bedeutung lichen Kinder gehobener bürgerlicher und adeli-
fast gleichgestellt. Der Fürst wird zum einen als ger Schichten. Dies läßt sich zum einen aus den
der »aufgeklärte Fürst« verehrt, der das Philan- auftretenden Figuren erschließen, die alle dem
thropin ermöglicht hat, zum anderen als gottge- wohlhabenden »gesitteten Stand« angehören
wollter Herrscher bedingungslos anerkannt: und Dienstboten kennen. Zum anderen spiegeln
»Dank sey dir, Gott, für unser Loos !!Wir ruhn in die Illustrationen ein sozial gehobenes Milieu
eines Fürsten Schoos !« (S. 63). Die Verehrung des wieder. Angaben des Autors in dieser Richtung
Fürsten wird mit dem Gehorsam und der Dank- finden sich allerdings nicht.
barkeit gegenüber den Eltern in Verbindung ge- Schummel will mit diesem Buch den Kin-
bracht (Brief IX). dern »allerhand Spiele« darreichen, mit denen sie
Schummel verzichtet im Rahmen dieser Er- sich die Zeit vertreiben können (1, S.V). Schum-
zählung weitgehend darauf, eigene Vorstellung mel erkennt den unterhaltenden, bloß zeitvertrei-
über Erziehung und Unterricht zu äußern. Erbe- benden Charakter kindlicher Spiele an. Dennoch
schränkt sich auf die Schilderung des Basedow- will er Spiel und Belehrung miteinander verbin-
schen Unternehmens, von dem er sich an keiner den. Dies betrifft sachliche Belehrung (geogra-
Stelle distanziert, das er vielmehr rückhaltlos un- phisches Spiel, Teil I) als auch moralische (Ring-
terstützt. Zudem hält sich Schummel sehr weitge- spiel, Teil 1). Diese Verknüpfung von Spiel und
hend an den faktischen Verlauf sowohl des »Ex- Belehrung nimmt sich z. T. so aus, daß Schummel
amens« wie seiner eigenen Reise. Als besonderes für bereits bekannte Gesellschaftsspiele neue Ver-
fiktionales Element werden lediglich der jugend- sionen vorschlägt (Cupidospiel, Teil 1). Anson-
liche Ich-Erzähler bzw. Briefeschreiber und die sten zeigt er in seiner Ausführung, wie sich auch
Briefempfänger eingeführt, was sich aus der be- bei Beibehaltung der alten Spielregeln das beleh-
sonderen Intention des Autors erklärt, eine auch rende Moment stärker hervorheben läßt. Die dar-
für Kinder gedachte und zugängliche Beschrei- gebotenen Kinderschauspiele sind z. T. zur Auf-
bung des »Examens« und seiner Reise und Teil- führung gedacht, teils zum Vorlesen bzw. zur Lek-
nahme daran zu liefern. türe, teils sind es nur ausgeführte Beispiele dafür,
wie ein bestimmtes Spiel gespielt wird. Sie sollen
Das Werk ist in Wielands Teutschem Merkur(Jg. dementsprechend auch nicht aufgeführt, sondern
1777, I. Viertelj.) rezensiert worden. Der Rezensent kri- nachgespielt werden. Die Vorreden geben zu je-
tisiert die Einkleidung des Berichtes über das Dessauer
Examen in ein Jugendbuch; es erscheint ihm wenig dem Spiel Anweisungen.
wahrscheinlich, daß ein zwölfjähriger Junge Verfasser »Die Probe der kindlichen Liebe« (I, S.
solcher Briefe sein können. Dieser Kritik schließt sich 1-28): Kinderschauspiel in 14 Auftritten. 4 Rol-
Georg Weigand ( 1925) in seiner Einschätzung des Wer- len. In der Vorrede wird dieses Stück als »kleine
kes an: »Schummel hatte seine Schrift zu niedrig einge- Comödie« bezeichnet, mit deren rechter Auffüh-
167 Unterhaltende Schriften 168

rung den Eltern und Lehrern eine kleine Freude nen »ernsthaften«, »gesetzten« und »liebenswürdi-
gemacht werden kann (1, S. V). gen« Menschen machen (I, S. 80).
Ein Vater zweier Söhne bevorzugt den älteren ))Das Cupidospiel« (1, S. 81-112): Auchhier
Sohn Carl, während er den jüngeren Wilhelm ablehnt sind die Szenen, in dem 6 Kinder und ein Lehrer
und verstoßen will. Carl ist in Wirklichkeit jedoch ein auftreten, nur als anleitendes Beispiel gedacht.
Schmeichler und ein »falscher, hinterlistiger Bube« Das Spiel ist lt. Vorrede bereits bekannt. Schum-
(I, S.l 0), während Wilhelm ein ehrlicher und »grundgu- mel schlägtjedoch eine neue Version vor(l, S. VI).
ter« Junge ist. Der Onkel will den Vater hiervon durch
eine Probe überzeugen: Er gibt vor, eine briefliche Spielregel: Einer der Teilnehmer sagt: »Cupido
Nachricht davon erhalten zu haben, daß das Vermögen kommt in A! Wie kommt er?« (I, S. 83). Hierauf antwor-
des Vaters verloren gegangen sei. Carl wendet sich dar- ten die anderen Teilnehmer, wobei nur Worte mit dem
aufhin von seinem Vater ab und entflieht, nachdem er Anfangsbuchstaben A verwandt werden dürfen. Im An-
zuvor noch seinen Bruder um sein Erspartes beraubt schluß hieran kommt der nächste Buchstabe des Alpha-
hat. Wilhelm hält dagegen zu seinem Vater auch im Un- bets. In den ausgeführten Szenen spielen die Kinder zu-
glück. Der Vater ist durch diese Probe überzeugt. Carl nächst diese Version, bis der Lehrer dazwischentritt und
wird, wieder eingefangen, von allen verachtet. Der On- das bisherige Spiel als »zu schlecht« und »albern« kriti-
kel vermerkt zum Schluß: »Wer seine Eltern nicht lieb siert (S. 87). Sein Vorschlag ist: »Wir wollen einmal so
hat, dem muß kein Mensch gut seyn.« (1, S.28) sagen: Der Knabe, oder das Mädchen, oder überhaupt
das Kind kommt in A; wie kommt es? Und nun nenne
))Das Ringspiel« (I,S. 29-62): Laut Vorrede mir jeder eine Tugend, die das Kind an sich haben soll,
ist dieses Spiel bei Kindem bereits bekannt. Es oder einen Fehler, den es vermeiden soll. Wird das nicht
soll in Mecht große[r] Gesellschaft« gespielt wer-
den (I, S. V). In den ausgeführten Szenen treten ei-
ne Mutter und acht Kinder (5 Jungen, 3 Mäd-
chen) auf, die das Ringspiel spielen. Die Szenen
sollen, so die Vorrede (1, S. VI), nicht unmittelbar
zur Aufführung kommen, sondern nur als anlei-
tendes Beispiel dienen.
Spielregeln: Ein Ring geht dreimal herum, wobei
nach und nach jeder Teilnehmer einen Spruch sagen
muß. In dem Ring steht, so lautet der Spruch, geschrie-
ben. »[ ... ] Mein Nam und meines Liebsten Nam, Mein
Freud, Mein Leid, Mein Humor, Meine Culör, Mein
Reim und Mein Sprichwort« (1, S. 35 f.). Nun muß jeder
Teilnehmer sagen, was denn nun sein Name, seiner
Liebsten Name, seine Freude etc. jeweils sind. Die Aus-
führung des Spiels bei Schummel läßt deutlich werden,
daß dieses Spiel gleichzeitig Gelegenheit zu moralischer
Belehrung bietet. Gewährleistet wird dies durch die
Teilnahme eines Erwachsenen (hier der Mutter), der je-
weils die Antworten kommentiert. Im Vorwort fordert
Schummel die Kinder auf, bei diesem Spiel »hübsch of-
fenherzig« zu sein (1, S. VI).
)) Der Flatterhafte« : Kinderschauspiel in ei-
nem Aufzug mit 3 Rollen (I, S. 63-80). In der Vor-
rede wird dieses Spiel den ))erwachsenen Kin-
dem« zur Lektüre und zur Aufführung empfoh-
len, doch sollen auch die >)Kleineren« es lesen,
))denn ihr seyd fast alle kleine Flatterhänse, und
ihr könnt es da so recht vor Augen sehen, was am
Ende aus dem Flattern und Faseln heraus
kommt« (1, S. VI).
Franz ist zwar »an sich recht gut« (1, S. 79), in sei-
nem Verhaltenjedoch flatter- und faselhaft, leichtsinnig
und unbedacht. Sein Bruder Philipp und sein Freund
Ernst wollen ihm klar machen, an welch »gefährlichem
Fehler« (I, S. 78) er leidet. Philipp überredet Franz, zu-
sammen mit ihm Geld aus des Vaters Kasse zu entwen-
den. Als Franz tatsächlich einwilligt, gesteht Philipp, al-
les sei nur eine Probe gewesen, um ihm zu zeigen, wie
leicht er selbst zu Verbrechen zu verführen sei. Franz ist Schummel, Johann Gottlieb: Kinderspiele und
betroffen, will sich ändern und vertraut sich der Füh- Gespräche. Theil 1. - Leipzig 1776 (Nr. 828).
rung von Philipp und Ernst an. Diese wollen aus ihm ei- Kupferstich - Frontispiz von Chodowiecki
169 Schummel, Kinderspiele, 1776-78 170

viel nützlicher und lehrreicher seyn, als vorhin?« (1, S.


88). In dieser Weise wird das Spiel fortgesetzt, wobei der
Lehrer häufig Betrachtungen über einzelne, gerade ge-
nannte Tugenden oder Laster einfügt. Am Ende des
~inberfptele
Spiels bemerkt er: »Ihr habt euch euren Katechismus unb
selbst gemacht. Thut nun auch, was ihr gesagt habt.« (S.
112) Während des Spiels heißt es an einer Stelle: »Ein
Kind soll gern solche Spiele spielen, wobey es was nach-
zusinnen giebt.« (S. I 04) In der Vorrede schlägt Schum-
mel weitere Begriffe vor, mit denen das Spiel gespielt
werden kann. In dieser sinnreicheren Version scheint
für ihn das Spiel eine »recht gute Übung« für Verstand
und Witz zu sein (I, S. VII).
»Die Lehrer« : KinderschauspieL 6 Rollen
(II,S. l-64).
Der Präsident sucht für seinen Sohn Gustav einen
Informator (Hauslehrer). Zusammen mit seinem Sekre-
tär prüft er die Kandidaten, die sich beworben haben.
Der erste Lehrer vertritt die traditionellen Schulmetho-
den des AuswendigJemens; für ihn stehen die alten
Sprachen Latein und Griechisch vorn an. Er verlangt zu-
dem, eine Rute gebrauchen zu dürfen. Er hat bereits I 0
Jahre in »öffentlichen Anstalten« doziert. Seine unter-
tänigen, Redensarten werden als »sclavische Erniedri-
gungen« bezeichnet. Gustav lehnt diesen Bewerber
spontan ab; der Vater ist gleichfalls befremdet. Der
zweite Lehrer hat bisher nur Hofmeisterstellen bei Gra-
fen gehabt; seine Erziehungsmethoden sind dement-
sprechend ganz durch die adlige und höfische Welt be-
stimmt. Zu seinen Unterrichtsgegenständen zählen: die
»feine Lebensart«, Fechten, Reiten, Tanzen, »Voltigie-
ren« ( = »galante studia«). Es wird französisch gespro- ~ ei " &i g,
chen. Mathematik, Physik, Naturhistorie, Geschichte it9 etegfrhb ~t&re~c (ru~uf.
und Geographie, auf die es dem Präsidenten besonders
ankommt, lehnt er als »trockene studia« ab, um statt- 1776.
dessen die Poesie zu empfehlen. Gustav ist zwar faszi-
niert, der Vater aber weist den Bewerber barsch ab. Die-
ser ist empört und beschimpft den Präsidenten: »So ein
gemeiner Edelmann weiß nicht, was zur großen Welt ge- Schummel, Johann Gottlieb: Kinderspiele und
hört.« (S. 26) Der Sekretär setzt ihn daraufhin vor die Gespräche. Theil 1. - Leipzig 1776 (Nr. 828). Ti-
Tür, wobei er ihn einen »gräflichen Sclaven« schilt. telblatt mit Kupferstich- Vignette von Chodowiecki
Der dritte Bewerber ist Sohn eines armen Tagelöh-
ners und hat es durch Tüchtigkeit und Fleiß bis zum Stu-
dium gebracht. Er tritt bescheiden auf und beginnt so- sind. Das Spiel verläuft wie folgt : » .. . und einje-
gleich ein Unterrichtsgespräch mit Gustav über natur- der erzählt davon, was er weiß; von ihrer Gestalt,
kundliche Gegenstände. Gustav findet ihn zunächst
nicht so »hübsch« wie den vorherigen Bewerber, er ge-
von ihrem Vaterlande, von ihrer Lebensart, von
winnt aber schließlich Vertrauen zu ihm. Der Präsident ihrem Nutzen oder Schaden, oder sonst, was ihm
bewundert seine »Faßlichkeit« (S. 36). Der junge Leh- einfällt.« (II, S. 113).
rer gibt sodann eine weitere Probe seines Könnens: Er Die im Schauspiel dargestellte Unterrichtsstunde
vermag Gustav, der zum Geiz neigt, dazu zu bringen, verläuft so, daß zunächst über einzelne Tiere gespro-
sein erspartes Geld einer armen Familie zu geben. Der chen wird. Sodann wird dazu übergegangen, daß ein je-
Präsident ist bereit, ihn einzustellen. Dieser jedoch will der Tiergeschichten erzählt, wie sie gerade einfallen. In
eigentlich gar nicht Privatlehrer, sondern » Schulmann« diesem Rahmen wird auch eine Tiergeschichte aus dem
werden und sucht nun den Präsidenten von den Vorzü- Robinson Crusoe erzählt (II, S. 164 f). Im letzten Drittel
gen einer Schulerziehung zu überzeugen: »[ ... ]was bil- der Stunde kommt das Gespräch auf allgemeine The-
det einen Knaben wohl mehr, als Gesellschaft seines men. So wird gefragt, warum Gott eine solche Mannig-
gleichen! Was hebt seine Seelenkräfte so sehr, als Nach- faltigkeit von Tierarten geschaffen habe, was der Unter-
eiferung!« (S. 59) Der Präsident, schnell überzeugt, ver- schied zwischen Mensch und Tier sei, in welcher Weise
spricht, ihm eine Schulstelle zu verschaffen. Wenn es so- dem Menschen ein Herrscherrecht über die Tierwelt zu-
weit ist, will der Lehrer Gustav »zum Eleven ausbitten«, komme. Der Lehrer sucht hierbei, in aufklärerisch-opti-
bis dahin aber ihm Privatunterricht geben. mistischer Weise die gerechte Ordnung der Schöpfung
»Das Bilderspiel« (II, S. 109-198): Ein Un- aufzuzeigen.
terrichtsspiel. An die Schüler werden Bilder aus- »Das Pf<inderspiel« (II, S. 211-308): Ge-
geteilt, auf denen in diesem Fall Tiere abgebildet sellschaftsspiel für Kinder. Das Spiel hat zwei
171 Unterhaltende Schriften 172

Phasen. In der ersten Phase stellt ein Teilnehmer stück, das er zuvor von Deramo selbst gelernt hat. Er
einem anderen eine Frage, die er sofort beantwor- verwandelt den König in einen Hirschen, sich aber in
ten muß. Bleibt er die Antwort schuldig, so muß er den König und hat so sein Ziel erreicht. Dem wirklichen
ein Pfand entrichten. Jeder muß auf diese Weise König gelingt jedoch mit Hilfe eines Zauberers die
Rückkehr. Der Minister wird zur Strafe in ein häßliches
möglichst viele Pfänder zu erhalten suchen. In der Tier verwandelt.
zweiten Phase des Spiels geht es darum, die Pfän- Zweites Märchen: Der König Millo wird verzau-
der wieder herauszulösen. Einer der Teilnehmer bert; hieraus kann ihn nur eine Prinzessin erlösen. Sein
hält hierzu ein Pfand in der geschlossenen Hand Bruder findet schließlich diese Prinzessin, wird aber
und fragt: Was soll das Pfand tun? Ein anderer selbst auf der Rückfahrt verzaubert. Er darf dem König
Teilnehmer antwortet: Es soll dies und das tun. die Prinzessin und andere Geschenke nicht übergeben,
Der erste öffnet darauf die Hand, so daß ersicht- wenn er nicht zu einer Marmorsäule erstarren soll. Der
lich wird, wem das Pfand gehört. Dieser muß nun Bruder erliegt denn auch diesem Schicksal. Nur das
den Wunsch ausführen. Blut der Prinzessin kann ihn befreien. Diese sticht sich
ins Herz und macht so den Bruder des Königs wieder le-
In den ausgeführten Szenen nimmt die zweite Pha- bendig. Ein Zauberer schließlich weckt die tote Prinzes-
se des Spiels die weitaus größere Zeit in Anspruch. Die sin wieder auf, und so gerät alles zu einem guten Ende.
Kinder wünschen hier voneinander Lieder, Gedichte, Drittes Märchen: An König Artus' Hofkommt ein
Rätsel, Arien, Erzählungen, kleine Theaterstücke, Pan- Mädchen das den Zaum seines Maultieres verloren hat.
tomimen und sonstige Stegreifspiele. An einer Stelle Die Ritte; der Tafelrunde sollen es ihr wiederfinden.
lautet die Antwort: das Pfand »soll eine rechte große, Zuerst versucht es Ritter »Grieß«, ohne jedoch Erfolg
abscheuliche Lüge erzählen« (II, S. 270). Ein Mädchen zu haben. Dann begibt sich Ritter »Gawin« auf die Su-
erzählt daraufhin ein Märchen, das sie Tags zuvor von che, besteht eine Reihe von Abenteuern und gelangt
der » M uhme« gehört habe. Das Märchen handelt von 5 schließlich an eine Schloßfrau, die im Besitze des Zau-
Kerlen, von denen jeder eine phantastische Fähigkeit mes ist. Der Zaum macht jeden, der ihn besitzt, jung und
besitzt die zusammen durch die Welt reisen und Aben- schön. Gawin entwendet den Zaum, gibt ihn dem Mäd-
teuer bestehen. Die Kinder nehmen das Märchen begei- chen zurück und heiratet es. Gegen Ende des Schau-
stert auf: »[ ... ]so was von Lüge hab ich in meinem Le- spiels werden die Märchen zwar als »Possen« bezeich-
ben noch nicht gehört.« »Es ist nur gut, wenn man sie so net (III, S. 45), dennoch als höchst angenehme Unter-
mit Händen greifen kann, wie die!« (II, S. 276)- Prestel haltung empfunden.
(1933) weist darauf hin, daß dieses Märchen sich teil-
weise mit dem Märchen »Sechse kommen durch die »Geschichte einer zärtlichen Mutter. In
ganze Welt« der Brüder Grimm deckt (S. 29). Briefen und Gesprächen«: Unterrichtsspiel (III,
Eine andere Aufgabe lautet, eine Lobrede aufGel- s. 97-138).
Iert zu halten (II, S. 276 f.). Ein Mädchen löst die Aufga- Ein Baron läßt sich aus Mißtrauen von seiner Frau
be in der Weise, daß sie eine kurze Szene vorspielt: Sie scheiden. Die drei Töchter werden dem Vater zugespro-
nimmt Gellerts Fabeln zur Hand, liest die Fabel vom ar- chen und zu einer Gouvernante in Erziehung gegeben:
men Greise und vom>> Rhinoceros« und beginnt zu wei- Die Baronin, die unschuldig ist, bemerkt zwar, daß »die
nen. In diesem Augenblick klopft es an der Tür. Ein an- Mutter, die sie (die Kinder) mit Schmerzen gebahr, ein
derer Spielteilnehmer den das Mädchen vorher einge- näheres Recht auf sie hat, als der Vater« (III, S. 101),
weiht hat, tritt als Bettler verkleidet ein und bittet um ei- fügt sich aber. Um bei ihren Kindem zu sein, gibt sie ih-
nen Almosen. (Diese Szene ist im Frontispiz darge- ren Namen, ihren Stand und ihre Güter aufund bewirbt
stellt.) Der Junge bedankt sich, das Mädchen aber sagt, sich als Bürgerliche und unter anderem Namen um die
»er müßte nicht ihr, sondern dem Manne danken, von Gouvemantenstelle, die sie schließlich auch erhält. Der
dem sie izt eben eine so rührende Geschichte gelesen Baron ist von der Mutterliebe seiner Frau so gerührt,
hätte« (II, S. 278). daß es zur Versöhnung und Klärung des Mißverständ-
Schließlich wird ein Kinderschauspiel aufgeführt, nisses zwischen ihnen kommt. Wenig später erkranken
die »Comödie« »Der Geburtstag« (5 Rollen, 5 Aufzü- zwei der Kinder und die Baronin tödlich an Pocken. Der
ge) (II, S. 290ff.): Ein Jungeistein ungezogenerund un- Baron sieht sich gestraft und zieht in den Krieg, um sein
disziplinierter »Wildfang«. Die bisher angewandte Leben zu lassen. - Diese Geschichte geht, wie Schum-
Strenge und die Schläge haben daran nichts ändern kön- mel in der Vorrede vermerkt (III, S. V), auf ein wirkli-
nen. Die Eltern und die Schwester suchen ihn nun durch ches Ereignis zurück.
Güte zu beeinflussen. Sie bereiten ihm einen festlichen An einer Stelle kommt zur Sprache, wie wenig gute
Geburtstag mit reichhaltigen Geschenken. Der Junge ist Gouvernanten es gebe: »[ ... ]wie selten [sind] solche
so betroffen und gerührt, daß er Reue empfindet und Personen [ ... ], die sich auf etwas mehr verstehen, als
sich zu ändern verspricht. Drahtpuppen zu bilden. Das sind so die gewöhnlichen
»Das kranke Kind« oder »die drey Mähr- Früchte, die aus den Händen der sogenannten Französi-
chen« (III, S. 1-46): Die Szenen schildern eine schen Mamsells kommen« (I II, S. I 06).
Rahmenhandlung: Drei Brüder besuchen einen »Das Richterspiel « : Kinderspiel (I II,
kranken Freund und erzählen ihm jeweils drei s. 139-190).
Märchen, um ihn die Krankheit vergessen zu las- Kinder spielen Gericht, wobei jeder abwechselnd
sen. die Rolle des Richters, des Anklägers und des Beklagten
Erstes Märchen: Der König Deramo sucht eine spielt oder als Zeuge auftritt. Bei Schummel spielt der
Gemahlin und gerät darüber in Streit mit seinem Mini- Vater mit: Seine Funktion besteht darin, auf den richti-
ster, der selbst gerne die Erwählte geheiratet hätte. Der gen Verlauf der Verhandlung zu achten. Bei Fehlern
Minister überlistet darauf den König mit einem Zauber- klopft er mit dem Schlüssel und belehrt die Kinder. Der
173 Weiße, Schauspiele, 1776-81 174

Vater selbst ist Jurist; die Kinder wollen selbst einmal entschließen sich die Kinder selbst zu einem Spiel
Advokat oder Richter werden. und bitten nachträglich Erwachsene hinzu.
»Die Räthsel-Gesellschaft«: Kinderspiel Die Verbindung von Spielen und Lernen bil-
(III, S 267-366) det den zweiten Schwerpunkt: Neben den Gesell-
An dem Spiel nehmen 8 Mädchen und 8 Jungen schaftsspielen stehen deshalb bei Schummel die
teil. Jeder muß mindestens 12 Rätsel stellen. Die Mäd- Schulspiele, wobei diese immer auch zuhause ge-
chen fangen hierbei an - und zwar in der Reihenfolge spielt werden können. Auch hierin ist Schummel
des Alters; dann kommen die Jungen an die Reihe. Die der Aufklärungspädagogik verpflichtet. Bereits
von den Mädchen gestellten Rätsel müssen jeweils die Locke geht davon aus, daß das Lernen für die
Jungen beantworten, die Mädchen wiederum die der Zöglinge nicht eine erzwungene Arbeit sein dür-
Jungen. ))Schmutzige und garstige Räthsel« schließlich fe: »[ ... ] die Hauptkunst liegt darin, daß man ih-
werden nicht geduldet (III, S. 270f.).- Schummel trägt
nen alles, was sie zu tun haben, auch zum Vergnü-
eine große Anzahl von Rätseln zusammen. Diese sind
überwiegend in gereimte Verse gebracht; ab und zu wird gen und Spiel macht«. Für Schummel, der im Ge-
eine zusätzliche Version in Französisch oder Latein ge- gensatz zu Locke für die schulische und gegen die
boten. häusliche Erziehung ist, steht das Lernspiel aller-
dings nur am Rande des ordentlichen Stunden-
»Das Sprichwörterspiel«: Kinderspiel (III,
plans (T. I, S. 291 ).
s. 367-452). Nur in einem Fall ist bei Schummel ein Spiel
Teilnehmer: Die Kinder des vorigen Spiels, der auf eine praktische Berufstätigkeit bezogen (III,
Rätselgesellschaft, dazu ihre Eltern und Anverwandten
S. 139 ff.). Handwerklich und technisch orientier-
als Zuschauer. Die Kinder haben eine Bühne in zwei
Abteilungen aufgebaut. In diesem Spiel sollen die El-
te Spiele fehlen ganz. Dominante Bezugspunkte
tern und Verwandten jeweils ein Sprichwort erraten. sind das moralische Belehren und der schulische
Der Sinn des Sprichworts wird ihnen hierbei von den Lemprozeß.
Kindern vorgespielt: einmal in Gestalt einer kurzen Nach Weigand(l925, S. 99)habendie Kinderspie-
Pantomime, sodann in Form eines kleinen Schauspiels. le und Gesprächeeine positive Aufnahme gefunden, die
Zum Sprichwort )) Ende gut, alles gut« wird eine längere in den nachfolgenden Jahren mehrere Auflagen not-
Passage aus Shakespeares ))Kaufmann von Venedig« wendig machte. G. Stephan ( 1891, S. 126) sieht in ihnen
aufgeführt. den Ausgangspunkt einer ganzen Flut solcher Spiele;
Schummels Kinderspiele und Gespräche ge- an einer anderen Stelle erwähnt er das Schauspiel >>Die
ben ein Beispiel für die aufklärerische Spielpäda- Lehrer« aus dem 2. Teil als zeitgeschichtlich interessan-
gogik ab. Diese geht zunächst von der Anerken- te Satire auf das Hofmeister-Problem. Das gleiche
nung der »Spiellust« bei Kindem aus, die zum ei- Schauspiel findetauch bei S. Köberle (1972, S. 118) Er-
wähnung. J. Prestel geht in seiner Geschichte des Ju-
nen ihrem natürlichen Drang zur Tätigkeit und gendschrifttums ausführlicher auf die Kinderspiele und
Beschäftigung entspringt und zum anderen Aus- Gespräche ein (1933, S. 29f.). Er zitiert eine längere
druck ihrer »natürlichen Freiheit« ist. So heißt es Passage aus dem Pfänderspiel (II. Teil), in der ein Mär-
etwa bei Locke: »[ ... ] allihre unschuldigen Strei- chen erzählt wird. Prestel sieht hierin ein klassisches
che, ihr Spiel und kindisches Treiben muß voll- Beispiel für die negative Haltung der Aufklärungspäda-
kommen frei und uneingeschränkt bleiben, so- gogik gegenüber dem Märchen. Die Märchen des drit-
weit es sich mit der Hochachtung verträgt, die sie ten Teils bleiben unerwähnt. Offensichtlich in Abhän-
den Anwesenden schuldig sind. Dabei ist die gigkeit von Prestel steht der Hinweis auf dieselbe Stelle
weitgehendste Nachsicht am Platze.« bei I. Graebsch ( 1942, S. 56). E.
Der aufklärerischen Pädagogik geht es je-
doch zugleich um eine Beeinflussung des Spiel-
triebes. Bei Locke heißt es hierzu: »Alle Spiele
und Unterhaltungen der Kinder sollten auf gute, 1776-1781
nützliche Gewohnheiten hingelenkt werden, Christian Felix Weij3e (1726-1804):
sonst werden sich schlechte einschleichen.« Bei
Schummel geht es um die Verbindung einerseits
Schauspiele für Kinder.
von Spiel und moralischer Belehrung, anderer- Aus dem Kinderfreunde besonders
seits von Spielen und Lernen. Die Orientierung abgedruckt. 3 Teile.
des Spiels auf einen moralischen Nutzen kommt Leipzig 1792
wesentlich in der inhaltlichen Ausführung der
Spiele zum Ausdruck, denn Schummel gibt nicht Die drei Bände enthalten eine vollständige
nur Spielregeln an, sondern führt Beispiele aus. Sammlung der Kinderschauspiele aus Weißes
Teilweise werden neue Versionen bekannter Spie- Kinderzeitschrift Der Kinderfreund (24 Teile,
le vorgeschlagen. Die Didaktisierung des Spiels 1776-1782). Weißes Kinderschauspiele unter-
geht bei Schummel häufig von Erwachsenen (Va- stehen als Teil des Kinderfreundes auch dessen
ter, Mutter, Lehrer) aus, die an dem Spiel der Kin- Gesamtkonzeption. Wie der Kinderfreund, so
der teilnehmen. Deren Teilnahme hebt jedoch wenden sie sich nicht an das einzelne lesende
nicht den freien Charakter des Spiels auf: Stets Kind, sondern sprechen bewußt die Familie als
175 Unterhaltende Schriften 176

Lesepublikum an. Ihre Handlungen spielen in der der Familie des Kinderfreundes reichlich ausge-
Regel in recht begüterten bürgerlichen und adeli- stattet sind, dürfen nicht als Werke der dramati-
gen Familien, was darauf schließen läßt, daß sie schen Dichtkunst beurtheilt werden, doch soll der
vor allem für die Schicht des gebildeten und wohl- Verfasser als ein Dichter, der lange für die Bühne
habenden Bürgertums konzipiert waren. Mit sei- geschrieben hat, hoffentlich nicht darin verkannt
nem Kindeifreund will Weiße Eltern und Erzie- werden.« (Selbstbiographie, 1806, S. 169f.)
hern zugleich musterhafte familiale Erziehungssi- Die drei Bände enthalten eine vollständige Samm-
tuationen und Beispiele liberalerund fortschrittli- lung der insgesamt 24 Kinderschauspiele aus dem Kin-
cher Kinderbehandlung vorführen. In seiner derfreund. Die einzelnen Schauspiele sind sämtliche zu-
Selbstbiographie spricht er die Hoffnung aus, daß vor schon separat erschienen. Im folgenden wird auf
die Vernünftigkeit und Zweckmäßigkeit der gege- sechs ausgewählte Stücke eingegangen.
benen Beispiele beim Stand der allgemeinen Bil- »Die Milchschwestern«, ein Schauspiel für
dung Eltern und Erziehern einsichtig sein werden Kinder (1777):
(vgl. Selbstbiographie, 1806, S. 188). Er beklagt Die beiden gegensätzlich veranlagten adeligen
sich in eindringlicher Weise über den desolaten Schwestern Malehen und Julchen werden von ihrer
Zustand zeitgenössischer Erziehung in den mei- Mutter, Frau von Rheinthal, in ihrem wahren Charakter
sten bürgerlichen Familien, wo die Kinder außer- völlig verkannt. Während sich Malehen in Anwesenheit
der Mutter betont gesittet, gehorsam und ernsthaft gibt,
halb ihrer eigentlichen Lehrstunden sich selbst
ist sie in Wirklichkeit überaus eitel, affektiert und voller
überlassen blieben. AdelsdünkeL Die ältere Schwester Julehen hingegen
Weißes Kinderschauspiele bringen im allge- verfügt über eine natürliche und ungekünstelte Lebens-
meinen wichtige, in der Mentor-Familie des Kin- art und beträgt sich gegen jedermann sehr freundlich.
derfreundes bereits besprochene Themen noch Ihre noch etwas ungezügelte kindliche Natur legt Frau
einmal zur Sprache. Sie dienen der Veranschauli- von Rheinthai allerdings voreilig als Flatterhaftheit aus
chung einer Moral und sollen den Lesern aufun- und schließt von ihr auf einen schlechten Charakter Jul-
terhaltsame Weise die richtigen Identifikationen chens.
erleichtern. In der Vorrede zum I. Band des Kin- Während eines Besuches der ehemaligen Amme
derfreundes stellt Weiße dar, wie es zur Abfassung und ihrer beider Töchter, den »Milchschwestern« von
Malehen und Julehen, zeigt sich in Abwesenheit von
der Kinderschauspiele durch Herrn »Spirit« Frau von Rheinthai das wahre Wesen der beiden Ge-
kommt: »Bisweilen, wenn eine besonders wichti- schwister sehr deutlich. Malehen empfangt die Gäste
ge Veranlassung ist, verfertiget er auch kleine betont abweisend und hochmütig. Julehen hingegen
Schauspiele, vertheilet die Rollen unter die Kin- kann ihrer Freude über den unerwarteten Besuch kaum
der, und läßt sie dieselben aufführen .... Haupt- Ausdruck genug verleihen. Sie begegnet den Gästen
sächlich suchet er sie dadurch immer auf die Feh- liebevoll, freundschaftlich, bescheiden und dankbar:
ler, die er an ihnen bemerkt, aufmerksam zu ma- »Geht mir doch mit euren Reverenzen! Fräulein - ich
chen, und schildert in den verschiedenen Rollen bin immer noch euer Julchen. Glaubt Ihr denn, daß ich
ihre verschiedenen fehlerhaften Charaktere.« (1. eure Liebe und Sorge für mich vergessen habe?[ ... ] Ich
bin euer Julchen, wie allezeit, und werde lebenslang
Teil, S. 27) Die mit diesen Kinderschauspielen nicht vergessen, daß ich euch mein Leben und meine
verbundenen Intentionen läßt Weiße ebenfalls Gesundheit verdanke« (S.l8 f. ), und beschenkt sie
durch Herrn Spirit formulieren: »Was ist die Ko- reichlich mit ihren persönlichen Dingen.
mödie, die Erzählung, die Fabel, die Geschichte In der Zwischenzeit kehrt Frau von Rheinthai zu-
anders als Vorstellungen oder Gemälde aus dem rück. Sie lobt Malehen in Verkennung der Situation für
menschlichen Leben. Entweder müssen wir also, ihre Freigebigkeit und rühmt ihr »zärtliches, empfind-
wie schon erinnert, diese Mittel des Unterrichts sames Herz«. Nachdem die Amme sie über die wahren
ganz verwerfen, oder wir müssen auch mitunter Umstände aufgeklärt hat, kommt Frau von Rheinthai
solche Charaktere aufstellen, die Kinder oder zu der Einsicht: »[ ... ]Wie leicht kann uns nicht der
Schein betrügen! Armes Julchen: beynahe hätte ich dein
Menschen, wie es die Absicht mit sich bringt, ent- gutes Herz verkannt!« (S. 27). Malehen wird für ihre
ehren. Freylich muß dieß nicht von einer liebens- Scheintugend mit Liebesentzug bestraft: »Uebereilung
oder empfehlungswürdigen Seite geschehen, son- kann ich vergeben, aber niemals ein schlechtes undank-
dern von einer belachens-, hassens- und strafens- bares Herz, so lange ich nicht Proben von seiner Besse-
würdigen, nachdem es Laster oder Fehler sind. rung sehe.« (S. 28). Julehen ist rehabilitiert und erhält ei-
Dieß ist, wie bekannt auch eine der ersten Absich- ne Belohnung in Aussicht gestellt.
ten der Komödie, und diejenigen, die durch lauter Die Handlung dieses kleinen Schauspiels
Muster der Tugend in derselbigen lehren wollen, wird von Weiße gradlinig und rasch vorangetrie-
verfahlen meist ihres Zwecks, weil sie durch die zu ben. Strukturierendes Prinzip bildet die Sein-
große Einförmigkeit leicht zu gähnen machen Schein-Thematik. Weiße verwendet das Mittel
[ ... ]«(Der Kindeifreund, 9. Teil, S. 198f.) der direkten Kontrastierung von Laster und Tu-
Bezüglich der literarischen Qualität seiner gend: Es dient hier der Bloßstellung von Adels-
dramatischen Erzeugnisse bemerkt Weiße: »Die stolz und -Hochmut, von Eitelkeit, Mfektiertheit
kleinen Schauspiele für Kinder und junge Leute, und Undankbarkeit sowie der Hervorhebung ih-
womit der Kinderfreund und der Briefwechsel rer tugendhaften Gegenpaare, Natürlichkeit, Be-
177 Weiße, Schauspiele, 1776-81 178

scheidenheit, Freundlichkeit und Dankbarkeit. Vom Lärm der Jungen aufmerksam geworden er-
Die beiden Hauptfiguren sind als Träger der je- scheint der Vater der Kinder und befreit Julchen, die
weiligen Eigenschaften typisiert und in ihrer Ent- ihm sofort ihre Verfehlung eingesteht und sich ihm reuig
wicklung statisch. Im Gegensatz zu Frau von zu Füßen wirft. Fritze brüstet sich unterdessen mit sei-
nem Verhalten und verspricht, der naschhaften Schwe-
Rheinthai durchschaut der Leser/Zuschauer sehr ster bei nächster Gelegenheit eine noch bessere Lehre
bald schon das VerkennungsspieL Bereits im erteilen zu wollen. Zu seinem großen Erstaunen wird
zweiten Auftritt stellt sich heraus, daß Malehen aber nicht Julchen, sondern er selbst wegen seiner Scha-
die eigentliche fehlerhafte Gestalt ist: »Malchen, denfreude und mangelnden Geschwisterliebe vom Va-
(so bald sie alleine ist, tritt sie vor den Spiegel, ter bestraft, der ihn seinerseits im Gewürzschrank ein-
putzt an sich herum, und giebt sich ein stolzes An- schließt und dem Spott seiner Freunde ausliefert.
sehen.) Ich dächt' es doch auch, daß ich besser Obwohl dieses Lustspiel vergleichsweise
wäre, als meine Schwester! Sie soll ihn haben, den handlungs-und spannungsarm bleibt, entwickelt
derben Verweis, und bald fühlen, daß ihr das Al- es doch recht viel Dynamik und Unterhaltsam-
ter keinen Vorzug giebt. Ich wollte drauf wetten, keit. Der zugleich belustigende und belehrende
sie steht hinten, und schwatzt mit dem Gärtner Effekt entsteht durch die geistreich-witzig geführ-
über seine Salat- und Kohl pflanzen, spielt mit sei- ten Dialoge der Geschwister Julchen und Fritze,
nen Kindern, und giebt ihnen ihr Geld, statt sich in denen sich diese gegenseitig in ihren Fehlern
dafür ein hübsches Band oder so Etwas zu kau- bloßstellen und lächerlich machen. Während Jul-
fen: das alberne Mädchen!« (S.Sf.) Aus derhier- chen in ihrer Schwäche nur komisch wirkt, trägt
aus sich ergebenden Identifikation des Lesers/ Fritzens Darstellung streckenweise bereits satiri-
Zuschauers mit dem verkannten, tugendhaften sche Züge. Zentrale Themen des Lustspiels sind
Julchen entwickelt Weiße Rührung und Span- Julchens Naschhaftigkeit und Fritzens Schaden-
nung. freude. Während Weiße Julchens Fehler als eine
»Die Milchschwestern« ist nur eines von vie- relativ harmlose und für ein Kind noch verzeihba-
len Kinderschauspielen Weißes, in denen der Au- re Schwäche hinstellt, stempelt er Fritzens Scha-
tor sich gegen adelige Arroganz und Standesdün- denfreude zum schwerwiegenden Charakterfeh-
kel wendet, ohne jedoch den Stand als solchen an- ler: »Julchens Fehler war bloß eine kleine Lü-
zugreifen. Gleichzeitig greift er mit diesem Stück sternheit, die sie freylich hätte unterdrücken sol-
das von zahlreichen Pädagogen seiner Epoche len. Dein Fehler, wo es nicht vielmehr den Namen
diskutierte Thema der Scheintugend auf und eines Lasters verdient, ist Schadenfreude, und
warnt Eltern davor, sich nicht von dem äußeren verrätheinschlechtes Herz« (S. 32). Weiße unter-
Anstrich täuschen zu lassen bzw. zwischen wah- scheidet zwischen altersbedingten Fehlern und
ren Tugenden und Scheintugenden ihrer Kinder solchen, die auf einen schlechten Kern schließen
unterscheiden zu lernen. Interessant ist auch, daß lassen. Entsprechend dieser expliziten Unter-
Weiße mit seiner Unterscheidung von altersbe- scheidung sind die betroffenen Personen zur Ein-
dingten, noch verzeihbaren Fehlern und solchen, sicht und Reue und damit zur Besserung entwe-
die eine schlechte charakterliche Veranlagung der noch von selbst fähig, wie Julchen, oder be-
verraten, an die Erziehungsideen der Philanthro- reits unfähig, wie Fritze, der seine Verfehlung we-
pen anknüpft. der einsehen noch bereuen kann und infolgedes-
»Die Schadenfreude, ein kleines Lustspiel sen mittels harter väterlicher Bestrafung zur Um-
für Kinder mit Liederchen« (1777): kehr gebracht werden muß.
Bevor Frau Gärtner das Haus verläßt, um einen Neben den beiden Hauptthemen behandelt
Besuch zu machen, vertraut sie ihrer Tochter den Weiße noch Geschwister- und Nächstenliebe.
Schlüssel zum Gewürzschrank, einer Art Speise- bzw. Dem Lustspiel geht im Kindeifreund (5.Teil.
Vorratskammer mit Glastür, an. Julchen soll ihrem Bru- Leipzig 1777, S. 113 ff.) die Thematisierung der
der Fritz ein Stückehen Kuchen herausgeben, wenn die- Schadenfreude als ein ganz besonders häßlicher
ser hungrig aus der Schule heimkommt. Bei Fritzens
Rückkehr entspinnt sich zunächst ein neckendes Ge- Fehler voraus. Hier tadelt der Mentor die Scha-
spräch zwischen den Geschwistern, in dessen Verlauf denfreude seiner Tochter Lottchen mit den Wor-
sich Julchen als Moralapostel aufspielt und dem genuß- ten: »denn ich wollte alle Fehler an meinen Kin-
süchtigen Bruder - er denkt ausschließlich ans Essen - dern lieber ertragen, als die Schadenfreude, weil
altkluge Belehrungen erteilt, die dieser jedoch gewitzt es gewiß die Aeusserung, wo nicht eines bösen
zu kontern weiß. Schließlich öffnet Julchen den Ge- Herzens, doch wenigstens kein Beweis eines gu-
würzschrank, um den Kuchen herauszugeben. Wäh- ten ist. [ ... ] Die Kinder also, die beständig einan-
rend Fritze ein Messer holen geht, kann Julchen der Ver- der angeben, sich über die Verweise oder Züchti-
lockung nicht widerstehen und nascht ausgiebig von gungen der andern freuen, mit Frohlocken ihrer
den verschiedenen Vorräten im Schrank. Dabei wird sie
von dem zurückkehrenden Fritze ertappt, der die
kleinen Freunde Fehler oder Unglücksfälle erzäh-
Schwester im Gewürzschrank einsperrt und sich an- len [ ... ], das sind gewiß Kinder keiner guten Art,
schließend -zusammen mit vier herbeigerufenen Schul- und es gehört die äußerste Aufmerksamkeit dazu,
kameraden - über ihre angebliche Enthaltsamkeit und sie von diesem häßlichen Fehler zu befreyen«
Mäßigkeit in Spottversen lustig macht. (S. 113).
179 Unterhaltende Schriften 180

Das Stück ist in der Anthologie Kinder- und Ju- dem sogar heimlich Geld für den pfarrer auf, damit die-
gendliteratur der Aufklärung mit geringfügigen Kürzun- ser seine Schulden bei Herrn von Grundmann bezahlen
gen abgedruckt (vgl. Ewers, 1980, S. 379-398). kann und nicht zum Verkauf des Wäldchens gezwungen
ist. Herr von Grundmann belauscht diese Szene und
»Ein kleiner Familienzwist, oder Gute Kin-
läßt sich von der aufrichtigen Freundschaft der Kinder
der machen bisweilen auch gute Aeltern. Ein und der Großmut seiner Tochter rühren. Als der pfarrer
Schauspiel für Kinder in einem Aufzuge« ( 1778): in einem Brief an Adelaide das Geldgeschenk, welches
Herr von Grundmann, ein reicher Gutsbesitzer, ihm aus der Verlegenheit geholfen hätte, auch noch
möchte hinter seinem Gut einen Englischen Garten an- freundlich und edelmütig zurückweist, kommt Herrn
legen lassen. Zu diesem Zweck will er dem befreundeten von Grundmann die Ungerechtigkeit seiner Forderun-
pfarrerein Waldstück abkaufen, das dieser von seinem gen zum Bewußtsein, und er entschließt sich zur Aus-
Nachbarn geerbt hat. Obwohl der Pfarrer Herrn von söhnung mit dem pfarrer und zur Aufgabe seines Pla-
Grundmann zu Dank verpflichtet ist, lehnt er dessen nes. Adolph wird wegen seines blinden Gehorsams und
Bitte mit der Begründung ab, daß er seinem Nachbarn seines hochmütigen und boshaften Verhaltens getadelt.
versprochen habe, das Waldstück nicht zu verkaufen.
In diesem Schauspiel geht es Weiße vor al-
Herr von Grundmann ist daraufbin erzürnt und unter-
sagt seinen beiden J(jndem Adelaide und Adolphjeden lem um die Tugenden Gehorsam und Freund-
weiteren Umgang mit ihren Freunden, den Kindern des schaft, deren Vereinbarkeit aufgrunddes unver-
pfarrers. Außerdem setzt er den pfarrer, der ihm Geld nünftigen väterlichen Verbots zunächst in Frage
schuldet, mit Rückzahlungsforderungen unter Druck. gestellt ist. Weiße deutet einen möglichen Ent-
Während Adolph sich leicht tut, dem Verbot des Vaters scheidungskonflikt der beiden Geschwister Ade-
Folge zu leisten und sich den pfarrerskindem gegenüber laide und Adolph zwischen diesen beiden Tu-
nun plötzlich hochmütig und kränkend aufführt, leidet gendprinzipien aber nur an und löst das Problem
seine Schwester Adelaide sehr unter dem geforderten auf eine für ihn typische, konfliktausweichende
Abbruch ihrer Freundschaft mit Dortehen und Thomas.
Art und Weise. Adelaide als Inkorporation des
In einem Gespräch versucht sie, diesen den Wunsch ih-
res Vaters schonend beizubringen. Sie drängt den J(jn- Guten beugt sich zwar der Notwendigkeit ihrer
Gehorsamspflicht, zeigt aber gleichzeitig dem Va-
ter offen ihren Schmerz über den Verlust einer ihr
wertvollen Freundschaft. Auf diese Weise entgeht
sie- im Gegensatz zu ihrem Bruder- der Gefahr,
wider eines der beiden Tugendprinzipien zu
handeln. Herr v. Grundmann: »[ ... ] Hast du so
wenig Ehrerbietung für deines Vaters Befehl, daß
du deinen gezwungenen Gehorsam beweinen
mußt?« Adelaide: »Nein, lieber Papa. Vergeben
Sie den Empfindungen der Freundschaft, die
noch für diese guten Kinder in meinem Herzen
sprechen [ .. . ]« (S. 7). In der recht altklugen Er-
kenntnis, daß sich die Eltern »auch [von] Feh-
ler[n] übereilen lassen [können]« (S. 28), läßt Ade-
laide darüber hinaus dem Pfarrer Geld zukom-
men, und versucht auf diese Weise indirekt die
ungerechten Pläne ihres Vaters zu vereiteln. Ihre
Handlungsweise wird von Weiße jedoch nicht als
eine gegen das väterliche Verbot direkt gerichtete
Aktion dargestellt; sie soll vielmehr Adelaides
von Herz und Verstand gleichermaßen geleitete
Tugendhaftigkeit verdeutlichen. Die rührenden
Freundschaftsbezeugungen und -bekundungen
der befreundeten Kinder bleiben nicht ohne ver-
edelnde Wirkung auf Herrn von Grundmann.
Das beispielhafte Verhalten der moralisch Guten
im Vergleich zu Adolphs parallellaufender Bos-
haftigkeit und Eigennützigkeit rühren ihn und las-
sen ihn in seiner Entscheidung schwanken. Soge-
nügt denn schließlich ein letzter Appell Adelaides
an sein moralisches Gefühl, um ihn zur endgülti-
gen Überwindung seiner Schwäche zu bewegen.
Mit der Darstellung des adeligen Geschwi-
Christian Felix Weiße (I 726-1804). Kupferstich sterpaares und der Pastorenkinderverbindet Wei-
von Bause (I 771) nach einem Gemälde von An- ße gleichzeitig eine soziale Belehrung. Adolph
ton Graf! verstößt nicht nur gegen die Tugend der Freund-
181 Weiße, Schauspiele, 1776-81 182

schaft, indem er den Kontakt zu seinen Freunden und beschämt Trickmann und er gesteht schließlich sei-
allzu leichten und fast frohlockenden Herzens nen Betrug. Es wird ihm großzügig verziehen. Aus
aufgibt, »weil es ihm nicht darauf ankömmt, den Dankbarkeit gegenüber Wilhelm, der sie beide auf den
Umgang mit einem Paar elenden Pfarrskindem Weg der Tugend zurückgeführt hat, entschließen sie
sich, diesem ihre jeweiligen Geschenkanteile zu überlas-
aufzugeben[ ... ]« (S. 13), sondern er bringt mit
sen. Dabei wetteifern die beiden Jungen in tugendhaf-
dieser Einstellung seine ganze aristokratische Ar- ten Einsichten und Handlungen. Herr Mildener, der
roganz zum Ausdruck. Adelaide liefert auch hier dieser Schlußszene beigewohnt hat, belohnt Karls Eh-
das tugendhafte Gegenbeispiel: »Ein paar elen- renhaftigkeit und Wilhelms Vorbildhaftes moralisches
den Pfarrskindem! Ich frage nicht wer sie sind, Verhalten mit der Ankündigung, daß er sie künftig zu-
sondern was sie sind, und dann ist mir ein Hirten- sammen erziehen lasse, damit Wilhelms gutes Vorbild
knabe und ein Gänsemädchen lieber, als ein Jun- weiter auf Kar! einwirke.
ker und eine Fräulein, wenn jene bessere Men- Weiße verwendet eine einfache Ausgangssi-
schen sind« (S. 13). Weiße macht seine Adelskri- tuation zur Entwicklung belehrender Dialoge
tik nicht an den Vertretern des Adels schlechthin und beispielhafter Handlungsweisen. Er kon-
fest; er läßt die herausgestellten aristokratischen frontiert die Tugenden der Ehrlichkeit, Recht-
Fehler als Schwächen des Individuums in Er- schaffenheit und Uneigennützigkeit mit ihren Ge-
scheinung treten. Herr von Grundmann ist Herr genbildern Unehrlichkeit, Eigennutz und Ge-
und hat die Gewalt über seine Untertanen, dar- winnsucht und demonstriert, wie Vorbildhaftes
über läßt Weiße keinen Zweifel aufkommen. Er und tugendsames Verhalten zur Nachahmung an-
fordert lediglich vom aufgeklärten Adel, daß er regt: »Und mich hat er aus einem betrügerischen
im Sinne des Gemeinwohls vernünftig und Knaben zu einem ehrlichen gemacht. Er hat mich
menschlich handele. (er wischt sich die Augen) durch Ihres guten Karls
Weiße verwendet gebräuchliche Techniken, Aufrichtigkeit und Freygebigkeit so beschämt,
um die Identifikation seiner LeserI Zuschauermit daß ich meinen Fehler bekannt habe, und nim-
dem richtigen Modell zu steuern. Neben der Ge- mermehr wieder begehen will.« (S. 58) Es genü-
genüberstellung mehrerer musterhafter Kinder gen moralisch gute Beispiele und ein Appell an
mit nur einem fehlerhaften Kind, sind alle Figu- das sittliche Gefühl, um die Lasterhaften zu rüh-
ren in ihrer jeweiligen Trägerfunktion stark und ren und ihre Schwächen überwinden zu lassen:
einseitig überzeichnet. Die Tugendhaften erhal- »So sehr reizen Beyspiele! Ein guter Mensch
ten fortwährend Gelegenheit zu verbal aus- macht immer wieder gute Menschen« (S. 62).
schweifenden Tugendbekundungen, während Wilhelm wird für sein tugendhaftes Verhalten be-
sich das fehlerhafte Kind durch seine abstechen- lohnt: Er erhält die Hälfte der Geschenke der an-
de und ins Komische verzerrte Unmoral und Un- deren beiden Jungen und soll in Zukunft mit Karl
vernunft selbst immer weiter in die Isolation eine gemeinsame Erziehung genießen, die ihm
treibt. Zwar verhindert die Dominanz belehren- seine mittellose Mutter nicht hätte geben können.
der Dialoge in diesem Stück eine dramatische Unterhaltung und Spannung werden in diesem
Handlungsführung, es gelingt Weiße aber trotz- Lustspiel hauptsächlich durch das Prinzip der
dem mit dem durchgreifenden Rührungsprinzip Rührung erreicht.
ein gewisses Maß an Unterhaltung und Spannung »Das Windspiel, oder: Die Rache.« Ein
zu erreichen. Schauspiel für Kinder in Zwey Aufzügen (1781):
»Versprechen muß man halten, Oder: Ein Durch eine Unaufmerksamkeit ihres Bruders
guter Mensch macht andre gute Menschen. Ein Ernst ist Maleheus Hund Diane abhanden gekommen.
Lustspiel für Kinder in Einem Aufzuge« ( 1779): Serving, ein Freund der Geschwister, berichtet, daß
man den Nachbarssohn Furber zuletzt mit dem Hund
Kar! Mildeuer und sein Freund Trickmann, bei- gesehen habe. Er äußert sogar den Verdacht, daß Furber
des Söhne aus reichem Hause, treffen vor Weihnachten Diane absichtlich angelockt habe, um sie zu verkaufen.
die Vereinbarung, daß sie ihre Geschenke jeweils zur Ernst und Malehen fragen vorsichtig und höflich bei
Hälfte miteinander teilen wollen. Beide hoffen, bei die- Furber an, während Serving ihm gleich vorsätzlichen
sem Handel ein vorteilhaftes Geschäft zu machen. Wäh- Diebstahl unterstellt. Furber reagiert sehr unhöflich
rend Kar! sehr viele Süßigkeiten und Spielwaren ge- und ablehnend und beschwert sich bei dem Vater der
schenkt bekommt, gibt Trickmann vor, außer einigen Kinder. Während Serving von Furbers Schuld über-
nicht teilbaren nützlichen Dingen weiter nichts erhalten zeugt ist, verurteilen Malehen und Ernst zwar sein un-
zu haben, und pocht auf seinen Anteil an Karls Ge- höfliches Verhalten, können und wollen ihm aber eine
schenken. Wilhelm, der Sohn einer armen Witwe, der solche Gemeinheit nicht zutrauen. Herr Trautmann un-
im Hause Mildeners lebt, bemüht sich vergeblich, Trick- terstützt seine Kinder in ihrer Vorurteilslosigkeit und be-
mann umzustimmen. auftragt Ernst, eine Suchanzeige für den Hund aufzuge-
Da Kar! an Trickmanns Aufrichtigkeit zweifelt, ben. Auf dem Wege zur Zeitungsredaktion findet Ernst
versucht er, sich ebenfalls seiner Verpflichtung zu ent- eine kleine Schachtel mit einem sehr kostbaren Ring.
ziehen. Er wird aber von Wilhelm, einem Vorbild an Tu- Dem Rat des Vaters folgend, will man zunächst abwar-
gend, von der Unehrenhaftigkeit eines Wortbruchs ten, ob sich der Besitzer nicht von selbst meldet, bevor
überzeugt und zu aufrichtigem und großzügigem Ver- man den Fund öffentlich bekannt macht und Gefahr
halten angespornt. Karls plötzliche Freigebigkeit rührt läuft, daß Betrüger darauf Anspruch erheben. Wäh-
183 Unterhaltende Schriften 184

renddessen stürzt Serving herein und berichtet voller darf nicht mit Bösem vergolten werden, und for-
Schadenfreude, daß Furber den Ring seines Vaters ver- dert dazu auf, Freunden wie Feinden die Fehler
loren habe, den er für ihn zum Juwelier bringen sollte. zu vergeben. Ernst und Malehen demonstrieren
Er laufe herum und befrage die Leute, ob jemand den im Gegensatz zu Serving die gewünschte Norm.
Ring gefunden habe. Kurz darauf erscheint Furber auch
bei Ernst und Malchen. Er ist vor lauter Angst völlig auf- Während Serving Furber gegenüber nachtragend
gelöst und dauert die guten Kinder sehr. Ernst zögert ist und dessen Unglück ausnutzt, um sich zu rä-
nicht lange, ihn von seiner Angst zu befreien und be- chen, sind die Handlungen der Vorbildfiguren
richtet von dem gefundenen Ring. Daraufhin läuft Fur- von Mitgefühl und Hilfsbereitschaft bestimmt.
ber aus dem Haus und kehrt mit Malchens Hund zu- Die Fehler seiner Mitmenschen zu vergeben, be-
rück. Reuevoll und beschämt gesteht er seine Verfeh- zeichnet Weiße als eine »Pflicht«. Wer dieser
lung und verspricht, sich in Zukunft ein Beispiel an den Pflicht zur Menschenliebe nicht nachkommt,
edelmütigen Kindern Malehen und Ernst zu nehmen. wird aus dem Kreis der Tugendhaften ausge-
Auch Serving, der zunächst schadenfroh ist und die schlossen. Weiße wendet sich ferner gegen unbe-
Qual Furbers aus Rache gerne noch länger ausgekostet
hätte, läßt sich durch das gute Beispiel der Tugend zur gründete Vorurteile und Mißtrauen anderen
Einsicht führen und bessern. Menschen gegenüber und betont seinen Glauben
an das moralische Gewissen des Menschen, die
Wie die meisten Kinderschauspiele Weißes eine Veredelung des Menschengeschlechts durch
zeichnet sich auch dieses Stück durch einen einfa- moralische Beispiele ermöglichen.
chen und überschaubaren Handlungsverlauf. Es »Die Friedensfeyer, oder die unvermuthete
geht Weiße um die Vermittlung verschiedener Wiederkunft. Ein Lustspiel für Kinder in Zwey
moralischer Normen, zu deren Veranschauli- Aufzügen« (1779):
chung er eine Reihe bewährter Techniken be- Herr von Athelswerth, ein angesehener und begü-
nutzt, z. B. die Kontrastierung von tugendhaften terter Landedelmann, hat sich während des Krieges als
und lasterhaften Verhaltensweisen, die Tugend- Geisel für sein Dorf zur Verfügung gestellt. Inzwischen
prüfung und die Zusammenfassung der beab- ist wieder Friede ausgerufen und Herr von Athelswerth
sichtigten Lehre in einprägsamen Leitsätzen. auf freien Fuß gesetzt worden. Er gibt jedoch seiner Fa-
Nach diesem methodischen Dreierschritt sind milie Nachricht, daß ein schweres Fieber ihn angeblich
sämtliche Einzelszenen entworfen. D. h. die mo- daran hindere, rechtzeitig zur offiziellen Friedensfeier
nach Hause zurückzukehren.
ralisch vorbildhaften Gestalten Malehen und Frau von Athelswerth entschließt sich schweren
Ernst werden in verschiedene Situationen ver- Herzens, aus Liebe zu ihren Untertanen die Friedensfei-
setzt, in denen sie jeweils im Kontrast zu den feh- er dennoch stattfinden und die notwendigen Vorberei-
lerhaften bzw. lasterhaften Kindern Serving und tungen für das Fest treffen zu lassen. Zu Ehren des
Furber die moralische Norm realisieren. An- Herrn von Athelswerth ist eine Büste von ihm angefer-
schließend werden sie noch einmal auf die Tu- tigt worden, die zur Freude der Untertanen am Abend
gendprobe gestellt und beweisen ihre moralische der Feier enthüllt werden soll. In der Zwischenzeit kehrt
Festigkeit. Es folgt eine Zusammenfassung der je- Herr von Athelswerth in Begleitung des Bräutigams sei-
ner ältesten Tochter heimlich zurück und hält sich bei
weiligen Lehren in Leitsätzen. Die Dialoge hat
seinem Gärtner Wolf und dessen Sohn Töffel bis zum
Weiße so aufgebaut, daß sich die Kinderwechsel- Abend versteckt, um alle mit seiner unerwarteten Rück-
seitigzu Tugend- bzw. Lasterbekundungen veran- kehr zu überraschen. Der Gärtner und sein Sohn kön-
lassen. Die hier von Weiße verwendete Dialog- nen das Geheimnis nur mit Mühe wahren, was zu aller-
technik ist typisch für die meisten seiner Kinder- hand komischen und spannenden Situationen führt.
schauspiele. Die Tugendproben des Vaters erfol- Auf dem Höhepunkt der Friedensfeier tritt Herr von
gen immer erst, nachdem die Vorbildfiguren be- Athelswerth plötzlich in Erscheinung. Das Stück endet
reits ihre Tugendhaftigkeit in einer Situation ma- mit einer rührseligen Huldigung.
nifestiert haben. Die Tugendprüfungen sind nach Weiße konstruiert in diesem Lustspiel eine
ein und demselben Muster angelegt; sie sollen vor effektvolle Ausgangssituation, um die Handlung
allem rühren und für die Vorbilder als Identifika- in Gang zu setzen. Die von Herrn von Athels-
tionsfiguren einnehmen. werth angelegte Überraschungsintrige dient hier
Das Schauspiel hat einen betont didakti- neben der Demonstration von Tugenden des auf-
schen Charakter. Als Träger der Moral überwie- geklärten Adels der Beförderung und Zuspitzung
gen die ernsthaft-moralisierenden Dialoge, wäh- einer rührseligen Schlußwirkung. Diese besteht
rend die Handlung nur das Gerüst zu diesen dar- im Zusammenspiel der glücklichen Wiederverei-
stellt und z. T. auf reine Zufälle angewiesen ist, nigung von Gatte/Gattin, Vater/Kinder, Braut/
um nicht ins Stocken zu geraten. Das sich mehr- Bräutigam, Herr/Untertanen und endet mit der
mals hintereinanderwiederholende Struktursche- Lobpreisung des »göttlichen« Friedens und dem
ma: Kontrastierung- Tugendprüfung- Formu- Tableau einer ländlichen Idylle, einer idealisier-
lierung der Lehre in Leitsätzen, läßt das Stück ins- ten und sentimentalistisch entrückten Hirten- und
gesamt etwas eintönig wirken. Schäferwelt, in der Eintracht, Friede und allge-
Weiße illustriert mit diesem Kinderschau- meine Glückseligkeit herrschen und in Chören,
spiel den moralisch-sittlichen Grundsatz, Böses Arien und Terzetten besungen werden.
185 Weiße, Schauspiele, 1776-81 186

Seine Komik und Spannung bezieht das Wunden, die der Krieg dem einzelnen schlug und
Lustspiel aus der Tatsache, daß der Leser/Zu- das Leid, welches er hervorgebracht hat, gehen in
schauer von Anfang an in die Intrige des Herrn anakreontischer Gefühlsseligkeit unter. So ist in
von Athelswerth mit eingeweiht ist und nun um den Freudechören zwar die Rede von dem Kum-
deren vorzeitige Entdeckung und Auflösung ban- mer und Herzeleid der um das Leben ihrer Män-
gen muß. Hierbei spielen der Gärtner Wolf und ner und Väter bangenden Mütter und Kinder,
sein Sohn Töffel eine vorzügliche Rolle. Sie neh- doch mit dem Eintritt des Friedens lösen sich all
men als Nebenfiguren insofern eine Sonderstel- diese Leiden in Glück und Eintracht auf.
lung ein, als sie es sind, die die dramatische Ent-
wicklung des Stückes tragen. Sie laufen beständig Weißes langjährige Erfahrung als Theaterdichter
blieb nicht ohne Auswirkung auf seine dramatischen
Gefahr, die Intrige gegen ihren eigenen Willen
Werke für Kinder. Diese wurden sehr bald zum Muster
durch Vorwitzigkeit vorzeitig preiszugeben, und für unzählige, literarischjedoch weniger versierte Nach-
sorgen auf diese Weise für eine Reihe komischer ahmer, von denen allerdings nur wenige mit ihren Pro-
dialogischer Effekte und spannender Momente. dukten an ihr Vorbild heranreichten. Weißes Kinder-
Mit dem Gärtner Wolfführt Weiße eine Art Hans- schauspiele fanden eine dementsprechend wohlwollen-
wurst-Figur in das Kinderschauspiel ein, die de Aufnahme in den zeitgenössischen Rezensionsorga-
durch ihren plump vertraulichen, derb-witzigen nen der Kinder- und Jugendliteratur und wurden beson-
Dialogabschlag mit der Herrschaft dem Lustspiel ders aufgrund ihrer Gefälligkeit und reinen Moral ge-
wohl eine Art volkstümlichen Charakter verlei- lobt. Umstritten blieb jedoch die Frage, ob sie auch von
Kindem aufgeführt werden sollten. Viele Pädagogen,
hen soll. Zwar gerät der Gärtner durch seinen nai-
u. a. Campe, hegten hiergegen ernsthafte Bedenken und
ven Witz und die betonte Bildhaftigkeit und Dy- bezweifelten den Nutzen solcher Anstrengungen. Sie
namik seiner Sprache in komischen Kontrast zu befürchteten, daß das häusliche Schauspielern die Eitel-
den gesitteten adeligen Hauptfiguren, doch wirkt keit der Kinder fördere, und daß die Vorbereitung der
sein Tonfall insgesamt etwas konstruiert. Aufführungen zu viel wertvolle Zeit koste, die die Kin-
Weiße idealisiert in diesem Lustspiel das der nutzbringender einsetzen könnten. Von daher woll-
Verhältnis zwischen aufgeklärtem, tugendhaftem ten sie die kleinen Schauspiele nur als Lesedramen gel-
Landadel und seinen Untertanen; ein Verhältnis, ten lassen. Weiße selbst berichtet in den Unterhaltungen
das sich dem Leser/Zuschauer als ein harmoni- der Mentorfamilie im Kinderfreundvon gelegentlichen
häuslichen Aufführungen kleiner Komödien. Im übri-
sches Zusammenspiel darbietet. In Übereinstim-
gen hat auch Gertrude Dieke (1934) verschiedene öf-
mung mit der bürgerlichen Norm zeigen beide fentliche Aufführungen einiger Kinderschauspiele Wei-
Seiten die von ihnen erwarteten Haltungen und ßes durch Kindertruppen nachgewiesen.
Einsichten. Während die adelige Herrschaft an Die Bedeutung Weißes als Schauspieldichter für
ihren Untertanen eine Art »Vater- und Mutter- Kinder faßt Bauer 1805 in einem Nachruf auf Christfan
stelle« erfüllt, bringen ihnen diese »kindliche« Felix Weiße wie folgt zusammen: ))So viel ist anerkannt,
Liebe, Achtung und Gehorsam entgegen. daß es zur Kentniss und Würdigung moralischer Vorzü-
Der Friede - der sozusagen die Handlungs- ge und Gebrechen, zur Schärfung der sittlichen Ur-
grundlage des Lustspiels bildet - tritt in der Frie- theilskraft, zur sittlichen Ermunterung und Warnung
für die Jugend nichts Wünschenswertheres gebe, als
densfeier der Dorfgemeinde personifiziert zu-
wohl gelungene dramatische Gemälde aus ihrer Sphäre.
sammen mit dem Frühling im Rahmen eines Von dieser Seite dürften Weissens Kinderschauspiele,
Schäferspiels auf, in dem Weiße eine Fülle von von denen ja nur die wenigsten darum aufgeführt zu
Motiven aus der Anakreontik und der Hirten- werden brauchen, einen noch lange nicht hinreichend
dichtung einfließen läßt: duftende Blumen, ver- benutzten Schatz wichtiger moralischer Belehrungen
steckte Lauben, Wein, Trauben, Liebe, Gesang, und zweckmässiger Unterhaltung für Kinder enthalten.
Nachtigallen und Tauben vervollständigen das Und endlich, ist denn der ästhetische Genuss, den die
Tableau. In Chören der in »schäfermäßiger« besten darunter, den so manche andere gelungene poe-
Kleidung auftretenden Kinder wird der Friede als tische Stücke gewähren, an sich Nichts, auch für Kinder
Nichts?« (1805, S. 93)
Geschenk Gottes begrüßt und gefeiert. Indem
Die vornehmlich nach literar-ästhetischen Maß-
Weiße den Frieden in eine Reihe mit den in der stäben vorgenommene Beurteilung der Kinderschau-
Natur ablaufenden Gesetzmäßigkeiten (Früh- spiele Weißes durch die nachfolgenden beiden Jahr-
ling) stellt, hebt er ihn gleichsam aus der sozialen hunderte fallt im Gegensatz zu Bauer zum großen Teil
Realität heraus und entrückt ihn hier in eine my- vernichtend aus. Besonders scharf gehen Ludwig Göh-
stisch verklärte Welt. Damit nehmen für den Le- ring und Sophie Köberle mit ihnen zu Gericht. Göhring
ser/Zuschauer die Phänomene Krieg und Frie- (1904) schreibt: ))Was jedoch Inhalt, Charakterzeich-
den den Schein eines von der Entscheidung ein- nung, Tiefe und Gehalt der Handlung, was überhaupt
zelner unabhängigen Ereignisses an. Sie werden die Hauptsache betraf, genügten auch Weißes Stücke
nicht den bescheidensten Anforderungen. Es waren
zu naturhaften und gottgegebenen Erscheinun-
eben keine Schauspiele, sondern theatralische Spiele-
gen, die schicksalhaft über die Menschen herein- reien, Nachäffungen einer Tagesmode von Erwachse-
brechen. Daher auch Weißes Rat an das betroffe- nen [... ]. Es waren gewöhnliche Erzählungen für Kin-
ne Volk, sein »Herz zum Vater des Friedens in der in dramatische Lappen gewickelt, von den Alltags-
Preis und Dankbarkeit« (S. 109) zu erheben. Die geschichten die alltäglichsten, deren Plattheit sie kaum
187 Unterhaltende Schriften 188

zu einer einfachen Geschichte tauglich gemacht hätte. dächtnisse empfehlen wird.« (S. VII) Durch die
Jeglicher dramatischer Nerv fehlte. Leidenschaften und hier behandelten Themen soll das Buch den Kin-
Affekte, Haß und Liebe, Kraft und Ungebundenheit dem sodann eindringlich vor Augen führen, »daß
wurden ängstlich ferngehalten [ ... ]« (S. 81 ). man in dieser Welt viel zu lernen hat, und daß
Nicht minder ablehnend steht Sophie Köberle den
Kinderschauspielen Weißes gegenüber: »Die Produk-
man nur halb lebe, wenn man nicht gesittet ist,
tion von Schauspielen für Kinder leitete in Deutschland wenn man nicht fromm, nicht tugendhaft lebt.«
Christian Felix Weiße ganz im Geiste Moissys, des fran- (S. VI)
zösischen Verfassers der »Spiele der kleinen Thalia«,
ein. [ ... ]Unter der Menge des Oberflächlichen und Tri- Die Sammlung umfaßt in ihrem ersten Teil, der für
vialen, das Weiße geschrieben hat, stehen die Dramen Mädchen bestimmt ist, 42, in ihrem zweiten Teil, der
für Kinder obenan, sie sind abgeschmackt in Tendenz sich an Knaben wendet, 33 Lieder. Burmann charakteri-
und Sprache, häufig von zweifelhafter Moral. Die Kin- siert seine Texte so: »Die Meisten haben einen ernsthaf-
der erscheinen als kleine Erwachsene, deren geringste ten lnnhalt, es sind aber auch einige Muntere darunter«
kindliche Fehler streng gerügt und bestraft werden, sie und schließt die Ermahnung an: »wählt nach Gefallen,
sind keine lebendigen Menschen, sondern steife, gezier- nur eignet Euchbey jeder Wahl den Nutzen des Liedes
te Puppen. [ ... ]es sind die üblichen moralischen Erzäh- zu,- denn ich möchte nicht gern einen Vers geschrieben
lungen, nur daß durch deren Auflösung in Rede und haben: der nicht Euer Herz und Euren aufkeimenden
Gegenrede ein noch breiteres Feld für moralische Er- Verstand würdig unterhielt.-« (S. VII f.) Es lassen sich
güsse geschaffen wurde.« (Köberle, 1972, S. 117) C. in beiden Teilen gemeinsame Themenkreise feststellen,
aber auch solche, die sich jeweils an den entsprechen-
den Leserkreis wenden. Gemeinsam ist beiden Teilen
die religiöse Grundlage; so beginnen und schließen sie
mit religiösen Texten: »An Gott (S. 3); »Allgemeines
1777 Gebet« (S. 5); »Die Religion« (S. 66) lauten die Lieder
Gottlob Wilhelm Burmann (1737-1805): für Mädchen; »Allgegenwart Gottes« (S. 69); »Fröm-
migkeit« (S. 74) und »Gottesdienst« (S. 154) die Texte
Kleine Lieder für kleine Mädchen, und für Knaben. Auch Lieder, in denen allgemeine Tugend-
Jünglinge. begriffe behandelt werden, finden sich in beiden Teilen,
Berlin 1777 so die Aufforderung zu Mitleid und tätiger Hilfsbereit-
schaft (»Das Mitleid«, S. 19; »Die Bettelkinder«,
S. 30; »Kühne Gedanken eines Knaben«, S. 109), zu
Burmann wendet sich mit seinen Liedern an
Liebe, Dankbarkeit und Gehorsam den Eltern gegen-
»deutsche Kinder« (S. VI), denen sie eine nützli- über (»Der Gehorsam«, S. 33; »Die Pflicht des Gehor-
che und angenehme Unterhaltung sein sollen. sams«, S. 132). Häufig wird auf den Wert der Zeit, die
Die Lieder wollen vornehmlich und insbesondere kurze Spanne des Lebens und den nahenden Tod hinge-
Knaben auf das Erwachsenenleben vorbereiten. wiesen, an den das Kind stets denken solle (»Der Werth
Sollen sie »Deutschlands kleinen Töchtern« le- der Zeit«, S. 21; »Die Flüchtigkeit des Lebens«, S. 25).
diglich »täglich angenehmer und nützlicher« Die Ermahnung zu Tugend, Vernunft und Frömmigkeit
werden (S. VIII), so sind die Ziele bei der männli- kehrt stets wieder und stellt die Grundsubstanz aller be-
chen Jugend um ein beträchtliches weiter ge- handelten Themen dar. Häufig werden diese Ermah-
nungen den Kindem selbst in Form von Vorsätzen, Ent-
steckt:« - Da Ihr einst Bürger und Männer wer-
schlüssen und z. T. Gebeten in den Mund gelegt, z. B.:
det, Männer im Staat, und aufreiffende Deutsche »Der schöne Vorsatz« (S. 7); »An die Tugend« (S. 9);
Männer- so hab ich Euch in keinemandem Ton, »Empfindungen der Kindheit« (S. 12); »Jugendliche
als in diesem, singen können. Der Adler wird früh Entschlüsse« (S. 34) usw. Stimmen hier die Themen in
der Sonne gewohnt; sollten Deutsche Knaben we- beiden Teilen noch überein, so variieren sie doch stark,
niger als der Adler seyn? - Eure Seele, und Eure wenn es um die Behandlung bestimmter Gegenstände
Begierde: diese Lieder zur Nahrung für Euer aus dem kindlichen Lebensbereich geht, die für die spä-
Herz zu machen, wird diese Muthmassung verei- tere Bestimmung der Mädchen und Knaben wegwei-
teln.« (S. X) Burmann will mit seinen Liedern die send sein sollen. Diese Unterschiede drücken sich be-
reits in den Überschriften aus. So enthält der erste Teil
Kinder »nach und nach auf Gott, Natur, Welt« Lieder wie »Der Spiegel« (S. 15), »Ueber die Moden«
und ihr eigenes Dasein aufmerksam machen (S. (S. 16), »Das Putzzimmer« (S. 35), »Die Wirthschaft-
VI). Weiter empfiehlt er seinen Lesern: » Leßt sie lichkeit« (S. 53) u. a. Im zweiten Teil finden sich Titel
mit Lust, so wie ich sie aus Lust und Liebe zu Euch wie: »Die Bibliothek« (S. 90), »Der Degen« (S. 92),
geschrieben habe; schöpft frühe Kenntnisse für »Vaterlandsliebe« (S. 105), »Arbeit« (S. 118), »Muth«
Welt und Himmel daraus, und laßt mich den see- (S.l51)usw.
ligen Gedanken mit ins Grab nehmen: daß auch Burmann hat seine Gedichte in unterschiedlichen
ich etwas zum Seegen Eurer Erziehung, und zur metrischen Gliederungen und Reimarten abgefaßt, oft
Glückseeligkeit Eures Lebens beytrug. « (S. VIf.) weichen sie stark von der einfachen Liedform ab. Alle
Lieder enthalten mehrere Strophen (durchschnittlich
So wendet sich Burmann denn auch gegen das drei bis fünf); die Lieder für Knaben sind meist länger,
Auswendiglernen der Lieder, rät den Kindem häufig haben sie achtzeilige Strophen mit Kreuz- oder
vielmehr, »sie oft und mit Vergnügen zu lesen, Paarreim. Der Verfasser begründet in der Vorrede die
weil sie das öftere Lesen alsdann von selbst schon stilistischen Unterschiede zwischen den beiden Teilen:
Eurem weichen Herzen, und Eurem guten Ge- )) Da ein Jüngling schon einen grössem Umfang von Be-
189 Burmann, kleine Lieder, 1777 190

stimmung hat, so sind sie [die Lieder, d. Red.) auch in ei-


nem ernstem und dringendem Ton geschrieben, als die
Mädchenlieder. Ich habe mehr auf den guten Ausdruck
des Gedanken, als die Aufstutzung der Poesie Rück-
sicht genommen«. (S. VIII f.).lm Vergleich zu Weißeet-
wa verwendet Burmann wenig Metaphern oder Verglei-
che; stets wird die Intention, die Anleitung zu Tugend
und Religion unüberhörbar formuliert.
Die Liedersammlung ist mit einem gestochenen
Kupfertitel von C. L. Stahlbaum und einer Vignette ver-
sehen, die ein Podest zeigt, auf dem ein Lobeerkranz
ruht.
Das Leben der Kinder soll vornehmlich von
Liebe, Dankbarkeit und Gottesfurcht geprägt
sein. Die letztere Pflicht kommt in zahlreichen
Liedern zum Ausdruck, und nicht von ungefahr
werden beide Teile mit religiösen Lob- und Dan-
kliedern eröffnet und beschlossen. So endet der
für Mädchen bestimmte Teil mit folgenden Zeilen
(S. 66):
Göttliche Religion!
Meine Seele sey dein Thron :
Du kanst Seligkeit und Leben
und des Himmels Wonne geben!
0 was wär ich ohne Dich-
Niedrig wie ein Wurm wär ich;
Doch Religion und Glaube
Heben mich aus meinem Staube!
Einst den Engeln gleich zu seyn-
Dazu weyhest du mich ein!
0 wie groß wird meine Jugend
Durch Religion und Tugend!
Neben der Gottesliebe und -furcht stehen
Liebe zu den Mitmenschen, Mitleid, Hilfsbereit- Burmann, Gottlob Wilhelm: Kleine Lieder für
schaft und Wohltätigkeit im Vordergrund: ))Das kleine Mädchen, und Jünglinge. - Berlin 1777
Herz dem Mitleid zu verschlüßen,/0, welche Ty- ( Nr. 131 ). Kupfertitel von und nach C. L. Stahl-
ranney !/ Gott, lasse meine Thränen flüßen,/Und baum
gieb, daß ich erbarmend sey!« (S. 19). Das Lied
))Kühne Gedanken eines Knaben« (S. 109f.) hat Kind, Noch fühl ich nur Unschuld und Freuden/
ebenfalls die Menschenliebe zum Thema. Sie soll Und weiß nicht was Leiden/Und Kümmerniß
auch deshalb ausgeübt werden, weil sie dem Men- sind.« (S. l 0). Sie soll aber nicht nur eine Zeit des
schen Ansehen und Beliebtheit verschaffe (S. Spielens sein, vielmehr sollen die Kinder Spiele
110): und Spielzeug als sinnlose Zeitvergeudung erken-
Großwerdich durch schöne Thaten, nen lernen, um sich so früh wie möglich ernsthaf-
Was ich ordne, muß gerathen ten Aufgaben und Pflichten und nützlichen Be-
Und mein Einfluß hat alsdann schäftigungen zuwenden. Die ))Gesinnungen ei-
Viel Gewicht- denn ich bin Mann! nes kleinen verständigen Mädchens«, das eben
Waysen kann ich dann beglücken noch mit Puppen spielte, ändern sich plötzlich, als
Unschuld retten, die man drücken es folgende Entdeckung macht (S. 52):
Und ganz unterdrücken will
Und vor mir schweigt Unrecht still. Doch etwas fängt mich an zu kränken,
Die Puppen können ja nichts denken-
Jedem helf ich zu dem Seinen 0 Schade, daß ich sie geküßt;
Keine Tugend laß ich weinen, Geschwinde gebt mir Buch und Nadel,
Und ich nehme mich als Mann 0 ich verdiene Spott und Tadel,
Der Verlaßneo liebreich an! Geliebt zu haben, was nichts ist!
Und mich segnen Wittw' und Waysen
Ich erhalte Lob von Greisen Schon in den ersten Kindheits Jahren
Und der Redliche liebt mich- Will ich des LebensWertherfahren
Denn rechtschaffen handle ich! Und mich an bessern Sachen freun,
Kein Spielwerk soll mein Herz mehr rühren:
Die Kindheit hält Burmann für eine glückli- Die Zeit als Kind nicht zu verHehren:
che, sorgenfreie Lebensstufe: ))Noch bin ich Soll meines Alters Emdte seyn!
191 Unterhaltende Schriften 192

Wie in diesen Zeilen finden sich zahlreiche und verständige Ehefrauen und Mütter führen
Beispiele für die Absicht Burmanns, den Kindem können. Das Lied »Die Küche« schließt mit den
die Jugendzeit als Vorbereitung auf das Erwach- Zeilen: »Wirthschaftlich und häuslich seyn/Zie-
senenleben eindringlich verständlich zu machen. ret alle Frauenzimmer;/Und bringt auch fürs
Nahezu alle Themen werden in den Vorsätzen, Haus was ein:-/ Aber Putz und Spiegel nimmer!«
Entschlüssen und Gedanken auf das spätere Le- (S. 42; vgl. »Die Wirthschaftlichkeit«, S. 53.)
ben bezogen. Eine nützliche Beschäftigung in die- In den Gedichten für Knaben wird zum Ler-
sem Sinne ist denn auch das intensive Bücherstu- nen, zur Ordnung, zur Geselligkeit, zur Vorberei-
dium, das insbesondere den Knaben anempfoh- tung auf ein öffentliches Amt schon im Kindesal-
len wird. So gibt das Gedicht »Die Bibliothek« in ter aufgefordert. Vornehmlich jedoch soll die Er-
seinen Schlußversen folgenden Ausblick: »Bin ziehung den Knaben auf die Pflichten eines deut-
ich einst gelehrt, und Mann -/0, dann kommts schen Bürgers und Patrioten vorbereiten. Diese
wol gar/Daß ich, kritische Gefahr!/Selber Bü- Bestimmung wird besonders in dem Lied »Vater-
cher schreiben kann-« (S. 91 ). Burmann geht so- landsliebe« (S. I 05 f.) thematisiert; ähnlich heißt
gar noch einen Schritt weiter, indem er nicht nur es in einem anderen Lied (S. 109):
auf die Kürze der Kinder- bzw. Jugendzeit hin-
»Wenn ich groß bin, welche Freuden,
weist, sondern die Kinder mit dem » Werth der Kan ich auch ein Amt bekleiden!
Zeit« (S.2l) bekannt zu machen sucht und ihnen Und dem Vaterlande fein,
die »Flüchtigkeit des Lebens« vor Augen führt. Nützlich und ersprißlich seyn.
(S. 25). Wie die Zeit, wie das Leben, so vergehe Dann verehrt man mich im Staate
auch die äußerliche Schönheit, aller Putz, alle Weil ich patriotisch rathe,
weltliche Ehre. Burmann warnt daher sowohl Aller Weltwerdich bekannt,
Mädchen als auch Knaben vor Eitelkeit, davor, Und mich liebt mein Vaterland.«
das Herz auf Dinge der Welt zu richten (S. 58). Aus den hier vorgestellten Textauszügen
Da das Lob der Religion, Tugend und Ver- wird deutlich, daß die Vermittlung aufkläreri-
standesbildung im Vordergrund steht, weist Bur- schen Gedankengutes mit patriotischer Erzie-
mann mehrfach daraufhin, daß sich der Wert ei- hung einhergeht. Das hier entwickelte Tugendsy-
nes Menschen nicht allein von seiner Geburt her- stem entspricht einerseits aufklärerisch-philan-
leiten lassen dürfe. Das Lied »Das Putzzimmer« thropischen Erziehungsvorstellungen. Fußend
enthält u. a. folgende Verse (S. 35): auf religiösen Grundsätzen und ausgehend von
Für die Sinnen den Wertmaßstäben der Tugend, Bildung und
Ist nur das, was gleißt! Vernunft, sind die Lieder häufig vom Utilitaris-
Arm sind auch die Prinzeßinen musgedanken geprägt. So wird die Befolgung der
Sind sie arm am Geist!
verschiedenen Tugenden stets mit Blick auf eine
Kein Gepränge Rückvergütung anempfohlen, die sich in berufli-
Giebt der Seele Werth: chem Aufstieg, Ansehen und innerer Zufrieden-
Und der schönsten Meubeln Menge heit äußert. Andererseits zeigen die Lieder bereits
Macht kein Herz verklärt!
empfindsame Züge, eine beginnende Sentimenta-
Auch in Hütten lisierung der Naturbetrachtung, in Mitleid, Liebe
Macht die Tugend groß; und Freundschaft, die in gewissem Maße eine
Und durch unentweyte Sitten
Absage an den Rationalismus der Aufklärung
Glänzt des Hirten Loos!
darstellt (vgl. besonders das Lied » Morgengesang
Hohe Geburt und Herkunft werden als ein im Frühling«, S. 84).
Glücksfall betrachtet, der jedoch nicht zu unange-
messenem Stolz verleiten dürfe: »Der Fürsten, In seiner Vorrede merkt Burmann an: »Die Mäd-
wie der Hirten Sohn/Sind nur durch Tugend chenlieder haben schon seit einigen Jahren den Beyfall
groß ;/Ist sie aus ihrer Brust geflohn :/0, dann ist würdiger Eltern und Töchter erhalten [ ... ]. Hier sind sie
aufs neue, theils verbessert, theils vermehrt. [ ... ] Die
Staub ihr Loos!« (S. 116). Lieder für kleine Jünglinge erscheinen hier das erste-
Mit der Bildung zur Tugend geht die Ver- mal.« (S. VIII). 1772 erschienen in Berlin Kleine Lieder
standesbildung einher. So finden sich sowohl im für kleine Mädchen. Mit Musik. (2. Aufl. 1773) und
ersten als auch im zweiten Teil der Sammlung je 1777 Kleine Lieder für kleine Jünglinge. Mit Musik.
ein Lied, das diesen Gegenstand zum Thema hat Kayser vermerkt eine 1774 erschienene und von J. G. H.
(»Der Verstand«, S. 18; »Der Kopf«, S. 125). in Musik gesetzte Ausgabe der Kleine(n) Lieder für klei-
Die Bestimmungen der Mädchen und Kna- ne Mädchen und Jünglinge.
ben, die in den Liedern umrissen werden, weichen Burmanns Lieder wurden durchweg heftig kriti-
deutlich voneinander ab. Zwar wird den Mäd- siert. Der Rezensent in der A. D. B. will ihm zwar »gute
Absicht und nützliche Moral zugestehen, aber dieses sei
chen ein gewisser Grad an Bildung zugebilligt, auch alles, worauf er Anspruch machen darf« und rät
doch sollen sie vornehmlich daraufhin erzogen Burmann davon ab, »daß er weiterhin Gedichte druk-
werden, daß sie später ein ruhiges, bescheidenes, ken lasse«. Göhring (1904, S. 71) bezeichne< Burmanns
häusliches Leben als tugendhafte, wirtschaftliche Liedersammlung gar als »Schund« und wirft ihm einen
193 Röding, Der Bauernknabe, 1777 194

»langweiligen Kanzelton«, »Tändelei und Reimspiele- zum Dreh- und Angelpunkt der ansonsten recht
rei« vor. Köberle ( 1972, S. 106) sieht in den Liedern den armen Handlung wird.
»Inbegriff schlechtgereimter Moral«. Röding stellt seinem Helden, dem Platt-
Treffenderund differenzierterformuliert Wendler
deutsch sprechenden, drollig-gewitzten und an
seine Wertung der Liedersammlung (1937, S. 30): »Die
Kinderlieder sind reine bürgerliche Tugendspiegel, sie Geist und Körper kerngesunden Bauernjungen
sind, was ja für fast alle Jugenschriften der Aufklärung Jürgen, den verweichlichten Stadtjungen Carl ge-
zutrifft, vom Standpunkt des Erwachsenen geschrieben. genüber, bei dem sich bereits alle negativen Fol-
[ ... ] Die pädagogische Absicht überwiegt entsprechend gen einer unnatürlichen, verstädterten und über-
dem moralischen Charakter der Zeit so stark, daß das trieben verfeinerten Lebensführung bemerkbar
Künstlerische verkümmert.« Vgl. Göppel ( 1935) machen. Der Bauer ist seinem Gegenspieler in je-
T.R./H. der Hinsicht überlegen und nutzt jede Möglich-
keit, diesen mittels einer direkten und unverblüm-
ten Dialektsprache auf recht altkluge und besser-
wissensehe Art und Weise zu belehren und aufzu-
1777 klären. Den materiellen Verlockungen des geho-
benen Standes widersteht dieser Bauernjunge mit
Johann Hinrich Röding (I 732-1800): bodenständiger, standesbewußter Klugheit und
Der großmüthige Bauernknabe. gesundem, praktischen Verstand. Jürgen gerät
Ein Spiel für Kinder. nicht einen Augenblick in Versuchung, sein kar-
Harnburg 1777 ges und arbeitsreiches bäuerliches Dasein gegen
eine immerhin materiell abgesicherte, komforta-
ble und zukunftsreichere Existenz einzutau-
Im vorliegenden Kinderschauspiel treten neben
schen: »Da brüd ehn mit; och, jy goden Lüde,
Personen bäuerlicher Herkunft Kinder aus dem
gevtju keene Möh; Jürgen warrt sick so nich in-
wohlhabenden, gehobeneren Bürgertum auf. In
sparren laaten, he isju vehl to plytsch. Wat sul'ck
letzteren ist denn wohl auch der Adressat des
hier by de bleeken Gesichter maaken ?« (S. 3) Rö-
Stückes zu sehen.
ding idealisiert hier das bäuerliche Leben aus mo-
Auf Anraten seines Informators Lehrreich will der ral-didaktischen Gründen. An keiner Stelle läßt er
wohlhabende Kaufmann Reich den aufgeweckten und etwas von der Not auf dem Lande und den harten,
natürlichen Bauernjungen Jürgen in seinem Hause auf- unzulänglichen Lebensbedingungen des Bauern-
nehmen, damit dieser seinem antriebsschwachen und
standes durchscheinen. Sein Bauernjunge Jürgen
durch das Stadtleben verzärtelten Sohn Carl als Muster-
beispiel diene. Alle ihm von Herrn Reich vorgestellten tritt durchweg als volkstümlich-drolliger Held auf
bürgerlich-städtischen Verlockungen (schöne Kleider, und preist die Kargheit seines gesunden Landle-
feinste Speisen, gute Bildung sowie die in Aussicht ge- bens. Als Träger der Moral zeichnet er sich vor-
stellte bürgerliche Erziehung) können Jürgen aber nicht nehmlich durch übertriebene Selbstzufriedenheit
zum Verbleib im vornehmen Kaufmannshause bewe- und Besserwisserei aus. Er belehrt die gleich-
gen. Er zieht die einfache und natürliche Lebensweise altrigen Stadtkinder, wo immer sich Gelegenheit
auf dem Lande dem unnatürlichen und überspannten dazu findet, mit naiv-komischer Überheblichkeit
Städterleben vor: » Iek scher my'n Hamer um de Stadt,/
und läßt selbst die erwachsenen Gegenspieler, die
Dar sull'ck in kuckuluhren?/'Tis wahr, dar sünd de Lü-
mit seinem Beispiel ihre durch übermäßigen städ-
de glatt,/Un fiener as de Buhren./Man sünd see glückli-
cher darby,/Un ät seesatter sick as wy?/ /Womit trac- tischen und ständischen Komfort bereits fehlent-
teert se ehre Gäst? /Ut ehre lütjen Pütjens? /Un wat gevt wickelten Kinder heilen möchten, als Bittsteller
see jem vär dat Meßt?/'Tsünd idel Snibbelbitjens,/De auftreten.
glyd twars good tom Hals hendähr,/Man't giftjem keen Röding unterstreicht mit seiner Darstellung
Gedeen noch Knär./ /Y, weg! wy wet fär unse Gäst/ die Vernünftigkeit der Ständeordnung. Er wendet
Vehl beter to to kaaken,/Wy hoolt et mid de Buhren- sich zwar gegen Standesvorurteile: »Ich merke
köst,/De giftund Maark in'n Knaaken,/Denn Speck schon, sie sind mit Vorortheilen eingenommen,
un Kees un Fleesch un Brood,/Smeckt schön un maakt
nicht wahr? Bauern sind darum grob, weil sie
de Backen rood. [ ... ]« (S. 41)
Bauern sind. Sie irren sich, mein Engel« (S. 18),
Themen und Dialoge dieses Lustspiels erge- und betont, daß sich der Wert eines Menschen
ben sich aus dem Gegensatz von Stadt und Land. nach der Tugend bemesse und nicht nach seinem
Sie sind wenig variabel gestaltet und kreisen stets Stand, verhält sich jedoch gegen die bestehende
um das gleiche zentrale Anliegen, das in seiner Ständeordnung insgesamt affirmativ. So sind es
Darstellung nur durch den Austausch der jeweili- die Bauern selbst, die von sich aus auf ihre Stan-
gen Dialogpartner geringfügige Varianten er- deszugehörigkeit pochen und sich von der ange-
fährt. Die beabsichtigte Lehre wird hauptsächlich botenen Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs di-
über die Figuren des Bauernjungen Jürgen ver- stanzieren: » ... Laa't man bym Oien blyven; de
mittelt, der in der Kontrastierung mit den städti- Buhr bym Buhren, und de Hörger by den Börgern,
schen Gegenspielern durch seine altklugen Kom- dat verdrigt sick am besten; [ ... ]« (S. 21). Das
mentare und vernünftelnden Zurechtweisungen Stück schließt denn auch mit der Einsicht des In-
195 Unterhaltende Schriften 196

Köberle ( 1972) bezeichnet die Rödingschen Kin-


derstücke als fade und abgeschmackt, hebt aber gerade
das Lustspiel Der großmüthige Bauerknabe positiv her-
vor; es wehe in ihm aufgrundder eingefügten plattdeut-
schen Rollen »einfrischererZug« (S.Il9). C.

1778-1784
Joachim Heinrich Campe (1746-1818):
Kleine Kinderbibliothek. 12 Bändchen.
Harnburg 1778-1784 (1779-1785)

Die Folge von Kinderalmanachen richtet sich an


Kinder vom fünften bis zum zwölften Jahr. (1, S.
6). Da die »Verstandesfahigkeiten« der Kinder
dieser Altersstufen recht verschieden seien, habe
Campe sich gezwungen gesehen, die Almanache
in sich nach Altersstufen zu teilen. Die Einzelbän-
de seien so eingerichtet, »daß die für jede Haupt-
stufe des kindlichen Alters besonders bestimmten
Stücke zusammen stünden« (ebd.). Campe geht
hierbei von drei Absätzen des kindlichen Alters
aus, »deren erster bis ans siebende, der andere bis
ans zehnte, und der dritte endlich bis ans zwölfte
Jahr des Kindes und dariiber reicht« (1, S. 7). Die
Abgrenzungen seien jedoch nicht so streng zu
nehmen ; so sollten insbesondere die älteren Kin-
der nicht nur die für sie bestimmten, sondern alle
Röding, Johann Hinrich : Auswahl meiner Ge- Abschnitte lesen (1, S. 8). Im Rahmen des Campe-
dichte. Bdch. 1.- Harnburg 1800. Frontispiz mit schen Lektüreplans schließt sich die Kleine Kin-
Portrait Rödings von A. Stöttrup nach L. Eck- derbibliothek an das ABC-Buch und das Sitten-
hardt büchlein an und wird ihrerseits von Robinson der
Jüngere gefolgt.
Die Sammlung ist bestimmt zu >>einer ange-
formators: »[ . .. ]Der Knabe war mir heute ein gu- nehmen und lehrreichen Unterhaltung für die
ter Lehrmeister.- Wie zufrieden mit seinem Stan- Kinder« (1, S. 3). Sie soll »eben so unterhaltend,
de! - Mit wie vieler Gleichgültigkeit sieht er auf als lehrreich, und in jeder Betrachtung völlig un-
die glänzenden Reichthümer. Gott!- wären alle schädlich für sie« sein (ebd.). Der unterhaltende
Menschen so, welch ein Paradies wäre die Welt!« Zweck steht deutlich im Vordergrund; das Werk
(S. 46) soll eine »wohlschmeckende« Kost bieten, die
Vergnügen bereitet. Das unterhaltende Moment
Ba ur ( 1790) kritisiert Rödings Jugendschriften. In der Sammlung besteht im wesentlichen darin, daß
den zahlreichen Komödien, Gesprächen und Erzählun- gute und vortreffliche Stücke aus der schönen Li-
gen, die Röding geschrieben habe, sei der » Kinderton
teratur, aus der Dichtung, geboten werden: Sie
verfehlt, die Moral fehlerhaft, der Ausdruck läppisch
auch wohl undeutsch [ ... ]« (S. 372).- Hermann Schult- soll einen »artigen kleinen Schaz von Stükchen«
ze (1960) nennt verschiedene Kinderschauspiele Rö- (1, S. 3) darstellen, das »Wirklich Gute und Trefli-
dings und bespricht in seinen Ausführungen zu den che, womit man uns in dieser Art von Werken des
Hamburger Schul- und Kinderspielen das Lustspiel Der Geistes beschänkt hat« (ebd.), enthalten und eine
großmüthige Bauerknabe sehr ausführlich (vgl. Sammlung »der vermeinten besten Stücke dieser
S. 87 ff.). Schultze bemängelt vor allem, daß hier von Art aus unsern besten Schriftstellern« (1, S. 4)
Röding ein sehr wichtiges Thema bagatellisiert worden sein. Die Kinderbibliothek verfolgt damit einen
sei. Bezeichnend für diese Art von Kinderschauspielen besonderen literarischen Anspruch: Sie will aus
sei das »empfindsame, innerlich unwahre und daher
der zeitgenössischen Literatur die besten und vor-
übertreibende Lob des ländlichen und dörflichen Le-
bens« (S. 89). Er verweist auf die Diskrepanz zwischen trefflichsten Stücke aussuchen, insofern sie sich
»der von den bäuerlichen Jugendgestalten geübten Dia- für Kinder eignen. Sie will hierbei nicht die Kin-
lektsprache« und der »dazu im tiefen Gegensatzstehen- der in die zeitgenössische Literatur einführen und
den Besserungsbeflissenheit und unbäuerlichen wie un- ihnen literarischen Unterricht geben. Sie will viel-
kindlichen Superklugheit dieser Spielfiguren« (S. 91 ). mehr umgekehrt die zeitgenössische Literatur den
197 Campe, Kleine Kinderbibliothek, 1778-84 198

Kindem dienstbar machen und zeigen, daß sie ei-


ne Fülle von Stücken enthält, die auch Kindem J)amburgfd)cr
ein Vergnügen bereiten.
Im Vorbericht zum ersten Bändchen legt
Campe die »Grundsätze« dar, nach denen er die
iinb·eraltlftlnad) .......
Sammlung zusammengestellt hat. Der erste be- auf ~"~ 3Q{)c
steht darin, »nur solche Stükchen aufzunehmen, I 7 79,
welche für die Kinder eben so verständlich, als obtt
unterhaltend und lehrreich zugleich wären« (1,
S. 5). Der zweite Grundsatz bezieht sich auf die
belehrende Funktion des Werkes. Es soll im we-
~ibnad)tßgcfd>rn r
sentlichen der moralischen Unterweisung der fitr Stiul)cr,
Kinder dienen, hierbei aber den Kindem nur sol- tn Clngtnebmtn unb lf~micf.lm
che Lehren bieten, die ihr eigenes Verhalten be- Unterbrutun gcn,
treffen. Campe hat darauf geachtet, »daß die aus ..t i~m ~abiafeit -on •1un~lftn pnf!,
jedem der von mir aufzunehmenden Stükke flie-
ßende Sittenlehre, sowohl der Fassungskraft, als
auch den sittlichen Beftirfnissen des Kindes, so
viel möglich, angemessen wäre.« (1, S. 8 f.) Der
dritte Grundsatz bezieht sich auf die Methode der
moralischen Unterweisung. Campe greift hier auf
die Exempelmethode zurück, schränkt diese aber
in einem Punkt ein: Den jungen Kindem sollten
keine Beispiele eines lasterhaften menschlichen .f?amllurg,
Verhaltens geboten werden. Er habe dafür ge-
sorgt, »daß man den Kindem alles, was Mensch
ia .,, .Oml•fctto l»ultboa•lutiS.
heißt, anfänglich von einer liebenswürdigen Seite
schildern, und die traurigen Folgen der menschli-
chen Thorheiten und Laster, ihnen entweder blos Campe, Joachim Heinrich : Harnburgscher Kin-
in erdichteten Begebenheiten von Thieren, oder deralmanach auf das Jahr 1779, oder Weih-
erst nach und nach [ ... ] zeigen müsse« (1, S. 9). In nachtsgeschenk for Kinder, in angenehmen und
den ersten, für die Jüngeren gedachten Abschnit- lehrreichen Unterhaltungen, die ihrer Fähigkeit
ten würde deshalb nur positive menschliche Ge- angemessen sind. - Harnburg 1779 (Nr. 140). Ti-
stalten und Vorbildhaftes Verhalten geschildert. telblatt
Campe geht es mit diesem Grundsatz darum, in
den Kindem früh die Auffassung zu verankern, nimmt, entspricht seiner Intention, die Kinder
daß der Mensch an sich und von Natur aus gut sei. nicht zur Literatur zu führen, sondern die Litera-
Der Herkunft nach sind die in der Kinderbi- tur den Kindem dienstbar zu machen.
bliothek zusammengestellten Stücke teils Campes Die Erscheinungsgeschichte der Almanach-
eigener Feder entsprungen, teils stellen sie Origi- folge ist verwirrend: Die Bände sind jeweils halb-
nalbeiträge »mitarbeitender Freunde« (I, S. 10) jährlich zur Michaelis- und zur Ostermesse er-
dar, teils hat Campe sie aus bereits gedruckten schienen, wobei der jährliche Michaelisband den
Schriften herausgezogen. Im Vorbericht zum er- Nebentitel »Weihnachtsgeschenk [ ... ]« trägt.
sten Bändchen bemerkt Campe, daß der »grös- Der erste Band ist hierbei Michaelis 1778 erschie-
ser(e) Theil« von ihm selbst und nur ein kleiner nen (Vorrede datiert auf 4. 7.1778), obwohl das
»aus schon gedrukten Büchern genommen« sei Titelblatt auf 1779 lautet. Gleiches findet sich bei
(ebd.). Im Vorbericht zum zweiten Bändchen den Michaelis 1779, 1782, 1783 und 1784 erschie-
heißt es, daß letztere die Hälfte ausmachen. (II, nenen Bänden, deren Titelblatt jeweils auf 1780,
S. IV). Campe hat die bereits gedruckten Stücke 1783, 1784 und 1785 lautet. Lediglich bei dem 5.
nicht unverändert übernommen: »[ ... } diese er- Bändchen von 1780 stimmen das tatsächliche Er-
scheinen fast alle in einerneuen Gestalt, weil man scheinungsjahr und die Jahresangabe auf dem Ti-
sie theils ganz umgeschmolzen, theils in vielen telblatt überein. Die Halbjahresfolge ist einmal
Stellen abgeändert und verbessert hat« (1, S. 11). unterbrochen worden: 1783 ist nur der Michaelis-
Campe hat hierbei die Veränderungen in Abspra- band erschienen, der auf 1784 datiert ist (10.
che mit und »in Genehmigung der Verfasser« Bdch.). Unter Berücksichtigung des ausgefalle-
vorgenommen ( vgl. 11, S. IV f. ). Campe maßt sich nen Osterbandes von 1783 ergibt sich als tatsäch-
also nicht an, die Stücke poetisch zu verbessern; liche Erscheinungszeit der 12 Bändchen der Zeit-
er will sie vielmehr nur dem kindlichen Fassungs- raum Michaelis 1778 bis Michaelis 1784, wobei
vermögen anpassen. Daß er solchermaßen Ein- auf den vorausdatierten Titelblättern die Zeit-
griff in die Textgestalt dichterischer Werke spanne 1779-1785 erscheint.
199 Unterhaltende Schriften 200

Die einzelnen Bändchen sind jeweils in drei Ab- druckt (S. 121-140). Der zweite Band ( 1779) gibt in grö-
schnitte eingeteilt, die sich aufeinanderfolgend an die ßerer Anzahl Gedichte von Bertuch, M. Claudius und
untere, mittlere und obere Altersstufeder Kindheit wen- Overbeck wieder, enthält aber auch einzelne Verse und
den und die sich umfangsmäßig in etwa die Waage hal- Fabeln von Gleim, Chr. Gottlieb Göz, Hölty, Karoline
ten. Die 12 Einzelbände sind durchgängig nach demsel- Rudolphi, Pfeffel, Gottfried Schmidt und C.F. Weiße.
ben Prinzip aufgebaut und enthalten in bunter Mi- Zudem finden sich zwei Schauspiele: »Das Aderlas-
schung Stücke folgender Gattungen: Gedichte, Lieder, sen« von Garnier in Campes Übersetzung (S. 96-111)
Verserzählungen und -epen, Fabeln in Vers und Prosa, und »Der leichtsinnige Knabe« von C. F. Weiße (S.
Gesprächsszenen und längere Unterredungen, Beispiel- 154-188).
geschichten und Kinderschauspiele. Seltener sind An- Das dritte Bändchen (auf das Jahr 1780) stellt in
ekdoten aus dem Tierreich und solche aus der Geschich- seiner Lyrik wiederum Overbeck ganz in den Vorder-
te; dies entspricht der vorwiegend moralischen Ausrich- grund; es enthält daneben Gedichte von Brückner, Bur-
tung der vermittelten Lehren, durch die eine sachliche mann, Gleim, Göckingh, Hölty, Michaelis, Rudolphi
Belehrung stark an den Rand gerückt wird. Auch ist der und Weiße. In dem letzten Abschnitt beginnt Campe,
Anteil nichtfiktionaler Texte relativ gering. Es handelt »auch einige Stücke unserer älteren Dichter mit solchen
sich um moralische Biographien, Auszüge aus Reisebe- Abänderungen aufzunehmen, die mir nöthig schienen«
schreibungen, väterliche Räte und Ermahnungen, Sit- (Vorrede). Abgedruckt werden zwei Gedichte von Ha-
ten- und Verhaltenslehren und Klugheitsregeln; die gedorn und drei Stücke von E. v. Kleist. Am Ende des
prosaischen Texte sind vornehmlich in den Teilen zu Bandes finden sich ein Nachtrag von Sprichwörtern
finden, die sich an ältere Kinder wenden. Die Früh- und Sittensprüchen wie eine Ankündigung des Robin-
jahrsbände lassen als thematischen Schwerpunkt Früh- son. Hinsichtlich der Beispielgeschichten hatte Campe
lings- und Naturszenen erkennen, während die Herbst- schon im zweiten Band damit begonnen, Auszüge aus
bzw. Weihnachtsbände zahlreiche Stücke über den Hippels Lebensläufen nach aufsteigender Linie
Winter enthalten. ( 1778-1781) abzudrucken. Zudem sind in diesem Band
Campe hat bei allen Stücken den Verfasser kennt- zahlreiche Stücke aus dem »Niedersächsischen Wo-
lich gemacht und bisweilen auch noch den Bearbeiter chenblatt für Kinder« von BenzeIer eingerückt. Die Ge-
genannt. Nicht namentlich gekennzeichnete Stücke dichte und Fabeln des vierten Bändchens ( 1780) stam-
sind anonyme Beiträge, deren Verfasser auch Campe men von Geliert, Gleim, Göz, Jacobi, Lichtwer, Over-
nicht bekannt sind, oder solche, die er von anderen beck, Richter, Rudolphi, Fr. L. Stolberg, Weiße und
übernommen und verändert hat, bei denen er aber noch Willamov. Es enthält zudem eine kurze Biographie des
nicht in Erfahrung bringen konnte, ob die Verfasser mit Thomas Moros (S. I 04-11 0) und einzelne historische
den Abänderungen einverstanden sind (li, S. VI). Na- Anekdoten aus der Antike. Eine längere Beispielerzäh-
mentliche Kennzeichnung der Stücke bedeutet also lung von Reiche schließt das Werk.
stets, daß deren Verfasser die Eingriffe des Herausge- Dasfon/te Bändchen (auf das Jahr 1781) enthält
bers gebilligt haben. Campes eigene Beiträge belaufen Gedichte und Fabeln von Bürger, M. Claudius. J. J.
sich zu Beginn der Folge auf ein gutes Drittel der Bände, Ewald, Geliert, Gleim, Kretschmann, Lichtwer, Nico-
nehmen vom vierten Band an jedoch merklich ab. Er lai, Overbeck, Schmidt, Weiße und Wilmsen. Daneben
trägt hierbei vornehmlich kurze und längere Beispielge- finden sich eine Fabel von Daniel Stoppe (S. 83 f.), eine
schichten bei; nur vereinzelt hat er Szenen und Kinder- Naturbetrachtung von Geßner und Beispielgeschichten
schauspiele beigesteuert. An der außerordentlich stark von Tessin und Schlözer. Campe selbst trägt ein Spiel
vertretenen Lyrik hat Campe keinerlei Anteil; lediglich bei: »Das Ringspiel« (S. 29-51). Der Teil für die Älte-
im ersten Teil finden sich drei Fabeln aus seiner Hand, ren setzt die Wiedergabe von Stücken der älteren Dich-
die alle dem ABC-Buch von 1778 entnommen sind. So- ter mit dem auszugsweisen Abdruck des Gedichtes
dann nennt er sich des öfteren als Übersetzer und Bear- »Die Tageszeiten von J. F. W. Zachariä aus dem Jahre
beitervon Texten aus dem Französischen (Voltaire, Ab- 1755 fort, das in einer Bearbeitung von Funk geboten
be le Monnier, Garnier, Berquin). Auffällig ist schließ- wird (S. 113-162). Den Abschluß bildet ein Auszug aus
lich, daß Campe Texte hauptsächlich für die Abschnitte der Reisebeschreibung von Hawkesworth (S. 163-168).
beigesteuert hat, die sich an die jüngeren Kinder wen- Im sechsten Bändchen (1781) stehen wiederum
den, während er in den Abschnitten für die Älteren stär- die Gedichte von Overbeck im Vordergrund; neben ihm
ker auf andere Autoren zurückgreift. Dies entspricht sei- sind noch M. Claudius, Geliert, Rudolphi, Rühl, Weiße
ner Auffassung, daß es besonders schwierig ist, für jun- und Wehnert vertreten. Am Ende des zweiten Teils fin-
ge Kinder zu schreiben, und daß solcherlei Schriften det sich ein Auszug aus Pestalozzis Lienhard und Ger-
bisher noch kaum existieren. Zu den kontinuierlichen trud(l781-1787) (S. 89-114). Davor ist ein Auszug aus
Mitarbeitern gehören Karoline Rudolphi und E. R., ver- Iselins Ephemeriden der Menschheit gestellt. Im letzten
mutlich Emilia Rudolphi, die zahlreiche Gedichte, Bei- Teil finden sich einige Stücke von Voltaire und d'Ar-
spielgeschichten und Gespräche beitragen, wie Chri- naud so wie ein Absatz aus Mösers Patriotischen Phan-
stian Adolf Overbeck, von dem zahlreiche Gedichte tasien. Der Band endet mit väterlichen Ermahnungen.
und Lieder stammen. Das siebteund achte Bändchen (auf das Jahr 1782
Das erste Bändchen (auf das Jahr 1779) enthält und 1782) konnten nur in der zweiten, zusammengeleg-
Gedichte von Brückner, M. Claudius, Krausenek, Over- ten Auflage von 1783 eingesehen werden. In ihrer ersten
beck, Karoline Rudolphi, Schink und C. F. Weiße, Fa- Abteilung stehen wiederum Gedichte Overbecks an er-
beln von Campe und Ludw. Heinr. Nicolai und zahlrei- ster Stelle, gefolgt von mehreren Gedichten der A. L.
che Beispielgeschichten und Gespräche. Von Claudius Karschin. Neben zahlreichen Beispielgeschichten von
ist das Lied »Täglich zu singen« aufgenommen (S. Campe selbst finden sich drei kurze Erzählungen von
103f.). Im letzten Absatz ist ein Kinderschauspiel von Moritz. Die Fabeln und Gedichte ihrer zweiten Abtei-
Campe mit dem Titel »Die bestrafte Eitelkeit« abge- lung stammen von Göckingh, Lichtwer, A. G. Meißner,
201 Campe, Kleine Kinderbibliothek, 1778-84 202

Joachim Heinrich Campe (1746-1818). Kupferstich von F. Müller nach Schroeder

Karoline Rudolphi und Sturm. Von Campe ist »Das setzung dieses Werkchen künftig nicht mehr an be-
Reisespiel« (S. 79-126) beigesteuert; von Moritz kom- stimmte Zeiten binden«, sondern warten wolle, bis sein
men erneut drei Beispielgeschichten. Außerdem wird Vorrat an Stücken wieder groß genug sei. 1783 ist denn
der Auszug aus Lienhard und Gertrud fortgesetzt. Die auch kein Osterband erschienen. Die Gedichte und Fa-
dritte Abteilung enthält Fabeln und Gedichte von Jaco- beln des Bandes stammen von Gleim, Lichtwer, Over-
bi, Meißner, Pfeffel und Rudolphi, von Zachariae das beck, Rudolphi und Rühl. Der zweite Abschnitt enthält
Gedicht »Die vier Stufen des weiblichen Alters« (S. einen Auszug aus den »Reisen eines Deutschen in Eng-
303 ff.) und von Emilia Rudolphi »Lorenz und Leono- land« von K. Ph. Mo ritz (S. 76-87). Der dritte Abschnitt
re, eine lehrreiche Geschichte besonders für junge Mäd- bietet zunächst erneut eine Naturbetrachtung von Geß-
chen, welche das Lesen lieben« (S. 245 ff.). ner, dann einen längeren Auszug aus Forsters Beschrei-
In der Vorrede zum neunten Bändchen (auf das bung der Cookschen Weltreise (S. 104-125, 127-150).
Jahr 1783) kündigt Campe an, daß ersieh »bei der Fort- Schließlich finden sich noch die Erzählung »Diogenes
203 Unterhaltende Schriften 204

und Bachides« von Chr. M. Wieland und ein Abschluß- Gespräche- realisiert. Zwar zeigen auch die Ge-
gedicht von Moritz. dichte eine moralische Ausrichtung; doch ist der
Die Lyrik und die Fabeln des zehnten Bändchens Anteil, der Themen der Natur, den Wechsel der
(auf das Jahr 1784) kommen von Burmann, M. Clau-
Jahreszeiten, Stadt- und Landleben etc., behan-
dius, Lichtwer, Overbeck, Pfeffel, Rudolphi, Fr. L. Stol-
berg, Sturm und Tiedge, wobei letzterer im zweiten Ab- delt, für ein Kinderbuch des 18. Jahrhunderts er-
schnitt mit mehreren längeren Gedichten und Verser- staunlich groß. Dies schlägt sich nieder in der
zählungen vertreten ist. Der erste Abschnitt enthält Bei- Aufnahme von Gedichten aus dem Umkreis des
spielgeschichten von Monget in Campes Übersetzung. Göttinger Hain (Hölty, Bürger, Stolberg, Voß),
Zum ersten Mal werden Gespräche mit sachlich beleh- dem auch der wohl am stärksten vertretene Over-
render Tendenz eingefügt, die sich mit Themen wie Auf- beck nahesteht. Auch die Stücke von M. Claudius
merksamkeit, Körper, Mensch, Teile und Luft beschäf- tragen dazu bei, daß die Almanachsammlung zu
tigen. Es handelt sich hierbei um umgearbeitete Ab- einem poetisch unterhaltsamen Werk wird. Die
schnitte aus Thiemes Erste Nahrnng fiir den gesunden
Schauspiele und die Lern- und Gesellschaftsspie-
Menschenverstand (1776), die jeweils von Gedichten
unterbrochen werden (S. 28-78). Im zweiten Abschnitt le geben ihm schließlich noch eine philanthro-
wird Schlözers Neujahrs-Geschenk aus Jamaika in pisch-spielpädagogische Ausrichtung.
West Indien ( 1780) vollständig abgedruckt (S. 85-111 ). Campe verfolgt mit seiner Anthologie hohe
Hierauf folgt ein Feenmärchen von Fr!. vom Hagen (S. literarische Ansprüche: Er will für sie die besten
133-136). Im dritten Abschnitt finden sich mehrere Ge- Vertreter der zeitgenössischen deutschen Litera-
dichte und auch Prosa von M. Claudius. tur heranziehen. Im Vorbericht zum ersten Bänd-
Die lyrischen Beiträge und die Fabeln des elften chen fordert er »alle einsichtsvolle Kinderfreun-
Bändchens ( 1784) stammen von Bürde, Eschenburg, de unter den Dichtem und Prosaisten unserer Na-
Göckingh, Kurze, J. G. Jacobi, Pfeffel, Rosemann, Ru-
zion« zur Mitarbeit auf. Vom dritten Band an
dolphi, Tiedge und J. H. Voß. Im ersten Abschnitt fin-
den sich eine Erzählung von Schlözer und erneut ein sucht Campe zudem die »älteren Dichter«, die Li-
Märchen von Fr!. vom Hagen. In dem zweiten Ab- teratur also der Jahrhundertmitte, mit zu berück-
schnitt hat Campe wiederum ein Spiel eingerückt: »Das sichtigen. Hierbei geht es ihm nicht darum, die
Scherradenspiel « (S. 51-82). Im dritten Abschnitt wird Kinder zur Literatur hinzuführen, ihnen literari-
zunächst eine längere Erzählung von K. Ph. Moritz mit sche Kenntnisse und künstlerische Genußfähig-
dem Titel » Willich, oder der gute Haushälter« geboten keit zu vermitteln. Die schöne Literatur ist ihm
(S. 113-127), dann folgen Auszüge aus Ebelings Reise- nicht Selbstzweck, sondern nur ein Mittel, den
beschreibungen. Den Abschluß bildet ein Abdruck des Kindem eine Unterhaltung und Freude zu berei-
Gedichtes »Der Frühling« von E. v. Kleist (1749), das
mit »Veränderungen, Abkürzungen und erklärenden
ten. Er greift auf die besten Stücke der Literatur
Anmerkungen« geboten wird (S. 164-189). zurück, nicht weil diese von der höchsten künstle-
Das zwölfte Bändchen (auf das Jahr 1785) enthält rischen Vollkommenheit sind, sondern weil sie
Gedichte und Fabeln von Burmann, J. G. Jacobi, Lie- das größte Vergnügen bereiten. Daß Literatur nur
berkühn, Overbeck und Tiedge. Im letzten Abschnitt eine dienende Funktion hat, führt also bei Campe
werden Fabeln von Lessing wiedergegeben: Zunächst nicht dazu, daß die Frage nach ihrer literarischen
erscheint» Die Geschichte des alten Wolfs, in sieben Fa- Qualität bedeutungslos wird.
beln« (S. 127-132), sodann werden vier weitere Prosa- Die Kleine Kinderbibliothek beruht in ihren
fabeln Lessings eingerückt (S. 156-158). Im ersten Ab- Anfängen auf einem prononciert literarisch aus-
schnitt werden die sachlich belehrenden Dialoge im An-
schluß an Thiemes Erste Nahrnng fortgesetzt (S.
gerichteten Konzept von Unterhaltung und mora-
14-52). Behandelt werden folgende Themen: Kennzei- lischer Belehrung. Hierbei geht Campe davon
chen, Eigenschaft, Unterschied und Gleichheit, Glück- aus, daß schöne Literatur, Gedichte, Lieder, Fa-
seligkeit, Mitleid, Ursache und Wirkung. Im zweiten beln etc., eine angenehme und angemessene Lek-
Abschnitt finden sich verstärkt historische Anekdoten türe besonders für die jüngeren Kinder darstellt,
und erneut ein Lernspiel von Campe: »Die Akademie während den Älteren schon mehr nichtfiktionale,
der Wissenschaften. Ein Spiel« (S. 93-1 05). Ansonsten diskursive Texte zugemutet werden können. Im
finden sich Erzählungen von Schütz, Engel und Anton Laufe der Erscheinungszeit der Almanachfolge
Wall.
scheint sichjedoch dieses Konzept zu ändern. Die
Die Kleine Kinderbibliothekist ein exempla- späteren Bände lassen ein stärkeres Vordringen
risches Beispiel für ein vornehmlich auf die Un- sachlich belehrender Texte erkennen:· Etwa vom
terhaltung der Kinder ausgerichtete philanthropi- neunten Bändchen an wächst der Anteil von An-
sches Lesebuch. Entscheidend ist hierbei, daß ekdoten aus der Geschichte und der Natur, von
Unterhaltung wesentlich als literarische Unter- Gesprächen über Sachfragen und von Reisebe-
haltung begriffen wird. Die Kinder sollen sich schreibungen, die geographische, natur- und völ-
durch die Lektüre von Gedichten, Fabeln, Erzäh- kerkundliche Informationen bieten. Dies tut dem
lungen etc. angenehm und vergnüglich die Zeit unterhaltenden Charakter der Kinderbibliothek
vertreiben. Zwar ist auch moralische Belehrung keinerlei Abbruch, schränkt aber den Raum der
intendiert; diese fügt sich unter den übergreifen- Belletristik mehr und mehr ein. Hierbei ergibt
den Unterhaltungszweck. Sie wird überwiegend sich, daß dies stärker in den Abschnitten für die
durch die Prosastücke - Beispielgeschichten und jüngeren Kinder geschieht, während in den Tei-
205 Stroth, Kar! Weissenfeld, 1778 206

Jen für die älteren Leser die Belletristik ihre Stel- gut erachtet, nicht nur zwei Bändchen der ersten Ausga-
lungwahrt. be in einen einzigen Theil zusammen zu schmelzen; son-
Diese sich deutlich abzeichnende Tendenz dern auchalldiejenigen Stükke jener beiden Bändchen,
legt den Schluß nahe, daß sich bei Campe in den die zu einerlei Absicht für ein und dasselbe Alter gehö-
ren, jedesmahl zusammen zu rükken. « (ebd.)
80er Jahren ein Positionswechsel vollzieht: Der Fürdie späteren Auflagen hat Campe das Werk ei-
Einsatz schöner Literatur scheint ihm bei der Er- ner tiefgreifenden Bearbeitung unterzogen. Spätestens
ziehung der jüngeren Kinder mehr und mehr frag- mit der I 0. Auflage von 1805 erscheint es in einer stark
würdig zu werden. Dieser Positionswechsel wird verkürzten und gänzlich umstrukturierten Gestalt. In
schließlich in seinem Vorwort zu dem ersten Band der Vorrede heißt es: ))Schon lange wünschte ich, die-
von Reisebeschreibungen von 1785 deutlich, wo sem Werke durch Ausmerzung mancher Stücke, die ich
sich eine überraschend kritische Einschätzung nicht mehr billigen konnte, und durch eine bessere Zu-
des Werkes findet. Bei allen Wünschen des Publi- sammenstellung der übrigen, eine solche Gestalt zu ge-
kums nach einer Fortsetzung könne er selbst ben, die meinen jetzigen Einsichten gemäßer wäre
[ ... ]« (I, S. I li). Das Werk sei ))Wenigstens um ein
»doch nicht umhin, zu glauben, daß die Jugend Sechstel vermindert«; außerdem sei in ihm ))alles, was
mit kleinen poetischen und prosaischen Stücken für Kinder von einerlei Alter oder vielmehr von einerlei
moralischen Inhalts, dergleichen die Kinderbi- Fähigkeit und Ausbildung sei, zusammengestellt wor-
bliothek bisher enthalten hat, nunmehr hinrei- den« (I, S. IV). ))Jetzt enthält jedes Bändchen lauter
chend, oder vielmehr schon zum Überfluß, ver- Stücke, welche für ein und ebendasselbe Alter bestimmt
sorgt sey, und daß ein größerer Vorrath davon aus sind, von der untersten Stufe der Kindheit bis zur höch-
mehr als einer Ursache schädlich werden könnte. sten, wo sie an das Jünglingsalter gränzt. « (I, S. IV f. ). E.
Denn ohngeachtet ich mich nach meinen jedes-
maligen Einsichten bemüht habe, in diese kleinen
Aufsätze eine gesunde und nahrhafte Selenspeise
zu legen: so mußte ich sie doch, aus bekannten 1778
Gründen, zu sehr mit Naschwerk aufstutzen, Friedrich Andreas Stroth (1750-1785):
wenn ich den Appetit der kleinen Menschen reit-
Karl Weisserifeld.
zen und einem bei moralischen Gerichten nur
leicht entstehenden Ekel vorbauen wollte. Nasch- Ein Lesebuch for Mütter, angehende
werk aber soll man sparsam genießen und nicht Erzieher und junge Leute. 2 Teile.
zur täglichen Speise machen.« Wenig später heißt Leipzig 1778
es noch deutlicher: }>Allein nach meiner jetzigen
auf reifere Erfahrung und Einsicht gegründeten Stroths Roman wendet sich, wie bereits dem Un-
Ueberzeugung sollte die Iitterarische Bildung der tertitel zu entnehmen ist, an }>Mütter, angehende
Kinder erst am Ende der Kindheit ihren Anfang Erzieher und junge Leute«. Ziel des Romans ist
nehmen. Ich konnte also für junge Kinder nichts es, }}die unglücklichen Folgen einer schlechten,
mehr schreiben, weil ich jetzt auf das innigste fehlerhaften Erziehung und eines unmoralischen
überzeugt bin, daß alles Lesen und schulmäßige Verhaltens, nebst dem Gegentheil so anschauend
Lernen diesem Alter zuverläßig schädlich und als möglich darzustellen, und so viel möglich al-
dem Gange, den die Natur bei der Entwicklung lerley nützliche, besonders pädagogische Kennt-
der Kindheit beobachtet, allemahl zuwider ist.« nisse und Regeln mit unterzustreuen, zugleich
Campe hat damit das ursprüngliche, der Kinder- aber alles zu vermeiden, was auch nur verdorbnen
bibliothek zugrunde liegende Konzept vollends Herzen Gelegenheit zur Erhitzung und Aus-
zurückgenommen. schweifung ihrer Imagination geben könnte«
(S. 6).
Ab 1782 ließ die Heroldsehe Buchhandlung, wie Die Romanform seines Werkes erklärt
es in der Vorrede zum 9. Bändchen heißt, ))von Zeit zu
Stroth damit, daß }}bey der jetzt herrschenden
Zeit einzelne vergriffene Theile nach dem theurerern
Format der ersten Ausgabe wieder auflegen«. Die Neu- Denkungsart« sein Rat, Jugendlichen als Lektüre
auflagen sind also Einzelbandweise erfolgt. Gleichzei- >}Spaldings Bestimmung des Menschen, Base-
tig aberwurde eine größere und billigere Ausgabe in Ok- dows praktische Philosophie, Gellerts Moral, Ro-
tav herausgebracht, ))Um [ ... ] diese Sammlung unter- bertsons Geschichte von Amerika oder ein ande-
haltender und lehrreicher Aufsätze auch in die Hände res gutes historisches oder geographisches Buch«
unbegüteter Kinder zu bringen«. Diese großformatige in die Hände zu geben (S. 4), wohl kaum auf Zu-
und ))Wohlfeilere« Ausgabe, von der 1782 bereits 3 Tei- spruch rechnen könne, >}da die meisten gegen
le erschienen waren, faßt jeweils zwei Bändchen der er- starke und nährende Speisen, und noch mehr ge-
sten Ausgabe zu einem Band zusammen, beläuft sich al- gen Arzneyen einen zu starken Ekelbey sich emp-
so auf insgesamt 6 Teile. Campe hat hier bereits ))einige
wenige Stükkchen« herausgenommen, ))die ich, nach
finden, und nichts als Confitüren wollen« (S. 5).
reiferer Prüfung, verwerfen zu müssen glaubte« (Vorbe- Man solle sich daher der Neigung der Leute be-
richt zur zweyten Auflage). Bei der Zusammenfassung dienen und }>Confitüren zu einem Vehikel« ge-
jeweils zwei er Bändchen hat er zudem die Stücke umge- brauchen, d. h. die beliebte Form der Romane zur
stellt: ))Was die äussere Einrichtung betrift, so hab ich nützlichen Belehrung verwenden: »Wäre ein Ro-
207 Unterhaltende Schriften 208

man vorhanden, woraus nicht nur alle schlüpfrige chen Schule ebenso unfähig wie ungerecht ist, schickt
Bilder, sondern überhaupt alle ins Detail gehende sie ihren Stiefsohn erneut in die Schule, um ein weiteres
Beschreibungen von Liebesangelegenheiten, die Fortkommen seines Wissens zu verhindern. Tatsächlich
wir im Leben genug kennen lernen, ohne sie aus wird Julius in der Schule auf grausamste Weise traktiert,
da er die für den Schulmeister einträglichen Privatstun-
Büchern lernen zu dürfen, verbannt wären, worin
den nicht besuchen darf. In boshaftem Zorn sperrt ihn
eine gesunde Moral vorgetragen, die Tugend in der Schulmeister schließlich in ein finsteres Kellerloch,
ihrer ganzen Liebenswürdigkeit und das Laster so in dem Julius mehrere Tage ausharren muß, weil man
häßlich als möglich, doch ohne Karrikatur ge- vergessen hat, ihn wieder freizulassen. Als er am Abend
schildert, und so viel es sich thun liesse, wahre Hi- zu seinem Elternhaus zurückkehrt, weist ihm die Hofrä-
storie, geographische und andere im gemeinen tin, die sich gerade in einer Gesellschaft mit Offizieren
Leben nützliche Kenntnisse mit eingestreut, und vergnügt, die Tür. Nach längerem Herumirren wird Ju-
den jungen Leuten, die doch einmal Romanen le- lius schließlich von seinem früheren Hofmeister aufge-
sen wollen, unter diesem Vehikel beygebracht funden, der ihn zu Pastor Peemüller bringt. Hier findet
Julius vorerst ein neues Zuhause; im Alter von zwölf
würden, so würde ich denselben vorzüglich emp-
Jahren wird er jedoch nach Stralsund geschickt, wo ihn
fehlen« (Bd. 1, S. 261). der Kammerrat Wegner in seine Familie aufnimmt und
für einen umfassenden Unterricht des Jungen sorgt.
Stroth behandelt in seinem zweibändigen Roman
die Jugendgeschichte der Kinder des Hofrats Elias Befreit von ihrem Stiefsohn, kann sich die Hofrä-
Weissenfeld in Magdeburg, der »für den reichsten und tin nun ganz Kar! und Rosalinde zuwenden. Begierig
zugleich für den sonderbarsten Mann im ganzen Her- liest sie alleneueren Erziehungsschriften,jeweils das zu-
zogthum gehalten« wird (S. 3). Er ist in zweiter Ehe mit letzt Gelesene als der Wahrheit Kern vertretend. Rosal-
Karoline Wegner verheiratet, einer attraktiven und bele- inde bekommt »nichts als Romanen in die Hände« (S.
senen, aberüberaus eitlen, herrschsüchtigen und ehrgei- 259). »Es hieß nur immer, du mußt hübsche Lebensart
zigen Dame, die sich allen bürgerlichen Gesellschaften haben, dich nicht gemein machen, deine Kleidung in
entzieht und sich stattdessen »zu den Kränzchen und Pi- Acht nehmen, an deinem Putze nichts verderben, nicht
queniques der Adelichen« drängt (S. 4). Mit ihr hat zuviel in die Sonne gehen, nichts grobes anfassen, deine
Weissenfeld, der aus erster Ehe einen kleinen Jungen Hände und deinen Teint nicht verderben, den Pöbel
mit dem Namen Julius mitgebracht hat, zwei Kinder, nicht zu tief grüßen, deinem Range nichts vergeben, dies
den 1740 geborenen Kar! und ein wenig später gebore- nebst den Regeln des Putzes waren ohngefähr die ganze
nes Mädchen, dem der Romanname Rosalinde gegeben Moral, welche sie ihrer Tochter gab.« (S. 265). Kar! soll
wird. Der Roman umfaßt einen Zeitraum von 23 Jah- eine »galante Erziehung« (S. 254) zuteil werden. Zu die-
ren, wobei die Jahre von 1740 bis 1759 im ersten, die sem Zweck wird er in Gesellschaften herumgeführt und
letzten vier Jahre im zweiten Band geschildert werden. bekommt schließlich einen Tanzmeister. Damit jedoch
Teil 1: Während die Hofrätin, die sich von ihrem auch die Erziehung zur Gelehrsamkeit nicht ganz verab-
Gesinde nur als »gnädige Frau« titulieren läßt, ihren säumt wird, bemühen sich der Reihe nach verschiedene
Sohn Kar! und später auch ihre Tochter Rosalinde völ- Hofmeister um den Jungen. Kar! fängt verschiedene
lig verzärtelt, ihnen in allem den Willen läßt, sie schon Studien an, steckt aber jeweils nach kurzer Zeit wieder
im zartesten Alter mit Zuckerwerk und anderen Näsche- auf; außer dem Tanzen beherrscht er nahezu nichts. In
reien vollstopft, sie immer nach der neuesten Mode klei- seinem Müßiggang verfällt er bald dem Laster. Da er zur
det und mit Spielzeug überhäuft, behandelt sie ihren Befriedigung seiner Bedürfnisse immer mehr Geld
Stiefsohn hart und grausam. Der Hofrat schweigt nicht braucht, und da selbst das großzügige Taschengeld, mit
nur zu diesen Grausamkeiten, sondern wird auch zu- dem ihn seine Mutter ausstattet, hierzu nicht mehr hin-
nehmend gegen Julius eingenommen, weil er sich hier- reicht, wird Kar! zum Dieb. Mit Hilfe eines Komplizen
durch die Gewogenheit seiner Frau bewahren kann. Al- stiehlt er Münzen und Bücher aus der väterlichen
le Ratschläge und Ermahnungen, die wohlmeinende Sammlung und verschafft sich größere Summen aus
Verwandte erteilen, schlägt die Mutter in den Wind, dem Geldschrank seiner Mutter. Seine Diebstähle wer-
einerseits weil sie meint, über die Erziehung ihrer eige- den zwar schließlich entdeckt, doch sie bleiben ohne
nen Kinder selbst am besten urteilen zu können, ande- weitere Folgen.
rerseits weil sie in Julius nur einen unnützen Esser er- Nachdem sich Kar! kurzzeitig in der dilettantisch
blickt, der eines Tages das Erbe ihrer Kinder schmälern zusammengetragenen Büchersammlung seines Vaters
könnte. als Bibliothekar versucht hat- »Am liebsten hielt er sich
Um Julius von ihren eigenen Kindern fernzuhal- bey nakt vorgestellten Personen und andern obscönen
ten, schickt sie ihn schließlich mit vier Jahren in die Kupferstichen auf.« (S. 331) -, will er sich auf das Stu-
Schule. Aufgrund seiner hervorragenden Fähigkeiten dieren verlegen, weil er sich vom lustigen und freien Stu-
und seines großen Eifers entwickelt er sich zu einem vor- dentenleben Angenehmes verspricht. Um ihn darauf
bildlichen Schüler. Dies vermehrt jedoch nur den Haß vorzubereiten, schickt die Hofrätin Kar! zu ihrem Bru-
der Hofrätin gegen ihn. Um weitere Fortschritte Julius' der nach Stralsund. Doch auch der Kammerrat Wegner,
zu verhindern, wird er schließlich aus der Schule ge- unter dessen Anleitung Julius bedeutsame Fortschritte
nommen und gemeinsam mit seinenjüngeren Geschwi- macht, vermag nicht, die Erziehung Karls zum Besseren
stern von einem Hofmeister, Herrn Treumann, unter- zu wenden: Kar! macht hohe Spielschulden, bestiehlt
richtet. Da aber weder Kar! noch Rosalinde an einem seinen Bruder und seinen Onkel, betrinkt sich, randa-
ernsthaften Unterricht Gefallen finden mögen, ent- liert in der Stadt. Als der Kammerrat die weitere Erzie-
schließt sich der Hofmeister, ganz zum Ärger der Hofrä- hung Karls ablehnt, wird dieser zum Schulbesuch nach
tin, die Kinder gesondert zu unterrichten. Als Karoline Berlin geschickt. Hier setzt er seinen lasterhaften Le-
Weissenfeld erfährt, daß der neue Lehrer der öffentli- benswandel fort. Schließlich schicken ihn die Eltern zu
209 Stroth, Karl Weissenfeld, 1778 210

einem Kaufmann im Saalkreis in die Lehre. Hier ent- den grenzenlos; kaum kann seine Mutter die immensen
brennt Kar! in Liebe zu Lottchen Hinrichs, auf die er Summen aufbringen, um seine Schulden zu tilgen.
schon bei ihrem Besuch von Verwandten in Magdeburg In dieser Situation büßen die Weissenfelds ein er-
ein Auge geworfen hatte. Sie weist ihn jedoch ab. Kar! hebliches Vermögen ein, mit dem sie Spekulationsge-
wird schließlich der Obhut Julius' anvertraut, der nach winne zu erzielen gehofft hatten. Die Hofrätin grämt
Abschluß seiner Privaterziehung in Stralsund ein Stu- sich darüber so sehr, daß sie dem Wahnsinn verfällt.
dium der Theologie in Halle aufgenommen hat. Julius Weissenfeld sieht sich gezwungen, sein Magdeburger
gelingt es jedoch nicht, Kar! auf die richtige Bahn zu- Haus zu verkaufen und mit seiner Frau nach Halber-
rückzuführen. Kar! setzt sein ausschweifende~ Leben stadt zu ziehen, wo sie hinfort in einfachen Verhältnis-
fort. Zusammen mit seinen Gesinnungsgenossen plant sen leben. Der Hofrat ruiniert sich finanziell mit dem
er die Entführung Lottchens, die jedoch durch den Ver- ehrgeizigen Projekt eines voluminösen Kommentars al-
rat eines Mitwissers vereitelt wird. Kar! wechselt nun ler biblischen Bücher, den er schon vor Fertigstellung
nach Leipzig, wo ihm der Boden durch hohe Spielschul- des Gesamtmanuskripts in den Druck gibt. Hierüber
den aber so heiß wird, daß er sich in einem Freibataillon fällt er in eine »auszehrende Krankheit«.
verdingt. Bevor seine Mutter rettend eingreifen kann, Die Hofrätin, durch eine medizinische Behand-
muß er in den Krieg. lung von ihrem Nervenleiden geheilt, sucht mit neuen
Zur gleichen Zeit macht sich Rosalinde aus dem Summen ihren Sohn Kar! vor dem Zugriff der Obrigkeit
Elternhaus fort. Unter Mitnahme von 300 Talern und zu bewahren. Doch ihre Bemühungen sind umsonst:
ihrer Juwelen reist sie- eine Folge der Romanlektüre- wegen verschiedener Diebstähle und Verkauf von Bü-
im Habit eines Jünglings durch die Lande, ohne ihren chern aus der öffentlichen Bibliothek wird Kar! erneut
Eltern Kenntnis von ihren Aufenthaltsorten zu geben. ins Gefängnis geworfen. Auf abenteuerliche Weise ge-
Über den Verlust ihrer Kinder, besonders Karls, zutiefst lingt seine Befreiung, und er hat das Glück, zum Sekre-
unglücklich, bricht die Hofrätin auf, um Kar! und Ro- tär eines Gesandten am spanischen Hofe bestellt zu wer-
salinde zu suchen. Da Kar! in einer Schlacht umgekom- den. Zwar bleibt sein Heiratsantrag bei Lottchen Hin-
men sein soll, konzentriert sich die Suche bald ganz auf richs ohne Erfolg, er bekommt von seinen Elternjedoch
Rosalinde. Neues Unglück bricht über den Hofrat her- ein stattliches Reisegeld, das ihm die Fahrt nach Madrid
ein, als er erfährt, daß Julius, der sich auf einer Reise ermöglicht. Doch Kar! verspielt das Geld erneut, und
nach Stralsund zu seinem kranken Pflegevater Wegner wegen 1200 Talern Spielschulden wird er in Paris ins
befand, vermißt wird. Gefängnis geworfen. Hier trifft er auch Rosalinde, die
Teil 2: Es stellt sich heraus, daß sich Julius' An- ebenfalls wegen hoher Schulden inhaftiert worden ist.
kunft in Stralsund nur durch die Kriegswirren verzögert Julius hat inzwischen das Universitätsstudium
hat. In Stralsund wird Julius zum letzten Trost des Kam- beendet, und auch seine »Station in Stralsund« hat er
merrats; in langen Gesprächen mit ihm über Gott, den »verschiedener erheblichen Ursachen wegen« verlas-
Tod und das ewige Leben bereitet sich Herr Wegner auf sen (S. 361 ). Seine Eltern beauftragen ihn, nach Paris zu
den Tod vor. Bevor er stirbt, nimmt er Julius das Ver- fahren, Kar! und Rosalinde auszulösen und Kar! nach
sprechen ab, nach beendigtem Studium die Erziehung Madrid, Rosalinde aber nach Halberstadt zu führen.
seiner Kinder zu übernehmen. Als »Baronesse von Dieser Plan wird jedoch vereitelt: Der Vater stirbt, sein
Weissenfeld« reist die Hofrätin durch Deutschland, um Vermögen wird revidiert und versiegelt. So ist der für die
Rosalinde wiederzufinden. Von einem zwielichtigen Reise und die hohen Auslösesummen erforderliche Be-
Italiener, Malconetti, der sich ihr als Führer andient, trag nicht aufzubringen. Karoline von Weissenfeld
wird sie hintergangen und schamlos ausgeraubt. Mit kann ihre Kinder nicht retten. Julius, dem durch das Te-
neuen Wechseln ihres Mannes ausgestattet, sucht sie in stament seines Vaters der Nießbrauch des gesamten Er-
Wien schließlich Kontakt zum Hofe. Zufällig wird sie bes zugesprochen wird, schlägt eine ihm angebotene
jedoch durch einen früheren Hofmeister ihrer Kinder Gymnasialprofessur aus und wird Erzieher des 17jähri-
erkannt; er enthüllt ihren wahren Stand. Wegen falscher gen Grafen von B., mit der er eine Bildungsreise durch
Angaben zur Person wird Karoline Weissenfeld in das England, Frankreich und Italien durchführen soll. Das
Gefängnis geworfen. Hier erkennt sie in einer Schildwa- Ende des Romans bleibt offen: ob es der Hofrätin je ge-
che ihren totgeglaubten Sohn Kar! wieder, den die lingt, Kar! und Rosalinde aus dem Pariser Gefängnis zu
Kriegsereignisse in Österreichische Dienste gezwungen befreien, wird nicht mehr beschrieben.
haben. Er kann ihr auch die Nachricht überbringen, daß
Rosalinde sich noch bis vor kurzem in Wien aufgehalten Eingekleidet in die Jugendgeschichte von
hätte. Mit erheblichen Summen erkauft sich die Hofrä- Karl, Rosalinde und Julius Weissenfeld behan-
tin die Umwandlung ihrer Zuchthaus- in eine Geldstra- delt Stroth in seinem Roman - und besonders in
fe und die Freilassung Karls aus Österreichischen Dien- dessen breiter angelegtem ersten Teil- eine Fülle
sten; zugleich erwirbt sie ein käufliches Adelsdiplom von Materien, die sich einerseits aus seiner Ab-
für ihre Familie. sicht ergeben, »nützliche Kenntnisse« miteinflie-
Der »fatale Junge« Kar! (S. 160) kehrt zuerst mit ßen zu lassen (z. B. Beschreibungen von Städten
nach Magdeburg zurück, wo er ein liederliches Leben und Landschaften, Schilderungen historischer
führt, bis spät Morgens im Bette liegt, sich bei Kaffee Ereignisse), andererseits mit der Tatsache in Zu-
und Tabak »einige Robinsons oder Todtengespräche« sammenhang stehen, daß Stroth einen Zeitraum
zu Gemüte führt und anschließend Billard und Karten
spielt (S. 192). Die Eltern bemühen sich, Kar! eine Stelle von 23 Jahren behandelt. So erfährt der Leser eine
als Referendar zu vermitteln. Überall wird ihr Sohn je- Fülle von Informationen über allgemeine Zeit-
doch wegen mangelnder Kenntnisse abgelehnt. Daher umstände und über herrschende Ansichten zu
bezieht Kar! erneut die Universität, zunächst in Helm- Fragen der Religion, der Erziehung, der Literatur,
stedt, dann in Greifswald. Seine Ausschweifungen wer- der Stellung der Frau usw. Diese Themen werden
211 Unterhaltende Schriften 212

häufig in Form von Briefen verschiedener Perso- Beginn heißt es über sie, sie habe »deistische
nen, unterbrochen von langen kommentierenden Grundsätze« eingesogen. Karotine Weissenfeld
Abhandlungen zu den in den Briefen aufgeworfe- wird als eine- im negativen Sinne- emanzipierte
nen Fragen, vielfältigen Dialogen und Streitge- Frau hingestellt. Dies äußert sich nicht nur darin,
sprächen sowie durch Erzählungen einzelner Ro- daß sie sich in ein Gebiet vorwagt, das natürlicher
manfiguren abgehandelt. Dabei läßt Stroth in sei- Weise dem Manne vorbehalten sein sollte- das
nem Roman auch Personen der Zeitgeschichte der Erziehung, sondern auch darin, daß sie prak-
auftreten. So führt z. B. Karotine Weissenfeld ei- tisch wie theoretisch der Diskriminierung der
nen pädagogischen Disput mit Sulzer, den sie auf Frau entgegenzuarbeiten sucht: »Sie behauptete,
einer Gesellschaft kennengelernt hat, und aus- ihr Geschlecht übertreffe das männliche, im Gan-
führlich werden Julius' Professoren in Halle vor- zen genommen, weit an Scharfsinn und Verstand;
gestellt. Über Franke heißt es z. B.: »Er machte und es sey eine wirkliche Ungerechtigkeit, daß
auch einen Versuchbey dem seligen Franke die dasselbe nicht so gut unterrichtet würde als jenes;
Moral zu hören, konnte es aber nicht über drey denn hieran läge es blos, daßbeyder jetzigen Ver-
Stunden aushalten, weil der sel. Mann weiter fassung ein Frauenzimmer dem Staat nicht so
nichts that, als beatum Parentern citiren, und aus nützliche Dienste leisten könne, als eine Manns-
dessen Schriften so wie aus andem einige Seiten person.« (T. 1, S. 62) Deutlich nennt sie die Ursa-
über die von ihm dictirten Aphorismen, Wort für che dieses Zustandes: »Blos die körperliche Stär-
Wort herlesen.« (T. 1, S. 529) Man erfährt, daß ke hätte die Männerehemals im Stande der Wild-
Semler auf Wunsch Julius' und einiger seiner heit und des ungesitteten Lebens zu Herren über
Kommilitonen eine Privatvorlesung zur theologi- das andere Geschlecht gemacht, und sie hätten
schen Enzyklopädie gehalten und diese mit einer sich dieser Herrschaft immer so sehr zum Nach-
»Anleitung zur theologischen Bücherkenntniß« theil desselben bedient, daß sie es immer im Stan-
verbunden habe, »als worin dieser Gelehrte vor- de der Unterdrückung zu halten gesucht hätten.«
züglich Meister« gewesen sei (T. 2, S. 199). Es ist (T. 1, S. 62 f.) Die Hofrätin unterscheidet dabei
wahrscheinlich, daß Stroth hier Selbsterlebtes zwischen privater Unterdrückung in der Ehe, die
wiedergibt. Ohnehin scheint Stroth seiner Ro- sie für sich überwunden zu haben glaubt, und der
manfigur Julius einige autobiographische Züge wesentlich bedeutenderen »durch Gesetze und
beigegeben zu haben, so z. B. die Vorliebe für alte Staatsverfassung autorisirte[n] öffentliche[n] Un-
Sprachen und Schriftsteller. terdrückung« (T. 1, S. 63).
Im Mittelpunkt des Romans stehen- neben Bei Stroth werden diese fortschrittlichen
Fragen der Religion, die zusammenhängend be- Auffassungen allerdings bis zur Karikatur gestei-
sonders in den zu Beginn des zweiten Teils wie- gert und als Ausdruck der Herrschsucht der Hof-
dergegebenen Gesprächen zwischen Julius und rätin über ihren Gatten hingestellt. Verdeutlicht
dem Kammerrat Wegner abgehandelt werden - werden soll damit, daß die Hofrätin neuen Ideen
vor allem Probleme der Erziehung. Stroth setzt anhängt, die sich am Ende als gesellschaftlich ver-
sich auf zwei Ebenen mit diesen Fragen auseinan- hängnisvoll erweisen. Häufig wird betont, daß die
der. Einmal führt er die Ergebnisse guter und Hofrätin Modeströmungen goutiert, so z. B. den
schlechter Erziehung am Beispiel von Julius bzw. Geniekult (T. 1, S. 281 ff.); sie umgibt sich mit
Karl und Rosalinde sinnreich vor Augen; zum an- Naturalisten, Arianern, Socinianern und Armi-
dem läßt er die erziehenden Personen selbst Stel- nianern, mutet dem guten Pastor Peemüller gar
lung nehmen zu ihren Erziehungsgrundsätzen die Gesellschaft von Schauspielern zu usw. Da sie
bzw. setzt sich mit diesen Maximen referierend nur aufVerstandesbildung, nicht aber auf die mo-
und wertend auseinander. Dabei stellt Stroth drei ralische Erziehung ihrer Kinder Obacht gibt (S.
unterschiedliche Erziehungsansätze vor, die sich 133 f.), findet sie nichts dabei, ihren Sohn »wollü-
in den Personen der Hofrätin Weissenfeld, des stige Kupferstiche und Gemählde« sehen zu las-
Pastors Peemüller und des Kammerrat Wegners sen (T. 1, S. 190) und mit ihm gemeinsam »das ga-
(seine Position findet eine Entsprechung in der lante Sachsen zum Lesebuch« zu gebrauchen (T.
Erziehungstätigkeit des Hofmeisters Treumann 1, S. 192). Sie hindert auch ihre Tochter nicht am
und später Julius') verkörpern. In der Regel wer- »Lesen verschiedener Voltärischen Schriften«,
den dabei die Positionen der Hofrätin mit denen aus denen diese »junge, zum Verderben ohnehin
der anderen Personen kontrastiert. Bedeutsam ist, so disponirte Seele, des Mannes Gift eintrank«
daß die pädagogischen Positionen nie alleine ste- (T. 1, S.290).
hen, sie sind immer eingebettet in bestimmte ge- Das Gegenstück zur Hofrätin ist er orthodo-
sellschaftliche und religiöse Auffassungen und xe Pastor Peemüller, ein »etwas steifdenkende[r]
werden in engen Zusammenhang mit den charak- altfränkerische[r], aber ehrliche[r] und treuherzi-
terlichen Eigenschaften der jeweiligen Personen ge[r] Mann« (T. 1, S. 25), der sich an die überlie-
gebracht. ferten Wahrheiten klammert. Als der kleine Julius
So etwa tritt die Hofrätin dem Leser nicht ihn einmal fragt, wie er es verstehen solle, daß in
nur als schlechte Erzieherin entgegen; gleich zu seinem Katechismus in der Erklärung des zehn-
213 Stroth, Kar! Weissenfeld, 1778 214

ten Gebots die Erbsünde verboten sei, wo doch ner ein abgestuftes Instrumentarium von Strafen
Gott sie nicht verbieten könne, antwortet er: »Na- von der Verachtung bis hin zu Schlägen : »Das be-
seweiser Junge! solche Fragen thun die Socinia- ste Zuchtmittel ist die Ruthe, womit man Ernst be-
ner. Freylich kann er sie verbieten.« (T. 1, S. 117) weisen kann, ohne Strenge und Grausamkeit.«
Den kurzen Disput über diese Frage beendet er (T. I, S. 76) Nur selten solle das Kind gelobt wer-
verärgert mit den Worten: »laß mir künftig beym den. Neben dem Gehorsam sieht Wegner als
Katechismus das Grübeln bleiben; er ist dazu da, oberste Erziehungsziele Wahrheiten und Auf-
daß du ihn lernen und glauben, und nicht daß du richtigkeit; keine Unwahrheit dürfe ungestraft
alles verstehen sollst« (T. I, S. 119). Seine Auffas- bleiben (T. I, S. 84). Man müsse die Kinder früh-
sung vom mechanischen Auswendiglernen des zeitig daran gewöhnen, daß sie ihre Wünsche
Katechismus korrespondiert mit seiner trockenen nicht beständig durchsetzen könnten, auch müsse
Lehrmethode, die er bei Julius' Unterricht später man ihnen vor Augen stellen, daß bestimmte
anwendet. Er vertritt die Ansicht, der kindliche Wünsche nicht kindgemäß seien. Alles, was man
Wille müsse beizeiten gebrochen, die elterliche Kindem erzähle, müsse der Belehrung und Besse-
Autorität müsse notfalls auch unter Anwendung rung dienen. Aus diesem Grund lehnt Wegner das
schwerer körperlicher Strafen durchgesetzt wer- Erzählen von Feenmärchen, Gespenstergeschich-
den. Daher lehnt er alle Verzärtelung ab und gibt ten »oder andem abgeschmackten Mährehen die-
einer eher strengen Erziehung den Vorzug vor ei- ser Art« ab; allenfalls solle man dem Kind Mär-
ner verweichlichenden. Insbesondere verwirft er chen von der Art erzählen, »daß nützliche Leh-
übermäßiges Lob, aber auch beständiges Tadeln ren, wie aus äsopischen Fabeln, daraus gezogen
der Kinder. Stroth kritisiert zwar das Orthodoxe werden können; und daß es selbst einsehn kann,
an Peemüllers Religionsvorstellungen, seine Er- es sey nur eine Erdichtung, die man zu gleicher
ziehungsgrundsätze lobt er dagegen als durchaus Zeit anwenden muß, um seine Kraft zu untersu-
vernünftig: »Er ist bey ein wenig Pedanterie, Be- chen, zu urtheilen und das Wahre von dem Fal-
sonderheit und steifer Anhänglichkeit an sein Sy- schen zu unterscheiden, dadurch zu prüfen und
stem, der ehrlichste, aufrichtigste Mann von der zu üben.« (T. I, S. 85) Auch die Romanlektüre
Welt [ ... ];und hat in Ansehung der Erziehung die hält er nicht für vorteilhaft, besonders nicht bei
gesundesten Grundsätze[ ... ]. Nur in der Erzie- Mädchen: »Ihre Köpfe werdenbeyetwas lebhaf-
hung zur Religion will er mir nicht gefallen; weil ter Einbildungskraft mit starken verliebten Sce-
er da alles zu mechanisch treiben, dem Gedächt- nen, und einer Menge Idealen von starker Liebe,
niß zu viel und dem Nachdenken zu wenig einräu- die größtentheils [ ... ] nur im Kopf des Dichters
men will« (T. 1, S. 86). existirt, angefüllt, und sie erwarten von ihren
In der Person des Kammerrat Wegners künftigen Liebhabern oder Ehemännern eine
zeichnet Stroth sein Erziehungsideal; die wichtig- ähnliche Sprache, ähnliche Ausdrücke der Liebe;
sten Grundsätze werden ihm in den Mund gelegt. finden sie diese wie gewöhnlich nicht, so plagen
Ähnlich wie Peemüller lehnt er eine Verzärtelung sie dieselben mit dem Vorwurf der Gleichgültig-
der Kinder ab und betont von daher die Notwen- keit, oder sie gerathen in andre Ausschweifun-
digkeit einer guten körperlichen Erziehung, die gen« (T. I, S. 262).
schon in den ersten Wochen zu beginnen habe (T. Wegner, dessen theoretische Grundsätze
1, S. 15 f. ). Als oberstes Ziel der Erziehung be- auch von Treumann und später Julius in die Tat
trachtet er die Gewöhnung zum Gehorsam: » Un- umgesetzt werden, gibt so den positiven Gegen-
eingeschränkter Gehorsam ist das erste was man entwurf zu der Erziehungsvorstellung und -praxis
von Kindem fordern muß, und eben deswegen der Hofrätin Weissenfeld, die in der Konsequenz
darf Ungehorsam und Widersetzlichkeit nicht un- auf die Beförderung des Lasterhaften abzielen
bestraft bleiben. Man thut aber wohl, wenn man müssen. Und für Stroth gibt es »nur Ein Unglück
so oft es möglich, und für die Kinder faßlich ist, in der Welt, das ist das Laster, und dies zu vermei-
den Grund seines Verbots oder Befehls hinzufügt, den hängt von euch selbst ab« (T. 2, S. 68). Sinn-
damit sie auch in den Fällen, wo sie keinen Grund fällige Beispiele für die Wahrheit dieses Satzes
einsehn können, es uns zutrauen, daß wir zu ih- sollen Kar! und Rosalinde abgeben.
rem Besten handeln. Und endlich, da es die bür- Anzumerken bleibt noch das Frauenbild,
gerliche Verfassung in der Welt so mit sich bringt, das Stroth in seinem Karl Weissenfeld zeichnet.
daß wir oft Gesetzen gehorsam seyn müssen, die Es ist keineswegs von ungefähr, daß die alles do-
auf unsere individuelle Glückseligkeit keinen minierende Negativfigur seines fast tausendseiti-
Einfluß haben, so sehe ich nicht ab, warum man gen Romans eine Frau, Karoline Weissenfeld, ist,
nicht auch Kinder, um sie hierzu vorzubereiten, denn: »Ein böses Weib ist freylich wohl nächst
und zu verhüten, daß nicht in der Folge unglückli- dem Laster das grösseste Unglück in der Welt« (T.
che, unzufriedene Räsonneurs wider den Staat 2, S. 396). Mit einer Ausnahme - Lottchen Hin-
und dessen Einrichtung aus ihnen werden, dann richs ist »die zärtlichste und liebreichste Gattin«,
und wann an blinden Gehorsam gewöhnen soll- wohl weil sie »ihr größtes Glück darin suchte,
te« (T. I, S. 70f.). Zur Erziehung empfiehlt Weg- überall den Wünschen ihres Mannes zuvorzu-
215 Unterhaltende Schriften 216

kommen« (T. 2, S. 405)- werden alle im Roman Stufe, auf der das ABC-Buch, das Sittenbüchlein
auftretenden Frauen ausschließlich negativ ge- und die Kleine Kinderbibliothek stehen; diese
zeichnet. Folgerichtig lautet eine der letzten Er- richten sich, was die untere Altersgrenze betrifft,
mahnungen Wegners an Julius: »Wenn dir Gott an Kinder von 4, 5 bzw. 6 Jahren. Der Robinson
einmal Amt und Brod giebt, so übereile dich ja macht die zweite Stufe des Lektüreplans aus, rich-
nicht mit der Heyrath; kannst du es von dir selbst tet sich also an Kinder vom 6. Jahr an. Auf diese
erlangen, daß du unverheyrathet bleibst, so wirst Stufe folgt an unterhaltender Lektüre die Entdek-
du in vieler Absicht ein freyeres und glücklicheres kung Amerikas und als Jugendlektüre die Reise-
Leben führen, und mit vielem Ungemach, mit vie- beschreibungen, an religiös und moralisch beleh-
len Kränkungen unbekannt bleiben.« (T.2, S. 64) render Lektüre die Seelen/ehre, der Leitfaden
Samuel Baur(l790, S. 491 f.)lobt Stroths Roman: beim christlichen Religionsunterricht und die vä-
»Er beschreibt darinn die unglücklichen Folgen einer terlichen Räte. Die Stufen des Lektüreplans be-
schlechten fehlerhaften Erziehung und eines unmorali- zeichnen jeweils nur die untere Altersgrenze; die
schen Verhaltens nebst dem Gegentheil, angenehm und einzelnen Schriften wenden sich also immer auch
anschaulich, mischt allerlei nützliche pädagogische an ältere Kinder. Dies gilt insbesondere für die
Kenntnisse und Regeln mit ein, und vermeidet alles, Kleine Kinderbibliothek, die für mehrere Alters-
was auch nur verdorbenen Herzen zur Erhizung und stufen gedacht ist und für die Jüngeren nur als
Ausschweifung ihrer verdorbenen Imagination Gele- Vorlesewerk in Frage kommt. Gleiches gilt für
genheit geben könnte. Es herrscht in dem ganzen Buche
eine so richtige und gründliche Denkungsart, Herr
den Robinson, der sich an mehrere Altersstufen
Stroth schreibt so natürlich, klar und gefällig, führt seine zugleich wendet. Dies bringt die Rahmenhand-
Charaktere so gut aus, erzählt so interessant und unter- lung deutlich zum Ausdruck: Unter den Zuhö-
haltend, und giebt bald durch Briefe, bald durch Dialog rern der Erzählung sind Lotte und» Frizchen« die
seiner Geschichte so viel Leben, daß selbst ecklere Le- jüngsten. Sie haben noch keinerlei zusammen-
ser, und wie viel mehr also junge Leute, Väter und Müt- hängenden Unterricht erfahren, lediglich eine
ter von der gewöhnlichen Klasse des lesenden Publi- verstreute und »beiläufige« religiöse und morali-
kums ihn mit Vergnügen zuhören werden. Und hätte sche Belehrung, wie Campe sie am Ende seines
das Buch von dieser Seite auch weniger Vorzüge, so wä- ABC-Buches vorgeführt hat. Ihre Fragen, mit de-
re das um des Nuzens willen, den es schaffen kann, um
der Vorschriften und Regeln zur Erziehung, die es ent-
nen sie die Erzählung unterbrechen, sind denn
hält, und die es nie trocken lehrt, sondern immer durch auch ganz elementarer Art. Andere Zuhörer wie
Begebenheiten anschaulich macht, leicht zu übersetzen. Johannes und Nikolas sind älter, haben schon ei-
Wir können zwar nicht sagen, daß wir neue, tiefe Bemer- ne moralische und religiöse Unterweisung wie ei-
kungen über den Menschen und das, was seine Ausbil- nen naturkundlichen und geographischen Unter-
dung und Perfektibilität betrifft, gefunden hätten. Aber richt erhalten und zudem bereits eine größere An-
Herr Stroth schrieb nicht für Philosophen; und immer zahl von Reisebeschreibungen gelesen. Sie beant-
ist es wohl ein eben so großes Verdienst, und in diesem worten denn auch häufig die Fragen der Jüngeren
Fall ein größeres, schon entdeckte Wahrheiten allge- und sind auch zu einer moralischen Kritik befä-
meiner auszubreiten und bekannt zu machen. Hierzu
hat er das beste Mittel nach dem Bedürfniß unserer Zei-
higt. Zu den Zuhörern gehören schließlich auch
ten gewählt; und den meisten seiner Leser und Leserin- Erwachsene, die Mutter und zwei »Freunde des
nen wird auch das, was sie von ihm lernen können, noch Hauses«. Derart signalisiert die Rahmenhand-
ganzneusein.« O.B. lung, daß das Werk sich zugleich an ältere Kinder
und Jugendliche richtet, denen es zwar keine neue
Belehrung, aber immer noch eine angenehme Un-
terhaltung bietet.
1779/1780 Der umfangreiche Vorbericht Campes hat
Joachim Heinrich Campe (1746-1818): programmatischen Charakter und legt ausführ-
lich die Absichten und Zwecke dar, die das Werk
Robinson der Jüngere, zur angenehmen und verfolgt. Zur erstgenannten Absicht gehört die der
nützlichen Unterhaltung für Kinder. 2 Teile. Unterhaltung, die schon in der Titelformulierung
Harnburg 1779/1780 der Erstausgabe zum Ausdruck gebracht wird.
Die Unterhaltung gilt ihm hierbei nicht so sehr als
Campe macht keine genauen Angaben bezüglich Selbstzweck, denn als Mittel, das Lernen leichter
des Alters der Kinder, an die sich seine Robinson- und angenehmer zu gestalten. Dennoch geht die
Bearbeitung wendet. Das Alter der angesproche- Unterhaltung für Campe in dieser Vehikel-Funk-
nen Kinder läßt sich aber aus zwei Umständen er- tion nicht auf. Dies gilt insbesondere für die älte-
schließen: aus der Einordnung des Robinson in ren Leser, denen das Werk an Belehrung nur noch
sein jugendliterarisches <Euvre wie aus der wenig zu bieten hat, für sie wird die Unterhaltung
Rahmenhandlung des Werks. Campe hat seine zunehmend ein Zweck für sich, was sie auch für
jugendliterarischen Werke zu einem nach Alters- Campe bei aller Einspannung für belehrende
stufen angeordneten Lektüreplan zusammenge- Zwecke immer bleibt.
stellt. In diesem folgt der Robinson auf eine erste Die drei folgend genannten Zwecke sind be-
217 Campe, Robinson, 1779/80 218

lehrender Art. Campe will zunächst sachlich be- in welche Andere sie hinzukörnen suchen, in die-
lehren, Realienunterricht geben und hierbei jenige wirkliche Welt, in der wir uns dermalen
Kenntnisse von zweierlei Art vermitden: Zum ei- selbst befinden, und aus dieser in den ursprüngli-
nen geht es um »elementarische Kenntnisse«, die chen Zustand der Menschheit zurückführte, aus
»den eigentlichen Iitterarischen oder wissen- dem wir herausgegangen sind [ ... ]« (ebd.) Es soll
schaftlichen Elementen vorgehen müssen« und die Kräfte der Kinderwecken und sie nicht »blos
die »alle Vorbegriffe von Dingen aus dem häusli- zu unthätigen Beschauungen, zu müssigen Rüh-
chen Leben, aus der Naturund aus dem weitläufi- rungen, sondern unmittelbar zur Selbsthätigkeit
gen Kreise der gemeinen menschlichen Wirksam- führ[en]«. Der Empfindsamkeit müsse eine Ori-
keit« betreffen. Diese Kenntnisse gehen insbe- entierung auf die eigentliche Bestimmung des
sondere die jüngeren Leser an und machen für Menschen entgegengestellt werden; diese aber sei
Campe eine »Grundlage« aus, die vor allem zu- eine wesentlich praktische und erfülle sich vor-
sammenhängenden Unterricht geschaffen wer- nehmlich in »Erfindungen und Beschäftigungen
den muß. Campe will jedoch nicht nur »elemen- zur Befriedigung unserer natürlichen Bedürfnis-
tarische Kenntnisse«, sondern zudem auch schon se« (ebd. ).
»manche nicht unerhebliche Iitterarische Vorer- Auf eine »Nebenabsicht« kommt Campe
kentniß, besonders aus der Naturgeschichte« amEndeseines Vorberichtes zu sprechen. Diese
(I, Vorbericht) vermitteln. Er meint hiermit die Be- macht sich vornehmlich an der Einkleidung des
schreibung »wahre[r] Gegenstände, wahre[r] Pro- Werkes in ein Familiengespräch fest und bezieht
dukte und Erscheinungen der Natur- und zwar in sich auf einen Nutzen, den die Erwachsenen, ins-
Beziehung auf diejenige Weltgegend, wovon die besondere »junge Erzieher«, aus der Lektüre des
Rede ist« (ebd.). Es geht Campe also sowohl um Werkes ziehen sollen. »Ich hofte nemlich, durch
die Vermittlung vorschulischer Elementarkennt- einetreue Darstellung wirklicher Familienseeneu
nisse, die die häusliche, natürliche und gesell- ein für angehende Pädagogen nicht überflüssiges
schaftliche Umgebung der Kinder betreffen, wie Beispiel des väterlichen und kindlichen Verhält-
um die Darstellung erster Lehrstücke der Natur- nisses zu geben, welches zwischen dem Erzieher
kunde. Campe betont hierbei, daß diese zweifa- und seinen Zöglingen notwendig obwalten muß.
che Belehrung den Erzählvorgang, den »Faden Wo dieses Verhältniß in seiner ganzen Natürlich-
der Erzählung«, nicht zerstören, noch der unter- keit einmal eingeführt worden ist: da sinken viele
haltenden Wirkung Abbruch tun soll. der sitlichen Erziehung entgegenstehende Klip-
Der dritte belehrende Zweck betrifft morali- pen von selbst nieder [ ... ]« (I, Vorbericht). Cam-
sche und religiöse Fragen. Campe bemerkt, daß pe gibt auf diese Weise dem Werk zusätzlich den
es seine »wichtigste Absicht war, die Umstände Charakter eines erzieherisch-praktischen Metho-
und Begebenheiten so zu stellen, daß recht viele denbuches.
Gelegenheiten zu moralischen, dem Verstande Campes Robinson-Bearbeitung ist durch
und dem Herzen der Kinder angemessenen An- Rousseaus pädagogische Neubewertung des Ro-
merkungen und recht viele natürliche Anlässe zu mans angeregt und in ihren Grundzügen be-
frommen, gottesfürchtigen Empfindungen da- stimmt. Im Vorbericht zitiert Campe über gut 7
durch hervorwüchsen« (!,Vorbericht). Sein Ziel Seiten hinweg die entsprechenden Passagen aus
sei hierbei gewesen, »den Samen der Tugend, der dem zweiten Buch des Emile. Rousseau habe je-
Frömmigkeit und der Zufriedenheit mit den We- doch nur die Idee eines idealen Jugendbuches
gen der göttlichen Vorsehung, in junge Herzen entworfen; geschrieben worden sei es allerdings
auszustreuen« (ebd.). Diese Absicht veranlaßt bisher noch nicht. Der Defoesche Roman könne
ihn, davor zu warnen, den Robinson als Lese- keinesfalls als eine adäquate Realisierung der
übungsbuch zu gebrauchen. Weil das Lesenler- Idee Rousseaus angesehen werden; wenn Rous-
nen für Kinder ein mühevolles Geschäft sei, seau selbst' dies angenommen haben sollte, so
könnten sie gegen die moralischen und religiösen könne dies nur auf einem Irrtum beruhen. Zum
Inhalte zu schnell eine Abneigung fassen. englischen Original nimmt Campe wie folgt Stel-
Eine weitere, fünfte Absicht Campes ist von lung: »Denn ich brauche doch wohl nicht erst an-
aktueller und zeitgeschichtlicher Art. Er möchte zumerken, daß so viel weitschweifiges, überflüssi-
mit dem vorliegenden Werk eine grassierende ges Gewäsche, womit dieser veraltete Roman
»epidemische Selenseuche«, das »leidige Emp- überladen ist, die bis zum Ekkel gezerte, schwer-
findsamkeitsfieber«, bekämpfen, die auch die fällige Schreibart desselben und die veraltete, oft
»junge Nachkommenschaft« ergriffen habe. Sein fehlerhafte Sprache unserer alten deutschen Ue-
Robinson soll ein wirksames »Gegengift wider bersetzung eben so wenig, als so manche, in Rück-
diese Ansteckung sein« und ein »Gegenfüßler sicht auf Kinder, fehlerhafte moralische Seite des-
der empfindsamen und empfindelnden Bücher selben, keine wünschenswerthe Eigenschaften ei-
unserer Zeit« (I, Vorbericht) darstellen. Es soll ein nes guten Kinderbuches sind« (!,Vorbericht).
Buch abgeben, das »die Kinderselen aus der fan- Campes Bearbeitung tritt demgegenüber mit dem
tastischen Schäferwelt, welche nirgends ist, und Anspruch auf, eine Umsetzung der Rousseau-
219 Unterhaltende Schriften 220

Die eigentliche Robinsonerzählung wird nicht nur


Abend für Abend von Familiengesprächen eingerahmt,
sondern auch häufig durch Fragen und Gespräche der
Kinder unterbrochen.
Die Robinsonerzählung beginnt mit der Vorge-
schichte, die an den ersten zwei Abenden berichtet wird
(I, S. 1-54). Robinson ist bei Campe ein Deutscher, der
aus Harnburg stammt. Nach dem Tod seiner Brüder
wird er als einzig überlebendes Kind von den Eltern ver-
zärtelt. Bis zum 17. Lebensjahr bleibt er ein »unwissen-
der Bursche«, der »seine meiste Zeit mit Herumlaufen
zugebracht« hat(I, S. 5). Der Vater wünscht, »daß er die
Handlung lernen mögte« (ebd.). Robinson aber zeigt
hierzu »keine Lust«. Bei Campe ist die Weigerung des
Sohnes nicht eigentlich durch Fernweh und Reiselust
motiviert, sondern erscheint eher als Ausdruck seiner
allgemeinen Undiszipliniertheit. Robinsons Ungehor-
sam gegen die Eltern wird von Campe deutlich als Folge
der schlechten Erziehung herausgestellt, die jener ge-
nossen hat. Sein Ausbruch wird als ein »dummer
Streich« eines »einfältigen« Jungen bezeichnet, der
nicht weiß, was er seinen Eltern schuldig ist (I, S. 8).
Die folgenden Handlungsschritte folgen enger
dem Defaeschen Original: Die Schiffahrt nach Lon-
don, der Sturm, der als erste Strafe für den Ungehorsam
erscheint (I, S. 13), die Belehrung durch den aufrechten
Schiffer (I, S. 18 ff.), die Begegnung mit dem Guinea-
fahrer (I, S. 23) und die Abfahrt nach Afrika. Während
es bei Defoe eine »unheilvolle Macht« ist, die Robinson
die Ratschläge des Schiffers mißachten läßt, ist es bei
Campe eher der Zufall, der ihn hindert zurückzukeh-
ren: Robinson ist durchaus schwankend geworden;
doch geht kein Schiff nach Harnburg ab, und so gerät er
Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jünge- zufällig an den Guineafahrer (I,S, 22 ff). Durch dessen
re, zur angenehmen und nüzlichen Unterhaltung Lockungen erst steigt Robinson »das Blut zu Kopfe,
und die Begierde zu reisen wurde so lebendig in ihm,
for Kinder. Ihei/1.- Harnburg 1779 (Nr. 144). daß er auf einmahl vergaß Alles, was ihm der ehrliche
Kupferstich-Frontispiz von Chodowiecki nach Por- Hamburger Schiffergerathen hatte, und was er kurz vor-
trait-Zeichnungen von Kniep her thun wolte« (I, S. 24 f.). Der Rest der Vorgeschichte
weicht gänzlich von Defoe ab (2. Abend): Das Guinea-
Schiff wird westlich gegen Amerika abgetrieben und
sehen »Hauptidee von einem solchen Buche« in landet schließlich nach zwei Rettungen von Schiffbrü-
die Praxis zu sein. Originaltreue gegen Defoes chigen auf Madeira, wo es länger verweilt. Der längere
Werk ist deshalb für Campe kein erstrebenswertes Aufenthalt wird Robinson lästig, da er sich stets nach
Ziel; vielmehr gilt es, den englischen Roman »Veränderung« sehnt (I, S. 48). Er besteigt ein portugie-
überall dort konsequent zu verändern, wo der den sisches Schiff mit Kurs nach Brasilien. In der Gegend
der karibischen Inseln gerät das Schiff in einen Sturm
Ideen Rousseaus nicht entspricht.
und strandet; Robinson wird als einzig Überlebender
Die Robinson-Erzählung ist in eine Rahmenhand- auf eine Insel gespült.
lung eingekleidet. Die im Vorspann geschilderterte Fa- Angeregt durch Rousseau verändert Campe die
milie entspricht der familiären Situation Campes in Inselperiode des Romans tiefgreifend. Bei Defoe lassen
Hamburg, wo er seit 1777 eine private Erziehungspen- sich folgende Abschnitte ausmachen: das einsame In-
sion führte. Im Vorbericht bemerkt er denn auch, daß er seldasein mit den Werkzeugen und Gütern aus dem
»wirkliche«, nicht »erdichtete Personen« in die Rah- Schiffswrack, die Periode der Angst seit Entdeckung
menhandlung eingeführt und »meistentheils wirklich der Fußspuren, die Freitagepisode und die Schlußpha-
vorgefallene Gespräche«, nicht aber »ungehaltene und se der Entstehung der kleinen Inselkolonie. Bei Campe
künstlichere Dialoge« wiedergegeben habe (I,Vorbe- sehen die einzelnen Abschnitte des Inselaufenthaltes
richt). Zu den Personen gehören der Vater als Erzähler, folgendermaßen aus: einsames Inseldasein Robinsons
als Zuhörer die »Hausmutter«, Lotte als einziges leibli- ohnejegliche Werkzeuge (1. bis 14. Abend, Teil I und
ches Kind, fünf Jungen und zwei schon erwachsene der Beginn von Tei\2), Zusammensein mit Freitag (15.
Freunde des Hauses. Am 25. Abend erhält die Gesell- bis 21. Abend), Entdeckung europäischer Werkzeuge
schaft Zuwachs von 6 weiteren Kindern (II, S. 243 f.). und Güter (22. bis 25. Abend), Schlußphase der Kolo-
Die Familie ist auf eine fromme, arbeitsame und genüg- niebildung bis zur Abreise (26. bis 30. Abend). Die letzte
same Lebensweise verpflichtet. Wiedergegeben werden Episode schließt sich wieder enger an den Defaeschen
die abendlichen Erzählstunden, zu denen sich die Fami- Roman an, während die drei vorangegangenen durch-
lie täglich im Garten versammelt (siehe Frontispiz), und aus eine eigene Konstruktion Campes darstellen, die er
in denen der Vater die Geschichte Robinsons vorträgt. im Anschluß an Rousseau vorgenommen hat. Auf diese
221 Campe, Robinson, 1779/80 222

drei Perioden des Inselaufenthaltes kommt er im Vorbe-


richt zu sprechen: »In der ersten solt' er ganz allein und
ohne alle europäische Werkzeuge sich bloß mit seinem
Verstande und mit seinen Händen helfen, um auf der ei-
nen Seite zu zeigen, wie hülllos der einsame Mensch sei,
und auf der anderen, wie viel Nachdenken und anhal-
tende Strebsamkeit zur Verbesserung unsers Zustandes
auszurichten vermögen. In der andern geselte ich ihm ei-
nen Gehilfen zu, um zu zeigen, wie sehr schon die bloße
Geselligkeit den Zustand des Menschen verbessern
könne. In der dritten Periode endlich ließ ich ein euro-
päisches Schiff an seiner Küste scheitern, und ihn da-
durch mit Werkzeugen und den meisten Nothwendig-
keiten des Lebens versorgen, damit der große Wert so-
vieler Dinge, die wir gering zu schätzen pflegen, weil wir
ihrer nie entbehrt haben, recht einleuchtend würde«
(I, Vorbericht).
Auch mit der Nachgeschichte entfernt sich Campe
stark vom Defaeschen Roman. Die Rückfahrt geht über
Cadiz und Portsmouth nach Hamburg. In der Elbmün-
dung erleiden Robinson und Freitag erneut Schiffbruch
und verlieren so ihr gesamtes Vermögen, das sie von der
Insel mitgenommen haben. In Harnburg fällt er in die
Arme seines Vaters, dem er seine Reue zeigt. Alle in der
Stadt wollen »die Geschichte seiner Abenteuer aus sei-
nem eigenen Munde hören« (II, 363), was Robinson
Gelegenheit gibt, als Fazit seines Schicksals Lehren für
Eltern und Kinder zu formulieren (II, 363 f.). Erneut
stellt sich das Berufsproblem, das den Anfang der Er-
zählung bildete. Robinson war bei seinem Ausbruch 17 Campe, Joachim Heinrich : Robinson der Jünge-
Jahre; in Abweichung von Defoe ist der Inselaufenthalt re, zur angenehmen und nüzlichen Unterhaltung
bei Campe von sehr viel kürzerer Dauer (So ist nur von for Kinder. Iheil 1. - Harnburg 1779 (Nr. 144).
zwei Regenzeiten die Rede). Bei seiner Rückkehr nach Kupferstich von A. Stöttrup (zu S. 280)
Harnburg ist Robinson allenfalls ein junger Mann ge-
worden. Erneut lehnt er den Wunsch des Vaters ab -
diesmal jedoch zugunsten einer besseren Alternative: Vorwand fürdie Belehrung. Die inhaltliche Spannweite
Statt Makler zu werden, will er das Tischlerhandwerk der Belehrungen nimmt sich hierbei wie folgt aus: Am
erlernen, weil er »seit vielen Jahren an das Vergnügen Anfang stehen heimatkundliche, geographische und
der Handarbeiten gewohnt war« (II, S. 364). Mit Frei- Kenntnisse aus der Seefahrt im Mittelpunkt. Während
tag gründet er nach kurzer Lehrzeit eine »gemeinschaft- der Inselepisode geht es um naturkundliche Sachverhal-
liche Werkstat« (ebd.). te, um Methoden der Bearbeitung von Naturprodukten,
In die Erzählung sind elementare sachliche und um elementare handwerkliche Fertigkeiten, um die Er-
naturkundliche Belehrungen eingestreut. Diese werden klärung einzelner Handwerks- und Industriezweige
zumeist durch Zwischenfragen der jüngeren Zuhörer (Hausbau, Tonbrennerei, Gerberei, Schmiedehand-
ausgelöst, die noch keinen Unterricht erfahren haben, werk etc.) und weiterhin um Kenntnisse aus Geogra-
und häufig von den älteren beantwortet. Bisweilen erge- phie und Seefahrt. An einer Stelle findet sich ein Hin-
ben sich hieraus längere Unterhaltungen, die von der weis auf die Wissenschaft, die» Naturlehre« oder» Phy-
Robinson-Erzählung wegführen. Daß hierbei diese be- sik« heißt und die die Kinder künftig erlernen werden
lehrenden Unterbrechungen der Erzählung vornehm- (I, S. 249 f.). Nur vereinzelt werden geschichtliche und
lich mit Bezug auf die jüngeren Zuhörer bzw. Leser vor- politische Hinweise gegeben, so über die Wilden (1, S.
genommen worden sind und von den älteren, mehr an 63 f.), die Entstehung des Königtums (II, S. 90), über
der Unterhaltung interessierten als störend empfunden Zauberei, Hexerei und Aberglauben (II, S. 104-108),
werden könnten, ist Campe durchaus bewußt. An einer über Sklavenhandel (II, S. 234-236) und Seeräuberei
Stelle reagiert Gotlieb gereizt auf eine erneute Unterbre- (II, S. 322).
chung der Geschichte durch Frizchens Fragen: »Gor- Campe transformiert die Ich-Erzählung des De-
lieb. 0 daß du doch auch immer den Vater unterbrechen foeschen Romans in eine auktoriale Erzählung. Der Va-
mußt! Vater. Nun, das ist ja gut von ihm, daß er gern be- ter tritt als allmächtiger Erzähler auf, der sich zwischen
lehrt sein will! Aber nicht so gut von dir, lieber Gotlieb, die Geschichte und die Zuhörer schiebt. Er erfüllt also
daß du darüber unfreundlich wirst! Hüte dich künftig eine doppelte Funktion, ist zugleich Erzähler und Figur
davor!« (II, S. 169). Campe fordert also von den Älte- der Rahmenhandlung. Daß der Vater die Geschichte
ren, Nachsicht zu üben und sich auf die Bedürfnisse der kennt, ist vorausgesetzt; wie er an ihre Kenntnis gelangt
jüngeren einzustellen. Die sachliche Belehrung hat kei- ist, wird nicht eigens thematisiert. Das Erzähltempo
nerlei systematischen, sondern ganz und gar zerstreuten wird hierbei mehr vom Vater-Erzähler als vom Gesche-
und beiläufigen Charakter. Sie ergibt sich, was ihre In- hen selbst bestimmt. Souverän inszeniert der Vater die
halte betrifft, aus dem Gang der Erzählung. Ihr bleibt sie abendlichen Erzählstunden, denen er jeweils einen eige-
stets untergeordnet ; keinesfalls ist die Erzählung nur ein nen Spannungsbogen zu geben vermag. Liebs (1977)
223 Unterhaltende Schriften 224

weist darauf hin, daß Campe hier Techniken des Fort- Campe nützt die Rahmenhandlung nicht nur zur
setzungsromans anwendet (S. 68): Die Kinder werden Lenkung der Lesersympathien, er sucht mit ihr auch die
stets in eine spannende Erwartung der Fortsetzung ge- Art der Rezeption zu bestimmen. Wie eine adäquate Re-
bracht, die Erklärung und Auflösung dafür bringt, was zeption aussehen soll, legt Campe bereits im Vorbericht
noch offen und dunkel ist. dar. Das Buch solle nicht« blos zu unthätigen Beschau-
Die Umwandlung der Ich- in eine Er-Erzählung ungen, zu müssigen Rührungen, sondern unmittelbar
gibt dem Erzähler die Möglichkeit, auf die Nähe bzw. zur Selbstthätigkeit führ(en]«; es solle den » Nachah-
Feme zwischen Held und Leser Einfluß zu nehmen. mungstrieb der Kinderseele« aktivieren und alle »phisi-
Der durchgehende ldentifikationszwang, der vom Ich- sche und moralische Menschenkraft weck[en]« (1, Vor-
Bericht ausgeht, wird ersetzt durch ein erzählerisches bericht). Für eine solche aktive Rezeption führt die
Wechselspiel von Identifikation und Distanzierung, Rahmenhandlung eine Vielzahl von Modellen vor:
von dem Campe reichhaltigen Gebrauch macht. Hier- Hierzu gehört, daß die Kinder immer dann, wenn sie ei-
bei wird dieses Wechselspiel nicht so sehr vom Vater-Er- nen Sachverhalt nicht verstanden haben, die Erzählung
zähler bestimmt, sondern von den zuhörenden Kindem unterbrechen und um Erklärung bitten. Hierzu sind
der Rahmenhandlung. Ihre Ablehnungen oder Zustim- gleichfalls die Gespräche zu rechnen, in denen sich die
mungen sind es, die den Leser beeinflussen und lenken; Zuhörer Klarheit über den Handlungsverlauf (z.B.:
vom Vater geht allenfalls eine nachträgliche Bestätigung Warum wurde nur Robinson gerettet?- I, S. 56 ff.) und
oder Korrektur der Urteile der Kinder aus. Am Beginn über die Rechtmäßigkeit von Robinsons Verhalten
der Erzählung gibt Robinson für die Kinder ganz und (z.B.: Hatte Robinson ein Recht darauf, sich die Güter
gar kein attraktives Identifikationsmodell ab: Sein Aus- aus dem Wrack anzueignen?- II, S. 206 ff.) zu verschaf-
bruch erscheint ihnen als eine Dummheit, mit der man fen suchen. An einer anderen Stelle diskutieren sie dar-
Mitleid haben muß (I, S. 8). Johannes spricht ganz offen über, ob Robinson ein Boot bauen soll oder nicht (II, S.
aus: »Fi! den Robinson mag ich nicht leiden« (1, S. 7). 23 f.). Häufig werden die Kinder veranlaßt, ihre Mei-
Der erste Sturm wird denn auch als gerechte Strafe emp- nung kundzutun und miteinander auszutauschen. Sie
funden. Lotte kommentiert fast altklug: »Das wird den schreiben sogar Briefe an Robinson, um ihm ihr Mitge- ·
Monsieur Robinson lehren, daß er künftig nicht wieder fühl und ihre Sympathie zum Ausdruck zu bringen (I, S.
so dum Zeug anfangt!« (1, S. 16). Der Vater muß hier 181 ff.).
dem kindlichen Rigorismus sogar noch Einhalt gebie- Gehen die bisher genannten Vorschläge auf eine
ten und auf die schlechte Erziehung als die eigentliche Aktivierung des Verstehensprozesses der Erzählung
Ursache des Übels hinweisen. Als Robinson auch die aus, so betreffen andere ihre praktische Umsetzung.
Ratschläge des guten Schiffers noch mißachtet, haben Campe läßt die Kinder der Rahmenhandlung zu eifri-
die Kinder endgültig keinerlei Mitleid mehr mit ihm (I, gen und begeisterten Nachahmern Robinsons werden.
S. 26); die Ablehnung Robinsons hat ihren Höhepunkt Die Nachahmung betrifft zunächst die praktischen Tä-
erreicht. Erst als Robinson auf der Insel zum ersten Mal tigkeiten Robinsons, die er zur Befriedigung seiner Be-
Gottvertrauen zeigt, beginnt die Reserve der Kinder zu dürfnisse vornimmt. Wie Robinson basteln die Kinder
schwinden (1, S. 80). Wenig später bereits stellt Lotte ein Netz und einen Sonnenschirm (1, I 07 ff. ), waschen
fest: »Nun ist er doch ein viel besserer Robinson, als er sie ihre Hemden (I, S. 188), betreiben sie Korbflechterei
vorher war!« (I, S. 97) Von nun an wird nach und nach (II, S. 3) etc. Sodann aber wird stärker die natürliche,
eine Identifikation der Kinder mit Robinson aufgebaut, mäßige und asketische Lebensweise Robinsons zum
die zunächst über das Nachahmen einzelner Tätigkeiten Gegenstand der Nachahmung. Hier spielt die Tugend
wie die Anfertigung eines Netzes vermittelt wird (Lotte: der Selbstüberwindung und des Verzichtens eine beson-
»Das ist recht gut, Kinder, daß ihr das nachmacht.« I, S. dere Rolle: Ein Ausflug wird vorbereitet und plötzlich
108), dann aber auch ins Moralische und Religiöse wieder abgesagt; die Kinder sollen so frühzeitig lernen,
reicht und Robinsons Tugendhaftigkeit und Frömmig- »Vergnügen zu entbehren« und durch »wiederholte
keit betrifft. Zu Beginn des 5. Abends ist ein erster Hö- Selbstüberwindung« Stärke und »Standhaftigkeit« zu
hepunkt erreicht; die Identifikation wird gar zu einem gewinnen (I, S. 214-222). Auch später wird diese Selbst-
Wettbewerb. »Wer denn von den Dingen, die Ro- überwindung noch mehrfach von den Kindem geübt:
binson machte, am meisten wird nachmachen können, Einmal überwinden sie ihre Neugierde (II, S. 84 f.), ein
der so! unser Robinson sein« (1, S. 11 0). Vereinzelt kriti- anderes Mal verzichten sie aufEssen und Schlaf; sie fa-
sieren die Kinder zwar das noch nicht unerschütterliche sten und schieben Nachtwachen (II, S. 116 ff.). Schließ-
Gottvertrauen Robinsons (1, S. 230) oder sein unge- lich wird eine »Schule der Weisheit« errichtet, in der Sit-
rechtfertigtes Mißtrauen gegen andere Menschen (II, S. tensprüche und -lehren besprochen und praktisch um-
99 f. ), prinzipiell aber hegen sie bis zum Ende der Erzäh- gesetzt werden (II, S. 135 ff.). Mit den zahlreichen Mo-
lung Sympathie für ihn und respektieren ihn als einen dellen einer aktiven Rezeption wendet Campe sich nicht
gebesserten, moralischen Menschen. Schon bald stellen zuletzt auch an pädagogisch interessierte erwachsene
sie fest, daß er ein »recht guter Mensch« geworden sei Leser, denen er Vorschläge zur Gestaltung der eigenen
und genug an Strafe gelitten habe: »Nun könt' ihn Gott Erziehungspraxis liefern will. Die Rahmenhandlung
auch wohl wieder erretten, und ihn zu seinen Eltern zu- wird dadurch aber keineswegs trocken; sie ist vielmehr
rück führen!« (1, S. 177) Unbestritten ist, daß Campe ebenso abwechselungsreich, unterhaltend und amüsant
mit diesem Teil der Rahmenhandlung die Lesereaktio- wie die eigentliche Robinson-Erzählung angelegt.
nen deutlich zu beeinflussen und zu lenken trachtet. Be-
merkenswert aber ist, daß er hierzu nur selten die Vater- Campes Bearbeitung gibt der Romanhand-
figur einsetzt; er läßt dies über die Kinder geschehen, lung einen gegenüber Defoe tiefgreifend verän-
wissend, daß ein solches Vorgehen auf den kindlichen
derten Zuschnitt: Wie schon die Titelformulie-
Leser stärker wirkt. Campe meidet so zwar nicht Len-
kung überhaupt, aber doch Lenkung in autoritärer
rung »Robinson der Jüngere« nahelegt, geht es
Form. nicht mehr um das merkwürdige Lebensschicksal
225 Campe, Robinson, 1779/80 226

eines» Privatmannes«, sondern um das Jugender- Seeabenteuer zu bieten. Daß Campe den Robin-
lebnis und -abenteuer eines Menschen, der am son-Stoff mit der Unterdrückung des Ausbruchs-
Ende des Geschehens geläutert in die Erwachse- und Reisemotivs gänzlich gegen den Strich bear-
nenweit eintritt. Die Verlagerung der Handlung beitet hat, wird am Schluß des Romans noch ein-
auf die Stufe des Jugendalters hat eine umfassen- mal deutlich. Hier läßt er Robinson in der Elb-
de Pädagogisierung aller Motive zur Folge. Kon- mündung Schiffbruch erleiden und das ganze
flikte, die bei Defoe auf dem Widerstreit von Le- Vermögen verlieren, und dies läßt er deshalb ge-
bensprinzipien beruhen, werden bei Campe zu schehen, »weil der Anblick seines Reichtbums ei-
zeitweiligen Anpassungsschwierigkeiten Heran- nen oder den andem jungen Menschen vielleicht
wachsender umgedeutet. Dies gilt bereits für den hätte bewegen können, seinem Beispiele zu fol-
Ausgangskonflikt zwischen mittelständischer Be- gen, und auch aufs Gerathewohl in die weite Welt
schränkung, Seßhaftigkeit und Zufriedenheit, die zu gehen, um, so wie er, mit gefundenen Schäzen
der Vater bei Defoe verkörpert, und der unbändi- zurück zu kehren« (II, S. 360).
gen Sehnsucht nach Feme, der Reise- und Aben- Campe spielt die Vorgeschichte zudem her-
teuerlust, die Robinson nicht loslassen. Bei Cam- unter, weil er ausschließlich an der Inselepisode
pe ist in der Ausbruchssituation von einem sol- des Romans interessiert ist. Hier erst dürfen die
chen Widerstreit nichts mehr zu spüren. Zwar ist Kinder sich mit der Erzählung und ihrem Helden
mehrfach von der Reiselust Robinsons die Rede; identifizieren. Doch muß Campe auch hier ein
in ihr aber liegt nicht mehr das zentrale Motiv. Ist Motiv unterdrücken, das mit dem Robinson-Stoff
bei Defoe noch der Ungehorsam die Folge der verbunden ist. Es ist die Faszination, die von der
Reiselust, so ist bei Campe umgekehrt die Reise- Einsamkeit ausgeht und die zu einer Verachtung
lust ein Ausdruck der allgemeinen Ungehorsam- der Gesellschaft führen könnte. Ihr sucht Campe
keit und Undiszipliniertheit Robinsons. Diese während der gesamten Inselepisode entgegenzu-
können aber für Campe nur das Resultat schlech- wirken. Stets hebt er die Nachteile der Isolation
ter Erziehung sein, weshalb er denn auch das Bild Robinsons hervor. Die Kinder sollen zwar die ein-
der Eltern verändern muß. Der Vater ist nicht zelnen Handlungen Robinsons, nicht aber seinen
mehr der selbstbewußte Vertreter des glücklichen Ausbruch und nicht sein einsames Inseldasein
Mittelstandes; er erscheint vielmehr als ein nachahmen.
schwacher Charakter, der seinem Sohn eine fal- Auch wenn sie nicht nachgeahmt werden
sche, verzärtelnde Erziehung angedeihen läßt soll, ist die außergesellschaftliche Inselsituation
und damit sich selbst schuldig macht. Der Aus- für Campe doch pädagogisch relevant. In diesem
gangskonflikt des Romans ist bei Campe mithin Punkt folgt er Rousseau: Auch Emile soll das In-
ein rein pädagogischer: falsche Kinderliebe sei- seldasein nicht nachahmen, sondern bloß als An-
tens der Eltern, Ungehorsam auf Seiten Robin- schauungsmodell benutzen. Die Inselsituation
sons. hat ebenso bei Campe den Charakter eines zwar
Campe mindert aber nicht nur die Bedeu- kritischen, aber doch bloß theoretischen An-
tung des Reisemotivs; er sucht es sogar deutlich schauungsmodells, das die wahreNaturdes Men-
abzuwerten und zu unterdrücken. Die sehr auf- schen und seine natürlichen Bedürfnisse zur Dar-
wendig inszenierte Distanzierung der Kinder der stellung bringt und damit zugleich deren Verzer-
Rahmenhandlung von Robinson in der ersten rung und Entfremdung durch die Gesellschaft
Romanepisode kann nur den Sinn haben, zu ver- sichtbar macht; die Inselepisode fungiert als To-
hindern, daß die jungen Leser sich mit der Reise- pos der Kulturkritik ohne Realitätsanspruch.
und Abenteuerlust Robinsons identifizieren und Hierbei schwächt Campe den kulturkritischen
den Ausbruch aus dem Elternhaus lustvoll nach- Impetus dieses Topos noch ab: Zwar soll auch bei
erleben. Die Stärke der von Campe hier eingesetz- ihm das Inseldasein die natürlichen Bedürfnisse
ten Distanzierungsstrategien läßt einen Schluß hervorscheinen lassen; dies aber soll nicht, wie
auf die Lesererwartungen zu: Für den zeitgenössi- bei Rousseau, zu einer Kritik der Gesellschaft ge-
schen Leser scheint der Robinson zunächst ein- wendet werden. Das Inseldasein soll auch seine
mal eine Ausbruch-Geschichte gewesen zu sein. negativen Seiten hervorscheinen lassen, um so die
Eben diese Erwartung will Campe nachdrücklich Vorteile des geselligen Lebens darzutun.
destruieren. Aus diesem Grunde sucht er auch die Ein weiterer Grund läßt die Inselsituation
Vorgeschichte so knapp wie möglich zu halten: für Rousseau und Campe pädagogisch bedeut-
Der mehrfachen, über Jahre hinweg sich vollzie- sam sein: Die elementaren praktischen Tätigkei-
henden Wiederholung des Auf- und Ausbruches ten handwerklicher Art und die hiermit verbunde-
bei Defoe steht bei Campe ein mehr durch Zufall ne Auseinandersetzung mit der Natur geben den
und äußere Umstände bedingtes Weiterreisen idealen Lernstoff ab, der Kindem dieser Alters-
Robinsons gegenüber, der früh schon bereut und stufe ganz gemäß ist. Der von Rousseau instau-
eigentlich umkehren will. Zügig strebt die Erzäh- rierte Vorrang naturkundlichen und technisch-
lung die Inselperiode an, wobei sie jedoch nicht handwerklichen Wissens vor aller moralischen
ganz darauf verzichten kann, einige Reise- und und religiösen Bildung gilt auch für Campe, auch
227 Unterhaltende Schriften 228

wenn er die letztere nicht gänzlich ausspart. Ne- kommt es denn gerade unter Berufung auf die
ben dem naturkundlichen und technischen Wis- »natürliche Lebensart« zur Ablehnung des väter-
sen geht es jedoch auch schon um eine erste Be- lichen Wunsches, Makler zu werden. Für eine na-
kanntschaft mit der Natur des menschlichen Ver- türliche Lebensweise ist praktisch-handwerkliche
standes, seiner »Erfindsamkeit« (I, S. 200), sei- Tätigkeit unverzichtbar. Robinsons Entschei-
nem Aeiß und Ausdauern (I, S. 171 f.) und seinen dung für einen Handwerkerberuf am Ende des
unerschöpflichen Kräften (I, S. 245); auch über Romans steht hierbei in einem merkwürdigen Wi-
den Ursprung der »menschlichen Erfindungen« derspruch dazu, daß den Kindern der Rahmen-
handelt Campe (II, S. 258). In diesem Punkt be- handlung eine ganz andere berufliche Perspektive
rühren sich Wezels und Campes Bearbeitungen; vorgezeichnet ist. Diese nämlich sollen in »Aem-
Campe verfolgt hier jedoch keinerlei geschichts- ter« emporsteigen, die sie »berechtigen, viele
philosophische Absichten, wie denn dieser schädliche Mißbräuche abzuschaffen und viele
Aspekt überhaupt eher beiläufig behandelt wird. nützliche Einrichtungen einzuführen«; sie sollen
Im Zentrum steht dagegen die natürliche »Männer werden, welche Einfluß auf die Glück-
und mäßige Lebensart, zu der das Inseldasein seligkeit von tausend andern Menschen haben«
Robinson zwingt. Zu dieser Lebensart gehört zu- (II, S. 303 f.). Der Widerspruch kann allenfalls
nächst eine stete Aufmerksamkeit und Lembe- pädagogisch aufgelöst werden: Den Kindem ist
reitschaft, die Robinson zuvor nicht kannte (vgl. I, eine natürliche Lebensart anschaulich nur auf der
S. 248). Ein weiteres Merkmal seiner Lebensart ist Ebene eines Handwerks darzutun. Robinsons
die Arbeitsamkeit als »Mutter vieler Tugenden« Handwerkerleben wäre dann wie die Inselsitua-
(II, S. 13) und als einer der Bedingungen von Ge- tion nur ein Anschauungsmodell, ein Bild, das
sundheit: Sie hält vom Müßiggang ab und macht nicht wörtlich zu nehmen wäre. Nachahmenswert
»gesund und stark« (II, S. 252). Es gelte, »so viel ist nur Robinsons Lebensart, nicht sein konkretes
es immer möglich ist, bald durch Kopfarbeit - Leben.
durch Lernen und Nachdenken - bald durch Campe gibt der Romanhandlung deutlich
Handarbeit beschäftiget« zu sein (II, S. 47 f.).
Daß die Arbeitsamkeit nicht um der notwendig zu
leistenden Arbeit, sondern um ihrer selbst willen
gewählt wird, macht Campe in der Freitag-Episo-
de deutlich: Hier erwägt Robinson, die Arbeit
ganz auf Freitag abzuwälzen und ein »weichli-
ches und wollüstiges Leben« zu führen, sieht da-
von aber ab, weil nur durch Arbeitsamkeit die
»Gesundheit des Leibes und des Geistes« zu be-
wahren seien (II, S. 111 f.). Mäßigkeit gehört zur
weiteren Bestimmung dieser Lebensart: Sie be-
steht zunächst in »einem mäßigen Genusse ge-
sunder, einfacher, und unerkünstelter Speisen«
und im steten Verzicht auf Angenehmheiten und
Vergnügungen (II, S. 47 f.). Zur Mäßigkeit gehört
aber auch die Beherrschung der Leidenschaften
und Begierden: »Aber die Vernunft galt ihm
mehr, als blinde Leidenschaft; von ihr also ließ er
sich leiten« (II, S. 271 ). Sodann geht es um Selb-
ständigkeit und Unabhängigkeit von anderen
Menschen : Es ist erforderlich, so heißt es an die
Kinder gewandt, daß »ihr euch der Hülfleistun-
gen anderer Menschen so wenig als möglich be-
dient, und vielmehr durch euren eigenen Ver-
stand, und durch eure eigene Leibeskräfte eure je-
desmaligen Bedürfnisse zu befriedigen, euch
selbst zu rathen und aus Verlegenheiten zu ziehen
sucht« (li, S. 48). Nicht erst die letztgenannte Ei-
genschaft macht deutlich, daß das Campe'sche
Ideal einer »natürliche(n) Lebensart« rousseauis-
tische Züge trägt. Campe, Joachim Heinrich: Sämmtliche Kinder-
Dieser Lebensart ist Robinson nicht nur und Jugendschriften. Ausgabe der letzten Hand.
während seines Inseldaseins verpflichtet; auch Bdch. 11. Robinson der Jüngere. Theil 2. Braun-
nach seiner Rückkehr bekennt er sich zu ihr und schweig 1807 (Nr. 179). Illustration zu S. 288;
macht sie zur Grundlage seiner Berufswahl. Hier Kupfer von Hulk nach Catel (datiert Paris 1801)
229 Campe, Robinson, 1779/80 230

den Charakter eines Erziehungsprozesses: In ihm guten Vorsätze zunichte kommen. In Campes
lernt Robinson zunächst Liebe und Gehorsam ge- Robinson findet dagegen kein wirklicher Kampf
gen die Eltern schätzen. Frühzeitig bereut er sei- zwischen Gut und Böse statt. Das mangelnde
nen Ausbruch und seinen Undank gegenüber den Gottvertrauen ist hier allein das Resultat von ju-
Eltern (z.B. I, S. 174 f.). Zum Gehorsam gehört gendlicher Unwissenheit, schlechter Erziehung
die Lernwilligkeit; beides faßt Robinson am En- und falscher, verweichlichter Lebensart. Böse,
de des Romans zu einer »goldenen Regel« für sündhafte Regungen im eigentlichen Sinne sind
Kinder zusammen. » ... lieben Kinder seid gehor- in Campes Robinson nicht anzutreffen; seine
sam euren Eltern und Vorgesezten; lernt fleissig Besserung ist denn auch nicht ein innerer Kampf,
alles, was ihr zu lernen nur immer Gelegenheit eine innere Umkehr und Entscheidung, sondern
habt [ ... ]« (II, S. 363 f.) Derzweite Aspektdes Er- eher ein Anwachsen von Erfahrung und von
ziehungsprozesses bildet die Gewöhnung des Übung in der Standfestigkeit Dies hat Auswir-
müßiggängensehen Robinson an die arbeitsame, kungen auf die Charakterzeichnung des Helden:
natürliche Lebensart; dies gibt Robinson als Er- Gegenüber der Sprunghaftigkeit, Widersprüch-
mahnung an die Eltern weiter. »Eltern, wenn ihr lichkeit und tiefen inneren Zerissenheit der De-
eure Kinder liebt, so gewöhnt sie ja frühzeitig zu foeschen Figur erscheint Campes Robinson mo-
einem [ ... ] mäßigen und arbeitsamen Leben!« derierter, milder, sanfter und »menschfreundli-
(ebd. ). Als dritter Aspekt dieses Erziehungspro- cher« (II, S. 280). Trotz mancher Rückfälle ist
zesses tritt bei Campe ein religiöser hinzu. Robin- sein Verhalten konstanter, pendelt es nicht zwi-
son gelangt zu einem frommen und gottesfürchti- schen Extremen. Die Robinsongestalt wird bei
gen Leben. In diesem Punkt knüpft Campe eng an Campe sehr bald zu einer Inkorporation der
den Defoeschen Roman an, der ja von seiner in- frommen und natürlichen Lebensart, die unge-
neren Seite her die Geschichte einer religiösen Be- brochen und widerspruchsfrei in ihm zur Darstel-
kehrung darstellt. Zugleich setzt Campe sich hier lung kommen soll. Hierdurch verliert die Perso-
von Rousseau und Wezel ab: Bei Rousseau findet nenzeichnung gegenüber Defoe an Realismus
die religiöse Seite des englischen Originals keiner- und psychologischer Tiefe, um die es Campe
lei Beachtung und wird wohl am ehesten noch zu auch nicht mehr geht, rückt er doch die Exempel-
dem »Gewäsche« gerechnet, von dem der Ro- funktion Robinsons in den Vordergrund.
man zu entladen sei; für Wezel handelt es bei den Das Erlangen von Gottvertrauen vollzieht
religiösen Teilen um gutgemeinte, aber langweili- sich bei Campe vornehmlich durch die Erkennt-
ge Betrachtungen. In der Fortführung dieses nis der Weisheit und Güte der göttlichen Vorse-
Aspektes des Robinsonstoffes steht Campe mit- hung. Die Vorsehung bildet eines der zentralen
hin alleine dar: Der religiösen Erziehung kommt Themen des Werkes, und »Zufriedenheit mit den
bei ihm eine zentrale Stelle zu, die der bei Defoe Wegen der göttlichen Vorsehung« in die »jungen
durchaus vergleichbar ist. In der Vorrede aller- Herzen« zu pflanzen, eine seiner Hauptintentio-
dings verschweigt Campe, daß er hier Defoe nä- nen (I,Vorbericht), zunächst dazu herangezogen,
her als Rousseau steht. einzelnen Ereignissen, Naturkatastrophen und
Im Zentrum der religiösen Erziehung stehen Schicksalschlägen einen positiven Sinn zu geben.
Gotteszuversicht und Gottvertrauen; ihr Ziel ist Diese Sinngebung sieht bei Campe so aus, daß
es, Robinson ein »feste[s], unwandelbare[s] kind- Gott Unglück und Leid nur deshalb zuläßt, ent-
liche[s] Vertrauen zu Gott« zu vermitteln (I, S. weder um ein größeres Unglück und Leid zu ver-
231 ). Durch dieses Gottvertrauen vermag der hindern, oder um durch sie Glück und Freunde
Mensch sich »über jede Abwechselung des herbeizuführen, oder schließlich um durch sie
Schicksals zu erheben und gegen jedes Unglück den Menschen zu prüfen und zu bessern. Insge-
im Voraus zu bewafnen« (II, S. 47). Die innere samt ergibt sich bei Campe ein Bild der Schöp-
Geschichte des Campeschen Werkes besteht hier- fung, in der Unglück und Leid letztendlich nur
bei in der zunehmenden Überwindung von Angst, den Sinn haben, die Glückseligkeit und das mora-
Kleinmut, Verzagtheit und Verzweifelung, die lisch Gute zu befördern. Gerade in diesem Punkt
Robinson bei allen Schicksalsschlägen ergreifen, ist Campes Robinsonbearbeitung der Wezels dia-
zugunsten einer festen Standhaftigkeit und Zu- metral entgegengesetzt: Geht es Campe darum,
versicht. die Existenz wie die Weisheit der göttlichen Vor-
Diese innere religiöse Geschichte bei Campe sehung darzutun, so will Wezel alle Vorsehungs-
ist allerdings eine andere als bei Defoe. Im engli- theoreme destruieren und zeigen, daß die
schen Original stellt die religiöse Bekehrung einen menschliche Geschichte ein Produkt von Zufall
heftigen inneren Kampf zwischen guten und bö- und Leidenschaft ist. Mit dem Vorsehungs-Kom-
sen Regungen dar, in dem immer wieder schwere plex sind zugleich die religiösen Inhalte gegeben,
Rückfälle zu verzeichnen sind. Die zahlreichen die Campe mit dem Robinson vermitteln will. Es
Schicksalsschläge lassen immer wieder das Böse geht um erste Grundlagen der natürlichen Reli-
in Robinson, panische Angst etwa oder unbändi- gion, um erste elementare Eigenschaften Gottes-
ge Rachsucht und Mordlust, aufsteigen und alle seine Allwissenheit, Güte und Liebe- und um den
231 Unterhaltende Schriften 232

Charakter der Schöpfung und ihrer Lenkung lierten Überblick über die literaturkritische und wissen-
durch Gott. Zugleich werden erste Begriffe der re- schaftliche Rezeption gibt die Monographie von Stach
ligiösen pflichtenlehre eingeführt: Angesprochen ( 1970) in ihren ersten Abschnitten (S. 20-47).
sind Gottesfurcht und Gottvertrauen sowie die Stellvertretend für die positive, teilweise begeister-
Frömmigkeit. te Aufnahme des Werkes durch die Zeitgenossen sei
hier eine Rezension aus der von C. G. Böckh herausge-
Das Werk hat 1780 bereits eine zweiteAuflage er- gebenen Allgemeinen Bibliothek für das Schul- und Er-
fahren, die Campe als »verbesserte und vermehrte« aus- ziehungswesen zitiert: Der Rezensent »bewunderte mit
gibt. In der »Vorrede zur zweiten Auflage« spricht Vergnügen, wie so natürlich, passend und schön sich
Campe von einem bereits in Frankfurt/Main erschiene- gleichsam die ganze Seele, Denkungsart, Sitte und Aus-
nen Raubdruck, gegen den er »hier eine wirklich verbes- druck dieses philosophischen Mannes den Kindersee-
serte, von vielen, im Nachdrucke treulich beibehaltenen len anzuschmiegen, oder sich in dieselben wie hineinzu-
und gelegentlich noch vermehrten Fehlern gereinigte, denken, und eben so ganz nach ihrer Art zu redenweiß«
auch hie und da wirklich vermehrte« Auflage liefern (8. Bd., 2. St., S. 415). Ersieht hierin ein »Buch, das klas-
wolle. Von der ersten Auflage seien »binnen Jahres- sisch ist, und[ ... ] überall, wo Kinder sind, gelesen zu
frist« trotz des Raubdruckes 2000 Exemplare verkauft werden verdient« (ebd., S. 417). In der Besprechung des
worden. Die zweite Auflage unterscheidet sich nur ge- zweiten Teils heißt es: »[ ... ]man kan Robinsons Ge-
ringfügig von der ersten: An einzelnen Stellen finden schichte mit Recht als eine Geschichte der ersten
sich orthographische und stilistische Änderungen. Es Menschheit und der stuffenweisen Erfindungen der
ließ sich nur ein größerer Einschub finden: Gemeint ist Nothwendigkeiten des menschlichen Lebens ansehen,
das ca. 2seitige Gespräch über die Kokosnuß (1, S. 70 so, daß man sich unter dem Lesen öfters den Zustand
ff.), das sich in der ersten Auflage nicht findet. Auch in der ersten Menschen, und den Gang der Erfindungen
der Vorrede zur dritten Auflage von 1786 findet sich ei- ihrer Bedürfnisse, nebst ihrer ganzen Lebensart, vor-
ne Polemik gegen die »verunstalteten, unsauberen und stellt. [ ... ] Dies aber müssen wir noch hinzusetzen, daß
von groben Druckfehlern wimmelnden Nachdrucke, dieses Buch den Rang eines der ersten klassischen
welche ehrlose Bücherräuber und deren Genossen aus Schriften unter unseren Kinderschriften, und von allen
ihren Trödelbuden vertreiben«. Für die vierte rechtmä- mehr als einmal gelesen zu werden, verdient.« (9. Bd., I.
ßige Auflage verzeichnet Wegehaupt (1979; Nr. 292) St., S. 135 f.)
den Zusatz »zur allgemeinen Schulencyclopädie gehö- Hingewiesen sei hier auf einige Marksteine der
rig«. Bis zur Jahrhundertwende erscheinen noch die wissenschaftlichen Rezeption des Werkes. Campes
fünfte ( 1794) und die sechste (1797) rechtmäßige Aufla- Robinson-Bearbeitung findet in Wolfgang Menzels Li-
ge. Die siebte bis zehnte Ausgabe erscheinen 1802, teraturgeschichte (2. Aufl. 1836) zunächst eine außeror-
1804, 1808 und 1810. Im Jahre 1827 ist die 17. rechtmä- dentlich positive Würdigung: Er sieht in ihr »die neue
ßige Auflage erreicht. Im Rahmen der ersten Gesamt- Bibel aller Kinder gebildeter Stände« (Teil 2, S. 31 ).
ausgabe von 1807 ff. ist das Werk mit insgesamt 7 Kup- Nach vorangegangener Ablehnung durch die Romantik
fertafeln reichhaltiger illustriert (Bdch.IO, II). Die 40. - etwa bei Eichendorff - formuliert dann Hermann
rechtmäßige Ausgabe von 1848 ist erstmals von Ludwig Hettner in einem Vortrag von 1854 deutlich Kritik an
Richter illustriert; sie enthält neben dem illustrierten Campes Bearbeitung, die weit hinter dem englischen
Vortitel 50 Illustrationen in Holzschnitt, die sich teils Original zurückbleibe und von dessen hoher Poesie
aufTafeln befinden. Das Werk hat in dieser Gestalt wei- nichts mehr übrig lasse. Hettners Position ist später von
tere zahlreiche Auflagen erlebt, wobei 1884 die 109. UHrich als einseitig kritisiert worden (vgl. Stach (1970),
rechtmäßige Ausgabe erreicht war.- Der Roman ist in S. 34 f.). Zu einer differenzierten Beurteilung des Wer-
jüngeren Nachdrucken wieder zugänglich: Die Ausga- kes kommt sodann Göhring zunächst in zwei Aufsätzen
be des Reclam Verlages, Stuttgart, geht von der Erstaus- von 1891192 und schließlich in seiner Darstellung von
gabe aus, die in historischer Orthographie wiedergege- 1904. In letzterer bezeichnet er das Werk als »die künst-
ben wird. Dem Nachdruck des Weismann-Verlages, lerisch dargestellte Lehre Lackes und Rousseaus« (S.
München, und dem in der Reihe »Das bibliophile Ta- 52), kommt allerdings zu einer scharfen Kritik der Ein-
schenbuch« liegen jeweils Ausgaben des 19. Jahrhun- kleidung und Gesprächsform des Romans: >>Die Über-
derts mit den Illustrationen Ludwig Richters zugrunde. klugheit der Kinder, ihr ewiges Dareinfahren in den
Campes Robinson-Bearbeitung gehört wohl zu Gang der Erzählung durch aufdringliche, naseweise
den bekanntesten Werken der aufklärerisch-philan- Fragen, ihre Interjektionen und Gelöbnisse, ihre Be-
thropischen Jugendliteratur. Zugleich ist es unter die teuerungen und das Abkochen einer Moral in Perman-
Bücher des 18. Jahrhunderts zu rechnen, die eine außer- enz erscheinen uns heute störend und verletzend zu glei-
ordentlich große Verbreitung gefunden haben und de- cher Zeit« (S. 53). Ähnlich fällt Kösters (1906/07) Ur-
ren Wirkung weitverzweigt und von größter Mannigfal- teil über die Gesprächsform aus, wobei dieser sich Hett-
tigkeit ist. Zudem hat es in der Jugendliteraturkritik und ners Standpunkt wieder nähert und Campes freien Um-
der historischen Kinderbuchforschung von Beginn an gang mit dem englischen Original moniert (S. 280 f.).
eine zentrale Beachtung gefunden. An dieser Stelle ist es Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem
unmöglich, die Verbreitungs- und Wirkungsgeschichte Werk findet sich sodann bei Köberle (1970). Sie kriti-
dieses Buches wie die seiner Einschätzung und Würdi- siert zunächst in der Nachfolge Hettners und Kösters,
gung durch Literaturkritik und -Wissenschaft auch nur daß bei Campe von der »dichterischen Kraft des Origi-
in den gröbsten Zügen nachzuzeichnen. Es gilt hier, mit nals und der psychologischen Vertiefung in das Seelen-
wenigen Hinweisen sich zu begnügen. Über die zahlrei- leben des Helden« nichts mehrübrig bleibe (S. 125). Sie
chen Übersetzungen, Bearbeitungen und Fortsetzungen übernimmt ebenso die negative Bewertung der Ge-
des Campeschen Werkes informiert die Robinson-Bi- sprächsform und der moralisch belehrenden Absichten
bliographie von UHrich (1898; S. 67-84). Einen detail- (S. 126). Das Buch sei in seiner Verwirklichung philan-
233 Vermischte Abhandlungen, 1779 234

thropischer Ideale wie in seiner Sentimentalität ein moralisch-belehrenden Gehalt der Texte deut-
»echtes Kind seiner Zeit« (ebd.). Es zeige Campes »Fä- lich: Gewarnt wird vor Ungehorsam gegen Eltern
higkeit, einen vorhandenen Stoff für seine Zwecke neu und Erzieher, Unbesonnenheit, Tierquälerei,
aufzubauen, seine Gabe, spannend zu erzählen, die Be- Gottversuchen, Eitelkeit, Adelstolz, Dummheit
lehrung auf unterhaltende Weise vorzubringen, seinen
klaren, verständlichen Stil. Aber er bleibt im Ideenkreis
und Müßiggang; als erstrebenswerte Tugenden
der Aufklärung gefangen. Die Absicht, ständig zu be- werden Gottesfurcht und Gottvertrauen, Gehor-
lehren und zu moralisieren, verhindert eine künstleri- sam, Freundschaft, Redlichkeit und Dieostfertig-
sche Gestaltung.« (S. 127) Gleichfalls sehr differenziert keit propagiert. Die Kinder sollen lernen, daß un-
ist die Darstellung bei Prestel ( 1933; S. 21-27), der sich besonnenes und lasterhaftes Verhalten im Dies-
in Wertungen allerdings stärker zurückhält. Bei ihm seits wie im Jenseits empfindlich bestraft, die Tu-
schlägt jedoch durch, was für alle durch Wolgast und gend dagegen reichlich belohnt wird.
die Jugendschriftenbewegung beeinflußte Autoren von
Köster an gilt: eine Höherbewertung der Wezelschen Die Vermischten Abhandlungen und Erzählungen
Bearbeitung, der eine, so heißt es zumeist, erstaunlich bestehen aus neun Texten unterschiedlicher Form und
mod~~e Aufassung von Jugendliteratur zugrunde lie-
Länge. Neben einer>> Erzählung in dramatischer Form«
ge. Ahnlieh ausgerichtet ist die Darstellung bei von rund 60 Seiten Umfang finden sich zwei sehr kurze
Graebsch-Dyhrenfurth ( 1942, S. 42-49). Abschreckgeschichten in Brief- bzw. Nachrichtenform,
Ende der sechziger Jahre setzt eine neue Ausein- eine morgenländische Erzählung, ein Monolog mit bi-
andersetzung mit der Robinson-Thematik ein, die auch blischer Thematik, ein Lobpreis der Natur als der voll-
zu einer erneuten Beschäftigung mit Campes Werk kommenen Schöpfung Gottes sowie drei längere Bei-
führt. Am Anfang steht hier der Aufsatz Brunners spiel- bzw. Abschreckgeschichten.
(1967), der die Robinsonbearbeitungen in den Zusam- Den Hauptteil des Werkes bildet die dramatisierte
menhang der Rousseaurezeption und der Kulturkritik Erzählung »Die beyden Unbesonnenen« (S. 1-62):
des 18. Jahrhunderts rückt. Wenig später bringt Stach Ludwig und Fritz, die beiden Söhne Herrn und Frau
(1970) mit seiner umfangreichen Monographie über von Humbers, nutzen die Abwesenheit ihrer Eltern, um
Campes Robinson den bisher vernachlässigten pädago- sich durch eine Lüge von ihrem Hofmeister fortzusteh-
giggeschichtlichen Aspekt zur Geltung, um das Werk als len und sich auf einer Wiese mit Zimmerholz eine provi-
Realisierung philanthropischer Pädagogik zu kenn- sorische Schaukel zu bauen. Beide erleiden jedoch beim
zeichnen. Bei Zupancic (1976; S. 73-85) geht es um die Schaukeln einen heftigen Sturz, Ludwig bricht sich ein
Robinsonade als einem jugendliterarischen Genre, ein Bein, und Fritz zieht sich eine gefährliche Schädelverlet-
Zusammenhang, der auch bei Liebs ( 1977) eine Rolle zung zu, die zu wirren Fieberphantasien führt. Schließ-
spielt. Bei ihr stehen jedoch mehr inhaltliche Fragen im lich muß ein Arzt Ludwigs Bein amputieren, Fritz wird
Vordergrund. In ihrer schroffen Ablehnung der Campe- trepaniert. Die Operationen verlaufen jedoch unglück-
schen Bearbeitung und ihrer Hochschätzung von We- lich; beide JJ.mgen müssen fürihre Unbesonnenheit, das
zels Robinson kommen jedoch bei aller ideologiekriti- Hintergehen der Eltern und das Belügen des Lehrers mit
schen Ausrichtung der Studie ungewollt alte Wertungen ihrem Leben bezahlen. Eingeflochten in das Geschehen
der Jugendgeschichtsschreibung Walgastscher Prägung sind drei Erzählungen, die jeweils dem kranken Ludwig
wiederzum Vorschein. Bei Kuhn (1975; S. 98-110) und vorgelesen, aber aus Gründen des Handlungsverlaufs
Scheunemann (1978) stehen ideologiekritische Be- vorzeitig abgebrochen werden. Zwei Erzählungen be-
trachtungen im Zentrum, während E. Schmidt ( 197 4; S. handeln biblische Motive: S. 21 ff. wird der Beginn der
68-73) stärker die »fortschrittlichen« Elemente des Josephgeschichte erzählt, S. 57 ff. folgt das Gebet des
Werks herauszustellen sucht. Promies (1980) läßt den Tobias, »Der alte Tobias nach seiner Genesung«. Brei-
Autor von Robinson der Jüngere als »den Repräsentan- ten Raum nimmt die Geschichte des frommen Ferdi-
ten der deutschen Aufklärung, ihrer Iiteratur- und bil- nand ein (S. 43-52), der nach seinem Tode seiner
dungspolitischen Absichten erscheinen«, der diese je- trauemden Schwester einen tröstenden Brief aus dem
doch zugleich in ihrer Widersprüchlichkeit zeige (S. Paradiese schreibt.
817). Sieheauch Uedingin Doderer(1981). E. Den nächsten Text bildet ein Lobpreis der Natur,
die Gott mit Vollkommenheit ausgestattet und aus
»zärtlicher Sorgfalt« (S. 69) zum Nutzen des Menschen
erschaffen habe; der Mensch sei Gott daher zu kindli-
1779 chem Dank verpflichtet (»Die Freuden des Ge-
schmacks«, S.63-72). In dem »Auszug aus dem Briefe
Vermischte Abhandlungen und Erzählungen eines Reisenden« (S. 73-75) wird von einemJungen be-
richtet, der einem überfahrenen Hund nicht nur seine
for Kinder.
Hilfe verweigert, sondern das Tier grausam zu Tode
Göttingen 1779 quält. Der Junge wird öffentlich an den Pranger gestellt
und mit fünfzig Geißelhieben vor den Augen aller Leute
Das Lesebuch wendet sich an Kinder nicht näher auf dem Marktplatz gezüchtigt. Der Text »Der sterben-
bestimmten Alters. Aus dem Stand der auftreten- de Herodes« (S. 7682) stellt eine poetische Ausschmük-
den Personen kann geschlossen werden, daß vor kung der Apostelgeschichte 12, 20-23 in Form eines
Monologs dar. Geschildert wird die Rache des Engels,
allem wohl Kinder aus dem gehobenen Bürger- der Herodes' gotteslästerliches und gottversuchendes
tum, aber auch aus dem Adel angesprochen wer- Treiben bestraft.
den sollen. In der Beispielgeschichte »Die Freundschaft« (S.
Über seine Intentionen macht der Autor kei- 83-99) wird vom Hochmut eines Waisenknaben gegen-
ne expliziten Angaben, sie werden jedoch in dem über seinem Schicksalsgefährten- beider Eltern sind an
235 Unterhaltende Schriften 236

Pest gestorben- berichtet. Christian verachtet den redli- nungen in den übrigen Geschichtenjeweils uner-
chen, aber schwächlichen Gottlieb aus Stolz auf seinen wartet hoch sind (reicher Besitz von Hab und Gut,
eigenen körperlichen Vorzüge. Obwohl der Schwächere Erbschaften in unermeßlicher Höhe usw.). Die
ihm aus Zuneigung und Liebe jeden Freundschafts-
Strafe, die den Unbesonnenen, Lasterhaften usw.
dienst erweist, weist er ihn immer wieder schroff zurück.
Christians Hochmut wird schließlich bestraft, als er spä-
ereilt, ist meist unwiderrufbar (Tod, Leben als
ter seinen Soldatenberufwegen einer Verletzung aufge- Krüppel, dauerndes Siechtum, geistige Umnach-
ben und als Bettler durch die Lande ziehen muß. Das tung, lebenslange Zuchthausstrafe); in der Regel
Schicksal führt ihn zu seinem zu Reichtum gekomme- ist eine Besserung des Betroffenen nicht mehr
nen Freund. Dieser nimmt ihn liebevoll auf und macht möglich, tritt sie dennoch ein, ist sie ohne Auswir-
ihn zum Teilhaber seines Geschäfts. Durch das uner- kung auf die einmal verhängte Strafe, die durch-
schütterliche Festhalten an der Freundschaft hat Gott- gestanden werden muß.
lieb so »das grosse Glück, seinen verlomen Freund bes- Die Strafen stehen in der Regel in keinem
sert und glücklich zu sehen« (S. 93). - Die Lehren aus
Verhältnis zu den Vergehen, deren sich die Kin-
der Geschichte werden in einem anschließenden Ge-
spräch eines Vaters mit seinem Sohn auf alltägliche Fäl-
der schuldig machen. Die verurteilten Verhaltens-
le aus der Welt der Kinder konkretisiert. weisen entsprechen sogar in der Regel durchaus
Die nächsten Geschichten» Warschau« (S. I 00 f.), derkindlichen Wesensart,z.B. das Nichtbeachten
»Damas« (d.i. Damaskus, S. 102-106) und »Dünkir- von Ermahnungen, Lernunwilligkeit, Streiche-
chen« (S. 107-127) sollen durch die konkrete Ortsanga- spielen usw. Unkindlich ist dagegen häufig das
be im Titel den Eindruck von Nachrichten tatsächlich Verhalten der Kinder nach der Tat, indem sie
vorgefallener Begebenheiten hervorrufen. Die erste Ge- nicht nur Reue und Einsicht zeigen, sondern die
schichte berichte~, wie ein Junge aus Spaß seinemjünge- schwersten Selbstvorwürfe gegen sich erheben.
ren Bruder als Gespenst verkleidet gegenübertritt. Die-
Dieses Muster: unbesonnene, aber kindhafte
ser erleidet durch den plötzlichen Schrecken einen
Schock und verliert Sprache und Gehör. Aus Kummer
Handlung - drastische und unverhältnismäßige
über die Folgen seines schändlieheTuns verfällt der älte- Strafe- innere Umkehr und Reue, die jedoch an
re Bruder in psychisches Siechtum. Aus der morgenlän- der Vollstreckung der Strafe nichts mehr auszu-
dischen Erzählung » Damas« soll der Leser lernen, daß richten vermag, tritt beispielhaft in der dramati-
der Mensch die Wege der Vorsehung nicht überblicken sierten Erzählung zu Beginn des Werkes hervor.
kann. Er soll sich dher Gott bedingungslos anvertrauen Der Unfall der beiden Brüder wird nicht als Folge
und alle Hoffnung auf ihn setzen. Die Geschichte zu wilden Herumtobens dargestellt, sondern als
» Dünkirchen « erzählt von einem armen Waisenknaben unmittelbare Strafe auf die moralischen Verfeh-
Fleury, der durch seine Tugendhaftigkeit, seine Gottes-
lungen wie Lüge, Hintergehung usw. (S. 19),
furcht, Rechtschaffenheit, Redlichkeit, Demut, Dienst-
fertigkeit und Freundlichkeit zu einem sehr reichen durch die aber nicht in erster Linie die direkt be-
Kaufmann wird und alle Schicksalsschläge im Vertrau- troffenen Eltern und der Hofmeister der Kinder
en auf Gott überwindet. Er stirbt schließlich, als großer gekränkt werden; vor allem sei dadurch Gott, der
Wohltäter von allen Einwohnern der Stadt beweint. In »schreckliche Richter«, beleidigt worden (S.31 ),
einer Predigt an die Kinder des Waisenhauses, das Fleu- der daher diese Tat nicht ungestraft habe an sich
ry gestiftet hat, werden zum Schluß der Geschichte die vorübergehen lassen können.
Lehren aus seinem Leben gezogen. Da Gott selbst die Strafe über seinen » Belei-
Die letzte Beispielgeschichte »Junker Hochherz« diger« verhängt hat, muß dieser sie mit allen Kon-
(S. 128-150) erzählt das Schicksal eines adelstolzen,
sequenzen ertragen. So lehnt z. B. Ludwigs Vater
hochmütigen Jungen, der sich aus Standesdünkel wei-
gert, richtig zu lernen. Er scheitert in verschiedenen Be- das Anerbieten des Arztes ab, den Jungen für die
rufen, ergibt sich der Spielleidenschaft, verspielt das vä- Zeit der Operation zu betäuben: »den ältesten
terliche Vermögen, versinkt in Schulden und wird will ich selbst vorbereiten, die erste Strafe seiner
schließlich zum Dieb. Den Rest seiner Tage muß er im Unbesonnenheit, so hart sie auch ist, auszuhal-
Zuchthaus, in einem »häßlichen, dunklen, stinkenden ten« (S.30). Das reumütige Kind ist gerne zum Er-
Kerker« (S. 149) verbringen. Stolz und Unwissenheit, tragen der Schmerzen bereit: »ich will sie gern er-
Faulheit und Müßiggang haben ihn soweit gebracht. tragen, wenn ich nur dadurch das Andenken mei-
Doch ihn trifft nicht nur dieses harte Schicksal: gegen nes Ungehorsams vernichten könnte« (ebd.). Es
Ende der Geschichte versichert der Autor, Junker
will sogar mit Freuden sein Bein verlieren, denn
Hochherz werde dereinst in der Hölle für seine Schand-
taten zu büßen haben. diese »Schande [ ... ] erinnerte mich in jedem Au-
genblick an meine Thorheit, und ermahnte mich
Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich zu desto grösserm Gehorsam«; Kummer empfin-
offensichtlich um eine Zusammenstellung von det es nur, weil es so »das lebendige Denkmal un-
Texten verschiedener Autoren, die nach einem glücklicher Eltern« sei (S. 36). Reumütig ist das
einheitlichen Gesichtspunkt bearbeitet wurden. Kind sogar bereit, für sein Vergehen zu sterben,
Auffallend ist die in den Beispielgeschichten um so andere Kinder durch das eigene Beispiel zu
durchgängig verwandte recht willkürlich anmu- warnen: »ich verdiente den schmerzlichsten Tod,
tende Verknüpfung von Handlungen und ihren und wünsche nichts mehr, [ ... ] als daß meine
Folgen, wobei die Strafen in den Abschreckge- Strafe allen Kindern meines Alters ein Schreck-
schichten von besonderer Drastik und die Beloh- beispiel sein möge« (S. 32). Von der Angemessen-
237 Wezel, Robinson Krusoe, 1779/80 238

heit der drastischen Strafe ist das Kind vollständig wenn Sie wüßten, wie es Ihrem Mong Fy geht.
überzeugt: »ich dulde die glücklichste Strafe ( = [ ... ]Bitten Sie doch ja den gnädigen Mung scheer
die Amputation, d. Red.) für ein Verbrechen, das Papa, daß er mich hier wecknimmt Er meldete
den Tod verdiente«. (S. 53), die Strafe sei für sein mich im letzten Brief, ich würde schon b, a, b ge-
>Verbrechen< »noch viel zu geringe« (S. 36). wöhnen, aberst das geschieht sein Lebstag nich.«
Gleichzeitig mahnt er die Kinder, aus seinem (S.l45ff.). O.B.
traurigen Beispiel zu lernen: »Den Tod habe ich
verdient, und ich Elender lebe noch. 0, Kinder!
wenn ihr einst den Namen Humber hört, denkt an
seine Strafe, und werdet fromm« (S.37). Entspre- 1779/80
chend dem gängigen Argumentationsmuster
kommt die Reue Christians jedoch zu spät; seine Johann Kar/ Wezel (1747-1819)
Einsicht in die Schändlichkeit seines »Verbre- Robinson Krusoe. Neu bearbeitet. 2 Bde.
chens« kann die Vollstreckung der ihm von Gott Leipzig 1779/80
zugedachten Strafe nicht mehr abwenden: er
stirbt. Das vorliegende Werk ist zunächst auszugsweise
Pietistische Einflüsse (innere Umkehr, tief- im Lesebuch for die Jugend und ihre Freunde des
ste Reue, schrankenlose Selbstanklage, Opferbe- Jahrgangs 1778/79 erschienen; es handelt sich
reitschaft), die in diesem Argumentationsmuster hierbei um eine Jugendbeilage zu den» Pädagogi-
erkennbar sind, äußern sich auch in der engen schen Unterhandlungen«, die vom 2. Jahrgang an
Verknüpfung der konkreten Handlungen - tu- selbständig erschienen ist. Hieran erinnert Wezel
gend- wie lasterhaft- mit der zu erwartenden Be- in der Vorrede zu Teil l : Die »erste Bestimmung«
lohnung bzw. Bestrafung dieser Taten nach dem des Werkes sei gewesen, ein »Lesebuch für Kin-
Tode. In diesem Zusammenhang fehlt in nahezu der« zu sein (I,S.XIX). Bei der Buchpublikation
keinem Text der Hinweis aufparadiesische Freu- hat Wezel den Adressatenkreis erweitert: Zu Be-
den, die der Tugendhafte zu gewärtigen habe, ginn der Erzählung heißt es, daß Robinsons »Ge-
bzw. auf Höllenqualen, denen der Lasterhafte schichte itzo Jedermann erfahren soll, der meiner
überantwortet werde. In schillemden Farben wer- Erzählung zuzuhören Lust hat« (I,S.l ). Wezel be-
den insbesondere die Freuden des Paradieses ge- merkt sogar, »das Kinderpublikum bei der Ausar-
zeichnet (S. 43-52, S. 122 f.), in das der» Verherr- beitung nicht vor Augen gehabt« zu haben
lichte« eingehe, wenn er mit dem Tod die »Fes- (I,S.XIX f). Dennoch bleibt der Bezug auf die Ju-
seln« (d.h. das Leben) abgestreift und den »stin- gendlichen als bevorzugt angesprochene Lese-
kenden Kerker« (d.h. den Körper) verlassen ha- gruppe bestehen. Wezel denkt hierbei an Kinder
be. Die Sprache insbesondere in diesen Passagen vom »zehnten, zwölften Jahre« (I,S.XX), bei de-
des Werkes, die oftmals mit lyrischen Einschüben nen »die Seelenthätigkeit zu erwachen und mit
durchsetzt sind, zeigt weitgehend Anklänge an der körperlichen zu streiten pflegt« (I,S.XXI), die
den Sturm und Drang. deshalb auch zu einer regelmäßigen Lektüre an-
Trotz seiner streng religiös-moralischen Aus- zuhalten sind. »Für dieses Alter war also mein
richtung ist das Werk nicht ohne Humor. So etwa Robinson zunächst bestimmt, und sein Gebrauch
findet sich ein sehr lebendig geschriebener, witzig sollte bis zu den Jahren reichen, wo der Jüngling
formulierter Dialog zwischen Junker Hochherz mit den Leidenschaften und ihren mancherlei
und einem Lehrer, in dem Adelsstolz und Dumm- Folgen, mit dem Spiele des menschlichen Her-
heit aufs Korn genommen werden (S. 129-133). zens und der Welt, den Sitten, Charaktem und
In mehreren Briefen an seinen gnädigen »Mung Handlungsarten der Menschen bekannt gemacht
schär Papa« und die »Ma schere Märe« liefert werden soll« (I,XXI f.).
der Junker Kostproben seiner Dummheit, er ver- In der Forschungsliteratur wird häufig - so
sucht sich im Kavalierstone, produziert jedoch etwa bei Köberle (1972, S.l24) und Liebs (1977,
fortwährend nur Kauderwelsch, z. B.: »Euer S. 126)- davon ausgegangen, daß der zweite Teil
Hochedelgebohmer tue anbei gütigst zu wissen, des Romans sich nicht mehr an Jugendliche wen-
was massen ich unter vielen Strapatzen hier end- de und auch von sich aus kein Jugendbuch mehr
lich augelanget bin, nachdem ich auf meiner Tur darstelle. In den Vorreden läßt sichjedoch keiner-
manchen Schakraing von die grobe Postmeisters lei Bemerkung finden, die in diesem Sinne den 2.
habe einfressen müssen. Kan doch recht sehen, vom l. Teil abhebt. Im Gegenteil: Wezel bringt
daß die bürgerlichen nirgends wissen, was honät- auch in der Vorrede zum 2. Teil noch den ur-
te contuitte ist, werdensauch nie lernen. Was nun sprünglichen Plan eines »Lesebuches für die Ju-
meine hiesige Seschur betrifft, so tue anbei berich- gend« in Erinnerung, den er schließlich in Gestalt
ten, daß es mich hier gar nicht gefällt. DerAdellist einer »zusammenhängenden Erzählung« reali-
hier nicht in der Konsiteration als bei uns. [ ... ]« siert habe (II, S. VII). Zudem hebt die Vorrede von
(S. 141 f.). Hochherz wird daher der neuen Stelle 1780 die Einheit der Konzeption beider Teile her-
sofort überdrüssig und schreibt der Mutter: »Ach vor (II, S.X-XII), was später im Text noch einmal
239 Unterhaltende Schriften 240

bekräftigt wird (II, S.209-213). Schließlich wird gung herfließen: ein kleiner Menschenhaufen
nicht zuletzt deshalb, weil es sich um ein Jugend- wird durch Not, Zufall, Leidenschaft, Witz auf
buch handeln soll, vom 2. Teil des Defoeschen die verschiedenen Arten der Subordination, auf
Romans gänzlich abgewichen. In diesem fand die Einführung der richterlichen Gewalt, aufver-
Wezel »auch nicht das mindeste für meine Ab- schiedene politische Verfassungen [ ... ]geleitet«
sicht brauchbar« (II,S.IX). Auch in der Vorrede (II, S. XI f.).
des Verlegers Dykzurzweiten Auflage des 2. Teils Die hier intendierte Belehrung scheint zu-
von 1795 findet sich keinerlei Ausschluß der Ju- nächst rein sachlicher, philosophischer Art zu
gendlichen als Leser. Mit Bezug auf den ersten sein. Dennoch geht es Wezel nicht allein um
Teil heißt es zunächst, daß »der Schule entwach- Kenntnisvermittlung, sondern auch um eine mo-
sene Knaben, denen es widrig ist, sich moralische ralisch-praktische Beeinflussung der jungen Le-
Wahrheiten vorkäuen zu lassen, die Wezelsche ser. Die Bekanntmachung mit der Geschichte des
Bearbeitung, wegen ihres pikanten Tones vorzie- Menschen soll dazu dienen, die Jugendlichen
hen (dürften)« (S.V). Dies wird sodann auch auf »moralisch klug« zu machen. Die Aufgabe von
den 2. Teil bezogen, der »ein für sich bestehendes Büchern für die »ersten Jahre der Lektüre« beste-
Originalwerk « sei und durch den erst das gesamte he neben der Kenntnisvermittlung darin, den
Opus »eine Stelle unter den trefflichsten Werken Kindern »solche Leidenschaften mit ihren guten
unserer Literatur« erhalte (S. VI). Schließlich wird und schlimmen Folgen [zu] schildern, die die Na-
der 2. Teil als eine »brauchbare« Fortsetzung tur in diesem Alt entwickelt. Kinder und Jugendli-
nicht nurder Wezelschen, sondern auch derCam- che sollen nicht lebendige Moralen, sondern nur
peschen Bearbeitung ausgegeben, wodurch die moralisch klug werden; und zu diesem Endzwek-
Einbindung auch des 2. Teils in den Bereich der ke kenne ich kein ander Mittel, als daß man ihnen
Jugendliteratur noch einmal deutlich wird. Affekten und Leidenschaften in der Ordnung dar-
Wezcls Robinsonbearbeitung will zunächst stellt, wie sie die Natur in ihnen aufweckt, und ih-
der Unterhaltung dienen: Seine Lektüre soll als nen das Gute und Schlimme ihrer Wirkungen an-
»Zeitvertreib« (I, XX) angesehen werden. In der schaulich zeigt« (I, S.XXII f. ). Deutlich wird hier,
Vorrede zum 2. Teil bemerkt Wezel, daß er dem daß Wezel sich gegen eine Tugenderziehung wen-
Dessauer Institut auch »unterhaltende Aufsätze« det, die allein mit positiven, vorbildlichen Hand-
habe liefern sollen, »die nach dem von mir vorge- lungsmustern operiert. Einer solchen morali-
schlagenen Plane ein besondres Lesebuch für die schen Erziehung stellt Wezel die Forderung nach
Jugend ausmachen sollten« (II, S.VI f). Neben einer ungetrübten und wertungsfreien Darstel-
die unterhaltende tritt jedoch eine belehrende Ab- lung der menschlichen Leidenschaften und aller
sicht: Wezels Intention besteht darin, »die jungen ihrer gleichsam natürlichen, positiven wie negati-
Leser mit der Geschichte des Menschen bekannt ven Folgen entgegen. Nur hierdurch könne der
zu machen« (II, S.VII). Die Robinson-Erzählung junge Mensch auf den Kampf mit den Leiden-
begreift Wezel als »eine Geschichte des Men- schaften vorbereitet werden: »ihn vor aller einsei-
schen im Kleinen, ein Miniaturgemählde von den tigen Kenntnis [der] Leidenschaft [zu] bewahren,
verschiedenen Ständen, die die Menschheit nach ist Klugheit und Notwendigkeit« (1, S. XXIV).
und nach durchwandert ist« (I, S. XVII f.). Die Seine Kritik der bisherigen Tugenderziehung und
Absicht, eine Darstellung der Geschichte des seine Forderung nach einer realistischen Darstel-
Menschen zu geben, gilt für beide Teile des Ro- lung von Mensch und Welt hat Wezel kurz zuvor
mans. Hierbei behandelt der 1. Teil die Verände- in der Abhandlung »Welche Seite der Welt soll
rungen, die sich allein aus dem Verhältnis zwi- manjungen Leuten zeigen?« dargelegt, die in den
schen dem noch als vorgesellschaftlich begriffe- Pädagogischen Unterhandlungen (2. Jg. 1778, I.
nen Menschen und der Natur ergeben, während Quartal, S.43-67) erschienen ist und zum Ver-
der 2. Teil diejenigen Entwicklungen thematisiert, ständnis der beiden Vorreden herangezogen wer-
die dem gesellschaftlichen Zustand des Men- denmuß.
schen entspringen. Die Vorrede zum 2. Teil hebt InderVorredezum 1. TeilgehtWezelaufdie
die zusammenhängende Konzeption beider Teile Absicht der Campeschen Robinsonbearbeitung
besonders deutlich hervor: Der l. Teil gebe »Bei- ein, die Seuche der Empfindsamkeit zu bekämp-
spiele von den Veränderungen, die die vier fen. Auch Wezel gehört zu den Feinden jeglicher
Haupturheber der menschlichen Erfindungen, Empfindsamkeit; er warnt jedoch davor, diese
Not, Zufall, Leidenschaft, Witz, in dem Zustande » Nationalkrankheit« (I,S.V) zu unterschätzen
des Menschen hervorgebracht; wie sie die Aufsu- und für eine bloß literarische Mode zu halten.
chung der Materialien und ihre Anwendung zum »[ ... ] die gegenwärtige Empfindsamkeit ist kein
Bedürfnis oder zur Bequemlichkeit veranlaßt ha- gemachtes, blos von gewissen Schriften veranlaß-
ben« (II,S.X f.); der zweite Teilliefere demgegen- tes, sondern größtenteils ein natürliches Übel«
über »Beispiele von den Veränderungen in dem (I,S. V f. ). Ihre Bekämpfung sei denn auch eher ei-
Zustande der Gesellschaft, und von den Erfin- ne Sache von Pädagogen (I,S.XII), Ärzten und
dungen, die aus der gesellschaftlichen Vereini- solchen Personen, »die durch ihr Beispiel Einfluß
241 Wezel, Robinson Krusoe, 1779/ 80 242

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Wezel, Johann Kar/: Robinson Krusoe. Neu bearbeitet.- Leipzig 1779 (Nr. 1008). Titelblattmit Vignet-
te (unsigniert), Kupferstich-Frontispiz von Geyser nach Klaff

auf Sitten und Lebensart haben« (I,S.VIII), als und Pädagogen wohl höchst bedenklich sein mö-
die von Schriftstellern. Doch könnte auch diese ge, dennoch aber ein »unentbehrliches poetisches
ihren Beitrag leisten: >>[ ••• ] will der Schriftsteller Bedürfnis« darstellen könne (ebd.). Wezel fordert
auch das seinige zu diesem Behufe tun, so muß ers hiermit Autonomie für die künstlerische Gestal-
freilich durch ein Buch bewerkstelligen, das die tung, die sich unabhängig von moralischen und
Menschen von der Passivität zur Tätigkeit hin- pädagogischen Rücksichten entfalten müsse. Der
zieht [ ... ]« (I,S.XII f.). Wezel gibt eine ausführli- Moralist und der Pädagoge müßten »das Bedürf-
che Vorstellung davon, wie ein solches gegen die nis und die Einschränkung der dichterischen
Empfindsamkeit gerichtetes Buch aussehen müs- Kunst« (I, S. XXVIII) respektieren, während sich
se (I, S.XII-XVII). Der Robinson allerdings kön- umgekehrt die Dichtung nach ihren immanenten
ne nicht als ein solches Buch angesehen werden: poetischen Gesetzmäßigkeilen zu richten habe
»[ ... ] aber Robinson ist dazu viel zu schwach.« und keinerlei Rücksicht auf die eine oder andere
(I,S.XIII). Hieraus ergibt sich seine Kritik an schädliche Auswirkung nehmen dürfe. Der Dich-
Campe: Dessen Irrtum bestehe nicht nur darin, ter könne wenig dafür, »daß sein nach dieser Re-
daß er den Robinson und damit einen für diesen gel entstandenes Werk diesem oder jenem Sub-
Zweck ungeeigneten Stoff gewählt habe, sondern jekte Schaden tut« (I,S.XXV). Für Wezel ist es die
auch darin zu glauben, die Empfindsamkeit allein Aufgabe des Pädagogen, die Einseitigkeilen aus-
mit einem Buch bekämpfen zu können. zugleichen, die die Dichtung aus poetischen
Neben dem unterhaltenden wie dem philo- Gründen enthielte: »Es ist des Erziehers Sache,
sophisch und moralisch belehrenden Zweck ver- aus diesen verschiedenen einseitigen Gemälden
folgt das Werk schließlich eine künstlerische Ab- die vollständige Kenntnis seines Zöglings zu bil-
sicht, die Wezel den »poetischen Effekt« nennt den: auf ein Gedicht, eine Erzählung, ein Drama,
und von der er behauptet, sie keinem der anderen das Liebe, Melancholie, Empfindsamkeit u.s.w.
Zwecke untergeordnet zu haben. »Der Zweck, auf der einnehmenden Seite darstellt, lasse er in
worauf der Dichter arbeitet, ist der beste poeti- der Lektüre seines Untergebenen unmittelbar ein
sche Effekt, und er gebraucht dazu die Mittel, die anderes folgen, das diese Dinge auf der Rückseite
ihn nach seiner Einsicht hervorbringen« zeigt« (I,S.XXVIII f.). Keinesfalls dürfe der Pä-
(I,S.XXIV f. ). Ein solches Mittel könnte etwa eine dagoge den »poetischen Effekt« eines Werkes
»einseitige Schilderung« sein, die den Moralisten seinem »moralischen Endzweck« unterwerfen.
243 Unterhaltende Schriften 244

Zu einem solchen Widerstreit zwischen »poeti- er liest, nicht alles verstehen: er frage, sinne oder
schem Effekt« und »moralischem Endzweck« suche nach.« ( ebd. ). Eine Kinderliteratur, die sich
kommt es allerdings für Wezel vornehmlich nur nach autonomen künstlerischen Gesetzmäßigkei-
bei den oben genannten »kleineren« Gattungen ten richtet und nur durch eine geringe Adaption
der Literatur. Der Roman dagegen bietet für ihn gekennzeichnet ist, ist von der Erwachsenenlitera-
stärker die Möglichkeit einer vielseitigen, umfas- tur prinzipiell nicht mehr zu scheiden, was im Sin-
senden Schilderung, die auch den Moralisten und ne Wezels ist, der seine Robinsonbearbeitung ja
Pädagogen zufrieden stellen kann: »In größeren nicht nur für Kinder, sondern für »Jedermann«
Werken, wie in Romanen, kann man schon etwas verfaßt hat.
begehrlicher von dem Dichter fordern, nicht daß Am Ende der Vorrede zum ersten Teilläßt
er den poetischen Effekt dem moralischen End- Wezel einen Gedanken anklingen, der in dieser
zwecke aufopfern, sondern daß er sie beide verei- Form erst gegen Ende des Jahrhunderts zum Tra-
nigen soll, wo er kann« (I,S. XXV). gen kommt, den nämlich einer ästhetischen Erzie-
Aus der Selbständigkeit des »poetischen Ef- hung. Gerade dadurch, daß sie die allgemeinen
fektes« ergibt sich für Wezel eine zusätzliche Be- poetischen Gesetzmäßigkeiten nicht außer Kraft
gründung der realistischen Schreibweise. War ei- setzt, sondern respektiert, erfüllt die Kinderlitera-
ne realistische Darstellung menschlicher Tugen- tur für ihn einen bedeutenden moralisch-pädago-
den und Lasten wie auch der positiven und negati- gischen Auftrag, den der Bildung der Kinder zum
ven Folgen der Leidenschaften für Wezel schon Geschmack, denn »der Geschmack für das Schö-
aus rein pädagogischen Gründen die bessere Er- ne ist auch ein wesentlicher Teil der pädagogi-
ziehungsmethode, so wird sie nun auch als ein schen Bildung« (I,S. XXXIV).
»poetisches Bedürfnis« legitimiert: »Mit eben so Wezel hebt hervor, zur Bearbeitung des Robinson
vieler Unbilligkeit rücken Laien in der Kunst den im Unterschied zu Campe nicht durch Rousseaus Beur-
Dichtem den Gebrauch derthörichten und laster- teilung des Romans im Emile angeregt worden zu sein
haften Charaktere vor: sie übersehen, daß Kon- (II,S. IV). Er habe sich des »in jüngeren Jahren«
trast eins von den obersten poetischen Hülfsmit- (II,S. VIII) gelesenen Romans erinnert, als er aufgefor-
teln ist, und daß ein Werk, dem es in Leidenschaf- dert wurde, für die Dessauer Schüler »unterhaltende
ten, Situationen und Charaktem ganz daran fehlt, Aufsätze« zu liefern. Von der Aufwertung des Robin-
nothwendig unschmackhaft seyn müßte.« son zu einem »Wundermittel« (I,V) bei Rousseau und
Campe distanziert Wezel sich: »Ich hatte bisher den
(I,S.XXX) englischen Abentheurer für einen guten ehrlichen Kauz
Die Behauptung der Autonomie poetischer gehalten, der durch seine sonderbaren Schicksale und
Gesetzmäßigkeiten führt Wezel schließlich auch durch eine eigne Mischung von Zaghaftigkeit und Mut,
zu einem Verständnis von Kinder- und Jugendli- von Einfalt und Klugheit, von Gutherzigkeit und Grau-
teratur, das von dem philantohropischen Modell samkeit belustigen könnte [ ... ]« (I,S.IV). Für ihn ist der
abweicht und diese wieder der Erwachsenenlite- Defoesche Roman eine Abenteuererzählung ohne phi-
ratur annähert. Ja, die Differenz zwischen beiden losophische Idee, deren »gottesfürchtige gutgemeinte,
wird tendenziell eingeebnet, zielen beide doch auf aber unschickliche und nicht selten einf"ältige Betrach-
ein und denselben »poetischen Effekt« ab. Für tungen oft Langeweile mach[en]« (II,S.V). Wezel hebt
denn auch hervor, daß die Idee, den Roman zu einer
Wezel ist es deshalb auch eine falsche Maxime, Veranschaulichung der »Geschichte des Menschen« zu
»wenn man behauptet, daß man für Kinder an- machen, von ihm als dem Bearbeiter stamme: «Es
ders schreiben soll, als für Erwachsene, auch in scheint nicht, daß Defoe diese philosophische Idee ei-
der Erzählung, und nicht bloß bei Sachen des Ver- gentlich dabei gehabt hat, und sein Schatten wird mir
standes. Man muß für alle Alter deutlich und mit vergeben, daß ich ihm etwas andichte, woran er viel-
Geschmack schreiben, und ich begreife nicht, leicht nicht dachte« (1, S.XVIII). Die weiteren Verände-
warum ein kraftloser, wäßrichter, schlechter Stil, rungen schildert Wezel wie folgt: »Zusammendrän-
voll ekelhafter Wiederholungen und tätschelnder gung der Geschichte, ihre Richtung auf den vorhin ge-
Ausdrücke dem Kinderverstande angemessener nannten Zweck, Erfindung, Anordnung und Kolorit ei-
niger Naturscenen, Umbildung einiger Begebenheiten,
sein soll. Bei den meisten Kinderbüchern soll man
Ton und Gang der Erzählung sind alle Verdienste um
glauben, daß sie von Kindem und nicht für Kin- meinen Abentheurer, auf welche ich mit Recht An-
der geschrieben wären: wir töden den guten Ge- spruch machen kann: das Übrige gehört seinem ersten
schmack im Keime, gewöhnen sie an das Schlech- Verfasser« (I,S.XVIII).
te und verderben sie durch solche elende Sprache Der erste Teil der Bearbeitung Wezels hält sich in
so sehr, als durch den vorgekauten Brey, womit bezug auf Handlungsverlauf und Ereignisfolge eng an
wir sie von den Ammen stopfen lassen.« den ersten Band des Defaeschen Romans. Der wohl be-
(I,S. XXXI f.) Für die Kinderliteratur gelten je- deutsamste Eingriff des Bearbeiters besteht in der Straf-
fung der Erzählung, die zu einer Kürzung des Romans
doch nicht nur die poetischen Gesetzmäßigkeiten
um weit mehr als die Hälfte führt. Der Straffung fallen
der allgemeinen Literatur; auch in stofflich und im wesentlichen die detaillierten Schilderungen einzel-
methodischer Hinsicht soll sie sich für Wezel dem ner Ereignisse und Verrichtungen bei Defoe zum Opfer,
kindlichen Leser nicht allzu sehr anpassen: »Der die bei Wezel nur in knapper, summarischer Weise be-
Knabe muß schlechterdings in einem Buche, das richtet werden. Durchgängig weggelassen sind die zahl-
245 Wezel, Robinson Krusoe, 1779/80 246

reichen Passagen des Defoe-Romans, die diereligiösen den nicht mehr unter der ))philosophischen Idee« ste-
Reflexionen und erbaulichen Betrachtungen Robin- hen, legt nicht zuletzt auch eine Bemerkung in der Vor-
sons enthalten und den Träger der inneren Handlung, rede zum 2. Teil nahe: Wezel spielt hier aufCampes An-
der religiösen Bekehrung, bilden. Bei Defoe stehen die- kündigung einer Robinsonbearbeitung an, die ihn ver-
se reflektierenden Passagen zumeist an Drehpunkten anlaßte, die stückweise Publikation der seinigen in der
der Handlung; Wezel hat diese denn auch nicht ersatz- Dessauer Jugendzeitschrift abzubrechen, die im übri-
los gestrichen, sondern an ihre Stelle eigene Einschübe gen- wie sich aus der späteren Fortsetzung von Sander
gesetzt, die den von ihm anvisierten philosophischen ersehen läßt - bis zum Ende eben dieser zweiten Ro-
Gehalt zum Ausdruck bringen. Es handelt sich hierbei manepisode gelangt war. ))Kurz darauf fand sich eine
um folgende Stellen: Bei der ersten Besinnung und Re- Ursache, die mich nöthigte, den ganzen ersten Theil be-
chenschaft Robinsons auf der Insel ersetzt Wezels De- sonders herauszugeben: ich mußte freilich einen großen
foes Gedanken von Vorsehung und Strafe durch den Theil meines Plans aufopfern, wenn ich nicht zu sehr
von Zufall und Glück (1, S.79 f, 81 ff); weitere Bemer- vom Defoe abweichen und ein neues Buch machen
kungen über den Zufall finden sich in der nachfolgen- wollte [ ... ]« (Il,S.VIII) Dies letztere kann sich nur auf
den Romanepisode (1, S.89, 91, 116, 118). Andere Ein- die noch ausstehenden Romanepisoden des ersten Teils
schübe befassen sich mit dem Ursprung menschlicher beziehen, die noch nicht bearbeitet waren und sich für
Erfindungen (1, S.89, 133f, 152 f) und der Vermehrung Wezels Plan als unbrauchbar erwiesen, die jedoch um
der Bedürfnisse (I, S.69, 139-141). Andere schließlich der Einheit des Werkeswillen doch noch übernommen
suchen die verschiedenen Entwicklungsstufen der wurden.
Menschheit zu markieren, die Robinson exemplarisch Die folgenden Romanepisoden nehmen sich in
durchlebt (1, S. 151, 155, 159). Wezels Bearbeitung wie folgt aus: von der Entdeckung
Die erste Romanepisode, die Vorgeschichte bis der Fußspuren bis hin zur Auftindung eines neuen
zum Schiffbruch, ist bei Wezel aufknapp 40 Seiten zu- Wracks (I,S.l60-184), dann folgen die Freitag-Episode
sammengezogen (1, S. 1-38). Bezüglich des Handlungs- (I,S.l84-212), die Entdeckung neuer Wilder, die Befrei-
gerüstes ergeben sich keine bedeutsamen Abweichun- ung des Spaniers und des Vaters von Freitag bis zur
gen von Defoe. Der Hinweis auf das Schicksal der Brü- Gründung einer kleinen Monarchie unter Robinsons
der Robinsons fehlt bei Wezel. Auffällig ist angesichts Herrschaft (I,S.212-231 ), schließlich die Schlußphase
der sonst vorherrschenden Zusammendrängung der der Inselperiode von der Ankunft des englischen Schif-
Handlung, daß die Xuri-Episode bei Wezel fast ebenso fes und der Überwindung der Meuterer bis zur Abfahrt
ausführlich wie bei Defoe gestaltet ist (1, S.l7-34); über Robinsons (I,S.231-258). Die als Nachgeschichte aus-
den Verkaufvon Xuri, den Defoe lakonisch und knapp führlich bei Defoe beschriebene Rückkehr über Liss-
berichtet, stellt Wezel zusätzliche Reflexionen an (1, abon nach London hat Wezel auf knapp zwei Seiten zu-
S.34). sammengefaßt (I,S.258-260). Die wohl weitgehendsten
Die zweite Romanepisode, der Inselaufenthalt bis Veränderungen finden sich in der Periode mit Freitag,
zur Entdeckung der Fußspuren (1, S.38-159), weicht der bei Wezel mit )) Franz« einen richtigen Vomamen er-
gleichfalls nicht von Handlungsverlauf der englischen hält. Hier fehlen bei Wezel sowohl die starken Unter-
Vorlage ab. Der bei Defoe in diesem Teil sich findende würfigkeitsbezeigungenvon Seiten des Wilden wie auch
Wechsel zum Tagebuch findet sich bei Wezel nicht. Die die strengen Unterwerfungsgesten von Seiten Robin-
Entdeckung des Geldes auf dem Schiffswrack (1, S.67 f) sons. Bei der religiösen Unterweisung Franzens läßt
veranlaßt Wezel zu einer von Defoe abweichenden Wezel Robinson selbst unsicher werden, der insbeson-
Stellungnahme. Robinson erkennt die Nutzlosigkeit des dere durch das Theodizee-Problem, die Frage nach dem
Geldes und nimmt es nur aus alter Gewohnheit mit. We- Sinn des Bösen in der Welt, außer Fassung gebracht
zel übernimmt diese Passage von Defoe, bezeichnet wird: »Der ehrliche Robinson, der selbst nur einfältig-
aber sogleich Robinsons Haltung als ))einseitige Philo- lieh glaubte, was ihm seine Kirche zu glauben befahl,
sophie« und läßt ihn später sich korrigieren: ))[ ... ] er wurde oft durch die Fragen seines Lehrlings in Verwir-
fühlte izt aus der Erfahrung, daß seine Betrachtungbey rung gesezt, besonders als er sich Mühe gegeben hatte,
Erblickung des Goldes auf dem Schiffe falsch gewesen ihm eine genaue Beschreibung vom Teufel zu machen.
war, daß es eine von den wesentlichsten Bestimmungen Franz wunderte sich, warum sein Gott, wenn er mächti-
des Menschen seyn muß, viel Bedürfnisse zu haben, ger wäre als der Teufel, dieses Ungeheuer nicht um-
und durch sie thätiger und glücklicher, als ohne sie, zu brächte, Robinson wußte sich nicht zu helfen, und ver-
werden« (I,S.69). sicherte ihn, daß dieses am Ende der Welt geschehen
Es hat den Anschein, als würde allein dieser Teil würde« (I,S.205). Das Gefälle zwischen Robinson und
des Romans Wezels philosophische Absicht tragen, ei- Freitag ist solchermaßen weniger groß als bei Defoe;
ne Darstellung der Geschichte der Menschheit zu ge- dafür ist Wezel aber wenig an dem geschichtsphiloso-
ben. Alle oben aufgeführten philosophischen Einschü- phischen Problem interessiert, das sich aus dem Zusam-
be Wezels finden sich in dieser Episode. Sodann läßt der menstoßen von Wildem und Zivilisiertem ergibt. Wezel
Schlußabsatz darauf schließen, daß mit ihm die Inten- hat denn auch eine bedeutende Reflexion weggelassen,
tion, die verschiedenen Entwicklungsstufen der in der bei Defoe der an sich gute Charakter der Wilden
Menschheit darzustellen, vollständig realisiert ist: ))So- der Verdorbenheit der Zivilisierten gegenübergestellt
nach war Robinson alle Stände der Menschheit nun- wird (I,S.200-201). Bei Wezel taucht die Idee des guten
mehr durchwandert: Er war Jäger, Fischer, Ackers- Wilden nicht auf.
mann, Hirte gewesen; er hatte Handwerke, Künste und Wie schon die letzten Episoden des ersten Teils, so
Schiffahrt erfunden; und er befand sich itzo in dem Ge- schien Wezel auch der gesamte zweite Teil des Defae-
nusse der erfundenen Bequemlichkeiten so wohl, daß schen Romans für seine philosophische Absicht un-
ihm Ruhe und Sicherheit vor Mangel Langeweile mach- brauchbar zu sein: )) ... wie erstaunte ich, als ich im
ten« (I,S.l59). Daß die noch folgenden Romanepiso- zweiten Teile, den ich ehemals gar nicht gelesen hatte,
247 Unterhaltende Schriften 248

auch nicht das mindeste für meine Absicht brauchbar auf. Auf der Insel erzählt ihnen der Spanier, der ihr
fand« (Il,S.VIII f.). Der zweite Teil geht deshalb ganz Oberhaupt geworden war, von den Auseinandersetzun-
auf eigene »Erfindung« zurück. Er läßt sich in vier gen, die sich in Abwesenheit Robinsons in der Kolonie
Hauptepisoden einteilen: Die erste beschreibt Robin- zugetragen haben.
sons Schicksal bis zur Rückkehr auf die Insel (II, Die Konflikte brechen zwischen den spanischen
S. 1-37). Die zweite Romanepisode besteht aus der Dar- Kolonisten und den ausgesetzten englischen Matrosen
stellung der Entwicklung der Kolonie seit Robinsons aus, von denen einige sich weigern zu arbeiten und dem
Abfahrt, die der Spanier dem wiedergekehrten Robin- »Müßiggang« nachgehen (II,S.40). Da diese aber auch
son gibt (II, S.38-141). Auf diese erzählerische Rück- durch Raub sich nicht zu ernähren vermögen, unterwer-
blende folgt als dritte Romanepisode die Beschreibung fen sie sich den Spaniern und werden zu deren Knech-
der Versuche Robinsons, die Insel zu regieren; dies en- ten. Neid aber treibt sie zu Rebellion und Krieg, an de-
det mit dem Abschied Robinsons von der Insel und sei- ren Ende ihre Versklavung steht (II,S.54); die gutmüti-
nem kurz darauf erfolgenden Tod (II, S. 142-207). Die gen Engländer werden zu Vaselien der Spanier. Die
letzte Romanepisode trägt den Titel »Geschichte der Spanier leben zunächst in einer auf Gemeineigentum
Kolonie« und schildert die Herrschaft des Sohnes Karl basierenden Republik, bis schließlich Zwietracht auf-
Robinson über die Inselgesellschaft und deren weitere kommt und Privateigentum gebildet wird. Die fortdau-
Entwicklung bis zum Untergang (II, S. 208-308). ernde Zwietracht und der wachsende Unterschied von
Nach seiner Rückkehr von der Insel gründet Rob- Arm und Reich führen zur Entstehung eines Richteram-
inson eine Familie und wird auf einem Gut seßhaft. Er tes, eines Strafgesetzbuches und einer Polizei (Il,S.60
wird jedoch von Sehnsüchten geplagt, und als seine ff). Fünf Wilde werden zu Sklaven genommen und er-
Frau stirbt, realisiert er schließlich seinen schon lange halten die schwere Arbeit, wodurch den Spaniern Zeit
gehegten Plan, die Insel wieder zu besuchen. Zusam- für Muße und die Künste bleibt (II,S. 72). Die drei ver-
men mit Franz bricht Robinson unter Mitnahme von sklavten Engländer befreien sich, gründen eigene Nie-
mehreren Handwerkern und zahlreichen Gerätschaften derlassungen und beginnen mit einem Tauschhandel,
an dem auch die Spanier sich beteiligen und der zu neu-
er Ungleichheit und zu neuen Leidenschaften führt. Ein
erneuter Krieg, den die Engländer zusammen mit den
Wilden gegen die Spanier führen, bringt ihre erneute
Unterwerfung; sie werden zu Statthaltern der Republik
über die Wilden, die sich als Sklaven ergeben (II,S.ll5).
Der zunehmende Tauschhandel hat zum einen die
Transformation der Republik der Spanier in eine Ari-
stokratiezur Folge (II,S.l23) und führt zum anderen zur
Entstehung von Geld, das in seinen verschiedenen Be-
stimmungen als Wert, Preis und Zahlungsmittel entwik-
kelt wird, wobei es schließlich auch zur Schatzbildung
kommt (II,S.J34-139).
Zur Zeit der Rückkehr Robinsons existieren auf
der Insel insgesamt 6 verschiedene Gesellschaftforma-
tionen: Die Spanier bilden eine Aristokratie, eine der
englischen Niederlassungen eine handelnde Republik
(II,S.l24 f), die zwei anderen eine Despotie (II,S.l 25
ff), Franzens Vater und die 5 wilden Sklaven eine Mon-
archie; die zwei gutmütigen Engländer leben immer
noch »in dem ersten Stande der Nautr« als »Hausväter
einer Familie« (II,S.l27).
In der dritten Romanepisode erscheint Robinson
wieder als handelnde Person. Er will das gemeinschaft-
liche Oberhaupt der Insel werden und bereist nun jede
der Gesellschaften (II,S.l47 -174). Sodann sucht er den
Staat zu reformieren: Er teilt die Gesellschaft nach dem
Vermögen in drei Klassen ein (II,S.176), schafft die
Grundlage zur Herausbildung eines Adels (II,S.l78),
richtet eine wöchentliche Versammlung ein und refor-
miert die Gesetze, die er zugleich mit der Religion zu
verbinden sucht (II,S.l79 ff). Hieran schließt sich eine
längere Passage über die Entwicklung der Religion bei
den Völkern an (II,S.185-192). Pläne Robinsons, die
Sklaverei abzuschaffen und die Gesellschaften zu verei-
nigen (II,S.l93), mißlingen, wie auch die Despotien sich
nicht verändern lassen. Der »Anblick so vieler Übel, die
sich nicht abstellen lassen« (II,S.200), läßt Robinson
Johann Kar/ Wezel (1747-1819). Abbildung ent- von der Insel sich abwenden und nach Europa zurück-
nommen aus: Leipziger Musenalmanach auf das kehren. Vor seinem Tode setzt er seinen Sohn Karl zum
Jahr 1782. - Leipzig 1782. Kupferstich-Frontispiz Regenten der Insel ein (II,S.205 f).
von Geyser Die letzte Romanepisode schildert zunächst das
249 Wezel, Robinson Krusoe, 1779/80 250

Wachstum der Inselgesellschaft bis zu dem Zeitpunkt, die Menschen neigten (I,S.l38). Solcherlei historische
»wo sie zu einem großen eingerichteten festen Staate Distanzierungen finden sich überwiegend bei Schilde-
wurde« (II,S.207). Robinson beauftragt seinen Sohn, rung religiöser Phänomene und kennzeichnen die Ver-
Tiere auf die Insel zu bringen, durch deren Einsatz allein gangenheit als eine teilweise noch unaufgeklärte Zeit.
die Sklaverei abgeschafft werden kann (II,S.214 f). Der Dem aber steht bei Wezel nicht ein Überlegenheitsbe-
»feurige« und machthungrige Kar! nutzt dies jedoch wußtsein der aufgeklärten Gegenwart gegenüber, die
aus, um die Spanier seiner Herrschaft zu unterwerfen. von sich behaupten könnte, Unvernunft und Aberglau-
Er errichtet ein Lehns- oder Feudalwesen, in dem die ben restlos überwunden zu haben.
Spanier zu Leibeigenen werden (II,S.223 ff); seine Die Kommentare Wezels richten sich schließlich
Hauptleute machen sich selbständig und werden zu ei- auch direkt an den Leser und setzen sich mit dessen Le-
ner »Menge kleiner Tirannen« (II,S.229). Das Feudal- serwartungen auseinander. Wezel geht davon aus, daß
wesen bezeichnet Wezel hierbei als eine »Erfindung der die Leser einen spannenden Reise- und Abenteuerro-
Faulheit« und einen »Kunstgriff des Müßiggangs« man erwarten, der alle trivialen Erzählmuster der Gat-
(II,S.224 f). Es kommt zu einer Entstädterung und ei- tung erfüllt. Diese Erwartung sucht Wezel durch ironi-
nem Rückgang von Handel und Gewerbe. Die Streite- sche Erzählerkommentare zu zerstören: »Nichts ist in
reien der Ritter lassen nur noch ein schwaches Ober- einer Reisebeschreibung weniger unerwartet, als ein
haupt zu; als Nachfolger Karls wird Ludwig Mortimer Sturm: man wird sich daher nicht im mindesten wun-
gewählt (II,S.232). Nach langer Zeit kommt es wieder dem, wenn dem armen Robinson nicht lange nach sei-
zur Anlage befestigter Städte, die ökonomisch erstarken ner Ausfahrt einer der schrecklichsten begegnet, mit
und zu selbständigen Republiken werden, in denen welchem jemals ein Schiff gekämpft hat [ ... ]« (II,S.37
kaufmännischer Geist und friedfertige Denkungsart f.). Im zweiten Teil wird die Ironie umgekehrt: »Diese
herrschen (II,S.243 ff). Durch die Zwistigkeiten des Reise war überaus glücklich für unseren Abenteuerer,
Adels erhält auch das Landvolk mehr Freiheit aber desto unglücklicher für seinen Geschichtsschrei-
(II,S.248). Diese Entwicklung wird jedoch durch den ber; denn sie lief so ganz ohne alle Gefährlichkeiten,
Einfall spanischer Truppen gebremst, die das Land Stürme und Widerwärtigkeiten ab, daß man im eigentli-
nach anflinglichem Widerstand in ihre Gewalt bekom- chen Verstande nichts davon zu erzählen weiß, als- er
men. Ein spanischer Stadthalter wird eingesetzt reiste ab und kam an« (II,S.ll). Ob nun das Sensations-
(II,S.253). bedürfnis des Lesers erfüllt wird oder nicht, in beiden
Damit beginnt zugleich der Niedergang: Unter Fällen wird es ironisch zersetzt, was Wezel auch an an-
spanischer Herrschaft wird das Gold entdeckt und ein deren Stellen noch durchspielt (vgl. etwa I,S.8,9 f). Die
wahrer Goldrausch entfacht (II,S.254 ff), der aber zu In- Desillusionierung der Leseerwartung dient Wezel
flation und zum Erlahmen aller wirtschaftlichen Tätig- gleichfalls dazu, beim Leser eine distanziert -kritische
keit führt. Das Gold verliert an Wert, wodurch Blei zum Haltung zu erzeugen.
begehrten Metall wird (II,S.262). Die gesellschaftlichen Weil die Forschungsliteratur bisher zumeist
Auswirkungen sind übertriebener Luxus, allgemeine nur den ersten Teil von Wezels Robinson berück-
Erschlaffung und Langeweile (II,S.270). Es tauchen sichtigt hat, konnte die philosophische Anlage
»melancholische Priester« auf, die eine asketische Reli- des Romans nur unzureichend herausgestellt und
gion, eine menschenscheue, selbstquälerische Den-
kungsart und allgemeines Büßerturn verkünden. Diesen gewürdigt werden, zumal diese sich im ersten Teil
religiösen Phänomenen ist erneut ein großer Abschnitt nur unvollkommen zeigt. Das Werk wurde zu-
gewidmet (II,S.276-299). Schließlich lehnt der Statthal- meist nur als Robinson-Bearbeitung angesehen.
ter sich gegen das spanische Mutterland auf und macht Als Ganzes stellt es jedoch durchaus ein selbstän-
sich zum Tyrannen, was wiederum einen Aufstand ge- diges Opus dar, das eine eigenständige Konzep-
gen ihn hervorruft (II,S.302 f). Der Despot wird er- tion aufweist und nur in der äußerlichen Seite des
mordet; an die »Stelle der Unterdriickung« tritt die Geschehens noch dem englischen Original folgt,
»Anarchie«, die schließlich den Untergang der Gesell- auch wenn dies der erste Teil für sich genommen
schaft bringt. Eine Pestseuche läßt die Bevölkerung
noch nicht erkennen läßt. Das Gesamtwerk führt
schließlich aussterben.
die Absicht, im Bild des Robinson und seiner Ko-
Wezels Bearbeitung hat die Ich-Erzählung des De- lonie die Geschichte der Menschheit widerzu-
foeschen Originals in eine Er-Erzählung übersetzt. Die
spiegeln, konsequent durch. Hierbei sucht Wezel,
Unmittelbarkeit des autobiographischen Berichts bei
Defoe, die durch den Tagebucheinschub noch erhöht in der Abfolge der einzelnen Handlungsepisoden
wird, ist bei Wezel aufgehoben zugunsten einer Distanz die Aufeinanderfolge der verschiedenen ge-
zum erzählten Geschehen, die durch knappe, lakoni- schichtlichen Entwicklungsstufen der Mensch-
sche Erzählerkommentare noch vergrößert wird. Die heit zu rekonstruieren. Der erste Teil deckt in sei-
Kommentare betreffen zunächst die Hauptfigur: Sie su- ner zweiten Romanepisode den Menschen in sei-
chen eine emotionale Identifizierung des Lesers mit nem vorstaatlichen Naturzustand ab und zeichnet
Robinson zu verhindern. Der Leser soll aus einer ratio- seine Entwicklung vom Sammler, Jäger und Fi-
nal-distanzierten Haltung heraus die Ursachen von scher zum Ackermann und Hirten nach.
Robinsons Verhalten erkennen und hierin zugleich all- Die gesellschaftlichen Entwicklungsprozes-
gemein-menschliche Reaktionsweisen sehen. Auch
se, die der zweite Teil schildert, geben modellhaft
sucht die erzählerische Distanzierung das Geschehen
von der Gegenwart und der Erzählzeit abzuriicken und den Verlauf der wirklichen Geschichte der euro-
als Vergangenheit zu markieren. So spricht Wezel von päischen Menschheit wieder. Den jeweiligen Be-
»damaligen Grundsätzen der christlichen Kirche« zug zur realen Geschichte deutet Wezel in Fußno-
(I,S.ll3) und von Gewohnheiten, zu denen »ehemals« ten an, die häufig mit der Formulierung »Dies hat
251 Unterhaltende Schriften 252

Ähnlichkeit mit [ ... ]« ihren Anfang nehmen (II, »Leidenschaften« und der »Witz« beteiligt.
S.l35, 137,183,223,224,228,233,236,247,283, (II,S.209). Unter »Witz« versteht Wezel hierbei
286, 292, 297 f., 302). Der Entwicklung der Kolo- »jede Bemerkung des Ähnlichen und also vorzüg-
nie bis hin zu Robinsons zweitem Abschied von lich die Erwartung ähnlicher Fälle« (II,S.21 0).
der Insel entspricht die Antike. In der Herrschaft »Der Witz erzeugte also die menschlichen Erfin-
der Spanier über die Insel mit ihren zahlreichen dungen: Verstand, Beurteilung und Nachdenken
Gesellschaften ist unschwer eine modellhafte Wi- trugen blos zu ihrer Vollkommenheit bei« (ebd. ).
derspiegelung des römischen Imperiums zu er- Die gleichen Faktoren sieht Wezel auch als die
kennen, was durch einzelne Anmerkungen We- >>Urheber von den Veränderungen in dem gesell-
zels (II, S. 135, 137) und durch zahlreiche Details schaftlichen Zustande« der Menschheit (ebd. ).
wie etwa der Sklavenfrage deutlich wird. Hierbei Geschichte ist mithin für Wezel ein Prozeß, der
darf die Entsprechung zum realen Geschichtspro- weder von einem außermenschlichen Wesen,
zeß nicht als strenge Parallele begriffen werden; noch vom Menschen selbst bewußt gelenkt wird,
es geht Wezel nicht um den konkreten histori- sondern in seinem Kern naturwüchsig abläuft;
schen Verlauf, sondern darum, die zu bestimmten die menschliche Vernunft kann allenfalls nach-
Zeitpunkten auftretenden Regierungs-, Herr- träglich Modifikationen an den Auswirkungen
schafts- und Abhängigkeitsverhältnisse in ihren anbringen, ohne an die eigentlichen Ursachen
allgemeinen Strukturen zur Darstellung zu brin- heranzulangen.
gen. Mit der Herrschaft des Sohnes Karl Robin- Seine skeptische Geschichtsphilosophie
son beginnt die Stufe, die dem europäischen Mit- bringt ihn zu geschichtlichen Erklärungen, die
telalter und seiner Feudalgesellschaft entspricht. materialistische Züge aufweisen. Da für ihn so-
Mit dem Wiedererstarken der Städte und dem in wohl ein göttlicher Lenker wie der autonome Ver-
ihnen aufblühenden kaufmännischen Geist und stand als geschichtsmächtige Kräfte ausfallen,
der freien Denkungsart ist modellhart die frühe muß er in äußeren natürlichen, geographischen
Neuzeit anvisiert, während die sich anschließen- und ökonomischen Faktoren den Ursprung ge-
de Herrschaft der spanischen Krone über die In- schichtlicher Veränderungen suchen. So ent-
sel geschichtlich die Phase des Absolutismus und springt für ihn eine bestimmte gesellschaftliche
der Machtpolitik repräsentiert und zugleich den Verfassung einerseits dem »natürlichen Charak-
Ausbruch einer Gier nach Reichtum und eines all- ter« des Menschen, andererseits »der natürlichen
gemeinen Materialismus veranschaulichen. Es Beschaffenheit des Landes, das er bewohnt«
zeigt sich, daß Wezel die Geschichte der Mensch- (I1,212). Daß Wezels Erklärungen gleichsam ge-
heit von ihren vorstaatlichen Anfängen über die lenkig bleiben, belegt seine Einsicht darin, daß ge-
Stufen der Antike und des Mittelalters bis hin zum sellschaftliche Verfassungen zwar aus dem »na-
neuzeitlichen Absolutismus in seiner Modellkon- türlichen Charakter« des Menschen entspringen,
struktion eingefangen hat. dann aber auf diesen zurückwirken und ihn ver-
Wezel geht es nicht nur um eine modellhafte ändern können: »[ ... ]aber wenn diese Verfas-
Darstellung von Geschichte; er möchte die Ge- sung einmal Festigkeit erlangt hat, wenn sein
schichte zugleich erklären und den Ursprung so- Handel, seine Beschäftigungsart und sein Reich-
wohl der menschlichen Erfindungen wie der ge- tum einmal bestimmt ist, dann erwachsen daher
sellschftlichen Verfassungen darlegen. Sein Werk Veränderungen in der Denkungsart, den Sitten,
hat also einen geschichtsphilosophischen An- Neigungen und selbst in den Verstandeskräf-
spruch. Wezels Geschichtsphilosophie ist hierbei ten [ ... ]« (II,S.212 f. ). Deutlich wird, daß Wezels
polemisch gegen alle teleologischen und heilsge- Begriff des Zufalls den einer materiellen und ge-
schichtlichen Geschichtskonstruktionen gerich- sellschaftlichen Zwangsläufigkeit durchaus nicht
tet, für die die Geschichte einen zielgerichteten ausschließt; als Zufall gilt ihm alles, was nicht
oder durch die Vorsehung bestimmten Prozeß dem bewußten Entschluß eines göttlichen oder
darstellt. An die Stelle der Vorsehung tritt bei We- menschlichen Wesens entspringt.
zel der Zufall als zentrale geschichtsphilosophi- So sehr Wezels frühmaterialistische Erklä-
sche Kategorie. Ironisch zersetzt er die bei Defoe rungsversuche auch in der Lage sind, den gesell-
herrschende Vorstellung, daß Robinsons Schick- schaftlich bedingten Charakter von Sitten und
sal von der Vorsehung gelenkt werde. Sein Robin- Denkungsart zu bestimmen, so bleiben in seiner
son ist ein »unterrichteter Europäer«, der einem Sicht doch zahlreiche gesellschaftliche Verhält-
solchen »abergläubischen Selbstbetruge« nicht nisse naturbedingt. Der Unterschied von Arm
verfällt (I,S.l39). Gleichzeitig richtet Wezel sich und Reich, die Ungleichheit des Vermögens wie
gegen Geschichtsauffassungen, die den menschli- der Macht und des Ansehens etwa sind für Wezel
chen Verstand oder Geist zum Urheber der Erfin- letztendlich nicht gesellschaftlichen Ursprungs,
dungen und der geschichtlichen Veränderungen sondern in der natürlichen Verschiedenheit der
machen. Den Anstoß hierzu geben vielmehr äu- einzelnen Individuen begründet: »so ist aus Stär-
ßere Umstände, der »Zufall« und die »Not«; ke und Schwäche, aus Fleis und Faulheit, aus
vom Inneren des Menschen her sind lediglich die Habsucht und Genügsamkeit eine Ungleichheit
253 Wezel, Robinson Krusoe, 1779/80 254

des Eigenthums, der Macht, des Vermögens und zeigt sich, daß Wezels Robinson mit Rousseaus
der Neigungen entstanden« (II,S.l41). »Auf alle Verständnis des Romans ganz und gar nichts zu
diese Wirkungen hatte unstreitig die ursprüngli- tun hat. Für Rousseau- wie dann auch für Campe
che Verschiedenheit der Menschen in ihren Nei- - wurde der Robinson-Roman gerade deshalb
gungen undGeschicklichkeitenden beträchtlich- pädagogisch bedeutsam, weil in ihm -jedenfalls
sten Einfluß [ ... ]« (II,S.211 ). Deshalb ist es auch was die Inselperiode betrifft- die moralische und
nicht kritisch gemeint, wenn Wezel den Unter- gesellschaftlich-geschichtliche Ebene noch ganz
schied von Arm und Reich wie die verschiedenen ausgeblendet war und es ausschließlich um natur-
Herrschaftstrukturen samt den hieraus sich erge- kundliche und handwerklich-technische Themen
benden Leidenschaften wie Neid und Rachsucht ging. Die Behandlung moralischer und gesell-
drastisch beschreibt. Herrschaft und soziale Un- schaftlicher Themen sieht Rousseau erst auf einer
gleichheit gehören für ihn zurNaturder menschli- späteren Stufe vor, auf der dann aber nicht mehr
chen Gesellschaft; ohne den Kampf um Macht der Robinson auftaucht. Wezels pädagogischer
und Reichtum, der nicht ohne Unterdrückung an- Einsatz des Robinson ist dem diametral entgegen-
derer abgehen kann, kann es nicht zu einer Entfal- gesetzt, was sich nicht zuletzt auch in dem älteren
tung und Vervielfältigung der Bedürfnisse kom- Adressatenkreis ausdrückt. Seine Beteuerung in
men. der Vorrede zum zweiten Teil, daß sein Robinson
Seine quasi-materialistische Sicht geschicht- mit der Beurteilung des Romans durch Rousseau
licher Prozesse läßt ihn nicht dazu kommen, sich nichts zu tun hat, muß deshalb als zutreffend ge-
für eine der politischen Verfassungen auszuspre- wertet werden und stellt keinen taktischen
chen. Die »verschiedenen Arten von Regierung« Schachzug im Konkurrenzkampf mit Campe dar.
sind vielmehr alle aus äußeren materiellen Wezels Opus stellt eine vorrousseausche Robin-
Zwangsläufigkeiten hervorgegangen; sie können son-Nachdichtung dar, die unter dem philosophi-
von den Mitgliedern einer Gesellschaft nicht ein- schen Einfluß Lockes, Voltairesund La Mettries
fach gewählt werden. Dennoch enthält sich Wezel steht.
nicht jeglicher Stellungnahme: Robinsons Rund-
reise durch die einzelnen Inselgesellschaften gibt Der zweite Teil des Romans hat 1795 eine neue
ihm hierzu Gelegenheit. Der blühenden Handels- Auflage erlebt, in der allerdings die »polemische Vorre-
de des Verf.« weggelassen und durch eine des Verlegers
republik steht der miserable Zustand der Despo-
Dyk ersetzt wurde. Der zweite Teil werde, so bemerkt
tien gegenüber: »Bey den beiden despotischen Dyk, »unter den witzigen Umständen, wo alles über
Engländern nahm er mit Betrübnis wahr, was für Staatsverbindung und Staatseinrichtung schwazt, dazu
traurige Wirkungen es hervorbringt, wenn das beitragen [ ... ],über beides richtige Begriffe zu verbrei-
Oberhaupt einer Gesellschaft sie bloß nach Will- ten« (S.VI). Einen Faksimile-Nachdruck der beiden
kühr und Einfällen behandelt, hart und grausam Vorreden enthält der dritte Band der Kritischen Schrif-
mit ihren Mitgliedern umgeht und die Früchte ih- ten Wezels, die im Rahmen der Deutschen Neudrucke
rer Arbeit allein genießt.« (II,S.157) Wezel übt 1975 in Stuttgart erschienen sind. Ein vollständiger
derart zwar politische Kritik, weigert sich aber, Nachdruck des Romans wurde 1979 von Anneliese
Klingenberg in Berlin (DDR) herausgegeben.
über seinen Skeptizismus hinauszugehen und das
Die Erwähnungen von Wezels Robinson in Arbei-
Bild eines idealen Staates zu entwerfen. Das Werk ten zur historischen Kinderbuchforschung sind so zahl-
endet deshalb auch mit dem Niedergang der In- reich, daß an dieser Stelle nur ausgewählte Hinweise ge-
selgesellschaft. Gerade aufgrund dieses skep- geben werden können, eine genauere Kommentierung
tisch-pessimistischen Schlusses ist häufig die päd- aber ausgeschlossen ist. Für Köster (1906/7; Nachdr.
agogische Eignung des Werkes angezweifelt wor- 1972) ist das Werk zu Unrecht »viel zu früh vergessen
den. Es liegt jedoch durchaus in der Linie von We- worden«. Es enthalte moderne Ansichten über Jugend-
zels moralischer Klugheitserziehung, sich mit mo- lektüre, sei heute noch lesbar und stehe nach seiner Mei-
ralischen und politischen Idealentwürfen zurück- nung höher als die Campesche Bearbeitung (S.281 ). Für
Köster ist der zweite Teil nicht für Jugendliche be-
zuhalten; die Vermittlung eines größeren Maßes
stimmt. Auch Köberle (1972) hält Wezels Vorstellungen
an Skepsis ist für ihn die bessere Vorbereitung auf von Jugendliteratur für modern; sie gibt eine kurze Dar-
die Welt. stellung des Inhalts des 2. Teils, hält diesen jedoch
Im Unterschied zu Campe spielt in Wezels gleichfalls nicht für ein Jugendbuch (S.124). Bei Prestel
Robinson die naturkundliche, geographische und ( 1933) findet sich eine ausführlichere Interpretation der
handwerklich-technische Belehrung keinerlei Vorrede zum I. Teil; seine Wertungen stimmen mit de-
Rolle. Wezel kann deshalb auch auf die ausma- nen Kösters und Köberles überein (S.23-25). Am Ende
lenden Schilderungen einzelner Verrichtungen des Abschnittes heißt es mit Bedauern: »Aber nicht We-
Robinsons verzichten. Ihn interessieren nicht die zels bildungswertigere Fassung, sondern Campes schul-
mäßigere Darbietung behauptete das Feld.« (S.25).
einzelnen Erfindungen als solche, sondern allein
Daß solcherlei Wertschätzungen Wezels in der histori-
die Frage ihres geschichtlichen Ursprungs. Einzig schen Kinderbuchforschung ganz und gar von Wolgast
die menschlich-moralischen, sozialen, politi- beeinflußt sind, wird bei Graebsch ( 1972) offen ausge-
schen und geschichtsphilosophischen Dimensio- sprochen. Zu den jugendliterarischen Bemerkungen
nen der Handlung sind ihm wichtig. Damit aber Wezels in der Vorrede heißt es: »Hier ist ein Stück der
255 Unterhaltende Schriften 256

Forderungen, die Wolgast etwa I 00 Jahre später stellte, Die wöchentlich (mit Datumsangabe) herausgege-
vorweggenommen. Aber in der damaligen Zeit hatte bene Zeitschrift besteht aus 2 Teilen zu jeweils 24 Liefe-
man kein Ohr für solche Sprache.« (S.49). Den man- rungen (»Stücken«). Die I. Lieferung erschien am 7.
gelnden Erfolg der Wezelschen Bearbeitung führt April1781, die Ietzteam 23. 3. 1782. Eine einzelne Liefe-
Graebsch auf den »mißratenen 2. Teil der Arbeit« zu- rung umfaßt etwa 16 Seiten. Längere Erzählungen er-
rück(ebd.). scheinen in Fortsetzungen über mehrere Lieferungen
Den Ausgangspunkt der neueren Beschäftigung verteilt. Die Texte sind unterzeichnet mit dem KürzelN.
mit dem Werk stellt der Aufsatz Brunners von 1967 dar; oder R.- Über die Gründe, die zur Einstellung der Zeit-
hier werden Campes und Wezels Bearbeitungen in ei- schriftgeführthaben, wird im »Epilog« (II, S. 377-379)
nem Zusammenhang mit Rousseaus Beurteilung des nichts gesagt.
Romans gebracht (vgl.bes.S.99-105). Im Anschluß an Die Zeitschrift enthält Erzählungen (Beispielge-
Brunners Aufsatz steht die ausführliche Interpretation schichten, Beispielerzählungen, moralische Erzählun-
des Romans bei Liebs (1977; S.95-134). Leiderberück- gen), Briefe (in der Art des empfindsam-didaktischen
sichtigt auch Liebs nicht den zweiten Teil des Romans. Briefromans oder als freundschaftlicher bzw. verwandt-
Ihre Höherbewertung der Wezelschen Bearbeitung schaftlicher Rat), Lieder, Gedichte, moralisch-beleh-
steht teils noch in der Tradition Wolgasts, erfolgt teils rende Stücke sowie Reflexionen und Betrachtungen des
auch aus ideologiekritischen Argumenten. Zuvor schon Autors. Die Erzählungen überwiegen bei weitem. Cha-
hatte Zupancic (1976) die beiden Bearbeitungen mitein- rakteristisch für Nitschs Wochenschrift ist dabei die von
ander konfrontiert (S.73-90, S.84 ff.) und die Campes den Moralischen Wochenschriften übernommene Mi-
als pädagogischen, die Wezels als literarischen Entwurf schung von unterhaltend-belehrenden (fiktionalen)
bezeichnet, ohne allerdings eine Wertung vorzuneh- und moralisch-belehrenden (stärker diskursiven) Text-
men. Bemerkenswert ist, daß bei E. Schmidt (1974) We- teilen. Diese Verbindung entsteht vor allem dadurch,
zels Robinson nicht ausführlicher gewürdigt wird; in daß der Erzähler einer Geschichte - reflektierend und
zwei knappen Bemerkungen (S.91,99) wird lediglich kommentierend und unter häufiger Apostrophierung
Wezels Außenseiterposition in der Theorie der Jugend- seiner Leserinnen - deutlich in Erscheinung tritt. Die
literatur angedeutet. Bei Promies (1980) wird endlich meisten Texte sind so aufgebaut, daß der Erzähler in ei-
die Berücksichtigung beider Teile des Romans gefor- nem Teil über ein bestimmtes Thema reflektiert und in
dert; bedeutsam wird ihm das Werk als Manifestation einem zweiten Teil eine dazu passende moralische Er-
einer in die Zukunft weisenden realistischen Schreib- zählung oder Beispielgeschichte (bzw. mehrere Bei-
weise (S.819 ff). Im Rahmen der Wezel-Froschung geht spielgeschichten) erzählt. Dabei kann sich der erörtern-
besonders Thurn (1973) auf Wezels Robinson ein, wo- de Teil zu einem Gespräch mit einer fiktiven Adressatin
bei der 2. Teil im Mittelpunkt steht (S. 127-129). Siehe ausweiten oder das Erzählen der Beispielgeschichte im-
auch Ueding in Doderer ( 1981 ). E. mer wieder durch das Gespräch zwischen Erzähler und
verschiedenen, namentlich angeredeten Leserinnen un-
terbrochen werden. An die Geschichte kann noch ein-
1781182 mal eine Reflexion mit wieder neuenGeschichten ange-
schlossen werden, oder es kann zusammen mit der Lese-
Für deutsche Mädchen. Eine Wochenschrift. ein überlegt werden, unter welchen Bedingungen die
Hrsg. von Paul Friedrich Achat Nitsch Geschichte hätte anders verlaufen können. Durch diese
(1754-1794). 2 Teile. Erzählweise nähert sich die Autor-Leser-Beziehung ei-
ner Rahmenhandlung an; die Geschichten fungieren
Dresden 1781-1782 gleichsam nur als ein - wenn auch wesentlicher- Teil
des Gesprächs zwischen Autor und Leserin.
Die Wochenschrift wendet sich, wie sich aus dem Auf der anderen Seite können sich die Beispielge-
Inhalt entnehmen läßt, an junge Mädchen ab et- schichten wiederum dem Genre der moralisch-beleh-
wa 12 Jahren. Auch die Mütter der Töchter wer- renden Schrift annähern. So beschränken sie sich z. T.
den offensichtlich zu den Leserinnen gezählt (vgl. darauf, weibliche Typen mit bestimmten Eigenschaften
II, S. 202). Wie im Titel ist auch in der Einleitung und Verhaltensweisen zu schildern, ohne eine eigen-
und an anderen Stellen, wo die Leserinnen ange- ständige Handlung zu entwickeln. Nur die Folgen wer-
sprochen werden, ausdrücklich von deutschen den dargestellt, die diese Eigenschaften in dem - eben-
falls auf typische Situationen reduzierten - ehelichen
Mädchen die Rede. Einmal heißt es, daß die Zeit-
Alltag haben. Dennoch entsteht eine abwechslungsrei-
schrift wohl »wenigstens ein paar hundert« deut- che Vielfalt durch die Gegenüberstellung verschiedener
sche Mädchen als Leserinnen habe (II, S. 221 ). - Figuren zum gleichen Thema und ihre Einbindung in
Aus dem Inhalt läßt sich schließen, daß Leserin- die Autor-Leser-Beziehung. Innerhalb der Geschichten
nen aus dem gehobenen Bürgertum und mögli" ist es außerdem möglich, daß Vorbildfiguren lange Re-
eherweise auch aus dem Adel angesprochen wer- den über weibliche Pflichten halten (z. B. II, S. 71-73),
den sollen (»Sie sind eine Frau von Stande[ ...] die Geschichte selbst ein verkürzter elterlicher oder
[Ihre Töchter] sind gebohren einst in der großen schwesterlicher Rat ist (vgl. II, S. 203 ff., I, S. 51-55)
Welt zu leben«; I, S. 202). oder der Erzähler sich darauf beschränkt, die Grundsät-
ze, nach denen eine Vorbildfigur erzogen worden ist, zu
Als »einziger Inhalt« der Zeitschrift wird beschreiben (II, S. 19 5 ff. ). - Ausschließlich moralisch-
von dem Herausgeber die Darstellung der belehrende Texte, in denen das fiktionale Moment we-
»Wahrheit« und der »Natur« bezeichnet, die zu der durch die Autor-Leser-Beziehung noch die Schilde-
suchen und zu lieben dem weiblichen Geschlecht rung bestimmter Beispielfiguren hineinkommt, sind die
bzw. jedem deutschen Mädchen eigen sei. Ausnahme.
257 Für deutsche Mädchen, 1781-82 258

Hauptthema der Zeitschrift sind Liebe, Partner- Anmut und Natürlichkeit werden mit den Worten
wahl und Ehe, im weiteren Sinne alles, was als wichtig gepriesen: » Emilie war eine jener süßen Töchter
für die Vorbereitung des jungen Mädchens auf ihre der Natur und der Freude, die man mit allem
weibliche Bestimmung angesehen wird - z. B. Roman-
lektüre und Lektüre überhaupt, Empfindsamkeitsfieber
Rechte Grazien nennen könnte« (II, S. 195).
(»Das Nachtigallenwäldchen«, I, S. II Off.; »AIIwinei- Der Vergleich mit den Grazien, der bereits
ne Erzählung in Briefen«, I, S. 215ff.), Einstellung zu auf neuhumanistisch-klassischen Einschlag hin-
Putz und Mode, Verhalten in der Gesellschaft. weist, wird auch an deren Stellen aufgenommen
(»Die Rose«, I, S. 167 ff.; »Die attische Grazie«,
Das Frauenbild, das in den einzelnen Beiträ- I, S. 244ff.). Den deutschen Mädchen wird als
gen entworfen wird, ist geprägt von Rousseau, der Ideal die »attische Grazie« vor Augen gestellt -
Empfindsamkeit und ansatzweise bereits von nämlich die »äußerliche und innerliche Ausbil-
neuhumanistisch-klassischen Gedanken. Ausge- dung« der schönen weiblichen Anlagen (1,
gangen wird von dem Paradigma des weiblichen S. 169), die Schönheit des Geistes und der Kör-
»Geschlechtscharakters«, durch das der Frau per« (1, S. 173). Als erste Eigenschaft der Grazie
von Natur aus andere Eigenschaften zugeschrie- erscheint dabei die »edle Einfalt«, »ohne welche
ben werden als dem Mann. Das zeigt sich bereits wahre Schönheit ganz unmöglich ist« (1, S. 171 ).
in der Einleitung, wo den deutschen Mädchen Als Vorbild für die »schöne« Ausbildung des Gei-
folgende Eigenschaften zugesprochen werden: stes wird den Leserinnen die Natur hingestellt, die
Streben nach Natur und Wahrheit, eine besonde- den Menschen gerade durch » Reichthum, Man-
re Empfindungsfähigkeit für das Schöne und An- nichfaltigkeit, kunstlose Ordnung, und ordnungs-
genehme und die Gabe, intuitiv das Natürliche volle Unregelmäßigkeit« erfreut (1, S. 245). Eben-
und Einfache von dem Geborgten und Gezwun- so solle die Frau lernen, »Ihren Gesprächen Man-
genen unterscheiden zu können. Andere Merk- nichfaltigkeit und Ihrem Ausdrucke Reichthum
male sind Einfalt und Unschuld der weiblichen und Anmuth« zu geben (1, S. 249) und zugleich in
Seele (1, S. 5), die größere Reizbarkeit des weibli- ihren Erzählungen eine natürliche Ordnung und
chen Körpers und- damit verbunden- eine stär- Regelmäßigkeit beachten, die verschieden ist von
kere Einbildungskraft (1, S. 342), schließlich die der »steifen Ordnung der Schulen« (1, S. 249).
Fähigkeit, Freude und Glück zu spenden (1, Von der dreifachen weiblichen Bestimmung
s. 256). -Hausfrau, Gattin und Mutter- ist die Bestim-
In enger Anlehnung an Rousseaus Sophie mung der beglückenden, zärtlich liebenden Gat-
im Emile wird im »Neujahrsgeschenk« eine tin vorrangig, darin vergleichbar Ewalds Kunst
Mädchenfigur namens Emilie beschrieben, die ein gutes Mädchen[ . .. ] zu werden, deren Vorstel-
ähnlich wie Sophie in vorbildlicher Weise erzo- lungen Nitschs Wochenschrift auch sonst häufig
gen worden ist und wie diese als Inbegriff des na- ähnelt. Eine Frau, die nur Hausfrau ist, kann ei-
türlich-unverdorbenen weiblichen Wesens gese- nen Mann nicht glücklich machen (vgl. II,
hen wird. Emilie hat als ihre höchste Pflicht ge- S. 222ff.); wahre Häuslichkeit, in der der Mann
lernt, Freude zu verbreiten (II, S. 195). Als Quel- sich wohlfühlt, kann nur die liebende Frau schaf-
len ihrer Freude werden Biegsamkeit und Zufrie- fen. Auch Männer, die als Gattin nur eine Haus-
denheit genannt, zu der der Vater sie von Kindheit frau suchen, werden negativ gesehen. Charakteri-
an erzogen hat; Eigenwillen hat er erst gar nicht stisch ist auch die Themenhäufigkeit: Erst nach
aufkommen lassen. Von früh an lehrte sie der Va- vielen Texten mit dem Thema Gattenwahl und
ter außerdem die Kenntnisse der Religion und der eheliche Liebe wird eine Geschichte erzählt, die
Häuslichkeit, die er »beyde ihr ganz zu eigen ma- die Wichtigkeit auch der haushälterischen Fähig-
chen wollte« (II, S. 198). Ihre Liebe für Putz hat keiten der Frau betont (II, S. 184 ff. ).
man nicht unterdrückt, man brachte ihr aber bei, Wichtig für die eheliche Liebe ist sowohl die
ihn sich selbst anzufertigen. Sie ist empfindsam, geistige wie die sinnliche Liebe. Trotz der großen
ohne in den Fehler einer zu großen Empfindsam- Bedeutung, die der Liebe zugesprochen wird,
keit zu verfallen. Sie liest »gute und schön ge- bleibt das Ideal jedoch immer eine vernünftige
schriebene Bücher« (II, S. 205), gehört aber nicht Liebe. Allein sie macht glücklich, nicht aber die
zu den »Gelehrtinnen«, die »die weibliche Be- schwärmerische Liebe der Empfindsamen. So
stimmung gänzlich verfehlten« (II, S. 198), noch wird die Heirat eines Mädchens, das noch nie ge-
liest sie empfindsame Romane. Den Tag ver- liebt hat, mit einem achtenswerten, von den Eltern
bringt sie in fröhlicher Arbeitsamkeit; das Haus- ausgesuchten Mann, den sie selbst nicht liebt, ge-
wesen und die Natur sind für sie ein beständiger gen den sie aber auch keine Abneigung empfin-
Quell der Freude. In Gesellschaften wird sie, ob- det, als beste Voraussetzung für eine glückliche
wohl sie nicht dazu erzogen worden ist, in ihnen Ehe angesehen. Die Liebe entsteht dann auf-
zu glänzen, allgemein geliebt und geschätzt- we- grundder gegenseitigen Achtung und der »feuri-
gen ihres »richtigen, aufgeklärten und ungezwun- gen« ehelichen »Umarmungen« (II, S. 107). Ge-
genen Verstandes« und wegen ihrer »Heiterkeit rade dadurch, daß die Entstehung der Liebe und
und Anmut« (II, S. 203). Die ihr eigene weibliche ihr erster Genuß zusammenfallen, ist sie unge-
259 Unterhaltende Schriften 260

trübt von schwärmerischer Empfindsamkeit und Jung müsse zwei Bedingungen erfüllen: Sie müsse
falschen Idealen. Die Ehen solcher Paare, die sich zum einen die Tugenden als etwas Angenehmes,
vor der Heirat schwärmerisch liebten, sind dage- Liebenswertes erscheinen lassen, zum anderen
gen zum Scheitern verurteilt; auf die falschen Ide- kindgemäß und eingänglich sein. Zunächst also
ale, die man sich vom anderen bzw. von der Ehe geht es dem Autor darum, der Tugend den Cha-
machte, und auf die übergroße Anspannung der rakter des Strengen und Asketischen zu nehmen:
Empfindungen, folge notwendigerweise Enttäu- » ... warum soll ihr Anblick so rauh gemacht wer-
schung sowie Stumpfheit und Gleichgültigkeit den, daß man davor zurückfährt und schaudert?
der Gefühle (I, S. 94-106; vgl. auch »Das Nach- [... ] Sollte sie nicht eine weit bessere Schilderung
tigallenwäldchen«, I, S. !!Off.). Die von einem verdienen, als die ekeln Vergnügungen des La-
Manne aus Geldgründen geschlossene Ehe, de- sters?« (I, S. 190 f). Der Tempel der Tugend liege
retwegen er das von ihm geliebte Mädchen auf- in einem anmutigen Tale und man gelange zu ihm
gibt, wird am Ende hingegen glücklich: Der auf einem Weg durch Rosen. Ihm gehe es darum,
Mann, geplagt von Selbstvorwürfen, ist gerührt »die Tugenden in ein Licht zu setzen, daß Kinder
über die Großmut seiner Frau, die ihm verzeiht, sie lieben, und mit Wohlgefallen ihnen nachei-
daß er sie ohne Liebe geheiratet hat, und schenkt fern« (ebd.). Die Darstellung soll zum anderen
ihrseine ganze Liebe. G. kindgemäß sein: Dies sieht der Autor dadurch ge-
währleistet, daß er statt abstrakter Regeln und Be-
lehrungen Beispiele exemplarischer Handlungen
darbietet.
1781182 Bemerkenswert sind die Äußerungen des
Autors zu Problemen der Kinder- und Jugendlite-
Kleine Romane für Kinder. 2 Bände ratur. Er geht zunächst vom Prinzip der Kindge-
Leipzig 1781/82 mäßheit aus: »Ich will ihnen auch nie etwas ge-
ben, was den Kreis ihrer Kenntnisse überschrei-
Bezüglich des Adressaten werden keine über die tet« (I, S. 191). Er wehrt aber ein falsches Ver-
Titelformulierung hinausgehenden gerraueren ständnis dieses Prinzips sogleich ab: »Das heiße
Angaben gemacht. Es kann jedoch geschlossen ich aber nicht blos Tändelndes und Spielendes,
werden, daß die Romane an Mädchen und Jun- nein, wenn dieses Lesen Einfluß auf ihr künftiges
gen fortgeschrittenen Alters gerichtet sind. Der Leben haben[ ... ] soll,[ ... ] so müssen die Gegen-
Autor redet seine jungen Leser in der dritten Per- stände auch so genommen seyn, daß sie alsdenn
son Plural an; zudem sind die Romane gedacht noch wirkbar sich darstellen können. Sie müssen
als »Erholung von dem Nachdenken der Arbei- also alle aus dem Leben und nach dem Leben ge-
ten«, was bedeutet, daß die Adressaten im schuli- nommen seyn, sie müssen billig alle Erfahrungen
schen Alter sind. zum Grunde haben, die die Folgen, die man dar-
Seine Absichten legt der anonyme Verfasser aus herleitet, gewiß machen[ ... ]« (1, 191 f.). An
in einem ausführlichen Nachwort »An das Publi- anderer Stelle heißt es, daß die Romane »aus der
kum von dem Verfasser der kleinen Romane für menschlichen Natur genommen« und nur eine
Kinder über ihren Nutzen und Endzweck« (I, »Zusammensetzung wirklicher einzelner Bege-
S. 183-196) dar, das an die Erwachsenen, an El- benheiten« seien (I, S. 179). Hinzu kommt die
tern, Lehrer und Hofmeister, gerichtet ist. Die Ro- Forderung, daß die Romane stets die eigene Um-
mane sind zunächst als »Unterhaltung« und welt der Kinder widerspiegeln müßten (1, S. 192).
»Zeitvertreib« (I, S. 165) für die »Erholungs- Der Verfasser fordert hiermit eine realisti-
stunden« (I, S. 185) der Kinder gedacht. Die Er- sche Darstellungsweise, die jedoch den moral-di-
holungszeit der Kinder dürfte nämlich nicht in daktischen Absichten untergeordnet bleibt. Der
Müßiggang bestehen. Dem hält der Verfasser ei- oberste Zweck ist weiterhin die Darstellung der
nen Grundsatz der Aufklärungspädagogik entge- Haupttugenden der Menschen. Es gelte deshalb,
gen: »Kinder sollten in einer beständigen Be- das Böse »mit den schlimmsten Farben, und das
schäftigung seyn ... « (I, S. 185) Hierbei gelte es, Gute mit den besten« zu malen (1, S. 190). Daß
auch die bloß erholende, zeitvertreibende Be- diese Schwarz-Weiß-Zeichnung aus moral-di-
schäftigung mit einem Nutzen, d. h. mit einer mo- daktischer Absicht mit einem realistischen Dar-
ralischen Belehrung zu verbinden. Der Grund stellungsprinzipvereinbar ist, davon geht der Au-
hierfür liege darin, daß die Seele des Kindes stets tor in aufklärerisch optimistischer Weise aus: Die
aktiv sei und folglich auch in den Erholungsstun- Tugend ist für ihn in ungebrochener Geltung und
den einer» Lenkung« bedürfe, um zu verhindern, leicht zu verwirklichen; das Leben selbst ein Be-
daß schlechte Gewohnheiten sich einschlichen (1, weis für die Wirklichkeit der Tugend.
s. 185). Im Nachwort nimmt der Autor auch zur Fra-
Die zentrale »Idee« des Autors besteht dar- ge der Gattung Stellung: Er hofft, daß niemand
in, eine Darstellung der » Haupttugenden des erschreckt darüber sei, daß er Romane für Kinder
Menschen« zu geben (1, S. 192). Diese Darstel- verfaßt habe (1, S. 193). Er sieht bezüglich der
261 Kleine Romane für Kinder, 1781/82 262

Gattung des Romans eine Reihe ungerechtfertig- warfen zu werden« (I, S. 186). In diesem Ge-
ter Vorurteile grassieren, die er zu berichtigen spräch sollen sich die Kinder für einen Roman
sucht: »Man verbindet mit dem Begriff gemeinig- entscheiden, den sie dann gesondert gebunden
lich eine erdichtete und überspannte Erzählung« zur Eigenlektüre in die Hände bekommen sollen.
(1, S. 186). Dieses Vorurteil weist der Autor mit Die Romane sind jedoch, wie der Autor beteuert,
seiner bereits erwähnten These vom realistischen alle so gehalten, daß sie, ohne Schaden anzurich-
Charakter des Romans zurück. Ein anderes Vor- ten, auch ohne die Vermittlung durch Erwachse-
urteil gehe dahin, daß durch das Romane-Lesen ne in die Hände von Kindem geraten können (1,
Kinder »die Lust zu ernsthaften Geschäften« ver- S. 187); dies soll jedoch die Ausnahme bleiben.
lieren würden (1, S. 193). Der Autor begegnet die- Die dargebotenen Romane erreichen trotz ihrer
sem Einwand mit seiner Auffassung vom Roman Kürze keine novellenartige Zuspitzung; sie bieten viel-
als moralisch-realistischer Beispielerzählung: mehr in gedrängter, auf epische Breite verzichtender
Die Romane handelten ja von »nichts als der Ar- Darstellungsform eine verwickelte Handlungsfolge.
beit, ihrer Nothwendigkeit, dem Nuzen, den sie Der Erzähler tritt nicht in Erscheinung, bleibt vielmehr
bringt, der Zufriedenheit, die sie giebt, und den hinter dem Geschehen verborgen. Auch wird die Erzäh-
lung nicht durch Reflexionen und Betrachtungen unter-
Vollkommenheiten, die man durch Fleiß er-
brochen; allgemeine Maximen werden den handelnden
langt«: man müsse nur noch zeigen, »daß das Personen in den Mund gelegt. Der Erzählverlauf folgt in
Ausüben besser ist, als das Wissen« (I, S. 194), so den meisten Fällen dem Handlungsverlauf; nur in weni-
ergebe sich gerade eine gegenteilige Wirkung. gen Fällen greift der Autor zu Vor- bzw. Rückblenden.
Die herrschenden Vorurteile sieht der Autor Hierzu ist er insbesondere dann gezwungen, wenn er pa-
allerdings bezüglich des Märchens als gerechtfer- rallele Handlungsstränge zur Darstellung bringen will.
tigt an. Er entschuldigt sich denn auch für die Auf- »Der standhafte Gustav« (I, S. 3-48):
nahme eines Feenmärchens in die Sammlung. Er Ein Leipziger Großkaufmann verliert sein Vermö-
bezwecke damit eigentlich nur ein Negatives: Er gen und sinkt in völlige Armut herab. Er muß seinen
wolle nämlich die Begierde nach Märchen, die in Sohn Gustav zu einem befreundeten Vetter zur Erzie-
der »sogenannten feineren Erziehung« eine gro- hung geben, der ein ehrbarer Kaufmann in Naumburg
ße Rolle gespielt hätten, recht eigentlich ersticken ist. Hier geht Gustav zusammen mit den zwei Söhnen
und zeigen, wie wenig an ihnen sei. Das Märchen, des Kaufmanns in die Schule und zusätzlich noch in ei-
nen Privatunterricht, den ihnen der Hofmeister eines
das er gleichsam zur Abschreckung aufgenom-
reichen Kaufmannssohnes gibt. Bald kommt es zu Kon-
men habe, habe er bereits so camoufliert, »daß es flikten zwischen ihnen und Weismann, dem reichen
nicht einmal an die Grenzen der Wahrscheinlich- Kaufmannssohn, die sich aus dem unterschiedlichen
keit reiche« (I, S. 188) und so nicht zum »Verder- Vermögensstand ergeben. Weismann schlägt Vergnü-
ben der Einbildungskraft« gereiche. gungen vor, die die anderen sich finanziell nicht zu lei-
Der Autor gibt im Nachwort schließlich sten vermögen. Gustav läßt sich durch das reiche Geba-
auch ausführliche Hinweise zur Benutzung des ren Weismanns nicht beeindrucken; auf das Vermögen
Buches. Die Romane sollen möglichst von einem allein komme es nicht an. »Geld sey eine so zufällige Sa-
Erwachsenen vorgelesen werden. Der »Vater« che bey dem Menschen, daß der unglücklich sey, der
sich blos darauf verlasse. Es könne ihn ein Augenblick
oder der »Lehrer« sollen hierbei den Roman aus-
um alles bringen.« (1, S. 16) Die neidischen Brüdererin-
wählen, der jeweils dem Charakter der Kinder an- nert er daran, wieviel noch ärmere Menschen es gebe,
gepaßt ist und am meisten Eindruck machen und nennt die Bauern und die Arbeiter in der Stadt (1,
wird. Der Erwachsene soll zudem den ausgewähl- s. 15).
ten Roman »erweitern« und »aus dem eigenen Wenig später stirbt der Vater Weismanns, wobei
Schaze seiner Erkenntnisse das ihm hinzufüg[en], sich herausstellt, daß auch sein Vermögen auf einen
was er mehr davon weiß« (I, S. 187). Der Länge kleinen Restzusammengeschmolzen ist. Für Weismann
nach sind die Romane für dasVorlesen jeweils an ist dies eine bittere Erfahrung; unter dem Einfluß Gu-
einem Abend berechnet. Hierbei soll nicht zu stavs vermag er sich schließlich von »der übertriebenen
Neigung zum Reichthum« (1, S. 36) zu heilen. Gustav
schnell vorgegangen werden: »Also jede Ge-
hilft ihm bei der Befriedigung der Ansprüche der Gläu-
schichte zu Ende, aber nicht eher eine neue, bis je- biger, wobei er seine eigenen Ersparnisse opfert. Von
ne recht gefaßt, dasGute und das Böse begriffen, dem Großmut Gustavs gerührt, nimmt Weismann die-
und auch wohl eine kleine Probe, man könne sen als Teilhaber in seine neue Handlung auf; beide
selbst so handeln, gemacht ist.« (I, S. 195). Die werden unzertrennliche Freunde.
Romane sollen nicht bloß gelesen werden; es soll Der Vater Gustavs hat sich inzwischen auf über-
vielmehr zu einem Gespräch über und zu einer seeische Handelsgeschäfte verlegt und unternimmt eine
Auseinandersetzung mit ihnen kommen. Ein Bei- Reise an das Kap der guten Hoffnung, nach Indien und
spiel hierfür sind die Kindergespräche jeweils am Batavia. Hierbei unterscheiden sich seine Geschäfte
von denen der anderen Kolonialisten und »Kapitali-
Ende der beiden Bändchen (I, S. 165-182; II,
sten« (1, S. 31). Sein Handel mit den Völkernjener Län-
S. 193-207). Diese »kleinen Beurtheilungen in der hat »dabey nicht den Endzweck, sich von jenen zu
Form eines Gesprächs« sollen »den Kindem ei- bereichern« (1, S. 28). Er achtet auf gerechten Tausch:
nen Begriff geben, daß ein Roman nicht blos ge- »Er war ihm nicht gleichgültig, ob jene, da sie den
schrieben wird, um gelesen, und alsdenn wegge- Werth ihres Eigenthums nicht kannten, es ihm gaben,
263 Unterhaltende Schriften 264

ohne eine gleiche Vergütung dafür zu haben. Er hätte Hanchen verwaltet nun selbst das Gut, wobei ihr
dies für einen Betrug gehalten ... « ( ebd.). In Batavia Hauptanliegen die Wohltätigkeit gegenüber Armen ist.
fällt er durch seine »Billigkeit im Handel« (1, S. 32) auf. Denn schon »von ihrer ersten Jugend an war sie zum
Zu Reichtum gelangt er schließlich durch seine Mildtä- Wohlthun als zur strengsten und nothwendigsten Tu-
tigkeit und Barmherzigkeit gegenüber Notleidenden. Er gend angehalten worden« (1, S. 68). Sie nimmt sechs
erhält als Dank einen wertvollen Edelstein geschenkt, mittellose und verwaiste Mädchen in Pension. Über ihre
den er nur deshalb annimmt, weil »er durch dieses Mit- Wohltätigkeit kommt es jedoch zu einem Konflikt: Ihre
tel eine Summe Geldes aus den Händen eines Kapitali- Mittel gehen aus, weil sie ihre Wohltätigkeit falsch an-
sten reissen könne, wo es todt läge, und Tausende damit wendet. Die Empfänger ihrer Gaben vergessen darüber
glücklich zu machen ... « (1, S. 31 ). Mit »Ruhm und das eigene Arbeiten. Der Vater zeigt ihr darauf das Fal-
Reichthum beladen« kehrt er schließlich nach Leipzig sche ihrer Wohltätigkeit auf und bemerkt in bezugauf
zurück. einen Bauern: »Entweder du mußt ihn ganz ernähren,
Hier erfährt er von dem Schicksal seines Sohnes. und da bleibt er immer der Welt eine unnüze Last und
Gustav und Weismann möchten zusammenbleiben. entzieht anderen Bedürftigen ihr Eigenthum, oder du
Der Vater übereugt sich durch eine Probe von der Ehr- mußt ihm nach und nach die Gabe [ ... ]vermindern, da-
lichkeit und Standhaftigkeit beider und nimmt darauf- mit er sich [...] wieder an die Arbeit mache.« (I, S. 76 f.)
hin Weismann als seinen zweiten Sohn an. Eines Tages erscheint ein älteres Mädchen, das
Im Zentrum des Romans stehen die Tugen- sich als die totgeglaubte Auguste zu erkennen gibt. Han-
den des soliden Handelsbürgertums: Rechtschaf- chen fühlt sich zunächst bedroht; schließlich kommt es
fenheit, Standhaftigkeit und Gelassenheit. Diese doch zu einer überschwenglichen Vereinigung beider,
die nun Schwestern sein wollen. Der Prediger nimmt
Moral richtet sich nicht gegen die Akkumulation
Auguste als Tochter auf. Hinsichtlich des von Robert
großen Reichtums, sondern nur gegen seine un- hinterlassenen Vermögens kommt es zu einer alle befrie-
angemessene Zurschaustellung. Gustavs Vater digenden Einigung. Auguste schließlich erzählt noch
genießt »alles so mäßig als möglich, um sich nicht ihr Schicksal: Sie ist aus Eifersucht von ihrem Onkel
einst den Vorwurf machen zu dürfen: Er habe ver- entführt worden. Dieser hat sie jedoch väterlich aufge-
schwendet, was ihm das Glück zuwandte, um es zogen und bei seinem Tode sie über alles aufgeklärt.
gut anzuwenden.« (1, S. 5). Begründet wird dies Schon vom Sujet her ergibt sich ein stark
mit der Zufälligkeit allen Reichtums. Die Moral empfindsamer Zug: Als Robert z. B. sein Schick-
wendet sich desweiteren gegen die >Unsauberen< sal berichtet hat, »kante er seinen Thränen nicht
Geschäftspraktiken der Kolonialisten und den mehr gebieten, und wer hätte nicht mit ihm ge-
» Eigennuz« (1, S. 41) von »Kapitalisten«, die ihr weint, der nicht Gefühl hatte« (1, S. 54f.). Zu-
Vermögen bloß horten. Demgegenüber wird die gleich werden jedoch Übertreibungen empfind-
allgemeine Nützlichkeit der Handelsgeschäfte samer Gefühlsseligkeit deutlich markiert und zu-
herausgestellt und zugleich die Verpflichtung zur recht gewiesen. Auch Traumgläubigkeit wird kri-
Barmherzigkeit betont. tisiert: Hanchen hält nach der Lehre ihrer Väter
Der Roman trägt starke Züge der Empfind- Träume für »Wirkungen einer erhizten Einbil-
samkeit, die sentimentalen Attitüden bleiben je- dungskraft« (1, S. 99). Beiden Hauptpersonen
doch in hohem Maße konventionell. wird gegen Ende jedoch eine »exemplarische Le-
»Das edle Hanchen« (1, S. 49-104): bensart« zugesprochen (1. S. l 04).
Auf einem Dorf lebt ein Prediger mit seiner einzi- »Der blaue Mond. Ein Feenmährchen« (1,
gen Tochter Hanchen. Im selben Ort wohnt Robert, ein S. 105-164):
reicher Gutsbesitzer, der im Krieg seine Frau und seine Das Märchen spielt in den »Zeiten des Aberglau-
Tochter Auguste verloren und sich auf ein kleines Gut bens« (1, S. I 07). Die Fee Orline ist besonders Kindern
zurückgezogen hat. Robertfaßt mit der Zeit Zuneigung zugeneigt und vermag ihnen Schutz zu bieten, wenn sie
zu Hanchen, in der er gleichwertigen Ersatz für seine drei Tage auf ihrem Schloß verweilen. So wird auch der
Tochter Auguste erblickt. Als er den Prediger fragt, ob er junge Prinz Kordello zu ihr gebracht, um ihren Schutz
Hanchen nicht ganz zu sich nehmen könne, gerät Han- zu erlangen. Während der drei Tage jedoch führt ihn sei-
chen in einen Konflikt: Zwar empfindet sie für ihren Va- ne Amme unvorsichtigerweise aus dem Schloß der Fee
ter eine »gewisse Ehrfurcht«, spürt aber gegen Robert heraus. So wird der Prinz verzaubert: Für ihn ist von
»mehr Anhänglichkeit« (1, S. 62). Aus dieser »grossen jetzt ab der Mond blau. Die Verzauberung geht von
Verlegenheit« befreit sie der Vater, der ihre Neigung er- Mordius aus, einem Zauberer, der Menschen so verzau-
kennt und sie zu Robert ziehen läßt. Dieser setzt Han- bern kann, daß sie irgendeinen Gegenstand blau sehen.
chen daraufhin zum Erben seines Gutes ein. Die Verzauberung des Prinzen bringt nun nach und
Robert verzärtelt Hanchen nun ganz und gar, was nach das ganze Königreich in Verwirrung. Ein Bote
sie jedoch nicht verdirbt, da ihr Vater in ihrer Erziehung wird zu Orline geschickt, von Mordius aber abgefangen
einen »guten Grund« gelegt hat (1, S. 63). Dennoch und durch einen tölpelhaften Bauern ersetzt, der nun
neigt Hanchen zu überschwenglicher Gefühlsseligkeit seinerseits den Prinzen blau sieht. Der älter gewordene
Dies kommt zum Ausdruck, als Robert erkrankt und Prinz ist überzeugt, daß er allein den Mond richtig sieht.
schließlich stirbt: Hanchenjammert und weint und läßt Er begibt sich auf eine lange, mehrjährige Suche nach je-
ihrer Leidenschaft freien Lauf (1, S. 64). Der Vater mandem, der gleich klug wie er ist und den Mond für
mahnt sie streng zu Gelassenheit und Standhaftigkeit blau ansieht. Schließlich findet er einen solchen Men-
und verbietet ihr zu weinen. Später jedoch noch sinkt sie schen in Gestalt des Boten, den Mordius abgefangen
an Roberts Grab in einen »schwärmerischen Taumel ih- hatte. Damit aber ist die Verzauberung aufgehoben und
rer Einbildungskraft« (1, S. 72). die Kräfte des Guten feiern ihren Sieg. Der Prinz wird
265 Kleine Romane für Kinder, 1781 /82 266

abschließend aufgrundseines zu starkens »Eigensinns« er auf der einsamen Insel seine Schwester Kamena zu-
getadelt (1, S. 164). rückgelassen habe. Er bittet den Schiffer, zu der Insel
Im Kindergespräch (s.o.) nimmt die Debatte zurückzukehren, um sie zu retten. Da die Familie in der
über das Märchen den größten Raum ein. Fritz, Stadt in Schwierigkeiten und Mißgunst geraten ist, be-
der jüngste, hat »steif und fest geglaubt, daß das schließt sie, auch auf See zu gehen. Die einsame Insel
alles wahr ist, und ich habe selbst meine Freude wird schließlich erreicht, wo nicht nur die Schwester
Kamena, sondern auch noch der Vater glücklich ange-
darin gefunden, es mir als wahr vorzustellen« (I,
troffen werden. Beide haben in der Art Robinsons die
S. 170). Zudem ist er am meisten durch die Ko- Jahre auf der Insel verbracht. Der Vater erzählt seine
mik im Märchen angetan. Die beiden anderen ta- verwirrte Lebensgeschichte, die zu dem Insel-Dasein
deln ihn ob seines naiven Märchenglaubens und geführt hat. Die Schiffer-Familie beschließt, auf derein-
seines schlechten Geschmackes. Das Märchen sei samen Insel zu bleiben, um »zu sehen, wie sichs in der
eine bloße »Erfindung« (I, S. 168) und nichts als Einsamkeit lebt« (II, S. 60). Werkzeug und Hausrat hat
»Lügen« (I, S. 166). Hinter dem sog. Wunderba- der Schiffer vorsorglich mitgebracht.
ren ginge es stets natürlich zu; nur Unwissenheit In dem Kindergespräch wählt sich Fritz die-
sei der Grund des Aberglaubens. »Was uns jetzt se Erzählung aus; er hat vorher nämlich schon
noch so dunkel ist, werden unsere Nachkommen den Robinson gelesen (II, S. 194). Fritz ist zwar
ganz helle sehen, und es wird ihnen nicht mehr von dem zärtlichen und sanften Charakter der
wunderbar seyn, weil es den Grund in der Natur beiden Geschwister beeindruckt, am meisten be-
hat.« (1, S. 170) Deshalb gelte es, Naturstudien zu geistern ihn jedoch das Inselleben und das Robin-
treiben (I, S. 179). son-Dasein. Ja, er bemängelt sogar, daß der Schif-
Die Älteren lehnen das Märchen als »un- fer zuviel komfortablen Hausrat mitgebracht ha-
nüz« ab: »Es ist ja wohl so hübsch zu lesen, aber be. Fritz stößt jedoch mit seinem Robinson-Fie-
wenn man doch weiß, daß alles Lügen sind, daß ber auf Widerstand und Kritik. Er wisse nicht,
man so was blos erdenkt, und[ ... ] nicht einmal welche Vorzüge und Bequemlichkeiten das Le-
Stoff im menschlichen Leben, als nur entfernt, da- ben in der Gesellschaft biete: »Du bist ein Kind,
zu finden kann, so ist es ja ganz unnüz, so etwas zu Fritz, welches nicht weiß, wie hoch es der Vorse-
lesen.« (I, S. 166) Fritz wendet ein, daß doch auch hung davor danken muß, daß es unter Menschen
der Roman ebenso wie das Märchen eine bloße lebt.« (II, S. 199) Fritz habe sich von der Schön-
Erfindung darstelle. Er erhält zur Antwort, daß färberei der Robinson-Bücher und der Reisebe-
der Roman »aus der menschlichen Natur genom- schreibungen täuschen lassen, denn das Dasein
men«, nur eine »Zusammensetzung wirklicher auf einer einsamen Insel bedeute »mehr Arbeit,
einzelner Begebenheiten« sei und nichts enthalte, mehr Sorge, mehr Angst und mehr Gefahr ... , als
»was nicht wirklich in der Natur seyn könnte« (I, irgend in einem bebauten Lande« (II, S. 200).
s. 179 f.). Schließlich kommt es zu einer bemerkenswerten
Das Märchen diene bloß zum »Zeitvertreib« Erklärung des Robinson-Fiebers: Der Wunsch
(I, S. 180): »Mit dem Lachen wäre bey solchem nach der »WÜsten Insel« entspringe einzig und al-
Lesen alles aus« (I, S. 181 ). Ein Nutzen und eine lein der Unzufriedenheit mit dem eigenen Schick-
Lehre ließen sich aus ihm nur sehr bedingt ziehen: sal (ebd.). Fritz ist am Ende des Gesprächs dar-
>>Man kann wohl aus so einem Mährehen manche über betroffen, daß er erneut wieder einen so
gute Lehren ziehen, aber man holt es doch immer schlechten Geschmack bewiesen habe. Doch
weiter her, als aus einer anderen Geschichte, wo wird erklärt, daß er »eigentlich nicht daran schuld
man nicht durch die Einbildungskraft wegsehen wäre, sondern daß man ihm in den frühem Jahren
muß, um auf den bessernden Zweck zu kom- viel zu lesen, aber keine Anweisung gegeben, wie
men.« (ebd.) Allenfalls einen negativen Nutzen er lesen sollte« (II, S. 206). Er bessere aber seinen
habe das Märchen: Es sei nur erzählt worden, Geschmack von Tag zu Tag.
»um uns zu zeigen, wie man seine Einbildungs- »Adolf, der Lügner« (II, S. 63-124):
kraft verderben könnte, wenn man so etwas Adolf ist das Kind rechtschaffener Eltern. Außer
glaubte« (I, S. 180). Am Ende des Gesprächs zu großer Nachsichtigkeit haben sie sich in der Erzie-
hung nichts zu Schulden kommen lassen. Ein frühes
sieht Fritz ein, daß er einen schlechten Ge-
Kindheitserlebnis legt jedoch den Grund zu seinem spä-
schmack gehabt habe (I, S. 178). teren Laster. Er erlebt, wie das Dienstmädchen des Hau-
» Kameno, oder der zärtliche Bruder« (II, ses gegen die Herrschaft unehrlich ist. Adolfwendet die-
s. 3-62): ses Mittel frühzeitig an, um zu mehr Süßigkeiten und
Es handelt sich um eine Robinsonade. Ein Schif- Kuchen zu gelangen. »Der erste Grund seines Verder-
fer kommt auf einer Südseefahrt auf eine kleine, unbe- bens auf Zeitlebens bestand also in einer unersättlichen
wohnte Insel und liest dort einen kleinen Jungen, Kame- Begierde, seinen Geschmack zu befriedigen.« (II, S. 81)
no, auf. Kameno sucht nach jemandem auf der Insel, als Die Eltern sterben frühzeitig, so daß Adolfzu einer Tan-
sich jedoch niemand findet, geht er mit auf das Schiff. te kommt, die ihn abgöttisch liebt und verzärtelt. So
Nach seiner Ankunft in Europa gibt der Schiffer die kann sich sein Laster entfalten; er wird ehrgeizig, stolz
Seefahrt auf, um sich der Familie zu widmen. Kameno und überheblich, egoistisch und eigennützig. Zum wich-
wird als drittes Kind in die Familie aufgenommen und tigsten Mittel, seinen Eigennutzen durchzusetzen, wer-
gut erzogen. Nach einigen Jahren gesteht Kameno, daß den ihm die Lüge und die falsche Bezichtigung an-
267 Unterhaltende Schriften 268

derer. Hierbei gerät er zunächst in Konflikt mit einem mus und Intrigenturn im Konkurrenzkampf um
Edelmann der Stadt, dessen Sohn er mit Intrigen ein- die wenigen Aufstiegsmöglichkeiten, die der Feu-
spinnt. Die Ermahnungen und alle Milde der Erwachse- dalabsolutismus den Bürgerlichen gewährt. An
nen fruchten nicht; Strafen machen ihn nur noch wilder
und rachsüchtiger. Aus diesem Grund kommt er
dieser Stelle gewinnt die Erzählung durchaus zeit-
schließlich zu einem Vormund, einem »Kapitalisten« kritischen Charakter, wobei die Kritik allerdings
(II, S. 83), der ihn streng züchtigt. Hier aber reißt er aus, nicht den Absolutismus, sondern nur eine falsche
geht in eine größere Stadt und tritt in eine fürstliche bürgerliche Aufstiegs- und Nobilitierungssucht
Schule ein. trifft.
Hier lernt er zunächst eifrig, weil er, von Ehrgeiz »Minna« (II, S. 125-192):
besessen, seine Mitschüler überrunden will. Alle glau- Minnas Vater muß in den Krieg ziehen und Frau
ben an eine Besserung seines Charakters. Sogar der und Kind zurücklassen. Nach einiger Zeit erhalten sie
Fürst wird auf ihn aufmerksam; er genießt hohe Ach- Nachricht, daß der Vater verletzt worden und in Ge-
tung. Durch Intrigen macht er Karriere und bekommt fangenschaft geraten sei. Die Mutter beschließt, ihrem
schließlich den Posten eines Kabinettsekretärs. Man er- Manne zu Hilfe zu eilen und ihn gesund zu pflegen.
weist ihm Ehrerbietungen, die alle aber seinen Karrie- Minna wird in die Familie ihres Freundes Heinrich ge-
rismus nicht befriedigen, denn er hat es auf den Adelsti- geben. Heinrichs Vater ist ebenfalls im Krieg, und er
tel abgesehen: »Ein Stück Papier, und der Adel darauf, selbst bereitet sich auf eine militärische Laufbahn vor.
wäre mir zehnmal willkommener gewesen« (li, S. 91). Er will, daß Minna den Schmerz der Trennung von ih-
Seine größte Intrige besteht darin, zwischen der ren Eltern ohne Tränen erträgt und auch angesichts der
Prinzessin und ihrem Geliebten, einem Prinzen, durch Furcht, sie beide zu verlieren, gefaßt bleibt. Verhindern
fingierte Briefe Zwietracht zu stiften. Adolf fühlt sich will er, wie er zu Minna sagt, »daß du dich keiner Me-
auf dem Höhepunkte seiner Intrigenkunst: »Einen lankolie überliessest, die in der ersten Zeit nach einer
Prinzen, eine Prinzessin, und einen Fürsten gleichsam solchen Gemüthsbewegung höchst schädlich ist« (li,
von sich abhängig zu wissen, das war ihm eine vortreffli- S. 151). Von der Mutterkommt keinerlei Nachricht; sie
che Empfindung. Verdiente Leute von ihren Posten ist auf der Reise von gegnerischen Truppen gefangen
weg, und sich selbst an ihre Stelle zu bringen, das war genommen worden. Minna gerät in tiefe Sorge und re-
ihm eine so schmeichelhafte Macht« (II, S. 103). signative Kleinmütigkeit. Schließlich reisen Minna und
Schließlich bricht jedoch sein Intrigengebäude zusam- Heinrich nach in das Kriegsgeschehen. Minna wird auf
men. Alle Verbrechen seiner Laufbahngelangen ans Ta- die gegnerische Seite, eine belagerte Stadt, geführt und
geslicht. Der Fürst macht ihm den Prozeß: Er wird zu le- findet dort ihren Vater. Hier erlebt Minna, die zuvor
benslanger Haft verurteilt. Doch auch in der Haft findet schon den Krieg als einen »Menschenfresser« (li,
er keine Ruhe und stirbt schließlich früh als »Opfer sei- S. 158) bezeichnet hat, das ganze »Elend des Kriegsge-
nes inneren Verdrusses« (II, S. 1221). Lügen, so be- schehens«. Sie sieht, welche schrecklichen Auswirkun-
merkt der Fürst, sei die Quelle aller Laster: »Wenn man gen der Krieg auf die Zivilbevölkerung einer Stadt hat,
etwas vor sich sieht, und keinen anderen Weg weiß, zu und gelangt zu einer entschlossenen Absage an den
diesem gewünschten Ziele zu kommen, und man sucht Krieg: »Der Muth beysolchen Aussichten mag einem
nur Lügen und Betrügen hervor, so kömmt man gewiß Kriegsmanne werth seyn; ich habe ihn nicht, die
dazu, aber das Ende ist immer kläglich. Dieses Laster Menschheit geht mir über alles. Hier hört Mitleiden auf,
gebiert Menschenhaß, es macht harte Herzen, man und Barberey nimmt dessen Platz ein. Selbst diese
nimmt an nichts mehr Antheil, was den Nebenmen- Nothwendigkeit, sich und das Seinige zu vertheidigen,
schen betrifft, und lebt blos für sich« (li, S. 121). muß den Menschen unter das Thier herabsetzen, wel-
Der Roman trägt durchaus realistische Zü- ches doch immer mit seinesgleichen Erbarmen hat« (II,
ge: Ansatzweise nämlich wird in der Darstellung S. 176). Minna gelangt schließlich zum Kommandan-
Adolfs die klare Schwarz-Weiß-Zeichnung guter ten der Stadt, um ihn um die Freilassung ihres Vaters zu
und schlechter Charaktere durchbrochen. Wie bitten. Zuvor jedoch protestiert sie mutig gegen den
Krieg: »Sie sind der Mann, der hier dem Elende einEn-
das anschließende Kindergespräch deutlich de machen kann. Warum übergeben Sie die Stadt nicht?
macht, liegt hier ein gemischter Charakter vor, der Was liegt Ihnen an dem Steinhaufen, daß so viele Men-
bei aller Verdorbenheit auch positive Seiten hat. schen darin ihr Leben einbüssen sollen? Ist nicht Ein
Realistisch ist zudem der Versuch, die Verdorben- Mensch mehr werth, als alle diese Reichtümer und Pal-
heit lebensgeschichtlich zu fundieren, wobei es läste?« (li, S. 178 f.). Minna will schließlich ihr ganzes
für die Aufklärungspädagogik typisch ist, den Vermögen hergeben, um ihren Vater frei zu bekommen.
Dienstboten die erste Schuld in die Schuhe zu Der gegnerische Kommandant ist so beeindruckt, daß
schieben. Bis auf einen Fall, wo eine Bösartigkeit er nicht nur den Vater freigibt, sondern auch die Mutter
Adolfs zum ökonomischen Ruin der Tante und noch aus dem Gefängnis kommen läßt. So führt er die
Familie wieder zusammen. Auf der anderen Seite der
mittelbar zum Tod eines Advokaten führt, bleibt Belagerung werden sie von Heinrich empfangen, der
auch die Schilderung der Folgen seines Lasters in sich inzwischen auszeichnen konnte und eine Leut-
realistischem Rahmen und ohne die sonst übli- nantsstelle erhalten hat. Dem privaten folgt das öffentli-
chen Übertreibungen aus pädagogischer Absicht. che Glück: Der Krieg geht zu Ende.
Realistisch erscheint insbesondere die Schilde- Im Kindergespräch sind die Kinder am
rung der Hofintrige Adolfs. Die Leistung besteht stärksten betroffen von den recht drastischen
hier darin, daß das Laster des Lügens in seiner ge- Schilderungen der Gefahren und des Elends des
sellschaftlichen Dimension gezeigt wird: Hier Krieges. Der Erzähler sucht die Härte des ersten
nämlich erscheint es als rücksichtsloser Karrieris- Anblicks abzuschwächen: Es gelte zu bedenken,
269 Overbeck, Frizchens Lieder, 1781 270

daß der Mensch nach dem Tode ein zweites er- Die Sammlung umfaßt 49 meist längere Lieder,
warten dürfe. Insgesamt sucht er das Kriegshand- von denen 34 von Overbeck im Register ausdrücklich
werk zu rechtfertigen: »Der Soldat, der es einmal gekennzeichnete Texte für Kinder bestimmt sind. Zu
ist, und sich dazu bestimmt hat, ist da, um keine dieser Gruppe gehören zunächst Lob- und Danklieder
auf die Natur und Gott wie: »An den lieben Gott« (S.
Gefahren zu scheuen, und wenn er sich für einem
16), »An eine Weintraube« (S. 29) oder» Das Gewitter«
bösen Gewissen hütet, so kann er den Tod, der ihn (S. 119) sowie Lieder auf Tages- und Jahreszeiten und
doch einmal treffen muß, geduldig erwarten« (II, Tischgebete (vgl. S. 22, 35, 38, 43, 48, 90, 129). In etli-
s. 205). chen Liedern wird die Arbeit, insbesondere die Landar-
Bemerkenswert ist die Entwicklung, die beit besungen, vgl. z. B. »Die Erndte« (S. 49), »Der
Minna durchmacht: Von einem empfindsamen, Pflug« (S. 89) und »Feldlust« (S. 113). Die Lieder, in
gefühlsseligen Mädchen wird sie zu einer ent- denen tugendhaftes bzw. untugendhaftesVerhalten be-
schlossenen, mutigenjungen Frau, die schließlich sungen wird, zeigen selten die bei den Aufklärungspäd-
als »kleine Heidin« (II, S. 168) bezeichnet wird. agogen auch in Kinderliedern so beliebte moral-didak-
tische Tendenz, wie sie sich beispielsweise bei Weiße in
Hierbei durchzieht die Erzählung die Konkur-
renz zu einem kriegerischen Heldentum, das nur
den Männem vorbehalten bleibt und von Hein-
rich und seinem Vater vertreten wird. Minna über-
steigt noch dieses männliche Heldentum durch
ihren Standpunkt wahrer Menschlichkeit und be-
schämt damit alle Männerhelden. Bezeichnend
für den Aufklärungsoptimismus ist, daß die
Menschlichkeit sich über alle Gegensätze hinweg
durchsetzt. In der Schilderung des Kriegselends
trägt die Erzählung starke realistische und auch
zeitkritische Züge. E.

1781
Christian Adolf Overbeck (175 5-1821):
Frizchens Lieder.
Harnburg 1781
ftfin,ttitll , -tt/rfl' ( "t•t·/"1>/.t-<-
Overbeck wendet sich mit seiner Liedersamm-
lung sowohl an Kinder als auch an Erwachsene. ·d '·,f./,•r r r... ' 1n·hl'l " / "/"'' J,.,t-,.",.
Er habe den Versuch unternommen, Lieder »im • ),1,
Kinderton« zu schaffen (Vorrede), womit er sich
bewußt von der Kinderlyrik Christian Felix Wei-
ßes absetzen möchte, in dessen Liedern for Kin-
der man »den herablassenden Lehrer, zwar meist
im Ausdruck der Kinder« höre, »aber doch mit
Christian Adolf Overbeck (1 755-1821). Kupfer-
den Ideen eines Erwachsenen« (ebd.). In Friz-
stich von F. W. Bol/inger nach Gröger
chens Liedern dagegen spreche wirklich ein Kind.
Weißes Lieder könne man- so Overbeck- in ihrer
moralischen Schlußlehren niederschlägt. Overbeck the-
Gesamtheit den Kindem in die Hand geben, dies
matisiert die Tugenden der Versöhnlichkeit (»Die Ra-
träfe für die vorliegende Sammlung nicht zu: che«, S. 60), der Wohltätigkeit (»Der arme Mann«,
» Mein Frizchen - es wäre freylich besser, wenn er S. 87), sowie die Untugenden der Launenhaftigkeit
ein Engel hätte seyn können: aber er ist nun ein- (»Die böse Laune«, S. 102) und der »eitlen Wünsche«,
mal ein Menschenkind. So lieb ihn auch vielleicht für die in kindlichem Gebet »an den lieben Gott« Abbit-
mancher Leser einst gewinnen mag, so muß ich te geleistet wird (S. 106). Sodann enthält die Sammlung
dem Leser doch sagen, daß er dem Ideal für die drei Tierlieder. In zweien stehen Vögel für Freiheit und
Kleinen nicht taugt. Seine Mfektation für Lotte Sorglosigkeit(»Anein Paar Tauben, S. 84; »An meinen
hätte er wo! versparen mögen: und zuweilen ist er Kanarienvogel«, S. 140), das dritte beschreibt den Tod
eines Wurms (»Das Würmchen im Winter«, S. 133).
etwas naseweis. D assoll denn ein Vergnügen für Der T od wrd i als allgemeine Thematik in einem Lied
uns Erwachsene bleiben, den kleinen Burschen aufgegriffen, verbunden mit der Bitte um ein langes Le-
hie und da abschweifen zu sehen : unsem Kindem ben (»An den Tod«, S. 31). Jeweils zwei Lieder befas-
wollen wir nur ein und anderes, das kauscher ist, sen sich mit dem kindlichen Spiel (S. 9 und S. 14), der
ausheben« (ebd.). Krankheit (S. 77 und S. 124), der menschlichen Seele
271 Unterhaltende Schriften 272

(»An meine Seele«, S. 80) und den Sinnen (S. 116). Bei Beispiele mögen im Vergleich zu den Liedern
den für Erwachsene bestimmten Liedern handelt es sich Christian Felix Weißes und Rudolf Christoph
überwiegend um solche, die Frizchens kindliche Liebe Lossius' diese unterschiedlichen Strömungen
für seine Spielgefährtin Lotte behandeln (S. 26, 33, 54,
deutlich machen.
72, 74, 98, 135, 138). Darüber hinaus finden sich zwei
jahreszeitliche Lieder »An den Dezember« (S. 56) und Bei Overbeck herrscht - und dies insbeson-
das bis heute bekannte Lied »An den May« (S. 19), das dere in den Liedern, die ausdrücklich für Kinder
ebenfalls als für J(jnder nicht geeignet betrachtet wird. bestimmt sind- ein heiterer, natürlicher Ton vor,
Die beiden Lieder »An einen Papagey « (S. 52) und »An der sich auch auf die behandelten Inhalte nieder-
meine Bücher« (S. 66) setzen sich mit dem Thema der schlägt. Overbeck setzt hier insofern neue Akzen-
Bildung und falschen Gelehrsamkeit auseinander, der te, als er Verständnis zeigt für den Drang der Kin-
die Vorzüge der Natur gegenübergestellt werden. In der nach Freiheit, Natürlichkeit und Ungebun-
dem Lied »Klagen« (S. 62) beklagt sich Frizchen dar- denheit. Verbindet Weiße häufig die Beschrei-
über, daß er von den Erwachsenen unter Druck gesetzt
bung eines Kinderspiels mit der Mahnung zur
werde, daß sie ihm seine Freiheit beschnitten. »Der
Hut« (S. 70) sitzt stets schief auf Frizchens Kopf und
Vorsicht, so spricht aus Overbecks Liedern die un-
veranlaßt die Mutter, ihn zu tadeln, doch tröstet sich getrübte Freude am kindlichen Spiel. »Jedoch zu-
Fritz damit, sie werde ihm schon, solange er noch klein weilen/ Wagt man sich schon/ Trägt ein Paar Beu-
sei, den Hut zurechtrücken. len/ Gerne davon«. (S. 14) Das zweite Gedicht
Das Titelblatt ist mit einer Vignette geziert, die von der Sammlung beschreibt anschaulich die Ver-
Rosmaesler stammt. Sie zeigt Fritz im Garten, in der gnügungen der Kinder (S. 9 f.):
Hand ein Veilchen haltend. Darunter findet sich der »Wir J(jnder, wir schmecken
Text: »Blühe liebes Veilchen«.
Die Freude recht satt!
Die Liedersammlung läßt zwei verschiedene Wir J<jnder, wir necken
Tendenzen erkennen. Einmal machen sich Ein- Und schäkern uns matt!
flüsse der nationalliterarischen Entwicklung auch Wir lärmen und singen,
auf diesem Gebiet bemerkbar, zum anderen zeigt Und rennen uns um,
Und hüpfen und springen
sich, daß Overbeck dennoch in einigen Stücken
Im Grase herum.
der Aufklärungspoetik verhaftet bleibt. Einige
Ha, Brüderchen, rennet!
Ha, wälzt euch im Gras!
Noch ists uns vergönnet,
Noch kleidet uns das.
Ach! werden wir älter,
So kleidets nicht mehr;
So treten wir kälter

...
Und steifer einher.«
.Oeroutgegehn
Ähnliches klingt in den sechs Jahre später er-
• schienenen Liedern und Gedichten von Rudolf
Christoph Lossius an: >>Junges Knie, so hüpfe
Cl6ritlian lboff O"erbect. dann,! Hast noch Zeit zu steifen ;/ Mäulchen, hast
du Lust? Wolan,/Magst dein Stückehen pfeifen«
(Lossius 1787, S. 98). Doch wie ganz anders ist
der Schluß beider Gedichte! Lossius beendet sein
Gedicht mit einer Belehrung, die gegenüber dem
frischen und fröhlichen Ton der vorhergehenden
Strophen recht künstlich wirkt: » Itzt kannst du
vom Blütenstrauch/ Dieb mit Honig tränken,/
Junge Biene, lehr mich auch/ Auf den Winter den-
ken« (ebd.). Overbeck beschließt sein Lied mit ei-
nem Ausblick auf die Freuden des kommenden
Tages:
»Ach geht sie schon unter
Die Sonne, so früh!
Wir sind ja noch munter;
,Oom6urg, Ach, Sonne, verzieh!
Nun morgen, ihr Brüder!
h9 (er I lra~ ~. ••· 171 t. Schlaft wol! Gute Nacht!
Ja, morgen wird wieder
Gespielt und gelacht!« (S. 13).
Overbeck, Christian Adolf: Frizchens Lieder. - Overbecks Liedersammlung behandelt ei-
Harnburg 1781 (Nr. 656). Titelblatt mit gestoche- nige Themen, die auch in den Liedern fiir Kinder
ner Vignette von Rosmaesler (1767) von Christian Felix Weiße enthalten sind.
273 Overbeck, Frizchens Lieder, 1781 274

An drei Beispielen soll die unterschiedliche Be- »Da nehm ich euch zu Händen;
handlungsweise des Stoffes deutlich gemacht Poz! augenblicklich wird
werden. In beiden Sammlungen findet sich je ein Mirs eng in den vier Wänden,
Lied, das den bei Kindern häufig anzutreffenden Und Köpfchen ist verwirrt.
Wunsch, fliegen zu können, thematisiert. Schon In Garten denn hinunter!
Ach lieber Himmel, ach!
in den Überschriften wird Wertung seitens der Da wer' ich gar zu munter,
Verfasser deutlich. Richtet Frizchen seine Bitte an Und denk' an Blum' und Bach.
»ein Paar Tauben« (S. 84), so lautet die Über-
schrift bei Weiße »Der thörichte Wunsch« (Wei- Ein Haufen dürre Sachen,
Womit ich noch zur Stund
ße 1767, S. 52), der als solcher erst durch die Be- Gar wenig weiß zu machen;
obachtung eines tödlichen Schusses auf einen Ad- Mit Schwizen und mit Pressen
ler erkannt wird: »Wohl mir! daß nicht mein Heut mühsamlieh erjagt,
Wunsch gelang,/Wie sollt es mich gereuen!/Wie Und morgen schon vergessen,
groß ist, Gott, Gott sey es Dank!/Das Glück ein Wie mein Präzeptor sagt.« (S. 67).
Mensch zu seyn« (Weiße 1767, S. 53). Frizchen
hingegen erkennt traurig, daß ihm sein Wunsch Deutlich wird, daß Overbeck in seiner Be-
nicht erfüllt werden kann und richtet so nur die handlung der Inhalte eine Sonderstellung im
Bitte an die Tauben: »Solchen Sinn, und solche Rahmen der Gattung Kinderlieder einnimmt.
Güte,/Ohne Groll und ohne Zank,/Solch ein Stehen bei Weiße und auch bei Lossius die Moral-
fromm und treu Gemüthe,/Gebt mir das für mei- lehre, die nützliche Anwendung der Fabel oder
nen Dank.« (S. 86). Ein häufig wiederkehrendes des gleichnishaften Liedes im Vordergrund, so ist
Thema ist bei Overbeck die Lobpreisung der Na- es Overbeck nicht primär um die Moral zu tun,
tur, wie er sie beispielsweise in seinem wohl be- sondern eher um die verständnisvolle Darstellung
kanntesten Lied »An den May« geschildert hat kindlicher Empfindungen und Bedürfnisse. Dies
(S. 19): schlägt sich auch in formaler Hinsicht nieder und
»Komm, lieber May, und mache wird in dem Bemühen deutlich, die künstediseh-
Die Bäume wieder grün, ästhetische Komponente mit einzubringen und
Und laß mir an dem Bache somit eine Verbindung zwischen Kinderlyrik- als
Die kleinen Veilchen blühn! nicht mehr ausschließlicher Gebrauchsliteratur-
Wie möcht' ich doch so gerne und der nationalliterarischen Entwicklung herzu-
Ein Blümchen wieder sehn! stellen. Doch gilt es anzumerken, daß gerade die
Ach lieber May, wie gerne
Einmal spaziren gehn!« letzten beiden Lieder »An den May« und »An
meine Bücher« nicht zum Gebrauch für Kinder
Auch bei Weiße findet sich ein Lied, in dem ausgewiesen sind, woraus Schmidt (1974, S. 39)
der Maimonat besungen wird. Allerdings be- schließt, daß Overbeck »bei seinem Versuch, Kin-
schreibt er die Schönheiten der Naturnicht um ih- derliteratur bei anspruchsvoller Gestaltung auf
rer selbst willen, sie sind ihm vornehmlich das die Wirklichkeit zu orientieren, Angst vor der ei-
Mittel, Gott zu preisen und zu danken und die genen Courage« bekommen habe. Allerdings
Weisheit der Schöpfung zu loben: muß hierbei berücksichtigt werden, daß Over-
»Doch sollt ich nicht den, beck trotz aller neuen Ansätze nach wie vor dem
der alles so schön Aufklärungsdenken verbunden bleibt, und unter
Erschuf, erst brünstig erheben? diesem Gesichtspunkt wird seine Bemerkung,
Durch Jubelgesang daß Frizchen eben aufgrund dessen, daß er oft-
Preis ihn mein Dank, mals »etwas naseweis« sei, den Kindern nicht
Doch mehr: meinkünftiges Leben!« (Weiße 1767,
s. 7). Vorbild sein könne (s.o.), verständlich. Es werden
denn auch hier die gängigen Tugendbegriffe der
Eine unterschiedliche Bewertung schließlich Aufklärungspädagogik behandelt wie das Lob
erfährt das Bücherstudium. Während bei Weiße des Fleißes und der Arbeit, das Mitleid, die Wohl-
das Lernen, der Erwerb von Kenntnissen aus- tätigkeit und die Versöhnlichkeit. So zeichnet das
schließlich mit Freude verbunden ist, weil sie u. a. Lied »Nach der Arbeit« (S. 45) die Empfindun-
die Kinder »in die geheimsten Gründe/Der wun- gen des Jungen nach einem erfüllten arbeitsrei-
derthätigen Natur« einführen (Weiße, >>An die chen Tag nach, der ihm ein ruhiges Gewissen be-
Bücher«, Zugabe, S. 15 f.), zeigt Overbecks Lied schert, und malt gleichzeitig das abschreckende
»An meine Bücher« (S. 66) wesentlich realisti- Bild des unzufriedenen Knaben, der seinen Tag
schere Ansätze, wenn er deutlich zu machen nicht sinnvoll verbracht hat.
sucht, daß Lernen durchaus mit Mühe und
Schwierigkeiten verbunden sein kann, besonders »Der Abend ist so schön!
wenn das Wetterschön ist und die Natur lockt, die Mit ruhigem Gewissen
man nicht aus Büchern kennen zu lernen brau- Kann ich ihn nun geniessen,
che: Dann froh zu Bette gehn.
275 Unterhaltende Schriften 276

Wie würd' es anders seyn, Overbeck- bei Lossius hängt der Schulmeisterzopf al-
Hätt' ich heut nichts gelesen, lerdings noch im Nacken- auf den pädagogischen Er-
Und wäre faul gewesen! folg nicht förmlich Hatzjagd macht, zeigten seine Lieder
Mich würde nichts erfreun. echten lyrischen Ton und satte Farbe, die sich auch bis
Beschämt würd' ich den Kopf auf unsere Tage erhalten haben.« Auch Köster (1927,
Auf Ellenbogen stüzen. S. 106) bescheinigt Overbeck, daß dieser über den
Und in der Stube sizen Durchschnitt herausrage. Köberle (1972, S. 107) be-
Erbärmlich, wie ein Tropf. zieht sich auf die Schweizerische Ausgabe von 1786 und
[ . . .]
gesteht den Liedern einen »etwas frischeren Ton« zu:
0 wie ists doch so gut »Er gestattet den Kindern, vor Freude zu tanzen, zu
Um Arbeit und Geschäfte! springen, sich zu tummeln und zu jauchzen, auch kann
Wie stärkt er Muthund Kräfte, er die Freude an der Natur ohne moralischen Neben-
Wenn man was nüzes thut!« (S. 45 f.). zweck ausdrücken.« Allerdings setzt sie sichvon Göh-
ring ab, dessen Wertung sie für zu gewagt hält. E.
Schmidt schließlich widmet Overbeck eine längere Pas-
Overbeck behandelt auch häufig die Arbeit sage (1974, S. 38 ff.). Zurecht macht er auf die Wechsel-
des Landmannes. Bemerkenswert erscheint hier beziehung zwischen Kinderliteratur und den Einflüssen
insbesondere das Gedicht »Die Erndte« (S. 49), der nationalliterarischen Entwicklung aufmerksam und
das in kräftigen Farben die Arbeit während der hebt die realistische Darstellung der Kinder hervor. Ins-
Erntezeit darstellt, die Harmonie von Natur und besondere betont er die Einbeziehung des Themas Ar-
Mensch, das Glück des »Ackermannes«, den beit in die Kinderliteratur, das er als »eine neue gewich-
»kein Paradies, kein Herzogthum« so erfreut wie tige Thematik« bezeichnet (S. 40). Doch scheint es hier
sein Feld und dessen »sauren Schweiß« schließ- eher so zu sein, daß auch Overbeck den Spuren der Auf-
klärungspädagogen folgt, die häufig in ihren Schriften
lich das Erntedankfest belohnt.
sowohl körperliche als auch geistige Arbeit, d. h. eine
sinnvolle und nützliche Lebensführung, als Garant für
Frizchens Liedererschienen in der Folge in unter- eine robuste Gesundheit, Zufriedenheit und ein ruhiges
schiedlichen Ausgaben. So wurde 1786 in der Schweiz Gewissen thematisieren. Auch Schmidt stellt Overbeck
eine Sammlung von Gedichten und Liedern Overbecks in eine Reihe mit Lossius und würdigt sein Werk als ei-
veröffentlicht: Herrn Overbecks Lehrgedichte und Lie- nen Fortschritt im Vergleich zu früheren Kinderliedern,
der for junge empfindsame Herzen. gesammelt von eini- wie etwa denen Weißes: »Er erweitert und vertieft die
gen Verehrern des Herrn Verfassers in der Schweiz.
bisherige Realismus-Auffassung in der Kinderliteratur,
Doch distanzierte sich Overbeck in einer 1794 in Lü-
beck und Leipzig erschienenen Sammlung vermischter
Gedichtevon der Schweizerischen Ausgabe. In der Vor-
rede des Buches, das neben anderen Texten Auszüge 19
aus Frizchens Liedern enthält, merkt Overbeck an: +4&= Ql:z; t 7i' c:::v ,...,....
»Diese kleine Sammlung ist wenigstens von meiner ei-
genen Hand, und hierin unterschieden von der, die vor
~n Den ml4lJ·
etlichen Jahren ohne mein Zuthun in der Schweiz veran-
staltet ward.« Kayser vermerkt Frizchens Lieder in zwei- ~omm, lic~tr gRol], anb mo~
ter Auflage 1831. !tlle 04UA1f IDiebet sn\n,
Das Werk fand großen Anklang, wie auch Samuel Unb IoD mir oa bna ~~
Ba ur bescheinigt ( 1790, S. 340). Er ist der Auffassung,
Overbeck übertreibe nicht, »wenn er sie die ersten Kin- !Die fttintn lnrll~ 6h1~n I
derlieder unter uns nennt, die nicht, wie selbst die schö- ~ie m6djt' idj bodj fo sernc
nen Weisischen, nur im Ausdruck, sondern auch in den <Ein ~h1mdjen micber fe~n!
Ideen der Kinder gedichtet sind. »Allerdings kritisiert
Baur, daß Overbeck seine Lieder nicht in ihrer Gesamt- ~~ lit6rr m?av, mir sttne

heit für Kinder bestimmt habe, da Friz kein Vorbild für ~lnmol fpaainn ge~n I
Kinder sein könne: »Wozu sollen diese also dienen?
Diese namentlich, die derverliebten Art sind? und wenn !)n unfnr ~~n~rrtlu6t
Kinder einmal, wie zu wünschen ist, die guten Lieder Wirb. mir Mt 3tit fo Ions;
dieser Sammlung liebgewonnen haben, wer kann hin-
~olb IDtrb' ld/ ormn 'it>u.,
dem, daß sie auch die übrigen lesen wollen, und wenn
man sie ihnen vorenthält, desto begieriger darauf wer- tjdr Ungebulb nod) front
den?« Baur scheint allerdings einem Irrtum hinsichtlich ~dl , 6r9 bcn furarn ~osm
der Kennzeichnung Overbecks zu unterliegen, denn er
weist gerade die für Erwachsene bestimmten Lieder den Ul?uü idj midi o6cn bnln
Kindem zu. Zu Recht kritisiert er, daß die Kriterien der Mit bcn !tlofA&cln ,tagen,
Auswahl oftmals nicht einsichtig seien. Bei der überwie- llnb hnmrr ~ciftis frl)n.
gend herben Kritik an den aufklärerischen Kinderlie- so !l 9»tin •
dern wird Overbeck zumeist als Ausnahme lobend her-
vorgehoben. Göhring (1904, S. 75f.) stellt ihn neben
Lossius und führt beide als Beweis dafür an, »daß es Overbeck, Christian Adolf: Frizchens Lieder.
dem Gedichte stets zum Vorteile gereicht, wenn der Harnburg 1781 (Nr. 656). Textseite mit dem Ge-
Pädagoge hinter den Dichter zurücktritt. Denn wo dicht »An den May«
277 Sander, Der kleine Herzog, 1781 278

er will nicht Gedichte von Erwachsenen für Kinder, Fehler des kleinen Prinzen informiert und weiß,
sondern er strebt eine wirklich kindgemäße Lyrik an, die daß er in den nachfolgenden Szenen einem von
von gravierenden Themen, bedeutenden Gedanken Herzog Philip geplanten und in Szene gesetzten
und tiefen Gefühlen bestimmt ist[ ... ] Obwohl zum Teil
noch Aufklärungsdenken verhaftet, auch einer Aufklä-
Besserungs- bzw. Erziehungsvorgang des jungen
rungs-Poetik, lassen die Gedichte und Lieder Over- Prinzen beiwohnen wird: »Hören Sie, liber Herr!
becks Möglichkeiten einer der Wirklichkeit wie derzeit- unsers Prinzen bisherige Regirung war nichts wei-
genössischen Kunst verpflichteten Kinderliteratur er- ter, als ein Schauspil, das mit seiner Besserung
kennen« (S. 45). H. sich endigen wird. [ ... ]Unser Prinz hat von Natur
mehr Wiz, als Verstand, mehr Leichtsin und Un-
besonnenheit, als langsames Nachdenken. Seine
unbeschreibliche Lebhaftigkeit hat bisher die
Mühe seiner eifrigen Hofmeister vernichtet. Bei
1781 glüklichen Kräften ist er äußerst unwissend gebli-
Christian Friedrich Sander (1756-1819): ben : sein Ekel vor Kentnissen hat wachsen müs-
sen, so wie er mit seinem Leichtsinne an Zerstreu-
Der kleine Herzog. Ein Lustspiel in fünf
ungen immer mehr Geschmack fand. Dis warnun
Aufzügen. unsers Herzogs beständige Sorge. Philip glaubte,
Dessau 1781 daß sein Sohn grade die unglücklichste Anlage
habe, die ein junger Prinz haben kan: und san,
Das Lustspiel hat mit sehr hoher Wahrscheinlich- und sorgte, und wachte .... In disen zween Jaren
keit Kinder zum Adressaten, wenngleich Sander hat sich nun unser kleiner Herzog an den kleinen
es nicht ausdrücklich als ein Kinderschauspiel de- Freuden des Lebens übersättigt, wie es seines Va-
klariert hat. Es stellt Kinder im Alter von 14 Jah- ters Absicht war: und wenn er nun sinlich über-
ren in den Mittelpunkt der Handlung. Der kleine zeugt sein wird, wie sehr ein Regentone Kentnisse
Herzog wurde auch in die von Sanders 1783 her- und Ueberlegung allein im Stande ist, ein ganzes
ausgegebenen Prosaischen Dichtungen aufge- Land zu verderben, so wird er sich auch seines
nommen, die er eigens für Kinder geschrieben Leichtsins und seiner Unwissenheit schämen,
hat, wenn auch mit dem Vermerk, man solle sie und des Herzogs Kummer hat ein Ende« (S.
Kindem vorlesen und ihnen nicht in die Hände 10 ff). Dadurch erscheinen dem Zuschauer nun
geben (Vorwort). die folgenden Handlungen und Äußerungen des
Erbprinz Emanuel macht seinem Vater, dem Her- jungen Prinzen - besonders gemessen an seinem
zog Philip, große Sorgen, weil er sehr lebhaft und unbe- Anspruch, alle Untertanen glücklich machen zu
sonnen ist und für Vergnügungen mehr Interesse zeigt wollen- ausgesprochen einfältig, naiv und belu-
als an dem Erwerb von Kenntnissen, die ihn für sein stigend. Zwar werden die Schwächen und Fehler
künftiges Amt befähigen. Hinzu kommt, daß der junge des kleinen Herzogs bloßgestellt und verlacht,
Prinz nicht ohne Eigendünkel ist. Als sein Vater eines aber immer in einem nachsichtigen und verständ-
Tages eine Bittschrift von einem Armen erhält, prahlt
nisvollen Ton. Er bleibt trotz seiner Fehler eine
der Prinz damit, daß, wenn er Herzog wäre, alle Leute so
froh wären, daß sie keiner Bittschrift bedürften. Dies liebenswürdige Gestalt, ein Opfer sozusagen sei-
bringt seinen Vater auf eine Idee. Er macht seinen 12jäh- ner eigenen Naivität und Unwissenheit. Das La-
rigen Sohn zum Herzog der kleinen Insel Matura und chen entsteht folglich weniger aus dem Gefühl
läßt ihn zusammen mit einem aus z. T. gleichaltrigen der Schadenfreude als vielmehr aus Anteilnahme.
Freunden zusammengesetzten Hofstaat auf die Insel Die Reue und Einsicht des kleinen Herzogs hat
bringen, damit er Erfahrungen im Regieren sammele. Sander recht gut motiviert; sie beruhen allein auf
Dem Stadthalter von Matura, Graf von Sansarro, gibt er den natürlichen Folgen seiner unerfahrenen
indes den Auftrag, den Prinzen zu beobachten und die Handlungsweisen, die in direktem Widerspruch
üblen Folgen seiner Regierung abzuwenden. Die Uner-
zu seinen guten Absichten stehen.
fahrenheit und Unwissenheit des jungen Prinzen, sein
Hang zum vergnüglichen Leben, der Umgang mit sei- Der Tonfall des kleinen Lustspiels ist klar,
nen ebenfalls noch unreifen Kammerherren sowie die schwungvoll und leicht. Die von den Kindem hier
schlechten Ratschläge seines schmeichlerischen Pre- mit großem Ernst nachgeahmte Hofsprache der
mierministers Leonard führen dazu, daß Emanuel sein Erwachsenen wirkt äußerst komisch und belusti-
Land immertiefer in Armut und Verwüstung stürzt, oh- gend. Da sich die Dialoge immer aus der Hand-
ne sich dessen allerdings bewußt zu sein. Zum Jahrestag lung entwickeln, nehmen sie nicht den gekünstel-
seiner zweijährigen Regierungszeit wird Herzog Philip ten und belehrenden Charakter an, der sonst die
auf der Insel erwartet, um Rechenschaft von seinem Kinderschauspiele der Epoche kennzeichnet.
Sohne zu fordern.
Sander zeigt am Beispiel der Erfahrungen
Sanders Lustspiel ist klar, einfach und linear des kleinen Herzogs, daß der gute Wille oder die
aufgebaut. Der Zuschauer ist durch einen Dialog eitle Einbildung allein nicht ausreichen, sich ge-
zwischen Beliano, dem lustigen Rat des kleinen sellschaftlich nützlich zu machen und verantwor-
Herzogs, und dem Dichter Guinnes im ersten tungsvolle Aufgaben zu übernehmen. Hierzu ge-
Aufzug von vomherein über die Schwächen und hören Kenntnisse, Fähigkeiten, Ernsthaftigkeit
279 Unterhaltende Schriften 280

und Besonnenheit - alles Eigenschaften, die erst nem ihm unbekannten Verfasser erschienen sei. Er habe
mit den Jahren erworben werden können. lediglich die »alzupreziösen und überspannten« Dialo-
ge verändert, um sie für Kinder genießbarer zu machen.
Das Stück wurde im 2. Teil von Satonius' Theater Das von ihm erwähnte Stück »Der Sohn« stammt von
for die Jugend ( 1782-1785) wieder abgedruckt. C.
Christian Friedrich Sander und ist in dessen Prosaischen
Dichtungen ( 1783) unter gleichlautendem Titel als »Ein
Nachspiel für Kinder« abgedruckt.
Der junge Franz von Mülen darf wegen seiner Be-
gabung und Tugendhaftigkeit unentgeltlich die Militär-
1782 schule besuchen. Dort fällt er trotz seines guten Rufes
Georg Carl Claudius (1757-1815): nach kurzer Zeit dadurch auf, daß er außer Wasser und
Brot jegliche Nahrung verweigert und für sein Verhal-
Kinder-Theater. ten keine Erklärungen abgeben will. Bei der Befragung
Frankfurt und Leipzig 1 782 durch den Direktor der Schule gibt Franz unter größtem
Druck- es wird ihm angedroht, die Schule verlassen zu
Das Kinder-Theater ist für die » Erholungsstun- müssen- schließlich sein Geheimnis preis: Er will nicht
besser leben als seine in Elend und Not geratene Fami-
den« im kindlichen Tagesplan gedacht, denn
lie. Der Edelmut des Jungen rührt den Anstaltsleiter,
»Kinder müssen, wenn sie einen Theil des Tages und er erwirkt über seine Verbindungen vom König die
zu den höhem Erkenntnissen verwendet, Erho- Zahlung einer Pension an Franzens Vater, einen Vetera-
lungsstunden haben, aber doch auch in diesen nie nen des Königs.
müßig und unbeschäftigt bleiben« (Vorrede). Der Das kleine Schauspiel baut ganz auf dem
Autor hat die Erfahrung gemacht, daß »den Fä- Prinzip der Rührung auf. Es läßt seine Modellfi-
higkeiten der Kinder angemessen[e]« Kinder- guren außergewöhnlich leiden und überzeichnet
schauspiele die Kinder nicht nur vergnügen, son- ihre edelmütigen Handlungen. Eine Anhäufung
dern »auf ihre Herzen oft mehr Eindruck ma- von Tränen, Handküssen und dankbaren Fußfäl-
chen als bloßes Raisonerneut und Reflexionen« len zeugen ferner von einem stark durch die Emp-
(Vo~ede). Claudius fordert daher von den findsamkeltgeprägten Verhalten. Im Unterschied
Schriftstellern, daß sie sich zu den Kindem herab- zu Sander hat Claudius noch einen zweiten Akt
lassen mögen und selbst Kind werden sollen. So hinzugedichtet, der nochmals eine Steigerung der
muß seiner Meinung nach der Plan der Stücke rührenden Empfindungen bringt.
»nicht verwikelt, und auseinander vertheilt, son- Claudius illustriert die Tugenden der Kin-
dern leicht und einfach seyn. Affektierte Dialoge desliebe und des kindlichen Gehorsams, zu denen
sollen vermieden werden, ein rascher Gang des die Kinder nicht nur gegenüber ihren Eltern, son-
Geschehens soll das kindliche Interesse wachhal- dern auch gegenüber ihren Erziehern verpflichtet
ten. Claudius betont, daß er die Eignung seiner sind: »Schnelle Folgsamkeit gegen Lehrer und
Stücke für Kinder an deren Reaktionen getestet Vorgesezte ist das Grundgesetz unserer Militair-
und entsprechend verbessert habe.- Die handeln- schule« (S. 6). Franz soll die Schule trotz seiner
den Personen in den Stücken entstammen nicht guten Leistung und tugendhaften Führung wie-
nur den wohlhabenden Schichten. In »Edel- der verlassen, weil er, ohne eine Erklärung abzu-
muth« zeigt der Autor eine in Elend und Notgera- geben, nur Wasser und Brot zu sich nehmen will.
tene Offiziersfamilie; in »Sieg der Unschuld« ist Selbst geringfügige Fehler wie Spottlust werden
die zentrale Figur eine Bedienstete. mit Mißbilligung und Liebesentzug geahndet,
Das Werk stellt eine Sammlung von fünf Kinder- was in den Kindem das Verlangen nach Bestra-
stücken dar. Während die beiden Schauspiele und das fung weckt: »Ja, Herr Direktor, ich verdiene Stra-
Lustspiel noch einen dramatischen Handlungsablauf fe- und ich schäme mich für mich selbst meines
erkennen lassen, sind die beiden letzten Kinderstücke, Vergehens halber. Thun Sie mit mir, was Sie wol-
»Der Besuch« und »Lyda oder der doppelte Traum«
len- strafen Sie mich, so hart, wie Sie wollen, ich
eher in dramatische Form gebrachte Einakter. Der Au-
tor bemerkt dazu selbst in seiner Vorrede: >>Das vorlezte bin es würdig - nur entziehn Sie mir Ihre Liebe
Stück ist wohl kein eigentliches Schauspiel, sondern nicht« (S. 13). Eltern und Erzieher erwarten von
mehr eine gesellschaftliche Unterhaltung, dramatisch den Kindem bedingungslose Liebe und Vereh-
dargestellt. Ich wollte hierdurch die gesellschaftlichen rung, knüpfen ihrerseits aber an ihre Liebe die Be-
Spiele der Kinder vermehren, und wo möglich einige dingung, daß sie sich nur auf tugendsame und
der schlechtem und unnützem verdrängen helfen«. Das fehlerfreie Kinder richtet: »Nur guten Kindem
letzte Stück bezeichnet er als »Gelegenheitsstück« und bin ich Vater, die schlechten verabscheue ich von
im Untertitel als »Eine ländliche Scene«. ganzer Seele. Fort!« (S. 50)
» Edelmuth «. Ein Schauspiel in zwey Aufzü- Claudius stellt zudem die Bedeutung der Er-
gen: ziehung heraus: Sie habe vor allem den Zweck,
In der Vorrede gibt Claudius an, daß er den ersten den Zögling zu einem für die Gesellschaft nützli-
Akt des rührenden Schauspiels » Edelmuth« von einem chen Mitglied zu bilden. Franz demonstriert mit
Stück übernommen habe, daß in den Pädagogischen seiner Reaktion auf die ihm angedrohte Verwei-
Unterhandlungen unter dem Titel »Der Sohn« von ei- sung von der Militärschule, daß er sich dieser Be-
281 Claudius, Kinder-Theater, 1782 282

deutungbereits voll bewußt ist: »0 Gott! was soll edel ist, verdiene eure Verachtung, und wenn er
ich in der Welt, wenn ich nicht länger bei Ihnen den schönsten Rock trüge« (S. 82).
bleiben soll. Mein Vater kann mich nicht erziehen
»So siegt die Unschuld.« Ein kleines Schau-
lassen, und unerzogen meinem Vater Schande,
spiel für Kinder in einem Akt:
mir ein Mißgeschöpf, und allen Menschen Last
und Verachtung zu seyn, wollen Sie das?« (S. 21 ). Albertine, ein tugendhaftes Hausmädchen, unter-
Wie die Kinder zu Gehorsam und Liebe ge- stützt von ihrem mageren Verdienst ihren alten Vater
gen Eltern und Erzieher verpflichtet sind, so sind und einen armen Waisenknaben. Wegen einer Verleum-
dung durch den jungen und lasterhaften Friedrich von
die Untertanen ihrem König absolute Folgsam-
Thaifort ist Albertine bei ihrer Herrin, Frau von Thai-
keit und Verehrung schuldig. Als Gegenleistung fort, in Ungnade gefallen und aus dem Dienst entlassen
werden sie von diesem wie ein Vater umsorgt. Mit worden. Es widerfährt ihr aber schließlich doch noch
der Figur des ehemaligen Offiziers, Herrn von Gerechtigkeit durch die Hilfe der tugendhaften Schwe-
Mülen, stellt Claudius das Beispiel eines guten ster Friedrichs. Diese entlarvt Friedrichs falsche Be-
Patrioten auf. Herr von Mülen hat selbst nach schuldigungen. Albertine wird sofort wieder in den
1ahren des Elends und der Armut den Glauben an Hausverband aufgenommen und belohnt. Frau von
die Gerechtigkeit seines Königs, derihn ohne Ver- Thaifort übernimmt die Versorgung ihres Vaters und
sorgung ließ, nicht verloren: »Der König ist ge- des verwaisten Knaben.
recht, belohnt gern Verdienste, und wenn der Das kleine Lustspiel besteht aus einer einfa-
Lohn nicht schnell erfolgt, ists sicherlich nicht sei- chen Szenenfolge, in der das Verkennungsmotiv
ne Schuld« (S. 41 f). Auch der Direktor der Mili- den Gang der Handlung bestimmt. Es stellt der
tärschule glaubt fest an die Güte des Königs: »Sey Tugend und dem Edelmut Albertines die Laster
ruhig Franz! der König, den dein Vater so sehr der Neugierde und Verleumdung in der Figur des
liebt, und dem er so treulich gedient hat - wird jungen Friedrichs gegenüber und führt den schon
euch nicht verlassen. - Er weiß es nicht, wie übel im Titel angekündigten Nachweis, daß die Tu-
es ihm geht. Es darf ihm nur vorgestellt werden, gend belohnt, das Laster aber bestraft wird. Die
und eure Rettung ist gewiß. Hättest du mir deines Bestrafung erfolgt mittels Liebesentzuges, die Be-
Vaters Schicksal eher erzählt, so würde man ihm lohnung mittels Zuwendung. Der entlarvte Fried-
eher haben helfen können, und du würdest erfah- rich von Thaifort bereut sogleich sein Vergehen
ren haben, was für ein guter Vater seiner Unter- und verspricht Besserung. Er erhält die verlorene
thanen der König ist« (S. 23). Liebe seiner Mutter unter der Bedingung zurück:
»Der Ball. Oder Beurtheile den Menschen »Wenn dis Betragen nicht Heucheley ist, so ver-
nicht nach dem Aeußerlichen.« Ein Lustspiel in geh ich dir. Allein mit der Bedingung. Läßest du
einem Aufzuge: deine Vergehungen, deine Fehler nicht, so werd
Auf einem Kinderball erscheint ein Fremder in ich dich nicht mehr für meinen Sohn erkennen-«
ziemlich abgetragener Kleidung. Carl und Fritz, die bei- (S. 101). Claudius unterstreicht auch in diesem
de schon vorher durch ihre Spottlust, Eigenliebe und Stück die Bedeutung der Erziehung. Der von Al-
Voreiligkeit im Urteilen aufgefallen sind, behandeln
bertine geförderte kleine Waisenknabe erkennt:
den Ankömmling wie einen Bettler mit Geringschätzig-
keiL Heinrich und die Mädchen dagegen bleiben höf- »Sie sind ja meine Wohlthäterin, lassen mich ja in
lich und freundlich gegen ihn. Zur großen Überra- die Schule gehen. Hab heut recht schön ge-
schung aller stellt sich der Fremde als der eigene Onkel lernt [ ... ] Ich armes Kind, wer wird mich was ler-
der Kinder heraus, der nun Carl und Fritz in ihren straf- nen lassen« (S. 92).
würdigen Haltungen bloßstellt. Sie sind beschämt und
Baur (1790) bemerkt zu Claudius' Kinder-Thea-
versprechen Besserung.
ter: »Seine zahlreichen theatralischen Stücke erheben
Das kleine Lustspiel arbeitet hauptsächlich sich über das mittelmäßige; der Dialog ist gut, und die
mit dem Verkennungsmotiv und dem Prinzip der Sprache fließend, nur sollte er sich mehr vor Sprachfeh-
Tugendprüfung als Movens der kargen Hand- lern hüten.... Wir wünschten, Herr Claudius hätte we-
lung. Es dominieren moralisierende Dialoge. Die niger moralisirt, denn er verwendet zuweilen mehr als
beabsichtigte Lehre wird bereits im Untertitel an- eine Seite darauf« (S. 75). C.
geführt und durch das Stück veranschaulicht:
Nicht Stand, Herkunft oder gar Äußerlichkeiten
bestimmen den Wert eines Menschen, sondern al-
lein seine Tugenden. Die durch die Handlung ver-
anschaulichte Moral wird am Schluß noch einmal 1782/83
erläuternd zusammengefaßt: »Es kann in dem
schlechtesten Rocke, der beste, der ehrlichste Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811):
Mann, und in dem schönsten Kleide, der ausge- Moralisches Elementarbuch. 2 Teile.
machteste niederträchtigste Mensch verborgen Leipzig 1782-1783
seyn. Der verdienstvolle Mann, er erschein euch
auch im niedrigsten Gewande, sey euch vereh- Siehe: Moralisch belehrende Schriften, Spalte
rungswürdig, und nur der, der lasterhaft und un- 574
283 Unterhaltende Schriften 284

1783-90 die Zuweisung der Geschlechterrollen innerhalb


der Rahmenhandlung: Die Vaterfigur ist mit gro-
Johann Georg Friedrich Pabst (1754-1821): ßer Autorität ausgestattet, die Tochter Jacobine
Die Entdeckungen des fünften Welttheils hat als weibliches Glied der Familie eine ängstli-
oder Reisen um die Welt, ein Lesebuchfür che, schüchterne, unwissende, aber doch gutwilli-
die Jugend. 5 Bände. ge Rolle zu spielen. Die Söhne Gottfried, Friz und
Nümberg 1783-1790 Christian und der später hinzukommende Pflege-
sohn Carl treten forsch aufund sind begierig auf
Pabst nennt in der Vorrede zum ersten Band die die Abenteuer. Pabst läßt die Kinder der Rah-
Gründe für das Verfassen dieses Werkes: »Das menhandlung häufig Werturteile selbst sprechen
leipziger Wochenblatt erregte in mir schon vor und gibt damit den jugendlichen Lesern Gelegen-
mehreren Jahren, durch ein Verzeichnis der Rei- heit zur Identifikation.
sen um die Welt, den Wunsch, Kinder und Jüng- Pabst hat mit diesem Werk den Versuch einer hi-
linge, so viel als möglich, mit dergleichen Reisen storisch breit gefächerten Aufarbeitung der wichtigsten
unterhalten zu können (Bd. l, S. 2).« Bestärkt ha- Entdeckerreisen im sog. Südmeere, dem Pazifischen
be ihn auch die Lektüre von »Campens Colum- Raum, unternommen. Inhalt seiner Darlegungen sind
bus« (ebd.). Nicht zuletzt habe ihn auch die gute in erster Linie anthropologische und ethnologische In-
Erfahrung mit seinen Zöglingen, die voller Stau- formationen über die Bewohner der neu entdeckten In-
nen seinen Erzählungen über die Entdeckungsrei- seln und Landmassen und einer Beschreibung aller
sichtbaren Phänomene in geographischen Kategorien.
sen gelauscht hätten, zu diesem Schritt bewogen:
Daneben findet sich auch eine sittlich-moralische Aus-
»Wie einst dieIndianer die ersten Landungen der einandersetzung mit den wilden und >exotischen< Völ-
Europäer anstaunten; so staunten auch meine kern der Südsee, durch die es dem Autor gelingt, einen
Zöglinge die tausende von neuen Gegenständen positiven Zugang zu den fremden Völkern zu vermit-
an, die ihnen vorzüglich Südindien, zur Erhöhung teln. Häufig knüpft Pabst an der heimatlichen Lebens-
ihres Geistes, darbot. Sie lernten die Welt, davon welt seiner Leser an, um einen Bezug zum vermittelten
ihnen allmählig ein so beträchtlicher Theil entsie- Stoff herzustellen. Zudem übt er heftige Kritik an den
gelt wurde, mit ganz andern Augen ansehen, er- ausbeutensehen Praktiken der Holländisch-Ostindi-
weiterten und berichtigten ihre Begriffe, von Was- schen Gesellschaft und dem SklavenhandeL Schließlich
macht Pabst seine Leser auch mit der Realität des See-
ser, Gefahren, Rettungsmitteln, Erde, Pflanzen,
fahrer- und Entdeckerlebens bekannt. Die Fahrten deh-
Thieren und Menschen, wurden zur stillen Anbe- nen sich zeitlich bis zu 3 Jahren aus; oftmals sind die
tung ihres erhabenen Schöpfers und dessen wei- Schiffe 2- 3 Monate ohne Frischnahrung unterwegs;
sen Vorsehung entflammt, gewannen ihre india- als entsprechend eintönig beschreibt er dann auch das
nischen Brüder lieb, ehe sie erfuhren, daß sie an- Leben an Bord. Als eine sehnsüchtig erwartete Ab-
dere in die unterste Hölle verstosen« (Bd. 1, Vor- wechslung werden die Besuche auf den Inseln empfun-
rede, S. 2). Pabst stellt den positiven »Einfluß ei- den. Sehr einprägsam schildert Pabst die abenteuerli-
ner zweckmäsigen Leetüre von Reisebeschrei- chen Begegnungen mit mißtrauischen, kriegerischen,
bungen mit Nachdruck« heraus und beruft sich aber auch ängstlichen >Wilden<.
Inhalt des Werkes sind die Weltumsegelungen von
hierbei auf Autoritäten wie » Montesquieu, Iselin,
Commodore Byron auf der Dolphin, von Kapitän
Helvetius, Sulzer, Raynal, Feder, Platner, Mei- Wallis, von Kapitän Carteret und von Commodore
ners, Herder [ ... ]« (Bd. 1, Vorrede S. 3). »Sie, die- Cook, dessen drei Fahrten in den Pazifischen Raum ge-
se Erhabenen, setzten in die Kronen, die sie der schildert werden. Die Reisen fanden statt in den Jahren
Nachwelt als Denkmäler ihrer Unsterblichkeit 1764 bis 1780. Pabst beschreibt jedoch nicht lediglich
hinterliesen, warlieh die besten Steine aus Reise- die Erlebnisse auf den einzelnen Reisen, sondern ver-
beschreibungen!« In seiner letzten Vorrede in sucht, eine gedankliche Verbindungskette zwischen den
Band 5 bemerkt Pabst schließlich: »Ich verlaße einzelnen Reisen für den Leser herzustellen; er verweist
Euch mit der beseeligenden Ueberzeugung, Euch etwa bei den Cookschen Reisen auf die Begegnungen
mit den Herscherpersönlichkeiten Tahitis, die bereits
mit einem beträchtlichen Theile der Erde und ih-
Capitän Wallis auf seiner Reise angetroffen hatte, und
rer Bewohner in einem Zeitpunkte bekannt ge- läßt Cook nachforschen, ob die angebauten Kartoffeln
macht zu haben, wo eure noch unverkünstelte auf Neuseeland tatsächlich gedeihen oder ob die mitge-
Herzen mit der kunstlosen Natur noch am mei- brachten Hunde und Schweine auf Tahiti noch leben.
sten sympathisiren« (Bd. 5, Vorrede, S. 2). Der Reiseweg Byrons, Wallis', Carterets und
Die spannend geschilderten Abenteuer der Cooks auf seiner ersten Reise führt jeweils über Patago-
Seefahrer sind in eine didaktisch angelegte nien hin zu den sog. Gesellschaftsinseln. Während die
Rahmenhandlung- erzählender und erklärender ersteren so dann eine nördliche Passage einschlagen,
Vater und ihm lauschende und fragende, sich mit sucht Cook eine südliche Route, entdeckt einen Seeweg
zwischen Neuguinea und Australien nach Java, dem
dem Inhalt auseinandersetzende Kinder - im
Sitz der Holländisch-Ostindischen Gesellschaft. Auf
»Tone von Campens Robinson« eingebettet. Die der zweiten und dritten Reise kreuzt Cook wiederum im
Dialogform wird mit Fortschreiten des Werkes Pazifischen Ozean, entdeckt wieder zahlreiche neue In-
sparsamer eingesetzt. Erzählungen des Vaters seln und Inselketten; den Südpol, das zusammenhän-
nehmen immer mehr Raum ein. Beachtenswert ist gende Land auf der Südhalbkugel, sucht er vergebens.
285 Pabst, Die Entdeckungen, 1783-90 286

Zweck der dritten Cookschen Reise soll schließlich die (Bd. I, S. 78). In diesem Sinne läßt Pabst denn
Entdeckung einer Passage durch das Eismeer sein. auch den Vater und die Kinder miteinander dis-
Der Autor macht seinen Lesern bewußt, daß kutieren: »Vater. Und wie gefällt euch nun diß
die von ihm geschilderten Reisen immer nur ein Volk Neuseeländer. Friz: Wem solt es nicht gefal-
oberflächliches Bild der neuentdeckten Länder len? Die Neuseeländer sind ja brav an Leib und
und ihrer Bewohner vermitteln können. Um eine Seele. Carl. Nämlich als uncultivirte. Friz. Das
exakte und genaue geographische Beschreibung versteht sich. Gottfried. Nur wünscht ich noch,
liefern zu können, sei »schon die Beobachtung daß ihres Körpers und Geistes Fähigkeiten, bald
vieler Jahre und eine unzählige Menge von Hülfs- gar zu dem Grade ausgebildet werden möchten,
mitteln« (Bd. 5, S. 183) erforderlich; die Seefah- deßen sie mir fähig scheinen.« Was Pabst hierbei
rer und die sie begleitenden Forscher aber hätten vorschwebt, ist eine friedliche Akkulturation der
nur eine relativ kurze Zeitspanne zur Verfügung Eingeborenen; er berichtet darüber, daß die Eng-
gehabt. Als weiteren Grund nennt Pabst den länder auf ihren Reisen »aufTahiti Pferde, Kühe,
»Mangel gehöriger Bekanntschaft mit der Spra- Stiere, Schafe, Widder, Ziegen und Gänse hinter-
che dieser fremden Völkerschaften«, der ein tiefe- lassen« hätten (Bd. 1, S. 387). Für den Fall, daß
res Eindringen in die Kultur fremder Völker ver- die Tiere überleben würden, so hofft er, »können
hindert habe. »Dem Reisenden bleibt unter die- sie in der Folge der Zeit, Gott weiß, was für merk-
sen Umständen fast weiter nichts übrig, als auf- würdige und glückliche Revolutionen, für die In-
merksam zu beobachten, und das Gesehene treu sulaner verursachen; denn Viehzucht und Feld-
zu erzählen. Alles was ausser seinem Gesichts- bau meine Lieben! haben schon manches Volk re-
punkte liegt, ist so gut, als ob es noch nicht existir- formirt.« (Bd. 1, S. 387ff.). Die >friedliche Revo-
te.« So sei insbesondere die Kenntnis überdie Re- lution< durch die zivilisierten Europäer ist ein Ge-
ligion der Eingeborenen fast immer mangelhaft danke, der sich durch das gesamte Werk zieht.
geblieben. Die Beschreibung des neuentdeckten Sein bisweilen >missionarisches< Ansinnen
Landes bliebe zudem fast ausnahmslos eine Kü- hindert Pabst jedoch nicht, Tahiti als einen der
stenbeschreibung: »So schränken sich alle Unter- schönsten Orte der Welt zu preisen: »Alle Spa-
suchungen auf die wenigen Anlandungspunkte nier, Franzosen, Engelländer und Deutsche, die
ein; ausser ihnen bleibt alles und hauptsächlich es gesehen haben, beschreiben es als einen reizen-
das Innere des Landes unerforscht.« Aber auch den Lustgarten, als eines der glücklichsten Länder
die Expeditionen, die ins Innere der Insel unter- in der Welt, wo alle Sinne erquickende Befriedi-
nommen wurden- z. B. die von Banksund Dr. So- gung finden und wo Edens Fluch am mindesten
länder sowie von Forster Vater und Sohn-, seien merklich ist« (Bd. I, S. 379). Nach einer Beschrei-
von dem Zufall der Jahreszeit abhängig gewesen, bung dieser lieblichen Insel und ihrer Einwohner
»da jede Jahreszeit und fast jeder Monat, seine läßt Pabst den Vater sprechen: »Glückliches Ta-
besonderen Blüthen und Früchte trägt, da Thiere, hiti, das weder Zeugheuser noch Kanonen hat!
Vögel und Fische zu gewissen Zeiten ihre Wohn- Und dessen Menschen auch mehr wahre Empfin-
plätze verändern. Letztlich bedeutet dies alles zu- dungen als alle die andern zeigen können«.
sammen, daßtrotzaller Bemühungen keine voll- Die Entdeckerreisen haben für den Autor
ständige zusammenhängende Geographie der nicht nur den Sinn der Erforschung fremder Erd-
neu entdeckten Länder vermittelt werden kann.« teile; er sieht auch die Eroberungsabsichten der
(Bd. 5, S. 185) Engländer, die hinter diesen Reisen stehen, die er
Pabst strebt denn auch nicht nach Vollstän- aber nicht zu billigen scheint: Er läßt Gottfried
digkeit der Fakten, vermittelt keine detailgenauen nach dem rechtmäßigen Eigentümer der Insel fra-
Kenntnisse; sein Bemühen geht dahin, seine Le- gen. Der Vater antwortet ihm: »Von Gott und
ser in die besondere Lebenswelt der Eingebore- Rechtswegen dem Volke, daß sie bis diese Stunde
nen einzuführen. Seine Intention ist es, den ju- bewohnt. Saiten aber ie die scheinbaren Ansprü-
gendlichen Lesern Wertschätzung gegenüber den che irgend eines europäischen Volkes geltend ge-
wilden exotisch anmutenden Menschen, ihren macht werden; so müsten es denn doch wohl der
Sitten und Gebräuchen, eine Hochachtung vor Engelländer ihre seyn.« (Bd. 1, S. 322f.) Es sei
der Kultur fremder Völker zu vermitteln. Das be- wohl ein Glück für die Insel Tahiti, »daß es nicht
deutet für Pabst jedoch nicht gleichberechtigtes Gold und Silber hat, sonst wär es längst civilisirt,
Nebeneinander aller Kulturen; er wertet die Kul- zu einer Art christlichen Glaubens bekehrt, und
turstufe der Europäer als die höher entwickelte schon während der Bekehrung halb masakrirt
und nimmt diese auch zum Maßstab. Die Einge- worden.« (Bd. 1, S. 322f.)
borenen betrachtet er kulturell als Kinder. Sein Die von ihm geschilderte >friedliche Revolu-
Appell an seine jungen Leser lautet denn auch: tion< sieht der Autor durch die Besatzung der
»Die Aehnlichkeit zwischen dem Empfinden, Schiffe häufig gefährdet. Oftmals lasse sich die
Denken, und Handeln der Kinder und dieser Völ- Mannschaft der Schiffe auf mutwillige Händel
ker zu bemerken, muß eine eurer liebsten Be- mit den Inselbewohnern ein. Ein Schiffer, den
schäftigungen, bei meinen Erzehlungen seyn« Carteret aussendet, um die Lage der Insel zu er-
287 Unterhaltende Schriften 288

kunden, wird von den Inselbewohnern freundlich S. 260). Bewohner der Marianen-Inselgruppe
aufgenommen und bewirtet. Zum >Dank< läßt läßt er sagen: »Ehe Ausländer kamen- o wie ru-
dieser aus Übermut eine Palme fällen: »Der hig lebten wir damals! Wir arbeiteten und waren
fruchtreiche Baum stürzte, der seit, wer weiß wie gesund! Wir hatten wenigere Bequemlichkeiten
lange! der Schatten und Schirm, das Magazin und des Lebens, hatten aber auch weniger vonnöthen.
die Freude der Hüttenbewohner gewesen war. Die Ausländer haben uns zwar manches gelehrt,
Voll des gerechtesten Unwillens über dieses harte aber zu unserer Qual. Sie gaben vor uns glücklich
Betragen der Europäer, flohen die Indianer von zu machen, und raubten uns doch Freiheit, raub-
dieser traurigen Verwüstung hinweg« (Bd. 2, ten uns den freien Gebrauch unserer natürlichen
S. 39 f.). Sie kehren bewaffnet zurück und setzen Stärke, raubten uns ein gesundes Leben und
sich zur Wehr. Der Schifferund einige seiner Leu- brachten uns dagegen Krankheiten, Schnuppen,
te werden verletzt; diese greifen schließlich zu ih- Colik, Ungeziefer allerlei Art, und tilgen uns aus
ren Musketen und Pistolen und lassen »auch un- unserm Vaterlande« (Bd. 1, S. 261 ). Wenig später
ter sie feuern und ganz natürlich eine Menge tö- resümiert Pabst: »Was Wunder also- daß die Be-
den, eine noch grössere verwunden« (Bd. 2, wohner der Marianen immer unversöhnliche
S. 41). Es sind aber nicht nur kämpferische Aus- Feinde dieser Nation [Spanien, d. Red.) zwar im-
einandersetzungen, mit denen die Eingeborenen mer Sclaven, aber nie Unterthanen von ihr gewe-
konfrontiert werden; die Schiffsleute verbreiten sen sind!« (Bd. 1, S. 263)
auch Krankheiten: »Nur eine Art von Flechte, Auf den Inseln, die Cook, Byron, Carteret
das sogenannte Zittermahl, herrscht so stark unter und Wallis ansteuern, stoßen die Seefahrerimmer
ihnen, daß gewöhnlich die Hälfte der hiesigen wieder auf Menschenfresser. Pabst berichtet zwar
Einwohner damit behaftet ist[ ... ]. Auch die bös- mit Abscheu darüber; aber er differenziert zwi-
artigen Geschwäre, die die Engländer schon bey schen den Greueltaten der Spanier, z. B. »daß ci-
ihrer ersten Anwesenheit bemerkten, so wie eine vilisirte Kastilianer den Indianerinnen ihre Säug-
schmerzlose, harte Geschwulst der Arme und Bei- linge von der Brustreissen und ihren Hunden zum
ne, oder anderer Theile des Körpers, gehören mit Futter vorwerfen« (Bd. 1, S. 280), und den rituel-
zu dem kleinen Verzeichniße der hier einheimi- len Handlungen der Wilden und rohen Völker.
schen Krankheiten. Von welcher Nation sie auch »Rachsüchtige Wuth hat ohne Zweifel in irgend
die Lustseuche bekommen haben mögen, ob einer Zeit sich eines und des andern Menschen so
durch die Engländer auf Cooks zweiter Reise im stark bemächtiget, daß sie, entschlossen, auch
Jahr 1773, odervielleicht durch die Holländer auf nicht das geringste von ihrem gefangenen Feind
Tasman's oder Schouten's und Lemaire's Reisen, übrig zu lassen, ihn mit siegender Rache auffra-
so ist wenigstens gewiß, daß dieses schreckliche sen« (Bd. 1, S. 282). Denn, so begründet er, »kei-
verherrende Uebel jezt auf den Freundschaftsin- ne gesellschaftliche Verfassung könnte bestehen,
seln vorhanden ist« (Bd. 5, S. 165). wo es Volksgewohnheit geworden wäre, daß einer
Seine Kritik richtet der Autor nur in gemä- den anderen, blos weil ihm sein Fleisch behagt,
ßigter Form an die englischen Landeroberer, de- schlachten könnte« (Bd. 1, S. 281 ). So würden
ren Eroberungspolitik er als relativ friedlich an- auch die »wildesten Völker nicht leicht ein Kind
sieht. So läßt Kapitän Cook etwa Ausschreitun- ihrer Feinde töden, es müste denn in der ersten
gen und Ungerechtigkeiten der Mannschaft ge- Wuth geschehen« (Bd. 1, S. 281). Die Rachsucht
gen die Eingeborenen hart bestrafen. Pabsts mas- der Wilden schildert Pabst als ein Produkt ihrer
sive Kritik trifft mehr die Holländer und deren Erziehung. »Mit Rachsucht wird der Wilde
Holländisch-Ostindische Gesellschaft, die Spa- gleichsam empfangen und gebohren; es ist eines
nier und die Portugiesen. Von den spanischen Er- der wesentlichsten Stücke bei der Erziehung der
oberern der Insel Guam berichtet er: »Aber erst Wilden, die Kinder dazu anzuführen, ihnen früh
im Jahre 1678 bekamen sie eine spanische Besa- wilde Begeisterungen einzuflösen; sie durch Ja-
zung von ohngefähr 30 Soldaten und im Jahr gen und Töden ans Blut zu gewöhnen und in der
1681 einen ganz eigenen Stadthalter, der auf der Unversöhnlichkeit so beharrlich zu machen, daß
Insel Guam wohnt, und sichs zum Geschäfte sie nicht nachlassen, biß der Gegenstand unter ih-
macht, die Indianer, so arm, so niedrig, so wehrlos ren Füssen erliegt und unter Martern zernichtet
zu machen, als möglich ist, ein Schiffwelches iär- ist« (Bd. 1, S. 283).
lich ankommt, mit dem Nothdürftigen zu versor- Ein Vergleich der literarischen Konzepte der
gen und übrigens mit der ganzen Welt abgeson- Autoren Pabst, Campe und Schiller, dem Über-
dert zu leben« (Bd. I, S. 25). Die Jesuiten gingen setzer von Hawkesworths Reisebeschreibung,
so vor, »daß sie schon ihr erhabnes Ziel erreicht zeigt einen großen Unterschied der Bearbeitung
zu haben glaubten, wenn sie nur zu hunderten des zugrundegelegten Stoffes, die sicherlich nicht
tauften und durch diesen feierlichen Gebrauch nur mit dem verschiedenen Adressatenkreis zu
die Indianer schon zum Christenthum einweihe- begründen ist: Die Bearbeitungen, so ist zu ver-
ten, ehe sie noch im mindesten in deßen heilbrin- muten, sind von denjeweiligen besonderen Wert-
genden Lehrsäzen unterrichtet waren« (Bd. 1, vorstellungen der Autoren geprägt. Schiller hält
289 Sander, Pusillana, 1783 290

sich eng an die Hawkesworthsche Vorlage. Mit euch verzeihen, wenn der diese 2 Quartbändchen,
wissenschaftlicher Genauigkeit wird im Tage- wollte ungelesen lassen.« »Welche Mannigfaltig-
buchstil über die Erlebnisse, Erkenntnisse und keit herrscht nicht in den Gegenständen! Welche
Erfahrungen der Entdecker berichtet. Campes Genauigkeit in der Darstellung! welche Richtig-
Schilderung der Reisen stellt die Begegnung der keit der Empfindungen und Grundsäze! welche
Eingeborenen mit den Schiffsbesatzungen als die philosophische Resultate in der edelsten und
zweier Handelspartner in den Mittelpunkt; es ganz nach der Verschiedenheit des Stofs sich for-
fehlen aber auch nicht ausführliche Beschreibun- menden Sprache!« (Bd. 3, S. 257). Als weitere
gen der Gewohnheiten der Menschen und die Er- Vorlage diente ihm das Werk von Hawkesworth,
läuterung der geographischen Phänomene. Cam- von dessen Stil er sich jedoch weitgehend distan-
pes Bestreben scheint es zu sein, die bürgerliche ziert. Wie ein Vergleich mit der Schillersehen
Kultur in den Mittelpunkt zu stellen und als Hö- Übersetzung zeigt, übernimmt er auch nicht des-
hepunkt menschlicher Entwicklung auszuweisen. sen in Tagebuchform nach wissenschaftlich-fak-
Pabst hingegen setzt sich vordringlich mit den tologischen Erkenntnissen gegliederten Stoff.
Ausbeutungspraktiken der Europäer auseinan- Pabst setzt seinen Schwerpunkt auf die abenteuer-
der, hatjedoch auch immer das Ziel einer >friedli- lichen Begegnungen der Seefahrer mit den »Wil-
chen Revolution< im Sinne der Evolution im Au- den«. Pabst selbstformuliert in der Vorrede: »Ich
ge. Campe und Pabst verstehen sich in erster Linie bin in den Erzehlungen beinahe ganz von dem
als Pädagogen und selektieren entsprechend ihrer Hawkesworthischen Ausdruck abgegangen, am
jeweiligen Intention die Inhalte. Beide haben sehr wenigsten hab ich sein Resonement beibehalten
wahrscheinlich die Schillersehe Übersetzung des für dienlich gefunden.« (Bd. 1, Vorrede). Der In-
Werkes von Hawkesworth zum Ausgangspunkt haltsvergleich mit der Schiller-Ausgabe zeigt
ihres Werkes gemacht; beide vermitteln aber auch aber, daß er sich eng an die historischen Abläufe
klar ihre eigenen normativen und erzieherischen der Reisen Byrons, Carterets, Wallis und der Rei-
Grundsätze. se Cooks gehalten hat, verändert hat er entspre-
Campe geht in der Vorrede zum 6. Teil seiner chend seinen Wertvorstellungen dort, wo er seine
Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibungen sittlich-moralischen Vorstellungen einfließen las-
auf die Beschreibung der Südseereisen von Pabst sen konnte. P.
ein (Bd. 2, Vorrede, S. 4): »Ich habe nicht die Eh-
re, diesen Mann zu kennen, auch als er sein Buch
schreiben wollte, hat er mich nicht darüber zu
Rathe gezogen. Hätte er dis getan, so würde ich
1783
ihm zuverlässig gerathen haben, lieber in seiner ei- Christian Friedrich Sander (1756-1819):
genen Manier, als nach der eines Andern zu arbei- Pusil/ana, ein Schauspiel in vier Aufzügen.
ten, weil eine nachgeahmte Manier selten eine gu-
Dessau 1783
te zu sein pflegt.« Erwähnenswert in diesem Zu-
sammenhang ist die Kommunikationsstrategie,
die beide Autoren für die erste Cooksche Reise Mit dem vorliegenden Schauspiel wendet sich
wählen: Beide machen Cook zur Hauptperson, Sander an Kinder. Zwar treten in diesem Stück
dessen Lebensgeschichte breit und ausführlich an keine Kinder auf, doch sind die handelnden Figu-
den Anfang der Reise gesetzt wird. Schiller er- ren bis aufzwei Ausnahmen alle Liliputaner. Das
wähnt in seiner Vorrede, daß vor allem Banksund Schauspiel, das wie Der kleine Herzog ebenfalls
Solander die vorwiegenden Verfasser des Werkes eine Bühnenkonzeption ist, enthält u. a. Spielan-
gewesen seien; bei ihm wie bei Hawkesworth weisungen des Autors, die eine Aufführung durch
fehlt die Cooksche Lebensgeschichte völlig. Der Kinder vorsehen (vgl. Vorerinnerung). Sander
Band mit der ersten Weltreise Cooks erschien im gibt in seiner Vorerinnerung an, daß das Schau-
Jahre 1787, zwei Jahre vor Campes Reisebe- spiel bereits am 27. Dezember 1782 im Dessauer
schreibung. Es ist zu vermuten, daß Campe das Erziehungsinstitut aufgeführt worden sei.
Konzept von Pabst übernahm, also dessen Korn- Schließlich bezeichnet auch Baur ( 1790, S. 400)
munikationsstrategie nachahmte. das Stück als »Schauspiel für Kinder«.
Literarische Vorbilder, so Pabst, seien die Pusillana ist eine Insel in der Nordsee, auf der ein
populären Reisebeschreibungen der Zeit gewe- Volk von kleinem Wuchse lebt und ein einfaches, tu-
sen, und zwar habe er sein Wissen vorwiegend gendhaftes und glückliches Leben führt. Die Existenz
den Werken Ebelings, Dohms, Fabris und Forster der Pusillaner ist seit Jahrhunderten unentdeckt geblie-
Vater und Sohn zu verdanken. Von Sohn Georg ben, weil die Insel sehr versteckt liegt und die Pusillaner
einem strengen Gesetz folgen: Wenn sich zufälligerwei-
berichtet er, daß dieser eine Beschreibung dieser
se Europäer auf die Insel verirren, so lautet das Gesetz,
Reise geliefert habe, »die unstreitig das Meister- sind sie mit Ausnahme des nützlichsten und fähigsten
stück unter allen ist, die wir seit Mangelhans Zei- unter ihnen aufzuopfern. Kein Europäer, der Pusillana
ten erhalten haben«. Und an seine jungen Leser gesehen hat, darf je wieder in sein Vaterland zurückkeh-
richtet er den Appell: »Ich würde es keinem von ren. Die Pusillaner streben nach Einfachheit der Sitten
291 Unterhaltende Schriften 292

und des Lebens. Während sich die Europäer »von ho- schädigenden Einfluß europäischer Kultur durch
her Wildheit bis zu den höchsten Graden von Luxus« sehr strenge Gesetze, die der König der Pusillaner
(S. 26) entwickelt haben, haben die Pusillaner ihren Be- unter Hinweis auf die zersetzenden Folgen euro-
dürfnissen Grenzen gesteckt und darauf geachtet, daß
päischen Kultureinflusses wie folgt rechtfertigt:
ihre Sitten »ewig einen gewissen Grad von Einfalt be-
halten« (S. 26) und nicht von dem Luxus der Europäer »Mein Volk würde lüstern werden nach ihren
»verpestet« werden. Sünden, und bald in einer Flamme auflodern, die
Seit einigen Jahren ist der König der Pusillaner er- jene Starken nur langsam verzehrt. Es würde sein
blindet. Sein Leibarzt Grifo reist deshalb nach Deutsch- Eisen mit ihrem Golde, seine Redlichkeit mit ih-
land, um dort die Kunst der Augenchirurgie zu erlernen. rer falschen Verfeinerung, seine unwissende Tu-
In Deutschland wird Grifo aber von einem englischen gend mit einer neuen Kentnis von tausend La-
Kapitän, der ihn liebt und als Sohn adoptieren will, auf stern, seinen Frieden mit ihren Wünschen ohne
seinem Schiff nach England entführt. Während der Rei- Zahl und Hofnung, seine Freiheit mit ihren
se lernt Grifo den tugendhaften adeligen Augenarzt
prächtig tönenden Ketten vertauschen« (S. 44f).
Bernhard vom Hügel und seinen grobschlächtigen, un-
gebildeten Bruder Hans kennen. Als das Schiff in der
Seine Warnungen vor Unmäßigkeit und Unnatür-
Nähe der Insel Pusillana vorbeisegelt, gelingt es Grifo, lichkeit der Lebensführung verknüpft Sander mit
sich unter einem Vorwand in Begleitung Bernhards und der Hervorhebung des Nützlichkeitsprinzips als
Hans' in einem kleinen Boot abzusetzen und an Land zu Voraussetzung für individuelle und gesellschaftli-
gehen. Er hofft, daß Bernhard seinem König das Au- che Glückseligkeit.
genlicht wiedergeben kann. In diesem Zusammenhang übt er Kritik am
Auf der Insel angekommen, überredet Grifo Hans Adel durch die Figur des Junkers Hans, der im
zur sofortigen Rückkehr auf das Schiff- wohl wissend, Gegensatz zu seinem aufgeklärten und tugendsa-
daß einem der beiden Brüder nach pusillanischem Ge-
men Bruder den Prototyp des parasitären, hoch-
setz sonst der Tod bevorstehen würde. Hans verirrt sich
aber auf dem Rückweg und wird von den Pusillanern mütigen Landaristokraten vertritt und sich wegen
überlistet und gefangen genommen. Da er im Vergleich seiner Herkunft groß dünkt, »als wenn er wirklich
zu seinem tugendhaften und edelmütigen Bruder über alle Verdienste seiner Ahnen geerbt hätte« (S. 7 5).
keinerlei nützliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt In einer der Schlüsselszenen des Schauspiels (2.
und sich nur auf seine ererbten Adelsprivilegien beruft, Aufzug, 15. Auftritt) muß Hans vor dem Tribunal
wird er vom König zum Tode verurteilt. Bernhard dage- der Pusillaner seine gesellschaftliche Nützlichkeit
gen, der den Pusillanern in Tugend, Fleiß und Edelmut auf Leben oder Tod nachweisen. Dabei entblößt
in nichts nachsteht, heißt das Inselvölkchen als neuen er sich selbst auf lächerliche Weise durch seine
Einwohner willkommen und bittet ihn, dem König sein
auffallende Naivität und den mißlungenen Ver-
Augenlicht wiederzugeben. Bernhard weigert sich aber,
dem König zu helfen, wenn man seinen Bruder töten such, seine Existenz im Sinne bürgerlicher Nütz-
will. Um sein Volk nicht der Gefahrdes Verrates auszu- lichkeitsmoral zu rechtfertigen (S. 76 f.).
setzen, besteht der König schweren Herzens auf dem Dem Junker bleibt jedoch der Tod erspart,
Todesurteil und verzichtet aus Edelmut auf Bernards weil die Pusillaner ihr Herz mehr als ihren Ver-
Hilfe. Auf Drängen seiner Räte -die fast alle vor der stand sprechen lassen. Sie halten Hans zugute,
schrecklichen Bluttat zurückschrecken - überläßt der daß er keine rechte Aufklärung genossen und so-
König schließlich diesen und dem Volk selbst das end- mit auch nicht die richtigen »Begriffe von der
gültige Urteil. Hans wird freigesprochen und unter die reinsten Glükseligkeit des Menschen« (S. 93) ha-
Gewalt seines Bruders gestellt. Er verspricht, etwas
Nützliches zu lernen und auf seine Adelsprivilegien zu
be entwickeln können. Außer dem »bequemen
verzichten. Beide Brüder bleiben beide auf der Insel - Wandel eines Landjunkers nach vaterländischen
Hans gegen seinen Willen, Bernhard aus freien Stücken. Vorurtheilen« (S. 93f.) kenne er keine »Würde
Der König wird mit Erfolg operiert; alle Tugendhaften und keine Freude« (S. 94). Für seine Rohheit sei
werden von ihm belohnt. nur seine mütterliche Erziehung schuld, und er
solle nicht sterben müssen, »eh es ihm möglich ge-
Pusillana hat eine im Vergleich zu anderen macht wurde, leben zu lernen« (S. 94).
Kinderschauspielen der Epoche überraschend Am Ende werden sowohl Hans als auch sei-
breit, aber dennoch überschaubar angelegte dra- nem tugendhaften Bruder der Adelstitel mit der
matische Handlung und benutzt einen unge- Begründung aberkannt, er sei ohnehin nur »un-
wöhnlich großen Personenapparat Aufbau- und nützer Flitterschmuck«, auf den der Lasterhafte
Strukturprinzip dieses Schauspiels bildet die keinen Anspruch erheben könne und dessen der
Kontrasttechnik. Tugendhafte nicht bedarf, weil ihn seine Tugend
Sander warnt in seinem Stück vor dem Nie- bereits adele. - Wie die meisten Kinderschau-
dergang der Sitten in Europa, den er durch die spielautoren, so weicht auch Sander einer ernst-
herrschende, allzu unmäßige, luxuriöse und ge- haften Konfliktzuspitzung zwischen seinen Kon-
künstelte Lebensweise begünstigt sieht, und ent- trahenten aus. Die Lösung erfolgt über mit-
wirft als Gegenbild das in aller Einfachheit, Mä- menschliches Fühlen. Der gut motivierte Schluß
ßigkeit und Tugend lebende pusillanische Insel- steht für den aufklärerisch-optimistischen Glau-
volk, bei dem Zufriedenheit und Glückseligkeit ben an die Besserungsmöglichkeit des Menschen
herrschen. Dieses Völkchen schützt sich vor dem durch Bildung und Erziehung.
293 Deutsche Zeitung, 1784-87 294

Die Kinderschauspiele von Sander haben offen- ich mich nunmehr auf meine eigene Hand nieder-
bar nicht die gleiche begeisterte Aufnahme gefunden gelassen habe.« (S. 8) Da Becker keine neue
wie viele andere, weniger interessante und unterhaltsa- Funktionsbestimmung der Zeitschrift gibt, ja eine
me Kinderschauspiele;jedenfalls läßtsich kein Wieder- solche ausdrücklich zurückweist, muß davon aus-
abdruck in einer der bekannten Wochenschriften für
Kinder finden. Es handelt sich bei Sanders Dramen -
gegangen werden, daß die Deutsche Zeitung zu-
abweichend von den typischen Kinderschauspielen des nächst ohne inhaltliche Änderungen als Fortset-
Jahrhunderts - allerdings auch um ausgesprochene zung des Dessauer Blattes konzipiert war. In Be-
Bühnenkonzeptionen. Baur (1790) gibt einen Hinweis zug auf die Adressatenzuweisung und die Autor-
auf Pusillana. Es heißt dort, dieses Schauspiel habe »ei- intention können daher die für die Dessauische
ne sehr artige Dichtung« und »einen guten Dialog« (S. Zeitung getroffenen Aussagen auch für die ersten
400). c. Ausgaben der Deutschen Zeitung als gültig ange-
sehen werden.
Die Dessauische Zeitung war gerichtet an
»die guten Kinder in Europa, die Deutsch verste-
1784-87 hen« (I. St. [ = Nullnummer], 1782, S. 2)und soll-
Deutsche Zeitung fiir die Jugend und ihre te 1. »Den jungen Menschen für die Welt und die
Freunde oder Moralische Schilderungen der Welt für ihn interessiren, und dem Erzieher Gele-
Menschen, Sitten und Staaten unserer Zeit. genheit geben, seinem Zöglinge die schon izt vor-
handene und mit zunehmenden Jahren immer in-
Herausgegeben von Rudolph Zacharias niger und vielfacher werdende Verbindung des-
Becker (1 752-1822). sen, was er lernt oder übt, mit der Summe von
Gotha 1784-1787 Glükseligkeit, die das Menschengeschlecht in je-
dem Zeitpunkte genießt, sinnlich zu machen und
Die Deutsche Zeitungwendet sich an »junge Leu- das Gefühl seines eignen Werts in Bezug auf das
te beyderley Geschlechts von reifem Alter« (In- Ganze zu berichtigen;« 2. »der Jugend und allen,
nenseite des Umschlags zum I. Quartal Jg. 1788) die es bedürfen«, richtige Begriffe von »Kunst-
sowie an »Erwachsene, welche keine Gelehrte Wörtern« beibringen; 3. »den Irtümem und La-
oder Staatsmänner von Profeßion sind« (Innen- stern unsrer Zeit, durch Darstellung ihrer wahren
seite des Umschlags zum 1. Quartal Jg. 1784); sie Natur und Verhältnis zur Menschenglükseligkeit
ist nicht »für eigentliche Kinder« gedacht (Innen- Abbruch tun, und dagegen richtige Schäzung der
seite des Umschlags zum I. Quartal Jg. 1788). menschlichen Dinge und Bestrebungen gemeiner
Diese Zuweisung erfährt jedoch im Verlauf der machen;« 4. »das Gute, welches im Verborgenen
Zeit ebenso eine Veränderung wie die Funktions- geschieht und genossen wird, ans helle Tageslicht
bestimmung der Zeitschrift. ziehen«, um »durch die Tat selbst zur Nachah-
Als Becker 1784 die Deutsche Zeitung be- mung zu reizen und dem immer weiter um sich
gründete, knüpfte er hiermit an die Dessauische greifenden Geiste der Unzufriedenheit mit Gott
Zeitung for die Jugend und ihre Freunde an, de- und Menschen entgegen zu arbeiten« (Dessau-
ren ersten fünf Quartale er 1782/83 während sei- ische Zeitung, 1. St., 1782, S. I f).
ner Tätigkeit an Basedows Dessauer Philanthro- Diese Aufgabenbestimmung weist die Des-
pin herausgegeben hatte. Obwohl die Zeitung sauische Zeitung eindeutig als Jugendzeitschrift
auch nach seinem Ausscheiden im November in der Tradition der moralischen Wochenschrif-
1783 fortgeführt wurde (bis 1786 oder 87), ver- ten aus. Wie oben nachzuweisen versucht wurde-
suchte Becker den Eindruck zu erwecken, als und hierfür sprechen auch der Titel der Deutschen
handle es sich bei der Deutschen Zeitung um die Zeitung for die Jugend und ihre Freunde, der in
Fortsetzung der Dessauischen Zeitung. So trägt eindeutiger Anlehnung an den des Dessauer Blat-
das erste Stück des ersten Jahrgangs den Vermerk tes gewählt wurde, die gleiche Inhaltsstruktur,
»Von dem Verfasser der ersten fünf Quartale der Aufmachung und Zergliederung des Stoffmate-
Dessauischen Jugendzeitung«, und Becker wen- rials in vier unterschiedliche Register- hat Becker
det sich ebenso selbstverständlich an seine bishe- zu Beginn mit der Deutschen Zeitungoffenbar die
rigen Leser: »Ich habe mich seit zwey Monaten gleichen Ziele wie mit dem Dessauer Blatt ver-
nicht mit Ihnen unterhalten; weil ich eine Reise folgt. So erfolgt denn auch im ersten Jahrgang die
von100Meilen gegen Nordosten gemacht habe, Anrede an die »edlen Jünglinge und Mädchen«
deren Früchte ich Ihnenbey Gelegenheit mitthei- (6. St., S. 47) als Leser der Zeitschrift, und Becker
len werde.« (S. I) Präzisierend heißt es in einer spricht die Hoffnung aus, die Zeitschrift möge
Nachschrift zum ersten Stück: »Sie haben oben »besonders zum öffentlichen und Privatunter-
gesehen, daß ich ein neues Schild ausgehangen richt« der Jugend brauchbar sein (Beilage zum
habe, und möchten vielleicht daraus schliessen, 13. St. 1784, S. 99). Er geht offenbarvon dem Ide-
ich wollte Ihnen andem Wein einschenken. Al- alfall aus, daß die Kinder mit ihren Erziehern ge-
lein es hat damit bloß die Bewandniß, daß dies meinsam die Zeitschrift lesen. Daß die Deutsche
mein eigen Schild ist, welches ich aushänge, weil Zeitung besonders für den Schulgebrauch konzi-
295 Unterhaltende Schriften 296

piert war, geht auch aus einer Art Lehrerbegleit- lichkeit der gegenwärtig noch wirklich vorhande-
heft hervor, das im ersten Quartal mitgeliefert nen Irrthümer, Thorheiten und Laster; 6) durch
wurde (»Anrede eines Lehrers an seine Schüler, beygefügte Erklärungen der wissenschaftlichen
bey der Einführung dieses Wochenblatts, in sei- Kunst-Wörter und Sachen alles höchst faßlich zu
ner Classe«; das Heft fehlt in dem vorliegenden machen; 7) in der Schreibart die gelehrte Bücher-
Exemplar der Stadt- und Universitätsbibliothek sprache eben so sehr, als den falschen Kinderton
Frankfurt, ist jedoch in dem Exemplar der FB Go- zu vermeiden, dessen sich einige Jugendschrift-
tha erhalten und wird hier nach Siegert, 1978, Sp. steller zum großen Nachtheil der Jugend bedie-
657, zitiert). Becker gibt darin- wohl zu Werbe- nen;[... ]8) für das Herz und den Geschmack der
zwecken - vor, die Zeitschrift werde »schon in Leser eben so wohl zu schreiben, als für ihren Ver-
mehrern Gymnasien und Stadtschulen gelesen«. stand.« (Innenseite des Umschlags zum l. Quar-
Er regt- angeblich schon Praktiziertes vorstellend tal Jg. 1784, zit. n . Siegert, 1978, Sp. 657 f.)
-an, seine Zeitung »in der zum lateinischen Vers- Die Deutsche Zeitung war somit zu Beginn
machen sonst bestimmten Stunde« zu lesen. als Jugendzeitschrift zur Privatlektüre, vornehm-
Von der Dessauischen Zeitung brachte Bek- lich jedoch zum Schulgebrauch konzipiert. Diese
ker seine Korrespondentenkontakte ein; auch die Bestimmung änderte sich jedoch bald. Die weite-
Methode der Nachrichtenbeschaffung und der re Entwicklung der Zeitschrift in Richtung auf ein
allgemeineres, nicht vornehmlich für Jugendliche
konzipiertes Organ kündigt sich schon zu Ende
des zweiten Jahrgangs an. Becker modifizierte die
bisherigen Aufgaben der Deutschen Zeitung in ei-
ner »Nachricht«: »Diese deutsche Zeitung wird
künftiges Jahr so fortgesetzt werden, wie sie bis-
her gewesen ist; ausser, daß sich der Herausgeber
bestreben wird, sie immer reichhaltiger und ge-
meinnütziger zu machen.« (51. St., 1785, S. 418)
Die dieser Ankündigung folgende Entwicklung
kommt in der nachträglichen Funktionsbestim-
mung der Zeitschrift in der schon zitierten Zu-
schrift »An die Leser, besonders an Jugendleh-
rer« vom Januar 1788 zum Ausdruck. Becker
nennt darin als Adressaten seines Werkes vor-
nehmlich Erwachsene, an zweiter Stelle erst Ju-
gendliche. Ausdrücklich verwahrt er sich gegen
die Benutzung der Deutschen Zeitung als Kinder-
zeitschrift: »Der Inhalt sowohl, als die Art des
Vortrags, dessen ich mich in diesem Blatt bediene,
zeigt von selbst, daß ich es[ ...] nicht für eigentli-
che Kinder schreibe: sondern daß es für diese nur
als Materialien-Sammlung von ihren Lehrern ge-
braucht werden soll und- kann. Gleichwohl habe
ich erfahren, daß die Verbreitung derselben in
Rudolf Zacharias Becker (1 752-1822). Kupfer-
manchen Gegenden dadurch gehindert worden
stich von Bol/inger
ist, daß man es als eine Kinder-Zeitung angese-
hen hat, wo die alltäglichen Zeitungs-Nachrich-
Informantenkreis blieb damit wesentlich iden- ten, mit einer pädagogischen Brühe aufge-
tisch. Weitgehende Übereinstimmungen zwi- schwemmt, aufgetischt würden; dergleichen Brü-
schen der Dessauischen und der Deutschen Zei- hen ich fürsehrunpädagogisch halte.« (Innensei-
tung ergaben sich auch hinsichtlich des Inhalts. te des Umschlags zum l. QuartaiJg. 1788). Becker
Für seine Redaktionsführung nennt Becker fol- zieht daraus den Schluß, mit dem fünften Jahr-
gende Grundregeln : »I) aus den Staatsbegeben- gang den Untertitel »für die Jugend und ihre
heiten nur die für die Menschheit [gemeint: Ent- Freunde« ganz fortzulassen. Auch nach 1787 hat
wicklung der Menschen zu mehr Vollkommen- die Deutsche Zeitung als Adressaten u. a. jugend-
heit] wichtigen und wahren auszuheben;[ ... ]3) liche Leser, der Charakter einer allgemeinen Wo-
merkwürdigen Handlungen und Schicksalen ein- chenschrift tritt aber immer stärker in den Vorder-
zelner Menschen aus allen Ständen eben so viel grund. 1789 bekommt die Zeitschrift den neuen
Aufmerksamkeit zu widmen, als ganzen Völ- Untertitel »Mit besonderer Rücksicht auf
kern;[...]5) durch die Art der Erzählung selbst Deutschland«, ab Januar 1796 erschien sie dann
den Leser auf die guten Lehren zu führen, die in unter dem neuen Titel National-Zeitung der
den Begebenheiten liegen, so wie auf die Schäd- Deutschen und wurde nach Beckers Tod noch bis
297 Deutsche Zeitung, 1784-87 298

1829 mit einer Unterbrechung in den Jahren überträgt diesen »herrlichen Ausspruch, der die
1812/ 13 (Verbot) fortgesetzt. Grundlage der wahren menschlichen Gesell-
Die Deutsche Zeitung- besprochen werden hier schaftlichkeit enthält«, mit den Worten: »ich bin
die ersten vier Jahrgänge, die noch den Untertitel »für ja ein Mensch; darum glaube ich, geht mich alles
die Jugend« tragen- enthält Nachrichten über das bür- Menschliche, jede Noth anderer Menschen, wo
gerliche Leben, über Staatsbegebenheiten und Naturer- ich helfen oder trösten, jede Freude, die ich durch
eignisse und vor allem »Beispiele von Glück und Elend, Theilnehmung erhöhen kann, etwas an« (Innere
von weisem Betragen in den letzten, von edlen und Umschlagseite des 6. Jg. 1789).
schlechten Handlungen, von Anstalten zur Minderung Im Zentrum des aufklärerischen Gedanken-
des menschlichen Elends und zur Verbreitung der Tole-
guts, das Hecker mit der Deutschen Zeitung ver-
ranz und Aufklärung, von Verbesserung des Schul- und
Erziehungswesens, u.s.w.« (Baur, 1790, S. 34 f.). Die er- breitet, steht der Perfektibilitätsgedanke: Der
sten Stücke beginnen mit der Vorstellung des »Natur- Zweck des menschlichen Daseins und die wahre
jahrs« und des »Staatsjahrs«, gefolgt von verschiede- Glückseligkeit des Menschengeschlechtes be-
nen Kurznachrichten (später: »vermischte Nachrich- steht nach Heckers Auffassung in einer stufenwei-
ten«). In der Regel informiert eine »Beylage« über sen Entwicklung aller Keime der Vollkommen-
»Neue Erziehungsanstalten«, »Begebenheiten schon heit. Prägnant wird dieser Gedanke in einem kur-
bekannter Schulanstalten«, »Veränderungen«, »To- zen Vers Overbecks zusammengefaßt, der das
desfälle«, »Anfragen« sowie »Preisfragen«, die alles- Motto einer späteren Ausgabe der Deutschen Zei-
amtdas Erziehungswesen betreffen. Bereits das 5. Stück
tung bildet: »Wies nun ist auf Erden also soll's
des I. Jahrgangs setzt die »Vaterländischen Neuigkei-
ten« an den Anfang; die »Ausländischen Neuigkeiten« nicht seyn !/Laßt uns besser werden! - gleich
finden geringere Beachtung und werden vornehmlich wirds besser seyn.« (I. St., 6. Jg. 1789, S. 3) Die
im Hinblick auf »Aufklärung und Landesglückselig- Voraussetzung, die Welt besser zu gestalten und
keit« abgehandelt; der pragmatische Aspekt steht dabei die Menschen glücklicher werden zu lassen, liegt
im Vordergrund. Die »vaterländischen Nachrichten« daher im Streben des Einzelnen nach Vervoll-
berichten dagegen vor allen von »Fortschritten der Ver- kommung: »Denn es ist nur Ein Weg zur Glück-
vollkommnung« einzelner Menschen und bieten einzel- seligkeit - die Selbstbesserung.« (6. St., I. Jg.
ne lehrreiche Geschichten zur Nachahmung tugendhaf- 1784, S. 48). Der Mensch sei ein vernunftfähiges
ter Handlungen bzw. zur Warnung vor einem lasterhaf-
Wesen und unsterblich, sein großes Ziel müsse
ten Leben. Becker hat dabei die einzelnen Begebenhei-
ten, denen jeweils eine Korrespondentenmeldung mit daher sein, »alle Tage und Stunden« seines Da-
Angabe des Ortes und des Datums zugrundeliegt, so be- seins» verständigerund besser, und eben dadurch
arbeitet, »daß man nützliche Kenntnisse, Lehren der glücklicher zu werden« (40. St., 2. Jg. 1785,
Weisheit und Beweggründe zur Tugend daraus schöp- s. 324).
fen könne« (2. Jg. 1785, S. 285 f.). Diesem Ziel versucht die Deutsche Zeitung
Den ganzen Stoff unterteilt Becker in vier Regi- zu dienen, indem sie dem Leser durch Vorstellung
ster, die jeweils einem Quartal nachgestellt sind. Das er- beispielgebender tugendhafter Handlungen und
ste Register verzeichnet die »Begebenheiten«, ein zwei- Verhaltensweisen sowie abschreckender Laster
tes >>über die Personen« dient zur »Wiederholung der
und zu verurteilender Taten eine Richtschnur zur
Urtheile, welche die Leser über sie gefällt haben«, ein
drittes umfaßt »die guten Lehren, welche in den Bege- Selbstprüfung an die Hand gibt, die das Fortkom-
benheiten liegen«, zum Schluß folgt ein »Viertes Regi- men des Einzelnen auf seinem Wege der» Vered-
ster, über die erklärten Wörter und Sachen«. Exempla- lung« und »Vervollkommnung« erleichtern soll.
risch seien an dieser Stelle einige »gute Lehren« aus Mit ihrer Konzeption hebt sich die Deutsche Zei-
dem dritten Register des zweiten Quartals 1784 wieder- tung in zweifacher Weise von anderen Zeitschrif-
gegeben, die die Fülle der in der Deutschen Zeitung be- ten ab: 1) Gegenüber den moralischen Wochen-
handelten Themen andeuten: »Wie das Leben, so der schriften, in deren Tradition die Dessauische Zei-
Nachruhm«, »Tugend adelt den Menschen, Geburt nur tungnoch weitgehend stand, entwickelt die Deut-
den Stand«, »Um einen Vater trauern die Kinder: um
einen gemeinnützigen Mann Stadt und Land«, »Tu- sche Zeitung zunehmend den Charakter einer ei-
gend und Freude sind ewig verwandt«, »Unterm gentlichen Zeitung, der sich schließlich in der
Krummstab ist nicht immer gut wohnen«, »Intoleranz Adressaten- und später in der Namensänderung
und Dummheit sind leibliche Geschwister«, »Edle ausdrückt. Siegert ( 1978, Sp. 936) konstatiert zu
Menschen giebts in allen Ständen«, »Aberglaube ist al- Recht: »Nach einer Anfangsphase, in der sie das
berner Glaube«, »Weise Regierungen achten auf die ursprüngliche Konzept einer Jugendzeitschrift
Stimme des Volks«, »Je klüger, je toleranter«, »Das aufgab, entwickelte sie sich zu einer Art Leser-
Gute bleibt nicht ohne Lohn: weil ein Gott ist« (2. Jg. briefkasten für aufklärerische Zeitgenossen:[ ...]
1785, s. 210f). ihre Aufgabe war die Dokumentation des Fort-
Der aufklärerische Grundgedanke der schreitens der Aufklärung in Deutschland, sei es
»Deutschen Zeitung« kommt bereits in dem den nun in Kirche, Schule oder Gesetzgebung.« 2)
einzelnen Lieferungen vorangestellten Leit- Gegenüber den pädagogischen »Doppelblät-
spruch aus dem ersten Aufzug des Heautontimo- tern« mit einem Teil zum Erziehungswesen und
rumenosvon Terenzzum Ausdruck: »Homo sum einem unterhaltenden Teil für Kinder oder Ju-
- humani nihil a me alienum puto«. Hecker gendliche bedeutet die Deutsche Zeitungeine for-
299 Unterhaltende Schriften 300

male Umkehrung: »Der unterhaltende Teil ist zur beurtheilen würdet« (ebd.). Die erforderlichen
eigentlichen Zeitung erhoben (während er dort Erläuterungen solle der Lehrer von sich aus vor-
Einschiebung oder Nebenast war). Das Erzieheri- nehmen; im Buch selbst würden sie bei einer spä-
sche aber ist Einstreuung oder gelegentliche Bei- teren Lektüre nur als störend empfunden werden.
gabe geworden. Und in den späteren Jahrgängen Sander stellt hiermit eine bemerkenswerte Forde-
findet es sich nur noch unter den >Vermischten rung auf: Ein Kinderbuch muß so abgefaßt sein,
Nachrichten<, hat also seinen eigenen Bezirk ver- daß es auch den erwachsen gewordenen Kindem
loren. In der inhaltlichen Art tritt es von vomher- noch eine vergnügliche Lektüre bietet.
ein mit der Beschränkung auf Personalien und Seine Absichten legt Sander in Auseinander-
Lokalnotizen auf« (Marx 1929, S. !56 f). setzung mit den vorangegangenen Robinsonbear-
Die Deutsche Zeitung erhielt nahezu durchgängig beitungen von Wezel und Campe (beide
überaus günstige Rezensionen, so in der ADB (Bd. 67, 1779/80) dar. Über die Entstehungsgeschichte
1786, S. 601-603), der ALZ(Jg. 1785, Bd. I, Sp. 56f., dieser dritten Robinson-Bearbeitung für die Ju-
Jg. 1786, Bd. 3, Sp. 445 f.) und der Nürnbergischen ge- gend innerhalb kurzer Zeit gibt Sander im Vor-
lehrten Zeitung (Jg. 1785, S. 300-303, 550f., 836-838). wort Rechenschaft: »Herr Wetze! hatte angefan-
Letztere beginnt: »Wir haben beynahe eine Iitterarische gen, seinen Auszug aus dem Stammvater der Ro-
Sünde begangen, daß wir diese für die Menschheit so in- binsone stückweise in die pädagogischen Unter-
teressante Schrift nicht bald nach ihrer Entstehung an- handlungen zu liefern: und als er abbrach, um ihn
gezeigt haben[ ... ]« (S. 300) und lobt Becker: »Ein
Mann, der so richtig denkt, so warm fühlt und so frey-
als ein einzelnes für sich bestehendes Ganzes her-
müthig spricht- verdient gehöret zu werden« (S. 302). auszugeben, entstand dort eine Lücke, welche
Ausführlich wird das Werk auch bei Baur (1790, vorzüglich den Zöglingen der Dessauischen Er-
S. 34f.) besprochen; er hebt hervor: »Diese Zeitung ziehungsanstalt unlieb war. Sie wünschten eine
enthält einen Schaz von edlen Thaten sowohl, von aller- Fortsetzung: und ich wurde dazu erbeten« (S.
lei Art, als auch manche warnende Beispiele, die, da sie IVf.). Sanders Spielraum war allerdings einge-
aus der wirklichen Welt genommen sind, um so lehrrei- grenzt: Er konnte nicht einfach die Bearbeitung
cher in Unterhaltungen mit jungen Leuten genutzt wer- des englischen Originals fortsetzen, da Herr Wet-
den können. Manche kurze eingestreute Raisonne- ze! durch den Vorgriff das erste Recht an die Ver-
ments[ ... ], das stete Bestreben, die Truggestalt der Din-
ge in ein richtiges Licht gegen wahre Gestalt zu stellen,
deutschung des Defoe hatte« (S. V). Sander war
und alles mit seinem rechten Namen zu nennen macht deshalb gezwungen, eigene Handlungszüge zu er-
diese Blätterüberaus interessant. Wir wünschen, daß ihr finden, um nicht in allzu große Nähe zum Origi-
Wirkungskreis immer ausgebreiteter werden, und daß nal zu geraten. Von Campes Robinson-Bearbei-
sie in recht vielen Schulen unter der Aufsicht verständi- tung sucht Sander die seine dadurch abzusetzen,
ger Lehrer gelesen werden möge.« 0. B. daß er die ganz verschiedenen Absichten betont.
»Herr Campe wurde von Rousseau erweckt,
mehrere große Zwecke durch ein einziges Buch zu
erreichen: und wenn es das sollte, mußte es durch-
1784 aus ein Werk von Umfang und großem Werth
Christian Friedrich Sander (1756-1819): werden.« (ebd.) Demgegenüberweist Sander auf
den »minder wichtigen Zweck« seiner Bearbei-
Friedrich Robinson. Ein Lesebuch tung hin: »Mein einziges Ziel dabey ward, an-
für Kinder. schaulich zu unterhalten.« (ebd.) Schließlich ver-
Flensburg und Leipzig 1784 wahrt er sich gegen jeglichen Vergleich seines
»kieine[n] dritte[n] Robinson« mit den zwei vor-
Der Roman ist an die Schüler des Dessauer Phil- angegangenen (S. Vf.).
anthropins gerichtet, in dessen Zeitschrift er auch Die Betonung des »minderen« und rein un-
zunächst erschienen ist. Die Buchpublikation be- terhaltenden Zweckes in der Vorrede muß jedoch
hält diesen besonderen Adressatenbezug (Anre- aus der Konkurrenzsituation heraus verstanden
de, S. VII), wendet sich aber dennoch in allgemei- und deshalb relativiert werden. Verschiedene
ner Weise an Kinder im fortgeschrittenen Schul- Stellen im Text machen deutlich, daß es sich nicht
alter. Bezüglich der jüngeren Kinder geht Sander um ein reines Unterhaltungsbuch handelt; inten-
davon aus, daß das »Lesebuch zuerst nicht anders diert ist vielmehr durchaus auch eine moralische
als unter eines Lehrers Leitung« gelesen werden Belehrung. So heißt es etwa in der Rahmenhand-
soll. Sander wünscht sich zudem, daß die Schüler lung zu Beginn des zweiten Abschnittes:»Die Er-
»auch noch in spätem Jahren, fern von Deßau zur zählung meines Vaters wird (darf ich das nicht
Erinnerung [ ... ] die Erzählung [ ... ] nicht ohne hoffen?) manchen guten Entschluß stärken, man-
Vergnügen lesen« sollten (S. 14, Anm.). Mit chen guten Entschluß neu erwecken, wird euch
Rücksicht auf eine solche spätere Lektüre hat von dem großen Glücke überzeugen,[ ... ] unter
Sander auf eine Reihe erklärender Anmerkungen Menschen zu leben; nicht unter Cannibalen, son-
verzichtet und »dann und wann etwas stehn [las- dern unter Europäern geboren zu seyn« (S. 46).
sen], was ihr für euch nicht verstehen, oder richtig Diese Sätze dürfen durchaus als Absichtserklä-
301 Sander, Friedrich Robinson, 1784 302

rungendes Autors selbst gewertet werden. Sander wiedergegeben (S. 5-15), was seine Ursache offenkun-
geht es demnach neben der Unterhaltung gleich- dig darin hat, daß der Abdruck der Wezelschen Bearbei-
gewichtig um eine moralische Belehrung der Kin- tung in den Pädagogischen Unterhandlungen bis zu die-
der. Diese betrifft zum einen ihren Gehorsam ge- sem Handlungsabschnitt gediehen war, Sander hier al-
so Wiederholungen vermeiden mußte. An einer Stelle
gen Eltern, Erzieher und Lehrer, zum anderen die
wird denn auch deutlich, daß die Leser die Handlung
richtige Wertschätzung der sie umgebenden auf- bis zu diesem Punkt bereits kennen: »Ihr wißt es, wie ich
geklärten europäischen Gesellschaft. An eine mir ein Haus gebaut, wie ich es mit den geretteten Gü-
sachliche Belehrung geographischer, naturkund- tern des Schiffs ausgeschmückt, wie ich mir Gärten an-
licher oder technischer Art, die in Campes Bear- gelegt [ ... ]« (S. I 0).
beitung eine solch große Rolle spielt, ist hier nicht Sanders Bearbeitung beginnt denn auch recht erst
gedacht. mit der Schilderung der zweiten, »unruhige[n], angst-
Das Werk besitzt eine komplexe und verschachtel- volle[n] Periode« des Inselaufenthaltes, die mit der Ent-
deckung der Fußspuren ansetzt. Hier zeichnet Sander in
te Rahmenhandlung. Sander trägt hiermit der Tatsache
Rechnung, daß es nicht nur schon zwei Jugendbearbei- großer Ausführlichkeit und packender Lebendigkeit die
tungen des Stoffes gibt, sondern auch unabhängig da- Angst und die Verzweiflung, die Robinson über sechs
von der Markt mit Robinsonen überschwemmt ist. Die Jahre plagen, das Auf und Ab von Mut und neuem Gott-
Rahmenhandlung hat hierbei die Funktion zu erklären, vertrauen und erneuter Niedergeschlagenheit, die
warum dieser Stoff, der an sich kaum noch Reiz und Schreckensbilder und Phantasien, die ihn verfolgen (S.
Neuigkeitswert besitzt, nun noch einmal aufgegriffen 15-43). Beruhigung findet Robinson schließlich in der
Überwindung jeglicher Todesangst (S. 41 ). Das zweite
wird. Sie behauptet zunächst, daß viele der bisher in
Umlauf befindlichen Annahmen bezüglich des Robin- Sendschreiben (S. 45-61) setzt an mit der Beschreibung
son Crusoe und seines Schicksals sich als falsch erwie- der immer größer werdenden Sehnsucht Robinsons
sen hätten. So sei Robinson kein Engländer, sondern ein nach Gesellschaft. Die Strandung eines Schiffes ver-
in Bremen gebürtiger Deutscher, mit Namen Friedrich stärkt diese noch: Robinson findet aber keinen Überle-
Robinson gewesen. Seinen Namen und seine Nationali- benden mehr an (S. 49f.). Er wird mehr und mehr von
Todessehnsucht heimgesucht (S. 56). Schließlich ge-
tät habe er später deshalb verändert, weil er sich seines
lingt es ihm, aus den Händen der Kannibalen einen Ge-
Ungehorsams gegen die Eltern geschämt und sich nicht
für würdig gehalten habe, ihren Namen weiter zu tra- fangenen zu befreien, den er später » Friday« nennt. Er
gen. Unbekannt sei des weiteren gewesen, daß Robin- begegnet ihm mit herrschedieher Würde und nimmt sei-
son nach der Rückkehr von der Insel eine Hamburger ne Unterwürfigkeitsbezeichnungen gnädig an (S. 59f.).
Pastorentochter geheiratet und mit ihr zwei Knaben und Das dritte Sendschreiben (S. 62-101) beschreibt
vier Mädchen bekommen habe. Allerdings habe er sich zunächst den Eingewöhnungs-und Erziehungsprozeß,
in Deutschland nicht zu erkennen gegeben, um Rück- den Robinson seinem neuen Gefährten zukommen läßt.
sicht auf noch lebende Verwandte zu nehmen; auch ha- Hierbei wenQet er zunächst die »pantomimische Unter-
be er seinen Lebensabend in London zugebracht. Die richtsmethode« an (S. 68). Nach Erlernung der Sprache
Wahrheit über Robinson habe erst jüngst sein nach und der Regeln des zivilisierten Lebens erhält Freitag
Deutschland zurückkehrender Sohn Christian aufge- schließlich auch Unterricht in der Sittenlehre und der
deckt; er sei in Besitz einer eigenhändigen Lebensauf- Religion (S. 79). Zwischenzeitlich konnte auch Freitags
zeichnung des Vaters, die dieser seinen Kindern als Ver- Vater »Paddo« aus den Händen der Kannibalen befreit
mächtnis übergeben habe. Sander teilt nun in einer Ein- werden (S. 75); er wird in die kleine Inselgesellschaft
leitung denjungen Philanthropisten mit, daß einerihrer aufgenommen, die Robinson als seine »Monarchie«
Lehrer brieflichen Kontakt mit dem Sohn Christian auf- bezeichnet (S. 80). Bald verstärkt sich Robinsons Sehn-
genommen und diesen gebeten habe, den Schülern sucht nach Europa, so daß er mehr und mehr an eine
doch die eigenhändige Lebensdarstellung des Vaters Flucht mit einem Boot denkt. Ein »Canot« wird denn
auszugsweise bekanntzumachen. Sohn Christian habe auch fertiggestellt (S. 85). Bevor die Fahrt angetreten
sich hierzu bereit erklärt und in vier brieflichen Sendun- werden kann, werden das Anwesen Robinsons und gro-
gen Auszüge für die Schülerzusammengestellt (S. XVI). ße Teile der Insel durch einen heftigen Sturm verwüstet
Die nun folgenden vier Hauptabschnitte des Romans (S. 86 ff); hierbei kommt Paddo, der Vater Freitags, ums
besitzen die Form von »Sendschreiben« des Sohnes Leben. Robinson und Freitag verlassen ihre zerstörte
Christian Robinson. Von diesem stammenjeweils eine Wohnstätte und überschreiten das Gebirge der Insel,
Einleitung und eine Schlußbemerkung; zwischen ihnen hinter dem sie ein paradiesisches und fruchtbares Land
werden die Auszüge aus der Lebensbeschreibung des entdecken.
Vaters Friedrich Robinson mitgeteilt. Vereinzelte An- Das vierte und letzte Sendschreiben (S. 103-132)
merkungen zu der Lebensbeschreibung sind mit C[hri- schildert den Einzug in das paradiesische Land, wo sie
stian] R[obinson] unterzeichnet. auf ein großes europäisch eingerichtetes Anwesen tref-
Die Darlegungen des Vaters im ersten Sendschrei- fen, das aus großen Hausanlagen und zahlreichen
ben (S. 1-44) beginnen mit einer Schilderung seines Pt1anzungen besteht. Eine Krankheit hat allerdings
Ausbruches aus dem Elternhaus in Bremen, seiner sämtliche Bewohner dahingerafft: den englischen Her-
Überfahrt nach England und der hieran sich anschlie- ren der Besitzung finden sie tot in seinem Zimmer. Ein
ßenden sechsjährigen Reisetätigkeit, die schließlich mit hinterlassenes Schreiben macht deutlich, daß dieser von
dem Schiffbruch auf der verlassenen Insel endet. Es Robinson, seinem >>Unglücklichen Nachbar(n)«, ge-
folgt eine knappe Schilderung der ersten, 18 Jahre wäh- wußt hatte. Im Testament wird Robinson zum Erben
renden Periode des lnselaufenthaltes, die bis zur Ent- des Anwesens bestimmt (S. 118 f. ). Robinson und Frei-
deckung der Fußspuren reicht. Der Handlungsverlauf tag richten sich auf dem Gut häuslich ein und genießen
wird bis hierhin nur äußerst gerafft und summarisch nun wieder alle Vorzüge und Bequemlichkeiten, die die
303 Unterhaltende Schriften 304

europäische Zivilisation zu bieten hat. Nach einiger Zeit will, sind die, zu zeigen, welch außerordentlich
taucht ein englisches Schiff auf, dessen Kapitän ein großes Glück und welch enormen Vorzug es dar-
Freund des verstorbenen Besitzers ist. Dieser be- stellt, unter zivilisierten Menschen zu leben, Mit-
schließt, Robinson das Anwesen abzukaufen und auf
glied der aufgeklärten europäischen Gesellschaft
der Insel zu bleiben, während Robinson und Freitag mit
dem Schiff nach London zurückkehren, wo sie Ende zu sein. Dieser Absicht dient auch die von Sander
1723 eintreffen. erfundene Schlußepisode, die ein paradiesisches
Gegenbild gegen das karge Inseldasein entwirft.
Obwohl die >>Unschädliche« Unterhaltung Das reiche Anwesen ist nichts anderes als ein Ab-
nicht, wie die Vorrede es nahelegen könnte, den bild der europäischen Gesellschaft selbst, ein Ab-
alleinigen Zweck des Werkes abgibt, steht sie bild allerdings, in dem alle negativen Züge elimi-
doch im Mittelpunkt. Die Handlung wird nicht niert sind und das somit zur Idylle gerät. Diese
bloß als Rahmen für eingestreute Belehrungen Idylle wird von Sander keineswegs als sentimen-
benutzt; vielmehr steht sie selbst im Blickpunkt, talisches Gegenbild verstanden, das mit der ge-
wird die Aufmerksamkeit auf das Aufund Ab ih- sellschaftlichen Realität nicht zur Deckung ge-
res Verlaufs und den teilweise jähen Wechsel der bracht werden könnte. Das Bild zeigt die Gesell-
einzelnen Situationen gelenkt. Sander bietet eine schaft vielmehr so, wie sie ist, und deshalb tauscht
packende, durchaus spannende Erzählung, die Robinson am Schluß mit Freuden die Wirklich-
den Leser mitreißt und die geschilderten extre- keit gegen das Bild ein, indem er nach London zu-
men Situationen intensiv miterleben läßt. Hinzu rückkehrt.
kommt, daß der Handlungsverlauf nicht durch Bemerkenswert ist die außerordentlich reali-
belehrende oder reflektierende Passagen unter- stische Schilderung der Gemütsbewegungen des
brochen und die Erzählung nicht durch erklären- Helden der Geschichte, seiner Ängste, seiner
de Anmerkungen belastet wird. Die komplexe Wahnvorstellungen und Schreckensbilder, seiner
Rahmenhandlung dient zwarvornehmlich dazu, Niedergeschlagenheit, Todessucht und seiner
dem Erzählten einen größeren Anschein von Au- Sehnsüchte. Sander steht hierin neben Wezel in
thentizität zu verleihen; sie stellt jedoch zugleich einer durchaus positiven Nachfolge des Defoe-
eine kunstvolle Vorbereitung des Lesers auf die schen Originals, das in diesem Punkt schon her-
Erzählung dar, indem sie Erwartungen erzeugt vorstach. Die anschaulich beschriebenen inneren
und Spannung schafft. Zugleich führt sie zu einer Kämpfe des Helden lassen die hier vermittelten
Thematisierung des Erzählvorgangs selbst, der ei- Werte des Gottvertrauens, der Selbstgewißheit
ne gewisse Ironie nicht abgesprochen werden und des persönlichen Mutes als wirklich überzeu-
kann. Diese kommt nicht zuletzt darin zum Aus- gend erscheinen: keinesfalls wirken sie als bloß
druck, daß Sander seine Vornamen auf die beiden aufgestellte, plakative Forderungen.
fiktiven Erzähler, Vater und Sohn Robinson, ver- Sander greift die zahlreichen Möglichkeiten
teilt, was fast wie eine Maskerade des einen Er- der Belehrung, die dieRobinsonfabel an sich bie-
zählers wirkt. tet, bewußt nicht auf. So verzichtet er ganz auf die
Die belehrenden Momente sind stärker als Vermittlung geographischer, naturkundlicher
sonst in der Kinderliteratur der Zeit in das Ro- und handwerklich-technischer Kenntnisse, die in
mangeschehen integriert. Sie machen sich zu- Campes Bearbeitung einen so großen Raum ein-
nächst an dem anfänglichen Ungehorsam Robin- nimmt. Die materielle Reproduktion Robinsons
sons fest. In der Schilderung dieser Handlungs- gerät zwar stets in das Blickfeld, bleibt aber ein
episode weicht Sandernicht von Campe oder We- untergeordnetes Moment im Erzählverlauf. Der
zel ab: »Unglücklich war die That, womit ich eine Inselaufenthalt wird bei Sander auch nicht wie
lange unglückliche Lebensperiode eröffnete, bei Wezel zum Abbild einer geschichtlichen Ent-
schwarz wie die Nacht, worin sie geschah. Der wicklung der Menschheit erhoben und zum De-
Himmelläßt eigenwillige Kinder schon aufErden monstrationsmodell der verschiedenen Entwick-
nicht glücklich seyn! Alles Unglück meines fol- lungsphasen umfunktioniert. Auch die im Rah-
genden Lebens hieng von diesem einzigen Fehl- men vorkommende Unterrichtssituation zwi-
tritt ab: und noch immer sind es beißende Thrä- schen Robinson und Freitag wird von Sander
nen, die die Erinnerung an den 9ten September nicht dazu genutzt, eine kurze Religions- und Sit-
mir zitterndem Greise auspreßt« (S. 7). Dennoch tenlehre einzufügen- eine Möglichkeit, die später
erscheint das weitere Schicksal Robinsons nicht K. F. Lossius in seiner Robinsonade Gumal und
als Sühne dieses einen Fehltritts; auf ihn wird viel- Lina (1795-1800) weidlich ausgebaut hat. Der
mehr kaum noch zurückgegriffen. Das Thema Verzicht auf diese Möglichkeiten resultiert bei
des Gehorsams ist mit dieser Romanepisode Sander aus der Absicht, die belehrenden und un-
gleichsam abgeschlossen. terhaltenden Momente in ein proportionales Ver-
So erscheint auch der Inselaufenthalt zwar hältnis zu bringen und die Handlungsdynamik
als Unglück, nicht aber als Bestrafung des Unge- durch belehrende Passagen nicht zu erdrücken.
horsams. Die belehrenden Absichten, die Sander So bemerkenswert auch die Absicht ist, den
bei der Schilderung der Insel-Episode realisieren Roman nicht mit belehrenden Elementen zu über-
305 Unger, Julchen Grünthal, 1784 306

frachten, so gibt sie doch nicht die alleinige Ursa- ständlich. auch Männer angesprochen. Die Apo-
che dafür ab, daß Sanders Bearbeitung gehaltlieh strophierung eines weiblichen Adressatenkreises
weit hinter der Campesund Wezels zurücksteht. bedeutet lediglich, daß diese Bücher für Frauen-
Der gewichtigere Grund ist vielmehr darin zu su- als weniger gebildete und der moralischen Beleh-
chen, daß bei Sander der außerordentlich kom- rung besonders bedürftige Leserschicht - beson-
plexe Handlungsverlauf des Originals zu einem ders geeignet erschienen.
schmalen und teilweise ärmlichen Handlungsge- Soziologisch gesehen, werden offensichtlich
rippe zusammengezogen wird. Das solcherma- Leser aus dem gehobenen Bürgertum angespro-
ßen reduzierte Romangeschehen kann natürlich chen, die möglicherweise sogar etwas über dem
keinen komplexeren Gehalt mehr künstlerisch Stand der in der Rahmenerzählung auftretenden
zur Darstellung bringen. Figuren des Amtmanns und des Pastors stehen.
Das Werk findet bei Baur ( 1790) Erwähnung: Es Das läßt sich aus dem Thema des Romans -dem
lasse sich ))größtentheils gut lesen« und könne für ))jun- Kampf gegen die übertriebene Empfindsamkeit-
ge Leute eine ganz unterhaltende Lektüre werden« (S. schließen. Das Phänomen der Empfindsamkeit
400). Ausführlicher geht Köberle (1972) auf das Werk war bekanntlich in erster Linie im gehobenen Bür-
ein (S. 127f): Sie hebt den Unterhaltungszweck hervor, gertum (und hier mehr bei Frauen als bei Män-
den sie als ))gelungen« bezeichnet. Der Stil sei zudem nern) zu finden, da zu seinen Voraussetzungen ein
))lebendig und spannend«. Köberle weist darauf hin, bestimmtes Maß an Bildung und ökonomische
daß Sanders Bearbeitung auszugsweise im 2. Band von Unabhängigkeit bzw. die Möglichkeit zur Muße
Hakens Bibliothek der Robinsone wiedergegeben ist.
Die Studie von Liebs (1977) geht auf Sanders Bearbei-
gehören (vg. Doktor, 1975, S. 495). Das explizit
tung nicht ein. E. gegen den Adel gerichtete bürgerliche Wertesy-
stem spricht dafür, daß der Adel als Leser - zu-
mindestens primär- nicht anvisiert wurde.
Julchen, ein unschuldiges, schönes junges Mäd-
1784 chen, das bis zu ihrem 13. Lebensjahr auf einem Gute ih-
rer Eltern, des Amtmanns Grünthai und seiner Frau, in
Friederike Helene Unger (I 741-1813): ländlicher Einfachheit und Abgeschiedenheit auf-
Julchen Grünthal. Eine Pensionsgeschichte. wächst, wird auf Betreiben der ehrgeizigen Mutter in ein
Berlin 1784 vornehmes französisches Pensionat nach B. ( = Berlin)
geschickt, wo sie sich anfangs sehr unwohl fühlt, dann
aber immer mehr den Lebensstil und die Wertvorstel-
Über die Adressaten und die Autorenintentionen lungen ihrer überwiegend adligen Mitschülerinnen
werden keine expliziten Angaben gemacht. Nur übernimmt. Als entscheidend für ihren sittlichen Fall
im Vorwort zum 2. Band, der 1798 erschien, heißt wird ihre Liebe zu dem Bruder einer Mitschülerin, dem
es, daß man sich erinnern solle, daß die Autorin jungen Leutnant Louis von Lindenfels, dargestellt.
das Buch )>nicht für Gelehrte, sondern zunächst Während sie anfänglich noch mit sich kämpft und ge-
für ihr eigenes Geschlecht, für ihre Mitbürgerin- genüber dem Liebeswerben des Offiziers große Zurück-
nen schrieb, zu deren Veredlung mitwirken zu haltung zeigt, läßt sie später ihre Hemmungen fallen
und schreibt ihm einen glühenden Liebesbrief, worauf-
können der angelegentliche Wunsch ihres Her-
hin es zu regelmäßigen Treffen zwischen den beiden
zens ist«. Liebenden kommt. Anlaß für den Brief Julchens ist
Näheres läßt sich aus dem Text selbst und Rousseaus Roman Julie ou Ia Nouvelle Heloi"se, mit
den zeitgenössischen Lektüregewohnheiten er- dessen Heidin Julchen sich voll identifiziert. Der Vater,
schließen. Die in der Rahmenhandlung entworfe- der die wachsende Entfremdung zwischen sich und sei-
ne fiktive Kommunikationssituation - der Vater ner Tochter wahrnimmt, läßt Julchen nach einem Jahr
Julchens erzählt einem befreundeten Ehepaar die Pensionsaufenthalt zu ihrer ebenfalls in B. lebenden
Geschichte seiner Tochter, um ihnen bei der Klä- Kusine KaroHne Falk, einer rechtschaffenen, tugend-
rung der Frage nach der richtigen Erziehung der haften Frau, übersiedeln. Julchen, das inzwischen von
dem Leutnant verlassen worden ist und den Heiratsan-
eigenen Tochter zu helfen - spricht zunächst für
trag des biederen Pfarrers Eiche, den sich der Vater als
erwachsene Adressaten. Das Thema des Buches- Schwiegersohn wünscht, abgelehnt hat, findet Trost bei
die (immer in die moralische Absicht rückgebun- dem Mann ihrer Kusine, mit dem sie gemeinsam musi-
dene) Darstellung des Pensionatslebens junger ziert, Romane liest und Theater und Konzerte besucht.
Mächen - sowie die Tatsache, daß zwischen der Die beiden verlieben sich ineinander und heiraten,
für junge Frauen und für junge Mädchen be- nachdem die Kusine großmütig in die Scheidung einge-
stimmten Romanlektüre nicht streng geschieden willigt hat. Die Ehe wird jedoch nicht glücklich: Das
wurde, läßt jedoch darauf schließen, daß das (zu- Ehepaar, das in Saus und Braus lebt, macht Schulden;
nächst angesprochene) weibliche Zielpublikum der Ehemann brennt mit dem Dienstmädchen durch,
Julchen flieht mit einem russischen Grafen nach Ruß-
altersmäßig nicht genau festgelegt war, d. h. daß
land und bittet in einer letzten Nachricht den sie verfol-
es sich zwar bei dem Roman um keine spezifische genden Vater, nicht länger nach ihr zu suchen.
Jugendliteratur handelt, aber doch um Literatur, Trägerin eines Nebenhandlungsstranges ist Jul-
bei der auch an jugendliche Leser gedacht wurde. chens Freundin Mariane, die von vomherein als mora-
- Neben Frauen und Mädchen sind selbstver- lisch verderbt dargestellt wird. Mariane heiratet aus Be-
307 Unterhaltende Schriften 308

rechnungeinen alten Baron (vor dem sie sich körperlich verbreiteten uns wie ein Baum an den Wasserbächen,
ekelt), weil sie hofft, ihn zur Aussetzung eines großzügi- beteten und arbeiteten, und der liebe Gott gab das Ge-
gen Jahresgeldes bewegen und damit die Freiheiten ei- deihen« (S. II ).
ner verheirateten Frau genießen zu können, ohne von
Julchen Grünthai ist eine Warngeschichte
ihm weiter belästigt zu werden. Ihr Plan schlägt jedoch
fehl: Der in der Hochzeitsnacht von Mariane verspotte- mit moralisch-didaktischer Intention, ein »Ge-
te Baron läßt Mariane auf seinen ländlichen Besitztü- gengift«-Roman gegen die Empfindsamkeit.
mern zurück und verbietet ihr, ihm in die Stadt nachzu- Gleichzeitig wird versucht, die Empfindsamkeit
folgen. Nachdem Mariane zunächst sehr unter der un- und die mit ihr in Zusammenhang gebrachten
gewohnten ländlichen Einsamkeit gelitten hat, findet moralischen Verfehlungen nicht nur zu verurtei-
sie auch dort Gelegenheit zu unterhaltsamer Gesellig- len, sondern psychologisch glaubwürdig darzu-
keit. Bei einem wilden Tanz bekommt sie jedoch einen stellen, wie der Mensch in sie verstrickt wird. Da-
Blutsturz, wird todkrank und stirbt, nachdem sie auf mit stehen sich zwei gegenläufige Tendenzen ge-
dem Sterbebett ihren Lebenswandel bereut hat.
genüber: die Tendenz, menschliche Gefühle und
Julchens Geschichte ist eingebettet in eine Rah- Verhaltensweisen durch eine realistische Darstel-
menhandlung. Julchens Vater erzählt sie zur Warnung
lung nachvollziehbar zu machen, und gleichzeitig
einem Pastorsehepaar, als dieses sich über die Frage
streitet, ob es die eigene Tochter in ein französisches der Versuch, die Realität im Hinblick auf die mo-
Pensionat schicken soll oder nicht. Damit nimmt der ralische Intention zu stilisieren und eine Identifi-
Vater Partei für den Mann und gegen die Frau, die ihre kation des Lesers mit der empfindsamen, mora-
Tochter gerne in ein französisches Pensionat schicken lisch schwachen Hauptfigur zu verhindern. Der
würde und selbst in einem solchen erzogen worden ist. Versuch, beiden Tendenzen gerecht zu werden,
Ein Teil der Geschichte wird von dem Amtmann zwar entspricht die Erzählstruktur, die aus drei inei-
schriftlich aufgezeichnet, ist allerdings ebenfalls als Be- nander verschachtelten Erzählebenen besteht:
richt für das Pastorsehepaar konzipiert. der Rahmenhandlung, der Icherzählung des Va-
Folgende Bildungsziele, Wertvorstellungen und ters, in der die Geschichte Julchens geschildert
Verhaltensweisen, die in der französischen Pension und wird, und die innerhalb dieser Icherzählung un-
in ihrem Umkreis direkt oder indirekt vermittelt werden,
mittelbar zum Tragen kommende Perspektive Jul-
werden als negativ dargestellt: die Übernahme der fran-
zösischen Kultur, insbesondere der Sprache und Litera- chens und Marianes.
tur; Feste, Vergnügungen, Kultivierung eleganter Ge- Das Erzählen (bzw. Aufschreiben) der Ge-
selligkeit; teure, modische, gekünstelteKleider und Fri- schichte wird auf mehrere Abende verteilt, wobei
suren und ein unnatürliches Schönheitsideal; eine ver- vor, nach oder auch innerhalb einer solchen Er-
äußerlichte, verweltlichte Frömmigkeit; borniertes zählphase immer wieder von Erzähler und Zuhö-
Halbwissen und unnützes, weil wirklichkeitsfremdes rern über die Ausgangsfrage diskutiert wird, in-
Wissen; schließlich empfindsame, verzärtelte Gefühle, wieweit französische Pensionen für die Erziehung
leidenschaftliche, nicht auf die Ehe abzielende Liebe, junger Mädchen schädlich sind. Auch während
Liebe als kokettes Spiel und Romanlektüre. Dabei wer-
des Erzählens selbst wendet sich der Amtmann
den als gefährliche, abzulehnende Bücher und Autoren
neben der Nouvelle Hetoise die Princesse de Cleves (S. des öfteren kommentierend an seine Zuhörer.
178), die » Lesse und Siegwarte« (S. 144), Wielands Durch den Rückbezug der Geschichte auf die
»Amadis [...][und die] übrigen hinreissenden nicht gar Rahmenhandlung wird bereits auf dieser ersten
zu keuschen Schriften dieses Dichters« (S. 239f.), der Ebene eine unmittelbare Identifikation des Lesers
»ganze Wertherparoxismus, und die darauffolgende, mit der Geschichte immer wieder unterbrochen.
empfindsame Periode« (S. 240) und schließlich Goe- Intendiert ist damit offensichtlich, daß der Leser
thes Stella genannt, die bei der Anbahnung von Jul- die Reflexion über die Geschichte nachvollzie-
chens zweitem Liebesverhältnis eine ähnliche Schlüssel- hen, nicht aber die Geschichte nur nacherleben
rolle spielt wie die Nouvelle Heloise bei der ersten Lie-
soll.
besbeziehung.
Auch auf der zweiten Ebene werden Jul-
Positiv wird dem entgegengestellt ein einfaches,
chens Verfehlungen dem Leser noch nicht direkt
ländliches Leben in Stille und Zurückgezogenheit, wo
Zufriedenheit, Selbstbescheidung, Fleiß, Arbeitsamkeit dargestellt, sondern durch einen moralischen Fil-
und innige Frömmigkeit Grundlage eines idyllischen fa- ter, die Perspektive des Amtmanns, vermittelt, ei-
miliären Glücks sind. Das Mädchen wird für ihre künf- nes braven, aufrechten Mannes, der von Anfang
tige Bestimmung als »Gattin und Hausmutter« (S. 4) er- an die französischen Pensionen und deren Erzie-
zogen, »zur klugen frommen Hausfrau, die imstande hungsvorstellungen rigoros ablehnt und immer
wäre, einem rechtschaffenen Mann das Leben zu versü- wieder während des Erzählens die dargestellten
ßen, und wieder nützliche Bürger für den Staat und En- Ereignisse aus seiner Perspektive kommentiert
gel für den Himmel zu erziehen« (S. 13); dazu ist die bzw. in sein moralisches Bezugssystem einordnet.
häusliche Erziehung durch die Mutter die geeignetste.
Auf der dritten Ebene nähert sich der Roman
Gelehrsamkeit und »feinere Bildung« (S. 4) sind dage-
gen zweitrangig. Verliebtheit ist zwar ehestiftendes der Form des Brief- und Tagebuchromans an. In
Band; doch sie soll maßvoll und direkt auf das Ziel der Tagebuchaufzeichnungen und Briefen, die der
Ehe gerichtet sein (»schlichte vernünftige Liebe, die so- Amtmann dem Pastorsehepaar zu lesen gibt bzw.
gleich von Heuratben spricht« (S. I 04). Die Ehepartner vorliest, kommen Julchen und ihre Freundin Ma-
verbindet zärtliche Zuneigung: »Wir blüheten auf und riane direkt zu Wort; sie können ihre Gefühle und
309 Unger, Julchen Grünthal, 1784 310

gutes Mädchen konzipiert ist, das nur zu schwach


ist, um dem schlechten Einfluß ihrer Umgebung
zu widerstehen. Nur an wenigen Stellen steht Jul-
chen deswegen voll zu ihren Gefühlen und Hand-
lungen; meist ist sie vom schlechten Gewissen ge-
genüber dem Vater geplagt bzw. klagt über ihr
Hin- und Hergerissensein zwischen der väterli-
chen Moral und den neuen, durch den Umgang
mit den Mitschülerinnen in ihr entstandenen
Wünschen und Bedürfnissen. Auch von ihrer Ver-
liebtheit werden weniger die starken, leiden-
schaftlichen Gefühle dargestellt als vielmehr die
qäulende Sehnsucht nach dem Geliebten, die
Angst, ihn zu verlieren, oder das schlechte Gewis-
sen wegen ihrer Liebe.
Am Ende, als Julchen endgültig sittlich ver-
loren ist, kommt sie, offensichtlich um der morali-
schen Distanz Ausdruck zu geben, nicht mehr
selbst zu Wort; der Vater hat den Kontakt zu ihr
abgebrochen. Nur über die Zeitung und den kur-
zen Bericht einer Nachbarin erfährt er von ihrem
weiteren Schicksal. Das letzte persönliche Le-
benszeichen von Julchen ist ein kurzes Abschieds-
billet, in dem sie wieder voller Reue ihre eigene
Q) er l in, 1 7 8 4.
Schlechtigkeit anklagt. - Diese relativ komplexe,
l!lri '.)ob Ann :Jrirbri~ U111r.
auf eine Ausbalancierung zwischen empfindsa-
mer Anteilnahme und moralischer Distanz ausge-
richtete Erzählstruktur kann von der Autorin
nicht ohne Unstimmigkeiten durchgehalten wer-
den. So etwa tritt neben den Erzähler der Rah-
menhandlung zuweilen ein auktorialer Erzähler,
Unger, Friederike Helene: Julchen Grünthal. Ei- der aus einer allwissenden Überschau heraus-
ne Pensionsgeschichte. - Berlin 1784 (Nr. 922). spricht.
Titelblatt mit Vignette von J. W. Meil Auch bei der Konzeption Julchens und des
Amtsmanns wird das Strukturproblem des Ro-
mans, wie die moralisch-didaktische Intention
mit der empfindsamen Seelenschilderung einer
Gedanken artikulieren, ohne daß diese sofort nicht positiven Hauptfigur vereinbart werden
durch die moralischeZensur des Vaters abgewer- kann, deutlich. Um Julchens Verfehlungen für
tet würden. Im Gegensatz zur überwiegenden den Leser nachvollziehbar zu machen, ohne daß
Form der Umkehr- und der Abschreckgeschich- es zu einer Identifikation mit ihrem Verhalten
ten, die die (Negativ-)Figur aus großer morali- kommt, ist Julchen als ein zwar guter, aber schwa-
scher Distanz von außen betrachten, wird hier die cher Charakter konzipiert, der sich den Einflüs-
Figur also auch von innen gezeigt; Brief und Ta- sen einer veränderten Umgebung nicht entziehen
gebuchform ermöglichen dabei durch die intime kann. Ihre Wandlung erscheint deswegen durch-
Kommunikationssituation und die geringe Di- aus überzeugend.
stanz zwischen erzählendem und erlebendem Ich Indem nicht die »heldenhafte Selbstbehaup-
das Festhalten spontaner, oft auch widersprüchli- tung der überstrapazierten Märtyrer der Tugend«
cher Gefühle - eine Erzählstrategie, die beson- dargestellt, aber auch nicht ein eindeutiger Nega-
ders der Konzeption Julchens als hin- und her- tivcharakter zur (abschreckenden) Hauptfigur
schwankendem Charakter entgegenkommt. wird, zeigt sich eine »realistischere Einstellung zu
Diese unmittelbare Darstellung des Gefühls- den menschlichen Fähigkeiten« (Beaujean, 1964,
lebens der Figuren ermöglicht auf der einen Seite S. 41); die psychologische Betrachtung des Men-
eine stärkere gefühlsmäßige Beteiligung des Le- schen rückt stärker in den Vordergrund. Julchens
sers, erhöht aber auf der anderen Seite die Gefahr gemischter Charakter ähnelt insofern dem der
einer zu weitgehenden Sympathie mit den Nega- (empfindsamen) Nebenfiguren in den empfind-
tivfiguren. Dem wird neben Stellen, wo der Vater sam-didaktischen Romanen, die im Gegensatz zu
als Icherzähler den Briefund die Tagehocheintra- den eindeutig entweder der Tugend oder dem La-
gung einleitend oder abschließend kommentiert, ster zuzuordnenden Hauptfiguren und ihren Ge-
dadurch begegnet, daß Julchen als ein im Grunde genspielern zwar auf der Seite der Tugend stehen,
311 Unterhaltende Schriften 312

es aber nicht schaffen, »sich der Einsicht entspre- Iichen Romanintentionen: Einerseits wird darge-
chend zu verhalten« (Becker 1964, S. 81 ). stellt, wie Julchen- als ein Fremdkörper in ihrer
Widersprüchlicher ist die Figur des Amt- neuen Umgebung- nichts anderes übrigbleibt, als
manns. Der Amtmann repräsentiert einmal die sich anzupassen, wenn sie nicht ständig als bäu-
moralische Autorität, von der aus die Geschichte risch und plump ausgelacht werden will; anderer-
Julchens rückblickend erzählt und beurteilt wird; seits hofft der Amtmann, der diesen Verände-
zum andem ist er handelnde, am Geschehen be- rungsprozeß beobachtet, er könne durch bloßen
teiligte Figur. Als handelnde Figur aber ist er wie- Appell an Julchens Einsicht sie vor dem Einfluß
derum in sich gespalten: Er ist- wie auf der Ebene ihrer Umgebung bewahren. Zwar wird öfters auf
des erzählenden Ich- moralische Autorität und in die Schwachheit des Kindes und des Weibes ver-
dieser Eigenschaft von Anfang an sowohl ein wiesen, von denen eine große Standhaftigkeit
scharfer Kritiker der Erziehungsvorstellungen nicht erwartet werden dürfe; prinzipiell aber wird
der französischen Pensionen als auch ein genauer festgehalten an der Möglichkeit, Verhalten durch
Beobachter der Veränderungen, die mit Julchen bloß\! Einsicht und unabhängig von den Wertvor-
vorgehen; gleichzeitig ist er jedoch unfähig, dar- stellungen der gesamten Umwelt ändern zu kön-
aus Konsequenzen für sein Handeln zu ziehen nen. An der Figur Julchens jedoch erweist sich die
und Julchen aus der Pension zu entfernen. Dieses Fragwürdigkeit dieses aufklärerischen Men-
Nichteingreifen wird von ihm selbst mit seiner zu schenbildes; die Schilderung der ambivalenten
großen Nachgiebigkeit gegenüber anderen Men- Empfindungen ihrer Seele führt im Grunde zu
schen, insbesondere seinen beiden Ehefrauen, »Eingeständnissen«, die die ganze Tugendlehre
und einer Kette unglücklicher äußerer Verwick- hinfällig machen« (Becker 1964, S. 85).
lungen entschuldigt. Daß er Julchen nicht bereits Thema des Romans ist die dem bürgerlichen
bei den ersten Unaufrichtigkeiten, bei denen er sie Mädchen adäquate Erziehung. Die Position des
ertappt, aus der Pension nimmt, wird von ihm be- Romans ist dabei zunächst bestimmt von einem
gründet mit den Bitten des Pastors Eiche, der rationalistisch und utilitaristisch verengten auf-
nach B. versetzt werden soll und dem Vater ver- klärerischen Denken, in das zugleich Ideen Rous-
spricht, sich um Julchen zu kümmern (S. 81 ff.) seaus und des Philanthropismus Eingang gefun-
Finanzielles Mißgeschick, Krankheit und den haben. Von dieser Position aus wendet sich
Tod seiner Gattin, die Wiedervermählung mit ei- der Roman auf der einen Seite - aus einem wenn
ner Frau, die ein Zusammenleben mit ihren Stief- auch bescheidenen bürgerlichen Selbstbe-
kindern im gleichen Hause ablehnt, dienen als wußtsein heraus- gegen den Adel und dessen pa-
weitere Gründe dafür, daß der Vater Julchen in rasitären, den französischen Hof nachahmenden
der Pension beläßt. Bei einem Besuch in B., wo er Lebensstil sowie gegen die Übernahme dieses Le-
von dem sich anbahnenden Liebesverhältnis zwi- bensstils durch das Bürgertum, auf der anderen
schen Julchen und dem Komet erfährt, folgt er Seite gegen weiterentwickelte emanzipatorische
dem merkwürdigen Rat der Kusine, Julchen nicht Tendenzen der Aufklärung als auch gegen die
vor Ende eines Jahres aus der Pension zu nehmen, Empfindsamkeit und den Sturm und Drang.
weil ansonsten ihre Ehre leiden würde (S. 151 ). Die vehemente Kritik an der Erziehung deut-
Die Nachricht, daß seine Frau von einem toten scher Mächen in französischen Pensionen ent-
Sohn entbunden sei, dient dann als Motiv für die springt zwar einerseits dem neu erwachten Natio-
überstürzte Abreise des Vaters. Julchen, die sich nalgefühl, es ist jedoch darüber hinaus als Projek-
während seiner Anwesenheit immer reumütiger tion einer ursprünglich gegen den Feudaladel ge-
und offener zeigte, wird dadurch wieder sich richteten Gesellschaftskritik auf eine andere Na-
selbst überlassen; einige Zeit später beginnt sie tion zu verstehen (vgl. Schmidt, 1974, S. 126). Für
das Liebesverhältnis mit dem Komet. Später, als diese Interpretation spricht neben einigen explizi-
der Vater bei der Nachricht von dem sich anbah- ten Hinweisen die partielle Übereinstimmung
nenden Liebesverhältnis zwischen Julchen und zwischen den vom Amtmann vertretenen Werten
dem Mann ihrer Kusine nach B. fahren will, um mit bürgerlichen Tugenden bzw. den vom franzö-
sie zu den Eltern seiner zweiten Frau zu bringen, sischen Pensionat verkörperten Wertvorstellun-
wird sein Plan wieder verhindert- diesmal durch gen mit den dem Adel zugeschriebenen Lastern.
eigene schwere Krankheit (S. 270f.). Die Sexual- und Ehemoral des Adels, die
Indem das erzählende Ich den Widerspruch Liebe und Ehe voneinander trennt und Liebe zu
zwischen der Einsicht des handelnden Ich und einem kultivierten, in bestimmte gesellschaftliche
seiner Handlungsunfähigkeit nicht reflektiert und Formen eingebetteten galanten Spiel macht, wird
der Roman insgesamt sich wiederum nicht von dabei zum hauptsächlichen Gegenstand der Kri-
dem erzählenden Ich als moralischer Instanz di- tik. Louis von Lindenfels entspricht dem in der
stanziert, wird die Widersprüchlichkeit innerhalb zeitgenössischen bürgerlichen Literatur immer
der Figur des Amtsmanns zu einem Widerspruch wieder auftretenden Typus des gewissenlosen ad-
des Romans. Dieser Widerspruch steht in enger ligen Verführers; die ungebundene Sexualmoral
Beziehung mit den bisher aufgezeigten gegensätz- seiner Schwester Mariane erscheint als leichtfer-
313 Unger, Julchen Grünthal, 1784 314

tig und frivol, ihr Gatte, der alte Baron, als kalt mit Julchen während ihres Pensionsaufenthaltes
und hart: Er weigert sich, Mariane, die ihn in der geschehen. Während vorher »in ihrer jungen See-
Hochzeitsnacht zum Narren gehalten hat, an ih- le« ))alle weiblichen Tugenden« »unentwikkelt«
rem Sterbebette zu besuchen, da er ihr früheres da lagen und nur noch der Entfaltung bedurften
Verhalten nicht verzeihen kann und außerdem (S. 12), entwickelt sie in der Pension eine große
nicht durch »traurige Empfindungen« von seinen »Abneigung gegen häusliche Geschäfte« (S. 253)
Vergnügungen abgehalten werden will (S. 286). und lehnt die ihr von dem Vater zugedachte weib-
In den gleichen Kontext, nämlich den der liche Bestimmung ab: )) Da hätte unser Ge-
fehlenden emotionalen Beziehungen innerhalb schlecht ein recht elendes Loos, wenn es bloß dem
der aristokratischen Familie, der als Ideal die Inti- Mann das Essen und die Wäsche zu besorgen,
misierung der bürgerlichen Familie gegenüberge- und sich mit den Kindern zu quälen hätte« (S.
stellt wird, gehört auch die Frage nach der häusli- 215). Statt ihr Lebensglück im Kreise der Familie
chen oder außerhäuslichen Erziehung des Mäd- zu erblicken, graut es ihr vor den »einfachen un-
chens. Außerhäusliche Erziehung, wie sie be- gefühlten Auftritten des häuslichen Lebens«, vor
zeichnenderweise die adlige, moralisch korrupte den ))niedrigen elenden Geschäften« der Wirt-
Mariane seit ihrer Geburt genossen hat, gilt dem schaft (S. 179) und einem auf den häuslichen Be-
Amtmann als Ausdruck mütterlicher Trägheit reich beschränkten Eheleben, dem »tristen vis-a-
und Leichtfertigkeit (S. 257); nur Elternliebe aber vis zweier Eheleute, die sich die interessante Ge-
kann für ihn die Grundlage einer guten Erziehung schichte ihrer häuslichen Einrichtungen erzäh-
sein. len« (S. 215).
Neben die Kritik am Lebensstil des Adels Julchens Verstoß gegen die bürgerliche Se-
tritt die Kritik an weiterentwickelten Formen der xual- und Ehemoral ist von hier aus gesehen nur
Aufklärung sowie an der Empfindsamkeit und sichtbarster Ausdruck einer Gesamthaltung,
am Sturm und Drang (wobei alle zusammen unter nämlich der Ablehnung der Rolle der Frau als
den gemeinsamen Nenner der Empfindsamkeit keuscher, aufopferungsvoller Gattin und Haus-
und ihrerFolgen subsumiert werden). In den Äu- frau, die ihren Wirkungskreis auf die häusliche
ßerungen Julchens und der Pastorsfrau spiegeln Sphäre begrenzt. Allerdings kommt der Liebe ei-
sich deutlich - wenn auch mit verschiedener Ge- ne besonders gewichtige Rolle zu, insofern als sie
wichtung- zeitgenössische Forderungen nach ei- diejenige Kraft ist, die Julchen aus ihrem bisheri-
nem Heraustreten der bürgerlichen Frau aus dem gen Wertesystem herausreißt. Im Gegensatz zu
häuslichen Bereich, einerverbesserten weiblichen der vom Amtmann vertretenen »vernünftigen
Bildung und der Teilnahme am geistigen Leben Liebe«, die von einer fraglosen Harmonie zwi-
der Zeit. Der Amtmann dagegen lehnt eine ausge- schen Gefühlund Vernunft bzw. Realität ausgeht,
dehntere weibliche Bildung mit einer ähnlichen ist bei Julchens Liebe etwas von der Leidenschaft
Argumentation wie Campe in seinem Väterlichen der Nouvelle Heloi'seund des Wertherzu spüren:
Rathfor meine Tochter(l189) ab: So wie ein Jun- Ihre (vor- bzw. außereheliche) Liebe löst sie aus
ge, der Prediger werden solle, nicht in ein Militär- vertrauten Bindungen heraus, indem sie sie so-
institut gesteckt werde, so dürfe auch ein bürgerli- wohl von ihrem Vater und dem ihr von ihm be-
ches Mädchen nicht aus der natürlichen häusli- stimmten Ehemann als auch von Gott entfrem-
chen Sphäre, für die es als Ehefrau bestimmt sei, det; da sie ein neues Wertesystem und neue Bin-
herausgerissen werden (S. 254f). Neben dem dungen nicht findet (sie kann den Geliebten nicht
pragmatischen, noch dem Frauenbild des alten heiraten, da er adlig ist; die Vorstellungen Maria-
oikosverpflichteten Gesichtspunkt wird als weite- nes bleiben ihr zum großen Teil fremd), gerät sie
res Argument bereits auf den weiblichen »Ge- in große Gewissensqualen. Das einzige, was ihr
schlechtscharakter« rekurriert: Der Erwerb von als Orientierung bleibt, ist das Gefühl. So versucht
Gelehrsamkeit vertrage sich nicht mit der »stillen sie, ihre Liebe damit zu rechtfertigen, daß das,
gepränglosen Sittsamkeit« des weiblichen Ge- »was der Schöpfer selbst mit glühenden Buchsta-
schlechts (S. 12); gegenüber dem Ziel der »Bil- ben in unsre weiblichen Herzen schrieb«, nicht
dung des Herzens« (S. 162) und der Reinhaltung Sünde sein kann (S. 178). Die Inbrunst, mit der sie
der Seele von »Künsteleien« (S. 12) habe die Ver- früher gebetet hat, kehrt erst in Verbindung mit ih-
mittlung von Kenntnissen in den Hintergrund zu rer Liebe wieder: »Mein Herz öffnete sich hun-
treten- dies um so mehr, als diese als Gefährdung dert verschiedenen Eindrükken. Ich war fromm
für die vom Mädchen gewünschte innere Haltung und unheilig zugleich. )Nur Einen solchen
angesehen werden. Abend, o Gott, gieb mir am Arme meines Gelieb-
Hinter der Darstellung der französischen ten!< betete ich mit einer Inbrunst, von der ich in
Töchterpensionen als Ort der Sittenverderbnis den häufigen Zerstreuungen der Gesellschaft
steht also unter anderem die Angst, die Frau kön- kaum noch einen Begriffbehalten hatte« (S. 211 ).
ne durch eine verbesserte Bildung und das Her- Die Liebe zu einem Menschen tritt an die Stelle
austreten aus der häuslichen Sphäre ihrer »Be- der Liebe zu Gott; die Religion wird säkularisiert.
stimmung« untreu werden. Gerade das jedoch ist Mit dieser leidenschaftlichen Verliebtheit
315 Unterhaltende Schriften 316

entfernt sich Julchen nicht nur von den Wertvor- dersprüchlichkeit zwischen der didaktischen In-
stellungen des Vaters, sondern auch von den tention des Romans auf der einen und der reali-
durch Mariane repräsentierten Wertvorstellun- stisch-psychologischen Darstellung auf der ande-
gen des Adels. Während Julchen mit ganzem Her- ren Seite. Julchen Grünthal, so ließe sich sagen,
zen liebt und eine ähnliche Absolutheit von dem steht im Schnittpunkt zwischen einem neuen und
Geliebten erwartet, ist für Mariane Liebe ein un- einem alten Erwartungshorizont, wobei es zwar
verbindliches Vergnügen, ein angenehmer Zeit- angetreten ist, um die alten aufklärerischen Ideale
vertreib, so daß sie nicht verstehen kann, warum zu verteidigen, gleichzeitig aber an den neuen,
Julchen darüber entsetzt ist, daß ihr Geliebter eine durch die Nouvelle Heloise und den Werther ent-
Mätresse hat. Auch hat sie kein Verständnis für standenen Erwartungshorizont anknüpft und die-
Julchens Liebessehnsucht und Liebesqualen: sen dabei zeitweilig undistanziert übernimmt. Ob
Wenn Julchen unzufrieden sei, so solle sie sich ei- es sich um künstlerisches Unvermögen handelt
nen neuen Geliebten suchen. Bezeichnenderwei- oder nur eine halbherzige Ablehnung der Emp-
se lehnt sie auch die Nouvelle Heloise, mit der Jul- findsamkeit, muß dabei offen gelassen werden.
chen sich voll identifiziert, als langweilig und fade
ab. Das ursprünglich anonym herausgegebene Werk
Was Julchens Auffassung von Liebe und gelangte beim Publikum zu großem Erfolg. Bereits für
Ehe von der des Adels unterscheidet, ist die ty- das Jahr 1784 verzeichnet Kayser ein Schauspiel mit
pisch bürgerliche Betonung des Gefühls und der dem Titel: Julchen Grünthai oder die Folgen der Pen-
sionsanstalten. 1787 erschien eine 2. Auflage, und 1788
Individualität und Einmaligkeit einer jeden Lie- erschien - ebenfalls anonym- ein zweiter Teil des Ro-
besbeziehung. Insofern steht Julchen - obwohl mans (Julchen Grünthal. Eine Pensionsgeschichte. 2.
sie erzählerisch Mariane zugeordnet wird- ihrem Th.), verfaßtvon dem Prediger J. E. Stutz. Daßnoch vier
Vater und dervon ihm vertretenen ehelichen Zärt- Jahre später ein fremder Autor hoffte, durch eine Fort-
lichkeit sehr viel näher als ihrer adligen Freundin. setzung die Gunst des Publikums zu gewinnen, spricht
Ja, der Roman selbst ist, obwohl er insgesamt für den Erfolg des Romans (vgl. Touaillon, 1919,
Front macht gegen die Empfindsamkeit, doch S. 250), ebenso die Tatsache, daß die Autorin einen Teil
auch von dieser geprägt bzw. zählt die Empfind- ihrer späteren Werke nur unter dem Namen »von dem
samkeit mit zu seinen positiven Wertvorstellun- Verfasser der Julchen Grünthal« erscheinen ließ. Über
ein Jahrzehnt später ließ die Autorin, veranlaßt durch
gen. So unterscheiden sich die Gefühle der Ver-
den »Umstand, daß es einer fremden, ihr ganz unbe-
liebtheit, die der Amtmann an einem schönen kannten Hand gefallen hatte, einen zweiten Theil zu
Sommerabend empfindet (S. 6 f.), zunächst nicht schreiben und drucken zu lassen«(» Vorbericht« zum 2.
von denen Julchens an einem ähnlichen Abend Teil von 1798) eine eigene Fortsetzung folgen, wobei sie
(S. 210 f. ), von dem im übrigen auch der brave Pa- gleichzeitig den ersten Teil einer Bearbeitung unterzog.
stor Eiche bis zu Tränen gerührt ist. Weinen als Nach Touaillon (1919, S. 244) erregte Julchen
Merkmal des empfindsamen Helden findet sich Grüntha/, da es mit dem Thema der weiblichen Pensio-
auch des öfteren bei dem Amtmann, der in seinem natserziehung eine aktuelle Frage anschnitt, »in allen
Schmerz um Julchens Schicksal »in einen Strohm erziehlich ausgerichteten Kreisen« das größte Aufse-
hen. Sogar in den Göttinger Gelehrten Anzeigen ( 1784,
von Thränen« ausbricht (S. 315). Tränen der Rüh-
S. 494f.) erschien eine Rezension des Romans, in der
rung beim Spielen von Musik gelten als positiv (S. betont wurde, daß man sich sonst zwar nicht mit Roma-
50). Eiche schließlich wird von Julchen nicht ab- nen beschäftige, diesmal aber aufgrund der außeror-
gelehnt, weil er gänzlich unempfindsam ist, son- dentlichen Wichtigkeit der Tendenz des Buches sich
dern weil »seine Begriffe von Seelensympathie verpflichtet fühle, es Hausmüttern und Hausvätern
und dem Einklange der Herzen[ ... ] noch lange durch eine positive Besprechung zu empfehlen (Touail-
nicht verfeinert genug« sind (S. 272). lon, 1919, S. 247). Auch Nicolais ADB(Bd. 67,2/1786,
Grund für diese Widersprüchlichkeit ist die S. 463-465) und die Jenaischen Zeitungen von gelehrten
Tatsache, daß Empfindsamkeit auch von den spä- Sachen (1784, 11. Stück, S. 82-84) brachten positive
Rezensionen (Doktor, 1975, S. 318). August Wilhelm
ten Aufklärern als positiv angesehen wird, ihr als
Schlegel oder Dorothea Schlegel (die Autorenschaft ist
negativer Wert aber die »Empfindeley« - als nicht geklärt) schrieben dem Roman in der Allgemeinen
übertriebene Empfindsamkeit - gegenüberge- Literarischen Zeitung(l798, Bd. I, S. 253 ff.) eine wohl-
stellt wird, ohne daß diese Aufteilung zu einer wollende Rezension, in der sie »den festen, gesunden
wirklichen Unterscheidung geführt hätte, inso- Sinn, den unbestechlichen Beobachtungsgeist, die Lo-
fern als die Übergänge fließend sind, ja, die ambi- gik und Geschlossenheit der Komposition, das reizende
valente, gebrochene Haltung gegenüber den eige- Detail, die Einfachheit und Ausdrucksfähigkeit der
nen Gefühlen gerade zum Wesen der» Empfinde- Sprache« hervorhoben (zit. nach Touaillon, 1919,
ley« gehört. Andererseits ist auch der Empfindsa- S. 252). Dieserwohlwollende Ton muß jedoch, um rich-
tig eingeschätzt zu werden, vor dem Hintergrund der ge-
me im aufklärerischen Sinne potentiell stets von schäftlichen Verbindungen zwischen den Brüdern
der » Empfindeley« gefährdet (vgl. Becker, 1964, Schlegel und dem Ehepaar Unger gesehen werden
S. 88; Doktor/ Sauder, 1976, S. 210).- Der Ba- (Touaillon, 1919, S. 251 f.).
lanceakt zwischen Empfindsamkeit und » Emp- In den Geschichten der Kinder- und Jugendlitera-
findeley« entspricht der bereits festgestellten Wi- tur von Köster, Prestel und Dyrenfurth wird nur kurz
317 Wening, Erzählungen, 1784 318

auf Juichen Grünthai eingegangen. Unter Vernachlässi- der Roman ein »zeitkritisches Gemälde der deutschen,
gung der moralisch-didaktischen Dimension des Ro- speziell der Berliner pädagogischen Landschaft«. Die
mans wird die Darstellung der Verderbtheit z. T. überdi- Empfindsamkeit werde darin nicht so sehr »als Problem
mensional betont und Juichen Grünthai deswegen ent- einer fehlgeleiteten beziehungsweise einseitigen Verin-
weder im Tone moralischer Entrüstung abgelehnt (Kö- nerlichung« gesehen, sondern auf ihre soziologischen
ster, Prestel) oder es wird- allein aus diesem Grunde- Aspekte hin betrachtet: »Die Ursachen zu Julchens
bezweifelt, daß es als Jugendliteratur intendiert war. Ei- Empfindsamkeit sind in den kranken Verhältnissen der
ne ausführlichere Behandlung findet sich bei Köberle sogenannten )großen Gesellschaft< zu suchen«. Außer-
(1972) und bei Schmidt (1974). Während Köberle vor dem hebt er hervor, daß sich der Roman nicht gegen die
allem deskriptiv vorgeht, versucht Schmidt, den Roman Empfindsamkeit überhaupt richte.
historisch einzuordnen: Er versteht ihn als ein Bekennt- Die Frage, inwieweit Juichen Grünthai auch zur
nis zu den Idealen der Frühaufklärung im Sinne Gel- Kinder- und Jugendliteratur zu rechnen ist, wird in den
lerts, zu Tätigkeit, Frömmigkeit und sittlicher Würde, Darstellungen zur allgemeinen Literatur der Aufklä-
worin sich auch bis zu einem gewissen Grade bürgerli- rung nicht gestellt. In einigen Geschichten der Kinder-
ches Selbstbewußtsein ausdrücke, ohne daß dieses je- und Jugendliteratur (Köberle 1972, Köster 1908, Prestel
doch jemals in soziale Kritik einmündet; statt dessen 1933, Goehring 1904/1967) wird der Roman dagegen
prägten sich »innerhalb gewisser positiver Aufklärungs- ohne weitere Begründung der Jugendliteratur zugeord-
tendenzen[ ...] starke konservative Züge aus« (S. 126). net. Hierbei wird Juichen Grünthai (zum Teil gemein-
In Darstellungen zur allgemeinen Literatur des 18. sam mit zwei anderen Romanen, Aibertine von Schulz
Jahrhunderts wird überwiegend entweder die Tendenz und Aemilie Wertheim) vom Blickpunkt der späteren
zu einem größeren Realismus festgestellt (bzw. die Dar- Backfischliteratur aus fälschlicherweise an den Anfang
stellung der Empfindsamkeit) oder die didaktische der Mädchenliteratur überhaupt gesetzt (Köster
Konzeption des Romans hervorgehoben; seltener wird 1927/1972, S. 293f.; Goehring 1904/1967, S. 57; Pre-
beides zusammengesehen. So lobt die ADB den Realis- stell933, S. 29). Dyhrenfurth ( 1967, S. 69) und Schmidt
mus, mit dem das Buch teilweise die gesellschaftlichen (1974, S. 126) bezweifeln, daß der Roman von der Ver-
Zustände im Berlin der damaligen Zeit nachzeichne; ge- fasserin für Jugendliche konzipiert sei, indem sie- unter
tadelt wird die Ungeschicktheit der Komposition und Vernachlässigung der moralisch-didaktischen Inten-
die Übertreibung der Charakterzeichnung (ADB, Bd. tion- auf die »naturalistischen Details« (Schmidt 1974,
39, S. 295). Touaillon, die den Roman nur im Hinblick S. 126) hinweisen. Schmidt vermutet jedoch, daß trotz-
auf die Auseinandersetzung um Erziehungsfragen inter- dem viele Mädchen dieses Buch - aufgrund seines Er-
pretiert, bezeichnet Juichen Grünthai als »lehrhaften folgs-lasen. G.
Roman« (S. 249), die VerfasseTin selbst als eine Vertre-
teTin des Rationalismus bzw. der Aufklärung; sie betont
positiv das starke Nationalgefühl der Autorin. Sie sieht
nicht die empfindsame Komponente des Romans, ob- 1784
wohl sie ihn in die Tradition von Goldsmith' Vicar of
Wakefieid stellt. Beaujean (1964, S. 40f.), die Juichen Johann Adam Wening (1 735-1800):
Grünthai dem moralisch-didaktischen Romantyp zu- Historisch- und moralische Erzählungen fiir
ordnet, hebt die »realistischere Einstellung« hervor, die den gemeinen Mann und die Jugend.
sich darin gegenüber den menschlichen Fähigkeiten zei-
ge; es werde dargestellt, »wie wenig der Mensch seiner
München 1784
moralischen Festigkeit vertrauen darf, und Gelegenheit
und Einflüsse ihn sehr wohl aus der richtigen Bahn wer- Wie bereits dem Titel zu entnehmen ist, hat We-
fen können«. Intention (der beiden Bände) sei es, das ning die Historisch- und moralischen Erzählungen
von der Sittenlehre der populären Aufklärung vertrete- für den ))gemeinen Mann« geschrieben, ))für den,
ne »Ideal der Gelassenheit« zu propagieren, d. h. zu zei- der fast noch gar kein Buch kennt, oder doch in
gen, daß nur durch »Selbstbescheidung und Unterord-
Ermanglung eines beßern das albernste liest«, so-
nung in die gefügte Ordnung« dauernde Zufriedenheit
zu erlangen sei. Anders wiederum Kimpel (1967, wie ))für die Jugend, die diese Schrift in der Schu-
S. 89f.), der Juichen Grünthaidem bürgerlich-empfind- le statt einem Lesebuch brauchen könnte« (Vorre-
samen Familienroman zuordnet und das Werk dabei in de, 10. ungez. S.). Das Werk ist für ))den Bürger«
eine Reihe von Frauenromanen stellt, deren Tradition und ))das Landvolk« gedacht (Vorrede, 1. ungez.
er nicht nur von La Roches Fräulein von Stemheim, son- S.); welche Personengruppen darunter verstan-
dern vor allem durch Rousseaus Nouve/le Heioise, E. den werden, ist den Beispielgeschichten selbst zu
Youngs Night 1houghts und Goethes Werther begrün- entnehmen, die zumeist in dem Lebensbereich
det sieht. von Bauern und Handwerkern angesiedelt sind:
Kluckhohn (1922, S. 191 f.) versteht Julchen In der Regel entstammen die handelnden Perso-
Grünthai dagegen als einen )) Tendenzroman gegen die nen Familien von selbständigen Bauern oder
Pensionserziehung und gegen die Empfindsamkeit« Handwerksmeistern.
(ähnlich Hanstein, 1900, der eine ausführliche Inhalts- In seiner )) Vorrede« setzt sich Wening aus-
angabe gibt), und zwar als einen von der Autorin als sol-
chen intendierten Gegengiftroman, der »selbst wieder
führlich mit dem Problem der Volksaufklärung
von diesem Gifte angesteckt« war. Doktor (1975, auseinander und liefert Hinweise für das Ver-
S. 317-321) rechnet Julchen Grünthai ebenfalls zu den ständnis seiner Schrift, deren Berechtigung er aus
Gegengiftromanen, von deren sonstigem geringem lite- den unaufgeklärten Zuständen in Bayern ablei-
rarischen Anspruch es sich positiv abhebe. Für ihn ist tet: ))Schon wieder ein Buch von und für die Er-
319 Unterhaltende Schriften 320

ziehung, werden viele gleich beym Ansehn der Zur Aufklärung des gemeinen Volkes emp-
Aufschrift sagen. Aber einmal, es ist schon so. fiehlt Werring einfache, moralische, »auf den Ver-
Was kann ich dafür, daß so vieles geschrieben, stand des Landvolks herabgestimmte Schriften«
und sowenigbeyUns in Baiern gelesen wird. Ein- (Vorrede, 1. ungez. S.): »Man müßte erstlieh den
zelne Schulmänner, Hauslehrer und Hofmeister gemeinen Mann dadurch anzulocken suchen,
lesen wohl; aber ich sähe es sehr gerne, wenn auch daß man ihm kleine Geschichtchen erzählte, wel-
der Bürger, der Landmann und ihre Kinder lesen che zwar gänzlich nach seinem Geschmack einge-
würden. Einen Grad der Aufklärung (Erschreckt richtet, dennoch viele nützliche und auffallende
nicht liebe Leute, da ich dieß Wort brauche, ich Wahrheiten enthalten könnten.« (Vorrede, 6. un-
wills euch schon sagen, wie ichs meyne) brauchen gez. S.) Solche Bücher seien auch im Schulunter-
auch diese Leute, und daran ist bisher bey uns richt der Lektüre religiöser Schriften vorzuziehen:
nicht gearbeitet worden.« (Vorrede, 1. ungez. S.) »Sollten nicht einförmige, moralische Bücher
Unter Aufklärung versteht Werring in Anlehnung auch statt den Catechismen und Evangelien, die
an Bemhard Siegfried Walthers Schrift Ueber die ich täglich und immerfort nicht lesen ließ, gewählt
Aujklänmg des Landvolks (Halle 1782) »das, werden, aus denen anfangs der Lehrer ein Stück
wenn man jeden Menschen zu derjenigen mögli- gut und richtig lesen, und dann es an den Kindem
chen und nützlichen Vollkommenheit bringt, die versuchen könnte, ob sie auch so lesen könnten.
ihn in seiner Lage und nach dem Maaß seiner Dann sollte er auf den Inhalt kommen, jenen
Kräfte in jeder Art von Dingen weiter fortrücken selbst erklären, zergliedern, das Gute herausneh-
läßt.« (Vorrede, 2. ungez. S., Anm.) Den Bürger men, und so der Jugend wahres Gefühl und wahre
und das Landvolk »auf[zu]klären, [zu] bilden, ver- Empfindung und Tugendliebe beybringen. Ue-
nünftig [zu] machen« bedeute, »ihm von dem Be- berhaupt kann ich die Bücher bey der Jugend
rufe seiner Arbeiten klare und bestimmte Kennt- nicht leiden, wo alles so abstrakt, und theologisch
nisse mit[zu]theilen, dasselbe von den nachtheili- zugeht, ohne daß das Kind eine Sylbe versteht.«
gen Folgen der Unwissenheit und Vorortheile [zu] (Vorrede, 10. ungez. S.)
überzeugen und [zu] befreyen, in ihm den Fleiß Diese Aufgabe sollen auch die Historisch-
und die Gewerbsamkeit auf[zu]wecken, und sein und moralischen Erzählungen erfüllen; sie sollen
Herz gut, sanft für die Tugend [zu] machen, und es zur »Bildung des Herzens« beitragen. Daher hat
vor den Eindrücken des Lasters [zu] bewahren. So Werring für seine Erzählungen »meistens Bey-
einer Aufklärung bedarf jeder Mensch, so eine spiele für das Herz [gewählt], welche edle und gut-
Aufklärung befördert seine zeitliche Glückselig- gesinnte Menschen auch in der niedersten Klasse
keit und sein wahres Wohl.« (Vorrede, 2. und 3. ausübten« (Vorrede, 12. ungez. S.). Über seine
ungez. S.) Darstellungsweise in den Erzählungen berichtet
Das Wesentliche bei der Erziehung sei die er: »Ich brachte also häusliche Umstände, ent-
»Bildung des Herzens« (Vorrede, 12. ungez. S.); wickelte oft den ganzen moralischen Charakter,
Aufklärung bedeutet daher für Werring vor allem zeigte, welches Gute vorzüglich an jemand her-
moralische Erziehung, nicht jedoch Erziehung vorleuchtete, wider welche Vorortheile er gesiegt
zur» Vielwisserey«; sie bedeutet auch, Aberglau- habe, um so auch den Leser zur Nachfolge zu rei-
ben und Vorurteile des gemeinen Volkes zu be- zen« (Vorrede, 13. ungez. S.).
kämpfen; hierzu bedürfe es der Lektüre: »man Das Werk enthält 66 Texte von etwa zwei bis sechs
müßte den gemeinen Mann zum Lesen gewöh- Seiten Länge. Geschichten gleicher oder ähnlicher The-
nen, und ihm auf diese Art Grundsätze beybrin- matik sind jeweils gruppenweise zusammengestellt. Bei
gen, welche Aberglauben und Vorortheil umstür- den Erzählungen handelt es sich zum größten Teil um
zen« (Vorrede, 6. ungez. S.). Gerade aus diesem moralische Beispielgeschichten, ganz wenige sind histo-
Grunde beklagt Werringjedoch das geringe Ange- rische Anekdoten, die jedoch in ihrer Aussage und
bot von Büchern für die Landleute und Bürger. Struktur der moralischen Beispielerzählung entspre-
chen. Wiederum andere Texte schildern idealisierte
Zwar hätten die >>Unvergleichlichen Männer des
Vertreter eines Standes, ihre Tugenden, aber auch ihre
Auslands« »so trefliche, faßliche, und nützliche praktische Lebensführung. Neben den Erzählungen
Bücher geliefert« - Werring meint damit die kommen vereinzelt Texte in Dialogform vor, in die eine
Schriften Weißes, Campes, Rochows, Pestalozzis Beispielgeschichte eingebettet wird (vgl. Texte 8, 45, 56,
Lienhard und Gertrud u. a. -, sie würden in Bay- 59, 62, 65, 66). Es handelt sich dabei zumeist um Lehrer-
ern jedoch nur wenig benutzt, denn: »Auf den Schüler- bzw. Vater-Kinder-Gespräche: Der Lehrer er-
meisten steht gleich am Anfange Frankfurt und zählt den Schülern z. B. eine moralische Beispielge-
Leipzig. Das schreckt fast alle unsere Bürger, schichte, die als persönlich erlebt dargestellt wird, um
Landleute, ja sogar Pfarrer ab, so ein Buch nur in im anschließenden Gespräch mit den Schülern die Wir-
kung der Erzählung zu erfahren.
die Hand zu nehmen.« (Vorrede, 3. ungez. S.)
Wening hat in seinen Historisch- und moralischen
Auch die Volksromane, die wie Campes Robinson Erzählungen nahezu durchgängig kompiliert. Die zu-
>>Ungemein gute Empfindungen unter diesen meist aufbayerische Verhältnisse zugeschnittenen Tex-
Leuten anfachen« könnten (Vorrede, 7. ungez. te entstammen vor allem den Unterhaltungenfor Kinder
S. ), seien noch zu wenig verbreitet. und Kinderfreunde (1778ff.) von Christian Gotthilf
321 Wening, Erzählungen, 1784 322

Salzmann, von denen auch einige in den 2. Teil des Mo- gend keine Standesgrenzen kenne: ein heldenmü-
ralischen Elementarbuchs ( 1783) aufgenommen wor- tiges Mädchen beweist z. B., »daß noch Muth,
den waren, andere dem Rochowschen Kindeifreund wahre Güte des Herzens und Menschenliebe
(1776). Auch aus Weißes Kindeifreund(1776-82) hat auch im leinemen Küttel und Wammes wohne«
Wening geschöpft; bei der Erzählung » Edelmuth in der
niedem Hütte« (Nr. 13, S. 30ff.) handeltessichz. B. um
(S. 68). Die Tugend, nach der der gemeine Mann
eine Umarbeitung des Kinderschauspiels » Edelmuthin sein Leben ausrichten soll, bedeutet mehr als ho-
Niedrigkeit« aus dem 7. Teil des Kinderfreundes( 1777). her Stand, Reichtum, Macht oder Bildung und
Fast alle Erzählungen folgen dem gleichen Hand- begründet ein tieferes und dauerhafteres Glück.
lungsschema: Zwei idealisierte, manchmal auf eine ein- Hatte Werring schon in seiner Vorrede die
zige Eigenschaft reduzierte Personen stehen einander schädliche »Vielwisserey« für den gemeinen
gegenüber, wobei die eine eine bestimmte Tugend, die Mann als ein Hindernis für die Volksaufklärung
andere ein entsprechendes Laster verkörpert. Ein Tu- bezeichnet, so greift er diese These in seinen Er-
gendbeweis des Guten, eine außergewöhnlich edle
zählungen immer wieder auf, wenn er den hoch-
Handlung gegenüber dem Schlechten führt diesen zur
moralischen Umkehr. Am Ende einer jeden Geschichte studierten, herzlosen Städter dem ungebildeten,
werden schließlich beide durch ein stereotyp dargestell- aber herzensguten gemeinen Mann gegenüber-
tes glückliches und materiell gesichertes Leben für ihre stellt. Werring hält aber dessen Unterweisung in
Tugend belohnt; eine kausale Beziehung zwischen (al- allen Fragen, die seinen Beruf und seine Lebens-
lerdings bescheidenem) materiellem Glück und Tu- gestaltung betreffen, ebenso wie die Aufklärung
gendhaftigkeit wird suggeriert. Reine Negativbeispiele über Vorurteile und die Bekämpfung des Aber-
ohne moralische Umkehr der betreffenden Personen glaubens für notwendig. So beschreibt er z. B. in
kommen nur selten vor; das Menschenbild, das in den der Erzählung »Der vernünftige und ordentliche
Erzählungen zum Ausdruck kommt, beruht auf der op- Bürger« (S. 167 ff.) nicht nur die vorbildliche
timistischen Auffassung, daß der Mensch das Gute nur
zu erkennen brauche, um es zu tun. Nur wenige Perso-
Wirtschaftsführung eines Handwerksbetriebes,
nen in den Erzählungen werden nicht bekehrt (Erzäh- sondern schildert auch eine ideale Erziehung der
lungen 2, 15, 46, 51, 55, 60, 66). Die äußerst harten Stra- Kinder. Hier heißt es: »Mit seinen Kindem nahm
fen der Unbekehrbaren stehen zum Teil in einer kausa- er eine ganz besondere Einrichtung und Erzie-
len Beziehung zu ihren Verfehlungen: Eine Kindsmagd hung vor. Es dorfte keines gewiegt, keines ge-
bekommt wegen ihrer mangelnden Reinlichkeit eine fätscht werden. Alle Tage wurden sie mit frischem
tödliche Krankheit (Erzählung 60), ein Müßiggänger Brunnenwasser abgewaschen. Er ließ ihnen kei-
verliert seinen Besitz und wird zum Bettler (Erzählung nen sogenannten Schnuller oder Schlotzer geben;
46), eine unkluge Mutter wird durch mißratene Kinder
denn er wußte aus Erfahrung von andem Län-
gestraft (Erzählung 2).
Die in den Erzählungen dominierenden Tugen- dern, daß dies nichts nütze. Konnten sie ein Bi-
den sind Opferbereitschaft, Selbstlosigkeit, Barmher- schen reden, so ließ er sie nicht viel unter den
zigkeit gegenüber Armen, aufopfernde Geschwister- Weibsleuten; denn er wußte, daß da die meisten
und Elternliebe, Dankbarkeit, Willenskraft und Genüg- Kinder verderbt würden. Die Kinder mußten un-
samkeit. Daneben stehen die »praktischen Tugenden« bedeckt herumgehen, oft frische Luft auch im
des täglichen Lebens wie Reinlichkeit, Mäßigkeit, Winter einathmen, mit dem Vater zum Baden ge-
Fleiß, Klugheit in Alltagsgeschäften usw. Die Schilde- hen, im Finstern dieß und jenes suchen, kurz alles
rung von Menschen verschiedener Berufsgruppen, die das thun, was den Körper abhärten, und Vorur-
ein in diesem Sinne vorbildliches Leben führen, dient
tbeile vertreiben kann. Gespenster und Hexenhi-
dem Autor als Anlaß, konkrete Hinweise für den priva-
ten und beruflichen Alltag eines Bauern, eines Hand- storien erzählte er ihnen selbst, erklärte den Kin-
werkers und eines Staatsdieners zu geben. So nennt er dem aber allemal den Ungrund davon. Er erlaub-
z. B. ausführliche Rezepte gegen verschiedene Krank- te ihnen manche Ergötzlichkeiten, z. B. sie dorften
heiten unter genauer Mengenangabe der zu mischenden spatzieren gehen, laufen, ringen, sich im Werfen
Substanzen (vgl. z. B. S. 90ff.), macht Verbesserungs- üben usw. « (S. 169 f. ).
vorschläge für den Ackerbau oder gibt Hinweise auf die Mit den volksaufklärerischen Absichten des
praktische Haushaltsführung. Moralische Belehrung Autors korrespondieren seine zeitkritischen Be-
und praktische Hinweise stehen dabei ohne Abgren- merkungen, die sich in vielen Erzählungen fin-
zung nebeneinander. Dieser volksaufklärerische
den. Er kritisiert z. B. die Diskriminierung der Ju-
Grundzug des Werkes zeigt sich auch in einer ausführli-
chen Erklärung des Vaterunsers (S. 139ff.) und dem den (Erzählungen 43 und 45), die mangelnden Er-
Mustergebet »Das Vater unser eines Bauern« (S. ziehungseinrichtungen vor allem für Kinder mit-
146ff.). telloser Eltern und Waisen, aber auch für die
Landjugend allgemein; die harte Verurteilung der
Wening versteht Aufklärung als praktische Verbrecher (Wening lehnt z. B. die Todesstrafe als
Unterweisung für die Belange des täglichen Le- »schändlich« ab, S. I 03) und die Härte gegen-
bens des Bürgers und Landmanns und als Grund- über ihren völlig auf sich gestellten Angehörigen
lage einer moralischen, das Herz bessernden Er- (Erzählung 39).
ziehung. In den Erzählungen kommt immer wie- Inwieweit die Historisch- und moralischen
der der Gedanke zum Ausdruck, daß es die Tu- Erzählungen tatsächlich nach der Absicht des
gend sei, die den Menschen adle, daß wahre Tu- Verfassers in Schulen »statt einem Lesebuch« be-
323 Unterhaltende Schriften 324

nutzt wurden, ließ sich nicht feststellen. Baur er- de, Völkerkunde, Gesellschaftlehre, Ökonomie
wähnt Weningjedoch in seiner Charakteristik der und Handlungswissenschaft. Campes Ziel ist
Erziehungsschriftsteller Deutschlands ( 1790, hierbei, mit der Sammlung eine vollständige Erd-
S. 558) und lobt ihn mit den Worten: »Ein aufge- beschreibung vorzulegen; er will hierbei aller-
klärter warmer Menschenfreund, der manchen dings nicht nach einer strengen Systematik vorge-
Wunsch für sein unaufgeklärtes Baierland auf hen. Er habe sich zum Ziel gesetzt, »meine jungen
dem Herzen hat, und freimüthig seine Meinung Leser, bei verstecktem Plan und unter beständiger
über die Mängel und Gebrechen der Erziehung Abwechselung, nach und nach in alle Weltgegen-
sagt. Fahre fort, wackerer Mann, wenn du darfst, den zu leiten ... « (ebd.). Die belehrenden Absich-
du wirst nicht ohne Segen bleiben.«- In neueren ten sollen der unterhaltenden Wirkung keinerlei
Abhandlungen zur Kinder- und Jugendliteratur Abbruch tun.
wird Wening lediglich bei Köberle (1972, S. 72) Reisebeschreibungen stellen für Campe
kurz behandelt. Sie erwähnt ihn im Zusammen- gleichsam die ideale Jugendlektüre dar. Hierauf
hang des sich ausbreitenden Toleranzgedankens weist er gleich zu Beginn der Vorrede hin: »[ ... ]
auch Juden gegenüber. S./0. B. Wenn irgend etwas recht eigentlich dazu ge-
schickt ist, in einem jungen Kopfe aufzuräumen,
seine Welt- und Menschenkenntniß auf eine
leichte und angenehme Weise zu erweitern, den
Hang zu romanhaften Aussichten ins Leben und
1786 zu arcadischen Träumereien, zu welchen so viel
andere Modebücher ihn einladen, zu schwächen,
Joachim Heinrich Campe (1746-1818): ihm frühzeitig einen heilsamen Ekel gegen das fa-
Reise des Herausgebers von Hamburg selnde, schöngeisterische, empfindelnde, Leib
bis in die Schweiz im Jahre 1785. und Sele nach und nach entnervende Geschwätz
der besagten Modebücher, und dagegen einen
Erste Sammlung merkwürdiger
wünschenswürdigen Geschmack an ernsthaften
Reisebeschreibungen, 2. Teil. und nützlichen Unterhaltungen einzuflößen: so
Wolfenbütte/1786 sind es gewiß solche Reisebeschreibungen [ ... ]«
(3. Gesamtausgabe von 1830, 18. Band) (ebd.).
Campe will sich »in Ansehung der Thatsa-
Die erste Sammlung von Reisebeschreibungen, chen und Begebenheiten[...] genau an [seine]
von der das vorliegende Werk den zweiten Teil Quellen halten«, wobei er die »sichersten« Be-
ausmacht, ist an »solche Kinder, welche sich dem schreibungen aussuchen und bisweilen auch »Be-
jugendlichen Alter nähern« (Teill, Vorrede), ge- merkungen aus mehreren Reisebeschreibungen
richtet. Campe versteht hierunter Kinder vom 10. in eine einzige zusammentragen« will (ebd.).
Lebensjahr an. Es ist dies zugleich eine Entwick- Hierbei will er im wesentlichen auf Beschreibun-
lungsstufe des jungen Menschen, auf der »seine gen jüngeren Datums zurückgreifen. Die älteren
Erziehung für das bürgerliche Leben anfängt« Reisenden seien »größtentheils erbärmliche Be-
und auf der er »an alles das gewöhnt werden muß, obachter« gewesen; so verlohne es nicht, den jun-
was in dieser bürgerlichen Welt nun einmahl zur gen Leser mit »diesen, größtentheils dürren, und
allgemeinen und unabänderlichen Sitte gewor- mit unvollständigen Beobachtungen oder fabel-
den ist« (ebd.). haften Erzählungen durchwebten Reisebeschrei-
Zur Konzeption der Sammlung äußert sich bungen die Zeit zu verderben« (ebd.). Campe will
Campe folgendermaßen: »Was übrigens den jedoch auch Beschreibungen von selbst gemach-
Plan dieses Werkes betrifft, so werde ich unter al- ten Reisen dazwischen schieben, wobei es sich um
len Reisen, die ich kenne, die interessantesten Reisen innerhalb von Deutschland, später auch
aussuchen; und mit Weglassung dessen, was für um Reisen in die Nachbarländer handelt. Der
die Jugend nicht gehört, nur dasjenige erzählen, Zweck, den Campe mit diesen Reisebeschreibun-
was sie zu gleicher Zeit vergnügen und unterrich- gen verfolgt, besteht in der »Beförderung der
ten kann.« Die Reisebeschreibungen wollen also Kenntniß unsers Vaterlandes« (ebd.).
durchaus unterhalten und vergnügen. Campe hat Die vorliegende Beschreibung der Reise in
deshalb die »interessantesten« und »unterhalten- die Schweiz gehört zu der letztgenannten Gruppe.
sten« Reisen ausgesucht. Neben die unterhalten- Sie verfolgt also neben den geographisch-beleh-
de Absicht tritt eine belehrende: »[ ... ] ich werde renden auch patriotische Absichten: Sie will zur
zugleich an den Faden einer jeden Erzählung so genaueren Kenntnis der geographischen und po-
viel gemeinnützige Kenntnisse zu knüpfen su- litischen Verhältnisse des eigenen Vaterlandes
chen, als es, ohne sie ermüdend zu machen, nur beitragen. Sie wird im folgenden nach der 3. Ge-
immer geschehen kann.« (ebd.) Inhaltlich geht es samtausgabe von 1830 zitiert.
vorwiegend um sachliche Belehrung aus den Be- Der Reiseweg verläuft von Harnburg über Braun-
reichen Geographie, Kosmographie, Naturkun- schweig, Göttingen, Kassel, Marburg, Gießen, Frank-
325 Campe, Reise von Hamburg, 1786 326

furt/Main, Mainz, Darmstadt, Bergstraße, Heidelberg, Auffassung, »daß ein Kind, wenn es täglich auch
Bruchsal, Karlsruhe, Straßburg, Kolmar, Basel nach nur eine halbe Stunde lang mit wenigen andem
Schaffhausen, wo sie mit der Beschreibung des Rhein- zugleich gehörig unterwiesen würde, im Grunde
falles endigt. Die Städte, die Campe bereist, werden aus-
mehr lernen könnte, als wenn man es, wie bisher,
führlich beschrieben- und zwar nach Größe, Einwoh-
nerzahl etc. Auch topographische Besonderheiten der mit hundert an dem zugleich schlecht unterrichte-
Städte werden erwähnt. Frankfurt und Braunschweig te.« (S. 67) Hinter diesem pädagogischen Modell
werden als bedeutende Handels- und Messestädte, steht für Campe ein konkretes Ziel: die Hinfüh-
Marburg als Universitätsstadt und Karlsruhe als Für- rung des Menschen zur Arbeitsamkeit.
stensitz mit Verwaltungsfunktion beschrieben. Des wei- Das Wohl der Gesellschaft sei nur garantiert,
teren werden die Haupteinkünfte der Bewohner ge- wenn die Menschen zu den alten Werten und Tu-
nannt, die aus der Agrarwirtschaft und dem »Gewerbs- genden »deutscher Einfachheit, Geradheit, Mä-
leben« herrühren. Auch bedeutende Bauwerke, Kir- ßigkeit und Ehrlichkeit« (S. 21 0) zurückkehrten.
chen, Museen, Verwaltungsgebäude, Plätze sowie die
Über die Baseler Bürger berichtet Campe: »Auch
zumeist noch von mittelalterlicher Enge geprägten
Grundrisse der Orte, neue Ortsteile, aber auch Stadt- hier, wie überall, klagen rechtschaffene und weise
neugründungen- z. B. Karlsruhe- finden im Werk ih- Vaterlandsfreunde über die mit jedem Jahre wei-
ren Niederschlag. Selbst der Zustand des Reiseweges- ter um sich greifende Ueppigkeit, die, wie ein ge-
natürliche oder sog. Kunststraßen - wird geschildert. fräßiger Wurm, an der Glückseligkeit einzelner
Seine Reise unternimmt Campe z. T. mit dem Familien und des ganzen kleinen Staates Basel
Schiff, zu Pferde oder mit der neu eingerichteten Linien- nagt.« (S. 236) Er warnt vor dem Elend, das Un-
postkutsche. Die einzelnen Landschaften, die er durch- mäßigkeit und überhöhte Ansprüche über die
reist, beschreibt der Autor in erster Linie nach dem deutschen Familien bringe. Schuld an der »Sit-
Nützlichkeitsprinzip, d. h. nach den Verwertungsmög-
tenverderbnis« tragen nach Campe nicht zuletzt
lichkeiten für die Agrarwirtschaft. Er geht auf die Quali-
tät des Bodens und seine Ertragsfähigkeit ein und zählt auch die Franzosen, »die Thorheiten, Laster und
die Hauptanbauprodukte der jeweiligen Regionen auf. Elend von der anderen Seite des Stroms« (S. 21 0)
Außerdem stellt Campe seine pädagogischen und poli- herübergebracht hätten. Er spricht sich gegen die
tischen sowie seine sittlich-moralischen Vorstellungen Nachahmung französischer Lebensart aus, die er
im Werke dar. auch während seines Aufenthalts in der Stadt
Kassel wahrzunehmen glaubt: »Sollte es denn
Campes Schilderungen sind erfüllt von auf- wirklich schön und räumlich sein, die Eigenthüm-
klärerischem Optimismus. Dies äußert sich in im- lichkeit der Sprache, des Geschmacks und der Sit-
mer wiederkehrenden Hinweisen auf Begegnun- ten seines Vaterlandes dahinzugeben, um sich
gen mit >>Erfindern« und »Tüftlern«, und erbe- zum Affen eines fremden Volks zu machen?«
kennt: »Unter allen Menschen sind mir diejeni- (S. 85)
gen, welche die Masse der menschlichen Kennt- Der sichtbare Maßstab für den Fortschritt
nisse und Geschicklichkeiten durch neue Erfin- der Gesellschaft ist für Campe der Wohlstand.
dungen vergrößerten, von jeher die wichtigsten Diesen zu erlangen, bedarf es » Kunstfleiß« und
gewesen.« (S. 114) Das Glück und der Wohlstand »Erwerbssinn«. Nie fehlt in seinen Beschreibun-
des Individuums - und somit auch der Gesell- gen der Städte der Hinweis auf die Anzahl der Fa-
schaft- resultieren aus einem hohen Maß an Bil- briken und teilweise sogar die Anzahl der darin
dung. Allerdings reduziert Campe den Kreis de- beschäftigten Arbeiter. Das Hervorheben bürger-
rer, die eine gute Schulbildung benötigen, auf die licher Tugenden hat für ihn den Zweck, das
Kinder der »gesitteten Stände«. In demStreit zwi- Selbstbewußtsein des eigenen Standes zu heben.
schen häuslicher und schulischer Erziehung ent- So sieht er den Aufstand der Baseler Bürger gegen
scheidet Campe sich hierbei für die schulische Er- die Herrschaft des Adels im »Kleinen Rat« als ein
ziehung. Die Zeit der Zufälligkeit guter Erziehung legitimes Mittel an, um sich seine ursprünglichen
sei nunmehr vorbei; an ihre Stelle sei eine gezielte Rechte wiederzuholen: »Zwar hatte man auch ei-
und planmäßige Schulbildung getreten: »Wohl nen größem Rath, welcher die Bürgerschaftvor-
uns, daß unser Leben in solche Zeiten gefallen ist, stellte, aber das Ansehn und der Einfluß dessel-
in welchen man diese große Wahrheit endlich ein- ben war nach und nach zu nichts geworden. Der
gesehen und danach zu handeln beschlossen kleinere Rath rief ihn zusammen, aber nur wann
hat!« (S. 23) Doch auch Kindem einfacher Her- er wollte, und nur um Ja! zu sagen zu Dem, was
kunft billigt er ein gewisses Maß an Erziehung schon beschlossen war. Da ermannten sich einige
und Bildung zu, und zwar in den sog. Industrie- Edle im Volk, setzten ihr Leben aufs Spiel, rissen
bzw. Erwerbsschulen, die nach dem Modell des ihren unterdrückten Mitbürgern der Knecht-
Göttinger Professors Sextros entstanden sind. Die schaft Binde von den Augen, damit sie ihre
Schüler sollen etwa eine halbe Stunde Unterricht Schmach und ihre Rechte sahen, feuerten sie an
pro Tag erhalten, wobei allerdings die Gruppe und - errechten einen Aufruhr. Dis kostete eini-
klein gehalten werden soll, und in der restlichen gen dieser Vaterlandsfreunde zwar den Kopf;
Zeit des Tages unter Aufsicht der Frau des Leh- aberihr Blut war der Saame, aus welchem Freiheit
rers Handarbeiten verrichten. Campe vertritt die und Bürgerglückaufblüheten.« (S. 234)
327 Unterhaltende Schriften 328

Campe spart nicht mit Kritik an den Fürsten: Landsleute. Aufgrund seiner Beobachtungen auf
Anläßlich seiner Fahrt durch Darmstadt berichtet der Reise kommt er zu dem Schluß, daß die »ka-
er über die Verschwendungssucht des dortigen tholischen Länder überhaupt als auch diejenigen
Fürsten, der seine Bürger mit überhöhten Steuer- insonderheit, welche geistlichen Regenten hate,
lasten drückt, die durch eine »nicht im Verhältniß gewöhnlicherweise weit zurückgeblieben« seien.
stehende Menge von Kriegesknechten« verur- Als Gründe für den geringeren Kunstfleiß in den
sacht würden, weil »der größere Theil dieser katholischen Ländern nennt er zum einen die ho-
menschlichen Puppen nicht zu Erhaltung der öf- he Zahl von Festtagen, an denen nicht gearbeitet
fentlichen Sicherheit, noch weniger zum Schutze werde und zum anderen das Desinteresse geistli-
gegen auswärtige Feinde, sondern lediglich zu be- cher lkrren an der Zukunft ihres Landes, denn
lustigenden Kriegspielen gebraucht wird.« (S. sie müßten nicht für die Zukunft sorgen, weil sie
175) Als eine Ursache für die Verarmung des keine Kinder zu versorgen hätten: Es »bedürfen
Bauernstandes in Hessen sieht er die Verschwen- auch die meisten Gewerke, wenn sie gedeihen sol-
dungssucht des dortigen Fürsten an, der durch len, anfangs einer Unterstützung, und der Nut-
Menschenhandel- den Verkaufleibdgener Bau- zen, den sie dem Lande und dem Herrscher brin-
ern für die Kriegsschauplätze Nordamerikas - gen«, könne oft erst in der Folge eingeerntet wer-
sein aufwendiges Staatswesen finanziere. Aller- den (S. 33).
dings mißt Campe mit zweierlei Maß, wenn er die Anläßlich seines Aufenthalts in Frankfurt
gleiche Tat beim Herzog von Braunschweig als kommt Campe auf die Mißstände im Frankfurter
gut und richtig beurteilt. Dieser verkaufte eben- Judenghetto zu sprechen. »Die sämmtlichen Ju-
falls Truppen nach Amerika, tat dies aber mit der den der Stadt Frankfurt sind in eine einzige
Absicht, die Staatsfinanzen zu sanieren. »Er fing schmale und gar nicht lange Gasse verbannt, von
mit der Einschränkung seines eigenen Hauses an, der man zuversichtlich behaupten darf, daß sie
verminderte den äußeren Glanz desselben, um die volkreichste in der Welt sei. Man stelle sich
seine wahre innere Würde um so mehr zu erhö- vor: zehn tausend Menschen in einer einzigen en-
hen, dankte die überflüssigen Kriegsknechte ab, gen Gasse von sehr mittelmäßiger Länge.« (S.
führte den Geist der Sparsamkeit, der Ordnung 129) Er prangert die ungerechten Auflagen der
und der guten Wirthschaft in alle Theile der Frankfurter Bürger an, die ihren jüdischen Mit-
Staatsverwaltung ein, beförderte Ackerbau, bürgern an Sonn- und Feiertagen ein Ausgehver-
Handlung und Gewerbe und gab ein großentheils bot zumuteten. Er stellt die Frage an seine Leser:
aus geworbenen Ausländern bestehendes Heer in Was »mag doch wo! die Ursache sein, warum die-
Englischen Sold, um in Amerika gebraucht zu se Leute an denjenigen Tagen, an welchen sich
werden.« (S. 50) Wenn es solchermaßen dem Christen am meisten den Vergnügungen überlas-
Wohle des Vaterlandes dient, ist vorübergehend sen, auf eine so harte Weise behandelt werden.«
der Soldatenhandel moralisch zu vertreten. Cam- Als besonders kraß empfindet Campe das
pe weist daraufhin: »Wenn Zwei einerlei thun, so Bettelwesen in den Städten zwischen dem Boden-
ist es nicht immer einerlei« (S. 51). Trotz aller Kri- see und dem Rheinfall von Schaffhausen. Nie ha-
tik billigt Campe dem guten, >>aufgeklärten Re- be er die menschliche Natur so erniedrigt gesehen
genten« die geistige und politische Führung des wie dort. »Sie bitten und flehen nicht nur bloß,
Volkes zu, weil die Absichten eines »guten Regen- wie anderwärts; nein! sie werfen sich vor euch
ten allemahl die reinsten und besten wären, nur schon von fern haufenweise auf die Knie und be-
daß sie nicht immer erreicht würden; daß sein ei- ten euch an! Ein schändlicher Anblick!« (S. 246)
genes Urtheil fast immer richtig, seine eigenen Privatleute haben sich der Lösung des sozialen
Plane fast immer die weisesten und wohlthätig- Problems in beispielhafter Form angenommen:
sten wären, nur daß er aus zu großer Bescheiden- »Da erbarmte sich- nicht der Staat- sondern eine
heit und aus gar zu weit getriebenem Mißtrauen wohlthätige Gesellschaft von Privatpersonen die-
gegen sich selbst, oft mehr dem Urtheile Anderer ser öffentlichen Noth, und machte einen Plan zu
als seinem eigenen folge.« (S. 200) einem Arbeitshause für diejenigen Kinder, wel-
Kritik übt Campe ebenso an der katholi- che bisher von Almosen leben mußten, um diesel-
schen Kirche: Voller Spott beschreibt er die ben sowol zu versorgen, als auch zu einem arbeit-
pomphafte und prachtvolle Ausstattung katholi- samen und gemeinnützigen Leben zu erziehn.«
scher Gotteshäuser und schildert wortreich die (S. 101)
Gottesdienstrituale der katholischen Gläubigen: Naturphänomene beschreibt Campe gänz-
»Für einen Freigläubigen oder Protestanten, der lich vom Standpunkt der Nützlichkeit für die Ge-
seinen Gott, nicht durch sinnliche Gebräuche, sellschaft aus. Den »jungen unbändigen Rhein«
sondern - wie Christus wollte - im Geist und in zwischen Basel und Schaffhausen nennt er
der Wahrheit anzubeten gelehrt worden ist, hat »muthwillig« und vergleicht ihn mit einem ra-
disAlles viel Sonderbares und Auffallendes.« (S. schen Jüngling, der die Fülle seiner Kräfte ein-
125) Mit feiner Ironie beschreibt er den Reli- fach verrauschen läßt, statt sie sinnvoll und nutz-
quien- und Wunderglauben der katholischen bringend zu gebrauchen. »Kaum daß er einen
329 Liebeskind, Palmblätter, 1786-1800 330

kleinen Fischerkahn zu tragen vermag. Fracht- Erzählungen seyn, muß ihr Inhalt selbst sagen;
schiffe von einigem Belang zu führen, und da- nach Jahren läßt sich so etwas nicht bestimmen
durch Handel und Gewerbe zu befördern - dazu und anordnen. Jeder Lehrer wird wissen, was für
ist er unvermögend.« (S. 244) An der Besichti- seinen Lehrling gehört; jede Mutter wird wissen,
gung des Rheinfalles von Schaffhausen findet er was sie ihrem Kinde daraus vorerzählen oder es
deshalb keine rechte Freude. Sein Anblick regt selbst lesen lassen soll. Für Verschiedene ist hier
ihn zu einem Vergleich mit den jungen Genies des Verschiedenes; ich hoffe aber nichts Schlechtes.«
Sturm und Drang an, die ihm seit der Zeit im Des- (Vorrede Herders, T. l, S. XXII)
sauer Philanthrophin verleidet sind: »Der Rhein Das Werk will die Einbildungskraft der Kin-
kam mir nämlich hier gerade wie ein junger der auf» Beyspiele des Guten und Edlen« lenken
Feuerkopf, Genie genannt, in derjenigen Bedeu- (Vorrede Herders, T. l, S. VII), es will die Kinder
tung vor, worin man dieses Wort seit ungefähr ermuntern, »jedem Edeln und Guten«, das die
zehn Jahren in Deutschland zu nehmen gewohnt Erzählungen vorstellen, mit unabläßigem stillen
ist, und nach welcher es einen zwar kraftvollen, Eifer nachzufolgen« (Vorrede Herders. T. I,
aber aufbrausendenjungen Geist bedeutet, deret- S. XXIV). Herder betont in seiner Vorrede, Lie-
was Ungewöhnliches, Seltsames und Auffallen- beskind habe die Geschichten, »die hie und da
des darbietet [ ... ]« (S. 253). zerstreuet und zum Theil mit manchem Unrath
Campe nimmt die Rolle des Ich-Erzählers bedeckt« gelegen hätten (S. XX), durchgängig
ein, der von eigenen Erlebnissen berichtet und neu erzählt und für die Jugend eingerichtet, d. h.
dessen eigene Erfahrung die Authentizität des »vorzüglich klar und verständlich erzählt, inson-
Geschilderten verbürgt. Gern und häufig stellt er derheit aber sie von jenem falschen Schwulst ent-
sich auch als einen Menschen dar, dessen pädago- ladet, den die Europäer lange Zeit für morgenlän-
gischer Rat von seinen Mitmenschen gewünscht dische Erhabenheit hielten« (S. XXII). Dabei ha-
und angenommen wird. Nicht nur »junge Freun- be er nicht aufgenommen, »was nicht als Lehre
de«, die ihn herzlich feiern, und Pädagogen-Kol- oder als Beyspiel nachgeahmt werden kann«
legen, sondern selbst der Fürst von Karlsruhe (Vorrede Liebeskinds, T. 2). Da er stets das Nütz-
scheinen an seiner Meinung interessiert zu sein. liche dem »Lustigen« vorgezogen habe, habe er
Aus dieser offensichtlichen Wertschätzung seiner nicht nur übersetzt oder blindlings nacherzählt,
Person zieht er die Legitimation, seine eigenen sondern sei auch häufig »seinem eignen Gefühl
politischen und pädagogischen Anschauungen und seiner eignen Erfindung gefolgt« (ebd.).
breit darzustellen und zu propagieren. Liebeskinds Sammlung, der im ersten Band eine
Campe geht didaktisch geschickt vor, wenn theoretische Erörterung Herders über den Wert mor-
er seine jungen Leser Antworten auf angespro- genländischer Erzählungen für die Bildung der Jugend
chene Probleme scheinbar selbst finden läßt. So vorangestellt ist, umfaßt im ersten Band 36, im zweiten
beschreibt er beispielsweise soziale Mißstände in 37, im dritten 27 und im vierten Band 31 morgenländi-
der Frankfurter Judengasse und stellt die rhetori- sche Erzählungen von unterschiedlicher Länge. Die ein-
sche Frage, was sie von der Einstellung der Frank- zelnen Erzählungen »füllen die Felder eines humanitä-
ren Sittensystems mit bunten Bildern« (Prestel, 1933,
furter Bürger hielten, die Juden an Sonn- und S. 32). Die auftretenden Gestalten bezeichnen bereits
Feiertagen den Ausgang aus dem Ghetto unter- das Wunderbare, Neue und Phantastische, die der kind-
sagten, um selbst nicht beim Kirch- bzw. Spazier- lichen Einbildungskraft entgegenkommen sollen; es
gange gestört zu werden. Die intendierten Leser sind Sultane und Kalifen, Wesire und Kadis, Derwi-
sollen in dem Bewußtsein lesen, sich selbst ein ei- sche, Kaufleute und Bettler, Diebe und Räuber, Zaube-
genes Urteil bilden zu können, sollen Verhaltens- rer und Riesen usw. Umfangreich ist der Katalog der
weisen wie Problembewußtsein, Kritik- und Ur- Tugenden, die als »Beyspiele des Guten und Edlen«
teilsfähigkeit üben. P. vorgeführt werden: Demut, Bescheidenheit, Dankbar-
keit, uneigennützige Tugend, großmütige Freundschaft,
Großmut, Rechtschaffenheit, Tätigkeit, Geschwisterlie-
be, Ehrlichkeit, Reiß, Sparsamkeit, Freisinn, Wahr-
heitsliebe, Wohltätigkeit, Gastfreundschaft, Aufrichtig-
1786-1800 keit- auch gegen sich selbst, Gewissenhaftigkeit, Hilfs-
August Jacob Liebeskind (1758-1793): bereitschaft, Scharfsinn, Treue, Geistesgegenwart u. a.
Die Tugend findet sowohl im Diesseits wie im Jenseits
Palmblätter. Erlesene morgenländische Vergeltung: »Wer was Gutes thut, wird immer reichlich
Erzählungenfor die Jugend. 4 Teile. dafür belohnt« (T. 2, S. 88). Glücklich zu werden, setzt
Jena (Tei/2: Gotha) 1786-1800 jedoch eigenen Reiß und eigene Tätigkeit voraus, denn
jeder ist seines Glückes eigener Schmied (»Der Kauf-
mann von Schirwan«, T. 2, S. 21 ff.). Daher sind auch
Liebeskinds Sammlung morgenländischer Erzäh- »diejenigen Güter die besten [ ... ], die du durch Reiß
lungen, die auf eine Anregung Herders zurück- und Arbeit erwirbst« (T. 2, S. 95). Doch die »irdischen
geht (vgl. Vorrede Herders, T. l, S. XXII), richtet Werke des Menschen sind vergänglich; seine stolzen
sich an Kinder und Jugendliche verschiedener Al- Gebäude versinken unter der Last weniger Jahre« (T. 2,
tersstufen: »Für welche Jugend übrigens diese S. 125), und nur »die Schätze deiner Seele [ ... ]geleiten
331 Unterhaltende Schriften 332

dich in die unerforschliche Zukunft hinüber!« (T. 4, du rechtschaffen und weise. 3. 0 Könige! bezwingt eure
S. 61). Begierden! Beherrscht euch selbst; so wird es nur ein
Die guten Taten sind der einzige Reichtum des Spiel seyn, die Welt zu beherrschen. 4. Ihr Könige! ihr
Menschen; materieller Reichtum dagegen legt häufig Völker! man hat es euch noch nicht genug gesagt, und
den Samen zu Leidenschaften und Lastern, die den klügelnde Thoren wollen immer noch daran zweifeln,
Menschen ins Verderben stürzen. Habgier und Geiz, daß es kein Glück ohne Tugend, und keine Tugend oh-
Neid und Betrug sind seine Kinder. Doch sie finden ne Gottesfurcht gebe.« (S. I 06)
ebenso Vergeltung wie andere schlechte Eigenschaften:
Verleumdung, Treulosigkeit, Rachsucht, Stolz, Zorn, Liebeskinds Sammlung morgenländischer
Eigenliebe, Schmeichelei, Undank, Streitsucht, Ver- Erzählungen stellt ein Novum in der Kinder- und
schwendung, Leichtsinn, Mißgunst und Ungläubigkeit. Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts dar. Gegen
Demonstriert wird dies in der Erzählung »Das Paar die »superklugen und moraltriefenden Kinder-
Pantoffeln« (T. I, S. 211 ff.): Ein alter, sehr reicher, je- schriften« (Göhring, 1904, S. 48) setzte Liebes-
doch unvorstellbar geiziger Kaufmann kleidet sich aus kind das Wunderbare und Phantastische, zu-
Gründen übertriebenen Sparsinns nur in Flicken und gleich aber auch Edle und Erhabene der morgen-
Lappen. Sind seine Pantoffeln auch nur noch mühselig
zusammengehaltenes Flickwerk, weigert er sich jedoch,
ländischen Erzählungen. Sie stellen eine prakti-
neue anzuschaffen. Er wird ein Opfer der Tücke des Ob- sche Absage dar an die Morallehren »von der
jekts: Nach und nach stürzen ihn die Pantoffeln in größ- kleinlichen Art, die in unsern, insonderheit arti-
tes Unglück, und er geht durch ein Mißgeschick nach gen Erzählungen herrschet« (Vorrede Herders, T.
dem anderen eines großen Teils seines Reichtums verlu- 1, S. XIX). Die theoretische Begründung für die-
stig. se Art Literatur liefert Herder in seiner Vorrede
Mehrere Erzählungen beschäftigen sich mit den zum ersten Band. Zu Recht stellt Prestel (1933,
notwendigen Eigenschaften von Regenten. Liebeskind S. 31) fest, sie sei »weit über den unmittelbaren
betont, daß die Könige ihre Königswürde nicht irgend- Anlaß hinaus bedeutsam«.
welchen Verdiensten, sondern lediglich ihrer Geburt Ausgangspunkt für Herders Auseinander-
und Abstammung verdankten (»Die Reisenden«, T. 2, setzung ist die Hervorhebung der Rolle der Phan-
S. 220ff.). Sie könnten die Herzen der Menschen nur
tasie, der »Einbildungskraft« in der Entwicklung
durch Güte und Wohltätigkeit gewinnen (»Der Kauf-
mann von Schirwan«, T. 2, S. 21 ff.). In »Die vier gold- der menschlichen Persönlichkeit: »Wir haschen
nen Kugeln« (T. I, S. I 07 ff.) lehrt ein Zauberer einen also gern nach dem Wunderbaren, setzen uns in
König gerechtes und weises Regieren: »Sehen und hö- Zeiten, die nicht mehr sind, in Länder, die wir we-
ren ist die erste und größte Pflicht eines Königs; er soll der gesehen haben noch sehen werden, ja wir füh-
das Auge und das Ohr seines ganzen Volkes seyn: er soll len eine Freude darinn, jedem Außerordentli-
die Nachrichten, die diese goldnen Kugeln ihm bringen, chen, das uns vorkommt, den Zusatz einer Rie-
nicht zu seiner Eitelkeit, zu seiner Wollust, zu seinem sengröße zu geben oder es mit allen den Farben
Geldgeitz brauchen: sondern sie als Boten ansehen, die auszuschmücken, die unser Herz daran liebet. Ein
ihm verkündigen, wo und wie einem Mangel seines
Reichs abzuhelfen sey. Braucht er sie auf diese Art, so
großer Theil vom Anmuthigen der Jugend liegt
wird ihn keine Wahrheit beleidigen, die ihm ein Freund hierinn; in dem Zauberglanz frischer Eindrücke
sagt; er wird keine Rechtssache verdrehen, seinen nämlich, in der blendenden Größe, die uns das
Schatz dadurch zu bereichern: sondern er wird, wie die Neue der Welt gewähret.« (S. III f.)
Sonne, allenthalben hin gleich wohlthätig sehen; und Diese Anlage sei eine Gabe Gottes; der
sein Ohr wird, wie die Luft, alle Töne des Tadels, des Lo- Mensch habe daher die Verpflichtung, sie zu pfle-
bes, der Klage und der Bitte aufnehmen, ohne daß sein gen und zu entwickeln, zumal die Kindheit die
ganzer Geist von einem Wirbelwinde umhergetrieben Vorbereitungsstufe für das ganze Leben sei, und
werde.« (S. 128 f.) der Mensch sich im Alter nicht der Fähigkeiten
Zusammengefaßt werden die moralischen Lehren bedienen und erfreuen könne, die er in der Kind-
in der Erzählung »Die Bibliothek des Königs von In- heit nicht herangebildet habe. Mißt Herder so der
dien« (T. I, S. 104ff.): Dabschelim, der König von In-
dien, beauftragt die mit der Verwaltung seiner riesigen
Einbildungskraft schöpferischen Charakter zu,
Bibliothek beschäftigten Brachmanen, »das beste und so verkennt er doch nicht die ihr innewohnenden
nützlichste, das sie darin fänden, in Auszüge zu bringen Gefahren: »Nichts hat der Mensch in sich so sehr
und ihm zu überreichen« (S. 104). Da die Arbeit Jahr- zu bezähmen, als seine Einbildungskraft, die be-
zehnte beansprucht, besorgt der König schließlich, er weglichste und zugleich die gefährlichste aller
möchte nicht mehr lange genug leben, um das Meister- menschlichen Gemüthsgaben. « (S. VI) Damit die
stück noch zu lesen. Als er seinen Wesir um Rat fragt, Einbildungskraft ihr Ziel nicht verfehle, sondern
antwortet ihm dieser, er könne ihm »einen sehr kurzen in der ihr gehörigen Bahn bleibe, müsse sie auf
und ziemlich nützlichen Auszug daraus« machen (S. »Beyspiele des Guten und Edlen« gelenkt wer-
105) und schreibt auf ein Palmblatt- daher wohl auch
den. Diese ließen sichjedoch im gemeinen Leben
der Titel der Sammlung- folgende vier Lehren: »I. Die
meisten Wissenschaften enthalten nur dieses einzige kaum hinreichend antreffen. »Vorbilder des Gu-
Wort: vielleicht: und die ganze Geschichtebestehetaus ten und Edlen« (S. VII) könnten durch »goldne
drey Worten: sie wurden gebohren, sie litten und star- Sittensprüche und Regeln« (S. VIII) nicht ersetzt
ben. 2. Liebe was recht ist; und thue was du liebst: denke werden. Sie seien zwar »von unschätzbarem
was wahr ist, und sage nicht alles was du denkst; so wirst Werth; frühzeitig gelernt, geben sie unserm Geist,
333 Liebeskind, Palmblätter, 1786-1800 334

wenigstens unserm Gedächtniß, einen schönen Entschieden lehnt er die historische Faktographie
Vorrath zukünftiger Bemerkungen auf die Reise ab; eine edle Tat gewinne dadurch nichts Beleh-
des Lebens; allein wie viel fehlt ihnen doch, daß rendes, das sie von einer konkreten historischen
sie mit aller Macht des Beyspiels wirken! Aus ein- Person begangen worden sei: »Dem Moralisten
zelnen Erfahrungen werden sie gezogen; in diese sindfactanur facta, Begebenheiten nur Begeben-
müssen sie also zuerst zurückkehren und sich mit heiten. Er sondert sie aus und erzählt sie, wie man
der Geschichte gleichsam umkleiden, ehe sie nur eine Fabel oder ein Mährehen erzählt, damit sie
als lebendige Wesen vor uns erscheinen, ge- eine unterrichtende Lehre anschaulich machen,
schweige zu unserm innersten Bewußtsein spre- als menschliche Beyspiele. Wenn seine Geschich-
chen, und unserm Geist oder Herzen ihr Bild ein- te ganz außer der Zeit, in einem erdichteten Land
drücken könnten; außerdem bleiben sie bloße sich zutrüge; und sie ist menschlich wahr, unter-
Schattengestalten oder sind leere Töne.« (S. richtend, anschaulich, rührend: desto besser für
Vllf.) ihn! desto reiner ist die Wirkung seiner Geschich-
Man müsse daher die Sittenlehre in Hand- te.« (S. XVII)
lung umsetzen oder sie vielmehr der Handlung Unter »diesen moralischen Begebenheiten,
entspringen lassen. Als eine mögliche Form dafür sie mögen wahr oder erdichtet seyn« (S. XVIII),
nennt Herder die äsopische Fabel, die für Kinder schreibt Herderden morgenländischen Erzählun-
besonders reizvoll sei (vgl. S. XI). Doch sieht Her- gen einen besonderen Platz zu. Nicht allein die
der enge Grenzen, die durch die Gattungsform »hohe Einfalt« und der »Glanz des Wunderba-
selbst gesteckt sind. Nicht jede Morallehre könne ren« mache die morgenländische Erzählung für
einem Tier in den Mund gelegt oder durch seine den Unterricht von Kindern und Jugendlichen
Handlungsweise ausgedrückt werden, und »die besonders geeignet, sondern vor allem »der reine
edelsten, eigentlichen Lehren für die menschliche Umriß, die hohe Simplicität der Gestalten und
Tugend können es gar nicht« (S. XII). Bestimmte Wahrheiten selbst« (S. XVIII). Die Charaktere
Tugenden lägen nicht im Charakter von Tieren, der morgenländischen Erzählung seien ebenso
und um diese auszudrücken, sei es notwendig, die bestimmt wie die Tiercharaktere der äsopischen
»Denkart« der Tiere zu erhöhen bzw. ihre »Sit- Fabel; die Dichtung selbst sei »kühn und groß;
ten« durchgängig zu vermenschlichen; dadurch die Lehre, die in ihr dargestellt wird, ungemein
verliere die Fabel aber an Reiz und eindringender und rührend« (S. XIX). Zudem sei der Ton, »wie
Kraft, die gerade auf der Einfalt des vorgestellten in allen orientalischen Schriften, ja der Bibel
Beispiels beruhe: »Der Fuchs, der Löwe, der Ti- selbst, morgenländisch, d. i. einfach, groß und
ger spricht nicht mehr überredend für mich, so- edel« (S. XIX f. ). Eben diese Ähnlichkeit mit dem
bald er nicht mehr in seinem Charakter spricht Ton der biblischen Bücher empfehle die morgen-
und handelt. Es ist der verkleidete Moralist, der, ländische Erzählung aufbesondere Weise für Ju-
ohne damit täuschen zu können, die Gestalt des gendliche, die an diesen Ton bereits gewöhnt
Thiers annimmt und besser thäte, wenn er die seien und der »seiner hohen und edlen Einfalt we-
Lehre, die mir kein Thier sagen kann, auf eine bes- gen mächtig auf sie wirket« (S. XX).
sere Weise als Mensch sagte.« (S. XIII) Herder hat frühzeitig bereits auf den Nutzen
Diese Feststellung führt Herder zu dem morgenländischer Erzählungen für die morali-
Schluß, daß der Mensch »des Menschen erster sche Unterweisung von Kindem und Jugendli-
und vorzüglichster Lehrer« sei (S. XIII). Doch chen hingewiesen. In der 1774 erschienenen
Beispiele tugendhafter Menschen aus der Ge- Schrift Auch eine Philosophie der Geschichte zur
schichte hält er für nicht brauchbar, da sich Ge- Bildung der Menschheit stellt er eine Analogie
schichte »meistentheils mit ganz andem Thaten zwischen den Altersstufen des einzelnen Men-
beschäftigt, als die zum Unterricht der Jugend schen und der Entwicklung der Menschheit von
dienen« (S. XIV). Entweder grenzten die histori- den Anfängen bis zu immer höheren Stufen her.
schen Beispiele so sehr an die Fabel, daß es Mühe Er bezeichnet darin das Morgenland als die Wie-
koste, in jedem Fall die Wahrheit von der Lüge ab- ge des Menschengeschlechts, die Kindheit der
zusondern, oder sie seien so mit politischen Bezü- Menschen, während die Griechen die Jünglings-
gen durchwoben, daß es nahezu unmöglich sei, zeit der menschlichen Geschichte verkörperten.
aus ihnen Brauchbares herauszufiltem. Die histo- Bedeutsam ist das neue Bild der Kindheit, das
rischen Beispiele müßten daher schon entspre- Herder in diesem Aufsatz entwirft. »Ergab sich
chend den eigenen Absichten bearbeitet werden, bei Rousseau die Entdeckung der Kindheit und
»damit sie zur Bildung des Geistes und Herzens ihrer Eigenart aus der Kulturkritik, so entspringt
nur einigermaßen einiges Gute« beisteuern könn- bei Herder die neue Sicht der Kindheitsstufe aus
ten(S.XV). der geschichtsphilosophischen Wendung der
Herder verwirft eine solche Methode jedoch Aufklärung. Mit der Eröffnung der geschichts-
aus prinzipiellen Gründen: »Wer dichten will, philosophischen Dimension durch Herder wird
dichte ganz: wer Geschichte schreiben will, habe es der Aufklärung ja erstmals ermöglicht, das ab-
das Herz, die Wahrheit nackt zu zeigen.« (S. XVI) strakt negatorische Verhältnis zu den ihr voraus-
335 Unterhaltende Schriften 336

gegangenen Epochen zu übersteigen. Wurde bis-


her etwa das Mittelalter als Zeit der Finsternis und
des Aberglaubens bloß verworfen, so wird es nun
in ein positives Verhältnis zur eigenen Gegenwart
gebracht, nämlich als eine die eigene Geschiehts-
epoche bedingende Stufe begriffen. [ ... I Für die
geschichtsphilosophische Deutung der Aufeinan-
derfolge der verschiedenen geschichtlichen Epo-
chen ist die Analogie zur Abfolge der menschli-
chen Altersstufen einer der entscheidenden
Schlüssel. Herder betont ausdrücklich, >daß mei-
ne Analogie, von menschlichen Lebensaltern her-
genommen, nicht Spiel sei<. Die wechselseitige
Erhellung von Phylogenese und Ontogenese ist
also keine bloß metaphorische Deutung. Aus der
Eigenart einzelner Lebensalter läßt sich der Geist
der geschichtlichen Epochen erschließen, die im
Gang der Menschheitsentwicklung den Altersstu-
fen jeweils entsprechen. Auffallend ist, daß Her-
der im Fall der Kindheit eher umgekehrt deren Ei-
genheit aus dem Geist der ihr entsprechenden
Menschheitsepoche zu erschließen sucht und sich
dessen auch bewußt ist, daß er hier weniger ein
neues Geschichtsbild, denn ein neues der Kind- Johann Gottfried Herder (1744-1803). Kupfer-
heit entwirft.« (Ewers, 1980, S. 51 f.) stich von C. Westermayr nach J. Tischbein
Ensprechend dieser Analogie entwickelt
Herder sein Bild der Kindheit aus der Darstellung senEnthusiasmusund Kindersinn« als schlechte
der morgenländischen Geschichtsepoche, die er Eigenschaften abzutun, vielmehr seien sie »einzi-
als das »Goldne Zeitalter der kindlichen Mensch- ges Vehikulum alles Guten«, »die einzigen Sa-
heit« klassifiziert (Herders Werke in fünf Bänden, menkörner aller Kenntnisse, Neigungen und
Berlin/ Weimar 1978, Bd. 3, S. 44). Die »Patriar- Glückseligkeit« ( ebd. ).
chenwelt« verkörpert für Herder »Religion und Die Analogie zwischen morgenländischem
Recht, Ordnung und Glückseligkeit« (ebd.), Charakter und kindlichem Wesen findet ihre Ent-
gleichwohl verschweigt er nicht die despotischen sprechung auch in bezug auf die Dichtung, die
Züge der Epoche: »Mag's sein, daß im Zelte des diesen beiden Stufen der Menschheitsgeschichte
Patriarchen allein Ansehen, Vorbild, Autorität bzw. des menschlichen Lebens nach Auffassung
herrschte und daß also [ ... I Furcht die Triebfeder Herders adäquat sind: Für beide eignen sich vor
dieses Regiments war« (S. 45). Diese Züge erklärt allem das morgenländische Dichtungsgut, die
er jedoch aus dem Charakter der Zeit: »Gibt's morgenländische Erzählung, die Fabel, das Mär-
nicht in jedem Menschenleben ein Alter, wo wir chen, indem sie dem morgenländischen bzw.
durch trockne und kalte Vernunft nichts, aber kindlichen Drang nach Wunderbarem, Großem,
durch Neigung, Bildung, nach Autorität alles ler- Außerordentlichem, Erstaunlichem und Bewun-
nen! Wo wir für Grübelei und Räsonnement des derungswürdigem entgegenzukommen und die
Guten, Wahren und Schönen kein Ohr, keinen Einbildungskraft auf das Gute und Edle zu len-
Sinn, keine Seele, aber für die sogenannten Vorur- ken vermögen.
teile und Eindrücke der Erziehung alles haben?«
(ebd.) Was jedem Menschen in seiner Kindheit Baur (1790, S. 246f.) urteilt über die Palmb/ätter:
»Da unter allen erdichteten moralischen Begebenhei-
not tue, sei auch »dem ganzen Menschenge-
ten, die morgenländischen Erzählungen für die meisten
schlecht in seiner Kindheit« nötig. Aus dieser jungen Leser ohne Zweifel einen vorzüglichen Werth
Charakterisierung des morgenländischen Geistes haben, so war die Idee zu einer solchen Sammlung recht
entwickelt Herder die Bestimmung der kindli- glücklich, und ihre Ausführung ist es nicht weniger. Die
chen Wesensart: »Diese zarte Natur, unwissend Geschichten sind klar, verständlich und edel erzählt, die
und dadurch auf alles begierig, leichtgläubig und Sprache ist rein, und der Inhalt lehrreich. Dabei ist für
damit alles Eindrucks fähig, zutrauend-folgsam die Beobachtung des Sittlichen und Unanstößigen aufs
und damit geneigt, auf alles Gute geführt zu wer- strengste gesorgt. Herz und Imagination zugleich finden
in ihnen eine gesunde Nahrung, indem sie die wichtig-
den, alles mit Einbildung, Staunen, Bewundrung
sten moralischen Grundsätze in einer historischen, oft
erfassend, aber eben damit auch alles um so fester wunderbaren, aber nicht schwülstigen Einkleidung ent-
und wunderbarer sich zueignend« (S. 48). Es sei halten. Eltern werden ihren Kindem vonzehenbis vier-
»töricht«, des Kindes »Unwissenheit und Be- zehen Jahren darüber eine wahre Freude machen, wenn
wundrung, diese Einbildung und Ehrfurcht, die- sie ihnen dieses Buch in die Hände geben.«
337 Cervantes/ Andre, Don Quixote, 1787-89 338

Eine besondere Wertschätzung erfuhren die Palm- wahren und von Anfang an eine organische gegenseitige
blätterin unserem Jahrhundert. Durchgängig wird ins- Beeinflussungzwischen Kinderliteratur und Nationalli-
besondere die theoretische Leistung Herders gewür- teratur zu sichern.«
digt; sein Konzept einer poetischen Kinder- und Ju- Eine Auswahl von 59 morgenländischen Erzäh-
gendliteratur wird häufig den als minderwertig qualifi- lungen der Sammlung Palmblättererschien 1914 im In-
zierten Schriften der Aufklärungspädagogen gegen- sel-Verlag. Die von Hermann Hesse besorgte und mit ei-
übergestellt. So etwa schreibt Göhring (1904, S. 48f.): nem Nachwort versehene Ausgabe wurde 1979 neu auf-
))Bisher hatte noch niemand gewagt, gegen die super- gelegt. In Hesses Nachwort heißt es: >>Diese morgenlän-
klugen und moraltriefenden Kinderschriften anzu- dischen Erzählungen sind alle von entschieden morali-
kämpfen. Herder aber, ein zweiter Winkelried, schlug scher Haltung. Sie sind es zum größten Teile schon in
der Freiheit eine Gasse, und die andern konnten nach- den Originalen, und sie sind von Liebeskind mit erziehe-
dringen. Es war das erste und letzte Mal, daß einer unse- rischer Absicht vorgetragen und von Herder im selben
rer Literaturheroen für die Jugendliteratur stritt. Als er Sinne gelobt und befürwortet worden. Es ist mit der Mo-
sich umsah, ward er zu seinem Erstaunen inne, wie weit, ral aber zugleich auch Stil in die Sammlung gekommen.
weit hinten die zurückgeblieben, denen er beistehen Sie atmen alle ohne Ausnahme die edelkühle, reine Luft
wollte, und wie sie nachrückten. Da mochte ihm die jener Menschlichkeitsideale, die das Fundament der
Lust zum Helfen für immer vergangen sein.« Über die Weimarer Geisteskultur waren und die wir alle aus Les-
Palmblätterurtei!t er: ))Selbst wie ein morgenländischer sings Nathan kennen und verehren. Wir haben heute
Baum im deutschen Wald stehend, von allen übrigen Li- keine solche Moral mehr, doch sehe ich darin keinen
teraturerscheinungen abgesondert und einzig in ihrer Grund, die schöne Gebärde zu mißachten, mit der Lie-
Art, brachten die [ ... ] Palmblätter [ ... ] inmitten gera- beskind diese Geschichten erzählt hat. Meine Auswahl
der, kalter Linien blühende Arabesken,- Märchen und freilich war nur von dichterischen Grundsätzen geleitet,
Wunder unter Erzählungen, Dialogen und Schauspie- und ich habe nicht die edelmütigsten, sondern die
len, welchen die Aufklärung aus allen Zeilen guckte. schönsten Geschichten ausgesucht.« (Morgenländische
Dieses Wunder wäre unerklärlich, wüßte man nicht, Erzählungen, Frankfurt/M. 1979, S. 265) 0. B.
daß die >Palmblätter< in die Jugendliteratur aus der sich
eben aus den Fesseln eines einseitigen Rationalismus
befreienden allgemeinen Literatur herübergetragen
wurden.« (S. 48)
Ähnlich lautet auch das Urteil Prestels (1933, 1787/89
S. 31 f.): >>Mit der philanthropinen Kinderliteratur der
Aufklärung schließt die eigentliche Lehrgutstufe, die Miguel de Cervantes Saavedra
seit den Anfängen der deutschen Jugendliteratur vor- (1547-1616) / Christian Kar! Andre
herrschend ist, ab, um nurmehr schwächliche Ausläufer (1763-1831; Bearb.):
und Mischformen ins 19. Jahrhundert zu entsenden. An Leben und Thaten des weisen Junkers Don
diesem Ende steht, aus dem Geist hoher Humanität ge-
boren, ein Jugendbuch, das die besten Traditionen der Quixote von Mancha.
Beispielliteratur in morgenländischer Verkleidung dar- Lustige Kinderbibliothek. 2 Teile.
stellt und zugleich die Epoche der Kunstmärchen einlei- Marburg 1787-1789
tet. Gleich dem Mädchen aus der Fremde wirkte inmit-
ten der moralischen Plattheiten der philanthropinen Ju-
gendliteratur einerseits, dem verwirrenden Geschling Mit der ersten deutschsprachigen Jugendbearbei-
der Feenmärchen französischer Herkunft andrerseits tung des Don Quijote sind Kinder angesprochen,
diese an Schönheit wie an Tugend gleich wertvolle Ga- die bereits »groeßer geworden« sind (Beilage für
be: >Palmblätter [ ... ]«<.Unter ähnlichem Aspekt wer- die Erwachsene, S. II), und die schon die »trefli-
den die Palmblätterbei Köberle (1924; Nachdr. 1972, chen Kinderschriften von Weisse, Campe, Salz-
S. 75 f.) behandelt: )) Volksmärchen wie die der Brüder mann u. a. «kennen (ebd.) und die » Kinderbiblio-
Grimm existierten noch nicht; nur ein Buch kündet die thek« und die »Unterhaltungen für Kinder und
kommende Zeit mit ihrem Verständnis für die Volks- Kinderfreunde« gelesen haben (T. l, S. 1). Kon-
dichtung, ihrer Erkenntnis, daß gerade im Märchen tief-
kret wird von » 12jaehrige(n) Kindern« gespro-
ste, lebendige Wahrheit gestaltet ist, an. Es trägt den Ti-
tel: >Palmblätter[ ... ]< [ ... ]. Herderschrieb die Vorrede, chen (Beilage 111). Es soll ihnen nach der anstren-
und dies allein beweist, daß das Buch aus anderem Gei- genden Tagesarbeit als eine erholsame, entspan-
ste geboren ist als die Kinderfreunde, Sittenbüchlein nende und belustigende Abendlektüre dienen;
und Unterhaltungen. Es ist, als ob man ein anderes gedacht ist es für die abendliche >> Ruhestunde,
schöneres Land betrete, wenn man dieses Büchlein auf- wo die Kinder durchaus lebhaft unterhalten seyn
schlägt. [ ... ] Abgesehen von dieser einzigen Ausnahme wollen« (Beilage 111), für die >> Lueke von 8-10,
ist unter den erzählenden Jugendschriften nicht eine, welche so gut wie andre Tagezeiten ausgefuellt
die den neuen Geist der deutschen Dichtung verkünde- seyn will« (ebd.). Denn, so Andre, »vor 10, im
te, die Auflösung der Aufklärungsgedanken anzeigte.« Winter, 12jaehrige Kinder zu Bette gehen zu las-
Schmidt ( 197 4, S. 96 f.) schließt sich eng an die Be-
urteilung Göhrings an, den er ausführlich zitiert. Erbe-
sen, kann ich mich wichtiger sittlicher und physi-
merkt, daß Herders Ansichten zur Kinderliteratur nicht kalischer Gruende wegen nicht entschliessen.«
wirksam geworden seien: ))Sie hätten helfen können, (ebd.)
die Kinderliteratur vor der Usurpation durch die Päd- In der »Beilage für die Erwachsene« gibt
agogen und die literarischen Geschäftemacher zu be- Andre detailliert Rechenschaft über >> Veranlas-
339 Unterhaltende Schriften 340

sung, Gebrauch, Nutzen und Zwek« des vorlie- der Hertuchsehen Übersetzung zum Abdruck. Es han-
genden Werkes. Die Anregung zur Bearbeitung delt sich um die Kapitel I bis 24 des ersten Buches des
des Don Quijote hat Andre von Rudolf Zacharias Romans. In der Bearbeitung Andres hat dieser Teil nur
Hecker erhalten, der in der Deutschen Zeitungfiir 20 Kapitel, ist also dem Original gegenüber um 4 Kapi-
tel, in bezugauf die Hertuch-Übersetzung um drei Kapi-
die Jugend und ihre Freunde (II. St. 1784) ein
tel kürzer.
»Porträt« des Miguel de Cervantes Saavedra ab-
Das zweite Bändchen beginnt mit einer Anrede
gedruckt hat (S. 81-83). Cervantes habe, so heißt »an meine jungen Leser«, worauf der Abdruck der Rei-
es dort, »in dem berühmten Roman, Don Quixot- sebeschreibung Lucians erfolgt. Diese ist in zwei Bücher
te, ein Mittel zur Aufheitung der Gemüths und eingeteilt (1-36, 36-72). Im Anschluß hieran (S. 73 ff.)
zum Lachen hinterlassen ... , worin mehr Weis- wird die Geschichte des Don Quijote fortgesetzt. Es
heit liegt, als in mancher hochtrabenden Moral« handelt sich um die restlichen Kapitel des ersten Buches
(S. 81 ). Andre spricht des weiteren die eigene Lek- (Kp. 25-52). Bei Hertuch erscheinen diese als der
türe des >>Ritterromanes« an, die ihm besonderes »Zweete Theil« des Romans, der bei neu einsetzender
» Vergnuegen« bereitet und ihn zu einer Jugend- Kapitelzählung allerdings nur 21 Kp. zählt (gegenüber
bearbeitung bewogen habe. ZurGrundlage seiner 28 Kp. des Originals). In der Bearbeitung Andres ist die-
ser Teil um weitere 5 Abschnitte auf 16 Kapitel gekürzt.
Bearbeitung hat Andre die Übersetzung von
Die Vorrede des Cervantes ist bei Andre ganz ent-
Friedr. Justin Hertuch gewählt (6 Bde., Weimar
fallen. Dem ersten Bändchen ist eine »Beilage fuer die
und Leipzig 1775 -78), die nach seiner Auffas- Erwachsene [ ... ] ueber Veranlassung, Gebrauch, Nut-
sung das Original »so getreu als treflich [ ... ] zen und Zwek dieser Lustigen Kinderbibliothek« beige-
uebersetzt« hat (Beilage V). Es hat nicht den An- fügt (S. I-XVI); am Schluß des zweiten Bändchens be-
schein, daß Andre andere Übersetzungen kannte findet sich eine »Nachschrift an die Erwachsenen« (S.
und zur Hand hatte. 311-316), in welcherder Autor den Plan zu einer »kom-
Die Absichten, die der Verfasser mit dem pendiöse(n) Bibliothek der gemeinnützigstell Kenntnis-
vorliegenden Werk verfolgt, finden gleichfalls ei- se für alle Stände« entwirft.
ne ausführliche Darlegung. Der »Hauptzweck« Andres Jugendbearbeitung besteht im wesentli-
sei nicht die Belehrung, sondern die » Belusti- chen in einer Kürzung der Hertuchsehen Übersetzung,
gung« der jungen Leser, doch treten neben die deren sprachlicher Bestand ansonsten nicht angerührt
wird. Bis auf wenige, wenn auch bedeutsame Ausnah-
»Hauptabsicht der Belustigung« noch zwei wei-
men dienen eigene Zusätze Andres lediglich dazu, die
tere Intentionen: Ein Nebenzweck ist für Andre Handlungslücken zu überbrücken, die durch die Kür-
die Vermittlung sachlicher Kenntnisse insbeson- zungen entstanden sind.
dere geographischer und geschichtlicher Art, was In einem Punkt allerdings sieht Andre sich zu ein-
hauptsächlich vermittels erklärender Einschübe schneidenden Eingriffen genötigt: Gemeint ist die Dar-
und Anmerkungen geschehen soll. Der andere stellung der Liebe, die den ganzen Roman Cervantes'
Nebenzweck, den der Verfasser verfolgt, besteht durchzieht. Andre gesteht offen, daß er hierin ein
schließlich darin, »die heisse Begierde der jungen schwerwiegendes Hindernis sehe, den Roman zu einer
Leute nach Romanen auf eine unschaedliche Jugendlektüre zu machen, so unterhaltsam er in allen
Weise abzukuehlen« (Beilage XIII). Gegen die anderen Hinsichten auch sei. »Der Hauptanstoss war
Romanseuche bei »jungen Leute« helfe am we- mir hierbei der verliebte Ton, der oft durch ganze Kapi-
tel allein herrscht, und dann die Schilderung verliebter
nigsten ein »asolutes Verbot«; man solle Kindem und wolluestiger Abentheuer. So wie der Don Quixote
ruhig Romane in die Hände geben- insbesondere im Original geschrieben [ ... ] war, durfte ich ihn also
solche, die bekannt und in aller Munde sein, wie nicht brauchen. Ich musste umformen, ausmerzen, weg-
es bei dem Don Quijote der Fall sei. Eben deshalb lassen.« (Beilage V) Doch will Andre das Thema Liebe
habe er auch diesen Roman ausgewählt (Beilage nicht ganz und gar verbannen. Er sucht hier den glei-
XIV). Auf diese Weise würde bei den Kindem am chen Weg einzuschlagen, den er schon in der Bekämp-
wenigsten »Neugierde« nach den Romanen ent- fung der Romanlektüre gegangen ist. Auch hier nämlich
stehen. Außerdem sei das vorliegende Werk ein tauge ein absolutes Verbot wenig: »Nicht ihm (dem jun-
Roman zur Verächtlichmachung der Romane; gen Menschen, Verf.) verhelen, dass Liebe die Men-
schen fesselt und dass verliebte Dinge in der Welt vorge-
nach seiner Lektüre würden »nur irgend gutartige hen; nicht hier verfuschen, bemaenteln ... « (Beilage VI).
und verstaendige Kinder [ ... ] nicht sonderlich Vielmehr müsse den Kindem gegenüber mit »groesster
luestem darnach werden« (Beilage XV). Freimuethigkeit« von Liebe gesprochen werden, wobei
allerdings alles auf den »Begriff« ankomme, »den sich
Das erste Bändchen der Lustigen Kinderbibliothek der junge Mensch von Liebe macht« (ebd.). Andre trägt
enthält eine kurze Rahmengeschichte: Ein kranker Jun- im Anschluß hieran eine eigene Theorie der Aufklärung
ge und seine Freunde suchen nach einem angenehmen der Kinder über Liebe und Sexualität vor; deren Quint-
Zeitvertreib; schließlich findet der Vater in seiner Bü- essenz besteht darin, den Kindern gegenüber eine gänz-
chersammlung die »spanische Rittergeschichte vom wi- liche Trennung zwischen »physikalischer« und »theo-
zigen Cervantes«. So dann beginnt der Abdruck des Ro- retischer Liebe« zu ziehen. Während die »physikalische
mans in der Hertuchsehen Übersetzung von 1775, mit Liebe« anhand von Beispielen aus dem Pflanzen- und
der auch der Innentitel übereinstimmt: »Leben und Tierreich erklärt werden solle, könne die »theoretische«
Thaten des weisen Junkers Don Quixote von Mancha«. durchaus am Menschen gezeigt werden. Unter dieser
Im ersten Bändchen kommt hierbei der »Erste Theil« Prämisse glaubt Andre, die Liebes-Episoden des Ro-
341 Cervantes/ Andre, Don Quixote, 1787-89 342

mans beibehalten zu können, insofern es sich um »Auf- des Romans, die zumindest im zweiten Teil der Haupt-
tritte der phantastischen Liebe« und nicht etwa der sinn- handlung gleichgewichtig zur Seite tritt, bei Andre zu ei-
lichen handelt. Dies habe sogar den »reellen Nutzen ner gänzlich bedeutungslosen Randepisode.
[ ... ),die Kinder fuer alle kuenftige Lecture auf eine sol- Neben Auslassungen ganzer Romanepisoden fin-
che Art mit der Sprache der Liebe, die ihnen doch nicht den sich bei Andre in größerer Anzahl Kürzungen.
entgeht, unvermerkt bekannt zu machen« (Beilage X). Deutlich zeichnet sich hierbei die Tendenz ab, die Un-
Die »physikalische Liebe« dagegen wird von Andre als terhaltungen und Gespräche zwischen Don Quijote und
Thema vollends ausgespart. Wenn er »Scenen der sinn- Sancho Pansa merklich zu verknappen. Kürzungen die-
lichen Liebe« dennoch übernommen habe, so habe er ser Art finden sich an folgenden Stellen: Bd. 1, S. 147,
»entweder die phantastische Liebe dafuer oder ganz an- 180, 197,251 f.; Bd. 2, S. 96, 105. Ausgelassen sindje-
dere Veranlassungen zu dergleichen Auftritten unter- weils folgende Partien bei Bertuch: T. 1, S. 203-210,
schoben« (ebd.). In bezugauf die Episoden »sinnlicher 253-255, 276f., 340-347; T. 2, S. 31 f., 42-46. Die Ko-
Liebe« kommt es denn auch zu den einzigen Eingriffen, mik des Romans macht sich ja weniger an den Abenteu-
die eine inhaltliche Veränderung bedeuten. ern als solchen fest; sie entfaltet sich eigentlich erst in
Andre beansprucht, das gekürzt bzw. weggelassen den darauffolgenden Gesprächen beider Helden, in de-
zu haben, was für Kindernicht von Interesse sei. In Ver- nen die Abenteuer erklärt und gedeutet werden. Die
gleich mit der Hertuchsehen Übersetzung ergeben sich vorliegende Jugendbearbeitung läßt in ihren Kürzun-
zunächst folgende Auslassungen größerer Romanepi- gen die Tendenz erkennen, die hintergründige Komik
soden: Zunächst wird die Episode von dem Schäfer falschen Bewußtseins zugunsten einer bloßen Hand-
Grysostomos und der Schäferin Marcella ganz ausge- lungskomik zurückzudrängen. Kürzungen erfahren
lassen, die bei Bertuch dem Original gegenüber nur ge- auch die Unterhaltungen über die Ritterbücher: Wird
kürzt war (Bertuch, T. 1, Kp. 12-14). Während sich im die Verdammung der Ritterbücher im 6. Kapitel des er-
übrigen bei Bertuch im Text Angaben über Auslassun- sten Teils ganz weggelassen und durch eine eigene Ab-
gen bzw. Kürzungen finden, gibt Andre keinerlei Hin- handlung Andres ersetzt (Bd. 1, S. 75-87), so erfahren
weise. Sodann ist die Erzählung des unglücklichen die zwei Gespräche des zweiten Teils nur eine gekürzte
Liebesschicksals des Cardenio weggelassen (Bertuch, Wiedergabe (Bd. 2, S. 172ff.). Von den Ausführungen
T. I, S. 383-416); die Gestalt des Cardenio tritt jedoch des Domherrn werden wichtige Partien, in denen z. T.
weiterhin auf, Andre unterlegt ihr nur ein anderes Cervantes eigene Kunstauffassung vorgetragen wird,
Schicksal (Bd. 1, S. 278-284). ganz weggelassen (Bertuch T. 2, S. 383-394).
Die Auslassungen im 2. Teil des Romans sind be- Der Kürzung zum Opfer sind sodann alle Versein-
deutend umfangreicher: Bei Andre entfallen zunächst lagen gefallen, von denen schon Bertuch einen Teil
die Fortsetzung der Erzählung Cardenios (Bertuch, T. 2, nicht mitübersetzt hatte. Weggefallen sind bei Andre
S. 62-80) sowie der Bericht der Dorothea über ihr schließlich all die Partien des Romans, in denen der Er-
Liebesunglück mit Don Fernando (Bertuch, T. 2, zähler als solcher hervortritt, um zu berichten, auf wel-
S. 80-105). Beide Figuren werden bei Andre gänzlich che Weise er die Erzählung aus verschiedenen Quellen
unmotiviert in das Romangeschehen eingeführt: Sie geschöpft habe (Bertuch T. I, S. 17f., 121-130,221 f.,
treffen als reisende Geschwister auf den Pfarrerund den 350 f. ). -Die bei Andre vorgenommenen Kürzungen be-
Barbier, die auf der Suche nach Don Quijote sind (Bd. 2, stärken zum einen die schon bei Hertuch vorhandene
S. 119 f.). Auf das zuvor von Andre selbst eingeschobe- Tendenz, den Roman in Richtung auf eine stärkere
ne unglückliche Erziehungsschicksal Cardenios wird Konzentration auf die Hauptgeschichte zu straffen;
nicht mehr Bezug genommen. In Konsequenz dieser zum anderen gehen sie über Hertuch insofern hinaus, als
Auslassung muß bei Andre sodann auch das Wieder- sie handlungsverstärkend wirken und die Ebene der Ge-
treffen von Dorothea und Fernando sowie von Carde- spräche und Reflexionen zurückdrängen.
nio und Lucinda entfallen ( Hertuch T. 2, S. 193-206). In bezugauf die Schilderung »wolluestiger Aben-
Auch diese beiden Gestalten werden beibehalten, doch theuer« kommt es zu Eingriffen in den Roman, die in-
statt als Geliebte werden sie als Verwandte von Doro- haltlich verändern. Andre hat dies in der Beilage ange-
thea und Cardenio eingeführt (Bd. 2, S. 185). Ausgelas- kündigt und zugleich auch sein Verfahren offengelegt:
sen wird des weiteren die Waffenrede des Don Quijote Sinnliche Begierde wird entweder in die rein »phanta-
(Bertuch T. 2, S. 219-236), in der dieser zu einer bedeut- stische Liebe« umgewandelt, oder durch andere, nicht-
samen Reflexion über das historische Schicksal des Rit- sexuelle Motive ersetzt. Dies nimmt sich im einzelnen
tertums gelangt. Ganz entfällt bei Andre die Erzählung wie folgt aus: Heißt es zu Beginn des Romans bei Ber-
des als Sklave auftretenden christlichen Hauptmanns tuch, dem Ritter fehlte »nichts mehr als eine Dame, zu
(Bertuch T. 2, S. 237-283). Weggestrichen ist schließlich seiner Liebschaft« (T. 1, S. II ), so wird bei Andre dar-
auch die Episode der Liebeshandlung zwischen Clara, aus eine »Dame, mit deren Beifall und Freundschaft er
der Tochter des »Ober-Landrichters«, und Don Lud- groß thun könnte« (Bd. 1, S. 18). Hieran ist eine längere
wig (Bertuch T. 2, S. 285-299, 312-317); die Figur des Anmerkung geknüpft, die das Verhältnis von Ritter-
Don Ludwig taucht bei Andre gar nicht mehr auf. - Bis schaft und Liebe erläutern soll (S. 18-20). Jeder »Schild-
auf die Waffenrede des Don Qijote handelt es sich bei knabe«, so heißt es hier, »suchte sich ein Frauenzimmer
den genannten Auslassungen sämtlich um Liebesepiso- aus, welchem er besonders zu dienen und aufzuwarten
den des Romans. Die Liebe kommt in der Jugendbear- gedachte«. Zu den ersten Lehren des Rittertums habe
beitung ganz offensichtlich nur in Gestalt der närri- gehört: » ... die schwächeren Frauenzimmer nicht zu
schen Liebe Quijotes zu seiner »Dulcinee« vor; alle an- verachten- das hieß: [ ... ] galant seyn. «
deren Erscheinungsformen der Liebe sind dagegen eli- Auch der Gaul Rozinante kennt in der Jugendbe-
miniert. Durch die weitreichenden Auslassungen arbeitung keine sinnlichen Begierden. So heißt es bei
schrumpft zudem die mit den Figuren Cardenio-Doro- Bertuch: »Gaul Rozinante bekam, sobald er diese Ge-
thea-Lucinda-Fernando verbundene Nebenhandlung sellschaft witterte, ein Lustgen mit den Frauen Stuten
343 Unterhaltende Schriften 344

ein wenig zu kurzweilen, schlug demnach, wider alles tuch T. I, S. 72-90) und schiebt statt dessen eine
Denken und Hoffen, aus dem Geschirr, trabte, ohne eigene Abhandlung über die Romane und die in
Abschied und Urlaub seines Herrn, Sporenstreichs auf ihnen enthaltenen Vorstellungen von Liebe ein
sie zu, und fieng an mit ihnen seine Nothdurft abzu- (Bd. I, S. 75-87). Hierheißt es: »Auch heut zu Ta-
handeln.« (T. I, S. 199). Bei Andrebekommt Rozinante
»ein Lustehen mit seinen Kameraden ein wenig zu kurz- ge werden noch eine Menge solcher unsinniger
weilen«, macht sich ebenso »sporenstreichs« auf sie zu Bücher, als hier der Pfarrer fand, unter den Na-
»und fing an sich mit ihnen zu bekomplimentiren« (Bd. men Romanen geschrieben; daher seyd ihr würk-
I,S.I43). lich in Gefahr durch Lesung solcher Romane in
ähnliche Tollheiten zu verfallen.« (Bd. 1, S. 76)
Die sachliche Belehrung ist eine der Neben- Zur Warnung möchte Andre seinen jungen Le-
intentionen der Lustigen Kinderbibliothek. Andre sern »einen kleinen Begriff von einem Roman«
hat anfänglich geschwankt hinsichtlich der Art geben, worunter er eine »erdichtete Erzählung al-
und Weise, in denen dieser Zweck zu realisieren lerhand wunderbarer Begebenheiten« versteht
sei. Die Alternative ist die zwischen Campescher (ebd. ). Sie gelten ihm durchweg als eine Ansamm-
Gesprächsform und erklärenden Anmerkungen lung von Unwahrscheinlichkeiten, Luftschlös-
zum Text. Andre bestätigt die »vortheilhaften sern, Träumereien und Lügen, die die Leser zu
Wirkungen, welche die Art der meisterhaften, von Müßiggang, Wunderglauben und Schwärmerei
Campe in seinen Lesebuechern, gewaelten, Ein- verleiteten und um jeglichen Verstand brächten.
kleidung, auf meine Kinder hatte« (Beilage XII). Daß die Romane einen »Ekel vor der Arbeit« er-
Andre entscheidet sich schließlich doch gegen die zeugten, sei Schaden genug: »[ ... ] aber am mei-
Gesprächsform, weil zum einen durch diese der sten verrückten sie den Verstand der jungen Leute
Zweck sachlicher Belehrung zu sehr in den Vor- noch durch die Liebe« (Bd. I, S. 79). Hier nun
dergrund gerückt würde, zum anderen das Werk sucht Andre denjungen Lesern seinen Begriffvon
einen zu großen Umfang bekäme. Liebe nahezubringen: »Hört nur einmal: Ihr wis-
Eine Einkleidung in Gesprächsform findet set, Liebe ist die ädelste, vortreflichste Eigen-
sich denn auch nur im ersten Kapitel: Hier wird schaft der menschlichen Seele, vermöge der sie,
die Erzählung durch Fragen der zuhörenden Kin- allem was sie kennt wohl will, vermöge welcher
der und sachlich belehrende Antworten des er- der Mensch jeden zu dienen wünscht, jedem ge-
zählenden Vaters unterbrochen (Bd. I, 3-13). fällig ist, jedem was angenehmes erzeigen möch-
Doch schon gegen Ende des ersten Abschnitts te.« (Bd. 1, S. 80) Nicht nur handelt es sich um
tritt die Gesprächsform zurück zugunsten erklä- rein »theoretische Liebe« ; sie darf sich zudem
render Anmerkungen. Die Erläuterungen betref- nicht einmal auf eine Person richten, sondern hat
fen inhaltlich »das Ritterwesen, die Eigenheiten alle Menschen gleichermaßen zu umfassen. Der
jener Zeiten, in welchen der Ritterstand aufkam, Begriff der Liebe wird derart aufgelöst in den ei-
den Ursprung des Adels, das Lehnsystem, den ner abstrakten Philanthropie. Die Liebe nur einer
Catholicismus mit seinen Eigenthuemlichkeiten, Person erscheint gar als eine Perversion von Lie-
Sitten, Gebraeuchen und Ceremonien, die geistli- be: »Aber gar toll ist es, wenn ich nur eine einzige
chen und weltlichen Orden,- Spanien [ ... ]-An- Person in der Welt für die vortreflichste halte, und
spielungen auf Mythologie und alte Geschichte« diese nun am meisten liebe« (ebd.). Den »höch-
(Beilage Xllf.). Größere Anmerkungen erstrek- ste[n] Grad der Tollheit« stellt für Andre die »Ei-
ken sich z. T. über 3-4 Seiten, wie z. B. Bd. l, genliebe« dar, der gegenüber die »wahre Liebe«
S. 18-21 über Ritterwesen und Frauendienst, stets »uneigennützig handelt und an sich immer
S. 112-116 über Edle und Leibeigene, S. 118-120 zuletzt denkt« (ebd.).
über Formen katholischen Aberglaubens, S. 188- Nachdem Andre derart seinen Begriff von
189 über das Ritterwesen; Bd. 2, S. 79-81 über Liebe dargelegt hat, sucht er seine jungen Leser
griechische Mythologie. Zahlreiche kürzere An- mit der »Sprache der Liebe« bekannt zu machen.
merkungen hat Andre aus Bertuchs Übersetzung Auch hier will er nicht den Gebrauch einzelner
übernommen. Neben den Anmerkungen finden Worte verbieten; seine Strategie besteht vielmehr
sich verstreut sachliche Erläuterungen, die unmit- darin, ihnen harmlose Bedeutungen zu unterle-
telbar in den Text eingefügt sind, wie z. B. Bd. 1, gen. Hier sei ein Beispiel angeführt: »Dieses Be-
S. 62 zu Mahomed, S. 69 f. zum Unterschied zwi- mühen nach Beifall, nennt man auch wohl buh-
schen Katholiken und Protestanten. len. Er buhlt mit einem Frauenzimmer, heißt: er
Von zentraler Bedeutung für die pädagogi- bemüht sich ihren Beifall zu erhalten« (Bd. l,
sche Intention der vorliegenden Jugendbearbei- S. 81 ). Gemäß der Ankündigung der Beilage, daß
tung ist das 6. Kapitel des I. Bandes. Der Roman die Aufklärung der Kinder auch »kleine Begriffe
schildert an dieser Stelle das »hoch-nothpeinliche von physikalischer Liebe enthalten« müsse (S.
Halsgericht, welches der Pfarrer und der Barbier VI), geht Andre auch auf sinnliche Aspekte der
in unsers weisen Junkers Bücherey hielten«; die Liebe ein. Über die Verliebten aus den Romanen
Ritterromane werden hier einer herben Kritik un- heißt es: »Aber diese Schwächlinge haben nicht
terzogen. Andre läßt diese Kritik wegfallen (Ber- so viel Kraft, das Gute zu fühlen und zu schätzen;
345 Cervantes/ Andre, Don Quixote, 1787-89 346

daher schränkt sich ihre Liebe auf etwas ein, wel- für Andre daraus, daß »sich einiger Unsinn jener
ches dem Guten weit nachstehen muß, aufs Schö- Zeit, noch bis auf diese Stunde erhalten« habe,
ne. Ein glattes Gesicht, eine schöne Bildung, ein wobei die Lesesucht und die Romanseuche die
hübscher Wuchs, Dinge, welcher ein einziger Un- auffallendsten seien.
fall sobald zerstören kann, das sind die Vortref- Die angeführten Stellen machen deutlich,
lichkeiten, die ihnen über alles theuer sind« (Bd. daß Andre auf die frühe, aufklärerisch-satirische
I, S. 83 ). Natürlich sei es verwerflich, das Schöne Deutung des Don Quijote zurückgeht. Die
über das Gute zu stellen; aber selbst hierbei könne Hauptfigur erscheint ausschließlich als Narr, als
der »krank gewordene Verstand« des Verliebten Inkorporation von Torheiten, die in ihrer Über-
»nicht einmal mehr richtig beurtheilen, was wirk- zeichnung satirisch bloßgestellt werden. Der posi-
lich schön sey, oder nicht«, und so liefen sie zu- tiven Seiten der Quijote-Gestalt wird bei Andre an
meist den >>Unansehnlichste[n] Personen« nach keiner Stelle Erwähnung getan: Weder wird Don
(ebd.).- Den Höhepunkt von Andres Warnung Quijote, wie in der Übersetzung von 1734, als ein
vor der Liebe bildet schließlich die These, daß al- Verkünder wertvoller moralischer Einsichten und
ler Verliebtheit in Wirklichkeit nichts anderes als Belehrungen angesehen, noch wird er, wie bei
Eigenliebe zugrunde liege. Bertuch, als ein zwiespältiger menschlicher Cha-
Andre bricht die eingeschobene Abhand- rakter begriffen, in dem zugleich Stärken und
lung ab, ohne seine in der Beilage entworfene Schwächen liegen, der eines mitfühlenden Ver-
Theorie der Liebes- und Sexualaufklärung voll- ständnisses bedarf und die Sympathie des Lesers
ends verwirklicht zu haben. Aus der Beilage wird verdient. Bei Andre stehen allein die» Tollheiten«
deutlich, daß der Grund hierfür in der eigenen des Ritters, das »Unvernünftige« und » Widersin-
Unsicherheit des Autors zu suchen ist, die denn nige« seines Verhaltens im Zentrum der Auf-
auch freimütig eingestanden wird: »Aber ich merksamkeit. Andres Jugendbearbeitung ist denn
muß aufrichtig gestehen, dass mir der Gedanke auch nicht darauf aus, bei den jungen Lesern bei
selbst noch zu neu und zu kuehn schien; als dass allem Spaß doch auch Sympathie für Don Quijo-
ich mich getraut haette, ihn weiter auszufuehren te, ein mitfühlendes Verständnis also, zu erwek-
als ich gewagt habe.« (Beilage IX). ken. Ihr geht es ja um bloße »Belustigung«, und
In eigenen Zusätzen nimmt Andre auch zum diese besteht in der Heiterkeit, die dieAbenteuer
Roman selbst und zu seinen Hauptfiguren Stel- auslösen; Don Quijote soll ob seiner Tollheiten
lung; hierdurch erhält die Charakterzeichnung ausgelacht und verspottet werden. Daß aus dem
insbesondere des Don Quijote Akzente, die deut- bloßen Spott schnell Überheblichkeit werden
lich von Bertuchs Auffassung abweichen. Gleich kann, hat Andre selbst gespürt, wie folgende Stel-
zu Beginn des Romans sucht Andre in einem Ein- le belegt: »Ihr habt schon an dem wenigen, was
schub die Narrheiten des Don Quijote auf seine ich euch bisher von den Tollheiten des Ritters er-
verfehlte Erziehung zurückzuführen: »[ ... ] des zählt habe, gewiß so viel Unvernünftiges und Wi-
armen Junkers Verstand war in seiner Jugend dersinniges bemerkt; daß ihr wol euch versichert
durch treue Lehrer und eine gute Erziehung nicht und ganz gewiß überzeugt haltet: es sey unmög-
klüger gemacht worden. Dieser dummgebliebene lich, daß ihr jemals ähnliche Thorheiten begehen
Verstand war die Ursache von allerhand Krank- könntet« (Bd. I, S. 75). Andre muß gegensteuern,
heiten, mit welchen seine arme Seele geplagt wur- um überhaupt noch einen Bezug zu eigenen Feh-
de- unter andern auch mit der Lesesucht« (Bd. 1, lern herzustellen und die moralische Nutzanwen-
S. 7). Ausführlicher befaßt Andre sich sodann mit dung der Satire zu gewährleisten. Hierdurch aber
der Gestalt des Don Quijote zu Beginn der bereits wird die spottende Überlegenheit als intendierte
erwähnten Polemik, die in das 6. Kapitel einge- Grundhaltung des Lesers nicht in Frage gestellt,
schoben ist. Hier will er seinen jungen Lesern denn auch die eigenen Fehler sollen ja verspottet
deutlich machen, daß der närrische Ritter keine und lächerlich gemacht werden.
bloße »Erfindung« des Dichters sei: »Aber ich Haben die Kürzungen den Roman schon um
muß euch sagen, daß der Erdichter dieser Ge- äußerst reizvolle Nebenhandlungen ärmer ge-
schichte, der feine Cervantes, sehrwenig daran er- macht, so führt diese Vereinseitigung der Charak-
dichtet habe. Er gab zu seiner Zeit auf die ver- terzeichnung des Romanhelden zu einem be-
schiedenen Thorheiten seiner Nebenmenschen trächtlichen Substanzverlust auch in bezug auf
Acht und das einzige, was er sich erlaubte, war, den Haupthandlungsstrang. Die Ursache hierfür
daß er alle diese verschiedenen Thorheiten ver- liegt gerade darin begründet, daß Andres Bearbei-
schiedner Menschen einen einzigen begehn ließ; tung ausschließlich »Vergnuegen« bereiten und
um so die Tollheiten desto auffallender und be- belustigen will. Eine solche Beschränkung findet
merklicher zu machen. Er stiftete dadurch wirk- sich nicht etwa schon bei Bertuch. Dieser spricht
lich den großen Nutzen, daß sehr viele, die sich vom »denkenden Leser« und geht davon aus, daß
auf die Art öffentlich vor der Welt lächerlich ge- die Zergliederung des Romans durch einen Ken-
macht sahen, ihre Thorheiten ablegten« (Bd. 1, ner des menschlichen Herzens »eins der trefflich-
S. 75 f.). Die Aktualität des Romans ergibt sich sten und uns armen Erdensöhnen nützlichsten
347 Unterhaltende Schriften 348

Erfahrung weiß, wie schwer es ist, J(jnder in den Abend-


stunden, besonders des Winters, gehörig zu unterhalten.
[ . . . ]Dem Erzieher bleibt [ ... ] in dieser Lage nichts üb-
rig, als erzählen. Nun weiß zwar der geübte Pädagoge
Stoff genug zu seinen Erzählungen zu finden, weiß die
gehörige Wahl zu treffen, weiß das, was nicht für J(jnder
ist, wegzulassen. Aber der ungeübte weiß es nicht. Für
den muß also durch solche Bücher, als diese lustige J(jn-
derbibliothek eins ist, gesorgt werden. Und auch der Ge-
üblere wird mit Dank die Erleichterung annehmen, die
ihm dadurch verschart wird.« (S. 267 f.) Baur kennt al-
lerdings nicht den Herausgeber, weshalb sich diese Be-
merkung denn auch in dem Artikel über K. E. Mangels-
dorf befindet.
Erwähnung findet das Werk bei Göhring ( 1904,
S. 61) und bei Hobrecker ( 1924); letzterer bezeichnet es
als die »erste Bearbeitung des Don Quichote für J(jn-
der« (S. 78-81 ). Beide kennen jedoch nicht den Bear-
beiter. In dem Andre-Artikel des Lexikons der Kinder-
und Jugendliteraturist die Lustige Kinderbibliothek ver-
zeichnet, wobei aber nicht erwähnt wird, daß es sich um
eine Jugendbearbeitung des Don Quijote handelt (Bd.
I, S. 38). Der Don-Quijote-Artikel nennt die Bearbei-
tung, kennt allerdings gleichfalls nicht den Bearbeiter
(Bd. I, S. 326). E.

1787
Magdalene Philippine Engelhard
(1765-1831):
Neujahrs-Geschenkfor liebe Kinder.
Göttingen 1787.
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Tha- Engelhards Neujahrs-Geschenk richtet sich an
ten des weisen Junkers Don Quixote von Mancha. kleine Kinder von ungefähr fünfbis sechs Jahren
Neue Ausgabe. In sechs Bänden von F. J. Der- und darunter. Angesprochen sind vor allem Mäd-
tuch. - Weimar und Leipzig 1775-77. Frontispiz chen. Dieser Adressatenbezug läßt sich aus dem
von Geyser Text ermitteln: die meisten Gedichte und Lieder
hat Engelhard für ihre 1781 geborene Tochter Ka-
Werke« darstellt. Andre erst macht den Roman roline (» Linchen«) geschrieben, einige richten
zu einem bloß unterhaltenden Werk. Er wird von sich an die jüngere Tochter Marianne (»Hann-
dieser Absicht dazu verleitet, all das hervorzuhe- chen«), in einigen Gedichten ist auch von Wil-
ben, was in einem sehr vordergründigen Sinne ko- helm, dem jüngsten der Kinder - er ist noch ein
misch, burlesk und abenteuerlich ist. Er bekennt Säugling-, die Rede. Als Lesepublikum kommen
ja selbst, das weggelassen zu haben, was »nicht wohl vor allem Kinder des gehobenen Bürger-
durch verstaendlichen Witz und Belustigung sich tums in Frage: die in den Gedichten auftretenden
auszeichnete« (Beilage X). Ja, der» Hauptzweck Kinder haben z. B. eine Kinderfrau zur Aufsicht,
der Belustigung« drängt der Tendenz nach sogar auch werden sie ermahnt, Menschen geringeren
den satirischen Charakter des Romans an die Sei- Standes ehrerbietig gegenüberzutreten und vor al-
te, ist die Satire doch immer in einer moralischen lem das Handwerk zu achten.
Absicht verankert. Satire bleibt der Roman bei Das Buch ist zum Haus- und Schulgebrauch
Andre insofern noch, als er ein Roman zur Ver- gedacht. Eltern, besonders Mütter (S. 12), aber
ächtlichmachung der Romane sein soll. Alle nicht auch Kinderfreunde und Lehrersollen als Mittler
unmittelbar mit der Lesesucht zusammenhängen- zwischen Buch und Kind fungieren. Die Autorin
den Narrheiten werden bloß zum unterhaltenden hat ihr Werk zur Unterstützung für Eltern und
Spaß geboten, so daß sich streckenweise das Ko- Lehrer gedacht, die ihren Kindem bzw. Schülern
mische und Burleske verselbständigt. einen Text zur Belehrung und Unterhaltung an-
Die vorliegende Jugendbearbeitung des Don Qui- bieten wollen, selbst aber gehindert sind, eigene
jotewird bei S. Baur ( 1790) erwähnt. Bezüglich der päd- Texte zu schreiben (vgl. Vorrede, S. III).
agogischen Absichten der Lustigen Kinderbibliothek Neben dem Aspekt der Belehrung und Un-
heißt es hier: »Sie werden jedem Genüge thun, der aus terhaltung nennt Engelhard noch zwei weitere
349 Engelhard, Neujahrs-Geschenk, 1787 350

Gründe für die Nützlichkeit von Liedern und Ge- »Wie kanns dann Kindern gehen.
dichten: »Auch wird das Gedächtniß, wie die Er- Die näschig, und geschwind
fahrung bestätigt, durch Auswendiglernen klei- Gleich essen, was sie sehen ;
ner Lieder gestärkt; und lautes Hersagen dersel- Und kleine Diebe sind.
Drum, seht ihr Naschwerk liegen,
ben- mit rechter Art- gibt süße Melodie der Stim-
Zeigt mirs, eh ihrs genießt.
me und eine deutliche Aussprache. Zwey Dinge Ich schenk euchs mit Vergnügen,
von empfehlendem Gewichte in der menschli- Wenn es euch dienlich ist.« (S. 30)
chen Gellschaft.« (S. IV)
Bezeichnend ist die z. T. drastische Sprache in sol-
Engelhard betont einleitend, sie habe die Ge-
chen Abschreckgeschichten. So heißt es z. B. vom unge-
dichte und Lieder so eingerichtet, daß die Geistes- horsamen Ludwig, der sich der Aufsicht des Vaters ent-
kräfte ihrer Kinder »nie überspannt« worden zog: »Doch er ersoff wie eine Maus!« (S. 42), und das
seien (ebd.). Schicksal eines in Schulden geratenen Trinkers wird mit
Die Sammlung umfaßt 40 Lieder, Gedichte und den Worten beschrieben: »Vor Angst schnitt er mit ei-
Gebete für kleine Kinder. Viele Gedichte erzählen von nem Messer I Den Hals sichab-Wie schaudert mir!«
'!lltäglichen Episoden aus dem Leben Linchens oder (S. 59).
auch Hannchens, in manchem Lied werden die Kinder Der Katalog der von Engelhard behandelten The-
- zumeist das ältere Linchen - direkt angeredet, andere men ist, wenn auch auf kleine Kinder abgestellt, recht
Gedichte sind Linchen zu ihrem vierten bzw. fünften umfangreich. Er sei an dieser Stelle stichwortartig wie-
Geburtstag gewidmet. Mehrere Lieder sind für be- dergegeben: Dankbarkeit und Gehorsam gegen Eltern ;
stimmte Anlässe verfaßt worden, so Lieder zum Weih- Dankbarkeit gegen Gott; Lernen soll Spaß machen ;
nachts- bzw. Neujahrstage, ein Morgen- und ein über die Herkunft der Kinder; Kinder sollen froh wer-
Abendlied sowie verschiedene kleine Tischgebete. den; Großmut und Verzeihen; Nachweis der Existenz
Überwiegend wendet sich Engelhard in den Liedern Gottes; Geschichte der Geburt Jesu ; Aberglauben; Lob
und Gedichten als Mutter an ihre Kinder. des Handwerks; Notwendigkeit der Toleranz (am Bei-
Die Texte sind von sehr einfacher Struktur, durch- spiel eines Juden); Lob der Schule; Lob dervon Gott er-
gängig wird Paar- bzw. Kreuzreim benutzt. Deutlich ist haltenen Natur; üble Folgen des Ungehorsams; Freude
die Absicht der Autorin zu spüren, die Texte kindge- des Wohltuns ; Tierquälerei; Lobpreis Lavaters (nach
recht, dem Fassungsvermögen und den Verstandeskräf- einem Besuch der Familie); Unangemessenheit des
ten der Kinder entsprechend zu gestalten. Der kinder- Standesdünkels; Idealbild eines Fürsten; Lob der Artig-
tümliche Stil zeigt sich vor allem auch in einer häufigen
Verwendung von Diminutiven (Brüderchen, Sprüch-
lein, Händchen, Nüßchen, Bäumchen, Däumchen
u. v. m.), in onomatopoetischer Wortwahl, zahlreich
verwendeter wörtlicher Rede und in einer appellativen
Struktur der Texte (»Nicht wahr, mein Kind [ . . .]« ;
»Komm Linchen, sieh den Mann da gehen!«; »Seht,
fair
meine lieben Kleinen!«; »Nun sieh, mein Kind[ ... ]«
usw.).
liebe iinber1
Häufig bedient sich die Autorin beim Vortrag ei- boß __
ner bestimmten Morallehre einer Beispiel- oder Ab-
schreckgeschichte, deren Handlungsträger folgsame ~6ifippine ~ngd64l'b 1
bzw. ungehorsame Kinder, häufig jedoch auch Tiere
und Tierkinder sind. Um Linchen Rücksichtnahme ge- gtbomt 0attt\'tr.
gen das jüngere Hannchen zu lehren, die ihrer älteren
Schwester zu deren Verdruß einiges Spielzeug entwen-
det hat, benutzt Engelhardt z. B. das Bild eines großen
Hundes, der von einem kleineren ins Bein gebissen
wird, aber großmütig darüber hinweg geht: »Den klei-
nen schwachen Hund zu beißen I Das würd' ihm eine
Schande seyn! I Nicht wahr, willst nicht mehr Hann-
chen schmeißen? I Die ist auch schwach und klein.«
(S. 8).
Wird hier die Beispielgeschichte nur zur Illustra-
tion einer schon vorher geäußerten Morallehre benutzt,
so wird bisweilen auch eine Beispielgeschichte erzählt,
aus der dann zusammenfassend und unter Anwendung
auf die Kinderdie entsprechende Lehre geschlußfolgert
wird. So wird etwa in dem Gedicht »Die Maus in der @Jöttingen,
Falle<< (S. 29f.) von einer Maus berichtet, die nicht mit .,, ~oOua (bri~iaa !>itUri~,
einfacher Kost Vorlieb nehmen mag und sich nach und
nach an den besten Vorräten zu schaffen m acht. In ihrer 1 7 8 7·
Gier nach einem Stück Speck gerät sie schließlich in ei-
ne Falle und muß sterben. In zwei abschließenden Ver- Engelhard, Magdalene Philippine: Neujahrs-Ge-
sen wird die Geschichte des Mäuschens auf Kinder an- schenk for liebe Kinder. - Göttingen 1787 (Nr.
gewandt: 255). Titelblatt mit Vignette von J. H. Meil
351 Unterhaltende Schriften 352

keit; Lob der Erfindungsgabe; Kinder sollen sich an El- »Früh muß viel ein Mädchen lernen,
tern orientieren; eine gute Bildung ist auch Mädchen Weil's im künft'gen Leben dann
nötig; Warnung vor Verführung; Notwendigkeit, dem Gram und Langeweil' entfernen
Mitmenschen zu nützen; Notwendigkeit, sich seiner ei- Von dem Mann und Kindem kann.« (S. 76)
genen Fehler bewußt zu werden u. v.a. Mehrere dieser Eine progressivere Ansicht zeigt die Autorin
Themen werden häufiger abgehandelt; bisweilen fin-
in ihrer Einstellung zur sexuellen Aufklärung.
den sich auch mehrere Themenkreise in einem einzel-
nen Gedicht. Deutlich heißt es in dem Gedicht »An Linchens
viertem Geburtstage« :
Im Mittelpunkt des Werkes steht die Erzie-
»Du weißt, die Kinder wachsen aus der Mutter,
hung der Kinder zum Dank und zum Gehorsam
Wie Aepfel aus dem Apfelbaum.
gegenüber den Eltern. Engelhard fordert ein ver- Heut' vorvier Jahren nahmst du noch kein Futter;
trauensvolles Verhältnis von Eltern und Kindern, Da warst du erst geboren kaum. [ ... ]
das sie als notwendige Grundlage unbedingten, ja Doch vorher war ich, heute vor vier Jahren,
blinden Gehorsams der Kinder betrachtet. Aus- Recht krank, du weißt ja, liebes Kind,
drücklich wird das treue Gehorchen des Haus- Wie unsre Vögel krank beym Legen waren,
hundes den Kindem als Vorbild hingestellt: und dreye gar gestorben sind.
Viel kränker sind die Thiere mit vier Füßen;
»Hast du heut unsem Hund gesehen?
Auch schmerzt das erste Säugen sehr.
Früh wollt er mit zur Schule gehen,
Am kränksten sind die Frauen - doch versüßen
Schon hüpft' er froh zum Haus hinaus.
Die Kinder das, war es gleich schwer.« (S. 13 f.)
Doch kaum hört' er mich oben rufen,
So schlich er gleich die Treppenstufen Thematisch ähnlich ist das Gedicht »Ais die
Herauf, und sah so traurig aus. Kinder über die Gluckhenne und ihre Küchlein
Nun sieh, und in des Hündchens Stirne sich freuten« (S. 47 f.), in dem die Schwäche der
Ist doch kein menschliches Gehirne, Glucke beim Brüten mit den Leiden der Schwan-
Das lesen lernt, und sprechen kann, gerschaft der Mutter verglichen wird.
Doch folgt er gleich. 0 meine Line! Schon in der Vorrede geht Engelhard, einer
Thu was ich will mit froher Mine,
möglichen Kritik vorbeugend, auf diese Gedichte
Auch Gott sieht seine Lust daran.« (S. 42 f.)
ein und bittet die Eltern um Verständnis für ihre
Neben Gehorsam werden von den Kindem Absichten: »Lieben Leute! sehen nicht die alles
vor allem Fleiß (S. 2), besonders aber Artigkeit bemerkenden Kinder, daß alle Thiere Junge ge-
und Reinlichkeit verlangt. Das Idealbild eines ar- bähren, und doch überredet ihr sie (auf eine sehr
tigen Kindes wird in dem Gedicht »Das Exem- kurze Zeit) aus falscher Sitsamkeit: Just den
pel« (S. 66 f.) gezeichnet: Herrn der Schöpfung brächte als ein kleines Kind
»Wenn du hübsch meine Müh mir lohnest, ein Storch im Schnabel augeschleppt-man wisse
Und allen Menschen wohlgefällst; nicht woher. Oder man fischte Kinder nach Ge-
Die Meublen, Kleid und Spielzeug schonest; fallen aus einem Teiche oder Brunnen. Was für,
Gesicht und Händchen rein erhältst;
Wenn du mit Arbeit und mit Spielen
falscher Aberglauben lehrende, und Gottes All-
Stets artig deine Zeit verbringst. macht und den Menschenverstand entehrende
Von Dingen sprichst, die dir gefielen, Geschwätze sind das! Nein! sagt früh den Kin-
Und dann und wann ein Liedehen singst; dem mit feyerlicher Zärtlichkeit, daß kein gehäh-
Wenn du gleich folgst beym ersten Worte, rendes Wesen so viel ausstehen müsse, als die
Mich niemals dich zu schlagen zwingst. menschliche Mutter; und hauptsächlich sagt ih-
Wenn du, von selbst, von manchem Orte, nen früh, daß aus weisen Gründen, kein junges
Was still mein Auge sucht, mir bringst«, Thier so lange und mühsame Pflege erfordere als
Das Kind sei den Eltern wohlgefällig. Die der junge Mensch. Ein sanftes Band von kluger
Erziehung der Kinder zu einer solchen Haltung Erkenntlichkeit und Liebe wird hierdurch die
setze allerdings voraus, daß die Eltern auch Kinder an euch fesseln; deren unbegrenztes Ver-
»selbst Gutes« sagten und täten, denn die Kinder trauen zu euch, das sicherste Mittel ist, ihre Tu-
seien »wie Affen«: sie »ahmen nach, und das ist gend und ihr Glück zu bauen.« (Vorrede, S. Vf.,
gut« (S. 67). Hervorhebungen durch Engelhard)
Bemerkenswert sind Engelhards Vorstellun- Berührungen mit philanthropischem Ge-
gen zur Mädchenerziehung. Es nimmt in gewisser dankengut, wie sie in diesen Passagen anklingen,
Weise wunder, daß Engelhard trotzihrer Stellung finden sich auch in bezugauf das Verhalten niede-
im öffentlichen Leben eine eher traditionelle Po- ren Ständen gegenüber. In dem Gedicht» Als Lin-
sition vertritt. Auf die Frage Linchens z. B., was chen sagte: 0 das ist ja nur ein Bürgersmann« (S.
sie in der Schule lernen könne, antwortet sie: »be- 52 ff.) wendet sich die Autoringegen Standesdün-
ten, lesen, stricken, I Das lernst du da.« (S. 34) kel und versucht ihrem Kind begreiflich zu ma-
Das Lernen der Mädchen soll nicht ihrer eigenen chen, daß man müßige und gottlose Reiche eher
Persönlichkeitsentwicklung dienen, sondern ih- missen könne als den tätigen Handwerker, dessen
rer Vorbereitung auf die zukünftigen gesellschaft- Arbeit als besonders wertvoll herausgestrichen
lichen Funktionen als Gattin und Mutter: wird.
353 Engelhard, Neujahrs-Geschenk, 1787 354

Auch Engelhards Fürstenbild (»Die Für- s~mi?~nhang mit den Bestrebungen der Philanthropen.
sten«, S. 55 ff.) zeigt Anklänge an philanthropi- Sie Zitiert das Werk als Beispiel für ihre These: »Im all-
sche Vorstellungen. Ausgehend von dem Bild um- gem~inen fällt die Freiheit auf, mit der in den Jugend-

hertollender Kinder, die man in der Kinderstube schnften von geschlechtlichen Dingen gesprochen
wird«. N./0. B.
nicht ohne Aufsicht lassen dürfe, zieht sie einen
Vergleich zur menschlichen Gesellschaft (»So
gieng's auf Erden, meine Lieben, I Als es noch
nicht Regenten gab.«, S. 55) und begründet das 1787
E~tstehen von Königtümern mit der Notwendig-
keit geordneter Verhältnisse. Den despotischen Chr. Wilhelm Guenther:
Fürsten (»Nach Blute dürsten I Sah man sie Kindermährehen aus mündlichen
Menschenjägern gleich.«, S. 56) stellt sie de~ Erzählungen gesammlet. Eifurt 1787
gottgefälligen Fürsten gegenüber, der - wie ein
Hirte seine Lämmer- die »Menschen weide(t) 1
Der Verfasser wendet sich mit seiner Märchen-
In dem ihm anvertrauten Reich« (ebd.). Eng~l­
sammlung an »gute Mütter und Kinder« (»Statt
hards Eintreten für den aufgeklärten Absolutis-
der Vorrede ein Gespräch zwischen mir und mei-
mus wird besonders deutlich in dem Lob, das sie
nem Freunde«, S. XX). Er habe den» Klagen gu-
Katharina II. in dem gleichen Gedicht singt:
ter Mütter über den Mangel an Kindermähr-
»Noch eine Fürstino möcht' ich sehen! chen« (S. XII) Rechnung tragen wollen. Die Er-
Zu Fuß wär' ich im Stand zu gehen zählungen sollen die Kinder vornehmlich unter-
Zu Rußlands großer Kaiserinn! halten; aus diesem Grunde habe er darauf ver-
[ ... ] zichtet, »etwas Witz und Anspielung auf [ ... ] Sit-
Schon alle Wissenschaften blühen
ten und Zeiten hineinzuweben, damit auch der er-
Um sie, zu der die Weisen ziehen.
Ein halber Welttheil reift durch sie wachsene Mann Nahrung seines Geistes drin-
Die Menschen pflanzt, wie Blum' ~nd Bäume. nen« hätte finden können (S. XV). So habe er sich
0 sie zu sehn! - doch das sind Träume - dafür entschieden, die Märchen »im Kinder- und
Ich sehe die Erfüllung nie!« (S. 57 f.) Ammentone« abzufassen (S. XVI), da dieser »der
schicklichste für ein Märchen« sei, »das das Ge-
Ähnlich wie in diesem Gedicht, in dem En-
präge der Einfalt der roheren Zeiten, wo es ent-
gelhard das Entstehen der Königtümer aus dem
stand, an sich tragen soll« (S. XVII). Den Erwach-
Vergleich mit der Kinderstube herleitet versucht
senen sollen die Märchen »Denkmäler der Vor-
sie auch in den anderen Texten, an der tdndlichen
zeit« sein (S. XIX) und gleichzeitig die »Erinne-
Erfahrungswelt anzuknüpfen. Sie macht ihre
rung an die früheren Jahre des Lebens« bewahren
~ussagen _an Situationen und Handlungen fest,
(S. XVIII). Der Einführungsteil zu den Texten ist
d1e dem Kind bekannt sind und somit eine Identi-
in Form eines Dialogs zwischen Ernst dem vor-
fikationsmöglichkeit mit den literarischen Figu-
geblichen Verfasser, und Carl gehalte~. Der Be-
r~n bieten. Eine zweite grundlegende Methode,
merkung Carls, daß die Einteilung der Märchen
d1e nahezu alle Texte durchzieht, ist ein oftmals
in Abende eine Nachahmung von Tausendundei-
~ass~r Realismus, ~it Hilfe dessen Engelhard
ne Nacht sei, hält Ernst entgegen, daß er nicht
d1e Kinder zur Ausemandersetzung mit Härtefäl-
daran gedacht habe, sondern vielmehr der Auf-
len des menschlichen Lebens erziehen will. Dabei
fassung sei, daß der Abend »die schicklichste
bleiben auch Themen wie Selbstmord, Krankheit,
Zeit« sei, »wo Mährehen erzählt werden müs-
Tod, Unfall und schmerzhafte Geburt nicht aus-
sen« (S. XV). Da er es jedoch nicht für zweckmä-
gespart. Diesen Schilderungen trauriger und teil-
ßig halte, die Märchen auf einmal zu erzählen, ha-
weise tragischer Ereignisse steht- und hier findet
be er sie in Abschnitte gegliedert »und sie in
sich eine dritte Komponente, rli.:! Engelhard
Abende vertheilt, so, daß die Mutter drey bis vier
durchgängig anwendet - ein optimistischer Got-
Abende daran erzählen kann. Auf diese Weise
tesglaube entgegen, der auch in Texten mit trauri-
wirds ihr nicht zu viel, und die Kinder sehen der
gem oder trauerndem Tenor Hoffnung durch-
Fortsetzung auf den folgenden Abend, (wenn an-
schimmern läßt. Dieser Gottesbezug äußert sich
ders die Mährehen ihnen gefallen) desto begieri-
auch in der Vorliebe der Autorin, oftmals Texte
ger entgegen.« (S. XIV)
durch religiöse Schlußzeilen ausklingen zu lassen
wie zum Beispiel »Auch Gott sieht seine Lust dar- Die Sammlung umfaßt vier längere Märchen, die
an« (S. 43) oder »Es steht in Gottes heil'gem jeweils in drei Abende unterteilt sind. Das erste Mär-
Buch« (S. 2). chen trägt den Titel »Das Vögelchen mit dem goldenen
Ey« (S. 1-57). Erzählt wird der Aufstieg des armen Lu-
Köberle (1972, S. 99) behandelt Engelhards Werk kas, der auf wunderbare Weise mit dem Bann eines Zau-
unter dem Abschnitt »Jugendschriften zur sexuellen bervogels verbunden ist. Durch einen Zufall geht der
Aufklärung«. Sie zitiert aus dem Gedicht zu Linchens Zauber des Goldvogels, der dem König Marud entflo-
viertem Geburtstag (s.o.) und stellt Engelhards für die gen ist, auf Lukas über: er verschafft ihm täglich zu-
Zeit freie Auffassung über sexuelle Erziehung in Zu- nehmenden Reichtum. Dank seiner Geldmittel kann
355 Unterhaltende Schriften 356

Lukas eine Heirat mit Hilda, der Tochter des Marud, derbarer Begebenheiten, die durch die unsichtba-
eingehen, ohne jedoch die Achtung seiner Frau gewin- re Hand höherer Wesen gewebt und geführet wur-
nen zu können, die sich seinerunköniglichen Herkunft den, jedem Menschen gefallen, bedarf keines Be-
schämt. Schließlich verrät Hilda Lukas und läßt ihn auf
weises, weil die Erfahrung laut genug dafür
einer einsamen Insel zurück, von wo er sich nur durch
die Hilfe einer Fee retten kann. Auf Befehl der Fee gibt
spricht.« (S. IV). Er begründet die Vorliebe der
Lukas der Hilda eine Frucht ein, derenGenuß den Ver- meisten Menschen für Märchen mit ihrer Liebe
lust von Jugend und Schönheit mit sich bringt. Darauf- zur Wahrheit, die erst die Neigung für das Wun-
hin sieht Hilda ihre Fehler ein und bereut zutiefst ihr derbare zum Bedürfnis werden lasse. Den Wider-
Verhalten Lukas gegenüber. Durch eine zweite Zauber- spruch zum Geist der Aufklärung, den Carl hierin
frucht löst sich der Bann, und Hilda erhält ihre vormali- zu erblicken glaubt, streitet Ernst ab: » Carl. >Son-
ge Gestalt zurück. Von ihrem Hochmut geheilt, lebt sie derbar! Ich habe immer nicht begreifen können,
fortan glücklich mit Lukas im Reiche Maruds. wie es möglich sey, daß unsere aufgeklärten Zei-
In dem zweiten Märchen »Weiß-Täubchen« (S.
ten, wieder in die finstre Geisterseherey zurück-
58-93) wird u. a. das Aschenbrödelmotiv aufgegriffen.
Gitthy führt als Pflegetochter in einer Familie ein dürfti-
fallen können. Es hat meine Meinung von den
ges und freudloses Leben. Eines Tages rettet sie im Fortschritten des menschlichen Geistes sehr her-
Wald ein weißes Täubchen vor einem Geier. Der harte untergestimmt.< Ernst. >Die meinige nicht, denn
Pflegevater will die schöne Gitthy mit dem »schwarzen sie war niemals so hoch. Was berechtigt Sie zu
Jäger«, dem Zauberer Zornebock, verheiraten. Als das glauben, daß das ganze Menschengeschlecht, in
Mädchen sich sträubt, entführt sie der Zauberer mit Kenntnissen und Aufklärung beständig aufwärts
dem Einverständnis des Pflegevaters auf sein Schloß. steigen müsse? Ein solcher Fortgang wäre zwar
Da Gitthy standhaft bleibt, wird sie von Zornebock in ein süßer Traum, aber doch- Traum.«< (S. X f.) In
ein altes Weib verwandelt, jedoch gelingt es ihrmit Hilfe
diesen Äußerungen wird in Ansätzen eine kriti-
des Weißtäubchens, die Zauberkraft ihres Entführers zu
brechen. Sie erlangt ihre wahre Gestalt zurück, die Tau-
sche Haltung dem Fortschrittsglauben und Bil-
be entpuppt sich als ein verzauberter Prinz, der nach sei- dungsoptimismus der Aufklärung gegenüber er-
ner Erlösung Gitthy heiratet und zur Königin macht. Sie kennbar. Ernst vergleicht die Zeitläufe mit einem
zeigt sich ihrer inzwischen verarmten Pflegefamilie ge- Menschenleben: »Das Kind wird Mann, der
genüber großmütig und edel und versorgt sie bis an ihr Mann wird Greiß, und der Greiß wird Kind; in
Lebensende. diesem Zirkel drehen sich auch einzelne Völker.
Das dritte Märchen» Dertreue Fuchs« (S. 94-150) Ich glaube, beyuns sind die männlichen Jahre fast
erzählt vom kranken König Romwald, der einst träum- vorüber, und darum wächst die Liebe zu Mähr-
te, daß er nur durch den Gesang des Vogels Phönix ge-
chen« (S. XI).
sund werden könne. Von den drei Söhnen, die sich auf
die Suche nach dem Vogel machen, hat lediglich der Guenther vertritt die Auffassung, daß die
jüngste, der als einfältig verschrieene Nanell das Glück, Liebe der Menschen- insbesondere der Kinder-
mit dem begehrten Tier heimzukehren. Mit Hilfe eines zum Märchen darin begründet liege, daß sie vor-
sprechenden Fuchses überwindet er alle Hindernisse, nehmlich die Wirkungen einer Sache, selten aber
gewinnt nicht nur den Vogel Phönix, der den Vater von ihre Ursachen erkennen könnten. Aus dem Stre-
seinem Leiden erlöst, sondern auch die schöne Trako ben, auch für scheinbar unerklärliche Vorgänge
Meid zur Frau. Ihr Bruder, der Fuchs, wird von seiner eine Lösung zu finden, entwickele sich der »un-
Verzauberung erlöst. auslösliche Hang höhere und unsichtbare Wesen
Das letzte Märchen heißt »Die Königin Wilowitte
hineinzuweben, weil dadurch [ ... ] alle Schwürig-
mit ihren zwey Töchtern« (S. 151-186). Um zwei Prin-
zessinnen und deren Mutter vor dem Zugriff eines Rie- keiten auf einmal gelöset sind - daher hat jedes
sen zu beschützen, verwandelt eine alte Zauberin diese Volk seinen Gott und seinen Teufel geglaubt, je-
in Blumen. Jedoch können sie von dem Zauber befreit des auf seine eigene Weise. [ ... ] Auch der weisere
werden, wenn es jemandem gelingt, sie mit einem Zau- Mann hört gern Gespenster-Geschichten, wenn
berwasser, das im Besitz des Riesen ist, zu besprengen. er sie schon nicht glaubt. Werden sie gut erzählt,
Die Verlobten der Prinzessinnen, Prinz Adda und Prinz zumal in der stillen Stunde der Nacht, so thun sie
Zili, machen sich auf, das Wasser zu suchen. Der eitle immer die beste Wirkung. Am Tage freylich nicht,
Adda verliert sich jedoch im »Tempel der Freude« (S. denn da fehlt die Beleuchtung und Dekoration«
I 66) und wird von der Zauberin Lokassa in einen Bock
(S. Vllf.). Bei Kindem sei diese Neigung noch
verwandelt. Zili hingegen hört auf den Rat eines Holz-
hackers, kann den Riesen töten, den Verlockungen der weit stärker ausgeprägt: »ihm (dem Kind,
Lokassa widerstehen und schließlich die Prinzessinnen d. Red.) ist in seiner Welt alles Mährchen, was es
und ihre Mutter erlösen. siehet, daher hänget es mit so inniger Liebe am
Wunderbaren, und Mährehen sind ihm seine lieb-
In dem einleitenden Gespräch setzt sich ste Unterhaltung« (S. VIII).
Guenther mit Sinn und Funktion von Märchen Guenther bewertet die Märchen als Lektüre
nicht nur im Rahmen der Kinderliteratur ausein- für Erwachsene und auch für Kinder überwie-
ander. Auf die Zweifel seines Gesprächspartners gend positiv, wobei er dem Unterhaltungswert
Carl an der Zweckmäßigkeit dieser Gattung erwi- den Vorrang gibt, jedoch auch eine eventuell ge-
dert Ernst: »Ich liebe Mährchen, und ich glaube gebene moralische Nutzanwendung, die aus den
jeder Mensch liebt sie: denn daß Erzählung wun- Erzählungen zu ziehen wäre, berücksichtigt. Er
357 Lossius, Lieder und Gedichte, 1787 358

steht hiermit im Gegensatz zu der überwiegenden satz >>Lerne etwas, auch wenn du reich bist« und
Mehrheit der Kinderschriftsteller und Pädagogen zeigt an der Person des Lukas, »daß Reichthorn
seiner Zeit, die die Gattung des Märchens als allein Menschen nicht glücklich machen könne«
schädlich für die Entwicklung der Kinder ableh- (S. 38). Auch der Wert der Tugend wird am Bei-
nen. Er gelangt aber auch zu seiner Überzeugung, spiel der Gitthy besonders betont. Nachdem sie
weil er den Einfluß dieser Lektüre auf Kinder, sei der Zauberer in eine alte Frau verwandelt hat,
er nun schädlich oder förderlich, nicht als so gra- lernt sie erkennen, »daß sie ihren Werth in sich
vierend betrachtet: »Sie (die Märchen, d. Red.) haben müßte, und in ihrer häßlichen Gestalt,
belustigen und unterhalten einige Zeit. Mancher doch gut seyn könnte« (S. 80), und hierauf kom-
wird durch ihre Moral klug; hie und da verrücken me es letztendlich an.
sie auch einen den Kopf, und werden mit der Zeit Ganz deutlich zeigen sich zeitgenössische
vergessen, und in ihrem Strom verschlungen.« Einflüsse in einer kurzen Passage des letzten Mär-
(S.X) chens, wo es um die Reisevorbereitungen der bei-
Auch auf die Form der Märchen wird im den Prinzen geht: »Prinz Addi versahe sich mit
Vorspann eingegangen. Carl äußert die Vermu- prächtigen Kleidern, und allem dazu gehörigen
tung, daß die Erzählungen durch ihre Länge er- Schmuck. Er sammelte sich witzige Einfälle, und
müdend wirken könnten. Darauf entgegnet ihm lernte zärtliche Gedichte, um damit zu glänzen.
Ernst: »Mir ist der Fall noch nicht vorgekommen, Prinz Zi/i sorgte mehr für reinliche, als prächtige
daß ein Mährehen den Kindern zu lang gewesen Kleidung - las gute Reisebeschreibungen, und
wär, wohl aber zu kurz. Ihre erste Bedingung war machte sich im voraus mit den Städten und Län-
immer die: Ein recht langes.( ... ] Ueberdem ist dern, und ihren Denkwürdigkeiten bekannt, wo
das Mährehen zu kurz, so liegt die Entwickelung sie hinreisen wollten.« (S. 156) R./H.
dem Knoten zu nahe; das Maschinen-Werk wird
zu sichtbar, weil es zu gedrängt seyn muß, oder es
kann nur wenig Wunderbares haben, und verliert 1787
dadurch vieles von seinem Interesse.« (S. Xllf.)
In der Tat folgen die Märchen überwiegend tradi- Rudolf Christoph Lossius (1760-1819):
tionellen Motiven; sie enthalten eine Fülle von Lieder und Gedichte ein Etui auch
wunderbaren Begebenheiten, die durch Feen, Weihnachtsgeschenk oder Angebinde
Riesen, Zauberer und verzauberte Menschen aus- für Kinder.
gelöst werden. Verwandlungen spielen in allen Erfurt 1787.
Erzählungen eine bedeutende Rolle: als Tiere ver- Georg Peter Weimar (1 734-1800):
zauberte Prinzen und Prinzessinnen werden Faßliche Melodien zu Rudolf Christoph
durch die Liebe eines Menschen erlöst und legen
die Tiergestalt ab. Die Rückverwandlung ge-
Loßius Lieder und Gedichte ein Etui
schieht also nicht aus eigener Kraft, sondern für Kinder. Mit und ohne Clavierbegleitung
durch das Verhalten einer anderen Person, d. h. gesellschaftlich zu singen.
durch ihre Tugend und Reinheit, die ihre Beloh- Erfurt 1787
nung in der Auflösung des bösen Zaubers findet.
Zuversicht auf ein glückliches Ende- in den Mär- Lossius' Lieder- und Gedichtsammlung wendet
chen verkörpert durch eine gute Fee, die als sich an Kinder nicht näher bestimmten Alters.
»Schutzengel« die tugendhaften Menschen be- Angesprochen sind vor allem Kinder aus dem
gleitet- durchzieht alle Geschichten, in denen ei- Bürgertum, wohl auch niederer Schichten. Los-
ne durch Vorsehung festgelegte Schicksalsbahn sius betont in seiner Vorrede, er habe die Lieder
den Lebensweg der Menschen bestimmt. So wer- und Gedichte bearbeitet, »um sie der Jugend,
den denn auch die Kinder ermahnt: »Vergeßt nie, auch unter den niedem Klassen der Menschen in
daß Gutseyn und stilles Ergeben an die Vorse- die Hände zu spielen« (S. 4).
hung, euch allein glücklich machen kann.« Er ist von dem Einfluß überzeugt, »welchen
(S. 55) gute Poesien in die Bildung des Verstandes und
Auch im vierten Märchen »Die Königin Wi- Veredlung des Herzens der Menschen haben«.
lowitte« wird wieder auf die Bedeutung der Vor- Um so mehr wendet er sich gegen die »noch hie
sehung hingewiesen. Die alte Zauberin gibt sich und da mangelhaften Gesangbücher, und die so
als Schutzfee zu erkennen, der die »Führung elenden Volkslieder, die der große Haufe an den
durchs Erdenleben vom Schicksal anvertraut Tagen seines Vergnügens und seiner Erholung zu
worden« war (S. 184). singen pflegt, welche oft so gierig von der Jugend
Es· wird deutlich, daß Guenthers Bearbei- aufgefangen, und mit der grösten Leichtigkeit ge-
tung der überlieferten Motive vornehmlich auf ei- lernt und gesungen werden« (Vorrede, S. 3 f.). ~r
ne stärkere Akzentuierung der moralischen Leh- setzt sich daher mit seiner Sammlung zum Ziel,
ren hinausläuft. Das Märchen »Das Vögelchen das Gefallen der Jugend» vonjenen faden Volks-
mit dem goldenen Ey« verfährt nach dem Grund- liedern abzuwenden«, ihren »Geschmack zu ver-
359 Unterhaltende Schriften 360

feinem« und »vielleicht hie und da eine gute Kinderle, kommt all herbei,
Empfindung auf eine angenehme Art ihren Her- Fein um mich getreten.
zen einzuprägen« (Vorrede, S. 4f.). Die Lieder Thu sich starr beschau die Wand,
und Gedichte sollen den Kindern »zu einem und- Alles kömmt dran hergerannt
Lauter schöne Sachen.« (S. ll 0).
schuldigen und doch angenehmen Zeitvertreibe«
Ein kurzer Anhang gibt eine »Anzeige der Melo-
(Vorrede, S. 6) dienen, denn Erzählungen und dien, nach welchen viele Lieder gesungen werden kön-
Lieder seien die besten Mittel, ihnen auf Spazier- nen«.
gängen und bei Gesellschaften die Zeit zu vertrei- Der Sammlung ist ein kleines Liederheft mit sie-
ben. ben »faßlichen Melodien« beigebunden, die Georg Pe-
Lossius will mit seiner Sammlung dazu bei- ter Weimar zu den Liedern Lossius' komponiert hat. Es
tragen, das Volksliedgut durch anspruchsvolle handelt sich dabei um vier Naturlieder, deren Tempo
Lieder zu ersetzen, die sich an der Entwicklung denjeweiligen Inhalten entsprechend mit »angenehm«,
»freudig«, »erfreulich« und »ermunternd« angegeben
der Nationalliteratur orientieren. Er hebt aus-
ist. Während es sich bei drei Liedern um ein- oder zwei-
drücklich hervor, er wolle mit seinen Liedern und stimmige handelt, ist das Lied »Auf einem Spazier-
Gedichten den Platz nur so lange ausfüllen, »bis gang« als vierstimmiger Chor komponiert worden. Da-
es einem größern Dichter gefällt, für unsere lieben neben finden sich Melodien zu »Auch der Landmann
Kleinen zu dichten« (Vorrede, S. 5). Er bedauert, ist glücklich« (ein- oder zweistimmig, Tempoangabe:
daß »viele vortrefliche Lieder unserer deutschen ))zufrieden«), ein zweistimmiges Abendlied sowie die
Lieblingsdichter« (ebd.) sich »nicht ganz« für Melodie zu »Der deutsche Knabe« (für eine Stimme,
Kinder eigneten, »weil sie ihnen nicht immer ver- Tempoangabe. »ernsthaft«). Für alle Lieder ist zusätz-
ständlich genug sind, oder sie in Situazionen füh- lich eine Klavierstimme komponiert worden.
ren, deren Annehmlichkeiten sie noch nicht emp- In Lossius' Sammlung wird das Bemühen
finden können- und dürfen« (Vorrede, S. 6). Er deutlich, Lieder für Kinder in Anlehnung an die
habe daher vorerst seine Aufgabe darin gesehen, Arbeiten >>Unserer deutschen Lieblingsdichter«
Lieder dieser Dichter zu »kopieren« und für Kin- zu verfassen und so die Kinderliteratur in Ein-
der entsprechend zu bearbeiten. klang mit der Entwicklung der Nationalliteratur
zu bringen. Mit dieser Absicht korrespondieren
Lossius' Sammlung besteht aus 29, von der Länge auch Inhalte, die teilweise neue Akzente setzen.
her sehr unterschiedlichen Liedern und Gedichten. Ne-
Herausragende Beispiele dafür sind die beiden
ben einem nur vierzeiligen »Abendlied« (S. 41) finden
sich auch mehrseitige Gedichte wie etwa)) Eine Gespen-
Lieder »Der deutsche Knabe« und »Das deut-
stergeschichte«, eine Gespensterballade von 16 Seiten sche Mädchen«.
Umfang. Schon die erste Strophe des Lieds über den
Im Zentrum der von Lossius behandelten Motive »deutschen Knaben« hat in der komprimierten
steht das Lob der schönen, sinnvoll eingerichteten Na- Verwendung der in vielen Texten zahlreich auf-
tur als der weisen Schöpfung Gottes, die zur Freude und tretenden Motive Hand, Wäldchen und Hütte
zum Nutzen des Menschen geschaffen ist. Häufig deu- programmatischen Charakter:
ten bereits die Lieder- und Gedichttitel auf den Inhalt
)) Ich bin ein deutscher Knabe.
der einzelnen Texte hin, z. B. ))An den Frühling« (S.
Mein Mut wird stark, wie meine Hand,
14ff.), »Ein Lied im Gewitter«, (S. 19ff.), »Abschieds-
Ich lobe mir mein Vaterland,
lied im Herbst« (S. 86 ff.), »Auf dem Felde zu singen«
Das Wäldchen und die Hütte.« (S. 68).
(S. 97 f.) u. a. Die Lieder und Gedichte erwecken das Be-
wußtsein der Allmacht Gottes, dem der Mensch zu Die Hand ist, wie in den übrigen Liedern
kindlicher Liebe und Gefolgschaft, zu Dank und Demut auch, das Symbol für Arbeitsamkeit, tätiges Zu-
verpflichtet ist. packen und Sorge für die Familie, die sich ihrem
Weitere Motive sind Krankheit und Tod, das Lob Ernährer anvertraut. Diese Mühe wird von Gott
des bescheidenen, jedoch glücklichen Landlebens, so- belohnt, der sich schützend des Fleißigen an-
ziale Unterschiede in der Gesellschaft, Aberglauben,
Hochmut, Geschwisterliebe und Toleranz gegenüber
nimmt und ihn seiner Gnade teilhaftig werden
Andersgläubigen (Juden). Bemerkenswert sind zwei in läßt (vgl. »Der Greis an seine Kinder«, S. I 05).
Anlehnung an Klopslock geschriebene Lieder »Der Zugleich verkörpert die Hand Lebenskraft und
deutsche Knabe« (S. 68 ff.) und »Das deutsche Mäd- Gesundheit. In dem Gedicht »Das krankgewor-
chen« (S. 71 ff.), in denen Lossius gegen höfische Fran- dene Kind« (S. 92 f.) klagt denn auch ein kleines
zösischtümelei und für »deutsche Sitten« eintritt. Be- Kind über seinen kranken Arm und sieht sich von
schlossen wird der Band mit einem originellen Gedicht allen Freuden des Lebens ausgeschlossen: Ȇ
)) Ein schön Schattenspiel an der Wand« (S. 110 ff.), des- welch ein Glück gesund zu seyn! I Nur dann erst
sen einzelne Strophen jeweils eine Schattenspielfigur lebt man gern.« (S. 93).
und deren charakteristische Handlung und Gebärden
Das Wäldchen steht für zweierlei: einmal ist
vorstellen. Die einzelnen Strophen ergeben in ihrer Ab-
folge das Gerüst zu einem Schattenspiel. Die Sprache ist es Teil der Natur, in der der Mensch aufwächst,
ganz auf Kinder abgestimmt und erinnert stark an Jahr- versinnbildlicht es Ruhe, Ausgeglichenheit und
marktstöne. Die erste Strophe lautet: Frieden, zum an dem steht es im engeren Sinne für
»Dudel dudel dumdumdei die (thüringische) Heimat, in die der Mensch hin-
Schöne Raritäten! eingeboren wird, zu der er gehört.
361 Lossius, Lieder und Gedichte, 1787 362

Auch das Hüttenmotiv taucht häufig in den Dem stellt der »deutsche Knabe« seine eige-
Texten auf. Die Hütte steht für Harmonie, Ruhe, ne, seine »deutsche« Haltung und Auffassung
Frieden und Mäßigung: entgegen. Er lobt sich seiner Naturlocken, seiner
» Leituns zur Hütt', wo Eintracht, Lieb roten Wangen, die er auf den »Labetrank aus kla-
und Friede: rer Quell« zurückführt, er stellt sein treu-freund-
Im Schwalbenneste schwirrt. schaftliches Verhalten und seinen Lerneifer als
Freud sey das Mahl, das Lager Herzensgüte vorbildlich hin, dessen Früchte ihn befähigen sol-
Und Mäßigkeit der Wirth.«
len, »Zu dienen einst dem Vaterland, I Und dem
(»Auf einem Spaziergange«, S. II f.).
betrübten Bruder«. Das Gedicht schließt mit dem
Die Hütte ist auch der Zufluchtsort vor dem
die Aussage bekräftigenden Vers:
Draußen, den zeitweiligen Unbilden der Natur,
des Lebens, ist Ort der Traulichkeit, der dem »Ich bleib ein deutscher Knabe.
Das Land, das mir mein Leben gab.
Menschen Ruhe und Erholung gewährt (vgl. Giebt mir ein Plätzchen einst zum Grab.
»Der Winter ist auch gut«, S. I 09). Am blauen Veilchenhügel.« (S. 70).
Die Kongruenz der Merkmale, mit denen die
Eine ähnliche Gegenüberstellung findet sich
beiden Motive »Wäldchen« und »Hütte« besetzt
in dem Lied »Das deutsche Mädchen«. Es be-
sind, deuten bereits auf die Harmonie hin, die
ginnt:
zwischen der Natur und der Behausung des Men- »Ich bin ein deutsches Mädchen.
schen herrscht. So ist denn auch der Mensch nicht Roth meine Wang, mein Auge blau.
nur in seiner Hütte, sondern ebenso in der Natur Die Rosenknosp' im Morgenthau
zu Hause; und bietet ihm die Hütte auch Zuflucht Flecht ich in braune Locken.« (S. 71).
vor der Kälte der Natur, so nimmt er doch nur un- Der natürlichen Haartracht des »deutschen
gern von der Natur Abschied: Mädchens« wird das »verfälschte« Haar des an-
»0 weh, nun gehts zur Hütt zurück! deren Mädchens entgegengestellt, der Aufzucht
Mit Dank und Herzensehnen
durch die Mutter die Erziehung durch die franzö-
Nimm hin, Natur, den nassen Blick
Von deinen Lieblingssöhnen.« sische Kinderfrau (»Weib aus fremden Land«),
(»Abschiedslied im Herbst«, S. 88). dem natürlichen Aufwuchs, der auch das Satt-
Indem Lossius diese drei Motive-Hand, essen gestattet, die Verkrüppelung durch »Wal-
Wäldchen und Hütte - in den Zusammenhang fischbein und Schnürbrust«, dem gesunden Lau-
stellt mit den Begriffen »deutscher Knabe« und fen mit bloßen Füßen das Laufen mit engsitzen-
»Vaterland«, entwickelt er bereits in der ersten den Schnürschuhen, dem nützlichen Stricken von
Strophe seines Liedes Grundzüge dessen, was Strümpfen und Nähen von Hemden die Herstel-
nach seiner Auffassung den deutschen Charakter lung von Filet.
ausmacht: Arbeitsamkeit, Tätigkeit, Sorge für die Die Struktur ist gegenüber dem vorherge-
Familie, körperliche Gesundheit, Verbundenheit henden Gedicht leicht geändert. Zum einen tritt
mit der Natur, Verbundenheit mit der Heimat, das kritisierte Mädchen selbst auf und versucht,
Ruhe, Ausgeglichenheit, innerer Frieden, Mäßi- das deutsche Mädchen zu verspotten: es habe Fü-
gung, Häuslichkeit. Die Halbzeile »Mein Mut ße wie ein Esel und einen Pavianhintern (»Von
wird stark« deutet zudem hin auf Unerschrocken- Müllers Lastthier trab, trab,trab, I Saht ihr wohl
heit, Durchsetzungswillen und die Bereitschaft, eure Posehen ab, I den Kü vom Paviane?«,
für die Werte einzutreten, die den deutschen Cha- S. 72); zum andern ist die Konfrontation jedoch
rakter formen. dadurch gemildert, daß das »deutsche Mäd-
Mit dieser Exposition liefert Lossius den chen« sein Gegenüber auffordert, sich zu ändern,
Grundstein für die nachfolgende fiktive Ausein- sich vom Ausländischen loszumachen und eben-
andersetzung des »deutschen Knaben« mit ei- falls ein deutsches Mädchen zu werden:
nem verweichlichten Jungen, dessen französisch- »Komm, werd ein deutsches Mädchen.
tümelnde, höfisch-galante Lebensweise und Mo- Verlaß der Fremden Thoren Tracht,
de herabsetzend-verächtlich kritisiert wird: Die edler nicht, nicht weißer macht.
Des Mädchen Werth ist Tugend.« (S. 73).
»Du bist kein deutscher Knabe.
Mit deinem krausen Haar, du trügst, Auch dieses Gedicht endet mit der bekräfti-
Ist nicht Natur, pfui, geh, du riechst genden Versicherung, am Deutschen festhalten
Nach Moschus und Lavendel.« (S. 68). zu wollen.
Der »deutsche Knabe« kritisiert des ande- Deutlich schält sich aus Lossius' Plädoyer
ren Genuß von »Punsch, Koffee und Wein«, für das Einfache, Naturgemäße, Natürliche, für
auch den teils frechen, teils furchtsamen Blick des »deutsche Sitten« (S. 72), das in expliziter Ableh-
anderen, der sich zudem beständig nur im Spiegel nung der als verweichlichend verurteilten franzö-
begaffe und statt dessen »das Buch I Bestäubt auf sischen Lebensart formuliert wird, das aufkom-
[s]einem Pulte« liegenlasse, aber »jeden deut- mende Nationalbewußtsein des deutschen Bür-
schen Biedermann, I Der nicht französisch pali- gertums heraus, das der Kopie ausländischer Sit-
ren kan« verächtlich ansehe. ten und Lebensart bewußt die Besinnung auf na-
363 Unterhaltende Schriften 364

tionale Tugenden und Charaktereigenschaften dersgläubigen thematisiert Lossius in dem Ge-


entgegensetzt. Bezeichnend ist jedoch, daß die- dicht »Der arme Jude«, das aus der Sicht des Ju-
sem aufkeimenden Nationalgefühl schon in den den selbst geschrieben ist und durch die nahege-
Anfängen Engstirnigkeit zu eigen ist. So heißt es hende Schilderung persönlichen Elends Unmit-
etwa in dem Lied überden »deutschen Knaben«: telbarkeit erzeugt. Der Jude sei durch die schand-
» Wärst du ein deutscher Knabe, bare Haltung der Christen zum Außenstehenden
Was reistest du in fremdes Land, der Gesellschaft geworden, nur die bittere Not
Kennst du denn schon dein Vaterland mache ihn zum Betrüger. Wie verächtlich und im
Von innen und von außen?« (S. 70). Kern unchristlich diese gesellschaftliche Diskri-
Sowohl die Intention, die Kinder- und Ju- minierung sei, spricht aus dem Vers:
gendliteratur in die Bahnen der Nationalliteratur »Wie, und ihr wollt gar Christen seyn?
zu lenken, als auch die thematischen Akzente, die Ich schämte mich ins Herz hinein,
Lossius setzt, bezeichnen den besonderen Platz, Zu sagen der Religion,
den die Lieder und Gedichte innerhalb der zeitge- Wie ihr durch eure Thaten Hohn.« (S. 95).
nössischen Kinderliteratur einnehmen. Dabei Doch auch diese Kritik ist getragen von auf-
darf jedoch nicht übersehen werden, daß Lossius klärerischem Optimismus:
vor allem in der Tradition der philanthropisch-
orientierten Aufklärungspädagogik steht. Hierfür »Bald pflügt, und sät mit Bruder Christ
spricht nicht nur seine scharfe Ablehnung des Der Bruder Jude, und genießt
Des Lebens Freuden allgemein,
Volksliedguts, sondern besonders das Aufgreifen
Wie unsers Gottes Sonnenschein.« (S. 96).
herkömmlicher aufklärerischer Inhalte.
So setzt er sich in dem langen Gedicht »Eine Dieser Aufklärungsoptimismus ist für das
Geistergeschichte« (S. 47 ff.) mit dem Gespen- gesamte Werk kennzeichnend. Schon im ersten
ster- und Aberglauben auseinander und kritisiert Gedicht heißt es gleich zu Beginn:
die einfältigen Leute, besonders die Dienstboten, »In Unschuld sich der Freude übergeben,
die »mit Geistersachen I Die Kinder furchtsam Istjedes Menschen Pflicht.« (S. 9).
machen« (S. 47). Auffällig ist, daß die Belehrung
Ein wichtiges Thema bildet, wie schon in
nicht in der üblichen trocken-rationalen Art er-
dem Lied »Der deutsche Knabe« zu sehen war,
folgt: durch die Balladenform, die Lossius seiner
das Lob des Landlebens, das mit einem einfa-
Geschichte gibt, wird Spannung geschaffen; der
chen, natürlichen Leben synonym gesetzt wird.
Leser kann Anteil nehmen an dem Erlebnis des
Das arbeitsame, natürliche Leben, die enge Ver-
gewöhnlich unerschrockenen Bauern, der durch
bundenheit von Mensch und Natur macht den
verschiedene, ausmalend geschilderte Ereignisse
Landmann in Lossius' Darstellung glücklicher als
in Furcht und Schrecken versetzt wird und
den reichen Müßiggänger:
schließlich vor dem vermeintlichen Ungeheuer
Hals über Kopf die Flucht ergreift. Lossius »Den Abend, wo ich ruhen kann,
schürzt die verschiedenen schauerlichen Bege- Denk ich dann so und so
benheiten zu einem Knoten, der erst zum Schluß An unsem reichen Edelmann,
Der ist nicht halb so froh.
der Ballade durch eine plötzliche Enthüllung zer-
Vom Schlaf, wenn Hiob zwölfe ruft,
schlagen wird: die bewußt erzeugte Beklemmung Ist noch sein Auge leer.
des Lesers erweist sich als völlig grundlos, der Le- Er friert bei jeder kühlen Luft;
ser wird instandgesetzt, das Spiel mit seiner eige- Ich geh im Hemd umher.« (S. 27).
nen Furchtsamkeit zu durchschauen.
Märchengläubigkeit ist das Thema des Lie- »Ein Stückehen Brod, I Und zwei gesunde
Händ« (S. 29) seien alles, was der Landmann
des »Der Storch«. Gewitzt widerlegt ein kleines
Kind das Ammenmärchen vom kinderbringen- brauche, um sich ein glückliches Leben zu schaf-
den Storch: fen. So will er denn auch nicht seinen Stand gegen
einen anderen eintauschen:
»Ich glaub ihr nicht, denn wenn das wäre,
Wo kämen denn die Kinder, »Üb ich gleich nur auf dieser Welt
Die Jungen und die Mädchen her Ein schlechter Bauer bin,
im Herbste und im Winter? Vertauscht ich doch um vieles Geld
Da sind die Störche. lange fort Nicht meinen frohen Sinn.« (S. 26).
An einen andem wärmem Ort.« (S. 64). Stellt Lossius auch den armen, aber zufriede-
Anders als bei Philippine Engelhards Neu- nen Menschen dem reichen Edelmann gegen-
jahrs-Geschenk fiir liebe Kinder, das im gleichen über, der seines Lebens nicht recht froh werden
Jahre wie Lossius' Lieder und Gedichte erschien, kann, so finden sich in seinen Liedern doch auch
bleibt die Herkunft der Kinder jedoch im Dunk- realistische Schilderungen des sozialen Elends
len: zwar wird das Märchen widerlegt, es erfolgt der unteren Volksklassen. So zeichnet er mit
aber keine gegenteilige Aufklärung. knappen Strichen das Bild eines bettelnden Wai-
Das Problem der Toleranz gegenüber An- sen:
365 Lossius, Lieder und Gedichte, 1787 366

»Vater vom Stege »Junges Knie, so hüpfe dann,


Fiel sich zu tod. Hast noch Zeit zu steifen;
Mutter am Wege Mäulchen, hast du Lust? Wolan,
Bettelt sich Brod. Magst dein Stückehen pfeifen.
Hab keine Hütte, Itzt kannst du vom Blütenstrauch
Niemand mich kämmt. Dich mit Honig tränken,
Gebt mir, ich bitte, Junge Biene, lehr mich auch
Gebt mir ein Hemd.« Auf den Winter denken.« (S. 98).
(»Der arme Junge«, S. 40).
Zusammenfassend kann festgehalten wer-
Trotz dieser sozialen Mißstände, die er of- den, daß Lossius mit seinem Bestreben, die Kin-
fenlegt, verteidigt Lossius die bestehende soziale derliteratur an der Entwicklung der Nationallite-
Ordnung und versucht, die existierenden Kon- ratur zu orientieren, neue Wege beschreitet.
flikte zu harmonisieren: Gleichwohl muß - und diese Einschränkung
nimmt Lossius selber vor- berücksichtigt werden,
»Wach auf, du trautes Thüringerland, daß es sich bei seinen Liedern und Gedichten
Ihr Städter, und ihr dort im Thai! noch kaum um wirklich eigenständige Schöpfun-
Nimm deine Sichel du Mädchenhand,
gen für Kinder handelt, sondern vor allem um
Wez, Jüngling, wez den ArbeitsstahL
Und Gottgebeinen guten Tag Nachahmungen der Muster >>Unserer deutschen
Unsgros und klein, arm oder reich. Lieblingsdichter«, die Lossius für seine Zwecke
Ein jeder nehm sein Theilchen Plag, bearbeitet hat. Mit Recht stellt Schmidt (1974,
Und seh zum Himmelblau,- und schweig.« S. 43) daher fest: »Auch die Gedichte und Lieder
(S. 46). von Lossius, die nach bekannten Melodien gesun-
gen werden konnten, sind ein weiteres Beispiel für
Schweigen und Stillhalten soll der Arme die Versuche in der Kinderliteratur, die künstleri-
auch in erdrückender Not, er soll sich darauf be- schen Erfahrungen der Nationalliteratur zu nut-
sinnen, daß Gott ihm irgendwie helfen werde: zen. Allerdings bleibt der Eindruck, daß diese Ly-
»Was werden, sprach das Weib gar oft, rik die Wirklichkeit nicht unmittelbar reflektiert,
Wir heut zu beißen haben? sondern fast ausschließlich durch Nachahmung
Trau, sprach ich, Gott hilft unverhoft; literarischer Vorbilder.«
Er füttert ja die Raben.« (S. 102). Thematisch hat Lossius durch die Betonung
nationalen, patriotischen Gedankenguts mit sei-
Und wo Gott- wie in dem Lied »Der arme
nem Werk deutliche Akzente gesetzt. Gegenüber
Mann«- nicht unmittelbar helfend eingreift, soll
der vorherrschenden aufklärerisch-belehrenden
sich der Arme auf das Jenseits besinnen, in dem
Tendenz seiner Lyrik verbleiben sie jedoch im
ihm die Mühen des Lebens vergolten werden (vgl.
Hintergrund. ·
s. 80).
Der Hinweis auf das ewige Leben erfolgtje- Göhring (1904, S. 74ff.) hebt hervor, bei Lossius
habe das Dichterische das Pädagogische überwogen:
doch nicht nur im Kontext der Schilderung sozia-
»allmählich spülte [ ... ] die wachsende Hochflut unse-
ler Mißstände, auch in Momenten der Freude er- rer Literatur in die Kinderpoesie herüber und brachte
innert Lossius an das Jenseits: die Jugendlieder auf ein höheres Niveau. >Fritzchens
»In Liebe nur ließ Gott die Welt entstehen, Lieder< von Overbeck, dem bekannten Lübecker Lyri-
Wie wär sie sonst so schön? ker, und das >Etui für Kinder< von Lossius sind hieher
Froh wollen wir durch ihre Pfade gehen, zu zählen, nicht etwa als vollkommene Produkte und
Und froh zur bessern sehn.« (S. 13). Musterbilder, sondern als Beweise dafür, daß es dem
Gedichte stets zum Vorteile gereicht, wenn der Pädago-
Von der Schönheit der von Gott geschaffe- ge hinter den Dichter zurücktritt.« Bei Lossius hänge
nen diesseitigen Welt soll der Leser auf das Jen- »der Schulmeisterzopf allerdings noch im Nacken«.
seits schließen, wo ein noch »schönres Leben« (S. Köster(l927, S. I 06) stellt Lossius dagegen in eine
Reihe mit den Nachahmern Weißes und urteilt: »Die
32) ihn erwarte und man »höher nach der Weis- Nachtreter erreichten natürlich ihr Vorbild nicht, sie wa-
heit« strebe (S. 91 ). ren einfach langweilig mit ihren gereimten Moralkate-
Der aufklärerische Grundzug des Werkes chismen [ ... ].« Köberle (1972, S. 107) betont das
äußert sich auch in nützlichen Belehrungen, die Schwanken Lossius' zwischen anspruchsvoller Kinder-
an vielen Stellen eingeflochten sind, obwohl sie lyrik und aufklärerischem Belehren. Bei ihm wechselten
das eigentliche Thema des jeweiligen Textes nur »oft in einem Gedicht natürliche, kindliche Töne mit
peripher berühren; teilweise wirken sie sogar auf- den üblichen Reflexionen und Ermahnungen«.
gesetzt. Das die schöne Natur preisende Mailied Eine ausführliche Würdigung erfährt Lossius bei
Schmidt (1974, S. 41 ff.), der ihn- ähnlich wie Göhring
»Auf dem Felde zu singen« (S. 97) schließt mit ei-
- an die Seite Overbecks stellt. Schmidt hebt hervor,
ner solchen Belehrung, deren gewisse Künstlich- man erkenne bei Lossius, »daß er um eine mögliche
keit in der Gegenüberstellung mit der vorherge- Wechselwirkung zwischen Nationalliteratur und Kin-
henden, frischen und fröhlichen Strophe beson- derliteratur« wisse und von daher »eine bedeutungsvol-
ders deutlich wird: le, an der nationalliterarischen Entwicklung orientierte
367 Unterhaltende Schriften 368

spezifische Kinderliteratur« anstrebe. Er kritisiert je- Ein Vergleich mit der Übersetzung Schillers zeigt,
doch, daß »im Ideengehalt seiner Lieder [ ... ) ein be- daß Campe sich relativ eng an die Vorlage gehalten hat.
grenztes Aufklärungsdenken zu erkennen« sei. Beson- Allerdings hat er mit Blick auf seinjugendliches Lesepu-
deres Gewicht legt er in seiner Besprechung auf das er- blikum Eingriffe und inhaltliche Selektionen vorge-
wachende Nationalgefühl in Lossius' Lyrik, das er als nommen. So läßt er beispielsweise die lateinischen Be-
»bürgerliches Selbstbewußtsein« interpretiert. 0. B. zeichnungen von Pflanzen und Tieren fort, strafft den
Text dort, wo er ihm zu ausschweifend zu sein scheint.
Auch unterdrückt er Informationen, wenn er deren Wei-
tergabe pädagogisch nicht vertreten kann. So läßt er den
1788-89 Bericht über das freie Sexualleben der tahitianischen
Oberschicht aus, in der Partnertausch üblich ist. An an-
Joachim Heinrich Campe (1746-1818): deren Stellen fügt Campe eigene moralische Belehrun-
Beschreibung einer Reise um die Erdkugel, gen ein und macht auch seine Tugendvorstellungen
angestellt von dem Englischen Schifskapitain deutlich. Hierzu schaltet er sich mit besonderen Erzäh-
lerkommentaren in die Schilderungen ein, die anson-
Cook und den beiden Gelehrten Banks und sten die Form eines Ich-Berichts des Kapitän Cook be-
Solander in den Jahren 1768-1771. sitzen.
Sammlung interessanter und durchgängig Die Reise Cooks und seiner wissenschaftlichen
zweckmäßig abgefaßter Reisebeschreibungen Begleiter Banks und Solander startete am 26. August
fiir die Jugend, 5. und 6. Teil. 1768 in Plymouth, Südengland. Erste Station wardie In-
sel Madeira, von dort ging es nach Brasilien. Die For-
Braunschweig 1788-1789. scher fanden auf Feuerland, der Südspitze Südameri-
(3. Gesamtausgabe von 1830, kas, ersten Kontakt mit den Indianern, segelten von dort
21. und 22. Band) zu den Gesellschaftsinseln im Südpazifik, erfüllten auf
der Insel Tahiti (bei Campe noch Otaheite genannt) ih-
ren sternkundliehen Beobachtungsauftrag und segelten
Die Reisebeschreibungen Campes richten sich, weiter nach Neuseeland. Der Weg führte dann an der
wie es im Vorbericht zum ersten Teil heißt, an Ostseite Australiens vorbei. Sie entdeckten eine Durch-
»solche Kinder, welche sich dem jugendlichen fahrt zwischen Australien und Neuguinea, die den di-
Alter nähern«. Campe versteht hierunter Kinder rekten Weg zurück nach Europa ermöglichte. In
etwa vom l 0. Lebensjahr an. In der Vorrede zum Neuguinea wurde ein kurzer Zwischenaufenthalt einge-
5. Teil bezieht Campe auch die Erwachsenen in legt, von dort ging die Fahrt weiter nach Java. Das Kap
den Adressatenkreis mit ein: Das Werk solle der guten Hoffnung mit Kapstadt war das nächste Rei-
»auch [ ... ] erwachsenen Personen zu statten seziel. Schließlich ging die Reise weiter nach St. Helena
kommen«. Daß es sich hierbei um ein Jugend- im Atlantik und endete nach vierjähriger Dauer am 12.
Mai 1771 in Deal, Südengland.
buch handele, werde die Erwachsenen kaum stö-
ren: »[ ... ] in Ansehung der Einkleidung aber Offizieller Zweck des Unternehmens war die Er-
wird man, hoffe ich, bei aller Simplicität, deren forschung eines astrometrischen Phänomens: Beobach-
ich mich beflissen habe, doch nicht leicht auf et- tet werden sollte der »Durchgang der Venus durch die
was stoßen, welches der Würde eines gesetzten Sonne, d. i. derjenige Zeitpunkt, da der Wandelstern Ve-
nus, bei seiner Umwälzung um die Sonne zwischen die-
Schriftstellers, der zu gesetzten Lesern redet, un-
ser und der Erde so zu stehen kommen würde, daß er vor
würdig wäre«. der Sonnenscheibe vorübergehen müßte, auf einer Insel
Die Absichten, die Campe mit seinen Reise- des stillen Meeres« (Bd. 21, S. I 0). Die Erfüllung dieses
beschreibungen verfolgt, werden ebenfalls im Vor- astronomischen Auftrages wird in dem Werk ohne Nen-
wort zum ersten Teil dargelegt. Die Reisebeschrei- nung eines Ergebnisses nur noch kurz erwähnt (Bd. 21,
bungen sollen zuvorderst der Unterhaltung die- S. I 05). Der Schwerpunkt der Forschertätigkeit und der
nen, sodann in angenehmer Form die »gemein- Erlebnisberichte liegt mehr bei der Beschreibung der
nützigsten Kenntnisse« aus der Geographie, der aufgesuchten Kontinente und Inselgruppen in geogra-
Kosmographie, der Naturkunde und der Völker- phischen Kategorien. Hierbei werden innerhalb des Be-
reiches der physischen Geographie Lage, Gestalt, Kli-
kunde vermitteln. In ihrem Gesamtumfang sollen
ma, natürliche Flora und Fauna der vorgefundenen
sie eine vollständige Erdbeschreibung darstellen. Landschaften beschrieben und in kulturgeographischer
Die Reisebeschreibungen sollen schließlich alle Hinsicht die kulturelle Überformung der Landschaft
schädliche Lektüre, insbesondere die Romane durch die dort lebenden Menschen geschildert. In rei-
und das empfindsame Schrifttum, verdrängen. chem Maße werden die ethnologischen und anthropo-
Campe bezeichnet das vorliegende Werk als logischen Besonderheiten der besuchten Eingeborenen,
einen »Auszug« aus der 177 4 bei Spener in Berlin ihre Religionsbräuche, die Formen ihres sozialen Zu-
in drei Bänden herausgekommenen deutschen sammenlebens, ihre Essensgewohnheiten, die Bauwei-
Übersetzung der Hakesworthschen Reisebe- se ihrer Häuser, die Anbauprodukte und die handwerk-
lichen Arbeiten u. v. m. erläutert. Eingeführt werden die
schreibung Geschichte der See-Reisen und Ent-
»Wilden und Halbwilden, Indier oder Indianer«, wie
deckungen im Süd-Meer. Der Übersetzer war Jo- Campe sie zu nennen pflegt, zunächst in ihren zumeist
hann Friedrich Schiller. Campes Werk wird im abenteuerlichen bis feindseligen Begegnungen mit der
folgenden nach der 3. Gesamtausgabe von 1830 Besatzung des Cookschen Schiffes. Die Besatzung des
zitiert. Segelschiffes ist oft monatelang auf See und deshalb
369 Campe, Reise um die Erdkugel, 1788-89 370

Hawkesworth, Johann: Geschichte der See-Rei- Campe, Joachim Heinrich: Sammlung interessan-
sen und Entdeckungen im Süd-Meer (Übers. von ter und durchgängig zweckmäßig abgefaßter Rei-
J. F. Schiller). Bd. 3. - Berlin 1774. Kupferstich sebeschreibungen for die Jugend. Theil 6. -
Nr. 44: Ein Menschenfresser von Neu-Seeland Braunschweig 1789 (Nr. 163). Kupfertafel zu
S.87
daran interessiert, frische Nahrungsmittel einzutau- gen mit den Eingeborenen geschildert werden. Dann
schen. Dieser Tauschhandel macht Kontakte mit den folgt die Beschreibung der Teilnahme der Forscher am
Menschen notwendig, deren Sprache und Lebensge- »Alltagsleben« der Eingeborenen. Kurz bevor das
wohnheiten der Besatzung fremd sind. Schiffwieder in See sticht, wird die Beschreibung unter-
Banks und SoJaoder absolvieren aber auch ein brochen; es folgt eine wissenschaftliche Auflistung der
umfangreiches Forschungsprogramm, sammeln und beobachteten naturkundlichen und anthropologischen
kategorisieren Pflanzen und Tiere. Die Reisebeschrei- Phänomene.
bung gewährt dem Leser reichen Einblick in die Lebens- In Campes Reisebeschreibung gewinnen die
welt von Völkern auf den verschiedensten Kulturstufen,
Wilden und Halbwilden nur eine blasse, unleben-
der Eingeborenen der südlichen Hemisphäre des 18.
Jahrhunderts. Die differenzierte Palette reicht von den dige Gestalt. Selten gehen die Schilderungen der
nackten Jägern und Sammlern - den Australiern, den Begegnungen über ein Objektverhältnis hinaus:
von Campe als abgestumpft und uninteressiert beschrie- die Eingeborenen reden nicht selbst, sondern wer-
benen Indianern Patagoniens, den zwar menschenfres- den vom Standpunkt der europäischen Kultur
senden, kriegerischen aber bereits Ackerbau treibenden aus beschrieben. Sie werden mit einer quasi natur-
lndiern Neuseelands, den feindseligen Bewohnern wissenschaftlichen Begrifflichkeit nach Physio-
Neuguineas, den »edlen Wilden<~ Tahitis, den halb ko- gnomie und äußerer Gestalt klassifiziert. Wesent-
lonialisierten Eingeborenen Javas, die ihre Produkte lich für die Beschreibung der >Wilden< durch
nur an die Holländische Ostindische Gesellschaft ver-
Campe ist sein Festhalten am eigenen Wert- und
äußern dürfen, bis hin zu den gänzlich kolonialisierten
Indianern Brasiliens, die als Sklaven schwerste Berg- Normensystem; an ihm werden sie gemessen und
und Minenarbeit leisten müssen. Die Reisenden, die ihre Handlungen sowie ihr sittlich-moralisches
vom »Jäger und Sammler« an mehrere kulturelle Ent- Verhalten als positiv oder negativ bewertet. So
wicklungsstufen erleben, kehren mit dem Einlaufen in werden durchaus Eigenschaften, sofern sie in das
den Hafen von Batavia auf Java in die zivilisierte Welt eigene Tugendraster passen, als positiv dargestellt
europäischer Macht- und Handelspolitik zurück. Hier und auch als leuchtende Beispiele für das eigene
ist der äußerste Stützpunkt der mächtigen Holländi- bürgerliche Lesepublikum benützt.
schen Ostindischen Gesellschaft mit einem Handelsmo- Das Maß für den Grad der Zivilisiertheil gibt
nopol für alle dort vertriebenen Waren. Hier besitzen
für Campe die Fähigkeit oder Unfähigkeit der
die Gesetze des Marktes wieder Gültigkeit; es wird nun
nicht mehr mit Naturalien getauscht, sondern wieder
Eingeborenen ab, Handel zu treiben. Die Austra-
mit Geld bezahlt. lier sind unfähig hierzu: »Aber ich muß auch zu-
Insgesamt ist das Werk so angelegt, daß zunächst gleich anmerken, was noch viel sonderbarer
die friedlichen Begegnungen mit den Menschen oder scheinen wird, daß diese Leute von Handel und
die abenteuerlich - kriegerischen Auseinandersetzun- Tausch nicht den allergeringsten Begriff hatten,
371 Unterhaltende Schriften 372

und daß es uns unmöglich fiel, ihnen einen davon überall dort, wo sie als erste Europäer an Land ge-
beizubringen. Was wir ihnen gaben, nahmen sie hen, die englische Flagge zurück, geben dem
an ; daß wir aber etwas dagegen verlangten, war Land einen Namen und nehmen es in Besitz.
ihnen schlechterdings nicht begreiflich zu ma- Selbst dann, wenn es zu Angriffen seitens der In-
chen, wir mochten es anstellen, wie wir wollten.« selbewohner kommt, versucht Cook eine Annä-
(Bd. 22, S. 128) Die Indianer Feuerlands schei- herung mit relativ friedlichen Mitteln. Cook läßt
nen mit Campes Augen »nicht nur die armselig- allenfalls Warnschüsse abgeben; erst dann wenn
sten, sondern auch die dümmsten von allen eine unmittelbare Bedrohung vorliegt, macht er
menschlichen Wesen zu sein« (Bd. 21, S. 43), weil von den Waffen Gebrauch. Campe bewundert
sietrotzihres kargen Daseins auf alle praktischen die» Probe des Muthes« und läßt Cook sprechen:
Dinge, die ihnen die Schiffsleute anbieten, ver- »Die armen Wichte! Wie leicht wäre es uns gewe-
zichten: »Sie schienen weiter nichts zu wünschen, sen, sie dafür mit dem Leben büßen zu lassen,
als was sie besaßen; sogar von Allem, was man ih- wenn unsere Achtung für die Menschheit sie nicht
nen anbot gefiel ihnen, dem Ansehen nach, mehr, als ihr Heldenthum geschützt hätte«. (Bd.
nichts, als ein elender Schmuck, dessen sie gerade 22, S. 6) Die Bewohner Tahitis, die bereits die
am ersten hätten entbehren können, nämlich Waffengewalt der europäischen Eroberer ken-
Glaskorallen.« (Bd. 21, S. 43) AufTahiti, wo sich nengelernt haben, geben sich dann auch von Be-
die Reisenden wegen der sternkundliehen Beob- ginn an unterwürfig: »Einige hundert Eingebore-
achtungen mehrere Monate aufhalten, werden ne empfingen uns beim Aussteigen; ihre Blicke
gar Regeln für den Tauschhandel mit den Einge- waren bewillkommnend, ihr Anstand und ihr
borenen festgelegt. ganzes Betragen ungemein ehrerbietig. Der Erste,
Campes Schilderungen sind am europä- welcher sich uns zu nähern wagte, kroch beinahe
ischen Eigentumsbegriff orientiert. Es kommt auf Händen und Füßen heran.« (Bd. 21, S. 51)
ihm gar nicht in den Sinn, daß die Eingeborenen Ganz anders verhalten sich die Bewohner der
Tahitis oder Australiens nach anderen Normen Nachbarinsel Huaheine: »Beide Geschlechter
leben. Campe schildert, daß die Eingeborenen scheinen hier wenig furchtsam, aber auch weniger
immer wieder versuchen, sich bei Besuchen auf neugierig, als dort zu sein. Ein Kanonenschuß er-
dem Schiff Dinge anzueignen. So entwendet Tu- schreckte sie zwar, aber sie fielen dabei nicht nie-
bourai, einer der Häuptlinge der Insel, Nägel. der, wie unsere Freunde zu Otaheite anfangs alle-
»Unvorsichtigerweise schlug er, nach verrichteter mahl thaten. Dieser Unterschied kam aber wol
That, einen Theil seines Kleides, worunter er ei- bloß daher, daß man hier noch nicht, wie dort, die
nen der gestohlenen Nägel verborgen hatte, zu- zerstörenden Wirkungen unserer Feuerwaffen zu
rück; und sein Vergehen war entdeckt.« Toubou- seinem Schaden wahrgenommen hatte.« (Bd. 5,
rai weigert sich, die Nägel wieder zurückzugeben. S. 144)
»Als jedoch Herr Banks, der die Sache als etwas Während des langandauernden Aufenthal-
Wichtiges behandelte, vermutblich um den In- tes in Tahiti haben die Reisenden mit der Ober-
diern einen Begriff von dem Unrechte und von schicht intensiven Kontakt. Dies führt zu man-
der Schändlichkeit des Diebstahls beizubringen, chen Konflikten: Tubourai wird während eines
zu drohen anfing, so bequemte sich Tubourai, ei- Gastmahles beschuldigt, ein Messer gestohlen zu
nen Nagel hervorzuziehen.« (Bd. 21, S. 97) Tu- haben. Die Beschuldigung erweist sich als falsch,
bourai wird gewarnt, und es wird ihm im Wieder- und Banks entschuldigt sich. Der >Indier< vergibt
holungsfalle Strafe angedroht. Mit Diebereien ihm »und blieb nach wie vor Herrn Banks ergebe-
der niederen Volksklassen der Tahitianer geht ner Freund! Ein Beweis von der ursprünglichen
Kapitän Cook weniger sanft um: »Unser friedli- Güte der rohen durch fehlerhafte gesellschaftli-
cher und vertraulicher Umgang mit den Indiern che Einrichtungen noch nicht verderbten
wurde von Zeit zu Zeit durch kleine Diebereien menschlichen Natur«. Ein weiteres Beispiel edler
unterbrochen, die ich um der Folge willen, die Gesinnung der Wilden Tahitis stellt die Episode
meine Nachsicht hätte haben können, unmöglich mit dem Schiffsfleischer dar. Er wird für unge-
ungeahndet lassen konnte.« (Bd. 21, S. 107) Al- bührliches Verhalten bestraft, um »sowol den In-
lerdings wird solchermaßen auch gegen die Besat- diern als auch meinen Leuten ein Beispiel vergel-
zung des eigenen Schiffes verfahren: »Mit eben tender Gerechtigkeit zu geben.« (Bd. 21, S. 72)
der Strenge, mit welcher ich in gleichen Fällen Die >Indier< »baten auf das dringenste, daß man
mich gezwungen sah, bestrafte ich auch diejeni- ihm die Strafe möchte erlassen« und sie wurden
gen unter meinen eigenen Leuten, die sich eine so bewegt, »daß sie ihr Mitleiden durch heiße
Ungerechtigkeit gegen die Indier schuldig mach- Thränen an den Tag legten. So waren sie, gleich
ten.« Zwei Bootsleute, die Eingeborene bestohlen Kindern, bei jeder Gelegenheit mit Thränen da,
haben, läßt Cook »einen jeden von den Verbre- wenn eine oder die andere heftige Leidenschaft in
chern mit 24 Hieben bestrafen« (Bd. 21, S. 108). ihnen aufstieg.« (ebd.) Campe vergleicht die emo-
Cook und seine Mannschaft haben Order, tionalen Ausbrüche der Wilden mit dem affekti-
friedliche Eroberungspolitik zu treiben. Sie lassen ven Kinderverhalten. Campe stellt eine Polarisie-
373 Claudius, Ludwig Helmann, 1788 374

rung >wilder Eingeborener< und >zivilisierter Eu- Je spielt hierbei der Begriff der »zivilisierten Ge-
ropäer< her: Er beschreibt den Wilden als den in sellschaft«. In ihm faßt Campe die Überlegenheit
einem Kindheitsstadium der Kultur Weilenden der aufgeklärten europäischen Gesellschaft zu-
und den Europäer als den durch die Lebensschule sammen. P.
der Aufklärung bereits Zivilisierten, Gesell-
schaftsfähigen und Erwachsenen.
Dies wird besonders deutlich, wenn er die
Religionsriten der besuchten Eingeborenen schil-
1788
dert. Von den Neuseeländern berichtet er: »Sie Georg Carl Claudius (1757-1815):
glauben an ein höchstes Wesen, gesellen aber Ludwig He/mann, eine Geschichte
demselben, wie alle anderen Menschen, die noch zur Beherzigung for die Jugend.
zu schwach und kindisch an Verstande sind, um
Bei der Gelegenheit als sich einige Knaben
sich zu dem Begriffe von einem einzigen höchst-
vollkommenen Gott erheben zu können, noch an- in Leipzig heimlich verschworen hatten nach
dere untergeordnete Gottheiten bei.« (Bd. 22, Amerika zu gehen zur Warnung atifgesetzt.
S. 72) Die Eingeborenen der Stadt Batavia cha- Leipzig 1788
rakterisiert er folgendermaßen: »Wie weit diese
Indier, ungeachtet sie nun so lange schon unter DerText wendet sich an »jugendliche Leser«, oh-
Europäern leben, an Ausbildung des Verstandes ne daß dieser Adressatenkreis hinsichtlich seines
und an Aufklärung noch zurück sind, das mag Alters oder der sozialen Stellung weiter einge-
man aus folgenden abergläubischen Meinungen grenzt ist. Claudius möchte sowohl >>Unterhal-
und Gebräuchen schließen, die noch jetzt unter tend« sein als auch »einige gute Lehren« geben
ihnen im Schwange gehen.« (Bd. 22, S. 201). (Vorrede), wobei die Belehrung sich vor allem an
Campe stellt an anderer Stelle hierzu folgende die Leser von Campes Robinson (1779) richtet.
Überlegungen an: »Sonderbar, daß bei so vielen Anlaß für die Schrift gab nach den eigenen
Völkern die Sprache der Glaubenslehre, welche Angaben des Verfassers die Geschichte einiger
billig die verständlichste sein sollte, gerade die Jungen in Leipzig, die im Anschluß an die Lektüre
dunkelste und unverständlichste zu sein pflegt! des Campeschen Robinson auf den Gedanken
Gleichsam, als wenn Menschen besorgten, daß verfallen waren, nach Amerika zu reisen. Zur Be-
der Weg zur Glückseligkeit gar zu eben, gar zu ge- schaffung der Reisekosten entwendeten sie heim-
rade und zu unverfehlbar sei, und deßwegen recht lich ihren Eltern Geld und Schmuck, wobei es ih-
absichtlich in raube und dunkle Krummgänge nen gelang, den auf sie fallenden Verdacht ge-
umgeschaffen werden müsse!« (Bd. 21, S. 137) schickt auf andere zu lenken. Die für die Reise er-
Daß die »wilden Völker« in Frieden und forderliche Barschaft gedachten sie unterwegs
Harmonie miteinander leben, scheint die Erfah- durch Einbrüche und Diebstähle sowie Straßen-
rung nicht mehr zu bestätigen. Campe wird zu der raub aufzubessern, weswegen sie sich zu diesen
schmerzlichen Feststellung veranlaßt: »Also Zwecken Einbruchswerkzeuge und auch Schuß-
auch hier, wo der Sitz des Friedens und der Glück- waffen besorgten. Nach Aufbruch der Reisegrup-
seligkeit zu sein schien - auch hier Krieg! Also pe verließ einer der Jungen, der sich mit auf den
Zwietracht und Krieg überall, wo Menschen sind! Weg gemacht hatte, die Reisenden und eilte zu-
Trauriges Loos der Menschheit! Unsere Wander- rück nach Leipzig, wo er seinen Eltern den Plan
schaft hienieden ist schon an sich so kurz, ist reumütig entdeckte. Den reiselustigen Leipziger
schon an sich mit so vielen und großen Beschwer- Knaben wurde nachgestellt, sie wurden eingeholt
den und Mühseligkeiten verbunden; und doch und wieder nach Hause geschafft, wo sie »ange-
sind wir unverständig genug, sie durch Zank und messen« bestraft wurden. Diese Geschichte war
Streit, durch Krieg und Blutvergießen noch mehr in zeitgenössischen Zeitungen bekannt gemacht
zu verkürzen, und den natürlichen Leiden der worden, woran Claudius in der Vorrede erinnert.
Menschheit noch weit größeres, selbstgemachtes Im Anschluß an die Mitteilung dieses Vor-
Elend hinzuzufügen!« (Bd. 21, S. 116) falls stellt der Verfasser einige Überlegungen zu
Campes Reisebeschreibung will den Leser den Motiven der reisenden Jugendlichen an. Als
zwar über fremde Gegenstände und exotische den wichtigsten Beweggrund für dergleichen
Völker informieren; gleichzeitig aber spürt der »abentheuerliche Gedanken« und einen derart
Leser die Distanzierung von dem Dargestellten. »entsetzlichen Entschluß« (Vorrede, S. 6) nimmt
Es geht Campe darum, ein positives Verständnis Claudius eine schädliche Lektüre an: »Sie hatten
der eigenen Lebensform, der vorhandenen bür- den Robinson von dem Herrn Campe, (den ihr
gerlichen Lebenswelt zu entwickeln. Die eigene meistens gelesen und mit vielen Vergnügen wer-
Gesellschaftsform soll trotz aller Mängel bejaht det gelesen haben) die Lebensbeschreibung des
werden können. Campes Werk ist von seiner Cartouche, eines berüchtigten Spitzbuben, ein
Funktion her auf die Herstellung einer bürgerli- Trauerspiel, die Räuber genannt, das Knaben gar
chen Identität hin angelegt. Eine wesentliche Rol- nicht verstehen können und andere Bücher mehr,
375 Unterhaltende Schriften 376

die ihren Begriffen nicht angemessen waren, gele- stimmt hatte. Rein zufällig macht Ludwig die Bekannt-
sen« ( ebd.,S. 6/7). Auf die rhetorische Frage, ob schaft eines Bürgers, »dessen Einsichten so groß nicht
wirklich diese Lektüre die Knaben veranlaßt ha- waren, daß er Erdichtung und wirkliche Begebenheit
be, »die größten Bösewichter<< zu werden, ant- unterscheiden konnte« (S. 12), was Claudius auf die
Lektüre »einer Menge alter Romane und höchst un-
wortet Claudius kurz und bestimmt: »Richtig,
wahrscheinlich erdichteter Reisebeschreibungen«
das Lesen war Schuld« (Vorrede, S. 7). Erst Cam- (ebd.), die sich jener Bürger angeschafft habe, zurück-
pes Robinson habe in ihnen den »abscheulichen führt. Von jenem Bürger übernimmt Ludwig bereits
Gedanken« erzeugt, »daß es so ganz hübsch seyn nach kurzer Zeit die Leidenschaft, derlei »erdichtete
müsse, einen zweiten Robinson zu machen« Reisebeschreibungen« in großen Mengen zu verschlin-
( ebd., S. 7). Kurzsichtigkeit und ein Mangel an gen, wobei seine Lieblingsbücher der Campesche Ro-
Erfahrung habe dann ein übriges getan, daß dem binson und die Insel Felsenburg werden. Die Lektüre
Gedanken schließlich auch die praktische Aus- des Robinson habe Ludwig schließlich auf den Gedan-
führung gefolgt sei. Einschränkend heißt es je- ken gebracht, »eine unbekannte Insel zu entdekken,
und da seinen Wohnort aufzuschlagen« (S. 17). Nach-
doch sogleich, daß nicht das Lesen überhaupt,
dem Ludwigs Vater seinen Sohn eindringlich vor derar-
sondern lediglich eine bestimmte Art von Bü- tigen Plänen gewarnt hat, und auch die Schulkamera-
chern schädliche Folgen habe. Im allgemeinen den sowie Freunde Ludwigs kein Interesse zeigen, sich
könne man durch ausgedehntes Lesen seinen Ver- an dem Projekt zu beteiligen, gelingt es Ludwig, wenig-
stand und sein Herz bilden sowie zahlreiche stens einen Freund zum Mitmachen zu überreden. Im
Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, wobei al- Unterschied zu den Leipziger Jungen machen sich Lud-
lerdings die behutsame Auswahl der Lektüre ent- wig und sein Freund John ohne nennenswertes Reise-
scheidend sei. Claudius erörtert auch die Frage, geld auf den Weg, der sie zunächst nach Dresden und
wie denn der Campesche Robinson sich nicht für von dort per Schiff nach Harnburg führt. Da Ludwigs
Begleiter bereits die Fahrt auf dem Elbdampfer wenig
die Jugend eigne, wo er vom Autor doch eigens
bekömmlich ist, macht dieser sich bereits in Harnburg
für die Jugend verfaßt worden sei. Campe in aus dem Staube, gibt seine Reisepläne vollständig auf
Schutz nehmend heißt es zunächst, daß »Herr und kehrt reumütig nach Hause zurück, wo er das Stu-
Campe« als Autor dieses eigentlich recht ange- dium aufgibt und schließlich eine Anstellung als Be-
nehmen und lehrreichen Lesebuchs einen Vorfall dienter bei einem Edelmann findet.
-wie geschildert- nicht beabsichtigt habe. Cam-
Dessen ungeachtet setzt Ludwig Helmann seine
pe habe der Jugend gewiß zeigen wollen, wie gut
Reise von Harnburg aus nach Amsterdam fort, nicht oh-
es sei, wenn man sich Kenntnis von verschiede- ne zuvor seinen Vater in einem Brief um Verständnis
nen Dingen verschaffe, und wie der Mensch im- und auch Vergebung zu bitten. Zur Weiterreise nach
stande sei, mittels seines Verstandes und vielen Amsterdam ist Ludwig von einem ihm als seriös erschei-
Fleißes »alles um sich her umzuschaffen, zu sei- nenden Seefahrer namens » Keeperloe« animiert wor-
nen Nuzzen anzuwenden, und seine Bedürfnisse den mit dem verlockenden Angebot der Vermittlung ei-
zu befriedigen« (Vorrede, S. 9). Ungeachtet der ner Schiffspassage nach Ostindien. In Amsterdam ange-
sicherlich noblen Erziehungsziele, die Campe bei kommen, schreibt Ludwig erneut voller Zuversicht an
der Abfassung des Robinson geleitet hätten, sei seinen Vater: er habe eine Anstellung als Schiffsschrei-
ber in Aussicht und sei ganz sicher, in der Ferne sein
das Werk gleichwohl geeignet, von der Jugend
Glück zu machen und schließlich als reicher Mann in
mißverstanden zu werden und »üblen Ge- seine Heimat zurückkehren zu können. Drei Jahre ver-
brauch« davon zu machen. gehen, bis endlich ein weiterer Briefbei dem längst ver-
Um zu verhindern, daß nochmals, wie be- zweifelten und unglücklichen Vater eintrifft, der seinen
reits in Leipzig geschehen, junge Knaben » Ro- Sohn schon tot geglaubt hatte. Dieser Brief enthält ein
binsons werden wollen«, habe er eine ähnliche »Tagebuch von der Zeit an, als er [Ludwig, d. Red.] Eu-
Geschichte zu berichten, die »ganz wahr« sei, ropa verlassen hatte« (S. 43-48). Bekennerhaft kommt
und die er um so genauer erzählen könne, weil die Ludwig Helmann darin zu dem Ergebnis, daß seine Rei-
Hauptperson der Erzählung sein Schulfreund ge- se »eine große Sünde« gewesen sei (S. 44) und übt harte
Kritik an schönfärbefischen Reisebeschreibungen, die
wesen sei.
ihn auf die Idee gebracht hätten, in die Welt hinauszu-
Die Erzählung ist in sieben Abschnitte unterteilt, ziehen. In den düstersten Farben schildert der »un-
die indes keine wesentlichen Zäsuren setzen. Geschil- glücklich gewordene« Ludwig seine zurückliegenden
dert wird die kurze Lebensgeschichte Ludwig Hel- drei Lebensjahre: die versprochene Anstellung als
manns, des vierten Sohnes eines auf einem adligen Gute Schiffsschreiber sei ein Gaunertrick gewissenloser hol-
in der Oberlausitz angestellten Schlossers. Da der junge ländischer Soldatenanwerber gewesen, die ihn für sechs
Ludwig sich bereits in frühen Jahren intelligent anstellt, Jahre in eine Ostindienkompanie gepreßt hätten. Alle
wird er von seinem Vater »zum Studieren bestimmt« nur erdenklichen Qualen habe er durchmachen müs-
und zur Schule in die nächste Stadt geschickt. Ludwig sen: Seekrankheit, Schiffbruch, Mangel an Nahrung
erbringt gute Leistungen und wird allgemein von seinen und Trank, schließlich sogar entwürdigende Kerkerhaft
Lehrern als Musterschüler angesehen und als Vorbild in in Batavia, dem Zielort der Reise. In mancher Stunde
artigem Betragen und ausdauerndem Fleiß hingestellt. habe er sich nichts sehnlicher gewünscht, als daß der
Im Alter von 16 Jahren wird er indessen »aus der Bahn Tod ihn von seinen Leiden befreien möge (S. 47): »0
geworfen«, die ihm nach Ansicht seiner Lehrer und der mein Vater! dies ist ein Elend, ein Jammer, den ich nicht
Hoffnung seiner Eltern eine blendende Karriere vorbe- beschreiben kann!« (ebd.)
377 Claudius, Ludwig Helmann, 1788 378

Zwei Jahre nach der Nachricht vom Schicksal sei- gierten, sei als besonders schädlich einzuschätzen
nes Sohnes in der Feme erhält Ludwigs Vater schließ- und tauge nicht für die wirkliche Lebensplanung.
lich einen weiteren Brief aus der Feder eines wie Ludwig Schwärmerei sei dabei allemal untauglich.
betrogenen Leidensgenossen aus Hamburg: es ist die
Eine letzte Belehrung, die im Text nicht ei-
»Todespost« (S. 61): Zerrüttet an Leib und Seele habe
man Ludwig, mittlerweile unfähig zu allem Dienste, in gens angesprochen ist, gleichwohl implizit enthal-
ein Lazarett einliefern müssen, wo schließlich bald alle ten ist, betrifft den Topos des Reisens. Zwangs-
Hoffnung auf eine Besserung und Genesung habe auf- läufig muß dem Leser jede Art von Reisen als »ir-
gegeben werden müssen. Ludwigs Kräfte hätten am En- rende Bahn« erscheinen: jede bei Claudius vorge-
de nur noch ausgereicht, einen Brief an seinen Vater zu führte Person gerät durch Reisen ins gesellschaft-
diktieren mit der Bitte, daß man ihm seine Verfehlung liche Abseits und verspielt die Chancen auf ein
nachsehen möge. »ruhiges« Leben. Nicht allein Ludwig Helmann,
Mit seinem Text verfolgt Claudius offenbar der die hochfliegendsten Pläne hat und bei dem
drei Ziele. Zunächst polemisiert er im ausdrückli- Versuch ihrer Verwirklichung scheitert, wird da-
chen Widerspruch zu jenen überschwenglichen bei Beispielfunktion zugeschrieben: selbst der
Kritiken des Campeschen Robinson gegen die vergleichsweise kurze Ausflug des Helmann-
Lektüre dieses Jugendbuches als einem ausge- scben Begleiters nach Harnburg endet mit eine.m
sprochen ungeeigneten Lesestoff, da jeder Leser kompletten Desaster. Der junge John erleidet kör-
im Jugendalter gerade zwangsläufig im Anschluß perliche Schäden, erntet für sein Unterfangen,
an die Lektüre auf die Idee verfallen müsse, auf Reisen dem großen Glück nachzujagen, den
»auch ein Robinson zu werden«, sofern nicht ver- Spott und den Hohn seiner Freunde und Bekann-
ständige Eltern und Erzieher ihn davor durch ein- ten, wird für sein Verhalten bestraft, muß sein Stu-
dringliche Ermahnungen abhielten. Die Attacken dium aufgeben und endet schließlich als einfa-
auf die Autoren von »Robinsonaden« werden cher Bedienter eines Adligen. Reisen, so wird dem
dementsprechend hart und pauschal vorgetragen. Leser bedeutet, hat sein gesamtes Leben ver-
So ruft Ludwigs Vater, als er vom unglücklichen pfuscht und ihm jede Hoffnung auf eine »ausge-
Schicksal seines Sohnes in der Ferne Nachricht glichene« Existenz an seinem vermeintlich vorbe-
erhält, an die Adresse jener Schriftsteller gerichtet stimmten heimatlichen Ort geraubt. Jeder Auf-
»mit Thränen in den Augen« aus: »Ihr habt mir bruch aus der vertrauten Umgebung wird als ge-
also meinen Sohn geraubt« (S. 39). Zusammen- waltiges Risiko bezeichnet; überall lauere Un-
fassend knüpft daran Claudius die Mahnung, glück und Verderben. Umgekehrt istjenen Schul-
sich direkt an seine Leser wendend: »Seid vor- freunden Helmanns, die sich nicht anstiften lie-
sichtig bei Eurer Lektüre; nicht nur in Robinsons- ßen, auf große Fahrt zu gehen und die es vorzo-
und Seefahrer-Geschichten, sondern auch in sehr gen, pflichtbewußt und fleißig ihren Studien
vielen andern Büchern, ist der Lauf der Weltbege- nachzugehen, um anschließend einen ehrbaren
benheiten und der Menschenhandlungen in ei- Beruf zu ergreifen, eine glänzende Zukunft vor-
nem unrichtigen Gesichtspunkte, verkehrt und herbestimmt Alle ihre Vorbehalte gegen Hel-
ganz falsch vorgestellt, wodurch ihr sehr leicht ir- manns Reisepläne (vgl. S. 18ff.), die sie äußern,
re geführt werden könnet« (63). bewahrheiten sich schließlich: Stürme auf See,
Die von Claudius »zur Warnung aufgesetz- Schiffbruch, Kerkerhaft in fremden Ländern.
te« Geschichte Ludwig Helmanns will indessen
eine weitere Lehre vermitteln. Mehrmals appel- Den Stoff, so wie er in der Geschichte Ludwig Hel-
liert Claudius an seine Leser, aus dem vorgeführ- manns enthalten ist, hat Claudius noch zwei weitere Ma-
ten Schicksal des jungen Ludwig zu lernen, die für le zum Gegenstand einer» Belehrung für die Jugend« ge-
das Erwachsenenalter »richtige Lebensart« zu macht: in dem 1786 erschienenen Text Bitte und War-
wählen: »Um Eurer eignen Wohlfahrt willen, nung eines Menschenfreundes an Eltern und Erzieher.
meine lieben jungen Leser, hütet Euch ja etwas zu Bey einem höchst merkwürdigen Vorfalle niedergeschrie-
ben (Leipzig 1786) und in dem ein Jahr später veröffent-
unternehmen, oder eine Bahn zu betreten, ohne
lichten Buch Joseph Freeland, eine wahre Geschichte zur
Eure Eltern, oder Eure Lehrer darum zu befra- Warnung und Belehrung fiir die Jugend niedergeschrie-
gen« (S. 40). Dabei gibt Claudius detaillierte Ge- ben(Leipzig 1787). Ihr Inhalt ist lediglich durch eine aus-
sichtspunkte an, die bei der Wahl der »künftigen führliche Besprechung in der Nicolaischen Allgemeinen
Lebensart« zu berücksichtigen seien, wobei ne- Deutschen Bibliothek überliefert, während die Texte in
ben einer kritischen Selbsteinschätzung der jewei- den Bibliotheken selbst nicht mehr auffindbar sind (vgl.
ligen Körper- und Verstandeskräfte auch die ADB, Jg. 1788, Bd. 83, S. 558-562).
»politische Verfassung« sowie die» Verschieden- Während Kayser allerdings den Ludwig Helmann
heit der Stände« beachtet werden müsse. So habe eindeutig Georg Kar! Claudius zuschreibt, rechnet die
ADB in der genannten Rezension (in der auch die Ge-
es beispielsweise wenig Sinn, einen Beruf in ei- schichte Helmanns behandelt wird) lediglich Joseph
nem höheren Stande anzustreben, sofern die eige- Freeland sowie die Bitte und Warnung dem Leipziger
ne soziale Herkunft dies nicht vorherbestimmt ha- Schriftsteller zu.
be. Daß Abenteuer-Geschichten dessen ungeach- Nach den Angaben des Rezensenten sind die Ge-
tet bisweilen dergleichen Möglichkeiten propa- schichten Helmanns und Freelands »nach Absicht und
379 Unterhaltende Schriften 380

Inhalt vollkommen [ ... ]parallel« (S. 560). Ähnlich wie Angaben gemacht. Aus der Vorrede der französi-
der junge Helmann entweicht Freeland, ein »feuriger, schen Vorlage von Monget geht hervor, daß er
lebhafter junger Mensch«, der bereits früh begierig sein Werk auch als Erziehungshilfe für Eltern und
Robinsonaden las, nach Amsterdam, wo er durch Betrü-
Lehrer verstanden wissen möchte. Bertuch, der
ger unter die Seelenverkäufer gerät und schließlich nach
Westindien gelangt. Der eigentlichen Erzählung dieses nach Musäus Tod die Moralische Kinderklapper
Stoffes ist eine Einleitung vorgeschaltet, die eine »um- als Fragment herausbrachte, merkt im »Vorbe-
ständliche Erzählung der Geschichte von den entlaufe- richt« an, daß Musäus die Hochets moraux
nen Leipziger Knaben« enthielt, Helmold und Grau- (1782) in gleicher Absicht bearbeitet habe, jedoch
mann, die nach Amerika, »in das eingebildete Land der »sehr frey, und in seiner eignen Manier, die ganz
Freyheit« (S. 561) sich absetzen wollten. Nach dem Ur- Teutschland kennt, und die den Mangel an Cor-
teil der ADB habe die Geschichte Helmanns jedoch rektheit, den ihr die krittelnde Kritik wohl vorwer-
»noch stärkeren Eindruck machen (können), weil Hel- fen könnte, durch ihre Naivität, gefällige Laune,
manns reuevolle, klagende Briefe [ ... ]das unverkenn-
treue Darstellung und Herzlichkeit, reichlich
bare Gepräge der Authenticität« getragen hätten und
über allen» Verdacht der Erdichtung« erhaben gewesen gnug ( !) ersezt. « (S. V) Bertuch führt so dann aus,
seien (ebd.). daß ihm Musäus kurz vor seinem Tode mitgeteilt
Lob finden beide Schriften sowie auch die Bitte habe, daß er zu der Moralischen Kinderklapper ei-
und Warnung vor allem aus dem Grund, da sie »ver- ne »Vorrede in Doktor Luthers Manier« (S. VI)
schiedene ganz gute Regeln der Vorsicht über die Lektü- habe verfassen wollen.
re junger Leute« (S. 599) enthielten; indessen geht es
dem Rezensenten zu weit, wenn im Campeschen Robin- Das Werk enthält sechzehn mehr oder minder lan-
son in allen Fällen die eigentliche Ursache für die tat- ge Erzählungen, ein »Fragment« und eine »Nach-
sächlichen Leipziger Vorfälle erblickt werde: »Aber wir schrift« von Bertuch, in der es heißt: »Seinem [d.i. Mu-
müssen doch bekennen, daß uns diese Beschuldigung säus'] Plane nach sollte die Moralische Kinderklapper
etwas ungerecht vorkommt« (ebd.). aus zwanzig solchen kleinen Erzählungen bestehen; er
Zustimmung dagegen erhielt Claudius von Carl konnte sie nicht vollenden. Das letzte Fragment schrieb
August Böttiger, der 1787 sich in einer kurzen Schrift er noch auf seinem Krankenbette«. (S. 110) Auch die
mit dem Thema einer geeigneten Jugendlektüre ausein- Hochets moraux enthalten sechzehn Geschichten, so
andersetzte: Ueber den Misbrauch der Deutschen Lee- daß davon auszugehen ist, daß es sich bei den von Mu-
türe auf Schulen und einigen Mitteln dagegen (Leipzig säus geplanten zusätzlichen Texten nicht mehr um
1787). Zwar verzichtet auch Böttiger auf Angriffe gegen Übernahmen von Monget gehandelt haben mag. Aller-
Campe, doch werden generell Robinsonaden, Romane, dings zeigt ein Vergleich der Hochets moraux und der
Balladen, Romanzen, »empfindsame Briefwechsel, ko- Moralischen Kinderklapper, daß etliche Erzählungen
mische Erzählungen und mancherlei süßliches Mach- der deutschen Bearbeitung gar keine französische Vor-
werk und Fabeleien« als untauglicher Lesestoff für Ju- lage haben oder nur bedingt auf eine solche zurückge-
gendliche bezeichnet. Daß einige Leipziger Knaben auf hen. Keine der Erzählungen der Moralischen Kinder-
die Idee gekommen seien, »Schillers Räuber in natura« klapper kann als Übersetzung im strengen Sinne be-
nachzumachen, sei auf die Lektüre des Stückes zurück- zeichnet werden. Die Nähe zum französischen Original
zuführen. Jedenfalls das Faktum, so wie es in der Deut- ist verschieden: Neben Erzählungen, die inhaltlich und
schen Zeitung(Jg. 1786, Nummer 5, S.413) bekanntge- auch formal weitgehend mit der französischen Vorlage
macht worden sei, in allen Schulen zu behandeln und übereinstimmen, finden sich solche, die lediglich den
zum » Bestandtheile des Jugendunterrichts« zu machen vorgegebenen Handlungsrahmen übernehmen, diesen
(vgl. S. 17). Dabei warnt Böttiger eindringlich vor den jedoch zu einer längeren Geschichteerweitern, oder sol-
Folgen einer verfehlten Buchauswahl für die Jugend. che, in denen nur die Fabel von Monget entliehen wird,
In jüngerer Zeit hat sich Griep ( 1981) mit Clau- Handlung und Schluß aber dem Original nicht mehr
dius' Werk beschäftigt. Die Flucht der Leipziger Kna- entsprechen. Während Monget ausschließlich in Versen
ben interpretiert er dabei als »Auflehnung gegen eine schreibt, wählt Musäus eine Mischung aus Prosa und
soziale Ordnung, die ihnen ihr Glück verweigert«, die li- Gedichten, wobei beide Formen häufig übergangslos
terarische Gestaltung dieses Themas in der Geschichte ineinander übergehen. Einige Erzählungen werden mit
des Ludwig Helmann als Abschreckung, dem Beispiel einer moralischen Sentenz in Versen beschlossen. Daß
der Jungen in jenem gesellschaftlichen Sinne zu folgen. M usäus in seiner Bearbeitung auch die Erwachsenen als
K. Leser miteinbezieht, zeigt sich häufig an Ausdrucks-
form und Wortwahl sowie an zahlreichen kritisch-ironi-
schen Wendungen.
Behandelt werden in den Erzählungen Beschei-
1788 denheit (»Die gute Pathe«, S. 1-11), »Vorwitz« (S.
12-14), die Folgen schlechter Beispiele durch die Er-
Johann Kar/ August Musäus (1 735-1787): wachsenen (»Bös Exempel«, S. 15-22) und »Unfolg-
Moralische Kinderklapper fiir Kinder samkeit« (S. 23-26). Die folgende Erzählung enthält die
und Nichtkinder. Nach dem Französischen auch an Erwachsene gerichtete Warnung, nicht dem Zu-
des Herrn Monget. fall zu vertrauen (»Blindes Glück«, S. 27-39). Sodann
Gotha 1788 folgen Erzählungen zu Themen wie Geschwätzigkeit
(»Unbedacht«, S. 40-46), »Trägheit« (S. 47-59), Neid
(»Falsche Aemulation«, S. 54-58) und »Dankbarkeit«
Zum angesprochenen Leserkreis werden keine (S. 59-66). In der folgenden Geschichte wird am Bei-
weiteren über die Titelangabe hinausgehenden spiel zweier charakterlich unterschiedlicher Geschwi-
381 Musäus, Kinderklapper, 1788 382

born, weiland Herrn Fabians nachgelassene Witt-


we ... « (S. I). Weitere Erzählungen spielen in
Kassel (S. 15 ff.), in Greussen bei Braunschweig
(S. 27ff.), in Hannover (S. 47ff.) und in Sulz/
Württemberg (S. 87 ff. ). Bemerkenswert in diesem
Zusammenhang ist auch die Bezugnahme auf Er-
eignisse, die in den Erzählungen verarbeitet wer-
den. Ein Beispiel bietet die Erzählung ))Gutes
Herz« (S. 78 ff.), die zumindest thematisch Ge-
meinsamkeiten mit der Geschichte )) Le Prince et
1e Frotteur« (Monget, S. 52) aufweist. In beiden
Texten geht es um Hilfeleistung bzw. Wohltätig-
keit. Musäus berichtet hier von einem jungen
Mädchen, das auf die Teilnahme an einem Mas-
kenball verzichtet, um das so gesparte Geld den
Geschädigten des Salzunger Brandes zukommen
zu lassen. Musäus führt in einer Anmerkung aus:
))Satzungen, eine feine, nahrhafte Landstadt im
Herzogthum Meiningen, brannte im Jahr 1786 to-
tal ab; und die große Noth der Abgebrannten gab
Anlaß zu mancher schönen That der Menschlich-
keit.« (S. 84) Er kommentiert in einer weiteren
Anmerkung das Verhalten des Mädchens, wobei
er darauf hinweist, daß Tugend unabhängig vom
gesellschaftlichen Rang sei: )) Dieser edle Zug der
Gutmüthigkeit eines deutschen Mädchens ist eine
Thatsache, nichts dazu und nichts davon gethan;
eben so viel werth, als die im französischen Origi-
nal berühmte Menschenliebe eines französ. Prin-
zen . . . « (S. 84). Er schließt seine Ausführungen
Johann Carl August Musäus (1735-1787). Kup- mit der Feststellung: ))Guthmütigkeit erhebt zwar
ferstich von Joh. H. Lips nicht zu Rang und Titel, aber sie macht doch hier
ein liebes Mädchen an innerem Gehalte Prinzen
und Prälaten gleich.« (S. 85) Auch Mongets Er-
sterpaare zur Eintracht gemahnt (»Harmonie«, S. zählung )) Les grands Evenemens ( !) par les petites
67-71). Es schließen sich Warnungen vor »Ungezogen-
heit« (S. 72-77) an, sowie Beispiele für Wohltätigkeit
Causes« (S. 40 ff.) weiß Musäus so umzugestal-
(»Gutes Herz«, S. 78-86) und für die unausbleibliche ten, daß sie auf ein tatsächlich stattgefundenes Er-
Bestrafung eines lasterharten Lebenswandels (»Keim eignis Bezug nimmt.
des Lasters«, S. 87-92). Die letzten drei vollständigen Die Geschichte )) Keim des Lasters« (S.
Erzählungen behandeln »Uebermuth« (S. 93-97), Ei- 87 ff.) behandelt die öffentliche Hinrichtung ei-
gensinn (»Die Puppe«, S. 98-102) und die Folgen zu nes Menschen, die von Mutter und Tochter beob-
ungestümer Kinderspiele (»Freveley«, S. 103-107). achtet wird. Während Mongets Dialog in knapper
Das unvollendete »Fragment« (S. 108-110) beschreibt Form das Problem gerechter und ungerechter
ein Kindenest und sollte wohl vor Eitelkeit und Stolz bzw. zu harter Bestrafung erörtert, ist Musäus aus-
warnen.
führlicher und läßt das Geschehen vor einem rea-
In der deutschen Fassung von Musäus zei- len Hintergrund ablaufen, um den vorgetragenen
gen sich etliche Abweichungen vom französi- Argumenten mehr Glaubwürdigkeit zu geben. So
schen Original. Besonders auffallend ist die Än- handelt es sich bei dem Delinquenten um einen
derung des Schauplatzes und der Personen. Wäh- Jungen namens ))Dieterle«, von dem Musäus
rend Monget seine Erzählungen überwiegend im sagt:)) Unterderunlängst in Sulz im Würtenbergi-
höfischen oder adeligen Kreis ansiedelt, treten bei schen eingezogenen Räuberbande, befand sich
Musäus Vertreter des Bürgertums und des Hand- ein junger Pursch von 13 Jahren, Christoph ge-
werks auf. Gleichzeitig verlegt er den Ort der nannt, zigeunerisch Dieterle, der auf den reiten-
Handlung in eine deutsche Stadt. Besonders fällt den Grenadier Pfister, der unter diese Mörder ge-
dieses Vorgehen bei der ersten Erzählung »Die fallen war, als er schon mit dem Tode kämpfte,
gute Pathe« auf, die bei Monget » Le Thröne« nicht nur mit einem Knittel schlug, sondern ihm
heißt. Aus einer Schar von Kindem soll das tu- noch zur Vermehrung seiner Schmerzen einen
gendhafteste von ihrer Patin belohnt werden, die Huth voll kalt Wasser in die Wunde schüttete.«
bei Monget eine junge Königin ist. Musäus be- (S. 91 f.)
ginnt seine Erzählung so: »Frau Fabian in Pader- In mehreren Erzählungen wird die Notwen-
383 Unterhaltende Schriften 384

digkeit einer guten Erziehung für das spätere Le- pflegt einen dummen Streich, I Aus Unbedacht
ben heiVorgehoben. So heißt es von dem Jungen, leicht nachzumachen.« (S. 22)
er sei »schon von Jugend auf ein böses Kind« ge- Eine weitere Erzählung stellt eine Erzie-
wesen, »hartherzig, grausam, wild, nicht so gut- hungsmaßnahme vor, die gegen den Ungehorsam
müthig, sanft und mild, wie wohlgezogne Kinder der Kinder angewendet werden soll. Erzählt wird
sind« (S. 90). In etlichen Erzählungen werden El- von einem kleinen Mädchen, das besonders ei-
tern eingeführt, die durch ihr Verhalten den Kin- gensinnig ist. Da auch Schläge keine Wirkung zei-
dem ein schlechtes Beispiel geben. In der Ge- gen, aus welchem Grunde auch »die neue Päda-
schichte »Bös Exempel« (S. 15 ff.) wird von ei- gogik die Birke ganz aus ihrer Dynastie verbannt«
nem Hauptmann erzählt, der das Vergehen eines habe (S. 99), wird dem Kind eine Puppe ge-
ihm untergebenen Soldaten nicht nur sehr mild schenkt, jedoch verbunden mit dem Hinweis, daß
bestrafte, sondern auch »ob dieser Schnurre« in bei jeder Unart der Tochter, die Puppe im Klei-
ein solches Gelächter ausbrach, »daß er den derschrank verschlossen werde. Durch diese Me-
Bauch hielt, und daß ihm die Augen thränten« (S. thode wird im Laufe der Zeit die angestrebte Bes-
19). Diese Reaktion wird von dem Sohn des Offi- serung des Kindes erreicht. In dieser Erzählung
ziers beobachtet, der daraufhin den Entschluß findet sich zu Beginn in Versform eine Aufzäh-
faßt, dem Soldaten nachzueifern: »Gehts dem so lung der für ein Mädchen nützlichen und wichti-
ungenossen aus, schloß er nach seiner Kinderlo- gen Kenntnisse, die im französischen Original
gik, wie würde Papa lachen, wenn ich ein gleiches nicht vorhanden ist, und so wohl eher die Mei-
Stücklein praktizirte. « (S. 21) Doch der Streich nung des deutschen Bearbeiters widerspiegeln
endet nur zum Schaden des Jungen. Am Schluß soll: »Mein Pathchen wird ein niedlich Mädchen,
wendet sich Musäus sowohl an Kinder als auch I Und für ihr Alter hat sie viel Verstand; I Dabey
an die Eltern: »Du Kleiner, thu nicht alles nach, I ist sie fix und gewandt, I Gelehrig, lernt mit ihren
Was du von andem siehst und hörest, I Daraus Brüdern gar Latein, I Und kann schon eine Fabel
entsteht viel Ungemach, I Wenn du durch Scha- exponiren, I Doch soll sie darum nicht studiren, I
den dich belehrest. I Ihr großen Leute, wahret Noch weniger magistriren, I Mit einem Wort, sie
euch, I Frivolitäten zu belachen; I Ein Kind soll kein Lumen mundi seyn; I Sie mag fein bey
der Nadel bleiben, I Das ist doch ihr natürlicher
Beruf, I Und dient damit der Wirthschaft zum Be-
~oralifd)e huf; I Ergreift sie ja die Feder, um zu schreiben I
stf.nbcrflapper So sey's kein Buch, auch kein gelehrter Kommen-
tarius, I Nur höchstens ein Rezept zu einem Mus
fil t I Zu Aepfel-Most und Hirsebrey I Zu Haus-
manns-Kost und zu frugaler Backerey.« (S. 98)
.stinbct• ttnb mi~tfinber. Bei der Aufbereitung des Stoffes durch Mu-
~la~ Crm \5ranj6flf~rn l>d .Qfrm ~ongrl, säus fällt insbesondere der starke Kontrast der
oon Ausdrucksformen ins Auge. So finden sich un-
komplizierte Satzkonstruktionen und Verse, die
~. [. IDl u f 0 u ß. an Kinderlieder und -reime erinnern, und Begrif-
!Reue 91aflll8t•
fe des Dialekts neben Fremdwörtern und ironi-
schen Wendungen. Musäus scheint der doppel-
ten Zuordnung seiner Erzählungen auf diese Wei-
se entsprechen zu wollen. Hierdurch werden die
Grenzen zwischen Kinder- und Erwachsenenlite-
ratur fließend.
Eine Kritik an bestimmten Zuständen wird
bei Musäus nur ansatzweise oder unterschwellig
geäußert. In der Erzählung »Keim des Lasters«
wirft Klärehen bei Beobachtung eines Verurteil-
ten die Frage auf: »Sie lassen aber, wie man
spricht, doch nur die kleinen Diebe hängen, war-
um thun sie's den großen nicht? Die läßt man lau-
0ot~Q, •'794- fen, ohne sie zu fangen. Ist das auch rechtes Maaß
QH9 lrtr IISiil~tl· tlli'ltU• und gleich Gewicht?« (S. 89), worauf die Mutter
keine Antwort weiß. Die Erzählung » Ueber-
Musäus, Johann Carl August: Moralische Kin- muth« (S. 93 ff.) berichtet von dem lärmenden
derklapper fiir Kinder und Nichtkinder. Nach Spiel einiger Jungen vor der Haustür eines vor-
dem Französischen des Herrn Monget. Neue nehmen Herren. Als dieser sich Ruhe ausbittet,
Aujl. - Gotha 1794 (Nr. 618). Titelkupfer von läßt Musäus die Kinder so sprechen: »die Rädels-
Geyser nach Schuber! führer wollten nicht pariren, und fingen an zu rä-
385 Textor, Entlarvter Aberglaube, 1789 386

sonniren: Was kümmert sich an einem fremden 1789


Ort, um unsern Zwist ein edler Lord, hat er hierzu
gebiethen? Er sitzt doch nicht im Rath, I Ist auch Friedrich Ludwig Textor (1 765-1822):
nicht Bürgermeister in der Stadt, I In seines Ei- Entlarvter Aberglaube. Ein Lesebuch zur
genthums vier pfählen I Mag er auf seine Leute Unterhaltung und Belehrung fiir Kinder.
schmälen, I Dort kann er herrschen und befehlen. Franlifurt am Main 1789
I Doch außerhalb der Thür I Sind wir so gut wie
er I Und er nichts mehr als wir. I Braucht er Ge- Textor möchte mit seinen Beispielerzählungen
walt das Spiel zu stöhren, I So stehen wir für einen »zum Nutzen der Jugend« beitragen (Vorrede,
Mann I Und wollen uns wohl wehren.« (S. 96) S. V), d. h. »gefallen, belehren und aufklären« (S.
Zwar werden die Jungen für ihren Übermut be- 7). Hierbei wendet er sich, ohne eine konkrete Al-
straft, doch ist damit ihre Adelsschelte nicht unbe- tersangabe zu machen, an Kinder, die entweder
dingt zurückgenommen. »bereits von dem Aberglauben angesteckt sind«
Ein wenig aus dem Rahmen der übrigen Er- oder, »wenn sie durch vernünftige Erziehung von
zählungen fällt die Geschichte »Dankbarkeit«. albernen Meinungen bewahrt worden sind, für
Auch sie geht auf Monget zurück, doch hat sie die Zukunft jetzt schon aufgeklärt werden sollen«
Musäus stark verändert, indem er hier Anspielun- (Vorrede S. VIII). Ihnen möchte Textor durch
gen auf die Bibel eingearbeitet hat. Dies ist inso- » Beleuchung interessanter Gegenstände aus dem
fern bemerkenswert, als in keinerweiteren Erzäh- Reiche des Aberglaubens, dieses vielköpfigen
lung religiöse Stoffe zur moralischen Unterwei- Ungeheuers« (Vorrede, S. V), »frühzeitig den Ge-
sung verwandt werden. Die Erzählung handelt spenster- und Hexenunsinn aus dem Kopf [ ... 1
von »Hanns Kannemann«, dem »alte(n) Invalid reden, den ihnen alberne Mägde, unweise Am-
und Philosoph« (S. 59), der in Armut gerät und men und müssige Bediente eingeflößt haben«
seinen Sohn zum Betteln anstellt. Er erregt das (Vorrede, S. VI).
Mitleid einer Frau, die als »des reichen Nahals Gleichzeitig will Textor eine Lücke im Rah-
Gattin« (S. 65) bezeichnet wird. Sie versorgt den men der Kinder- und Jugendliteratur füllen. Zwar
Jungen, stattet ihn mit Lebensmitteln und Geld habe man »auch hin und wieder in Kinderschrif-
aus und schickt ihn nach Haus, wo der »kummer- ten diese Materie berührt; aber nicht absichtlich
volle Greiß [ ... 1eben vor der Thür im Schatten und umständlich genug, als daß eine eigne Samm-
des bemoosten Strohdachs mit trauriger Gebehr- lung dadurch unentbehrlich würde« (Vorrede,
de« saß, »wie Vater Jakob, als er einst der Wieder- S. V). Da er mit seiner Schrift zur Aufklärung der
kehr des vielgeliebten Buntrocks harrte. Er hob Kinder beitragen wolle, habe sein Hauptaugen-
die Augen auf, und siehe, der verlahme Sohn kam merk darauf gelegen, die Beispiele »in ein solches
freudig übers Blachfeld hergesprungen« (S. 66). Licht zu setzen, und von einer solchen Seite zu zei-
gen, wodurch der meiste Eindruck bewirkt wer-
1794 erschien eine neue Auflage des Werkes mit
achtzehn Kupfern von Johann David Schubert und
den konnte« (Vorrede, S. IX). Aus diesem Grun-
1823 eine Ausgabe mit 17 Kupfern von Dörnheim nach de seien Namen, Handlungsorte und Charaktere
Schubert. Baur(1790) führt zu dem Werk aus: »Es sind z. T. verändert, z. T. »erdichtet« worden, so daß
Erzählungen und Prosa mit untermischten Versen. Nai- die Einsicht in die Handlungsweisen der Perso-
vität, gefällige Laune, treue Darstellung und Herzlich- nen und die Herleitung moralischer Regeln für
keit sind ihr Charakter. Für Kinder sind die meisten die Kinder erleichtert würden.
wohl zu schwer, dagegen werden aber andere unverdor-
Das Werk ist in drei »Abschnitte« gegliedert. Der
bene Seelen sie mit Wollust lesen.« Dyhrenfurth (1967,
erste Teil enthält 27 Gespenstergeschichten« (S. 3-1 04),
S. 62 ff.) hebt dieAnziehungskraftder Erzählungen her-
der zweite 14 Schatzgräbergeschichten (S. I 07 -212) und
vor und sieht eine Verwandtschaft zu Wilhelm Busch.
der dritte Teil schließlich II Hexengeschichten. Den
Sie kommt zu dem Schluß: »Wer mit solcher Heiterkeit
Stoff für seine Erzählungen hat Textor folgenden Wer-
von den Streichen eines Jungen und anderen Dingen
ken entnommen: Georg Adam Keyser, Uhuhu!!! oder
mehr erzählen konnte, der mußte die Kinder auf seiner
Hexen- Gespenster- Schatzgräber- und Erscheinungsge-
Seite haben, denn Humor für Kinder war in diesen Zei-
schichten (Erfurt 1786-1792); Ernst Urban Keller, Das
ten der Tugendlehre eine höchst seltene Erscheinung.«
Grab des Aberglaubens (Frankf./Leipzig/Stuttgart
Auch bei Kunze (1965, S. 157 ff.) erfährt das Werk eine
1775-1778). Einige Erzählungen habe er im »Gedächt-
Würdigung, wohingegen Schmidt (1974, S. 97f.) der
niß aus mündlicher Tradition aufbehalten« (ebd.), wor-
Auffassung ist, daß Musäus »hinter den von Herder
unter »die wichtigsten und interessantesten« noch nie
und Schlözer erreichten ideologischen und ästhetischen
gedruckt worden seien (ebd.). Bei der Bearbeitung der
Positionen zurück« bleibe. Margarete Dierks (Lexikon angegebenen Quellen habe er sich, so Textor, »vieler
der KJL, Bd. 2, 1977) sieht in Musäus Erzählungen Freiheiten bedient« (Vorrede, S. Vllf.).
»die pädagogische Absicht der Aufklärung« verwirk- Die drei Abschnitte werden stets in unterschiedli-
licht, »am unterhaltenden Beispiel zu demonstrieren cher Form eingeleitet. Dem Komplex der Gespensterge-
und zu überzeugen.« H. schichten ist die Schilderung einer Abendgesellschaft
vorangestellt, deren Teilnehmer sich, »um keine lange
Weile zu haben, mit Gespensterhistörchen unterhiel-
ten« (S. 3). Einer der Anwesenden fragt seinen Sohn,
387 Unterhaltende Schriften 388

»einen schon erwachsenen Knaben« (ebd.), ob er wohl scheiden sich von den Texten der ersten beiden Teile
das Herz habe, nach elf Uhr abends in die Kirche zu ge- durch die häufig drastischen Schilderungen von Grau-
hen. Dieses Ansinnen wird von dem Jungen ängstlich samkeiten. Während die Gespenster- und Schatzgräber-
zuriickgewiesen, was Textor zu der Bemerkung veran- geschichten z. T. geradezu schwankhaften Charakter
laßt: »Ich bedauerte den armen Knaben, dem man es so mit einem häufig ironisierenden Unterton aufweisen,
recht ansehen konnte, daß die Furcht vor Kobolden und werden hier in eindringlicher Weise die Folgen des He-
Gespenstern seinen Kopf durchaus eingenommen hat- xenwahns deutlich gemacht, wobei Textor seiner eige-
te.« (ebd.) Sodann stellt Textor das Gegenteil, »einen nen Betroffenheit oftmals Ausdruck verleiht. Die Ein-
muntem Knaben« (S. 4) vor, der den Auftrag, in der leitung zu diesem Teil besteht in einem kurzen Abriß der
Nacht vom Altar der Kirche ein Achtgroschenstück zu Hintergrunde, Ursachen und Entwicklungen des He-
holen, annimmt und ausführt. Die Erziehungsmethode xenglaubens, insbesondere unter den Christen, obwohl
des Vaters, durch die er seinen Sohndarangewöhnt ha- diese durch Christus belehrt worden seien, daß sie den
be, »daß alles Gerede von Gespenstern am Ende lauter Teufel nicht zu fürchten hätten. Besonders habe dieser
Possen« seien (S. 5), wird gelobt und als nachahmens- Wahn »in der Barbarei jener finstern Jahrhunderte, wo
würdig hingestellt, da diese durch Erklärungen und ge- die Wissenschaften im Todesschlaf lagen, volle Nah-
meinsame Überlegungen mit dem Sohn, stets den wah- rung erhalten« (S. 217). Zwarsei im 18. Jahrhundert die
ren Sachverhalt einer jeden Gespenstergeschichte auf- Hexenverfolgung fast gänzlich zuriickgegangen -ledig-
gedeckt und sie auf ihre natürlichen Ursachen zuriick- lich zwei bis drei Personen seien noch als >> Unholdi-
geführt habe. nen« verbrannt worden (S. 218) -, dennoch zähle der
Auf diese Weise verfährt Textor auch bei den nun Glaube an Hexen und Zauberer immer noch »seine
folgenden Erzählungen, um den Kindem deutlich zu schaarenweisen Anhänger unter vornehmen und gerin-
machen, daß der Gespensterglaube entweder »in der gem Pöbel [ ... ], welche Andre eines Bundes mit dem
Einbildung des Furchtsamen« bestehe, oder durch >>Be- Teufel bezüchtigen, sie deswegen verfolgen, mißhan-
trug listiger Menschen zur Erreichung schändlicher Ab- deln, kränken und um Ehre und guten Namen bringen«
sichten, um das arme Volk zu täuschen« (S. 104), geför- (S. 219).
dert werde. Diese beiden Erklärungsmodelle werden Während -laut Aussage des Verfassers- fünf der
hauptsächlich in den Geschichten behandelt, wobei insgesamt 27 Gespenstergeschichten und sechs der 14
nicht nur ängstliche oder einfaltige Menschen vorge- Schatzgräbergeschichten von ihm stammen, sind die elf
stellt werden, sondern auch mutige und kluge Personen, Hexengeschichten durchgängig anderen Werken ent-
die mit unerklärlich scheinenden Vorfällen konfrontiert nommen. Der größte Teil der Erzählungen spielt auf
werden. Die Personen der Erzählungen erhalten über- dem Lande, wohl weil hier der Aberglaube noch am
wiegend bedeutungsträchtige Namen, die bereits auf stärksten ausgeprägt war.
Charakter und Einstellung schließen lassen. So wird in
der Geschichte Nr. 2 >>Herzhaft« vorgestellt, der von je- >>Wie schädlich ist es doch - dachte ich -
her gewohnt war, »über alle Gespenstererscheinungen, Kinder in ihrer frühen Jugend, wo ihre Wißbe-
von denen er gehört hatte, zu lachen« (S. 9), oder »Un-
gierde noch am regesten ist, mit lächerlichen und
glaubig«, der »weder Himmel noch Hölle, wederTeufet
noch Geist« (S. 15) fürchtete. In einigen Erzählungen abgeschmackten Gespensterpossen zu unterhal-
werden zwei entgegengesetzte Charaktere, wie>> Furcht- ten. Dadurch legt man den Grund zu einer
sam« und »Eisenherz« (Nr. 6, S. 21-23) oder Furchtsamkeit, die sich nimmer wieder ganz aus-
»Schwach« und »Held« (Nr. 19, S. 62-71) gegenüber- tilgen läßt, und in jeder Rücksicht schlimme Fol-
gestellt. Die Erzählungen werden häufig mit einer Frage gen hat. Sollte man nicht alles Mögliche anwen-
oder einer Ermahnung an die Leser abgeschlossen. den, diese zu verhüten, und die Kinder zu beleh-
Textor läßt hier sporadisch kurze Kommentare einflie- ren, daß alle die Geschichten von Gespenstern,
ßen, die im zweiten Teil an Häufigkeit und Ausführlich- womit ihnen die Einfalt Kopf und Herz anfüllt,
keit zunehmen.
ungegründet, ungereimt und von müssigen Leu-
Die Erzählungen des zweiten Komplexes sind län- ten ausgeheckt sind.« (S. 4)- So formuliert Textor
ger und detailreicher. Den Schatzgräbergeschichten ist
seine Überzeugung, daß Gespenstergeschichten
ein kurzer Text des Verfassers vorangestellt, in dem er
die Kinder über die betriigerischen Absichten soge- nicht nur der bloßen Unterhaltung dienen sollten,
nannter Schatzgräber aufklärt, die ihre Opfer zu überre- in diesem Sinne sogar schädlich seien; ihr einzige
den suchten, »daß sie durch Hülfe einer geheimen Aufgabe müsse darin bestehen, durch Aufzeigen
Kunst, den Ort, wo ein solcher Schatz in der Erde liege, der Ursachen und Folgen als Mahnung und War-
ausfindig machen und die Geister, die denselben be- nung zu dienen. Nach diesem Prinzip sind Text-
wachten, durch Beschwörungen verbannen und nöthi- ors Erzählungen abgefaßt. So entpuppt sich ein
gen könnten, das Geld verabfolgen zu lassen« (S. 107). Gespenst in der Dunkelheit als ))ein dürrer ausge-
So handeln die Erzählungen überwiegend von »einfälti- hungerter Mülleresel« (S. 8), der, von allen ver-
gen Leuten«, die die List der Betriigernicht durchschau-
gessen, nachts allein am Wege liegt, oder als ein
en und sich das Geld aus der Tasche ziehen lassen. Die-
se Beispiele, die bis auf eine Erzählung zum Nachteil
)) Wohlgemästetes Schwein« (S. l 0), das sich ins
der Betrogenen ausgehen, sollen die Kinder »klug ma- Haus verirrt hat. Häufig wird von Personen er-
chen« und warnen (S. 212). Sie sollen nicht versuchen, zählt, die sich die Furcht ihrer Mitmenschen zu-
auf diesem Wege zum Wohlstand zu gelangen, sondern nutze machen: >>Auf dem Kirchhofe eines gewis-
indem sie ihrem Beruf gewissenhaft nachgehen, Wohl- sen Dorfs ließ sich seit einiger Zeit um die Mitter-
leben, Müßiggang und Verschwendung meiden. nachtsstunde eine weisse Gestalt sehen, die durch
Die Erzählungen des dritten Abschnitts unter- ein ängstliches Gewimmer die ganze Nachbar-
389 Textor, Entlarvter Aberglaube, 1789 390

schaft in groses Schrecken versetzte.« (Nr. 7, nem Hof Geld vergraben liege. Nachdem sie ihn
S. 23) Ein Förster, der das Gespenst des Nachts so um eine große Summe Geldes betrogen haben,
antrifft, auf seinen Zuruf keine Antwort erhält, werden sie schließlich von der Obrigkeit verhaf-
legt das Gewehr an und schießt auf die Erschei- tet, die ))ihnen eine ihren Bosheiten angemessene
nung. Zu seinem Erstaunen findet er »den im gan- Strafe bestimmte« (S. 156 f.). Durch die ausführli-
zen Dorf berüchtigten Langfinger im Blute lie- che Charakterisierung Nimmersatts - insbeson-
gen«. Dieser hatte sich in ein weißes Bettuch ge- dere seines Geizes- könnten sich die Kinder seine
hüllt, um so die Bäume des Kirchhofes abzuern- )) Verfahrensart in der ganzen Geschichte« erklä-
ten: »Das konnte er dann freilich ungestört thun, ren (Vorrede, S. IX). Die Schatzgräbergeschich-
weil niemand in einem weissen Gespenst einen ten sind in ihrem Ablaufweitgehend gleichförmig
Obstdieb vermutete.« (S. 24) Eine weitere Erzäh- und überwiegend mit der Mahnung zu Arbeit-
lung, die im übrigen in zahlreichen Schriften des samkeit und Warnung vor Müßiggang verbun-
18. Jahrhunderts als Beispiel für den Aberglau- den. Eine Erzählung nimmt eine Sonderstellung
ben immer wieder auftaucht, handelt von einem ein, da sie zeigen soll, ))daß es doch einmal dem
Dienstmädchen in Paris, das sich weigert, in den ehrlichen Friedrich geglückt ist, einen ansehnli-
Keller zu gehen, da sich dort ein Gespenst aufhal- chen Schatz zu erheben« (S. 185). Allerdings wird
te. Schließlich wird der wahre Sachverhalt aufge- auch er zunächst betrogen. Friedrich findet eines
klärt. Es handelt sich um eine Leiche aus dem Ar- Tages ein Buch, indem der Lebenslauf seines
menhospital, die einem Totengräber unglückli- Großvaters aufgezeichnet ist. Hier heißt es u. a.,
cherweise vom Karren direkt in den Keller g·efal- der Urgroßvater habe während des Krieges sein
len war, wo sie zwischen zwei Fässer zu stehen Geld vergraben, das sein Sohnjedoch niemals ha-
kam. Der Totengräber hatte den Verlust nicht ge- be auffinden können. So sei er nach der Regel ver-
meldet, um keine Unruhe unter der Bevölkerung fahren: »Ich will dafor jleisig meinen Berufsge-
zu verursachen, da er annahm, daß sich derjenige, schäften abwarten, da wird mich Gott seegnen,
der die Leiche fände, bei ihm melden werde (Nr. und ich werde durch diesen Seegen auch bei We-
8, S. 24f.). In der neunzehnten Erzählung wird nigem reich seyn.« (S. 188) Auch Friedrich be-
von sogenannten »Nekrologen« berichtet, die schließt, nach dieser Maxime sein Leben zu füh-
vorgeben, Verstorbene erscheinen zu lassen. Der ren, doch wird er von einem Nachbarn überredet,
Betrug wird so perfekt ausgeführt, daß er erst am einen Schatzgräber zu bestellen, der ihn schließ-
Schluß aufgedeckt werden kann. Zur Erhöhung lich um 200 Taler betrügt und rechtzeitig ver-
der Spannung läßt Textor häufig die Aufklärung schwindet. Durch Zufall findet Friedrich jedoch
am Ende der Erzählung erfolgen, jedoch nicht, später das versteckte Geld in einem Wand-
ohne seine Leser zum Nachdenken zu ermahnen, schränkchen: )) Er war ehrlich genug, diesen Fund
um möglicherweise selbst die Lösung zu finden. der Obrigkeit anzuzeigen, die nach Erwägung der
Die moralischen Belehrungen häufen sich Umstände, und daß das Geld von seinem Urgros-
im zweiten Teil des Werkes. So ist die siebente vater, um es vor dem Feind zu sichern, dahin ge-
Schatzgräbergeschichte durchsetzt von Kommen- legt worden sey, die ganze Summe seiner Will-
taren des Verfassers. Berichtet wird von dem Bau- kühr überließ.« (S. 19 5) Die moralisierende Kom-
ern Nimmersatt, der niemals mit seinem Reich- ponente dieser Erzählung liegt auch darin, daß
tum zufrieden ist. Bereits nach dieser Einleitung Friedrich für seine Ehrlichkeit den gerechten
unterbricht Textor den Fortgang der Erzählung Lohn erhält, während der Betrüger )mach Ver-
und erläutert den Lesern, daß dieses Beispiel zei- dienst betraft« wird (S. 194).
gen soll, »wie schwer die Rükkehr zur Tugend In einigen Erzählungen wird auf die Mitwir-
sey, wenn man einmal dem Laster zinsbar gewor- kung des Klerus an derlei Betrügereien eingegan-
den ist« (S. 146). Eindringlich warnt er vor der er- gen. Hierzu führt Textor aus: ))Zu bedauren ists-
sten Sünde: »Wenn ihr leichtsinnig in den ersten und muß den Menschenfreund im Innersten der
Frevel gewilligt habt, so wird euch der zweite und Seele schmerzen, wenn er wahrnimmt, daß Leute,
dritte leicht, und die folgenden schon zur Ge- deren stetes Geschäft seyn sollte, Aberglauben
wohnheit werden.« (ebd.) Wie der Bauer Nim- und Vorortheile unter ihren Brüdern auszurotten,
mersatt sich immer wieder gelobte, »nur noch ei- vielmehr denselben nach allen Kräften beför-
ne Zeitlang dem Ungeheuer Geiz zu fröhnen, und dern, sich dessen bedienen, den kurzsichtigen
dann ein beßrer Mensch zu werden: so nahmen Laien Sand in die Augen zu werfen, um desto un-
sichs schon Viele vor, wieder den verlohrnen bemerkter ihrer Habsucht ein schändliches Opfer
Schatz, die himmlische Tugend zu suchen; aber es zu bringen.« (S. 98 f.)
war zu späte! die verjährte Gewohnheit und Ue- Bemerkenswert ist auch die Erzählung von
bung zu sündigen hatte ihnen die Rückkehr abge- dem lustigen und geselligen Veit, der sich im
schnitten.« (S. 147) Sodann fährt Textor mit der Wirtshaus den Spaß erlaubt, Kieselsteine in Mäu-
Erzählung fort. Eine »Bande lüdedieher Gau- se zu verwandeln. Der Kunstgriff, den er hierbei
ner« (S. 148) macht sich des Bauern Geldgier zu- anwendet - ein Sack mit zwei Öffnungen - wird
nutze, indem ihm vorgegaukelt wird, daß auf sei- von den Umstehenden nicht erkannt und trotz al-
391 Unterhaltende Schriften 392

!er Beteuerungen wird Veit angeklagt, mit dem (Bd. I, 1. ungez. S.). Doch sollte es dem Kind
Teufel im Bunde zu stehen. Er muß fliehen und nicht nur Vergnügen bereiten, sondern durch
wird von nun an für alle Unglücksfalle, die wäh- spielerisches Lernen gleichzeitig Nutzen stiften.
rend seines Aufenthaltes in einem Ort eintreten, So könne es »die Kupfer herausnehmen, die
verantwortlich gemacht. Schließlich wird er ver- schwarzen illuminiren, auf Pappendeckel aufzie-
haftet und gefoltert, wodurch ihm ein falsches hen, den Text hinten auf den Rücken der Kupfer
Geständnis entlockt wird, das ihn auf den Schei- kleistern, und zu seinem Vergnügen in seiner Kin-
terhaufen bringt. Auch seine Kinder werden er- derstube aufhängen« (Bd. 1, 5. ungez. S.).
mordet, da man glaubt, Veit habe auch sie dem Bertuch nennt acht wesentliche Eigenschaf-
Teufel verschrieben. Obwohl Textor die grausa- ten, die ein »gutes Bilderbuch für Kinder« besit-
men Handlungen, die an Veit und seinen Kindem zen sollte (Bd. 1, 1. ungez. S.). Da das Werk vom
ausgeübt werden, sehr drastisch beschreibt, warnt Bild aus konzipiert ist und der Text lediglich zur
er seine Leser jedoch vor Haßgefühlen und ruft Unterstützung der bildhaften Eindrücke dienen
sie zum Mitleid auf:» Blindheit, und grauer Aber- soll, legt Bertuch besonderen Wert darauf, daß es
glaube - mißverstandener Religionseifer, nicht »schön und richtig gezeichnete und keine
Bosheit, verleitete sie zum Brudermord. - Bemit- schlecht gestochne Kupfer« enthalte, »weil
leiden wollen wir sie, und Gott herzlich danken, nichts wichtiger ist, als das Auge des Kindes,
daß er uns weiser, verständiger und menschlicher gleich vom Anfange an, nur an wahre Darstellung
gemacht hat.« (S. 226) der Gegenstände, richtige Verhältnisse, Eindrük-
Die Grundtendenz des Werkes- insbeson- ke und Begriffe, die es der Seele geben kann, und
dere in seinem dritten Teil- besteht in der Ab- an schöne Formen und guten Geschmack zu ge-
sicht, einen Beitrag zur Volksaufklärung zu leisten wöhnen. Man kann nicht glauben, wie begierig
und den Leser zur Ausübung der Menschenliebe die Einbildungskraft eines Kindes die ersten bil-
und Toleranz zu ermuntern. Erleichtert werde es dischen Eindrücke fasst, wie fest sie dieselben
ihm dadurch, daß er in einem Zeitalter lebe, in hält, und wie schwer es hernach ist, falsche Bilder
dem »die Fackel der Wahrheit« leuchte, einem und Begriffe, die sie dadurch empfieng, in der
Zeitalter, das den Menschen durch »ein wohlthä- Folge wieder wegzuschaffen.« (Bd. 1, 2. ungez.
tiges Licht der Aufklärung verständiger, mensch- S.) Aus diesem Grunde dürfe nicht nur ein Künst-
licherund milder gemacht« habe. (S. 199) H. ler mit der Herstellung eines Bilderbuches für
Kinder betraut werden, da er meistens nur auf ein
Gebiet spezialisiert sei, »sondern es muß vom Re-
dacteur mit Sachkenntniss, Auswahl und gutem
1790-1830 Geschmacke, aus einer grossen Menge Werke,
deren man jedes für das vollkommenste in diesem
Friedrich Justin Bertuch (1747-1822):
oder jenem Fache hält, zusammengetragen und
Bilderbuch for Kinder. 12 Bde. sorgfältig kopirt werden« (ebd.). Sodann dürfe
Weimar 1790-1830. ein Bilderbuch »nicht zu viele und zu sehr ver-
schiedene Gegenstände auf Einer Tafel zusam-
Bertuch wendet sich mit seinem Bilderbuch vor- mendrängen« (ebd.), da ansonsten die Aufmerk-
nehmlich an kleinere Kinder, die er »amüsiren« samkeit der Kinder beeinträchtigt werde. In die-
möchte (Vorrede, Bd. 1, 1792, 5. ungez. S.). sem Zusammenhang nimmt Bertuch direkten Be-
Gleichzeitig sollen in Verbindung mit dem Text zug auf die Bildersammlungen Basedows und
Sachkenntnisse erweitert und vertieft werden, wo- Stoys, da sie bei Auswahl und Anordnung der
bei Eltern und Lehrer als Vermittler darüber hin- Kupfer dieses Prinzip nicht berücksichtigt hätten.
ausgehender Informationen eingeschaltet wer- Die dritte Eigenschaft, die Bertuch anführt, be-
den können. Als Leitfaden für letztere ist der zieht sich auf Größe und Proportion der Gegen-
1798-1833 von dem Dessauer Pädagogen Karl stände untereinander. Er verlangt, daß »die Ge-
Philipp Funke veröffentlichte Ausführliche Text genstände nicht zu klein« dargestellt werden sol-
zu Hertuchs Bilderbuch fiir Kinder bestimmt, der len, ferner: »die auf einer Tafel zusammengestell-
als Ein Commentar fiir Eltern und Lehrer ge- ten müssen, wo möglich, in Rücksicht ihrer natür-
dacht ist, welche sich jenes Werks bei dem Unter- lichen Grösse, richtige Verhältnisse gegen einan-
richt ihrer Kinder und Schüler bedienen wollen - der haben« (ebd.). So enthalte der Neue Orbis
so der vollständige Titel des 24bändigen Werkes. pictus beispielsweise Abbildungen, in denen »ei-
In seinem programmatischen Vorwort ne Weintraube so gross als ein Stuhl, ein Beil so
»Plan, Ankündigung und Vorbericht des Werks« gross als ein Thurm, [ ... ] ein Eichhornsogross als
betont Bertuch insbesondere den hohen Wert ein Rennthier« dargestellt werde: »Wie soll nun
sinnlicher Eindrücke für Kinder. So sei das Bil- das Kind Ideen von richtigen Verhältnissen der
derbuch »für eine Kinderstube ein ebenso we- Dinge bekommen?« (Bd. 1, 2. u. 3. ungez. S.) So-
sentliches und noch unentbehrlicheres Meuble dann umreißt Bertuch die charakteristischen
als die Wiege, die Puppe oder das Steckenpferd« Merkmale des beigefügten Textes und macht so
393 Bertuch, Bilderbuch, 1790--1830 394

dessen Stellenwert im Rahmen eines elementari- wurde zunächst in Heften ausgeliefert, die einzeln er-
schen Bilder- und Anschauungsbuches deutlich: worben werden konnten. Jedes Heft enthielt in bunter
»Es muß sehr wenig und nicht gelehrten Text ha- Folge fünf Bildtafeln mit den zugehörigen Beschreibun-
ben; denn das Kind liest und studiert ja sein Bil- gen in deutscher Sprache, denen -jedoch nicht konti-
derbuch nicht, sondern will sich nur damit amüsi- nuierlich - Übersetzungen ins Französische, Englische
und auch Italienische folgten. 20 Hefte ergaben einen
ren. Der richtige Nahme und eine kurze, den Ver-
Band mit Titel und Register, womit, wie Bertuch selbst
standes-Kräften des Kindes angemessene, Erklä- empfahl, »ein Werk für eine Bibliothek« entstehen
rung des auf dem Kupfer vorgestellten Gegen- konnte. Die vorliegende Weimarer Ausgabe enthält den
standes; dieß ist Text genug. Das Uebrige muß Text in deutscher und in französischer Sprache, auch
der Lehrer hinzuthun, wenn er ein oder das ande- die Titelblätter sind zweisprachig. Unmittelbares Vor-
re Kupfer des Bilderbuchs zur Grundlage einer bild war ein französisches Werk. Bertuch führt in sei-
Unterhaltung oder Lection mit dem Kinde nem Vorbericht dazu aus: »Ein zu Paris i.J. 1789 er-
macht« (ebd.). Der fünfte Punkt befaßt sich mit schienener ähnlicher Versuch, der unter dem Titel: Por-
den Themen, die ein Bilderbuch behandeln sollte. tefeuille des Enfans, unter des Hm. Cochins Direction,
Hertuch vertritt die Auffassung, es müsse »wo heftweise erschien, der aber nichts weniger als fehler-
frey ist, hat mich auf den Gedanken geleitet, diese Ein-
möglich fremde und seltene, jedoch instructive richtung für unsere junge Welt nachzuahmen, und so
Gegenstände enthalten, die das Kind nicht ohne- viel möglich seine Fehler in meinem Bilderbuche for
dieß schon täglich sieht« (ebd.). Auch dieser Kinder zu vermeiden« (ebd.). Die Bände 1-5 weisen
Aspekt bietet ihm Anlaß zur Kritik an den »bishe- Friedrich Justin Bertuch als Verfasser aus, die Bände
rigen Orbis-pictus-Macher(n]«, denen er ankrei- 6-8 seinen Sohn Carl Bertuch, und die. Bände 9-11 tra-
det, den Kindern zu viel Bekanntes und Alltägli- gen den Titel Hertuch 's Bilderbuch for Kinder. Bei den
ches dargeboten zu haben, womit das Kind weder letzteren ist auf dem deutschsprachigen Titelblatt kein
beschäftigt noch unterhalten werde, »weil es die Verfasser angegeben, das französische trägt den Zusatz
Manier und Kunst der Darstellung bey weiten » Redige par Mr. Bertuch «. Beim zwölften Band entfällt
noch nicht, wie der Mann, fühlen und einsehen außer der Verfasserangabe der Zusatz »für Kinder«.
kann, und blos auf den fremden und neuen oder Der erste Band enthält nur das deutschsprachige Titel-
blatt; die Bände zwei und drei sind der Prinzessin Caro-
schon bekannten Gegenstand sieht, der ihm Freu- line Louise, bzw. dem Prinzen Carl Bemhard zu Sach-
de und Zeitvertreib, oder Langeweile macht« sen-Weimar und Eisenach zugeeignet. Die Bände 1-11
(ebd.). Die letzten drei Punkte betreffen Kosten, enthalten jeweils I 00, der 12. Band 86 kolorierte Kup-
Erscheinungsform und Anordnung der Gegen- fertafeln. Zur Anordnung von Bild und Text führt Ber-
stände eines Bilderbuches. Der Preis des Werkes tuch aus, daß die Heftung der Bände in der Art vorge-
müsse so beschaffen sein, »daß auch mittelmässig nommen worden sei, daß die Kupfertafeln stets links
bemittelte Eltern dasselbe nach und nach an- und der erklärende Text auf der gegenüberliegenden
schaffen, und dem Kinde ganz zum Gebrauche rechten Seite zu finden seien, »weil Kinder immer die
übergeben können« (ebd.) Sodann sollte es »dem Gewohnheit haben, mit der rechten Hand thätiger zu
Kinde nicht auf einmal ganz, und etwa in einem seyn, als mit der linken, auf alles, was sie ansehen oder
dem Andem zeigen, mit dem Finger zu weisen, und son-
grossen dicken Bande, sondern einzeln und nur derlich beym Lesen den Zeilen mit dem Finger zu fol-
Heftweise von den Eltern oder dem Lehrer über- gen« (Bd. I, 5. ungez. S.). Durch diese Anordnung wür-
geben werden« (Bd. 1, 4. ungez. S.). Auf diese den einerseits die Kupfer geschont, andererseits blieben
Weise werde die Freude des Kindes am Bilder- sie auch beim Lesen für den Betrachter stets einsehbar.
buch erhöht, gleichzeitig könnten die einzelnen Die Bände 1-3, Band 7 ab. No. 21 und die Bände 8-12
Hefte als »belohnende Geschenke für sein Wohl- enthalten darüber hinaus auf der Rückseite des deutsch-
verhalten« gebraucht werden (ebd.). Schließlich sprachigen Textblattes eine französische Übersetzung.
sollte das Bilderbuch so konzipiert sein, daß »bey In den Bänden 4-6 und 7 von Nr. 1-20 sind auf einem
aller anscheinenden Regellosigkeit der Anord- weiteren vor- und rückseitig bedruckten Textblatt zu-
nung, dennoch eine gewisse versteckte Ordnung sätzlich noch Übersetzungen in Englisch und Italie-
nisch angefügt. Die Bände 1-11 werden mit einem Regi-
in der Folge der Gegenstände darinn herrschen, ster in deutscher und in französischer Sprache abge-
welche der Lehrer alsdann, wenn das Kind reifer schlossen, in dem die vorgestellten Gegenstände nach
wird, benutzen, und es dadurch auf ein systemati- den Materialien geordnet sind mit Hinweis auf die
sches Arrangement seines Bilderbuchs führen Nummer der Tafel und die Seite des Textes. Das Regi-
kann« (ebd.). ster fehlt in Band 12. Die Aufeinanderfolge der ver-
schiedenen Abbildungen macht deutlich, daß Bertuch
Das Bilderbuchfor Kindererschien bis 1830 in 12 keinem sichtbaren Ordnungsprinzip gefolgt zu sein
Bänden mit insgesamt 1186 Kupfertafeln, auf denen scheint. In seinem Vorbericht rechtfertigt er diese offen-
sich ca. 6000 Abbildungen finden. Die Illustrationen sichtliche Systemlosigkeit mit der Bemerkung, daß er
stammen - laut Vorbericht - von »Einige[n] junge[n] sich lediglich an der Natur orientiert habe, die selbst al-
Kupferstecher[n] und Künstler[n] welche, als geschickte les »mit möglichster Abwechselung und Mannigfaltig-
Zöglinge, des hiesigen Fürst/. freyen Zeichen-Instituts, keit( ... ] dem Auge darbietet« (ebd.), verbunden mit
sich unter der Special-Direction und Führung des Herrn dem Hinweis, das Kind könne »unmöglich eine syste-
Rath Krausund Hm. Kupferstecher Lipsin ihrer Kunst matische Folge von vielen Platten mit einerley oder sich
üben und vervollkommnen« (ebd.). Das Werk doch sehr ähnlichen Gegenständen [ ... ] aushalten, oh-
395 Unterhaltende Schriften 396

Bertuch, Friedrich Johann Justin: Bilderbuchfür Kinder, Bd. 1.- Weimar und Gotha 1790 (Nr. 84).
Bildausschnitt aus Taf 76: Menschen aus Europa (kolorierter Kupferstich)

Bertuch, Friedrich Johann Justin: Bilderbuch für Bertuch, Friedrich Johann Justin: Bilderbuch für
Kinder. Bd. 1. Weimar 1790 (Nr. 84). Tafel 78: Kinder. Bd. 1. - Weimar 1790 (Nr. 84). Taf 46
Menschen aus Afrika. No. 3 Gonaken (gestochen von C. Müller): Pflanzen aus heißen
Ländern. No. 1. Die Baumwollen-Pflanze; No. 2.
Die Thee-Staude
397 Bertuch, Bilderbuch, 1790-1830 398

ne zu ermüden und das Vergnügen daran zu verlieren« ropäern zu sehr verschieden ist, um letzteren nicht
(ebd.). Durch die systematischen Register erhält das höchst interessant zu seyn.« (No. 91)
Werk dennoch den Charakter eines Handbuches, das Mißt man das Werk an den von Hertuch ein-
die Möglichkeit bietet, jeden Gegenstand aufzufinden
gangs aufgestellten Grundsätzen, so läßt sich fest-
und »dieß bilderreiche Chaos doch für den Lehrer [ ... ]
und den, der in der Folge etwas darin nachschlagen stellen, daß es den Forderungen nach Anschau-
wollte, nur auf irgend eine Art in Ordnung und Folge zu lichkeit, Angemessenheit des Textes und sachge-
halten« (a.a. 0., 6. ungez. S.). Das Register gliedert die rechten Illustrationen entspricht. Die Abbildun-
durchnumerierten Abbildungen unter folgende 14 Sam- gen werden sowohl ästhetischen als auch sachlich
melbegriffe: I. Säugethiere, II. Vögel, III. Fische, IV. begründeten Ansprüchen gerecht. An keiner Stel-
Amphibien, V. Insekten, VI. Würmer, VII. Pflanzen, le wirken die Darstellungen unübersichtlich und
VII. Früchte, IX. Rosen, X. Trachten, XI. Alterthümer, verwirrend, wie es beispielsweise häufig in der Bil-
XII. Corallen, XIII. Conchilien, XIV. Vermischte Ge- der-Akademie von J. S. Stoy der Fall ist. Hertuchs
genstände. Jede Bildtafel enthält den Sammelbegriff
Konzeption der bildliehen Anschauung im Rah-
mit entsprechender Nummer. Auf den Textseiten befin-
den sich oben links der Sammelbegriff mit entsprechen- men der Orbis-pictus Tradition bedeutet insofern
der Nummer und rechts die Bezeichnung des Bildban- eine Neuerung, als der unmittelbare Umgang des
des und eine fortlaufende Zählung der Abbildungen. Kindes mit den Bildern unabhängig vom Erwach-
Der Text ist kurz, in einer leicht verständlichen Sprache senen befürwortet wird: Das »Kind muß damit
abgefaßt und in Antiqua gedruckt, womit Bertuch einen völlig umgehen können wie mit einem Spielzeu-
Beitrag zur Abschaffung der »altfränckischen widrigen ge; es muß darinn zu allen Stunden bildern, es
Teutschen Mönchsschrift« leisten wollte (ebd.). muß es illuminiren; ja sogar, mit Erlaubnis des
Das Bilderbuch bietet dem Betrachter eine Fülle Lehrers, die Bilder ausschneiden und aufPappen-
von Darstellungen in wechselnder Folge, wobei bei den deckelkleben dürfen« (Bd.l,4. ungez. S.). Konn-
Abbildungen die sachgerechte Wiedergabe im Vorder- te insbesondere bei Basedow und Stoy der Sinn-
grund steht und auf schmückendes Beiwerk weitgehend gehalt der Abbildungen erst durch den Text er-
verzichtet wird. Auf einer Tafel befinden sich in über-
schlossen werden, so stehen bei Hertuch die Be-
sichtlicher Anordnung Einzeldarstellungen oder Abbil-
dungen von mehreren Gegenständen verwandter Art, trachtung und eingehende Beschäftigung mit
die innerhalb der Tafel ihrer Größenrelation entspre- dem Bild im Vordergrund. Auch die Texte, die
chen. AufVergrößerungen oder Abänderungen, die der primär die richtige Benennung der bildhaften
besseren Einsicht wegen gemacht werden, weist Ber- Eindrücke ermöglichen sollen, bedürfen keiner
tuch ausdrücklich hin. Herrschen in den ersten Bänden umfassenden Vorkenntnisse. Dies weist Koch
die naturkundlichen und naturgeschichtlichen Themen (1975, S. 13) im Vergleich mit der Tafel LIV aus
noch vor, so wird in den späteren Folgen der Schwer- Basedows Elementarwerk nach und kommt zu
punkt auf die Behandlung der »Vermischte[n] Gegen- dem Schluß, »daß bei Basedow dem Bild für das
stände« gelegt. Von den 100 Tafeln des ersten Bandes
Kind ein nur durch den Erwachsenen zu er-
sind beispielsweise 22 den vierfüßigen Tieren, 14 den
Vögeln, 10 den Fischen, 5 den Insekten, 21 den Pflan- schliessender Symbolgehalt zufällt und die Tafel
zen, 5 den Trachten, 3 den Würmern, 1 den Conchilien, in der Alleinbetrachtung durch das Kind die Auf-
I den Korallen, 5 den Amphibien, 2 den Mineralien, I merksamkeit nicht sammelt, sondern zerstreut.
der Baukunst, 3 den Altertümern und den 7 den ver- Dagegen vermittelt die Bildtafel >Künste und
mischten Gegenständen zugeordnet, wohingegen sich Handwerk in China< aus Band 8 von Hertuchs Bil-
im letzten Band die 86 Tafeln folgendermaßen vertei- derbuch, gestochen von Th. Goetz im Jahre 1816,
len: 8 vierfüßige Tiere, I 0 Vögel, 7 Fische, 5 Würmer, I mit seinen ebenfalls sieben Einzeldarstellungen
Eidechse, 3 Amphibien und 52 vermischte Gegenstän- und dem beigegebenen kurzgefaßten Text eine
de.
gesammelte Anschauung zum genannten Thema,
Die bunte Mischung der verschiedenen Themen- ohne daß es des abstrahierenden und analysieren-
komplexe, die in Hinblick auf den Unterhaltungswert den Vordenkens durch einen Erwachsenen be-
des Werkes für die Kinder angestrebt wurde, wird den- darf.«
noch nicht immer konsequent durchgehalten. So zeigen
die fortlaufenden Nummern 76-80 des ersten Bandes Bertuch entpricht mit der Themenauswahl
Bewohner der fünf Erdteile, in Band 5 finden sich unter seines Bilderbuches weitgehend den neuen Zeit-
No. 31-37 »Gottheiten der Griechen und Römer« und erfordernissen, d. h. daß vornehmlich die Vermitt-
in Band 7. No. 71 findet sich unter der Überschrift» Tür- lung von Realkenntnissen angestrebt wird, so wie
kische National-Trachten« folgende Ankündigung: er es in seinem Vorbericht zu Funkes Kommentar-
»Wir liefern in gegenwärtigem und folgendem Hefte ei- werk formuliert: dem Bilderbuch liege neben dem
ne Reihe interessanter Darstellungen aus der Türkei, Wunsch, der »Pädagogik ein noch mangelndes
um daraus die Sitten, Gebräuche und Lebensart der Be- nöthiges Hülfsmittel zu liefern«, vor allem der
wohner kennen zu lernen.« In Band 8 werden unterden »Hauptzweck« zugrunde, »der Jugend Liebe für
Nummern 89-100 Themen behandelt, die mit China in
die Naturgeschichte, diese so unentbehrliche und
irgendeiner Form in Verbindung stehen. Hierzu findet
sich der Hinweis: »Dieses und das folgende Heft liefert unsere Mühe so reich belohnende Wissenschaft
Darstellungen, aus welchem man die Lebensweise, Sit- spielend einzuflößen« (Bd. l, S. III). So herr-
ten, Gebräuche, Kunst und Gewerbe der Chinesen sich schen denn auch Darstellungen aus dem Natur-
versinnlichen kann; einer Nation, welche von den Eu- reich vor, in denen Lebensweise, Bedeutung und
399 Unterhaltende Schriften 400

Nutzen von Pflanze und Tier für den Menschen dem ein Naturalienhändler einem Gelehrten ein
deutlich gemacht werden. Daneben finden sich besonderes Exemplar eines ausgestopften Para-
mikroskopische Abbildungen, völkerkundliche diesvogels übersandte, bei dem sich jedoch beige-
Themen und in zunehmendem Maße Darstellun- nauer Betrachtung herausstellte, daß er sein
gen aus dem Bereich der Technik, wobei das prächtiges Aussehen künstlich eingesetzten Fe-
Werk stets um Aktualität bemüht ist. So werden dem verdankte. (AusfUhr!. Text, Bd. 2, S. 202)
dieneueren Entdeckungen, Naturerscheinungen Durch die Kommentare Funkes zum Bilderbuch
und Erfindungen berücksichtigt und häufig in for Kindererhielt das Werk eine neue Dimension.
späteren Heften - sofern neuere Erkenntnisse Es wurde- so Koch (S. 16)- »neben dem Unter-
vorliegen - diese ergänzend mitgeteilt. In Band 4 haltungs-, Beschäftigungs- und Amüsiermittel in
(1802, No. 81) wird der Erdpapagei vorgestellt, der Kinderstube [ ... ] zum Lehr-, Anschauungs-
von dem es heißt, daß er zu den »neuen Entdek- und Veranschaulichungsmittel beim Unterricht
kungen die die Engländer aus Neuholland mit- durch Eltern und Lehrer<<. Funkes Werk enthält
brachten« gehört. So dann wird in Band 7 (1810, Texte zu den Darstellungen im Bilderbuch von
No. 65) vom großen Kometen, der im Jahr 1811 unterschiedlicher Länge, im ganzen sind sie je-
gesichtetworden ist, und in Band 8 (1813, No. 69) doch sehr ausführlich. Häufig werden Begeben-
zu den Ansichten von Elba und St. Helena von heiten eingeflochten, neuere Erkenntnisse mitbe-
Napoleons Niederlage von 1814 und 1815 rücksichtigt und- wenn als notwendig erachtet -
»durch die Armeen der vereinigten Europäischen früher gemachte Aussagen aus dem Bilderbuch
Mächte« und seine Verbannung nach Elba und oder im ausführlichen Text dem neueren Er-
St. Helena berichtet. Die Abbildung eines neuen kenntnisstand angepaßt. Damit man sich des Bil-
Dampfbootes findet sich in Band 9 (1816, No. derbuches und des ausführlichen Textes, in denen
I 0). Im Text wird die Dampfmaschine als »eine die Gegenstände und Beschreibungen beliebig
der wichtigsten Erfindungen, deren Folgen sich hintereinander folgen, auch als Nachschlagewerk
noch gar nicht berechnen lassen« bezeichnet. Im bedienen konnte, wurde 1810 ein Vollständiges
gleichen Band (No. 59) sind als »merkwürdige teutsches und lateinisches Nominal-Register über
Menschenvarietäten« die »Hottentottische Ve- Hertuchs Bilderbuch for Kinder als Anhang zum
nus« und ein »Ostindischer Negerknabe« wegen I 0. Band des Kommentarwerkes herausgegeben.
ihres außergewöhnlichen Wuchses abgebildet In alphabetischer Anordnung enthält es zunächst
und beschrieben. Es wird gemeldet, daß die Frau den Gegenstand, sodann Verweise auf den Band
1816 in Paris verstorben und der Junge 1817 in des Bilderbuches, auf die entsprechende Tafel
London zu sehen gewesen sei. Hier gilt es anzu- bzw. den Text im Bildband, auf die Nummer der
merken, daß die zeitliche Folge der einzelnen Figur auf der Tafel, auf den Band und auf die Sei-
Heftlieferungen nicht ersichtlich ist. Die Jahres- tenzahl des ausführlichen Textes. Erst unter Zu-
zahlen auf denjeweiligen Titelblättern der Bände hilfenahme dieses Registers ist ein gezieltes Nach-
können nur als Anhaltspunkte, nicht aber als zeit- schlagen nach einem bestimmten Gegenstand im
liche Begrenzung angesehen werden. So muß Gesamtwerk, soweit es bis dahin erschienen war,
nach einem Vermerk zur letzten Abbildung des möglich.
12. Bandes (1830) die späteste Lieferung nach Das Bilderbuch für Kinder hat mehrere Auflagen
dem 6. März 1843 erfolgt sein. und Nachdrucke erfahren. Bereits 1790 erschien in Wei-
Hertuchs Absicht, »fremde und seltene« Ge- mar der erste Band, der 1792 neu gedruckt wurde (ohne
genstände zu behandeln, tritt im Bilderbuch deut- Auflagenbezeichnung). Dieser Band enthält zu No.
lich hervor. So wird häufig über ferne Länder und 1-45 zunächst nur den deutschen Text, ab No. 46 eine
Städte berichtet (Bd. 11, No. 99), es finden sich französische Übersetzung. Der erste Band ist hier zu je-
Abbildungen zu seltenen Tieren und Pflanzen, weils 50 Tafeln getrennt gebunden. Strohach (1969,
aber auch kritische Beiträge, wie die Darstellung S. 255-257) ist der Ansicht, daß es in Weimar wenig-
zu »Menschenraub und Sclavenhandel« (Bd. 5, stens 2 Ausgaben ( 1790 und 1792) gegeben habe, die ab
1802 zusammenlaufen. In Wien sind nach Strohach bei
No. 43), in der die gewaltsame Gefangennahme, Piehier 180 I und 1805 und bei Bauer 1808 und 1813
Verschleppung und Behandlung der Negerskla- neue Ausgaben erschienen. Strohach erwähnt sodann
ven beschrieben und verurteilt wird. Diese Ein- eine Nachdruckausgabe bei Peter Bohmann in Rum-
grenzung der Themen, die Alltägliches und als be- bach 1805, in der die Stiche zwar der Wiener Ausgabe
kannt Vorausgesetztes nicht berücksichtigt, warf entsprechen, aber seitenverkehrt sind, und eine weitere
das Problem der Materialbeschaffung auf. Die Ausgabe durch Bohmanns Erben, die 1822 erschienen
Redakteure des Bilderbuches stützen sich hierbei ist. Pilz ( 1967, S. 346-349) gibt nach Kayser als Erschei-
weitgehend auf Reisebeschreibungen, wobei die nungszeitraum der Weimarer Ausgabe 1790-1843 an,
Auswertung der Nachrichtenjedoch große Sach- was sich aus einer Anmerkung im 12. Band 1830 erklärt.
Hier heißt es zu No. 85 » Taucherarbeit unter dem Mee-
kenntnis vorausetzte, wenn der Verfasser die re« : »Die neuesten Zeitungsnachrichten aus Danzig
Glaubwürdigkeit und Echtheit des Materials be- vom 6. März 1843, melden, dass man auch an dortiger
urteilen sollte. Hierzu berichtet beispielsweise Küste (zu Heia) von diesem Taucheranzuge mit bestem
Funke in seinem Kommentar von einem Fall, in Erfolge Gebrauch gemacht hat.« Danach hat Kayser
401 Für Jünglinge jeden Standes, 1790 402

die letzte Heftlieferung als Auflagenende notiert. Zur te und einfache Bürger gehen und die Belehrun-
Verbreitung des Bilderbuches vermerkt Kunze (1965, gen sich umgekehrt an dieses Publikum richten,
S. 162 ff.), daß die Auflage von Bertuch mit 3000 Exem- ist keine Beschränkung des Leserkreises erkenn-
plaren kulkuliert worden sei, von denen 1490 verkauft
bar.
worden seien. Die zeitgenössische Rezeption des Wer-
kes war weitgehend positiv. So würdigt Goethe, derbe-
Wie der Titel andeutet, soll das Buch als Pen-
reits den Orbis pictus des Comenius lobend hervorgeho- dant zu dem von Johann Timotheus Hermes 1787
ben hatte, die Leistungen der Weimarer Zeichenschule in drei Teilen veröffentlichten Für Töchter edler
insbesondere in Hinblick auf das Bertuchsche Bilder- Herku'!ftverstanden werden. In romanhafter und
buch. In der neueren Literatur ist das Echo ebenfalls nicht systematischerForm hatte Hermes die Mäd-
einhellig positiv. Köberle ( 1972, S. 173) bezeichnet das chen vor sexuellen Ausschweifungen, insbeson-
Bilderbuch als »ein großartiges Werk«, Dierks (1965, dere aber vor der Selbstbefriedigung warnen wol-
S. 13) als »eines der umfangreichsten Anschauungsbü- len, wobei er hauptsächlich die Folgen des von
cher« und Dyrenfurth ( 1967, S. 15) gar als >>das großar-
ihm als >>Mfengräuel« bezeichneten »Lasters« in
tigste Anschauungsbuch der Zeit« überhaupt. Kunze
(S. 162ff.) billigt dem Bilderbuch eine Sonderstellung
körperlicher und seelischer Hinsicht skizzierte.
im Rahmen dieser Gattung zu, und Göbels ( 1962, S. 6) Diesem Werk ist die Schrift Für Jünglinge jeden
schließlich sieht in ihm den Beginn des eigentlichen Bil- Standes in Anlage und Methode verpflichtet.
derbuches in der Kinder- und Jugendliteratur. H./B. Gleichwohl bestehen zwischen beiden Schriften
beträchtliche Unterschiede. Hatte sich Hermes
auf die Darstellung der Folgen der Selbstbefriedi-
gung konzentriert und jede konkrete Beschrei-
1790 bung oder auch nur Andeutung der Onanie selbst
vermieden, so folgt ihm der anonyme Autor des
Für Jünglingejeden Standes. Traurige Pendant für Jünglinge darin nicht und bietet im
Wahrheiten im Romangewande. Gegenteil sehr detaillierte Beschreibungen von
Altenburg 1790 »Gemälden der Selbstbeflekung« (S. 238).

Die Schrift wendet sich an Jugendliche männli- Der Schrift Für Jünglinge jeden Standes hat der
chen Geschlechts, wie aus dem Titel und einem Autor die literarische Form des Briefromans gegeben.
Insgesamt 38 numerierlen Briefen unterschiedlicher
dem Text vorangestellten »Zuruf an die Jünglin- und fiktiver Korrespondenzpartner (S. 1-308) folgen
ge, welche dieses Buch in die Hände nehmen« noch weitere, nicht numerierte Briefe, die innerhalb ei-
hervorgeht. Im Vorbericht äußert sich der Autor nes Reisetagebuches (s. 309-Schluß) mitgeteilt werden.
nicht weiter zu dem von ihm ins Auge gefaßten In diese höchstens zehn Seiten umfassenden Briefe hat
Leserkreis und macht auch keinerlei Angaben der Autor Erzählungen mit Abenteuercharakter, Auszü-
über die Altersstufen der Jugendlichen, denen ge aus Tagebüchern, Reisemitteilungen sowie zahlrei-
sein Werk gilt. Doch signalisieren die vom Autor che Passagen aus bekannten Schriften zur sexuellen Er-
an die Adresse besorgter Erzieher und Eltern ge- ziehung (Tissot, Salzmann, Börner, Vogel) und literari-
gebenen Ratschläge zur sexuellen Erziehung ih- schen sowie philosophischen Abhandlungen (Geliert
und J. G. Zimmermann) eingefügt. Mehrere Hand-
rer Zöglinge und Kinder, daß mindestens gleich- lungsstränge sind dabei miteinander verwoben, deren
berechtigt sich das Buch an Kinder, Jugendliche hautpsächlicher sich um die Figur des Ferdinand S.
und Erwachsene wendet. Ausführlich begründet dreht, dessen Geschichte, einsetzend mit dem Beginn
der Autor seine als dringend nötig erachtete Ano- der Gymnasialeinschulung, geschildert wird. Ferdi-
nymität. Da alle von ihm mitgeteilten Geschich- nand, »ein robuster Junge [ ... ], Sohn eines reichen
ten, Erzählungen und Briefe sich ausnahmslos zu- Goldschmieds aus Br.« (S. 8), wächst nach dem frühen
getragen hätten, habe er die Zulieferer, um sie Tod seiner Eltern unter der Obhut eines Vormunds auf,
nicht zu gefährden, nicht nennen können. Aus der wird von seinem Informator auf das Gymnasium von
Preisgabe seines eigenen Namens hätte das Lese- M--schen geschickt, wo Professoren mit »auf Dessauer
Philanthropistenmanier abgeschnittenen Haaren« her-
publikum allerdings Rückschlüsse sowohl auf umlaufen und sich einem Steckenpferd widmen, »näm-
den Ort des Erzählten sowie darin auftauchende lich [das] Gymnasium wenigstens in etwas dem Dessau-
Personen ziehen können, was er auf alle Fälle ha- er Philanthropine ähnlich zu machen« (S. 4). Infolge
be vermeiden wollen. Diese Devise hat der Autor des dort herrschenden Zwangs hat sich die Onanie als
denn auch befolgt - mit Ausnahme der Benenn- beliebte Methode des Zeitvertreibs ausgebreitet. Dieser
nung des Gymnasiums, das Klopstock in Qued- sich beständig ausbreitenden »Jugendseuche« (S. 12)
lingburg besucht hat. fällt auch Ferdinand zum Opfer. Unwissenheit vor den
Aus dem Vorbericht erhellt ebensowenig ei- Folgen dieses »ekle[n] Lasters der Selbstbeflekkung«
sowie die vorherrschende Meinung, die Masturbation
ne soziale Eingrenzung des intendierten Leser-
könne nach der Theorie der Körpersäfte des Hippakra-
kreises. Da die gelieferten, »ohne Schminke und tes medizinisch notwendig sein, lassen die Schüler das
Zusaz« (Vorbericht) erzählten Begebenheiten Laster nicht als Laster erkennen: »Sollte es wol Sünde,
quer durch alle sozialen Schichten und Berufs- sollte es wol schädlich seyn ?« (S. 13). Da das Lehrperso-
stände, vom regierenden Fürsten, über staatliche nal offensichtlich ebensowenig über die wahren Folgen
Bedienstete in hohen Stellungen, Handwerksleu- der Selbstbefriedigung aufgeklärt ist, masturbieren die
403 Unterhaltende Schriften 404

Schüler selbst im Unterricht (S. 14). Im dritten Brief (S. kenntnisbewegt Karlauf eindringliche Warnungen sei-
16-19, Ferdinand an seinen Informator Günther) teilt nes Freundes Ferdinand hin, von seiner bevorstehen-
Ferdinand, inzwischen an die Universitätzum Medizin- den Verheiratung Abstand zu nehmen, da auch er ein ju-
studium geschickt, seine Erkenntnisse über die Mastur- gendlicher Selbstschwächer war und sich für eine Ehe
bation nach der Lektüre Tissots mit: »Mir fiel kürzlich, nicht mehr fähig hält. Auf Druck der Eltern kommt die
von ungefähr, beiliegendes Buch von Tissot in die Hän- Ehe dennoch zustande, was sichjedoch als ein verhäng-
de- und Thränen des Jammers flossen über meine Wan- nisvoller Schritt herausstellt: Karls Gattin nämlich ent-
gen. 0, ich bitte Dich um Dein selbst willen, unterlaß dis puppt sich als »wollüstiges Weib« (S. 211) und ist von
Laster- unterlasse es, sonst bist Du ohne Rettung verlo- einer »rastlosen Lüsternheit« (ebd.) besessen. Ihr Ab-
ren« (S. 16). Trotz guter Vorsätze können sich Ferdi- stieg zu einer Dime und ihr Ende »auf einem Misthau-
nand und seine mit ihm korrespondierenden Freunde fen« (30. Brief) bleibt freilich nicht das einzige Un-
nicht von der Selbstbefriedigung lossagen. Rücken- glück: da Kar! einen Verführer seiner Gattin beim Ehe-
markauszehrung, Gedächtnisschwäche sowie ein allge- bruch ertappt und ihn auf der Stelle mit einer Pistole er-
meines Nachlassen der Körper- und Geisteskräfte sind schießt, endet auch Kar! im größten Elend. Er wird ver-
die Folge (4. Brief, S. 20-22); Friz, einer der Freunde, haftet und erhält eine lange Kerkerstrafe. Auch Louise,
stirbt in »einer Scene des Jammers« (S. 36). Auch Gün- die Gattin Ferdinands erliegt ihren jugendlichen Ver-
ther, der ehemalige Informator Ferdinands, stirbt von fehlungen; sie stirbt einenjammervollen Tod, nachdem
eigener Hand, nach dem Studium des Tissot: »Ich las, sie in ihrer körperlichen und geistigen Verwirrung zuvor
und sank ohne Sinnen dahin. Ich kam wieder zu mir, ihr als Krüppel geborenes Kind in einem Bach ertränkt
faßte plötzlich den schreklichen Entschluß, der mich hat.
nun ins Grab stürzen wird - ich schnitt den sündigen Weitere schreckliche Nachrichten von den Folgen
Theil ganz ab« (S. 26). Erst ein medizinischer Eingriff der Selbstbefriedigung und der Wollust präsentiert der
(Infibulation), der detailliert geschildert wird (S. 31), letzte Teil des Romans in einem Auszug aus dem Reise"
bringt Ferdinand von der Masturbation ab. Hospitalbe- tagebuch Ferdinands (S. 309-Schluß). Die Reise führt
suche gemeinsam mit Kommilitonen unter der Leitung den inzwischen zu einem glühenden Kämpfer gegen die
eines Medizin-Professors, in deren Verlaufverschiede- »Pest des Menschengeschlechts« (womit alle Formen
ne »Selbstschwächer« beiderlei Geschlechts vorgeführt der)) Wollust« gemeint sind) herangereiften Ferdinand
werden (Briefe 7, 8), bestärken Ferdinand, dem Laster quer durch Deutschland. Ferdinand inspiziert im Ver-
auch weiterhin zu entsagen und einen Feldzug gegen die lauf dieser Reise Gymnasien, Erziehungsinstitute, Hos-
Onanie zu beginnen. Die Hospitalbesuche beendet der pitäler und auch Klöster, woraus er jeweils die ernüch-
Medizinprofessor stets: »Sehen sie, so viel Jammer ist ternde Bilanz zieht, daß die Wollust in einem ganz un-
Folge der Wollust«! Die Schilderungen derartiger Besu- vorstellbaren Ausmaße in ganz Deutschland wütet. Die
che fallen jeweils gespenstisch aus: )) Verpestender Klöster sind zu Stätten der Unzucht geworden (S. 369),
Dunst stieg von dem Lager auf«, ein jugendlicher an den Schulen sind die Jugendlichen in ihrer Mehrheit
Selbstschwächer hatte »kaum mehr die Gestalt eines der Onanie verfallen; andernorts haben (S. 335 und
Menschen«, er lag »in seinem eigenen Kothe, denn alles 327) »Wollüstlinge«, ihrer Sinne und ihres Verstandes
floß ohne sein Wissen von ihm« (7. Brief) und aus- beraubt, ganze Dörfer in Brand gesteckt (32. Brief), in
nahmslos alle )}Angesteckten« sind von »Maden und nahezu jedem Dorf haben sich Bordelle etabliert, und
Würmer[n]« (S. 45) befallen. Geschlechtskrankheiten (S. 31 0) haben sich wie rasend
Dieser Handlungsstrang wird unterbrochen von über das ganze Land ausgebreitet. Beschwörend wird
der Mitteilung des Tagebuches der Karoline Friederike das Lesepublikum gegen Ende schließlich aufgerufen,
R. (S. 64-86). Die daraus mitgeteilten Briefe und Auszü- endlich der Wollust abzusagen und künftig nurnoch der
ge führen in das Milieu von Zuhältern und Bordellen, )} Tugend zu huldigen«.
woraus »scheusliche Scenen« abgeschildert werden. Von allen vergleichbaren Schriften zur sexu-
Mitteilungen aus dem Leben und von den Schicksalen ellen Aufklärung sowie der zahlreichen Literatur
von Louise, der Tochter eines verarmten Edelmannes, gegen die Masturbation erweist sich der vorlie-
die von ihrer Amme in »allerhand Künsten der Wol-
lust« (S. 87) unterrichtet worden ist und sich von da an
gende Text als die bei weitem umfangreichste und
nicht mehr von »Ausschweifungen« befreien kann, ver- auch kämpferischste Darstellung. Zwar ist ihr
stärken die Warnungen vor allen nurmöglichen Formen Hauptteil der Schilderung der schlimmen Folgen
und Folgen der» Wollust«. Im zehnten Brief(S. 125 ff.) der Selbstbefriedigung bei Jugendlichen gewid-
gibt Ferdinand gar Nachricht von der nahezu in jeder met; gleichwohl werden alle Bereiche, die im wei-
Kleinstadt anzutreffenden männlichen Prostitution so- testen Sinn mit sexuellen und sexualpädagogi-
wie von einigen Päderasten: »Oh, welche Ungeheuer schen Fragestellungen zu tun haben, mindestens
gibt es nicht unterden Menschen« (S. 131). berührt, wozu die literarische Form des Briefro-
Mit dem 15. Brief wird eine weitere Dimension mans ausreichend Gelegenheit gibt. Geschildert
von den Folgen sexueller Verfehlungen im Kindes- und werden so nicht nur die zumeist tödlichen Konse-
Jugendalter eröffnet: der Schwiegervater des inzwi- quenzen der Onanie bei Jugendlichen und Er-
schen verehelichten Ferdinands - ein namentlich nicht wachsenen; behandelt werden auch Fragen der
näher bezeichneter Pastor- gibt Nachriebt von der Ent-
männlichen und weiblichen Prostitution, der Pro-
bindung seiner Tochter Louise. DasNeugeborene ist in-
des als »schleichender Krüppel« zur Welt gekommen: miskuität bei Erwachsenen, der Päderastie sowie
nicht nur Ferdinand, sondern ebenfalls seine Gattin hat der jeweiligen Ursachen dieser »Laster« und de-
in ihrer Jugend dem Laster der Onanie »gefrönt«, wes- ren mögliche Bekämpfung.
wegen beide zur Zeugung eines gesunden Kindes sich Ausgangspunkt aller Betrachtungen sind
auch für alle Zukunft als unf:ihig erweisen. Diese Er- stets zwei nachdrücklich betonte Thesen: zum ei-
405 Lavater, Gesänge, 1790-1801 406

nen mache man sich keine Vorstellungen vom derartige Bekenntnisse mit dem Wunsch, den
Ausmaß der Laster, zum anderen seien alle mitge- auch Frederike ausspricht: >>Ich erwarte mit
teilten Erzählungen und Geschichten getreu, wie Sehnsucht und Schmerzen den Tod« (S. 209).
sie sich auch in der Wirklichkeit zugetragen hät- Ebenso ausführlich wie die Darstellung der
ten, wiedergegeben. Um mögliche Zweifel am Folgen der Wollust ist das Regelwerk geraten, das
Wahrheitsgehalt seiner Mitteilungen bereits im der Verfasser in mehreren Briefen als Antwort auf
Keime zu ersticken, meldet sich der Autor mehr- die Anfrage einer um das Wohl ihres Kindes be-
fach in Anmerkungen zu Wort: »Man glaube ja sorgten Mutter zur Verhinderung bzw. der Be-
nicht, als wäredisdie Unwahrheit oder Uebertrei- kämpfung der Masturbation bei Jugendlichen
bung - nein es ist eine traurige Wahrheit« (An- entwickelt hat (Brief 34, S. 262 ff., Brief 36,
merkung S. 15). S. 277ff., Brief 37, S. 282ff.). Neben medizini-
Methodisch erweisen sich die Schilderungen schen Beobachtungen empfiehlt der Autor vor al-
der »Wollust« sowie ihrer Bekämpfungsmittel lem die regelmäßige Überwachung der Spiel- und
den bekannten Antimasturbationsbüchern von Schlafgewohnheiten des Kindes sowie die In-
Salzmann ( Über die heimlichen Sünden der Ju- spektion der Kleidung. Ist das Kind »ange-
gend, 1785), Börner (Werk von der Onanie, 1776) steckt«, so rät der Verfasser zur Verabreichung
und Vogel ( Unterrichtfor Eltern, 1786) sowie der von Spezialdiäten (»diätetische Lebensart«,
Bibel aller Kämpfer gegen die Masturbation und S. 273 ), wozu genaue Rezeptvorschläge (ebd.) ge-
gegen die »Wollust«, Tissots L'onanisme (1760) macht werden. Als sicherstes Mittel gegen die
verpflichtet. Auf diese Autoren nimmt der Verfas- Masturbation rät er schließlich zum medizini-
ser namentlich Bezug und hebt dabei insbesonde- schen Eingriff, der »lnfibulation«, deren detail-
re immer wieder Salzmann hervor, aus dessen lierte Schilderung nicht ausgespart wird (S. 31 ff. ).
Schrift er gleich mehrfach Passagen zitiert (vgl. Beruhigend heißt es von dieser Operation: »Sie
S. 289 ff. ). Positiv findet Salzmann vor allem des- ist nicht im mindesten schmerzhaft« (S. 57). Ein
wegen Erwähnung, da der Autor von dem Fall ei- besonderes Kapitel hat der anonyme Autor den
nes »jugendlichen Selbstschwächers« zu berich- präventiven Maßnahmen zur Verhinderung von
ten weiß, der im Anschluß an die Lektüre des sexuellen Verfehlungenjeglicher Art eingeräumt.
»treflichen Buches« von Salzmann sich als An erster Stelle steht die sorgsame Auswahl des
» Nachahmer Werthers« erschoß, was den lebhaf- jugendlichen Lesestoffes: »empfindliche Ro-
testen Beifall findet (S. 194). Was in den ange- mänchen« und Schauspiele taugten nicht zur
führten Werken gegen die Masturabation besten- Lektüre der Jugendlichen, bis »sie ein gesetztes
falls auf alle Schriften verteilt findet, dies hat der Alter erreicht haben« (S. 284). Auch übe der Lese-
anonyme Autor des vorliegenden Buches in- stoff der alten Schriftsteller einen schlechten Ein-
einander verwoben. Dabei werden diese Verfeh- fluß aus. Insbesondere Ovids De arte amandi so-
lungen in aller Drastik vorgeführt. So beschränkt wie Amorum libri (S. 290) müßten entweder für
sich der Verfasser etwa nicht auf die Benennung die Jugendlektüre aufbereitet werden (»kastriert
der von Salzmann entlehnten Annahmen, daß werden«, ebd.) oder ganz »überhüpft« werden.
Klöster Stätten der Unzucht seien, die Szene Viel Nutzen könne dagegen der von Johann Ti-
selbst wird ganz im Gegenteil ausführlich darge- motheus Hermes verfaßte Text Sophien Reise von
stellt: »Ich ging die Treppe hinan und pochte an Memel nach Sachsen (Leipzig 1770-72, in 5 Tei-
die erste Thüre welche mir aufstieß. Ein Mönch len) stiften.
machte leise die Thüre ein wenig auf, doch weit Ussel (1977)hatdas WerkJohann Timotheus Her-
genug, daß mir durch den Anblick, der meinen mes zugeschrieben (S. 235), ohne dafür freilich Belege
Augen hierdurch aufstieß, Hunger und Durst au- anzuführen. Bei Holzmann-Bohatta findet sich für die
genblicklich verging. Die meisten Mönche waren Annahme kein Hinweis. K.
nakt, und befriedigten auf eine schmutzige Art ih-
re Wollüste -« (S. 368 f.). Sprachlich nicht ta-
buisiert werden auch die Etikettierungen der er-
wähnten »wollüstigen« Personen: »verhurtes
1790-1801
Franzosenschwein« (S. 123), »arme Schlachtop- Johann Kaspar Lavater (1 741-1801):
fer dieser ekeln Lust« (S. 169) etc. sind die Be- Gesänge zur Beförderung Vaterländischer
zeichnungen, die der Autor dafür bereit hält. Bis- Tugend. Neujahrsgeschenk ab dem
weilen grauenhaft nehmen sich die Schilderun-
gen sämtlicher Leiden der der sexuellen Verfeh- Musiksaal an die Zürcherische Jugend.
lungen überführten Personen aus. Die durch Ma- 12 Stücke.
sturbation >>Unbrauchbar« (S. 209) gewordene Zürich 1790-1801
Frederike bekennt: >>Das Fleisch an meinem Kör-
per verschwand, das Feuer meiner Augen erlosch, Die von der »Gesellschaft auf dem Musiksaal«
und, ihr seht, ich bin ein mit Haut überzogenes ( 11. und 12. Stück) herausgegebenen Gesänge ge-
Todtengerippe« (S. 207). In aller Regel enden hören zu der Gattung der Neujahrsblätter, die
407 Unterhaltende Schriften 408

Mitte des 17. Jahrhunderts in Zürich entstanden Jedes der 12 Stücke besteht aus 6 Blättern. Voran-
sind. Die Entstehung dieser Neujahrsblätter be- gestellt ist jeweils das Kupfer; es folgen das Titelblatt
schreibt D. Kraut (1945, S. 12f.): Die wissen- und der Notensatz auf 2-4 Seiten, wobei es sich teils um
schaftlichen Gesellschaften, später auch andere einstimmige Choralmelodien, teils um zwei- und drei-
stimmige Chorsätze handelt. Im Anschluß hieran wird
Gesellschaften und Zünfte, verlangten von ihren
der Liedtext abgedruckt. Die Lieder haben zwischen 16
Mitgliedern einen jährlichen Beitrag, der jeweils und 32 Strophen. Die Strophenformen sind unter-
am 2. Januar zu entrichten war und der durch die schiedlich: Die beiden ersten Lieder bestehen aus paar-
Kinder überbracht wurde. Als Gegengabe erhiel- reimigen Vierzeilern, während bei den übrigen Liedern
ten diese von den Gesellschaften ein Neujahrsge- längere Strophenformen zu finden sind (zwischen 6 und
schenk. Ab 1644 bestand dieses Geschenk aus ei- 10 Zeilen). Inhaltlich beschäftigen sich die Lieder mit
nem Kupferstich mit dazu passendem Gedicht. moralischen, politischen und religiösen Themen. Die
Die älteste Sammlung von Neujahrsblättern wur- einzelnen Themen lauten in der Reihenfolge ihres Er-
de von der Stadtbibliothek Zürich herausgege- scheinens: Kinderpflicht, Der Patriot, Das häusliche
Glück, Die bürgerliche Eintracht, Die Freundschaft,
ben; andere Gesellschaften und Zünfte wie auch
Tugend und Religion, Die Christus-Religion, Gerech-
andere Städte der Schweiz übernahmen diesen tigkeit und Friede, Die Barmherzigkeit, Freiheit und
Brauch. An der Herausgabe der Neujahrsblätter Gleichheit, Zürich am Ende des achtzehnten Jahrhun-
beteiligten sich namhafte Gelehrte, Schriftsteller derts, Zürich am Anfange des neunzehnten Jahrhun-
und Künstler. Für die vorliegende Sammlung be- derts.
zeugt Schulte-Strathaus (1913) die Autorschaft
Lavaters, der zuvor bereits schon einmal Liedtex- Die Liedtexte suchen schweizerischen Pa-
te zu einer Serie von Neujahrsblättern der Musik- triotismus, Freiheitsliebe, bürgerliche Tugend
gesellschaft beigetragen hatte (Neujahrsgeschenk und Arbeitsamkeit mit einem strengen Glauben
ab dem Musiksaal an die Zürcherische Jugend. an die christlichen Religionswahrheiten zu ver-
Schweizerscenen. Zürich 1778-1783). Als entwer- binden. Die christliche Offenbarungsreligion er-
fende und ausführende Künstler sind in der vor- scheint hierbei nicht nur als Grundlage aller Tu-
liegenden Sammlung Joh. Rud. Schellenberg, gend, sondern zugleich als Garant eines glückli-
Joh. Martin Usteri, Heinrich Prenninger, S. Berg chen und freiheitlichen Gemeinwesens. Der
und H. Lips verzeichnet. »beßte Christ« wird als der »beßte Bürger« aus-
gegeben. Ob das neue Jahrhundert ein glückbrin-
gendes sein wird, wird von einem Wiederauf-
leuchten der christlichen Religion abhängig ge-
macht. Die Religion bildet solchermaßen das
Zentrum der Liedersammlung, auf das Moral und
Politik hingeordnet sind.
Bei der Bestimmung des Patrioten halten
sich politische und moralische Elemente die Waa-
ge: Ein Patriot ist, »Wer Recht undpflichtund
Gott verehrt, I Dem Laster und der Herrschsucht
flucht, I Und lauter Glück durch Tugend sucht!«
(S. 13). Als politische Momente des Patriotismus
treten die Hochachtung des »Vaterlandes« und
der» Freyheit vom Tyrannenjoch « sowie der Haß
auf alle »gesetzesverachte Gewalt« hinzu. Des
Patrioten Leben ist bestimmt durch »Weisheit,
Kraft und Thätigkeit«, durch Mäßigkeit, friedli-
chen Genuß, Redlichkeit, Freundlichkeit, Be-
scheidenheit, Mut und Demut. Er steht aller Gier
nach Ruhm und Reichtum fern: »Nicht Sich,
nicht Gold, nicht Lust, nicht Ruhm I Bezielt Er-
Nein, sein Heiligthum I Ist Recht, ist Ordnung,
Freyheit, pflicht[ . .. ]« (S. 14). Er lehnt zudem die
glanzvolle Welt des Hofes ab: »Ein Feind der
Weichlichkeit und Pracht, I Er haßt, was glänzt
und elend macht.« (S. 15) Von großer Bedeutung
ist für ihn die vaterländische Geschichte: >>Er sagt
dem Sohne Tag und Nacht, I Was seine Väter
Lavater, der Kinderfreund. Ein Neujahrsge- groß gemacht, I Er macht der alten Schweizer
schenk for die vaterländische Jugend auf 1802, Treu I In Kinderherzen täglich neu. I Er schöpft
von einem dankbaren Verehrer des Seligen- Zü- aus grauer Vorzeit Licht, I Ausgrossem Beyspiel,
rich 1802 (Nr. 501). Frontispiz von J. H. Meil Muth zur pflicht.« (S. 15) Der Patriot ist solcher-
409 Lavater, Gesänge, 1790-180 I 410

maßen das Vorbild der Jugend: »0 Jüngling! Er vorgetragen: »Jahrhundert! Kannst Du Dich
sey Beyspiel Dir! I 0 werd' auch Du des Staates noch preisen? I Des Lichtes Fortschritt rühmen
Zier! I Nur Wahrheit-Lieb' und Geisteskraft, I noch? I Das Rufen aller Deiner Weisen I Hat's
Und Recht sey deine Leidenschaft!« (S. 16) uns entjocht? - Von welchem Joch? I 0 schau
Das Lied über die bürgerliche Eintracht von Dichum-und wo hienieden I Siehst Du Gerech-
1793 stellt ganz offenkundig eine vehemente Aus- tigkeit und Frieden I In Fleckenloser Harmonie?
einandersetzung mit der Französischen Revolu- I Statt Tugend, Recht und Fflichtverehrung, I
tion und ihren sich verschärfenden Fraktions- Was siehst Du?- Greuel und Verheerung!« (S.
kämpfen dar. Zu Beginn wird die Eintracht als 60) Hier aber gerät neben der durch die Französi-
»Königin der Staaten«, als »der Völkerschaften sche Revolution ausgelösten allgemeinen Zwie-
höchstes Glück« und als Basis der Schweizer Na- tracht nun auch der Utilitarismus und die Ge-
tion herausgestellt, dann aber auf die in der Welt winnsucht in den Blick: »Der Eigennutz ist das
brandende Zwietracht eingegangen. In der fol- Gewissen I Der Menge[ ... ] Ich-Sinn herrscht al-
genden Strophe ist unverkennbar Frankreich ge- lein; I Für sich will jeder nur geniessen, I Und je-
meint: »Häuf, Mordsucht, häufe Leich auf Lei- der selbst vergöttert seyn.« (ebd.) Auch vor fal-
chen! I Es sinken unter deinen Streichen I Bey schen politischen Lösungen wird gewarnt: »Wer
taosenden hin in ihr Blut! I Verbanne, drohe, sittenlosen Völkern schmeichelt, I Was thut der
brenn' und senge I Und ruf der Schwindelreichen Schalksknecht? Er erheuchelt I Sich Fürstenrecht
Menge- I Mit Jubel: Seht, was Freyheit thut! I nurüber sie. I Erändert(ruft Er: >Ich will retten!<)
Weg unser Ohr von solcher Sprache! I Der Blut- I Nichts als die Namen ihrer Ketten - I Ver-
gier, von der Herrschsucht Rache! I Fern iedes sproebne Freyheit seh'n sie nie.« (ebd.)
stürmende Geschrey! I Fern iedes wilde Frey- Stärker auf die Schweizer Verhältnisse ist das
heits-Toben! I Die Eintracht wollen wir uns lo- Lied »Freyheit und Gleichheit« von 1799 bezo-
ben! I Nur da, wo Sie ist, ist man frey!« (S. 30) gen. Zwar steht am Anfang ein Aufruf an das gan-
Wenig später ist von »blutgierschwang're[r] Pö- zen Erdenrund: »Seyt frey, Ihr Erdensöhne! Le-
belwuth« die Rede, wie denn auch die Zeit beim bet I Als Menschen, Eurer Menschheit werth!
Namen genannt wird: »0 Zeit, die aller Hohheit Entreißt den Fesseln Euch, und strebet I Nach
höhnet! I 0 Zeit, die Könige entkrönet, I Und al- Freyheit, die kein Recht zerstört! I Seyt Ehrer al-
len Fürstenthronen trutzt! I 0 Zeit, wo nie gewag- ler Menschenrechte - I Der schwächste Mensch
te Thaten I (Geschehn, ungläublich noch) gerat- sey heilig Euch! I Seyt, Menschen, nicht der Men-
hen[ ... ]« (S. 31 ). Diese »ernste[n] Warnungs Zei- schen Knechte; Seyt Ihr vor Gott nicht Alle
ten« dürfe man nicht verstreichen lassen, ohne die gleich?« (S. 76) Die Freiheit soll hierbei »nicht in
Lehren aus ihnen zu ziehen: Sie lehrten einen, früher Jugend I In rohe Ausgelassenheit« verwil-
»des Stolzes Uebermuth« und »nervenlose Uep- dern, sondern »weise Demokraten voll Edelsinn
pigkeit« bestreiten sowie »frey sein mit Beschei- und Heldenkraft« bilden (S. 77). Dann aber kom-
denheit«. Den Regenten aber ruft Lavater zu: men schweizerische Probleme zur Sprache: Frei-
»Regenten! Bleibt des Staates Wonne! I Wohl- heitsbäume und Fahnen seien nutzlos, wenn nicht
thätig leuchtend, gleich der Sonne! I Wir wagen wirklicher Freiheits- und Gleichheitssinn dahin-
unser Blut für Euch! I Ihr herrscht, nur um dem ter stünde (S. 78). Politisches Aufmurren gegen
Staat zu dienen! [ .. ] 0 bleibt! bleibt brüderliche die Obrigkeiten sei nicht angebracht, wenn Bie-
Väter! Regenten all', dem Uebelthäter, I Dem dersinn, alte Treue, Einfalt und Genügsamkeit
Ordnungsstöhrer furchtbar nur! I Bleibt Freunde fehlten:» Was hilft Euch pöbelhartes Schnarchen
redlicher Gemüther! I Der Sicherheits-Gesetze I Von Freyheit? (Schreyen frommet nie) I Was-
Hüter! I Ein Ruhm der menschlichen Natur!« (S. schimpfen auf die Oligarchen, I Wenn Ihr nicht
31) Lavater will hierbei die Regenten ganz auf ei- besser seyt, als Sie?« (ebd.) Die Einheit der
nen aufgeklärten Absolutismus festlegen: »Der schweizerischen Nation müsse tief im Gefühl ver-
Besten Weisheit reinster Wille I Sey das Gesetz! ankertsein: »Nur Sinnesgleichheit kann Dich ret-
Gesetz entquille I Der Brust, in der die Liebe ten; I Dich halten Herzenseinheit nur! I Helve-
schlägt!« (ebd.) Auch durch die Ereignisse in tier, flieh fremde Ketten - I Flieh der Despoten
Frankreich sollten diese sich nicht von aufgeklär- Schlangen-Spuhr! I Von Waldstätt bis zum Le-
ter Politik abbringen lassen. Wenn Lavater derart mann schlage I In aller Busen nur ein Herz!«
auch keine Verteidigung absolutistischer Willkür- (ebd.)
herrschaft unternimmt, so sieht er sich dennoch Das Lied» Tugend und Religion« (S. 48) von
zu einer Legitimation der Regenten und »Für- 1795 zeigt, wie die Tugend, je mehr sie wächst, in
stenthrone« veranlaßt: »Uns alle knüpft ein hei- Religion mündet. Zur Quelle der Tugend wird die
lig Band! I Von allen Herzen, allen Zungen, I Sey christliche Religion für Lavater vor allem durch
lob dem Ewigen gesungen, I Der Euer Herz mit die Gestalt Jesu Christi: »Er lehrt Dich, als vor
uns verband!« (S. 32) Engeln wandeln, I Unübertrefflich edel handeln
Im Lied »Gerechtigkeit und Friede« ( 1797) I Beym Reiz der schlausten Leidenschaft. I Er
wird eine skeptische Einschätzung der Gegenwart hebt Dich über Sternenhöhen- I Und läßt Dich,
411 Unterhaltende Schriften 412

was kein Aug sieht, sehen- I Und giebt zum Sieg das Ende des 18. Jahrhunderts noch krönt. Das
Dir Gottes Kraft.« ( ebd.) letzte Gedicht von 1801 beschäftigt sich konkreter
Stärker aber als den Zusammenhang von Re- mit der Zukunft und rät auch politisch zu einer ge-
ligion und Tugend sucht Lavater den von Reli- mäßigt weisen Zuversicht: »Schwebt nicht in ho-
gion und Freiheit und Staatenglück herauszustel- hen Idealen, I Die Euch nur goldne Zeiten mah-
len. Im Lied über die bürgerliche Eintracht bereits len, I Beym Wachstum von Vernunft und Licht. I
erscheint die Religion als deren wahrer und letzter Es wird der Adams Söhne keiner I Durch redneri-
Grund. Die Religion erst, nicht die »Staats- sche Dekrete reiner- I Gebieten läßt sich Tugend
kunst«, kann eine Nation zu wahrem Glück und nicht.« (S. 93). Die folgenden Zeilen nehmen wie-
zu wahrer Eintracht führen (vgl. S. 32). In einem der Bezug auf Revolutionshoffnungen und über-
anderen Lied heißt es: »Unentbehrlich I Der triebene Reformideen: »Erfahrung lehr' Euch
Freiheit ist Religion!« (S. 80) Den außerordentli- weise werden. Vollkommenheit ist nicht auf Er-
chen patriotischen Wert der christlichen Religion den. I Erträumt sie - und Ihr sinkt zurück[ ... ] I
darzutun, wird ein ganzes Lied aufgeboten. Das Was helfen Freyheitsheucheleyen? I Was nüzen
Lied »Die Christus-Religion« führt den Unterti- Franken-Aeffereyen? I Was frommts, wenn man
tel »Der beßte Christ, der beßte Bürger« und soll der Armuth lacht? I Wer ehrt Geschwätz von
beweisen: »Zur schönsten, reinsten Bürgertu- Treu und Glauben, I Wenn man ein nie erhöhrtes
gend I Führt Dich das reinste Christentum.« (S. Rauben I Gesetzlos zum Gesetze macht?« (S.
56) Überschwenglich ist der Beginn, der die 93 f.) Lavater setzt dem ein »stetes Streben« nach
christliche Religion als» Wonnemeer der reinsten »Selbstveredlung« und nach wahrer Religion ent-
Herzen« und als» Urbild der Vollkommenheiten gegen. Gegen Ende wird das Lied mehr und mehr
preist. Dann wird das Thema anvisiert: »Von Dei- zu einer flehentlichen Bitte um Erlösung: »Üh
nen tausend Wirksamkeiten I Berührt nur Eine Menschenvater in dem Himmel, I Beym leiden-
matt mein Lied. I Du bildst die Glücklichsten der schaftlichen Getümmel I Der Freyheitsrufer, tau-
Staaten, I Lehrst Bürgerpflichten, Heldenthaten, meln wir I In Unrecht, Jammer und Verder-
I Und gründst der VölkerGlückund Ruh'; I Und ben[ ... ] I Laß nur Vernunft und Tugend spre-
lehrst sie, mit den reinsten Trieben I Das Edelste, chen, I Und Ehrfurcht vor dem Recht und Dir!«
das Beste lieben; I Gemeingeist- wer lehrt ihn (S. 95). Dem entspricht es, daß die Zukunftshoff-
wie Du?« (S. 53) Lavater weist zunächst auf die nung mehr und mehr zur Demut wird und die Zu-
christliche Lehre von der Gleichheit jedes Men- kunftsperspektive sich in eine Jenseitsorientie-
schen hin und beschreibt sodann das Wirken rung wandelt: »Nur fromme Demuth kann uns
»ächter Christus-Jünger«: »Ein jeder, der Dich retten I Von allen Lasten, allen Ketten; I Nur
herzlich ehrte, I War stets der Seegen seiner treuer Sinn macht froh und frey. I Zum Himmel
Zeit[ ... ]« (S. 53). Entworfen wird das Bild eines von der Erde wallen- I Erwirbt uns Gottes Wohl-
idealen christlichen Regenten und »Staats Regie- gefallen, I Und ruft das Reich des Herrn herbey.«
rers« und das eines Lehrers und »Volkserleuch- (S. 96) E.
ters«. Am Ende des Liedes steht schließlich die
Vision eines vollkommenen christlichen Staates:
»Nur Wohlfahrt herrscht im Christenstaate; I
Vertrau'n verbindet Herz und Herz; I Die Red- 1791
lichkeit fehlt keinem Rathe; Und Trost und Hülfe
Kar/ von Eckartshausen (1752-1803):
keinem Schmerz. I An Lust, die Unschuld je zu
kränken, I An falschen Eid ist nicht zu denken;
Bibliothekfor Mädchen, nach den Stuffen
An Haß nicht, Neid nicht, Druck nicht- Nein, I des Alters eingerichtet.
Der Christ zu allem Guten willig, I Wird erst ge- Bd. 1: Lesebüchlein mit moralischen
recht, dann sanft und billig, I dann liebend, groß Erzählungen, for Mädchen der ersten
und edel seyn. « (S. 56) Dieser Vision steht die Ge- Klasse, welche eben erst lesen lernen.
genwart gegenüber als ein negatives Beispiel von Bd. 2: Lesebüchlein mit moralischen
Gottesfeme und Irreligiösität. Erzählungen und einigen Vorbereitungs-
Die beiden letzten Lieder stellen eine Besin- kenntnissen zur Hauswirthschaft
nung auf Gegenwart und Zukunft anläßlich der for Mädchen vom mittlern Alter.
Jahrhundertwende dar. Zunächst wird die negati- Bd. 3: Handbuchfor Mädchen von reiferm
ve Einschätzung der Gegenwart aufgegriffen:
Der Blick auf das auslaufende »schreckliche
Alter; mit moralischen Erzählungen und
Jahrhundert« ist einer auf »Jammerszenen« und ökonomischen Kenntnissen. Nebst einer
Blutfelder. Der Blick nach vorne erfüllt jedoch Melodie.
mit Hoffnung: Im neuen Jahrhundert sieht Lava- München 1791
ter aufs neue Gerechtigkeit, Billigkeit und Frei-
heit auferstehen, auch ein Wiederaufblühen der Das Werk wendet sich an Mädchen unterschiedli-
Religion erhofft er sich. Dieser Ausblick ist es, der chen Alters. Der 1. Band, der kleine Mädchen an-
413 v. Eckartshausen, Bibliothek, 1791 414

sprechen will, »welche eben erst lesen lernen«,


und in dem Mädchen auftreten, die noch mit Pup-
pen spielen, ist wahrscheinlich für Mädchen bis
zu 8 Jahren, der 2. Band, der Mädchen »vom mitt-
lern Alter« anspricht, für Mädchen bis zu 12 (oder
I 0?) Jahren gedacht. Der 3. Band schließlich, der
sich an »Mädchen von reiferm Alter« wendet,
und in dem Stücke aufgenommen sind, die sich an
dieselbe Altersgruppe wenden wie die elterlichen
Räte (»Epistel an Phoebe auf ihren fünfzehnten
Geburtstag von ihrem Vater«, ein Auszug aus
Campes Väterlichem Rath for meine Tochter und
ein weiteres Stück, das sich eng an diesen anlehnt)
wird wohl für Mädchen bis zu 15 Jahren bestimmt
sein. (Zum Vergleich: Campe teilt die Leser, die er
mit seiner Kleinen Kinderbibliothek erreichen
will, aus der Eckartshausen ja zahlreiche Stücke
übernommen hat, I. in Kinder bis zu 7/ 8 Jahren,
2. in Kinder bis zu 10 Jahren und 3. in Kinder bis
zum 12. Jahr und darüber.)
Die soziale Schicht, die angesprochen wird,
sind das niedere und gehobene Bürgertum und of-
fensichtlich auch der (niedere) Adel. Das wird
deutlich bei der Frage, ob ein Mädchen auch »et-
was von einigen Wissenschaften kennen« soll.
Den Frauen »von geringem Stande« (als Beispiel
werden Handwerksleute genannt) wird empfoh-
len, sich mit Wenigem zu begnügen; von den
Frauen »vom mittlern Stande«, die dereinst
»Kaufleute, Dikasterianten, oder Gelehrte heira-
then«, wird bereits mehr Bildung verlangt und Eckartshausen, Kar/ von: Sittenlehren und Er-
noch mehr von den »Fräulein, die bestimmt sind, zählungen,for alle Stände der Menschen, zur Bil-
die Gesellschafterinn von Männern zu werden, dung der Herzen. - Augsburg 1790. Frontispiz
die grosse Bedienungen bekleiden, vornehme von Frehling
Leute in ihren Häusern sehen« (Bd. 3, S. 14f.).
Auch aus den Ratschlägen für die Haushaltung
und aus den moralischen Geschichten läßt sich ne Handlung entwickelt, sondern nur eine vorbildliche
ersehen, daß als Leserinnen Mädchen angenom- Figur beschrieben wird (»Arnalia«, Bd. 3, S. 23 ff.). Alle
verschiedenen Formen sind miteinander verbunden
men werden, die später einmal einem Hauswesen durch ihre moralisch-didaktische Zielsetzung. In allen
mit Dienstpersonal vorstehen werden. - Aus der sind die Anrede an die Leserin (bzw. ihre Einbeziehung
dem 1. Band zugefügten Lektüreliste, die einen in den Text) sowie die Anrede an eine Figur bzw. der
Titel enthält, der sich an »katholische Eltern und Dialog zwischen einzelnen Figuren ein beliebtes Stilmit-
Lehrer« wendet, läßt sich schließen (wie sich ja tel. Dabei gibt es nicht nur Dialoge zwischen Kind und
auch aus dem Druckort München ergibt), daß die Erziehungsperson, sondern auch Dialoge zwischen
Adressaten vornehmlich im katholischen Raum Kindern, in denen das eine Kind das andere belehrt.
zu suchen sind. Zahlreiche Stücke der Bibliothek sind ohne Quel-
lenangabe u. a. aus den ersten sechs Bändchen von
Die drei Bände enthalten eine Mischung verschie- Campes Kleiner Kinderbibliothek übernommen; die
dener literarischer Formen. Neben sachlich-belehren- Veränderungen gegenüber Campe sind geringfügig.
den Texten und zwei moralisch-belehrenden Abhand- Dort allerdings, wo bei Campe ein Junge die Hauptfigur
lungen finden sich szenische Dialoge (teils als sokrati- ist, wird bei Eckartshausen eine Mädchenfigur gewählt.
scher Dialog, teils lose mit einer Handlung verknüpft Der I. Band enthält ausschließlich moralisch-be-
oder an eine konkrete Situation angebunden, dabei oft lehrende Geschichten, Gedichte und Dialoge, in die
mit erzählender Prosa vermischt), Gebete, Lieder, (er- zum Teil auch die Vermittlung von Sachwissen inte-
zählende) Gedichte; Texte moralischer Selbstreflexion griert ist. Bd. 2 und Bd. 3sind jeweils in zwei Teile unter-
bzw. Selbstbesinnung (in Form eines Selbstgespräches, gliedert, von denen der I. Teil moralisch-belehrende
vergleichbar auch einer Tagebucheintragung; bei den Texte (fast immer in fiktionaler Form) und der 2. Teil
jüngeren Mädchen als Lied oder Gebet); schließlich er- Sachwissen (in Form von Sachprosa) enthält. Formale
zählende Prosa vom Typ der Fabel oder- weit häufiger Unterschiede zwischen den drei Bänden bestehen wei-
- vom Typ der moralischen Beispielgeschichte (in der terhin darin, daß im I. und 2. Band eine Vielzahl von
Form der Vorbild-, Umkehr- oder Abschreckgeschich- kurzen und kürzeren Geschichten, Gedichten und sze-
te). Die Geschichte kann so weit reduziert sein, daß kei- nischen Dialogen vorherrschen, während im 3. Band
415 Unterhaltende Schriften 416

der Dialog an Bedeutung verliert und die Geschichten Der 3. Band, der sich an das ins Leben hinaustre-
und die Gedichte einen sehr viel größeren Umfang auf- tende Mädchen wendet, warnt vor Romanlektüre (Sieg-
weisen (das längste Gedicht ist 14 Seiten, die längste Ge- wart, Pamela. Grandison; ferner Youngs Nachtgedan-
schichte 40 Seiten lang). Im I. Band wird über die Kürze ken und Goethes Stella), vor der durch sie hervorgerufe-
der einzelnen Texte hinaus noch eine weitere Leseer- nen Empfindelei und empfindsamen Verführern, au-
leichterung geboten durch das aufgelockerte Druck- ßerdem vor Zerstreuungs- und Vergnügungssucht, vor
bild; so werden häufig neue Absätze gemacht, in man- Modetorheiten und Eitelkeit. In der Abhandlung
chen Geschichten nach jedem Satz. Den Typ der mora- »Über die Bestimmung des weiblichen Geschlechtes«,
lisch-belehrenden Abhandlung und des elterlichenRats die sich teilweise eng an entsprechende Passagen aus
gibt es nur im 3. Band. Campes Väterlichem Rath für meine Tochter anlehnt,
Das im I. Band vermittelte Sachwissen erstreckt wird wie bei Campe unterschieden zwischen der allge-
sich auf religiöse und philosophische Grundfragen. In meinen Bestimmung der Frau, die identisch mit der des
»Gott hat alles gemacht« (Bd. I, S. I ff.) wird in einer Mannes ist, und einer besonderen, vom Manne ver-
Art Gottesbeweis einem Kinde die Notwendigkeit der schiedenen Bestimmung, nämlich die, ;;beglückende
Existenz Gottes als desjenigen verdeutlicht, der die erste Gattinnen, bildende Mütter und weise Vorsteherinnen
Ursache alles Seienden ist. In anderen Texten werden des Hauswesens zu werden« (Bd. 3, S. 3)- eine Bestim-
Kinder aufgeklärt über Leben und Tod und das Wesen mung, die (mit einer unbedeutenden Veränderung)
des Menschen als eines beseelten Lebewesens. Auch an- wörtlich aus dem Väterlichen Rath übernommen ist. Als
deres Wissen, z. B. aus der Naturkunde, wird den Kin- Aufgabe des Mannes wird es dagegen bezeichnet, sich
dern- meist eher beiläufig- vermittelt. Hierbei versucht »in öffentlichen Geschäften um die Welt verdient« zu
der Autor, an den kindlichen Erfahrungsbereich anzu- machen (Bd. 3, S. 2). Unter den von der Frau geforder-
knüpfen. So setzt der Gottesbeweis an der Frage an, wo- ten Tugenden steht die gegenüber der Religion an erster
durch die Tulpen im Garten gewachsen seien; und die Stelle. Als weitere, dieser ersten Tugend untergeordne-
Verwunderung der Kinder darüber, daß sie einen ten Tugenden folgen: die Ausbildung des Verstandes,
Kirschbaum nicht zu schütteln vermögen, obwohl sie der Erwerb sowohl schöner als auch gelehrter Kenntnis-
bei einem jungen Birnbaum keine Schwierigkeiten ha- se, häusliche Eingezogenheit, ununterbrochenes Tätig-
ben, wird von der Mutter dazu benutzt, um ihnen das sein, Haushaltungskunst und Ordnungsliebe; außer-
weitverzweigte, ausgedehnte Wurzelwerk eines ausge- dem ein gutes Herz, das wichtiger sie als Vermögen und
wachsenen Baumes zu zeigen und daran wiederum eine gutes Aussehen, und schließlich Reinheit und Keusch-
moralische Belehrung zu knüpfen (»Der Obstgarten«, heit. Zu letzteren gehört, daß die Frau nicht nur tatsäch-
Bd.l,S. 7ff.). lich ihre Tugend, sondern auch den Ruf ihrer Tugend
Im 2. Band werden den Mädchen im sachlich-be- bewahrt: »Es [ist] nicht genug, gut und unschuldig zu
lehrenden Teil Grundlagenkenntnisse für ihre zukünfti- seyn; man muß auch allen Schein des Bösen zu.vermei-
ge Arbeit im Haushalt vermittelt, und zwar naturkundli- den suchen: sonst kann man bei dem reinsten Herzen,
che Kenntnisse, soweit sie in Beziehung zum Spinnen und bey dem rechtschaffensten Wandel doch äußerst
und Weben stehen: über den Anbau und die Bearbei- unglücklich werden« (Bd. 3, S. 118).
tung von Flachs, über den Anbau der Baumwolle, über Um den dargestellten (und zu verinnerlichenden)
die Beschaffenheit der Schafswolle, über die Seidenrau- Wertvorstellungen größeren Nachdruck zu verleihen,
penzucht etc. Der 3. Band enthält praktische Ratschläge werden folgende Mittel gebraucht: der Hinweis auf
und Anweisungen für die zukünftige Hausfrau: für das Gott, der alles sieht, oder auf das Himmelreich als zu-
Spinnen und Weben bzw. Webenlassen durch den We- künftigen Lohn; häufiger: die Traurigkeit oder Freude
ber, für das Waschen, das Entfernen der verschieden- der Eltern, wenn Kinder sich falsch oder richtig verhal-
sten Flecken, das Aufbewahren von Wäsche etc. ten (Bestrafung durch Liebesentzug, Belohnung durch
Zuwendung); am häufigsten: die Bestrafung und Be-
In bezug auf die Tugendlehren steht in allen drei lohnung durch das Leben selbst. Dabei folgen in den
Bänden Frömmigkeit an zentraler Stelle. Durchgängig Texten für die jüngeren Mädchen die Strafen der
finden sich auch Ordnungsliebe und als negative Eigen- schlechten Tat unmittelbar auf dem Fuß (ungehorsames
schaft Eitelkeit. In Bd. I und 2 spielen die Tugenden den Kind verschluckt Nadel, eigensinniges Kind verläuft
Eltern gegenüber eine wichtige Rolle; so werden von sich im Wald). In den Geschichten für die älteren Mäd-
den Mädchen immer wieder kindliche Liebe, Dankbar- chen erfolgen Belohnung und Bestrafung erst innerhalb
keit und vor allem Gehorsam gefordert. Demgegenüber eines längeren Zeitraums; zumindest wird das Leben
steht als negative Eigenschaft der Eigensinn als Wunsch der Heidin bis zu ihrer Heirat dargestellt. Dabei ist der
des Kindes, seinen Willen zu behaupten: »Weil ich artig Lohn für ein tugendhaftes Leben immer die Ehe mit ei-
bin, I und ohn' Eigensinn, I thue, was ich soll: I 0 nun nem wohlhabenden und rechtschaffenen Manne (mit
ist mir wohl!«. Schließlich werden in Bd. I und vor al- Ausnahme von Bd. 2, S. 52, wo ein adliges Mädchen, als
lem in Bd. 2 positive oder negative Verhaltensweisen es plötzlich verarmt, aufgrund ihres vorbildlichen Ver-
vorgeführt, die sich auf das gute Benehmen beziehen haltens von einer Fürstin zur Hofdame gemacht wird
oder mit Vorsichtsmaßregeln zusammenhängen, wie sie und »dadurch Zeitlebens versorget« war). Die so ge-
Kindern eingeschärft werden, um sie vor gesundheits- schlossene Ehe eines tugendhaften Mädchens ist gleich-
oder lebensgefährdenden Situationen zu bewahren zeitig Garant für ein glückliches zukünftiges Leben.
(z. B. schiefe Haltung, eine Nähnadel in den Mund neh- Am Schluß von Bd. I und Bd. 2 findet sich ein Ver-
men, Spiel mit dem Feuer, Bescheidenheit und Zurück- zeichnis von zusätzlich zur Lektüre empfohlenen Bü-
haltung bei Tische). In Bd. I findet sich außerdem eine chern - u. a. beide Teile von Salzmanns Moralischem
Geschichte, die vor Aberglauben warnt (am Beispiel des Elementarbuch und Raffs Naturgeschichte.
Schornsteinfegers). In Bd. 2 wird bereits (wie in Bd. 3)
großer Wert auf den Fleiß, das ununterbrochene Tätig- Eckartshausens Bibliothek for Mädchen
sein und den Erwerb von Haushaltskenntnissen gelegt. weist eine Reihe von Ähnlichkeiten mit der phil-
417 Meißner, Aesopische Fabeln, 1791 418

anthropischen (bzw. der ihr nahestehenden) Kin- 1791


der- und Jugendliteratur auf; in anderen Punkten
hebt sie sichjedoch auch von ihr ab. Die Überein- August Gottlieb Meißner (1753-1807):
stimmung besteht z. B. in der altersspezifischen Aesopische Fabe/nfor die Jugend.
Gliederung, dem Anknüpfen an den kindlichen Nach verschiedenen Dichtem gesamlet
Erfahrungsbereich, der Vielfalt der literarischen und bearbeitet.
Formen, in die die moralische Belehrung einge- Prag und Leipzig 1 791
kleidet wird, in der Beschränkung der direkten
moralischen Ansprache auf die Altersstufe ab 14/
15 Jahren auf der einen und dem ausschließlichen Die Fabelsammlung ist vor allem für jüngere Kin-
Gebrauch fiktionaler Formen für die jüngsten der gedacht. Wie der Vorrede zu entnehmen ist,
Mädchen auf der anderen Seite (auch bei der Ver- wurde Meißner zur Zusammenstellung des
mittlung von Sachwissen), ferner in der Warnung Werks durch seinen siebenjährigen Sohn ange-
vor Romanlektüre und Empfindelei und nicht zu- regt, der sich »ein gutes, prosaisches, teutsches
letzt in der großen Zahl von Texten, die aus Cam- Fabelbuch« erbeten habe. Er habe jedoch kein
pes Kleiner Kinderbibliothek übernommen sind. geeignetes Werk für Kinder gefunden und sich
Vergleicht man diese mit der Bibliothek }Ur Mäd- daher genötigt gesehen, selbst eine Sammlung zu-
chen als Gesamtwerk, so fällt jedoch auf, daß bei sammenzustellen. Einerseits seien »die vortref-
Campe die schöne Literatur zeitgenössischer Au- lichsten Fabeln eines Leßings, Kazners, u. a. m. «
toren stärker vertreten ist als bei Eckartshausen, für Kinder ungeeignet, andererseits enthielten die
der von Campe ja auch überwiegend moralische eigens für Kinder ausgewählten Fabeln grundle-
Beispielgeschichten übernimmt. Unterschiede, gende Mängel: »Nicht gerechnet, daß auch hier
die für Eckartshausens andere Haltung gegen- ein großer Theil der Fabeln viel zu hoch für ein
über der Aufklärung charakteristisch sind, treten zartes Alter war, so machte fast immer ein langer
deutlich hervor in den beiden Stücken, die er im 3. moralischer Sermon eben durch seine Länge, daß
Band aus Campes Väterlichem Rath for meine die eigentliche Moral ungelesen und unbeherzi-
Tochterübernimmt bzw. in denen er sich eng an get blieb; und nicht selten fanden sich Fabeln dar-
diesen anlehnt. In der Abhandlung »Über die Be- unter, die geschickter waren ein iunges, empfäng-
stimmung des weiblichen Geschlechtes« wird die liches Herz zu verschlimmern, als zu verbeßern.«
benachteiligte Stellung der Frau nicht so reali- Die Auswahl habe er »mit gröster moralischer
stisch ausgesprochen wie bei Campe, sondern Strenge« getroffen und dabei insbesondere sol-
eher beiläufig erwähnt oder nur indirekt deutlich. che Fabeln gewählt, »die mir am faslichsten und
Vor allem aber wird die Pflicht der Frau gegen- nützlichsten für iunge Leser dünkten«.
über der Religion an die erste Stelle der für ihre Die Faßlichkeit versucht Meißner durch ver-
besondere Bestimmung erforderlichen Tugenden schiedene Mittel zu erreichen: durch Abkürzung
gesetzt und im Verhältnis zu den anderen Tugen- der Morallehre, wo sie zu lang gewesen sei, durch
den sehr ausführlich abgehandelt. In den »Leh- eine prägnantere Zusammenfassung des morali-
ren eines Vaters an seine Tochter zur Erhaltung schen Kerns oder auch durch Hinzufügen einer
der Reinigkeit des Herzens«, einem fast wörtli- Morallehre dort, »wo der Dichter, weil er für grö-
chen Auszug aus dem Väterlichen Rath, betont ßere Leser schrieb, sie weggelassen hatte«. Unter
der ratgebende Vater bei Eckartshausen, daß es Berufung auf Herder, der »so sehr die zusammen-
nicht nötig sei, der Tochter darzustellen, worin gesezte Fabel empfiehlt«, hat Meißner verschie-
Keuschheit und Laster bestehen; was dies sei, dene Fabeln durch eine moralische Beispielge-
wisse sie bereits durch ihr Gefühl. Campe hinge- schichte ergänzt, die den moralischen Kern der
gen läßt den Vater ausdrücklich sich gegen eine vorgetragenen Fabel noch einmal an Beispielen
solche Haltung verwahren; das Mädchen müsse aus der Erfahrungswelt der Kinder exemplifi-
über das, was man ihm verbiete, erst einmal Be- ziert. Meißner will sich der Erfahrungswelt der
scheid wissen. Campe läßt deswegen einen Ab- Kinder anpassen, indem er »aus dem Kreis des
schnitt folgen, in dem die Leserin über die Funk- gewöhnlichen Lebens und der Kinderjahre« er-
tion der Sexualität aufgeklärt wird. Bei Eckarts- zählt. Ferner will er, wo die Möglichkeit einer fal-
hausen ist dieser Teil ausgeklammert. Eine weite- schen Schlußfolgerung der entsprechenden Mo-
re Veränderung: Die von Campe in einem ande- rallehre besteht, »in der Anmerkung einen Wink
ren Abschnitt gebrauchten Begriffe »Ge- für den Erzieher« beifügen. Der Rolle des Erzie-
schlechtsliebe« und »Fortpflanzungstrieb« wer- hers der Lektüre der Fabeln wird eine besondere
den ausgespart, der Text ansonsten aber unverän- Bedeutung zugemessen: »Fabeln, dünkt mich,
dert übernommen. G. solten Erzieher, überhaupt das erstemal lieber
vorlesen, als ihren Zöglingen zum eignen Lesen
hinreichen. Dann könten sie, nach Maasstab und
Abänderung der Karaktere und Seelenkräfte,
kleine Erörterungen beifügen; und diese würden
419 Unterhaltende Schriften 420

dann, auch beim eignen wiederholten Nachlesen, den und episierenden, während Fabeln in Vers-
gewiß in der Seele des Knaben haften.« Als Man- form fehlen. Die dramatisierenden Fabeln weisen
gel seiner Fabellese hebt Meißner hervor, daß das als Kennzeichen die Auflösung der Handlung in
Buch keine Kupfer enthalte. (Alle Zitate aus der ein Gespräch auf; es geschieht nichts mehr, alles
unpaginierten Vorrede). ist nur noch Gegenstand des Gesprächs. Die ver-
Meißners Fabellese ist in fünf Bücher mit je drei- allgemeinernde Lehre wird zumeist innerhalb der
ßig Fabeln unterteilt; es folgt ein Anhang mit zwei An- Fabel von einer Figur, oftmals einem Tier, ver-
ekdoten und vier kurzen Dialogen. Die Mehrzahl der kündet. Als Beispiel sei die Fabel »Der Haushahn
Fabeln sind dem antiken Fabelschatz entnommen; al- und sein Herr« (S. 69 f.) genannt: Ein Haushahn
lein Aesop ist mit 52 Fabeln vertreten. Weitere Fabeln preist lautstark alle seine Vorzüge. Als sein Herr,
wurden entlehnt von Cirillus (13), Camerarius (10) und der Zeuge dieses Eigenlobs wird, lächelt, fragt ihn
Abstemius (8); auch Horaz, Avienus und Phaedrus sind der Hahn beleidigt, ob er ein unrechtes Wort ge-
vertreten. Eine weitere Gruppe bilden orientalische Fa-
sprochen habe. Der Herr antwortwartet: »Das
beln, die in der Mehrzahl nach Pilpai erzählt sind. Rei-
che Anleihen machte Meißner auch bei französischen nicht! Aber ich sorge doch, es werden nur wenige
Fabeln, vor allem bei Desbillon ( 15), aber auch bei La dir Glauben beimessen. Denn wahre Tugend
Motte, La Fontaine, Le Brun, Le Noble u.a. An deut- überläßt ihr Lob einem fremden Munde. Selbst-
schen Fabeldichtem sind Kazner (6), Lessing, Julius lob ist immer verdächtig.« (S. 69)
Rabner, Meinecke, Preffel und Lichtwer vertreten, an Stellvertretend für viele andere Beispiele
englischen Richardson und Gay. zeigt diese Fabel, daß Meißner auch in seinen Be-
Die Lehren, die durch die Fabeln vermittelt wer- arbeitungen dem klassischen Schema der drama-
den, zielen ab auf Redlichkeit, Bescheidenheit, Hilfsbe- tisierenden Fabel folgt. Zuerst findet sich die Ex-
reitschaft, auf Erkennen schlechter Eigenschaften wie
Stolz, Unvorsichtigkeit, Hartherzigkeit, Lügenhaftig-
position, die Vorstellung der Figuren (Hahn und
keit, Jähzorn, Tierquälerei, auf Warnung vor schlechter Herr) und die Hinlenkung auf eine spezielle Pro-
Gesellschaft, vor Schwatzhaftigkeit und Rachegefüh- blemJage (Selbstlob). Es folgt der Konflikt, d.h.
len. In der Regel hat Meißner darauf geachtet, daß sich die Gegenüberstellung zweier entgegengesetzter
die Morallehren nicht wiederholen; lediglich einzelne Wertvorstellungen und Verhaltensweisen, wobei
Eigenschaften werden mehrmals abgehandelt. die eine als die überlegene dargestellt wird. Auf
Obgleich dieser Tugend- und Lasterkatalog der dritten Stufe folgt die Lösung der Handlung,
scheinbar überzeitliche und für alle Menschen gültige bei der direkt oder indirekt die Lehre ausgespro-
Werte aufweist, hat Meißner zum einen im Hinblick auf chen wird. Als viertes Moment erscheint eine von
den Adressaten besondere Themen herausgestellt (z. B.
Schwatzhaftigkeit, Warnung vor schlechter Gesell-
der Fabel abgetrennte Lehre oder moralische Sen-
schaft) und zum anderen versucht, bestimmte Werte im tenz, die in diesem Falle in die Form einer Bei-
Hinblick auf den späteren Bürger und Untertan zu ver- spielgeschichte gekleidet ist: »Es ist wohl mög-
mitteln. So etwa heißt es in der Fabel »Die Stadt- und lich, daß Fritz fleißig lernt und willig folgt; aber
die Landmaus«: »Wünsche dir nicht das Leben im Ge- indem er es selbst erzählt, bringt er sich um das
tümmel der großen Welt! Sei vielmehr zufrieden mit ei- Lob seines Lehrers, um den Beifall seiner Gespie-
nem geringen Stande, sobald nur Sicherheit damit ver- len, ja selbst um den Glauben bei manchen Frem-
bunden ist.« (S. 18) An anderer Stelle warnt Meißner den. Denn er hätte warten sollen, bis andre ihn
vor der Rebellion gegen die Obrigkeit und stellt die rühmten.« (S. 70)
Nützlichkeit des Adels heraus: »Entzieht euch der
Pflicht gegen eure Obern nicht! Ihr könnt sie zwar durch
Neben dieser Form der dramatisierenden
eure Absonderung zu Grunde richten. Doch ihr Unter- findet man auch vielfach die der episierenden Fa-
gang bringt auch gewiß den eurigen zuwege!« (S. 310) bel, die den Sachverhalt breit erzählt und mit poe-
Der Anhang versammelt zwei Anekdoten nach tischer Ausschmückung versehen ist; ein Dialog
Stechisorus, in die jeweils eine Fabel eingeflochten ist, fehlt. Jedoch bedient sich Meißner auch bei dieser
sowie vier kurze Dialoge für Kinder, in denen ein Vater Form einer eigens angehängten Lehre in oftmals
seinem Sohn Fritz moralische Belehrungen anband von sehr umfangreicher, stets variierter Form - eine
Fabeln zuteil werden läßt. Diese Gespräche sollen Bei- Komponente, die nur im Hinblick auf seine In-
spielcharaktertragen und verdeutlichen, wie eine »Fa- tention zu verstehen ist, »am faslichsten und nüz-
bel mit einem leichten, unterrichtenden Gespräch zu
verbinden, und die Versinnlichung einer Sittenlehre da-
lichsten für iunge Leser« zu schreiben.
durch zu bewürken sei.« (Vorrede) Die moralische Sentenz erscheint bei beiden
Meißner hat die Fabeln teilweise stark bearbeitet Fabeltypen, typographischjeweils abgesetzt, stets
und seinen Intentionen angepaßt. Im Mittelpunkt steht als Epimythion. Drei Varianten können festge-
die Unterweisung des kindlichen Lesers. Entsprechend stellt werden: 1. ein Epimythion, das die Lehre ab-
hat er eine instruktive, klare und ausführliche Erzähl- strakt vermittelt, oftmals reimartig und in Anleh-
struktur gewählt. Die Handlung ist so gestaltet, daß die nung an ein bekanntes Sprichwort. 2. die bildhaf-
Einsicht des Lesers ohne Aufdrängung von Lehrsätzen te Form der Belehrung durch eine moralische Bei-
erfolgt, wenn auch diese Lehrsätze als Epimythien spielgeschichte, in der stets Kinder die hauptsäch-
durchgängig dem Fabeltext folgen.
lich Handelnden sind. Die moralischen Beispiel-
Meißner bedient sich durchgängig der bei- geschichten wiederholen exakt das Handlungs-
den Hauptvarianten der Fabel, der dramatisieren- muster der vorangegangenen Fabel. 3. eine Korn-
421 Voit, Zeitvertreib, 1793 422

bination von abstraktem Epimythion und einer zu- eben, um diese »in den so genannten Nebenstun-
sätzlichen Beispielerzählung, z. B. zur Fabel »Die den auf eine nützliche Weise« zu beschäftigen.
Mücke im Pallast« (S. 101 f.): »Glaube nicht des- (Vorrede,6. ungez. S.) Die Kinderseieninden Er-
wegen aller Gefahr entgangen zu seyn, wenn du ei- holungsstunden zahlreicher »Verführungen«
ner entfliehst. Durchs ganze Leben lauschen aus (Vorrede, 1. ungez. S.) ausgesetzt, denen es entge-
iedem Winkel her Unfalle auf denienien, der sei- genzuwirken gelte: »Wenn nunjunge Leute ihre
ner selbst vergißt. I Kar! hüpfte unvorsichtig und Lectionen gelernt, oder ihre Arbeiten für die
fiel. Ein tiefes Loch am Kopfe brachte ihn dem To- Schule gemacht haben; so stehet es ihnen gemei-
de nahe. Er genaß. Nun weiß ich doch, wofür ich niglich frey, wie sie die übrigen Stunden des Tages
mich hüten muß! sprach er; trank wenige Tage und der Nacht sogar hinbringen wollen. Ihre
nachher auf die Hizze; erkrankte von neuem und Wahl fällt, wie es die Erfahrung lehret, selten auf
mußte iezt ins Grab.« (S. 102) gemeinnützliche Dinge, sondern auf das Gegen-
Neben dieser im Hinblick auf den Adressa- tbeil davon; und daher siebet man mit Bedauern,
ten speziell abgefaßten moralischen Lehre finden daß viele junge Leute sich zum Müssiggange, zum
sich als weitere Besonderheit, die eine Erleichte- Spielen und Schwelgen verwöhnen, wodurch ihr
rung für das Verständnis des Lesers darstellen Privatfleiß erstickt, der Geist abgestumpft und
soll, zahlreiche Anmerkungen, die sowohl zu dem Herzen die schiefste und gefährlichste Rich-
Sachfragen als auch zu den dargestellten Werten tung gegeben wird.« (Vorrede, 2. ungez. S.) Es sei
und Verhaltensweisen Stellung nehmen und spe- zur Gewohnheit geworden, die Kinder bei Besu-
ziell für den Erzieher(» Wink an den Erzieher«) chen mitzunehmen; hierbei würden die Kinder
gedacht sind. leider häufig zu »Augen- und Ohrenzeugen der
Eine 2. Auflage des Werks erschien 1794, eine drit- Alten«, denn bei einem freundschaftlichen Besu-
te mit 159 Holzschnitten 1826 bei Fr. Fischer in Leipzig chethut man sich nicht gerne Zwang an, und thut
(Kayser). Rümann ( 1942) nennt den Titel in seinem Ka- und spricht zuweilen etwas, das Kinder freilich
talog alter deutscher illustrierter Kinderbücher unter nicht sehen und hören sollten« (Vorrede, 5. un-
der Nr. 259: ))Aesopische Fabeln für die Jugend. Nach gez. S.). Daher auch habe Voit sein Hauptaugen-
verschiedenen Dichtem gesammelt und bearbeitet. merk auf die nützliche Beschäftigung in den» Ne-
Neue mit 150 Holzschnitten versehene Ausgabe. Leip- benstunden « gelegt, »wo junge Leute entweder in
zig, im Magazinfür Literatur. o.J. (1791) 8.« Vermutlich
handelt es sich dabei um die bei Kayser erwähnte neue
Gesellschaft ihrer Eltern wöchentlich einen Be-
Ausgabe von 1826; die von Rümann vorgenommene such ablegen, oder mit ihren Cameraden wöchent-
Zuweisung 1791 ist offenbar unrichtig. lich einmal zu einer gesellschaftlichen Unterhal-
Der Erfolg des Werkes veranlaßte Meißner zu wei- tung zusammenkommen. In beiden Fällen kann
teren Fabelsammlungen. 1807 erschienen bei Duncker mein Zeitvertreib gebraucht und die Vorlesung ei-
und Humboldt in Berlin Hundert (Aesopische) Fabeln nes Stücks dazu benutzt werden, daß junge Leute
mit einem Titelblatt und 100 Holzschnitten von Gubitz, Uebungen des Verstandes, Gelegenheiten zur Be-
deren neue rechtmäßige Ausgabe 1816 im gleichen Ver- urtheilung des Inhalts und zur Selbstprüfung, Er-
lag herauskam. 1810, also posthum, wurden Meißners weckungen zu guten Gesinnungen, Aufmunte-
Fabeln für die Jugend, nach Aesop, Lebrün, Desbillons,
Engel, Lafontaine, Gay, Lessing, Lichtwehr, La Motte, rung zum Fleiß und zu christlicher Rechtschaf-
Pfe.ffel, Rabener, Richardson u. Andem mit 16 illumi- fenheit, u.s. w. erhalten, und gereizet werden,
nierten Kupfern bei Nauck in Leipzig veröffentlicht über berührte Gegenstände weiter nachzufor-
(Angaben laut Kayser). schen und nachzuschlagen, oder die gegenwär-
Köberle (1972, S. 96f.) gibt Meißners Fabellese tigen Gelehrten und Geschäftsmänner oder
vor anderen Sammlungen den Vorzug: ))Es sind Nach- Frauen um Rath zu fragen« (Vorrede, 6. ungez.
erzählungen von Fabeln der verschiedensten Verfas- S.).
ser[ ... ] in einfacher Sprache. Viele werden auf einen be- Mit seinen Erzählungen will Voit Vergleichs-
stimmten Fall angewandt. [ ... ] Wie diese Geschichte und Identifikationsmöglichkeiten schaffen hin-
zeigt, sind die Anwendungen nicht sehr überzeugend
und häufig laufen sie ganz auf die gewohnten morali- sichtlich der Lebensumstände der Leser: »Einzel-
schen Aufforderungen und Warnungen hinaus.« ne Stellen meines Buches, ich gestehe es ein, wer-
N./O.B. den sich auf diese oder jene Stadt, auf ein oder
das andere Institut, auf diese oder jene Person
u. s. w. deuten lassen, so wie ein idealisches Ge-
1793 mälde zuweilen auch von wirklichen Individuen
scheinet genommen zu seyn oder unter ihrem Na-
Johann Peter Voit (1747-1811):
men ins Publikum gebracht werden zu können,
Zeitvertreib für junge Leute wenn gleich Maler und Kupferstecher solche Per-
zur Beschäftigung in Arbeits/reyen Stunden. sonen nie gesehen haben: Was bestätiget aber die-
Nümberg 1793 ses anders, als daß die Menschen sich allenthal-
ben gleich sind, und daß man bei vielen allgemei-
Voit will mit seinem Zeitvertreib Kinder der »ge- nen Schilderungen eingestehen muß: Es ist ganz,
sitteren Stände« (Vorrede, 4. ungez. S.) anspre- wie bei uns.« (Vorrede, 11. ungez. S.)
423 Unterhaltende Schriften 424

Der Zeitvertreib enthält insgesamt 13 Erzählun- Schulmeisters Rapp, die dieser kurz vor seinem durch
gen, denen ebenso viele Kupfer beigefügt sind. Vorge- übermäßigen Alkoholgenuß verschuldeten Tod nieder-
stellt wird ein umfassender Kanon an Tugenden und ihr geschrieben hat. Das beigefügte Kupfer stellt eine
entsprechendes Gegenteil. Gleich in der ersten Erzäh- Tischgesellschaft vor, in der ein Mann, rittlings auf dem
lung »Die drey Schwestern« (S. 1-22) wird nach dem Stuhl sitzend, in offenbar angeheitertem Zustand den
Prinzip der Kontrastierung zunächst Susanna vorge- übrigen Anwesenden zuprostet. Darunter steht zu le-
stellt, die einen »rauhen Charakter« (S. 7) besitze und sen: »Der CandidatRapp präsentirt sich zur Hofmei-
sich ausschließlich für die Küche, nicht aber für andere ster Stelle«. Die Erzählung wird mit achtzehn »Anmer-
Arbeiten oder die Bildung des Herzens und Verstandes kungen« zum Thema Trunksucht abgeschlossen.
interessiere. Ihre spät geschlossene Ehe scheitert und sie In dem folgenden Text »Die seltenen Münzen«
selbst stirbtinfolge ihrer »Kaffeesucht«, die das ganze (S. 153-186) führt die Betrachtung verschiedener Mün-
Geld verschlingt, schließlich in ärmsten Verhältnissen. zen, die zu bestimmten Anlässen geprägt wurden, zur
Ihre Schwester Charlotte dagegen zeigt »zu nichts Lust, Diskussion religiöser Toleranz am Beispiel von Johan-
als zum Tanzen« (S. 6) und muß schließlich ebenfalls- nes Hus. Eine weitere Erzählung befaßt sich mit dem
Ergebnis der Einengung durch die »Schnürbrust« und Thema »Frühe Gewöhnung zur Unkeuschheit und zu
der» Tanzsucht« (S. 16)- sterben. Lediglich die mittlere wollüstigen Ausschweifungen« (S. 187-222). Berichtet
Schwester Ferdinande folgt dem Vorbild ihrer Mutter, wird von Franz Schrötter, der schon in sehr jungen Jah-
wird Kammerfrau bei einer Gräfin und Ehefrau eines ren zur» Unkeuschheit und Wollust« durch die Ehefrau
Pastors. Der Erzählung schließen sich 26 »Lehren« an, seines Paten, dem Regierungsadvokaten Pfiff verführt
die aus Sinnsprüchen und Sprichwörtern bestehen. Vor- wird. Unglücklicherweise kommt er »auf die Entdek-
angestellt ist dem Text ein Kupfer, das Ferdinande im kung eines Lasters, welches die Schamhaftigkeit zu nen-
Bett liegend und von ihrer Familie umringt zeigt. Dar- nen verbietet, in unserm weichlichen Zeitalter hingegen
unter steht zu lesen: »Ferdinande, wie Sie ihre Familie manche Schule berüchtigt gemacht und manche Erzie-
auf dem Sterbebette segnet.« hungsanstalt in der Blüthe wieder zernichtet hat« (S.
Die folgende Erzählung »Der redliche Bruder« 205). Die Folgen dieser Ausschweifungen zeigen sich
(S. 23-48) zeichnet das Leben des Kaufmannssohnes bald an Franzens Gesundheitszustand, er wird immer
August Müller, der durch Ehrlichkeit in seinem Beruf hinfälliger und stirbt schließlich bereits im Alter von 36
sowie durch Dankbarkeit und Wohltätigkeit gegenüber Jahren. Voit gibt an, die Erzählung sei »aus Franzens
Eltern und Geschwistern einen glücklichen und zufrie- hinterlassenen Papieren gezogen« (S. 220).
denen Lebensabend verbringen kann. Der Erzählung ist Hieran schließt sich ein Text an, der ein » Erneuer-
ein Anhang beigefügt, in dem die Kinder, denen die Ge- tes Andenken an des schwedischen Königs, Gustav
schichte erzählt worden ist, thematisch ähnliche kurze Adolph's Thaten im dreissigjährigen Kriege« beinhaltet
Beispiele anführen. In der folgenden Erzählung» Mut- (S. 222-245). Es geht dem Verfasser hier um eine Revi-
tersorgfalt für das Glück der Kinder« (S. 49-79) be- dierung des herkömmlichen Geschichtsbildes. Die elfte
handelt Voit die Folgen zu großer Verzärtelung in der Erzählung behandelt »Frühe Gewöhnung zur Diebe-
Kindheit und die einer unslandesgemäßen Heirat. Die rey« (S. 246-266), die dadurch erfolgte, daß »Tobias
Geschichte, die von »Frau Kindermännin« erzählt Rapsack, der Sohn eines wohlhabenden Fabrikanten zu
wird, führt zu Diskussionen und Kommentaren der C.« (S. 246), durch den Geiz seines Vaters dazu gezwun-
Kinder, wobei Briefe verlesen, Lieder gesungen und Ge- gen wurde, sich schon in früher Kindheit durch Dieb-
dichte vorgetragen werden. stahl Nahrungsmittel zu beschaffen. Er ernährt sich
Die vierte Erzählung trägt den Titel »Der reiche auch in seinem weiteren Leben auf diese Weise, bis er
Vetter« (S. 80-85) und berichtet von »Max Waghals«, schließlich überführt und hingerichtet wird.
einem Bierbrauer aus Franken, der in Amsterdam zu Die letzte Geschichte ist die umfangreichste von
Reichtum und Glück gelangt. Nach dem Tod seiner allen. Sie heißt: )) Die verschrieene und wieder zu Ehren
Frau hofft die Verwandtschaft auf ein reiches Erbe. Als gebrachte Dorfpfarrei« (S. 291-343). Sie erzählt von ei-
das Gerücht bekannt wird, Waghals habe ein zweites ner fleißigen, klugen und tugendhaften Frau, die den
Mal geheiratet, schicken die Anverwandten »Kaspar verwahrlosten Zustand einer Dorfpfarrei durch die Hei-
Stier«, einen Neffen nach Amsterdam: »Er fand den rat mit dem Pfarrer beendet. Dieser Erzählung scheint
Oheim seiner Frau wirklich in der zwoten Ehe und - Voit besondere Bedeutung beizumessen, da er sie aus-
worüber er fast in Ohnmacht sank- zwey Kinder im drücklich in seiner Vorrede erwähnt: )) Bei dem letzten
Hause.« (S. 82) Dennoch vermacht Waghals seinen Stücke bin ich mit Vorsatz weitläufig gewesen, weil es
Nichten und Neffen ein ansehnliches Erbe, das sie je- der Originale von schlechten Landpfarrern, besonders
doch unwirtschaftlich einsetzen und vergeuden. unter gewissen Herrschaften, noch heutiges Tages sehr
viele giebt. Und doch könnten diese Männer in ihrem
In der Erzählung »Die Spielgesellschaft« (S. 117- Wirkungskreise ungemein viel Gutes stiften, wenn sie
131) formuliert » Konrad Mehrgeld, ein wackerer Ta- weise und tugendhaft wären oder würden. Beides soll-
baksfabrikant zu Offenbach am Main« (S. 117), seine ten sie seyn; und dann fiele die ärmliche Klage über
Auffassung vom pädagogischen Wert des Spiels. Das einen schlechten Dienst weg, und bei einem guten würde
Spiel sei ein gutes Mittel, die Gemüter der Kinder ken- dann manches Pfarrhaus nicht mehr als ein Zech- Spiel-
nen zu lernen, »wenn sie ohne Zwang sich äussern dür- und H-Hausverschrieen werden.« (Vorrede 11. ungez.
fen und nicht aus Achtung gegen vornehme Zuschauer S.)
zuweilen zurücke halten und ihren wahren Charakter
verläugnen« (ebd.). Aus diesem Grunde lädt er Kinder
der Nachbarschaft zum Pochspiel ein. Er überrascht die Bei einer Vielzahl von Erzählungen fällt die
Spielgesellschaft nach geraumer Zeit in Streit und Rau- Thematisierung des materiellen Aspekts auf. So
ferei. Die siebente Erzählung »Frühe Gewöhnung zum werden in der Erzählung )) Der redliche Bruder«
Trunke« (S. 132-152) enthält die Lebensbeichte des die Vermögensverhältnisse detailliert dargelegt,
425 Voit, Zeitvertreib, 1793 426

andererseits sparsame Haushaltsführung und Felix(derVaterder Braut, d. Red.) kein 16 Ahnen


Wirtschaftlichkeit insbesondere als lobenswerte aufzuweisen hatte; so verschmähete doch nicht
Tugend hervorgehoben (13. Erzählung). Der ho- leicht ein Stifts- und tumiermässiger Ritter die
he Wert des Geldes wird auch in der Namensge- Liebe eines wackem Bürgermädchens, welches
bung deutlich, wenn die Personen beispielsweise ein Paar Millionen im Vermögen hatte und wenig-
»Mehrgeld« und »Kaufgem« heißen. Letzterer stens eine halbe Million zur Mitgift bekam.« (S.
unterhält sich mit seinen Kindem über den Wert 96) Durch das gesamte Werk zieht sich leitmoti-
einer Münzsammlung, wo es u. a. heißt: »Ich lie- visch die Betonung und Thematisierung von Er-
be currente Münze, fleissigen Umsatz derselben ziehungsmethoden und ihrem hohen Wert für
und sichere Capitalien« (S. 157). Hierauffolgt als späteres Handeln. Schon in den Überschriften
Antwort: »Auch ich glaube, daß ein Privatmann wird dies deutlich, wenn von früher Gewöhnung
nicht wohl daran thue, einen großen Theil seines »zur Unkeuschheit« oder »zur Dieberey« die Re-
Vermögens in ein solches todtes Capital zu ver- de ist. Die Erzählung »Frühe Gewöhnung zum
wandeln; es kömmt selten auf einen dritten Er- Trunke« befaßt sich ausführlich mit den Ursa-
ben.« (ebd.) Ein weiteres, häufig angesprochenes chen für die Trunksucht des Schulmeisters Rapp.
Thema, das eng mit dem materiellen Aspekt ver- Diese haben in der Angewohnheit seines Vaters
knüpft ist, betrifft die Nachteile von Eheschlie- gelegen, ihn stets vom Kommunionswein kosten
ßungen zwischen Angehörigen des Adels und des zu lassen, wie auch darin, daß auch sein Großva-
Bürgertums. Die Erzählung »Muttersorgfalt für ter ihm täglich zu den Mahlzeiten und abends als
das Glück der Kinder«, berichtet von der » Kanz- »Schlaftrunk« Wein gegeben habe. So habe er
leyräthin Fuchs«, die einen Brautwerber mit den dann als Chorknabe seine Zeit in »den bekannten
Worten »Meine Tochter gebe ich an keinen Bür- Bier- und Weinhäusem« zugebracht und sei als
gerlichen« (S. 55) abschlägig bescheidet. Um sie Student gänzlich dem »Trinken und Spielen« ver-
adelig zu verheiraten, begibt sie sich mit ihrer fallen. (S. 130) In der Erzählung »Die reiche
Tochter nach Frankfurt. Jedoch »wollte von den Muhme« wird ein umfassendes Programm zur
vielen Adelichen, die sich in Frankfurt theils für Mädchenerziehung geboten. Hier berichtet eine
beständig aufhalten, theils, gleich den Strichvö- ehemalige Schülerin von dem Tagesablauf im
geln, das ganze Jahr hindurch ein- und ausziehen, Hause ihrer Erzieherin: »Ihr Haus glich einer Ka-
keiner mit der Ehelichung der Mamsell Fuchs pelle. Den ganzen Tag hindurch herrschte Zufrie-
Ernst machen.« (S. 55) Daraufhin begeben sie denheit und Stille in demselben. Des Morgens
sich nach Wiesbaden, wo »ein gewisser Herr von versammelte sich die Hausgesellschaft zum Ge-
Schmelzer<< (ebd.) sich als ernsthafter Bewerber sang und Gebet; die Tante wählte Lieder; ich
ausgibt und die Tochter schließlich auch heiratet. spielte den Flügel und sang mit den andem Haus-
Doch sind seine Absichten nur auf das Vermögen genossen; nach dem Gesang betete die Tante und
gerichtet, um das er Mutter und Tochter betrügt. gewöhnte uns durch Beyspiele an das Gebet des
An diese Erzählung schließt sich eine Diskussion Herzens; hierauf ward ein von ihr ausgewähltes
unter den zuhörenden Kindem an. Hier sagt ein Kapitel der Bibel oder eine Betrachtung aus ei-
Mädchen: »Es klingt freilich sehr schön, wenn nem der besten Erbauungsbücher damaliger Zeit
man gnädige Frau tituliert und von einer Kam- gelesen; nachher gefrühstückt und darauf frisch
merjungfer bedient, von anderen Bedienten ver- zur Tagesarbeit gegriffen. Eine der Basen war Kö-
ehrt und von einem eigenen Kutscher, der an- chin; eine andere Einkäuferin; eine dritte Haus-
spannen muß, wenn man will, geführet wird, wo- meisterin« (S. 105f.). Der Unterricht, den die
hin man nur will: Inzwischen gerathen die Ehen Schülerinnen erhalten, umfaßt Religion, Zeich-
selten, wie man mir versichert hat, wenn Personen nen, Rechnen, Erdbeschreibung und Weltge-
ungleichen Standes zusammen heirathen. Der schichte. Sodann erhalten sie Tanzunterricht und
Edelmann freiet gewöhnlich nur alsdann um eine werden »in Frauenzimmerarbeiten jeder Art, in
Bürgerliche, wenn er von deren Geldem entweder der Haushaltskunst, in Französischen und Italie-
schmelzen oder seine Schulden bezahlen will.« nischen« unterrichtet (S. 106). In der letzten Er-
(S. 63) Daraufhin singt Nanette ein Lied: »Der zählung wird in umfassender Weise über die Fol-
Junker Ahnenstolz vom Lande I Freit eine aus gen einer umsichtigen Erziehung berichtet. Nicht
dem Bürgerstande. I Das kann nicht seyn. I Die nur, daß die neue Pfarrfrau ihre Kinder erzieht,
Braut hat hundert tausend Gulden, I Damit be- sie veranlaßt darüber hinaus ihren Mann dazu,
zahlt er seine Schulden. I So geh' ich's ein.« (S. sein Pfarramt gewissenhafter auszuüben und
63f.) Schüler zu nehmen. Hierzu heißt es: »Der erste
In der Erzählung »Die reiche Muhme« wird Versuch in der Erziehlungskunst gelang über alle
das Thema Adel-Bürgertum noch einmal aufge- Erwartung, so, daß sich der Ruf davon weit ver-
griffen. Eine projektierte Heirat zwischen einer breitete, und Kostmanns Haus, bis er sechzig Jah-
Bürgerlichen und einem Grafen, die jedoch durch re alt ward, nie von Kostgängern leer und dadurch
den plötzlichen Tod der Braut nicht zustande wieder manches Stück Geld verdienet ward: Sei-
kommt, wird so begründet: »Wiewohl nun Herr ne Wohnung war ein wirkliches Philanthropin, ehe
427 Unterhaltende Schriften 428

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Neue Bilder Gallerie für junge Söhne und Töchter zur angenehmen und nützlichen Selbstbeschäftigung
aus dem Reiche der Natur, Kunst. Sitten und des gemeinen Lebens, Bd. 1-15.- Berlin 1794-1812 (Nr.
623). Titelblatt von Band 1
429 Neue Bilder Gallerie, 1794-1812 430

noch Basedow in den neuern Zeiten das Ideal ei- führungen oder als Erläuterungen zu den einzel-
nes Philanthropins entwerfen konnte.« (S. 31 0) nen Bänden gedacht. Vielmehr finden sich hier
H. Hinweise auf Angelegenheiten der Pränumera-
tion (Bd. 2) oder z. B. die Ankündigung eines al-
phabetischen Sachregisters am Ende des Bandes
(Bd. 6). Neben solchen allgemeinen Angaben fin-
1794-1812 den sich programmatische Äußerungen über die
Hauptintention des Werkes, im Sinne der Aufklä-
Neue Bilder Galleriefor junge Söhne und rung belehrend und unterhaltend zu wirken. An
Töchter zur angenehmen und nützlichen mehreren Stellen wird betont, daß das Werk sich
Selbstbeschäftigung aus dem Reiche der auf Ergebnisse der großen Forschungsreisenden
Natur, Kunst, Sitten und des gemeinen wie Humboldt (Bd. 9) oder Isaak Welds (Bd. 10)
Lebens. Hrsg. von Johann Daniel Rumpf stützt. Weiter werden Namen wie Riedesel, Son-
nerat und Sulzer genannt (Bd. 8). Aus dem ge-
(1 766-1839) und Carl Lang (1 766-1822).
steckten Rahmen, »für eine höchst mögliche Un-
15 Bände. terhaltung« (Bd. 8, S. IV) zu sorgen, fällt ein Bei-
Berlin 1794-1812 trag »von dem alten Deutschlande« ausdrücklich
heraus, der »nicht auf Unterhaltung, sondern
Für die Autorenschaft der einzelnen Beiträge gibt bloß auf die Belehrung berechnet ist«. Dieser et-
es wenig konkrete Hinweise. Wegen der fundier- was ungewöhnliche Aufsatz, der zum überwie-
ten Kenntnisse, die den vielfältigen Themen und genden Teil aus einer Ansammlung von histori-
den Ausführungen über ethnologische oder schen Fakten über germanische Völkerstämme
naturwissenschaftliche Phänomene zugrunde lie- besteht, soll die Leser »mit den einzelnen Völker-
gen, kann davon ausgegangen werden, daß eine schaften und deren Standpunkten in unserm Va-
Vielzahl von Verfassern an den einzelnen Aufsät- terlande etwas spezieller bekannt machen« (Bd.
zen mitgewirkt hat, z. T. in der Weise, daß entspre- ll ).
chende einschlägige Werke benutzt und bearbei-
tet wurden. So wurde z. B. von dem schwedischen Das insgesamt 15 Bände umfassende Werk ent-
hält Beiträge aus fast allen Gebieten menschlichen Wis-
Naturforscher Linne ein Beitrag über die Ord-
sens, die in lockerer Form ohne erkennbare Systematik
nung der Nachtvögel übernommen. (Bd. 8, aneinandergereiht sind. Es ist zu vermuten, daß durch
S. l95ff.). Auch ein Gedicht Gleims an Geßner dieses Prinzip der Unsystematik ein größeres Interesse
hat Eingang in das Werk gefunden. (Bd. l 0, S. 90) bei den Jugendlichen Lesern erzeugt werden sollte,
Dies ist jedoch eine Ausnahme, Lyrik findet sich denn es finden sich z. B. in Band 1 neben sachlich darge-
sonst nicht in dem Werk. Wahrscheinlich hat stellten Wissensstoffen aus Botanik (Die Pfefferstaude,
auch Carl Lang, der Illustrator und Herausgeber S. 113) und Zoologie (Die kanadische Fischotter,
mehrerer Bände, an der Textgestaltung mitge- S. 114)eine BeschreibungderTürken (S. 62ff.)und Ne-
wirkt. Er zeichnete häufig mit dem Pseudonym C. ger (S. 244 ff. ), ein Aufsatz über das Gold (S. 277 ff.) und
den Menschen (S. 287ff.), daneben als geschichtlicher
A. Hirschmann. Die Beiträge, die aus anderen
Stoff die Entdeckung Amerikas, eine Darstellung der
Werken übernommen wurden, scheinen in einer »vornehmsten Götter der Fabel« (S. 375ff.) und
Art Endredaktion entsprechend den eigenen In- schließlich eine Abhandlung über die Baukunst (S.
tentionen überarbeitet worden zu sein. »Sie [die 400ff.), die Bildhauerkunst (S. 415 ff.) und die Malerei
Verfasser] hofften, durch die Art der Bearbeitung (S. 421 ff.). Diese aus einem Band herausgegriffenen Ti-
nicht nur nützliche Kenntnisse zu verbreiten, son- tellassen zugleich das Prinzip der Mannigfaltigkeit er-
dern auch [ ... ] Sinn und Begierde für dieselbe zu kennen, das dem Gesamtwerk zugrunde liegt. Insge-
wecken.« (Bd. 7, S. Illf.) samt erfaßt das Spektrum der Themen noch viele weite-
Das Werk ist bezüglich seiner Adressaten- re Gebiete aus Natur, Geschichte, Wissenschaft und
Gewerbe. Kulturgeschichtlich interessant sind u. a.
gruppen nicht starr festgelegt: Als Leser wird in
auch die Beschreibungen von Berufen bzw. Tätigkeiten
Bd. 3 »die reifende Jugend« angesprochen. Da- wie denen des Töpfers oder des Bergmanns. Geschicht-
bei haben sich die Verfasser »ebenso wenig auf lich und politisch aktuelle Bezüge treten hervor in Bei-
ein bestimmtes Alter als ein gewisses Maaß von trägen über die amerikanische Revolution oder die Zer-
Verstandesvermögen der Jugend eingeschränkt«. störung der Bastille (beide Bd. 4). Nur wenige Themen-
Sie betonen, daß die Aufsätze in ihrem Schwierig- bereiche ziehen sich durch mehrere Bände (z. B. China,
keitsgrad verschieden sind, um »dem Bedürfniß Bd. 9, Bd. 12 und Bd. 15). Ein ständig wiederkehrendes
einer Jugend von verschiedener Reife des Ver- Thema mit immer neuen Variationen ist jedoch der
standes« gerecht zu werden (Bd. 3). Es muß aber Mensch. Neben moralisch-aufklärerischen Beiträgen
wieetwa » Dersittlich große Mensch« (Bd. l, S. 432ff.)
grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß
stehen naturwissenschaftliche Begriffe wie »Der
bei den intendierten Lesern ein hohes Maß an Mensch nach seiner thierischen Natur« (Bd. 1,
Grundwissen vorausgesetzt wird, denn das Ni- S. 287 ff.), während in einer Abhandlung mit der Über-
veau der Beiträge ist im allgemeinen hoch. schrift »Vom Nutzen, den die Kenntniß der Natur über-
Die Vorreden sind nicht als allgemeine Ein- haupt gewährt« (Bd. 9, S. 299ff.) dargelegt wird, daß
431 Unterhaltende Schriften 432

die Betrachtung der Natur zur Erkenntnis der Unend- tät ihrer Darlegungen, die sie als »Bearbeitung« be-
lichkeit und Vollkommenheit ihres Schöpfers führe, zeichnen, damit zu bekräftigen. Sie betonen, sie hätten
dessen weiser Führung sich der Mensch anvertrauen sich Mühe gegeben, »den Stoff dazu aus größern und
könne (ebd., S.'317). zum Theil seltenen Werken zusammenzutragen, die
Die ausnahmslos handkolorierten Kupfertafeln nicht in jedermanns Händen sind« (Vorrede Bd. 7). Was
sind ein wesentlicher Bestandteil dieses Werkes. Die die Illustrationen betrifft, so folgt aus der häufig prakti-
einzelnen Beiträge werden also -bis auf wenige Sach- zierten Methode des Kopierens, daß oft nicht der Zeich-
beiträge mit abstrakten Inhalten- durch visuelle Infor- ner, sondern nur der Stecher genannt ist (dies auch nicht
mationen ergänzt. Die Kupfer sollen durch »Selbstan- immer). Es ist, vor allem in den späteren Bänden, mei-
schauung« die Inhalte verständlicher machen, denn stens C. A. Hirschmann als Pseudonym für Kar! Lang.
»ohne alle Anschauung aber wird die Naturkenntniß, Als Zeichner signiert in den Bänden 1-4 verschiedent-
was sie unter allen Kenntnissen am wenigsten seyn soll- lich Krüger jun. (unter einigen Stichen mit dem Ver-
te, ein leerer Wortkram« (Vorrede Bd. 5). Weiter heißt merk: »nach der Natur gezeichnet«), in den Bänden 5
es dort: »Wir glauben also, der Jugend einen nicht ge- und folgenden Guimpel. Als Stecher sind folgende Na-
ringen Dienst zu erzeigen, wenn wir derselben die merk- men zu finden: Meno Haas, Ludwig Schmidt, L. Seru-
würdigsten Naturkörper in treuen Abbildungen, die rier, L. Hoop, F. W. Hack. Lang (Pseud. Hirschmann)
nach den besten Urbildern in kostbaren und seltnen zeichnet oft mit »fec.«, hat also die Kupfer sowohl ent-
Werken gezeichnet und gemahlt sind, hier in die Hände worfen als auch gestochen. Die Schrift auf den Titelblät-
liefern. Die Schönheit der Kupfer wird hoffentlich ihre tern aller Bände wurde von Jättnig gestochen.
Wißbegierde reizen: sie wird die Menschen, Thiere,
Pflanzen, oder Gegenstände der Künste, die sie hier ab- Ziel der Autoren ist es, mittels der »Natur-
gebildet findet, näher kennen zu lernen wünschen, und kunde« ein aufgeklärtes Verhältnis zu Naturphä-
sie wird diesen Wunsch durch den beigedruckten Text nomenen zu erlangen. Naturkunde wird verstan-
leicht befriedigen können.« (ebd.) den als übergeordneter Begrifffür Naturbeschrei-
Dient die »Schönheit der KupfeN, die auch den bung, Naturgeschichte und Naturlehre oder Na-
heutigen Betrachter noch fasziniert, vor allem der Moti- turwissenschaft (Vorrede Bd. l ). Im Sinne des Bu-
vierung der jungen Leser zum Studium des Buches, so
sind die Abbildungen darüber hinaus auf Grund ihrer
ches soll die Betrachtung und Kenntnis der Natur
Sachlichkeit und Genauigkeit im Detail von hohem in- der »geistigen und sittlichen Bildungjunger Leser
formativen Wert. Die Qualität der Illustration ist dem und Leserinnen« dienen. So heißt es: »Sie (die
Verleger, der sich für die Gestaltung des Werkes verant- Naturkunde) wird dich vor Aberglauben bewah-
wortlich fühlt, wichtiger als Quantität, und er glaubt, ren, indem sie die richtige Begriffe von Kometen,
hier auch im Interesse seiner Leser zu handeln: »Der Irrlichtern, Nordlichtem giebt, die deine falschen
Verleger glaubte, daß den Liebhabern dieses Werkes Vorstellungen vom Einhorn, Drachen und Kra-
vorzüglich schöne Kupfer in geringerer Anzahl ange- ken nehmen.« (Vorrede Bd. I)
nehmer seyn würden, als eine größere Menge von mit-
In Bd. 5 geht der Verfasser des Vorwortes
telmäßigen Abbildungen.« (Vorrede Bd. 2)
noch einen Schritt weiter, wenn er schreibt:
Was die Zahl der Kupfertafeln betrifft, so sind es,
wenn man das jedem Band beigegebene Frontispiz und
»durch die Kenntniß der Natur und Umgang mit
das ebenfalls mit einem kolorierten Kupferstich ge- Naturerzeugnissen macht sich der Mensch die Er-
schmückte gestochene Titelblatt mitzählt, in der Regel de unterthan«. Dieses Ziel soll mit Hilfe der Na-
20 Tafeln je Band, in den ersten 6 Bänden oft einige turkunde erreicht werden: »täglich erweitern wir
mehr, bis zu 28 Tafeln im ersten Band. Insgesamt erge- durch ihre Hülfe unsere Herrschaft über die Erde,
ben sich (außer einer Karte auf einem Faltblatt) 313 Ta- und machen uns das Daseyn auf derselben ange-
feln. nehmer und zweckmäßiger.« (ebd.) Die Autoren
Größere Schwierigkeiten bereitet die Zählung der sind sich zwar dessen bewußt, daß der Mensch
Abbildungen, von denenjede Tafel gewöhnlich mehre- bisher nur einen Bruchteil der Naturphänomene
re zeigt. In einigen Fällen ist die Zahl der Abbildungen erforscht hat, denn »das Reich der Natur ist uner-
für den betreffenden Band exakt angegeben, so z. B. 151
Abbildungen in Band I oder 146 Abbildungen in Band
schöpflich« (Bd. 9), doch sind sie von einem all-
2. Die Titelblätter von Band 3 und 4 nennen runde Zah- gemeinen Fortschrittsoptimismus erfüllt: »So nä-
len ( 150 bzw. 160 Abb. ), die tatsächliche Zahl ist jedoch hert sich der Mensch dem Punkt seiner höchsten
beide Male geringer. Band 5 verzichtet auf die Zahl der möglichen Ausbildung«. (ebd.)
Abbildungen und gibt nur 20 Tafeln an, in Band 6-10 Die allgemeine Intention der Autoren, ein
heißt es stereotyp »mit 150 Abbildungen«, während die Stück praktischer Aufklärung zu leisten, läßt sich
Zahl tatsächlich stets abnimmt bis auf 58 Abbildungen besonders gut ablesen an der Art und Weise, wie
in Band I 0. Alle folgenden Bände geben dann jeweils sie sich der damals nochjungen Wissenschaft der
nur die Zahl der Kupfertafeln an, mit Ausnahme von Geographie bedienen. Geographie wird von den
Band 14, wo es wieder heißt: »mit 150 Abbildungen«
(tatsächlich 85).
Vertretern der Aufklärung verstanden als eine
Schilderung naturgeographischer Verhältnisse
Was die Herkunft der Kupferstiche betrifft, so
sind sie - wie der Stoff der Bände überhaupt - wohl unter Einbeziehung naturgeschichtlicher Ele-
überwiegend aus für die einzelnen Wissensgebiete kom- mente und kann daher auch so verschiedene Ge-
petenten zeitgenössischen Werken entlehnt worden. genstandsbereiche wie Flora, Fauna, Naturgeo-
Die Autoren der Neuen Bilder Galleriebekennen sich graphie und historische Ereignisse umfassen.
daher offen zu diesem Prinzip, wohl auch, um die Quali- Dieses Geographieverständnis ist geprägt vom
433 Neue Bilder Gallerie, 1794-1812 434

Gedanken der Einheit von Mensch und Natur, Vorteil der erstem zu entscheiden.« (Bd. 1,
und zwar in dem Sinne, daß geographische Phä- s. 447)
nomene das Verhalten des Menschen prägen: In Bd. 9 schließlich wird der allgemeine Sinn
»Der Mensch ist kein unabhängiges Wesen, er menschlichen Lebens erläutert: ))Der Zweck des
steht mit allen Elementen der Natur, mit vielen menschlichen Daseyns ist Weiterrücken zur Voll-
andern äußern Verhältnissen in Verbindung; er kommenheit«, denn der Mensch sei nur darum
lebt vom Hauche der Luft, wie von den verschie- zum Bewohner dieser Erde erschaffen und mit
densten Speisen und Getränken der Erde; er wird fünfSinnen begabt worden, damit es dem Weltall
durch Erziehung, Gewohnheit und Gesetze gebil- auch in diesem Teile der Schöpfung nicht an ei-
det«. (Bd. 1, S. 294) In Bd. 2 wird derVersuch un- nem vernünftigen Wesen mangle, das die Voll-
ternommen nachzuweisen, daß Berglandschaften kommenheiten des Urhebers bewundern könne.
dem Menschen ein hohes Bewußtsein von Frei- (S.299)
heit vermitteln. Dies wird damit begründet, daß Die zahlreichen historischen Beiträge wei-
entgegen der vielfach vertretenen Ansicht, Berg- sen mit geschichtlichen Daten nach, daß der Stän-
luft sei ungesund, eben diese raube Bergluft be- destaat kein naturwüchsiger Zustand ist, sondern
sonders starke und regsame Menschen hervor- daß sich dieser erst im Laufe eines historischen
bringe im Gegensatz zu den weichlichen und trä- Prozesses gebildet hat. In dem Beitrag )) Das alte
gen Menschen der Ebene. )) Daher kommt's, daß Deutschland« (Bd. 4, S. 314 ff.) wird die Entwick-
unter den dreizehn Unterjochungen des obern lung des Adels, des Bürgertums und des Bauern-
Asiens, elf von seinen nördlichen Bergvölkern tums aus den historischen Bedingungen heraus
herrühren.« (Bd. 2, S. 12) Auf der anderen Seite erklärt und begründet: ))Hierdurch werden Sie
wird auch erläutert, daß die Bergwelt die Erhal- am sichersten den Maasstab kennen lernen, nach
tung der Freiheit erleichtert: ))je höher und un- welchem Sie die Vorzüge zu beurtheilen haben,
fruchtbarer die Berge sind, desto schwieriger ist es die unsere bürgerliche Verfassung den verschie-
für den Feind, Kriegsvorrathund Nahrungsmittel denen Ständen erteilt hat, und Sie werden zu-
mit sich zu führen, und den angegriffenen Berg- gleich belehrt werden, die Zufälligkeit der Ge-
mann in seinen Klüften zu verfolgen. Daher burth nicht in hohen Anschlag zu bringen.« Die
kommt's, daß die Römer Britannien eroberten, Emanzipation des Bürgertums wird als histori-
ohne daß es ihnenjemals gelang, ihren Adler sieg- scher Prozeß angesehen: Der Adel habe seine Pri-
reich in den schottischen Gebirgen prangen zu vilegien aus den zahlreichen Kriegen gewonnen
lassen.« (Bd. 2, S. 15) Als ein weiteres Beispiel und den herrschenden Fürsten abgetrotzt. Je-
wird die Schweiz aufgeführt, die sich im Laufe der doch: ))der Geist der Fehde und des Krieges ist
Geschichte ihre Unabhängigkeit ebenfalls be- nunmehr von dem Geist der Wissenschaft und
wahren konnte. (Bd. 2, S. 15 f.) Talente verdrängt worden. Der Edelmann mußte
Der Einfluß der Rousseauschen Philosophie Tugenden seiner Zeit (Mut und kriegerische
ist unverkennbar, wenn es heißt: ))Der Mensch ist Tüchtigkeit) in sich vereinigen, um Edelmann
von Natur aus gut; d. h. die ursprünglichen Anla- werden zu können.« Die Frage des Autors lautet
gen, Fähigkeiten, Kräfte und Triebe des Men- nun: ))Und was darfman vom Edelmann desjet-
schen sind in ihrer Quelle rein; er will nie das Böse zigen Zeitalters erwarten?« Die Antwort ist be-
um des Bösen willen, sondern wenn er es will, so reits vorweggenommen: Der Mensch soll durch
geschieht es aus Unwissenheit, Kurzsichtigkeit, Vernunft zur sittlichen Vollkommenheit und Aus-
Gedankenlosigkeit, Uebereiferung, Verwöh- bildung aller Kräfte gelangen. Die so verstandene
nung, aus Vorortheilen und Aberglauben.« (Bd. Emanzipation bedeutet für die Autoren jedoch
I, S. 446) Diese These wird im Sinne des aufkläre- nicht eine Änderung bestehender Macht- und
rischen Deismus folgendermaßen begründet: Herrschaftsverhältnisse; sie basiert auf der Ver-
))Wollte man obigen Satz: Der Mensch ist von breitung der Idee von Freiheit und Gleichheit al-
Natur gut, bezweifeln, so würde man den Urheber ler Menschen.
unsers Daseyns lästern, der nach seiner Weisheit Die Begriffe Freiheit und Gleichheit sind
und Güte ohnmöglich den zur Sittlichkeit be- den Autoren keine Leerformeln. Am Beispiel der
stimmten Menschen mit moralisch bösen Eigen- Lebensart anderer Völker- wie etwa der Kosaken
schaften schaffen konnte.« (S. 446f.) Daß aber -sollen die Intentionen der Autoren klar werden:
nur wenige Menschen ))aus Grundsätzen gut )) Da sie solebergestalt alle geborne Soldaten, und
handeln«, liegt nach der Aussage des Buches an zugleich alle freie Leute sind, so lassen sie keinen
ihrer Erziehung, denn ))man versäumt zwar nicht, Unterschied des Standes, namentlich keinen erb-
der Jugend gute Grundsätze vorzusprechen, aber lichen Adel unter sich zu, sonden sehen sich un-
man verfehlt, sie der Vernunft mit Überzeugung tereinander sämtlich für Brüder an, die mit glei-
darzustellen und ihren Einfluß auf Herz und Ge- chen Rechten geboren sind« (Bd. 4, S. 343). Die
sinnung zu leiten. Sie sind nur ein unfruchtbarer Idee der Gleichheit wird allen Menschen der Welt
Schatz für das Gedächtniß, und nicht stark genug, unabhängig von ihrer Rasse zugebilligt, und ein
den Kampf der Vernunft und Sinnlichkeit, zum Privileg der weißen Rasse auf Herrschaft über
435 Unterhaltende Schriften 436

r. V-.

Neue Bilder Gallerie for junge Söhne und Töchter zur angenehmen und nützlichen Selbstbeschäftigung
aus dem Reiche der Natur, Kunst, Sitten und des gemeinen Lebens, Bd. 1-15. - Berlin 1794-1812 (Nr.
623). Band 1 (1794), Taf X/1
437 Sittenlehre in Fabeln, 1794 438

farbige Völker wird bestritten. In ihrer Begrün- darfman sich natürlich keine hohen Begriffe ma-
dung für ihre Auffassung gehen die Autoren auf chen. Die Kirgisen bekennen sich zwar zur muha-
eine bis dahin verbreitete These ein, die mongoli- medanischen Religion; doch fast nur in so fern,
schen Völkerschaften und die Neger hätten einen als sie ihre Speisen nach den Vorschriften dersel-
anderen biblischen Stammvater als die weiße ben einrichten.« (Bd. 6, S. 30) Kritik scheint dage-
Rasse. Dagegen wird geltend gemacht, daß das gen durch, wo - im abendländischen ebenso wie
Recht auf Herrschaft überVölkermit einem ande- im fernöstlichen Bereich -von Machtstrukturen
ren biblischen Stammvater von dieser Theorie innerhalb religiöser Institutionen die Rede ist:
nicht abgeleitet werden könne, denn dann stehe »Die Iamaischen Priester leben in einer eben so
auch das Recht auf persönliche Freiheit bei den vollkommneo Unterwerfung unter einander, und
Angehörigen europäischer Völker auf sehr sind eben so abhängig von ihrem nächsten Ober-
schwachem Grunde, »wenn jeder von uns, um prieser wie die katholischen.« (Bd. 6, S. 52) Im
Angriffe darauf zu entkräften, erst seine Abstam- Sinne der Aufklärung wird der rationale Versuch
mung von Adam darzuthun hätte« (Bd. 6, S. 7). einer historischen Begründung für religiöses Ver-
Vielmehr wird entsprechend der Weltanschauung halten gemacht. Vom kulturellen Entwicklungs-
der Aufklärung das Recht auf Freiheit auf die stand eines Volkes wird der Stand seines religi-
Vernunftbegabung aller Menschen gegründet ösen Bewußtseins abgeleitet nach dem Grund-
und als ein Naturrecht hingestellt: »Der wahre satz: Je höher das kulturelle Niveau eines Volkes,
Grund der menschlichen Freiheit [ ... ] beruht kei- desto höher ist auch sein Abstraktionsniveau in
neswegs auf angeerbten Stammvorzügen, son- der Religion- von der Vielgötterei bis zum Glau-
dern auf der zum Wesen der Menschheit gehöri- ben an das Leben nach dem Tode.
gen Vernunftfähigkeit, vermöge deren jeder Die im Vorwort ausgesprochene Intention,
Mensch ein Gesetz für seine Handlungsweise in Vorurteile und Aberglauben abzubauen durch
seinem Innersten, in dem Heiligthume seines Ge- vermehrtes Wissen auf allen Gebieten, durchzieht
wissens, mit sich führt, und vermöge derer er im das ganze Werk. Das unterhaltende Moment
Stande ist, sich selbst Zwecke auszuwählen, die er kommt dabei nicht zu kurz. Mit seinen weitaus-
durch seine Thaten zu erreichen sucht.« (Bd. 6, greifenden Sachgehalten ist das Gesamtwerk den
S. 7 f.) Die völkerkundlichen Beiträge haben bedeutenden enzyklopädischen Aufklärungswer-
denn auch das Ziel, Vorurteile abzubauen. Um ken für die Jugend jener Zeit zuzurechnen.
die Herrschaftsansprüche der Weißen zurückzu- Vgl. Brüggemann/Mattusch (1979). P./B.
weisen und ihre Rechtmäßigkeit zu widerlegen,
werden die wesentlichen Ergebnisse der For-
schungen des Pallas, eines Naturforschers jener
Zeit, über die mongolischen Völkerschaften den
1794
jungen Lesern mitgeteilt, »nicht bloß um ihre Sittenlehre in Fabeln und Erzählungen for
Wißbegierde zu vergnügen, sondern auch um ihr die Jugend. Mit Kupfern von J. R.
sittliches Gefühl vor einer Ungerechtigkeit zu be- Schellenberg (1740-1806). Nebst einer
wahren« (Bd. 6, S. 8).
Das Bemühen der Autoren geht allgemein
Abhandlung über die Frage: Sind die Fabeln
dahin, kein Klischeebild anderer Völker zu ver- eine Uebungfor Kinder, oder sind sie es
mitteln. In einem Aufsatz über die Russen in Bd. nicht?
8, S. 260 ff. wird z. B. ausdrücklich darauf hinge- Winterthur 1794
wiesen, daß die » Kenntniß aber, welche man von
der Lebensart, den Sitten, Gebräuchen, Beschäf- Die Sittenlehre in Fabeln und Erzählungen wen-
tigungen dieser Nation« habe, sich auf die Haupt- det sich an Kinder von ca. acht bis zwölf Jahren
städte Rußlands beschränke; wolle man aber (»Sind die Fabeln eine Uebung für Kinder, oder
über die ganze Nation der Russen berichten, er- sind sie es nicht?«, S. XXXI); an anderen Stellen
gebe sich ein anderes Bild: »In den Landstädten, wird das Lesealter mit zehn bis zwölf bzw. mit
fern von den Hauptstädten und auf dem Lande, acht bis zehn angegeben (S. VI bzw. S. XIII). In
haben sich der beträchtlich gemilderten Sitten diesem Alter waren auch die Kinder des Autors,
und Aufklärungen ohnerachtet, die väterliche Le- für die die Fabeln ursprünglich bearbeitet worden
bensart, der National-Charakter, Geschmack waren. Gleichzeitig will das Buch Eltern eine An-
u. s. w. völlig erhalten.« (Bd. 8, S. 260) regung und Erziehungshilfe sein; der Autor
In Fragen der Religion sind die Beiträge, die schreibt zum Schluß seiner Vorrede, er wolle »mit
allgemein in einem sachlich-beschreibenden Ton gegenwärtiger Fabelsammlung Vätern und Kin-
gehalten sind, vom Geist der Toleranz getragen, dern kein ganz überflüssiges Geschenk« machen.
wenngleich eine wertende Haltung gegenüber In einer ausführlichen, 32 Seiten umfassen-
dem Kulturstand fremder Völker eingenommen den Vorrede erläutert der Autor die Entstehung
wird. So heißt es z. B. in einem völkerkundlichen des Werkes:» Ich schuffmir eine Gesellschaft aus
Beitrag: »Von der Religion eines solchen Volkes meinen Kindern, damit sie mir aber meinen sonst
439 Unterhaltende Schriften 440

schon schwachen Kopf durch ihre Gelenne nicht Das Werk enthält 141 versifizierte Fabeln sowie
noch mehr zerrütteten, gab ich ihnen Lafontai- mythologische und moralisch-belehrende Gedichte.
nens französische Fabeln in die Hände, von wel- Die Mehrzahl der Fabeln sind französischen Ur-
chen ich zu gutem Glüke eine Ausgabe mit sehr sprungs; zu einem großen Teil sind sie bei La Fontaine
entlehnt (25), doch auch Aubert und La Motte sind mit
artigen Kupfern hatte - Die Kinder weideten an
einer größeren Zahl (jeweils 18) vertreten. Zudem fin-
den schönen Kupfern ihre Augen, ihr Spielzeug den sich Fabeln von Richer, Desbillons, Furtiere, Le
blieb liegen, und ich hatte Ruhe - Aus dem An- Noble und Le Brun, aber auch einige wenige Fabeln aus
schaun der Kupfer entstand, die Begierde, die Fa- England (Gay, Congreve) und Deutschland (Rabener
bel, die das Kupfer vorstellte zu wissen. Ich er- und Weißes Kindeifreund). Bei 52 Texten ist die Stoff-
zehlte sie ihnen so einfach als möglich. Nun wa- herkunft nicht genannt; es handelt sich bei ihnen zu-
ren sie für meine Erzehlung eben so sehr ganz meist um Anlehnungen an deutschen Fabelstoff bzw.
Ohr, als sie vorher für das Kupfer ganz Auge ge- auch um eigene Erfindungen des Autors. In seiner Vor-
wesen waren-Nach vollendeter Erzehlung, muß- rede geht der Autor ausführlich auf den Wert von Fabel-
sammlungen einzelner Dichter ein und begründet seine
te sie mir jedes meiner Kinder nacherzehlen und
Auswahl.
hernach die Sittenlehre errathen.« (Vorrede) Da Die Themen, die behandelt werden, decken sich
bald der Fabelstoff ausgegangen sei, habe er den weitgehend mit dem bekannten Tugendkatalog zeitge-
Kindern bald Fabeln eigener Erfindung erzählen nössischer Fabelsammlungen. Der Autor warnt vor äu-
müssen. Schließlich habe er, »um diesem Spiele ßerlichem Schein, vor der Lüge::, vor Undank, Zorn und
Neuheit und Abwechslung zu verschaffen«, die stolzer Überheblichkeit. An einigen Stellen findet sich
zuvor mündlich erzählten Fabeln in Versfonn ge- eine kritische Behandlung der Wissenschaft, die einen
bracht und sie den Kindern, nach nochmaliger Bund mit dem Aberglauben eingegangen sei. Vorsicht
Wiederholung in Prosa, vorgetragen. Dadurch wird geboten vor dem Feind und dem neuen Freund,
und einem behaglichen Leben in Unfreiheit wird die
»erwachte ihre Aufmerksamkeit von neuem, weil
Notwendigkeit eines Lebens in Freiheit entgegenge-
die poetische Sprache und der Reim Einbildungs-
kraft und Ohr zugleich beschäftigte; so ließ ich sie
den Unterscheid zwischen Poesie und Prose spie-
lend fühlen« (Vorrede).
Der Hauptzweck der vorliegenden Samm-
lung sei »mehr moralisch, als ästhetisch« (Vorre-
de). Die Fabeln sollen nicht weniger »Zur Bildung
des Geschmaks und des Wizes, als zur Bildung
des Herzens« beitragen ; sie sollen»eben so lehr-
reich, als unterhaltend« sein ())Sind die Fabeln
[ ... ]«, S. XLII f. und S. XLVI). Um diese Ziele zu
erreichen, sei eine besondere Form des Vortrags
der Fabel geboten: ))Der Vater oder Lehrer liest
zuerst die Fabel für sich, erzählt sie hernach dem
Kinde in der Sprache des Umgangs, und läßt es
die Sittenlehre errathen. Ist sie gefunden, so liest
er dem Kinde die poetische Fabel vor, um es auf
den Unterschied der Poesie und Prose aufmerk-
sam zu machen.« (»Sind die Fabeln [ ... ]«,
S. XXXf.)
Besonderen Wert legt der Autor auf eine
kindgemäße Bearbeitung der Fabel. Daher über-
setzte er >)alle diese Fabeln, wie ich sie vorfand,
und ließ die Sittenlehre nachhinken. Oft unter-
schob ich der Sittenlehre des Dichters eine, wie
mir schien, reinere, natürlicher herausfliessende,
auf den Stand und das Alter der Kinder passende-
re« (ebd.). Auch die Fabeln ))Von ältem deut-
schen Dichtem«, die er in die Sammlung aufge-
nommen hat, hätten der Bearbeitung bedurft, da
sie sich einer zu kunstvollen Sprache bedient hät-
ten: )>Gerade ihr höheres poetisches Verdienst
machte, daß sie mir für meine Absichten untaug- Sittenlehre in Fabeln und Erzählungen for die Ju-
lich schienen. Ich mußte die Göttersprache der gend. Nebst einer Abhandlung über die Frage:
Dichter um einige Oktaven herunter stimmen, da- Sind die Fabeln eine Uebung for Kinder, oder
mit sie meinen kleinen Menschen desto verständ- sind sie es nicht?- Winterthur 1794 (Nr. 857).
licher wurde.« (Vorrede) Kupferstich von Schellenberg zu S. 46
441 Sittenlehre in Fabeln, 1794 442

stellt. In einigen Texten wird die Natur als große Lehr- rung von La Fontaines Fabel » Le corbaud et Je re-
meisterin der Menschen zur Sittlichkeit geschildert. nard« zu begründen versucht.
Einen besonderen Raum nehmen die- in sonsti- Der Autor der Sittenlehreverwirft diese Kri-
gen Fabelsammlungen wenig üblichen - Stellungnah-
men zu Fragen der Erziehung ein. In dem Gedicht »Die
tik. Rousseau lasse gänzlich unberücksichtigt,
Stärke des Bluts« (S. 6 ff.) erzählt der Autor von einem daß »die meisten Fabeln, die wir kennen, von
mißratenen Sohn, der keinen Sinn für Schönes und Gu- Esop auf Lafontaine, und von diesem bis auf
tes hat, für Klugheit, Sanftmut und Ernst, und »Pferde, Pfefflen, so vorzüglich auch dieser Dichter
Spiel und Wein, weit mehr als Bücher liebte« (S. 6). ist, [ ... ]nicht für Kinder gedichtet« seien; gerade
Durch die zärtliche Liebe des Vaters gelingt es jedoch, in der » Nichtanpassung der Fabel auf die Erzie-
den Sohn auf die Pfade der Tugend zu lenken. In »Der hung der Kinder« liege jedoch die Ungeeignet-
undankbare Knabe« (S. 14) wird den kindlichen Lesern heit herkömmlicher Fabeln für die Lektüre der
ein Beispiel undankbaren und ungehorsamen Verhal- Kinder begründet (S. IV). Es sei aber keineswegs
tens vorgeführt, dem die Strafe unabdingbar folgt. Ähn-
liches wird auch in dem Text »Der Knabe und der
unmöglich, »Fabeln in einer Sprache vorzutra-
Schulmeister« (S. 311-314) thematisiert, jedoch wird gen, die zu ihren Fähigkeiten paßte, und eine Sit-
hier, wie in einigen weiteren Fabeln und Gedichten, tenlehre darein zu verweben, die ihren kleinen
nicht nur das ungehorsame Verhalten von Kindern kriti- Leidenschaften, Launen und Bedürfnissen ange-
siert, sondern auch das von pedantischen Erziehern. messen wäre« (ebd.). Wenn so viele Fabeln für
Kritik an Erziehungspersonen (Eltern, Lehrern usw.) Kinder ungeeignet seien, dann habe dies verschie-
findet sich auch in dem Text »Der Arzt, ein Sterndeu- dene Ursachen. Zum einen nennt der Verfasser
ter« (S. 307 ff.), der übertriebene Ängstlichkeit themati- den Stil, in dem gemeinhin Fabeln geschrieben
siert; in der äsopischen Fabel »Die Löwinn und der seien: »gewöhnlich prangen sie mit zu vielem
Fuchs« (S. 1ff.) dagegen wird überspannter Erzie-
hungseifer kritisiert. Spöttisch setzt sich der Text zudem
poetischem Schmuck; sie enthalten Bilder und
mit zeitgenössischen Erziehungsbestrebungen ausein- Metaphern, Anspielungen auf Sitten und Ge-
ander. bräuche, die die Kinderentweder in der Natursel-
Einige Texte greifen gesellschaftliche Fragestel- ber noch nicht kennen, oder die sie in der Gesell-
lungen auf; die Aussagen zielen ab auf Stabilisierung schaft nicht genügend beobachtet haben, um die
und besonders Harmonisierung der gesellschaftlichen Aehnlichkeit des Bildes mit dem Urbild zu füh-
Verhältnisse. Deutlich wird dies z. B. an dem Text» Va- len« (S. V). Zum andem sei die Sittenlehre der
terfreuden« (S. 303ff.); er schließt mit der Lehre; herkömmlichen Fabeln allzu verhüllt und daher
»Glaubts, Eltern, Kinder glaubts! Des Hauses stille Kindem unverständlich. Der wichtigste Fehler
Freuden, I Sind Freuden engelrein, die Millionairs be-
neiden.« (S. 305) Nur an wenigen Stellen findet sich ge-
aber sei, »daß sehr oft die thierischen Schauspie-
sellschaftliche Kritik; sie ist jedoch nie Gegenstand der ler, die die schwärzesten Rollen spielen, dem Kin-
eigentlichen Fabelsentenz, sondern steht beiläufig am de durch ihren Wiz den meisten Beifall abloken;
Rande. So heißt es etwa in der schon erwähnten Fabel daß sich der Dichter selber in der Ausmahlung
»Die Löwinn und der Fuchs«:» Die wahre Mutermilch, solcher Charactere gefällt, und sie mit allen Rei-
für Leute, die regieren I Ist Fleisch und Blut von unter- zen der Einbildungskraft schmükt, die guten Ca-
gebnen Thieren.« (S. 2) racter hingegen nur flüchtig skizziert, und in den
Der Stil des Autors ist häufig ausladend, ausführ- Schatten stellt« (S. IV f.). Während die erstge-
lich, bildreich; nicht selten finden sich- offensichtlich nannten Fehler in keinem ursächlichen Verhält-
ein Produkt des Reimzwangs -blinde Motive, die den
eigentlichen Erzählstrang überwuchern. Zur Verstär-
nis zur Gattung stünden, konstatiert der Verfas-
kung der inhaltlichen Aussage bedient sich der Autor in ser, daß der dritte Fehler in gewisser Weise aus der
reichem Maße adjektivischer wie substantivischer Syn- Dichtungsart selber resultiere. Dies spreche aber
onyme. Auffällig ist zudem die starke Verwendung von keineswegs gegen den Gebrauch der Fabel; viel-
Fremdwörtern, mythologischen Begriffen, Dichterna- mehr sei es unstreitig der Fehler des Erziehers, der
men etc. wie: Glyceren, Lesbien, Sphären, incognito, die Fabel mit dem Kinde bespreche, »wenn es die
Voltaire, Scenen, Fontainbleau, Dupezay u. v. m., die lasterhaften Caracter lieber gewinnt als die tu-
offensichtlich dem vortragenden Erzieher Anknüp- gendhaften« (S. VII). Rousseaus Tadel treffe da-
fungspunkte für die Belehrung der Kinder an die Hand her »also nicht das Fach der Fabeln überhaupt,
geben sollen.
sondern nur die bisherigen Fabeldichter« (S.
Bedeutsamer als die eigentliche Fabelsamm- XII).
lung ist die dem Werk vorangestellte Betrachtung Im Gegensatz zu Rousseau hält der Autor
»Sind die Fabeln eine Uebung für Kinder, oder daher »die Fabeln für die angenehmste, so wie für
sind sie es nicht?«, in der sich der Autornicht nur die lehrreichste Lectur für Kinder. Sie sind für sie
mit Gattungsproblemen der Fabel, sondern auch Milch, weil ihr Verstand noch keine stärkere Spei-
mit einer großen Zahl von Ansätzen zeitgenössi- se verdauen mag.« (ebd.) Die Fabeln seien zur er-
scher Kinderliteratur auseinandersetzt Er geht sten Sittenlehre der Kinder, die sich als nächste
dabei von Rousseaus Kritik der Fabel im zweiten Stufe an das Lesen, Schreiben und den Religions-
Buch des Emile aus, in dem Rousseau die Fabel unterricht anschließen und noch nicht als zusam-
als »Morallehre« für Kinder verwirft und seine menhängendes Lehrgebäude vorgetragen werden
Ablehnung der Fabellektüre durch die Zergliede- soll, besonders geeignet: »Auf eine anschauliche-
443 Unterhaltende Schriften 444

re, eingreiffendere Weise unterhalten sie den Ver- gewöhnlichen Scharfsinn kan der junge Leser die-
stand und das Herz der Kinder als Abhandlun- se moralische Probe für sich selber so gut als die
gen, Sentenzen, und andere moralische Schriften. Proben in der Rechenkunst machen. Allenthal-
Gleichwol ist der Unterricht weniger gefährlich, ben ist er hier in seiner Sphäre, mit einem Blike
als der der Feenmärchen, oder unsererneuen Ro- übersieht er den ganzen Plan des Dichters, erräth
mane und Schauspiele [ ... ]. Die Fabeln allein we- seine verstektesten Absichten, Plan, Character,
ken in diesen zarten Herzen, so weich als Wachs Handlung, Sprache, Knote, alles ist in wenigen
gebildet und jedes Eindruks fähig, keine Leiden- Zeilen zu seinem Fassungsvermögen herunterge-
schaften auf, die sie noch nie gefühlt haben, sie stimmt. In einer Reihe immer abwechselnder
bringen keine zur Reiffe, deren Keim darinn ver- Handlungen sieht er eine vollständige Sittenlehre,
borgen lag. Sie sehen in den Fabeln nur die Wür- in den Schriften der Philosophen sieht er eine Sit-
kungen und Ausbrüche der Leidenschaften, nicht tenlehre in Worten und trokenen Säzen.« (S.
ihre glänzende Oberfläche, nicht die Blumenpfa- XXXIX)
de allein auf die sie Anfangs den Menschen füh- Mit deutlichem Bezug auf Herders Ge-
ren, sondern gleich daneben die Abgründe in die schichtsphilosophie und seiner Analogie der Ent-
sie stürzen« (S.XXI f. ). wicklung des Geistes und der menschlichen Le-
Fabeln seien für Kinder besonders geeignet, bensalter leitet der Verfasser die Tauglichkeit der
da Erzählungen von Tieren von ihnen lieber ge- Fabel für das kindliche Alter aus der Entstehungs-
hört würden als die ))VOn unbekannten Men- zeit der Fabeln her: >>Weit geschikter wußten sich
schen« (S. XXIIf.). Die Gründe dafür sieht der die Alten der Fabel zu bedienen, als wir. Denn
Autor im ))Reiz der Neuheit und des Wunderba- schrieben gleich Esop, Phädrus, Pilpay u. s. w. ih-
ren, der immer statt findet, wenn die Thiere nicht re Fabeln nicht gerade zu für Kinder, so schrieben
zu den alltäglichen und häuslichen gehören« (S. sie sie doch für erwachsene Kinder, d. i. für Völ-
XXIII). Zudem habe die Vorstellung von einem ker, die sie noch, wie Kinder, am Gängelbande
Tier »mehr gezeichnetes, mehr bestimmtes als die führen mußten; die, wie jene noch der Milch,
eines Menschen, in so fern man von beiden nur er- nicht starker Speise bedurften. [ ... ] Der Kindheit
zählen hört, und sie nicht siehet« (S. XXV). Die des Menschgeschlechts leisteten [die Fabeln] die
Kinder hätten von Tieren sogleich ein bestimm- gleichen Dienste, wie unsem Kindem der Cate-
tes, durch die hervorstechenden Gattungsmerk- chismus. Sie machten sie mit ihrem eignen Her-
male der jeweiligen Arten hervorgerufenes Bild zen, mit ihren Mitmenschen, mit der Natur selber
vor Augen. Der Hauptumriß der Fabel präge sich vertrauter, wie der Catechismus unsere Kinder
leichter in das Gedächtnis der Kinder ein als der mit der Religion.« (S. XL)
anderer Gattungen; »stärker rühren sie die Hel- Fabeln können nach Meinung des Autors so-
den; weil der Plan der Fabel einfacher, gedräng- wohl den Geschmack, als auch den )) Witz« und
ter, und kürzer, als der Plan der einfachsten Er- das Herz bilden (s.o.). Darüber hinaus bereiten
zehlung ist, und die Character meistens mit grel- sie nach seiner Ansicht auf die Lektüre »höherer
lem Farben gezeichnet sind, so daß nach Verlauf Schriftsteller« vor, wecken in dem Kind über-
von Wochen und Monaten die Kinder ihren El- haupt die Bereitschaft zum Lesen, schulen das äs-
tern die gelesenen Fabeln richtig wieder erzehlen thetische Urteil. Durch die Schilderung des Cha-
konnten, da sie hingegen von der Erzehlung bei- rakters der Tiere wachse in den Kindem zudem
nahe nichts als die Entwicklung behalten hatten.« das Bedürfnis nach Naturgeschichte, andere Fa-
(S. XXIVf.) beln wiederum machten die Kinder mit der My-
Einen weiteren Vorzug der Fabel sieht der thologie bzw. der alten Geschichte bekannt. Vor-
Verfasser darin, daß sie eine hervorragende »Ue- züglich eigneten sich Fabeln auch dazu, >>Unver-
bung des Scharfsinns und des Wizes« seien (S. merkt Declamation und Erzehlungsstyl besser
XXVI). Diese Übung bestehe vor allem im Aufsu- und geschwinder« (S. XLIII) zu lernen als aus an-
chen der die Fabel bestimmenden Sittenlehre. Er deren Gattungen; ebenso stellten sie eine gute
plädiert daher dafür, daß »der Dichter die Sitten- Schule dar, die Kinder im Nacherzählen zu üben,
lehre nicht immer seiner Fabel anhenkte; sondern wodurch die)) Einbildungskraft in Thätigkeit« ge-
es dem Scharfsinn der Kinder, Väter, oder Lerer setzt werde, ohne sie jedoch zu »entflammen«
überließ, sie selber aufzuspüren.« (S. XXVII) Al- und Leidenschaften hervorzurufen (S. XLVI).
lerdings sei es notwendig, sich bei jeder Fabel auf Mit seiner Fabeltheorie steht der Verfasser
eine hauptsächliche Lehre zu beschränken, auf den Auffassungen Rousseaus vollständig entge-
deren »sinnliche Darstellung« »alle Details der gen, auch wenn er zu Beginn seiner Abhandlung
Erzehlung« zu richten seien (S. XXIX). betont, er hätte Rousseaus Urteil »mit voller Ue-
Den wichtigsten Vorteil von Fabeln erblickt berzeugung« unterschreiben können, wenn die-
der Autor jedoch darin, »daß sie allenthalben die ses nicht gegen Fabeln allgemein, sondern nur ge-
Wirkungen neben den Ursachen, das Beispiel ne- gen die bislang erschienenen gerichtet gewesen
ben dem Lehrsaz darbieten. Das eine ist Beweis wäre. Zwar übernimmt er einige Kritikpunkte
des andem. Ohne grosse Anstrengung, ohne un- Rousseaus, doch hält er in seiner Theorie wie
445 Strobl, Folgen, 1794 446

auf die Beschäftigung mit verschiedenen Diszipli-


nen, vorzugsweise Mythologie und alte Geschich-
te, vorbereiten. N./0. B.

1794
Johann Baptist Strobl (1743-1805):
Folgen unrichtiger und verwahrloßter
Erziehung. Ein Lesebuchfür Jünglinge und
Mädchen von reiferem Alter.
München 1 794

Strobl wendet sich mit seinem Werk an »Jünglin-


ge und Mädchen von reiferem Alter«. Aufgrund
der behandelten Themen (u. a. Onanie, Verfüh-
rung, Geschlechtskrankheiten) kann angenom-
men werden, daß darunter Jugendliche während
und nach der Pubertät zu verstehen sind. Ange-
sprochen sind offenbar vor allem Söhne und
Töchter des gehobenen und mittleren Bürger-
tums: Die Erzählungen spielen zu einem Teil im
Milieu begüterter Bürger (mit Dienstboten, Ange-
stellten, studierenden Söhnen usw.), zum andern
im Umkreis von Handwerksmeistern, Kaufleuten
Sittenlehre in Fabeln und Erzählungen for die Ju- u. ä.; es sind jedoch auch bisweilen Personen nie-
gend. Nebst einer Abhandlung über die Frage: derer Stände bzw. des Adels Träger der Hand-
Sind die Fabeln eine Uebung for Kinder, oder lung, wieder andere entstammen dem Bauern-
sind sie es nicht?- Winterthur 1794 (Nr. 857) stand.
Kupferstich von Schellenberg zu S. 203 Stroh! zeigt in seinem Buch »höchst verderb-
liche, traurige und fürchterliche Folgen verwahr-
loBterund fehlerhafter Erziehung« (S. 282) sowie
auch in ihrer praktischen Ausführung gerade an jugendlicher Laster auf. Er betont, er habe »sie
jenen Elementen fest, die Rousseau als nicht- noch lange nicht mit so treffenden Zügen geschil-
kindgemäß abgelehnt hatte. Als Beispiele seien dert, daß sie die Originale erreichen« (ebd.);
hier nur die Behandlung der Mythologie sowie gleichwohl gibt er seinem Wunsche Ausdruck,
die poetische Einkleidung der Fabeln genannt. »daß auch diese schwachen Copien einen blei-
Während Rousseau Fabeln als Kinderlektüre ge- benden Eindruck auf euch machen werden, der
rade auch wegen der Vielzahl der in ihnen enthal- euch aufmerksamer auf die Fehler der Erziehung
tenen mythologischen Motive ablehnt, sieht der machen, und von den traurigen Folgen derselben
Verfasser der Sittenlehre in der Aufnahme des abschrecken wird« (ebd.). Mit der vorliegenden
Mythologischen einen geeigneten Ansatzpunkt, Sammlung von Erzählungen will Stroh! den Ju-
um die Kinder mit dieser Materie nach und nach gendlichen einen Lektürestoff in die Hand geben,
vertraut zu machen. Als nicht-kindgemäß kriti- der als Ersatz für die unfruchtbare Romanlektüre
siert Rousseau auch die poetische Einkleidung dienen kann: »Romanen! - oderenhaben wir in
der Fabel, überhaupt jede ausschmückende, bil- unsem Zeiten den Dutzend nach! gute und
derreiche und poetische Ausdrucksweise, da das schlechte, wie es kömmt. Aber desto weniger wah-
Kind Gefühl und Geschmack noch nicht kenne. re Geschichten, die den schwachen Menschen im
Der Verfasser der Sittenlehre dagegen wählt die Schatten und Lichte gerade so zeigen, wie er ist.
versifizierte Form der Fabel, um »Einbildungs- Nur ungeschminkte Wahrheit kann zum ab-
kraft und Ohr zugleich« zu beschäftigen (s.o.) schreckenden Beyspiel dienen; das Uebrige ist
und nennt als besondere Nebenabsicht die Schu- Geburt der Einbildungskraft, und verfehlt nicht
lung der Kinder im Hinblick auf die Unterschiede selten seinen Zweck« (S. 317).
zwischen Prosa und Poesie; daher auch begreift
Das Werk ist in achtzehn Geschichten unterteilt,
er seine Fabelsammlung als Vorbereitung der die in der Regel in der Fonn einer Schilderung des
Kinder zur Lektüre qualitativ hochstehender Lite- Schicksals einer oder mehrerer Personen die Folgen
ratur. Die Fabel hat für ihn nicht nur moralisch- schlechter Erziehung bzw. jugendlicher Laster vorstel-
erzieherischen, sondern auch ästhetisch-bilden- len. In den ersten dreizehn Geschichten findet sich na-
den Wert und soll, wissensvermittelnd, zugleich hezu durchgängig eine - wenn auch jeweils entspre-
447 Unterhaltende Schriften 448

chend modifizierte- ähnliche Erzählstruktur: Vor der verliebt sich in ihn. Eduard gelingt es, Louise durch ein
eigentlichen Beispiel- bzw. Abschreckgeschichte wird falsches Heiratsversprechen erneut zu Fall zu bringen.
das jeweilige Thema, z. T. mit theoretischen Erörterun- Als seine wahren Absichten aufgedeckt werden, läßt
gen, eingeleitet; oft konstruiert Stroh! dabei eine fiktive sich das Mädchen von einer früheren Freundin, die zu
Erziehungssituation (der Erzähler spricht zu seinen drei einer Dime herabgesunken ist, überreden, in ein öffent-
Söhnen; ein Krankenhaus oder ein Gefängnis werden liches Haus zu ziehen und dort ihren Unterhalt zu su-
aufgesucht), von der ausgehend eine >>wahre« Begeben- chen. Sofort wird sie an einen reichen Wollüstling ver-
heit zur Warnung der jungen Leute erzählt wird. Den kuppelt, mit dem sie die Nacht verbringt. Angeekelt er-
Schluß der Erzählung bilden häufig Belehrungen des wacht sie am nächsten Morgen aus ihrem Verzweif-
Autors, der noch einmal auf den entscheidenden Erzie- lungsrausch, flüchtet aus dem Bordell und bricht auf der
hungsfehler hinweist, der die vorgestellten Personen ins Straße bewußtlos zusammen. Ein Priester findet das
Verderben stürzte. Die letzten fünf Geschichten stellen kranke Mädchen, nimmt es väterlich in seinem Hause
dagegen lediglich Schicksale bzw. lasterhaftes Verhal- auf und will es gesund pflegen. Doch Louise ist bereits
ten dar; unter ihnen nehmen die Geschichten 14 (» Mar- von einem »verborgenen Uebel« (S. 13) besessen: ein
garetha«, S. 283ff.) und 15 (»Maria Domingen«, Arzt erkennt als Ursache ihres offensichtlichen Siech-
S. 291 ff.) noch eine Sonderstellung ein, da sie nicht tums eine Geschlechtskrankheit, die Louise aus
bzw. nicht ausschließlich die Folgen von Erziehungs- »Schamhaftigkeit und Unwissenheit« ( ebd.) zu verber-
fehlern illustrieren. gen gesucht hat. Durch Louises Krankheit ist ein weite-
Einen besonderen Stellenwert in der Präsentation rer Aufenthalt im Hause des Geistlichen unmöglich ge-
der Geschichten nehmen die von Johann Michael Met- worden. Will er ihr auch als Mensch helfen, muß er als
tenleiter (Münchener Kupferstecher und Lithograph, Priester doch Rücksicht nehmen auf die »Lästerzungen
1765-1853) entworfenen Kupfertafeln ein, die entwe- und das Geschrei des rohen Vorurtheilsvollen Hau-
der ein realistisches, präzise gezeichnetes Bild der im fens« (S. 14). Louiseist erneut auf sich allein gestellt.-
Text behandelten Unglücksgestalten entwerfen (z. B. Il- In einer »unentbehrlichen Nachlese« ruft der Autor sei-
lustrationen nach den Seiten 66 und 192) oder entschei- ne Leserinnen zum Mitleid und zum Verständnis mit
dende Stationen ihres Schicksals - meistens unter ge- Mädchen wie Louise auf: »Liebe Mädchen, habt herzli-
nauer Zeichnung der Begleitumstände- im Bild festhal- ches Mitleid mit einer unglücklichen Schwester, die in
ten (z. B. Illustrationen nach den Seiten 28 und 100). einer unbewachten Stunde verlor, was keine Reue und
Häufig werden die Kupfertafeln zum Ausgangspunkt keine Thränen zurückbringen können. [ ... ] Nur die fre-
der Schilderung genommen, z. B.: »Die Reihe triftnun che Buhlerin verdient eure Geringschätzung; doch we-
jenes Mädchen mit dem Kinde auf dem Arme, und ver- he denen, dieeiner Fehlenden die RückkehrzurTugend
bundenem Munde.« (S. 198). erschwerten, und ihre Reue in Verzweiflung verwandel-
Gegenstand der Beispielgeschichten sind die üb- ten!« (S. 15).
len Folgen der Ausschweifung, des Aberglaubens, der Durch den Monolog der Hannchen, der Freundin
Unordentlichkeit und Unreinigkeit, des Geizes, der Louises, wird die Schuldfrage aufgegriffen: es sind die
Naschsucht, des Müßiggangs, des Leichtsinns und der Verführer, denen die eigentliche Verantwortung für das
Flatterhaftigkeit, jugendlichen Stolzes, sowie körperli- traurige Schicksal getäuschter Mädchen angelastet
cher Begierden. Drei Typen von Beispielgeschichten wird. Im gleichen Monolog heißt es: »An eine Heirath
treten häufiger auf: Die beiden ersten Typen ergeben ist nicht zu denken - denn gerade die größten Sünder
sich aufgrund ähnlicher Thematik der vorgestellten Ge- unter den Männern verzeihen es uns am wenigsten, daß
schichten, es handelt sich dabei um die Verführungs-, wiruns haben von ihnen verführen lassen.« (ebd.) Ent-
bzw. die Selbstbefleckungsgeschichte. Der dritte Typus sprechend fordert Strobl in seiner >>Unentbehrlichen
ergibt sich aus der vom Autor gewählten Kommunika- Nachlese« die jungen Männer auf, die Unschuld junger
tionssituation, dem Besuch zweier Krankenhäuser und Mädchen nicht anzutasten, ihre Unwissenheit nicht aus-
einer Folterkammer. Im folgenden sollen diese drei Ty- zunutzen; ebenso warnt er vor Ehebruch und dem
pen beispielhaft vorgestellt werden. »Thiergenuß« des Umgangs mit Dirnen, der eine Ver-
Die Verführungsgeschichte. Beispiel: »Louise, leugnung der Menschenwürde bedeute (S. 16).
oder wie leicht ist ein junges Mädchen auch von gutem Von ähnlicher Thematik sind auch die Geschich-
Herzen zu verführen« (S. 1 ff.). Louise, die 15jährige ten »Maria Domingen<< (S. 291 ff.), »Das unglückliche
Tochter eines »wackem Landbeamten« (S. 2), ist auf- Mädchen, oder die all zu große Strenge der Mutter«
grundihres gutherzigen Wesens die einzige Freude ihrer (S. 317 ff.) sowie die Schilderungen der venerisch Kran-
Eltern. Eines Tages besucht der Baron von K. das Dorf, ken in» Das Krankenhaus« (S. 192 ff.). Thematisch ver-
lernt Louise kennen und verliebt sich in sie. Mit viel Ge- wandt damit sind die Erzählungen »Folgen des ersten
schick und mannigfaltigen Täuschungen arbeitet er dar- Fehltritts« (ein verzärteltes Mädchen heiratet einen Ba-
auf hin, Louise zu verführen. Als der Vater Louises rQJl, begeht Ehebruch, sinkt zur Dime herab und stirbt
stirbt, und ihre - trügerische Hoffnungen hegende - schließlich »halb verfault« an einer Geschlechtskrank-
Mutterdie Verbindung zu dem Adeligen deutlich prote- heit; S. 326ff.) sowie »Melisse« (ein elfjähriges, schö-
giert, gibt das unschuldige Mädchen dem Drängen des nes, aber schlecht erzogenes Edelfräulein läßt sich unter
Barons nach. Der aber, am Ziel seiner Wünsche ange- dem Einfluß einer Kammerjungfer von einem Soldaten
langt, verläßt das Mädchen. Louises Unglück wird noch verführen, heiratet ihn heimlich und zieht mit ihm ins
durch den Tod der Mutter vermehrt. Sie erleidet schließ- Feld; im Augenblick des Todes ihres Mannes gebiert sie
lich eine Totgeburt. Von früheren Bekannten und ein Kind und stirbt; S. IOOff.).
Freunden verachtet, versucht sie, ihrem Leben einen Die Selbstbejleckungsgeschichte. Beispiel: »Von
neuen Anfang zu geben, wechselt den Wohnort und den Jugendsünden« (S. 129 ff.). Kar!, die »einzige Hof-
nimmt Näharbeiten an. Sie lernt Eduard, einen schein- nung und Freude« seiner Eltern ist wegen seiner guten
bar wohlerzogenen Sohn aus gutem Hause, kennen und intellektuellen Fähigkeiten für sechs Jahre zur Ausbil-
449 Strobl, Folgen, 1794 450

dunginein Erziehungsinstitut geschickt worden. Voller Die Absichten und die Darstellungsart des Autors
Freude erwartet die Familie nun die Rückkehr. Doch werden besonders deutlich in der Geschichte »Die Fol-
das Erschrecken ist groß, als Karl schließlich eintrifft: ter« (S. 256ff.): Ein Vaterund ~eine drei Söhne bekom-
»Eine gelbe schuppichte Haut hieng über seine Wan- men die Gelegenheit, durch ein Fenster Zeuge an der
gen, die Augen waren erloschen, und blöde, sein Kör- Folterung eines mutmaßlichen Kirchenräubers zu wer-
per gebeugt und seine Schenkel dünne und mager.« den. Die ungewöhnliche Wahl seines Gegenstandes er-
(S. 135) Er ist schwach und zu allen Freuden unlustig ge- klärt Strobl mit dem Hinweis, es sei >>nicht ganz ohne
worden. Der Vater kommt nach genauer Beobachtung Nutzen [ ... ],wenn man frühzeitig alle die Uebel kennen
zu der gewissen Überzeugung, daß sein Sohn »sich lernt, welche die zu grosse Bosheit der Menschen veran-
durch eine lasterhafte Gewohnheit selbst zerstöret« hat laßt, die Grausamkeit erfunden und die Hartnäckigkeit
(S. 136). Karl wird darauf zur Rede gestellt, gibt jedoch des Lasterhaften nothwendig gemacht hat« (S. 256). Er
vor, seinen Vater, der ihn als »erschrecklichen Ver- betont einleitend, er wolle vorab keine Überlegung über
brecher<<, »Elenden«, »abscheulichen Wollüstling«, die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Folter
»Schänder seiner selbst«, gar als einen »Teufel« anstellen, denn die >>Folter ist nunbeyuns noch in dem
(S. 136ff.) bezeichnet, nicht zu verstehen. Erst als der ganzen Besitz ihrer Rechte, die Gesetze haben sie er-
Vater droht, ihn zu verstoßen, bekennt Kar!, er habe, laubt eingeführt, und noch nicht, wie in benachbarten
verführt durch die anderen Zöglinge des Instituts, »je- Ländern abgeschafft, sie selbst wird noch immer von
nes unnatürliche Laster, das ich vor Abscheulichkeit gar den Richtern in der Ausübung erhalten, und wir können
nicht nennen mag« (S. 138), bereits seit vier Jahren be- sie nicht abschaffen, ob wir sie übrigens recht oder un-
trieben. Als der Vater in einem freundschaftlichen Ge- recht, menschlich oder unmenschlich finden mögen«
spräch Kar! über die schändlichen Folgen seines Tuns (S. 237).
aufklärt(» Vaterfreuden sind für dich dahin!«, S. 139), Nachdem einer der sogenannten >> Eisenmänner«
gelobt Kar! Besserung und Umkehr. Dank dieses guten den Zuschauern versichert hat, man »torquirt keinen,
Willens und der stetigen, auch nächtlichen Beaufsichti- von dem man nicht vorher weiß, daß er graviert ist«
gung Karls durch den Vater gelingt es zwar, den Selbst- (S. 260), nimmt die Folter ihren Anfang. Eingehend be-
schänder von seiner lasterhaften Gewohnheit abzubrin-
gen, nicht aber, ihn moralisch wieder aufzurichten. Kar!
bleibt für sein Leben gezeichnet; »er ist nur zum Hospi-
tal und nicht mehr für diese Welt brauchbar« (S. 130).
In einer Nachbetrachtung zu der Geschichte gibt Strobl
ausführliche Hinweise, wie dem Laster der Onanie - er
nennt es im übrigen nie beim Namen, um nicht keusche
und reine Leser aus dem Zustande ihrer »glücklichen
Unwissenheit« zu reißen (S. 143)- erfolgreich zu begeg-
nen sei.
Die gleiche Thematik behandelt die Geschichte
»Warnung vor den heimlichen Sünden der Unzucht«
(S. 187), die in die Form eines Auszugs »aus dem Reise-
buch eines Jünglings« gekleidet ist. Dargestellt wird der
Tod eines jungen Mannes, der über lange Zeit seinen
Körper und seine Seele »durch Sünde geschwächt«
(S. 187) hat. Als mögliches Mittel gegen die Onanie
empfiehlt Strobl, folgenden Spruch »mit großen Buch-
staben« über die Tür zu schreiben: »Wenn schnöde
Wollust dich erfüllt/ So werde durch ein Schrecken-
bild/ VerdorrterTodtenknochen/ Der Kützel unterbro-
chen!« (S. 191)
Die moralische Belehrung durch Anschauung. Ei-
ne besondere Stellung nehmen in Strobls Werkjene Ge-
schichten ein, in denen der Besuch des Erzählers und
seiner Söhne in zwei Krankenhäusern und einer Folter-
kammer geschildert wird (S. 66 ff., S. 192 ff., S. 256 ff.).
Durch die direkte Anschauung der körperlich zerrütte-
ten und sozial deklassierten Gestalten, deren Schicksal
z. T. in drastischen Worten geschildert wird, sollen den
Jungen- und vermittelt dadurch den jugendlichen Le-
sern -die verheerenden Folgen von Erziehungsfehlern
und Jugendsünden besonders eindringlich vor Augen
gestellt werden. Eine ähnliche Funktion erfüllen die Ge-
schichten »Die Reise ins Zuchthaus« (S. 211 ff.) und
»Das Gefängnis« (S. 231 ff.). Hier fällt allerdings die
fiktive Situation des Besuchs einer Anstalt weg, stattdes- Strobl, Johann Baptist: Unglücksgeschichten zur
sen werden die Leser zur Betrachtung der zugehörigen Wamungfiir die uneifahrene Jugend.- München
Kupfertafeln aufgefordert. Ausgehend von dieser Be- 1790 (Nr. 880). Kupferstich von Kinzl zu S. 67ff.
trachtung wird sodann das Schicksal der jeweiligen Bei- »Grausamkeit gegen die Thiere ist thöricht und
spielpersonen geschildert. ungerecht.«
451 Unterhaltende Schriften 452

schreibt Strobl, wie der Delinquent gedäumelt wird. Als schierlenen Geschichten - das Bild einer vorbild-
aber auch das Aufbinden auf die Folterbank noch kein lichen Erziehung. Im Zentrum der Erziehungsab-
Geständnis hervorlockt, wird »zur Tortur selbst ge- sichten steht der tätige Mensch, denn besonders
schritten« (S. 263). Der Delinquent gesteht schließlich
»in dem Müssiggange und in dem Hange nach
den Kirchenraub ein, weist aber darauf hin, er habe aus
Not und »äußerst dringenden Umständen« die Tat be- an dem Geschäften, als uns unser Beruf aufdringt,
gangen. Als er mit Rücksicht auf seine Kinder um Milde [besteht] eine unversiegliche Quelle des Uebels
bittet, wird sie ihm zugesagt. Vom » Eisenmann« erfah- unter uns« (S. 232). Das Ideal eines tätigen Men-
ren die Zuschauer jedoch, daß der Geständigetrotz die- schen zeichnet Strobl mit den Worten: »Nicht ge-
ses Versprechens bereits in wenigen Tagen gehängt oder nug, daß er selbst arbeitsam ist; er hält auch bey
gerädert werden soll. Zeiten die Seinen dazu an; beyZeitenruft er sei-
Die Kinder sind von dem Gesehenen erschüttert: nen Kindem die Lehre zu: der Mensch ist zur Ar-
>>es giebt kein grausameres Thier, als der Mensch ist!« beit gebohren, wie der Vogel zum Fluge« (S. 233).
(S. 265). An dieses Erlebnis knüpft sich ein langes Ge-
Die Erziehung zur Arbeitsamkeit ist daher eines
spräch des Vaters mit seinen Kindem über die Ursache
von Verbrechen und die Aufgaben verständiger Richter
der vornehmsten Ziele der Erziehung überhaupt:
an. Der Vater erklärt seinen Söhnen, >>daß nicht immer »Ohne Arbeitsamkeit ist kein Fortgang des Gu-
Verdorbenheit des Herzens, oder wahre Bosheit die ten, keine Vervollkommnung und Sittenverbesse-
Menschen in Gefängnisse wirft, auf die Folter bringt rung möglich« (S. 232).
oder gar zu Rad und Galgen führt; sondern Verführung, Soll der Mensch gut werden, muß er zur Sitt-
Müssiggang, Hunger, und äußerste Verzweiflung sind lichkeit erzogen werden. Einen grundlegenden
oft nicht weniger Schuld daran [ ... ]. Größtentheils ist Mangel sieht Strobl deshalb darin, daß viele Kin-
freylich die schlechte Erziehung die Hauptursache« der nur zu Verstand, nicht aber zu Sittlichkeit er-
(S. 257). Die Gesetze kennten immer nur Strenge und
zogen würden. Diese These verbindet er mit ei-
Strafen, aber keine Milde. Man dürfe aber den Men-
schen nicht wegen einer bösen Tat zerstören, man müsse
nem Angriff gegen die Hofmeistererziehung:
ihn vielmehr »auf die Wege der Ordnung zurückwei- >>Wer von einem Hofmeister erzogen wurde, des-
sen« (S. 271). In dem Gespräch nimmt der Vater auch sen Kinder müssen wieder von einem eben sol-
eindeutig Stellung gegen die Folter. Sie empöre die Ver- chen Miethling, der außer seiner Vielwisserey oft
nunft und entehre die Menschheit, sie setze den ver- selbst keine Erziehung besitzt, erzogen werden.«
nunftbegabten Menschen mit dem Wilden in eine Klas- (S. 30 f.) Ein Produkt dieser Hofmeistererziehung
se. Auch die Vorstellung, daß die Folter zur Abschrek- ist auch Ferdinand, der begabte Sohn eines Land-
kung dienen könne, weist er zurück. richters: »Nur das Lernen, Studieren und Ueber-
Wie wenig zudem die Behauptung stimmt, es wür-
setzen der alten Sprachen war der Hauptzweck;
de nur derjenige gefoltert, der »graviert« sei, erfährt der
Leser anhand einer anderen Geschichte: in » Margare- nur dieses wurde unaufhörlich betrieben, und nur
tha« (S. 283 ff.) wird eine Unschuldige so lange gefol- dazu hatte er einen Hofmeister; in die sittliche Bil-
tert, bis man ihr ein falsches Geständnis entlockt; sie dung hatte er zu wenig Einfluß, alles übrige gieng
stirbt auf dem Schafott. Diese Geschichte »aus den Kri- ihn nichts an; auch ließ es sich dieser, um allen
minalakten der Stadt R« (S. 283) hat im übrigen nur die- Verdrüßlichkeiten auszuweichen, nichts ange-
sen Justizirrtum zum Gegenstand, ist also keine Darstel- hen.« (S. 38) Ferdinand wird zwar ein glänzender
lung der Folgen »unrichtiger und verwahrloßter Erzie- Jurist, aber weil ihm die Sittlichkeit fehlt, gerät er
hung«. Justizirrtümeraufgrund einerfalschen Herange- auf die schiefe Bahn und wird ein Betrüger, denn
hensweise der Richter sind auch ein zentrales Thema
das Gute kommt nicht »mit dem Verstande« (S.
der nachfolgenden Erzählung »Maria Domingen«
(S. 291 ff.). 62). Strobl resümiert:» Nur in der Ausbildung un-
serer Talente, vorzüglich aber in einem morali-
Strobls Geschichten dienen zur Warnung schen guten Herzen ruhet die Grundlage der
und Abschreckung vor Erziehungsfehlern und menschlichen Würde. Ohne das letztere ist der
Jugendsünden. Sie sollen deutlich machen, daß Mensch ein Scheusal seiner Zeitgenossen, die
die Ursachen schlechter Handlungen und Verbre- Geisel der Welt, und die Schmach des Staates.«
chen weniger in einem boshaften Charakter als in (S. 32) Als weiteren Bestandteil einer guten Erzie-
verfehlter Erziehung und schlechten sozialen Be- hung nennt Strobl die Gewöhnung zu Ordnung
dingungen zu suchen sind. Das Verbrechen kann und Reinlichkeit.
nicht durch harte Strafen und Folter beseitigt wer- Auffallend ist, daß Strobl dem Mann das Er-
den: »Täuscht euch etwa der Name [Zuchthaus, ziehungsprivileg über die Kinder zuerkennt. Ver-
d. Red.], und glaubt ihr, es sey ein Ort, wo ihr eine läuft eine Erziehung fehlerhaft, so gibt er in seinen
bessere Erziehung erhaltet? 0 wie ihr euch irrt! Geschichten häufig der Mutter die Schuld und
Hier ist der Ort nicht mehr, eurefehlerhafte Erzie- zeichnet den Vater als einen Mann, der zwar ver-
hung zu bessern, sondern der Ort, die Folgen ei- nünftigere Erziehungsgrundsätze verfolgt, aber
ner verwahrloBten Erziehung auf das empfind- zu schwach ist, sie gegen seine Gattin durchzuset-
lichste zu fühlen« (S. 215). Um das Verbrechen zen. Insbesondere lehnt es Strobl ab, der Mutter
dauerhaft zu beseitigen, muß an der Wurzel ange- die Erziehung über die Töchter, dem Vater die Er-
setzt, muß die Erziehung verbessert werden. ziehung über die Söhne zu überantworten. Der
Strobl entwirft daher- verstreut über die ver- Vater sei insgesamt für die Erziehung der Kinder
453 Strobl, Folgen, 1794 454

verantwortlich. - Wiederholt wird auch der geschehen; aber dieser Weg ist theils zu langsam,
schlechte Einfluß weiblicher Dienstboten auf die theils unmöglich, weil der Schüler immer die mei-
Erziehung der Mädchen angesprochen (vgl. z. B. ste Zeit seiner Schuljahre bey den bereits ver-
»Melisse«, S. lOOff.). wöhnten Eltern hinbringt. Es muß schlechter-
Strobl zeigt jedoch nicht nur die Fehler in der dings alt und jung zugleich gebildet werden, wenn
häuslichen Erziehung auf, wesentlich wichtiger man bewirken will, daß ein ganzes Volk ein ein-
ist ihm die Frage der öffentlichen Erziehung mal gefaßtes Vorortheil von selbst gleich ablege.«
durch Schule und Kirche. Die Ursache, »daß (S. 26). Erforderlich sei ein Buch über den Gegen-
Zuchthäuser und Kerker von nichtswerthen Ver- stand, den auch Martin von Cochem bearbeitet
brechern vollgestopft« seien (S. 278), sei in der habe: »das Leben Jesu, und die Legende der Hei-
schlechten Erziehung zu suchen, »darinn, worinn ligen« (S. 27). Ein solches Werk müsse sich herab-
es beydem größten Theile der Menschen am mei- lassen »zum Verstande des Unbelesenen, auch
sten fehlet, in öfentlichen guten Landschulen, in aufKosten der Rechtschreibung« und den Forde-
denen man die Kinder früh zu guten Christen und rungen der »Zeiten und Sitten« angepaßt sein.
Bürgern bilde, in Eröfnung der Nahrungsquellen, Strobl fordert, in der Beschreibung des Lebens
damit der Müssiggang verbannet werden könne; der Heiligen solle jeweils eine besondere Tugend
und in Aufstellung rechtschaffener und thätiger exemplifiziert werden. Die Obrigkeit müsse so-
Männer zur Seelsorge, welche nicht nur selbst den dann alles daransetzen, ein solches Buch unter
christlichen Unterricht in die jungen Gemüther dem Landvolk zu verbreiten. Strobl zielt somit ab
pflanzen, sondern auch alle Eltern auf das streng- auf eine Sammlung moralischer Beispielge-
ste anhalten, ihre Kinder so lange in die öfentli- schichten zur sittlichen Erziehung des Landvolks,
chen Schulen zu schicken, bis sie mit ihren dessen moralischer Charakter »zur Würde eines
nothwendigen Pflichten vollkommen bekannt guten und edlen Herzens« (S. 33) erhoben wer-
sind; denn nur darinn liegt Menschenbesserung. den soll. Um das Landvolk zur Lektüre einer sol-
So lange aber noch immer ganze Districkte von chen Schrift zu reizen, soll sie von der Form her in
Schullehrern entblößt, oder mit so armseligen die Gestalt der herkömmlichen erbaulichen Hei-
Männern besetzt sind, die selbst vor Hunger und ligenlegenden gebracht werden, auch wenn sie
Elend betteln oder stehlen möchten [ ... ], so lange völlig andere Inhalte vermittelt.
[ ... ] mögen die Henker noch vollauf zu thun krie- Dieses Konzept einer volksaufklärerischen
gen« (S. 279). Schrift mit der Absicht, »die Anlage eines guten
Eine wichtige Rolle in der Erziehung spielt Herzens zur Reife (zu) bringen« und ))das Herz zu
die Frage der Lektüre. Dieses Thema ist auch Ge- bessern« (S. 59) reiht sich ein in die aufkläreri-
genstand der Geschichte »P. Kochems Wirkun- schen Grundpositionen des Autors, deren beson-
gen auf Marien eine Maurerstochter nächst G* *« dere Ausprägung und spezifische Gewichtung
(S. 17 ff.): Marie, die von menschlichem Umgang (z. B. die Frage der Folter) auf dem Hintergrund
weithin abgeschlossen ist, versucht ihrer Schwer- der bayrischen Verhältnisse gesehen werden müs-
mut durch Bücherlesen zu entfliehen. Als ihr die sen. In ihnen kommen die Wertvorstellungen des
»Postille des katholischen Teuschlandes« (S. 20), Bürgertums prägnant zum Ausdruck, die vor al-
gemeint ist eine Schrift Martins von Cochem lem in Strobls Betonung der Arbeitsamkeit als
(1643-1712) über das Leben und Leiden Jesu, in Voraussetzung der Sittenverbesserung und seiner
die Hände fällt, verliert sie bald jeden Sinn für die Ablehnung des adeligen Müßiggangs deutlich
Realität, steigert sich in religiösen Wahnsinn und werden. Diese Gegenüberstellung Bürgertum -
stirbt in geistiger Umnachtung. Strobl bezeichnet Adel zeigt sich auch in seiner Behandlung der Se-
Martin von Cochem, dessen Goldener Himmel- xualität: stets sind es gewissenlose adelige Char-
Schlüssel (1691) noch im 20. Jahrhundert zahl- meurs, die die gutherzigen Mädel zu Fall bringen.
reich nachgedruckt wurde, als den »Lieblings- Strobl artikuliert- insbesondere in seinen Anti-
schriftsteller unseres Landvolks« (S. 24), doch masturbationsgeschichten - die sich herausbil-
seine Schriften dienten nur dazu, Aberglauben zu dende Sexualmoral des Bürgertums. Die Wert-
verbreiten und brächten in »einem jeden Ein- vorstellungen des aufstrebenden Bürgertums äu-
drucksfähigenunverwahrten Herzen [ ... ] Zerrüt- ßern sich ebenso in seinen Überlegungen zum
tungen hervor« (ebd.). Martin von Cochems Staat und zur Gesellschaft; in ihrem Mittelpunkt
Schriften seien »unmöglich in der Christenheit zu steht der arbeitende Mensch, das Individuum,
gedulden«; sein »Hang zur Schwärmerey, seine dessen Nutzen bzw. Schaden für die Gesellschaft
Leichtgläubigkeit, sein Büchervorrath, selbst das unter Berücksichtigung aller Faktoren, die auf sei-
Zeitalter, in dem er schrieb, verleiteten den guten nen Lebensweg Einfluß genommen haben, beur-
Mann, seine Bücher mit einem Wust anzufüllen, teilt werden muß. Dabei ist die Herkunft des
der nichts anders, als Unfug anrichten kann.« Menschen ohne Bedeutung: der Adelige kann
(S. 25). Das Volk müsse »von Jugend auf« so ge- sich ebenso wenig Verdiensteaufgrund seiner ho-
bildet werden, »daß es an solchen Büchern kei- hen Geburt zurechnen, wie die Gesellschaft ei-
nen Geschmack fände, und das müßte in Schulen nemjungen Menschen Brot und eine Ausbildung
455 Unterhaltende Schriften 456

versagen darf, nur weil sein Vater gegen geltendes lung jedem Menschen, besonders aber der Ju-
Recht verstoßen hat. Die besondere Betonung der gend, »durchaus nothwendig« sei, und die Ge-
Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft sowie der sellschaft ein Interesse daran habe, daß die Erho-
Wechselwirkung Gesellschaft- Individuum prä- lungsstunden (»ein so beträchtlicher Theil der
gen so auch Strobls Vorstellungen von der Volks- Zeit, ja was noch mehr sagen will, der Bildungs-
erziehung, der verbesserten Rechtspflege, der zeit«) auf sinnvolle Weise genützt würden (ebd.).
Ausbildung der Richter, der Humanisierung des Gutsmuths kritisiert die bisher erschienenen
Strafvollzugs und der Erleichterung der Resozia- Spielbücher, seien sie nun philologisch-historisch
lisierung von Strafgefangenen. 0. B. oder praktisch orientiert. Sie seien allesamt
»gleichsam zusammen gewürfelt, theils entsetz-
lich schlecht, nicht nur geschmacklos, sondern oft
pöbelhaft, unsittlich, voll Zweydeutigkeiten und
1795 Zoten« (Vorrede, S. V). Bislang habe es kein
Werk gegeben, »das mit gehöriger Auswahl, nach
Kaspar Friedrich Lossius (1 753-1817): einem bestimmten Zwecke, für bestimmte Subjec-
Gumal und Lina. Eine Geschichtefor te, mit geläutertem Geschmacke, und durchdach-
Kinder, zum Unterricht und Vergnügen, ter Schätzung des Werths jedes einzelnen Spiels,
besonders, um ihnen die ersten nach einem nur etwas gründlichem Systeme ab ge-
Religionsbegriffe beizubringen. 3 Teile. faßt wäre« (ebd.), und »in paedagogischer Ab-
Gotha 1795-1800 sicht« sei noch gar keine Sammlung von Spielen
veranstaltet worden (Vorrede, S. VI).
Siehe: Religiöse Schriften, Spalte 801 Gutsmuths will daher in »paedagogischer
Absicht« eine Sammlung vorlegen, die, wenn
auch nicht vollkommen, so doch »besser«,
»zweckmässiger, und systematischer als die bis-
1796 herigen sey« (Vorrede, S. IV). Die Notwendigkeit
einer umfangreichen Sammlung leitet er aus den
Johann Christoph Friedrich Gutsmuths verschiedenen Anforderungen her, die man an
(1759-1839): Spiele stelle: »Alter und Geschmack, Fähigkeiten
Spiele zur Uebung und Erholung des und Kenntnisse, häusliche Lage und Gesellschaf-
Körpers und Geistes,for die Jugend, ihre ten der Jugend; der besondere Geschmack der El-
tern und Erzieher, Tages- und Jahrszeiten, häusli-
Erzieher und alle Freunde unschuldiger
che Umstände u. s. w. machen eine große Zahl
Jugendfreuden. von Spielen nöthig.« (S. XI) Aus diesem Grunde
Schnepfenthal1796 faßt er auch den Aufbau einer »Spielbibliothek«
ins Auge, »wie sie noch keine Nation hat« (Vorre-
Gutsmuths Buch enthält zwar nach seinem eige- de, S. XI).
nen Bekunden »Spiele für die Jugend«, »aber es Zur Einkleidung und zum Stil der vorliegen-
ist nicht für die Jugend geschrieben, sondern den Schrift bemerkt Gutsmuths mit Blick auf die
für ihre Eltern, Erzieher und Freunde« (Vorrede, Adressierung des Werks an erwachsene Leser:
S. VII). Diese Adressatenzuweisung begründet »daher nicht nur Beschreibungen, sondern auch
Gutsmuths damit, daß Spiele wie » Blumenbän- Beurtheilungen der einzelnen Spiele; daher die
der« seien, »durch welche man die Jugend an sich Blicke auf das alte Griechenland als historische
fesselt; daher übergebe ich sie lieber ihren Erzie- Erläuterungen und als angenehme Erinnerungen
hern, als ihr selbst« (Vorrede, S. VIII). Das Werk an ein liebenswürdiges Volk; daher der Ton, wel-
wendet sich also nur mittelbar an Jugendliche, cher mehr trocken beschreibend als unterhaltend
wie es für zahlreiche philanthropische Kinder- ist« (Vorrede, S. VII). Auch auf die beliebte Ein-
schriften charakteristisch ist. kleidung des Stoffes in den Rahmen eines »Fami-
Allgemein vertritt Gutsmuths den Anspruch, liengemäldes« habe er verzichtet, weil dies ledig-
Bücher müßten einen »merklichen Einfluß auf lich »Papierverschwendung« gewesen wäre (Vor-
die physische oder geistige Vervollkommnung rede, S. VIII).
des Menschen haben« (Vorrede, S. VII). Diesem
Erfordernis glaubt er mit seinem Werk Genüge zu Das Werk besteht aus 106 Spielen, die Gutsmuths
leisten. Im besonderen will er ein Kompendium »entweder aus eigener Erfahrung niedergeschrieben,
vorlegen, das es Menschen »im jugendlichen Al- oder aus verschiedenen deutschen und fremden Gegen-
den [ ... ]zusammengetragen, versucht, beschrieben, er-
ter« erlaubt, ihre Erholungsstunden >>Unschuldig,
gänzt und hin und wider verbessert« hat (Vorrede,
anständig und nützlich« zu verwenden, und das S. X). Den Beschreibungen der Spielregeln und des
so zur »nöthigen Ausbildung der Kräfte« beitra- Spielverlaufs schickt erz. T. historische Exkurse voraus
gen kann (Vorrede, S. III). Ein solches Kompen- - so etwa über das Ballspiel bei den Griechen und Rö-
dium erachtet er für umso notwendiger, als Erho- mern -, gibt einführende Erläuterungen, Literaturhin-
457 Gutsmuths, Spiele, 1795 458

weise usw. Besonderes Gewicht legt Gutsmuths darauf, nen Menschen« (S. l) bald in körperlicher, bald
denjeweiligen pädagogischen Nutzen des Spiels zu um- in geistiger Weise oder aber auch in einer Misch-
reißen. Nicht alle aufgenommenen Spiele sind reine form von Körperlichem und Geistigem. Hieraus
Kinderspiele; es finden sich auch Spiele, die von Er-
leitet Gutsmuths die verschiedenen Spielgattun-
wachsenen gespielt werden können und z. T. kompli-
ziertere Spielregeln haben (z. B. das englische Football, gen (»Classen«) ab, die Bewegungs- bzw. Ruhe-
Baseball, Cricket, Golf, das Jeu de Boules, Billard, spiele. Als vornehmliehen Zweck des Spiels be-
Schach u. a.). trachtet er die Belustigung der Spielenden, als ent-
Die Spiele sind von Gutsmuths zwei großen ferntere Zwecke die Erholung und den Schutz vor
Hauptklassen zugeordnet worden, den »Bewegungs- Langeweile. Die Belustigung, der Hauptzweck,
spielen« (58 Spiele) und den »Ruhespielen« (48 Spie- sei aus »der Wirksamkeit unserer Thätigkeit«
le). Diese Klassifizierung leitet Gutsmuths her aus den (S. 2) geschöpft. Um diese Tätigkeit wirksam zu
verschiedenartigen Graden der »Thätigkeit«, die er als machen, brauche es verschiedener Mittel, näm-
Hauptprinzip jedes Spiels betrachtet. Eine weitere Glie-
lich des »Materials« des Spiels, »welches sich
derungsebene ergibt sich aus dem Wirken der verschie-
denen Verstandes- oder Erkenntniskräfte, aus der je- bald als träge, bald als active Masse unserer Thä-
weils besonderen Geistestätigkeit, »die ohne Ausnahme tigkeit widersetzt« (ebd.). Da das Material des
bey allen Spielen statt findet« (S. 45). Gutsmuths ver- Spiels aber nicht allein schon genügend Interesse
steht darunter, daß bei den verschiedenen Spielen ein- für die Tätigkeit biete, müßten zwei weitere Fakto-
mal die Phantasie, dann das Gedächtnis, bei einem wei- ren zum Spiel hinzukommen: die Ehrliebe als An-
teren der Witz usw. auf besondere Weise beansprucht sporn zur Tätigkeit sowie der Zufall, der eine un-
werde. Hieraus leitet er verschiedene »Ordnungen« der terschiedliche Herrschaft über das Material aus-
Spiele ab, die ihrerseits wieder Gliederungsprinzip der übe und so die Spannung fördere und die Tätig-
beiden »Ciassen« sind. Insgesamt unterscheidet Guts-
keit rege erhalte. Neben der Wirksamkeit der Tä-
muths sechs Ordnungen, nämlich: » 1- Spiele des Be-
obachtungsgeistes und des sinnlichen Beurtheilungs-
tigkeit sieht Gutsmuths eine weitere Wurzel für
vermögens. 2- der Aufmerksamkeit. 3- des Gedächt- die Belustigung und das Vergnügen in der beson-
nisses. 4- der Phantasie und des Witzes. 5- des Ver- deren Form des Spiels, so daß er zusammenfas-
standes und der höhern Beurtheilungskraft. 6- des Ge- send definiert: >>Spiele sind also Belustigungen
schmacks.« (ebd.) Einen weiteren Unterschied der zur Erholung geschöpft aus der Wirksamkeit und
Spiele bildet die besondere Benutzung des Spielmate- verabredeten Form unserer Thätigkeit.« (S. 3)
rials wie Kugeln, Bälle, Scheiben usw. Dadurch ergibt Aus dieser Definition des Spiels leitet er des-
sich für Gutsmuths als dritte Gliederungsebene unter- sen moralischen Wert her, der sich nach drei ver-
halb der »Ordnungen« eine Aufteilung der Spiele nach
schiedenen Faktoren richte. Einmal sei der Wert
Arten« »als Ballspiele, Kugelspiele, Scheibenspiele
und Gesellschaftsspiele, zu welchen Ietztern alle dieje- bestimmt durch die »Natur des Affects, der zur
nigen gehören, beydenen die Personen selbst das Mate- Spannung unserer Thätigkeit hineingezogen
riale ausmachen« (S. 46). wird« (ebd.). Der moralische Wert eines Spiels
Dem Werk sind zwei Anhänge »Ueber Wählen korrespondiere daher immer mit dem Charakter
und Losen« und >>Ueber Pfänderspiele« sowie eine dieses Affekts: »Je unschuldiger dieser ist, desto
Subskribentenliste beigegeben. An Illustrationen fin- unschuldiger ist das Spiel. Sein Werth ist daher so
den sich 16 kleine Risse mit Spieltabellen sowie ein verschieden als die Natur der Ehrliebe, der physi-
Frontispiz von G. F. Stoelzel nach einer Vorlage von I. schen Liebe, der Habsucht.« (S. 3 f.) Zweitens sei
H. Ramberg. Die Erläuterung zum Frontispiz gibt Guts-
der moralische Wert durch den Grad des Affekts
muths selbst in seiner Vorrede: >>Die Erziehung, in schö-
ner weiblicher Gestalt, an dem Altar der Natur gelehnt, bestimmt, da jede Steigerung des Affekts diesen
neben ihrer Rechten das Symbol der Bildung, in ihrer nicht nur bedeutender mache, sondern auch die
linken Hand das der Leitung, wacht über die Spiele der Freiheit der Tätigkeit der Spielenden einschrän-
unschuldigen Kleinen. Möchten doch Eltern diesen ein- ke. Schließlich sei der moralische Wert abhängig
fachen Gedanken beherzigen.« (Vorrede, S. XII; Her- von der Stärke des Zufalls, der sich bestimmend
vorhebungen durch Gutsmuths) auf das Spiel auswirke. Bleibe der Zufall so stark
eingeschränkt, als dies »zur mäßigen Spannung
In einer Einleitung »Ueber den Begriff des der Erwartung und der Thätigkeit« erforderlich
Spiels und über den moralischen, politischen und sei (S. 4), so habe das Spiel einen größeren Wert
pädagogischen Werth der Spiele; über ihre Wahl, als in dem Falle, wo der Zufall stärker spielbe-
Eigenschaften und Classification« (S. l-46) lie- stimmend wirke. Überlasse man sich nur dem Zu-
fert Gutsmuths eine umfassende Darlegung sei- falle, »der uns durch unsere eigene Affecten gei-
ner philanthropischen Spieltheorie und entwik- ßelt und das Spiel dadurch pikant wie Brennessel
kelt eine systematisierende Klassifikation von macht« (ebd.), so sei das Spiel völlig ohne morali-
Spielen. Nach seiner Auffassung haben Spiele schen Wert. Als Beispiel dafür führt Gutsmuths
zwar die Langeweile zur Veranlassung, der eigent- die Hasardspiele an, »die schlechtesten von allen
liche Ursprung des Spiels liege jedoch in dem na- unmoralischen« (ebd.).
türlichen Trieb des Menschen zur Tätigkeit. Die- Diesen moralischen, charakterbildenden
ser Trieb äußere sich je nach dem Grade der Kul- Wert untersucht Gutsmuths zunächst im Hinblick
tur und der» Verfeinerung der Völker und einzel- auf verschiedene Nationen. Er schließt dabei an
459 Unterhaltende Schriften 460

hung müßten »geistiger Ernst« und »körperli-


cher Scherz« zusammenkommen, Übungen des
Geistes und des Körpers müßten sich gegenseitig
zur Erholung dienen; aus diesem Grunde seien
besonders Bewegungsspiele und vor allem
Leibesübungen unentbehrlich in der Erziehung.
Richtige Erziehung soll nach Gutsmuths Auffas-
sung abzielen auf Gesundheit, auf die Ausbil-
dung des Körpers und die »Heiterkeit des Gei-
stes« (S. 19). Es sei daher falsch zu meinen, die
Kinder sollten nach gehabter geistiger Anstren-
gung sich ausschließlich mit anderen »nützli-
chen« Tätigkeiten beschäftigen wie Zeichnen,
Klavierspielen, der Ordnung des N aturalienkabi-
netts usw. Eine solche Auffassung sei Ausdruck
einer irrigen Vorstellung »von der Oekonomie,
sowohl des jugendlichen als erwachsenen,
menschlichen Körpers« (ebd.).
Spricht Gutsmuths von den Spielen als
einem Erziehungsmittel, so sieht er deren
Wert in verschiedenen Funktionen begründet:
I. Sie seien ein Mittel gegen Langeweile, »eins
der drückensten Übel« (S. 21), die aus jedem
Menschen ein unleidliches Geschöpf mache.
2. Während »Arbeiten, ernste Beschäftigungen
und Umgang mit Erwachsenen« (S. 22) »künstli-
Johann Christoph Friedrich Gutsmuths ( 1759 - che Rollen« für Jugendliche seien, die sie auf ihre
1839). Abbildung entnommen aus: Bildnisse der zukünftige Bestimmung vorbereiteten, sei das
berühmtesten und verdienstvollsten Pädagogen Spiel eine natürliche Rolle. Selbst die »Neigung
und Schulmänner älterer und neuerer Zeit. zur künftigen Lebensart« scheine »hier und dort
8 Lfgn. - Quedlinburg und Leipzig 1833-1840. beym Spiele durch« (ebd.). 3. Das Spiel fördere
Lithographie von F. W. Wenig zu Ij'g. 4.: »1.C.F. die Teilnahme, den Eifer und die Tätigkeit.
Guts-Muths« 4. Das Spiellehre übertriebene Empfindsamkeit
zu überwinden: »Diese Art von Empfindlichkeit
Wielands Frage im Teutschen Merkur (Februar abzustumpfen, das Auslachen im gehörigen Falle
1781, S. 140) an: »Worin spiegelt sich der Cha- mit einer gewissen männlichen Fassung und Frey-
rakter einer Nation aufrichtiger ab, als in ihren müthigkeit ertragen zu lernen, sind manche Spiele
herrschenden Ergötzungen ?« Platos Äußerun- sehr gut. Sie gewöhnen durch Spaß zum Ernste,
gen über die Bedeutung der Musik weiterführend, lernte man das Necken und Belachen erst in der
hatte Wieland in diesem Aufsatz analogisierend scherzenden Spielwelt ertragen, so übernimmt
festgestellt: »Keine Veränderung in diesen [d.i. man es auch mit mehr Leichtigkeit in der ernstli-
den Spielen] - [ .. . ]die nicht die Vorbedeutung chen Welt.« (S. 24) 5. Das Spiel gebe dem mit-
oder die Folgen einer Veränderung in seinem sitt- spielenden Erwachsenen die Möglichkeit, die
lichen oder politischen Zustande sey!« Guts- Herzen der Kinder zu gewinnen, da durch das
muths schließt daraus, daß Spiele zu den Erzie- Spiel Freundschaft geweckt und Offenherzigkeit
hungsmitteln einer Nation gehörten und den na- erzeugt werde. 6. Spiele bildeten aufmannigfalti-
tionalen Charakter befestigten und ihn weiter aus- ge Art den Gang des menschlichen Lebens nach,
bildeten. Er versucht, dies mit einer Fülle histori- da der junge Mensch hier im Kleinen mit ver-
scher Beispiele zu belegen, u. a. mit der Wirkung schiedensten Eigenschaften, Charakteren und
des Kartenspiels, das die Verweichlichung ver- Zuständen in Berührung komme - Gutsmuths
schiedener Nationen, vor allem aber ihrervorneh- nennt u. a. Beleidigungen, Prahlerei, Überlistung,
men Klassen, äußerst befördert habe. Der Satz fehlgeschlagene Hoffnungen, Überlegenheit an
»an den Spielen sollst du sie erkennen« hat daher Geistes- oder Körperkräften, Kummer, Freude,
für Gutsmuths seine durch Erfahrungstatsachen Geschicklichkeit, Güte u. a. m. - , auf die er zu re-
belegte Gültigkeit. agieren habe. Dies sei ein wichtiges Erziehungs-
Wenn, so schlußfolgert Gutsmuths, die Spie- mittel, denn »nirgends ist die Jugend in ihren
le aber auf ganze Nationen wirkten und in ihrem Handlungen, in ihrem ganzen Betragen so wenig
Zustand merkliche Veränderungen hervorzubrin- von Seiten der Erwachsenen beschränkt, nirgends
gen in der Lage seien, so seien sie auch »ein Erzie- handelt sie daher natürlicher, freyer und dem
hungsmittel für die Jugend« (S. 17). In der Erzie- Gange des menschlichen Lebens gleichlautender,
461 Gutsmuths, Spiele, 1795 462

als hier.« (S. 26) 7. Spiele verbreiteten Heiterkeit Hierbei spricht er vor allem zwei Komplexe an.
und Freude, Lust und Gelächter. Bei dieser Fest- Einmal den übermäßigen Besitz an Spielsachen,
stellung beruft sich Gutsmuths auf Basedows den er entschieden ablehnt; die Kinder würden
Hinweis in seinem Elementarwerk: >»Jemehr sie dadurch »flatterhaft, zum Überdrusse und zur
zum Lachen reitzen, <sagt Basedow von den Spie- Begierde nach Neuerungen gewöhnt« (S. 29f.).
len, desto zweckmäßiger sind sie.« (S. 28) Zum anderen setzt er sich mit dem Argument aus-
8. Schließlich seien Spiele nötig zur Erhaltung einander, das Spiel beeinträchtige die Lust an der
der Gesundheit, zur Stärkung, Übung und Abhär- Arbeit, die mehr und mehr vernachlässigt würde.
tung des jugendlichen Körpers. Dem hält Gutsmuths entgegen, daß nur sehr we-
Nach Gutsmuths verfolgen Spiele von Ju- nige Menschen aus »dem wahren Grundsatze der
gendlichen im Wesentlichen drei Zwecke: l) Sie Vervollkommnung und Stiftung des Guten um
dienen zur Unterhaltung gegen Langeweile. 2) Sie sich her« arbeiteten (S. 32); der große Rest hinge-
tragen bei zur »Geistesvervollkommnung«, zur gen würde, wenn er Gelegenheit hätte, der Arbeit
Bildung und Stärkung des Körpers (S. 37). 3) Sie das Amusement vorziehen. Da der Mensch, ob-
dienen zur Erholung von der Arbeit. Gutsmuths gleich er zur Tätigkeit geboren sei, nur die An-
vertritt dabei das Prinzip nicht nur der Abwechs- strengung liebe, die mit Vergnügen verbunden sei,
lung zwischen geistigen und körperlichen Arbei- nicht jedoch die, die ihm trockne Anstrengung
ten, sondern ebenso zwischen Ernst und Scherz, verursache, müsse er sich durch »Gewohnheit«
weil hierdurch die Erholung in weit höherem Ma- und »Geläufigkeit« zur Arbeit erziehen und so
ße gesteigert werde. Diese Zwecke würden sowohl » Rutine« gewinnen. Es lange daher nicht hin, der
von den Ruhe- als auch den Bewegungsspielen in Jugend lediglich den Grundsatz der Vervoll-
gleichem Maße erfüllt. Die Wahl des Spiels hänge kommnung einzuprägen; bis die »Geläufigkeit
daher von der vorhergehenden Tätigkeit ab; sei und Liebe« Antrieb ihrer eigenen Arbeit werde,
diese geistiger Art gewesen, empfehle sich ein Be- müsse man ihr auch eine Vorstellung von der Not-
wegungsspiel, habe der Jugendliche sich jedoch wendigkeit der Arbeit vermitteln, denn beide -
körperlich betätigt, so solle ein Ruhespiel gewählt Grundsatz und Notwendigkeit - seien die einzi-
werden. Weil die geistige Ausbildung bei der Er- gen Triebfedern, »die Hand und Kopf der Men-
ziehung »das Hauptwerk« darstelle (S. 39), so schen in Action setzen«. Bei einem Jugendlichen,
seien Bewegungsspiele »für die Jugend zur Erho- der in diesem Geiste erzogen werde, der wisse,
lung ihres noch schwachen Geistes die zweckmä- daß die Arbeit dem Spiel voranzugehen habe,
ßigsten und vorzüglichsten« (S. 40). brauche man nicht zu besorgen, daß er durch das
Spiele für Jugendliche dürften nur »unschul- Spiel von der Arbeit abgehalten werde. Der
dig« und niemals »unehrbar« sein oder» Unsittli- Grund der Arbeitsscheu sei daher nicht im Spie-
ches« mit sich führen (S. 40); kein Spiel dürfe len, wohl aber in einem Erziehungsfehler zu su-
»gegen das Gefühl des Edlen und Schönen« ver- chen, »der sich auf einen Berechnungsfehler der
stoßen (S. 41 ), gefährlich oder» leervon allem Ge- natürlichen Thätigkeit gründet« (S. 33). Ener-
halte, von allem Nutzen« (ebd.) sein. Gutsmuths gisch lehnt Gutsmuths die Praxis ab, Kinder mit
stellt an jedes Spiel die Forderung, daß es auf ir- der Aussicht auf das spätere Spiel zur Arbeit zu
gendeine Art eine für Jugendliche vorteilhafte reizen. Um der Spiele willen sich anzustrengen,
Übung sein müsse: Die Spiele »müssen den Kör- sagt Gutsmuths unter Berufung auf Aristoteles,
per bald mehr bald minder bewegen und seine sei töricht und kindisch; richtig dagegen sei das
Gesundheit befördern, es geschehe nun durch Spielen, um arbeiten zu können. Es sei »unpäd-
Laufen, Springen u. s. w. oder durch fröhliches agogisch und unverantwortlich, der Jugend den
Lachen und sanftere Bewegung. Sie müssen Zweck der Arbeit auf solche Art zu verrücken«
Schnelligkeit, Kraft und Biegsamkeit in die Glie- (S. 33).
der bringen, den Körper bald zufällig, bald ab-
Laut Kayser erlebte das Werk 1802 eine zweite
sichtlich gegen Schmerz abhärten und bald die-
Auflage, die in zwei Ausgaben mit verschiedener Aus-
sen, bald jenen Sinn in lebhafte Thätigkeit setzen. stattung erschien. Hobohm (1939, S. 31) berichtet, das
Sie müssen für die Jugend unterhaltend seyn, bald Werk sei »bei Lion noch vor einigen Jahren in achter
ihre Erwartung, bald ihre Ehrliebe, bald ihre Thä- Auflage« herausgekommen und werde »von neuen
tigkeit spannen, bald ihre zu große Empfindlich- Volksspielbuchverfassern noch oft ausgeschlachtet«.
keit abstumpfen, ihre Geduld prüfen, ihre Beson- Zwar hat Gutsmuths mit seiner Schrift das erste
nenheit und ihren jugendlichen Muth gewisser- umfassende, systematische Spielbuch vorgelegt und mit
maßen auf die Probe stellen. Sie seyen endlich seiner Einleitung wegweisend auf die Spieltheorie ge-
Übungen für Beobachtungsgeist, Gedächtniß, wirkt, doch sein Werk ist in den Geschichten der Kin-
der- und Jugendliteratur des späten 19. Jahrhunderts
Aufmerksamkeit, Phantasie, Verstand u.s. w.«
und dieses Jahrhunderts nicht erwähnt. Eine Ausnahme
(S. 41 f.). bildet Knoop im Lexikonder KJL(Bd. 1, 1975): »Nicht
In seinem Plädoyer für das kindliche Spiel minder hoch schätzt G[uthsmuths] die freie Funktions-
übersieht Gutsmuths jedoch auch die Nachteile übung, wie sie das Spie/darstellt, ein.[ ... ] G[utsmuths]
nicht, die durch das Spiel erwachsen können. stellt eine pädagogisch begründete, auf praktischer Er-
463 Unterhaltende Schriften 464

fahrung aufgebaute Theorie über Zweck, Wesen, erzie- von einem vorbeilaufenden Hund sogleich aufge-
herische Wirksamkeit und moralischen Wert des Spie- schnappt wird. Die meisten der in diesem ersten Teil
Jens auf und nimmt z. T. die Vorstellung der Romantik vorhandenen Fabeln mahnen die Kinder, dem Rat der
vorweg, die das Spiel als wesensbestimmend für die kör- Eltern oder älterer erfahrener Menschen zu folgen, und
perliche Entwicklung ansieht. G[utsmuths] schrieb das zeigen in unterschiedlichen Variationen die Folgen von
erste pädagogisch fundierte Spielbuch [ ... ]. Es wurde Ungehorsam und Mutwillen auf (z. B. Nr. II, IV, VII,
wegweisend für die pädagogische Spielliteratur, ist aber IX, XXIV). Die übrigen Fabeln enthalten Warnungen
vorwiegend als Anregung für Eltern und Erzieher ge- vor Hochmut und Verachtung anderer (Nr. 111), vor
dacht.« 0. B. zu großem Freiheitsdrang (Nr. VI), vor Verzärtelung
(Nr. VIII), vor falschem Mitleid (Nr. XI), wenden sich
gegen die häufige Neigung, andere ohne Überlegung
nachzuahmen (N r. XII) und nur dem äußeren Schein zu
1798 trauen (Nr. XIII), warnen vor Ungeduld (Nr. XV), Geiz
(Nr. XVI) und Naschhaftigkeit (Nr. XX).
Johann Jakob Ebert (1 737-1805): Der erste Teil umfaßt insgesamt fünfzehn kürzere,
Fabeln und Erzählungen filr Kinder und einfach aufgebaute und leicht faßliche Fabeln, die mit
junge Leute beyderley Geschlechts. einer Lehre abgeschlossen werden. Bei den verbleiben-
Leipzig 1798 denzehn Texten handelt es sich umz. T.längere Beispie-
lerzählungen, die in dieser Einkleidung hauptsächlich
bestimmte Erziehungsmethoden und -Fehler themati-
Ebert wendet sich mit seinem Werk an »die Ju- sieren, wie z. B.: » Ferdinand und Heinrich, oder zu viel
gend beyderley Geschlechts« (S. 1), wobei er hin- Lob verdirbt gemeiniglich die Kinder«, Nr. X; »Der
sichtlich des Alters bemerkt: »Ich habe aus mei- strenge und gelinde Hofmeister«, Nr. XIX; »Mittel wi-
ner Sammlung zwey Abtheilungen gemacht, wo- der den Eigensinn der Kinder«, Nr. XXI. Weitere The-
von die erste diejenigen Fabeln und Erzählungen men sind Neid (Nr. 1), Hochmut (Nr. XIV), Mutwille
enthält, deren Moral sich besonders auf die klei- (Nr. XVII), Höflichkeit (Nr. XVII), Wohltätigkeit (Nr.
nere Jugend bezieht. Die zweite Abtheilung ent- XXII) und Tadelsucht (Nr. XXIII). Ebert sucht mit sei-
hält solche, die zwar ebenfalls den Fähigkeiten nen Texten die jungen Leser zum einen abzuschrecken,
zum anderen zur Nachahmung zu ermuntern, indem er
der Kinder angemessen sind, deren Moral aber deutlich macht, daß Tugend und Laster unweigerlich
doch mehr Bezug auf erwachsene Personen hat.<< Belohnung bzw. Bestrafung nach sich ziehen. Diese
(S. 111). Der Verfasser möchte dem Mangel an können sowohl materidler wie ideeller Art sein.
»schicklichen Fabeln« für Kinder und Jugendli- In dem zweiten Teil des Buches bestätigen die Tex-
che abhelfen (S. 1), da seines Erachtens die Mehr- te in formaler wie inhaltlicher Hinsicht, daß hier die
zahl der Sammlungen solche Fabeln enthielten, schon erwachsene Jugend angesprochen ist. Die aus
»die für die kleinere Jugend, theils in Ansehung den Fabeln gezogene Moral bezieht sich nun weniger
ihres Inhalts, theils in Ansehung des Ausdrucks, auf den privaten Bereich von Familie und Erziehung,
ganz und gar unbrauchbar sind, wenn sie gleich sondern behandelt Erscheinungsformen des öffentli-
sonst ihren Werth haben« (S. II). Zum Aufbau chen Lebens. Thematisiert wird die Stellung des Men-
des Buches führt Ebert aus, daß er den Wechsel schen in der Gesellschaft. Die Texte sind überwiegend
in der Weise aufgebaut, daß sie einen Einzelfall schil-
zwischen längeren und kürzeren Texten beachtet dern, der in der Moral auf allgemeine Verhaltensweisen
habe, um so die Möglichkeit verschiedener Übun- bezogen wird.
gen bieten zu können, wobei er an eigene pädago-
Bei den ersten neun Texten des zweiten Teils
gische Erfahrungen anknüpft: »Die kürzeren handelt es sich um kürzere Fabeln und Erzählungen.
mußten mir die Kinder, wenn sie hierzu noch Die erste Fabel soll davor warnen, Schmeichlern Gehör
nicht zu jung waren, erst vorlesen oder von mir an- zu schenken (Nr. XXVI). Es folgen ein Text, der zur
hören, und hernach mir wiederum etwas ausführ- Toleranz aufruft (Nr. XXVII) und eine Fabel, die das
licher erzählen. Von den längeren Erzählungen Thema der Freigeisterei behandelt (Nr. XXVIII). Zwei
hingegen ließ ich sie einen kurzen Auszug ma- weitere Fabeln warnen vor der Verachtung Geringerer
chen, vornehmlich, wenn sie schon im Stande wa- (Nr. XXIX) und vor übertriebener Eitelkeit (Nr. XXX).
ren, mit der Feder umzugehen.« (S. Illf.) Eine Beispielgeschichte thematisiert unaufrichtiges
Mitleid, das nur den äußeren Schein wahrt (Nr. XXXI).
Die erste Abteilung umfaßt meist kürzere Tierfa- Es schließen sich zwei Fabeln an, in denen vor dem
beln und Beispielgeschichten, bei denen das moralisch- Neid auf Reichtum und Macht (Nr. XXXII) und vor
didaktische Element deutlich zum Tragen kommt. In Gutgläubigkeit gegenüber anderen, die nur auf ihren
der abschließenden Lehre wendet sich der Verfasser oft- Vorteil bedacht sind, gewarnt wird (Nr. XXXIII). Die
mals direkt an die Leser, indem er das Erzählte auf den folgende Erzählung mahnt zur sinnvollen Anwendung
kindlichen Lebensbereich anwendet. Die erste Erzäh- eines Vermögens (Nr. XXXIV). Die übrigen neun Texte
lung, die auf dem Frontispiz dargestellt ist, zeigt die Fol- sind zumeist ausführlicher gehalten. Die Erzählung
gen von Neid und Mißgunst auf: Lorchen erhält als Be- »Das Glück der Niedern« (Nr. XXXV) soll deutlich
lohnung für Fleiß und Gehorsam von ihrer Mutter ein machen, daß es leichter sei, »in den niedern, als in den
größeres Stück vom Kuchen als ihr Bruder Ephraim. höhern Ständen des irdischen Glücks theilhaftig zu wer-
Dieser versucht, seiner Schwester den Kuchen wegzu- den« (S. 213). Der nachfolgende Text beschreibt die
nehmen. Er verfolgt sie, achtet nicht auf den Weg und Folgen von Reisen, die ohne genügende Vorkenntnisse
stürzt, wobei ihm der Kuchen aus der Hand fällt und unternommen werden und nur der Unterhaltung und
465 Ebert, Fabeln, 1798 466

strenge und gelinde Hofmeister« bildet. Vorge-


stellt werden die unterschiedlichen Erziehungs-
methoden zwei er Hofmeister in ihren Auswirkun-
gen. Der Schüler, dessen Lehrer nachsichtig und
mild mit ihm umging, endet im Gefängnis, wäh-
rend ein anderer, der von seinem Erzieher streng
gehalten wurde, im späteren Leben sein Fortkom-
men findet. In der Lehre hierzu heißt es: »Wer
sein Kind lieb hat, der züchtiget es, und wer es
mit seinem Zöglinge recht gut meynt, der hält ihn
strenge.« (S. 111) In diesem Sinne wird denn auch
immer wieder unbedingter Gehorsam gefordert;
in abschreckenden Beispielen werden die Folgen
jeder Form der Auflehnung gegen den elterlichen
Willen dargestellt.
Des öfteren wird in beiden Teilen des Wer-
kes ein und dasselbe Thema behandelt. Hierbei
fällt auf, daß die Lehren jeweils ganz unterschied-
licher Art sind. Im ersten Teil findet sich die Fabel
Ebert, Johann Jacob: Fabeln und Erzählungen »Der Gympel und der Zaunkönig«, in der der
fiir Kinder.- Leipzig 1798 (Nr. 241). Titelvignet- Zaunkönig dem hochmütigen Dompfaff beweist,
te von W. Jury daß dieser keinen Grund habe, ihn wegen seiner
Größe zu verachten. Der Dompfaff lernt zu er-
kennen, »daß es eben so thöricht und unbillig sey,
dem Vergnügen dienen sollen (Nr. XXXVI). Es folgen wenn ein großes Geschöpf ein kleines, als wenn
drei kürzere Fabeln, in denen die Laster Aufdringlich-
keit (Nr. XXXVIII), blinder Eifer (Nr. XXXIX), Geiz
ein kleines ein großes Geschöpf verachtet.« (S. 12)
und Treulosigkeit behandelt werden (Nr. XL). Bei den Im zweiten Teil wird dieses Thema in der Lehre
drei letzten Texten des Buches handelt es sich wiederum ausgeweitet und konkretisiert. Hier geht es um
um Beispielerzählungen: Die erste warnt vor überstei- kleine Bäume und Sträucher, die im Schatten ei-
gertem Selbstvertrauen hinsichtlich der eigenen morali- ner alten Eiche leben. Sie beklagen sich bei Aeo-
schen Kräfte (Nr. XLI). Es folgt ein Text, in dem »trau- lus, dem Gott des Windes, darüber, daß ihnen die
rige Folgen einer lächerlichen Eitelkeit« aufgezeigt wer- Eiche Tau, Regen und Sonnenschein entzöge.
den. (Nr. XLII). Die letzte Erzählung ruft dazu auf, stets Aeolus läßt daraufhin einen mächtigen Sturm
und insbesondere in Unglücksfällen auf Gott zu ver- aufkommen, der die Eiche entwurzelt und zer-
trauen (Nr. XLIII).
schmettert. In dem folgenden Hagelschauer fin-
Die Fabeln des ersten, für kleine Kinder be- den die Sträucher keinen Schutz mehr, und viele
stimmten Teils sind nichts anderes als Beispieler- werden vernichtet: »Wie es den neidischen Bäu-
zählungen, in denen lediglich Menschen gegen men und Sträuchern gieng, so geht es auch gemei-
Tiere ausgetauscht sind. Ein Beispiel mag der niglich den neidischen Menschen, welche den
Text »Die bestrafte Naschhaftigkeit« geben. Er- Untergang der Hohen und Mächtigen zu beför-
zählt wird von zwei jungen Affen, die trotz des dern suchen, ohne zu bedenken, daß der Fall ei-
Verbots ihrer Mutter Weintrauben verspeisen. nes Großen meistentheils den Fall vieler Kleinen
Der Besitzer des Weinbergs entdeckt die Diebe nach sich zieht.« (S. 192) In eine ganz entgegenge-
und schlägt sie in die Flucht. Sodann beobachten setzte Richtung zielt die Lehre der Fabel »Der
sie zwei Indianer, die Branntwein trinken. In de- übermüthige Hengst«. Ein edler arabischer
ren Abwesenheit kosten die beiden Affen von Hengst verlacht die Drohungen der Bienen, deren
dem Getränk, worauf sie müde werden und ein- Bienenstock er zerstört hat. Diese fallen über ihn
schlafen. Als die Affen wieder erwachen, sind sie her und bringen ihm so viele Stiche bei, daß er
gefesselt, denn die Indianer hatten sich dieser List schließlich daran sterben muß. Am Schluß der Er-
bedient, um die Affen einfangen zu können. Die zählung heißt es: »Es ist also sehr thöricht, wenn
Moral formuliert Ebert in folgenden Worten: diejenigen, die an Größe und Stärke andre weit
»Eben so und oft noch schlimmer geht es auch übertreffen, diesen mit Verachtung begegnen,
denjenigen Kindern, welche die üble Gewohnheit und sich einbilden, daß sie dieselben ungestraft
haben, alles zu benaschen. Denn oft gerathen sie beleidigen können. Denn auch das geringste und
über solche Sachen, welche die Gesundheit und kleinste Geschöpf kann dem größten und Mäch-
das Leben selbst in G efahr setzen.« (S. 117) tigsten, wie man schon aus dieser Erzählung sieht,
Die Erziehungsvorst ::llungen, die hier in sehr gefährlich werden, wenn es sich mit vielen
Form von Erzählungen und Fabeln vermittelt von seines Gleichen vereinigt.« (S. 183)
werden, können in dem Kernsatz zusammenge- Solcherlei politische Bezüge finden sich im
faßt werden, der die Lehre zu der Erzählung» Der zweiten Teil mehrfach. Ein weiteres Beispiel hier-
467 Unterhaltende Schriften 468

für mag die Fabel »Der Gartenbesitzer und die über die Religion aus einer voltairischen Schrift«
Sperlinge« geben. Ein Gartenbesitzer beschließt, vorlas (S. 176). Ein Hofmeister, der hinzukommt,
die Sperlinge, die seine Fruchte stehlen, zu töten. erzählt daraufhin die Fabel von zwei Eichen, von
Diese werfen ihm vor, er sei grausam und undank- denen eine ein Philosoph von der Art gewesen sei,
bar, weil sie doch auch seinen Garten von Raupen »wie unsre itzigen Philosophen, die alles tadeln
befreien. Darauf entgegnet ihnen der Mann: und bezweifeln«, es sind (S. 177). Diese »philoso-
»Die Raupen habt ihr nicht mir zu Gefallen, son- phische« Eiche spottete darüber, daß ihr Nach-
dern eurentwegen selbst aufgesucht, weil ihr mit bar bestrebt war, in die Höhe zu wachsen. Sie ha-
dieser Speise vorlieb zu nehmen pflegt, wenn ihr be von ihren Vorfahren zwar gehört, »daß es ein
keine beßre finden könnt.« (S. 194f.) Nach die- bewunderungswürdiges Wesen giebt, welches
sen Worten ergreift er die Sperlinge und tötet sie. nicht, wie wir, an den Boden angewachsen ist,
Ebert wendet dieses Bild auf das Verhältnis der sondern sich von einem Orte zu einem andern be-
Staaten zueinander an und empfiehlt es zur Nach- wegen, und nicht nur seinen eignen Körper, son-
ahmung: »Gewiß ganze Nationen werden es in dern durch denselben auch andre Dinge nach Be-
der Folge bedauern, daß sie sich von raubsüchti- lieben regieren kann. Von diesen Geschöpfen,
gen Nachbarn ruhig haben ausplündern lassen, welche man Menschen zu nennen pflegt, haben
weil sie durch ihre Hülfe von einigen Unbequem- wir Eichen, wie man mich versichert hat, viel zu
lichkeiten befreyt wurden, statt deren sie nun viel befürchten, aber wenig zu hoffen, wenn wir nicht
größre zu befürchten haben.« (S. 195) recht gerade und gesund sind. Denn die krummen
Auch zu einzelnen Zeiterscheinungen nimmt und kurzen pflegen sie gemeiniglich zum Feuer zu
Ebert Stellung. Die Fabel »Die beyden Eichen« bestimmen, und nur die langen und geraden ste-
berichtet von »einem freygeisterischen Franz- hen zu lassen.« (S. 179) Die »philosophische« Ei-
männchen«, welches »allerhand Spöttereyen che bezweifelt jedoch die Existenz dieser Ge-
schöpfe und tut die Worte als Aberglaube und
Einfalt ab. In diesem Augenblick erscheinen zwei
Holzfäller, die die krumme, in die Breite gewach-
sene Eiche niederhauen. Die Geschichte endet
mit den Worten: »Das französische Männchen
hatte es nicht für gut befunden diese Vorlesung
ganz abzuwarten; die beyden jungen Herren aber
hörten bis zu Ende sehr aufmerksam zu, und
machten selbst die Bemerkung, die ihr Hofmei-
ster im Sinne hatte, daß die neumodischen Halb-
philosophen, welche das Daseyn einer Gottheit
wegphilosophieren wollten, in ihrer Art zu schlie-
ßen mit der knotigen und krummen Eiche eine
große Aehnlichkeit hätten.« (S. 181)
Eine andere Modeerscheinung seiner Zeit,
die Reisetätigkeit junger Adliger, nimmt Ebert
aufs Korn. Er erzählt von dem jungen Baron von
Kilian, der nach seinen Reisen »durch die vor-
nehmsten und aufgeklärtesten Länder« auf das
elterliche Gut zurückkehrt (S. 214). Ironisch be-
schreibt Ebert die Unternehmungen des jungen
Mannes, der sich sogleich nach seiner Ankunft in
den Städten »vor allen Dingen nach den vor-
nehmsten Kaffeehäusern und andern öffentli-
chen Örtern, wo Leute von Stande und Ge-
schmack zusammen kommen, sehr genau zu er-
kundigen« pflegte, »die Gesellschaft aller Pedan-
ten aber, die seinen Kopf nur mit geschmacklosen
Grillen hätten anfüllen und ihn zu einem würdi-
gen Mitglied der großen Welt ungeschickt ma-
chen können, sorgfältig zu vermeiden« suchte (S.
214). Nach dem Tod seines Vaters beginnt er nun
das Gut gänzlich nach der neuesten Mode um-
bauen zu lassen, ohne Rücksicht auf bauliche
Ebert, Johann Jacob: Fabeln und Erzählungen Möglichkeiten, ohne Kenntnis der Statik und der
for Kinder. - Leipzig 1798 (Nr. 241). Kupfer- Bodenverhältnisse. Das Schloß stürzt mehrfach
stich-Frontispiz von W. Jury ein, in den Kellern verderben der Wein und die
469 Glatz, Familiengemählde, 1799 470

Lebensmittel. Schließlich sind die Geldquellen erzählungen und -geschichten, von Liedern, Gedichten
des Barons durch die zahlreichen Neu- und Um- und Charaden. Der erste Teilenthält 13 Texte, darunter
bauten gänzlich erschöpft, und so muß er sein Le- drei Gedichte und Lieder. Die Texte VI bis VIII des er-
ben auf einem kleinen Vorwerk zubringen. Ebert sten Teils bilden eine fortlaufende Beispielerzählung im
Stile der Geschichte der Kaufmannsfamilie Ehrenfried
ermahnt seine Leser eindringlich, sich vor und
im ersten Band von Salzmanns Moralischem Elementar-
während der Reisen sinnvolle und nützliche buch ( 1782/ 83). Bei den übrigen Texten handelt es sich
Kenntnisse zu erwerben. entweder um moralische Beispielgeschichten, die eine
Eberts Fabellese und Erzählsammlung ver- negative bzw. positive Charaktereigenschaft illustrieren
folgt vornehmlich didaktisch-moralische Ziele, (»Der entdeckte Heuchler«, »Der Tierquäler«, »Der
die jeweils auf den unterschiedlichen Leserkreis kleine Lateiner« sowie das Gedicht »Die sanfte Schwe-
beider Teile abgestimmt sind. Die Fabeln sind in ster«) oder um sog. Familiengemälde, die wie die Texte
beiden Teilen durchgängig klar und einsichtig ge- VI bis VIII vornehmlich moralische Lehren im Gewan-
gliedert; die beigefügte Morallehre bleibt im er- de einer Beispielerzählung präsentieren, die die Erleb-
nisse einer bestimmten Familie schildert (»Cieon und
sten Teil ganz auf den kindlichen Lebens- und Er-
seine Schüler«, »Die drey Linden«, »Der erste May«).
fahrungsbereich beschränkt und entwickelt den Ein Gedicht und ein Lied besingen die Schönheit ver-
herkömmlichen Tugend- und Lasterkatalog, wo- schiedener Jahreszeiten (»Fritzchen im Winter«,
hingegen der zweite Teil übergreifend wirkt, in- »Frühlingslied«), ein Gedicht beschreibt die glücklich
dem Ebertauf gesellschaftliche, politische und re- endende Odyssee eines Waisenjungen, der durch Zufall
ligiöse Phänomene aufmerksam machen möchte. von einer Cousine aufgefunden und in die Familie sei-
H. nes Onkels aufgenommen wird (»Des armen Adolphs
Wanderung«).
Der zweite Teilist in elf Abschnitte eingeteilt. Die
ersten beiden Texte (»Der schöne Garten«, »Das Ex-
1799 amen im Paradiesgarten«) liefern moralische Schilde-

Jakob Glatz (1 776-1831):


Familiengemählde und Erzählungen für die
Jugend. 2 Teile.
Gotha 1799

Bei Glatzens Familiengemählde und Erzählungen


fordie Jugendhandelt es sich um ein unterhalten-
des Lesebuch für Kinder und Jugendliche mit
dem Zweck der moralischen Bildung und Beleh-
rung. Aus dem Stand der handelnden Personen in
den Erzählungen (Kaufleute, Bürgermeister,
Kammerräte und andere öffentliche Bedienstete,
Gutsbesitzer) kann geschlossen werden, daß vor
allem Kinder und Jugendliche aus Familien des
mittleren und gehobenen Bürgertums angespro-
chen sind.
Glatz bezeichnet es als den »beabsichtigten
Zweck« seines Werkes, »etwas zur Veredlung der
jugendlichen Seele beyzutragen« (Vorrede,
S. IX). Seine Intentionen werden im folgenden
deutlich: » Ehrenhold richtete durch seine Erzäh-
lungen viel aus; die Kinder wurden dadurch nicht
nur angenehm unterhalten; sondern sie lernten
auch manches bey dieser Gelegenheit, und, was
noch mehr ist, ihr Herz wurde dadurch immer
mehr und mehr veredelt; sie gewöhnten sich das
Laster zu verabscheuen und zu fliehen; der Tu-
gend aberihren Beyfall zu schenken und ihrnach-
zustreben. Auch nahmen sie warmen Antheil an
den Schicksalen der Personen, von welchen er-
zählt wurde, und viele Thränen flossen den Un-
glücklichen, deren trauriges Loos ihnen der Vater
schilderte.« (T. 2, S. 131) Glatz, Jakob: Familiengemählde und Erzählun-
Die Familiengemählde und Erzählungen für die genfor die Jugend. Bdch. 1.- Gotha 1799 (Nr.
Jugendbilden eine zweiteilige Sammlung von Beispiel- 331). Kupferstich-Frontispiz von Weinrauch
471 Unterhaltende Schriften 472

rungen aus der Welt des Landschullehrers Erich und ausführlich erzählt (S. 63 ff. ). Wilhelm bittet schließlich
seiner Schüler. Bemerkenswert ist die zweite Schilde- seinen Vater, seine kleine Kanone mitnehmen zu dür-
rung insofern, als am Schluß die Landschulidylle mit fen, die er vor längerer Zeit bereits zum Geschenk erhal-
der Wirklichkeit des ersten Koalitionskrieges zwischen ten hat. Dies gibt dem Vater Gelegenheit, sich ausführ-
Frankreich und Preußen und Österreich konfrontiert lich über die Gefährlichkeit kindlicher Beschäftigung
wird. Neben drei Beispielerzählungen finden sich zu- mit Schießpulver auszulassen. Während der Fahrt ver-
dem zwei Familiengemälde (»Die unglückliche Weinle- nimmt die kleine Reisegesellschaft »einen leisen
se«, »Vater Ehrenhold und seine Kinder«) sowie ein menschlichen Gesang, der von dem holden Klange ei-
Lied über die Freuden der Kartoffelernte und zwei Ge- ner Zither begleitet wurde« (S. 71 ). Herr Wallberg und
dichte. In einem dieserGedichte setzt Glatz seiner vor- sein Sohn beschließen daraufhin, dem Weinberg zu Fuß
bildlichen Schülerin Christine Thekusch aus Preßburg zuzuwandern, und sie entdecken einen »holden Jüng-
ein Denkmal, das andere drückt die Trauer eines Mäd- ling« unter einer Eiche, der ein trauriges Lied singt. Es
chens über ihren verstorbenen Vater aus. Der Band wird ist Eduard, der Sohn des Geheimrats Wertheim; er of-
mit einigen Charaden und deren Auflösung beschlos- fenbart seinen beiden Zuhörern im folgenden unter vie-
sen. len Tränen sein trauriges Schicksal.
Glatz behandelt in seinem Lesebuch eine Fülle Die nächsten Bilder zeigen die Familie Wallberg
von Themen, u. a.: glückliche Erziehung, Heuchelei, ge- auf ihrem ländlichen Gut und bei der Weinlese. Auch
wissenhafte Selbstprüfung, Tierquälerei, körperliche hier läßt Glatz moralische Belehrung einfließen: >> Wil-
Abhärtung, die gute Handlung um ihrer selbst willen, helm aber übernahm das Geschäft, hinter den Arbeitern
die Erziehung der Kinder zur Arbeitsamkeit, bandwerk- im Weinberge die Weinstöcke zu durchsuchen, ob nicht
licher Tätigkeit, zur Bestellung eines eigenen kleinen hie und da eine versteckte Traube hängen geblieben wä-
Gartens und zur Sorge für ihnen anvertraute Tiere, die re. Viele fand er, und legte sie in den dazu bestimmten
Mildtätigkeit, nachsichtige Sanftmut, Verbundenheit Korb, ohne doch den Arbeitern deshalb kränkende Vor-
mit der Natur, Gefährlichkeit der Benutzung von würfe zu machen, wie so manche unbescheidne Knaben
Schießpulver, reuevolle Umkehr von einem schlechten zu thun pflegen.« (S. 82) Nach der Arbeit treffen drei
Lebenswandel, Tollkühnheit, Folgen des Vorwitzes und Kutschen mit befreundeten Familien ein, die den Nach-
unüberlegter Scherze, Anweisungen zu richtiger Klei- mittag und den Abend auf dem Wallbergsehen Gute
dung, zur Körperpflege, richtiger Nahrung und gesun- verbringen. Als es dunkel geworden ist, wird zur großen
dem Lebenswandel. Im Mittelpunkt stehen immer wie- Freude der Kinder ein Feuerwerk abgebrannt. Wäh-
der zwei Themenkomplexe: die Vorzüge des Landle- rend der Diener die Raketen abbrennt, nimmt sich Wil-
bens vor dem Leben in der Stadt sowie das Lob eines helm unvermerkt das Pulverhorn, um seine Kanone in
»geräuschlosen Familienlebens«. Gang zu setzen. Bei dem Versuch, das Pulver zu entzün-
den, kommt es zum Unglück: >> Paf! Paf! 0 wehe! wehe!
Die Behandlung dieser Themen geschieht in einer Wilhelms rechte Hand ist zerschmettert, sein Kopf und
bunten, unsystematischen Folge. Während die Beispiel- andere Theile des Körpers triefen von Blut, und der
geschichtenjeweils eine Charaktereigenschaft o. ä. zum Unglückliche sinkt ohne Bewußtseyn zur Erde nieder.«
Thema haben, greifen die Erzählungen und Familienge- (S. 88) Wilhelm überlebt den Unfall nicht; seine Leiche
mälde jeweils eine ganze Reihe von Themen auf, die wird in das väterliche Haus nach Ruhenthai überführt,
durch eine lockere Rahmenhandlung zusammengehal- wo sie von der ganzen Bevölkerung des Städtchens hef-
ten werden. Ein charakteristisches Beispiel für diese tig beweint wird. An seiner Bahre legt eine arme Mutter
Darstellungsweise bildet die Erzählung »Die unglückli- dreierKinderein Zeugnis für Wilhelms Wohltätigkeit
che Weinlese« (T. 2, S. 52-94). Sie beginnt mit einer aus- ab.
führlichen, fast vier Seiten umfassenden Naturschilde- Im gleichen Stile sind auch die übrigen Familien-
rung, mit der Glatz zur Einstimmung ein buntes Bild des gemälde gehalten: sie liefern- in meistens stark kon-
fortgeschrittenen Herbstes malt. Darauf folgt die Vor- struierter Verknüpfung einzelner Handlungsstränge
stellung der Wallbergsehen Familie. Herr Wallberg und Szenen - eine Anhäufung moralischer und sittli-
wird- ebenso wie die Väter in den anderen Erzählungen cher Belehrung. Der Hang zur Belehrung prägt auch die
-beschrieben als ein »rechtschaffene[r] Mann, frey von Sprache Glatzens; so umschreibt erz. B. den einfachen
Nahrungssorgen, geschätzt von dem ganzen Städtchen, Tatbestand des Hungers mit den Worten: »Die Wande-
[der] glücklich und zufrieden in dem Schooße einer stil- rer waren zwar nicht sehr müde, und sie hätten wohl
len, edlen Familie seine Tage lebte und des Guten viel noch einen Weg von zwey, drey Stunden zurücklegen
um sich verbreitete. Mehr, als seine Reichthümer lagen können, ohne über ihre Beine zu klagen; aber es meldete
ihm seine zwey Kinder, Wilhelm und Marianne am Her- sich ein ganz anderes Bedürfniß bey ihnen, welches sie
zen« (T. 2, S. 55 f.). Die verständigen, geschickten, sanf- nöthigte, nach dem Wirtshause zu fragen. Sie hatten
ten, liebreichen, ehrerbietigen, gefälligen, dienstfertigen sich eine heilsame Bewegung gemacht, und dadurch die
und bescheidenen Kinder sind die ganze Freude ihrer Verdauung des Frühstücks gar sehr befördert. DerMa-
Eltern. Als Ausdruck der Liebe der Kinder zu ihren El- gen forderte neue Nahrung; um ihm diese zu verschaf-
tern werden auf den nächsten Seiten die Vorbereitungen fen, trat man in eine Schenke.« (S. 88 f.)
(hauptsächlich Bastelarbeiten) beschrieben, die Wil-
helm und Marianne zum Geburtstag ihrer Mutter tref- Glatzens Erstlingswerk, entstanden wäh-
fen; das eigentliche Fest wirdjedoch nicht mehr geschil-
rend der Zeit seiner Lehrzeit an der Erziehungsan-
dert. In den Mittelpunkt rücken vielmehr die Vorberei-
tungen zur Weinlese im Wallbergsehen Weingarten, zu stalt in Schnepfenthal, ist noch deutlich vom Phil-
der sich die Familie alljährlich für einige Zeit aufs Land anthropismus geprägt. Auch die Form seiner Dar-
begibt. Im Reisegepäck befindet sich u. a. Campes Ro- stellung kann, wie schon vermerkt, den Einfluß
binson. Während der Vorbereitungen wird zudem die Salzmanns nicht verleugnen. Charakteristisch ist
Geschichte von Tai und Scherik aus den Palmblättem seine Auffassung, daß der Mensch von Natur aus
473 Glatz, Familiengemählde, 1799 474

Jen - natürlich ohne Mützen und Handschuhe,


und die Jungen sollen sich selbst bei Eiseskälte im
Freien waschen. Ausdrücklich beruft sich Glatz
hierbei auf die Erziehungsmethoden im Schnep-
fenthaler Institut (S. 114). Bei einer solchen Ge-
sundheitserziehung gibt es auch kein Geschäft
mit der Krankheit: Glatz beteuert, der Apotheker
habe von Schnepfenthai noch äußerst wenig,
»und der Todtengräber noch gar keinen Ver-
dienst gezogen, obgleich die Anstalt schon vier-
zehn Jahre steht« (S. 114).
In engem Zusammenhang damit steht das
Lob des Landlebens. Ländliches Leben ist bei
Glatz ein Synonym für »einfach, thätig, froh und
natürlich« (S. 62). Das Landleben »gewährt in je-
dem Betracht reinere, dauerhaftere, und zugleich
auch wohlfeilere Freuden«, die genossen werden
sollen, um das »Herz dadurch zur frohem Erfül-
lung der Pflicht« zu ermuntern (S. 105). Gleich-
zeitig trägt es zur Veredlung der Sitten bei. In die-
sen Komplex gehört auch das Lob des »geräusch-
losen, ruhigen Familienleben[s], wo man im Stil-
len seine Pflichten erfüllt, und nach Erfüllung
derselben im Zirkel der Gattin und muntrer Kin-
der die Seligkeit der Freundschaft, der Liebe und
Dankbarkeit genießt« (S. 61 ).
Das Ideal einer solchen Familie entwickelt
Glatz am Beispiel des Kammerrates Brav, seiner
Gattin und seinen beiden Kindern. Brav selbst
wird als edler und rechtschaffener Mann gezeich-
net, der seine Nebenmenschen wie sich selbst
Glatz, Jakob: Familiengemählde und Erzählun- liebt und es versteht, sich im Wohltun gegen ande-
gen for die Jugend. Bdch. 2. - Gotha 1799 (Nr. re selbst Zufriedenheit und Frohsinn zu verschaf-
331). Kupferstich-Frontispiz von Weinrauch fen. Bravs Gattin wird beschrieben als »eine ge-
bildete, sanfte und treffliche Frau. Sie hing mit
ganzer Seele an ihrem Manne, und suchte ihm auf
alle mögliche Weise sein Leben angenehm zu ma-
gut sei, und daß es nur seines Willens bedürfe, chen. Ihr Herz war ganz für stille, häusliche Freu-
Gutes zu tun: »Sie wollten mit jedem Tage besser den geschaffen, und diese blühten in ihrem Hau-
werden; und weil sie es wollten, so wurden sie se, wie goldne Orangen auf dem glücklichen Bo-
auch immer besser. Denn, wenn der Mensch nur den Italiens.« (S. 58) Über den Sohn Wilhelm
ernstlich gut werden will, so kann er es auch; und heißt es, er sei ein» allerliebster Knabe; Unschuld
wenn er sagt: Ich kann nicht gut werden; so sagt er lächelt auf seinem Gesichte, froher Sinn aus sei-
nichts anderes, als: Ich will nicht gut werden.« nem Auge, kindliche Liebe bezeichnet seine
(S. 6) Entsprechend verläuft die Besserung derer, Handlungen, und rein, wie ein Frühlingsthau auf
die Fehler begangen haben: Nie werden sie durch der gesprenkelten Nelke, ist sein Herz.« (S. 60)
eine Strafe zur Umkehr bewogen, sondern stets Die Schwester sei überaus verträglich und »ge-
durch einen Willensakt zur moralischen Besse- schäftig wie eine Biene, sanft wie ein Täubchen,
rung. So etwa wird ein Tierquäler dadurch von zutraulich und freundlich wie unser Rotkehlchen,
seinem Tun abgebracht, daß ihm sein neuer Leh- das so gerne aus ihrer Hand sein Futter nimmt.«
rer in eine Rede »gute Gedanken und edle Ent- (ebd.) O.B.
schlüsse in seine Seele« senkt. Die Reaktion des
Knaben ist darauf der Wille, fortan Gutes zu tun
(S. 49).
Der Schnepfenthaler Erzieher zeigt sich
auch unverkennbar in der Darstellung der Be-
schäftigungen der Kinder (Basteln, Handarbei-
ten, Gartenbau, Tierzucht) und der häufig wieder-
holten Ermahnung zur Abhärtung. Im Winter sol-
len die Kinder möglichst viel draußen herumtol-
475 Unterhaltende Schriften 476

1799 Band die vorliegenden Geschichten und Erzäh-


lungen darstellen. Den ersten Teil bildet das ABC
Johann Andreas Christian Löhr und Bilderbuch (um 1796). Zu den folgenden
(1764-1823): Bändchen führt Löhr aus : »Einige der nöthigsten
Kleine Geschichten und Erzählungen for Materialien für die Uebung des Verstandes, der
Kinder zur Bildung des sittlichen Gefohls Urtheilskraft und des Scharfsinns, wird das dritte
zunächst zum Gebrauch beim häuslichen Bändchen liefern. Ein vierter etwas stärkerer
Unterricht. Band soll einen Inbegriff der gemeinsten und ge-
meinnützigsten Kenntnisse enthalten- Kenntnis-
Leipzig 1799
se des täglichen Lebens, möchte ich es nennen,
gleichsam zur Fortsetzung der Verstandesübun-
Löhr widmet sein Werk »dem frühem Kindesal- gen.« (S. X) Es handelt sich bei den letztgenann-
ter« (S. 111), d. h. es soll für die allerersten und ten Teilen um die 1799 erschienenen Materialien
dringendsten Bedürfnisse der Kinder sorgen, die zur Erwekkung und Uebung des Verstandes und
soeben lesen gelernt haben« (S. IX f.). Die Ge- der Urtheilskraft der Kinderund die Gemeinnützi-
schichten und Erzählungen sind zum Gebrauch gen Kenntnisse, die 1800 veröffentlicht wurden.
beim häuslichen Unterricht und für »müßige Zum weiteren Gebrauch des hier behandelnden
Stunden« zur »zweckmäßigen Unterhaltung« zweiten Teils führt Löhr aus, daß er »sowohl zur
(S. X) bestimmt. Sie sollen dem Kind »das Nö- Selbstunterhaltung der Kinder dienen könne, als
thigste zur Bildung seines Herzens« vermitteln, auch dem Lehrer Gelegenheit gebe, die darin ent-
»weil der moralische Sinn in Kindern so früh und haltenen Gegenstände umständlicher zu erläu-
so merklich rege ist« (ebd.). So habe das Haupt- tern«, daß er >>zur fortgesetzten Uebung im guten
augenmerk des Verfassers darauf gelegen, in den und richtigen Lesen zu gebrauchen sey, und daß
Kindern die »Lust zum Lesen und sittlich gute es auch an einzelnen Stücken nicht fehle, welche
Empfindungen« zu erwecken (ebd.). man auswendig könnte lernen lassen« (ebd.).
Löhr versteht sein Buch als eine Alternative
zu den herkömmlichen Kinderschriften, denen er Das Buch umfaßt 143 thematisch in vierzehn »Ab-
anlastet, sie würden nicht auf »die Einheit eines theilungen« gegliederte Beispielgeschichten, in denen
richtiges und falsches Verhalten vorgestellt wird. Bei na-
bestimmten Zwecks« hinarbeiten (S. IV), sondern
hezu allen Erzählungen verweist Löhr auf die Folgen
den Kindern eine Fülle der unterschiedlichsten verschiedener Handlungen, d. h. Tugend wird stets be-
Themenbereiche darbieten, deren Behandlung lohnt, sei es durch materielle Vergütung, sei es durch
nur in Bruchstücken erfolge: »Man hat sie früh- ideelle Werte wie Glück und Zufriedenheit. Untugend
zeitig mit einer Menge von Dingen bekannt ge- hingegen führt häufig zu Vermögensverlust und Ein-
macht, sie lernen von allem, was wissenswürdig samkeit. Zahlreiche Geschichten werden mit direkten
scheint, Etwas, und gerade darüber so oft Nichts. Fragen an die Leser zu den vorgestellten Verhaltenswei-
Man giebt ihnen von allem das, was sehr ange- sen beendet. Einige von ihnen spielen in Frankreich,
nehm und anziehend ist, und dadurch wird ihnen England, Spanien und Amerika, die überwiegende
nicht nur frühzeitig das Interesse an einer künfti- Mehrzahl der Texte ist jedoch in ländlicher Umgebung
in Deutschland angesiedelt. Der erste Themenkomplex
gen genauern und gründlichem Erlernung dieser befaßt sich mit » Wohlthätigkeit, Güte, Härte, Geiz,
Dinge geraubt und verdorben, sondern sie wer- Aedelmuth« (S. 1-47). Die erste Erzählung soll die
den überhaupt so sehr verwöhnt, daß ihnen alles Funktion einer Rahmenhandlung erfüllen. Unter der
anekelt, was ein wenig Ernst und Anstrengung Überschrift »Es giebt viel Unglückliche« wird von
fordert und nicht ganz angenehm zu seyn scheint. Herrn Falk berichtet, der während eines strengen Win-
Sie sind auf diese Weise frühzeitig an eine so lok- ters mittellosen Menschen hilft. Auf die Frage seiner
kere, ordnungslose, unzusammenhängende Art Kinder »Giebts denn solche Arme noch mehr?«, er-
des Erlernens gewöhnt worden, sie wollen in Zu- zählt ihnen der Vater »noch manches von dem Elend, in
kunft immer nur angenehm unterhalten, nie ernst- welchem so viele Menschen ihr ganzes Leben wären.
[ ... ]Da wunderten sich die Kinder, daß es so viel elende
haft beschäftigt seyn. Zudem, da sie da und dort und unglückliche Menschen gebe, und bedauerten die-
von so manchen Gegenständen schon Einiges ge- selben sehr.- Das ist löblich, sagte der Vater, daß ihr
hört und gelesen haben, so glauben die kleinen diese Unglücklichen bemitleidet, wer nicht mitleidig ist,
Menschen bereits alles zu wissen, und der Dünkel der hilft den Unglücklichen nicht gerne«. Bei dieser Ge-
der Vielwisserei erzeugt sich sehr bald.« (S. IV) legenheit erzählte ihnen der Vater- und nun folgt eine
Löhr ist der Auffassung, daß die» Mannichfaltig- zweite Geschichte- »Von den Negersklaven« (S. 4f.).
keit« des gebotenen Stoffes nicht »in einem ver- Es folgen zu diesem Komplex zwanzig weitere Ge-
worrenen Untereinandermischen der fremdartig- schichten, in denen Beispiele für Wohltätigkeit und
Nächstenliebe, aber auch für Habsucht und Härte gege-
sten Dinge« bestehen müsse, sondern daß sie
ben werden. Die zweite Abteilung behandelt »Dienst-
»sehr gut mit der Einheit des Zwecks verbunden fertigkeit, Gefälligkeit« (S. 47-59) und umfaßt fünf Ge-
werden« könne (ebd.). schichten. Der dritte Abschnitt befaßt sich in sechs Tex-
Diese Behauptung will er mit seiner Ersten ten mit dem Thema »Grausamkeit« (S. 59-69), wobei
Vorbereitung für Kinder beweisen, deren zweiten Löhr auch recht drastische Schilderungen nicht aus-
477 Löhr, Kleine Geschichten, 1799 478

spart. Der folgende Abschnitt thematisiert »Neid, von, daß Moral und Christentum einander be-
Mißgunst Schadenfreude, Verträglichkeit, Rachsucht« dingten, enthalte das Buch kein besonderes Kapi-
(S. 69-91) und enthält elf Geschichten. Es schließen tel zur Religion, da die hier vorgestellten Tugen-
sich zehn Texte zu »Ungerechtigkeit, Betrug, Ehrlich-
den als Pflichten eines Christen gegen Gott, die
keit, Billigkeit« an (S. 91-105). Der sechste Komplex
umfaßt dreizehn Geschichten zu» Wahrhaftigkeit, Auf- Mitmenschen und sich selbst aufgefaßt würden
richtigkeit, Lügen, Heuchelei, Verleumdung, Ge- und sich ein besonderer Hinweis somit erübrige.
schwätzigkeit, Schmeichelei, Argwohn« (S. 105-135). Löhr wendet sich gegen die Bestrebungen,
Es folgen vierzehn Texte zu den Themen »Fleiß, Faul- die den Kindern »die allerschwersten Dinge ver-
heit, Sparsamkeit, vernünftige Anwendung des Vermö- ständlich« zu machen suchen, und von daher
gens« (S. 135-166). Im achten Abschnitt geht es um »die schwersten Wissenschaften für das frühere
»Gesundheit und Krankheit« (S. 166--187). Hier wer- Alter« bearbeiten (ebd. ). Seiner Auffassung nach
den in sechzehn Geschichten die Ursachen für Erkran- gehöre die Vermittlung der Wissenschaften erst
kungen und Unglücksfälle behandelt, wozu übermäßi-
ins Jünglingsalter, und so wirft er denn den Erzie-
ges Essen und Trinken, Verzärtelung und Unbedacht-
samkeit im Spiel gehörten. In der neunten Abteilung hungsschriftstellern vor, daß sie »eben nicht bis
gibt Löhr Beispiele für »Gehorsam gegen Aeltern und zum jugendlichen Alter glauben warten zu kön-
Vorgesetzte«, »Liebe gegen Aeltern und Geschwister« nen, gerade als ob es uns für das Kindesalter an
und »Dankbarkeit gegen Lehrer und Wohlthäter« (S. Stoff zur Beschäftigung und zum nützlichen Un-
188-221). Es folgen Geschichten zur »Freundschaft« terricht fehle« (ebd.). Diesen Stoff sieht er nun
(S. 222-234) und fünf Texte zu »Ehrgeiz, Stolz, Eitel- vorrangig in der Vorbereitung des Kindes auf sei-
keit« (S. 235-248). Die zwölfte Abteilung befaßt sich ne späteren Pflichten. Vorrangig soll bewiesen
mit »Selbstbeherrschung, Mäßigung, Beharrlichkeit, werden, daß einmal zur Gewohnheit gewordene
Unzufriedenheit« (S. 248-275). Dieser Komplex ent-
Verhaltensweisen schon im kindlichen Alter,
hält neun Geschichten, denen sich zehn Texte zu »Ord-
nung, Reinlichkeit, Gewohnheiten« anschließen (S. nicht mehr abzulegen seien. So wird in der Ge-
276--303). Die vierzehnte und letzte Abteilung enthält schichte Nr. 39 von einem Knabennamens Franz
drei Geschichten unter dem Titel >>Entschuldigungen- erzählt, der im Spiel mit seinen Brüdern oder Ka-
das Gewissen« (S. 304-312) und warnt davor, falsches meraden stets Streit sucht, rechthaberisch und ei-
Verhalten durch Entschuldigungen zu beschönigen. gensinnig ist. Die Geschichte endet so: » Franz be-
Die Handlungsträger in den Geschichten sind hielt auch als erwachsener Mensch seine Unart.-
nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene, deren Mit seinen Nachbarn und Bekannten hatte er alle
Handlungsweisen häufig auf ihre Erziehung zurückge- Augenblicke Streit. Das machte ihm ewigen Aer-
führt werden. Daneben finden sich Texte, in denen zu-
ger und Verdruß, und nie konnte er recht vergnügt
nächst ein Untugendhaftes Kind vorgestellt wird, wobei
durch eine anschließende kurze Darstellung seines wei- seyn. Jeder vermied auch seinen Umgang. Dieser
teren Lebensweges auf unausbleibliche spätere Folgen Mensch, sagten alle, die ihn kannten, dieser
aufmerksam gemacht wird. Bereits in den Überschriften Mensch ist wie ein bissiger Hund, der alle Leute
macht Löhr seinen Lesern deutlich, worauf es ihm in der anfährt und ihnen die Zähne weist - man muß
Geschichte ankommt, z. B. »Herr Gutmann; oder, er- sich vor ihm in Acht nehmen. Franz war nun frei-
quicke die Armen mit deinem Ueberfluß« (S. 24), lich verständiger geworden, und ärgerte sich zu
»Meister Traumann; oder, die Undienstfertigkeit ent- Zeiten über diesen Fehler, aber es hatte sich der-
fernt die Menschen von uns.« (S. 57). Häufig arbeitet selbe so bei ihm eingewurzelt, daß er ihn beging,
Löhr mit dem Mittel der Kontrastierung, indem er Ge-
ehe er es gedacht hatte.« (S. 80)
gensatzpaare bildet, wie etwa »Rachsucht und Aedel-
muth; oder, Kar! und Louise« (S. 87), »Kar! und Fried- In der Vorrede befaßt sich Löhr mit der Ver-
lich; oder, Trägheit und Fleiß« (S. 142) u. a. mittlungsform, d. h. mit der Aufbereitung des
Stoffes bei der moralischen Unterweisung: »Wir
In der Vorrede setzt sich Löhr mit den unter- belehren unsere Kinder mit einer ermüdenden
schiedlichen pädagogischen Bestrebungen seiner Weitschweifigkeit, und mit kostbaren und doch
Zeit auseinander, insbesondere mit der Praxis im oft geschmacklosen Kupfern über Dinge, von
Rahmen der Erziehungsschriften. Ausführlich welchen wir sie durch eine einzige Ansicht viel
beschäftigt er sich mit dem Religionsunterricht deutlicher und genauer hätten unterrichten kön-
Er vertritt die Auffassung, daß die christliche Leh- nen, - von Dingen, welche wir in jeder kleinen
re in der »moralischen Natur des Menschen« lie- Stadt, und selbst auf dem Lande, fast überall vor-
ge (S. V.), und daß die Kinder einen bedeutenden finden, wenn wir sie darüber belehren wollen«
Vorteil für ihr künftiges Leben ziehen könnten, (S. VIf.). Ein besonderer Anlaß zur Kritik sind
wenn sie »die Eindrücke von einem so großen Löhr die Schauspiele für Kinder, denn »alles, was
Wesen [Gott, d. Red.] frühzeitig« erhielten (ebd.). sie für Anstand, Declamation und Gedächtniß-
Diese Eindrücke seien im späteren Leben unaus- übung gewinnen sollen, könnte auf eine viel weni-
löschlich. Es sei jedoch für ein Kind völlig aus- ger umständliche Weise und sicherer gewonnen
reichend, »wenn sein Verstand nur erkennen werden, ohne daß man sie durch solche Beschäfti-
lernt, in welcher Abhängigkeit wir von diesem gungen zerstreute, ihnen einen Kleinlichkeitsgeist
Wesen sind, und sein Herz fühlet, wie gut und wie beibrächte, an bessern Arbeiten sie hinderte, sie
verehrungswerth es ist« (S. VI). Ausgehend da- angewöhnte Empfindungen zu erheucheln, die
479 Unterhaltende Schriften 480

sie nicht haben, und ihrer Eitelkeit eine gefährli- Auch gegen Fabeln in Kinderbüchern hat
che Nahrung gäbe« (S. VII). Sodann wendet sich Löhr Vorbehalte. Er hält sie für unzweckmäßg für
Löhr nachdrücklich gegen Märchen, Feen- und die moralische und sachliche Bildung des Kindes,
Gespenstergeschichten, da diese die kindliche da sie zu wenig realitätsbezogen seien. So enthal-
Phantasie über Gebühr erregten, und »dem jun- ten denn auch alle Geschichten seines Buches ei-
gen Gemüth eine geheime Furcht« beibrächten ne realistische, lebenspraktische Moral. Hierzu
(ebd.). Auch gegen Schriften, die sich mit dem gehört der Gehorsam gegen Eltern und Vorgesetz-
Thema Aberglauben befassen, hat Löhr einiges te. Auch Verpflichtungen, die sich aus der sozia-
einzuwenden. Zwar werde hier die Furcht stets als len Stellung der Kinder ergeben, werden abge-
unbegründet dargestellt, auch werde eine natürli- handelt. Die Kinder werden dazu angehalten, von
che Auflösung gegeben, dennoch müsse man dar- ihrem » Ueberfluß« abzugeben und die Armen
an zweifeln, ob diese Art von Schriften den Aber- und Bedürftigen zu unterstützen. Stets wird dar-
glauben nicht erst erweckten (S. VIII). auf hingewiesen, daß auch Menschen niederen
Zwar hält Löhr also nichts von furchterre- Standes Tugend besäßen. So heißt es in der Ge-
genden, grausamen Schilderungen für Kinder, so- schichte »Herr Bohnfeld; oder, man muß auch
lange sie im Bereich des Wunderbaren angesie- Leute vom niedrigen Stande nicht verachten«:
delt sind, doch scheint er dieser Methode bei sei- »Verachtet ja keinen Menschen, [ ... ], und wenn
nen moralischen Geschichten eine positive Wir- es auch der geringste wäre. Wer redlich und gut
kung zuzuschreiben. In der dritten Abteilung wird ist, den muß man werth schätzen, er mag seyn, wer
das Thema Grausamkeit behandelt, und dies ge- er will.« (S. 244). Arbeit und Fleiß werden als ein
schieht auf eine auffallend drastische Art. So wird Mittel beschrieben, den Lebensunterhalt zu er-
von dem »grausamen Thoms« berichtet, der seine werben. Gleichzeitig führe Arbeit jedoch auch zu
Familie schlägt und quält. Löhr stellt die Frage innerer Zufriedenheit und Glückseligkeit, denn
»Wodurch wurde Thoms grausam« (S. 63) und »Müßiggang macht keine Freude« (S. 139), und
schildert nun, wie dieser als Kind Grausamkeiten »nur unter nützlicher Beschäftigung vergeht die
an Tieren verübt habe. Der gesamte Komplex be- Zeit angenehm« (S.l49). SokommtdennLöhrzu
ginnt mit einer Schilderung von der »Grausam- dem Schluß, daß jeder Mensch sich befleißigen
keit gegen einen Neger« (S. 59), die detailliert be- solle, einen Beruf zu erlernen oder sich eine be-
schrieben wird. Auch die zweite Geschichte des stimmte Fertigkeit anzueignen, da dies neben ei-
Buches behandelt das Sklavenproblem, sie stellt nem ausgefüllten Leben im Notfall auch eine Ver-
die brutale Behandlung auf den Sklavenschiffen dienstmöglichkeit erschließe. Hierfür gibt er ei-
dar. Die Erzählung endet mit einer Mahnung an nige Beispiele, die beweisen sollen1 daß auch für
die Leser: »Denkt Kinder, wie viele Menschen Wohlhabende die Erlernung einer Fähigkeit von
unglücklich seyn müssen, damit wir unsern Zuk- großem Nutzen sein kann: »Lerne etwas, auch
ker und Kaffee ein wenig wohlfeiler haben kön- wenndureichbist«.(S.l44). H.
nen!« (S. 10)
Moralisch belehrende Schriften für Kinder
und Jugendliche

1753-64 Kräfte, ja die geringsten Umstände, welche tau-


send Augen an den Werken des Schöpfers überse-
Johann Peter Miller(1725-1789): hen, oder wol gar für Kleinigkeiten und Fehler
Historischmoralische Schildernngen zur halten, haben ihren großen Nutzen, und nichts ist,
Bildung eines edlen Herzens in der Jugend. ohne Absichten und Zwecke, vielmehr so, als an-
5 1heile. ders gemacht worden« (Vorrede, Th. I, 3. Aufl.
Helmstädt 1753-1764 1761,6. ungez. S.). Diese Erkenntnis denJugend-
lichen zu vermitteln, ist Absicht und Ziel des ge-
samten Werkes.
Das Werk ist gedacht als eine »Moral für Anfän-
ger im Denken so wol, als in den übrigen Wissen- Miller bezeichnet die ersten drei Teile der Histo-
schaften« (Vorrede Th.l, 4. ungez. S.), wobei der rischmoralischen Schilderungen als »eine Sammlung
Verfasser betont, er habe nach mehrmaligen Pro- aller derjenigen Wahrheiten [ ... ],die man in der Jugend
schon wissen muß, wenn die Vernunft frühzeitig soll
ben »bey artig erzogenen Kindern« versucht, aufgekläret und das Herz mit einer Liebe zur Tugend er-
»die Art zu denken und zu reden, die in der klei- füllet werden« (Vorrede, Th. 1, 1753, 13. ungez. S.).
nen Welt üblich ist [ ... ],wieder zu erlernen«, und Hierunter versteht Miller zunächst einmal die Einfüh-
habe sich bemüht, »alle Hauptgrundsätze, die aus rung in die natürliche Religion, die in Form von Gesprä-
der Philosophie zur Aufklärung und Ausbesse- chen zwischen Zöglingen und ihrem Hofmeister darge-
rung eines zarten Herzens mit Nutzen können ge- boten wird. Diese erste Abteilung trägtden Titel »Ver-
braucht werden, deutlich und auf eine Art, die traute Unterredungen auserlesener Personen von Gott
nicht misfallen kann, vorzutragen« (8. ungez. S.). und den Schönheiten der Welt zur Verherrlichung des
Hierbei setzt Miller die gemeinschaftliche Lektü- liebenswürdigen Schöpfers«. Behandelt werden die
Güte, Weisheit, Allmacht und Vorsehung Gottes. So-
re des Werkes von Erzieher und Zögling voraus, dann schließen sich >>Die merkwürdigen Begebenhei-
um der Jugend auf diese Weise, vermittels seiner ten Samuel Lanwills eines englischen Schiffkapitains
>>Anleitung«, wie er die Historischmoralischen Sohn« an, ein Bildungsroman, durch den nun der drei-
Schilderungen selbst nennt, »eine richtige Art zu teilige Pflichtenkanon der christlichen Sittenlehre eröff-
denken, und eine Fertigkeit, alles aus gewissen net wird. Hier wird zunächst die Entwicklung des jun-
Grundsätzen der Vernunft herzuleiten, durch ei- gen Lanwill bis zu seinem 14. Lebensjahrunterder An-
ne leichte Erklärung und weitere Ausführung bey- leitung seines Hofmeister Tenneson geschildert, wobei
zubringen« (9. ungez. S.). Zur Methode schlägt in diesem Rahmen die Pflichten gegen Gott abgehan-
Miller die katechetische Gesprächsform vor; es delt werden. In Teil zwei werden sodann die Lehrge-
spräche fortgeführt, die zur »Aufklärung« des Verstan-
sollen also »verständige Personen« das Buch mit des »durch die Erforschung der Wahrheit« beitragen
Kindern »fragweise« durchgehen, und »so oft sie sollen- so die Überschrift dieser Unterredungen, die als
einen Fehler begehen, sie durch des jungen Lan- eine erste Einführung in die Philosophie gedacht sind.
wills Exempel beschämen« (10. ungez. S.). Es schließt sich der zweite und letzte Teil des Romans
Als seinen »vornehmsten Endzweck« be- an, der den Lebensweg Lanwills bis zu seinem 25. Le-
zeichnet Miller es, »in den unschuldigen Herzen bensjahr nachzeichnet. Dieser Abschnitt ist den Pflich-
eine Liebe zur wahren Tugend und einen starken ten gegen sich selbst gewidmet. Teil drei der »Schilde-
Abscheu gegen alles, was einem Laster nur ähn- rungen« umfaßt moralische Abhandlungen, die z. T.
lich siebet«, einzupflanzen (ll. ungez. S.). Die auch in Briefform dargeboten werden. Sie befassen sich
vornehmlich mit den Pflichten des Menschen gegen-
Grundlage dieser in unterschiedlicher Einklei- über der Gesellschaft. Miller entwirft hier verschiedene
dung dargebotenen Sittenlehre müsse die christli- Verhaltensmuster, beispielsweise für den »rechtschaffe-
che Religion sein. So könne »die ganze Weisheit nen Mann«, »Das vollkommene Frauenzimmer«, den
der alten und neuen Philosophen« (ebd.) erst von »Patrioten«, für einzelne Berufe wie den Offizier, den
Grund auf verstanden werden in Verbindung mit Richter, den Geistlichen, den Gelehrten und für be-
der »einfältige[n] und gesunde[n] Tugendlehre stimmte Stände wie den Edelmann und den Reichen.
des Sohnes GOTTES«, die »alles himmelweit Den Beschluß bildet eine »Wiederholung der wichtig-
übertreffe, was jemals die Tugendhaftesten unter sten Materien in diesen drei Theilen der Schilderun-
allen Sterblichen gelehret haben« (ll. u. 12. un- gen«, die insbesondere als Leitfaden für Lehrer im Un-
terricht bestimmt sind.
gez. S.). Noch deutlicher formuliert Miller diesen Das zunächst nur in drei Teilen konzipierte Werk
Grundsatz, von dem menschliches Handeln aus- wurde um zwei »Anhänge« vermehrt, die den vierten
gehen sollte, in seinerneuen Vorrede zur 3.Aufl. und fünften Teil bilden. Teil vier stellt ein Lehrbuch der
17 61, wobei insbesondere sein teleologisches Naturlehre und Religion dar, das in Paragraphen abge-
Weltbild hervortritt: »alle Einrichtungen, alles faßt ist. Teil fünf enthält eine »Anweisung zur Wohlre-
483 Moralisch belehrende Schriften 484

denheit nach den auserlesensten Mustern französischer ser Liebling, ein hohes Alter in der größten Zufrie-
Redner«, die auch als selbständige Veröffentlichung er- denheit und bei dem höchsten Ansehen in einer
schien. Dieser Teil enthält nach einer Einführung in die wichtigen Staatsbedienung erreichet [ ... ] habe.
Kunst der Beredsamkeit nach den Vorlesungen Law-
Und also besaß er alles, was sich die Edelsten un-
sons Texte von Bordaloue, Fontenelle, Massillon, Sau-
rin und anderen, also in der Mehrzahl Beispiele geistli- ter den Menschen wünschen, oder von der Gnade
cher Kanzelredner des 17. Jahrhunders. Miller hat die eines liebenden Gottes empfangen können. Diese
Texte im französischen Original belassen, womit er - Glückseligkeit, welche der Lohn seiner frühen
laut Vorrede- einen »ganz neuen Weg« beschritten ha- und standhaften Tugend war, ist größer, als daß
be, weil der der Auffassung sei, »daß das Uebersetzen ich sie beschreiben könnte« (Th. 2, S. 578).
der schönsten Stellen das bequemste und leichteste Mit- Die Erziehung und Entwicklung Lanwills er-
tel sey, um selbst mittelmäßigen Köpfen eine Fertigkeit, folgt auf der Grundlage eines aufgeklärten
wohl zu denken und ihre Gedanken gut auszudrücken, ethisch-religiösen Denkens, aus dem heraus die
beyzubringen« (Vorrede Th. 5, 2. verb. u. verm. Aufl.
Existenz Gottes als zielweisende und zweckge-
1767, S. VII).
In der Gesamtschau stellt sich Millers Werk als ein bende oberste Instanz erklärt wird. So beginnt
Kompendium aller für die Jugend damals für wissens- denn auch die Erziehung Samuel Lanwills damit,
wert erachteten Gegenstände dar, gleichzeitig ist es ein daß Tennesan ihm vor Augen führt, was Wesen
Erziehungsbuch, das sowohl allgemeine Grundsätze ei- und Bestimmung des Menschen sei. So habe der
ner umfassenden vernunftbegründeten und christlich Mensch als Geschöpf Gottes vornehmlich ihm
orientierten Moral enthält, als auch spezielle, auf Alter, gegenüber Pflichten zu erfüllen, die in einem tu-
Bildungsgrad, Stand und Beruf ausgerichtete Verhal- gendhaften, nach Vernunft, Humanität, Bildung
tensmuster entwirft. und Glückseligkeit strebenden Lebenswandel be-
gründet sein müssen. Die Forderung, die Miller in
Kernstück der Historischmoralischen Schil- dem Ausruf« Werde weise und tugendhaft« (T. I,
derungen stellt der Bildungsroman » Merkwürdi- S.l98) zusammenfaßt, könne nur durch Erzie-
ge Begebenheiten Samuel Lanwills eines engli- hung erfüllt werden, denn »Die Geschöpfe sind
schen Schiffkapitains Sohn« dar. Hier werden in
unterhaltender - z. T. mit Elementen des Aben-
teuerromans versehener - Einkleidung die we-
sentlichen Grundsätze der Morallehre vermittelt,
die in sich Elemente der christlichen Ethik wie rof, 3o~ann ~tttr IDW.ltU
auch aufklärerischen Gedankengutes vereinigt. ~iflorifd)moralifd)c
Der Roman beginnt mit der Geburt Lanwills auf
dem Meer. Nach einem Schiffbruch werden er
und seine Mutter gerettet und leben einige Jahre
es~tlberungen
au~ 18i!bu ng
auf einer Insel, als ein Tyrann dort die Herrschaft
übernimmt. Alle Christen, unter ihnen Lanwill tineß ebltn ~trdtttß
und seine Mutter, müssen fliehen und gelangen in bn 3ugenb.
auf eine ihnen unbekannte InseL Nach erneuter
Flucht wird das Schiffvon Piraten gekapert, Mut-
ter und Sohn werden getrennt und auf dem Skla-
venmarkt in Algier verkauft. Lanwill gelangt als
Rudersklave auf ein Schiff. Als dieses bei einem
Angriff auf ein christliches Schiff unterliegt, trifft
Lanwill unter den Christen seinen Vater wieder
und lernt zugleich seinen künftigen Lehrer Tar-
ney, einen Prediger, kennen. Das Schiffbringt sie
nach Arnsterdam, wo Lanwill im Hause des Ba-
ron von Stackford gemeinsam mit dessen IGn-
dem erzogen wird. Der zweite Teil beginnt mit der
Abreise Lanwills und Tarneys aus Arnsterdam
nach Paris. Bei der Schilderung der nun folgen-
~!l'P~- unb~.&l..~ Alltrg~gjlnii'J)mjl
den Lebensjahre Lanwills liegt der Schwerpunkt
auf der Darstellung der geistig-moralischen Ent- .f)tlmfilibt
wicklung Lanwills, in der dieser auch Krisen und &t9 ~~ rijli a n ~ r i cbri cf} ~ c pg !ln b
. f 7 ~ 9.
Verfehlungen ausgesetzt ist. Der Roman schließt
mit der Vereinigung derFamilie; die Mutter Lan-
wills findet ihren Sohn wiederund der Vater kehrt
von seiner Fahrt nach Ostindien zurück. Miller Miller, Johann Peter: Historischmoralische Schil-
gibt sodann einen Ausblick auf das zukünftige Le- derungen. 1h. 3. - Helmstädt 1759 (Nr. 584). TI-
ben Lanwills, in dem es heißt, »daß Lanwill, un- telblatt mit Kupferstich- Vignette von Bemigeroth
485 Miller, Historischmoralische Schilderungen, 1753-64 486

nicht böse, sondern blas unser Herz« (S. 242); an- nem beständigen Müßiggang und in den unedel-
sonsten würden - so läßt Miller Tamey sprechen sten Beschäftigungen verzehren, und von ihren
- »die entsetzlichen Begierden [ ... ] bei allen Voreltern nichts als die Silbe >von< und ein altes
Menschen ausbrechen [ ... ],wo nicht eine christli- Schloß und Wappen geerbt haben. So sehr haben
che und weise Zucht diese viehischen Regungen sie aus der Art geschlagen, daß sie gerade das Wi-
unterdrückte« (S. 303). derspiel von ihren verdienten Ahnen sind.«
Die Vernunft sei dem Menschen gegeben, (S.475f.)
damit er lerne, zwischen Gut und Böse zu unter- Schließlich soll noch darauf hingewiesen
scheiden und kraft seines Willens danach zu werden, daß hier nicht nur der Moralist und Theo-
handeln, um die ewige Glückseligkeit zu erlan- loge seine Auffassungen darlegt, sondern daß
gen, welche der Entzweck des menschlichen Le- auch methodische Überlegungen des Schulman-
bens sei: »Vor allen Dingen bedenkt, daß euch nes und Pädagogen Miller in das Werk einfließen.
der gnädige Schöpfer bloß deswegen erschaffen Er erweist sich in seinem Werk als Anhänger der
habe, um an euch ein Geschöpfe zu haben, dem er sokratischen Lehrmethode, und in diesem Sinne
seine Glückseligkeit mitteilen könne [ ... ]. Denn erfährt denn auch Sokrates eine besondere Wür-
der Weise und Tugendhafte empfindet dasjenige digung, der seinen Schülern »ganz leichte Fra-
in einem geringem Grade, was die Engel in einem gen« vorgelegt habe, »die sie nicht anders beant-
höhem, und Gott in dem allerhöchsten empfin- worten konnten, ohne zugleich beschämt und
det« (S. 307 f.). Hierzu gehört das Streben nach weiser zu werden. Denn alles, was er ihnen sagen
Humanität im Sinne der christlichen Nächstenlie- wollte, lockte er aus ihnen selber heraus, und sie
be, die - verankert im Gedankengut der Aufklä- mußten sich also selber unterrichten« (S. 216).
rung - insbesondere die Fähigkeit zur Toleranz Am Beispiel wiederum Lanwills, der mit seinem
mit einschließt: »Was folget hieraus anderes als Lehrer eine Schule besucht, führt Miller seine di-
dieses: daß wir alle Menschen, sie mögen Türken, daktischen Vorstellungen aus, wobei er sich ins-
Juden oder Chineser sein, als unsere Mitbürger besondere auf den Religionsunterricht bezieht.
und als Unterthanen des großen Weltmonarchen Die »jüngeren« Kinder sollten zunächst mit Hilfe
lieben, ihnen Gefälligkeiten erzeigen und sie nicht von Bilderbibeln unterrichtet, die »älteren« im
beleidigen müssen.« (S. 328) Katechismus unterwiesen und die »ältesten«
Diese wesentlichen Elemente eines gottge- Schüler schließlich mit den »erhabene[n] und
fälligen Lebens stellen den Grundtenor des Wer- schöne[n] Begriffe[n] der Religion« vertraut ge-
kes dar, die sodann in Form konkreter Beispiele- macht werden (S. 343). Beim Unterricht in den
sei es in den Unterredungen und Abhandlungen, Sprachen Latein, Griechisch und Französisch
sei es im Roman- vorgestellt werden, wie »Gott- sollten zweisprachige- und für kleiner Kinder il-
seligkeit«, »Andacht«, »Demut«, »Mäßigkeit«, lustrierte - Ausgaben der äsopischen Fabeln zu-
»Keuschheit«, » Vergnügsamkeit «, »Arbeitsam- grunde gelegt werden. Weitere Anregungen für ei-
keit«, »Tapferkeit«, »Weisheit«, »Menschenlie- nen möglichst UllJfassenden Unterricht sind die
be«, »Gerechtigkeit«, »Gutthätigkeit« und Einrichtung eines »physikalischen Labors«, ei-
»Friedfertigkeit«. nes »anatomischen Zimmers« und eines » Drech-
Da der Pflichtenkanon allen Menschen von sel- und Modellierzimmers« (S. 350).
Gott auferlegt sei, müsse er sich auch auf den Adel Millers Historischmoralische Schildernngen er-
erstrecken. Diese Thematik greift Miller in der schienen in mehreren Auflagen, Ausgaben und Raub-
Geschichte »Das Leben Junker Hanßens« auf. drucken. Nach der Erstausgabe 1753-64 in Helmstädt
Hebt auch Miller die Verdienste, die sich der Adel bei Friedrich Weygand erschien - ebenfalls bei Wey-
um Staat und Gesellschaft erworben habe, her- gand -1755 die 2. verm. Aufl. des l. Teils und ein Jahr
vor, so vertritt er doch gleichzeitig die Auffassung, später die des 2. Teils. 17 56 wurde ein Raubdruck der
daß sich insbesondere Angehörige dieses Standes ersten beiden Teile veranstaltet, auf den Miller in seiner
Vorrede zum l. Teil der 3. rechtmäßigen Auflage von
ihrer Privilegien aufgrund ihrer Geisteshaltung
1761 Bezug nimmt. Diese 3. Auflage enthält erstmalig
und Moralität würdig erweisen müssen. Die Ab- Kupferstichillustrationen, zu denen Miller in seiner
sicht dieser Erzählung sei es, »den Adel aller Ver- Vorrede anmerkt, sie seien »wohlgerathenen Proben ei-
achtung zu entreißen, indem man darin zeigt, wie nes jungen Künstlers [d. i. Bause; d. Red.]. Es würden
man sich der Vorzüge seiner Geburt würdig ma- noch mehrere angenehme Auftritte in Kupfervorgestel-
chen soll, damit ein Stand, welcher die Krone der let worden seyn, wenn man die von einem auswärtigen
Verdienste und die Zierde eines Landes ist, durch berühmten Künstler versprochenen Zeichnungen zu
wenige Unedle nicht in Verachtung komme.« rechter Zeit erhalten hätte.«
(S. 569 ff.) Letztere kritisiert er denn auch an an- Ein weiterer unrechtmäßiger Nachdruck mit vie-
len Abweichungen und Ergänzungen wurde 1779 in
derer Stelle mit folgender Bemerkung: »Allein, in Schafhausen ( !) von Johann Conrad Altdorfer heraus-
Deutschland werden ohne Unterschied alle Edel gegeben. Teil 4 und 5 erschienen darüber hinaus in ge-
genannt, welche wider ihr Verschulden von alten sonderten Ausgaben, 1779 Teil 4 unter dem Titel Abriß
berühmten und verdienten Männem und Helden der Naturerkenntnis und Religion und Teil 5 als Anwei-
abstammen, ob sie gleich öfters ihre Güter in ei- sung zur Wohlredenheil 1789.
487 Moralisch belehrende Schriften 488

Miller, Johann Peter: Historischmoralische Schilderungen. 3. rechtm. verb. u. mit Kupfern vers. Aufl.
Theil 2. - Helmslädt 1763 (Nr. 587). Kupferstich von Bemigeroth zu S. 382
489 Tessin, Briefe, 1756 490

Miller war zu seiner Zeit auf Grund seiner theolo- 1756


gischen, pädagogischen und jugendliterarischen Schrif-
ten, zu denen als Hauptwerk die Historischmoralischen Car/ Gustav Tessin (1695-1770):
Schilderungen zählen, hochgeachtet. J.S. Stoy gibt in
seiner Bilder-Akademie for die Jugend ( 1784) auf Tafel
Briefe an einen jungen Prinzen von einem
41 Millers Silhouette wieder und rechnet ihn im alten Manne.
2. Band der Erläuterungen neben Weiße, Basedow, Leipzig 1756
Campe und anderen zu den »berühmtesten Pädago-
gen« (S. 860). Miller hat sich nach Stoys Worten »um
die Jugend sehr verdient gemacht« und »für das Wohl Der in Briefform abgefaßte Text wendet sich an
der Kinder, vieles geschrieben, das auch Eltern zur den 1746 geborenen, »nurwenigüberfünfJahre«
häuslichen Erziehung nützlich ist« (S. 861 ). alten (Teil 1, S. 115) schwedischen Kronprinzen,
Noch entschiedener hebt Samuel Baur in seiner den späteren Gustavlll. (1746-1792). Tessin,
Charakteristik der Erziehungsschriftsteller Deutschlands der bis 1756 das Amt des Prinzenerziehers beklei-
( 1790) Millers Verdienste hervor, dem er eine ausführli- dete und dann aus Altersgründen von dieser Auf-
che Würdigung widmet. (S.289-292). Er gehört nach gabe entbunden wurde (vgl. 44. Brief des
Baurs Worten >>unter die ersten, die in neuem Zeiten zur 2. Teils), will denjungen Gustav auf die Führung
Verbesserung der Erziehung wirksam waren«. Baur des schwedischen Königreiches vorbereiten, die
fährt fort: »Seine historisch-moralischen Schilderungen
- Erzählungen der vornehmsten biblischen Geschichten
nötige moralisch-sittliche Ausbildung vermitteln
- Schule des Vergnügens und die Fortsetzung der Mos- und ihn mit den erforderlichen wissenschaftli-
heimischen Sittenlehre erschienen zu einer Zeit, da chen Kenntnissen vertraut machen. Tessin will
Nacht und Dunkelheit auf Deutschlands Schulen ruhte, seinen ihm anvertrauten Zögling als Mentor be-
und diese Schriften trugen sehr viel dazu bei, die Dun- gleiten, bis »dessen Alter und Reife ihm die Herr-
kelheit zu verscheuchen, und gereinigtere Grundsätze schaft über sich selbst gegeben« (Teil I, S. 36).
zu verbreiten. Die sanfte und gefällige Art, mit der Herr Sein Erziehungskonzept will aus dem Thronfol-
Miller die edelsten Grundsätze und die große Summe ger einen »Christ[en] ohne Heuchelei, ein[en]
seiner Erfahrungen darinn vortrug, versehaften diesen Fürst[en] ohne Eigenliebe, ein[en] Richter ohne
Schriften überall Eingang; überall wurden sie gelesen,
und Niemand legte sie aus den Händen, ohne mannig-
Groll, ein[en] Held ohne Trotz, ein[en] Streiteroh-
faltigen Nutzen daraus geschöpft zu haben.« ne Blutdürstigkeit, und ein[en] Sieger ohne Hoch-
Miller hat mit seiner Pädagogik und seinen für die
muth« (Teil!, S. 247) formen. Die an denjungen
Jugend bestimmten Werken den Philanthropistenden Gustav adressierten Briefe wollen »angenehm
Weg bereitet, wurde dann aber von deren >>moderne- und nützlich« sein. Wöchentlich wenigstens ein-
ren« und »kindgemäßeren« Jugendschriften etwa von mal ist unter den Briefen eine »nützliche [und] sit-
der Art Campes in den Schatten gestellt. Dies mag mit tenlehrende Fabel« (Teil 1, S.l47), da nach der
ein Grund dafür sein, daß Millerinder späteren Jugend- Beobachtung Tessins der Thronfolger Gefallen
literaturgeschichtsschreibung wenig beachtet und über- daran gefunden hatte.
wiegend abfällig beurteilt worden ist. Köster (in seiner In der Zuschrift formuliert Tessin in Grund-
Geschichte der deutschen Jugendliteratur, 4 1927, S. 27 4) zügen das seinem Erziehungskonzept zugrunde
nennt Millers Historischmoralische Schilderungen, de-
ren Titel er nicht einmal korrekt zitiert (wie auch E.
liegende politische Ideal eines aufgeklärten Mo-
Schmidt, 1974), »nichts weiter als gesalbte Moralpre- narchen. Sein Werk versteht er in diesem Sinne als
digten«. Nach Hobrecker (1924, S. 49) findet man bei Vorbereitung des Kronprinzen, seinem Volk ein
Miller »sehr gelehrte Sachen, aber auch den zu alter Zeit guter und aufgeklärter Herrscher zu sein (S. 4).
stets üppig blühenden Kohl«. Die Oberflächlichkeit Davon unberührt bleibt indessen die Überzeu-
solcher Urteile erhellt schon daraus, daß von Göhring gung, daß der Monarch seine Legitimation von
(1904) über Köster bis zu Schmidt die Behauptung wei- Gottes Gnaden herleiten kann: »Denn es ist und
tergegeben wurde, Millers Werk sei eine Nachahmung bleibt eine ewige Wahrheit, daß er allein, als ein
des Magasin des enfans der Madame Leprince de Beau- vom Höchsten dazu ausersehenes Werkzeug ver-
mont, eines Werkes, das erst drei Jahre nach dem
I. Band der Historischmoralischen Schilderungen er-
mögend ist, die Zeiten erfreulich und ein Volk
schien. glücklich zu machen. Er und kein anderer!«
Eine auf eingehenden Studien beruhende Würdi-
(ebd.)
gung Millers steht noch aus. Sie wird nicht an den zu sei- Das Werk ist in zwei Teile untergliedert, wobei der
ner Zeit fortschrittlichen Gedanken seiner Erziehungs- erste Teil (S. 1-404) in drei Jahrgänge unterteilt ist.
lehre (z. B. Verurteilung von Züchtigungsmethoden, Jahrgang I enthält 25 Briefe aus dem Zeitraum vom 25.
Vorschläge zur Verbesserung von Schulordnungen, Be- Februar bis 22. März 1751, Jahrgang 2 26 Briefe aus
gründung seiner Lehrmethode auf Psychologie und Be- dem Zeitraum vom I. Juni 1751 bis I. Oktober 1752
obachtung) vorübergehen können. Was Millers jugend- und Jahrgang 3 18 Briefe aus dem Zeitraum vom
literarisches Schaffen betrifft, so verdient zumindest 31. Mai 1753 bis 6. September 1753. Der vierte Jahr-
sein Verfahren, seine Textentwürfe Kindem darzubie- gang umfaßt 27 Briefe vom 23. Mai 1754 bis 2. No-
ten und nach ihren Reaktionen umzugestalten (wie er es vember 1754 und der fünfte Jahrgang 17 Briefe vom
in der Vorrede zum ersten Band der Historischmorali- 22. Mai 1755 bis 8. März 1756. Dem ersten Teil ist ein
schen Schilderungen beschreibt), besondere Beachtung. Titelblatt mit der Aufschrift>> Eines alten Mannes Briefe
B./H. an einen jungen Prinzen« vorangestellt. Das Titelblatt
491 Moralisch belehrende Schriften 492

des zweiten Teils enthält die Aufschrift »Eines ältem Verdiensten vorgestellt werden. Besonderes Lob erfah-
Mannes Briefe an einen gesetzem Prinzen«. ren dabei die Naturforscher Carl von Linne
Seine didaktischen Absichten sucht Tessin im er- (1707 -1778) sowie Anders Celsius (1701-1744).
sten Teil überwiegend durch die Mitteilung von Fabeln, Zu Beginn des dritten Jahrgangs der Briefe erklärt
Gleichnissen und Beispielgeschichten zu verwirklichen. Tessin »Sie treten nun bald, gnädiger Herr! in den Früh-
Vereinzelt führt Tessin seinen jungen Schüler jedoch ling Ihrer Jugend; Eure Königliche Hoheit wollen Dero
auch schon in die Historie, die Literatur und die Ge- reines Herz und zartes Gemüth in demselben genau in
schichte der Kunst ein und behandelt darüber hinaus ei- Acht nehmen; damit, wenn Eure Königliche Hoheit
ne Fülle von Themen, die vom Reisen bis zu knapp ge- den lieblichen Sommer der Mannheit erreichet haben,
haltenen Abhandlungen über den Geschmack und über die itzt in voller Blüte stehende Frucht zum Nutzen reif
die richtige Führung der Staatsgeschäfte reichen. werden möge« (S. 280). Thematisch kreisen die folgen-
Die Fabeln hat Tessin nach eigenem Bekenntnis den Ausführungen um die historischen Wissenschaf-
zumeist den von ihm hochgeschätzten Werken des ten; sie verstehen sich ferner als erste Einführungen in
Äsop, Ia Fontaine und Ia Motte entnommen (vgl. Teil!, das Gebiet von Handel, Militär, Finanzen sowie der Li-
S. 148), um sie anschließend in »schwedische Tracht« teraturund Ästhetik. Im Kontext des 9. Briefes, dervon
zu kleiden (Teil I, S. 227) und sie dann dem Kronprin- der Erziehung handelt, teilt Tessin seine Einteilung der
zen vorzulegen. Zur Verdeutlichung einer für den Zög- »Lebenszeit« mit: »Unsere ganze Lebenszeit ist einge-
ling erstrebenswerten Haltung oder Handlungsweise theilet, und hat ihre Anwechselungen, welche wir theils
beläßt es Tessin jedoch nicht bloß bei der Mitteilung ei- unter anderer Pflege und Bandleitung, theils unter eige-
ner Fabel. In den meisten Fällen kommentiert und inter- nem Nachdenken durchgehen müssen« (S. 336). Tessin
pretiert er den Inhalt. Die äsopische Fabel von den zwei unterscheidet:- das Schlafjahr; -das Kinderjahr; -das
Meerkatzen (vgl. Brief 9 des ersten Teils, S. 23- 25) be- Fragejahr; - das Sitten- und Fabeljahr; - die Ge-
nutzt Tessin, um die folgende Lehre zu vermitteln: »Be- schichtsjahre; -die Kunstjahre; - die Wissenschafts-
vor man über Menschen herrschen will, muß man selbst jahre;- die Umgangsjahre;- die Uebungsjahre;- die
ein Mensch seyn, das ist: Lernen und gehorchen«! Dienstjahre;- die nutzenden Ruhejahre und die Jahre
(S. 25) Die Fabel vom Fürsten, dem Jäger und dem Ha- der Gebrechlichkeit und Pflege (S. 336/337). Beschlos-
bichte (Brief 16 des ersten Teils, S. 193 -199) dient Tes- sen wird der dritte Jahrgang mit einer Abhandlung
sin dazu, den Erziehungsgrundsatz zu verdeutlichen: »Über den Geschmack« sowie Bemerkungen zur Litera-
»Ein jeder muß seinen Beruf erfüllen, wozu er in der tur und zum Büchermarkt sowie über das Theater. Posi-
Welt bestellt ist« (S. 196). Der aus der Fabel von dem al- tiv finden dabei vor allem der Don Quijote und die
ten und dem jungen Krebs abgeleitete Grundsatz lautet: Schauspiele Comeilles Erwähnung.
»Diese Fabel zeiget uns, gnädiger Herr! wie nöthig es Die Bekanntmachung mit Literatur, Geschichte
sey, dasjenige selbst leisten zu können, was man von an- der Malerei, Baukunst und den Staatsgeschäften wird
dem fordert.« (Teil!, S. 216) im zweiten Teil fortgesetzt. Dabei sind mehrere Briefe in
Überwiegt in den Briefen des ersten Jahrgangs die lateinischer und französischer Sprache abgefaßt.
Mitteilung von Fabeln, so kleidet Tessin im zweiten Die von Tessin eingeschlagene Erziehungs-
Jahrgang die zu vermittelnden Grundsätze überwie- konzeption ist deutlich den Grundsätzen des Tele-
gend in eigenständige Abhandlungen. Dem entspricht
maque von Fenelon verpflichtet. Tessin zeichnet
eine Anhebung des Schwierigkeitsgrades. Brief 1 (S. 96-
!II) enthält zunächst leicht verständliche Bemerkun- das Idealbild eines Monarchen, wie es im fünften
gen über die Kunst und insbesondere über die Malerei. Buch des Telemaque mit dem Musterkönigtum
Dabei werden vor allem die deutschen und französi- auf Kreta vorgeführt worden war. Tyrannei, Er-
schen Maler mit viel Lob bedacht (vgl. S. I 02), während oberung, Verschwendung und Ausschweifung
den Arbeiten englischer Künstler nur wenig Vorbild- waren dort als unvereinbar mit den Grundsätzen
charakter zugesprochen wird. Die schwedische Nation einer aufgeklärten Königsherrschaft dargestellt
habe viele gute Maler hervorgebracht, indes den An- worden. Ebenso wie Fenelon fordert auch Tessin
schluß an das europäische Niveau verloren. Inständig ein sittlich begründetes politisches Handeln des
fordert Tessin daher vom designierten Thronfolger:
»Beschützen Sie die Künste« (S. I 05).
Monarchen und propagiert die Vorstellung von
Brüderlichkeit unter Menschen als konstituieren-
Das Thema »Glaube und Lehre« behandelt Tes-
sin im zweiten Brief (S. 112-117). Er formuliert darin des Element der Herrschaft. Die Tugenden, in de-
insgesamt fünf Hauptfragen, »durch deren Beantwor- nen sich den angehende König üben soll, sind:
tung wir sowohl den himmlischen Wahrheiten, als un- Bescheidenheit, Mitleid, Güte, Freundlichkeit,
sem irdischen Pflichten überzeuget werden« (S. 112). Selbstkontrolle, Mut, Standhaftigkeit, Freigebig-
Die Fragen nach Gott, seiner Beschaffenheit, seiner All- keit, Gerechtigkeit, Mäßigkeit; gefordert werden
macht und seiner Ehre sowie die Frage nach der Er- ferner die Fähigkeit zur Selbstkritik, beständiges
schaffung der Welt könnten dabei nur nach den Regeln Streben nach Wissen, Kenntnissen und Weisheit
der Vernunft beantwortet werden. Von den Untertanen und die Vaterlandsliebe. Gewarnt wird vor
und der Obrigkeit gleichermaßen müsse unterdessen
Schmeichlern, Verleumdern und Schwätzern;
tiefe Gottesverehrung erwartet werden, wobei der Re-
gent mit gutem Beispiel voranzugehen habe.
Stolz, Eitelkeit, äußerer Prunk, Hochmut, Arg-
In das Gebiet der schwedischen Wissenschaften
wohn, Neid, Aberglauben und Willkür, Rach-
und vor allem der Naturwissenschaften führt Tessin sei- sucht, übereiltes Urteilen sowie jede Verstellung
nen Zögling im dritten Brief (S.ll8-128). Diese Ein- werden scharf gebrandmarkt.
führung orientiert sich zunächst an berühmten schwedi- Ein stets betonter Gedanke ist, daß der junge
schen Wissenschaftlern, die mit ihren Leistungen und Prinz sich vor allem durch ein Streben nach mög-
493 LePrince de Beaumont, Lehrreiches Magazin, 1758 494

Iiehster Vollkommenheit auszuzeichnen habe, Werkes aufgestellt hat: In der hierarchischen


um auf allen Gebieten seinem Volk Vorbild sein Ordnung rangiert der König erst an vierter Stelle
zu können: Bevor man über Menschen herrschen hinter Gott, dem Gesetz und der Ehre (Teil 2,
könne, müsse man »selbst ein Mensch seyn«, was S.418). Im Kommentar wird der König als
bedeute: »Lernen und gehorchen« (Teil 1, » Staathalter Gottes auf Erden« definiert, der sein
S. 212). Das Amt des Königs wird nicht als vorteil- Volk nach den von Gott gegebenen Gesetzen zu
haftes Geschenk, sondern als verantwortungsvol- regieren und sich für die Ausübung seines Amtes
le Aufgabe angesehen: »Eine hohe Geburt ist dereinst vor Gottes Gericht zu verantworten habe.
kein Vortheil, in so fern sie nicht ihren Werth Ein eigenes Kapitel hat Tessin seiner Rolle
durch Tugend behält; sie gleicht sonst einem ed- als Prinzenerzieher eingeräumt. Auf der Folie
len Namen, der an einem schmutzigen Pfahle mehrerer Berichte über Prinzenerzieher, die ihre
sitzt« (Teil!, S.l35). Tugend und Verdienste, die Aufgabe nur darin sahen, die vermeintlich stets
erst erworben werden müßten, und nicht Stand guten Anlagen eines Prinzen sich frei entfalten zu
und Geburt bestimmen den Wert des Menschen. lassen oder aber durch absichtlich verfehlte Erzie-
Programmatisch formuliert Tessin in seinen Be- hung Einfluß in der Politik zu erlangen suchten,
merkungen über die verschiedenen Stände im bemüht sich Tessin um den Nachweis der Richtig-
Staate: »Ein tugendhafter, bescheidener, gesetz- keit einer planvollen Prinzenausbildung in
ter und fleißiger Bauer muß weit höher, als ein fre- »christlichen und königlichen Tugenden« (Teil!,
cher, dummer, flüchtiger und unnützer Edel- S. 61), die stets zur Glückseligkeit der Untertanen
mann, geachtet werden« (Teil 1, S. 133). auf Erden führen werde.
Von den Aufgaben des Königs in seinem Eine ausführliche Behandlung haben die Briefe
Amte gibt Tessin eine detaillierte Aufstellung. Ge- Tessins bei Göte Klingberg erfahren. In der Studie Das
rechtigkeit und die Erhaltung der Freiheit formu- deutsche Kinder- und Jugendbuch im schwedischen
liert Tessin dabei als die ersten und obersten Raum (1973, S. 37) weist er vor allem auf die französi-
Grundsätze bei den Regierungsgeschäften, wobei sche Beeinflussung der Erziehungsideale Tessins hin,
das Land stets »bedrückte[n] Ausländer[n]« die soweit sie sich in den Briefen an einen jungen Prinzen
Grenzen zu öffnen habe und ihnen nach Möglich- niederschlagen. Klingberg nennt ferner die Briefe als
keit Brot geben solle. Ebenso plädiert Tessin für ein seltenes Beispiel dafür, daß ein schwedisches Kin-
größtmögliche Freizügigkeit in der Wirtschafts- derbuch eine gesamteuropäische Verbreitung gefunden
hat: Übersetzungen seien auch in England, Frankreich
und Handelspolitik; gefordert wird die >>Uneinge- und Italien erschienen. Zu Tessins Briefen vgl. ferner:
schränkte Erlaubnis der Ausfuhre und Verschif- Eva von Zweigbergk, Bamboken i Sverige 1750-1950.
fung« (ebd.). Nur auf diesem festgefügten Funda- S.27ff. K.
ment einer alle gesellschaftlichen Bereiche erfas-
senden Freizügigkeit sieht Tessin die Vorausset-
zungen gegeben für ein glückliches und erfülltes 1758
Leben, für >>Ungezwungene Handthierung [ ... ]
des gerneinnen Mannes«. Erst auch auf dieser Jeanne-Marie LePrince de Beaumont
Grundlage könnten sich die Künste und Wissen- (1711-1780):
schaften frei entfalten und durch beständige Lehrreiches Magazinfor Kinder zu richtiger
»Aufmunterung« ihren Teil zur Entwicklung ei- Bildung ihres Verstandes und Herzens. Für
ner freiheitlichen Gesellschaft beitragen. Indem
ein Regent diese fundamentalen Ziele in seiner
die deutsche Jugend eingerichtet von Johann
Regierungspolitik verwirklicht oder mindestens Joachim Schwabe (I 714 -1784). 4 Teile.
zu verwirklichen sucht, erfüllt er die wahre Be- Dritte verb. Auflage.
stimmung seines Amtes. Leipzig 1761
In diesem Kontext behandelt Tessin auch
das Verhältnis zwischen König und Volk: Ein- Der Vorrede der Verfasserio und der Vorrede des
dringlich fordert Tessin von seinem Zögling Übersetzers läßt sich entnehmen, daß sich das
»freundschaftliches Mitleiden« und »wirkliche Lehrreiche Magazin an jüngere Mädchen bis zu
Unterstützung« (Teil 1, S. 130) sowie jederzeitige 12/13 Jahren wendet, die dem gehobenen Bür-
Anteilnahme am Schicksal der Menschen in allen gertum und dem Adel entstammen. Daß Mäd-
guten wie auch schlechten Zeiten: »Ein König chen angesprochen werden sollen, zeigt sich z. B.
geht seinem hohen Berufe ruhmwürdig nach, an den häufigen Verweisen auf sie in der Vorrede
wenn er durch Gnade und Güte die Reichsbe- der Verfasserin, wo das Wort >Kinder< synonym
wohner gewinnt und seine Gewalt zu nichts an- mit >Schülerinnen< gebraucht wird; außerdem
ders gebrauchet, als die Laster zu dämpfen, und wird explizit auf Fragen der weiblichen Erzie-
Tugend und Ehrlichkeit zu belohnen« (Teil 1, hung eingegangen. Daß die Mädchen jüngeren
S.164). Als konsequenter Ausdruck dieser Vor- Alters sind, ergibt sich bereits aus der Bezeich-
stellung einer aufgeklärten Monarchie erscheint nung der anzusprechenden Zöglinge als Kinder
die Wertskala, die Tessin zum Abschluß seines (wobei der Übersetzer noch eine eigene Überle-
495 Moralisch belehrende Schriften 496

gung über die Schwierigkeit, in Kindersprache zu unabhängig vom zukünftigen Leben - auch in
schreiben, anstellt). Auch die auftretenden Mäd- diesem Leben nur glückselig werden könne, wenn
chenfiguren sind erst 5 bis 13 Jahre alt. Auf den man den göttlichen Wahrheiten folge (S. XXXI).
adligen oder begüterten Stand der durch das Ma- Engagiert bezieht Mme. de Beaumont Stel-
gazin angesprochenen Kinder verweist nicht nur lung gegen diejenigen, die dem weiblichen Ge-
die soziale Zugehörigkeit der Mädchenfiguren schlecht eine Vernunfterziehung verweigern wol-
(vgl. S. VIII I, S.lOO, I, S.l37ff.), sondern auch len: »Ja, meine Herren Tyrannen, ich bin Willens,
ein direkter Hinweis der Verfasserin (S.XLV). Vernunftlehrerinnen, Erdmesserinnen und so gar
Noch vor den Mädchen sind jedoch deren Philosophinnen aus ihnen zu machen. Ich will sie
Eltern und Hofmeisterinnen angesprochen, die denken, richtig denken lehren, damit sie zu einem
ihnen das Buch in die Hand geben bzw. mit ihnen guten und vernünftigen Leben gelangen.«
lesen sollen. Die Hofmeisterinnen sollten das (S. XXXIII) Eine solche Vernunfterziehung steht
Buch dabei nach ihrem Belieben so umändern, für sie jedoch nicht in Widerspruch zu den Stan-
daß es den Bedürfnissen ihrer Zöglinge ent- despflichten. Das Kind, das zum Gebrauch seiner
spricht. -Die Verfasserin schreibt explizit für ein Vernunft erzogen worden sei, werde es als seine
englisches Publikum (die französische Erstausga- »allerheiligste Pflicht« ansehen, seinen Eltern
be erschien 17 56 in London), der deutsche Über- und Lehrmeistern zu gehorchen. Dasselbe gilt,
setzer ausdrücklich für deutsche Kinder. wenn das Mädchen älter geworden ist: »Die
Mit dem Buch verfolgt die Verfasserin zwei Weltweisheit wird den Ekel, welchen die häusli-
Intentionen: Einmal soll es englischen Mädchen chen Geschäffte und die Besorgung der Wirt-
zur Erlernung der französischen Sprache dienen, schaftbey ihnen hervorbringt, der Pflicht aufop-
zum andern soll es- und das ist ihr selbst das Ent- fern, die es ihnen zu einem Gesetze machet, sol-
scheidende- ihren Verstand und ihr Herz bilden che über sich zu nehmen.« (S. XXXIV)
(S. XXXIV). Ausführlich erörtert sie, wie dies zu Zeigt sich die Verfasserin bereits mit dem
geschehen habe, wobei sie sich sowohl auf die von Prinzip der Vernunfterziehung stark von Lockes
ihr selbst ausgeübte wie auf die im Buch darge- Gedanken über Erziehung beeinflußt (ohne sich
stellte Erziehungspraxis bezieht. Eine wirkliche jedoch auf diese zu berufen), so auch, wenn sie
Verbesserung der Sitten ist für sie nur durch die auf die Vermittlungsform zu sprechen kommt, wo
Ansprache der Vernunft möglich; sie wird deswe- deutlich Lockes Forderung eines spielerischen,
gen von ihr zum Grundprinzip aller Erziehung er- vergnüglichen Lernens anklingt. So hat sie die bi-
hoben und von hier aus die übliche Erziehung als blischen Geschichten weggelassen, die die Kin-
unwirksam verworfen. Sittliche Grundregeln, so der langweilen könnten, und will ihnen die Ge-
heißt es, dürften nicht bloß dem Gedächtnis der schichten, die sie erzählt, »unter dem Namen ei-
Kinder eingeprägt werden, sondern müßten bis nes Zeitvertreibes« präsentieren: »Sie müssen es
zu ihrem Verstande dringen (S. XXVII). Auch sei nicht muthmaßen, daß ich sie unterrichten will«
es nicht richtig, »daß sie [die Kinder] ihre Einsich- (S. XXXII). In dieselbe Richtung geht offensicht-
ten unterdrücken, und dafür unsere annehmen« lich die Intention der Verfasserin, neben dem Ge-
oder ihren Verstand dem unterordnen, was die Er- spräch den Kindern auch andere literarische For-
zieher sagen, sondern sie sollen ihre Einsichten al- men zu bieten: Durch »vielmalige Wiederholung
lein der Herrschaft der Vernunft unterwerfen. einerley Wahrheiten unter verschiedenen Gestal-
Denn erst wenn sie von der Vernünftigkeit einer ten« hofft sie, bei den Kindern einen unauslö-
Sache »unumstößlich« überzeugt seien, würden schlichen Eindruck zu hinterlassen (S. XXXI).
sie sich »demjenigen willig ergeben, was die Ver- Die Bücher, die man üblicherweise Kindern
nunft [ ... ]vorschreibt« (S. XXX). Die Schülerin- in die Hände gebe, werden von ihr abgelehnt, weil
nen werden von der Verfasserindeswegen daran sie zu schwer für sie seien. Kinder läsen sie mit
gewöhnt, in angeblichen Grundsätzen nach Wi- Unlust, und dadurch werde in ihnen ein »Ekel«
dersprüchen zu suchen, ihr eine Wahrheit so lan- vor dem Lesen überhaupt hervorgerufen
ge zu »bestreiten«, »bis ich sie ihnen bewiesen ha- (S. XXIV). Die 12 Bände der Contes de Fees hält
be«, und sich nicht eher zufrieden zu geben, »als sie freilich auch nicht für geeignet; die »wenige
bis sie solche für unleugbar erkennen« Sittenlehre«, die sie enthielten, sei »unter einem
(S. XXIX). Besonders guten Erfolg habe sie mit lächerlichen Wunderbaren gleichsam ersäuft«
dieser Methode bei Zöglingen, die schon von der (S. XXVI). Nützlicher für Kinder erscheinen ihr
ersten Kindheit an bei ihr gewesen seien. dagegen die Contes de ma Mere l'Oye.
In enger Verbindung mit der Vernunfterzie- Für den deutschen Übersetzer und Heraus-
hung wird die Religion gesehen. Der »End- geber entfällt, wie er in seiner» Vorrede« schreibt,
zweck« des Buches sei es, beides miteinander zu die eine der beiden Intentionen der Verfasserin,
vereinigen (S. XXX). So habe die Verfasserin al- nämlich die, den Kindern mit dem Buch ein Mit-
les versucht, den Kindern zu zeigen, daß die tel in die Hand zu geben, um die französische
»Grundregeln« der Bibel »mit ihren natürlichen Sprache zu erlernen. Das Buch erscheint ihm je-
Einsichten« übereinstimmten; ebenso, daß man- doch auch für Kinder, die es in ihrer Mutterspra-
497 LePrince de Beaumont, Lehrreiches Magazin, 1758 498

ehe lesen, als sehr nützlich. Hauptabsicht des Bu- Charlotte (7 Jahre), Jungfer Miekchen (7 Jahre), Frl.
ches sei es nämlich, den Kindern »die Zeit zu ver- Kinderhaft (10 Jahre) und Fräulein Sturm (13 Jahre
treiben, unter dem Zeitvertreibe aber ihr Herz zu nach Vorspann, 12 Jahre 111, S. 158). Die beiden ersten
bessern, und ihren Verstand aufzuklären« (S. IV). Gespräche finden ausschließlich unter einigen der
Mädchenfiguren statt; sie fungieren zugleich als Expo-
Als ein wichtiges Mittel hierzu sieht er die »lehr- sition. Im I. Gespräch mokiert sich Frl. Geistreich dar-
reichen Mährchen« an, die die Kinderaufgrund über, daß Frl. Kinderhaft noch mit Puppen spielt; sie
des darin vorkommenden Wunderbaren sehr selbst lerne fleißig aus Büchern, um Witz und Verstand
liebten und mit denen ihnen gleichzeitig »richtige zu bekommen und von aller Welt für liebenswürdig ge-
Begriffe von Tugenden und Lastern und edle halten zu werden. Im 2. Gespräch klagt das todun-
Empfindungen und Grundsätze« beigebracht glückliche Frl. Geistreich dem Frl. Verständig, wie sie
würden (S. IV). Ebenso wichtig seien die bibli- mitangehört habe, daß man ihren Witz einen »schlim-
schen Geschichten, die gegenüber den Märchen men Witz« genannt habe, und weiter, daß sie wohl ein-
freilich den Vorzug hätten, zugleich wahr und mal die »Pest der Gesellschaft« sein werde (1, S. 8).
Fräulein Verständig gibt den Leuten in ihrem Urteil
wunderbar zu sein. Als weitere nützliche Bestand- recht, nimmt aber zugleich Frl. Geistreich in Schutz,
teile des Magazins werden von ihm hervorgeho- weil niemand sie gelehrt habe, zwischen gutem und
ben: heidnische Fabellehre ( = Mythologie), Erd- schlimmem Witz zu unterscheiden. Sie lädt das Frl.
beschreibung, Geschichte, Naturlehre und Auf- Geistreich ein, dreimal in der Woche nachmittags zu ihr
klärung über Aberglauben. zu kommen; auf Veranlassung ihrer Hofmeisterin wol-
Seine eigene Arbeit bezeichnet der Heraus- len sich nämlich einige Freundinnen bei ihr treffen, »da-
geber als keine »eigentliche Übersetzung« mit wir uns zum Zeitvertreibe einander unterrichten«.
(S. VII). Zwar habe er das Original nicht aus den Frl. Geistreich nimmt diese Einladung »von Herzen
Augen gelassen, sei aber, um es für deutsche Kin- gern« an (I, S. I 0).
der »verständlich und brauchbar zu machen Vom 3. Gespräch an finden die Unterredungen
(S. VII), auch an vielen Punkten davon abgewi- zwischen der Hofmeisterin und den Mädchen statt (die
also- außer Frl. Verständig- nicht ihre eigenen Zöglin-
chen. Folgende Veränderungen werden von ihm
ge sind). Kernstück der Unterredungen sind Feenmär-
genannt: (1) Verlegung des Schauplatzes von chen und die biblische Geschichte. Die Feenmärchen
London nach Dresden mit deutschen Mädchen werden von der Hofmeisterin erzählt, die biblische Ge-
und einer deutschen Hofmeisterin. (2) Bibelge- schichte in einzelnen, in sich geschlossenen Abschnitten
rechtere Wiedergabe der biblischen Geschichten, vonjeweils einem Mädchen, nachdem die Hofmeisterin
um Mißverständnissen, die aus dem kindlich- sie ihnen für zu Hause zu lesen aufgegeben hat. Außer
sprunghaften Erzählen des französischen Origi- den Märchen und den biblischen Historien werden Sa-
nals entstehen könnten, zu verhüten; außerdem gen (»Fabeln«) aus der antiken Mythologie erzählt so-
Weiterführung der schon von der Beaumont wie andere »Historien«, nämlich moralische Erzählun-
gen, die entweder in der Gegenwart oder der Geschichte
praktizierten Erläuterung fremder, weil histori-
spielen und mit dem Anspruch auftreten, wirklich ge-
scher Sachverhalte. (3) Im geographischen Teil schehen zu sein.
die Ersetzung Englands durch Deutschland.
An die Geschichten schließen sich (meist kürzere)
(4) Im historischen Teil Ergänzungen da, wo moralische Belehrungen und Reflexionen an, einge-
»ich in der Kürze den Kindern noch etwas Richti- schlossen die moralische Selbsterkenntnis der Mädchen
gers, Umständlichers und Angenehmers« liefern (d. h. die Einsicht in die eigenen Fehler) sowie sachliche
zu können glaubte (z. B. die sieben Weltwunder); Belehrungen zur Geographie, zur Geschichte, zur Na-
ebenso Übernahme der in der deutschen Ge- turkunde und zur Naturlehre. Die sachlichen Belehrun-
schichtsschreibung üblichen Benennungen und gen werden manchmal an einem Modell verdeutlicht.
Einteilungen. 5) Erklärungen zu schwierigen (vgl. z. B. I, S. 182 oder 141 ), andere sachliche Belehrun-
deutschen Wörtern analog zu der Erklärung fran- gen behandeln z. B. die Metamorphose des Schmetter-
lings, die Himmelsrichtungen, die verschiedenen Erd-
zösischer Wörter im Original (mit der Nebenab-
teile, Erdbeben und Vulkane, den Unterschied zwi-
sicht der Sprachbelehrung). schen biblischer Geschichte und Mythologie u. a.
»Unangetastet« geblieben seien dagegen
Die Märchen sind Feenmärchen, in denen die
»alle Mährchen, alle Lehren, alle Anführungen Menschen guten und bösen Feen begegnen, die durch
zur Tugend und guten Sitten«. Dabei habe er sich ihre Fähigkeit zu zaubern ständig in die alltägliche Welt
bemüht, »ein getreuer Übersetzer zu seyn, so viel eingreifen, so daß wunderbare Ereignisse an der Tages-
es, ohne der deutschen Sprache Gewalt und Ab- ordnung sind. Zugleich (oder vor allem) geht es jedoch
bruch zu thun, hat angehen wollen« (S. XVIII). um die »Sittenlehre«, darum, zu zeigen, daß das gute
Außerdem habe er versucht, »die Sprache der Handeln der Menschen belohnt und das schlechte be-
Kinder zu reden« und trotzdem sprachrichtig zu straft wird. Der Prinz Herzgeliebt in dem gleichnamigen
schreiben (S. XVIII). Märchen (1, S. 12-35) hatz. B. voneiner Fee einen Ring
geschenkt bekommen, der ihn jedesmal sticht, wenn er
Das Lehrreiche Magazin für Kinder stellt 29 Ge- Unrecht tut (im anschließenden Lehrgespräch interpre-
spräche ( = Kapitel) zwischen einer Hofmeisterin na- tiert als das menschliche Gewissen). Als er den Ring ei-
mens Mademoiselle Gut und sieben Mädchen von adli- nes Tages wegwirft, weil er ihm aufgrund seiner bösen
gem oder begütertem Stand dar: Frl. Verständig ( 12 Jah- Taten allzu lästig wird, verwandelt ihn die Fee in ein Un-
re), Frl. Geistreich (12 Jahre), Frl. Maria (5 Jahre), Frl. tier und gibt ihm erst dann wieder seine Menschenge-
499 Moralisch belehrende Schriften 500

stalt zurück, als er seine Taten tief bereut und anderen gik auftritt, so sind sie doch abwechslungsreich
Menschen Gutes tut. Die Schöne in dem Märchen Die und vergnüglicher zu lesen als viele der späteren
Schöne und das Tierwird am Ende mit der Hand eines Beispielgeschichten - aufgrund der fremdartig-
verwunschenen Prinzen belohnt, weil sie bereit ist, ihr
reizvollen Welt, in der die Tugenden und Laster
Leben für das Leben ihres Vaters zu opfern und das Tier,
obwohl es furchtbar häßlich ist und keinen »Witz« hat, der Figuren dargestellt werden.
allein aufgrundseines guten Herzens zu heiraten; ihre 2) Auch die biblischen Geschichten werden
mißgünstigen Schwestern dagegen werden in zwei Bild- in ansprechender Weise vorgetragen. Das ge-
säulen verwandelt. schieht dadurch, daß sie von den Kindem selbst
Zur Verdeutlichung des Ineinandergreifens der in einer einfachen Sprache erzählt werden - mit
verschiedenen Bestandteile des Buches (biblische Er- Erläuterungen, die von den Kindem beim Erzäh-
zählung, Märchen, andere Erzählungen, Gespräch, das len oder anschließend im Gespräch gegeben wer-
entweder moralische oder sachliche Belehrung enthält), den. Außerdem sind die erzählten Teile relativ
sei ein Überblick über den Aufbau der drei Gespräche
kurz und stellen fast immer eine in sich geschlos-
gegeben, die den beiden Einleitungskapiteln folgen:
3. Gespräch (I. S.ll-35): S.ll-12: Gespräch
sene Geschichte dar.
(Unterschied zwischen Märchen und Historie); 3) Die in den Gesprächen enthaltene mora-
S.l2-32: Märchen von dem Prinzen Herzgeliebt; lische und sachliche Belehrung ist meist relativ
S. 32-35: Gespräch über die moralischen Intentionen kurz gehalten; sie wird den Kindem sozusagen
des Märchens, Selbsterkenntnis von Fr!. Charlotte, daß nur stückehenweise gegeben (nur die sachlichen
sie oft böse ist, Rat der Hofmeisterin, was sie dagegen Belehrungen sind manchmal länger). Die Vorge-
tun kann. hensweise ist dabei ganz und gar unsystematisch,
4. Gespräch (/, S.36-48): S.36: kurzes EiD- assoziativ-sprunghaft- wie es sich gerade aus den
gangsgespräch; S. 37-39: biblische Geschichte (Schöp-
Fragen und Einwürfen der Kinder (anband der
fung und Sündenfall); S.39-41: Gespräch über das,
was man aus Adams und Evas Ungehorsam lernen
erzählten Geschichte) ergibt. Durch diesen Ab-
kann; S.41-44: »Historie« von dem armen wechslungsreichtum kommt die Verfasserio der
Holzfällersehepaar, das klüger sein will als Adam und Auffassungskraft der Kinder entgegen, da diese
Eva und sich doch genauso verhält; S.44: Gespräch: ihre Aufmerksamkeit nicht so lange dem einen
Selbsterkenntnis von Fräulein Geistreich, daß sie dem- und seihen Gegenstand zuwenden müssen.
selben Hochmut aufgesessen ist; S.44-46: biblische Der Lockesche Grundsatz, man solle dem
Geschichte (Kain und Abel); S.46-48: Gespräch: Kind das Lernen nicht als Arbeit, sondern als Ver-
Selbsterkenntnis von Fr!. Charlotte, daß sie gegenüber gnügen erscheinen lassen, wird auch in anderer
ihrer Schwester genauso mißgünstig ist wie Kain gegen-
Hinsicht beachtet. So drängt die Hofmeisterin
über Abel.
5. Gespräch(/, S. 49-85): S. 49-50: einleitendes den Kindem ihre Belehrung nicht auf, sondern
Gespräch (mit moralischer Belehrung); S. 50-7 4: Mär- die Kinder wenden sich mit Fragen und Bitten an
chen von der Schönen und dem Tier; S. 74-76: Ge- sie, so daß es Aufgabe der Hofmeisterin ist, ihren
spräch über die Sittenlehre des Märchens; S. 76-79: Wissensdrang zu bremsen- z. B. mit Hinweis auf
Gespräch über die Metamorphose des Schmetterlings die fortgeschrittene Zeit (1, S. 117 oder 127), daß
(durch eines der Mädchen, die Schmetterlinge anbringt, sie jetzt genug von der Erdbeschreibung gelernt
um Junge zu züchten, veranlaßt); S. 80-81: biblische hätten (I, S.ll2), oder daß sie noch zu klein wä-
Geschichte (Sündflut und Arche Noah); S. 81-82: Ge- ren, um etwas zu verstehen, weil man als Voraus-
spräch: sachliche Belehrung (warum eine Arche oder
setzung dafür mehr von der Historie kennen müß-
ein Schiff im Wasser nicht untergehen); S. 83-85: Ge-
spräch über die Güte Gottes, der dem Menschen alles te. Wenn die Hofmeisterin den Bitten der Kinder
gegeben hat, und dem man deswegen wie Noah dafür dann doch nachkommt, dann stellt sie das als ein
danken muß. besonderes Entgegenkommen dar ()))Ich werde
Sie verwöhnen, denke ich; denn ich thue alles,
Das Lehrreiche Magazin for Kinder gehört was Sie wollen«<) (I, S.ll3). - Hierhin gehört
zu dem Genre der lehrreichen Unterredungen. In auch, daß die Mädchen freiwillig zu der Hofmei-
ihm sind auf recht gelungene Weise Unterhaltung sterin kommen, daß sie also aus freien Stücken
sowie moralische und sachliche Belehrung mit- lernen wollen. Das Prinzip der Freiwilligkeit wird
einander verbunden und damit das Lockesche dadurch unterstrichen, daß ein Mädchen die Zu-
Prinzip des vergnüglichen, spielerischen Lemens, sammenkünfte verschmäht und wegbleibt.
das bereits im Vorwort der Verfasserio angespro- 4) Die Lehrgespräche haben auch durchaus
chen wird, auch tatsächlich verwirklicht. Folgen- dramatische Momente, wo das Gespräch selbst
de Aspekte spielen in dieser Hinsicht eine Rolle: zur Handlung wird. Das ist immer dann, wenn die
1) Kernstück der Gespräche sind nicht die Mädchen Aussagen der Geschichten voller Be-
moralische oder sachliche Belehrung, sondern troffenheit auf sich selbst beziehen und sich- vor
die Geschichten, u. a. die Feenmärchen. Auch den anderen- ihre Fehler eingestehen. Auch Aus-
wenn diese ))Contes moraux« (so Beaumontim einandersetzungen zwischen der Hofmeisterin
französischen Titel) sehr deutlich auf ))Sittenleh- und den Schülerinnen gibt es - so, als Fr!. Sturm,
re« abzielen, auch wenn in manchen von ihnen eine Vorläuferio des ))Trotzkopf«, sich mit der
das Wunderbare allzu häufig und ohne innere Lo- Hofmeisterin streitet, ja sogar ihr mit hochmüti-
501 LePrince de Beaumont, Lehrreiches Magazin, 1758 502

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Der Frau Maria le Prince de Beaumont lehrreiches Magazin für junge Leute, besonders junges Frauen-
zimmer, zur Fortsetzung des Magazins for Kinder, nach deutscher Art eingerichtet von Johann Joachim
Schwaben. -Leipzig 1760 (Nr. 515). Titelblatt mit Kupferstich-Frontispiz von Crusius

gern Lachen den Gehorsam verweigert (III, Iebrungen abzuweichen, wenn er eigene Zusätze
S. 177).- Handelnde Rede sind außerdem die bei- einfügt (so bei den sieben Weltwundern). Auch
den ersten Gespräche, die zwischen den Kinderfi- durch die >bibelgerechtere< Wiedergabe der bibli-
guren stattfinden. schen Geschichten (vgl. Vorrede) geht er stärker
5) Die Hofmeisterin versucht, den kindli- von dem Prinzip der Kindgemäßheit ab.
chen Bedürfnissen entgegenzukommen. Charak- Die Erziehungsvorstellungen sind stark von
teristisch hierfür ist der Anfang des 3. Ge- dem Prinzip der Vernunfterziehung im Sinne
sprächs: Das jüngste Mädchen, Frl. Maria, er- Lockes geprägt. Das wird am deutlichsten in der
klärt ganz offen, daß sie zu den Zusammenkünf- Beziehung zwischen Hofmeisterin und Schülerin-
ten mit der Hofmeisterin gekommen sei, um von nen: Die Mädchen werden von ihr als vernünftige
ihr schöne Märchen zu hören. Die Hofmeisterin Wesen angesprochen, die sich von der Wahrheit
akzeptiert dieses Motiv (und kommt ihm auch einer Sache überzeugen lassen, und die Mädchen
durch das Erzählen der Feenmärchen entgegen), selbst werden dargestellt als fragende, wißbegieri-
benutzt es aber zugleich, um eine wichtige Beleh- ge, lernbereite, aber auch kritische Schüler. Ty-
rung daran zu knüpfen: Sie läßt unter der Hand pisch für die angestrebte Vernunfterziehung sind
den Begriff der Historie einfließen, um daraufhin die beiden ersten Gespräche: Wer nichts lernen
(auf Fragen der Mädchen) den Unterschied zwi- will (wie das Fräulein Kinderhaft), wird das ganze
schen den bloß erfundenen Märchen und den tat- Leben eine Törin bleiben; erst wenn man »Witz
sächlich geschehenen biblischen Historien erklä- und Verstand« hat, ist man als Frau liebenswür-
ren zu können. dig, und zwar, selbst wenn man häßlich ist, lie-
Gegenüber dem Original scheint der Bear- benswürdiger als eine schöne Frau ohne Witz und
beiter von dem Prinzip der relativen Kürze der Be- Verstand, die bloß eine »Bildsäule, eine Maschi-
503 Moralisch belehrende Schriften 504

ne« ist, weil sie »keine Seele« hat (I, S. 3). Im Bestie undankbar gewesen: so würde sie nachher
2. Gespräch wird differenziert: Lernen an sich ist keine große Königin geworden seyn« (I, S. 76).
nicht gut, da es- wie bei dem Fräulein Geistreich Das Lehrreiche Magazin ist direkt beeinflußt
-auch aus Eitelkeit oder, um sich über andere lu- von Sarah Fieldings Hofmeisterinn. Gemeinsam-
stig zu machen, geschehen kann. Das ist der keiten sind: die Form der lehrreichen Unterre-
»schlimme Witz«. Der »gute Witz« hingegen dung, in die Geschichten eingebettet werden, die
macht den Menschen »liebenswürdig, sanftmüt- auftretenden Figuren (eine Hofmeisterin und
hig, tugendhaft« und läßt die anderen Menschen mehrere Mädchen, die, sei es als Zöglinge, sei es
Gutes über einen sagen (I, S. 9). Die richtige Erzie- freiwillig, unter ihrer Obhut stehen), die sprechen-
hung besteht also darin, daß man lernt, die Ver- den Namen der Figuren, die zum Teil Charakter-
nunft zu benutzen, um gut zu werden. eigenschaften benennen, die Figur der verständi-
Interessant ist die Berücksichtigung psycho- gen, bereits vorbildhaften Schülerin (Frl. Verstän-
logischer Vorgänge im Rahmen der Vernunfter- dig und Hannchen Frieden), schließlich das Prin-
ziehung. Man kann geradezu von einer Psycholo- zip der Vernunfterziehung und das spielerische,
gie des » Besserwerdens« sprechen, von einer vergnügliche Lernen, das der Vermittlungsform
Theorie der psychologischen Voraussetzungen des Buches selbst zugrunde liegt. Im Unterschied
für die Veränderung einmal erworbener Eigen- zur Hofmeisterinn kommt jedoch im Lehrreichen
schaften und Verhaltensweisen. Eine solche Ver- Magazin der Handlung zwischen der Hofmeiste-
änderung wird nicht als Ergebnis einer einmal ge- rin und den Mädchen bzw. den Mädchen unter-
wonnenen Einsicht gesehen, die sich problemlos einander sehr viel weniger Eigenständigkeit zu.
in Handeln umsetzen läßt, sondern als ein lang- Auch die Individualisierung der Figuren ist gerin-
wieriger und psychisch schmerzhafter Prozeß, ger, und eine Schilderung des Schauplatzes fehlt.
weil das Unrechttun bereits zu einer schlechten Von einem Kinderroman kann man deswegen bei
Gewohnheit geworden ist. So steht die Einsicht der Mme. de Beaumont im Gegensatz zur Hol-
von Frl. Charlotte, daß sie gerne gut sein möchte, meisterinn nicht sprechen. Im Unterschied zur
aber dennoch böse ist, erst am Anfang ihrer » Bes- Hofmeisterinn ist das Magazin for Kinder aller-
serung«, die sich in kleinen Schritten vollzieht, dings auch sehr viel umfangreicher, und zwar
wobei sie angeleitet wird von den Ratschlägen der nicht nur seitenmäßig (etwa 170 Seiten pro Band),
Hofmeisterin. Wichtigstes Mittel der » Besse- sondern auch in bezugauf das vermittelte Wissen.
rung« ist die ständige Reflexion des eigenen Tuns So wird nicht nur die biblische Geschichte be-
(durch tägliches Aufschreiben) und das Einge- handelt, sondern auch ein umfassendes Sachwis-
ständnis dieses Tuns nicht nur vor sich selbst, son- sen abgedeckt; beides findet sich in der Hofmei-
dern auch vor anderen. So liest die Hofmeisterin sterinn nicht. Wenn auch die Hofmeisterinn auf-
einmal - mit Einwilligung von Charlotte - deren grunddieser Beschränkung vom heutigen Stand-
Tagebuchnotizen vor, was diese zutiefst beschämt punkt aus kindgemäßer erscheint, so besteht doch
und die Verachtung ihrer Freundinnen be- die Leistung der Beaumont darin, daß es ihr ge-
fürchten läßt, die ihr aber - stellvertretend durch lingt, ihre hochgesetzten Intentionen - zu beleh-
Frl. Verständig- ihre Liebe erklären. Diese Szene ren und zu vergnügen, wobei zu der Belehrung
wird als entscheidender Wendepunkt dargestellt. auch verschiedene Sachgebiete gehören- auf eine
Beim nächsten Treffen erzählt Charlotte bereits, sehr ansprechende Weise miteinander zu vermit-
daß sie viel Böses in gewohnter Art begonnen ha- teln, so daß man (zumindest überwiegend) tat-
be, aber mitten im Tun plötzlich aufgehört habe, sächlich von einem vergnüglichen Lesen spre-
weil sie sich eines anderen besonnen habe (I, chen kann. Es muß auch berücksichtigt werden,
S.ll8). daß es sich bei dem Magazinfor Kinderum eines
der ersten unterhaltsamen Kinderbücher über-
Ebenso wichtig ist allerdings der von der haupt handelt.
Hofmeisterin immer wieder geäußerte Erzie-
hungsoptimismus, ihre Versicherung, daß der Die französische Erstausgabe erschien 1756 in
Mensch veränderbar sei, konkret: daß auch Char- London unter dem Titel: Magasin des enfans ou dialo-
gues entre une sage gouvemante et plusiers de ses eleves
lotte es schaffen werde, sich zu ändern. »Wir wer-
de Ia premiere distinction; dans /esquels on fait penser,
den alle zusammen mit Fehlern geboren. Die tu- par/er, agir /es jeunes gens suivant /e genie, /e tempera-
gendhaften Leute hatten eben so viele, da sie jung ment et /es inclinations de chacun.-On y represente /es
waren, als die bösen: die ersteren aber haben sich defauts de leur age et /'on y montre de quelle maniere
gebessert. Das ist der ganze Unterschied.« (I, on peut /es en corriger; on s'applique autant, d leur for-
S.l03) mer /e coeur qu'd leur eclairer /'esprit. On y donne un
abrege de /'histoire sacree, de Ia fable, de Ia geographie
Auffällig ist, wie stark (vor allem in den Mär- [ . .. }, le taut rempli de reflexions utiles et de contes mo-
chen) der Zusammenhang von Tugendhaftigkeit raux pour /es amuser agreablement et ecrit d'un stile
und Glückseligkeit bereits im diesseitigen Leben simple et proportionne a Ia tendresse de /eurs annees
betont wird: »Hätte die Schöne sich geweigert, (zit. nach Göhring, 1904, S. 8 f.).
für ihren Vater zu sterben: wäre sie gegen die arme Der Erfolg des Magasin des Enfans war immens,
505 de Gouvest, Schule des Edelmanns, 1759 506

die Wirkung auf die nachfolgende Kinder- und Jugend- F. Weiße schließlich schreibt: »Wie seltsam ist in die-
literatur groß. Vor allen anderen Werken der Beaumont sem Buche die Mischung von Feenmährchen, heiliger
genoß es die größte Popularität. Es war verbreitet in vie- und Profangeschichte; von halbwahren und schiefen
len europäischen Ländern und auch in Amerika. 1757, Klugheitsregeln und wissenschaftlichen Brocken (Wei-
nur ein Jahr nach Erscheinen der französischen Erstaus- ße, 1806, S.l82). Was Weiße jedoch auch anmerkt, ist
gabe, erschien eine englische Übersetzung. 1758 er- die Tatsache, daß das Leh"eiche Magazin »damals
schienen drei deutschsprachige Übersetzungen (von beynahe das einzige Buchdieser Art« war (ebd.). Ähnli-
verschiedenen Bearbeitern)- eine in Halle, eine in Leip- ches betont auch Göhring (1904, S.8f.): »In den Be-
zig und eine in Burgdorf in der Schweiz. 1772 erschien kenntnissen von schriftstellemden Schulmännem und
eine schwedische Übersetzung (mit der bereits 1757 be- schulmeistemden Schriftstellern, wie J.P. Miller, F.Ch.
gonnen worden war). Das Magasin wurde außerdem Weiße, Martini u. a. begegnet man immer wieder der
ins Russische übersetzt (1774), ins Italienische (keine stereotypen Phrase: in ihren Hofmeistertagen außerden
Jahresangabe), ins Griechische (1803) und ins Spani- Werken der Beaumont nichts Brauchbares vorgefunden
sche (1846) (Grey 1968, S.65f.; Angst 1947, S.lOl; zu haben«. Alle, so Göhring, hätten sie außerdem- von
Klingberg 1973, S. 37). Bis ins 20. Jahrhundert über- Miller bis Basedow- die Französin nachgeahmt. Auch
dauerte das Märchen La Belle et Ia Bete, das 1946 von Köberle stellt fest, daß kein anderes ausländisches Kin-
Cocteau verfilmt wurde (J. Cocteau: La Belle et Ia Bete. derbuch in Deutschland eine ähnliche Bedeutung er-
Journal d'un film avec quatre-vingt planches hors texte reicht habe wie die Schriften der Mme. de Beaumont.
en heliogravure, 1946) und das noch heute lebendig ist Eine etwas andere Gewichtung nimmt Hurrelmann
(vgl. Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Bd. 2, ( 197 4, S. 37) vor. Aus ganz entgegengesetzten Gründen
1977, S.346). als bei den Philanthropen wurden von den späteren Le-
Von den beiden Ausgaben, die in Deutschland er- sergenerationen die Werke der Beaumont kritisiert; sie
schienen - die der Analyse zugrunde liegende von fielen dem allgemeinen Verdikt, das über die Aufklä-
Schwabe und eine weitere mit einer Vorrede von F.E. rung gesprochen wurde, zum Opfer. So mokiert sich
Rambach (mit dem Titel: Der FrauMariale Prince de Paul Hazard ( 1952, S. 29-33) voller Ironie über den all-
Beaumont Lehren der Tugend und Weisheit for die Ju- zu vernünftigen und allzu belehrenden Ton des Maga-
gend)- war die von Schwabe nicht nur die gelungenere zins. Von diesem Urteil nimmt er nur die Märchen aus,
Bearbeitung, sondern auch die erfolgreichere: 1759 er- vor allem La Belle et Ia Bete, »eine schöne klare und
schien die 2. Auflage, 1761 die (vorliegende dritte, tiefgründige Geschichte«, in der die Beaumont nicht
1767 die fünfte und 1772 die sechste Auflage. Auch die nur ein Herz für Posie, sondern auch für Menschlichkeit
weiteren Werke der Beaumont wurden ins Deutsche zeige.-A. Angst(1947, S.101 f.) berücksichtigt in ihrem
übersetzt. Sarah Fiedlings The Govemess ( 17 49), die der Urteil stärker den historischen Kontext: In das Magazin
Beaumontals Vorbild gedient hatte, wurde in Deutsch- eingeflochten seien »für die damalige Zeit »vorzüglich
land erst durch den Erfolg des Magazins entdeckt und bearbeitete Biblische Historien, weniger gut gelungene
1761 auf deutsch herausgegeben (vgl. Vorrede des Her- Exkurse in Geographie, Naturkunde und andere Sach-
ausgebers in: S. Fiedling: Die Hofmeisterinn, 1761).- gebiete, und schließlich Märchen«. Die Märchen wer-
Aus der von den Zeitgenossen immer wieder hervorge- den von ihr als »unkünstlerisches Gemisch von wunder-
hobenen Tatsache, daß es zur Zeit des Erscheinens des baren Fügungen, Zaubereien und Banalitäten aus dem
Magazins noch keine vergleichbaren Kinderbücher Alltag einer vornehmen Gesellschaft« bezeichnet,
gab, sowie dem Erfolg des Buches läßt sich außerdem »aber [ ... ] bewegt von buntem Geschehen, das Kinder
schließen, daß es auch zur Unterrichtung von Knaben inAtemhaltenkann«. G.
benutzt wurde.
Die Beurteilung durch die Zeitgenossen teilt sich
in etwa in zwei Phasen. Die Pädagogen kurz nach der
Jahrhundertmitte spendeten dem Magazin begeistertes 1759
Lob. Charakteristisch für diese Haltung ist ein Brief
Gellerts (1760) an die 2ljährige Caroline Lucius: »Das Jean Henri Maubert de Gouvest
Magazin dieser vortrefflichen Frau ist, das ich Ihnen (I 721-1767):
schicke, und das Ihnen, ich weis es sicher, angenehm
seyn muß. Ich habe es zweymal durchgelesen, und wie Die Schule des Edelmanns oder Magazinfor
vielmal wird es meine gutherzige Correspondentin nicht junge Cavaliers. Nebst der Schilderung des
erst lesen und ihrer kleinen lieben Schwester (Fräulein rechtschaffenen und artigen Mannes (aus
Aufrichtig) vorlesen« (Briefwechsel Christian Fürchte- dem Französischen übersetzt von Wilhelm
gott Gellert's mit Demoiselle Lucius, Leipzig 1823, S.5.
Zit. n. Hurrelmann, 1974, S. 36). Ein ähnliches Lob fin-
Ehrenfried Neugebauer).
det sich auch noch später bei der La Roche ( Pomona, Berlin und Leipzig 1759
I. Jg. 1783, S. 151; zit. bei Köberle, 1972, S. 19). Der
Großteil der späteren Pädagogen (etwa seit 1770) sieht Die Standeslehre wendet sich an »junge Herren«
das Magazin jedoch nicht mehr als vorbildlich an. Kriti- sowie an deren Lehrer. Eine genauere Eingren-
siert wird das Gemisch von Lehrgesprächen über bibli- zung dieses Adressatenkreises nimmt Neugebau-
sche Geschichte, Naturgeschichte, Geographie und ge-
er nicht vor, wohingegen die französischen Origi-
sittetes Verhalten, vor allem jedoch die Aufnahme der
Feenmärchen. »Basedow übt im Methodenbuch schar- nale - der Übersetzer hat der im Titel genannten
fe Kritik« (3. Aufl. Dessau 1773, S. 150), »der A.D.B. Schrift noch zwei weitere, Des Herrn de Ja Che-
ist ihre Arbeitsweise zu flüchtig« (A.D.B., 1176, tardye Unterricht for einen jungen Herrn, oder
29. Bd., I. St., S. 303) (Hurrelmann, 1974, S. 36). Chr. Schilderung des rechtschafnen und artigen Man-
507 Moralisch belehrende Schriften 508

nes sowie Des Herrn von Saint-Evrement Moral- »Niederträchtigen« unterscheide. Der Edukand wird
sätze, nebst noch einigen anderen hierzu gehöri- gemahnt, nicht »unter den Müßiggängern des Hofes zu
gen Stücken, hinzugefügt- sich ausschließlich an figuriren« (S. 2), die als >>Unnütze« Hofleute heftig at-
ein aristokratisches Lesepublikum richteten. Zur tackiert werden. In ihnen erblickt der Ritter verach-
tungswürdige Menschen, die lediglich in der» Kunst zu
Veranlassung, die drei Schriften aus dem Franzö-
kriechen« bewandert seien und sich gegenseitig in der
sischen ins Deutsche zu übertragen, bemerkt »Nacheiferung für Kleinigkeiten« zu übertreffen such-
Neugebauer, daß ihm der Inhalt »sehr würdig ge- ten, und er stellt ihnen den »erleuchteten Kriegsmann«
schienen« habe und er ihn durch eine Überset- gegenüber, zu dem er auch seinen Zögling formen will.
zung »allgemeiner« habe machen wollen. Der Für den Ritter steht das Kriegsgewerbe« nicht nur des-
Nutzen sei »augenscheinlich«. wegen über allen anderen »Gewerben«, »weil es dasje-
Aus dem Vorbericht geht hervor, daß N euge- nige ist, welches nebst den größten Tugenden auch die
bauer Die Schule des Edelmanns als das Kern- größten Talente erfordert«; darüberhinaus ist das
stück seiner Arbeit betrachtet. Die »moralischen Kriegshandwerk für ihn fest in der »Vorsehung« be-
gründet. Diese Ansichten könne sich lediglich der »ge-
Stücke des Herrn de Ia Chetardye und von Saint
meine Pöbel« nicht zu eigen machen.
Evremont« habe er der Schrift Maubert de Gou-
vests »beygefügt, weil sie die Lehren der Lebens- Jedes der insgesamt zwölf Gespräche zwischen
dem Ritter und seinem Schüler wird eingeleitet durch ei-
art noch etwas weiter auf den Menschen und Hof-
nen Dialog der beiden Protagonisten, in dessen Verlauf
mann ausdähnen, als der Verfasser der Schule ge- Fragestellungen aufgeworfen werden, die anschließend
than, dessen Hauptzweck eigentlich der Held und am Beispiel einiger »Vergleichungen« (S.34) ihre Ant-
Kriegsmann ist« (Vorbericht). Auch wenn das Le- wort erhalten. Die »Vergleichungen« greifen dabei auf
sepublikum selbst zu einer genaueren Bewertung zumeist außereuropäische und fiktive Geschichten zu-
aller drei präsentierten Texte gelangen müsse, hält rück, die den Gegenstand des jeweiligen Gesprächs ver-
Neugebauer sein eigenes Urteil nicht zurück: in anschaulichen. So wird im ersten Gespräch »Von dem
Maubert de Gouvests Text sei »gar zu ungütig Heldenthum und dem Held« (S. 6-16) eine »tartan-
und zu strenge von der Dichtkunst« geurteilt, sehe Geschichte« präsentiert (S.l6-28), in der anhand
der zentralen Gestalten, Korern und Zendar, der Nach-
»und Herr de Ia Chetardye verdamme und er-
weis erfolgt, daß das Heldentum »die höchste Staffel
niedrige die Liebe zu Unrecht, wenn er sie blos der Vollkommenheit [sei], wozu ein Mensch gelangen
zum Gegenstand des schönen Denkens machen [könne]« (S. 7). Als wahrer Held erscheint dabei nicht
wil«. Im Gegenteil sei die Liebe eines »der wich- der draufgängerische Heerführer, sondern der besonne-
tigsten und erhabensten Geschäfte des Herzens«. ne und umsichtige, sich der Zustimmung seiner U nterta-
Auf eine genauere Argumentation läßt sich Neu- nen versichemde Feldherr. Im zweiten Gespräch wird
gebauer indessen nicht ein, da dies mehr Raum auf der Folie einer »indianischen Geschichte des Prin-
beanspruchen würde, »als in diesem Vorberichte zen Sulman« tugendhaftes und lasterhaftes Verhalten
ausgesetzt«. vorgeführt. Das Thema »Zuneigungen und Leiden-
schaften« handelt Maubert am Beispiel einer türki-
Die Schule des Edelmanns (S.l-247) enthält schen und persischen Erzählung »Üttomann und Al-
zwölf Gespräche zwischen dem Ritter von B. und des- werdi« ab (S. 51-60). Im siebenten Gespräch zum The-
sen namentlich nicht näher bezeichneten gräflichen Vet- ma» Von dem Eintritt in die Welt und der Liebe« greift
ter. Dem ersten Gespräch vorgeschaltet ist eine Zu- der Autor auf die »persische Geschichte von Mahmud
schrift des Ritters von B. an seinen künftigen Ge- und Idris« zurück. Lediglich das zwölfte und letzte Ge-
sprächspartner und Zögling, in der für den Leser auf spräch benutzt bei der Behandlung der Frage »Von der
knappem Raum die Motive, Absichten sowie die Erzie- Belohnung des Helden« (S.235-248) die französische
hungsziele skizziert werden. Demnach will der Ritter Geschichte» Der Vicomte von Turenne«. Die wahre Be-
von B., ein »alter Greis und Kriegsmann«, seinen lohnung eines heldenhaften Menschen besteht nach
Schützling als »ordentlicher Lehrmeister« in den Punk- Aussage dieser Beispielgeschichte nicht darin, daß die
ten unterrichten, welche mit dem »Gewerbe« des Rit- Nachwelt dem Helden Denkmäler setzt, sondern im
ters in Verbindung stehen. Zu allen anderen Wissenge- Fortleben in den Herzen des Volkes, dem »Siegel der
bieten müsse sich der junge Vetter andere Lehrer su- Unsterblichkeit« (S. 246).
chen. Aus der Zuschrift geht ferner hervor, daß der rit- Des Herrn de Ia Chetardye Unterricht for einen
terliche Lehrmeister und sein Zögling bereits seit länge- jungen Herrn, oder Schilderung des rechtschafnen und
rer Zeit zahlreiche Fragen diskutiert haben, die das artigen Mannes (S. 250-352) ist in zwei Teile unterglie-
Handwerk des Ritters betreffen. Diese spontane und dert, wobei Teil I (S. 250-299) 65 durchnummerierte,
unsystematische Unterrichtsmethode wird jedoch vom Teil 2 57 Abschnitte enthält. Der erste Teil ist darüber-
Rittervon B. verworfen, da in ihrweder »Ordnung noch hinaus nochmals dreigeteilt: während der Unterab-
Zusammenhang« herrsche (S. 2). Stattdessen soll dem schnitt I von den »wesentlichen Eigenschaften eines
Zögling nun in thematisch zuvor festgelegten Gesprä- ehrbaren Mannes« handelt (S. 253), werden in den bei-
chen- einem einheitlichen Plan folgend- die »Hand- den folgenden Kapiteln (»Erinnerungen den Hof be-
thierung« des Krieges, die sein künftiges »Gewerbe« treffend«, S. 278-293 und »Erinnerungen über die Art
sein werde, beigebracht werden. Zu diesem Beruf sei der und Weise zu schreiben«, S.293-299) konkrete Ver-
gräfliche Vetter durch Geburt und Stand bestimmt. Der haltensweisen und Kenntnisse vermittelt, was im zwei-
ruhmvolle Stand und die ihm durch Geburt zugefalle- ten Hauptteil fortgesetzt wird. Die Unterrichtungen
nen Titel seien jedoch ohne Wert, solange nicht eine sind für den jungen Hofmann gedacht, der zu einem
praktische Bewährung erfolge, die den Helden vom »Weltmann« geformt werden soll und dereinst an ei-
509 de Gouvest, Schule des Edelmanns, 1759 510

Der Hof erscheint als »Ort, wo die Gnadenbezeugun-


~if
gen ausgetheilt werden« (S. 278). Um in den Genuß die-
ser Gnadenbezeugungen, die als höchstes erreichbares
6cl)ule bctS ~bclmann~, Ziel ausgegeben werden, zu gelangen, werden Verhal-

a g a 3 t. n
o i> t r tensweisen propagiert, die von Unterwürfigkeit (S. 283)
bis zur Verstellung reichen: >>Das Beträchtlichste ist, sei-
ne Zeit in acht zu nehmen. Hierzu muß man für allen
fur Dingen das Gemüth seines Herrn ausstudiren. Wenn

junge [aualiers. man das nicht von Grund aus kennet, so ist es schwehr,
keine falschen Schritte zu machen [ . . .)« (S. 279). Ge-
ffirbfl ~ff fordert wird ferner eine beständige »Biegsamkeit« des
Geistes, was es ermögliche, sich allen plötzlichen und
€id)ilbcrnng br~ rrd)tfd)afftntn unb veränderten Situationen des Hofgeschehens anzupas-
arli!Jtn ~annel!.
sen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Im Umgang
Wu brnt ~ran&6Mcf.1rn. mit Ministern gilt als goldene Regel daß man »denen
[ ... )niemals wiederstreben muß« (S. 283). Ein eigenes
Kapitel ist dem Umgang mitden Hofdamen gewidmet:
»Sie sind gefährliche Freundinnen« (S. 285). Ihnen dür-
fe man keinesfalls Geheimnisse anvertrauen, ohne sein
Glück beim Fürsten zu verspielen, denn gemeinhin
plauderten sie ihnen vertraute Geheimnisse freimütig
aus.
Die »Erinnerungen über die Art und Weise zu
schreiben« (S. 293- 299) enthalten zum einen konkrete
Anweisungen zum Briefeschreiben, zum anderen einige
Bemerkungen über die Dichtkunst. Es werden fünf
»Gattungen der Briefe unterschieden: »Geschäftsbrie-
fe, Bekanntschaftsbriefe, artige oder witzige Briefe,
Q3trlin unb j?np&ig, 1759. Liebesbriefgen und Höflichkeitsbriefe« (S. 294). Aus-
~ !}o~nn ~cinri<\1 !Jtil~lgn, llrm junarm führlich werden Anweisungen zum Abfassen von
»Liebesbriefgen« erteilt; resümierend heißt es: »Es
muß ein gewisses ehrerbietiges und rührendes
Schmachten darinn herrschen, welches das Mitleiden
Maubert de Gouvest, Jean Henri: Die Schule des der Person anzieht, an die man schreibt« (S. 296).
Edelmanns, oder Magazin für junge Cavaliers. Die Dichtkunst wird als eine »noch andre Art zu
Nebst der Schilderung des rechtschaffenen und schreiben« (S.297) vorgestellt : nur wer sich als Genie
artigen Mannes. - Berlin und Leipzig 1759 (Nr. zum Dichter berufen fühle, dürfe diese Profession er-
561). Titelblatt mit Vignette wählen: »Es ist keine Nothwendigkeit, Verse zu ma-
chen, und es ist unklug gehandelt, sich damit abzuge-
nem Hofe in Fürstendienst treten wird. Zu den »wesent- ben, wenn man nicht dazu aufgelegt ist, wie man es seyn
lichen Eigenschaften«, die nach Chetardye ein ange- mus« (ebd.). Füreinen Mann von Stand sei es viel verta-
hender Hofmann sich anzueignen hat, zählen »Liebe ne Zeit, sich zum>> Versemacher aufzuwerfen«.
und Furcht« vor Gott, sodann die Ehre und ausgepräg- Im zweiten Hauptteil des Unterricht for einen jun-
ter Gerechtigkeitssinn. Vom Umgang mit Menschen, gen Herrn werden die Empfehlungen für ein standesge-
die diese Eigenschaften nicht besitzen, müsse sich der mäßes Verhalten am Hofe zu speziellen Themenkom-
Hofmann fernhalten. Weitere Tugenden, in denen er plexen fortgesetzt. Der Teil handelt von Ehe und Heirat
sich zu üben hat, sind: Kühnheit, Sanftmut und Recht- (S. 324ff.), vom Reisen (S. 342ff.), vom Spiel (S. 318 ff.)
schaffenheit. Spöttereien, ungerechtfertigtes Lustigma- und Krieg (S. 343 ff). Auch hier werden Verstellung und
chen und jede Art von Lasterhaftigkeit müsse sehr Einschmeichelung als durchaus erstrebenswertes Ver-
scharf bekämpft werden, wozu unter anderem Lügen- halten empfohlen: >>Die beste Art, euch in die Aemther
haftigkeit, Trunksucht und »Selbsthochmuth« gerech- einzuschmeicheln, ist, sie [d. Fürsten) auf die Seite her-
net werden. Da der Umgang und das Leben bei Hofe in um zu drehen, da sie euch am besten gefallen können«
den Diensten eines Fürsten eine heikle Sache sei, ver- (S. 303). Vom Krieg heißt es, daß er der » ruhmvollste
sieht Chetardye den jungen Hofmann mit Vorsichtsre- Weg (sei), der zum Glücke führen kann« (S. 343).
geln, die ihm ersparen sollen, in Ungnade zu fallen oder Des Herrn von Saint-Evremont Mora/sätze, nebst
gar aus den Diensten entlassen zu werden. Unter Hof- noch einigen anderen hierzu gehörigen S tücken bilden
leuten müsse das Gespräch »SO viel als möglich nur über den kürzesten Teil des vom Herausgeber und Überset-
gleichgültige Dinge geführt werden« (S. 268) und man zer zusammengestellten Werkes (S.353-392). Dieser
dürfe sich nur jene zu Freunden und Vertrauten wählen, abschließende Teil enthält in 105 Aphorismen »Maxi-
die noch fahig seien, »Geheimnisse zu behalten« ( ebd.). men oder Moralische Beobachtungen« (S.355 - 372),
Derlei Kenntnisse und unabdingbare Verhaltensregeln verschiedene » Moralsätze« (S. 373- 375), >>Maximen
bei Hofe könne man nicht aus »moralischen Büchern« zum Gebrauche des Lebens« (S. 376- 382), »Betrach-
und auch nicht von den » Weltweisen« herleiten. tungen über das, was man thun muß, um glücklich zu le-
In den »Erinnerungen den Hof betreffend« ben« (5.383-387), »Von der Logik oder Vemunftleh-
(S. 278-293) werden die »allgemeinen Grundregeln« re« (S. 388- 389) und »Von der Sittenlehre oder morali-
für ein richtiges Verhalten am Hofe weiter ausgeführt. schen Philosophie« (S. 390-392).
511 Moralisch belehrende Schriften 512

Auch bei Saint-Evremont erscheint der Hof als der 1761


soziale Ort, auf den sich alle persönlichen und gesell-
schaftlichen Bemühungen des angehenden Hofmannes Sarah Fielding (I 710-1768):
zu konzentrieren haben. Sämtliche anderen gesell-
schaftlichen Bereiche werden konsequent aus der Be-
Die Hofmeisterinn, oder die kleine
trachtung ausgeblendet: »In den Städten hingegen und Akademie for das Frauenzimmer, zum
Republiken, wo die Menschen ihre Geschäfte blos ar- Vergnügen und Unterrichte junger Personen
beitend verrichten, ist die Sorge zu gefallen ihre letzte, dieses Geschlechtesbey ihrer Erziehung. Aus
und das macht sie auch gröber« (S. 379). Die Maximen,
dem Engländischen.
Moralsätze, Aphorismen und Betrachtungen Evre-
monts sind ausnahmslos auf die höchstmögliche Verfei- Leipzig 1761
nerung der Kunst, am Hofe zu gefallen ausgerichtet.
Alle drei Schriften, die der Übersetzer und Laut Titel sollen mit der Schrift junge oder jünge-
Herausgeber Neugebauer in der Schule des Edel- re Mädchen angesprochen werden. Das Alter ist
mannes vereinigt hat, sind dem höfischen Ge- nicht näher festgelegt; es läßt sichjedoch anneh-
schmacks- und Verhaltensideal verpflichtet, wie men, daß an Mädchen gedacht war, die ungefähr
es die honnetete-Traktate des 17. Jahrhunderts das Alter der weiblichen Hauptfiguren haben, an
hervorgebracht hatten, ohne daß eine ständische Mädchen also von 8 bis 12 Jahren, allenfalls bis
Verlagerung oder ein Bedeutungswandel von hö- zum 14. Jahr. SosprichtdieAutorininderVorre-
fisch-aristokratischen Standards des 17. Jahr- de die Mädchen z. B. als »my young readers« und
hunderts hin zu bürgerlichen und aufgeklärten als »my little readers« an. Die Adressatengruppe
Wertnormen erkennbar ist. Im Zentrum der Be- liegt so unter der Altersstufe, an die sich die elterli-
trachtung steht nach wie vor die Propagierung des chen Räte wenden, auch wenn sie bis zu dieser
Ideals des honnete homme, des höfischen Welt- heranreicht. Neben den Mädchen werden vom
mannes. Als der soziale Ort ist ihm der Hof zuge- deutschen Herausgeber auch deren Eltern ange-
wiesen und als seine vorzüglichsten Mittel, eben sprochen, die, wie er schreibt, von dem Buch nütz-
dort zu gefallen, gelten Scharfblick und Men- liche Hinweise für die Erziehung ihrer Kinder er-
schenkenntnis, die er sich vorzüglich auf ausge- halten. Aus dem Inhalt und dem Stand der Figu-
dehnten Reisen aneignen soll. Ziel dieser An- ren läßt sich schließen, daß der angesprochene Le-
strengung ist freilich nicht ein möglichst hohes serkreis im gehobenen Bürgertum und im niedri-
Maß an Selbsterkenntnis; wichtig ist ihm nicht gen Adel (der englischen gentry) anzusiedeln ist.
die Selbstbeurteilung, sondern das Studium der Der deutsche Herausgeber sieht die Haupt-
Akteure und der Moden am Hofe. Welt- und absicht der Schrift darin, »daß man sich bemühe,
Menschenkenntnis sollen die Bemühungen er- eine frühzeitige Neigung zur Wohlgewogenheit
leichtern, eine intime Kenntnis der höfischen und Gütigkeit, und eine Liebe zur Tugend in den
Welt zu erlangen, die als erste Voraussetzung für Gemüthern junger Frauenspersonen, zu erwek-
einen raschen Erfolg am Hofe erscheint. Gefor- ken und zu unterhalten«. Die Verfasserin wolle
dert werden Servilität, möglichst vollständige An- zeigen, daß es darauf ankommt, diese Eigenschaf-
eigung höfischer Attitüden und Assimilation an ten »sorgfältig bey sich [zu] hegen, [zu] verbes-
die höfische Wertordnung. Als der sicherste Weg, sern, mit sich aufwachsen [zu] lassen, und also ei-
in der Welt am Hofe vorwärts zu kommen, wird ne Fertigkeit darinnen [zu] bekommen und sie
die Kunst der Verstellung, der Schmeichelei und ganz zur Gewohnheit [zu] machen; daß sie alle
Unterwürfigkeit propagiert. Als unentbehrliches raube, heftige und ungestüme Leidenschaften in
Rüstzeug werden dem angehenden Weltmann engen Schranken halten [ ... ]«(Vorbericht).- Als
Verhaltensregeln empfohlen, die von modischer Anlaß für die Herausgabe der Hofmeisterinn
Konversation, wortreichen Komplimenten, Pfle- nennt er den Wunsch vieler Leser, noch mehr
ge eines gefälligen Äußeren bis zu prachtvollen Werke von der Art des Magazinsfiir Kinderund
und effektiven Schaustellungen reichen. Auch die des Magazins fiir junge Leute der LePrince de Be-
Themenwahl seiner Gespräche am Hofe wird vor- aumont kennenzulernen, nämlich » Mährehen
gegeben; in der Gesellschaft von Frauen soll gar und Erzählungen«, die als »lehrreiche Erdichtun-
von nichts als Bagatellen geredet werden. Unge- gen« »zum Besten der Jugend« dienen. Der erzie-
brochen steht so die Schule des Edelmanns in der herische Wert dieser Geschichten werde von die-
Tradition höfischer Konvention und kann als sen Lesern unter Berufung auf Seneca darin gese-
Apologie höfischen Lebenstils aufgefaßt werden. hen, daß »der Weg zur Tugend durch Beyspiele«
K. kürzer sei »als durch Regeln und Vorschriften«.
Von der Wirkung auf die Kinder her gesehen sei
es gleich, ob es sich um historische Geschichten
mit realen Personen oder »Mährchen« mit er-
dichteten Figuren handele. Der Herausgeber ent-
hält sich jedoch selbst ausdrücklich einer eigenen
Stellungnahme zu diesem Thema.
513 Fielding, Die Hofmeisterinn, 1761 514

Die englische Verfasserin bestimmt in ihrer Erst Hannchen Frieden gelingt es, durch ihr sanftes, ein-
Vorrede die Absicht der Schrift dahingehend, daß dringliches Zureden die Mädchen wieder miteinander
darin den Leserinnen bewiesen werden soll, »daß zu versöhnen und statt »Zorn, Zank und Streit und [ ... ]
Stolz, Halsstarrigkeit, Haß Neid, und kurz, alle Boshaftigkeit« »Liebe und Güte« unter ihnen zu ver-
breiten (S. 20). In dieser neuen Atmosphäre von Liebe
Arten von Bosheit, die größte Thorheit sind, die
und Freundschaft verleben sie die folgenden neun Tage.
wir besitzen können«, und daß »Liebe und Ge- Sie versammeln sich unter der Führung von Hannchen
wogenheit gegen einander« »die Glückseligkei- Frieden nach den Schulstunden in einer Laube im Gar-
ten aller Gesellschaften« ausmachen. Freilich sol- ten und erzählen sich gegenseitig ihre Lebensgeschich-
len Liebe und Gewogenheit nicht so verstanden te, in der sie voller Einsicht ihre bisherigen Fehler sehen
werden, daß man dadurch zu einer Freundschaft und eingestehen. Von jedem der neun Mädchen wird
mit Menschen verleitet wird, die dieser nicht wert dabei, bevor sie ihre Geschichte erzählt, eine Beschrei-
sind. Als Prüfstein für wahre Freundschaft könne bung gegeben.
dabei gelten, ob man durch den anderen jemals Zum Zeitvertreib und zur Besserung der Moral
zur Vernachlässigung seiner Pflichten überredet werden außerdem mehrere Geschichten vorgelesen
oder darin entschuldigt werde. oder erzählt, die, wenn sie länger sind auf verschiedene
Erzählphasen verteilt werden: die Geschichte vom Rie-
In der Vorrede versucht die Verfasserio au-
sen Barbarico, der besessen ist von der Lust, andere
ßerdem, ihren jungen Leserinnen darzulegen, was Menschen zu quälen, am Ende aber überwältigt und ge-
richtiges und falsches Lesen ist. Zum richtigen Le- tötet wird (S.41-57, 58-71); die Geschichte von Cälia
sen gehöre zunächst die Bereitschaft, sich beleh- und Chloe, eine moralische Erzählung, in der eine der
ren zu lassen, und nicht der überhebliche Glaube, beiden Freundinnen, um die Liebe eines Mannes zu ge-
man habe das nicht nötig, weil man schon alles winnen, von der anderen Schlechtes erzählt und vor
wisse. Eine übertriebene Demut sei jedoch auch Gram und Reue darüber todkrank wird, bis es am Ende
falsch; man gestehe zwar ein, daß man nichts wis- zu einerversöhnenden Aussprache kommt (S. 90- I 06);
se und nichts verstehe, finde sich aber voller Träg- die Abschreckgeschichte von einer Frau, die sich ihr
ganzes Leben lang im Neid gegenüber ihren Schwestern
heit mit seiner Unwissenheit ab. Falsch sei es
verzehrt (S.111-114); die Geschichte von dem Raritä-
schließlich, Bücher nur deswegen zu lesen, damit tenkasten, eine Kindheitserinnerung von Hannchen
man sagen könne, man habe sie gelesen, statt aus Frieden (S.I25-127); das »Feyenmärchen« von der
ihnen etwas lernen zu wollen; das Ergebnis sei ein Prinzessin Hebe, in dem die Prinzessin durch die Ränke
wirrer Kopf, vollgekramt wie ein unaufgeräumtes einer bösen Fee zum Ungehorsam ihrer Mutter gegen-
Haus oder Zimmer, in dem man nichts mehr fin- über verleitet, durch eine gute Fee aber wieder auf den
det. Der wahre Nutzen der Bücher bestehe viel- rechten Pfad zurückgeführt wird (S.I26-138,
mehr darin, den Menschen »weiser und besser zu S. 138-155, S. 157-176, S. 178-183); der Inhalt einer
machen«; wenn man das eingesehen habe, werde Komödie mit dem Titel »Das Leichenbegängniß, oder
die Trauer nach der Mode« (S.206-210); die Ge-
man aus ihnen sowohl» Vortheil« wie auch» Ver-
schichte von Lord X. und seiner Frau, die auf einem be-
gnügen« ziehen. nachbarten Schloß wohnen (S. 236 f.); schließlich die
Die Hofmeisterinn handelt von einer Erzieherin, Fabel von der »Versammlung der Vögel«, in der die
Frau Lehrmannin (eng!.: Mrs. Teachum), die neun Taube vor allen anderen Vögeln von dem Adler zu dem
Mädchen als Zöglinge bei sich aufgenommen hat, glückseligsten Geschöpf erklärt wird. Zwei Geschichten
Hannchen Frieden, Suschen Zelter, Dorchen Gutherz, finden sich bereits in der Vorrede der Verfasserin: die
Lucia Schlau, Martha Zuschloß, Aennchen Schönputz, Fabel von der Elster und dem Nestbau und die Beispiel-
Lieschen Furth, Jettehen Verdrüßlich und Miekchen geschichte von zwei Mädchen, die ihr Zimmer nicht auf-
Säugling. Hannchen Frieden ist 14 Jahre, die übrigen räumen und deswegen ihre Sachen nicht mehr finden.
Mädchen sind 8 bis 12 Jahre alt. Nach einer Einleitung, Außer den Geschichten sind indie Handlung be-
in der die Lebensgeschichte der Frau Lehrmannin er- lehrende Unterhaltungen integriert. Einen wichtigen
zählt wird, beginnt die eigentliche Geschichte, die sich Stellenwert nehmen dabei die Gespräche über die vor-
auf etwa zwei Wochen erstreckt. Dabei werden die neun gelesenen oder erzählten Geschichten ein. So unterhält
letzten Tage mit Angabe der Wochentage durchgezählt sich die Hofmeisterin mit Hannchen anläßlich der Ge-
und jeweils zu einer Hauptüberschrift gemacht. schichte vom Riesen Barbarico darüber, wie eine solche
Am Anfang der Geschichte steht ein heftiger Streit Geschichte zu lesen sei- nämlich nicht zum bloßen Zeit-
um einen Apfel: Nachdem die Hofmeisterin den Mäd- vertreib, sondern im Hinblick auf die darin enthaltene
chen ein Körbchen mit Äpfeln gebracht hat, die von »Sittenlehre« (S. 72). Außerdem dürfe man das darin
Hannchen Frieden zu gleichen Teilen unter die Mäd- dargestellte Übernatürliche und Wunderbare nicht
chen verteilt werden sollen, entbrennt ein erbitterter wörtlich nehmen, sondern nur bildlich verstehen (S. 72).
Streit um den größten Apfel, auf den jedes der acht jün- Ein anderes Beispiel: Die Hofmeisterin fordert eines
geren Mädchen unnachgiebig seinen Anspruch anmel- der Mädchen auf, eine Komödie nachzuerzählen, die
det. Versöhnungsversuche von Hannchen Frieden nüt- gerade gelesen wurde, und belehrt sie anschließend
zen nichts; die Mädchen streiten sich so heftig, daß sie über die in der Komödie enthaltene Sittenlehre und
handgreiflich werden, sich die Haare ausreißen, die über den Umgang mit Komödien überhaupt
Kleider vom Leibe zerren und die Hauben herunterrei- (S.210-217).
ßen. Das Erscheinen der Hofmeisterin beendet zwar Da Handlung, Gespräche und Geschichten in den
den Streit; die Mädchen hegen aber weiterhin Groll und Freistunden der Mädchen stattfinden, erfährt man
Haß füreinander, weil jede der anderen die Schuld gibt. von dem Stundenplan, der dem vor- und nachmittägli-
515 Moralisch belehrende Schriften 516

chen Unterricht zugrunde liegt, nur wenig. Es heißt le- gegenüber den Gesprächen und Erzählungen zu-
diglich, daß die Mädchen im »Lesen, Schreiben, Arbei- rücktritt, einen eigenständigen Charakter.
ten und allen gehörigen Frauenzimmerverrichtungen« Daß die Handlung mehr ist als bloßer Rah-
unterwiesen werden (S. I). An einer Stelle ist von einem
men für die einzelnen Geschichten und Gesprä-
Tanzmeister die Rede (S. 177) an einer anderen davon,
daß die Mädchen für einige Pflanzen und Blumen im che, liegt im wesentlichen daran, daß die verschie-
Garten Sorge tragen (S. 226). Außerdem wird Wert ge- denen Ebenen strukturell miteinander verbunden
legt auf die Sauberkeit der Mädchen und ihrer Kleidung werden. So sind die Gespräche nicht nur in einer
und »eine vollkommene Artigkeit in ihrem ganzen Be- bestimmten, räumlich und zeitlich konkretisier-
tragen« (S. 2). Alle Stunden werden von der Hofmeiste- ten Situation angesiedelt, sondern auch zwischen
rin selbst erteilt, außer den Tanz- und den Schreibstun- Figuren, deren Konzeption - trotz der Typisie-
den, die von auswärts wohnenden Lehrern gegeben rung auf eine kennzeichnende Eigenschaft hin -
werden. Morgens und abends findet jeweils ein gemein- bereits Ansätze einer Individualisierung und Psy-
sames Gebet statt, undsonntagsgehen die Schülerinnen
chologisierung zeigt. Als Mittel dazu dient die ge-
zusammen mit der Hofmeisterin zweimal in die Kirche.
Das Werk kennt verschiedene Erzählebenen: naue Beschreibung der Figuren und vor allem die
I. Darstellung der Handlung zwischen der Hofmeiste- von ihnen erzählte Lebens- bzw- Kindheitsge-
rin und den Schülerinnen bzw. zwischen den Schülerin- schichte, in denen sie ihre frühe Erziehung be-
nen aus auktorialer Sicht mit weiten Strecken persona- schreiben und herauszufinden suchen, aufgrund
len Erzählens; 2. Beschreibung der Schülerinnen aus welcher Erziehungspraktiken und aufgrund wel-
der Sicht des Erzählers, vom übrigen Text durch Über- cher Konstellationen in Familie und sozialem
schrift abgesetzt; 3. belehrende Gespräche zwischen Umfeld (z. B. Geschwisterrivalität oder sozial tie-
den handelnden Figuren; 4. die Lebensgeschichten der ferstehende Spielkameradinnen) sie ihre Schwä-
Schülerinnen, von ihnen selbst in Ichform erzählt;
chen und Fehler erworben haben. Diese individu-
5. sonstige eingelegte Erzählungen. Um aufzuzeigen,
wie diese Erzählebenen ineinandergreifen, sei ein Über- ellen Züge ebenso wie kindliche Eigenarten über-
blick über den Aufbau der ersten 80 Seiten gegeben: Er- haupt fließen wiederum in die Handlung und in
zählung der Lebensgeschichte der Frau Lehrmannin die Gespräche ein. Als Hannchen Frieden z. B.
(durch den auktorialen Erzähler) (S.I-4); Apfelstreit- ein Feenmärchen vorlesen will, meint Miekchen
szene (S. 5- II); Gespräch Hannchens mit Suschen Zel- Säugling, die seit jeher in der Schule das jüngste
ter, Monolog Suschens, in dem sie ihr Unrecht einsieht, Mädchen war und deswegen Angst hatte, von den
Versöhnung mir Hannchen und Versöhnung aller Mäd- anderen nicht akzeptiert zu werden, daß solche
chen (S.ll-20); Versammlung der Mädchen in der Geschichten doch nur etwas für kleine Kinder
Gartenlaube (zwei längere Reden von Hannchen Frie-
seien (S.l25). Später möchte auch sie gerne ihre
den, Schilderung des friedlichen Zusammenseins)
(S. 20- 25); Beschreibung von Hannchen Frieden Lebensgeschichte erzählen, will aber - und gibt
(S.26-28); ihre Lebensgeschichte (S.28-39); Auf- dies indirekt zu verstehen - von den anderen
bruch aus der Laube zum Abendbrot, Unterhaltung zwi- Mädchen eigens dazu aufgefordert werden
schen Hannchen und der Hofmeisterin über die Versöh- (S. 222). Hinzu kommt, daß die Gespräche entwe-
nung der Mädchen (S.39-41); Zusammentreffen der der an die Erzählungen angebunden sind oder auf
Schülerinnen am »Montag«, dem »ersten Tag nach ih- die Handlung bezogen bleiben bzw. selbst Hand-
rer Reue«, und Vorlesen der Geschichte vom Riesen lung darstellen; damit werden moralische Er-
Barbarico durch Hannchen Frieden (S.41-47); Unter- kenntnise nicht allgemein abgehandelt, sondern
brechung des Lesens (S. 57 f.); 2. Teil der Geschichte
aus der Situation entwickelt. Die Forderung, daß
(S. 58-71); Gesprächzwischen Hannchen Frieden und
der Hofmeisterin über die Sittenlehre der Geschichte man seinen Kummer beherrschen lernen müsse,
und Ende des Tages (S. 74-79). ist z. B. eingebettet in die Schlußszene, in der die
Mädchen über den bevorstehenden Abschied
Der Gattungscharakter des vorliegenden Hannchens außer sich sind vor Betrübnis. Auch
Werks ist aufgrund der Verbindung verschiede- die Lebensgeschichten der Mädchen werden
ner Erzählebenen schwer zu bestimmen. Man meist bei einem konkreten Anlaß erzählt. Han-
kann das Buch mit ebenso viel Recht den lehrrei- delnde Rede, die im übrigen psychologisch sehr
chen Unterredungen wie auch dem Kinderroman einfühlsam ist, ist z. B. das Gespräch, in dem
(im Sinne einer längeren Kindererzählung) zu- Hannchen Frieden Suschen Zelter von ihrem Un-
ordnen. Bereits die Einleitung und die Schilde- recht überzeugen will, diese sich aber lange Zeit
rung der ersten Szene sind der typische Anfang ei- hartnäckig dagegen wehrt und nur nach Überwin-
ner Erzählung: ))In den nordliehen Theilen von dung großer innerer Widerstände zur Einsicht in
England lebete eine ehrbare Frau, welche die Er- ihr Unrecht gelangt.
ziehung junger Fräulein übernahm [ ... ] Es ge- Das Verhältnis der Hofmeisterin zu den
schah an einem schönen Sommerabende, da die Schülerinnen zeichnet sich aus durch Freundlich-
Schreibstunden zu Ende waren und den jungen keit, Vertrauen, Großzügigkeit, Toleranz, Geduld
Fräulein vergönnet wurde, sich nach ihrem eige- und Einfühlungsvermögen. Sie wirkt mehr durch
nen Belieben, eine Zeitlang in einem angenehmen Überzeugung und Appell an die Vernunft als
Garten zu belustigen [ ... ]« (S. l und S. 5). Auch durch Befehle. Der Freiraum, den sie ihren Zög-
später behält die Handlung, obwohl sie insgesamt lingen läßt, ist erstaunlich groß. So dürfen die
517 Fielding, Die Hofmeisterinn, 1761 518

i)ie ~ofmeiffertnn;
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baß ~cauen&ititinec,
aum ~ergnitgen unb UntcCl'icf)tC
. jungtr !prrf~ntn bitfe6 <.Drfd}lrd)tes
6 el) i ~ re r Q: q i e~ u ng.
\l!uß betn 'fnglanilifdjen.

{!cip3ifl,
in btr \l!Jtibmannifd,lrn .f)anblung, 1761,

Fielding, Sarah: Die Hofmeisterinn; oder die kleine Akademie fiir das Frauenzimmer. Leipzig 1761 (Nr.
290). Titelblatt mit Frontispiz von G. L. Crusius

Mädchen ihre Freistunden unbeaufsichtig ver- Leitung und fordert sie auf, ihr über die Zusam-
bringen und einmal sogar alleine einen Ausflug menkünfte Nachricht zu geben. Hannchen wie-
machen. Als sie erfährt, daß sich die Mädchen ge- derum verspricht, »sich in allen Dingen von der
genseitig ihre Lebensgeschichten erzählen, würde Frau Lehrmann in führen zu lassen« (S. 41 ). So ist
sie gerne bei den Unterredungen in der Laube da- die Hofmeisterin zwar bei den Laubengesprächen
beisein, verzichtet aber darauf, um die Mädchen nicht dabei; Hannchen schreibt jedoch auf ihr
durch ihre Anwesenheit nicht einzuschüchtern. Geheiß die Lebensgeschichten der Schülerinnen
Ein wesentlicherTeil der lehrreichen Unterredun- auf, um sie ihr am Ende gesammelt zu übergeben.
gen findet schließlich nicht zwischen ihr und den Freundlichkeit und Großzügigkeit der Hof-
Schülerinnen, sondern zwischen Hannchen und meisterin verbinden sich mit Strenge, der Forde-
den Mitschülerinnen statt. rung unbedingten Gehorsams und -im Falle des
Damit ist zugleich eine der wesentlichen Ungehorsams - mit strenger Bestrafung (vgl.
Voraussetzungen für die pädagogische Zurück- S. 10). Insgesamt läßt sich sagen, daß ihr Umgang
haltung der Hofmeisterin genannt: die Übertra- mit den Kindem wie überhaupt in dem Buch ver-
gung nämlich von erzieherischen Funktionen auf mittelten (bzw. verwirklichten) pädagogischen
eine ältere Schülerin, die durch ihr Vorbild positiv Leitvorstellungen stark von Lockes Gedanken
auf die jüngeren Mädchen einwirkt und als Mitt- über Erziehung (1693) und von Fenelons Mäd-
lerfigur zwischen den Schülerinnen und der Hof- chenerziehung ( 1687; 1. eng!. Ausg. 1707) be-
meisterin fungiert. Diese Übertragung von Ver- stimmt sind. Von zentraler Bedeutung ist dabei
antwortlichkeit (ein Vorläufer des englischen die Vorstellung von den Kindem als potentiell
Schulpräfektensystems) wird zu Beginn explizit vernünftigen Wesen, mit denen man schon früh-
angesprochen : Hannchen Frieden berichtet der zeitig vernünftig sprechen soll, die Berücksichti-
Hofmeisterin von ihrem Vorschlag, die Schülerin- gung der kindlichen Psyche und die Forderung
nen sollten sich in den Freistunden in der Laube absoluten Gehorsams. Das vernünftige Gespräch
versammeln und sich Geschichten erzählen. Die mit Kindern, die gleichwohl noch nicht die Ver-
Hofmeisterin billigt diesen Plan, überträgt ihr die nunft eines Erwachsenen haben, wird im Sinne
519 Moralisch belehrende Schriften 520

Lackes folgendermaßen beschrieben: »Ich gehe wie bei Locke als Unerschütterlichkeit verstanden
so mit dir um, meine Tochter, als ob du vermö- wird: Zugesprochen wird diese Tugend der Hof-
gend wärest, dasjenige zu erwägen, was zu dei- meisterin, die innerhalb kurzer Zeit Mann und
nem Besten dienet« (S. 36). Die Berücksichtigung Kinder und ihr gesamtes Vermögen verliert und
der kindlichen Eigenart zeigt sich bereits in der dennoch nicht verzweifelt, sondern beschließt, ei-
Gesamtstruktur des Buches, in der Verbindung ne Erziehungsanstalt aufzumachen (S. 3).
verschiedener Erzählebenen zu einem abwechs- Großer Wert wird ferner auf soziale Tugen-
lungsreichen, in gut überschaubare Einzelstücke den gelegt. Dem negativen Verhalten am Anfang,
gegliederten Ganzen. Die zahlreichen Gespräche dem Streit um den Apfel, wird positiv die spätere
der Figuren, die eingelegten Geschichten, ihre Versöhnung der Mädchen gegenübergestellt, mit
Verteilung auf verschiedene Erzählphasen (um der zugleich die Einsicht in die eigenen Fehler
die Spannung zu erhöhen), das ausführliche Spre- und der Wille, sich zu ändern, verbunden ist. Im-
chen über das Gelesene-all das stimmt mit For- mer wieder wird betont, wie wichtig Wohlwollen,
derungen Fenelons bzw. Lockes überein, die dem Güte und Zuneigung für den Umgang miteinan-
Kinde auf diese Weise ein vergnügliches Lernen der sind, und noch im »Beschluß« auf den Frie-
ermöglichen wollen (vgl. Fenelon, 1886, Kap. 6; den, die Eintracht und die Liebe hingewiesen, die
Locke, 1970, § 156). Während Locke nur Äspos inskünftig unter den Mädchen herrschen. Gerade
Fabeln und Reineke Fuchs empfiehlt, geht vor dem Hintergrund der Wertschätzung sozialen
S. Fielding dabei so weit, daß sie (möglicherweise Verhaltens ist Warnung vor falseher Freundschaft
in Anlehnung an Fenelon, der seiner Fabelsamm- zu sehen, die Warnung nämlich, daß man sich
lung auch Märchen wie das vom Ringe des Gyges nicht aus Liebe zum Verstoß gegen die eigenen
anfügt) sogaretwas >bedenklichere< Märchen wie Pflichten verleiten lassen dürfe.
das vom Riesen Barbarico aufnimmt, das von den Im Sinne Lockes wird auch auf die körperli-
Kindern zunächst einmal überhaupt nicht im Sin- che Ertüchtigung der Mädchen Wert gelegt. So
ne der intendierten Sittenlehre aufgenommen achtet die Hofmeisterin darauf, daß die Mädchen
wird. Die Berücksichtigung kindlicher Eigenar- sich durch einen Spaziergang Bewegung ver-
ten zeigt sich ferner in der Konzeption der Figu- schaffen (wonach sie, wie es heißt, gut und tief
ren, in die durchaus kindliche Züge mit eingegan- schlafen können), und sie möchte, daß sie in ihren
gen sind (vor allem in den Kindheitsgeschichten Freistunden nicht nur in der Laube sitzen, son-
der Mädchen) wie auch in der psychologisch ein- dern auch Zeit für Leibesübungen erübrigen
fühlsamen Art, in der Hannchen oder die Hof- (S.225).
meisterin mit den Mädchen umgehen. Liebe und Ehe werden - offensichtlich we-
Während die Gehorsamsforderung den gen des Alters der Mädchen- nur hier und da ab-
Rahmen absteckt, innerhalb dessen sich die Ver- gehandelt. Am ausführlichsten ist das der Fall in
nünftigkeit der Mädchen allererst entfalten kann, der Fabel von der Versammlung der Vögel, die si-
zeigt sich vernünftiges Handeln selbst in der Be- cherlich nicht zufällig am Schluß des Buches steht
herrschung der Leidenschaften durch die Ver- - nämlich kurz bevor der Brief eintrifft, der das
nunft bzw. der Vorrangstellung der Pflichten ge- bereits vierzehnjährige Hannchen zu ihren Ver-
genüber den Leidenschaften - eine Forderung, wandten zurückruft. Die Taube, die vom Adler
die innerhalb des Buches in immer neuen Situa- den ersten Preis zugesprochen bekommt, ist ein
tionen dargestellt wird. Beherrschung der Leiden- Muster weiblicher Tugend aufgrund ihrer zärtli-
schaften bezieht sich dabei auch auf Gefühle, die chen Gatten- und Kindesliebe (wobei trotz gegen-
durchaus positiv sind, letztlich aber zum Verstoß seitiger Zärtlichkeit die Unterordnung der Frau
gegenüber Pflichten führen- so die große Trauer unter den Mann selbstverständliche Norm
Hannchens über den Tod einer geliebten Katze bleibt); in ihrer Empfindsamkeit und Tugend-
(S. 34-38), oder die Trauer der Mädchen über haftigkeit erinnert sie an die »delicacy« von Ri-
den Weggang Hannchens. Hannchen, die bereits chardsons Clarissa. Die Moral, die die Hofmei-
früh von ihrer Mutter gelehrt worden ist, daß man sterin aus der Geschichte zieht, lautet: »Unschuld
sich nicht von jedem »Zufall« beunruhigen las- des Gemüthes und Aufrichtigkeit des Herzens«
sen dürfe, weil man ansonsten unfähig werde »zu schmücken »den weiblichen Charakter« ; nur so
allen den gesellschaftlichen Pflichten des Le- wird die Frau »ihre eigene Glückseligkeit hervor
bens« (S. 36), ist auch hierin Vorbild für die ande- bringen und über alle rund um sie herum ausbrei-
ren Schülerinnen. Sie hat es gelernt, alle Traurig- ten« (S. 246). Zu diesen spezifisch weiblichen Tu-
keit aus ihrem Herzen auszurotten, wenn sie fin- genden, die hier bezeichnenderweise am Beispiel
det, »es wäre nöthig« (S. 37), und sie hat es sich der Taube dargestellt werden, tritt außerdem
zum Grundsatz gemacht, »mit ihren Freunden al- noch die Sanftmut (vgl. S. 253)- eine Tugend, die
le ihre Vergnügungen zu theilen; und ihr Leid, so in Lackes Gedanken über Erziehung fehlt.
viel als möglich, in ihrem eigenen Busen zu ver- Die erste englische Ausgabe der Hofmeisterinn er-
schließen« (S. 251 ). Mit der Tugend der Selbstbe- schien 1749 bei Miliar in London unter dem Titel: The
herrschung verknüpft ist die der Tapferkeit, die Govemess; or, little female academy. Being the history
521 Bibliothek für Jünglinge, 1763 522

of Mrs. Teachum, and her nine gir/s. With their nine gereichen könnte« (Vorrede). Er möchte Zufällen
days amusement. Calculated for the entertainment and und Versuchungen entgegenwirken, »die uns von
instruction ofyoung ladies in their education. By the au- der Sittlichkeit abtrünnig, und uns einen neuen
thor of David Simple. Das Buch war sehr erfolgreich.
nochmaligen Unterricht, einen neuen Anführer
Noch im gleichen Jahr erschien eine zweite (und billige-
re) Ausgabe, 17 51 bereits die dritte und 17 58 die vierte
nöthig machen. Die Aussichten des Vergnügens,
Ausgabe. Auch in Irland wurde es häufig aufgelegt die Ungleichheit der Gemüthsart, verwikkeln uns
(I. Auflage 17 52). In Nordamerika erschienen Ausga- in tausend Unbequemlichkeiten, gegen die wir
ben 1786 und 1791; außerdem wurde bereits 1768 die durch Klugheit, Vernunft oder Erfahrung nicht
Geschichte vom Riesen Barbarico als Einzelschrift pu- genug gewaffnet sind.« (ebd.) Er habe sich be-
bliziert. Die deutsche Ausgabe von 1761 wurde zur müht, seine Lehren zugleich »nutzbar und ange-
Grundlage der schwedischen Übersetzung ( 1790). 1802 nehm« zu machen: »so bin auch ich bemüht ge-
erschien in Leipzig eine englischsprachige Ausgabe. In wesen, gegen die Zärtlichkeit unsrer Zeiten gefäl-
England wurde das Buch- als Teil des umfangreicheren
lig zu seyn, das Strenge der Pflicht und Zucht zu
Geschichtenbuches A Storehause of Stories- bis 1903
neu aufgelegt. Zeitgenössische Dokumente bezeugen
mildem, und meine Sätze in einen Vortrag zu
die große Beliebtheit der Hofmeisterinn bei Kindem bis bringen, der sie schmackhaft machen kann. Da-
weit ins 19. Jahrhundert hinein. Der Name Mrs. Tea- mit ich um soviel weniger gebietrisch und lehr-
chum wurde zu einer stehenden Bezeichnung für >Leh- meisterlich verfahren möchte, habe ich Sorge ge-
rerin< (Grey 1968, S. 62 ff.). - Ein Faksimiledruck der tragen, mehr zu empfehlen als vorzuschreiben,
Erstausgabe wurde 1968 in London von Gill E. Grey mehr zu rathen als zu nöthigen. « (ebd.) In seinem
herausgegeben. Dort findet sich auch eine Bibliogra- Vorbericht weist der Übersetzer darauf hin, daß
phie der verschiedenen Ausgaben und eine Auflistung das Werk nicht nur gelesen, sondern seine Lehren
von (fast ausschließlich englischen) Kinderbüchern, die
auch zur Anwendung gebracht werden sollten:
in der Nachfolge der Hofmeisterinn stehen.
Entscheidend beeinflußt von Sarah Fielding wur-
» Freylich ist das letztere selten der Gebrauch, den
de LePrince de Beaumont, die sich mit ihren Werken, man davon macht. Man läßt es immer gern bey
insbesonder ihrem ersten und erfolgreichsten, dem Ma- flüchtigem Beyfalle bewenden, und treibt den
gasin des Enfans ( 1756) eng an Die Hofmeisterinn an- Unterricht nicht bis zur Anwendung.« (Vorher.)
lehnt. In Deutschland war das Magazin für Kinder Der Endzweck des Werkes sei es nicht gewesen,
(1. Ausgabe 1758) bekannter als Die Hofmeisterinn, »eine sinnreiche Neuheit oder einen metaphysi-
die erst durch den Erfolg der LePrince de Beaumontins schen Tiefsinn zu affectieren«, sondern vielmehr,
Deutsche übersetzt wurde (vgl. Vorbericht des Heraus- »eine Menge gemeinnütziger Wahrheiten zu sam-
gebers).- Als weitere bekannte Kinderbuchautoren, die
meln, und sie in einen deutlichen, leichten und na-
von Sarah Fielding beeinflußt wurden, lassen sich Ma-
dame de Genlis und Mary Wollstonecraft nennen (Grey
türlichen Vortrag zu kleiden.« (ebd.) Gellius
1968, s. 71). merkt kritisch an, daß er mit einigen Ausführun-
Nach Grey 1968 ist die Hofmeisterinn das erste gen des Originals nicht einverstanden gewesen
englische Geschichtenbuch, das explizit für Kinder ver- sei, da »manchen Gedanken und Vergleichungen
faßt ist. Sie sieht das Buch als einen Kinderroman, der [ ... ] zuweilen eine gewisse Richtigkeit zu man-
beeinflußt ist von dem neuen realistischen Roman ( no- geln« schienen: »Es ist, als ob die Sittenlehrer zu
vel im Gegensatz zu romance), wie er von Defoe, Ri- dem Schicksale versehen wären, unter ihre wah-
chardson und H. Fiedling geschaffen wurde. So wird ren Gründe falsche zu mengen. Zuweilen scheint
auch in der Hofmeisterinn ein Alltagsgeschehen darge-
er auf Wiederholungen zu verfallen. Er ist, wie
stellt, das zwischen Figuren angesiedelt ist, die derzeit-
genössischen Wirklichkeit entnommen und als realisti- denn die Krankheit sehr gemein ist, zu sehr für die
sche Charakteure konzipiert sind. Als zentral wird der Alten eingenommen, und entscheidet oft auf ihr
Einfluß Fenelons und vor allem Lockes angesehen, des- Ansehen, wo es Gründe bedurfte, oder wo Grün-
sen Prinzipien für die Erziehung des jungen Gentleman de genug waren.« (ebd.)
Sarah Fielding auf die Mädchenerziehung übertragen
~~ Q Das vorliegende Werk ist das nachfolgende Ge-
genstück zu einer Sittenlehre für »Frauenzimmer«. Ihm
ist in eine Einleitung vorangestellt, die den Rahmen für
die verschiedenen Themen bilden soll. In einer Gesell-
1763 schaft kommt das Gespräch auf den »Mangel an guter
Aufführung bey den Mannspersonen« (S.1) und je-
Bibliothekfor Jünglinge, oder gesammelte mand äußert den Wunsch, »das gelehrte Frauenzim-
mer, das so glücklich für den Unterricht ihres Ge-
Sittenlehrenfor alle Scenen des Lebens. Aus schlechtes geschrieben hätte, möchte auch einige Seiten
dem Französischen von Johann Gottfried an jene herrschsüchtige Geschöpfe verwandt haben, die
Gellius (1 732-1781) sich mit den Vorzügen der Natur und höherer Gaben
Leipzig 1763 brüsteten, und über alle Anführung durch Regeln hin-
wegzuseyn glaubten.« (S. 2) Es entwickelt sich ein
Streitgespräch zwischen Hilarie und Polydor, der
Der Verfasser gibt in seiner Vorrede der Hoffnung schließlich die Auflage erhält, einen »Versuch zur Bes-
Ausdruck, daß diese Sittenlehre »jungen Herren serung seines ausgearteten Geschlechts anzustellen«
beyihrem Eintritte in die Welt, zu einigem Nutzen (S. 5). Zum Aufbau seines Werkes führt Polydor aus:
523 Moralisch belehrende Schriften 524

»Ich werde mich nicht der Beschwerlichkeit unterzie- und vergnügender Schriftsteller« (S. 207), denn >>Nut-
hen, meine Gedanken in eine neue Sprache zu kleiden, zen und Vergnügen seien die Endzwecke, die sich ein
sobald ich mich nur besinnen kann, daß ebendieselben vernünftiges Wesen durch das Studieren, oder über-
Begriffe bereits besser ausgedrückt sind, sondern werde haupt durchjedes andre Unternehmen, zu erlangen vor-
die Anmerkungen geschickter Köpfe in mein Werk her- setzen sollte« (S. 209). Im nächsten Abschnitt wird vor
über verpflanzen, um dadurch, so oft ich kann, die Un- dem Geiz gewarnt (S.212-220), der neben der
vollkommenheit meiner eigenen zu ersetzen. Ferner »Schwelgerey« zu den »zwo großen und allgemeinen
werde ich diese Nachsicht von meinen Zuhörern erwar- Triebfedern des menschlichen Gemüths« gehöre.
ten, daß sie, nachdem sie die allgemeinen Hauptzüge ei- (S. 212). Die folgenden zwei Kapitel handeln vom Lü-
ner Sache gefaßt haben, das übrige durch eignen Fleis gen (S.220-234) und von »Witz und Lustigkeit«
ergänzen, und ihre Vernunft und Erinnerungskraft zur (S. 234-245). Nach einem Exkurs über die schlimmen
Handleiterin bey ihrer eignen Erfindung und Anwen- Folgen des Trinkens (S. 245- 257) folgen Ausführun-
dung erwählen werden.« (S. 7.) gen über »Heirath und eheliche Tugenden«
Die Sittenlehre beginnt mit dem Thema der Erzie- (S. 257 -289).
hung (S.8-32). Die wesentlichen Grundsätze, die es Erst jetzt folgt ein Kapitel über die Religion, das
den Kindem einzuflößen gelte, seien die Begriffe der sich nur schwer in den bisherigen Themenzusammen-
Gerechtigkeit und Ehre, die Ausbildung des Gemüts hang einordnen läßt (S. 289- 325). Der Übersetzer kriti-
und die Grundsätze der Religion. Es schließen sich Aus- siert denn auch die Anordnung, deren Ursache er nicht
führungen über den Stellenwert der Wissenschaften im einsehen könne: »Ich würde, wenn ich das Buch ge-
Rahmen der moralischen Erziehung des Jugendlichen schrieben hätte, diesen Abschnitt zum dritten in der
an (S. 33- 54). Der Wissenschaft wird ein hoher Stellen- Ordnung gemacht haben.« (ebd.). Das Werk wendet
wert zu gesprochen bei der Entfaltung und Heranbil- sich insbesondere gegen »Unglaube« und »Gleichgül-
dung der natürlichen Gaben des Menschen. Natur, Wis- tigkeit« in der Religion (S. 290), kritisiert Atheismus,
sen und Übung erscheinen als Grundelemente der Bil- Deismus und Aberglauben, befaßt sich ausführlich mit
dung: »Wird die Natur nicht durch Lernen gestärkt, so dem Prinzip der Bestrafung und Belohnung durch Gott
ist sie blind; wird das Lernen nicht durch die Natur un- und erläutert die Pflichten des Christen. Es gibt der Reli-
terstützt, so ist es verstümmelt; wenn aber beyden nicht gion vor allemandem den Vorzug aus folgenden Grün-
die Uebung zu Hülfe kömmt, so bleiben sie unvollkom- den: »Sie macht die Menschen gehorsam gegen die Ob-
men zur Erreichung ihres Endzwecks.« (S. 36) rigkeit, lenkbar gegen Gesetze, und friedsam gegen ein-
Es schließen sich Kapitel zu Einzelfragen des ge- ander selbst; sie heilt die menschliche Natur und ver-
sellschaftlichen Umgangs und Verhaltens an: Behan- süßt ihre Neigungen; sie verbessert die Leidenschaften,
delt wird die Kleidung (S. 54- 79), wobei insbesondere und dämpft alle die Begierden, welche Ursachen der
darauf verwiesen wird, daß diese nicht die »Wirkung Feindschaft und Zwietracht sind.« (S. 316) Gellius
des Stolzes, sondern der Sünde« sei (S. 55). Es folgen merkt an, daß ihm der Autor »über die Materie vom Ge-
Ausführungen zur Auswahl der Freunde und zum Um- wissen zu leicht wegzuschlüpfen« scheine (S. 215); aus
gang mit ihnen (S. 80- 125) sowie zum Thema »Liebe diesem Grunde folgt dem Kapitel ein Anhang des Über-
und Galanterie« (S. 125-141 ). Hier wird eindringlich setzers mit dem Titel: »Anmerkung von den Gewissens-
vor der Lektüre von Romanen und den Irrtümern ge- vorwürfen« (S. 320-325).
warnt, die aus Galanterie begangen würden und weit ge- Es folgen Abhandlungen an über» Verläumdung«
fährlicher seien, als die schädlicher Folgen der Freiden- (S.325-334) und »Geschwätzigkeit« (S.334-344),
kerei: »Der Freygeist, ohne Gefühl dessen, was er dem beides ein »Fehler des weiblichen Geschlechts [ ... ],ein
Wohlstand und der Vernunft schuldig ist, streicht in öf- Vorrecht des Theetisches und Putzzimmers« (S. 333),
fentlichen Häusern herum, und begeht kein weiters Ver- und über die Untugend der »unbesonnenen Neugier-
brechen, als daß er sich selbst entehrt, und seine Ge- de« (S. 345-359). Der folgende Abschnitt befaßt sich
sundheit der Beschädigung aussetzt. Aber der Mann mit dem Stolz (S. 359- 384), der sich »insgemein auf Ei-
von Galanterie kann sein Vergnügen nicht verfolgen, genliebe« gründet »welches die innigste und untrenn-
ohne gegen irgeniemanden, den er zu lieben schuldig barste Leidenschaft der menschlichen Natur« sei
war, eine Verrätherey zu begehen; und das Frauenzim- (S.360). Hier setzt sich der Verfasser insbesondere mit
mer, das er bewundert, in Verachtung zu bringen.« den Ansprüchen des Adels auseinander. Es schließt sich
(S. 138) ein Exkurs über die »Vergnügsamkeit« (S.384-404)
In den nächsten Abschnitten befaßt sich das Werk an, worunter der Verfasser die Gemütsruhe versteht, die
mit der »Herzhaftigkeit« sowie mit der »Ehrliebe« die Menschen dazu befähigt, Geduld und Klugheit zu
(S. 142 -168), beides Eigenschaften des Menschen, die üben, »in dem, was wir zu leiden, [ ... ] in dem, was wir
häufig falsch gedeutet würden. Es formuliert sein Ver- zu thun haben« (S. 397). Sodann behandelt der Verfas-
ständnis dieser Eigenschaften so: »Wahre Ehre hat alle- ser das Problem der Einsamkeit (S.405-435). Gellius
zeit Gerechtigkeit und Menschenliebe zur Seite; die fügt diesem Kapitel zwei Abhandlungen bei: »Von den
Herzhaftigkeit muß mit Tapferkeit verbunden werden, mancherley Aussichten, unter denen die Einsamkeit zu
und, wenn sie anders schätzbar seyn soll, mehr von die- betrachten ist« und» Von dem Nutzen der Einsamkeit«
ser Tugend, als von Stärke und Kühnheit, in sich hal- (S.425-435). Die beiden Schlußkapitel befassen sich
ten.« (S. 168) Es folgen vier Kapitel über »Gezwunge- mitAlter(S. 436-456) und Tod(S. 456-464). »Sich vor
nes Wesen« (S. 168-175), sodann über »Müssiggang« dem Alter fürchten, das heißt, sich fürchten, weiser zu
(S.l75-189), »Neid« (S.I89-197), sowie »Zeitver- werden, es heißt, sich vor der Unsterblichkeit fürchten.«
treib und Lesen« (S. 197 -212). In diesem Abschnitt er- (S.452).
mahnt der Verfasser seine Leser, Vergnügungen stets Der Verfasser führt als Belege für seine Aussagen
mit Mäßigung zu betreiben, warnt vor Karten- und überwiegend Schriften der Antike an. Die Zitate werden
Würfelspielen und empfiehlt die Lektüre »nützlicher jeweils am Schluß der Seite noch einmal in Latein oder
525 Bibliothek für Jünglinge, 1763 526

Griechisch aufgeführt. Gellius hat in seiner Fassung das zwingen. Hierzu gehört die »Anwendung der
französische Original durch z. T. kritische Kommentare scharfen Mittel [ ... ] bey der Kinderzucht«
oder das Thema vertiefende zusätzliche Texte erweitert. (S. 29); der Erzieher solle sich die Furcht der Kin-
Vorangestellt ist der vorliegenden Ausgabe ein Fronti-
der vor Strafe zunutze machen, »denn daß man
spiz von Crusius, das einen Gelehrten der Antike im Ge-
spräch mit einem jungen Mann darstellt. mit der Liebe durchdringen, und alles ausrichten
wollte, ist bey dem itzigen Zustande der Mensch-
In der Einleitung formuliert der Verfasser lichkeit eine vergebne Hoffnung« (S. 30).
die wesentlichen Grundsätze für einen tugend- In der Erziehung müsse insbesondere die
haften Lebenswandel: »So wie nur ein verderbtes Religion ihren Platz haben, denn es gebe bereits
betäubtes Gehör an der Tonkunst keinen Reiz »eine zu große Anzahl von Menschen in der Welt,
fände, so könnte auch nur die Abwesenheit der die aus einem Mangel an Erziehung, einer gefähr-
Vernunft, und eine hartnäckige Unwissenheit, der lichen Gewohnheit der Freydenkerey, ihren Ver-
fühlbaren Harmonie der Tugend widerstehen. stand und ihr Herz gänzlich auf den kleinen Theil
Die Freydenkerey, die einige wilde Jünglinge, aus der Welt geheftet haben« (S. 289). Ohne Religion
Mangel einer glücklichem Erziehung fälschlich befände sich der Mensch »in der Dämmerung«,
für Freyheit hielten, unterwürfe sie härtem Tyran- da er nur durch Sinne und Vernunft geleitet werde
nen, als ihre gefürchtete Hofmeister waren, ihren (S. 295). Der natürliche Mensch, aber auch der
eignen lasterhaften Neigungen, die auf sie mit tiefsinnigste Philosoph lebten in beständiger Fin-
verdoppelter Macht eindringen. Aber mit Leuten sternis; letzterer sei »bloß ein unwissender Thor,
von Verstande, von Gründlichkeit im Denken, mit dem einfältigsten Christen verglichen; denn
wäre der Fall ganz anders. Indem sie von der Min- der schwächste Christ kann durch deutlichen Un-
derjährigkeit zu reiferm Alter übergingen, verän- terricht etwas von den größten Geheimnissen der
derten sie bloß den Beherrscher, nicht die Herr- Natur sehen« (S. 298). Der Verfasser setzt sich
schaft. An die Stelle des gedungnen Lehrers träte hier sowohl mit der natürlichen als auch mit der
nunbeyihnen jene göttliche Führerin und Beherr- geoffenbarten Religion auseinander. Er kritisiert
scherin des menschlichen Lebens, die Vernunft. die Grundsätze des Deismus, da seine Anhänger
Bey dem Gehorsame gegen sie könnte man allein die Offenbarungsreligion leugneten. Diese Hal-
sagen, daß man frey lebte. Denn bloß diejenigen tung sei auf einen Mangel an »tugendhafter Er-
leben nach ihrem eignen Willen, die so, als sichs ziehung« zurückzuführen (S. 303), und ihr Un-
gehört, haben wollen gelernt; hingegen diejenige glaube sei nur ein anderer Name für Unwissen-
Freyheit des Willens, die sich durch unlenkbare heit. Ein Lebenswandel sei nur dann tugendhaft
Leidenschaften, durch unvernünftige Handlun- zu nennen und führe nur dann zur zeitlichen und
gen verräth, ist klein und niedrig , und wird von ewigen Glückseligkeit, wenn er sich auf die
vieler Reue begleitet.« (S. 3 f.) Der Verfasser ist Grundsätze der Vernunft, des Verstandes und der
der Überzeugung, daß von seitender Erzieher be- Religion berufe: »Wo aberunsre Neigungen und
reits in frühester Kindheit darauf hin gearbeitet Vergnügungen mit Vernunft, Ehre und Recht-
werden müsse, »das Gemüth gelehrig gegen die schaffenheit verbunden sind, da ist die Religion
Zucht, und biegsam gegen die Vernunft« zu ma- eine ausgesuchte Gesellschaft, ein Trost, eine
chen (S.l2): »Lassen wir aber schlimme Grund- Wegweiserin und Rathgeberin, eine Handleiterin
sätze in der Kindheit Wurzel schlagen, lassen wir und Vermehrerindes Vergnügens, das Leben der
in diesem unbehutsamen Alter die Vernunft Gesellschaft, und eine Erleichterung der Einsam-
durch Laster verfälschen, oder durch Leiden- keit.« (S. 319 f.)
schaften verdunkeln, so ist es eine thörichte Er- Weitläufig behandelt der Verfasser die Klei-
wartung, der wir nachhängen, daß aus einem bö- dungsfrage: Er meint, daß Kleider »anstatt uns ei-
sen Knaben ein guter Mann werden könne.« tel zu machen, [ ... ] vielmehr Demuthund Reue in
(S. 13) uns erwecken« sollten, »weil wir diejenige Un-
Der nächste Schritt müsse die Unterweisung schuld verloren haben, die uns eine größre Zierde
in die Wissenschaften sein, denn die Gaben mit war, als die schönsten Kleider seyn können«
denen die menschliche Natur versehen worden (S. 55 f.). Er wendet sich zudem gegen eine zu rei-
sei, Vernunft und Verstand, müssen gelenkt und che Kleidung, da ihre Wirkung nur auf Äußerlich-
geschult werden, wobei »der Verstand der Herr keiten gerichtet sei und lediglich die Sinne anspre-
der Vernunft, und die Vernunft[ ... ] der Diener che. Er äußert den lebhaften Wunsch, »daß unser
des Verstandes« sein sollten (S. 38). Die Ausfüh- Land [ ... ]seine Unterthanen zu einer standesmä-
rungen zur Erziehung werden von Gellius in einer ßigen Verschiedenheit der Kleidung nöthigte;
Anmerkung noch einmal bestätigt. Hier gibt er daß wir Gesetze hätten, die den Aufwand nach
weiterführende Anweisungen zur Methode, wo- dem Stande bestimmten, die eben sowohl eine
bei deutlich wird, daß er im stärkeren Maße als Ordnung in Kleidern, als den Vortritt in Anse-
der Verfasser einer Erziehung anhängt, die darauf hung der Herkunft und des Ranges, festsetzen.
hinausläuft, den Willen der Kinder so früh als Alsdenn würde unser hoher Adel von dem niedri-
möglich zu brechen und sie zum Gehorsam zu gen, der niedrige von den Kaufleuten und
527 Moralisch belehrende Schriften 528

Titel oder Ranges eine zu hohe Meinung zu ha-


ben. »Kurz, wir sollten nur darauf stolz seyn, in
Ansehung der Religion und Sittlichkeit einen gu-
ten Ruf zu behaupten, unsre Pflichten gegen Gott
und unsern Nachbarn zu vollbringen, und uns
über alle Handlungen hinwegzusetzen, die unsre
Natur erniedrigen, und uns dem Tadel der Gott-
losigkeit, Thorheit oder Unanständigkeit ausset-
zen könnten.« (S. 384)
Das Werk erschien in zweiter Auflage in Leipzig
1773, herausgegeben von Christian Felix Weiße. Auf
diese Ausgabe mag sich Ernst Christian Trapp bezie-
hen, wenn er in der Vorrede zu seinen Unterredungen
mit der Jugend 1775 ausführt: >>Als ich diese Unterre-
dungen schon zum Druck bestimmte hatte, fiel mir die
Bibliothekfor Jünglinge, oder gesammelte Sittenlehren
für alle Scenen des Lebens, in die Augen; ein Buch, das
mit dem meinigen, dem Zweck und der Einrichtung
nach, die größte Ähnlichkeit hat. Ich wollte erst meine
Unterredungen unterdrücken, als ich dieses sah. Aber
da fiel mir ein, daß man ja viele brauchbare Predigten
über Einen Text hat, die auch alle gekauft und gelesen
werden. Wenn deine Unterredungen nur nicht schlech-
ter sind, dacht ich, als die Bibliothek, so kannst du den
Druckwagen.«(S.12) H.

1767
James Fordyce ( 1720-1796):
Bibliothek fiir Jünglinge, oder gesammelte Sitten-
Predigten for junge Frauenzimmer aus dem
lehren fiir alle Scenen des Lebens. - Leipzig 1763
(Nr. 91). Kupferstich-Frontispiz von Crusius Englischen. Übersetzt von Chr. F. WeifJe
(1 726 -1804). 2 Bände.
Leipzig 1767.
Handwerkern, unterschieden seyn; und ieder
Stand würde von unrechtmäßiger Bewerbung um Fordyce äußert in seiner Vorrede (die nicht zur
verbotne Vorzüge zurückgehalten werden.« englischen Erstausgabe, sondern erst zu einer spä-
(S. 62) Eine solche kleidungsmäßige Unterschei- teren Ausgabe geschrieben ist), »daß Frauensper-
dung der Stände sei notwendig, weil sich gerade sonen von jedem Stand und Alter« in seinen Pre-
»das Volk insgemein [ ... ] mehr nach dem Schei- digten »einen nützlichen Rath oder einigeheilsa-
ne, als dem Grunde der Dinge« richte und seine me Winke« finden könnten (Vorrede). Haupt-
Begriffe so beschaffen seien, »daß es nichts für adressat sind jedoch die jungen, noch nicht ver-
groß hält, als was prächtig ist, und die Sinne heirateten Frauenzimmer, und zwar die »jungen
rührt.« Hieraus zieht er die Folgerung: »Wenn Personen von derfeinem Lebensart« (Vorrede; I,
seine Beherrscher nicht einigen Vorzug im Äußer- s. 17).
lichen behaupteten, würde es leicht dahin verfal- Veröffentlicht hat der Verfasser die Predig-
len, ihren Charakter zu übersehen, und ihren Ab- ten mit der Hoffnung, daß sie zur »Besserung«
stand zu vergessen. Dieß ist bloß ein unschuldiger des weiblichen Geschlechts und damit zur Glück-
Kunstgriff, den Pöbel zur Befolgung seiner seligkeit der Frauen und der Glückseligkeit der
Pflicht zu täuschen, und ihm mit der Ehrfurcht ein Millionen Menschen, mit denen sie verbunden
richtiges Gefühl des Gehorsams einzuflößen.« sind, beitragen möchten (Vorrede). Nicht nach
(S.64f.) den »Grundsätzen eines wilden und ausgearteten
Bei der Behandlung der Stellung des Adels Zeitalters«, sondern nach dem Muster »vernünf-
in der Gesellschaft wendet das Werk sich gegen tiger Frauenzimmer und tugendhafter Christin-
die Ableitung der adeligen Privilegien allein aus nen« sollten die Frauen sich bilden und nach den
der Geburt. Es sei kein falscher Stolz, »sich der »Vollkommenheiten des Verstandes, den sittli-
geistigen oder sittlichen Vollkommenheit bewußt chen Grazien, dem unverwelklichen Glanz einer
zu seyn, die man besitzt« (S. 363), jedoch sei es erleuchteten Seele« streben (»Beschluß«, II,
kritikwürdig, von sich selbst bloß aufgrund eines s. 452f., 454f.).
529 Fordyce, Predigten, 1767 530

Sein Verhältnis zum weiblichen Geschlecht Das Buch enthält vierzehn Predigten (=Kapitel)
beschreibt Fordyce als von >mngeheuchelter (Bd. I: I. -7. Predigt, Bd. 2:8.-14. Predigt). Über jeder
Hochachtung« (Vorrede) und von zärtlichster Predigt finden sich neben der Überschrift ein oder meh-
Freundschaft getragen (II, S. 443 f.). Zugleich rere Bibelverse, die als Ausgangs- und Bezugspunkt der
Predigt dienen. Die Bibelverse sind allerdings nicht eng
versichert er, daß er in seiner Schrift »ganz un- auf das jeweilige Thema zugeschnitten. Die Bibelverse,
partheyisch« sei und beiden Geschlechtern Ge- wie insgesamt der Bezug zur Bibel, nehmen innerhalb
rechtigkeit widerfahren lasse (II, S. 439). Die Äu- der einzelnen Predigt keinen beherrschenden Stellen-
ßerungen des Tadels, die in seinem Werk enthal- wert ein. Am ausführlichsten ist der biblische Bezugs-
ten seien, hätten ihm nur Freundschaft und Über- rahmen in der 6. Predigt gegeben, wo auf den Seiten
zeugung eingegeben (Vorrede). Er habe gesagt, 309-326 aus den Sprüchen Salomos (31, 10-31) zitiert
»was er für wahr hielt, und wovon er zu gleicher wird, jeweils ergänzt um den Bibelkommentar eines
Zeit hoffte, daß es nützlich sein möchte«, wohl- englischen Bischofs. - Das Buch endet mit einem Gebet
wissend, daß er vor Gott darüber Rechenschaft an Gott, in dem der Verfasser Gottes Gnade für seine
Zuhörerinnen erfleht, damit sie am Jüngsten Tage zu
ablegen müsse (II, S. 440). In besonderer Weise den Erlösten gehören und er sich vor Gottes Thron mit
geht Fordyce auf die von ihm gewählte Art der ihnen vereinigen kann.
Vermittlung ein. Die Form der Predigt bei einem Die I. Predigt handelt von der »Wichtigkeit des
Gegenstand wie dem vorliegenden sei etwas ganz weiblichen Geschlechts«, die vor allem in dem bessern-
N eues, das es bisher noch nicht gegeben habe und den Einfluß der Frau auf die Männer gesehen wird. Erst
das deswegen auch mit großen Schwierigkeiten durch den Umgang mit »tugendhaften und verständi-
verbunden gewesen sei ; gewagt habe er den Pre- gen Frauenzimmern« »von dem liebenswürdigsten
digtstil »blos des Ungewöhnlichen wegen« (Vor- Charakter« (1, S. 33) werde dem Manne der »Rost« ge-
rede). Mit den Predigten selbst will er Herz und nommen und an ihm eine »vollkommenere und gefälli-
Einbildungskraft ansprechen: Die Einbildungs- gere Politur« hervorgebracht (1, S. 38). »Jugend und
Schönheit, mit Sanftmuth und Tugend, Fähigkeit und
kraft soll unterhalten und das Herz gerührt wer-
Klugheit verbunden - was haben diese nicht für Dinge
den, »mit dem Vorsatze es zu bessern« (Vorrede). angerichtet!« (1, S. 26). Daneben wird auch der Einfluß,
In dem »Beschluß« wird die gefällige, unterhal- den die Frau als Mutter auf die zukünftigen Geschlech-
tende Form der Belehrung ausführlich gegen die ter hat, herausgestellt (1, S. 53 -55).
»Tadler dieser Zeit« (II, S. 444) verteidigt- ein- Die 2. Predigt handelt von der» Bescheidenheit im
mal unter Berufung auf Jesus, zum andern unter Anzuge«, die 3. von der »weiblichen Schamhaftigkeit«,
Berufung auf die menschliche Seele. Jesus habe die 4. bis 9. Predigt von der weiblichen Tugend. Die 4.
»unter dem Lächeln der Gefälligkeit Unterricht Predigt stellt dazu eine allgemeine Abhandlung dar, die
einzuflößen« und »durch die Hitze der Freund- sich in erster Linie auf die weibliche Keuschheit bezieht.
schaft, seiner Ermahnung Nachdruck zu geben« Die Mädchen werden vor Verführern und schlechten
versucht; das sei ein besserer Weg, »Seelen zu ge- Romanen gewarnt, die als »Gift für die Tugend« be-
zeichnet werden (1, S. 213). Richardsons Romane wer-
winnen«, als »durch Rauhigkeit Ekel zu machen, den als vorbildlich empfohlen, »Clarissa« als »das er-
oder durch Härte abzuschrecken« (II, S. 444). habenste Muster der weiblichen Tugend« gepriesen.
Auch Jesus habe Gleichnisse benutzt, die »nicht »In ihrem Charakter«, so heißt es, finden wir »eine
weniger der Einbildungkraft als dem Herzen an- Schönheit, eine Süßigkeit, eine natürliche Ungezwun-
gemessen waren, indem sie die stärksten Bilder genheit [ ... ] eine Heiligkeit der Empfindungen und der
nach dem Leben und der Natur vorstellten, und Sitten, mit denen, wenigstens nach meinem Gefühle, ich
zu gleicher Zeit durch diese Mittel die edelsten in keinem Buche von dieser Art in der Welt etwas zu ver-
Lehren der Frömmigkeit und Wahrheit einpräg- gleichen gefunden habe« (I, S. 218).
ten« (II, S. 445). Wer schließlich glaube, Fehler Die anderen Predigten über weibliche Tugend be-
bessern zu können, ohne die »Neigungen« der ziehen sich auf die Freundschaft, die häuslichen Tugen-
Seele » zu Rathe zu ziehen«, oder sich einbilde, den, den Erwerb bestimmter weiblicher Talente und auf
die Bildung des Verstandes. Häusliche Tugenden, die,
»daß der Ernst des Schreckens alleine die Liebe so klagt der Verfasser, zugunsten von Vergnügungs-und
der Tugend« erzeuge, sei der menschlichen Seele Verschwendungssucht immer mehr dahinschwänden,
gänzlich unkundig (II, S. 446). seien die Zierde einer jeden Frau gleich welchen Stan-
Weiße, der (anonym bleibende) Übersetzer, des. Zu ihnen gehörten Geschicklichkeit in häuslichen
möchte in seiner Vorrede den deutschen Leserin- Verrichtungen, der verständige Umgang mit dem Gesin-
nen, die ja leider nicht gewohnt seien, fleißig zu le- de, das Interesse an der Kindererziehung, vor allem je-
sen, das Buch »als ein Handbuch für Ihre kleine doch rastloser Fleiß und Sparsamkeit. Bereits das junge
Handbibliothek« wärmstens empfehlen. »Ja wir Mädchen solle an häuslichen Tätigkeiten gewöhnt wer-
den, und selbst Frauen von Stande sollten sich nicht
erklären [ ... ], daß wo wir es künftig in einer schämen, mit ihren Händen zu arbeiten (6. Predigt).
Frauenzimmerbibliothek vermissen, wir es alle-
Zu den weiblichen» Vorzügen«, die die Frau in ih-
zeit für ein schlimmes Zeichen von ihrem Verstan- rer Mußezeit pflegen soll, werden das Tanzen (wenn in
de oder ihrem Herzen ansehen werden<< (Vorrede Maßen betrieben), das Zeichnen, (kunstvolle) Nadelar-
des Übersetzers). Um seiner Empfehlung noch beit und- mit Abstrichen, da nicht jedes Mädchen dazu
mehr Nachdruck zu verleihen, zitiert er eine lo- begabt sei- die Musik gerechnet (6. Predigt). Vom Tan-
bende Rezension aus der Monthly Review. zen heißt es z. B. lobend, daß es »Gesundheit, Heiter-
531 Moralisch belehrende Schriften 532

keit, Geselligkeit und liebreiche Neigungen zwischen gesprochen, nicht als Kind; eine persönliche Beziehung
beiderley Geschlechtern« fördere (I, S. 345). Heftig zur Leserin (wie im elterlichen Rat) wird nicht aufge-
(und ausführlich) wird dagegen vordem Kartenspiel ge- baut, auch wenn der Autor sein Verhältnis zu den Lese-
warnt (I, S. 349-366). rinnen als das eines Bruders bezeichnet und von seinem
Um ihren Verstand zu bilden (7. und 8. Predigt), »brüderlichen Rathe« spricht (1, S. 185).
sollen die Frauen »Fabeln, Erzählungen, Allegorien,
und dergleichen Arbeiten«, »wo die Einbildungskraft Das von Fordyce entwickelte Frauenbild ist
unter der Aufsicht der Vernunft spielet«, »dramatische geprägt von der rationalistischen Tugenderzie-
Schriften«, »Poesien«, vor allem aber »die höhern Gat- hung der Frühaufklärung und ihren partiell
tungen« (I, S. 406) und die moralischen Wochenschrif- emanzipatorischen Tendenzen, indem auch von
ten lesen. Außer diesen» Werken des Witzes«, die nach der Frau- als Vernunft- und Tugendwesen- die
allgemeiner Übereinstimmung für das weibliche Gemüt Ausbildung der Verstandeskräfte gefordert wird.
ganz besonders geeignet seien, sollten sich die Frauen Im Gegensatz zur späteren Mädchenliteratur, in
aber auch mit Geschichte, mit Reisebeschreibungen, der heftig gegen die weibliche Gelehrsamkeit po-
mit Geographie und Astronomie beschäftigen - Wis-
lemisiert wird (vgl. z. B. Campe), empfindet der
senschaften, die von den Frauen im allgemeinen ver-
nachlässigt würden (1, S. 404). Selbst in der natürlichen Autor geradezu einen »Unwillen«, ein »Gefühl
und in der moralischen Philosophie sollten die Frauen der Verachtung, mit der Empfindung des Mitlei-
sich in bestimmtem Maße auskennen. dens vermischt«, gegenüber solchen Frauen, die
Die Predigten 9 bis 12 handeln von der weiblichen Putz oder eine Vergnügungspartie der Beschäfti-
Frömmigkeit und den >>guten Werken« (im religiösen gung mit natürlicher und moralischer Philosophie
Sinne). >>Weisheit und Tugend« reichten, wie es heißt, vorziehen: »0 lasset diesen Vorwurfnicht länger
als Grundlagen für die Sittlichkeit des Menschen nicht auf Euch sitzen: Eilet, Eure Ehre von der Schande
aus (II, S. 86); als >>mächtiger Beystand« müsse die Re- der Ungereimtheit und derThorheitzu retten.« (I,
ligion hinzutreten, um die Einschränkungen, die die S. 418). Die Klage vieler Frauen, daß die Männer
Sittsamkeit auferlege, ertragen zu können (II, S. 86). sie an der Ausbildung ihres Verstandes hinderten,
»In der ganzen Welt ist kein sicherer Verwahrungsmittel
vor dem Laster als die Furcht Gottes« (II, S. 100). Das will der Autor nicht gelten lassen; kein Gesetz ver-
Verhältnis von Vernunft und Sinnlichkeit solle und kön- biete ihnen zu lesen und zu denken, und für ein
ne durch die Religion den Charaktereiner fast selbstver- einziges feines Kleid könnten sie sich fast eine
ständlichen Herrschaft der Vernunft bekommen: Er- ganze Bibliothek von den besten Schriftstellern
strebenswert sei »nicht ein Sieg über die Leidenschaft kaufen (I, S. 420ff.). Auch die Angst, von der
[ ... ],der mit Mühe und auf Kosten Eurer Zufriedenheit Welt als gelehrtes Frauenzimmer verspottet zu
gewonnen wird: sondern eine geheiligte Herrschaft werden, sei kein Grund, seine Bildung zu ver-
über Euch selbst, ein gewisser göttlicher Zwang Eures nachlässigen; denn so schnell werde man nicht
eignen Willens« (II, S. I 0 I). Als Mittel, die zur Fröm-
gelehrt, wenn man gerade erst anfange, »das
migkeit führen, werden u. a. die tägliche Morgen- und
Abendandacht, das Gebet zu Gott während des Tages, Haupt« »aus der Tiefe der Unwissenheit« zu er-
der Besuch des öffentlichen Gottesdienstes und das Le- heben. Er zumindest habe noch kein gelehrtes
sen der heiligen Schrift genannt. Frauenzimmer getroffen, und wenn einmal eine
Unter den guten Werken steht für eine Tochter der Frau diesem nahegekommen sei, habe er »nichts
Gehorsam gegenüber den Eltern an erster Stelle; es folgt so erschreckliches« dabei gefunden (I, S. 433 f.).
die Wohltätigkeit. Der kindliche Gehorsam kann in ei- Lesen insgesamt (ausgenommen die Lektüre
nem Punkt verweigert werden - dann nämlich, wenn »schlechter« Romane) wird schließlich als Be-
das Mädchen von den Eltern zur Heirat mit einem unge- standteil eines vernünftigen, tugendsamen Le-
liebten Mann gezwungen werden soll. Zugleich werden bens angesehen: Statt ständig nach Zerstreuun-
die Leserinnenjedoch davor gewarnt, einen Mann ohne
gen in großen Gesellschaften zu suchen, solle die
die Einwilligung der Eltern zu heiraten.
Frau lieber Unterhaltung in sich selbst,im Hause,
Die 13. und 14. Predigt handeln von der weibli-
chen Sanftmut. Sanftmut,verbunden mit den Grundsät- in Büchern, in einer vernünftigen Gesellschaft
zen des Christentums, wird als »die eigenthümlichste und in der Freundschaft suchen (I, S. 361 ).
Vollkommenheit oder höchste Ausführung der weibli- In den Predigten finden sich jedoch auch be-
chen Vortrefflichkeit« angesehen (II, S. 321 ). Sie sei reits Ansätze zu dem neuen, sich in der 2. Hälfte
zwar eine allgemeine christliche Tugend, aber doch in des 18. Jahrhunderts entwickelnden Frauenbild,
besonderer Weise für die Frau spezifisch, da ihr die nach dem die Frau nicht mehr als vernunftbegab-
Herzhaftigkeit und der Heldenmut des männlichen Ge- tes Tugendwesen gesehen wird, sondern ihr -
schlechts fehle. Das »beste Sinnbild« der Frau sei die über das Legitimationsmuster des »Geschlechts-
»lächelnde Gestalt des Friedens, in einem weißen Klei- charakters« -ganz bestimmte, von Natur gegebe-
de, mit einem Olivenzweige in der Hand«, ihr »höchster
ne Eigenschaften zugeschrieben werden. Hierzu
Ruhm [ ... ] wie die ersten Apostel und Christen durch
Güte zu siegen, und durch Gedult zu triumphiren« (II, zählen bei Fordyce nicht nur die Sanftmut, deren
s. 325). Grund von ihm »in der sanftem Zusammenset-
Der Ton, in dem Fordyce mit seinen Leserinnen zung« des weiblichen Geschlechts gesehen wird
spricht, ist bestimmt von höflich-ehrerbietiger Distanz, (II, S. 321), sondern auch bereits große psycholo-
der Stil wohlgesetzt und um Gefälligkeit des Ausdrucks gische Fähigkeiten (»eine ungemeine Fertigkeit«,
bemüht. Das junge Mädchen wird als Erwachsene an- Charaktere »unter ihren verschiedenen Abände-
533 Fordyce, Predigten, 1767 534

rungen und selbst den feinsten Schattierungen haftes, von der Vernunft geleitetes Handeln ver-
auszufinden«; I, S. 411 f.), eine reiche Einbil- standen wird: Bestimmend für das Wesen der
dungskraft und die »empfindungsvolle Art zu christlichen Religion ist die »Züchtigung der Lei-
denken« (1, S. 412). »Die Natur habe«, wie es denschaften«; »hier muß sich die Religion eines
scheine, »durch die Freygebigkeit, die sie in die- Christen in der That anfangen und endigen« (II,
sen Absichten gegen die weiblichen Seelen äu- s. 85).
ßert, dasjenige ersetzen wollen, was ihnen an Tie- Trotz der religiösen Einbindung findet sich
fe und Stärke mangelt« (1, S. 412). Die schöne Li- in den Predigten- im Gegensatz z. B. zu den Nö-
teratur erscheint deswegen bei Fordyce als eigent- thigen Unterweisungen von LePrince de Beau-
liche Domäne der Frau, die höhere Philosophie mont - keine radikale Abwertung der weltlichen
und die abstrakten Wissenschaften als Domäne Freuden. Wie es bereits in der I. Predigt heißt,
der Männer (ohne daß die Frauen hiervon ganz schließen sich der Erwerb der ewigen Seligkeit
ausgeschlossen würden). und das Vergnügen an den Glücksgütern der Welt
Noch deutlicher zeichnen sich Züge des neu- nicht aus; Gott selbst habe die Welt so geschaffen,
en Frauenbildes bei der Idealisierung der weibli- daß der Mensch daran Freude empfinden soll.
chen Eigenschaften im Hinblick auf ihre Funk- Frauen, die über die Abnahme ihrer Schönheit
tion für den Mann ab. Die Frauen werden als der jammern, werden zwar als töricht bezeichnet; an-
»angenehmste Theil der Schöpfung« apostro- dererseits aber wird eingeräumt, daß man dage-
phiert; durch ihre Tugendhaftigkeit, Verständig- gen nicht ganz gleichgültig sein könne und die
keit und Liebenswürdigkeit veredeln sie die Sitten Schönheit in der Tat sowohl der Frau als auch ih-
der Männer, und zu ihrer Bestimmung gehört es, ren Freunden Vergnügen verschaffe. Dieser Hal-
»eine Art sanfterer Gesellschafterinnen zu seyn, tung entspricht auch der wohlgesetzt-gefällige
die durch unnennbar entzückende Sympathien Ton, in dem der Prediger zu seinen Zuhörerinnen
und Liebkosungen unsere Freuden vermehren, spricht; er erinnert an die Rokokokultur und an
und unsern Kummer schmeicheln [ ... ] und end- die Empfindsamkeit und wird von dem Autor in
lich auch eine gewisse Anmuth und Schönheit dem »Beschluß« eigens gerechtfertigt. Kurz vor
über das menschliche Leben ausbreiten möch- Schluß wird er freilich zugunsten einer eher ba-
ten« (1, S. 304). An anderer Stelle heißt es sogar, rock anmutenden Welthaltung aufgegeben: Hier
daß der »wahre Vorteil« der Frau nicht in dem erinnert der Autor seine Leserinnen, um sie noch
Wettstreit mit dem Manne im Bereich seiner Herr- einmal nachdrücklich auf den Weg der christli-
schaftsdomänen (wie höhere Philosophie, ab- chen Tugend zu weisen, an die Vergänglichkeit
strakte Wissenschaften, Staatswissenschaften) der Schönheit und den Beifall der Welt (»Einige
liege, sondern in ihrer Herrschaft über das Herz wenige kurze Tage rollen vorüber, und dieser
des Mannes, die ausgeübt werde durch »liebrei- flimmernde Auftritt wird verschwinden«; II,
ches Wesen und Bescheidenheit, durch zärtlichen S. 452), an entstellende Krankheiten, das nahen-
Reiz und durch tugendhafte Liebe« (1, S. 397 f.). de Alter und an die Gewißheit des Todes: wenn
Damit werden von der Frau zwar immer noch be- »diese Augen, jetzt voll von einem glänzenden
stimmte Tugenden verlangt, die sie als Vernunft- Geiste, in Dunkelheit niedersinken,« wenn »die-
wesen zu erwerben hat; inhaltlich sind diese aber se Gesichtsfarbe, itzt prächtig und blühend, in ei-
z. T. bereits identisch mit den Attributen, die ihr ne Todtenbläße wegsterben wird, und sich die
über den »Geschlechtscharakter« zugeschrieben Mannspersonen mit Abscheu von dieser Gestalt
werden. Vor allemjedoch werden nicht bestimm- wegkehren werden, die sie itzt mit Entzücken be-
te Tätigkeiten von ihr verlangt, sondern eine be- trachten« (II. S. 454).
stimmte emotionale Energie, eine seelische Hal-
tung, durch die sie das Glück des Mannes allererst Die I 765 erstmals erschienenen und häufig wieder
ermöglicht bzw. zu gewährleisten hat. Vor diesem aufgelegten Sermons to Young Women haben, laut
Hintergrund wird auch die Forderung nach weib- Schücking, »wie die Biographien der Zeit zeigen, einen
nicht unerheblichen Einfluß ausgeübt« (Schücking,
licher Verstandesbildung eingeschränkt: Frauen, 1964, S. 157). So gibt z. B. nur kurze Zeit später Oliver
denen die Natur die Stärke des Genies gegeben Goldsmith, der Verfasser des berühmten Vicar of Wa-
hat, dürfen sich zwar auch intensivermit »männli- kejie/d, unter Berufung auf Fordyce eine Sammlung
chen« Wissenschaften beschäftigen - allerdings Poems for Young Ladies heraus. Fordyce selbst spricht
nur, wenn sie darüber ihre häuslichen Pf1ichten in seiner Vorrede von dem »großmüthigsten Beifall«,
nicht vernachlässigen und die »sanften Annehm- den er für sein zunächst anonym erschienenes Buch er-
lichkeiten«, die der Frau ihren »höchsten Glanz« halten habe. Sowohl Schücking wie Ronte sehen For-
geben, dabei nicht verloren gehen (1, S. 414). dyce als Ruhmkünder Richardsons und Verbreiter sei-
ner Ideen an. Ronte bezeichnet ihn als »richardsonhaf-
Die rationalistisch-empfindsame Tugender-
ter als Richardson selbst«, als »vorbildlichen Richard-
ziehung ist bei Fordyce eingebunden in die christ- sonian und Ruhmsprecher Richardsons« und meint,
liche Religion; zwischen beiden wird kein Wider- daß die Predigten ebensogut von Richardson selbst hät-
spruch gesehen. Tugend ist erst möglich durch die ten verfaßt sein können (Ronte, 1935, S. II I). Nach
Religion, wobei Religion wesentlich als tugend- Schücking trägt Fordyce mit den Predigten dazu bei,
535 Moralisch belehrende Schriften 536

»die Beschäftigung der Frau mit Literatur zu steigern erörtert wird (S. 26-32). Die Titelformulierung
und sie als Geschmacksträger bedeutungsvoller zu ma- möchte, so ließe sich vermuten, den Zusammen-
chen« (Schücking, 1964, S. 157).- In Deutschland wur- hang von Kinderunterricht und allgemeiner Bes-
den Fordyces Predigten, die bereits 1771 in neuer Aus-
serung des Landvolks herausstellen, der in der
gabe erschienen, immerhin für so wichtig befunden, daß
sie von Chr. F. Weiße übersetzt und seinen Leserinnen
Einleitung dargelegt wird. Die Vermutung wird
warm empfohlen wurden. Dasselbe tut Steinberg in sei- dadurch gestützt, daß in dem Moment, in dem in
ner Sittenlehre fiir Junge Frauenzimmer (I 77 4). G. späteren Auflagen die umfangreiche Einleitung
dargelegt wird, auch der Titel sich ändert: Die
Ausgabe von 1773 führt den Titel Sittenbüchlein
for die Kinder des Landvolks, stellt also den kind-
lichen Adressaten und den Kinderbuch-Charak-
1771 ter heraus. Die erste Auflage dagegen will nicht
Johann Georg Schlosser ( 1739-1799): ausschließlich ein Kinderbuch sein, sondern mit
Einleitung und Katechismus zusammen einen
Katechismus der Sittenlehre for das Beitrag zum Problem der Besserung des Landvol-
Landvolk. kes im allgemeinen beisteuern. Ihr gegenüber hat
Frankfurt/Main 1771 sich das Kinderbuch dann verselbständigt.
Die Einleitung ist an alldiejenigen gerichtet,
Der Katechismus wendet sich in Abweichung »welche die Pt1icht haben, die Sitten und die Her-
vom Wortlaut des Titels nicht an das Landvolk, zen der Jugend zu bilden« (S. 51), an Erzieher,
sondern speziell an dessen Kinder, stellt also nicht Lehrer und Geistliche mithin. Für sie soll der
ein Volksbuch, sondern ein ausdrückliches Kin- nachfolgende Katechismus das Modell eines le-
derbuch dar. Ersichtlich ist dies zunächst aus der bendigen moralischen Unterrichtes sein. Hierbei
Rahmenhandlung, in der ein alter Gutsverwalter soll der Erzieher den Katechismus nicht streng
Kinder aus dem Dorf um sich versammelt, um ih- kopieren, sondern schöpferisch in seinem Unter-
nen eine erste sittliche Belehrung zu erteilen. Die richt nachahmen (vgl. S. 45). Doch geht es Schlos-
Leser werden denn auch stets mit »Kinder« ange- ser nicht nur um Lehrart und -methode; er möchte
sprochen. Aber auch die Einleitung macht deut- zugleich einen besonderen inhaltlichen Gesichts-
lich, daß es ausschließlich um den »Unterricht punkt in der Morallehre geltend machen: Der Er-
der Kinder« (S. 33) geht. Zwar finden sich in der zieher soll »lernen von den Pt1ichten der Men-
»Gesellschaft von Kindern«, die dem Verwalter schen natürlich zu denken, und bey jeder die
zuhören, auch einige »erwachsene Männer«; die- Sinnlichen, auch diesseits des Grabs fühlbaren
se aber stehen am Rande und kommen bloß aus Endzwecke zu finden, auf welche sie sich bezie-
alter Anhänglichkeit, da sie als Kinder bereits die- hen« (ebd. ). Über die Pflichten »natürlich zu den-
sen Unterricht genossen haben (S. 35). Die Unter- ken«, heißt für Schlosser, sie ohne Zuhilfenahme
haltungen finden im Haus des Verwalters abseits der Religion zu begründen und ihre Notwendig-
von Schule und Unterricht statt, wodurch sie ei- keit allein aus den Folgen für die innerweltliche
nen familiären Rahmen erhalten. Der Katechis- »Glückseligkeit« abzuleiten. Zwar könne der
mus ist damit weniger für die Schule gedacht; er »wahre Moralist« letztendlich auf die Religion
gibt vielmehr ein Modell ab für den außerschuli- nicht verzichten, in der ersten moralischen Unter-
schen Gemeindeunterricht durch den Dorfpfar- weisung des einfachen Volkes und der Kinder
rer oder für eine häusliche moralische Belehrung. aber sei die natürliche Denkart angebracht. Der
Direkte Altersangaben werden nicht gemacht. Lehrer »muß in seinem Unterricht alles vermei-
Daß Kinder im ersten Schulalter angesprochen den, was in der Sittenlehre noch immer unerklär-
sind, geht jedoch daraus hervor, daß vom Nutzen bar bleibt; [ ... ]jede Pflicht muß er bloß aus deut-
des Lesens und Schreibens gesprochen wird (S. lichen, sinnlichen Gründen empfehlen, er muß
68 f.) und daß Themen wie »die Liebe unter den bloß die deutlichen unläugbaren Folgenjedes La-
Geschlechtern« als für das Alter der Zuhörer sters aufsuchen [ ... ]« (S. 36). Bei »rohen, blos
nicht geeignet bezeichnet werden (S. 51). sinnlichen Menschen« könne allein eine utilitari-
Die Titelformulierung läßt sich von der um- stische Begründung der Pflicht, die die »sinnliche
fangreichen, 54seitigen Einleitung her erklären, Belohnung« in den Mittelpunkt stellt, von Wir-
die dem Katechismus vorangestellt ist. In ihr wer- kung sein.
den die Möglichkeiten einer »Sittenverbesse- Für Schlosser ergibt sich hieraus, daß der Re-
rung« mit Bezug auf das Landvolk im allgemei- ligionsunterricht einer elementaren Sittenlehre
nen erörtert. Der »Unterricht der Kinder« er- nicht vorausgehen, sondern ihr erst folgen darf.
scheint nur als ein Moment der moralischen Er- Ein zu früher Religionsunterricht übersteige nicht
ziehung des Landvolkes, und auch der gelieferte nur die Fassungskraft der Kinder, sondern führe
Katechismus deckt nur einen Teil dieser Aufgabe auch zu seinem falschen Verständnis von Reli-
ab. Daneben muß die Einflußnahme auf die Er- gion. Schlosser will damit nicht ausschließen, daß
wachsenen treten, die in der Einleitung denn auch Kinder frühzeitig schon erste Begriffe von Gott
537 Schlosser, Katechismus, 1771 538

und Religion mitbekommen; er möchte nur aus- der Aufgaben und Anforderungen, die ein Lehrer erfül-
schließen, »daß man den Kindern etwas zu thun len muß. Der Verfasser knüpft an diese Ausführungen
befehle, weil Gott es belohnet; oder verbiete, weil den Vorschlag zu einer Reform der »Erziehung junger
Gott es bestraft« (S. 48, Anm.). Geistlicher« (S. 43), der Ausbildung von Landpfarrern,
an. Im letzten Teil der Einleitung wird die Erzählung zu-
In bezug auf die jugendlichen Leser geht die
rückgedrängt: Der Verfasser legt Absicht und Methode
»Hauptabsicht« des Katechismus dahin, »die Sit- des Katechismus dar und endigt mit einer kleinen Ab-
tenlehre und die Tugend in die jungen Herzen ein- handlung, in der die moralische Erziehung des Land-
zuflößen« (S. 38). Bei der Sittenlehre komme alles volks als der Ausgangspunkt einer sittlichen Besserung
darauf an, das Herz zu rühren, denn >>Unsere der ganzen Gesellschaft ausgegeben wird.
Empfindungen allein sind die unmittelbaren In der Rahmenhandlung des Katechismus selbst
Quellen aller unserer Handlungen [ ... ]« (S. 45). tritt der Verfasser nicht mehr auf; es werden nur die
Schlosser lehnt deshalb die »Methode der Fragen Darlegungen des alten Verwalters wiedergegeben. Im
und Antworten« ab, weil es nicht darum gehe, das einleitenden Passus tritt das Motiv des bevorstehenden
»Gedächtnis mit Begriffen« zu füllen (ebd.). Der Todes des greisen Lehrers auf, wodurch die Mitteilung
Lehrer müsse stattdessen den Kindern »die Leh- den eindringlichen Charakter eines Vermächtnisses er-
langt. Eindringlichkeit gewinnen die Darlegungen zu-
ren der Tugend mehr wie ein Freund, der sich mit
dem durch die ständig wiederholte direkte Anrede der
ihnen unterredet, als wie ein Lehrer, von welchem Kinder. Die entwickelten Lehren werden durch eine
sie etwas lernen sollen, beyzubringen suchen« große Zahl von eingestreuten Exempeln und Beispielge-
(S. 38). Bei dieser freundschaftlichen Unterre- schichten veranschaulicht, die aus dem ländlichen und
dung komme es nicht auf eine ausgeklügelte Rhe- dörflichen Anschauungsbereich der Kinder genommen
torik an; der Vortrag müsse vielmehr schlicht und sind. Allerdings gewinnen die Beispielgeschichten kei-
einfach, der Ausdruck ungekünstelt, die Begriffe ne epische Eigenständigkeil; sie werden knapp und oh-
leicht und die Beweise sinnlich sein (S. 10). Nur ne erzählerische Ausgestaltung geboten und aus dem
durch eine solche Lehrart könne »die Tugend den traktathaften Diskurs nicht herausgelöst.
Menschen interessant und liebenswürdig ge- Thematisch läßt der Katechismuseine Anordnung
macht [ ... ] und unauslöschlich in ihre Herzen in aufsteigender Linie erkennen: Er setzt an mit den
Ptlichten gegen den Körper und die Seele, enthält einen
eingeschrieben werden« (S. 9).
umfangreichen Mittelteil über die Ptlichten gegen die
Die umfangreiche Einleitung ist mehr als ein Vor- Gesellschaft, die Obrigkeiten und die Mitmenschen
wort, in dem der Verfasser seine Absicht bekundet; sie und endet mit einem Ausblick in die Religion in Ab-
breitet in einer ausführlichen Erzählung die Rahmen- schnitten über Gott und die Unsterblichkeit der Seele.
handlung aus, in die die sittliche Unterweisung des Ka- Der erste Abschnitt über die körperlichen Ptlichten
techismus eingelassen ist, und hat damit selbst schon fik- (S. 55-66) spricht folgende Themen an: Gesundheit,
tiven Charakter: Der Verfasser besucht ein Landgut und Arbeitsamkeit, Müßiggang, Vergnügen, Trunksucht
findet dort ein Leben unter den einfachen Bauern vor, und Reinlichkeit. In den Absätzen über die seelischen
das an »Einfalt der Sitten«, an »Unschuld« und Ptlichten (S. 66- 71) wird gehandelt von der Vernunft,
»Rechtschaffenheit« den »schwärmerischen Beschrei- von der Erfahrung, von dem Erfahrungsschatz, den die
bungen des Landlebens« der Dichter in nichts nach- Alten angesammelt haben, von dem Nutzen des Lesens
steht. Da er nicht glaubt, daß die Natur allein sich »ohne und des Schreibens. An dieser Stelle werden der intel-
allen Beystand der Kunst zu einem solchen Grad der lektuellen Bildung der Landkinder deutliche Grenzen
Vollkommenheit und Schönheit erheben« könnte (S. 6), gesetzt: »Ihr seyd auf der Welt das Feld zu bebauen,
sucht er nach dem Urheber dieser ländlichen Idylle und und eure Haushaltung in Ordnung zu halten. Dadurch
findet diesen in der Gestalt eines alten Verwalters, der werdet ihr am glücklichsten; denn dadurch erhaltet ihr
sich durch eine »geläuterte und von Vorortheilen freye- euch beym Leben. [ ... ]Sucht nicht mehr zu wissen, Kin-
re Denkungsart, Kenntnisse in der Weltweisheit, den der, als ihr braucht, um als redliche Bauern glücklich zu
schönen Wissenschaften« etc. auszeichnet, eine »feine- seyn.« (S. 70) Unter dem Stichwort »Pilichten gegen
re Erziehung« und eine Jugend verrät, »die nicht unter das Vermögen« wird eine kurze Haushaltslehre einge-
dem Schweis der ländlichen Arbeit zugebracht worden schoben (S. 71- 77) und über Vorratshaltung, Nachbar-
war« (S. 7). Ihn trifft der Verfasser bei regelmäßig statt- schaftshilfe, Sparsamkeit und Geiz und von Armen und
findenden Unterredungen mit einigen Kindern des Reichen gesprochen.
Dorfes an, die einen außerordentlichen Eindruck hin- Der umfangreiche Abschnitt über die »Gesell-
terlassen. Der Verfasser beschließt, an den Unterredun- schaftspflichten« (S. 77 -115) beginnt mit einer Erzäh-
gen teilzunehmen und diese aufzuzeichnen. Aus diesen lung über den »Ursprung der bürgerlichen Gesell-
Aufzeichnungen sei schließlich der Katechismus zu- schaft«. Der vorstaatliche Zustand sei, so heißt es,
sammengestellt worden. durch Not, Raub und Unsicherheit gekennzeichnet ge-
Darüber hinaus läßt der Verfasser sich in ein aus- wesen, wobei die Bedrohung von »dummen, bösen
führliches Gespräch mit dem Verwalter ein. Dieser ver- Menschen« ausgegangen sei. Die guten Menschen hät-
teidigt zunächst die Möglichkeit und die Notwendigkeit ten sich zusammengeschlossen und jemanden be-
einer moralischen Erziehung aller Menschen, auch des stimmt, sie gegen äußere Feinde zu schützen. Doch bald
Landvolkes, und schildert dann die Geschichte der von sei Zwietracht unter ihnen ausgebrochen, was wieder-
ihm in Gang gesetzten »Sittenverbesserung« auf dem um Gerichte und Gesetze notwendig gemacht habe. In
Landgut und dem Dorf. Hierbei legt er seine Einfluß- Anlehnung an neuzeitliche Vertragstheorien werden
nahme auf die Erwachsenen dar, beschreibt den morali- derart die Entstehung des Königtums, des Gerichtswe-
schen Kinderunterricht und endigt mit einer Erörterung sens, der Gesetze, der Obrigkeit, des Abgabenwesens
539 Moralisch belehrende Schriften 540

und des Soldatenturns erklärt und diese zugleich als In- Pflichten gegen die »häuslichen Gesellschaften«
stitutionen legitimiert. Hervorzuheben ist hier, daß (S. 111 ff.), gegen die Armen und gegen das Vieh. Die
Schlosser auf eine religiöse Rechtfertigung politischer Sittenlehre wird abgeschlossen durch eine Betrachtung
Institutionen und Herrschaftsverhältnisse ganz und gar über die »Glückseligkeit des Landlebens« (S.
verzichtet; den Bezugspunkt geben allein das Eigenin- 115-124), die in einer Apotheose des Bauernstandes
teresse und die Sicherheit der Individuen und ihres Be- gipfelt:»[ ... ] unter allen nutzt keiner so viel, als der Eu-
sitzstandes ab. re, ist keiner so glücklich, keiner so sicher, keiner so frey,
Die starke Betonung der Sicherheit führt Schlos- keiner so angenehm« (S. 124).
ser im folgenden Abschnitt über die »Pflichten gegen Die Schlußkapitel über das Gewissen und die Re-
die Obern« (S. 84-90) dazu, eine unbedingte Gehor- ligion führen über den Rahmen der elementaren Sitten-
samspflicht aufzustellen, die jegliches Widerstands- lehre hinaus und sollen zum Religionsunterricht über-
recht auf Seiten des Untertans ausschließt. Keine Herr- leiten. Überschritten wird auch das Prinzip der streng
schaft kann für Schlosser so schlimm sein, daß sie nicht utilitaristischen Begründung der Pflichten, indem das
doch noch besser wäre als die Anarchie. Die Aufforde- gute und ruhige Gewissen als die »schätzbarste« von al-
rung zu unbedingtem Gehorsam mündet schließlich in len zu erstrebenden Glückseligkeiten ausgewiesen wird
eine politische Unmündigkeitserklärung: »Laßt euch (S. 125). Im Religionsabschnitt spricht Schlosser von
nicht von denen verführen, die immer über den König dem höheren Unglück und Elend, deren Abwendung in
und die Gesetze klagen. Ihr wisset nur soviel, daß es niemandes Macht liegt, um sodann Gott als den höch-
euch hauptsächlich glücklich macht, wenn die Gesell- sten Garanten der Glückseligkeit des Menschen einzu-
schaft, worinnen ihr stehet, glücklich ist. Wodurch die führen. Allein mit Gottvertrauen lasse sich Unglück er-
Gesellschaft glücklich wird, das wisset ihr nicht; das tragen, und auch im größten Elend fände der Mensch
müsst ihr also denen überlassen, die es wissen, und die Trost in der Aussicht auf ein Fortleben der Seele nach
dazu bestellt sind es euch zu sagen.« (ebd.). dem Tode.
Im folgenden Abschnitt über »besondere Gesell-
Es ist die Absicht Schlossers, mit diesem
schaftspflichten« (S. 90-104) wird von Themen wie
Todschlag, Diebstahl, Betrug, Geldleihen und Zinsen Werk einen Beitrag zum Problem der Aufklärung
gehandelt, wobei am Schluß die »Hofdienste« und die und Sittenverbesserung nicht nur des Landvolks,
feudale Abhängigkeit der Bauern zur Sprache kommen sondern der Menschen schlechthin zu liefern; das
(S. 102ff.). Auch hier wird von einer unbedingten Ge- Landvolk und seine Kinder werden nur deshalb
horsamspflicht gegen den »Junker« ausgegangen. Die zum speziellen Adressaten, weil Schlosser in ih-
sich anschließenden Absätze handeln von den »Pflich- nen den gesellschaftlichen Stand erblickt, an dem
ten der Geselligkeit« (Dienstfertigkeit, Unfreundlich- ein solcher Aufklärungsprozeß anzusetzen und zu
keit, Neid, Zorn, Unversöhnlichkeit etc.), dann von den beginnen hat. Das Problem wird in seiner Allge-
meinheit zu Beginn der Unterhaltung zwischen
dem Verfasser und dem alten Verwalter formu-
liert: Es geht um die Frage, »ob es möglich wäre,
die Menschen rechtschaffen zu machen, und ob
es wirklich ein Glück wäre, wenn alle Menschen
tugendhaft lebten« (S. 12). Der Verwalter antwor-
tet auf diese Frage mit einer Polemik gegen Man-
deville und die Ansicht, daß die privaten Laster
sich zum Wohle des Staates ausschlügen. »Die
Politick darf nie der Tugend überhaupt, dieser
Fertigkeit, sein wahres Glück zu befördern, entge-
gen seyn« (S. 14). DerVerfasserläßt sich von dem
»brennenden Wunsch einer allgemeinen Aus-
breitung der Tugend« anstecken, zweifelt aber,
ob dies auch für das »rohe Volk« und seine »so
verdorbene menschliche Natur« Gültigkeit habe
(S. 22). Der Verwalter legt hierauf die Geschichte
seiner »Sittenverbesserung« dar, die er vor 30
Jahren begonnen hat und deren Erfolg er als ei-
nen Beweis dafür ansieht, daß auch das Landvolk
einer moralischen Besserung fähig sei.
Der Verfasser geht schließlich im Anschluß
an die Darlegungen des Verwalters einen Schritt
weiter: Er ist nun nicht nur davon überzeugt, daß
eine moralische Erziehung des Landvolkes mög-
lich ist; er gehtjetzt sogar davon aus, daß die Sit-
tenverbesserung der Menschheit schlechthin hier
anzusetzen hat: »Auf dem Lande ist das Leben
Johann Georg Schlosser (J 739-1799). Kupfer- einfacher, die Pflichten leichter, die Verführun-
stich von C. W. Bock nach Becher gen geringer, und- darf ich es sagen?- die Ver-
541 v. Schönberg, Zierde der Jugend, 1771 542

nunft und die Denkungsart natürlicher. Da muß Landvolk, nebst moralischen Regeln zur feinem Bildung
also die Sittenverbesserung auch am leichtesten desselben. Der anonyme Verfasser wendet sich gegen
seyn.« Von diesem Punkt aus müsse sich die Tu- Schlossers rein weltlich-natürliche Anlage der Moral-
gend stufenweise ausbreiten: »Wenn der Land- lehre. Ihm ist Schlosser einer >>von den neumodischen
Sittenlehrern, welche die christliche Moral in die heidni-
mann einmal vernünftig und tugendhaft gemacht sche verwandeln, dessen Katechismus die Menschen
worden ist, so schämt sich vielleicht der Junker, bloß äußerlich zu ehrbaren Menschen macht, aber nicht
dümmer zu seyn als er; dann schämen sich die zu Jesu führt und daher die Tugend sowohl verstüm-
Stadtleute vor dem Dorfjunker; und der Hof- melt, als aus falschen und unzulänglichen Bewegungs-
mann vor den Stadtleuten [ ... ]« (ebd.) Rückbezo- gründen lehrt« (zit. n. Nicolovius, S. 24). -J. H. Campes
gen wird dieser Aufklärungsprozeß auf das Wohl Sittenbüchlein fiir Kinder aus gesitteten Ständen ( 1777)
der Regenten, die, insofern sie aufgeklärte Mo- ist eine Umarbeitung des vorliegenden Katechismus für
narchen sind, in der Tugend die »sicherste Stüt- Kinder des gehobenen städtischen Bürgertums. E.
ze« ihres Thrones finden: »[ ... ] sie wird euch zu
Herren der Herzen machen, sie wird euer Anden-
ken bey unsern Enkeln verewigen. Sie allein
macht euch groß und glücklich!« (S. 52f.). Der 1771
Rekurs auf den aufgeklärten Monarchen sorgt Matthias von Schönberg (1734-1792):
denn auch allein dafür, daß der in der Einleitung Die Zierde der Jugend.
entworfene Aufklärungsprozeß nicht in einem
Widerspruch steht zu der im Katechismus vertre- München 1771
tenen unbedingten Gehorsamspflicht der Unter-
tanen und der Ablehnungjeglichen Widerstands- Die Sitten- und Anstandsschrift wendet sich an
rechtes. katholische Jungen und Mädchen, ohne daß die-
Die Wahl des Landvolks als des ersten ser Adressatenkreis hinsichtlich seiner Alters-
Adressaten einer Sittenverbesserung geht auf eine struktur oder seiner sozialen Stellung näher einge-
Sicht des Landlebens zurück, die unverkennbar grenzt wird. Nur der Vernunft und der Heiligen
von kulturkritischen Elementen Rousseauscher Schrift verpflichtet (S. 188, Anmerkung), zielt die
Prägung durchsetzt ist und eine Nähe zum Abhandlung auf die »Bewahrung jugendlicher
»Sturm und Drang« verrät. Doch der Urheber Unschuld« (Widmung). >>Rechtschaffenheit, ju-
der von ihm geschilderten kindlichen Idylle ge- gendliche Sittsamkeit, gesunde Vaterlandswün-
hört nicht dem Landleben zu: Der Verwalter ist sche, Tauben-Unschuld, teutsche Jugendzierde,
Aufklärer und Philosoph, Kenner der Wissen- reine Liebe, und liebevolle Reinigkeit, dieß ist
schaften und Sprachen, der ausdrücklich eine der Stoff, dieß ist die Absicht dieses Werkchens«
»feinere Erziehung« erfahren und seine Jugend (S. 16). Die Lektüre wird auch den Eltern und
»nicht unter dem Schweis der ländlichen Arbeit »Lehrmeistern« empfohlen (S. 13 f.).
zugebracht« hat (S. 7). Er gehört zu den »gebilde- Ausführlich begründet Schönberg die »nach
ten Menschen« und den »Stadtleuten« und ver- dem Geschmacke der Jugend« (Vorerinnerung)
körpert den entwickelten Zustand von Kultur und ausgerichtete Sprachauswahl, die er getroffen ha-
Kunst. Der Ort aber, an dem diese Kultur sich ent- be. »Zur Schilderung, und zur Verabscheuung
wickelt hat, die Höfe und die Städte lassen eine des Lasters, wie die Schwärze zum schwarz ma-
Verwirklichung der Tugend nicht zu und kennen len, ganz unentbehrlich« (S. 9/10), sei manch
allenfalls einen »geringen Schein von Tugend« scharfer Ausdruck zweckmäßig gewesen. Dabei
(S. 6). Das Land wiederum und das »rohe Volk« beruft sich Schönberg vor allem auf die Bibel: Sie
vermögen nicht von sich aus zu sittlicher Voll- »zeigt uns eine Menge solcher Beyspiele, eine
kommenheit zu gelangen und müssen ohne Bei- Menge der schärfsten Ausdrücke, mit welcher
stand von außen auf dem »niedrigsten Stande« Gott, und der Sohn Gottes wider das Laster sich
verharren. Wie das Landvolk für Schlosser eines erklären« (S. l 0). Zum Beleg dieser wie auch aller
aufgeklärten Sittenlehrers bedarf, so ist umge- anderen im Text enthaltenen Thesen und Beleh-
kehrt der Aufklärer auf das Land und seine einfa- rungen werden jeweils sämtlich in Frage kom-
chen Menschen verwiesen. Nicht an Stadt und menden Bibelstellen in lateinischer Sprache zi-
Hof, sondern nur auf dem Land vermag er seine tiert. Sofern die Heilige Schrift die für die Argu-
Tugendvorstellung auszubreiten, denn hier mentation wichtigen Belege nicht enthält (wie
herrscht statt Entartung Simplizität des Gefühls zum Beispiel an jenen Stellen, wo von der Onanie
und Natürlichkeit der Vernunft und Denkungsart die Rede ist), greift Schönberg auch auf von ihm
(S. 52). Hierin ist denn auch der Grund dafür zu ausdrücklich vermerkte »heydnische Beispiele«
finden, daß Schlosser einen Katechismus für das oder die Autorität bekannter >>Unkatholischer«
Landvolk verfaßt. historischer Gestalten oder Zeitgenossen (Tissot)
zurück.
Nach Nicolovius ( 1844) ist zum vorliegenden
Werk 1772 in Leipzig ein Gegenstück erschienen: Prak- Der durchgehend mit Randleisten versehene
tischer Katechismus zur christlichen Sittenlehre fiir das Prachtausgabe ist ein von C. Winck ( 1738- 1797) ge-
543 Moralisch belehrende Schriften 544

zeichneterund von J.M. Söckler (1744-1781) gesto- heit die erste wichtigste Tugend überhaupt sei. Keusch-
chener Kupfertitel beigegeben, der auf einem Spruch- heit versteht Schönberg dabei als eine Tugend, die glei-
band die Inschrift trägt: »Decor omnis ab intus- Von chermaßen sich auf Körper und Seele bezieht. In Para-
innen die Zierde«. Das Frontispiz zeigt einen keuschen, graph 2 wird der Keuschheit ein direkter Einfluß auch
über einen vom Tode bereits hinweggerafften lasterhaf- auf die äußere Schönheit zugeschrieben, überdies gilt
ten triumphierenden Jüngling, dem die über ihm schwe- die Keuschheit »als der erste, und nothwendigste
bende Ehrenkrone mit Aufschrift »Dem der sieget« ge- Grund zu allem Guten«. Diese These sucht Schönberg
bührt. Zwei über der oberen Randleiste befindliche am Beispiel der Geschichte »des unschuldigen Joseph«
Spruchbänder tragen die Aufschrift »Vom Baume des (S. 45 ff.) zu erhärten, derihm als Idealfigur dient: »Ein
Lebens« (Offenbarung 2,7) sowie» Vom Wein der Jung- so reines Herz, welches der weichen Sinnlichkeit und
frau« (Sacharja 9, 17). In die untere Randleiste ist ein- der tyrannischen Liebesneigung schon frühzeitig und
graviert: »Anima! anima duae sunt res. Der Geist und vollkommen Meister zu seyn gelernet hat, so ein Herz
das Thier, der Stall und der Himmel: Es ist doch ein Un- genießt hievon stäts eine süßeste Ruhe; und diese Ruhe
terschied-?«. Ein dem Kupfertitel nachfolgendes De- ist es, die den Verstand sowohl, als den Willen zu allen
dikationskupfer widmet die Schrift Hieronymus, dem schönen Uebungen des jungen Alters nur desto aufge-
Erzbischof zu Salzburg. Der Widmung ist eine reich ver- klärter, geneigter und tüchtiger machet« (S. 52/53).
zierte Vignette vorangestellt, die wie schon beim Fronti- Wer keusch bleibe, der werde nicht allein den Engeln
spiz mit Bibelzitaten wesentliche Aussagen der Schrift ähnlich werden können (Paragraph 5, S. 57), sondern
Schönbergs thematisiert. In Anspielung auf die vor dem auch den Helden gleich (Paragraph 6, S. 65-84). Zum
Laster der Unkeuschheit zu bewahrenden Jugendlichen Beleg der letzteren These führt Schönberg die Beispiele
heißt es »Ich verfolgte sie und riß ihnen den Raub aus zahlreicher historischer, zumeist antiker Gestalten an,
dem Rachen« (Sam. 17,35) und >>Der Hirtenfürst- Für die- obwohl heidnisch- zum Vorbild dienen könnten.
seine Schafe« (Joh. I 0,11). Die Dachzeile »Pastor, Prin- Mit heroischer Standhaftigkeit hätten alle diese Helden
ceps« gemahnt an Gott als den Herrn und Schöpfer. »ihre äußerlichen Sinne und angebohrene Neigung zur
Das Werk ist in drei Hauptteile untergliedert, von Lust« (S. 72) beherrscht. Als »Großthat der Keusch-
denen Teil I (S. 17- 84) 6 Paragraphen, Teil 2 (S. heitsliebe« wird eine Episode aus dem Leben » Nicatas,
85-212) 4 Paragraphen und Teil3 (S. 213-276) ebenso ein[es] Blutzeug[en] und herrliche[n] Kämpfer[s] für die
4 Paragraphen enthält. Ein »Beschluß« (S. 277 -287) Reinigkeit« (S. 76 f.) geschildert, in der sich der jugend-
gibt auf knappem Raum eine Zusammenfassung der liche Held in Ermangelung von Wurfgeschossen »sich
vorherigen Ausführungen und fordert zur eindringli- selbsten die Zähne aus[ge]schlagen, und solche auf den
chen Befolgung der aufgestellten Regeln zur »Bewah- [unkeuschen, die Red.] Feind losgeschossen habe« (S.
rung der Keuschheit« auf. Jedem derinsgesamt 14 Para- 76). Ähnliche Beispielgeschichten führt Schönberg
graphen ist eine Vignette angefügt, die das Thema der je- auch für das »schwächere Geschlecht« an. Dabei han-
weils vorstehenden Ausführungen in ihrem Kern auf- delt es sich zumeist um »Jungfrauen, die lieber ihr
greift und bildlich verdeutlicht. Im Anschluß an den Pa- jugendliches Leben als ihre Keuschheit verlohren«
ragraphen 5 (»Die Keuschheit macht junge Leute den (S. 79).
Engeln gleich«) zeigt die Vignette auf Seite 64 den zuvor Teil2 (S. 85-212) handelt von der »gräßliche[n]
erwähnten »jungen Tobias« (S. 60) auf einer Reise in Verderbniß, wohin die Unzucht verleitet, wovon die Tu-
Begleitung eines Engels, das besiegte Ungeheuer der gend den Keuschen bewahret« (S. 83/84). Paragraph I
Lasterhaftigkeit unter dem Arm tragend. Bisweilen wer- (S. 86- 96) nennt einige » Hauptquellen des Verderbnis-
den auch die biblischen Beispielgeschichten, die zur ses«: »Nur desto schöner wird diese Engelzierde sich
Nachahmung mahnen, thematisiert. So stellt die Vignet- auszeichnen, wenn wir den gegenseitigen Schatten von
te zum Paragraphen 6 (»Die Keuschheit machet junge jener Seite, wo es uns heilsam seyn kann, noch näher be-
Leute auch den Helden gleich«) auf Seite 84 die bibli- trachten« (S. 92). Paragraph 2 bemüht sich um den
sche Geschichte von Judith dar (Jud. 13), die Holofer- Nachweis, wie »dieß Laster den Verstand auf die
nes enthauptet: triumphierend hält Judith den vom schlimmste Weise blendet« (S. 97). Plato und Seneca,
Körper abgetrennten Kopf des Holofernes beim Schop- die Apostel Thomas und Johannes und auch die heidni-
fe. Die Unterschrift zu dieser Szene lautet: »Die siegen- schen Sibillen wären nie »schimmernde Lichter am Fir-
de Keuschheit über den unkeuschen Helden«. mamente der Wissenschaften geworden [ ... ], wenn sie
Teil I handelt von der Keuschheitstugend im jun- nicht schon in ihrer Jugend so keusche gewesen wären«.
gen Alter und enthält im ersten Paragraphen eine Defi- Unter Berufung auf die beiden Mediziner Tissot und
nition dessen, was unter keusch zu verstehen sei: Boerhave wird die Wollust als das schädlichste Gift für
»Keusch seyn heißt nach der Lehre des englischen Tho- den Verstand bezeichnet. Dem Wollüstigen wird nurso-
mas [ ... ] so viel, als, die unordentliche Begierde des viel Verstandeskraft zugeschrieben, wie dieser für die
Fleisches mit der Vernunft bezäumen, dergestalt, daß Ausübung seiner Laster benötige. Die folgenden 3 Para-
man diesem zu Folge Erstens, keinen dergleichen unor- graphen behandeln jeweils die Auswirkungen der La-
dentlichen Wollust genieße, und nach keinem verlange; sterhaftigkeit auf den menschlichen Willen (S.
2tens, Daß man in Geberden, Worten und Gedanken 123-148), auf die »Lebensverbesserung in späteren
sich allzeit züchtig und ehrbar verhalte und 3tens, Daß Jahren« (S. 149-167) und schließlich den »künftigen
man allen fleischlichen Vorwitz, der das Herz zur sünd- Glücksstand ihrer zeitlichen Güte« (S. 168- 212).
haften Lust verleiten könne, standhaft überwinde; weil Im 3. Teil stellt Schönberg die Mittel zur »standes-
so eine unordentliche Leidenschaft der standmäßigen mäßigen Reinigkeit« (S. 213-287) vor. Als das »kräf-
Ehrbarkeit, und eben darum auch der Vernunft und tigste und sicherste Heilmittel wider alle Gattung der
dem Gesetze Gottes allzeit zuwider ist« (S. 17 /18). Die Anfechtungen, benanntlieh des Wollustes« (S. 220)
nachfolgenden Paragraphen bemühen sich um eine wird die Zunwendung zu Jesus Christus bezeichnet:
Konkretisierung sowie den Nachweis, daß die Keusch- >>Ein einziger Blick seiner keuschesten Augen tödtet alle
545 v. Schönberg, Zierde der Jugend, 1778 546

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Schönberg, Matthias von: Die Zierde der Jugend.- München 1778 (Nr. 814). Kupfertitel von J. M.
Säckler nach Winck, Kupferstich-Frontispiz

Unkeusche Anmuthung« (S. 222). Ausführlich stellt thodisch hauptsächlich durch Abschreckung wir-
Schönberg im Anschluß »die Muster einiger Vorurthei- ken wollen. So erklärt sich auch die bereits in der
le« vor, mit denen die Anhänger der Wollust und der Einleitung angekündigte mitunter äußerst drasti-
»fleischlichen Begierden« ihr Tun zu bemänteln und zu sche WortwahL So werden vermeintlich lasterhaf-
rechtfertigen trachteten (S. 226-236). Insgesamt 14 te und unkeusche Jugendliche als »geile Böcke«,
Denksprüche (S. 237 -242) sollen es den jugendlichen
Lesern erleichtern, sofern sie schon vom Laster der Un-
Satyren und Centauren, »falschschleichende
keuschheit befallen seien, sich »vom Sklavenjoche des Meerkatzen in Menschengesichtern« mit »un-
Wollustes« wieder loszureißen. Im Vordergrund stehen keuschen Thierherzen« (S. 280) bezeichnet. Bis-
als die hauptsächlichen »Heilmittel« erneut die Befol- weilen äußert Schönberg gar Bedenken, ob jene
gung der in der Heiligen Schrift gegebenen Anweisun- »geilen Böcke mit Menschenkopf« (S. 141) über-
gen sowie Gebete: »Der Glaub giebt uns eine vollkom- haupt der Gattung Mensch zuzurechnen seien.
mene Sicherheit« (S. 248). Wer dem zuwiderhandele, Was indessen unter Unkeuschheit im einzelnen
dem sei der Untergang gewiß. verstanden werden soll wird an keiner Stelle des
Nach Schönberg stellt die jugendliche Textes angesprochen. Aus dem Kontext heraus
Keuschheit die Quelle der Ehren und die Mutter läßt sich jedoch schließen, daß Sexualität im wei-
aller Tugenden dar (S. 87). Wer sich nicht bereits testen Sinn gemeint ist sowie all das, was »aus der
in der Jugend an ein keusches Leben gewöhne Befriedigung der Sinne entspringt« (S. 124), von
und den Nutzen anerkenne, der sei für sein ge- Schönberg auch als »Glückseligkeit des Viehes«
samtes Leben verloren. Um seinjugendliches Le- (ebd.) bezeichnet. Daß in einigen Passagen von
sepublikum von dieser Kernaussage einer als spe- der Masturbation bei Jugendlichen die Rede ist,
zifisch-katholisch propagierten Lebensweise zu wenn Schönberg von »Laster der Unkeuschheit«
überzeugen, greift Schönberg zu mehreren Argu- spricht, läßt sich allenfalls aus den immer dann
mentationsmustern, die teils biblischen Beispiel- auftauchenden Hinweisen auf Tissot schließen
geschichten, teils den Schriften anerkannter wis- (vgl. S. 193). Verboten ist nach Schönberg alles,
senschaftlicher Autoritäten entlehnt sind und me- was unter dem Stichwort »Sinnlichkeit« (S. 224)
547 Moralisch belehrende Schriften 548

zusammengefaßt werden kann, und keines der eines umfassenden Tabukomplexes, der für die
von ihm selbst vorgeführten Argumente zur Verbürgerlichung der Gesellschaft charakteri-
Rechtfertigung (»Muster einiger Vorurtheile«, stisch sei. Insofern paßt sich der Schönbergsehe
S. 226 ff.) läßt er gelten, ohne dafür freilich über- Text mehr dem zeitgenössischen Standard an, als
zeugende Beweise vorbringen zu können. Nur ein daß er eigenständige Moralauffassungen enthält.
Lästermaul oder der Teufel, der Schönberg als Von unsachlichen und emotionell aufgeladenen
Vater aller Wollüstlinge gilt, könne mit Hinweis Argumenten bis zur rigiden Beispielsetzung (sen-
auf die dem Menschen angeborene Lust argu- sationelle Krankheiten als angebliche Folge der
mentieren. Wie weit die sprachliche Tabuisierung Unkeuschheit) ist sein Text seinen Vorgängern
auch hier geht, wird allein daran deutlich, daß die verpflichtet. Parallel zu der zu seiner Zeit stets an-
sexuelle Handlung, die verdammt werden soll, wachsenden Literatur zur Masturbation und im-
bedeutungsvoll durch einen Gedankenstrich be- mer eindringlicheren Warnungen vor diesem
zeichnet wird: »Du sollst nicht - ist gewiß; und »schleichenden Laster« hat sich auch Schönberg
zwar ohne Ausnahm der Person« (S. 226). Nach nochmals in dieser Frage zu Wort gemeldet. In
einem ähnlichen Musterverfährt Schönberg auch seinen 1777 erschienenen Freundschaftlichen Er-
bei der Zurückweisung der anderen »Vorurthei- innerungen an einen jungen Menschen, der itzt in
le«. Hinweise wie »andere thun auch sm< (S. 231) die große Welt geht wiederholte Schönberg seine
oder »was ich sündige, dieß ersetze ich dort durch Warnungen zur Bewahrung jugendlicher
andere gute Werke« (S. 234) und »ich kann mich Keuschheit, wozu ein »heiligster Krieg« (S. 13)
wieder bessern« (S. 23 5) werden jeweils kurz ab- geführt werden müsse. K.
getan mit Sätzen wie: »Wie viele Falschheiten auf
einmal in einem Lastemeste beysammen!« (ebd.)
und ergänzt durch Bibelzitate, die an ein keusches
und ehrbares Leben gemahnen. So wenig konkret 1774
Schönberg bei der Beschreibung alles Unkeu-
schen bleibt, so anschaulich geratenjene Teile, in Christian Gottlieb Steinberg (1 738-1781):
denen er Ratschläge zur Bekämpfung und Unter- Sittenlehre for Junge Frauenzimmer.
drückung alles Lasterhaften erteilt (S. 261-276). Breslau und Leipzig 1774
Im Detail wird so etwa im Paragraph 6 (»Züchtige
deinen Leib«) angewiesen, wie die Selbstbestra- Der Autor wendet sich mit seiner Schrift an »jun-
fung zu erfolgen habe: »mit bescheidenen Strei- ge Frauenzimmer«, und zwar an junge, noch
chen« dem Körper nämlich »nach Größe derbe- nicht verheiratete Mädchen, die kurz vor ihrem
gangenen Fehler« Schmerzen zuzufügen (S. 266). Eintritt »in die große Welt« stehen (S. 69, 94). Aus
Nicht allein die Apostel seien so schon verfahren dem Inhalt läßt sich schließen, daß Leserinnen
(»Tödtet eure körperlichen Sinne ab«), »selbst aus dem gehobenen Bürgertum, möglicherweise
Weltmänner und Fürsten« hätten es auf diese auch aus dem Adel angesprochen werden (vgl.
Weise gemacht. Dies sei immerhin leichter zu er- s. 64).
tragen als unvorstellbare Höllenqualen bis in alle Der Autor spricht seine Leserinnen in der
Ewigkeit. Widmung und in der Vorrede als »Freundinnen«
Was in dem Schönbergsehen Text an moral- an, denen er das vorliegende Buch als ein »kleines
theologischen Auffassungen der katholischen Geschenk« zugedacht hat, das ihnen, wie er hofft,
Kirche in Hinsicht auf die Sexualität der Jugend »angenehm« sein werde. Sich selbst stellt der Au-
ausgebreitet ist, unterscheidet sich nur wenig von tor als wohlmeinenden und uneigennützigen vä-
thematisch vergleichbaren Abhandlungen nicht- terlichen Freund dar, der allein um die Glückse-
katholischer Autoren. Die zeremonielle Weihe ligkeit seiner Leserinnen bemüht ist; er werde sich
und das antisexuelle Beschwörungsritual finden hinlänglich belohnt fühlen, wenn sie ihm die
sich ähnlich auch bei den Philanthropen, prote- »Freude« machten, seine Anleitungen zu beher-
stantischen oder gar antiklerikal eingestellten Au- zigen. In der Rahmenhandlung werden ähnliche
toren. Ausführlich hat van Ussel (1977) nachge- Intentionen wie in der Vorrede ausgesprochen.
wiesen, daß sich die sexuellen Weltvorstellungen Als Begründung für die Einkleidung der Sitten-
der katholischen Kirche im 18. Jahrhundert nicht lehre in die »Form der Unterredung« (»Vor6e-
wesentlich von den herrschenden zeitgenössi- richt«) gibt der Autor an, er habe dadurch »das
schen Vorstellungen unterscheiden. Elias (1978) Trockne im Vortrage« zu umgehen versucht.
hat überdies festgestellt, daß das antisexuelle Syn-
drom, wie es sich im 18. Jahrhundert ausbildet, Der Hauptteil des Werkes handelt in jeweils einem
Kapitel »Von den Pflichten gegen Gott« (S. 13-38),
keineswegs christlichen oder spezifisch katholi- »Von den Pflichten gegen Andre« (S. 39- 88) und» Von
schen Ursprungs ist. Ussel wie Elias deuten über- den Pflichten gegen sich selbst« (S. 89 -125). Die .Kapi-
einstimmend die in der zweiten Hälfte des 18. tel sind in Paragraphen untergliedert. Im I. Kapitel wird
Jahrhunderts formulierten sexuellen Wertvorstel- zunächst dargelegt, daß der Mensch auf zwei Wegen zur
lungen, die sich herausbildende Prüderie als Teil Erkenntnis Gottes gelangen kann: einmal durch die na-
549 Steinberg, Sittenlehre, 1774 550

türliehe Vernunft, zum andern durch die Schriften der suchen, weil sonst die Männer vermuten könnten, daß
göttlichen Offenbarung, nämlich die Bibel. Es sei tö- es keine gute Hausfrau, sondern eine Verschwenderin
richt, in den »Wahnsinn« der Naturalisten zu verfallen würde, die selbst von einem verschwenderischen Mann
und sich einzig und allein durch die Einsichten der na- nicht gern geheiratet würde; und es müsse ein ernstes
türlichen Vernunft belehren zu lassen. Die Vernunft und zugleich gefälliges Betragen zeigen und auch nur
selbst sage dem Menschen, daß man >>den kürzesten den Schein einer leichtsinnigen Aufführung vermeiden.
Weg« zur Erleuchtung unseres Verstandes wählen soll; Auch bei privaten Geselligkeiten hat das Mädchen be-
dieser aber sei die Bibel (S. 15). stimmte Regeln zu beachten. Für seinen Umgang mit
Anschließend wird in drei Beweisen die Verpflich- Frauen soll es sich nur tugendhafte Freundinnen aussu-
tung des Menschen, Gott zu verehren, dargelegt und die chen, die auch fähig sind zu lehrreicher Unterhaltung,
Verehrung Gottes als »höchste Vollkommenheit der und sich vor Verleumdungssucht hüten. In gemischten
menschlichen Seele« bezeichnet (S. 18). Daraus wieder- Gesellschaften, in denen auch Männer sind, soll es den
um werden die Pflichten des Menschen abgeleitet, unter Umgang mit älteren Männern bevorzugen und solchen
denen »alle frommen und rechtmäßigen Handlungen« jungen Männern gänzlich ausweichen, die ständig von
verstanden werden, >>welche mit den von Gott ertheilten Liebe redeten und seiner Schönheit schmeichelten; an-
Vorschriften übereinstimmen« (S. 19). Diese bestehen dererseits solle es aber nicht in den Fehler der Sprödig-
in der gründlichen Erkenntnis von Gott, der Beförde- keit verfallen und die »Mine einer Betschwester« an-
rung der Ehre Gottes und dem Gottesdienst. Zu letzte- nehmen (S. 86). Sowohl in einer reinen Frauengesell-
rem, der am ausführlichsten abgehandelt wird, gehören schaft wie im Umgang mit Männern wird die Kenntnis
religiöse Tugenden wie Liebe, Gottvertrauen, Dankbar- der »besten Schriftsteller unsers Vaterlandes« (S. 78) als
keit und Ergebung in Gottes Willen sowie häuslicher beste Voraussetzung für eine lehrreiche und vergnügte
und öffentlicher Gottesdienst, der nur mit höchster An- Unterhaltung angesehen. Freilich solle sich Lottchen
dacht zu verrichten ist. niemals vor anderen ihrer Belesenheit brüsten.
Das 2. Kapitel ist untergliedert in einen Abschnitt Das 3. Kapitel stellt dem Mädchen die Pflichten
»Von den Pflichten im häuslichen Stande« und einen vor, »die Ihre eigne Person angehen« (S. 89). Dazu ge-
zweiten Abschnitt >>Von den Pflichten im gesellschaftli- hören zunächst einmal die Ehrliebe, die bestimmt wird
chen Umgange«. Zu der ersten Gruppe werden die als Bestreben, bei allem, was man tut, darauf zu achten,
Pflichten gegenüber den Eltern, den Geschwistern, den ob es einem selbst zur Ehre oder zur Schande gereicht,
weiterstehenden Verwandten (auch den durch Heirat und die Liebe zur Tugend, die sich insbesondere in
hinzugekommenen) und den Dienstboten gerechnet. Keuschheit, Sittsamkeit und einer insgesamt eher zu-
Die Pflichten gegenüber den Eltern stehen an erster Stel- rückgezogenen häuslichen Lebensweise zeigt sowie in
le; am ausführlichsten werdenjedoch die Pflichten ge- der>> Bezähmung [ ... ]widriger Leidenschaften« (S. 93)
genüber den Dienstboten behandelt (S. 58-68). Das -Zorn, Neigung zu Zänkereien, mürrisches Wesen und
Mädchen solle ihnen »mit Sanftmuth und Liebe« be- eigensinnige Hartnäckigkeit. Hinsichtlich der Keusch-
gegnen, da auch sie Menschen seien und »menschliche heit wird gewarnt vor den »Schaaren verliebter Jünglin-
Empfindungen« hätten, und der Stand eines Dienstbo- ge«, die das Mädchen einmal umdrängen werden, vor
ten ohnehin »immer ein schwerer Stand« sei, der »Über allem vorMännernvornehmeren Standes, die es auf ih-
dieses mit vielen Mühseligkeiten und Beschwerlichkei- re Unschuld abgesehen haben (S. 94f.); außerdem wer-
ten verknüpft ist« (S. 58 f.). Der Abstand zu ihnen als den die schlimmen Folgen der verlorenen Unschuld
Untergebenen soll dennoch streng gewahrt werden. Da dargestellt.
Dienstboten eine mangelhafte Erziehung genossen hät- Zu den weiteren Pflichten des Mädchens gegen
ten und die>> Denkungsart« der meisten »pöbelhaft« sei sich selbst gehören wirtschaftlicher Fleiß, insbesondere
(S. 64), würde ein vertrauter Umgang mit ihnen negativ Sparsamkeit, Ordnung und Arbeitsamkeit, und die Aus-
auf das Mädchen selbst abfärben. bildung des Geistes, wozu religiöse Kenntnisse, Schrei-
In dem Abschnitt »Von den Pflichten im gesell- ben und Rechnen, eine gute Kenntnis des Deutschen so-
schaftlichen Umgange« wird dem Mädchen ausdrück- wie Zeichnen, Musizieren, Lesen von Dichtkunst und
lich das Recht zugestanden, an öffentlichen gesell- der Erwerb von historischen und geographischen
schaftlichen Ereignissen wie Spaziergängen, Bällen und Kenntnissen gerechnet werden. Sparsamkeit und Ord-
Schauspielen teilzunehmen bzw. sie zu besuchen. Die nung werden als »die Seele der ganzen Oekonomie« be-
Menschen seien »zu einem gesellschaftlichen Umgange zeichnet (S. 111 ). Ebenso sehr wird die Arbeitsamkeit
erschaffen« worden; »ohne diesen würde das menschli- gepriesen. Gleichzeitig wird jedoch betont, daß nie-
che Leben höchst traurig und überlästig seyn« (S. 69). mand von Lottchen verlange, daß sie wie eine Magd Kü-
Ein Spaziergang erheitert das Gemüt und gibt »Anlaß, chenarbeit verrichten solle; vielmehr solle sie sich mit
tausenderley fruchtbare Betrachtungen anzustellen« Nähen, Stricken und der Anfertigung ihres Putzes be-
(S. 71 ). >>Ein Ball schafft Ihrem Körper durch den Tanz schäftigen, wodurch sie viel Geld sparen könne. Der
Bewegung, und befördert Ihre Gesundheit« (S. 71 ). Das Wechsel der Mode wird in diesem Zusammenhang po-
Schauspiel schließlich verschaffe der Seele und den Sin- sitiv gesehen, sei das Mädchen auf diese Weise doch
nen »ein doppeltes Vergnügen«, indem man darin die ständig mit Arbeit beschäftigt (S. 115 f.).
Tugend schätzen und verehren und das Laster hassen In bezug auf die Schreib- und Rechenkunst wird
und vermeiden lerne (S. 71 ). darüber geklagt, daß die meisten Frauen beides zu sehr
Um als »artiges Frauenzimmer« zu erscheinen vernachlässigen und es für weit »schimpflicher« halten,
(S. 70), müsse das Mädchen bei dem Besuch öffentli- wenn ihnen ein Fehler in ihrem Putz vorgeworfen wird
cher Lustbarkeiten jedoch bestimmte Regeln beachten. als im Rechnen und Schreiben (S. 126). Bei der Pflege
Es dürfe nie allein, sondern immer in Begleitung ihrer der Muttersprache wird betont, daß es nicht genüge, sie
Mutter oder einer verheirateten Freundin daran teilneh- zu sprechen, sondern daß man sie auch regelmäßig
men; es solle solche Gesellschaften nicht zu häufig be- schreiben müsse. Das Erlernen der französischen Spra-
551 Moralisch belehrende Schriften 552

ehe wird nicht abgelehnt; aber es wird gefordert, daß Herrschaft des Mannes über die Frau nur indirekt
das »vornehmste Augenmerk« der deutschen Sprache angesprochen; thematisiert wird sie an keiner
zu gelten habe (S. 121 ), und die Mode des Französisch- Stelle. Die unterschiedliche Stellung der Ge-
sprechens kritisiert. Die Beschäftigung mit den »vor-
schlechter wird- als ein Unterschied der Standes-
trefflichen Dichtern unserer Nation« schließlich wird
empfohlen, weil diese >>ein sanftes Gefühl der Tugend pflichten- vielmehr als selbstverständlich voraus-
und der Menschenliebe in Ihr Herz einpflanzen wer- gesetzt; so heißt es zu Anfang lapidar, daß für
den« (S. 124). Bei der Lektüreauswahl solle sich das Mann und Frau, weil sie verschiedenen Ge-
Mädchen an ihren Lehrer wenden; er werde ihr sagen, schlechts sind, auch andere Pflichten gelten
was sie lesen und was sie nicht lesen soll. (>>Einleitung«). An einer anderen Stelle aller-
Der >Gebrauchstext< Sittenlehre wird von Stein- dings erscheinen die Pflichten nicht mehr als
berg mit einer Reihe literarisch-fiktionaler Elemente Standespflichten, sondern als von der Natur gege-
aufgeladen. Dies geschieht einmal durch die durchgän- bene weibliche Bestimmung, deretwegen die Frau
gige Form des (einseitigen)Dialogs, bei dem der sich als
väterlicher Freund ausgebende Sprecher Lottchen, die
mit »Talenten« ausgestattet ist (nämlich Klugheit
fiktive Leserin, insoweit miteinbezieht, als er hier und da in den kleinen häuslichen Dingen), die dem
mögliche Einwände und Fragen von ihrer Seite selbst männlichen Geschlecht »öfters« fehlen (S. 109).
nennt und auf sie eingeht. Diese wie auch andere For- Im Gegensatz zur philanthropischen Mäd-
men der Ausrichtung auf ein Gegenüber sind jedoch nur chenliteratur fehlt bei Steinberg die Polemik ge-
schwach ausgeprägt, so daß sich sagen läßt, daß die gen die weibliche Gelehrsamkeit und die Lese-
>>Form der Unterredung« nur auf einer sehr formalen wut. Die Ausbildung des Geistes »durch alle
Ebene umgesetzt ist. Kenntnisse und Wissenschaften« (S. 87), insbe-
Ein weiterer Ansatz der Literarisierung sind die sondere durch die Dichtkunst, wird noch nicht als
häufigen Schilderungen negativer und positiver Bei-
spielfiguren, die zur näheren Erläuterung oder Veran-
Gefahr für die Erfüllung der häuslichen Pflicht
schaulichung eingeblendet werden. So werden z. B. bei der Frau angesehen, sondern als wichtige Tugend
der Frage nach dem rechten Gottesdienst verschiedene eines »artigen« Frauenzimmers, durch die sie
Frauentypen als Negativfiguren vorgeführt- Julchen, sich positiv von Frauen unterscheidet, die nur
die den Gottesdienst besucht, um sich herausputzen zu über Putz und Dienstboten reden oder ihre Zeit
können und die Aufmerksamkeit der Männer auf sich beim Kartenspiel oder Würfeln zubringen. Diese
zu lenken, Rosinde, die mit ihrer Nachbarin klatscht, positive Einschätzung der Lektüre ist ein Merk-
und Beate, die >>Betschwester« (S. 36), die mit ihrer mal der moralischen Wochenschriften der ersten
Scheinheiligkeit Lobsprüche der anderen Menschen Hälfte des 18. Jahrhunderts wie auch der vorphil-
einheimsen will.
anthropischen Mädchenliteratur. Allerdings zeigt
Steinbergs Sittenlehre kennt die dreifache die besondere Wertschätzung der Dichtkunst be-
Bestimmung der Frau als Gattin, Hausfrau und reits die unter dem Einfluß der Empfindsamkeit
Mutter, wie sie Campe seinem Väterlichen Rath sich vollziehende Einengung der von der Frau zu
for meine Tochter zugrunde legt, noch nicht. In- erwerbenden Kenntnisse auf die schönen Wissen-
nerhalb der Gliederung nach Pflichten gegen schaften. Dennoch ist das Frauenideal insgesamt
Gott, gegen andere und gegen sich selbst gibt es noch stark frühaufklärerisch-rokokohaft geprägt:
keinen Abschnitt, der die Ehe, den zukünftigen Es ist das des »artigen« Frauenzimmers, das
Stand des Mädchens, im Zusammenhang ab- durch seine Belesenheit sowohl in Frauengesell-
handelt. Nur auf ihre Pflichten als zukünftige schaften wie in gemischten Gesellschaften eine
Hausfrau wird eingegangen, nicht jedoch auf die angenehme Gesellschafterin ist, das mit seinem
Pflichten gegen den zukünftigen Ehemann. An- »klugen« Urteil einen Beweis von »Einsicht«
dererseits wird bei einer großen Zahl der zu erwer- und »Witz« gibt und durch seine Belesenheit
benden Tugenden bzw. dervonihr zu bezähmen- auch in anderen Frauen, »die bisher das Lesen
den Leidenschaften betont, wie wichtig dies für verabscheueten«, eine »Neigung zur Lectüre«
eine glückliche Ehe oder- häufiger- für die Ge- weckt (S. 81 ).
winnung eines schätzenswerten Ehemannes oder Im Widerspruch zu diesem Frauenbild steht
zumindest die Achtung der Männer sei - so bei freilich die überaus große Wertschätzung der
der Keuschheit, der Sittsamkeit, den bauswirt- hausfrauliehen Tugenden der Frau, wie sie sich
schaftlichen Tugenden oder der Bezähmung von an einer Stelle des 3. Kapitels findet. Hier wird es
Zorn, Zanksucht und eigensinniger Hartnäckig- als ausreichend angesehen, daß eine Frau eine gu-
keit. Direkt angesprochen wird der Bezug zur Ehe te Wirtin ist; wenn sie das nur ist, ist sie bereits ein
bei der »Aufopferung des Eigensinns« (S. 106): vollkommenes Frauenzimmer- auch wenn sie in
Würde das Mädchen stets auf ihrem Willen beste- keinem anderen Buch außer der Bibel gelesen hat
hen, würde ihre zukünftige Ehe sehr unglücklich und von den schönen Wissenschaften keinerlei
werden, »wenn Sie einen Mann bekommen soll- Ahnung hat (S. 11 0). Diese Haltung weist bereits
ten, der keine Neigung besäße, Ihnen stets nach- auf Campes zu Lasten der weiblichen Bildung ge-
zugeben, sondern vielmehr auf der Erfüllung sei- hende Hochschätzung des hausfrauliehen Kern-
nes Wunsches bestünde« (S. 107). und Hausverstandes hin. G.
Wie hier deutlich wird, wird die traditionelle
553 Trapp, Unterredungen, 1775 554

1775 der Schüler zu Fleiß und Tugend und zur Pflicht-


erkenntnis und -erfüllung voraus, denn: »Man
Ernst Christian Trapp (1745-1818): wird durch nichts glücklich, als durch Fleiß und
Unterredungen mit der Jugend. Tugend.« (S. 19) Und: »Man ist niemals wahr-
Harnburg und Kie/1775 haftig glücklich, als wenn man seine Pflichten
kennet und erfüllet« (S. 25).

Trapps Unterredungen mit der Jugend über Ge- Das Werk ist eingeteilt in 24 Unterredungen von
genstände der Moral und der Religion sind be- unterschiedlicher Länge. In der Regel sind sie in der
stimmt für männliche Jugendliche reiferen Alters. Form des Lehrervortrags gehalten, für einige wurde je-
doch eine dialogisierte Form, die des sokratischen Ge-
Bei zwei Unterredungen ist der Adressatenkreis
sprächs, gewählt; manche Unterredung beginnt mit ei-
deutlich angegeben: Konfirmanden und solche nem kurzen Lehrer-Schüler-Dialog, auf den dann der
Schüler, die »bald nach der Akademie gehen wer- Lehrervortrag folgt. Die Gesprächsform bleibt jedoch
den« (S. 312). Hiermit dürfte auch die Altersstufe auch im Lehrervortrag weitgehend erhalten, indem ein-
grob umrissen sein, für die Trapp seine Unterre- zelne Schüler persönlich angesprochen, gelobt oder ge-
dungen konzipiert hat. tadelt werden.
Ausdruck von Trapps » Denkungs- und Er- Die ersten zehn Unterredungen (S. 19 -I 05) be-
ziehungsart« (»Von der Absicht, der Einrichtung schäftigen sich mit »guten und bösen Gewohnheiten«.
und dem Gebrauch dieser Unterredungen«, S. Behandelt werden langes Schlafen und die schlechte
Anwendung der Zeit, Unordentlichkeit, Unachtsamkeit
6 f.) ist das Ideal eines guten Lehrers, das er zu Be-
und Unaufmerksamkeit, der Fehler ständigen Wider-
ginn seiner Vorrede entwirft. Es gibt gleichzeitig sprechens, die Aufmerksamkeit, »besonders beym Ge-
Auskunft über die Absichten, die Trapp mit sei- beth«, der rechte und kluge Gebrauch der Zeit, wahre
nen Unterredungen verfolgt. Der gute Lehrer soll und falsche Vorzüge der Gelehrsamkeit und der Gelehr-
demnach das Vertrauen und die Liebe der Kinder ten sowie jugendlicher Stolz und Besserwisserei. In be-
zu gewinnen trachten und sie zum Gebrauch der zug auf die Laster greift Trapp dabei auf Beispiele aus
gesunden Vernunft erziehen. Dies erfordert von dem Erfahrungsbereich der Schüler zurück; häufig ist
ihm dreierlei: Er muß die Kunst verstehen, »Be- das Verhalten einzelner von ihnen selbst Gegenstand
griffe in einen noch leeren Geist zu bringen, und der Auseinandersetzung. In der Regel werden sodann
Ratschläge erteilt, wie das Laster zu bekämpfen und ab-
verworrene Ideen zur Deutlichkeit zu erheben«;
zustellen sei. Vor allem sollen die Schüler den ernsthaf-
er muß den Gang der Empfindungen und Vorstel- ten Willen fassen, ihren Fehler abzulegen, und sich ei-
lungen, ihr stufenweises Fortschreiten und ihre ner beständigen Selbstprüfung unterziehen: »Was man
Art der Äußerung kennen und schließlich dem beyjeder bösen Gewohnheit thun muß, um ihrer los zu
Kind brauchbare Kenntnisse vermitteln. Den gu- werden, das müssen Sie auch thun, einen ernstlichen
ten Lehrer zeichnet demnach eine »Mischung Vorsatz fassen, und diesen Vorsatz mit jedem Morgen
von Ernst und Munterkeit, von Standhaftigkeit erneuern, sich alle Abend prüfen, ob Sie heut mit sich
und nachgebender Güte, von Gleichgültigkeit gestritten, ob Sie eine Gelegenheit zu widersprechen ha-
und Theilnehmung« aus. Auch muß er in der La- ben vorbeygehen lassen« (S. 53).
Die II. Unterredung bildet ein Vortrag über Sa-
ge sein, bestimmte Barrieren der Kinder wie
muel Richardsons Geschichte des Herrn Grandison
Leichtsinn, Flüchtigkeit und Interesselosigkeit (1754-1759). Hatte Trapp schon vorher gegen die »un-
bei häufigem Wiederholen abzubauen (vgl. »Von seligen Romane« (S. 40, 90) polemisiert, beschäftigt er
der Absicht. .. «, S. I ff.). Auf diese Weise soll sich an dieser Stelle mit der rechten Lektüre für Jugend-
sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Lehrer liche. Er unterscheidet zwei Arten von Büchern: solche,
und Schülern herstellen. Als gewöhnliche Unter- »worin der Mensch gezeigt wird, wie er ist«, und solche,
richtsmethode empfiehlt Trapp daher die Unter- »worin man sehen kann, wie der Mensch seyn kann und
redung, die er an einer Stelle genauer als sokrati- soll« (S. 108). Er verwirft zwar nicht die Bücher der er-
sches Gespräch definiert(» Von der Absicht ... «, sten Art, schreibt ihnen jedoch nur eine geringe Nutz-
wirkung zu: »Ich habe nichts gegen die Bücher der er-
s. 9). sten Art. Wenn man sie liest, so erwirbt man sich viele
Ziel dieser Unterredungen- und damit auch Kenntniß des menschlichen Herzens und Lebens und
der vorliegenden Lehrgespräche - ist es, den der Sitten. Aber Muster der Nachahmung kann und
Schülern »Neigung und Trieb zu Allem, was gut, muß man doch in solchen Büchern nicht suchen!«
was edel, was schön ist, einzuflößen, Hochach- (ebd.) Unter Berufung auf Plinius vertritt Trapp die
tung für die Tugend, Liebe zur Redlichkeit und These, »man müsse zur Nachahmung das Beste wäh-
Rechtschaffenheit in Ihnen zu erwecken, solche len« und empfiehlt daher den Grandison als »Muster
Männeraus Ihnen zu bilden, für welche die Welt und Vorschrift«; in ihm werde »die menschliche Natur
wegen Ihres guten Charakters Hochachtung ha- in ihrem höchsten Adel, in ihrer höchsten Würde, in ih-
rem schönsten Glanz« gezeigt (S. 112). Als negatives
ben muß, und die von sich selbst nicht verächtlich Beispiel wird dem Grandison Fieldings Tom Jones ent-
denken dürfen.« (S. 20) Die Unterredungen zie- gegengehalten: »Wenn ich nun nicht wissen will, wie
len somit auf das »Herz« der Schüler (»Von der der Mensch gewöhnlich handelt, sondern wie er billig
Absicht ... «, S. 8) und sollen ihre Glückseligkeit handeln sollte: so werd ich das wohl nicht aus Thomas
befördern helfen (S. 19). Dies setzt die Erziehung Jones lernen.« (S. 108)
555 Moralisch belehrende Schriften 556

In der 12. Unterredung »mit einigen Confirman- »Privatleben[s] großer, tugendhafter, einsichtsvoller
den« beschäftigt sich Trapp mit dem Christentum. Als Männer« (S. 331).
»Vorzüge« des Christentums bezeichnet er: »die Versi-
cherung eines gnädigen und versöhnten Gottes, die Ge-
Trapps Frühschrift, fünf Jahre vor seinem
wißheit, daß der Geist des Menschen unsterblich, und
zur ewigen Glückseligkeit geschaffen sey, gereinigte Er- Hauptwerk Versuch einer Pädagogik (Berlin
kenntniß Gottes« sowie »vertrauter Umgang mit ihm« 1780) entstanden, entwickelt in wesentlichen Zü-
(S. 116f.). Das Christentum widerspreche niemals der gen die Grundgedanken seiner pädagogischen
Vernunft, »es kömmt ihr nur zu Hilfe, es klärt sie auf, Theorie.
und macht ihre Schlüsse gewiß« (S. 133). Auch die bibli- Trapp geht von einem Bildungsbegriff aus,
schen Wunder stünden nicht im Gegensatz zur Ver- nach dem Bildung die Modeliierung der seeli-
nunft. Wahres Christsein erschöpfe sich nicht in der schen und geistigen Kräfte des Menschen aus
Kenntnis der biblischen Schriften: »Ausüben, thun, dem menschlichen Ionern heraus bedeutet. Inso-
nach dem Sinne Christi leben, das macht erst den wah-
ren Christen.« (S. 101) Die 13. Unterredung hat die
fern spricht er davon, die Erziehung müsse aufs
»wahre Größe« zum Gegenstand, die darin bestehe, »Herz« abzielen. In seinem Versuch einer Päd-
Gottes Willen zu erkennen und sich in seinen Handlun- agogik definiert er Bildung als »das Bestreben,
gen danach zu richten (vgl. S. 164). dem Ionern und Äußern des Zöglings eine gewis-
Nach einer Betrachtung »Man giebt lieber guten se Beschaffenheit und Form zu geben« (zit. n.
Rath, als man ihn annimmt« (14. Unterredung) liefern Grube, 1934, S. 60). Diese Formgebung zielt ab
die Unterredungen 15 bis 18 eine Interpretation der auf die menschliche Glückseligkeit: »Erziehung
1heodiceevon Johann Peter Uz. Trapps Augenmerk gilt ist Modifikation des Menschen in der Absicht ihn
dabei vor allem dem Verständnis des Inhalts, deshalb glücklich zu machen« (zit. n. Fritzsch, 1900,
wird die Lehrode aus der poetischen Sprache Uzens in S. 11 0). Entsprechend ist es »die Pflicht eines
eine den Schülern leichter zugängliche Sprache übertra- rechtschaffenen Lehrers, seinen Untergebenen
gen. Diese »von allem Schmuck« entkleidete Sprache
ein sicherer Führer zur Glückseligkeit zu seyn.«
wird häufig dem Wortlaut der Ode gegenübergestellt,
um in den Schülern ein Gefühl für den hohen Stellen- (Unterredungen, S. 19) Unter »Glückseligkeit«
wert der poetischen Ausdrucksweise Uzens zu wecken. versteht Trapp Wohlfahrt, Wohlergehen, Glück,
Trapp folgt in seiner Interpretation den einzelnen Stro- vergnügtes Leben, Heil, Seligkeit und verwandte
phen der 1heodiceeund liefert im wesentlichen Erläute- Zustände: »Glückseligkeit ist ein Zustand ange-
rungen des Textes. In der gleichen Art folgt in der 19. nehmer Empfindung« (Versuch einer Pädagogik,
Unterredung (S. 254ff.) eine Betrachtung über einen zit. n. Fritzsch, 1900, S. 115).
Teil der Ode des Horaz >>Ad Fortunam« (1. Buch, 35. Andere Zwecke der Erziehung lehnt Trapp
Ode). ab, auch die Erziehung zur Verehrung Gottes. Die
Bescheidenheit und Höflichkeit sind Themen der Ehre Gottes als Erziehungszweck zu setzen
Unterredungen 20 und 21. In der 22. Unterredung ver- »scheint aus den Zeiten zu sein, wo jedes Land
mittelt Trapp »Lehren eines Vaters für seinen Sohn«.
Hier werden noch einmal Ratschläge zusammengefaßt,
seinen eigenen Gott hatte, über dessen Ehre es ei-
die in ähnlicher Form bereits Gegenstand früherer Un- fersüchtig wachte, dessen Verherrlichung jedem
terredungen waren, so z. B. Fragen der Lektüre, die Landeskinde eingeschärft werden und am Herzen
Empfehlung zur Selbstprüfung und täglichen Rechen- liegen mußte. [ ... ] Daher ist uns die Idee von der
schaftslegung - die Schüler sollen aus diesem Grunde Verherrlichung Gottes, als letztem Zweck des
ein Tagebuch führen- u. ä. Anband positiver wie negati- Menschen und seiner Handlung, so gewöhnlich.
ver Beispiele wird die Notwendigkeit vernünftigen Aber schickt sie sich zu den gereinigteren, edlem
Handeins erläutert. Als erstrebenswertes Ziel, dem die und höhern Begriffen, die wir jetzt von Gott ha-
Schüler nacheifern sollen, bezeichnet Trapp »ein stilles, ben oder haben können?« (Versuch einer Päda-
häusliches Leben [ ... ], wo man seine Geschäfte abwar-
tet, seinen Garten besäet, und die Freuden einer glückli-
gogik, zit. n. Grube, 1934, S. 64) Auch die Tugend
chen Ehe genießt« (S. 299). oder die Vollkommenheit könnten nicht zum
Die letzten beiden Unterredungen (S. 312-334)
Endzweck der Erziehung gemacht werden, denn
handeln »von zweckmäßiger Einrichtung des Studie- sie sind nicht das »letzte Ziel der menschlichen
rens« und richten sich vornehmlich an die Schüler, die Wünsche und Bestrebungen«: »Aber die Tu-
»bald nach der Akademie gehen werden« (S. 312). Alles gend, so sehr sie auch Zweck sein muß, ist doch
was man lerne, müsse »Einfluß auf die Aufklärung des wieder Mittel zum letzten Zweck, zur Glückselig-
Verstandes und auf die Besserung unseres Herzens ha- keit. - Diese aber ist das letzte in der Reihe, eine
ben, oder muß uns wenigstens den Weg zu dieser Auf- Wirkung, aber keine Ursache. - Ich kann bei der
klärung und Besserung bahnen« (S. 313). Trapp führt Tugend noch fragen: warum? wozu ist es gut, tu-
als Beispiel das Erlernen von Sprachen an und beschäf- gendhaft zu sein? Was habe ich von der Tugend
tigt sich ausführlicher mit dem Lateinlernen und seiner
mehr als von dem Laster zu erwarten? Antwort:
Methode, führt aber auch das Lernen anderer Sprachen
als nützlich an. Der Schluß seiner Betrachtung gilt dem Glückseligkeit. Bei dieser aber kann ich nicht
Nutzen des Geschichtsstudiums. Geschichte zu studie- mehr warum? fragen, weil es kein darum mehr
ren bedeute allerdings nicht, sich vornehmlich mit »Be- giebt.« (Versuch einer Pädagogik, zit. n. Fritzsch,
schreibungen von Schlachten und Zerstörungen« zu be- 1900,S.ll5f.Anm.)
schäftigen, weitaus fruchtbarer sei das Studium des Dieser Gedanke ist auch in den Unterredun-
557 Trapp, Unterredungen, 1775 558

gen deutlich ausgeprägt: Vernunft, Sittlichkeit, dementsprechend ist das Erlernen von Sprachen
Pf1ichterfüllung und Gotteserkenntnis und -Ver- durch die zukünftigen »praktischen Gelehrten«
ehrung sind keine autonomen Ziele der Erzie- ein notwendiges Übel. Fremdsprachen haben so-
hung, sondern lediglich Mittel zur Beförderung mit nur einen » Weltzweck«, ihr Studium hat kei-
der Glückseligkeit. Die Schüler sollen zu Fleiß nen eigenen spezifischen Bildungswert. Trapps
und Tugend, zur Pf1ichterkenntnis und -erfüllung Argumentation läuft im Kern daraufhinaus, das
und zur Befolgung des göttlichen Willens zum Sprachstudium an den Schulen verhindere die
Zweck ihrer Glückseligkeit erzogen werden. Entwicklung der menschlichen Vollkommenheit
In engem Zusammenhang mit Trapps und Glückseligkeit, weil es »schuld an dem fort-
Glückseligkeitsbegriff steht seine- im Verhältnis dauernden Mangel einer allgemeinen Aufklä-
zu anderen Philanthropisten recht konservative - rung« sei (Über den Unterricht in Sprachen, zit. n.
Behandlung der Religion. Auffällig ist zunächst, Grube, 1934, S. 201).
daß Trapp keinerlei Unterschied zwischen natür- Anders seine Argumentation in den Unterre-
licher und geoffenbarter Religion macht, daß die dungen. In ihnen ist das Studium der Sprachen
Frage der natürlichen Religion in den Unterre- nicht Hindernis, sondern Beförderungsmittel der
dungen nahezu ganz ausgeklammert und von An- Aufklärung, der Vernunft und der Glückseligkeit:
fang an eine Kongruenz von Religion im allge- »Alles, was man lernt, muß Einfluß auf die Auf-
meinen und Christentum im besonderen vorgege- klärung des Verstandes und auf die Besserung un-
ben wird. Der Zusammenhang von Glückselig- sers Herzens haben, oder muß uns wenigstens den
keitsvorstellungen und orthodoxem Religions- Weg zu dieser Aufklärung und Besserung bah-
verständnis ist für Trapp zwingend: Glückselig- nen. Das thut die Erlernung fremder Sprachen«
keit als ein »Zustand angenehmer Empfindung« (S. 313). Entsprechend begründet Trapp die Not-
setzt Harmonie mit sich selbst und mit der Um- wendigkeit des Lateinlernens: »Warum lernt man
welt voraus. Die Glückseligkeit darf nicht durch Latein? Um lateinische Bücher zu verstehen. Wo-
Gewissenszweifel gestört werden. Daher betont zu ist es gut diese zu verstehen? Um mit den
Trapp einerseits die vollständige Übereinstim- Kenntnissen, die in denselben sind, unsern Geist
mung der Offenbarung mit der Vernunft und die zu bereichern.« Ausdrücklich verwirft Trapp den
Wahrheit der biblischen Bücher im engsten Wort- Einwand, diese Kenntnisse könnten auch aus
sinne, andererseits attackiert er jene, die mit klu- Übersetzungen geschöpft werden. Er bedient sich
gen Reden Zweifel an der tatsächlichen Wahrheit dabei des Arguments der unnachahmlichen
der Offenbarung zu nähren versuchen: »Außer Schönheit des lateinischen Originals : »Auch in
den Verführungen des Herzens, vor denen Sie den besten Übersetzungen gehen viele kleine
sich zu hüten haben, werden auch viele Leute und Schönheiten verlohren, [ ... ] die eine Zierde des
Bücher ihren Verstand zu hintergehen suchen, Originals, und gleich Blümchen angenehm über
denn das Christenthum hat viele Feinde, und die- dasselbe verstreut sind.« (S. 315) Die Beschäfti-
se greifen es von vielen Seiten an« (S. 143). gung mit dem Lateinischen hat daher nicht nur
Setzt die Glückseligkeit die Harmonie mit die Nutzabsicht, Kenntnisse aus den alten Schrift-
der Umwelt voraus, muß auch der Streit um kon- stellern zu ziehen, sondern auch durchaus einen
fessionell unterschiedliche Religionssätze wenn gewissen Eigenwert, der sich vor allem im ver-
schon nicht vermieden, so doch in großer Tole- gnügten Erkennen des Originals darstellt. Trapp
ranz geführt werden. Konsequenterweise spart beruft sich in seiner Abhandlung über das Latein-
Trapp alljene Themen bei der Behandlung religi- lernen schließlich auf Sulzer: »Wer eine hinläng-
öser Fragen aus, die in den einzelnen Konfessio- lich vollkommene Sprache gründlich lernt, der
nen verschieden gelehrt werden; sein Christen- lernt eben dadurch deutlich, bestimmt und richtig
tum, das er in den Unterredungen vertritt, ist nicht denken. [ ... ] Sprechen und Denken sind nicht
konfessionell ausgerichtet. wesentlich, sondern nur in Graden von einander
Finden sich auch in bezug auf die allgemei- unterschieden.« (S. 325) Die Funktion des Ler-
nen Erziehungsziele in den Unterredungen die nens fremder Sprachen als eine die Vernunft be-
Gedanken schon im wesentlichen vorgeformt, die fördernde Denkschule bringt Trapp zu der Auf-
Trapp später in dem Versuch einer Pädagogik ent- forderung, die Schüler sollten ihre lateinischen
wickelte, so zeigen sich in konkreten Fragen den- Übungen auch nach Beendigung der Schulzeit
noch Unterschiede. Bedeutsam ist vor allem seine unvermindert fortsetzen.
Behandlung der Frage des Sprachen-, besonders Dem unterschiedlichen Stellenwert, den der
des Lateinlernens, die sich in wichtigen Punkten Fremdsprachenunterricht in Trapps pädagogi-
von seinen späteren Auffassungen abhebt. In sei- schen Konzeptionen der Unterredungen und spä-
ner 1789 erschienen Schrift Über den Unterricht terer Werke einnimmt, entsprechen verschiedene
in Sprachen hält Trapp das Erlernen von Fremd- Sprachlehrmethoden. Vertritt Trapp in seinen
sprachen in erster Linie nur deshalb für notwen- späteren Werken die Auffassung, die Schüler soll-
dig, weil der Verkehr der Nationen untereinander ten die Sprache spielerisch erlernen, ohne Gram-
die Beherrschung von Fremdsprachen erfordere; matik und durch ständige Unterhaltung, lehnt
559 Moralisch belehrende Schriften 560

Geschmacks müsse schon sehr frühzeitig begon-


nen werden, »da es unleugbar ist, daß eine junge,
zarte Seele weit eher Eindrücke annimmt und be-
hält, als wenn mehrere Jahre sie schon gehärtet
und fühlloser gemacht haben!« (zit. n. Fritzsch,
1900, S. 9) Der Bildung des guten Geschmacks
dienen in den Unterredungen vor allem die Inter-
pretationen der Theodicee von Uz und der Ode
»Ad Fortunam« des Horaz. Einerseits versucht
Trapp durch die Methode des Sprachvergleichs
den Geschmack der Schüler an der hohen Spra-
che der Poesie zu schulen, andererseits versucht
er, durch eine Interpretation die Schüler für die
Erhabenheit und Vortrefflichkeit der Dichtung
empfänglich zu machen und sie für das Schöne
der Dichtung einzunehmen.
Auffällig ist, daß unter den Schriftstellern,
an denen der gute Geschmack geschult werden
soll- die lateinischen Klassiker, Batteux, Ramler,
Lessing (S. 59 f.)- einer fehlt, der ansonsten in
Trapps Unterredungen fortwährend den Schülern
Ernst Christian Trapp (1 754-1818).
zur Lektüre anempfohlen wird: Geliert. Trapp
stellt ihn in eine Reihe mit »Miller, Vorübungen
zur Erweckung der Aufmerksamkeit, Schrökh,
er darin die Klassikerlektüre für den Anfangsun- die Geschichte des Beaumont« und konstatiert:
terricht ab und schlägt stattdessen die Benutzung »Ich weis keine angenehmere und nützlichere Bü-
des Basedowschen Elementarwerks in der lateini- cher für Sie.« (S. 59). Die Schriften Gellerts wer-
schen Ausgabe und eine lateinische Fassung des den in den Unterredungen nicht unter ästheti-
Robinson als Anfangslektüre vor, so finden wir in schen Gesichtspunkten, sondern ausschließlich
den Unterredungen nahezu die entgegengesetzten im Hinblick aufihren Nutzen bei dermoralischen
Vorschläge zum richtigen Lateinlernen: Grundla- Erziehung beurteilt. In gleicher Weise verwirft
ge des Unterrichts ist hier die lateinische Lektüre. Trapp die »unseligen Romane«- als einzige Aus-
Zum besseren Verständis des Textes empfiehlt nahme nennt er lediglich die Geschichte des Herrn
Trapp eine vergleichende Lektüre, mit Hilfe derer Grandison- nicht aus ästhetischen Gründen, son-
unverstandene Passagen des ersten Textes leich- dern weil sie unheilvollen Einfluß auf die sittliche
ter erschlossen werden könnten. Die Fähigkeit Bildung der Jugend ausüben. Trapp lehnt die Ro-
zur lateinischen Konversation sollen die Schüler manlektüre aus zwei Gründen ab: Einmal wirkt
durch Übersetzung, Rückübersetzung und Ver- sie unmittelbar negativ im Hinblick auf die mora-
gleich der Rückübersetzung mit dem Original lische Erziehung der Jugend, fördert sie unmittel-
Schritt für Schritt erwerben. Als Hilfsmittel emp- bar schlechte Gewohnheiten. Bedeutsamer aber
fiehlt Trapp den Orbis pictus. Erst an zweiter Stel- ist ihm, daß die Romanlektüre »falsche, verkehrte
le wird das Mittel der Unterredung genannt, de- Begriffe« vermittelt und so der Erziehung zur Ver-
ren eine wichtige Funktion darin besteht, die nunft entgegensteht. Die Erziehung zur Vernunft
»Schönheiten« der klassischen Schriften zu er- ist jedoch das Anliegen, daß Trapp mit seinen Un-
klären (S. 59 f. ). terredungen verfolgt: »Die Anwendung der
Der Hinweis Trapps auf das Schöne - die Schulkenntnisse zu lehren und vernünftige Men-
mögliche Erweiterung und Erhöhung des Ge- schen zu bilden, seh ich als die Hauptsache an.
fühls des Schönen durch die Bekanntschaft mit Deswegen suche ich die Begriffe meiner Schüler
mehreren Sprachen ist im übrigen für Trapp spä- täglich zu vermehren, zu berichtigen und aufzu-
ter das einzig nennenswerte Ergebnis des Sprach- klären. Ihr Herz ist der vornehmste Gegenstand
studiums - führt uns zu einer weiteren zentralen meines Fleißes und meiner Aufmerksamkeit.« (S.
Absicht der Unterredungen: der Bildung des gu- 7 f.)
ten Geschmacks. Schon in seiner ltzehoer An-
trittsrede hatte Trapp ausgeführt: »Der gute Ge- Die Unterredungen mit der Jugend trugen Trapp
schmack ist ein gesundes, zuverlässiges, schnelles den ersten schriftstellerischen Erfolg ein. Sein ehemali-
ger Lehrer Martin Ehlers schrieb in der A. D. B. »Alles,
Gefühl der Seele, das allen förmlichen Vernunft-
was hier geschrieben ist, beweist durch das Leben, was
schlüssen voreilet, und uns in den Stand setzet, darin ist, und durch das helle Licht, das sich über alles
beim ersten Anblick das Wahre und Falsche, verbreitet, daß von Trapp alles, was er gelernt, bemerkt
Schickliche. und Unschickliche in einer Sache zu und erfahren hat, mit wirksamer Geisteskraft umfasset
unterscheiden.« Mit der Ausbildung des guten ist, und daß anschauende Erkenntnis, lebhaftes Gefühl
561 Campe, Sittenbüchlein, 1777 562

und feurige Begierde, die in die Welt eingehende Ju- sollte. Auch für Campe soll das Werk »das erste
gend durch nötige Kenntnisse und Tugend glücklich Lehrbuch der Sittenlehre für dieses Alter sein« (2.
und brauchbar zu machen, die Quellen sind, woraus Aufl, S. 6). Auf das Verhältnis von Sittenlehre
hier alles geflossen ist. [ ... ] So viel sieht man aus allem, und Religionsunterricht geht Campe selbst nicht
daß vorzüglich Sachkenntnisse seine Seele an sich gezo-
gen haben, und daß er beim Unterricht besonders auf ausdrücklich ein, schließt sich aber de facto
solche Kenntnisse sehe, die fruchtbar zur menschlichen Schlossers Position an. Im Unterschied zu Schlos-
Glückseligkeit werden. [ ... ] Übrigens haben wir zu un- sers Sittenbüchlein, das dem Erwachsenen eine
serem Vergnügen auch bemerkt, daß grammatische Ge- Sittenbelehrung beispielhaft vorführen sollte und
nauigkeit, welche von vielen vortrefflichen Köpfen nur nicht für die Eigenlektüre der Kinder gedacht
zu sehr vernachlässigt wird, bis zu einem hohen Grade war, sieht Campe seine Umarbeitung als ein Lese-
in diesen Unterredungen allenthalben angetroffen buch für Kinder an: »Es soll aber dieses kleine
wird.« (zit. n. Fritzsch, 1900, S. II f.) Buch[ ... ] zu einer, für sechs- bis zehnjährige Kin-
Überschwengliches Lob wird Trapp auch in der der verständlichen, angenehmen und lehrreichen
Allgemeinen Bibliothek for das Schul- und Erziehungs-
wesen in Deutschland (Nördlingen 1176, Bd. 4, Stück 2,
Lesung dienen[ ... ]« (2. Aufl., S. 6). Eben deshalb
S. 352-369) zuteil. Die sehr ausführliche, meist referie- hat Campe auch eine französische Übersetzung
rende Besprechung des Werks beginnt mit den Worten: anfertigen lassen, »um ein französisches Lese-
»Im Geiste hab' ich ihn umarmt, den liebenswürdigen büchlein mehr zu haben« (S. 4). Es soll hierbei ein
Verfasser, als ich sie gelesen hatte. [ ... ]Welch eine herr- Lesebuch sein, »bei welchem Sprache, Verstand
liche Vergütung ist doch Trapp für so viele andere und Empfindungen der Kinder zugleich geübt
Schullehrer und Schriftsteller [ ... ]. Sein gutes men- werden könnten« (ebd.).
schenfreundliches Herz, sein patriotischer Eifer für das In der Vorrede zur zweiten Auflage von 1780
Beste seiner Schule und des Schulwesens überhaupt, sieht Campe sich genötigt, ausführlicher auf das
seine hefenleeren hellen Einsichten, seine zierliche, und
doch ungezierte Schreibart- Dies alles muß ihm Leser Verhältnis seines Werkes zu der Vorlage Schlos-
und Freunde verschaffen. Er gehört unter die Wenigen, sers einzugehen. Hier betont er zunächst, daß bei-
denen man von ganzem Herzen gut wird, wenn man nur de Werke bei der Verschiedenheit des Adressaten-
eine Viertelstunde mit ihnen gesprochen hat.« (S. 352 f.) kreises sich keinerlei Konkurrenz machten: »Da
O.B. beide Bücher, das Schlossersehe und dieses ganz
verschiedene Bestimmungen haben: so können
beidesehr füglieh neben einander da sein; und
der nüzliche Gebrauch des ersten wird durch die
1777 Erscheinung des letzteren aufkeine Weise einge-
schränkt werden. [ ... ] Auch in Ansehung der
Joachim Heinrich Campe (1746-1818):
Form des Vortrages sind beidevoneinander un-
Sittenbüchlein for Kinder aus gesitteten terschieden. Jenes ist bekanntermaßen bloß im er-
Ständen. zählenden und unterrichtenden Tone geschrie-
Dessau und Leipzig 1777 ben; in diesem wechseln Erzählung und Unterre-
dungen miteinander ab.« (2. Aufl., S. 5 f.) Zudem
Die elementare Sittenlehre ist an Kinder »aus ge- sei die Rahmenhandlung stark verändert. Hin-
sitteten Ständen« gerichtet, an Kinder also des ge- sichtlich des Adressatenkreises wie der Vortrags-
hobenen städtischen Bürgertums, wobei auch und Darbietungsweise also sei das Werk anders
Kinder des niederen Adels nicht ausgeschlossen als die Vorlage; die Inhalte und deren Gliederung
sind. Die erste Ausgabe enthält keine exakte Al- hingegen, so darf hinzugefügt werden, sind weit-
tersangabe; aus der Rahmenhandlung aber kann gehend übernommen.
geschlossen werden, daß Kinder vom 5. und 6.
Jahr an angesprochen sind. Die Vorrede zur zwei- Das Werk hält sich in Aufbau und Inhalt tatsäch-
ten Auflage von 1780 trägt eine exakte Altersan- lich eng an die Schlossersehe Vorlage: Es übernimmt
gabe nach: Hier ist die Rede von »sechs- bis zehn- deren Gliederung in Pflichten gegen Körper und Seele,
die zum ))Ersten Abendgespräch« zusammengefaßt
jährige[n] Kinder[n]« (2. Aufl., S. 6). Obwohl in werden (S. 8-42), in Pflichten gegen die Gesellschaft, die
der Rahmenhandlung keine Mädchen auftau- Obrigkeit und gegen die Mitmenschen, die den Gegen-
chen, trägt das Werk noch keinerlei geschlechts- stand des zweiten und dritten Abendgespräches bilden
spezifische Ausrichtung; es stellt eine Sittenlehre (S. 43-72 und S. 73-116) und in einen Abschnitt über
für Jungen und Mädchen gleichermaßen dar. Gewissen und Religion, der das vierte Abendgespräch
Campes Absichten sind mit denen Schlos- wiedergibt, und der eine elementare Gotteslehre sowie
sers identisch: »Dieses Büchelchen soll, meiner eine Lehre von der Unsterblichkeit der Seele enthält (S.
117 -140). Auch in der Behandlung der einzelnen Pflich-
Absicht nach, für Kinder aus gesitteten Ständen
ten hält Campe sich an die von Schlosser vorgegebene
eben das sein, was Schlossers Sittenbüchlein für Reihenfolge, wie denn auch die streng utilitaristische
Kinder des Landvolks ist.« (S. 3) Schlosser ging es Argumentationsweise Schlossers beibehalten wird, die
um eine elementare Sittenlehre, die dem Reli- alle Pflichten ohne religiöse Fundierung rein mit Bezug
gionsunterricht vorausgehen und eben deshalb auf die innerweltliche menschliche Glückseligkeit zu
ohne jegliche religiöse Begründung auskommen begründen sucht. Allerdings ergeben sich vereinzelte in-
563 Moralisch belehrende Schriften 564

haltliehe Abweichungen, die teils durch den unter- sondern allein auf die unterschiedlichen Standpunkte
schiedlichen Adressatenkreis bedingt sind, teils aber der Autoren zurückgehen. Schlosser bemerkt, daß das
auch den verschiedenen Ansichten der Autoren ent- natürliche Wissen von Gott begrenzt und unsicher sei
springen und im folgenden anzuzeigen sind. und daß hier allein die göttliche Offenbarung Gewiß-
Bei der Behandlung von Arbeitsamkeit und Faul- heit gegeben habe. Hieran schließt sich ein Hinweis auf
heit im ersten Gespräch fügt Campe einen Absatz ein, die »heilige Bibel« an, die von Gott herkommende Leh-
der den Unterschied von »Hand-Arbeiten« und Kopf- ren darüber enthalte, »wie wir es machen müssen, um
Arbeiten« erläutert und betont, daß »beyde Arten von beständig glücklich zu sein«. Diese seien schließlich
Arbeiten[ ... ] uns Menschen nötig (sind), wenn wir an identisch mit »derjenige[n] Lehre, welche euch in der
Seel und Leib gesund bleiben wollen« (S. 17). Bei Erör- Kirche bekannt gemacht wird«. Campe sucht demge-
terung der Vergnügungen und ihrer Gefahren zieht genüber den Kindem auf eine natürliche Weise, mit blo-
Schlosser lang und breit gegen Rauferei und Trunk- ßen Vernunftargumenten eine Gewißheit vom Dasein
sucht zu Felde, Laster, die in »gesitteten Ständen« of- Gottes zu verschaffen (S. 127). Campe wendet hier im
fensichtlich weniger verbreitet sind und für deren Kin- übrigen schon das Verfahren an, das in seinen späteren
der kein Problem darstellen; Campe begnügt sich denn religionsunterrichtlichen Konzepten im Mittelpunkt
hier auch damit, vor Unvorsichtigkeiten beim Spielen stehen wird: Die Gotteserkenntnis wird vermittelst ei-
zu warnen (S. 20f.). Im Abschnitt über die Pf1ichten ge- nes Analogieschlusses aus der Erkenntnis der menschli-
gen die Seele ergeben sich weitere charakteristische in- chen Seele entwickelt. An keiner Stelle wird ein Hinweis
haltliche Abweichungen: Während Schlosser lediglich auf die Offenbarung, die Bibel oder gar die Kirche gege-
von dem großen Nutzen der Vernunft und der Erfah- ben. Ähnliches wiederholt sich bei Behandlung der Un-
rung und dem großen Vorteil, lesen und schreiben zu sterblichkeit der Seele: Auch hier vermerkt Schlosser,
können, spricht und ansonsten vor allzu viel Bildung daß er von ihr nichts wüßte, »wenn Gott sie mir in sei-
warnt, sind bei Campe dem Erwerb »nützlicher Einsich- nen Worten nicht bekannt gemacht hätte«. Auch Cam-
ten« dagegen selbstverständlich keinerlei Grenzen ge- pe weist zunächst daraufhin, daß es sich hierbei um ein
setzt (S. 24). Campe führt zudem an dieser Stelle schon Versprechen Gottes handele, fährt dann aber fort: »Zu
den Unterschied zwischen Tugend und Laster ein, um einer anderen Zeit, ihr Lieben, will ich euch sagen, wo-
zu zeigen, daß zu den Pf1ichten gegen die Seele nicht nur her ich dieses erfahren habe. Bis dahin glaubet mir auf
deren intellektuelle Bildung, sondern auch deren mora- mein Wort; oder seht vielmehr aus meinem ganzen Be-
lische Läuterung gehört (S. 27ff.). Dadurch erhält die tragen, daß ich sehr zuverläßige Nachriebt davon haben
Sittenlehre einen mehr individualethischen Zuschnitt müsse.« (S. 138). Campe verzichtet an dieser Stelle also
als bei Schlosser, bei dem die moralische Dimension noch auf Vernunftbeweise für die Unsterblichkeit der
erst auf der Ebene der Gesellschaftspflichten eröffnet Seele; solche wird er erst 1780 in der »Seelenlehre« lie-
wird. fern.
Die Abschnitte über den Ursprung der bürgerli- Die Rahmenhandlung wurde bei Schlosser
chen Gesellschaft, der Könige, der Obrigkeiten, der Ge- in der ausführlichen Einleitung dargelegt; sie hat-
richte und Gesetze hat Campe wortwörtlich übernom- te die Funktion, ein Konzept zur Aufklärung und·
men (S. 43 ff). Lediglich der Abschnitt über die Pf1ich- moralischen Verbesserung des Landvolks zu ver-
ten gegen die Oberen, in dem Schlosser ausführlich die
anschaulichen. Campe führt hiermit keine Aus-
Möglichkeiten eines Widerstandsrechtes erörtert und
schließlich negativ bescheidet, wird von Campe zu ei- einandersetzung und gestaltet die Rahmenhand-
nem knappen, nur 2-seitigen Passus über die allgemeine lung gänzlich neu. Diese hat bei ihm keinerlei
Gehorsamspflicht der Untertanen zusammengestri- selbständige Aufgabe mehr und geht in der Funk-
chen. Campe übernimmt auf diese Weise zwar nicht tion der Einkleidung der Sittenlehre auf. Wäh-
Schlossers Ablehnung allen Widerstandsrechtes, ver- rend sie bei Schlosser hauptsächlich in der Einlei-
meidet dafür aberüberhaupt irgendeine Stellungnahme tung dargelegt, im Katechismus aber nur mit we-
(S. 51 f.). Zudem stellt er den Gehorsam gegen die Ob- nigen Hinweisen angedeutet wird, wird sie bei
rigkeit auf eine Ebene mit dem gegen die Eltern und die Campe sehr viel stärker in den Text einbezogen.
Lehrer (S. 52f.). Der Passus über die feudalen Bezie-
hungen zwischen adeligem Grundherren und den Bau-
Durch diese Verwehung der Rahmenhandlung in
ern wie auch der Abschnitt über die »Glückseligkeit des die Sittenlehre selbst erhält diese den Charakter
Landlebens« entfallen bei Campe mit Rücksicht auf eines väterlichen Rates. Hinsichtlich des Schau-
den neuen Adressatenkreis. Bei Behandlung der Gesell- platzes ist die Rahmenhandlung bei Campe weni-
schaftspflichten, die im dritten Abendgespräch vorge- ger konkret; der soziale Spielraum bleibt undeut-
nommen wird, fügt Campe einen Abschnitt über Stolz lich: Der erzählende Greis wird zunächst nur mit
und Hochmut ein (S. 82 ff.). Gegen den Hochmut wird moralischen Kategorien beschrieben. Er ist tu-
hiernoch die »Ehrliebe« als eine »nöthige Tugend« po- gendhaft, mitleidig gegen die Armen und Un-
sitiv abgesetzt (S. 84), was für Campes gedankliche Ent- glücklichen, tolerant gegen Andersgläubige,
wicklung von Bedeutung ist, gelangt er doch wenig spä-
rechtschaffen, milde und gerecht (S. 5 f.). Erst zu
ter zu einer kritischen Einschätzung des Ehrtriebes. Bei
Erörterung der Pt1ichten gegen die häusliche Gesell-
Beginn des vierten Abendgespräches ist zu erfah-
schaft schließlich setzt Campe einen Passus hinzu, in ren, daß Gottlieb Ehrenreich, so der Name des
dem Liebe und Folgsamkeit nicht nur gegen Eltern, son- Greises, ein »Amt« inne hat, also ein in fürstli-
dern auch Lehrern gegenüber gefordert wird (S. 105). chen Diensten stehender Beamter ist. Diegenaue
Im Abschnitt über die Religion kommt es zu be- soziale Position des Greises aber ist für die Rah-
deutsamen inhaltlichen Differenzen, die nichts mehr menhandlung von untergeordneter Bedeutung,
mit der veränderten Adressatengruppe zu tun haben, steht in ihr doch allein der rein literarische Topos
565 Campe, Sittenbüchlein, 1777 566

des tugendhaften Greises im Mittelpunkt. Zu ihm here Ausmalung erübrigte, weil die dörflichen
gehört auch der Hang zu Lehre: }} Eine seiner lieb- Verhältnisse allen vertraut waren. Bei Campe da-
sten Beschäftigungen war, daß er seine eigene gegen verselbständigen sich die Erzählungen,
und seiner Nachbarn Kinder um sich her versam- werden sie zu besonderen Einlagen im Vortrag,
melte, und sie lehrte, wie sie gute und glückliche was dazu führt, daß sie ausführlicher und in grö-
Menschen werden könnten.« (S. 6). ßerer epischer Breite erzählt und dargeboten wer-
Bei Campe wird die Rahmenhandlung je- den können. Die Exempel gehen damit nicht
doch nicht nur literarisiert, sondern auch didak- mehr in der Funktion einer bloßen Veranschauli-
tisch eingesetzt: Sie bietet die Möglichkeit, den chung der diskursiv dargelegten Lehren auf; sie
Stoff methodisch auf verschiedene Weise darzu- wollen darüber hinaus unterhaltend wirken und
bieten. Campe führt neben dem Greis einen wei- Vergnügen bereiten. Daß die Beispielgeschichten
teren Erwachsenen ein, den }}ehrlichen Nach- auch unterhaltend sein sollen, bestätigt Campe
barn« Andreas Gutwill, den er in der Vorrede zur selbst, indem er das Werk als nicht nur lehrrei-
zweiten Auflage als einen Mann bezeichnet, der ches, sondern auch }}angenehmes Lesebuch« be-
}}VOn gesetztem Alter und von einfältigem guten zeichnet (2. Auf!., S. 6).
Herzen« ist, }}dessen Zwischenreden das Ganze
Das Werk erschien 1780 in einer zweiten verbes-
unterhaltender machen sollen« (2. Auf!., S. 6). serten Auflage. Die vierte Auflage erlebte es 1793 in
Campe verschafft sich auf diese Weise die Mög- Leipzig, die fünfte noch im gleichen Jahr in der Braun-
lichkeit, den Vortrag des Greises durch Wechsel- schweiger Schulbuchhandlung, wo 1796 auch die sechs-
gespräche zu unterbrechen. Daß hierzu ein weite- te Auflage herauskam, mit der es zu der von Campe be-
rer Erwachsener eingeführt wird, liegt darin be- sorgten Allgemeinen Schulencyklopädie hinzugefügt
gründet, daß die Kinder für eine durchgehende wurde. Es hat zudem mehrere Nachdrucke wie auch
sokratische Unterredung noch zu jung sind. Die Übersetzungen ins Französische und Lateinische erlebt.
ihrem Alter angemessene Methode ist die des Vor- 1783 erschien bei Nicolai in Berlin anonym Gedenk-
und Sittensprüche als eine Zugabe zu Campens Sitten-
trags und der Erzählung, die denn auch im Werk büchlein. Es handelt sich um eine Sammlung von
überwiegen, die aber stets wieder durch Wechsel- }>zweckmäßigsten Gedenk- und Sittensprüchen«, die
reden unterbrochen werden, an denen zeitweilig aus »bekannten Schriften« zusammengetragen und
auch die Kinder teilnehmen. Diese, auf einem »nach Campens tabellarischer Vorstellung des Inhalts
Wechsel der Methode beruhende}} Form des Vor- seines Sittenbüchleins« angeordnet worden sind (Vor-
trages« hat Campe denn auch als das Neue seiner rede S. 3). Von Campe ist also nur das Gliederungsprin-
Bearbeitung herausgestellt (2. Auf!., S. 6). zip übernommen worden.
Bei Schlosser wurden die einzelnen Pflichten Bei S. Baur (1790) heißt es: »Campe"s Sittenbüch-
an Beispielen erläutert, die sämtlich dem ländli- lein ist eins der nützlichsten und unentbehrlichsten Bü-
cher für Kinder nicht blos in Stadt- sondern auch in
chen und bäuerlichen Lebenszusammenhang des Landschulen. In Geschichte eingekleidet, sind die wich-
Dorfes entnommen sind. Zu Campes Umarbei- tigsten Pflichten mit einer Anmuth und Herzlichkeit
tung gehörte deshalb auch eine Veränderung der vorgetragen, daß es Kinder mit wahrem Vergnügen le-
Beispiele und der zahlreichen Veranschaulichun- sen müssen. Die Nothwendigkeit, seine Pflichten zu er-
gen, die nun aus einem Anschauungsbereich ge- füllen, und das Böse zu unterlassen, ist durch den Ein-
nommen werden mußten, der dem neuen Adres- fluß, den beides auf die Wohlfahrt des Kindes hat, aus
satenkreis zugänglich war. Campe hat denn auch sehr faßlichen, zum Theil bekannten Beispielen, be-
den überwiegenden Teil der bei Schlosser gebote- greiflich gemacht worden.« (S.69f.)- Köberle (1972)
nen Exempel und Beispielgeschichten durch eige- bemerkt, daß sich im vorliegenden Werk »Parallelen zu
Geliert« leicht nachweisen ließen, wobei sie an dessen
ne ersetzt: Hierbei handelt es sich um Erzählun- Moralische Vorlesungen denkt. Die Schrift sei zudem
gen aus der Sphäre des Bürgertums, worin zu- voll »schrecklicher Unglücksgeschichten«. »Immerhin
meist von Kaufleuten die Rede ist, um Kinderer- waren diese Geschichten unterhaltender als aneinander
zählungen, um Erzählungen aus der biblischen gereihte Vorfalle des täglichen Lebens[ ... ]« (S. 65).
Geschichte (Kain und Abel, S. 30; Geschichte Jo- E.Schmidt (1974) geht im Gefolge von F.Tencik davon
sephs, S. 92), schließlich um Erzählungen aus der aus, daß das Sittenbüchlein in Campes Prosa einen be-
römischen Antike (S. 95 ff, 113 f.). Am häufigsten deutenden Platz einnimmt: Es zeige gegenüber den be-
sind hiervon die Kindererzählungen vertreten, lehrenden Dialogen der Seelenlehre einen »höheren
was der philanthropischen Forderung entspricht, Grad der Belletristik« und bestätige damit eine » Anrei-
cherung >literarischer Elemente<«, die mit dem Robin-
die Exempel aus Anschauungsbereichen zu neh- son ihren Höhepunkt erreiche (S. 63). E.
men, die Kindern unmittelbar zugänglich sind.
Waren bei Schlosser die Exempel äußerst
knapp gehalten und ohne jegliche epische Entfal-
tung geboten, so verändert sich in Campes Umar-
beitung ihr Stellenwert erheblich. Bei Schlosser
ging es bloß um die Verdeutlichung des Gesag-
ten; die Exempel wurden deshalb auch nicht aus
dem Vortrag herausgelöst, wie sich auch eine nä-
567 Moralisch belehrende Schriften 568

1780 Die restlichen 6 Abschnitte befassen sich mit den


Problemen und Schwierigkeiten, die sich bei der prakti-
Kar/ Philipp Moritz (1756-1793): schen Ausübung der Tugend ergeben. Die Tugenden
Unterhaltungen mit seinen Schülern. 2. Aujl. selbst werden nicht gesondert thematisiert, sondern als
bekannt vorausgesetzt. Es handelt sich um Frömmig-
Berlin 1783 keit, die »innige Liebe gegen Gott«, um Rechtschaffen-
heit und Nächstenliebe, um Gehorsam gegen die Eltern
Das Werk ist zunächst an die Schüler gerichtet, und »Vorgesetzten«, schließlich um Aeiß und Arbeit-
die Moritz an der Stadtschule des Berlinischen samkeit. Der 2. Abschnitt (»Vom Ebenbilde Gottes«)
Gymnasiums unterrichtet. Es handelt sich hierbei handelt vom Menschen, dessen Dignität darin bestehe,
um eine untere Schule, auf der die Schüler auf den daß er in seinem Denken, seinem ))Streben zu schaffen«
Besuch des Gymnasiums vorbereitet werden; in und seinem Mitgefühl ein Abbild Gottes darstelle, das
ihr sind also die jüngeren Kinder vereint. Seinen er durch ein tugendhaftes Leben rein zu halten habe.
Schülern ist eine besondere Vorrede gewidmet, in Das Böse sei ihm »nicht natürlich«; es sei »nur eine un-
rechte Anwendung oder Übertreibung desjenigen, was
der Moritz an die ))gehabten Unterredungen« er-
an sich gut ist« (S. 32). Es gelte, die Wünsche und Be-
innert, die er ihnen in diesem Werk wiedergebe, gierden einzuschränken, dessen ungezügelter Herr-
um ihre damaligen »Entschließungen« und schaft das Böse entspränge. Der 5. Abschnitt sieht im
»Vorsätze« zu bekräftigen. Eine zweite Vorrede »rechten Gebrauch der Zeit« eines derwichtigsten Vor-
ist »an meine jungen Leser, die nicht meine Schü- aussetzungen eines tugendhaften Lebens; er gipfelt in
ler sind«, gerichtet, die, so darf geschlossen wer- dem Vorschlag, ein Tagebuch zu führen, das auf stren-
den, gleichaltrig mit seinen Schülern sein sollen. ger Gewissensprüfung und schonungsloser Ehrlichkeit
Moritz geht es um moralische Belehrung und beruhe. Der 6. Abschnitt sucht vermittels einer längeren
sittliche Erziehung der Kinder; ihnen sind auch Beispielerzählung im »Gebrauch der zeitlichen Güter«
die rechte Mitte zwischen Geiz und Verschwendungs-
die religionsunterrichtlichen Partien des Werkes
sucht auszumachen. Der 7. Abschnitt handelt »Vom
untergeordnet. Hierbei steht nicht mehr die Ver- Widerwillen gegen das Gute«; die Schwierigkeiten, die
mittlung der Pflichten und Tugenden also solche sich der Realisierung des Guten entgegenstellen, gelten
im Zentrum. Die Kinder haben allem Anschein als ))Probierstein, woran ein guter Vorsatz geprüft wer-
nach bereits einen moralischen Anfangsunter- den soll« (S. 168). Der nächste Absatz spricht» Von gu-
richt hinter sich, in dem sie die Tugenden kennen- ten Vorsätzen« und den Schwierigkeiten ihrer Ausfüh-
gelernt haben. Was jetzt auf der Tagesordnung rung. Der 10. Absatz schließlich behandelt den »Über-
steht, ist die Umsetzung des Gelernten in die Tat, gang vom Guten zum Bösen«: Die Ausübung der Tu-
ist die praktische Ausübung der Tugend (vgl. S. gend sei ein ))Kampf mit den bösen Begierden« (S.
203); die Kinder sollten jetzt schon anfangen, mit sich
IV). An anderer Stelle heißt es über Endzweck
selbst zu kämpfen. Der Gedanke der Tugend müsse aus
und Absicht des Werkes: »ich wollte nehmlich diesem Kampf als ))Hauptgedanke« hervorgehen und
gute Gedanken und gute Vorsätze in euren Her- die Besitzgier, die Ehrsucht und den Vergnügungstrieb
zen zu erwecken suchen, die so stark wären, daß zurückgedrängt haben.
ihr dieselben gleich, oder doch bei der ersten Ge- Die Abschnitte sind jeweils eingekleidet in die
legenheit, in Ausübung brächtet[ ... ]« (S. X). Form einer Unterhaltung, die ein Lehrer mit seinen
Das Werk enthält I 0 Abschnitte. Von ihnen befas- Schülern während eines Spazierganges, eines Ausfluges
sen sich vier mit religiösen Themen: ))Von der Liebe zu auf das Land führt. Stets spricht der Lehrer seine Schü-
Gott« (1. Abschn.), ))Vom Tode« (3. Abschn.), ))Vom ler an, ermuntert sie, fordert sie aufund lenkt ihre Auf-
Vertrauen auf Gott« (4. Abschn.) und ))Von den Eigen- merksamkeit aufverschiedene Gegenstände der Natur.
schaften Gottes« (9. Abschn.). Es geht hier nicht um Zwar kommen die Schüler selbst mit Antworten und
Vermittlung christlicher Glaubensinhalte; gegeben wer- Gegenfragen nicht zu Wort; doch sind Reaktionen von
den vielmehr elementare Grundsätze der natürlichen ihnen in die Ausführungen des Lehrers selbst eingegan-
Religion, und auch diese werden nur um ihrer sittlichen gen, so daß diese nicht monologisch und predigthart
Auswirkungen willen behandelt. Der Mensch soll wirken. Die »Spaziergänge« führen stets aus der Stadt
))wahre innige Liebe gegen Gott« zeigen, weil dieser hinaus auf das Land; sie finden zu verschiedenen Jah-
ihm nicht nur sein Dasein geschenkt, sondern ihm auch reszeiten, im Frühling, im Sommer, im Herbst, und zu
die ganze Schöpfung zu seinem Nutzen und Vergnügen besonderen Naturereignissen, nach einem Gewitter
übergeben hat; diese Liebe gegen Gott aber kann sich oder zur Ährenzeit, statt. Die Natur wird stets in das Ge-
allein in einem sittlichen Lebenswandel manifestieren spräch mit einbezogen: Dies geschieht zum einen in al-
(I. Abschn.). Der Tod soll seinen Schrecken verlieren legorischer Weise, indem z. B. der Bach, in dessen kla-
und stattdessen zur Ausübung der sittlichen Pflichten rem Wasser sich der Himmel spiegelt, zu einer Allegorie
ermuntern (3. Abschn. ). Das Vertrauen auf Gott vermag der menschlichen Seele gemacht wird, in der das Bild
alle Furcht vor Unglück, Krankheit und Tod zu verban- Gottes enthalten ist (S. 29 ff.), zum anderen in metapho-
nen; doch nur ein tugendhafter Mensch kann ein sol- rischer und symbolischer Weise, wenn z. B. der Herbst
ches Vertrauen besitzen (4. Abschn.). Gottes Eigen- und die fallenden Blätter Vergänglichkeit und Tod sym-
schaften spiegeln sich im Menschen wider; ein unsittli- bolisieren (S. 33 f.). Schließlich wird in der Tradition
cher Lebenswandel jedoch zerstört Gottes Bild in ihm physikotheologischer Naturbetrachtung die Natur als
(9. Abschn.). Die religiöse Unterweisung soll vornehm- unmittelbare Offenbarung Gottes angesehen (I. und 9.
lich den Entschluß zu einer sittlichen Lebensführung Abschn.).
unterstützen und bekräftigen. Die meisten der Abschnitte kulminieren in einer
569 Moritz, Unterhaltungen, 1780 570

gemeinsamen »Entschließung« und Vorsatzfassung. der Entscheidung steht das Werk der philanthro-
Der Lehrer ermahnt die Kinder in äußerst eindringli- pischen Bewegung außerordentlich nahe, deren
cher Weise, Ernst zu machen mit ihren Vorsätzen und Vertretern Moritz 1778 in Dessau begegnet ist.
diese schon jetzt in die Tat umzusetzen. So heißt es etwa
Der religiöse Standpunkt, der sich in dem
am Ende des 2. Abschnittes:» Wenn man einen recht fe-
sten Vorsatz gefaßt hat: so ist es beinahe so gut, als ob Werk manifestiert, ist streng naturalistisch und
man ihn schon ausgeführt hätte. Denn so bald der Vor- deistisch. An keiner Stelle ist von Offenbarung
satz ernstlich ist: so werden wir ihn auch ganz gewiß aus- und positiver Religion die Rede. Das Dogma der
führen. Faßt also jetzt die feste Entschließung, Kinder, Erbsünde ist zurückgewiesen: Der Mensch ist von
daß ihr von dieser Stunde an, Gottes Ebenbild in euch Natur aus gut, das Böse ist ihm nicht natürlich (S.
rein bewahren wollet.« (S. 32f.). Wie streng und scho- 32). Auch ein wirkliches Unglück kann es nicht
nungslos die Kinder hier vor eine Entscheidung gestellt geben: »Es ist also ein Gott, ohne dessen Willen
werden, dokumentiert die folgende Stelle: »Ihr könnt uns kein Unglück wiederfahren kann; was uns
entweder gut und rechtschaffen, oder ihr könnt auch bö-
aber mit seinem Willen begegnet, das können wir
se und lasterhaft werden; eins von diesen beiden müßt
ihr wählen, denn einen Mittelweg gibt es nicht mehr. unmöglich ein Unglück nennen; denn wenn uns
Überlegt also die Sache ganz kaltblütig.« (S. 176). Der Gott, zum Beispiel, auch krank werden läßt, so ge-
Absicht, die Kinder zu einer quasi existentiellen Ent- reicht das gewiß zu unserem Besten, und was zu
scheidung für die Tugend zu veranlassen, unterwirft unserem Besten gereicht, ist ja kein Unglück.«
sich auch die Sprache: Sie gewinnt eine beachtliche (S. 66f.).
Kraft und Intensität; sie will den Leser »rühren« und er- Philanthropisch beeinflußt sind auch die Be-
greifen. geisterung und die Überschwenglichkeit, die das
Die Gespräche werden des öfteren durch Erzäh- Werk durchziehen; sie entsprechen durchaus
lungen unterbrochen. Bis auf zwei Ausnahmen handelt
dem Stil, in dem die religiösen Andachten, die
es sich hierbei um Beispielgeschichten: So gibt die Er-
zählung vom jungen Allwill (S. 59-64) ein Exempel für
»Gottesverehrungen«, am Dessauer Philanthro-
Standhaftigkeit und Gottvertrauen, die vom Hand- pin abgehalten wurden. Der philanthropischen
werksmann (S. 111-115) einen Fall verwerflicher Ver- Pädagogik entsprechen sodann auch die beson-
schwendung. Umfangreicher ist die Erzählung vom dere Form der Unterredung, die sich unter ständi-
Kaufmann Willich und seinen vier Söhnen (S. 123-159), ger Anrede zu den Kindem herabläßt und sich ih-
die den rechten Umgang mit Reichtum und irdischen rem Auffassungsvermögen anpaßt, wie auch der
Gütern demonstrieren will. Neben weiteren kurzen Ex- Gebrauch von Beispielgeschichten aus dem An-
empeln (S. IOOf., 160f., 169 f.) wird auch eine Fabel er- schauungs- und Erfahrungsbereich der Kinder.
zählt: die von der Mühe und der Freude, die sich tren-
Auf pietistische Einflüsse scheinen am ehesten
nen und doch wieder zusammenfinden (S. 90f.). Bei
den zwei Ausnahmen handelt es sich um allegorische
noch die Betonung der persönlichen Entschei-
Erzählungen: Die erste ist eine Allegorie auf Leben und dung, der Aufrichtigkeit und Strenge in der Ge-
Tod (S. 38-49). Die andere Geschichte ist eine Allegorie wissenserforschung sowie der Vorschlag zurück-
auf den tugendhaften Lebenswandel und erzählt von ei- zugehen, ein Tagebuch zu führen, zu dem es
nem Wanderer und von dessen beschwerlichen Weg (S. heißt: »Hier müßt ihr aber notwendig strenge ge-
75-83). Die Sinnbildlichkeit der Erzählungen wird je- gen euch selbst verfahren, und nicht ehr hin-
weils im Anschluß erklärt. schreiben, daß ihr einen Tag gut angewandt habt,
bis ihr euch erst vor Gott geprüft, und gefunden
Der Hauptakzent des Werkes liegt darauf, habt, daß ihr es mit gutem Gewissen hinschreiben
die Kinder zur Ausübung der Tugend, zur Ver- könnt« (S. 122f.). Die Hervorhebung einer sol-
wirklichung des Guten zu bewegen. Der Tugend- chen Strenge wie die ausführliche Erörterung des
katalog trägt einen recht konventionellen Zu- »Widerwillens gegen das Gute« stehen allerdings
schnitt; Originalität zeigt das Werk eher in seiner in einem gewissen Gegensatz zur optimistischen
eindringlichen Orientierung auf eine sittliche Ent- Grundauffassung des Werkes, lassen sie doch
scheidung der Kinder. Daß bei Moritz gerade eher auf eine an sich sündige Natur des Menschen
hierauf der Akzent liegt, läßt den Schluß auf ein schließen. Moritz sucht hier jedoch die Auffas-
besonderes Tugend- und Religionsverständnis sungen zu harmonieren: Die Tugend würde »ih-
zu: Ein sittlicher Lebenswandel ergibt sich nicht re[n] Werth verliehren, wenn sie auch gar keine
schon automatisch aus der rationalen Einsicht in Mühe kostete« (S. 168). Die Anlehnung an Her-
das Gute, er wird erst dann erreicht, wenn das Ge- ders Äiteste Urkunde bleibt punktuell und ohne
müt des Menschen sich in einem Kampf mit den Auswirkungen auf die Grundauffassung des
schlechten Trieben und Begierden und in Über- Werkes.
windung allen Widerwillens zum Guten durchge-
rungen und die Tugend zum »Hauptgedanken« Das Werk kann als ein Dokument des Einflusses
des Dessauer Philanthropismus auf die Berliner Aufklä-
erhoben hat. Als wirksamste Stütze in diesem rung angesehen werden, der Moritz sich Anfang der
Kampf erweist sich die Religion; weil sein morali- 80er Jahre annähert. Es ist nach Eybisch (1909) als offi-
sches Gefühl zu schwach ist, ist der Mensch auf zielles Lehrbuch eingeführt und von A.F.Büsching posi-
sie angewiesen. Mit dieser Auffassung von Reli- tiv rezensiert worden. DieErzählungen vomjungen All-
gion und Hora! als eine Sache des Gemütes und will und vom Kaufmann Willich hat J.H.Campe in seine
571 Moralisch belehrende Schriften 572

Kleine Kinderbibliothek (3. und II. Bd.) aufgenom- nen« (ebd.). Eine weitergehende Veranschauli-
men.-Vgl.: Eybisch(l909), S. 85-89. E. chung der moralischen Sätze will Emesti nicht
bieten, weshalb denn auch das Werk »erst durch
den guten Gebrauch des Lehrers den rechten Nut-
zen schaffen wird« (S. 7). Emesti verspricht aber,
1782 daß zu ihm »noch in der Folge ein Exempelbuch
Johann Heinrich Martin Ernesti aus der älteren und neueren Geschichte, und aus
dem gemeinen Leben, als ein Pendant kommen
(1755-1836):
soll« (S. 9).
Kleine Moralfür Kinder. Emesti spricht sich dagegen aus, daß man
Coburg 1782 den »eigentlichen und zusammenhängenden Un-
terricht so lange verschiebt, als es insgemein zu ge-
Die vorliegende Sittenlehre ist für die »kleine Ju- schehen pflegt« (S. 3 f.). Er sieht zwar, daß an die
gend« (S. 3) gedacht und wendetsich an »Kinder Stelle des herausgeschobenen systematischen
von 7bis lOauch l2Jahren« (S. 7). Aus derVorre- Moralunterrichtes eine aufgelockerte Sittenunter-
de geht hervor, daß sie weniger für den Privatun- weisung getreten ist: »Ich weiß zwar wohl, daß
terricht, sondern vornehmlich für den öffentli- einsichtvolle und erfahme Männer die Lehren der
chen Gebrauch, d. h. für den schulischen Moral- Tugend durch lehrreiche Gespräche, durch prak-
unterricht gedacht ist (S. 5). Hieraus ergibt sich, tische Erzählungen, durch geschärfte Aufmerk-
daß das Werk vornehmlich »für eine gewisse samkeit bey eigenen und fremden Handlungen,
Klasse von Kindern« konzipiert ist. Um welche [ ... ]durch fleissige und verständige Lektüre guter
»Klasse« es sich handelt, wird zwar nicht aus- moralischer Schriften, durch vernünftigen Reli-
drücklich gesagt; es läßt sich jedoch schließen, gionsunterricht ins Gemüth prägen können« (S.
daß hiermit die Kinder unterer Schichten gemeint 4). Er hält diese Praxis aber nur in der Privaterzie-
sind, die nicht in den Vorzug eines Privatunter- hung für anwendbar; im Rahmen der öffentli-
richtes kommen, sondern allein auf den öffentli- chen, schulischen Erziehung dagegen scheint sie
chen Unterricht angewiesen sind. ihm nicht praktikabel zu sein: »Aber so schicklich
Emestis Absicht ist es, den Kindem »ein ih- und heilsam auch dieser Unterricht ist; so kann er
nen angemessenes Lehrgebäude der Moral in die doch im ganzen genommen, wenn er statt einer
Hände« zu liefern (S. 7), sie »mit dem Umfang ih- Moral dienen sollte, nicht wohl öffentlich ge-
rer POichten, und mit den Gründen derselben, wie braucht werden: er ist mehr für Privathäuser, in so
es ihrer Fassungskraft und ganzen Lage angemes- fern nämlich Aeltem und Lehrer die dazu gehöri-
sen ist, in [!]Zusammenhang bekannt« zu machen ge Zeit und Geschicklichkeit haben« (S. 4f.). Er-
(S. 5f.). Es geht also um einen ersten, im Zusam- nesti beschränkt damit die aufgelockerte und lite-
menhang gebotenen vollständigen Moralunter- rarisierte aufklärerische Tugenderziehung auf die
richt Dieser sollte für Emesti allerdings nicht gehobenen bürgerlichen und adeligen Stände, die
ganz unvorbereitet begonnen werden; ihm sollte sich eine Privaterziehung leisten können. Für die
vielmehr eine gelegentliche und verstreute morali- unteren Stände dagegen sieht er schon für das er-
sche Belehrung vorangehen, »die etwa durch ge- ste Schulalter der Kinder einen eher traditionel-
legentlich beygebrachte Denksprüche, verbun- len, dogmatischen pflichtunterriebt vor, der die
den mit zweckmässigen Kinder-Dialogen und moralischen Anforderungen und Gebote weitge-
Geschichten, geschehen möchte« (S. 5). Der zu- hend ohne literarische Einkleidung und Veran-
sammenhängende Moralunterricht muß hierbei schaulichung zum Auswendiglernen präsentiert.
noch ganz der geringen Fassungskraft der Kinder Für Emesti geschieht tugendhaftes Handeln
angepaßt sein: »Es versteht sich, daß man nicht nicht allein um der irdischen Glückseligkeit, son-
alle und iede Grundsätze der Moral vortragen dern auch um Gottes willen. Er geht davon aus,
müsse, daß man nicht streng systematisch verfah- »daß auch alle unsere Handlungen in Hinsicht
re, welches nur auf höhem Schulen und auf Uni- auf Gott, dem wir alle Liebe, Ehrfurcht, Dankbar-
versitäten seinen entscheidenden Werth hat, daß keit und Gehorsam schuldig sind, unternommen
man nicht trocken und abstrakt, nicht über ihren werden müssen« (S. 12f.). Dennoch beschränkt
Horizont rede; sondern alle mögliche Rücksicht er sich im vorliegenden Werk auf eine utilitaristi-
auf die Kinderselen, und aufihre sittliche Verhält- sche Begründung der Moral, will er »nur eine ver-
nisse oder Verbindungen nehme« (S. 6f.). nünftige und keine christliche Moral« (S. 14) lie-
Das Werk soll eine »ordentliche Moral für fern. Diese Beschränkung ergibt sich für Emesti
Kinder« (S. 9), d. h. ein Sittenlehrbuch sein, das aus Rücksicht auf den kindlichen Adressaten:
die einzelnen POichten zusammenstellt, erklärt »Wer Kinder kennt, und mit ihnen zu thun hat,
und begründet. Die eingestreuten moralischen wird die Ursachen davon leicht einsehen« (S. I 0).
Sentenzen und Sprichwörter sollen »die Wahr- Ein Beiseitelassen der entfernteren und höheren
heit der Sätze befestigen, tiefer ins Herz drücken, Beweggründe der Tugend sei »der Natur der Sa-
und zugleich Kindem zum Auswendiglernen die- che, der Natur der Kinder« (S. ll) gemäß. Die
573 Salzmann, Elementarbuch, 1782/83 574

Kinder seien in dieser Hinsicht den Israeliten keit, Neid, Schadenfreude, Hochmut, Stolz, Reichtum,
gleichzusetzen, die Gott ja gleichfalls mit irdi- Schönheit, Überheblichkeit, Bescheidenheit, Demut,
schen Belohnungen zur Tugend geführt habe. Tadelsucht, Verleumdung, Schwatzhaftigkeit, Ver-
Wenn also eine Moral für Kinder utilitaristisch schwiegenheit, Höflichkeit, Gefälligkeit, Dienstfertig-
keil, Wohltätigkeit, Dankbarkeit, Mitleid, Barmherzig-
sei, folge sie nur dem » Beyspiel Gottes«, wie es keit, Feindesliebe, Versöhnlichkeit und Ermunterung
die israelitische Geschichte zeige (S. lOf.). Den- zum Guten. Der Abschnitt über die besonderen Gesell-
noch habe er sich bemüht, den Kindern doch we- schaftspflichten handelt von der Elternliebe, dem Ge-
nigstens eine Andeutung und Ahnung von den horsam, der Folgsamkeit gegen die Lehrer, der Ehr-
höheren Beweggründen der Moral zu geben. Er furcht gegen die Obrigkeit und gegen die Alten, der Ver-
sei in seinem Werk bestrebt gewesen, »die Jugend träglichkeit gegenüber den Geschwistern, der Freund-
zugleich dabey auf Gott, und auf die Religion zu schaft sowie von der Freundlichkeit gegen das Gesinde.
führen, sie die wahre Tugend zu lehren [ ... ]« (S. Ein Anhang geht auf das Verhalten gegenüber den Tie-
13f.). ren und auf Tierquälerei ein.
Der dritte Hauptabschnitt beschäftigt sich mit der
Gottesliebe, der Gotteserkenntnis, der Ehrfurcht gegen
Das Werk zeigt die traditionelle Einteilung der Gott, der Gotteslästerung in Wort und Tat, der Dank-
Pflichtenlehre in die drei Hauptabschnitte »Pflichten barkeit und dem Gehorsam gegen Gott, dem Beten,
gegen sich selbst« (S. 19-54), »Pflichten gegen andere« dem Gottvertrauen und der Gottesverehrung. Ein An-
(S. 54-87) und »Pflichten gegen Gott« (S. 87-98). Am hang zu diesem Kapitel (S. 98-1 02) erwähnt »Noch ei-
Beginn der Hauptabschnitte wie auch der Unterab- nige Mittel, um tugendhaft und glückselig zu werden«.
schnitte stehenjeweils einige einleitende Bemerkungen, Behandelt werden hier Prinzipien einer christlichen Le-
die den behandelten Pflichtenkomplex zu begründen bensführung: stetes Gedenken an Gott als dem Richter
suchen. Die einzelnen Abschnitte bestehen in der Auf- und Vergelter aller Taten, stete Selbstprüfung, ständiges
zählung der Pflichten, die als Gebote in Aufforderungs- Andenken an den Tod und dauernde Verehrung der Re-
form formuliert werden. So heißt es z.B.: »Um gesund ligion.
zu seyn, brauche alle mögliche Vorsicht in deinen Spie-
len und Ergötzlichkeiten« (S. 21 ). Auf die zumeist in Ernestis Sittenlehre ist ein in hohem Maße
Fettdruck gesetzten Gebote und Anforderungen folgen konventionelles Tugendlehrbuch. Interessant ist
einige Erläuterungen und Begründungen, die knapp ge- hierbei, daß Ernesti die aufklärerischen Refor-
halten und ohne jegliche Ausführung sind; die Ab- men des Moralunterrichtes nicht schlechtweg ab-
schnitte zu den einzelnen Pflichten sind nur in seltenen lehnt, sondern lediglich für die unteren Schichten
Fällen länger als eine halbe Seite. Am Ende eines jeden
Absatzes stehen Sprichwörter und moralische Senten-
und den entsprechenden Schulunterricht für un-
zen, die zumeist ein- und zweizeilig sind und nur biswei- praktikabel hält, während er sie für den Privatun-
len sich zu einem mehrzeiligen Gedicht oder Epigramm terricht der gehobenen Schichten durchaus befür-
ausweiten. wortet. Köberle ( 1972) spricht mit Bezug auf Er-
Der erste Hauptabschnitt unterteilt sich in zwei nesti zurecht von »aneinander gereiht[en] trocke-
Kapitel, die jeweils von der» Vollkommenheit« des Lei- ne[n] Verhaltensmaßregeln für die verschiedenen
bes (S. 19-26) und von der der Seele (S. 27-47) handeln. Vorfälle des täglichen Lebens« (S. 65), macht
Im ersten Kapitel werden folgende Themen behandelt: aber nicht deutlich, daß Emesti sich hierbei nur
Gesundheit, Mäßigkeit, Vorsicht, Müßiggang, Erho- auf die unteren Stände bezieht. E.
lung, Wollust, Zorn, Affekte, Reinlichkeit, Ordnung
und froher Sinn. Der Abschnitt von der Seele handelt
von der Verbesserung der Sinne, des Gedächtnisses, der
Einbildungskraft, von der Ausbildung des ·Verstandes 1782/83
und vom Willen. Im Verstandesabschnitt findet sich die
folgende Aufforderung: »[ ... ]stelle häufige Betrach- Christian Gotthilf Salzmann (1 744-1811):
tungen des Guten und Bösen an, und lies fleissig Ge- Moralisches Elementarbuch. 2 Teile.
schichten, Fabeln, und gute Schauspiele unter Anlei-
tung deiner Aeltern oder Lehrer« (S. 32). Der Willens-
Leipzig 1 782-1783.
abschnitt handelt von der Selbsterkenntnis, den bösen Kupfer zu Herrn Professor Salzmanns
Begierden, Lastern und sinnlichen Trieben, die es durch Elementarwerk nach den Zeichnungen von
die Vernunft zu unterdrücken bzw. zu beherrschen gel- Herrn Daniel Chodowiecki, von Herrn
te, von der Schamhaftigkeit, der Verführung, der
Nußbiege/, Herrn Penzel und Herrn Crusius
schlechten Gesellschaft, der Übung in der Tugend und
von der »Gewöhnung an eine feine, artige und unge- Sen. gestochen.
zwungene Lebensart, an gute Sitten« (S. 46). Leipzig 1784/88
Der zweite Hauptabschnitt ist unterteilt in »Allge-
meine Pflichten, die wir gegen alle und iede Menschen, Salzmanns Moralisches Elementarbuch ist für die
ohne Unterschied, zu erfüllen haben« (S. 55-80) und in erste Stufe des Religionsunterrichts sechs- bis
»Besondere Pflichten, die wir gegen dieienigen zu erfül-
len haben, mit welchen wir in einer gewissen engen, und
achtjähriger Kinder, d. h. für den dem eigentli-
natürlichen Verbindung stehen« (S. 80-87). Der erste chen Religionsunterricht vorgeschalteten Moral-
Abschnitt bringt folgende Themen zur Sprache: Näch- und Sittenunterricht, konzipiert. Das Buch ist
stenliebe, Gerechtigkeit, Billigkeit, Diebstahl, Betrug, zum Vorlesen durch Eltern und Erzieher, nichtje-
Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlich- doch zur Eigenlektüre der Kinder bestimmt.
575 Moralisch belehrende Schriften 576

Die Absicht des Moralischen Elementar- dere Obrigkeit, als seine Eltern und Lehrer, hat.«
buchs ist, wie Salzmann in seiner der 2. Auflage (S. IX) Auch Ausführungen über Keuschheit und
des Moralischen Elementarbuchs (1785) beige- Unkeuschheit habe er nicht aufgenommen, »da-
bundenen methodischen Schrift Ueber die Ab- mit ich das Buch nicht für manche Eltern und Er-
sicht und den nützlichen Gebrauch des morali- zieher unbrauchbar machen möchte« (S. X).
schen Elementarbuchs ausführt, in den Kindern Gleichwohl vertritt er die Auffassung, daß »das
»dasjenige zu erzeugen, was mangute Gesinnung kräftigste Mittel, dieses schreckliche Uebel, das
zu nennen pflegt« (S. III). Unter »guter Gesin- die Wurzel der Menschheit zernaget, auszurotten,
nung« versteht Salzmann einen »höhere[n] Grad dieses sei, daß man mit Kindern von den Zeu-
von richtiger Erkenntniß«: »Diese besteht bloß gungsgliedern, ihren großen Absichten, und ihrer
darinne, daß man die Eigenschaften einer Sache Verletzbarkeit, eben so freymütig, wie von andern
weis, jene hingegen ist Erkenntniß, nicht bloß der Gliedern, rede.« (S. IX)
Eigenschaften, sondern auch der Wirkungen und Salzmann will Tugenden und Laster nicht
des innern Gehalts einer Sache, die allemal abstrakt abhandeln, sondern deren Wirkungen
nothwendig mit Zu- oder Abneigung verknüpft »in einem Bilde« vormalen, weil dadurch die
ist.« (S. III f.) sinnliche Wahrnehmung der Kinder gereizt wer-
Salzmann betont, er habe in seinem Werk al- de, denn: »Wir lieben was uns Vergnügen, und
les abgehandelt, »was in eine Sittenlehre für Kin- verabscheuen was uns Misvergnügen macht.« (S.
der gehört« (S. VIII), wenngleich es auch nicht V) Besonders durch moralische Beispielgeschich-
seine Absicht gewesen sei, »die Sittenlehre als ten könne in den Kindern eine »gute Gesinnung«
Wissenschaft vorzutragen« (S. IX). Das Morali- erzeugt werden: »Ich habe nämlich den Werth
sche Elementarbuch solle »weiter nichts wirken, und die Wirkungen der Dinge, deren Kenntniß
als das Kind so weit bringen, daß es das Gute liebt Kindern am nöthigsten ist, in kleinen Geschich-
und das Böse verabscheuet« (S. XXII). Gegen- ten so sinnlich dargestellt, daß sie von der Einbil-
über der »gewöhnlichen Unterweisung in der Sit- dungskraft gefaßt, und durch den innern Sinn
tenlehre« habe das Moralische Elementarbuch empfunden werden können, und lasse sie in Kup-
verschiedene Vorzüge: Zum einensei in ihm alles fer stechen, um sie auch durch den äußerlichen
vereinigt, >>was für Kinder Reiz hat, und ihre Auf- Sinn des Gesichts fühlbar zu machen, damit das
merksamkeit auf die Grundsätze, die ihnen sollen Kind durch diese Empfindung gereizt werde, auf
beygebracht werden, heften kann« (S. XX). Das jede Sache die Neigung oder Abneigung zu wer-
Buch sei besonders dadurch für Kinder geeignet, fen, die sie ihrer Natur nach verdienet.« (S. VIII)
daß es Erzählungen und Bilder enthalte, die be- Ausführlich behandelt Salzmann die Metho-
sonderen »Reiz« ausübten. Den hauptsächlichen de, nach der Eltern und Erzieher mit dem Morali-
Vorzug seiner Sittenlehre sieht Salzmann jedoch schen Elementarbuch arbeiten sollen. Er emp-
darin, daß alles »Befehlerische und Gesetzarti- fiehlt, es den Kindern nicht zur eigenen Lektüre in
ge« fehle, »das allemal dem Guten eine unange- die Hand zu geben: »Sie werden alsdenn, so be-
nehme Gestalt, dem Bösen einen gewissen Reiz gierig auf die Geschichte, es lesen, daß sie die
giebt. Dennjede gute Handlung, die wirvielleicht Wahrheiten, die darinnen enthalten sind, kaum
mit Vergnügen thäten, wird uns lästig, sobald sie bemerken- sie werden den Zucker ablecken, und
befohlen wird. [ ... ] Das Gesetz kann zwar den die darinne verborgene Arzney liegen lassen.«
Menschen dahin bringen, daß er äußerlich das (S. X) An Stelle dessen sollen Eltern und Erzieher
Gute tut und das Böse unterläßt, aber nicht dahin, die jeweilige Geschichte mit eigenen Worten er-
daß er das Gute liebt und das Böse verabscheuet. zählen. »Aber ja nicht Stunden lang! ja nicht in ei-
In diesem Buche wird nun das Gesetzartige ganz nem Tone, als wenn ihr sie untt.:rrichten wolltet,
vermisset. Es wird nicht gesagt: du sollst nicht ver- sonst würdet ihr einen großen Teil meiner guten
schwenden, du sollst deine Eltern lieben: sondern Absichten vereiteln.« (S. XI) Einzelne Erzählun-
es wird ihm die Schädlichkeit der Verschwendung gen sollen abschnittweise vorgetragen und dann
und die Vortreflichkeit der Eltern so fühlbar ge- fortgesetzt werden, wenn die Kinder durch ihr gu-
macht, daß es davon überzeugt, und dadurch be- tes Betragen dazu Anlaß geben. Salzmann gibt zu-
stimmt wird, jene zu verabscheuen, diese zu lie- dem eine Reihe konkreter Anweisungen, wie die
ben.« (S. XX f.) Geschichten zu erzählen seien, u. a. betont er,
Salzmann weist darauf hin, daß er mit Be- man solle »die Leute immer so reden lassen, wie
dacht einige Gegenstände nicht in sein Morali- sie in der Provinz sprechen, in der man erzähle«
sches Elementarwerk aufgenommen habe, die (S. XX). Die Wirkung der Erzählung könne auch
»mancher hier suchen möchte«: »Ich habe z. E. noch durch das Vorzeigen der dazugehörigen
keine besondere Geschichten, in welchen der Kupfertafel und ein Gespräch darüber vertieft
Werth der Obrigkeit vorgesteilet wäre, aus dem werden.
Grunde, weil das Kind noch nicht in unmittelba- In einem der Schrift Ueber die Absicht und den
rer Verbindung mit der Obrigkeit steht, und in sei- nützlichen Gebrauch des moralischen Elementarbuchs
nem sechsten bis achten Jahre eigentlich keine an- beigegebenen »Entwurf der in diesem Buche abgehan-
577 Salzmann, Elementarbuch, 1782/83 578

delten Sachen« gibt Salzmann eine systematisierte Zorn, zu Hoffnung, Mitleid, Argwohn, Haß und Liebe,
Übersicht derjenigen Dinge und Eigenschaften, »deren zur Gesundheit mäßigen Schlafs, zum Eigensinn, zur
Werth und Wirkung auf ihr [der Kinder, d. Red.] Ver- Schamhaftigkeit, zu Gefälligkeit und Faulheit. Laster
gnügen und Misvergnügen hiervorgestellt wird«. Er un- und Tugenden werden jeweils in ihren Auswirkungen
terteilt die im Moralischen Elementarbuch behandelten plastisch dargestellt, so daß auch ohne besondere Beto-
Themen in fünf Hauptgruppen, die hier im Abriß vorge- nung der jeweiligen Morallehre ihr Kern leichterfaßbar
stellt werden sollen: ist.
I) Die Kinder selbst In der Art der in den ersten Kapiteln geschilderten
- Ihr Körper (Gesundheit, Empfindungen, Ge- Erlebnisse sind auch die weiteren Teile des Buches ge-
schicklichkeit) halten: in einen groben Handlungsrahmen sind ver-
- Ihre Seele (deren Kräfte: der Verstand, der Wille schiedenste Episoden gestellt, die jeweils zur Verdeutli-
mit seinen guten und bösen »Fertigkeiten« wie chung einer Tugend oder eines Lasters dienen. Die Ka-
Mäßigkeit, Beständigkeit, Unmäßigkeit, Nasch- pitel17-22 spielen im Hause Herrmann und kreisen um
haftigkeit usw., sowie die Leidenschaften; deren die Vorbereitung der Hochzeit eines armen Jugend-
»andere Eigenschaften«: die Unsterblichkeit) freundes Herrmanns, der sich mit Verstand und Fleiß
2) Andere Personen zum Hofrat emporgearbeitet hat. Gegenstand der Mo-
- Gott (seine Eigenschaften, seine Werke, Pflichten rallehre sind Naschhaftigkeit, Beständigkeit, Wohltä-
gegen ihn) tigkeit, Geiz, Geschicklichkeit, das Lob des Lernens
- Menschen (»In Ansehung des Verhältnisses ge- und der Aufmerksamkeit sowie die üblen Folge von
gen die Kinder«, »In Ansehung ihrer Religion«, Flatterhaftigkeit, Ungeduld und Lügnerei. Im Zusam-
»In Ansehung ihrer Gesinnung« und »In Anse- menhang des Hochzeitsfestes (Kapitel23 und 24) wer-
hung ihrer Vermögensumstände«) den die Dankbarkeit, Adelsstolz sowie übermäßiger Al-
3) Tiere koholgenuß abgehandelt. Die Kapitel 25-29 beschrei-
4) Sachen ben einige Folgen des Festes sowie einen erneuten Be-
- Nahrungsmittel (notwendige, überflüssige) such der Familie beim Hofrat von Heilberg, von dem
- Kleidung(natürliche, unnatürliche) Ludwig allerdings ausgeschlossen bleibt, weil man sei-
5) Schicksale ner Schwatzhaftigkeit mißtraut. Thematisiert werden
-angenehme hierbei die Notwendigkeit zur Mäßigung, die schädli-
- unangenehme. chen Folgen »gekünstelter Speisen«, die Bescheiden-
Diese Systematik veranschaulicht die Fülle der heit, die Verschwiegenheit, das Laster der Verleumdung
von Salzmann im Moralischen Elementarbuch behan- sowie die Nützlichkeit armer Leute.
delten Themen, läßt jedoch noch keine Rückschlüsse Das 30. Kapitel schildert, wie die Familie Herr-
auf die Form der Präsentation zu, da Salzmann seine mann sich nachallden gehabten Vergnügungen der Ar-
Morallehre im ersten Teil in die Form einer moralischen beit widmet und liefert ein Lob des Gesindes. Die Kapi-
Beispielerzählung kleidet, die eine systematisierte Be- tel31-36 haben einen Besuch bei der Familie eines Ma-
handlung der Morallehre unmöglich macht. Der zweite gisters Helwig zum Gegenstand. Da die Kinder der Fa-
Teil dagegen entspricht im wesentlichen dieser Syste- milie jedoch an Pocken erkrankt sind, erfolgt alsbald die
matik: Salzmann versammelt darin unter dem Stichwort Rückkehr nach Haus. Das traurige Leben ohne Freund,
einer Tugend bzw. eines Lasters meist mehrere Beispiel- die Religionstoleranz (»Es giebt beyalle Religione gute
geschichten, die »zu Erregung guter, und Dämpfung Leute«, S. 289), die Tierquälerei, der beklagenswerte
schädlicher Neigungen eingerichtet sind. Ich könnte Zustand eines bösen Menschen, die Liebe der Eltern zu
ihn ein geistliches Hausapothekchen nennen[ ... ]« (S. ihren Kindern, das Verhalten der Kinder gegenüber
XXV). Pflegeeltern sowie das Lob der Ehrlichkeit werden in
Teil I: Der erste Teil des Moralischen Elementar- diesen Kapiteln abgehandelt. Das 37. Kapitel schildert
buchs erzählt in 45 Kapiteln Begebenheiten, die sich im einige Vorkommnisse bei der Löhnung der für Herrn
Verlaufe eines Jahres im Hause und im Umkreise der Herrmann arbeitenden Weber und lobt die Nützlichkeit
Kaufmannsfamilie Herrmann ereignen. Hauptperso- reicher Leute sowie die Rechtschaffenheit.
nen sind der wohlhabende Kaufmann Herrmann sowie Gegenstand der Kapitel 38-40 ist ein Gegenbe-
dessen Ehefrau Sophie und deren Kinder Ludwig und such der wieder genesenen Familie Helwig. Nachdem
Luise. Um diese Bürgerfamilie ranken sich verschiede- im 38. Kapitel geschildert worden ist, daß auch »Leiden
ne Einzelgeschichten mit zahlreichen und häufig wech- einegargroße Wohlthat« seien(S. 341), wird im39. Ka-
selnden Nebenfiguren. pitel die Existenz Gottes aus der Betrachtung des Ster-
Die Kapitel I bis 16 handeln von einer Reise der nenhimmels hergeleitet. Im Folgenden entwickelt Salz-
Familie Herrmann aufs Land zu einem Besuch bei ei- manndie Eigenschaften Gottes: seine Größe, seine Un-
nem Herrn von Heilberg. Allein Luise muß wegen ihrer sichtbarkeit und Güte, die auch das menschliche Ver-
unordentlichen Aufführung zu Hause bleiben. Die weit- gnügen bewirke. Gottes größte Freude sei, »wenn er sei-
läufig und unter Berücksichtigung zahlreicher Neben- nen Werken recht vieles Vergnügen machen kann, daß
episoden geschilderte Landreise gibt Salzmann Gele- er ein wahrer Vater sei« (S. 371 ). In den folgenden Kapi-
genheit, zahlreiche Themen abzuhandeln: Es finden teln 41-44 werden verschiedene unzusammenhängen-
sich in diesen Kapiteln Ausführungen zur Unreinlich- de Episoden erzählt, so die Aufdeckung eines argen Be-
keit, zur Gesundheit in Armut und zur Krankheit in truges, das Schicksal eines alten Webers, der in der Ju-
Reichtum, zur Furchtsamkeit, Warnungen vor unmässi- gend seinen Vater schlecht behandelte und nun seiner-
ger Freude und Sehnsucht, unmäßigem Vergnügen und seits durch seinen Sohn gedemütigt wird, und die Fol-
unmäßiger Trauer, zum Fleiß, zur Sparsamkeit, zur Ge- gen einer Naturkatastrophe. Die in den Kapiteln enthal-
duld, zu Verschwendung und Geiz, gegen Gespenster- tenen Lehren verdeutlichen, daß Gott allwissend, ge-
furcht und leichtfertiges Herumtollen, zu Sanftmut und recht, barmherzig und weise ist.
579 Moralisch belehrende Schriften 580

Das Schlußkapitel behandelt das Leiden und den Gebets«. Die in der systematischen Gliederung als »An-
Tod der Mutter, Sophie Herrmann, und entwickelt die dere Personen« betitelte zweite Hauptgruppe wird fort-
Lehre von der Unsterblichkeit. Das Buch endet mit ei- gesetzt mit den Kapiteln 62-72. Salzmann behandelt
nem Ausblick auf das weitere Leben der Kinder: »Sie darin zunächst Menschen »in Ansehung des Verhältnis-
wuchsen auf, und Luise wurde eine so wohlthätige, ge- ses gegen die Kinder«: Vorgesetzte (Eltern, Stiefeltern,
fällige und rechtschaffene Frau, wie ihre Mutter gewe- Lehrer) und Untergebene (Gesinde), dann Menschen
sen war; und wer ihre Mutter gekannt hatte, sagte: dies »in Ansehung ihrer Religion« (Es giebt unter allen Re-
ist die andre Sophie. Ludwig wurde ein braver Mann, ligionspartheyen gute Menschen«, S. 392 ff.) und Men-
der durch seine Tätigkeit und Gefälligkeit gegen alle schen »in Ansehung ihrer Gesinnung«: gute und böse,
Menschen sich jedermanns Liebe erwarb.« (S. 411) Freunde und Feinde. Diese Gruppe von Beispielge-
Teil 2: Im Gegensatz zum ersten Teil des Morali- schichten wird beschlossen mit Erzählungen über Men-
schen Elementarbuchs enthält der zweite Teil eine nach schen »in Ansehung ihrer Vermögensumstände« (»Die
Tugenden und Lastern stark systematisierte Sammlung Reichen sind sehr nützlich, besonders wenn sie ihr Geld
moralischer Beispielgeschichten. Salzmann beschreibt gut anwenden«, S. 433 ff. und »Auch die Armen, und
sein Vorgehen im zweiten Teil mit den Worten: »Ich Menschen vom niedrigen Stande, sind sehr nützlich«,
[ ... ]betrachtete den Entwurf, den ich zum ersten Theile s. 441 ff.).
des Elementarbuchs gemacht hatte, als ein, in verschie- Der 73. Abschnitt beschäftigt sich erneut mit der
dene Fächer abgetheiltes, Repositorium, in deren jedes Tierquälerei. Die Abschnitte 74, 75 und 77, 78 haben
ich zwey bis drey Erzählungen stellte, die ich theils aus »angenehme« und >>Unangenehme« Schicksale zum
andern nahm, theils selbst verfertigte.« (Vorrede, Gegenstand. Eingeschoben ist der Abschnitt 76 mit dem
S. VII) Entsprechend ist der gesamte zweite Teil in 78 Thema »Eine ungekünstelte Kleidung und Schmuck ist
Abschnitte eingeteilt, die jeweils - wie schon an der doch besser, als alle Künsteleyen«.
Überschrift erkennbar ist- eine Tugend oder ein Laster
Kupfersammlung zum Moralischen Elementarbuch:
zum Gegenstand haben, z. B.: »Jedes Vergnügen muß
Die Kupfersammlung zum ersten Teil von Salzmanns
mit Mäßigung genossen werden, wenn es uns nicht ekel-
Moralischem Elementarbuch enthält 67 Kupfertafeln.
haft und schädlich werden soll« (S. 12) oder »Was für
Die Kupfertafeln sind von Chodowiecki gezeichnet.
unangenehme Folgen man sich durch die Schwatzhaf-
Wie der Vorrede Siegfried Lebrecht Crusius' zum ersten
tigkeit zuziehe« (S. 119). Den einzelnen Abschnitten
Heft zu entnehmen ist, sollten sie ursprünglich in Zu-
sind in der Regel drei, manchmal jedoch auch weniger
sammenarbeit mit Rosmaesler und Crusius sen. erstellt
oder mehr Geschichten zugeordnet. 69 Erzählungen
werden; allein der Tod Rosmaeslers sowie die Überla-
sind von Salzmann unterzeichnet, die übrigen - soweit
stung Chodowieckis und Crusius' sen. verhinderten ein
sie nicht ohne Angabe des Verfassers aufgenommen
frühzeitiges Erscheinen. Die Tafeln wurden schließlich
wurden- stammen von Campe (23), Moritz (15), Ro-
von Johann Nusbiegel ( 17 50-1829), Johann Georg
chow (13), Weiße (8), Sulzer (7), Becker (5), Karoline
Penzel (1754-1809) und Gottlieb Leberecht Crusius
Rudolphi (2), Tessin und Emilia Rudolphi (je eine).
(1730-1804) gestochen und erschienen 1784-88.
Fünf Erzählungen sind dem Goldenen Spiegel fiir Kin-
Die einzelnen Tafeln tragen jeweils als Unter-
der von Stoy entnommen, drei weitere den von Base-
schrift einen Satz, der in der zugehörigen Geschichte be-
dow und Campe herausgegebenen Pädagogischen Un-
reits durch Fettdruck hervorgehoben ist und die ent-
terhandlungen.
sprechende moralische Sentenz oder eine wichtige Aus-
Bei dem zweiten Teil des Moralischen Elementar- sage der Erzählung bezeichnet. Sie illustrieren jeweils
buchs handelt es sich um eine Vertiefung der bereits im detailgetreu und sehr realistisch das in der zugehörigen
ersten Teil entwickelten Morallehren, die hier anhand Erzählung Beschriebene. Chodowiecki »weiß auf dem
neuer Beispielgeschichten wiederholt werden. Häufig kleinsten Raum Gemälde zu geben, bei denen die Züge
stehen dabei die einzelnen Abschnitte kontrastierend der Dargestellten den psychologischen Gehalt der Er-
zueinander, z. B. Abschnitt 6 »Wie gut es sey, aufmerk- zählung restlos ausschöpfen und es eigentlich gar keines
sam zu seyn« und Abschnitt 7 »Von der Schädlichkeit Kommentars bedürfte, um uns die Empfindungen der
der Flatterhaftigkeit« oder Abschnitt 21 »Wie gut es Personen verstehen zu lassen. Man darf ohne Übertrei-
sey, sparsam zu seyn«, Abschnitt 22 »Was der Geizige bung sagen, der Künstler steht hier über dem Pädago-
für ein Thor sey« und Abschnitt 23 »Des Verschwen- gen, [ ... ] er hat den Leitfaden der Moral in eine Reihe
ders Elend« usw. köstlicher kleiner Ausschnitte aus dem Leben aufgelöst
Die Abschnitte 1-5 behandeln den Körper (S. und den Alltag des Gemeinnützigen und Gemeinver-
1-27). Die Seele ist Gegenstand der Abschnitte 6-54. ständlichen in eine höhere Sphäre gerückt. Der Verfas-
Zunächst werden ihre Kräfte (Aufmerksamkeit, Ver- ser ist häufig naiv, manchmal rührend, im Grunde aber
stand und deren negative Entsprechungen) abgehandelt doch so lehrhaft, daß ihm bei aller Herzensgüte der Pe-
(S. 27-45), ihre guten und bösen Veranlagungen (S. dant aus jeder Falte guckt, der Künstler ist immer frisch,
45-233) und schließlich die »Leidenschaften« (S. immer natürlich und immer anregend. Der banalsten
233-295). Dieser Teil wird mit Ausführungen zu den Szene weiß er durch die neckischsten kleinen Züge eine
»andern Eigenschaften« der Seele, der Unsterblichkeit, Ursprünglichkeit mitzuteilen, die jenem ganz verloren
abgeschlossen. ging, denn wenn man immer die Tugend am Wickel hat,
Im Gegensatz zum ersten Teil des Moralischen übersieht man leicht, daß der Hörer zu gähnen anfängt.
Elementarbuchs, jedoch in Einklang mit der eingangs Dieser Gefahr ist der Zeichner niemals ausgesetzt. Die
vorgestellten Systematik, wird Gott im zweiten Teil erst Vorgänge, die er schildert, fesseln immer, denn man hat
im Anschluß an die Lehre von der Unsterblichkeit vor- stets das Leben vor sich, keine Abstrakta von Geduld,
gestellt. In den Abschnitten 55-60 werden seine Eigen- Sanftmut, Wohltätigkeit, sondern Menschen von
schaften abgehandelt. Die Pflichten gegen Gott gehen Fleisch und Blut, wie sie damals Haus und Straße füll-
ein in den 61. Abschnitt »Von der Vortrefflichkeit des ten.« (von Boehn, 1922, S. !Off.)
581 Salzmann, Elementarbuch, 1782/83 582

Bedeutsam sind die Änderungen von Chodowiec- findung betreffende Einsicht in die eigene Gottes-
kis Darstellung im Vergleich mit seinen Arbeiten zu Ba- geschöpflichkeit, zum andern als der dieser Ein-
sedows Elementarwerk (1774): Sind dort die Kinder sicht inhärente ethische Anspruch, der sich hier in
noch weitgehend in der Art kleiner Erwachsener darge-
den Äußerungen über die Bestimmung des Men-
stellt - die Mädchen mit Schnürbrust, die Jungen mit
dem väterlichen Dreispitz in Kleinausgabe -,so verkör- schen als Geschöpf Gottes erstmals bedeutungs-
pern sie in der Illustration zu Salzmanns Werk bereits voll manifestiert.« (Lachmann, 197 4, S. 56) 2. Re-
das neue Erziehungsideal: sie sind kindgemäßer, natür- ligion ist die rechte Ansicht von »anderen Din-
licher, ihrem Alter entsprechend gekleidet- und beque- gen«. Diese Definition wird von Salzmann in
mer. Den Hals tragen sie frei, die Haare offen, sie zeigen zweifacher Weise begrenzt. Einmal will er darun-
mehr kindliche Frische. Chodowiecki hat Salzmanns ter nur solche Dinge verstanden wissen, die »auf
»Leitfaden der Moral in eine Reihe köstlicher kleiner uns eine nähere Beziehung haben«, »womit gene-
Ausschnitte aus dem Leben aufgelöst« (von Boehn, rell auch in diesem Bereich der Existenzbezug des
1922, S. 11) und liefert so ein Bild des bürgerlichen All-
Salzmann'schen Religionsbegriffs gewahrt ist,
tags.
wodurch zugleich aber auch methodisch speziell
Das Moralische Elementarbuch bedeutet die dem Religionsunterricht bereits hier eine heilsa-
erste praktische Konkretion der religionspädago- me, am Prinzip der Lebensnähe orientierte Be-
gischen Überlegungen und Grundsätze, die Salz- schränkung auferlegt wird« (Lachmann, ebd.).
mann zwei Jahre zuvor in seiner Schrift Ueber die Zum anderen sollen die Dinge eine Beziehung zu
wirksamsten Mittel Kindem Religion beyzubrin- Gott haben, sie werden relevant, insofern sie Mit-
gen (Leipzig 1780) entwickelt hatte. Ursprünglich tel sind, »die große Absicht seines Daseyns zu be-
hatte Salzmann geplant, dem Werk den Titel» Er- fördern«. Formelhaft faßt Lachmann diesen Re-
ste Grundsätze der Religion, in Kindersprache ligionsbegriff Salzmanns mit den Worten zusam-
übersetzt« zu geben. Der Stellenwert des Morali- men: »Religion ist eine in der Vernunft gegründe-
schen Elementarbuchs in Salzmanns früheren te, mit Empfindung verbundene, auf Verhalten
Schriften wird deutlich, wenn man sich a) seinen ausgerichtete Gesinnung, nach der der Mensch
Religionsbegriff, wie er in der Schrift Ueber die sich selbst, seine Mitmenschen, sein Schicksal
wirksamsten Mittel . .. zu Tage tritt, und b) seine und seine Umwelt von Gott her ansieht.« (ebd.)
Kritik am herkömmlichen Religionsunterricht Bereits in der Wiedergabe der Grundgedan-
vergegenwärtigt. ken der Methodenschrift zum Salzmannsehen
Salzmann bezeichnet als Religion »eine sol- Moralischen Elementarbuch wurde die strenge
che Gesinnung, nach der wir uns Gott und andere Unterscheidung deutlich, die Salzmann zwischen
Dinge, die auf uns eine nähere Beziehung haben, » Erkenntniß« und »Gesinnung« macht. Er geht
von der rechten Seite ansehen, und ihren wahren sogar so weit, in der Ausbreitung der Erkenntnis,
Werth, den sie im Verhältniß gegen einander ha- wenn diese nicht mit einer Verbesserung der Ge-
ben, bestimmen.« ( Ueber die wirksamsten Mittel sinnung einhergeht, eine gefährliche Entwick-
... , S. I) In einer Fußnote zu dieser Definition lung zu sehen:» Vervollkommnung der menschli-
heißt es ergänzend: »Oder biblisch zu reden: Er- chen Natur, die sich nur auf die Vergrößerung sei-
kenntniß der Wahrheit.« (ebd.) >> Erkenntniß der nes Wirkungskreises, und Vermehrung seiner Gü-
Wahrheit« ist für Salzmann nicht primär ein intel- ter einschränket, machet also den Menschen
lektuelles, den Verstand beanspruchendes Ge- elend; sie ist aber Beförderungsmittel seiner
schäft, sondern eine Frage der Gesinnung: »Die Glückseligkeit, wenn seine Einsichten in den
Religion unterscheidet sich also von Wissen- Werth der Dinge, das ist, seine Gesinnungen, in
schaft vorzüglich dadurch, daß sie nicht blos Er- eben dem Verhältnisse berichtiget und gebessert
kenntniß der Beschaffenheit, sondern des wahren werden.« (ebd.) Das ResultateinernichtaufVer-
Werthes der Dinge ist, den sie in ihrem Verhältnis- besserung der Gesinnung abzielenden Vervoll-
se gegen einander haben. Und da die Erkenntniß kommnung des Menschen sieht Salzmann daher
des wahren Werthes einer Sache immer mit Zu- in der Vergrößerung des menschlichen Elends:
neigung oder Abneigung gegen dieselbe verknüp- »Dies ist also die Wirkung der Vervollkommnung
fet ist, so ist die Religion mehr als Erkenntniß-sie des Menschen; Kraftlosigkeit, Leidensfähigkeit,
ist Gesinnung.« (a. a. 0., S. 2) Armuth und Krankheit.« (a. a. 0., Vorbericht,
Religion ist demnach zweierlei: 1. die rechte S. IX) Den letzten Grund für dieses Elend sieht
Ansicht von Gott. Diese kann der Menschjedoch Salzmann im »mangelhafte[n] Unterricht in der
nur gewinnen, wenn er sich als ein Geschöpf Got- Religion« (a. a. 0., Vorbericht, S. XV). Hier setzt
tes begreift, dessen Auftrag nicht nur tätige Liebe seine Kritik am gesamten herkömmlichen Reli-
zu Gottes Schöpfung, sondern insbesondere seine gionsunterricht ein.
eigene Vervollkommnung ist. Salzmanns Gottes- Der Hauptvorwurf, den Salzmann dem bis-
verständnis besitzt daher für den Menschen exi- herigen Religionsunterricht macht, ist die der
stentielle Relevanz. »Existentiell relevant ist die- mangelnden » Kinderkenntniß« : »Es ist ein gro-
ses Verständnis in doppelter Hinsicht: einmal als ßer Fehler, daß man Kinder, an vielen Orten, wie
die den ganzen Menschen in Verstand und Emp- Erwachsene behandelt, so daß der Unterschied
583 Moralisch belehrende Schriften 584

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&~9 01tsrrlt~ l!r6u~c (n~"'·
1 s1 .
Salzmann, Christian Gotthilf: Moralisches Elementarbuch, nebst einer Anleitung zum nützlichen Ge-
brauch desselben. 1heill. - Leipzig 1782 (Nr. 747). Titelblatt mit Kupferstich-Frontispiz und Titelvignet-
te von Rosmaesler

unter einem dogmatischen Collegia, einer Pre- Geschichte nicht mit zur Religion rechnen. [... ]
digt, und einer Unterweisung der Kinder in der Die Religion beschäfftiget sich, meines Erach-
Religion sehrunmerklich ist.« (a.a. 0 ., S. 12) Der tens, mit Dingen, die auf uns eine nähere Bezie-
herkömmliche Religionsunterricht habe »die hung haben. Ich kann also nicht anders, als alle
Verdrossenheit zum Beobachten und eigenen die Ideen, die ganz außer der Sphäre unserer Er-
Nachdenken« zum Ergebnis gehabt. Auch die In- kenntniß, und vorzüglich kindischer Erkenntniß,
halte des Religionsunterrichts unterzieht Salz- liegen, aus dem Religionsunterrichte wegwün-
mann einer grundlegenden Kritik: er verwirft schen.« (a. a. 0 ., S. 3) 2. Die Kinder sollen selbst
nicht nur die übliche Unterweisung der Kinder den »rechten Wert der Dinge« beurteilen lernen,
anhand das Katechismus und der zehn Gebote, nicht jedoch einfach ein fremdes Urteil nachvoll-
sondern auch die zu frühe Unterrichtung in der bi- ziehen- und sei es das der Bibel. Auf diese Weise
blischen Geschichte, die für die Kinder häufig gar werden sie nach Salzmanns Auffassung für die
nicht verständlich sei: »Aber beydem ersten Un- Wahrheiten der göttlichen Lehre empfänglicher:
terrichte in der Religion, den man Kinder giebt, »Man lehre hingegen die Kinder von Jugend auf
halte ich es nicht nur für überflüßig, sondern auch die Dinge aus dem rechten Gesichtspuncte, nach
für höchst schädlich, wenn man ihn auf Begeben- ihrem wahren Werthe, beurteilen, und gebe ihnen
heiten gründen will, die vor siebenzehn Jahrhun- alsdenn die Bibel in die Hand, und mache sie mit
derten in Palästina sich zugetragen haben, und den eigenthümlichen Lehren des Christentums
auf Ideen, die die tiefdenkendesten Köpfe nicht bekannt - wie geneigt werden sie seyn, einem
fassen können.« (a. a. 0., S. 6) Schriftsteller zu glauben, der ihnen lauter Dinge
Die zu frühe Beschäftigung mit der bibli- lehret, von deren Richtigkeit sie schon überzeuget
schen Geschichte lehnt Salzmann (vgl. ebd. S.4) sind; wie wenig Mistrauen w erden sie in ihn set-
aus zwei Gründen ab : I.Sie liegt außerhalb des zen, wenn sie von ihm nun auch Wahrheiten hö-
Gesichtskreises der Kinder, hat also auf sie keine ren, die sie sonst nicht kannten, und die ihnen un-
»nähere Beziehung«. »Wenn Religion Gesin- begreiflich sind.« (a.a.O., S. 10) Salzmann will
nung ist, so kann ich die Kenntniß der biblischen daher keineswegs die christliche Lehre aus dem
585 Salzmann, Elementarbuch, 1782/83 586

Religionsunterricht femhalten, sondern die »Ge- es diesen Irrthum lange hegen sollte. Wenn es nun
sinnung der Kinder durch Gründe bestimmen, aber weiß, daß die ganze Erzählung eine Erdich-
die theils aus der Natur der Dinge, theils aus den tung ist, wird nicht eben dadurch die angehängte
Lehren des Christentums hergenommen sind.« Moral ihre Glaubwürdigkeit verlieren?« (ebd.)
(a.a.O., S. II) Nur müsse diese Verbindung Die bestmögliche Form, kleinen Kindem Unter-
»nicht gleichzeitig, sondern successiv seyn« richt zu erteilen, sei eine, die für die Kinder auch
(ebd. ). Der moralische Anfangsunterricht bereitet angenehm und unterhaltend sei, weil sie dem na-
so auf die christliche Unterweisung vor: »Ist das türlichen Trieb der Kinder entgegenkomme. Salz-
Kind auf solche Art zubereitet, sind ihm die, in mann rechnet dazu vorzüglich das Spiel und die
dieser Schrift vorgetragenen, Grundsätze eigen Erzählung. Für den Religionsunterricht eigne
gemacht worden, so kann man es zu Jesu führen, sich vor allem die Erzählung, weil sie die Auf-
es mit seiner Person, Lehre und Tode, bekannt merksamkeit und Wißbegierde der Kinder errege
machen. Der Weg zu des Kindes Herzen ist ihm und zugleich die Methode sei, in der Jesus seine
nun bereitet, die Thäler sind erhöhet, die Berge Lehre vorgebracht habe.
abgetragen, das Krumme ist gerade, und das Hök- Wie diese Erzählungen beschaffen sein sol-
kerichte eben gemacht worden, indem die Voror- len, präzisiert Salzmann an anderer Stelle: »Kann
theile zerstöretund die bösen Fertigkeiten verhin- also wohl Kindern, die gut werden sollen, etwas
dert sind, die es von der Annahme Jesu und seiner lehrreicheres, als die Geschichte guter Kinder, er-
Lehre abgeneigt machen konnten.« ( Ueber die zählet werden? In denselben kommen die nämli-
Absicht und den nützlichen Gebrauch ... , chen Vorurtheile, Thorheiten und Uebereilungen
S. XXII) vor, zu denen sie sich selbst aufgeleget finden, die
Die Aufgaben des Moralischen Elementar- nämlichen Tugenden, die sie selbst im Kreise ih-
buchs sind damit von Salzmann klar umrissen. rer Gespielen ausüben können, die nämlichen
Demnach handelt es sich bei dem Moralischen Versuchungen, denen sie selbst ausgesetzt sind.
Elementarbuch um auf gute Gesinnung abzielen- Es braucht da keine weitere Erklärung, keine An-
de, den Unterricht in der christlichen Religion wendung, die Kinder fühlen gewiß selbst, was sie
vorbereitende moralische Beispielerzählungen fühlen sollen« (a. a. 0., S. 56). Salzmann stellt für
und-geschichtenals Unterrichtswerk für die erste diese »Geschichten guter Kinder« verschiedene
Stufe des Religionsunterrichts. Der Charakter der Prinzipien auf, die in den beiden Teilen des Mora-
moralischen Beispielerzählung bewog Salzmann lischen Elementarbuchs ihren Niederschlag fin-
auch, den ursprünglich geplanten Titel »Erste den:
Grundsätze der Religion, in Kindersprache über- I. Die in den Erzählungen des Moralischen
setzt« zu ändern: »Einer von diesen Freunden ist Elementarbuchs auftretenden Kinder urteilen
die Ursache, warum ich den Titel geändert habe. und handeln so, »wie man wünschet, daß die l'in-
Er machte es mir so wahrscheinlich, daß das Pu- der urtheilen und handeln sollen« ( Ueber die
blikum das Wort: Religion, in der Verbindung mit wirksamsten Mittel . .. S. 56).
meinem Buche, das eigentlich eine moralische Er- 2. Da die Erzählungen gute Gesinnung er-
zählung sei, anstößig finden, und meine Absicht zeugen sollen, d. h. die Kinder zur richtigen Beur-
misverstehen würde, daß ich überzeugt wurde teilung des »wahren Werths jedes Dings« anhal-
und nachgeben mußte.« ( Ueber die Absicht und ten sollen, läßt Salzmann »die handelnden Perso-
den nützlichen Gebrauch ... , S. 111) nen oft in solche Lage kommen, wo der wahre
Entsprechend seiner Kritik am herkömmli- Werth der Dinge recht fühlbar ist« ( Ueber die
chen Religionsunterricht richtet Salzmann das wirksamsten Mittel ... , S. 59). Diesen »wahren
Moralische Elementarbuch ein und wählt als die Werth« einer Sache verdeutlicht Salzmann häufig
ihm am dienlichsten scheinende Präsentations- in kontrastiven Bildern.
form die moralische Beispielerzählung bzw. -ge- 3. Obwohl Salzmann »Geschichten guter
schichte. Er verwirft nicht nur die biblische Ge- Kinder« vorträgt, sind- besonders im ersten Teil
schichte als für die »erste Bildung junger Seelen des Moralischen Elementarbuchs - die Kinder
sehr unbequem« ( Ueber die wirksamsten Mittel nicht vollkommen und urteilen und handeln da-
... , S. 55); noch weniger wollen ihm »zu dieser her nicht durchgängig gut. Salzmann wählt dieses
Absicht die Fabeln gefallen«: »Die handelnden Verfahren, weil sonst, »wenn man Kindem im-
Personen, die darinne aufgesteilet werden, sind mer von gar zu vollkommenen Kindem erzählet,
insgemein Tiere, denen Menschenverstand und sie am Ende diesen kleine Romanhelden gram
Menschensprache beygeleget wird. Dieser einzi- werden und Unwillen auf sie werfen. [ ... ]Und ist
ge Umstand beweiset schon, wie untauglich diese dieses, so ist alles verlohren, so thut eine solche
Art des Unterrichts für Kinder sei. Entweder das Erzählung beynahe eben die widrige Wirkung,
Kind glaubet, daß die Thiere wie Menschen den- die man von dem ewigen Befehlen, Tadeln, Dro-
ken und handeln, oder es glaubet es nicht. Im er- hen, empfindet.« ( Ueber die wirksamsten Mit-
stem Falle schwebet es in einem der gröbsten Irr- tel ... , S. 62)
thümer. Freilich ist kein Kind so einfältig, daß 4. Schlechte Charaktereigenschaften und
587 Moralisch belehrende Schriften 588

Laster erscheinen im Moralischen Elementarbuch schränkt, die gewöhnlichen Folgen des Leidens
immer als beklagens-, nie jedoch als hassenswert. zu zeigen, gibt er sich gleichzeitig ein Mittel an die
Man müsse einen Menschen beklagen, nicht has- Hand, zu schildern, wie dieses Leid überwunden
sen, ))dem der Saame zum Laster durch die Erzeu- werden kann. So wird z. B. der durch Verschwen-
gung von einem lasterhaften Vater eingepflanzet, dung seines Reichtums verarmte Herr Friedrich-
durch den täglichen Anblick der Niederträchtig- son von seiner Bettelei erlöst, indem er sich wil-
keit und durch närrische Erziehung gepfleget, lens zeigt, zu lernen und zu arbeiten; dank seiner
und der Keim aus der Hülse entwickelt wird.« tätigen Reue erwirbt er sich eine Stellung im Hau-
( Ueber die wirksamsten Mittel . .. , S. 65) se Herrmann. Als vorzügliches Mittel, das Leid zu
5. Da Salzmann keine vollkommenen Men- ertragen, wird im zweiten Teil die>) Vortreflichkeit
schen vorführen will, wird in beiden Teilen des des Gebets« (S. 354ff.) dargestellt. Hauptsäch-
Moralischen Elementarbuchs der Schilderung lich will Salzmann jedoch den Kindern >)durch
schlechter Charaktereigenschaften und Laster Exempel begreiflich [ ... ] machen, daß es beydem
breiter Raum gewährt. Nie jedoch verzichtet Salz- Leiden nicht sowohl auf die Art und Größe des
mann darauf, auch bei kleinen Fehlern auf die Leidens, als vielmehr auf das gute Verhalten des
schädlichen Folgen schlechter Urteile und Hand- Leidenden ankomme, wenn er diese edeln Früch-
lungen hinzuweisen, um die Kinder nicht zur te, die jedes Leiden, nach Gottes Absicht, tragen
Nachahmung dieser schlechten Eigenschaften zu soll, genießen will.« ( Ueber die wirksamsten Mit-
verleiten. Zu den ))betrübten Folgen, die jede Ver- tel. .. , S. 73 f.)
irrung hat«, zählt Salzmann ungewöhnliche, ge- Wie Salzmann in seiner methodischen
wöhnliche und nothwendige Folgen ( Ueber die Schrift zum Moralischen Elementarbuch betont,
wirksamsten Mittel ... , S. 67). Da die ))Ungewöhn- habe er keine Geschichten aufgenommen, die das
lichen« Folgen der Verirrung immer das Ergebnis Verhältnis zur Obrigkeit zum Gegenstand haben,
besonderer Zufälle und Umstände sind, finden da Kinder im angesprochenen Alter eigentlich
sie in Salzmanns Erzählungen keine Berücksichti- keine andere Obrigkeit als Eltern und Lehrer hät-
gung: den Kindern könnte so nicht glaubhaft ver- ten (s.o.). Salzmann begreift jedoch die Erzie-
deutlicht werden, weshalb schlechte Urteile und hung der Kinder zum Gehorsam gegen ihre Eltern
Handlungen in ihrer Konsequenz ))betrübte Fol- als Vorbereitung und Bestandteil ihrer Erziehung
gen« nach sich zögen, und daß diese ))betrübten zum Staatsbürger. Dies wird besonders darin
Folgen« in der Natur der schlechten Handlung lä- deutlich, daß für Salzmann die Familie nicht nur
gen. Er beschränkt sich darauf, die >>gewöhnli- Grundlage und Unterpfand des Staates ist, son-
chen« und »nothwendigen« Folgen dazusteHen. dern darin, daß in den Beziehungen zwischen den
6. Bedeutsam ist schließlich Salzmanns Ver- einzelnen Familienmitgliedern die staatliche Ord-
such, ))die menschlichen Leiden nach ihrer wah- nung gleichsam widergespiegelt wird. So wie
ren Natur« zu zeigen, denn »die Einrichtung der Salzmann in seinen Schriften die monarchische
menschlichen Natur, die Erfahrung und die Verfassung als in jedem Fall beste ansieht, weil sie
Schrift lehren ferner unwidersprechlich, daß je- allein der Verfassung der von Gott geführten
der Mensch zum Leiden bestimmt sey« ( Ueber Menschenfamilie entspreche, so ist auch )>die Fa-
die wirksamsten Mittel . .. , S. 72 u. 71 f. ). In bezug milie [ ... ] wie die menschliche Gemeinschaft und
auf den Ursprung des Leides versucht Salzmann der Staat eine Monarchie« (Bastian, 1926, S. 88).
deutlich zu machen, ))daß ohne Gottes Willen Für Salzmanns Morallehre ist es daher konse-
und Zulassen, uns nichts in der Welt treffen kön- quent, wenn er sie im ersten Teil seines Morali-
ne« (ebd.). Salzmann lehnt es jedoch energisch schen Elementarbuchs in die Form einer Fami-
ab, alle Leiden »gleichsam als unmittelbare Wirk- liengeschichte kleidet. Dies gibt ihm nicht nur die
ungen Gottes vorzustellen«; die Kinder könnten Möglichkeit, Pflichten und Rechte der einzelnen
sonst )>leicht Erbitterung gegen Gott fassen, wenn Familienmitglieder abzuhandeln, er bereitet die
man ihnen diesen guten Vater immer, als die un- Kinder zugleich- wenn auch unausgesprochen-
mittelbare Ursache ihrer Schmerzen und Wider- auf ihre späteren staatsbürgerlichen Aufgaben
wärtigkeiten, vol"Stellete« ( Ueber die wirksamsten vor. Der Mann- im ersten Teil des Moralischen
Mittel . .. , S. 72). Ihm geht es vor allem darum, Elementarbuchs in der Person des Kaufmanns
aufzuzeigen, daß der Mensch in den meisten Fäl- Herrmann vorgestellt- ist bei Salzmann der Ver-
len selbst die Ursache seines Leidens ist. In bezug sorger und der Schutz der Familie. Kraft seiner
auf die Folgen des Leidens gilt der bereits im vor- Funktion als Versorger ist er zugleich ihr Leiter.
hergehenden Abschnitt benannte Grundsatz, nur Herrmann leitet seine Familie nach monarchi-
die gewöhnlichen und notwendigen Folgen dar- schem Grundsatz: er trifft sämtliche Entschei-
zustellen, auf die Schilderung ungewöhnlicher dungen in bezug auf das Geschäft, die ökonomi-
Folgen jedoch zu verzichten. Salzmann will da- sche Grundlage der Familie, ebenso wie in bezug
durch vermeiden, daß die Kinder bei jeder klei- auf die Aufgaben der einzelnen Familienmitglie-
nen Widerwärtigkeit gleich Außerordentliches er- der. Bestimmt Herrmann so auch allein über die
warten. Dadurch, daß Salzmann sich darauf be- grundsätzlichen Familienangelegenheiten, so
589 Salzmann, Elementarbuch, 1782/83 590

handelt er doch wie der aufgeklärte Herrscher wenn es nicht Leute gäbe, die viel Geld hätten.«
nicht despotisch, sondern nach den Grundsätzen (S. 332)
der Vernunft. Es wird dort der Rat der Frau er- Die solcherart Nutzen stiftenden Reichen
fragt, wo sich die Aufgaben der Leitung der Fami- sind ausnahmslos Bürgerliche: den Adel behan-
lie mit den Pflichten der Frau, vor allem der Auf- delt Salzmann kaum, und wenn, dann eher unter
sicht über die Kinder, überschneiden. negativen Gesichtspunkten. Am Beispiel des när-
Die Aufgaben der Frau sind durch ihre risch daherschwätzenden Brigittchens demon-
Pflichten als Gattin und Mutter bezeichnet: sie striert Salzmann die Lächerlichkeit adeligen
soll den Haushalt besorgen, sich um Küche und Hochmuts: »Der Stoff zu meinem Kleide, fuhr sie
Gesinde bekümmern, den Mann aufheitern, fort, ist sehr kostbar. Die Mamma hat ihn für mich
wenn er von seinem Geschäft erschöpft ist und von der Messe kommen lassen, daß ich doch et-
der Ablenkung bedarf, und schließlich obliegt ihr was vor den gemeinen Bürgersmädchen voraus
die unmittelbare Aufsicht über die Kinder. Das hätte. Denn ich bin doch vom Stande, und es ist
Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern ist von Ge- unausstehlich, wenn man Bürgersmädchen sehen
horsam geprägt. Voraussetzung dieses Gehor- muß, die Leuten vom Stande alles nachthun wol-
sams ist jedoch, daß Gerechtigkeit in der Erzie- len.« (S. 216) Der Adel hat in Salzmanns Augen
hung herrscht, nicht Leidenschaft und Willkür. keinerlei Verdienste durch seine Geburt, er muß
Ludwigs und Luises Eltern fordern Gehorsam, je- sich diese Verdienste ebenso erwerben wie ein
doch keinen blinden; jedes Verbot, jeder Auftrag Bürgerlicher. So hat Salzmann z. B. in den 2. Teil
wird gewöhnlich erklärt und den Kindern ver- seines Werks eine Geschichte Campes aufgenom-
ständlich zu machen gesucht. Die Grundlage des men (S. 24ff.), in der ein junger Adeliger bei ei-
Gehorsams ist das Vertrauen der Kinder in die El- nem Edelmann um die Hand von dessen Tochter
tern; weil dieses Vertrauen existiert, akzeptieren anhält. Da er außer seinen Gütern nichts besitzt,
die Kinder auch Verbote, die ihnen nicht sogleich womit er seine zukünftige Frau ernähren kann,
verständlich sind. wird er abschlägig beschieden. Erst als der junge
Grundlage und zusammenhaltende Bin- Mann erfolgreich eine Lehre bei einem Korbma-
dung der Herrmannsehen Familie ist die Gatten- cher abgeschlossen hat, gibt der Edelmann ihm
liebe und die Liebe der Eltern zu ihren Kindern. seine Tochter zur Frau.
Die Liebe der Ehegatten wird gemehrt durch ihr Doch nicht nur die reichen Bürger, »auch die
Streben nach einem gemeinsamen Ziel: die Erzie- Armen, und Menschen von niedrigen Stande,
hung ihrer Kinder zu tugendhafter Gesinnung und sind sehr nützlich« (2. Teil, S. 441). Salzmann
die eigene selbstlose Ausübung der Tugend. Das lehrt die Kinder deshalb, den Leuten vom niedri-
gemeinsame Wohltun ist die Quelle ihres größten gen Stande wie auch den Armen stets höflich und
Vergnügens. Auch der Fleiß, die Sparsamkeit, die mit Achtung gegenüberzutreten und sich dem Ge-
Ordnung in Geschäften und in der Familie, die sinde freundlich und anerkennend zu erweisen.
Reinlichkeit, die Freundlichkeit, die eheliche Die Armen sollen ihr Los geduldig ertragen, denn
Treue und die Treue gegenüber Freunden sind Tu- »Armuth macht nicht unglücklich« (2. Teil,
genden Herrmanns und Sophies, die ihre gegen- S. 450). Sie sollen erkennen, wieviele Wohltaten
seitige Liebe erhalten und vertiefen. Eine solche Gott ihnen in ihrem Stande zukommen läßt, gera-
Liebe schließt die Bereitschaft zur Aufopferung de auch dadurch, daß die Reichen ihnen Arbeit
für den anderen ein und ermöglicht sie erst. und Brot geben können. Die Reichen ihrerseits
Liefert Salzmann mit seiner Vorstellung der sollen die Armen nicht ihrer Armut wegen verach-
Herrmannsehen Familie zugleich eine Vorberei- ten: »Es muß den armen Leuten eine erstaunliche
tung der Kinder auf staatsbürgerliche Aufgaben, Kränkung sein, wenn sie sehen, daß die Reichen
so stellt seine Behandlung des Adels, des Reich- so vieles genießen, das sie entbehren müssen, und
tums und der Armut- insbesondere in bezug auf sich überdies noch von ihnen müssen verachten
die beiden letzteren- einen ersten Abriß über die oder wohl gar verspotten lassen. Und es wäre gar
verschiedenen gesellschaftlichen Stände dar. Die kein Wunder, wenn sie gegen sie erbittert würden.
wohlhabenden Bürger werden von Salzmann als Aber ein freundlicher Blick, den man ihnen giebt,
die eigentliche Stütze der Gesellschaft beschrie- ein liebreiches Gespräch, das man mit ihnen hält,
ben, die mit ihrem Reichtum das Wohlbefinden das erwirbt uns ihre ganze Liebe, und macht, daß
der Handwerker und der armen Leute befördern. sie etliche Tage die Beschwerlichkeiten ihres Zu-
Dies wird exemplarisch deutlich an der Rede ei- standes vergessen.« (I. Teil, S. 265 f.)
nes Webers, den Herrmann auszahlt: »Ich habe Salzmanns Verteidigung der ständestaatli-
meine Freude an dem vielen Gelde, das sie aus- ehen Ordnung und Strukturen schließt auch im
zahlen, und denke: wie gut ist es, daß es reiche Moralischen Elementarbuch mit ein, daß er mögli-
Leute in der Welt gibt! Da geben sie nun so vielen chen Konflikten zwischen den sozialen Gruppen,
Leuten Brod auf die ganze Woche. Manchen die diese Ordnung gefährden könnten, vorbeugen
auch ein Brätchen. Ich wüßte doch wahrhaftig will. Da es »gar kein Wunder« wäre, wenn sich
nicht, was die Leute alle [ ... ] anfangen wollten, die Armen gegen die Reichen erbitterten, tritt
591 Moralisch belehrende Schriften 592

Salzmann dafür ein, daß die Reichen von sich aus bend hervor. Zusammendfassend heißt es: » Rec. hält es
dieses Konfliktpotential bewußt eindämmen, in- für überflüssig, noch etwas weiters zu Empfehlung eines
dem sie auch den Leuten von geringerem Stande Buchs zu sagen, daß sich seiner ganzen Einrichtung
ehrerbietig, dem Gesinde - unter Wahrung des nach jedem Freunde der Jugend von selbst empfehlen
muß, und das gewiß unter den auserlesensten Erzie-
Standesunterschiedes - »freundschaftlich« ( l.
hungsschriften unsers Zeitalters seinen Platz behauptet.
Teil, S. 277) und den Armen milde und wohltätig Möchte sein Gebrauch nur bald allgemein werden! [ ... ]
gegenübertreten. Wer kann also wohl zweifeln, daß ein Buch welches zu
diesem Zwecke vorzüglich dienlich ist, eine der ersten
Salzmanns Moralisches Elementarbuch erlebte be- Stellen in der Bibliothek solcher Eltern verdiene, die die
reits 1785-1787 eine zweite Auflage. Neben Druckfeh- Wichtigkeit ihres Berufes erkennen?« (S. 179 f.)
lerverbesserungen und Änderungen in Ausdruck und
Baur ( 1790, S. 289) bekundet: »Sein [Salzmanns,
Stil hat Salzmann darin vor allem im 2. Teil »einige Ge-
d. Red.] Moralisches Elementarbuch hat uns unter allen
schichten, die mir nicht zweckmäßig genug gewählt
seinen Schriften am besten gefallen, dieses Buch hat ge-
schienen, mit andern, von meiner eignen Arbeit, ver-
wiß schon viel zur Verbreitung des moralisch Guten in
tauscht« (Vorrede 2. Teil, S. V). Salzmann bezeichnet in
der Welt und zur Beförderung der häuslichen Glückse-
dieser Vorrede den zweiten Teil als »nicht sowohl eine
ligkeit beigetragen. Wir können es allen Eltern, Lehrern
Sammlung von eignen, als vielmehr eine Classificirung
und Erziehern nicht genug empfehlen, denn es enthält
der von andern Erziehern, und mir, bereits ausgearbei-
gewiß die wirksamsten Mittel, früh in die zarte Seele des
teten Erzählungen« (a. a. 0., S. VI). Das Werk ist noch
Kindes Liebe zur Tugend und Abscheu vor dem Bösen
vor der Jahrhundertwende ins Englische und Französi-
:r.
sche z .. mehrfach übersetzt worden. Eine der engli-
zu pflanzen. [ ... ] [ ... ] dieß ganze moralische Elemen-
tarwerk ist in eine zusammenhängende, sehr unterhal-
schen Ubersetzungen stammt von Mary Wollstonecraft
tende Familiengeschichte eingekleidet. Doch so, daß
(Schnepfenthal 1796).
auch die Episoden in derselben wieder als besondere er-
Eine katholische Bearbeitung des Moralischen
zählt werden können. Alles, was darinnen vorkommt, ist
Elementarbuchserschien-mit acht Kupfertafeln ausge-
entweder selbst Handlung oder Erzählung.«
stattet- 1794 in Wien. Laut Kayser wurde der erste Teil
auch unter dem Titel Erzählungen zur Bildung des Her- Als einzige negative Stellungnahme zitiert Krebs
zens veröffentlicht. Krebs (1929, S. 14) vermerkt, daß (1929, S. 16) die Zürcher Bibliothek der neuesten theolo-
der Verleger, Rehm in Wien, 1803 unter dem von Salz- gischen, philosophischen und schönen Literatur ( 1784):
mann gewählten Titel eine neue verbesserte Auflage, je- »An dieser Stelle wird diesen Schriften die nötige Psy-
doch nur des vielgefragten ersten Teils, herausgegeben chologie und Erfahrung abgesprochen; von Nachteil
habe. Auch Goebels (1980, S. 602) verzeichnet eine sei besonders, daß sie von den Erziehern falsch benutzt
Wiener Bearbeitung des Moralischen Elementarbuchs werden, die solche Bücher den Kindern in die Hände
für 1803. Diese Ausgabe sei mit einem Kupfer illu- geben und dann meinen, sie müßten dadurch tugend-
striert: »Diese >Umarbeitung< bestand darin, daß die in haft werden.«
der Erzählung vorkommende >Person des (verheirate- Die bedeutende Stellung, die Salzmanns Morali-
ten) Pfarrers in einen Schulrector verwandelt< wurde, sches Elementarbuch in der Kinderliteratur seiner Zeit
>weil mir dieses der gewöhnlichen Denkungsart unserer einnahm, ist in der jüngeren Sekundärliteratur nicht im-
Jugend angemessener zu seyn geschienen hat<.«- Eine mer hinreichend gewürdigt worden. Hobrecker (1924,
neue Auflage der katholischen Bearbeitung von 1794 S. 30) stellt das Moralische Elementarbuch in eine Reihe
kam laut Kayser 1808/10 bei Gerold in Wien heraus; es mit den Elementarwerken Stoys und Basedows: »Ein
handelt sich jedoch auch hierbei nur um eine Bearbei- drittes Elementarwerk, ebenfalls mit Kupfern Chodo-
tung des ersten Bandes. wieckis, verdanken wir dem Schnepfenthaler Schulwei-
Salzmanns Moralisches Elementarbuch fand eine sen Christian Gotthilf Salzmann [ ... ]. Es ist noch mehr
nahezu ungeteilt positive Aufnahme. Basedow stellt das für Lehrer als das Basedowsche bestimmt. Schon diese
Werk in seiner Schrift Unerwartlich grosse Verbesserung drei Bücher zeigen uns deutlich, wohin es nun ging: ins
in der Kunst, Lesen zu lehren (1785) über die Schriften lehrhaft Moralische, in ein trauriges Ödland. Unendlich
Weißes, Wolkes, Campesund Rochows. In bezugauf viel ist auf dem Wege an den Kindern gesündigt wor-
ein seinem Buchstabierbuch folgendes erstes Kinder- den, von Anbeginn bis heute. In jedem Jugendschrift-
buch heißt es bei ihm: »So ganz unverändert kann ich steller scheint ein Hauslehrer zu stecken oder eine Gou-
nicht jeden Theil irgend eines mir bekannten Buches zu vernante, Ausnahmen davon sind ganz selten. Zunächst
dieser Absicht brauchen, außer dem Salzmannischen gaben die Philanthropisten nichts anderes als überzuk-
moralischen Elementarbuche. Wenigstens fallen mir kerte Weisheit.«
mehr Bücher dieser Art itzund nicht bei.« (Anmerkung Obwohl die Gleichsetzung der Elementarwerke
S. II f.) Neben einer lobenden Besprechung in dem von Stoys und Basedows mit dem Moralischen Elementar-
Adelung herausgegebenen Allgerneinen Verzeichnis buch Salzmanns wegen der doch stark unterschiedli-
neuer Bücher mit kurzen Anmerkungen nebst einem ge- chen Konzeption- sowohl Stoy wie auch Basedow zie-
lehrten Anzeiger (Leipzig 1776 ff., Jg. 1782, S. 280 f.)- len im Unterschied zu Salzmann auf eine enzyklopädi-
der Verfasser lobt insbesondere die Nichtbehandlung sche Bildung der Leser ab - sachlich unhaltbar ist,
der Pflichten gegen die Obrigkeit und die sexueller Fra- schließt sich Graebsch-Dyhrenfurth (1942) diesem Ur-
gen - findet sich eine ausführliche Besprechung im Ar- teil Hobreckers an und sieht in Salzmanns Werk gar ei-
chiv for die ausübende Erziehungskunst (Gießen nen Nachfolger des Orbis Pictus (vgl. z. B. S. 28, 53).
1777 ff., Jg. 1783, S. 172 ff.). Der Rezensent, er zeichnet Kunze (1965) und Köberle (1972) erwähnen das
D. C., zitiert ausführlich aus Salzmanns Vorrede und Werk lediglich, bei Schmidt (1974) wird es nicht ge-
hebt die Absicht zur Erziehung der Kinder zu guter Ge- nannt. Kuhn (1975, S. 84ff.) sieht im Moralischen Ele-
sinnung wie auch die Anlage des Werkes besonders lo- mentarbuch insbesondere ein Werk, das auf »Affekt-
593 Campe, Theophron, 1783 594

neutralisierung« abziele: »Die Absicht [ ... ] kennzeich- Dieselbe Abschiedssituation und dieselben
net das Ziel seines Buches: die psychische Konditionie- Intentionen beschwörter-nur sehr viel eindring-
rung des Kindes als Vorbedingung der Übernahme der licher und bewegter- in der Vorrede an »Meine
bürgerlichen Leistungs- und Arbeitsmoral.« Mit dem
lieben Kinder«. Zweck des Buches sei es nicht,
Moralischen Elementarbuch solle »Triebkontrolle
durchgesetzt, entsprechende Verhaltensweisen wie rigi- den Söhnen noch einmal die Vorschriften »zu ei-
de Autoritäts-, Ordnungs- und Sauberkeitsvorstellun- nem rechtschaffenen, gerneinnüzigen und glück-
gen vermittelt und deshalb Sexualität rücksichtslos und lichen Leben« zu wiederholen, nach denen sie
unnachsichtig ausgernerzt [werden]. [ ... ][Die] Schilde- bisher gebildet worden seien. Er will ihnen viel-
rungen unmäßiger Gefühlsäußerungen, der Sehnsucht, mehr einen Wegweiser geben für den Zeitpunkt,
der Trauer und der Freude, sollen das Lernen von M- da sie den Weg durchs Leben allein antreten müs-
fektneutralisierung unterstützen und verstärken. [ ... ] sen. Das Leben wird vorgestellt als eine Wande-
Die wirkliche Intention dieser Kindergeschichten reicht rung, bei der zahllose Gefahren drohen: »Da wer-
jedoch viel weiter und tiefer. Sie zielt nicht so sehr auf
det ihr oft, und ehe ihr es euch verseht, euch mit-
die Darstellung von Erfüllungsmöglichkeiten der Kin-
derwünsche als vielmehr auf das Lernen der Beherr- ten in einem undurchdringlichen Dikkicht befin-
schung von Mfekten, um [ ... ] die Geschäfte nicht zu den [ ... ] Da werdet ihr nicht selten plözlich auf
vernachlässigen.« Kuhn erklärt Salzmanns »Kampf ge- tiefe, mit staudichten Blumen verwachsene Gru-
gen jede Form der >Unmäßigkeit<« damit, daß sich das ben stoßen [ ... ) Da wird es endlich oft in lachen-
Bürgertum die für nennenswerte kapitalistische Unter- den Thälern giftige, in hohem Grase verstekte
nehmungen notwendigen Geldfonds noch gleichsam Schlangen und Ottern geben, welche euren Fer-
vom Munde habe absparen müssen (S. 87). sen auflauren, auch wilde Bestien im nahen Ge-
Untersuchungen über Salzmanns Moralisches hölz, welche auf euch hervorschießen werden zu
Elementarbuch finden sich bei Krebs ( 1929) und beson-
einer Zeit, da ihr in eurem arglosen leicht betroge-
ders bei Lachmann (1974). - 1980 erschien in Dort-
mund ein Reprint des ersten Teils in der Ausgabe von nen Herzen euch völlig sicher wähnt«. Aufgrund
1785 (eingeschlossen die Methodenschrift Ueber die dieser Gefahren sei es nicht genug, >>die Himmels-
Absicht und den nützlichen Gebrauch . .. sowie die Kup- gegend zu wissen, nach der man wandern muß«.
fertafeln Chodowieckis) mit einem Nachwort von H. »Mit andern Worten: es ist zu einem ruhigen, zu-
Göbels. 0. B. friedenen und glüklichen Leben hienieden nicht
genug, daß man gut und immer besser zu werden
sich bestrebe; [ ... ] man muß auch vorsichtig, klug
1783 und durch Erfahrung weise geworden sein«. Die-
se fürdie Lebensreise notwendige Erfahrung, die
Joachim Heinrich Campe(J746-1818): die Jünglinge selbst noch nicht haben können,
1heophron, oder der eifahrne Rathgeber for will er, der Pflegevater, der den Weg bereits ge-
die uneifahrne Jugend. Ein Vermächtniß for gangen ist, ihnen durch das Buch vermitteln und
seine gewesenen JYlegesöhne, und for alle ihnen somit ersparen, »erst durch Schaden klug
werden« zu müssen.
erwachsenere junge Leute, welche Gebrauch Das Buch soll von den Pflegesöhnen zu~
davon machen wollen. 2 Teile. nächst wie ein » Heiligthum« aufbewahrt werden
Harnburg 1783 (Vorrede an »Meine lieben Kinder«). Erst dann,
wenn sie »in das große menschliche Leben« tre-
Campe wendet sich mit seiner Schrift an die Pfle- ten, sollen sie es lesen, und zwar »mit der stilsten
gesöhne seiner Hamburger Erziehungsanstalt und größten Aufmerksamkeit«, deren sie fähig
und an »alle jungen Weltbürger, welche Theil sind. Die Stellen, die sie bereits anwenden kön-
darannehmen wollen« (Vorrede an »Meine lie- nen, sollen sie sich kennzeichnen, sie nach Been-
ben Kinder«). Eine ausdrückliche Standeszuwei- digung der Lektüre sich noch einmal einprägen
sung findet sich nicht. Aus dem ganz auf das »ge- und dann »sogleich zur Anwendung [ ... ] schrei-
schäftige Leben« ausgerichteten Ratschlägen (I, ten«. »Dis alles solt ihr am Ende eines jeden hal-
S.l) ergibt sich jedoch, daß Jünglinge aus dem ben Jahres an bestirnten Tagen feierlich und ge-
Bürgertum angesprochen sind.- Als Anlaß der wissenhaft wiederholen, und zwar so lange, bis
Aufzeichnungen gibt Campe im Vorbericht die ihr, durch eigene Erfahrungen hinlänglich be-
Trennung von seinen Pflegesöhnen an, deren Er- reichert, finden werdet, daß die meinigen euch
ziehung er sich zehn Jahre lang gewidmet habe entbehrlich geworden sind«.
und von denen er sich nun aufgrundseines schwa- Der erste Abschnitt des 1. Teiles (=Bandes)
chen Gesundheitszustandes trennen müsse. In ist, wie Campe selbst angibt, bereits zweimal an
dem Buch habe er »alles, was ich an nüzlicher Er- anderer Stelle veröffentlicht worden: in den Ham-
fahrung, an Welt- und Menschenkentniß in mir burger »Adreßcomptoir-Nachrichten« und- in
fühlte, sorgfältig« aufgezeichnet, als ein »Ver- verbesserter Form- in Campes Sammlung einiger
mächtniß« für die Zeit, »da sie die misliche Reise Erziehungsschriften ( 1778, Th. 1, S. 1-80). Der 2.
durchs Leben ohne Führer allein antreten sollen« Teil (=Band) des Theophron ist laut Vorbericht
(S. II). die Übersetzung eines Anhangs zu den Briefen
595 Moralisch belehrende Schriften 596

!,beovbron,
obet
ber erfa~rne 9tat~gebet
fair
bie unerfabrnt 3ugmb,
'"'"
1

'fin~mnäd)tnis
fu.t feine gcrotftncn ~ßegcfe~n\
wb
ft\t aUt unlactenm junge t!eute,
ft!tld)e Q)ebtau~ I)QI)on 111ad)cn ft!oUna.

lbter OP"' IIIOftitosquc llltdaere scaac.


Et ',_uiac tmnacre maaaJ.
Of,itliiU.

!}am&urs 1783
hl Jtul <lrnjl ~o~l\.

s
Campe, Joachim Heinrich: Theophron, oder der eT:fahme Rathgeber für die unerfahme Jugend. Thei/1.
- Harnburg 1783 (Nr. 157). Titelblatt mit Kupferstich-Frontispiz von und nach E. Henne

des Grafen Chesterneid an seinen Sohn, der- im hohem Grade schädlich« sein würden (S. VII f.).
Gegensatz zu der Hauptschrift-bisher noch nicht Aufgrund der Bearbeitung bittet Campe seine Le-
auf deutsch erschienen sei. Die Übersetzung ser, wenn sie den Grafen Chesterfield zitieren, ihn
stammt von Rudolphi, die Bearbeitung der Briefe aus der Originalausgabe zu zitieren, »weil die Ver-
offensichtlich von Campe. Die Bearbeitung be- schiedenheit zwischen Sr. Herlichkeit morali-
steht darin, daß nur »das Wesentlichste und Be- schen Grundsäzen und den meinigen, mich je zu-
ste« (S. V) aufgenommen wurde; außerdem ist weilen in die Nothwendigkeit sezte, ihn gerade
der ursprüngliche Text durch passende Stellen das Gegentheil von demjenigen sagen zu lassen,
aus den übrigen Briefen des Grafen (die durch was er wirklich gesagt hatte« (S. VIII).
Klammem markiert wurden) erweitert worden.
Der I. Teil des Iheophron enthält eine Widmung
Die Kürzung der Originalausgabe rechtfer-
(»An meine gewesenen Pflegesöhne«), eine Vorrede
tigt Campe damit, daß »der einseitige Haupt- (an »Meine lieben Kinder«) (auf 10 ungezählten Sei-
zweck des Verfassers, nur die Aussenseite seines ten), einen Vorbericht (S. I-VIII) und folgende zwei
Sohnes abzuglätten, um sie schimmernd und ein- Hauptabschnitte: »I. Theophrons guter Rath für seinen
nehmend zu machen, einen viel zu nachtheiligen Sohn, als dieser im Begrif war ins geschäftige Leben zu
Einfluß in verschiedene seiner Urtheile über mo- treten« (S. 1-88) und »II. Theophrons guter Rath, sei-
ralische Gegenstände gehabt hat, als daß ich es nes Sohnes künftigen Umgang mit Menschen betref-
wagen mögte, einem Jünglinge von noch nicht fend« (S. 89-270). Der 2. Teil des Theophron enthält
ausgebildetem Karakter das Ganze in die Hände den 3. Hauptabschnitt, nämlich »li I. Merkwürdige Le-
bensregeln aus des Grafen Chesterfield Briefen an sei-
zu geben« (S. VII). Als weiterer Grund wird der nen Sohn, in einem zwekrnäßigen Auszuge und mit nöt-
andere Stand genannt, zu dem der Sohn Chester- higen Abänderungen« (S. 1-192).
fields bestimmt sei, woraus sich Vorstellungen Beide Hauptabschnitte des I. Teiles sind - dem
und Ratschläge ergäben, die »für die meisten an- Genre des väterlichen Rates entsprechend- eingebettet
dem jungen Leute völlig unnüz, manche sogar in in eine Rahmenhandlung: Der alte Theophron gibt sei-
597 Lavater, Lebensregeln, 1783 598

nem einzigen Sohn Kleon, der im Begriffe ist, »den schaftund mit ihresgleichen ergeben. Auf das Er-
Schooß seiner Familie [zu] verlassen, und in öffentliche wachsenenalter wird nur am Ende des Werkes in
Geschäfte [zu] treten« (I, S. 3), Ratschläge für seinen einem Ausblick eingegangen und lediglich eine
künftigen Lebensweg. Das Gespräch zwischen Vater
höchst allgemeine Maxime gegeben, die bewir-
und Sohn findet an einem Abend im Sommer und dem
darauffolgenden Morgen statt. Der l. und 2. Hauptab- ken soll, daß die Jünglinge »dereinst nützliche
schnitt des I. Teiles stellen das Kernstück des Theophron Glieder der menschlichen Gesellschaft werden«
dar, wie er seit der 3., völlig überarbeiteten Ausgabe von (§74).
1790 erscheint. Der 2. Teil erschien 1794 gesondert un-
ter dem Titel Klugheitsiehren für Jünglinge. Die Regeln werden in 74 Paragraphen vorgetra-
Das Frontispiz stellt einen bärtigen älteren Mann gen, die einen durchschnittlichen Umfang von einer hal-
dar, der auf einer Bank in der freien Natur sitzt und mit ben bis einer Seite haben, bisweilen aber auch zu aphori-
erhobenem Zeigefinger zu einem neben ihm stehenden stischer Kürze drängen. Die Maximen und Regeln wer-
Jüngling spricht. Unter dem Frontispiz steht: »Vermei- den von einem erwachsenen Jugendfreund vorgetragen.
de die Landstraße!« Der Ton ist weniger vertraut als höflich distanziert. Aus
dieser höflich-distanzierten Gesprächssituation sucht
Siehe den Artikel zur 3. Auflage der Theo- die Schrift gerade ihre besondere Überzeugungskraft zu
phronvon 1790. G. ziehen: Ihren besonderen Reiz erhalten die Maximen
daher, daß sie nicht von den vertrauten Eltern, Lehrern
und Erziehern, sondern von einem Fremden vorgetra-
gen werden, der die Jugendlichen zudem wie Erwachse-
1783 ne behandelt und höflich respektiert. Auf diese Weise
wird jeder schulmeisterlich belehrende Ton vermieden.
Johann Kaspar Lavater (1741-1801): Eine Einteilung des Werkes in thematische Ab-
Lebensregeln for Jünglinge, besonders schnitte findet sich nicht. Dennoch wird eine inhaltliche
Gliederung deutlich. Das erste Drittel(§§ l-26) befaßt
for dieienigen welche die hohe Schule
sich mit Fragen der religiösen Lebensführung des Ju-
beziehen wollen. gendlichen. Hierbei werden folgende Themen ange-
Basel1783 sprochen: das Beten, die Selbstbeobachtung und Ge-
wissenserforschung, das Einhalten der äußerlichen reli-
Angesprochen sind Jünglinge, die den Schul- giösen Praktiken, die Bibellektüre, die religiösen Zwei-
fel, die religiöse Toleranz gegenüber Juden und Ket-
oder Privatunterricht bereits hinter sich haben
zern, die jugendliche Sittlichkeit und Verantwortung,
und nun das Elternhaus verlassen, um das Stu- die Zufriedenheit und Gottergebenheit, das Leben nach
dium an einer Universität zu beginnen. An sie als dem Tode und der Gedanke an die Ewigkeit, schließlich
zukünftige Studenten richtet sich speziell der Ab- das Beispiel unglücklicher Sünder. Das zweite Drittel
schnitt über die Freundschaft, in dem Probleme des Werkes(§§ 27-54) beschäftigt sich mit dem Auftre-
des studentischen Lebens und Verhaltens ange- ten und Verhalten der Jugendlichen in der Gesellschaft
sprochen werden. Die anderen Abschnitte sind der Erwachsenen. Die Gesellschaft, so heißt es zu .Be-
nicht nur für zukünftige Studenten, sondern für ginn dieses Teils, könne man sich als »einen Versamm-
Jünglinge aus den gesitteten Ständen insgesamt lungsplaz von Malern« vorstellen, »wovon ein ieder
nach Vermögen ihr Bild und Karakter zu entwerfen be-
von Belang: Sie behandeln allgemeine religiöse
mühet ist; denken Sie also darauf einen ieden Stoff zur
und gesellschaftsethische Fragen. Die Jünglinge guten Zeichnung zu geben«(§ 27). Zunächst geht es um
werden in der dritten Person Plural angeredet, die schickliche Teilnahme der Jugendlichen an den Un-
was der Aufforderung am Ende des Werkes kor- terhaltungen und Gesprächen der Erwachsenen. Zur
respondiert, bereits als Mann zu denken und sich Sprache kommen vorwitzige Tadelsucht und Spöttelei,
zu verhalten(§ 74). Neckerei, Altklugheit, Angeberei und Prahlerei, die
Lavater will den Jugendlichen nicht Rat- Wahl der richtigen Gesprächsthemen und der angemes-
schläge zur Gestaltung ihres zukünftigen Lebens senen Sprache sowie zahlreiche andere Gesprächsre-
als Erwachsene geben und sie nicht auf die Ergrei- geln. Das Mittelstück dieses Teils bildet ein längerer Ab-
schnitt über die »Höflichkeit« und deren unterschiedli-
fung eines Berufes vorbereiten; ihm geht es um
che Grade als »Ehrfurcht«, »Hochachtung« und »Zu-
Regeln für das Verhalten der Jünglinge noch als neigung« (§ 45). Im Anschluß hieran wird vom Lob und
Jugendliche, um einen Verhaltenskodex also für von verschiedenen Nachlässigkeiten im Verhalten ge-
das Jünglingsalter. Dem entspricht es, daß Lava- handelt, die der Höflichkeit abträglich seien. Nur in ei-
ter nicht auf die Anlage des Studiums eingeht, nem Absatz wird auf den Umgang mit klugen und gesit-
denn dieses gilt ihm weitgehend als eine Berufs- teten Frauenzimmern eingegangen, der als »ein benei-
vorbereitung. Dies will er den zukünftigen » Füh- denswerthes Glück für den Jüngling« bezeichnet wird
rern und Lehrern« der Jugendlichen überlassen(§ (§ 51). Im Schlußteil des Werkes steht die »Freund-
74). Sein Gegenstand ist demgegenüber das Jüng- schaft unter Jünglingen« im Mittelpunkt (§§ 55-71).
Hier kommen denn auch Fragen des studentischen Le-
lingsalter nicht als Vorbereitungsphase auf das
bens zur Sprache (§ 58ff.): falsche Freundschaften,
>>Mannesalter«, sondern als eigener Lebensab- Trunk- und Spielsucht, »Renomistenstreiche« und
schnitt. Er behandelt deshalb das religiöse Leben »Tumulte«, Streiten und Duellieren, studentische »Or-
des Jugendlichen sowie die Probleme, die sich aus den«, Geldborgen und Geheimnistuerei. Die Paragra-
dem Umgang der Jugendlichen mit der Gesell- phen 72 und 73 befassen sich mit der Einstellung zum ei-
599 Moralisch belehrende Schriften 600

genen Körper und der Kleidung und warnen vor »thö- ehe Religion überhaupt, eine » Thür zur Ruhe und
richter Galanterie«. Eine Schlußbetrachtung mit einem Glückseligkeit« darstelle und einen »muntere[n]
Ausblick auf das Mannesalter beschließt das Werk (§ fröhliche[n] Geist« zur Folge habe(§ 9 f.). Religi-
74).
öse Zweifel seien keine Schande; sie müßten er-
Das Werk sieht zwar das »Jünglingsalter« fahrenen Menschen »zur Auflösung« vorgetra-
als eine eigene Lebensstufe an, hält sich aber von gen werden. Keinesfalls aber dürfe man sie den
jeglicher Idealisierung der Jugend fern, ja geht im »Einfältigen« offenbaren(§ 11 ). Die Achtung vor
Gegenteil eher davon aus, »daß das jugendliche der Religion fordert Toleranz gegen den Anders-
Alter noch nicht das vollkommenste ist« (§ 65). denkenden, gegen Juden(§ 12) und auch gegen
Im Vergleich mit dem Mannesalter schneidet es Ketzer(§ 13). Die Toleranz liegt hierbei im Wesen
für Lavater nicht besser ab. Mit Bezug auf die Stu- der »wahren Religion« selbst begründet: »Die
denten und studentisches Verhalten bemerkt er: wahre Religion richtet nicht, streitet nicht, liebt
»Und wenn man bedenkt, wie manchem brausen- und dient iedermann, will nicht belehren, wenn
dem Kopf, unter diesem Haufen, man aus dem sie nicht aufgefordert wird, spricht nicht von sich,
Wege gehen, wie viel Zänkereien man schlichten, handelt nur.« (ebd.)
wie zur Unzeit man sie oft besuchen und ertragen Auffällig ist, daß die Abschnitte über das ge-
muß, wenn man sich erst eingelassen hat: so hat sellschaftliche Verhalten und die Freundschaft
das Jünglingsalter in der That vor dem männli- keinerlei Bezug mehr auf den religiösen Teil des
chen nichts voraus, in welchem uns oft Pflicht und Werkes nehmen. Die Verhaltensmaximen werden
Gewohnheiten nöthigen, langweilige und steife an keiner Stelle religiös begründet oder in eine
Gesellschaften zu besuchen.« (§ 66) Der Kritik christliche Lebensführung eingebettet. Den Maß-
der Jugend vornehmlich in ihrer studentischen stab geben hier allein die Klugheit, die Schicklich-
Ausprägung stellt Lavater das Idealbild eines keit und die Höflichkeit ab. Es ist stets die Rede
Jünglings entgegen: »Heil dem Jünglinge, der von dem Klugen, dem Gesitteten, dem Gefälligen
durch seine Klugheit, durch seinen Ernst, Kennt- und Bescheidenen einerseits, dem Tölpel, Pedan-
niß, Aufrichtigkeit, Gefälligkeit und Bescheiden- ten, Gecken, Blöden und Trotzkopf andererseits.
heit, sich ein Ansehen unter seinen Freunden und Als zentrale Kategorie und als »der wesentliche
Bekannten erworben, und dieß dazu anwendet, Schmuck des Jünglings« erscheint die Höflich-
so viel ihm möglich ist, den Leichtsinn, der Kühn- keit: »Sie ist eine Versicherung durch Gebärden,
heit und den Ausschweifungen unter dieser füh- Worte und Handlungen, daß wir den anderen un-
rerlosen Schaar Einhalt zu thun!« (§ 67) Diesem serer Ehrfurcht, oder Hochachtung, oder Freund-
durch Klugheit, Maß und Besonnenheit charak- schaft, oder Zuneigung fürwürdig halten.«(§ 45)
terisierten Jünglingsideal entspricht es, daß Lava- Die Umgangsformen eines Menschen sind }}der
teres ablehnt, in dem Jugendalter einen Freiraum erste Zug zu seinem Karakter« (§53). Ist an seiner
zu erblicken, für den die religiösen und morali- Oberfläche keine Höflichkeit zu finden, so er-
schen Normen aufgehoben sind. Nicht zuletzt die wartet man auch in der Tiefe keine weiteren Qua-
stete Möglichkeit eines plötzlichen Todes ver- litäten mehr: }}[ ... ]wo man sie nicht unter allen
pflichte auch den Jugendlichen schon zu einem Tugenden und Talenten obenauf findet, da giebt
sittlich und religiös verantwortlichen Leben. man sich keine Mühe weiter nachzusuchen« (§
Im Abschnitt über die religiöse Lebensfüh- 45).
rung dringt gleich zu Beginn Lavaters Auffassung Die Polemik gegen die Entartung der Ju-
der Religion als einer Sache des Gefühls durch. gendlichkeit im studentischen Leben scheint eine
Wie eine im Gefühl und in der Zuversicht grün- der wesentlichen Anliegen der Schrift zu sein. Zu-
dende Religiösität sich ausnimmt, entwerfen die nächst wird eine verkehrte Form der Freund-
folgenden Paragraphen: Zu ihr gehört ein »enges schaft angegriffen: }}Die Freundschaft unter
Gewissen« in Religion und Tugend, das dafür Jünglingen hat zu viel von der Liebe an sich, das
sorgt, daß stets »gewisse Tage nur in stillen Be- ist, sie entstehet plötzlich, mehr aus der Wahrneh-
trachtungen, mit Lesen frommer Schriften und im mung ausserer Reize als innerer Vollkommenhei-
Gebet« zugebracht und auch der »öffentliche ten[ ... ]« (§ 56). Auf diese Weise gingen sie nicht
Gottesdienst« und das »Aeusserliche« der Reli- nur schnell wieder entzwei, sondern bestünden
gion nicht verabsäumt werden (§ 4). Entschei- schnell bloß noch in }miederer Vertraulichkeit«.
dend ist für Lavater die Selbstbeobachtung und Auf Universitäten würden Freundschaften zu-
Gewissensforschung: »Gewöhnen Sie sich, in Ih- meist durch }} Trunk und Spiel« zusammengefügt.
rer Jugend schon zu stillen Betrachtungen über Hier wird denn auch eine frühe Kritik am studen-
Ihr Herz, und über die göttlichen Führungen mit tischen Verbindungswesen gegeben: }}Man ver-
Ihnen[ ... ]« (§ 6). »Ein aufmerksamer Beobach- bindet sich zu gewissen Gesellschaften, sezt Tage
ter über sich selbst hat nicht Zeit zu sündigen.« (§ fest, sich wöchentlich oder monatlich zu versam-
7) Als »Quelle des ewig Wahren, des in allen Fäl- meln, gi·:bt für eine Zeit, von höchstens vier Jah-
len Nützlichen und Tröstlichen« wird den Jüng- ren, Gesetze, denen oft Vernunft und Obrigkeitli-
lingen die Bibel empfohlen, die, wie die christli- che Befehle zuwider sind, bringt Geld zu possen-
601 Geliert, 1785 602

haften Ausgaben zusammen, verpflichtet sich ein Die hier vorliegende Lebensgeschichte erfol-
Band oder eine andere Bagatelle zu tragen, und ge »zur Probe [ ... ], weil der Vortrag in derselben
nennt dies Kinderspiel einen Orden, auf dessen mehr Dialog, als Erzählung, und wie es scheint,
Ehre man so stolz ist, ihn, als ein Geheimniß, nur dem Zwecke am allerangemessensten « sei ( ebd. ).
für Geld zu verkaufen.« (§ 65) Mit gleichem Spott Der Gegenstand dieser Lebensgeschichte sei von
wird die Praxis des Duellierens beschrieben (§ besonderem Interesse, da er »einen Mann unse-
64). Angesichts solcher »nichtswürdigen Possen« rer Tage, unserer Sitten, unsrer teutschen Nation
empfiehlt Lavater: »Denken Sie als Männer, darstellet, der nicht nur durch seine geistreichen
wenn Sie unter iungen Thoren sind, und ahmen Schriften, sondern auch durch sein exemplari-
Sie ihnen nicht nach. Als Jüngling würden sie sches Leben auf uns, seine Zeitgenossen, so aus-
nicht mehr mit dem Wagen fahren, oder auf dem serordentlich zum sittlichen und ästhetischen Gu-
Steckenpferde reiten, eben so werden Sie als ten gewirkt, und sich dadurch die Liebe und den
Männereinstüber Possen der Jugend lachen.« (§ Beifall eines ganzen gesitteten Wehtheils erwor-
74) ben hat« (S. V).
Die Schrift scheint biographisch motiviert zu sein.
Laut Muncker ( 1883) hat Lavater 1783 seinen fünfzehn- Die Biographie ist in eine Rahmenhandlung ein-
jährigen Sohn Heinrich nach Offenbach zu einem gebettet: ein Vater erzählt seinen fünf Kindern an sechs
Freund gebracht, derihn auf den Besuch der Hochschu- Abenden aus dem Leben Gellerts. Die Kinder sind Jul-
le vorbereiten sollte. 1786 begann Heinrich das Studium chen (14Jahre), Carl (13 Jahre), August (10 Jahre), Lott-
der Medizin an der Universität Göttingen (S. 54). E. chen (8 Jahre) und Malehen (4Jahre). Anwesend ist so-
dann auch die Mutter, die häufig kommentierend oder
belehrend in das Gespräch eingreift. Die eigentliche Le-
bensgeschichte tritt hinter dem darüber hinausgehen-
den Gesprächsstoff und den daraus erwachsenden Be-
1785 lehrungen zurück. Sie bietet lediglich den Anlaß zur
Thematisierung verschiedener Tugenden.
Geliert. Ein Lesebuchfiir Kinder in Am ersten Abend wird über Gellerts Kindheit und
Familiengesprächen zur Bildung Jugend berichtet (S. 1-70). Dieser Lebensabschnitt
Edler Seelen. führt zu allgemeinen Äußerungen des Vaters über die
Rostock und Leipzig 1785 soziale Stellung des Lehrers, die seines Erachtens ver-
bessert werden müßte (S. 39ff.). Gellerts Umgang mit
Gleichaltrigen charakterisiert der Verfasser in der Rolle
Der Verfasser wendet sich mit seiner Biographie des Vaters so: »Ersahe alle Kinder in derWeltwie seine
an Kinder und Jugendliche von vier bis vierzehn Brüder und Schwestern an, weil sie alle zu einer Familie
Jahren. Das Buch kann den Jüngeren vorgelesen gehörten, zu der Familie, die Gott auf Erden gepflanzt
werden, ist aber auch zur eigenen Lektüre be- hat, die er alle aus unendlicher Liebe erschaffen, erhal-
stimmt. Die Hauptabsicht des Verfassers habe ten, und zu einer ewigen Glückseligkeit bestimmt hat.
darin bestanden, »Tugend und liebreiche Fröm- [ ... ]Also liebte er sie auch alle, eins wie das andere, den
migkeit recht liebenswürdig und erhaben vorzu- Sohn des Burgermeisters nicht mehr, wie den Sohn des
armen Holzspellers, den kleinen so wie den grossen, den
stellen, sie den jungen Herzen recht tief an dem
kleinen Sohn des Juden Abrahams eben so wie seinen
liebenswürdigen Geliert einzudrücken, welcher Nachbar Superintendentens Carln.« (S. 48f.) Diese
darinn vor andern so besonders hervorsticht« (S. Schilderung veranlaßt ihn, seine Kinder eindringlich
VI). Sodann habe er »durch mancherlei Sach- vor Vorurteilen gegenüber Menschen anderen Glau-
Weltkenntniß Licht in den jungen Seelen anzün- bens oder geringeren Standes zu warnen. Am zweiten
den und sie auf die Dinge und Verhältnisse der Abend wird Gellerts Leipziger Zeit besprochen (S.
Welt aufmerksam machen wollen; denn ein auf- 71-146). In lockerer Folge werden hier Belehrungen
geklärter Kopf ist der nächste und kürzeste Weg eingestreut. So finden sich Ausführungen zur Einrich-
zur Weisheit und Tugend, oder welches eins ist, tung der Universität (S. 79ff.), zu den Pflichten eines
Hofmeisters (S. 121), zum Verhalten beim Gottesdienst
zur menschlichen Glückseligkeit« ( ebd. ). Er habe
(S. 125) und zum Wert der Antike, deren Studium zur
die Form der Biographie gewählt, da er bei seiner Verbesserung des Geschmacks und Vermehrung der
»ehemaligen Lieblingsbeschäftigung, der Bil- Kenntnisse beitrage (S. 133 ff.). Am dritten Abend (S.
dung edler Kinder« (S. III), die Erfahrung ge- 147-218) wird hauptsächlich auf Gellerts literarische
macht habe, daß »lebendige Beispiele auch le- Produktion eingegangen. Seine Lieder dienen zu Er-
bendige und kräftige Eindrücke auf den Men- mahnungen vonseitendes Vaters, stets bemüht zu sein,
schen machen; daß sie ihn so beredt zur Nachah- ein Leben in Rechtschaffenheit und Tugend, in Näch-
mung führen, und viel mehr nüzzen, als die kalte stenliebe und Frömmigkeit zu führen (S. 149 ff.). Gel-
Lehre« (ebd.). Im übrigen habe »diese Art von lerts Vorlesungen sollen ein Beispiel für eine vernünfti-
ge Berufswahl geben, da »viele thörichte Menschen
Geschichte wirklich eben so viel Interesse, An-
[ ... ] ihr Gewerbe und ihre ganze Lebensart mehr aus
nehmlichkeit und Nuzzen für Kinder als für Er- Gewinnsucht, aus Zwang und aus Dummheit« wählten.
wachsene [ ... ], wenn man sie nur zu ihrem Fas- Daneben werden hier zahlreiche sachliche Informatio-
sungsvermögen und Bedürfnissen herabstimme« nen vermittelt; es finden sich Erläuterungen zur Fabel
(S. IV). (S. 168 ff.), zu den Regeln der Schauspielkunst (S. 175),
603 Moralisch belehrende Schriften 604

den Romanen, vor deren allzu früher Lektüre gewarnt und Bigotterie »unter den Christen, die gewöhn-
wird (S. 179 ff.), zur Gattung der Briefsteller (S. 198 ff.) lich nur Christi Namen, aber nicht seine Tugend-
und des Liedes bzw. der Ode (S. 205) und schließlichzur lehren und Weisheitsregeln annehmen, die nur in
Praxis der Raubdrucke (S. 213 ff.). Am vierten Abend
Singen, Beten und Kirchengehen die Frömmig-
(S. 219-304) werden überwiegend in Form von Anek-
doten Beispiele dafür gegeben, »daß Geliert allein mehr keit sezzen, sonst aber in ihren Handlungen unter
Aufklärung, Sanftheit und Frömmigkeit unter seine den Brüdern sich kein Gewissen daraus machen,
Landesleute gebracht hat, als zwanzig andere berühmte unchristlich und ungerecht zu verfahren, sobald
Schriftsteller, die ihn in einigen Dingen vielleicht über- sie das Gebetbuch zuschlagen oder den ersten
troffen haben« (S. 223). Diese Haltung habe es Geliert Schritt aus der Kirche gethan haben« (S. 252).
ermöglicht, seine lebenslange Krankheit zu ertragen. Hierzu gehört denn auch die Toleranz gegenüber
An diesem Beispiel werden die Kinder dazu ermuntert, Andersgläubigen, wie am Beispiel von Gellerts
durch frühzeitige Abhärtung einer Krankheit vorzubeu- Kindheit deutlich gemacht wird, da er auch Kin-
gen. Am folgenden Abend (S. 305-352) werden vorran-
der jüdischen Glaubens nicht gemieden habe:
gig Themen behandelt, die sich aus der Schilderung der
zunehmenden Hinfälligkeit Gellerts ergeben. Der Vater »Und ist ein Jude nicht ebenso ein guter Mensch,
rät zur Mäßigkeit (S. 331 ), warnt vor dem zu häufigen wie ein Christ? In der Stadt Haynichen dachten
Gebrauch von Medikamenten (S. 340) und erläutert das die vernünftigen Aeltern, daß unser Herr Gott
Entstehen der kalten und warmen Quellen in den Heil- den frommen Juden so lieb hätte, als den guten
bädern (S. 342). Am letzten Abend (S. 353-382) berich- Christen, und daß man die armen Leute bedauren
tet der Vater schließlich von den letzten Jahren und dem müste, daß sie im Lande nicht eben die Vortheile
Tod Gellerts, der »so sanft und schön« entschlafen sei, hätten, als die Christen.« (S. 50 f.) Allerdings zeigt
wie er gelebt habe (S. 381). Seine Erzählungen be- sich in den Ausführungen zu diesem Thema, daß
schließt er mit der eindringlichen Mahnung an seine
das Christentum dennoch höher eingeschätzt
Kinder: »Eurer Thränen ist der Selige werth. Ihr weinet
um ihn, weil ihr ihn liebt, und liebt ihn, weil er tugend- wird und der Bekehrungsgedanke bei aller Tole-
haft und fromm war; denn ihr habt nicht das Glück ge- ranz eine nicht unerhebliche Rolle spielt. So z.B.
habt, ihn im Leben zu kennen. 0 ich bitte euch um eurer antwortet der Vater auf die Frage, ob Geliert denn
Glückseligkeit willen, denket oft an den guten Geliert, auch zu dem Juden Abraham gegangen sei: »das
dann werdet ihr sicher auch zugleich an die Tugend und war ein guter frommer Jude, der gern wolte, daß
Frömmigkeit und an alles Gute gedenken und glücklich sein Söhnchen Levi von den wohlgezogenen
sein.« (S. 382) Christenkindern was gutes sehen und hören sol-
Deutlich soll diese Biographie die Funktion te« (S. 50). Ähnliches klingt an, wenn der Vater
einer Sittenlehre erfüllen, denn die Lebensschil- auf eine diesbezügliche Frage seiner jüngsten
derung beruht nicht so sehr auf der Vermittlung Tochter antwortet: Ȇ ja, wenn du recht artig und
von Daten und Fakten, sondern vielmehr auf der gehorsam bist, daß Levichen auch was von dir ler-
Darstellung eines exemplarischen Lebenswan- nen kann: so solst du auch wohl hin zu Meyers
dels, dessen Lehre durch »Anmerkungen und Er- Rachelehen gehen, das ist gewiß ein artiges Ju-
weiterungen« (S. IV) vonseitendes Erwachsenen denkind.« (S. 51) Zur christlichen Tugend gehört
betont werden soll. Gleichzeitig sieht der Verfas- nach Auffassung des Autors sodann Geduld, Ge-
ser in seiner Rahmenhandlung ein Mittel zur mo- lassenheit und »christliche Ergebung in die Schik-
ralischen Belehrung der Leser, wozu er selbst an- kung des guten Gottes, der auch durch Leiden uns
merkt, er habe die Unterhaltungen in der Art ab- glücklich macht« (S.l83). Gottwird hierden Kin-
gefaßt, »wie edle und zärtliche Aeltem mit ihren dern als liebevoller Vater vorgestellt, »der euch
Kindem von zarter Jugend an, gleich umgehen ewig glücklich machen will, dessen Wege ihr aber
müssen, wenn der Adel der Seele früh und tief im hier auf der Welt durchaus nicht versteht,- trauet
Menschenherzen Wurzel schlagen, wenn Liebe, ihr ihm unbedingt, weils nicht möglich ist, daß er
Wohlwollen, Schonung, Sanftmuth im Reden euch unglücklich machen kann, er könnte sonst
und Handeln, Billigkeit und Edelsinn zur Ge- nicht Gott sein« (S. 183 f. ).
wohnheit werden sollen. Man muß zu edlen Kin- Breiten Raum nehmen Erörterungen von Er-
dem immer nur, als Freund und Bruder reden, ziehungsfragen ein. Der Verfasser verurteilt den
und das thut man nicht anders, als wenn man sie Unterricht an den >>gemeinen Schulen«, wo den
lieb hat, und die Rechte und Würde der Mensch- Kindern »der Catechismus, worin die schöne Re-
heit kennet.« (S. VII) So verkörpern die Kinder ligion Jesu enthalten ist, nur auswendig gelehrt,
der Familie verschiedene Untugenden, die im aber nicht erklärt« werde: »sie kriegen nicht die
Laufe des Gesprächs hervortreten und die Eltern schönen Begriffe von Menschenliebe, Mitleiden,
zu Ermahnungen veranlassen. Gleichzeitig wird Erbarmung, Schonung, Duldung und Gerechtig-
im Laufe der Unterhaltungen eine stufenweise keit zu kosten, die Jesus uns empfiehlt; ihr Ge-
Besserung sichtbar gemacht, die auf die beispiel- dächtnis wird nur allein geübt durch vieles Aus-
gebende Lebensschilderung zurückgeführt wird. wendiglernen, dessen was sie gar nicht verstehen
Der vom Verfasser propagierte Tugendbe- und fühlen; aber ihr Verstand und ihre Empfin-
griff steht deutlich in aufklärerischer Tradition. dungen werden gar nicht verfeinert.« (S. 289f.).
So wendet sich der Verfasser gegen Heuchelei So kritisiert der Verfasser denn auch die allgemei-
605 v. La Roche, Briefe an Lina, 1785 606

nen Bedingungen des Unterrichts, sowohl an öf- 1785


fentlichen Schulen, als auch beim Privatunter-
richt, deren Mißerfolg bei den Zöglingen auf die Sophie von La Roche (1 731-1807):
schlechte soziale Situation der Lehrer und Hof- Briefe an Lina.
meister zurückgeführt wird: »die guten Lehrer Speyer 1785
sind in ihrer Verächtlichkeit und Armuth sehrver-
drieslich - sie werden nicht heiter, - sind selbst Das Buch wendet sich, wie immer wieder hervor-
nicht gelehret und gut erzogen - auch liegt ihnen gehoben wird, an junge Mädchen des dritten
das Wohl fremder Kinder, deren Aeltern sie so Standes. Altersmäßig richtet es sich- wie sich an
schlecht belohnen, nicht hoch am Herzen. Sol- der Adressatin der Briefe ablesen läßt, die zu Be-
chen guten Kindern wird also das Lernen sehr ginn der Korrespondenz 15 Jahre alt ist und sich
sauer und unangenehm gemacht.« (S. 40) Der am Ende verlobt - an Mädchen, die der »sorglo-
Verfasser äußert sich ebenfalls zu den unter- sen Kindheit« (S. 3) entwachsen sind und sich
schiedlichen Bildungschancen für Jungen und nun aufihre zukünftigen Pflichten als erwachsene
Mädchen. Zwarvertritt er die Auffassung, daß ein Frau vorbereiten sollen, von der jedermann das
»artiges Frauenzimmer [ ... ] just nicht gelehrt«, Recht haben wird, »Vernunft und gutes Bezeu-
»aber doch auch nicht ganz unwissend in den gen« zu fordern (S. 3).
schönen Schriftstellern« (S. 170) sein müsse und Eine Aufforderung an Lina zu Beginn der
empfiehlt seinen Töchtern insbesondere die Fa- Korrespondenz läßt sich zugleich als Erwartung
beln Gellerts zur Lektüre, da diese »den guten Ge- der Autorio an ihre Leserinnen verstehen: Lina
schmack sowohl, als das Herz junger Personen« möge die jetzigen Jahre ihres Lebens »als die
bildeten (ebd.). Die Lektüre von Gellerts Roman Sammlungszeit aller guten und nützlichen Sa-
Leben der schwedischen Gräfin G. (1746/48) chen« ansehen, die sie in Zukunft nötig haben
wird den Töchtern erlaubt, jedoch verbunden mit werde, »um als ein schätzbares junges Frauen-
der Warnung vor anderen Romanen, »weil die zimmer, oder als die Gattin eines würdigen Man-
Sprache der Sinnlichkeit und der Affecten darin nes, und die geliebte Freundin und Gesellschafte-
herrscht, und junge Leute noch immer mehr von rin von hochachtungswerthen Personen angese-
der Sinnlichkeit und Einbildung, als vom Verstan- hen zu seyn« (S. 12).
de und von der Ueberlegung regiert werden; so ist AufWidmung und Vorwort, die an Katharina II.
es nicht gut, wenn sie früh anfangen Liebesge- gerichtet sind, folgen insgesamt 24 Briefe. In ihnen wen-
schichten zu lesen« (S. 181). Auf die Klagen der det sich eine Briefschreiberin, die im letzten Brief als
beiden Töchter, sie würden im Unterricht benach- »Deine Freundin S. v. L. R.« unterzeichnet und wohl
teiligt, erwidert die Mutter: »Je gelehrter sonst die auch tatsächlich mit der realen Autorio identisch ist
Dame ist- desto schlechter ist die Wirthin und die (bzw. dieses zu sein vorgibt), an ihre fünfzehnjährige
Hausmutter« (S. 227). Diese Auffassung scheint Kusine Lina, die nach dem Tode ihrer Eltern im Hause
der Vater nicht gänzlich teilen zu können und ihres Bruders und ihrer Tante großgezogen wird. Sie
führt aus: »Aber dennoch kann alles bei uns ne- möchte der Kusine, der sie an »Alter und Erfahrung«
überlegen ist (S. 3), eine »mütterliche Freundin« sein (S.
ben einander wohl bestehen, wenn das Frauen- 12) und ihr, damit sie es leichter habe als sie selbst, das
zimmer nur klug und tugendhaft L, und also ihre Wissen übermitteln, das sie sich selbst im Laufe ihres
Pflichten täglich genau überdenkt und zu erfüllen Lebens erst mühsam hat erwerben müssen (S. 39).
sucht. Ist ein artiges Frauenzimmer dann zugleich Lina werden I. bestimmte Tugenden, 2. Kenntnis-
eine gute Hausmutter und eine Frau von Kennt- se und Regeln (für Kleidung, Haushalt und gesellschaft-
nissen und Wissenschaft, so ist sie dem verständi- liche Umgangsformen) und 3. ein bestimmtes Sachwis-
gen Manne doppelt liebenswürdig. Sie wird da- sen vermittelt. Während im I. Teil der Schwerpunkt auf
durch auch selbst um desto glücklicher seyn, und praktische hausfrauliche Tätigkeiten und im 2. Teil auf
ihren Gemahl und ihre Kinder recht glücklich ma- die Vermittlung von Sachwissen gelegt wird, geschieht
die Erörterung von moralisch richtigem Verhalten bzw.
chen.« (S. 228) Der Bildungsoptimismus, der aus Verhaltens- und Lebensmaximen meist in Verbindung
den Worten des Verfassers in der Rolle des Vaters mit den beiden anderen Themen. Das ist c1adurch mög-
spricht, wird besonders deutlich, wenn dieser die lich, daß ein richtiges Verhalten im moralischen Sinne
Einrichtung einer »Universität für Damen« for- auch die Erfüllung der Pflichten als Hausfrau und die
dert (S. 81) und seine Überzeugungen in dem Sin- Ausbildung der geistigen Fähigkeiten mit einschließt;
ne formuliert, »daß die Männer vor den Damen alles zusammen ist dann die Voraussetzung für die Er-
in der Welt gar nichts voraus haben. Sie sind eben langung der irdischen und himmlischen Glückseligkeit.
so klug, eben so verständig, eben so scharfsinnig, Dieser Zusammenhang wird in den ersten Briefen- aus-
eben so gelehrt und weise, wenn sie Bildung und gehend von der Glückseligkeit als Ziel menschlichen
Lebens -entwickelt: Allererste Voraussetzung für die
Unterricht geniessen, als wir Männer. Und wenn Erlangung der Glückseligkeit sei die Zufriedenheit des
die Männer gewöhnlich tapferer, kühner und un- Menschen »mit seinem Stand und Vermögen« (S. 4); er
ternehmender sind, so können es die Damen auch solle sich abfinden mit dem, wohinein er geboren sei,
werden.« (S.lOl) H. und tun, was ihm von seinem Stand her zukomme. Da
für die bürgerliche Frau aber der Kreis, den sie »zu
607 Moralisch belehrende Schriften 608

durchlaufen« hat, »in den Schranken[ ... ] [des] Hau- die Ratschläge dankbar annimmt.- Trotz der ins-
ses« abgezeichnet ist (S. 14), ist die Verbindung von den gesamt erkennbar stärkeren Konkretisierung der
allgemeinen moralischen Betrachtungen zu der Einwei- Kommunikationssituation zwischen Briefschrei-
sung in häusliche Tätigkeiten bereits hergestellt.
berin und Briefempfängerio hat das Buch jedoch
Nach den allgemeinen moralischen Betrachtun-
gen in den ersten drei Briefen geht die Verfasserin so noch eindeutig den Charakter einer moralisch-be-
vor, daß sie mit Lina in der Vorstellung nacheinander lehrenden Schrift in der Art des elterlichen Rates,
Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Speisekammer, da das fiktionale Moment trotz allem nur
Eßzimmer, Besuchszimmer und die Gerätekammer auf- schwach ausgeprägt ist (anders dagegen Köberle,
sucht und das jeweils für sie erforderliche Wissen und 1972, S. 148, wo die Briefe zusammen mit den
die ihr assoziativ dazu einfallenden Tugenden und Fä- empfindsam-didaktischen Romanen der Rubrik
higkeiten erörtert. Das Schlafzimmer wird für sie z.B. der unterhaltenden Schriften, und Köberle, 1968,
zum Anlaß, um über die Notwendigkeit einfacher Klei- S. 149, wo sie dem Briefroman zugeordnet wer-
dung zu sprechen, die nicht zu schnell aus der Mode
den).
kommt ; am Ende ergeht an Lina die Aufforderung, am
Morgen das Schlafzimmer nur mit dem guten Vorsatz zu Charakteristisch für die Briefe an Lina ist
verlassen, am ganzen Tag nichts Böses zu tun. ferner ein optimistisch-diesseitsorientiertes Welt-
Bei der Vermittlung von Sachwissen werden fol- bild und eine historische Betrachtungsweise der
gende Themen angesprochen: Architektur, Rechtsord- Gesellschaft, die der ansonsten vertretenen
nung, Ständestaat, Tätigkeiten des Bauern, Försters und Rechtfertigung der Ständegesellschaft partiell
Waldarbeiters, Geschichte und gesellschaftliche Funk- entgegensteht. So klingt bei dem Überblick über
tion des Kaufmannsstandes, Heilkunst und Stand der einzelne Wissensgebiete immer wieder Staunen
Ärzte, Theologie, Kriegskunst, das Leben auf dem Lan- und Stolz über den menschlichen Fortschritt an,
de, die Stellung der Frau im Verhältnis zu der des Man-
über die Klugheit und Erfindungsgabe des Men-
nes u.a. Dabei wird versucht, die Fülle der angesproche-
nen Einzelaspekte und des dargebotenen Faktenwis- schen, über das, was er im Laufe seiner Geschich-
sens durch Einbettung in einen Sachzusammenhang zu te aus den Schätzen der Natur und seinen eigenen
strukturieren. So werden die verschiedenen gesell- Fähigkeiten gemacht hat, wobei die eigene Ge-
schaftlichen Tätigkeiten geordnet nach den Rohpro- genwart als ein bis dahin noch nicht dagewesener
dukten, die durch sie gewonnen bzw. verarbeitet wer- Höhepunkt angesehen wird (z.B. S. 219). Die
den. In dem Kapitel überden Wald und die in ihm arbei- Welt erscheint erklär- und beherrschbar, was sich
tenden Menschen werden z.B. die Pflanzen vorgestellt,
»welche für Wohnung, Schiffarth, Hausgeräth, zu
Feuerung im Winter, zum täglichen Kochen der Spei-
sen, zur Bearbeitung aller Metalle, demHuf- und Gold-
schmied, dem Bierbrauer und Apotheker gleich nöthig
sind« (S. 148). Oder es werden umgekehrt alle Produkte
und Tätigkeiten zusammengefaßt, die notwendig sind,
um ein bestimmtes Endprodukt herzustellen (wie z.B.
Linas Kleid) oder ein bestimmtes menschliches Bedürf-
nis zu erfüllen (wie z .B. nac h Nahrung oder Licht) (S.
152 f. ).Auch durch die häufig gewählte historische Per-
spektive werden die Fakten in einen Bedeutungszusam-
menhang eingeordnet.
In den Briefen an Lina verbindet sich phil-
anthropisches Gedankengut mit einer empfindsa-
men Grundhaltung, durch die in das Genre des el-
terlichen Rates ein subjektiver, persönlicher Ton
hineinkommt. Dazu trägt vor allem die Erzähl-
weise bei - die Individualisierung der Briefpart-
ner, die Auflockerung der einseitigen Briefkorre-
spondenz durch die Einbeziehung von Linas Re-
aktionen und die zum Teil unsystematisch-asso-
ziative Vorgehensweise. Hierzu kommt der von
Wohlwollen und Güte bestimmte Umgangston,
mit dem sich die Briefschreiberio an Lina wendet.
Lina selbst erwidert dankbar die Liebe der älte-
ren, Mutterstelle bei ihr vertretenden Base und be-
müht sich eifrig, deren Ratschläge voll und ganz
zu erfüllen. Der gesamte Ton ist freundschaftlich
und kehrt- obwohl moralisch-belehrend- relativ
wenig das Autoritätsverhältnis hervor. Dabei
wird freilich als selbstverständlich vorausgesetzt, Sophie von La Roche (1 731-1807). Kupferstich
daß Lina als fügsames und liebevolles Mädchen von C. Schule
609 v. La Roche, Briefe an Lina, 1785 610

u.a. in einer (teilweise) materialistischen Erklä- Frau im Zusammenhang erörtert wird (S. 233 ff. ),
rung der menschlichen Geschichte niederschlägt: wird jedoch eingeräumt, daß die Frau die glei-
»Das einfache Gefühl von Hunger, Durst und chen Fähigkeiten wie der Mann hat und daß das
Kälte war also die Triebfeder, welche alle in uns weibliche Geschlecht »schon oft« »grosse Bewei-
ruhenden Kräfte weckte, anspornte, Millionen se« »von seinen Fähigkeiten zu den höchsten
Erfindungen nicht nur zur Stillung dieser Bedürf- Wissenschaften« gegeben habe (S. 235). Den-
nisse, sondern zum Überfluß hervorbrachte (S. noch sollen die Frauen diese Fähigkeiten nicht
249). Auch die Entwicklung der einzelnen Völker, ausbilden, sondern sich zufrieden geben mit den
ihrer Denkungsart, ihrer Gewohnheiten und Ge- »sogenannten geringeren Beschäftigungen des
setze wird als abhängig von der Landschaft und Geistes« (S. 233), da den Männern die »Wissen-
der Art und Weise ihrer Reproduktion gesehen (S. schaften für den Verstand« und den Frauen »die
121 ). - Mit dem Bewußtsein von der Erklärbar- Freuden für das Herz« obliegen (S. 237). Als Be-
keit der Welt korrespondiert ein ungeheurer Wis- gründung wird auf die »erste Bestimmung« ver-
sensdrang; das Wissen selbst wird als »edler Ge- wiesen, die die Natur und Gott den Frauen gege-
nuß« empfunden (S. 248), als etwas, was den ben habe, nämlich als »Gehülfinnen und Gesell-
Menschen nicht nur klüger, sondern auch »besser schafterinnen der Männer in dem zweyten Rang
und glücklicher« macht (S. 125). der Verdienste stehen [zu] bleiben« (S. 235 f.). Die
Die Anerkennung der Ständegesellschaft als Argumentation ist in mehrfacher Weise wider-
eine Notwendigkeit, mit der Lina sich abfinden sprüchlich: Obwohl Gott und die Natur die Frau
müsse, wird bereits zu Anfang der Briefe expli- - trotzihrer mit dem Manne gleichen Fähigkeiten
ziert. Als Trost verweist die Briefschreiberio ein- - für eine nachgeordnete Position bestimmt ha-
mal auf die »mittlere« Lage des dritten Standes, ben, soll die Frau »freywillig« dieserihrer Bestim-
durch die dieser zwar nicht an Überfluß, aber mung folgen, was als »moralisch schön« bezeich-
auch nicht an Mangelleide (S. 4). Lina solle des- net wird (S. 235); obwohl die hierarchischen ge-
wegen nicht nur auf die sehen, die »reicher und sellschaftlichen Strukturen als historisch entstan-
vornehmer« als sie selbst, sondern auch auf die, dene gesehen werden, werden sie gleichzeitig als
die »geringer und ärmer« seien (S. 6); sie hätte von der Natur und Gott so gewollt bezeichnet (S.
ebensogut in einen niederen Stand hineingeboren 236); und die »feineren Gefühle« der Frau, mit
werden können, in dem sie hätte Magddienste denen ihre untergeordnete Stellung ebenfalls
verrichten müssen. Als weiteren Grund für soziale rechtfertigt wird, werden als natürlich angesehen,
Selbstbescheidung nennt die Schreiberio die in- obwohl an anderer Stelle davon ausgegangen
neren Werte des Menschen, die letztlich entschei- wird, daß die Frau ihre rationalen Fähigkeiten
dender seien als sozialer Stand und materielles aufgrund der Arbeitsteilung der Geschlechter gar
Glück. Es gebe zwischen den Menschen in den nicht habe entwickeln dürfen. Hier überlappen
wesentlichen Dingen keine Unterschiede: Die sich die verschiedensten Argumentationsschema-
»Gaben des Geistes und Herzens« habe die Na- ta: die Orientierung an den traditionellen, theolo-
tur bei allen gleich verteilt; »Hunger, Durst, gisch legitimierten Standespflichten, eine histo-
Frost, Hitze, Krankheit und Tod gehen auch ohne risch-gesellschaftlich erklärende und am Gleich-
Unterschied alle an«, und amEndeseines Lebens heitsgedankender Menschenrechte ausgerichtete
wünsche sich jeder Mensch ohnehin nichts ande- Betrachtungsweise und schließlich das Paradig-
res, als gut gewesen zu sein (S. 6 f.). Diese Recht- ma vom weiblichen, von der Natur gegebenen
fertigung der gesellschaftlichen Gegensätze fin- »Geschlechtscharakter«. Die Vorstellung vom
det sich auch in den Briefen wieder, in denen Lina weiblichen »Geschlechtscharakter« findet sich
die soziale Ordnung und die verschiedenen gesell- noch deutlicher an anderer Stelle. Von dem feine-
schaftlichen Tätigkeiten der einzelnen Stände vor ren Bau des weiblichen Körpers wird auf die »fei-
Augen geführt werden. Allerdings wird dieses neren Gefühle« der weiblichen Seele geschlossen
Weltbild einer von Natur gegebenen sozialen (S. 237) und in ähnlicher Weise von dem »Zierli-
Hierarchie indirekt immer wieder in Frage gestellt chen und Schönen« in ihren Ideen gesprochen (S.
durch die historische Perspektive, unter der ge- 237). Die Frau erscheint als diejenige, die die
sellschaftliche Verhältnisse betrachtet werden. Männer veredelt und vergeistigt, durch die Kultur
Bei der Bestimmung der Rechte und Pflich- allererst ermöglicht wird, auch wenn sie selbst
ten der Frau wird im philanthropischen Sinne nicht deren Trägerio ist. Die Frau, die freiwillig
großes Gewicht auf die hausfrauliche Tätigkeit auf die Ausübung wissenschaftlicher und künstle-
gelegt, zugleich jedoch- offensichtlich unter dem rischer Arbeit verzichtet, wird zur Muse und Ge-
Einfluß der Empfindsamkeit- die Frau als gebil- sellschafterin des Mannes, die zugleich wegen ih-
dete, den Mann veredelnde Gesellschafterin gese- res Äußeren, vor allem aufgrundihrer Anmut, ge-
hen. Gleich zu Anfang wird als gegeben vorausge- fällt. Damit entwirft La Roche ein Frauenbild,
setzt, daß der Lebenskreis der bürgerlichen Frau das in das philanthropische Bild der Hausfrau be-
in den Schranken des Hauses vorgezeichnet sei reits Züge der Klassik und des Neuhumanismus
(S. 14). An späterer Stelle, wo die Situation der aufnimmt.
611 Moralisch belehrende Schriften 612

Trotz dieses Ansatzes bleibt jedoch auch bei hingezogen hatte, ohne das Erschreckende seines um-
ihr die dem Mädchen zugestandene Bildung eng sturzbegierigen Wesens«. »St. Pierres beständige Auf-
begrenzt: Lina hat einen Zeichen- und Musikleh- merksamkeit auf den Nutzen der Natur und seine Über-
rer, der Bruder unterrichtet sie in Geographie und zeugung von ihrer ausschließlichen Wohltätigkeit« ha-
be z.B. voll »der starken Rolle des utilistischen Prin-
Geschichte (an anderer Stelle ist auch vom Reli-
zips« in ihrer eigenen Naturanschauung entsprochen.
gionsunterricht die Rede, S. 114), die Tante Köberle (1968, S. 149 f.) hebt positiv hervor (wo-
macht sie zu einer »guten Wirthin« -dies allein bei sie sich auf die Pomona und auf die Briefe an Lina
reicht der Briefschreiberin aus, um in Entzücken bezieht), daß Sophie von La Roche »einen neuen Ton in
darüber auszubrechen, »welch ein edles, reizen- die Mädchenlektüre, den der Empfindsamkeit«, hin-
des Geschöpf« dem Vaterland in Lina »erwach- einbringe, »und wenn Campe und seine Gesinnungsge-
sen« werde (S. 29). An einer anderen Stelle ist in nossen diese aufs schärfste angriffen und verurteilten,
bezug auf das, was Lina lernen soll, von den so war doch der aus dem Pietismus fließende Strom ei-
»häuslichen Arbeiten der Nadel, der Kochkunst, nes neuerwachten Gefühls das stärkste Gegengewicht
gegen die allzu vernünftige, vom Verstande dirigierte
des Spinnens, der Weberey und für Betten und
moralische Belehrung«. Negativ findet sie, daß am En-
Kleidung« die Rede, »welche sehr leicht mit ei- de dann doch wieder der »Nützlichkeitsstandpunkt«
nem anständigen Maas Kenntnisse in Musik und zutage trete. Außerdem wird von Köberle (1972,
Zeichnen, Wiz und Büchern verbunden werden S. 141 f.) das vermittelte Sachwissen als »reines Wort-
können« (S. 73). Mit der Betonung der häuslichen wissen« kritisiert, »das zu der Haupttendenz der Zeit,
Tugenden, der Randständigkeit der schönen Lite- allen Unterricht aus Erfahrung und Beobachtung abzu-
raturund den am praktischen Lebensbezug orien- leiten, in grellem Widerspruch steht«. G.
tierten Sachthemen zeigt sich Sophie von La Ro-
che wiederum eng verwandt mit dem auf Realien-
wissen und auf die praktischen Fähigkeiten der 1787
Hausfrau großen Wert legenden Philanthropis-
mus. Gegenüber der Romanlektüre nimmt sie Johann Friedrich Oest (I 755-1815):
freilich eine offenere Haltung ein als Campe: Sie Höchstnöthige Belehrung und Warnung
empfiehlt Lina die Lektüre von Richardsons Sir for Jünglinge und Knaben, die schon zu
Charles Grandison, fordert sie allerdings auf,
einigem Nachdenken gewöhnt sind. -
beim Lesen immer zwischen Romanwelt und
Wirklichkeit zu trennen (S. 82 ff.). Höchstnöthige Belehrung und Wamungfor
junge Mädchen zur frühen Bewahrung ihrer
Die Briefe an Lina wurden zuerst in der Zeit-
schrift Pomona ( 1783-84) abgedruckt. 1785 erschienen
Unschuld von einer eifahrenen Freundin.
sie als Buch, 1788 erschien eine 2. Auflage unter dem Ti- Wolfenbüttel1787
tel: Briefe an Lina als Mädchen. Ein Buch für junge
Frauenzimmer die ihr Herz und ihren Verstand bilden Beide Belehrungsbücher richten sich sowohl an
wollen, 1807 eine 4. Auflage unter demselben Titel. Die- Eltern und Erzieher als auch an diejenigenjungen
se Ausgaben sind gegenüber der Ausgabe von 1785 um
einen Anhang vermehrt, in dem weitere Briefe an Lina
Leute, »welche nicht so glücklich sind, einen er-
und andere auf Lina bezogene Texte, die vorher bereits fahrnen und weisen Freund oder Führer zu ha-
in der Pomona abgedruckt waren, aufgenommen sind. ben, der den Willen und die Geschicklichkeit be-
1795 erschien der Fortsetzungsband Briefe an Lina als sitzt, sie hierüber [»den allergefährlichsten Ab-
Mutter, ein naturgeschichtliches Lehrbuch. - Göbels weg, worauf die Jugendgerathen kann«, d.Red.]
(Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Bd. 2, auf eine zweckmäßige Weise mündlich zu beleh-
S. 314) gibt als Ersterscheinungsjahr der Briefe an Lina ren, etwas in die Hände zu spielen, welches ihnen
einmall783 und einmal1785 an und geht bereits für die den Mangel eines mündlichen Unterrichts eini-
Erstausgabe von 2 Bänden ( 1783) bzw. von 3 Bänden germaßen ersetzen kann« (Allgemeine Revision,
(1785-89) aus. Die von Göbe1s zusätzlich angegebene
Schrift Mütterlicher Rath für junge Mädchen ( 1797)
Bd 6, S. 289/90). An die Adresse der Eltern und
scheint nur ein anderer Titel der Briefe an Lina zu sein; Erzieher richten sich beide Texte allerdings nur
so wird in einer Verlagsanzeige des 2. Bändchens der insofern, als sie »Proben und Anleitungen« ent-
Moralischen Erzählungen von Sophie von La Roche (2. halten, wie beim mündlichen Unterricht über das
verm. und verb. Auflage, Mannheim 1799) für folgen- Thema der »Selbstschwächung« zu verfahren sei.
den Titel der Autorin geworben: Mütterlicher Rath für Diese Zweckbestimmung wird unterstrichen in ei-
junge Mädchen in Briefen an Lina (ebenso auch Kay- ner textidentischen, beiden Büchern von Campe
ser). vorangestellten Vorrede (»An das junge Frauen-
Nach Ridderhoff (1895, S. 104) herrscht in den zimmer, dem dieses Buch durch Zufall in die
Briefen an Lina »das krasseste Richardsonsche Ge-
Hände geräth«, »An den Jüngling, dem[ ... ]«),
fühlsleben [ ... ], wenngleich Rousseau mehrfach er-
wähnt wird.« Touaillon (1919, S. 167) sieht die Briefe wonach die Lektüre vornehmlich für jene jungen
an Lina beeinflußt von St. Pierre, dem sich Sophie von Leute bestimmt sei, die einen väterlichen Freund
La Roche mit zunehmender Distanzierung von Rous- oder einen mütterlichen Beistand missen müßten
seau zuwandte. Bei St. Pierre, »dem sanften Rousseau- und somit nicht im mündlichen Unterricht über
schüler«, habe sie alles gefunden, »was sie zu Rousseau die Materie belehrt werden könnten. Umso be-
613 Oest, Höchstnöthige Belehrung, 1787 614

schwörender in »warnenden und flehenden Bit- Ohne Aussicht auf Heilung wird Wilhelm in den Pest-
ten« mahnt Campe, Herausgeber beider Texte, hof ausgesetzt, »welches ein Ort ist, wo unheilbare, mit
die jugendlichen Leser beiderlei Geschlechts allerlei schauderhaften Zufällen behaftete Kranke und
möchten sich jeder »unreinen Vorstellung« und Wahnsinnige sich aufhalten, damit sie der menschli-
chen Gesellschaft nicht schwerlich fallen« (S. 27 /28).
aller »schändlichen Gedanken« beim Studium
Dort stirbt der fünfzehnjährige Knabe den »kläglich-
enthalten. sten und schimpflichsten« Tod (S. 30).
Hinsichtlich der sozialen Stellung des in Fra- Das folgende Kapitel über die »Nöthige Beleh-
ge kommenden Leserkreises hat Oest keine Anga- rung über den Ursprung des Menschen« (S. 32-49) will
ben gemacht. Jedoch läßt sich aus einer in den den Lesern zur Berichtigung und Erweiterung ihrer
Text eingerückten Anmerkung Campes herausle- Kenntnisse »die Bestimmung und den Zweck derjeni-
sen, inwiefern insbesondere die Kinder des mitt- gen Theile des Körpers, die Wilhelm gernißbraucht hat-
leren und gehobenen Bürgertums angesprochen te, das Nöthige sagen« (S. 32). Dies freilich geschieht in
sind: »Nach allen Erfahrungen über diesen den allergemeinsten Worten: »Bei beiden Geschlech-
schauderhaften Gegenstand ist unter den jungen tern findet sich in dem Bau dieser Theile einer solche
Leuten der verfeinerten Stände von sechs bis Verschiedenheit, daß eine genaue Vereinigung dersel-
ben mit einander möglich ist. Diese genaue Vereinigung
zwanzig Jahren und zwar beiderlei Geschlechts der Geschlechtstheile beider Geschlechter macht dieje-
kaum der zehnte Theil mehr für unschuldig zu nige Handlung aus, die wir die Zeugung oder eheliche
halten« (Allgemeine Revision, Bd 6, S. 28f.). Beiwohnung nennen« (S. 34/35). In Fortsetzung dieser
Auf eine spezifische Altersangabe des ju- bloß vagen Andeutungen weicht Oest schließlich auf
gendlichen Lesepublikums hat Oest verzichtet. die Botanik als Erklärungsmuster aus: »Ihr werdet dies
Sein Adressat sei allgemein die »mittlere Ju- durch eigene Beobachtung am besten an der Tulpe ge-
gend«. Beide Texte seien so eingerichtet, »daß sie wahr werden« (S. 36).
der Jugend überhaupt nützlich werden mögte(n), Das dritte Kapitel (»Schreckliche Folgen des La-
sobald diese nur etwas im Denken geübt und an sters der Unkeuschheit überhaupt«, S. 50-56) handelt
eine ordentliche Schriftsprache gewöhnt ist« (S. von Hurerei, unehelichem Beischlaf, »unerlaubten
fleischlichen Vermischungen«, Ehebruch und uneheli-
297).
chen Kindern, die allesamt gleichermaßen Folgen des
In einer der Campe-Vorrede vorangestellten »unglückliche[n] Wollusttriebes« seien.
Bemerkung werden überdies als Adressatenkreis Das Kernstück der Abhandlung bildet das vierte
die »beiden obersten Classen« der Schulen ge- Kapitel, es ist betitelt »Schreckliche Folgen des schänd-
nannt, »wo man noch Bedenken trägt, die jungen lichen Lasters der Selbstschwächung insonderheit « (S.
Leute mündlich über etwas zu belehren, welches 57-85). Präsentiert werden zahlreiche Beispielgeschich-
zu wissen ihnen so höchst nöthig ist«. ten, die durch drastische Schilderungen und stufenwei-
se Steigerung die Folgen der »Selbstschwächung« ver-
Die Höchstnöthige Belehnmg und Warnung for deutlichen sollen und hauptsächlich durch Abschrek-
Jünglinge und Knaben ist in sechs Kapitel untergliedert. kung wirken sollen. Im Unterschied freilich zu Campe,
Dem ersten Kapitel vorangestellt ist eine Vorrede der eingehend auch die Masturbationspraxis selbst be-
(»Meine jungen Leser«, S. 9 I I 0), in der die jugendli- schrieben hatte (vgl. z. B. Allgemeine Revision, Bd. 6,
chen Leser auf die in Kapitel eins folgende Beispielge- S. 92 f.), konzentriert sich Oest auf die Darstellung der
schichte eingestellt werden: >>Ich will euch[ ... ], weil ich »Folgen«: »In einer gewissen Stadt starb ein neunjähri-
hoffe, daß es euch zu einer wichtigen Belehrung gerei- ges Kind an den Folgen dieses Lasters, nachdem er
chen werde, ein trauriges Beispiel erzählen« (S.l 0). schon eine geraume Zeit vorher völlig blind geworden
Die »Wahrhafte Geschichte eines unglücklichen war« (S. 60). »Ein anderer junger Mensch verlor durch
Selbstverderbers« (S. I 0-32) setzt ein mit der >>Unbe- die Ausübung dieses Lasters das Gesicht« (S. 64). In das
greiflichen Verwandlung« des zehnjährigen Wilhelms, Kapitel sind fünfvon ehemaligen »Selbstschwächern«
dessen Geist und Körper beständig ruinöser werden, an Campe gerichtete Briefe eingefügt (S. 65-76), die aus
ohne daß dafür eine erkennbare Ursache genannt wird. der Perspektive der »Leidtragenden« reuevolle Einge-
Im Alter von zwölf Jahren ist der Knabe, der einst zu ständnisse und eindringliche Warnungen enthalten:
großen Hoffnungen Anlaß gab, »ein elend schwacher »Verwelkt und abgemattet seufze ich nun, ich, der ich
Mensch« (S. 16), der nichts mehr denken und empfin- sonst gleich einer Rose blüht« (S. 69). Ergänzt werden
den kann. Ein Prediger, dem Wilhelm von seinen Eltern diese Beispielsammlungen durch zwei »Fälle«, der der
zur Beobachtung und Diagnostizierung der zunächst französische Arzt Tissot bereits an anderer Stelle be-
schleierhaften Krankheit übergeben worden ist, findet kannt gemacht hatte (S. 76-79).
als Ursache für alle Zerrüttung des Knaben das »Laster Unter den »Verwahrungsmittel[n] wider das La-
der Selbstschwächung« heraus, das als die größte Sün- ster der Unkeuschheit überhaupt und der Selbstschwä-
de, die begangen werden könne, bezeichnet wird. Der chung insonderheit« (Kapitel fünf, S. 85-112) wird an
Prediger trifft Wilhelm in einer Stellung an, »von der ihr erster Stelle das wiederholte Studium der Beispielge-
alle, meine Lieben, und jeder sittsame Mensch die Au- schichten genannt. Oberstes Ziel aller »Verwahrungs-
gen mit Ecke! und Abscheu wegwenden würde. Wil- mittel« ist nach Oest »Herrschaft über sich selbst« zu er-
helm hatte sich vor sich selbst auf eine unschaamhafte langen und »unerlaubte Wünsche unbefriedigt« zu las-
und schändliche Art entblößt und diejenigen Theile sei- sen. »Stete Beschäftigung«, harte körperliche Arbeit,
nes Körpers aufgedeckt, die Menschen sorgfältig vor ein asketisches Leben, planvolle Ablenkung und Zer-
einander verbergen[ ... ]« (S. 19). Schließlich konstatiert streuung seien die sichersten Mittel dazu: »Jene Haupt-
der Prediger:» Wilhelm, du bist ein Verbrecher« (S. 21 ). quelle ist der Müßiggang und die Geschäftslosigkeit,
615 Moralisch belehrende Schriften 616

und das Hauptverwahrungsmittel gegen alle Sünden oder sieches Leben« (S. 42) sicher: »So verliert ein
überhaupt und gegen die Sünden der Unkeuschheit ins- Mädchen, durch die Selbstschwächung Gesundheit, Ju-
besondere ist die Arbeitssamkeit« (S. 94). gend, Schönheit, Unschuld, guten Namen und Beifall
Im sechsten und letzten Kapitel, »Mitleidiger Zu- bei anderen, eheliches Glück, Leben und alles« (S. 45).
ruf und väterlicher Rath für den unglücklichen Knaben Der letzte Teil des nicht weiter untergliederten Textes
oder Jüngling, der den Weg, der zum Verderben führt, enthält Regeln und Ratschläge zur Vorbeugung sowie
schon betreten hat« (S. 113-148), werden für den armen zur Bekämpfung des »Lasters der Selbstschwächung«.
»Knaben, der sich mit der schrecklichen Selbstschwä- Sie reichen von allgemeinen Hinweisen auf» Mäßigkeit
chung befleckt hat« (S. 113), insgesamt 13 Regeln auf- und Nüchternheit« und beständigen Aufforderungen
gestellt, die bei Befolgung Heilung von der »Krank- zur »thätigen Arbeit« bis zu sehr konkreten Verhaltens-
heit« versprechen. Das Regelwerk reicht von Selbstka- regeln. Mit einer letzten Beispielgeschichte in Form ei-
steiungen (»verursache dir freiwillig einen Schmerz«, nes Briefes »einer unglücklichen Mitschwester«, die
S. 117) bis zur Empfehlung, jene Hospitäler aufzusu- mit »dem Laster schon bekannt war« (S. 65), endet das
chen, »in welchen elende Menschen die Folgen ihres Buch, um den allgemein gültigen Charakter der zuvor
schändlichen Lebens unter dem Messer der Wundärzte unterbreiteten Vorschriften nachhaltig zu unterstrei-
bejammern müssen« (S. 135). Mit einer letzten »schau- chen und deutlich zu machen, »wie ihr euch in eurem
derhaften Beschreibung« des Herm Ulrich, »Prediger künftigen Leben vor jeder Gefahr, die eurer Unschuld
an der Charite in Berlin« (S. 135-143), sowie mehreren droht, sichern könnt« (S. 74).
Geliert-Versen, voll von Drohungen, Beschwörungen
und dunklen Vorhersagen über die Folgen der »Selbst- Beide Belehrungsschriften sind dem an die
schwächung« schließt der Band. Jungen und an die Mädchen gerichteten Teil einer
Die Höchstnöthige Belehrung und Warnung for 1787 publizierten Preisschrift von Johann Fried-
junge Mädchen zur frühen Bewahrung ihrer Unschuld rich Oest entnommen, die den Titel trug Versuch
beginnt, ähnlich dem Belehrungsteil für Jünglinge und einer Beantwortung der pädagogischen Frage:
Knaben, mit einer Beispielgeschichte. Geschildert wird wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib
die Geschichte eines namentlich nicht näher bezeichne- und Seele verwüstenden Laster der Unzucht über-
ten Mädchens, an das der Autor Oest- in die Rolle einer haupt, und der Selbstschwächung insonderheit
»erfahrenen Freundin« geschlüpft - nicht denken verwahren, oder, wofern sie schon angesteckt wa-
kann, »ohne mithleidige Tränen zu vergießen« (S. 9). ren, wie man sie davor heilen könne? Diese Preis-
Das Kind wird nachlässig und ungeschickt, schüchtern
frage hatte Joachim Heinrich Campe in der Vorre-
und verlegen, blöde und häßlich, und mit 13 Jahren ist
es schließlich von einer Krankheit befallen, die »man de zum ersten Band der Allgemeinen Revision des
die fallende Sucht oder das schwere Gebrechen nennt« gesamten Schul- und Erziehungswesens (Harn-
(S. 14), ohne daß dafür Ursachen benannt worden sind. burg 1785, S. XXXV) gestellt und zugleich mit ge-
Mit 14 Jahren schließlich stirbt das Mädchen. Ein Brief, nauen Anweisungen zur Ausarbeitung versehen.
den es zuvor an die »erfahrene Freundin« Oest gerichtet Verlangt wurde eine Zweiteilung der Preisschrift,
hatte, gibt Aufklärung über die wahre Ursache ihres frü- wobei sich je ein Teil an Eltern, Lehrer und Aufse-
hen Todes: sie seilaut Selbstbekenntnis dem Laster der her und an die »jungen Leute selbst« (S. XXXVI)
Selbstschwächung anheim gefallen und sei durch >>frei- richten sollte. Der Hauptinhalt des an die Adresse
willige Reizungen der schaamhaften Theile« (S. 17) zu-
grunde gerichtet worden. Daran knüpft Oest die mah-
der Eltern gerichteten Teils sollte laut Campe »die
nende Lehre, »daß durch Selbstschwächung ein Mäd- Darlegung der schreklichen Folgen der genann-
chen früh ihre Unschuld und mit ihrer Unschuld Glück ten Laster, theils durch theoretische Gründe,
und Leben verliert« (S. 19). Weitere Beispielgeschich- theils durch frappante Erfahrungen, um Eltern
ten sollen bezwecken, daß »eine Abscheu gegen dassel- und Aufseher von der großen Wichtigkeit der Sa-
be Laster recht lebhaft werde« (S. 25). Im Anschluß che zu überzeugen«, sein (S. XXXVI). Ferner
klärt Oest über Geschlechtstrieb, Geschlechtsakt, sollten Ursachen, deren Bekämpfung sowie Be-
Schwangerschaft und Geburt auf (S. 26-30)- in freilich lehrungsvorschläge selbst enthalten sein. Für die
noch allgemeinerer und unbestimmterer Weise, als dies andere Hälfte der Preisschrift war Campe als Be-
im Belehrungsteil für die Jünglinge und Knaben der
Fall war. Die Geschlechtsorgane umschreibt er als »ge-
dingung festgelegt worden, »daß sie zum Muster
wisse schaamhafte Theile [des] Körpers, die ich wol dienen kann, wie eine solche Unterweisung einge-
nicht nöthig habe, euch näher zu beschreiben« (S. 29) kleidet werden müsse; daß man sie Kindern und
und den Geschlechtsakt selbst nichtssagend als »eine jungen Leuten vorlesen, ja zur Noth sie ihnen
Handlung der größten Vertraulichkeit«. Im Unter- selbst in die Hände geben könne« (S. XXXVIII f.).
schied zu dem Aufklärungsbuch für Jungen verzichtet Auch die Altersgruppe war vorgeschrieben: »So
Oest gar auf die Hilfskonstruktion zur Erklärung der dürfte es wohl am rathsamsten seyn, ihnen die
menschlichen Fortpflanzung, die er aus dem Bereich mittlerste Stufe der Jugend, vornehmlich das
der Botanik und der Pflanzenwelt entliehen hatte. zwölfjährige Alter zum Augenmerk anzuweisen«
Gleichwohl schreibt Oest dem Koitus, der allerdings
(Anm. S. XXXIX). Für die beste Beantwortung
nur auf Eheleute beschränkt ist, eine »sinnlich angeneh-
me Empfindung und körperliche[n] Reiz« (S. 27) zu, um der gewünschten Preisschrift waren zunächst 100,
warnend sogleich die Stimme zu erheben, daß die Ver- später 111 holländische Dukaten ausgesetzt wor-
nunft alle Triebhaftigkeit auf das genaueste zu kontrol- den, die ein »edler Menschenfreund« (d. i. die
lieren habe. Wer diese Tugendhaftigkeit- auch Keusch- Buchhandlung Bohn sowie Campe), in seiner
heit genannt - nicht befolge, dem sei der »Tod Funktion als Herausgeber der Allgemeinen Revi-
617 Oest, Höchstnöthige Belehrung, 1787 618

sion gestiftet hatte. Zwei Jahre nach der Aus- und Bekämpfung der Masturbation bekannt sei.
schreibung der Preisfrage wurden in der Allgemei- Bevor Salzmanns Text 1785 unter dem Titel Ueber
nen Revision (Bd 6, S. III-VII) 1787 die von der die heimlichen Sünden der Jugend erschien, muß-
»Gesellschaft practischer Erzieher« bestimmten te sich der Autor freilich erst noch rechtfertigen,
Gewinner bekannt gemacht. Der erste Preis, der dieses Thema überhaupt zu berühren, weil ein un-
mit 50 Dukaten dotiert war, wurde » Hrn. Oest, genannter Arzt ihn dringend aufgefordert hatte,
Privatlehrer im Schleswigschen« zugesprochen, das angekündigte Buch nicht zu veröffentlichen.
den zweiten Preis erhielt Peter Villaurne mit einem (Ists recht über die heimlichen Sünden der Jugend
Preisgeld von 36 Dukaten (er hatte als Mitglied öffentlich zu schreiben, Schnepfenthai 1785). In
der »Gesellschaft practischer Erzieher« nicht an der Folge dieser öffentlich beginnenden Diskus-
den Beratungen zur Preisverleihung teilgenom- sion über diese »schmutzige Materie« und »wich-
men), und der dritte Preis wurde dem» Hrn. Gün- tigen Krebsschaden der Menschheit« (Campe,
ther, Lehrer in Oels« verliehen. Dem königlichen Allgemeine Revision, Bd 6, S. 28) und konkret ver-
preußischen Hauptmann von Winterfeld, der anlaßt durch die Ausschreibung einer Preisfrage
ebenfalls eine Schrift eingesandt hatte, wurde durch Campe sind auch die beiden Belehrungs-
»das Accessit zugesprochen«. Sämtliche prä- bücher Oests zu sehen.
mierten Arbeiten wurden entweder ganz oder in In der pädagogischen Methode, ihrer litera-
Auszügen im sechsten und siebten Band der Allge- rischen Ausgestaltung und im Aufbau sind sie
meinen Revision abgedruckt, die Gestsehe Haupt- deutlich ihren Vorgängern verpflichtet. Ähnlich
preisschrift sowie die beiden sich an die Knaben wie es am deutlichsten Tissot und dann auch
und Mädchen direkt wendenden belehrenden Campe gefordert hatten, will Oest abschrecken
Teile daraus wurden auch separat herausgegeben, durch Warnung vor den angeblich schlimmen
damit »jene auf diese Weise solchen Eltern und Folgen des Lasters der Onanie. Methodisch greift
Erziehern, welche das Revisionswerk nicht mit- er zu zahlreichen Beispielgeschichten, die freilich
halten, diese solchen jungen Leuten in die Hände nicht bloß einen beliebigen und einmaligen Vor-
kommen mögen, welche sich selbst überlasen fall abschildern sollen, sondern im Sinne eines all-
sind und keinen erfahrnen Freund oder Führer gemeingültigen Beispiels verstanden werden kön-
haben, der sie mündlich daraus belehren könnte« nen. Vor allem sollen sie jedoch das Eine vermit-
(Allgemeine Revision, Bd 6, S. VI). teln: Authentizität. Die zahlreichen eingestreuten
Wie die Mehrzahl der zeitgenössischen Allti- Briefe in beiden Belehrungsbüchern, zumeist von
masturbationsliteratur sind beide Texte Oests anerkannten Autoritäten wie Campe stammend,
dem aus dem Jahre 1760 stammenden Werk erfüllen eine ähnliche Funktion, machen darüber-
L 'Onanisme von Tissot verpflichtet, der sich mit hinaus jedoch noch klar, daß es sich bei dem be-
dieser Schrift als Mediziner europäischen Ruf er- schriebenen Laster um ein außerordentlich ver-
warb und bis in das 19. Jahrhundert als die Auto- breitetes Phänomen handelte. Analog zum Aus-
rität schlechthin auf dem Gebiet der Masturba- maß der vermeintlichen Verbreitung der Mastur-
tion galt (vgl. van Ussel, 2 1977). Ausgegangen war bation steht die Zahl der angeführten Beispielge-
die literarisch-pädagogische Kampagne gegen schichten. Offensichtlich aber mißtraut Oest der
die Masturbation in England mit der 1710 publi- alleinigen Wirkung durch Mitteilung vom Schick-
zierten Schrift des Arztes Bekker Onania, or the sal zahlreicher »Selbstschwächer«. In drasti-
heinous sin of self-pollution and all its frigthfull scher, bisweilen gewalttätiger Weise (Ussel
consequences in both sexes, considered with spiri- spricht von einem Antimasturbationssyndrom,
tual and physical advice. Als mögliche Folgen der das in seiner Pathologie nur noch dem Judenhaß
Masturbation hatte Bekker Hysterie, Rücken- vergleichbar sei, S. 143) werden daher die bösen
markschwindsucht, Epilepsie und Impotenz ge- Folgen der sexuellen Verfehlung ausgemalt. In al-
nannt und Meditationen sowie einfache Diät als ler Regel ist jugendlichen »Selbstbefleckern« der
Therapie empfohlen (Ussel, S. 138). Die erste be- frühe Tod beschieden. Nicht minder drastisch
deutsamere deutsche Schrift zu diesem Thema und nach dem Urteil von Ussel bis hart an die
war 1769 zunächst anonym, und dann 1776 unter Grenze des Sadismus gehend, nehmen sich die
Nennung des Autors in einer Neubearbeitung er- Therapievorschläge aus gegen die Masturbation.
schienen: Practisches Werk von der Onanie, das Sie reichen von präventiven und prophylakti-
der Leipziger Arzt Christian Friedrich Hörnerver- schen Maßregeln, spezieller Diät, Vorschriften
faßt hatte. Eine breitere Publizität gewann die für eine Spezialkleidung, über Hydrotherapie bis
Erörterung diesbezüglicher Fragen allerdings schließlich zu chirurgischen Eingriffen und ei-
erst, nachdem Christian Gotthilf Salzmann 1783 gens entwickelten Antimasturbationsapparatu-
sein Vorhaben angekündigt hatte, ein Buch über ren. Davon freilich redet Oest deutlich nur in dem
die Masturbation zu veröffentlichen und zu die- an die Eltern und Erzieher gerichteten Teil seiner
sem Zweck einen Aufruf an die Deutschen ge- Preisschrift, während er sich in den Belehrungs-
richtet hatte, man möge ihm alles berichten und büchern für die Jugend mit Hinweisen auf ein ent-
einschicken, was über die Ursachen, die Folgen haltsames und keusches Leben begnügt. Überein-
619 Moralisch belehrende Schriften 620

stimmend haben neuere Forschungsarbeiten (Us- eben Ständen angehören; dabei soll der Jüngling
sel; Elschenbroich, 1977; Merke! und Richter, sich vorstellen, daß sein eigener Vater zu ihm spre-
1977) die Drastik und bisweilen äußerste Rigoro- che.
sität mit der sich zu Oests Zeiten erst noch heraus- Mit seinem Werk, das er als »Geschöpf mei-
bildenden bürgerlichen Sexualmoral erklärt, die ner schwachen, gewiß aber wohlmeinenden Mu-
sich im öffentlichen Bewußtsein noch keineswegs se« (S. VI) bezeichnet, will der Autor nicht den
durchgesetzt hatte und ihre Verfestigung- auch Anspruch auf den »unbeschränkten Beifal von
mit sprachlichen Mitteln - erst noch erkämpfen Kennern im engem Verstande« (S. VIII) erheben,
mußte. Oests Schriften, sowohl sein Handbuch da er, wie er wohl wisse, nichts Neues bringe.
für die Erzieher sowie die beiden Aufklärungsbü- Dennoch hält er sein Buch für wichtig genug; es
cher für die Jugend, erfüllten diese Aufgabe im enthalte zumindest nützlichere Dinge als ein
Vergleich zu anderen Schriften der sexuellen Auf- Großteil der so beliebten Romane. Seine Funk-
klärung am vollständigsten, weswegen sie in der tion bestehe darin, an Gegenstände zu erinnern,
einschlägigen Diskussion im ausgehenden 18. die ansonsten leicht vergessen würden: »Nichts
Jahrhundert und auch noch im frühen 19. Jahr- mehr, und nichts weniger, wie kleine Erinnerun-
hundert eine zentrale Stellung einnehmen. Inso- gen an unsere Jünglinge ist der Endzweck dieser
fern ist auch die Etikettierung Oests als »Apostel Blätter« (S. IX). Vor dem Hintergrund der von
der Antimasturbationspädagogik« (Elschen- ihm heftig kritisierten Romane und des Mode-
broich, S. 172) durchaus zutreffend. journals von Bertuch, das zusammen mit den Ro-
Die Höchstnöthige Belehrung und Warnung fiir manen daran arbeite, »das menschliche Elend zu
Jünglinge wie auch die Höchstnöthige Belehrung und vergrößern« (S. XI), glaubt er um so eher, zu sei-
Wamungfiir junge Mädchen sind textidentisch mit den nem Werk stehen zu können: Ihm dünke es bes-
entsprechenden Passagen im sechsten Band des Revi- ser, »guter Dinge zweiund mermal, wie nachteili-
sionswerkes (S. 293-434 und 435-506). Die den Sepa- gernur einmal zu erwänen« (S. XII). Weniger be-
ratdrucken beigegebenen Vorreden Campes waren in scheiden sieht der Autor seine Schrift in dem auf
der Fassung des Revisionswerkes noch nicht enthalten. die Vorrede folgenden Gedicht: Ihr Ziel sei es,
Gegenüber der Preisschrift wurde in den Einzelausga- »Menschenherzen zu veredeln«, den Jüngling
ben jedoch eine Vorrede Oests (Allgemeine Revision,
»richtig, praktisch denken« zu lehren, ihm ein
Bd. 6, S. 289-292) weggelassen, in der dieser sich über
die Absichten der an die Jugend gerichteten Belehrung- dauerndes Glück sichern zu helfen und ihn vom
steile geäußert hatte. Beide Separatschriften erlebten Laster zurückzuschrecken - dies alles in einem
rasch mehrere Nachauflagen: der an die Jünglinge Ton »so gros, so treflich daß er jede Seele trift«.
adressierte Teil erschien bereits 1788 in zweiter Auflage, Der Text, eingeleitet mit der Anrede »Innigst ge-
1809, 1820 und 1830 folgten weitere, während der für liebter Sohn!«, ist nicht weiter untergliedert. Es läßt sich
die weibliche Jugend bestimmte Teil immerhin 1809 in jedoch eine lockere Strukturierung nach bestimmten
dritter und 1828 in fünfter Auflage herauskam. Dies so- Themenkomplexen erkennen. In einer Art Einleitung
wie die mit der gesamten Autorität der »Gesellschaft (S. 1-13) preist der dem Tode nahestehende Vater die
practischer Erzieher« hervorgebrachten Empfehlungen innere Ruhe, mit der er der Ewigkeit ins Auge sieht; die-
der beiden Schriften sicherten ihnen einen nachhaltigen se Ruhe eines Redlichen werde auch dem Sohn zuteil
Erfolg in der zeitgenössischen sexuellen Aufklärungs- werden, wenn er in seinem Leben der Tugend folgen
sowie Antimasturbationsliteratur. Stellvertretend für werde. Auf den S. 13-19 wird die christliche Religion
viele zeitgenössische Rezensionsorgane lobte etwa die als höchster Wert im menschlichen Leben dargestellt,
Nicolaische Allgemeine Deutsche Bibliothek: »Gott ge- als ))der einzige Weg zur Glückseligkeit« (S. 14). Die
be, daß diese beiden Schriften viel gebraucht werden Seiten 19-41 behandeln unter dem übergeordneten
und der Menschheit viel Nutzen und Segen schaffen Aspekt ))Beherrschung der Leidenschaften, Mäßigung
mögen«. K. und Gesundheit« das Tanzen, den Zorn, das Weintrin-
ken und die Unzucht. Tanzen wird abgelehnt, weil es zur
))Unsittlichen Wollust reizt« (S. 25) und durch gefährli-
che Zugluft die Gesundheit zerstört. Manch einer habe
1787 sich schon beim Tanzen eine tödliche Erkältung zugezo-
gen; so manches Mädchen sei auch schon beim Tanzen
Friedrich Spach (gest. 1794): gegenüber dem leidenschaftlich drängenden Jüngling
Ein Sterbender Greis an seinen Sohn. schwach geworden und habe seine Unschuld verloren.
Vorschlägefor Jünglinge sich Kenntnisse, Dennoch möchte der Vater kein absolutes Tanzverbot
aussprechen; doch solle das Tanzen nur manchmal
Ehre und Glück zu erwerben. stattfinden- weniger als einmal im Monat und jeweils
Auch einige, der Beherzigung des nur ein bis zwei Stunden. - Ebenfalls aus gesundheitli-
schönen Geschlechts würdige Gedanken. chen und moralisch-gesellschaftlichen Gründen wird
Karlsruhe 1787 gegen die verheerenden Folgen des Zorns, des Weintrin-
kens und der Unzucht argumentiert. So heißt es, daß,
wer sich vom Zorn beherrschen lasse, sowohl seine Le-
Spach wendet sich mit seinem elterlichen Rat an bensdauer verkürze wie auch sich den Intrigen übelwol-
Jünglinge, die, wie der fiktiven Kommunikations- lender Mitmenschen aussetze, die dieSchwäche des an-
situation zu entnehmen ist, den höheren bürgerli- deren für ihre Zwecke nutzten.
621 Spach, Ein sterbender Greis, 1787 622

Auf den Seiten 42-48 wird der Bereich der Arbeit re Abschweifungen vor. So wird z.B. unter dem
abgehandelt und vor Müßiggang gewarnt. So wie das Oberthema »Erholung von Arbeit« u.a. der Wert
Merkmal der gesamten lebenden Natur die Tätigkeit der Lektüre erörtert. Eines der zu empfehlenden
sei, so sei auch der Mensch dazu geschaffen, tätig zu Bücher, das dem Vater als Vorbild für sein Han-
sein, d.h. seine Kräfte einzusetzen zur eigenen Wohl-
fahrt und zu der seiner Mitmenschen. Als Möglichkei- deln gedient hat, wird dabei dem Vater zum An-
ten der Entspannung, der Erholung des Geistes, die der laß, seine eigene Lebensgeschichte zu erzählen (S.
Mensch ebenso brauche wie die Arbeit, werden Schau- 67-73). Durch die unsystematische Vorgehens-
spiele, Spaziergänge, der Genuß der Natur und gute weise kommt es auch zu mehrmaligem Anschnei-
Lektüre empfohlen; gleichzeitig wird heftig vor Roma- den desselben Themas oder Motivs oder zu In-
nen gewarnt (S. 48-75). Zu den ))erlaubten Erholun- konsequenzen wie dem Wechsel des Adressaten,
gen« (S. 74) wird auch die Freundschaft gerechnet (S. indem z.B. auf einmal Mädchen angesprochen
75-84). Neben dem Lobpreis der Freundschaft findet werden. Auch innerhalb der einzelnen Unterthe-
sich hier die dringliche Warnung des Vaters, das eigene
men wird assoziativ-kreisend vorgegangen, in-
Herz nicht vorschnell einem anderen zu eröffnen, son-
dern erst dann, wenn man seine Vertrauenswürdigkeit dem mehrere Male neu angesetzt wird, um densel-
sorgfältig geprüft hat. Im Hinblick auf die vornehmeren ben Gedanken auf andere Weise auszudrücken
Stände wird empfohlen, auch mit ihnen freundschaftli- bzw. von einem anderen Aspekt her aufzurollen.
chen Umgang zu pflegen, weil man dadurch Menschen- Durch diese Vorgehensweise wird der Leser stär-
kenntnis und Lebensart lernen könne. Andererseits sol- ker auf der emotionalen als auf der logisch-ratio-
le man ihnen gegenüber keinen falschen Ehrgeiz entwik- nalen Ebene angesprochen.
keln, weil man ansonsten wie Werther zum Selbstmör- Von dem Erzähler wird diese Schreibweise
der werden könne (S. 81 ). stellenweise mit seinem nahen Tod begründet: Es
Anschließend folgen mehrere kürzere Themen
falle ihm schwer, seinen »wankenden Kopf« an-
aufeinander: die Warnung vor den verheerenden Fol-
gen des Spiels (S. 84-95), die Empfehlung, auch mit red- zustrengen (S. 104) und zusammenhängend zu
lichen Leuten niederer Stände Umgang zu pflegen (S. schreiben; deswegen müsse er das Geschriebene
94 f.), der Appell zu religiöser Toleranz (S. 95-98), Aus- immernoch einmal durchlesen, »um meine Ideen
führungen über die Tugenden der Nächstenliebe (S. nicht ganz zu vermischen« (S. 74). Wenn diese
98 f.) und des Stolzes (S. 99 f.), einzelne Regeln für den Verbindung von Erzählerfigur und Erzählweise
Umgang mit Menschen (S. 101 f.) und ein abschließen- auch nicht geglückt ist und als bloße Behauptung
der Appell an den Sohn, die Lehren des sterbenden Va- erscheint, so läßt sich doch sagen, daß die Spra-
ters zu beherzigen (S. 102-104). Ein längerer Teil, der che anschaulicher, lebendiger und kraftvoller ist
aufgrundseiner Geschlossenheit fast den Charakter ei-
als z.B. in Campes Theophron. Ausrufe, Ellipsen,
nes Anhangs hat (S. 104-188), behandelt abschließend
den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht und gibt Häufung von Gedankenstrichen, Wortwiederho-
Ratschläge für die Wahl der Ehegattin; den größten lungen, das Pathos und eine z.T. drastische Bild-
Raum nimmt dabei eine Beispielgeschichte ein (S. lichkeit zeigen den Einfluß der Empfindsamkeit
124-188), die im Stil der Wertherladen geschrieben ist. und des Sturm und Drang.
Die für den elterlichen Rat typische Kommunika- Auch inhaltlich zeigt sich Spach weniger
tionssituation zwischen dem in die Welt hinaustreten- vom pragmatischen Utilitarismus der Philanthro-
den Jüngling und dem alten Vater, der dem in der Feme pen als vielmehr von der Empfindsamkeit und
weilenden Sohn als ))gröstes Erbgut« (S. 13) den schrift- z.T. vom Sturm und Drang beeinflußt. Über ein-
lich niedergelegten Rat hinterläßt, wird durch einige
zelne Motive hinaus (die verführte Unschuld,
Angaben zu den Figuren näher konkretisiert. Von dem
Sohn wird erzählt, daß er sich das Medizinstudium ge- Selbstmord aus unglücklicher Liebe oder aus Ver-
wählt hat, die Karlsschule in Würtemberg besucht hat zweiflung über eigene Schuld) zeigt sich dies zu-
und durch den Vater finanziell so gut abgesichert ist, nächst in dem Verhältnis zum Bereich der Arbeit.
daß er bei der Wahl seiner Ehegattin nur nach Neigung Diese nimmt umfangmäßig nur einen geringen
entscheiden könne. Von dem Vater erfährt der Leser, Teil ein; die Sphäre der >Freizeit< und des Priva-
daß er im Dienste eines Fürsten war, wo er bis zum Mini- ten macht dagegen nicht nur den Hauptanteil des
ster aufstieg, daß er sich aber, da er die Abgaben der Un- Buches aus, sondern sie erhält auch durch ihre
tertanen senkte und statt dessen den Luxus bei Hofe ein- Einordnung in eine >moderneres<, von Rousseau
schränkte, viele Feinde zuzog, die ihn beim Fürsten ver-
leumdeten und schließlich seinen Sturz herbeiführten.
und der Empfindsamkeit geprägtes Wertesystem
Später sei er aber wieder in Ehren aufgenommen wor- eine sehr viel positivere Wertigkeit als bei Campe.
den. Der Umgang mit Frauen wird als »Sitten-
schule« bezeichnet (S. 106), in der der Jüngling
Im Gegensatz zu Campes Theophron enthält Sitten, Lebensart und zärtlichere Gefühle lerne
Spachs elterlicher Rat keine logisch-systemati- und die deswegen unumgänglich notwendig sei.
sche Entwicklung von Argumentationszusam- Negativ werden solche Frauen gesehen, die sich
menhängen, sondern ist gekennzeichnet durch ei- übermäßig putzen, sich schminken, zu täglichen
ne Aneinanderreihung einzelner größerer The- Visiten gehen und durch ständige Romanlektüre
menkomplexe, innerhalb derer der Autor auf as- zu »empfindelnden Närrinnen« geworden sind
soziative Weise verschiedene Unterthemen mit- (S. 119). Was eine Frau dagegen auszeichnet, sind
einander verbindet; hierbei kommen auch länge- »Schönheit des Geistes« und Haushaltungs-
623 Moralisch belehrende Schriften 624

kunst; sie soll nachgebend sein und sich den Lau- nes Reichtums für seine Untat büßen müsse. Erst
nen des Mannes fügen. Bei der Wahl der Ehegat- durch die allgemeine Verachtung, die dem Mäd-
tin soll der Sohn sich nicht von sinnlichen Begier- chen zuteil werde, werde sie zum Kindermord ge-
den, sondern von einer »wahrhaft schönen See- trieben; häufig genug bleibe ihr auch nichts ande-
le« leiten lassen (S. !II ). res übrig, als zur Dime zu werden, weil sie gar
Im Sinne der Empfindsamkeit wird die Ehe nicht mehr die Möglichkeit habe, »in die Schran-
als Liebesehe verstanden und die Liebe selbst als ken der Tugend« zurückzutreten (S. 40). Freilich
»Simpatie der Sele« (S. 139), als »reine geistige zeigt sich bei der Behandlung des Motivs der ver-
Liebe« (S. I 05), die die Liebenden bereits bei der führten Unschuld, das von dem Verfasser sehr
ersten Begegnung unauflöslich miteinander ver- häufig angeschnitten wird, eine bestimmte Ambi-
bindet. Aufgrund des Widerspruchs, in dem diese valenz: Das Plädoyer für die verführte Unschuld
Liebesauffassung mit den Anforderungen der hat zugleich das didaktische Ziel, dem Sohn (dem
bürgerlichen Realität (bzw. der darauf ausgerich- ja das Recht auf Liebe nicht abgesprochen wird)
teten Sexualmoral) steht, gerät der Vater hier frei- die Folgen einer vorzeitigen, noch nicht auf Hei-
lich in ein Dilemma. Auch wenn der Sohn auf- rat ausgerichteten Liebe vor Augen zu führen.
grund des väterlichen Vermögens in der Lage ist, Eine noch auffälligere Ambivalenz zeigt sich
nicht nach »Konvenienz«, sondern nach »Ge- in der Einstellung zur Romanlektüre. Zu wieder-
schmak« (S. 112) heiraten zu können, so soll er holten Malen wird über längere Passagen hinweg
sein Herz doch erst dann verschenken, wenn er gegen Romane polemisiert: Der Sohn könne ihm,
Aussicht auf ein öffentliches Amt hat und heira- dem Vater, den letzten Augenblick seines Lebens
ten kann, und bis dahin jegliche Liebesgefühle in nicht schwerer machen, als wenn er erführe, daß
sich unterdrücken; ansonsten würde er vor lauter er Romane läse (S. 60). Romane schadeten durch
Seufzen und Schmachten untauglich für sein Stu- zu große Anspannung der Nerven der Gesund-
dium. Die Ratschläge, die der Vater zu diesem heit und reizten durch ihre Bilder die Sinnlichkeit.
Zweck gibt, erinnern in ihrer Rigorosität fast an Sie erzeugten Ideale, die Jüngling und Mädchen
Campe. Anschließend werden sie jedoch z.T. wie- für die menschliche Gesellschaft »untauglich«
der in Frage gestellt, ohne daß freilich von der ur- machten (S. 60); die Männer würden unfähig zu
sprünglichen Forderung abgegangen würde. Der ihren Berufsgeschäften, und die Mädchen, die
Vater entschuldigt sich bei seinem Sohn, daß er ohnehin leichter reizbar seien, würden in jedem
auf dem Wege war, ihn »mit dem dumpfen Ton Verführer einen vor Liebe verschmachtenden
eines kalten Moralisten gegen einen Gott zu waf- Adonis sehen, dem sie sich bereitwillig in die Ar-
nen«, der allgewaltig ist (S. 109) und sich nicht be- me würfen, damit er bloß nicht wie Werther sich
zwingen läßt; schließlich wisse er, daß in den eine Kugel durch den Kopf schösse. Auch die
Adern des Sohnes dasselbe Blut koche wie in sei- Ausbreitung der Unzucht mit sich selbst bei Mäd-
nen eigenen und seine Seele zur Liebe geschaffen chen sei den Romanen zuzuschreiben (S. 119f.).
sei. Romane sollten aufgrund ihrer Schädlichkeit es
Eine absolute, sich über die Schranken der von Staats wegen ihren Lesern weggenommen, an
bürgerlichen Realität hinwegsetzende Liebe wird »Käseweiber« verkauft (S. 63) und das Geld an
dagegen in der Beispielgeschichte am Schluß dar- Arme verschenkt werden; oder sie sollten in den
gestellt. Ein Mädchen, das seinem Geliebten ewi- Hütten der Armen als Brennmaterial dienen. Auf
ge Treue geschworen hat, begeht lieber Selbst- der anderen Seite ist der Autor in keiner Weise so
mord, als meineidig zu werden und einen ande- ablehnend gegenüber der schönen Literatur und
ren, ihr von der Mutter aufgezwungenen Mann zu Kunst wie z. B. Campe. Das zeigt sich bereits in
heiraten. Auffällig ist, daß die Tochter in keinerlei seiner überaus positiven Einstellung gegenüber
Weise verurteilt wird (auch nicht der sich vor dem Schauspiel. Im Gegensatz zu den Feinden
Gram verzehrende Geliebte), sondern allein die des Schauspiels- »gröstentheils pedantische Te-
Mutter, die durch ihre »mütterliche Eitelkeit« ologen, die ihr ganzes Leben hindurch nicht so
zwei Liebende »in so gränzenloses Unglück stürz- vielen Nutzen stiften, wie oft eine einzigeteatrali-
te« (S. 186). Dem von dem elterlichen Rat ange- sche Vorstellung« (S. 51)- tritt er engagiert für
sprochenen Jüngling wird die Geschichte erzählt, das Schauspiel ein: Es weckt in dem Gelehrten,
um ihn davor zu warnen, ein Mädchen nur mit der »in der frostigen Studirstube« »gefüllos« ist
Einwilligung der Eltern zu heiraten; er müsse sich gegenüber seiner Umgebung (S. 52), wieder »teil-
auf jeden Fall vorher durch sorgfältige Prüfung nehmende Empfindungen« (S. 52), es lehrt ihn
versichern, ob sie auch ihr Herz schenken könne. sein eigenes Herz und seine Mitmenschen besser
In Fragen der Sexualmoral vertritt der Autor kennen, es rührt zu Mitleid und tätiger Nächsten-
teilweise eine recht kritische Haltung. Ein un- liebe; es verspottet Laster, hält den Fürsten den
schuldiges Mädchen, das verführt worden ist, Spiegel vor und prangertalsUnrecht an, was Ge-
wird von ihm zutiefst bedauert; nicht sie, die Ge- setze noch billigen. Bei diesem Plädoyer beruft
fallene, solle von der Gesellschaft verachtet wer- sich der Verfasser ausdrücklich auf Schillers Rede
den, sondern der Verführer, der mit der Hälfte sei- über die Schaubühne. Auch die Romane werden
625 Campe, Vaeterlicher Rath, 1789 626

nicht rundweg abgelehnt. So finden sich unter Der Verfasser will seine Schrift nicht als
den empfohlenen Büchern auch Romane, ohne » Unterhaltungsschrift« verstanden wissen, son-
daß jedoch versucht würde, diese von den ande- dern als einen »ernsten Rath« über die »ernsthaf-
ren Romanen abzugrenzen. Einen noch deutli- teste und wichtigste Angelegenheit« eines jungen
cheren Widerspruch zu der Polemik gegen Ro- Frauenzimmers, der »mit angestrengter Auf-
manlektüre bildet die Beispielgeschichte am merksamkeit, in den Stunden der größten Ruhe
Schluß. Sie ist eine Liebesgeschichte, eine Wer- und Seelenheiterkeit« gelesen, beherzigt und
theriade, die noch nicht einmal in den ansonsten »durchgängig auf sich selbst« angewendet wer-
üblichen didaktischen Rahmen - die Warnung den soll (S. V1 f. ). Das Buch, das ursprünglich nur
vor Liebesleidenschaft- eingebettet ist. Diese Wi- aus einzelnen, der Tochter gewidmeten und be-
dersprüchlichkeit erscheint nicht als eine bewußt reits im Braunschweigischen Journal veröffent-
kalkulierte (z.B. im Hinblick auf den Publikum- lichten Bruchstücken bestand, sei von ihm in An-
serfolg), sondern als eine subjektiv nicht durch- betracht der Tatsache geschrieben worden, daß es
schaute, die einer grundsätzlichen Ambivalenz für junge Mädchen nur sehr wenig gute Literatur
gegenüber dem Gesamtkomplex Empfindsam- über die weibliche Bestimmung gebe und statt
keit zu entspringen scheint. dessen »dies ewig gegängelte und ewig getäuschte
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die Geschlecht, in Schriften nicht weniger als durch
von Spach vorgetragene Adelskritik, wie sie vor Anführung und Beispiele, von seiner ursprüngli-
allem in der Lebensgeschichte des Vaters und sei- chen hohen und würdigen Bestimmung so häufig
nen mißglückten Reformplänen als Minister zum abgeführt« werde (S. IV). Campe betont dabei,
Ausdruck kommt. Hierbei wird in charakteristi- daß er sich durchaus bewußt sei, daß er mit seinen
scher Weise unterschieden zwischen dem Für- Vorstellungen von weiblicher Bestimmung gegen
sten, der an sich gut ist, und dem höfischen Adel, den herrschenden Geist des Leichtsinns und der
der alles tut, um den Fürsten von einer Leiden- Üppigkeit verstoße und vor allem bei den verfei-
schaft in die andere zu stürzen, »damit er nicht se- nerten Ständen auf Widerspruch treffen werde.
hen möge das Elend seiner Untertanen, von deren Doch wenn sein Rat auch von der Menge der Le-
Schweiß diese Bösewichter sich bereicherten« (S. serinnen nicht gelesen werde, so sei er damit zu-
70). Luxuriöse Lebensweise, Unzucht, Laster- frieden, wenn wenigstens einige wenige hundert
hartigkeit und Ehefeindlichkeit sind die Attribu- Leserinnen ihn beherzigen würden, die nicht be-
te, die dem Adel darüberhinaus zugeschrieben reit seien, die »große Heerstraße« zu gehen, zu
werden. Als Maßnahme gegen die sinkende Be- der eine »zweckwidrige Erziehung« das weibli-
völkerungszahl wird empfohlen, den Wohlstand che Geschlecht hinführe (S. VI).
der Armen, Bauern und Bürger durch Senkung Ähnliche Intentionen, nur sehr viel eindring-
der drückenden Abgaben zu befördern und nicht licher und bereits inhaltlich differenzierter, wer-
-zur Bestreitung des Luxus bei Hofe-sie bis auf den in der Einleitung formuliert, die sich an die
den letzten Pfennig auszupressen (S. 39). Hohe fast fünfzehnjährige Tochter des Autors wendet.
Abgaben sollten statt dessen auf Dinge gelegt Die »goldene Zeit« der Kindheit, in der das Ver-
werden, die der Menschheit schädlich sind (wie hältnis des Kindes zu den Eltern fast ausschließ-
die Verführung unschuldiger Mädchen). G. lich das kleine, leicht zu überschauende Pflichten-
system bestimmte, sei nun vorüber; das »Bäch-
lein« des Lebens, das bisher zwischen Blumen da-
hintändelte, schwelle nun zu einem Fluß an, der
1789 »lastbare Schiffe aufseinem Rücken tragen« soll
Joachim Heinrich Campe(J746-1818): und »den täglichen Abgang an Lebenskräften
Vaeterlicher Rathfür meine Tochter. und nützlichen Fertigkeiten in dem großen wo-
Ein Gegenstück zum 1heophron. genden Ocean der Menschheit durch seinen tägli-
chen Beitrag ersetzen helfen« soll (S. 1 f.). Hierfür
Der erwachsenem weiblichen reicht die »Sittenlehre der Kindheit« nicht mehr
Jugend gewidmet. aus. »Tausend neue Verhältnisse, tausend neue
Braunschweig 1789 Gegenstände des Wissens und des Empfindens«,
ja, unbekannte »Klippen«, die ihre Tugend, und
Der Autor wendet sich mit seiner Schrift an seine gefährliche Strudel, die ihre Glückseligkeit bedro-
Tochter sowie darüberhinaus an die »erwachse- hen, kommen nun auf die Tochter zu. Das Buch
nere weibliche Jugend« bzw., wie es in der Vorre- soll ihr helfen, sich auf ihr Erwachsensein vorzu-
de zur 1. Ausgabe heißt, an »junge Frauenzimmer bereiten; es soll ihr die »Anhöhe« sein, von wo
des glücklichen Mittelstandes« (S. VII). Das aus sie »dies neue Ganze mit allen seinen laby-
Buch sei nicht für adlige junge Mädchen geschrie- rintischen Krümmungen und Verwickelungen
ben; falls diese es lesen, sollten sie sich dessen be- überschauen, jede[ ... ] drohende Gefahr erken-
wußt sein und selbst entscheiden, was darin für sie nen, und die sichern Pfade [ ... ] bemerken« soll
von Nutzen sei. (S. 3).
627 Moralisch belehrende Schriften 628

Auf die Vorrede (S. II I-X), das Subskribentenver- Emile und Lockes Gedanken über Erziehung gehören).
zeichnis (S. XI-XXXVII) und ein sehr ausführliches, Von den schönen Künsten werden Zeichnen, Singen und
informatives Inhaltsverzeichnis (S. XXXVIII-XLIV) Tanzen erlaubt, insofern der Haushalt darüber nicht zu
folgen der erste Teil (S. 1-250) und der zweite Teil des kurz kommt, Tanzen aber auch nur insoweit, wie da-
Vaeterlichen Rathes(S. 251-51 0). Nur der I. Teil befaßt durch keine »unreinen Begierden« geweckt werden. Das
sich mit der weiblichen Bestimmung. Der 2. Teil vermit- Erlernen fremder Sprachen wird nicht nur als überflüs-
telt Kenntnisse und Klugheitsregeln für den Umgang sig, sondern auch als schädlich angesehen; gleichfalls
mit Menschen. Er ist nahezu identisch mit dem 2. Teil solle die Beschäftigung mit der schönen Literatur auf nur
der 3. Ausgabe des Theophron von 1790 (siehe Analyse sehr wenige ausgewählte Beispiele beschränkt werden,
dort). Was im Vaeterlichen Rath im Gegensatz zum da jene aufgrunddes von ihrfastimmer behandelten Lie-
Theophron auffälligerweise fehlt, ist die Warnung vor besthemas für das sittliche Empfinden noch unverheira-
den Stürmern und Drängern und das enthusiastische teter junger Leute verheerende Folgen habe.
Bekenntnis zur eigenen Gegenwart (das auch in die spä- Als Eigenschaften, die sich die Frau zu erwerben
teren Auflagennicht aufgenommen wurde). Hervorzu- habe, wenn sie ihre weibliche Bestimmung erfüllen will,
heben ist, daß dieser geschlechtsunspezifische Teil, der werden genannt und schließlich im einzelnen näher auf-
in beiden elterlichen Räten enthalten ist, in seiner end- geführt: »Reinigkeit des Herzens und der Gesinnun-
gültigen Form (von kleineren sprachlichen Änderungen gen, aufgeklärte Gottesfurcht, Keuschheit, Schamhaf-
abgesehen) zunächst in dem Rat für Mädchen erschien; tigkeit, Bescheidenheit, Freundlichkeit und uner-
die Erstausgabe des Theophron von 1783 enthält davon schöpfliche Herzensgüte, Besonnenheit, Ordnungslie-
lediglich einige Teile.- Beschreibung und Analyse wer- be, Oekonomiegeist, Eingezogenheit, Anhänglichkeit
den sich, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, im an Mann, Kind und Haus, ein gänzliches, freies und
folgenden auf den ersten Teil beziehen. freudiges Verzichtthun auf die zerstreuenden und be-
Thema des ersten (geschlechtsspezifischen) Teils rauschenden Vergnügungen des herrschenden üppigen
des Vaeterlichen Rathes sind Stellung und Aufgaben Lebens, und endlich ein liebevolles Hingeben ihres eige-
der bürgerlichen Frau und die Tugenden, Fähigkeiten nen Willens in den Willen des Mannes« (S. 135).
und Kenntnisse, die sie zu erwerben hat, um diese Auf- Sehr ausführlich und mit großem Eifer wird auf
gaben angemessen zu erfüllen. Ihre Aufgabe wird aus die Tugenden der Schamhaftigkeit und Keuschheit ein-
ihrem doppelten Status als Mensch und als Weib be- gegangen. Der Autor wehrt sich gegen das Vorurteil,
stimmt: Als Mensch ist sie bestimmt zu allem, »was der man müsse die Darstellung der Sexualität aussparen,
allgemeine Beruf der Menschheit mit sich führt«, als um den jugendlichen Leser nicht neugierig zu machen
Frau zu allem, »was das Weib dem Manne, dermensch- mit der Begründung, man könne nur dann ein Gift nicht
lichen und der bürgerlichen Gesellschaft seyn soll« (S. nehmen, wenn man gelernt habe, es von anderen Kräu-
5). Als Bestimmung des Menschen wird die »Beglük- tern zu unterscheiden. Liebe wird ohne Idealisierung
kung seiner selbst und Anderer, durch Ausbildung und von dem Fortpflanzungstrieb abgeleitet, der vom göttli-
Anwendung aller seiner Kräfte und Fähigkeiten« gese- chen Schöpfer mit einem »anziehenden sinnlichen Ver-
hen, mit der Einschränkung, daß dies in den Grenzen gnügen« verbunden worden sei, damit die Menschen
des Kreises zu geschehen habe, »in welchem und für die Mühe der Fortpflanzung auf sich nähmen; diese
welchen die Vorsehung ihn gebohren werden ließ« (S. Lust an der »vertraulichen ehelichen Umarmung« wird
6). Daraus folgt für die Bestimmung der Frauen, daß sie in selbstverständlicher Weise beiden Geschlechtern zu-
ihre Kräfte nur insoweit auszubilden haben, wie es für gesprochen (S. 147). Der Fortpflanzungstrieb dürfe al-
ihre Aufgabe als »beglückende Gattinnen, bildende lerdings nicht frühzeitig und nicht anders »als in ordent-
Mütter und weise Vorsteherinnen des innern Hauswe- licher und rechtmäßiger Ehe erweckt und befriedigt
sens« (S. 148 f.) notwendig ist. Wahre weibliche Ver- werden« (S. 151). Die Folgen von Verstößen gegen die-
dienste bestehen deswegen nicht in der Ausbildung se »Naturgesetze« (S. 151) werden in düsteren Bildern
künstlerischer Fähigkeiten, in dem Erwerb von Gelehr- gemalt und mit einer Reihe abschreckender Beispiele
samkeit und Belesenheit, sondern in der Entwicklung geschildert. Schließlich wird ein detaillierter Verhal-
eines »Hausverstandes«, eines sog. }}Kernverstandes«, tenskatalog aufgestellt, der der Tochter helfen soll, jegli-
der- im Gegensatz zum » Bücherverstande« und dem che sexuelle Regung- und sei es auch nur in Gedanken
»witzigen Gesellschaftsverstande«- sich durch prakti- -zu unterdrücken.
sches Wissen auszeichnet und der erworben wird durch Mit einer ähnlichen Heftigkeit wie in dem Kapitel
regelmäßige Selbstbesorgung aller im Haushalt zu ver- über Schamhaftigkeit und Keuschheit spricht sich der
richtenden Tätigkeiten (S. 85); ferner in der durch eige- Autor gegen die weibliche Bildung aus (S. 38-69). Hier
ne Beobachtung zu gewinnenden Menschenkenntnis, wie dort wird dabei so verfahren, daß die damit verbun-
wie sie notwendig ist im Umgang mit dem Gesinde und denen Gefahren in drastischer Weise ausgemalt wer-
dem Ehegatten, in dem Erwerb hauswirtschaftlicher den: Die »Seelenepidemie« der Gelehrsamkeit und die
Kenntnisse und schließlich - zum Zwecke der eigenen »Lesewuth« (S. 55) würden dazu führen, daß die Frau
Beglückung wie der des Ehegatten sowie für die Erzie- durch zu große Empfindsamkeit und Schwärmerei der
hung der Kinder- im Erwerb gewisser Kunstfertigkeiten Wirklichkeit entrückt und für die Realität des häusli-
und Kenntnisse aus Büchern und Unterricht. An Wis- chen Lebens untauglich werde; die Sittlichkeit der Kin-
sensgebieten werden dabei praktische Philosophie, Reli- der würde verdorben, die Frau durch das viele Stillsit-
gion, Anthropologie, Geographie, Geschichte und Na- zen nervenkrank, die häusliche Glückseligkeit zerstört
turgeschichte genannt; dabei beschränkt sich der Autor und der Mann zunächst in Schulden gestürzt und
- abgesehen von seinem Plädoyer für eine aufgeklärte schließlich vor lauter Gram vorzeitig ins Grab gebracht.
Vernunftreligion und einer kurzen Begründung für die An bestimmten Buchtiteln, die diese Gefahren hervor-
Wichtigkeit der einzelnen Gebiete- weitgehend auf die rufen, werden dabei Richardsons Grandison, Goethes
Empfehlung von Buchtiteln (zu denen auch Rousseaus Wertherund Millers Siegwart genannt. Das Argument,
629 Campe, Vaeterlicher Rath, 1789 630

daß ein gelehrter Mann eine gebildete Gesprächspart- schlägen« geschrieben habe, wobei er jedoch wisse, daß
nerin brauche, will der Autor nicht gelten lassen: Solan- auch die Tochter es nicht »ohne reges Gefühl und nicht
ge, wie der gelehrte Mann noch nicht zu einem »ent- ohne warmen Herzensdank« lesen werde (S. 3 f )..
menschten Gelehrten« verkümmert sei, werde er sich Der fiktive Autor bezieht sich selbst und die Toch-
nicht auch noch nach seiner Arbeit an gelehrten Gesprä- ter als Adressatin fast durchgängig in die Darstellung
chen mit seiner Frau ergötzen wollen, sondern lieber die mit ein. Ein häufiges vom Autor gebrauchtes Mittel ist
von ihr geschaffene häusliche Ordnung und Sauberkeit dabei die Anrede an die Leserin, die nicht nur bei Hand-
genießen (S. 46) und sich an ihrem gesunden Menschen- lungsanweisungen, wie sie sich aus den Ratschlägen des
verstand wie an den » Naivetäten« seiner Kinder erfreu- Vaters ergeben, angesprochen wird, sondern auch in-
en wollen (S. 47). Auch für ihre Funktion als Mutter nerhalb des Argumentationszusammenhanges. Aussa-
braucht die Frau keine Gelehrsamkeit, da man ja »in gen über die Aufgaben der Frau werden nicht in der 3.
der pädagogischen Aufklärung« zum Glück inzwischen Person gemacht, sondern dierekt im Hinblick auf die
zu der Erkenntnis gekommen sei, »daß Kinder keine Tochter: »Du bist ein Mensch [ ... ] Du bist ein Frauen-
Gelehrte seyn sollen« (S. 48). zimmer[ ... ] Du hast also eine zweifache Bestim-
Die Lehren sind eingebettet in die Kommunika- mung [ ... ]« (S. 5). Fragen und Aufforderungen zu eige-
tionssituation des elterlichen Rates. Ein alternder, um ner Beobachtung und eigenem Urteil sollen zum Mit-
das Wohl der Tochter besorgter Vater hat die Ratschlä- denken aktivieren: »Siehst du jenen abgelebten [ . . . ]
ge aufgezeichnet, damit sie nach seinem Tode der Stim- Jüngling [ .. . ]? Bemerkst du jenes schwächliche [ ... ]
me des Buches ebenso gehorchen könne wie vorher der Mädchen [ ... ]? Hast du von geschändeten Personen
Stimme des Vaters. Funktion der Vater-Tochter-Bezie- deines Geschlechts gehört[ . . . ] ? Steht es dir endlich
hung, die immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist es, noch vor Augen, jenes scheußliche Bild halb verwese-
sowohl den Wahrheitsgehalt der vermittelten Lehren- ter [ ... ]Leichen?« (S. 149 f.) Mögliche Fragen und Ein-
als aus dem Munde eines lieben Vaters kommend -zu wände der Tochter werden hereingenommen und in di-
beglaubigen als auch die Tochter und über sie die Lese- rekter Rede wiedergegeben, in der z. T. sogar eine Anre-
rin zu Dank und kindlichem Gehorsam zu verpflichten. de an das schreibende Ich enthalten ist. Daneben wer-
Als typisch hierfür kann die Aussage aus der Einleitung den mögliche Einwände auf mehr indirekte Weise
gelten, daß das Buch ein »Denkmal« von des Vaters durch rhetorische Fragen des schreibenden Ich ausge-
»Liebe und Treue« ist, das er »unter lauten Herzens- sprochen. Durch solche Strategien wird die Einseitig-

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Campe, Joachim Heinrich: Vaeterlicher Rath for meine Tochter. Ein Gegenstück zum Iheophron. -
Braunschweig 1789 (Nr. 169). Gestochenes Titelblatt und Frontispiz
631 Moralisch belehrende Schriften 632

keit der Kommunikation aufgelockert und der Text alle Fähigkeiten, die ein Mädchen erwerben soll,
stellenweise einem auf Rede und Gegenrede beruhen- gemessen und entweder als nützlich gut geheißen
den Dialog nahegerückt; zumindest wird durch die oder als schädlich verworfen werden.
Kontrastierung zweier Positionen der Argumentations-
Das Verdikt des Schädlichen trifft in erster
gang pointierter und abwechslungsreicher.
Das Frontispiz zeigt einen bärtigen älteren Mann Linie und in besonders auffälligem Widerspruch
und ein junges Mädchen, die auf einer steil abfallenden zu dem zunächst aufgestellten Gleichheitsgrund-
Anhöhe stehen, unter der sich eine weite Ebene er- satz die weibliche Bildung, soweit sie über den
streckt. Der Mann weist mit der rechten Hand auf die »Kernverstand« oder » Hausverstand« hinaus-
Ebene hinunter, das Mädchen hält ein Blumenangebin- geht. Freilich ist dabei zu berücksichtigen, daß die
de in der Hand. Beide Figuren tragen antike Gewänder. Polemik gegen die Lesewut und die Gelehrsam-
keit primär nicht geschlechtsspezifisch orientiert
Was an der Vorgehensweise Campes im Vae- ist, sondern Ausdruck einer allgemeinen Haltung
terlichen Rath zunächst auffällt, ist der Gegensatz des Philanthropismus - nämlich seiner Ableh-
von allgemeiner und besonderer Bestimmung der nung der Empfindsamkeit und des »Wertherfie-
Frau. Ausgangspunkt ist der aus der Men- bers« auf der einen und der rousseauistisch ge-
schenrechtsdiskussion sich ergebende Grundsatz färbten Abkehr von frühaufklärerischer Gelehr-
der Gleichheit aller Menschen, die für jeden - samkeit auf der anderen Seite. Diese allgemeine
»vom Könige bis auf den geringsten seiner Land- Kritik wird jedoch zugleich in spezifischer Weise
sassen« (S. 9) - gilt. Durch die Einführung der gegen emanzipatorische Bestrebungen der Frau
»besonderen Bestimmung« wirddieser Ansatzje- gewendet, nämlich den wachsenden Bildungsei-
doch wieder zurückgenommen und die bestehen- fer der Frauen aus den höheren bürgerlichen
den sozialen Unterschiede wie auch die Rollen- Schichten. Eine gelehrte oder in den Künsten
verteilung zwischen den Geschlechtern- nämlich bewanderte Frau, so wird offen ausgesprochen,
die Abhängigkeit der Frau vom Mann und ihre werde kein Interesse mehr an den monotonen,
Bindung ans Haus - gerechtfertigt. Dabei leitet einfachen, oft schmutzigen oder gar ekligen
Campe die Begründung, die er für die inhaltliche Haushaltsgeschäften haben, da sie andere, befrie-
Füllung der besonderen Bestimmung der Frau digendere Tätigkeiten kennengelernt hat (S. 49 f.,
heranzieht, nicht - wie Rousseau - aus dem Ge- S. 39-43). Das eigentliche Motiv für die heftige
schlechtsunterschied ab, sondern zeigt sich noch Polemik gegen die weibliche Lesewut und Ge-
dem älteren Legitimationsmuster der Vorstellung lehrsamkeit ist also die Angst, daß die Frau, wenn
von dem Manne als Haupt der Familie und- dem ihr Bildung im seihen Maße zugesprochen wird
zugrunde liegend- der Gottgewolltheit hierarchi- wie dem Mann, nicht länger mit der Beschrän-
scher Ordnungen überhaupt verpflichtet: Jeder kung ihres Tätigkeitsbereichs aufs Haus zufrie-
Körper habe ein Haupt; zum Haupt der Familie den sein wird.
aber sei der Mann bestimmt aufgrund seiner Auch wenn Campe die Lage der Frauen
Überlegenheit in bezugauf Körperkraft, Mut und nicht verändern will, ja wie in der Bildungsfrage
Verstand, die ihm von Gott (an anderer Stelle sich fortschrittlichen Tendenzen der eigenen Zeit
gleichgesetzt mit Natur) gegeben sei. Ein zweites ausdrücklich entgegenstellt, enthält der Vaeterli-
Legitimationsmuster beruft sich auf die menschli- che Rath doch zugleich eine offene Kritik an der
che .Geschichte, wobei- wenn auch affirmativ ge- benachteiligten Situation der Frau. Campe unter-
wendet- bereits der Anteil der Erziehung an der scheidet dabei- seinem Ansatz der von der Natur
Verschiedenheit der Geschlechter gesehen wird: gewollten Unterordnung der Frau unter den
Bei allen gebildeten Völkern ziele die Erziehung Mann treu bleibend - zwischen einer notwendi-
darauf ab, die natürlichen Unterschiede zwischen gen Abhängigkeit der Frau, die nur ein »Schein-
den Geschlechtern zu vertiefen; deswegen müsse übel« sei (S. 24) (da jeder, z. B. auch ein König, in
es als der »Übereinstimmende Wille der Natur Abhängigkeiten lebe), und einer überflüssigen,
und der menschlichen Gesellschaft« angesehen die durch die zeitgenössische Gesellschaft hervor-
werden, daß der Mann der Beschützer der Frau, gebracht werde, also nicht natürlich, sondern hi-
daß er »die Eiche, sie der Epheu [ist], der einen storisch bestimmt ist, nämlich der »weit schwere-
Theil seiner Lebenskraft aus den Lebenskräften ren Herrschaft, welche Vorurteile, Moden, Sitten
der Eiche« saugt (S. 21 ). Mit diesem Bild endet und bürgerliche Verfassungen darüber ausüben«
Campe trotz seines ursprünglichen Gleichheits- (S. 25). Als solche beklagt erz. B. die zu Ängstlich-
grundsatzes bei der traditionellen Rollenvertei- keit und Verweichlichung, zu überspannten Sehn-
lung der Geschlechter, wie sie z. B. auch von ei- süchten und zu Eitelkeit führende Mädchenerzie-
nem konservativen Autor wie Brandes gefordert hung, die beengende Kleidung, das Verbot kör-
wird. Die allgemeine Bestimmung als Mensch, so perlicher Bewegung und Abhärtung, die unwür-
läßt sich sagen, ist zwar formal übergeordnetes dige Situation des heiratsfähigen Mädchens, das
Prinzip der weiblichen Erziehung; faktisch ist es »gleich einer Waare, die nicht ausgeboten werden
jedoch die besondere Bestimmung als Hausfrau, darf«, warten muß, »bis sich jemand findet,
Gattin und Mutter, an der als oberstem Maßstab dem[ ... ] [es ansteht]« (S. 28); die Abhängigkeit
633 Campe, Vaeterlicher Rath, 1789 634

des guten Rufs der Frau nicht nur von ihrem tat- Dienstboten erschöpfen, sondern sie soll durch
sächlichen Verhalten, sondern dem, was die Leu- eigene körperliche Arbeit die Arbeit der Dienst-
te sagen bzw. dem, was sie jeweils an (überflüssi- boten unterstützen. Sie soll »eine vollkommene
gen) Verhaltensnormen von ihr fordern: »Tau- Näherin, Spinnerin, Strickerin und Köchin sein«
send Aeusserungen einer freien unabhängigen (S. 89) und ihre Kleidung größtenteils selbst an-
Selbstständigkeit sind dem Manne- so will es die fertigen; sie soll die »alten Techniken der Vorrats-
Weltsitte vergönnt [ ... ]; euch nicht! Tausend an haltung und Konservierung« beherrschen (Tor-
sich unschuldige und unschädliche Dinge, wobei nieporth, 1977, S. 64) und die für den Einkauf auf
Körper- und Geisteskräfte geübt und gestärkt dem Markt notwendigen Fähigkeiten wie Rech-
werden können, sind dem Manne- so will es das nen, Wachsamkeit gegenüber betrügerischen Ver-
tirannische Gesetz der Mode und des Vorortheils käufern und Kenntnis günstiger Einkaufsmög-
-erlaubt; euch nicht!« (S. 26). lichkeiten besitzen und imstande sein, »immer
Auch dort, wo Campe selbst keine kritische das Ganzeihrer Einnahme und Ausgabe im Auge
Intention verfolgt, sondern die Tochter nur prag- zu behalten« (S. 91 f.). Selbst auf Viehzucht und
matisch auf ihr künftiges Leben als Ehefrau vor- Gartenbau soll sie sich nicht nur »vollkommen«
bereiten will, fällt im Vergleich zur späteren Mäd- verstehen, »sondern auch täglich, ja stündlich
chenliteratur-dieOffenheit auf, mit der er ihr die überall nachsehn, überall mit eingreifen und mit-
Mühen des ehelichen Lebens und insbesondere wirken« (S. 90). Das gilt für das gesamte Hauswe-
die sie erwartende »sehr reelle, vielleicht gar et- sen: Die Frau soll durch ihre allgegenwärtige Prä-
was drückende Abhängigkeit« (S. 23) schildert. senz die vielfältigen Geschäfte des Hauses vor-
Den »ungünstigen Verhältnissen des Weibes zur wärtstreiben und in Gang halten - nicht nur als
menschlichen Gesellschaft« wird gleich am An- »Vorbild und Muster« für das Gesinde (S. 90),
fang ein eigenes Kapitel gewidmet: »Das Erste sondern als »Seele des ganzen Hauswesens«, wel-
und Nöthigste, was ich dir[ ... ] hier zu melden ha- che überall, in Küche, Keller, Vorrathskammer,
be, ist: daß das Geschlecht, zu dem du gehörst, Hofund Garten, so viel immer möglich, zugegen
nach unserer dermaligen Weltverfassung, in ei- sey und nicht bloß anordne und befehle, sondern
nem abhängigen und auf geistige sowol als kör- selbst mit eingreife, mitwirke und mitarbeite, um
perliche Schwächung abzielenden Zustande lebt, den Fleiß des Gesindes zu beleben, und dahin zu
und, so lange jene Weltverfassung die nämliche sehen, daß alles so gemacht werde, wie es ge-
bleibt, nothwendig leben muß.« (S.l9). Später macht werden muß« (S. 35). Weibliche Handar-
werden die »Mühseligkeiten und Leiden«, die beiten werden dagegen als »unnütze zeitverder-
selbst bei einem glücklichen Hausstand zu finden bende Tändeleien« abgelehnt; sie seien eine
seien, ohne jede Beschönigung aufgezählt (vgl. »Versündigung an Gott, an euch selbst und an der
S.140). menschlichen Gesellschaft« (S. 244 f. ). Neben die
Vergleicht man Campes Frauenbild mit Abschnitte des Vaeterlichen Rathes, die die Fä-
dem, das Rousseau im 5. Buch des Emileentwirft, higkeiten und Fertigkeiten der Hausmutter und
so fallen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf: die Frage der weiblichen Bildung erörtern, tritt als
die Kritik an weiblicher Gelehrsamkeit und drittes wichtiges Thema die Darstellung der von
schöngeistiger Bildung, an der Tyrannei der Mo- der Frau zu erwerbenden Tugenden. Neben
de und der verweichlichenden weiblichen Erzie- Haushaltstugenden wie Sparsamkeit und Ord-
hung, an dem Leben der Gesellschaftsdame wie nungsliebe geht es vor allem um die Tugenden
dem Leben der feinen Gesellschaft überhaupt so- freudiger Selbstverleugnung - Tugenden, die in
wie- als wesentliche Übereinstimmung, die Cam- ihrem Inhalt und ihrer Funktion bereits weitge-
pe offensichtlich von Rousseau übernommen hat hend mit den Eigenschaften des weiblichen »Ge-
- die strenge Ausrichtung der weiblichen Erzie- schlechtscharakters« (vgl. hierzu Hausen, 1976)
hung auf die weibliche Bestimmung. Ein großer übereinstimmen. Die Frau, so wird gefordert,
Unterschied besteht freilich in der inhaltlichen müsse Bescheidenheit, Freundlichkeit und immer
Füllung. Während Rousseau unter dem Gesichts- gleiche Herzensgüte erwerben, wobei unter Her-
punkt der von ihm anvisierten Liebesehe von der zensgüte ein leichter, zur Heiterkeit und Freude
Frau verlangt, daß sie dem Manne gefallen soll, gestimmter Sinn, Geduld, Sanftmut, Biegsamkeit
ist die Campesche Bestimmung der Frau als und Selbstverleugnung verstanden werden: »Ge-
Hausfrau, Gattin und Mutter noch stark der Ehe- duld erträgt, was nicht zu ändern ist; Sanftmuth
auffasssung des oikos verpflichtet, nach der die entwaffnet den männlichen Starrsinn durch mil-
Ehe primär als Zweckverband zum gemeinsamen de Freundlichkeit; Biegsamkeit weicht ihm aus
Wirtschaften und zur Kinderaufzucht verstanden durch vernünftiges Nachgeben; und Gewöhnung
wird. Den hauswirtschaftliehen Tätigkeiten der an Selbstverläugnung giebt zu dem allem die er-
Frau und dem dafür erforderlichen »Haus- oder forderliche Seelenkraft« (S. 186). Unter leichtem
Kernverstand« wird von hier aus größter Wert Sinn schließlich wird »jene glückliche Gemüths-
beigemessen. So soll das Tätigsein der Frau sich stimmung« verstanden, »da man immer geneigt
nicht in einer allgemeinen Aufsicht über die zum seligen Frieden, immer bereit zum Entschul-
635 Moralisch belehrende Schriften 636

digen, zum Vergeben und zum Vergessen ist; [ ... ] mentationsmuster aber ist ein anderes. Während
da man wenig von Andern erwartet, aber ihnen Rosseau in Sophie eine typisch weibliche Frau be-
viel schuldig zu seyn glaubt [ ... ]« (S. 183 f. ). In- schreibt, die die Vollkommenheit ihres Ge-
dem die Frau sich von Jugend an in diesen Tugen- schlechts erreicht, indem sie ihrer Natur folgt, hat
den der Selbstverleugnung übt, gewöhnt sie sich die Tochter im Vaeterlichen Rath die weiblichen
schon früh an die ihr bestimmte Abhängigkeit Eigenschaften erst als Tugenden zu erwerben.
vom Mann, ja, sie verwandelt ihre Abhängigkeit Was Sophie von Natur aus tut, soll die Tochter
in freiwilliges Selbstunterdrückung oder - wie aus Pflichtgefühl tun, um die ihr von Gott und der
Campe es formuliert- in »sanfte Bande der Lie- menschlichen Gesellschaft gegebene Bestim-
be, welche diese Abhängigkeit leicht machen sol- mung als Weib zu erfüllen. Christliche Standestu-
len«; Widerstand hingegen würde sie in »drük- gend verbindet sich dabei mit dem kategorischen
kende Ketten der Knechtschaft« verwandeln (S. Imperativ Kants: [»Es ist notwendig, sich daran
248). zu gewöhnen,] mit unverwandten Blicken immer
Beziehen sich die hauswirtschaftliehen auf das zu sehen, was Pflicht und Unterwerfung
Kenntnisse auf die Bestimmung der Frau als unter den unerforschlichen Rath der Vorsehung
Hausfrau, so sind die Tugenden der Selbstver- von Dir fodern [ ... ] Der Gedanke: es ist JYlicht
leugnung auf ihre Bestimmung als »beglückende fiir mich! sey dir stets entscheidend, was auch im-
Gattinn« bezogen. Dabei geht es um mehr als um mer deine Neigungen und Wünsche dagegen ein-
die Sicherung männlicher Herrschaft, nämlich zuwenden haben mögen.« (S. 141).
um die Aufgabe der Frau, durch ihre mütterlich- Der Erziehung fällt von hier aus eine unter-
sorgende, verständnisvoll-nachgiebige und schiedliche Rolle zu: Während sie bei Rousseau
gleichmäßig freundliche Haltung für die Erho- das von Natur Gegebene verstärkt und dem Mäd-
lung des Mannes vom Erwerbsleben zu sorgen. chen die frühe Gewöhnung an Abhängigkeit
Dabei wird schon deutlich die Familie als Ort der nicht schwerfällt, weil es ihrer Natur entgegen-
Geborgenheit und des Friedens den Mühen des kommt, verlangt die von Campe geforderte Erzie-
Erwerbslebens gegenübergestellt: »[Das Weib] ist hung des Mädchens zu den Tugenden der Selbst-
ja dazu gemacht, dem Manne auf der sauren Le- verleugnung von diesem Kraft und Selbstüber-
bensreise, wo er immer vorangehen muß, um den windung, einen moralischen Entschluß. Die Frau
Weg zu ebnen, den Schweiß von der Wange zu wi- erscheint als moralisches Wesen, das dem Manne
schen und ihm Heiterkeit, Freude und Muth ins nicht aufgrundseiner Reize, sondern aufgrund ih-
Herz zu lächeln [ ... ] Es ist ja dazu da, das Haus ih- rer sittlichen Tugenden gefällt; als moralisches
res Mannes zu einer Wohnung des Friedens, der Wesen ist sie aber zunächst einmal autonom (vgl.
Ruhe und der Freude zu machen, wo er alles ihm Tornieporth, 1977, S. 81).- Von hier aus erhellt
von außen kommenden Kummers vergessen und sich auch der große Stellenwert, der bei Campe
in dem Schooße einerheitern und glücklichen Fa- dem rastlosen Tätigsein der Frau zukommt. Der
milie von seinen schweren und sorgenvollen Ar- bürgerlichen Arbeitsmoral entsprechend kann
beiten ausruhen und zu neuen Arbeiten Kraft und die Frau nur über die Arbeit als moralisches, ge-
Heiterkeit gewinnen« soll (S. 191 ). Im Gegensatz sellschaftlich nützliches Wesen bestimmt werden
zu der Bestimmung als Hausfrau und Mutterwird (vgl. Tornieporth, 1977, S. 68f.); als Arbeit aber
hier von der Frau nicht mehr nur eine bestimmte wird nur die Hausarbeit verstanden und nicht die
Tätigkeit verlangt wie Haushaltsführung und emotionalen Leistungen, die sie als »beglückende
Kindererziehung, sondern eine bestimmte innere Gattinn« zu erbringen hat.
Haltung und emotionale Zuwendung. Entgegen
der zu Anfang gegebenen allgemeinen Bestim- Campes Vaeterlicher Rath kann innerhalb des
mung der Frau als Mensch, als die die »Beglük- Genres der elterlichen Räte für die reifere weibliche Ju-
kung seiner selbst und Anderer« genannt wurde, gend als die am weitesten verbreitete und auch wohl be-
deutendste Schrift angesehen werden. Der ersten Aufla-
wird jetzt das Glück der Frau definiert als Ver-
ge von 1789 folgte bereits 1808 die siebte Auflage; bis
zicht auf Glück zugunsten des Glücks anderer; zum Jahre 1832 erschien es, Raubdrucke nicht mitge-
»glückliches und beglückendes Weib« wird in zählt, in zehn Auflagen. 1804 und 1812 erschien jeweils
eins gesetzt (S. 185). eine ins Französische übersetzte Ausgabe. Bereits kurz
Greift man noch einmal auf den Vergleich nach dem Erscheinen des Vaeterlichen Rathes lehnten
zwischen Campe und Rousseau zurück, so fällt sich andere Sittenlehren und elterliche Räte an ihn an.
(neben der anderen Einstellung zu Sinnlichkeit, Eberts Nebenstunden eines Vaters (1790) und die Bi-
Liebe und Ehe, der hier nicht weiter nachgegan- bliothek fur Mädchen von Eckartshausen (1791) zitie-
gen werden kann) als ein weiterer wesentlicher ren oder übernehmen fast wörtlich Textpassagen.
Schmerlers Sophrons Lehren der Weisheit und Tugend
Unterschied auf, daß die von der Frau verlangten (1791) verstehen sich sogar weitgehend als Begleittext
Tugenden der Sanftmut und Selbstverleugnung zum Vaeterlichen Rath;das Buch, so heißt es in der Vor-
inhaltlich zwar identisch sind mit wesentlichen rede, sei aus Materialien entstanden die der Verfasser
Teilen des weiblichen »Geschlechtscharakters«, bei seinen Vorlesungen zum Vaeterlichen Rathals Er-
wie er bei Rousseau entworfen wird; das Argu- klärung und Ergänzung einschaltete.- Aus der Subskri-
637 Campe, Theophron, 1790 638

bentenliste ergibt sich, daß zumindest unter den Lesern des alten oikos zugeschrieben werden. - Vgl. auch
der ersten Ausgabe die gebildeten bürgerlichen Stände Grenz(l981). G.
(vor allem Pastoren, Prediger, Lehrer, Erzieher) über-
wogen. Daneben gibt es auch eine Reihe von Lesern aus
dem Adel und sogar sieben aus königlicher oder fürstli-
cher Familie (z. B. die Prinzessinnen Auguste von Preu- 1790
ßen, Luise von Preußen und Wilhemine von Preußen).
Die zeitgenössischen Rezensionen waren sehr po- Joachim Heinrich Campe (1 746-1818):
sitiv. In der Compendiösen Bibliothek XI. Abteilung: Theophron oder der erfahme Rathgeber für
Das Weib oder Compendiöse Bibliothek alles Wissens- die unerfahme Jugend. Zur allgemeinen
würdigsten über weibliche Bestimmung und Aufklärung, Schulencyclopädie gehörig. 3. gänzlich
H. 1, Gotha 1794, wird Campes Vaeterlicher Rathals
»die beste aller [Schriften], welche für das weibliche Ge- umgearbeitete Ausgabe.
schlecht geschrieben worden«, bezeichnet (zit. nach Braunschweig 1790
Kluckhohn, 1922, S. 308, Fn. 3). Nicolais ADB be-
spricht den Vaeterlichen Rathebenfalls-von einigen Die Schrift wendet sich laut Titel an die »uner-
Kritikpunkten abgesehen- sehr zustimmend und an ex-
fahrne Jugend«, laut Vorrede zur 3. Ausgabe an
ponierter Stelle (91. Bd., 1790, S. 307-320). Wenn er
auch dem Theophron »in der Schönheit einzelnerTheile
zwar nicht alle, so doch die »allermeisten jungen
nicht ganz« gleichkomme, so verdiene er es doch, »in je- Leute der gesitteten Stände« (S. 11 ), die im Be-
der Erziehungsbibliothek an seiner Seite zu stehen«. griff stehen, »das väterliche Haus oder die Schu-
»Alle Vorzüge der Campischen Schriften, wohlüber- le« zu verlassen (S. 12). Hiermit sind offensicht-
dachte Ordnung, ein reiner, hinreißender Vortrag, licht- lich, wie sich aus dem Inhalt der Ratschläge er-
volle Deutlichkeit, die Gabe, einem Gedanken die nütz- gibt, ausschließlich Jünglinge aus dem Bürgertum
lichste Stärke und Anmuth zu geben, und die tiefste gemeint. Als Adressaten, die gleichzeitig die Rolle
Kenntniß des menschlichen Herzens« seien auch in des »erfahrnen Rathgebers« einnehmen sollen,
dem Vaeterlichen Rath zu finden. Die Kritik an weibli-
sind außerdem Väter und Lehrer angesprochen.
cher Bildung wird als zu weitgehend empfunden, die
Stelle über weibliche Unkeuschheit als »musterhaft
Von der vorliegenden Ausgabe erhofft sich
schön« bezeichnet. Mit Befremden wird allerdings ver- Campe aufgrundihrer größeren Allgemeingültig-
merkt, daß die Unzucht mit sich selbst nicht abgehan- keit (im Vergleich zu den beiden früheren Aufla-
delt wird.- Auch in der von Marianne Ehrmann heraus- gen) ȟberall Anwendbarkeit und einen gewissen
gegebenen Frauenzeitschrift Amaliens Erholungsstun- Grad von Vollständigkeit oder Zulänglichkeit«
den. Teutschlands Töchtern geweiht (4. Bändchen, (S. 6). Er wünscht sich, daß dem Buch »die ehren-
1791, Bd. 1, S. 94f.) wird empfohlen, das Buchjedem volle Bestimmung eines Schulbuchs« zuteil wird
Mädchen in die Hand zu geben; es sei ein » Rathgeber (S. 11); seines Wissens gebe es nämlich »noch
für alle Fälle des Mädchen- und Weiberlebens«. »Was
kein anderes Werk von gleichen Zwecken und
man dem weiblichen Geschlecht mündlich so selten
sagt, und was man mündlich gewiß meistens verfälscht
von ähnlichem Inhalte«, das- außer der Religion
von Schmeichelei, übelangebrachter Höflichkeit, Ei- und der Sittenlehre-all die menschlichen Kennt-
gennuz, niedriger Gefallsucht ihm sagt- Wahrheit, ge- nisse enthält, die für einen in die Welt tretenden
treue Zeichnung des unergründlichen Weiberherzens Jüngling zu wissen nötig sind (S. 12). Deswegen
findet man hier. Welchen Mädchen wahrhaft um Her- sei es »Gewissenspflicht« der Väter und Lehrer,
zensbildung zu thun ist, das lese dieses Buch«. dafür zu sorgen, daß ihre Söhne bzw. Zöglinge
Blochmann (1966, S. 29-35) hebt den Gegensatz mit den im Theophronzusammengetragenen Vor-
des Campeschen Frauenbildes zu dem der Rokokoge- schriften und Beobachtungen bekannt gemacht
sellschaft hervor, wie er sich vor allem in der Kritik an würden.- Um den Lehrern und den Schülern die
der falschen Kleidermode und den falschen Sitten so- Lektüre und die Besprechung zu erleichtern, habe
wie der Forderung nach unermüdlicher praktischer Be- er eigens einen Kurzen Auszug aus Campe's
tätigung und den Idealen der Schlichtheit, Natürlichkeit
Iheophron, einen Leitfaden zu Vorlesungen dar-
und Simplizität ausdrücke. Sie vermerkt positiv, daß
Campe ))auf dem Boden der Zeit und der gegebenen so- überverfaßt. Immer wenn ein größerer Abschnitt
zialen Verhältnisse ein einheitliches, praktisch gerichte- des Auszugs besprochen worden ist, soll der Leh-
tes Bildungsideal für die Frau mit einer Konsequenz« rer den Schülern den entsprechenden Abschnitt
entwickelt hat, ))Wie sie sich damals nirgends sonst fin- aus dem Iheophron vorlesen und am Ende des
det«. Mit Bezug auf Campes restriktive Bildungsvor- Unterrichts ihnen das gesamte Werk zur Lektüre
stellungen betont sie jedoch zugleich die ))Kluft«, ))die empfehlen.
zwischen den freieren Geistern des Zeitalters und dieser Ausführlich wird von Campe begründet,
engen aufklärerischen Bürgerlichkeit bestand«.- Tor- warum und in welcher Hinsicht er den Iheophron
nieporth (1977, S. 58-73) bringt eine sehr gründliche gegenüber den beiden ersten Ausgaben »von ei-
Untersuchung des Vaeterlichen Rathes, die diesen aus
dem historischen Kontext zu verstehen sucht und ihn
nem Ende bis zum andern« gänzlich umgearbei-
zwischen der Hausväterliteratur und Rousseaus Emile tet hat (S. 4). Als Gründe nennt er 1. die Unvoll-
ansiedelt. Dabei wird ausführlich auf die veränderten ständigkeit der bisherigen Ausgaben; es hätten
Kompetenzen und Tugenden eingegangen, die der insbesondere wichtige Belehrungen zur Berufs-
Campeschen Hausfrau im Unterschied zur Hausmutter wahl, zur Berufsvorbereitung und zum Umgang
639 Moralisch belehrende Schriften 640

mit Menschen gefehlt; 2. eine gewisse Planlosig- zum obersten Prinzip seines Handeins macht, auch
keit, da die vorgetragenen Regeln und Erfahrun- wenn seine Neigungen dem widerstreben, sowie Uner-
gen nicht »unter allgemeine Gesichtspunkte« ge- schütterlichkeit und Festigkeit des Gemüts durch Ab-
bracht worden seien (S. 5); und 3. eine »zu große härtung an Leib und Seele, welche erreicht wird durch
eine »natürliche, simple, frugale und arbeitsame Le-
Individualität in den mitgetheilten Beobachtun- bensart« (S. 44). Der Verzicht auf »überflüssige Bedürf-
gen und in den darauf aufgebauten Verhaltensre- nisse« (S. 48) erscheint als Grundlage für stärkere Kör-
geln«; er sei zu sehr beim eigenen persönlichen per- und Geisteskraft sowie für größere Freiheit und
Erfahrungskreis stehengeblieben, was dem Buch Unabhängigkeit. Das gilt sowohl im Hinblick auf den
zwar »Wahrheit und Wärme« gegeben habe (S. Körper und die sinnlichen Begierden, denen gegenüber
5), eine Übertragbarkeit auf andere Lebenssitua- die Vernunft einen »verhältnismäßig weitem und
tionen jedoch erschwert habe. freiem Spielraum« behält (S. 55), wie auch in bezugauf
Bei der Verbesserung und Erweiterung des das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft: »Wer we-
Teils, der den Umgang mit Menschen behandelt, nig bedarf, der hat nicht nöthig, seine Freiheit für die Be-
friedigung seiner Bedürfnisse zu verkaufen« (S. 55).
hat sich Campe laut Vorrede auf den entsprechen-
den Teil des Väterlichen Rathesfor meine Tochter In diesem Zusammenhang wird ausführlich auf
( 1789) gestützt. Seine Begründung: » Beide Ge- drei Ausschweifungen, die insbesondere zu vermeiden
und zu verabscheuen sind, eingegangen: Spielsucht,
schlechter haben in diesem Punkte fast einerlei Trunkliebe und Unzucht, »die gefährlichsten und zu-
Bedürfniß« (S. 9). Die in der I. und 2. Ausgabe gleich die gräßlichsten« »Furien«, die es gibt (S. 59).
angefügten Briefe des Grafen Chestetfield an sei- Der Abschnitt über die Unzucht enthält zugleich eine
nen Sohn sind in der 3. Ausgabe weggelassen Aufklärung über den menschlichen »Fortpflanzungs-
worden. Dieser Anhang habe, so Campe in seiner trieb« (S. 69ff.). Weitere Tugenden, die als notwendig
Vorrede, zu dem »Plan« des Werkes nun nicht aufgeführt werden, sind Ordnungsliebe, Geschmeidig-
mehr gepaßt (S. 17); auch der andere Ton der keit, Gegenwart des Geistes und gesunder Menschen-
Briefe sei von vielen Lesern als störend empfun- verstand. Ordnungsliebe, die als Grundlage aller ande-
den worden. Außerdem wäre das Buch zusam- ren Tugenden bezeichnet wird, ist notwendig, um sich
an ein geordnetes Leben und an einen geordneten Ta-
men mit dem Anhang zu umfangreich geworden. gesablauf zu gewöhnen; um sie zu üben, sollte man
Deswegen habe er die Briefe gesondert herausge- selbst in nebensächlichen Dingen »das Einförmige dem
geben unter dem Titel: Klugheitsregeln für Jüng- Zusammengesetzten, das Regelmäßige dem Unregel-
linge, welche im Begriff stehen, in die Welt zu tre- mäßigen« vorziehen (S. 100). Geschmeidigkeit ist die
ten[ ... ]( 1790). Fähigkeit, sich bei aller nötigen Festigkeit auf neue und
Auf die »Vorrede zur dritten Auflage« (S. 3-18) wechselnde Situationen einstellen zu können. Geistes-
folgen die zwei als »Abschnitte« bezeichneten Haupt- gegenwart bedeutet, daß man seine Geisteskräfte
teile des Buches: »I. Erfahrungen und Vorschriften zu schnell auf den jeweils die Aufmerksamkeit erfordern-
einer weisen Wahl, zu einer glücklichen Einrichtung des den Gegenstand zu richten vermag. Schließlich wird vor
geschäftigen Berufslebens und zu einer vernünftigen Handlungen gewarnt, bei denen nicht Weisheit, son-
Vorbereitung dazu« (S. 19-254) und >>II. Erfahrungen dern das »gute Herz« die Führung übernimmt, indem es
und Vorschriften den Umgang mit Menschen betref- aus Gefalligkeit mehr zu tun verspricht, als die eigenen
fend« (S. 225-543). Beide Abschnitte sind wiederum in Kräfte und Umstände erlauben (S. 111). Diese
»Belehrungen« untergliedert, die durchgezählt werden »Schwachheit« kann man dadurch vermeiden, daß
(!.Abschnitt: 1.-4. Belehrung; 2. Abschnitt: 5.-6. Be- man »nach festen Grundsätzen und wohlüberdachten,
lehrung). Die 5. und 6. Belehrung sind noch einmal in bestimmten Planen« handelt und seine Zeit genau ein-
»Wahrnehmungen« untergliedert. Das Inhaltsver- teilt - sowohl im Hinblick auf die eigenen begrenzten
zeichnis steht am Schluß. Die Vorrede an» Meine lieben Kräfte wie auf die an oberster Stelle stehenden Pflichten
Kinder« und der Vorbericht der I. Ausgabe von 1783 (S. 112).
sind weggefallen. Die 2. Belehrung beschäftigt sich mit den Fragen,
Die I. Belehrung, die die »allgemeinen Vorberei- die bei der Berufswahl zu berücksichtigen sind. Ent-
tungen zum Geschäftsleben« (S. 23) behandelt, setzt scheidend für die Berufswahl sollen nicht Ehrgeiz und
sich mit den sittlichen und geistigen Fähigkeiten ausein- Ruhmsucht sein, nicht der Wunsch zu glänzen, sondern
ander, die ein junger Mann vor Eintritt in das Berufsle- der Wunsch zu nützen und glücklich zu sein. Kriterien
ben erworben haben soll; Voraussetzung für ein glückli- für die eigentliche Berufswahl sollen dann »Stand«,
ches und gemeinnütziges Berufsleben sei nämlich zu- »Fähigkeiten« und »Neigungen« sein (S. 127). Beson-
nächst einmal die eigene moralische Bildung und Ver- ders geschätzt werden Berufe, die von anderen Men-
vollkommnung. Zunächst wird die unauflösbare Ver- schen möglichst wenig abhängig machen. Sehr ein-
schmelzung von Rechtschaffenheit und Glückseligkeit dringlich wird dagegen vor dem Beruf des Gelehrten
vor Augen gestellt, die wie »Quell und Bach, wie Ursa- und solchen Künsten gewarnt, die im Stillsitzen ver-
che und Wirkung« zusammengehören (S. 30): Recht- richtet werden müssen; sie sind gesundheitlich sehr
schaffenheit bringt dem Menschen den »beseligenden schädlich. Zu einem Beruf, der gesund ist und Befriedi-
und stärkenden Beifall[ ... ] [des] eigenen Gewissens, gung verschafft, gehöre es dazu, daß man nicht nur be-
Bosheit jedoch ruft Schuldgefühle und »innerlichen trachtet und grübelt, sondern auch handelt. - Schließ-
Aufruhr« hervor (S. 37, 35). In einem zweiten Schritt lich sollen bei der Berufswahl auch »die Zeitumstände
werden die wichtigsten Tugenden vorgestellt. Dazu ge- und [ ... ]die dermalige [d. h. jedesmalige] Lage der bür-
hören zunächst einmal eine »strenge und religiöse Ge- gerlichen Gesellschaftunseres Vaterlandes« (S. 143) be-
wissenhaftigkeit« (S. 42), bei der der Mensch die Pflicht rücksichtigt werden, nämlich Mangel und Überangebot
641 Campe, Theophron, 1790 642

innerhalb der jeweiligen Berufe in Rechnung gezogen das eigene Glück nur in Verbindung mit dem allgemei-
werden. nen Wohl erreicht werden kann. Explizit abgelehnt wer-
Die 3. Belehrung behandelt die Fragen, die bei der den in diesem Zusammenhang »jene scheußlichen Ge-
Vorbereitung auf den Beruf zu beachten sind. Grundre- stalten, unter welchen eine durch [ ... ] orientalisch-jüdi-
gel soll sein, nicht in allen Dingen etwas wissen zu wol- sche Vorstellungsarten mißgeleitete Einbildungskraft
len, sondern sich in dem gewählten Fach auszubilden sich die angebohrne Natur der Menschen« vorstellt (S.
und auch dabei sich auf die wichtigsten Dinge zu kon- 266). Der Glaube an das Gute im Menschen sei die not-
zentrieren. wendige Voraussetzung jeglicher Schaffensfreude und
Die 4. Belehrung stellt Regeln für die Ausübung Menschenliebe, und er wird begründet mit dem Hin-
der beruflichen Tätigkeit auf. Als Grundregel soll gel- weis auf den guten und weisen Schöpfer, der den Men-
ten, daß der Beruf »der einzige und ausschließende Ge- schen geschaffen hat. Zugleich wird betont, daß kein
genstand aller deiner Gedanken, Sorgen und Bestre- Mensch vollkommen gut (wie auch nicht vollkommen
bungen« sein soll (S. 176). Gleichzeitig wird vor einer böse) ist. Deswegen wird eine Erziehung kritisiert, die
»Überspannung der Kräfte gewarnt (S. 185), die das dem Kinde und Jugendlichen nur idealische Vorstellun-
Wesen eines Mannes verdrießlich und mürrisch ma- gen vom Menschen vermittelt; diese müsse notwendig
chen. Dadurch werde er unfähig, nach getaner Arbeit zu Enttäuschung, Resignation und schließlich Men-
die Liebe seiner Frau und seiner Kinder zu genießen, schenhaß führen. In diesem Zusammenhang werden
womit er sich um die »Familienglückseligkeit« bringe, auch heftig die empfindsamen Romane und die von ih-
die als höchster Wert zu gelten habe (S. 187); die Fami- nen entworfene idealische Welt kritisiert (S. 268-271).
lie sei der sichere Hafen, in den der Mann sich vor den Namentlich genannt werden Richardsons Grandison
Stürmen des Lebens zurückziehen kann. In gleichem und Millers Siegwart.
Zusammenhang wird neben einer Reihe von anderen In einer weiteren Überlegung wird die These auf-
allgemeinen Wahrheitsregeln die Einhaltung von Ruhe- gestellt, daß die Vorstellungen, nach denen die Men-
pausen gefordert, der »stärkende Zwischengenuß« (S. schen urteilen und handeln, größtenteils nicht von ih-
205) im Kreise der Familie, an der Seite eines Freundes, nen selbst abhängen, sondern von der Zeit und den Um-
im geselligen Beisammensein überhaupt, in der Natur, ständen, in denen sie seit ihrer Kindheit gelebt haben
bei einem Dankgebet an Gott. Der Mensch, so heißt es, und die ihre Erfahrungen und ihre Weltsicht notwen-
besteht nicht nur aus Verstand, sondern auch aus Kör- digerweise prägen. Von hier aus wird nicht nur gefol-
per und Herz und Empfindung. Glückseligkeit kann er gert, daß jeder Mensch eine ganz individuelle, nur ihm
deswegen nur erlangen, wenn er seine Kräfte so ausbil- eigene Vorstellungsweise entwickelt, sondern auch die
det, daß »alle deine Fähigkeiten in gleichem Maaße ent- Forderung aufgestellt, bei der Beurteilung von Fehltrit-
wickelt werden« und »ein glückliches Gleichgewicht ten anderer Menschen Milde walten zu lassen, da auch
unter allen deinen Kräften herrschen« wird (S. 210). die Handlungen der Menschen weniger auf» Verdienst
Die 5. und 6. Belehrung behandeln (analog zu und Schuld« zurückzuführen sind als auf die verschie-
dem entsprechenden Teil des Väterlichen Rathes for denen Faktoren, die ihn als Individuum geprägt haben
meine Tochter) die im Umgang mit Menschen notwen- (S. 292).
digen Kenntnisse und Regeln. Begründet wird die Not- Nach dieser allgemeinen Charakterisierung der
wendigkeit dieses Wissens mit der gesellschaftlichen Menschen werden die »feinem Schattirungen, wodurch
Existenz des Menschen: Der Mensch schreitet auf sei- die Menschen der sogenannten gesitteten und höheren
nem Lebensweg nicht allein fort, sondern trifft mit vie- Stände sich von denen der ungebildeten Volksklassen
len anderen Menschen zusammen. Ausgangspunkt der auszeichnen«, dargestellt (S. 316). Auf diese allgemeine
anthropologischen Betrachtungen ist der Glaube an be- Einleitung folgt jedoch zugleich eine Einschränkung:
stimmte Grundkonstanten im menschlichen Wesen, un- Nicht jeder von den gesitteten und höheren Ständen sei
abhängig von »Zeit, Ort, Klima, Erziehung, Sectengeist, gemeint (»worunter man gewöhnlich den gebildeten
Regierungsform und was noch sonst etwa auf die Aus- Theil der bürgerlichen Welt und den Adel, die Fürsten
bildung der Menschen mächtig einzuwirken pflegt« (S. mit eingeschlossen, versteht«) (S. 317), sondern die
260). Die 5. Belehrung ist so aufgebaut, daß zunächst »verfeinerten und üppigen Weltleute«, d. h. diejenigen,
die allen Menschen »gemeinschaftlichen Züge« darge- die »in, mit und nach der großen Welt leben«, die sich
stellt werden (S. 260), dann das Typische, das die deren » Eigenthümlichkeiten« ganz »zugeeignet« ha-
» Menschenklassen« auszeichnet, zu denen Theophron ben und an den dort üblichen »Üppigen Zerstreuungen
und Kleon selbst gehören oder zu denen sie in enger Be- und Vergnügungen« teilnehmen, »nicht weil ihre Lage
ziehung stehen (S. 260); schließlich die Charakteristika sie nun einmal dazu zwingt, sondern vielmehr aus Nei-
von sich in besonderer Weise auszeichnenden Men- gung und Bedürfniß« (S. 317). In einer ausführlichen
schen (»Originalmenschen«) (S. 261) und dann die Darstellung ihrer Schwächen (S. 319-361) wird ihnen
»weit größere Menge gemeiner Menschenseelen«, die vorgeworfen, »entnervt an Leib und Seele« zu sein (S.
weit leichter zu beurteilen sind (S. 261 ). Die 6. Beleh- 320), zu »warmem Mitgefühl und zu einer herzlichen
rungschließlich stellt in Entsprechung zur 5. Belehrung Theilnahme an Dingen« unfähig zu sein (S. 322), ver-
die Klugheitsregeln dar, die im Umgang mit den vorher gnügungssüchtig, eitel und unbeständig zu sein, Dinge
charakterisierten Menschentypen zu beachten sind. nur nach dem Schein zu beurteilen und ein unwahres,
Basis des allgemeinen anthropologischen Teils ist künstliches Verhalten zu zeigen.
die Auffassung, daß der Mensch von Natur aus gut und Zu den Menschen, die sich durch »hervorstechen-
sein höchstes Ziel die eigene Glückseligkeit ist. Wenn de Eigenthümlichkeiten« (S. 261) von anderen Men-
der Mensch böse ist, dann nicht um des Bösen willen schen unterscheiden, werden gerechnet: die Empfind-
oder weil es ihm Spaß machte, anderen Menschen zu samen (S. 366-375), die Schwärmer, die als Feinde von
schaden, sondern aus Dummheit, Kurzsichtigkeit oder Vernunft, Erfahrung und Aufklärung überhaupt be-
aufgrund falscher Erziehung; er übersieht dann, daß zeichnet werden, die sittlichen Schwärmer oder
643 Moralisch belehrende Schriften 644

Menschenfreunde, die Frömmler oder Religionsheuch- lieh: »Mit diesen Wortenstand er auf; und ging von sei-
ler und schließlich die »Sekte der Genies«, d. h. die Ver- nem Sohne geführt, unter frohen Empfindungen beim
treter des Sturm und Drang (S. 393-397, zit. S. 396). Anschauen des gestirnten Himmels zurück zu seiner
Die größte Zahl der Menschen gehört jedoch zu ländlichen Wohnung« (S. 114). Zweimal benutzt der
den >mntermittelmäßigen, stumpfen und dummen Leu- Vater die Kulisse der Natur als Anknüpfungspunkt für
ten« (S. 406), die sich in allen Stände finden. Sie werden seine Belehrungen. Das Sturmwetter am Abend der 2.
unterschieden in »gebohrne Dummköpfe«, die von Na- Belehrung und der strahlende Sonnenschein am darauf-
tur aus dumm sind und deswegen von keiner Erziehung folgenden Morgen dienen ihm als ein Bild »menschli-
verändert werden könnten, und in »gemachte« Dumm- chen Lebens«, das »Regen und Sonnenschein, trübe
köpfe (S. 407), deren gute Anlagen durch eine schlechte und lachende Tage« bringt (S. 152); dabei sei der
Erziehung unentwickelt geblieben sind. Die erste Klas- Mensch dazu aufgerufen, sich so einzurichten, daß er
se von Menschen, auch »Stumpfköpfe« genannt (S. sowohl ein Schutzdach gegen den Sturm als auch gegen
407), wird als gutmütig, anspruchslos, lenksam und die brennende Sonne hat. Am Anfang der 5. Belehrung
dienstbeflissen charakterisiert und deswegen für vergleicht Kleon den Anblick der aufgehenden Mor-
brauchbar und nützlich gehalten. Die zweite Klasse da- gensonne mit dem eines Jünglings, der »zum ersten mal
gegen wird als unangenehm, gemeinschädlich und ge- am Horizont der bürgerlichen Welt, als ein neues wohl-
fährlich bezeichnet, so daß man sich diese Menschen thätiges Gestirn erscheint, um Licht und Wärme, Er-
»nicht weit genug vom Leibe halten kann« (S. 408); sie kenntniß und Wohlseyn rund umher[ ... ] auszugie-
sind unruhig, zu regelmäßiger Tätigkeit unfähig, eitel, ßen«; dabei empfindet er den Anblick des Jünglings so-
eigensinnig, jähzornig, heimtückisch, rachsüchtig und gar als »größer und rührender« als den der Sonne (S.
schadenfroh. 258).- Im Verlauf der 5. und 6. Belehrung, die sich zu-
Wie bereits in der I. Ausgabe von 1783 sind die sammen auf fast 300 Seiten erstrecken, ist der Bezug auf
Lehren- dem Genre des elterlichen Rates entsprechend die Rahmensituation des Gesprächsaufgrund der Län-
- eingebettet in eine Rahmenhandlung. Der alte Theo- ge noch schwächer ausgeprägt als in den anderen Beleh-
phron, »ein Mann von Erfahrung, der in wichtigen Ge- rungen; jeweils am Ende wird jedoch formal wieder an
schäften grau geworden war« und nun auf einem klei- die Gesprächssituation angeknüpft.
nen Landsitze seinen Lebensabend verbringt, gibt sei- Das Frontispiz, betitelt: »Erfahrung schrieb's und
nem einzigen Sohn Kleon, der im Begriffe ist, »den reicht's der Jugend«, stellt eine Frau im langen Gewan-
Schooß seiner Familie [zu] verlassen«, um »in öffentli- de dar, die in der rechten Hand einen Stab hält, der mit
che Geschäfte [zu] treten, Ratschläge für seinen künfti- einer Banderole umwickelt ist (mit der Aufschrift: » Ma-
gen Lebensweg. Wie in der Vorrede an »Meine lieben gistra Rerum«); in der linken Hand hat sie ein aufge-
Kinder« ( Theophron 1783) wird davon ausgegangen, schlagenes Buch, auf das sie herabblickt. Sie ist zwei
daß der Sohn zwar die wichtigsten Kenntnisse zwar be- Jünglingen zugewandt, die auf einer Bank unter einem
reits besitzt und auch voll der »edelsten Gesinnungen« Baum sitzen und zu ihr emporblicken. Einer der Jüng-
ist, daß es ihm aber- wie jedem jungen Mann- an Er- linge hält, wie zum Schreiben bereit, in seinen Händen
fahrung fehlt, ein Mangel, der durch die Ratschläge des eine Tafel (o. ä.) und einen Griffel.
erfahrenen Vaters ausgeglichen werden soll (S. 21 f.).
Die Tugenden und Verhaltensweisen, zu de-
Aus der Vorrede an >>Meine lieben Kinder« ( Theophron
1783) wird auch das Bild der gefährlichen und mühseli- nen der Jüngling im ersten Teil des Theophron er-
gen Lebensreise wieder aufgenommen: Das Leben wird zogen wird, sind ganz und gar auf das bürgerliche
mit der Fahrt auf einem unsicheren Meer gleichgesetzt; »Geschäftsleben« abgestellt. Alle anderen Tu-
»wo es der Klippen, der Sandbänke und der Stürme vie- genden bleiben untergeordnet oder, wenn sie hö-
le gibt« (S. 25). Der Vater hat diese Fahrt bereits hinter her gestellt werden, bloße Postulate. Das ist vor al-
sich; obwohl er keinen hatte, der ihm raten konnte, hat lem der Fall bei der Forderung, sich die Familien-
er sie, wenn auch viele Gefahren drohten, »noch ziem- glückseligkeit nicht durch Überarbeitung zu ver-
lich unversehrt« überstanden (S. 25). Nun ist er in der scherzen und immer ein Gleichgewicht zwischen
glücklichen Lage, seine Erfahrungen, »oft theuer ge-
nug« erkauft (S. 25), seinem Sohn als »Vermächtniß«
den verschiedenen menschlichen Fähigkeiten an-
zu hinterlassen- »eine reiche Erbschaft[ ... ], wenn du zustreben. Zwischen der gefordertenGenuß-und
sie zu nützen weißt!« (S. 25). Liebesfähigkeit, der Kultivierung von Gefühl und
Das Gespräch zwischen Vater und Sohn findet an Empfindung und der ansonsten völligen Ausrich-
vier aufeinanderfolgenden Tagen statt- am Abend des tung des Lebens auf Arbeitsamkeit, Pflichterfül-
ersten und zweiten Tages und am Morgen und Abend lung und vorausplanendes, Spontaneität vermei-
des dritten und vierten Tages. Jeweils eine Belehrung dendes Verhalten besteht ein Widerspruch, der
entspricht einer Morgen- oder Abendunterhaltung. Die nicht aufgelöst wird.
Gespräche finden an zwei Abenden in idyllischer Atmo- Wie wenig integriert der Wert der Familien-
sphäre in der freien Natur statt; Vater und Sohn sitzen glückseligkeit ist, zeigt sich z. B. daran, daß eine
auf einer Anhöhe, von wo aus sie die »große herrliche Erziehung des Jünglings zur Ehe (Wahl der Ehe-
Gegend« übersehen können (S. 23). Morgens treffen
sich Vater und Sohn in einer schattigen Gartenlaube
gattin, Umgang mit Frau und Kindern) fehlt. Das
bzw. im Schlafgemach des Vaters- bei weitgeöffneten Thema >gesellschaftlicher Umgang mit Frauen
Fenstern, so daß die Strahlen der Morgensonne hinein- vor der Ehe< wird zwar behandelt, freilich nur im
scheinen. Zweimal wird der Ort nicht angegeben. restriktiven Sinne, nämlich in dem Abschnitt über
Die Gesprächssituation wird meistens nur zu Be- die Unzucht. Hier werden Regeln aufgestellt, wie
ginn und zum Schluß und auch dann nur knapp darge- und mit welchen Frauen der Jüngling zusammen-
stellt. So heißt es z. B. am Ende der I. Belehrung ledig- kommen kann, ohne Gefahr zu laufen, zur Un-
645 Campe, Theophron, 1790 646

zuchtverführt zu werden. Selbst der Umgang mit heftige Kritik an dem »verderbteren Ausschusse
»wirklich ehrbaren Frauenzimmern« wird dabei der großen Welt« (S. 358) schließlich folgt einen-
als für die »Unschuld« und das »Wohlergehn« gagiertes Bekenntnis zu der eigenen zeitgenössi-
des Jünglings gefährlich angesehen (S. 90), dann schen Gegenwart, in der die Vernunft in bisher
nämlich, wenn der Jüngling sich verliebt: »Auch noch nicht gekanntem Maße sich durchzusetzen
die reinste und unschuldigste Liebe [ist] für die beginne: »Noch nie [ ... ]hat man der unterdrück-
Seele einees Jünglings, dem Alter und Glücksum- ten Vernunft und dem gefesselten Gewissen von
stände noch nicht vergönnen, die eheliche Ge- den ihnen geraubten natürlichen Rechten mehr
fährtin seines Lebens zu wählen, ein verderbli- wieder einzuräumen sich bequemt, als in unsern
ches Gift [ ... ], welches sie entnervt, welches jeden Zeiten; nie sind die Hierarchie, der Aberglaube
Keim des Guten in ihr erstickt, sie unlustig und und der mit beiden unzertrennlich verbundene
unfähig zu jeder edlen Anstrengung und zur Er- Verfolgungsgeist, im Ganzen genommen, einge-
werbung rühmlicher Verdienste macht« (S. 91 ). schränkter[ ... ] gewesen; nie ist es dem Weisen
Schließlich pflegt sich auch die »geistige Seelen- und Patrioten vergönnt gewesen, ihre Stimme ge-
liebe [ ... ] über kurz oder lang [ ... ] in die gröbste gen öffentliche Misbräuche, gegen schädliche
Sinnlichkeit aufzulösen« (S. 92). Aufgrund dieser Vorurtheile, ja sogar gegen die Eingriffe mächtig-
Gefahren wäre es, so erwägt Campe, für den ster Despoten mitten in ihrem eigenen Lande,
Jüngling am angebrachtesten, sich dem weibli- freier, lauter und nachdrücklicher zu erheben; nie
chen Geschlecht zu entziehen, bis er in der Lage hat die Freiheit der Presse, und das damit verbun-
sei, sich zu verheiraten (S. 84). Diese Möglichkeit dene Recht, an die ganze jetztlebende Menschheit
wird jedoch von ihm sogleich verworfen - nicht und Nachwelt zu appelliren, die Gewaltigen der
nur, weil man allein von den Frauen Liebenswür- Erde in der Anmaßung einer unbefugten Macht,
digkeit und Gewandtheit des gesellschaftlichen im Ganzen genommen, behutsamer und vorsich-
Auftretens lernen könne, sondern auch deswe- tiger gemacht[ ... ]« (S. 355f.). Am Ende dankt
gen, weil sie es sich angemaßt hätten, über den der Vater schließlich Gott dafür, daß er seine Tage
Ruf zu entscheiden, den ein Mann in der Gesell- »in diese Morgenröthe der Vernunftherrschaft,
schaft genießt (S. 85). der Freiheit und der öffentlichen Glückseligkeit«
In der allgemeinen Einstellung zur Gesell- fallen ließ (S. 357).
schaft, wie sie besonders deutlich im 2. Abschnitt In der 1. Ausgabe von 1783 ist die Kulturkri-
über den Umgang mit Menschen zum Ausdruck tik im Sinne Rousseaus noch sehr viel nachdrück-
kommt, verbinden sich, wie bereits Köberle licher und direkter formuliert. Die Kritik an den
(1972, S. 67) festgestellt hat, pessimistische Kul- verfeinerten Ständen steht (in diesem gegenüber
turkritik im Sinne Rousseaus sowie optimistisch- der 3. Ausgabe weitaus kürzeren Teil) an zentraler
aufklärerischer Glaube an die Güte der menschli- Stelle. Sie schließt si'ch unmittelbar an den An-
chen Natur und den Fortschritt der menschlichen fang des 2. Hauptabschnitts (über den Umgang
Gesellschaft. So klingt tiefe Resignation an, wenn mit Menschen) an, womit die einleitende Klage
der alte Kleon zu Beginn des 2. Abschnitt meint, des alten Kleon direkt auf die verfeinerten Stände
daß es sehr schwer sei, über die Menschen zu re- bezogen wird und nicht- wie in der 3. Auflage-
den, ohne dabei »bitter« zu werden; man »sollte auf alle Menschen überhaupt. Entsprechend ist
nie anders, als in freier Luft, bei ofnen Fenstern die Verfeinerung der Bedürfnisse nicht nur eine
wenigstens, sie zu schildern wagen« (S. 259). Im (wenn auch wesentliche) Ursache für die morali-
folgenden wird die »übertriebene Verfeinerung« schen Gebrechen der Menschen, sondern die ein-
der wenigen »ursprünglichen Triebe der mensch- zige, die genannt wird. Mehrere Stellen schließ-
lichen Natur« als eine der »ergiebigsten Quellen lich, die in der 3. Auflage fehlen, sprechen eine
menschlicher Unsittlichkeit und menschlichen sehr viel deutlichere Sprache bzw. führen die
Elendes« bezeichnet (S. 283 f.). Diese Verfeine- rousseauistische Gesellschaftskritik weiter aus.
rung sei entstanden mit der Herausbildung gro- Als ein Beweis dafür, daß die Menschen von Na-
ßer, volkreicher Staaten; um diese nach ihrem tur aus gut sind, wird z. B. angeführt, daß es sonst
Wohlgefallen regieren zu können, hätten die Für- nichtmöglich wäre, daß man »bei so vielen gesell-
sten »das allgewaltige Mittel der Entnervung, die schaftlichen Einrichtungen, welche geradezu dar-
schönen Künste mit ihrer beständigen Gefährtin, auf abzielen, uns zu verschlimmern« ( Theophron
der Üppigkeit, in Gang zu bringen« gewußt (S. 1783, S. 97), überhaupt noch von guten Men-
284). Ausführlich schließlich wird die Verfeine- schen hören würde. Oder die Fürsten werden auf-
rung der Menschen in dem Passus über die feinen gefordert, den Luxus unter der Bevölkerung ein-
und üppigen Weltleute kritisiert. zuschränken und für eine »natürlichere und ein-
Gleichzeitig wird jedoch betont, daß man fachere Erziehung« Sorge zu tragen ( Theophron
nicht »auf Rechnung der schuldlosen menschli- 1783, S. 97). Und wenn Kleon sich schließlich der
chen Natur« setzen dürfe, »was die dermalige La- Schilderung der verfeinerten Stände zuwendet,
ge der Menschheit, bei der gegenwärtigen Welt- dann nicht mit der vorsichtigen Differenzierung
verfassung allein verschuldet« (S. 286). Auf die zwischen den »gesitteten und höheren Ständen«
647 Moralisch belehrende Schriften 648

auf der einen und den »verfeinerten und üppigen neo. Im Unterschied zum Emile wird er außer-
Weltleuten« auf der anderen Seite, auf die- als ei- dem dazu erzogen, nicht nur von einem kleinen
ne besondere Gruppe innerhalb der erstgenann- »Kreis der Guten« mit Wohlwollen aufgenom-
ten Stände- die Kritik beschränkt wird. Vielmehr men zu werden, sondern sich in der Welt so zu be-
heißt es, das Menschenbild, das im folgenden ge- wegen, daß er auch von den anderen als einer der
schildert würde, sei nicht »nach Originalen aus ihrigen akzeptiert wird; das ist die Grundvoraus-
der niedrigen, das heißt, der bessern Klasse der setzung dafür, daß er in der Welt wirken kann
Menschen« gezeichnet, »sondern nach sol- (Hornstein, 1965, S. 169). An die bessere Erzie-
chen [ ... ), welche zu den gesitteten, das heißt, ver- hung der Jugend und- darauf gegründet- ihr an-
feinerten und zugleich verderbteren Ständen ge- deres Verhalten in der Welt knüpft sich die Hoff-
hören« (Iheophron 1783, S. 103). Am Ende der nung auf eine moralische Veränderung der ge-
Kritik an den verfeinerten Ständen fehlt im frü- samten Gesellschaft: Wenn die Jugend ihre Un-
hen Iheophron schließlich die versöhnliche Geste schuld in der verderbten Erwachsenenwelt be-
gegenüber Fürsten und Adel, die Campe in der 3. wahren kann, »garantiert sie einen Fortschritt im
Auflage einfügte: Es müsse eingeräumt werden, Gang der moralischen Höherentwicklung der
daß ein Teil von ihnen, zunächst die Fürsten, Menschheit« (Hornstein, 1965, S. 171 ).
dann - von ihrem Beispiel angestachelt - auch Unter den einzelnen Menschengruppen, vor
Adlige, ebenfalls an der »allgemeinen Aufklä- denen im 2. Teil gewarnt wird, ist insbesondere
rung« teilnahmen, sich nützliche Kenntnisse er- die Kritik an der Empfindsamkeit und am Sturm
warben und »menschlich und gut« geworden und Drang hervorzuheben. Hauptargument ge-
sind (S. 358). gen die »Empfindsamen« und die » Empfindler«
Hornstein (1965, S. 155-171), der das im ist die disproportionierte Ausbildung der mensch-
Iheophron entworfene Bild des Jünglings im Zu- lichen Erkenntnisvermögen zugunsten einer zu
sammenhang mit anderen Vorstellungen vom starken Ausprägung des Empfindungsvermögens
Jünglingsleben im 18. Jahrhundert untersucht, und der Einbildungskraft. Als Folge daraus er-
sieht die negative Einstellung zur Gesellschaft als gebe sich, daß die Bestimmung des Menschen
charakteristisch für den gesamten Iheophron an - nicht mehr im tätigen Handeln gesehen wird, son-
angefangen von der Vorstellung des Lebens als ei- dern in feinen, schönen, sich selbst genügsamen
ner gefährlichen Reise bis hin zur negativen Gefühlen. »Moralisch schön und gut ist
Zeichnung der Menschen im 2. Teil. Der Eintritt dann [ ... )-nicht was nach den Gesetzen der Ord-
des Jünglings in die Welt ist deswegen so drama- nung und der Gerechtigkeit geschieht - sondern
tisch, weil er, der als Kind in Abgeschiedenheit was, wenn es dichterisch beschrieben wird, ein
von der wirklichen Welt erzogen wurde, nun die schönes Gemählde macht, Rührungen erwecken,
Welt kennenlernen und in ihr leben soll; zugleich Thränen auslocken kann« (S. 370). Aufgrund die-
aber soll er den sittllichen Grundsätzen, die ihm ser Einstellung aber sind die Empfindsamen »zu
als Kind eingeprägt wurden und die in der wirkli- den meisten Geschäften des menschlichen und
chen Welt ständig in Frage gestellt werden, treu bürgerlichen Lebens [ ... )unbrauchbar« (S. 374).
bleiben. Das Verhältnis zur Welt ist ein negatives: Jede etwas größere Anstrengung wird ihnen bald
Zwar wird der Jüngling selbst als ein »neues, zu beschwerlich, jedes Geschäft zu »trocken«
wohlthätiges Gestirn« am Horizont der bürgerli- und »zu wenig nahrhaft für Geist und Herz« (S.
chen Welt gesehen (S. 258); er selbst erhält von 374).
der Welt jedoch nichts; vielmehr muß er den ein- In seiner Kritik am Sturm und Drang unter-
mal erworbenen moralischen Kern gleichsam ge- scheidet Campe zwischen den eigentlichen Ver-
gen eine feindliche Welt bewahren (Hornstein, tretern dieser Richtung und den bloßen Nachah-
1965, S. 167). Sinn des Jünglingsalters ist es des- mern. Die ersteren, »junge Männer von glühen-
wegen auch nicht, eigene Erfahrungen zu ma- der Einbildungskraft«, werden von ihm relativ
chen; diese könnten immer nur die gleichen sein, positiv und mit erstaunlicher Sachkenntnis beur-
die die Menschen schon vorher gemacht haben, teilt. Ihnen seien die bisherigen Regeln der Kunst,
und damit würde der moralische Fortschritt der die bisherige Sprache, ja, die Welt selbst für ihre
Menschheit nur aufgehalten. Aufgabe des Jüng- Phantasie, ihre Empfindungen und ihren Geist zu
lings ist es vielmehr, sich durch die Erfahrungen eng gewesen. Deswegen »schufen sie sich eine
derer, die die Welt bereits kennen, über die Welt neue Sprache, setzten ihre jedesmaligen Gefühle
aufklären zu lassen und damit unnötige Irrtümer an die Stelle der Regeln, zauberten sich eine Welt
und Fehler zu vermeiden. »Die Jugend tritt nicht ohne Ordnung, ohne Gesetze und Einschränkun-
in eine neue, ihr eigene Welt mit neuen Lebens- gen[ ... )« (S. 394). Ihren Werken wird beschei-
möglichkeiten, sondern in die Welt der Väter ein« nigt, daß sie den »Stempel ungemeiner Talente«
(Hornstein, 1965, S. 158). tragen; ja, Campe meint, daß >>Sprache und Litte-
Im Unterschied zu Rousseaus Emile lernt ratur, Herz und Geist« von den Vertretern dieser
der Campesche Jüngling die Welt sehr viel früher Richtung sehr wohl hätten profitieren können -
-gleich nach der Beendigung der Kindheit- ken- wenn man rechtzeitig »das wirklich Gute, Starke
649 Heusinger, Gutwills Spatziergänge, 1792 650

und Erhabene von dem Ueberspannten, Sonder- 1792


baren und Grotesken« abgesondert hätte (S. 394).
Hart ins Gericht geht er dagegen mit dem Johann Heinrich Gottlieb Heusinger
» Schweifvon Nachahmern«, auch als »Sekte der (1766-1837):
Genies« bezeichnet (S. 395 f.), die, ohne selbst ein Gutwills Spatziergänge mit seinem Wi/he/m.
»Gestirn« zu sein, sich für »außerordentliche Zittau und Leipzig 1792
Wesen« hielten, »von nichts als hohen Gefühlen,
Kraft, Genie, und innem Drange redeten« und al-
le bürgerlichen Tätigkeiten, die nicht wie die Gutwills Spatziergänge mit seinem Wilhelm rich-
Dichtergabe angeboren seien, sondern durch tensich an Kindervonca. 12 bis 14Jahren(Vorre-
Fleiß und Anstrengung erlernt sein wollten, aufs de, S. XX), die an der Schwelle zur Pubertät ste-
tiefste verachteten (S. 395 f.). Dieselbe Chrakteri- hen und beginnen, »über Verhältnisse und Bezie-
sierung der »Genies«, die mit ihrer Haltung den hungen der Menschen und der Dinge
auf moralische Selbstüberwindung und Triebauf- nach[zu]denken, die nie in der Sinnenwelt darge-
schub aufbauenden Tugendkatalog des Theo- stellt werden können, sondern blos durch Ver-
phron grundsätzlich in Frage stellen, findet sich nunft denkbar sind« (Vorrede, S. VIII).
an einer Stelle im 1. Teil. Statt sich darin zu üben, Heusinger betont, es sei keineswegs seine
auch die trockensten und langweiligsten Geschäf- Absicht, »eine bloße Moral für Kinder zu schrei-
te mit Standhaftigkeit zu vollenden, da Arbeiten, ben«; sein Buch soll auch nicht »zum Unterricht,
die der eigenen Neigung widersprechen, zu jedem weder in der Moral, noch in der Religion dienen;
bürgerlichen Beruf gehören, soll der Jüngling denn da müßten die vorkommenden Grundsätze
nach Ratschlag der neuen »Sittenlehrer« »zu je- mit Beweisen versehen seyn, sondern ich wollte
der Zeit nur gerade das« tun, »wobei dir wohl ist, nur ein Beispiel geben, wie man Kinder ohne Un-
wozu du jedesmal einen innern Drang bei dir ver- terricht mit diesen Wahrheiten bekannt machen
spührst«; statt gegen seine Neigung zu arbeiten, kann.« (Vorrede, S. XXI)
solle man lieber nichts tun oder schlafen (S. 167). In seiner ausführlichen Vorrede wendet sich
Campe weist diese Haltung als mit dem bürgerli- Heusinger gegen jene Pädagogen und Erzieher,
chen Leben unvereinbar scharf zurück; allerdings »die mit ihren Kindern von 7 Jahren schon von
akzeptiert er sie für den Dichter und -voller Iro- Pflicht, von Ordnung und Regelmäßigkeit der
nie- für den »Günstling des Glücks«, der einem Natur, von dem Anständigen im Umgang mit
Beruf nicht nachzugehen braucht (S. 168). Menschen sprechen« (Vorrede, S. VIII), da dies
Der Theophron ist von Anfang an sehr erfolgreich der Entwicklung der »Gemüthskräfte« der Kin-
gewesen. Laut Selbstaussagen Campes (in der Vorrede der völlig unangemessen sei. Heusinger dagegen
zur Erstausgabe des Theophron von 1783) war bereits macht es sich zur Aufgabe, die »Gemüthskräfte«
die allererste Veröffentlichung von Teilen des Theo- der Kinder nach keiner anderen Methode zu be-
phron in den Hamburger Addreßcomtoir-Nachrichten fördern, »als nach der in der Natur dieser Kräfte
»binnen vierzehn Tagen gänzlich vergriffen«. Auch die selbst bestimmten Art« (Vorrede, S. XI).
2. Teilveröffentlichung in der Sammlung einiger Erzie- Die entscheidende Frage, die sich ihm dabei
hungsschriften sei auf große Zufriedenheit gestoßen, stellt, lautet: »wie ist die Ausbildung der Vernunft
und man habe den Wunsch geäußert, den Theophron als
eigenständige Schrift in die Hand zu bekommen, wor-
in dem Kinde zu befördern?« (Vorrede, S. XIII)
aufhin dann, so Campe, er die erste Buchausgabe des Er beantwortet sie mit einem Hinweis auf Kant
Theophron erstellt habe. Auch diese und die zweite und dessen Charakterisierung des Gemütsvermö-
Buchausgabe ( 1783 und 1787) hatten offensichtlich gens als Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft.
großen Erfolg. Nach der Vorrede zu 3. Auflage fanden Heusinger vertritt die Auffassung, es sei falsch,
sie bei den Lesern eine »ungemein gütige« Aufnahme diese drei Gemütsvermögen zugleich zu üben,
und erfreuten sich bei ihnen einer »fortdauernden »denn man weiß, daß Vernunft einen ganz an-
Gunst«, woraus Campe schließt, daß das Buch wohl ei- dem Stoffverlangt als Verstand, und dieser einen
nem »starkgefühlten Bedürfnisse« entgegengekommen andem als Sinnlichkeit. Da man aber deswegen
sei. Außerdem erwähnt Campe »die ungeschlachten
Nachdrucke«, die verbreitet wurden, sowie den auch weiß, daß der Verstand den Stoff bearbeitet,
Wunsch des Publikums nach einer 3. Auflage. 1806 er- den ihm die Sinnlichkeit giebt, und die Vernunft
schiendie6. und 1819die7.Ausgabe. G. das Geschäft habe, die Arbeit des Verstandes um-
zuformen, so ist eben dadurch die Ordnung be-
stimmt, nach welcher der Erzieher die Ge-
1790 müthsvermögen des Kindes üben und bilden
soll.« (Vorrede, S. XV)
Für Jünglinge jeden Standes. Entsprechend unterscheidet Heusinger drei
Traurige Wahrheiten im Romangewande. Perioden in der Bildung der Gemütsvermögen:
Altenburg 1790 - 1) die Periode »der sich übenden Sinnlichkeit«
(Vorrede, S. XVI) von der Geburt des Kindes bis
Siehe: Unterhaltende Schriften Spalte 401 zu dem Zeitpunkt, wo es sprechen gelernt hat;
651 Moralisch belehrende Schriften 652

- 2) die Periode »des Verstandes« (Vorrede, ten Justizbeamten, der auf einem nächtlichen Dienst-
S. XVII), die ungefähr mit dem Beginn der Puber- weg in die Hände einer Räuberbande fällt. Kontrastiv
tät aufhöre; während dieser ganzen Periode sol- werden somit die Taten guter und böser Menschen ein-
len die Kinder noch keinen wissenschaftlichen ander gegenübergestellt. Wilhelm schlußfolgert: »Ein
guter Mann ist einer der Gutes thut, und ein böser thut
Unterricht und keine Unterweisung in den
Böses.« (S. 37) Daß dieses Einsicht nicht einfach veran-
Grundsätzen der Moral und Religion erhalten, gemeinerbar ist, erfährt Wilhelm auf dem zweiten Spa-
»weil diese Gegenstände nicht dem Verstande, ziergang (S. 36ff.). Herr Gutwill erzählt dabei die Ge-
sondern der Vernunft, zur Nahrung dienen« schichte eines armen Juden, der aus Dankbarkeit gegen-
(Vorrede, S. XVIII). Stattdessen soll sich das über seinem nun in Not geratenen Wohltäter einen
Kind mit Erscheinungen bekannt machen und die Raubüberfall begeht, um diesen vor dem Ruin zu be-
Ursachen der Erscheinungen erforschen. Der wahren. Wiederum in Kontrast dazu steht die Geschich-
Verstand sei an die Grenzen der Sinneswelt ge- te des Räubers Nikol List, der einem verarmten Studen-
bunden, während die Vernunft »unbedingte Ur- ten durch großzügige Unterstützung die Beendigung
seines Studiums ermöglicht. Herr Gutwill faßt beleh-
sachen« erforsche (Vorrede, S. XIX).
rend zusammen: »Merke Dir also nochmals, daß eine
- 3) die Periode der »erwachenden Vernunft« oder etliche gute Handlungen einen Mann nicht zu ei-
(Vorrede, S. XIX), deren Stoff Begriffe, nicht nem guten Mann, und eine oder etliche schlechte Hand-
aber Anschauungen seien. »Die Vernunft des lungen einen Mann nicht zu einem bösen Mann ma-
Kindes, die bey ihrem Erwachen sich ungerne an chen; kehre Dich also in Zukunft nicht weiter daran,
die beschränkte Sinnenwelt gefesselt sieht, sucht wer die Handlung begangen hat, die Dir gefällt oder
sich einen Stoff zu bearbeiten, der in ihrem eignen nicht gefällt, sondern überlege nur allemal bei Dir
Gebiethe anzutreffen ist. Sie muß daher zunächst selbst, ob es wohl erlaubt seyn möchte, so oder so zu
auf moralische Begriffe treffen, und ihre ersten handeln.« (S. 45)
Das als »Dritter Spaziergang« betitelte Kapitel (S.
Kräfte an diesen versuchen. Deswegen ist Be-
50ff.) schildert, wie sich Herr Gutwill gegenüber einem
kanntschaft mit moralischen Begriffen, meiner Feinde mildtätig erweist: obwohl der Mann ihn früher
Ueberzeugung nach, das erste, was ein Kind ge- beraubt hatte, zahlt Gutwill ihm die notwendigen Ko-
gen das 12-14 Jahr hin erhalten muß.« Ein- sten für einen Arzt. Durch diese gute Tat bekommt WH-
schränkend setzt Heusinger hinzu: »Diese Ueb- helm im Verhalten gegenüber seinem »Feind« ein Ent-
ung darf indessen noch kein Unterricht in der Mo- scheidungsmittel in die Hand: obwohl ein Nachbars-
ral seyn; das Kind bedarf nur richtig gewählte junge ihm zwei Vögel von seinen Leimruten stiehlt,
Thatsachen, und keine Urtheile des Lehrers. Er- überläßt er dem kleinen Dieb seine ganzen Vogelsteller-
zählungen, welche Pflichten der Gerechtigkeit waren, damit dieser davon Gebrauch machen und so
zum Unterhalt seiner Familie beitragen kann.
darstellen, müssen ihm die willkommensten, und
Auf den Spaziergängen vier bis acht (S. 58-102)
werden die zweckmäßigsten seyn.« (Vorrede, erzählt Herr Gutwill weitläufig die »Geschichte des un-
S.XX) glücklichen Amtmannes von Littenheim«, der durch
An diese Moralübung soll sich die religiöse falsche Anschuldigungen in die Intrigen am Fürstenhof
Unterweisung anschließen. Heusinger führt aus, verwickelt wird und durch eine Falschaussage die Ent-
er habe sie nur in die Schrift mit aufgenommen, lassung des im Volk beliebten Präsidenten herbeiführen
um ein Beispiel zu geben, »wie der erste Reli- soll. Obwohl man ihn in den Kerker wirft und in Ketten
gionsunterricht nach meiner Ueberzeugung ein- legt, ist er nicht bereit, die Aussage zu machen und den
zurichten wäre« (Vorrede, S. XXI). unschuldigen Präsidenten zu belasten. Er bleibt bei der
Wahrheit und nimmt die Schmach der Kerkerhaft auf
sich. Völlig entkräftet durch die Gefangenschaft stirbt er
Gutwills Spatziergänge mit seinem Sohn Wilhelm schließlich, nachdem er noch einmal seine Familie gese-
entwickeln in Lehrgesprächen, die in die Form von Er- hen und seinen Söhnen ein Testament überreicht hat.
zählungen auf Spaziergängen gekleidet sind, im ersten Die Verlesung des Testaments (S. 94ff.) gibt Gele-
Teil Grundbegriffe der Moral, im zweiten Teil Grund- genheit, zur religiösen Unterweisung überzuleiten. Der
begriffe der Religion. Die Gespräche finden statt zwi- Amtmann belehrt darin seine Söhne über die Unsterb-
schen Herrn Gutmann, »der ehemals der Liebling und lichkeit der Seele und die Existenz Gottes. Der Begriff
der Rath seines Fürsten gewesen« ist (S. 23) und sich der Religion wird umrißhaft definiert: »Tod, Unsterb-
nun auf dem Lande zur Ruhe gesetzt hat, und seinem lichkeit, Gott und Rechtschaffenheit, tragen alle dazu
Sohn Wilhelm. Das Werk ist in insgesamt zehn Spazier- bei, den Sinn dieses Wortes zu bestimmen.« (S. 100)
gänge unterteilt. Diese Gliederung ist allerdings recht Auf dem neunten Spaziergang (S. 102ff.) liefert
willkürlich und entspricht nicht der Anzahl der Erzäh- Herr Gutwill durch die Betrachtung eines Gewitters,
lungen. Während auf den ersten Spaziergängenjeweils verschiedener Tiere, des fruchtbaren Nutzens der Son-
mehrere Geschichten erzählt werden, nimmt die »Ge- nenstrahlen und der Gestirne einen physikotheologi-
schichte des unglücklichen Amtmannes in Littenheim« schen Gottesbeweis.
(S. 59 ff.) insgesamt fünf Spaziergänge in Anspruch. Zwei Geschichten, die Wilhelm auf dem zehnten
Auf dem ersten Spaziergang (S. 25 ff.) erzählt Herr Spaziergang hört (S. 108ff.), verdeutlichen schließlich:
Gutwill die Geschichte einer durch eine Flutkatastro- »Gott ist Dein Vater; es begegne Dir, was es sey, so hat
phe und den Tod des Familienvaters in Not geratenen er Dir es zugeschicket, und es zu Deiner Besserung ver-
Familie, die durch die großzügige Unterstützung eines anstaltet.« (S. I 08)
Fremden vor der Vertreibung aus ihrer Hütte gerettet
wird. Darauf folgt die Geschichte eines pflichtbewuß- Heusinger liefert mit seinem Werk keine um-
653 Baratier, Sittliche Gemälde, 1796 654

fassende Morallehre, sondern nur Moralübungen (s.o.), fehlt gleichsam der »Unterbau«, der den
als Vorbereitung zu einem umfassenden Moral- religionsbezogenen Äußerungen des Werks Ver-
unterricht. Im Mittelpunkt aller Erzählungen ste- ständlichkeit und Klarheit gegeben hätte. Dies
hen die »Pflichten der Gerechtigkeit«. Die Kin- wird besonders deutlich an Heusirrgers Defini-
der sollen ihre sittliche Urteilskraft an den Bei- tionsversuchen der Religion (s.o.) und des religi-
spielen gerechter und ungerechter Handlungen ösen Menschen. Einen religiösen Menschen ma-
schulen. Diesen Zweck verfolgen die Erzählun- chen nach Heusirrger vier Merkmale aus: l) er
gen der beiden ersten Spaziergänge. Sie lehren die denkt »manchmal mit Fleiß« über sich selbst und
Kinderdas Recht bzw. Unrecht verschiedenerTa- seinen Tod nach; 2) er stellt sich dann den himm-
ten zu erkennen und einzuschätzen. Hiermit ist lischen Vater vor, »wie er den Lauf der Dinge so
die Vorbereitung für das dritte Kapitel gelegt: die anordnet, daß der gute, gewissenhafte Mann auf
Kinder lernen, daß die gute Tat um ihrer selbst einmal ein Glück findet, an das er wohl gar nicht
willen verübt werden will, nicht jedoch im Hin- gedacht hat«; 3) er bemüht sich um ein solches
blick auf Verdienst, Belohnung oder Vorteil. Dies Maß von Rechtschaffenheit, daß er Gefallen vor
ist auch der Grundgedanke der »Geschichte des Gott finden kann; 4) er liebt alle Menschen und
unglücklichen Amtmannes von Littenheim«, die erweist ihnen seinem Vermögen nach alle Dienste
im Mittelpunkt des Werkes steht: der Amtmann (S. 99). Hierbei wird ein gewisser Widerspruch zu
verteidigt die Wahrheit und stürzt sich selbst und den inhaltlichen Aussagen des ersten Teils des
die Familie damit in tiefstes Unglück; es wäre ihm Werks deutlich: Einerseits soll die Rechtschaffen-
ein Leichtes, durch eine Falschaussage nicht nur heit nicht mehr um ihrer selbst willen angestrebt
sich und die Familie aus dem Elend zu erretten, werden, sondern um den Lohn der Gottwohlge-
sondern auch eine angesehene Stelle bei Hofe zu fälligkeit; andererseits steht das Denken an Gott
bekommen. Doch er beharrt auf seinem Stand- in engem Zusammenhang mit persönlichem
punkt einzig um der Gerechtigkeit willen, selbst Glück, so daß- auch durch die Zuordnung dieser
wenn dies seinen Tod bedeutet. Deutlich wird beiden Aussagen - eine Kausalkette entsteht, die
hier Heusirrgers Beeinflussung durch Kant: der mit den Aussagen im ersten Teil des Werks nicht
Amtmann folgt dem Pflichtgebot, sittlich zu mehr viel gemein hat: der Mensch bemüht sich
handeln aus keinem anderen Zweck als um der um Rechtschaffenheit, um Gott wohlgefällig zu
Sittlichkeit willen. Heusirrger stellt die Sittlichkeit sein - er findet Gefallen vor Gott - Gott ordnet
in ihrer ganzen Reinheit dar, d. h. als auf die bloße den »Lauf der Dinge« so an, »daß der gute, ge-
Vorstellung der Pflicht gegründet, und glaubt, so wissenhafte Mann auf einmal ein Glück findet«.
einen stärkeren Einfluß auf die Bildung des mora- O.B.
lischen Empfindens der Kinder ausüben zu kön-
nen. In Übereinstimmung mit seiner Schrift Ver-
such eines Lehrbuchs der Erziehungskunst (Leip-
zig 1795), in der er als Zweck der Erziehung nicht 1796
die Glückseligkeit, sondern das »Streben nach
Franrois Raratier (1682-1751):
der Würdigkeit, glückselig zu sein« angibt (vgl.
Grube, 1934, S. 71 ), zielt auch das sittliche Han- Sittliche Gemälde guter und böser Kinder,
deln nicht auf die Erreichung der Glückseligkeit oder Unterhaltungen des Vaters Raratier
ab- es hat seinen Zweck in sich selbst: Heusirrger mit seinem Sohn Philipp.
vertritt das Prinzip der sittlichen Autonomie. Nürnberg 1796
Auf diesem Hintergrund ist seine Beschrän-
kung auf die »Pflichten der Gerechtigkeit« und Die moralischen Beispielerzählungen des Werkes
moralische Vorübungen verständlich und konse- gehen auf die Histoires possibles, ou Caracteres
quent. Im Gegensatz dazu erscheint die Fortset- de bons & de mauvais enfans, composes par Mr.
zung dieser Vorübungen mit der Unterweisung in Raratier le pere, a l'usage de Mr. Raratier le jils
Grundbegriffen der Religion willkürlich, räumt zurück. Raratier hatte sie für seinen damals drei-
doch Heusinger selber ein: »Es wird indessen jährigen Sohn verfaßt. Der deutschen Fassung
noch Jahre kosten, ehe die Vernunft des Kindes von Johann Baibach sind eine kurze Lebensbe-
von selbst sich aus der moralischen Welt zu der schreibung von Philipp Raratier »zum Gebrauch
Idee einer Weltregierung durch Gott, und zu der für Eltern und Lehrer« (S. XI) und Tagebuchauf-
Aussicht nach Unsterblichkeit empor schwingt; zeichnungen des siebenjährigen Kar! Georg von
der Erzieher hätte also noch lange Zeit, sich mit Raumer beigefügt. Baibach möchte mit seinem
seinem Zögling über diese Gegenstände zu unter- Werk »sittliche Vorschriften« an die Kinder her-
halten« (Vorrede, S. XX f.). Durch die Allkoppe- antragen (S. VI). Er betont in der Vorrede zur
lung der Religionsunterweisung an die morali- zweiten Auflage, daß das Werktrotz einiger ge-
schen Vorübungen, die im übrigen auch quer ringfügiger Veränderungen »immer noch eine
steht zu Heusirrgers Ausführungen in der Vorrede wahre Uebersezung der französischen Urschrift«
über die Entwicklung der Gemütsvermögen sei (S. IV). Er begegnet zwei möglichen Einwän-
655 Moralisch belehrende Schriften 656

den zum Plan des Werkes. Zum einen, daß »viel- habe Baratier Griechisch, mit sechs Jahren Hebräisch
leicht doch noch manche Leser dieser Erzählun- erlernt und anschließend »Rabbinisch«, Syrisch, Chal-
gen besorgen möchten; daß die Tugenden, wel- däisch und Arabisch. Im dreizehnten Lebensjahr sei er
che Kindem in diesem Buch gepredigt, oder die mit der Kirchengeschichte und Altertumskunde ver-
traut gewesen und habe sich sodann der Naturwissen-
Fehler und Laster, vor welchen sie darinn gewarnt
schaft zugewandt. Aufgrund seiner Vorträge an wissen-
werden, zu viel auf sinnliche, und hingegen zu we- schaftlichen Akademien in London, Berlin und Paris
nig auf geistige Motive gestüzt wären« (S. V), zum wurde er von der Berliner Akademie als Mitglied aufge-
andem, daß die Erzählungen einen negativen nommen. Eine Audienz bei Friedrich Wilhelm I. ver-
Einfluß auf »die Eigennüzigkeit und Lohnsucht schafft ihm neben der gesellschaftlichen Anerkennung
der Kinder« ausüben könnten (S. VII f. ). Baibach einen beträchtlichen Betrag zur Anschaffung mathema-
hält dem entgegen, daß Kinderzwischen drei und tischer Geräte und ein Stipendium von 50 Talern für die
sieben Jahren stärker auf sinnliche als auf intel- Dauer von vier Jahren. Auf Wunsch des Regenten stu-
lektuelle Anregungen reagierten und zitiert als Be- diert Baratier - trotz entgegengesetzter, eher theologi-
scher Neigungen - in Halle Jura. Jedoch zeigen sich
weis Frans;ois Baratier, der insbesondere auf die
bald die Folgen dieser geistigen Überbeanspruchung:
spielerische Form des Unterrichts bei seinem »Er wurde täglich schwächer; zehrte nach und nach
Sohn hinweist. Zum zweiten möglichen Kritik- gänzlich ab; zeigte, bei mehrern Gelegenheiten, eine
punkt führt Baibach Marmontel an, der davon stufenweise Abspannung aller seiner Seelenkräfte, die
ausgeht, daß Tugend zunächst immer eigennützi- bald ein gänzliches Schwinden derselben ließ, und kurz,
gen Überlegungen entspringe, daß jedoch die Er- er wurde zu einem kraftlosen und lebenssatten Greiß,
fahrung lehre, >»daß der Eigennuz der Tugend, ehe er noch die eigentlichen Jünglings-Jahre erreicht
sich in der Folgezeit, eben so zu läutern und zu hatte. Denn er starb zu Halle am 5. Okt. 17 40 und brach-
veredeln pflegt, wie der Eigennuz der Freund- te also sein ganzes Leben nur auf 19 Jahre, 8 Monate
und 16 Tage.- Ein warnenderBeweiß von den traurigen
schaft«< (S. VIII). Baibach führt weiterhin aus,
Folgen, die eine allzufrühe und unmäßige Geistesan-
daß er das Original insofern geändert habe, als er strengung fast immer nach sich zu ziehen pflegt!« (S.
die Form der Belohnungen für Wohlverhalten in XXIV)
den Erzählungen geändert habe: »So vertauschte Der zweite Teil des Werkes enthält einen Komplex
ich die Zuckerwerke und Näschereyen, womit, im von 30 moralischen Beispielgeschichten (S. 3-64). Sie
Original, die guten Kinder öfters belohnt zu wer- sind so aufgebaut, daß jeweils zwei Erzählungen zusam-
den pflegen, mit nüzlichen Büchern, Kupfersti- mengehören, in denen das positive und das entspre-
chen, Landkarten, oder doch wenigstens mit den chend negative Beispiel vorgestellt werden: »Das eigen-
vielsinnigen und weitumfassenden Ausdrüken sinnige Kind«/»Das zufriedene Kind« (Nr. 111 u. IV);
>von mancherley guten und schönen Sachen, die »Das ruchlose Kind«/»Das gottesfürchtige Kind«
Kindem Nuzen und Vergnügen bringen kön- (Nr. Vu. VI). Der Eingang der Erzählungen erfolgt stets
nen<« (S. IV). In Hinblick auf die Strafen habe er auf die gleiche Weise. Nach Angabe des Ortes wird auf
seine geographische und politische Lage (Zugehörig-
sich ebenfalls »einige andere Freiheiten« genom- keit zu Monarchie oder Republik) und auf die Art der
men, und zwar dort, »wo mir die Belohnungen Stadt eingegangen (Haupt-, Residenz- oder Handels-
oder Bestrafungen etwas unschicklich gewählt, stadt). Ebenso schematisch erfolgt die Vorstellung der
und für unsere Zeiten, oder den jetzt herrschen- Hauptperson, eines Kindes, das jedermann aufgrund
den pädagogischen Geschmak, allzuanstößig zu seiner Charaktereigenschaften »gewöhnlich den eigen-
seyn schienen« (S. IVf.). sinnigen Peter (S. 7)/ den ruchlosen Alexander (S. II) I
den frommen Timotheus (S. 13)/den schmutzigen Ni-
Das Werk läßt sich in drei Teile gliedern. Es be- kolaus (S. 15)/ die artige Karoline nennt« (S. 17). Die
ginnt zunächst mit der kurzen Lebensbeschreibung von Folgen tugendhaften oder lasterhaften Verhaltens wer-
Jean-Philippe Baratier (1721-1740), dem die Sittlichen den am Schluß jeder Erzählung stets in Form von Beloh-
Gemälde zugedacht waren (S. XIll-XXV). Baibach nungen oder Strafen aufgezeigt. Folgsame Kinder er-
gibt weitere Werke an, in denen die Lebensgeschichte halten Zuckerwerk, Geld oder Bücher, werden beim
Raratiers aufgeführt wird (Jöcher/ Adelung; Ladvocat; König empfangen und genießen das Wohlwollen von
Formey). Baratier zeichnete sich- so Baibach- insbe- Prinzen und Prinzessinnen. Die Folgen negativer Ver-
sondere durch »seine treflichen Talente« aus, seinen haltensweisen werden häufig in drastischer Weise ge-
»unermüdeten Eifer« und eine »brennende Wißbegier- zeichnet. Es passieren z. T. tödliche Unfälle aus Unacht-
de« (S. XIV). Schon im Alter von drei Jahren habe er samkeit, aber es wird auch harten, wenn nicht gar grau-
große Fertigkeiten im Lesen besessen, konnte im vierten samen Erziehungsmaßnahmen von seiten der Eltern
Lebensjahr bereits deutsch und französisch und im das Wort geredet.
fünften Jahr lateinisch sprechen. Diese Kenntnisse habe Der letzte Teil des Buches enthält »Auszüge aus
er dadurch erlangt, daß er »von Jugend auf dazu ange- dem Tagebuch eines siebenjährigen Knabens« (S.
wöhnt wurde, mit seinem Vater lateinisch, mit seiner 65-72). Es handelt sich hierbei um kurze Betrachtungen
Mutter französisch, und mit den Domestiken, in seiner des siebenjährigen Kar! Georg von Raumer zu den von
Eltern Hause, deutsch zu sprechen. Doch geschah es - Eltern, Verwandeten und Lehrern vermittelten Tugen-
wenigstens zum Theil - auch aus den Büchern oder den wie Frömmigkeit, Bescheidenheit, Gefälligkeit,
schriftlichen Aufsäzen, unter welchen vorzüglich, nach Entschlossenheit und Folgsamkeit.
der Versicherung seines Vaters, die >Sittlichen Gemäl- Die erste Auflage der Sittlichen Gemälde enthält
de< gute Dienste leisteten.« (S. XVII) Mit fünf Jahren zusätzlich einige Briefe des jungen Raumer. Baibach
657 Baratier, Sittliche Gemälde, 1796 658

merkt hierzu an, daß diese bei der zweiten Auflage nicht der Furcht wird sich schon von selbsten mit der
berücksichtigt worden seien, »weil der Umstand, daß Schwachheit seines Alters verlieren, und nicht zu
sie wahre Originale eines siebenjährigen Knaben sind, befürchten seyn, daß davon Spurenbey ihm übrig
ihnen schwerlich so viel Werthund Interesse verschaf-
bleiben werden.« (zit. n. Campe, S. 323 f.) Rara-
fen kann, als ihre etwas steifen Formalien, in unsernZei-
ten, Anstoß und Aergerniß geben würden« (S. X). Diese tier empfiehlt darüber hinaus strenge Erziehungs-
Briefe wurden erstmals 1761 von Raumerveröffentlicht maßnahmen von seiten der Eltern, um ihre Kin-
als Leures allemandes ecrites franfaises a l'age de sept der zu bessern. So wird in der Erzählung »Das
ans. mürrische Kind« (Nr. XIII) die Tochter Kathari-
ne von ihren Eltern schließlich ins »Arbeitshaus«
Die Erfolge, die Fran~is Baratier bei der Er- geschickt, »um sie verständiger zu machen« (S.
ziehung seines Sohnes Jean-Philippe hatte, lösten 28). Der »widerspänstige Ludwig« (Nr. XVII)
heftige Diskussionen unter den Pädagogen in wird einem Soldaten mitgegeben, »der ihn mit
Deutschland aus. So befaßte sich auch J. H. Cam- sich in den Krieg führte, wo er vieles Ungemach
pe im ersten Teil seiner Sammlung einiger Erzie- erdulden mußte, und endlich durch eine Kano-
hungsschriften (1778) mit den Lehrmethoden Ba- nenkugel erschossen wurde« (S. 36). Für Rara-
ratiers, den er in Hinblick auf den Leselernunter- tiers Erziehungsgrundsatz, daß er seinen Sohn
richt als seinen »Vorgänger« bezeichnet (S. von anderen Kindem femhalte, »um die gar zu
143 ff.). Campe druckt sodann kommentierte große Zerstreuung des Gemüths, und das wilde
Auszüge aus Raratiers Schrift Merkwürdige Nach- Leben zu verhindern« (zit. n. Campe, S. 325), fin-
richt von seinem sehr frühzeitig gelehrten Sohne det sich in der Erzählung »Das eingezogene
ab, die sich insbesondere mit dem Lateinunter- Kind« (Nr. XXVIII) ein Beispiel. Hier heißt es:
richt befassen. »Er war so klug und gesezt, daß er niemals Lär-
In besonderem Maße heißt er Raratiers Me- men verursachte, und immer zu Hause blieb, oh-
thode gut, die darauf abzielt, das Lernen niemals ne jemals auf der Straße spielen zu wollen. Er
erzwingen zu wollen, sondern den Kindem fast konnte sich daheim so gut beschäftigen und un-
unbemerkt und spielerisch in Form von Gesprä- terhalten, daß er gar keiner Gesellschaft nöthig
chen Kenntnisse zu vermitteln und das Interesse hatte.« (S. 57) Campe tritt einer solchen Auffas-
am Lernen zu wecken. Auch Baibach geht in sei- sung entschieden entgegen und weist auf die
ner Bearbeitung der Sittlichen Gemälde darauf »Schädlichkeit« und die >>Unausbleiblich schlim-
ein und zitiert einige Passagen aus Raratiers men Folgen« dieser Vorgehensweise hin, »wel-
Werk; es enthalte »einen wahren Schaz von ächt che eine einsame Erziehung, ohne jugendliche
pädagogischen Bemerkungen«, die jedoch, »als Gespielen, auf die edelsten Triebe der Mensch-
sie späterhin - freylich mit mehrerm Geräusch - heit in den jungen Seelen der Kinder nothwendig
in modernen Erziehungsschriften wieder zur haben muß« (S. 325).
Sprache kamen, nur allzuoft als unerhörte Neu- Raratiers Erziehungsmaßnahmen resultie-
heiten angestaunt, oder auch als das non plus ultra ren aus der Absicht, zum frühestmöglichen Zeit-
der pädagogischen Weisheit bewundert« wurden punkt mit dem Unterricht der Kinder beginnen zu
(S. XVII). können. So führt er denn auch in seinen Beispie-
Campe kritisiert jedoch heftig diejenigen lerzählungen seinem Sohn die Folgen der Unwis-
Methoden Baratiers, die auf Angsterzeugung be- senheit vor Augen (Nr. XI). Er beschreibt hier ei-
ruhen, wie sie sich auch in den meisten Ausgän- nen Jungen, der »weder Fabeln noch Erzählun-
gen der Erzählungen niederschlagen. So werden gen« kannte, »weder etwas französisch noch la-
Kinder von Mühlrädern zerquetscht (Nr. V), ver- teinisch« verstand >>Und, was das schlimmste
giften sich (Nr. XXI), stürzen aus dem Fenster war, [ ... ] weder etwas deutliches von Gott« wuß-
(Nr. XXIII), verbrennen (Nr. XXIV), werden von te; »noch hatte er zu ihm bethen gelernt, oder sich
Kutschen überfahren (Nr. XXVII) oder von ei- einen Spruch aus der Bibel bekannt gemacht; so
nem Hundgebissen (Nr. XXIX), so daß sie »nach daß er fast war wie ein Thier« (S. 23). Da seine
einigen Tagen, in fürchterlicher Raserey« sterben Unwissenheit vom König bemerkt wird, jagt die-
müssen (S. 60). Baratier führt hierzu aus: »Ich ge- ser den Jungen schließlich aus seinem Schloß.
stehe auch, daß ich, um ihm alle Lust, allein aus- Diese Erzählungen sollen die gleiche Funktion er-
zugehen, zu benehmen, mir keinen Skrupel ma- füllen wie die Warnungen und praktischen Bei-
che, [ ... ] mich der Schwachheit seines Alters zu spiele, die Baratier seinem Sohn vor Augen führt.
bedienen, indem ich ihm eine Furcht vor den In seiner Merkwürdigen Nachricht heißt es hier-
Hunden, Prerden, Schornsteinfegern und derglei- zu: »Damit er [ ... ] allen Appetit verlieren möge,
chen mache, odertraurige Begebenheiten von wil- denen Kindem nachzuthun, die er stets auf den
den Kindem erzähle, als ob dieses von einem Gassen durch das Fenster sieht, so zeige ich ihm
Prerde geschlagen, jenes von einem Ochsen gesto- ihre Thorheiten, Unflätereyen, Unvorsichtigkeit,
ßen, ein anderes von einem Hunde gebissen, ein Verwegenheit, die Gefahr, darein sie sich zuwei-
anderes von Räubern oder Schonsteinfegern auf- len setzen, die Streitigkeiten, Zänkereyen, Schlä-
gefangen worden und dergleichen[ ... ] Diese Art gereyen und das Weinen[ ... ] und frage ihn als-
659 Moralisch belehrende Schriften 660

dann: was er von diesen Kindem denket, ob er eine angenehme Häuslichkeit schaffen könnten.
wohl an ihrer Stelle seyn wollte, oder gern sähe, (1, s. 232).
daß ihm auch dergleichen, wie diesem oder je- Intention des Verfassers ist es, seine Leserin-
nem, widerfahren möge? worauf er dann mit nen auf den »hohen Beruf einer Gattin, einer
Nein! antwortet, daß ihn Gott davor bewahren Mutter, einer Hausfrau« (1, S. 14) vorzubereiten
wolle! Ja, er selbst ziehet ihre Thorheiten auf seine bzw. sie damit besser, als sie bereits wissen, be-
Art gar spitzig durch.« (zit. n. Campe, S. 323) kannt zu machen. Im Gegensatz zum Jüngling
Obwohl Campe den überwiegenden Teil der werde nämlich beim Mädchen die Vorbereitung
Methoden beim Unterricht vonJean-Philippe Ba- auf den Beruf sträflichst vernachlässigt: »Sie sol-
ratier gutheißt, so kann er jedoch die auf Angster- len Meisterinnen seyn, ohne daß sie je Schülerin-
zeugung beruhenden, in Zurückgezogenheit, nur nen waren« (1, S. 5). Zwar könne das Mädchen
der verstandesmäßigen Bildung gewidmeten Er- noch mehr als aus einem Buch von einer vorbildli-
ziehungsvorstellungen Baratiers nicht teilen, da chen Mutter lernen, doch nicht alle Mütter seien
diese Methoden »bloß darauf abzielten, die Kin- in jeder Hinsicht so, »wie sie seyn sollten« (ebd.).
der, aufKosten ihres sittlichen Werths, zu armse- Viele Mütter machten die Tochter nur mit einer
ligen, an Leib und Seele verwahrlosten Vielwis- Seite ihrer Bestimmung bekannt, den Aufgaben
semzumachen« (S.326). H. der Hausfrau, nichtjedoch mit denen der Mutter
und der Gattin (nämlich der Kunst, »wie man sich
die Liebe eines Gatten erhält«) (1, S. 6). Gerade
die »geistvollsten Mütter« ließen außerdem, da
sie selbst so beherrschend seien, ihren Töchtern
1798 am wenigsten »Spielraum« zur »ungehemmte(n)
Johann Ludwig Ewald (1747-1822): Uebung ihrer Kräfte« (1, S. 7).
Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Besonderes Anliegen des Verfassers ist es,
seinen Leserinnen ihren »künftigen Beruf recht
Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden.
wichtig und heilig zu machen« (1, S. 11). Nur
Ein Handbuchfür erwachsene Töchter, wenn der Mensch »die Größe und Wichtigkeit
Gattinnen und Mütter. 2 Bände. seines Berufs« empfindet, wenn er fühle, daß er
Bremen 1798 »am Wohle der Menschheit und für den besseren
Theil des Menschen, [ ... ] daß er als Bild, Reprä-
Adressaten von Ewalds Schrift sind die eigenen sentant, Gehülfe Gottes arbeite«, sei sein »ganzer
Töchter des Autors (die bereits außer Hause sind) Geist, sein ganzes Herz« dabei und jede Hand-
sowie andere »erwachsene« Töchter (solche, die lung »erhöht, veredelt, geheiligt« (1, S. 9 f.).
bereits kurz vor ihrer Verheiratung stehen, und
solche, die noch ihre Mädchenzeit genießen), Das Buch ist nach Vorlesungen ( = Kapiteln) ge-
schließlich Frauen, die schon verheiratet, ja, so- gliedert. Das 1. Bändchen enthält die 1. bis 10. Vorle-
gar bereits Mütter sind. Die soziale Zugehörigkeit sung, das 2. Bändchen die 11. bis 14. Vorlesung.
Nach einer Darstellung der Verfasserintentionen
wird nicht explizit angegeben. Aus dem Inhalt
in der 1. Vorlesung folgen grundlegende Erörterungen
läßt sich jedoch entnehmen, daß es sich primär zur Natur des weiblichen Geschlechts im Unterschied
um Mädchen und Frauen aus dem gehobenen zum männlichen Geschlecht sowie Ausführungen zur
Bürgertum handelt. So werden die Leserinnen weiblichen Bestimmung im allgemeinen. Anschließend
vom Autor als »nicht ungebildet« vorgestellt (1, werden speziellere Themen behandelt: die der Mäd-
S. 1) und auch als solche behandelt (wie sich aus chenzeit angemessenen Verhaltensweisen und Eigen-
den häufigen Verweisen auf die verschiedensten schaften (5. Vorlesung), die Bedeutung der Religion für
Schriftsteller ergibt). Sie werden in einem sozialen das weibliche Geschlecht (6. Vorlesung), das richtige
Milieu vorgestellt, in dem sie genügend Dienstbo- Verhalten im Brautstand (7. Vorlesung). Die folgenden
Vorlesungen thematisieren nacheinander die dreifache
ten zur Verfügung haben und die Hausarbeit nur
Bestimmung der Frau: den Beruf der Gattin (8.-11.
noch zu organisieren brauchen. Zur Hauswirt- Vorlesung), den der Mutter(l2. und 13. Vorlesung) und
schaft selbst werden »Haus, [ ... ] Gärten, [ ... ] den der Hausfrau ( 14. Vorlesung).
Felder, [ ... ] Viehstand« gerechnet (II, S. 203). Bei der Schrift handelt es sich um eine moralische
Als Berufstätigkeit des Ehemannes wird an einer Abhandlung, in der die künftige Bestimmung des Mäd-
Stelle vorgestellt, daß er »einsam auf seinem chens auf direktem Wege in Form von Vorlesungen ver-
Komptoir oder an seinem Schreibpult sitzt« (1, S. mittelt wird- ohne die Einbettung in eine fiktive Vater-
233). Auch scheinen Leserinnen aus dem niedri- Tochter-Beziehung wie im elterlichen Rat. Reste des el-
gen Adel zumindestens nicht ausgeschlossen zu terlichen Rates finden sich, wenn der Autor allen Lese-
rinnen seine väterliche Liebe versichert und beteuert,
sein. Freilich schreibt Ewald nicht für die »große
daß er »jedes Mädchen, die etwas von mir annehmen
Welt«, deren Lebensvorstellungen von ihm kriti- mag, [ ... )wie eine Tochter« ansehen werde. Umgekehrt
siert werden: In ihr seien die Frauen »schamlos« erhoffe er sich, daß auch die Leserinnen »mit einem sol-
genug, sich nur amüsieren zu wollen, anstatt dar- chen Tochtergefühle« seine Vorlesungen lesen möchten
auf zu sinnen, wie sie dem hart arbeitenden Mann (1, S. VI). Dennoch besteht zwischen Autor und Lese-
661 Ewa1d, Die Kunst, 1798 662

rinnen eine größere Distanz als im elterlichen Rat, wie Mann als Nebenbuhler betrachtet, statt geliebt zu
sich z. B. deutlich in der Sie-Anrede ausdrückt. werden; damit wirke sie nicht, »wie ein Weib zu
In die moralische Abhandlung eingebettet sind wirken [ ... ] bestimmt ist« und werde zu einem
Gedichte und Lieder (1, S. 57-59, I, S. 120-128, I,
»unnützen Glied in der menschlichen Gesell-
S. 180-183), Briefe (Brief eines Vaters an seine Tochter
im Brautstande: I, S. 153-174), Reden (»Aus einer schaft, ein Auge, das nicht sehen, ein Ohr, das
Traurede«: I, S. 174-180), Beispielgeschichten (1, nicht hören kann« (1, S. 21 ).
S. 198-210, II, S. 1-117) und sonstige Prosa (Auszug Neben den Einfluß Rousseaus tritt über die
aus Jean Pauls Hesperns: I, S. 129). Längster Einschub Idealisierung der schönen Weiblichkeit der Ein-
ist die Erzählung »Der gewonnene und gebesserte Gat- fluß des Neuhumanismus bzw. der deutschen
te« (II, S. 1-117), die in ihrem I. Teil aus einer Beispiel- Klassik. Abgeleitet werden die moralisch schönen
geschichte und in ihrem 2. Teil aus einer Briefsammlung Eigenschaften der Frau wieder aus der weibli-
besteht. Die Einstellung des Autors zu seinen Erzählun- chen Physiologie: Die Frau habe ein bewegliche-
gen und Gedichten ist zwiespältig: Einerseits glaubt er,
res Nervensystem als der Mann; dies sei eine
durch Darstellung einzelner Figuren und Situationen
die Leserin besser in ihrer eigenen Individualität anspre- »Anlage zu ihrer Veredlung und zu ihrer Ver-
chen zu können als auf einer allgemeinen Ebene; ande- führbarkeit« (I, S. 23). Ziel der weiblichen Erzie-
rerseits mißtraut er allem Fiktionalen, indem er fürchtet, hung müsse es sein, »jedes Mädchen vom Han-
seine Leserinnen könnten dabei nur ihre Einbildungs- deln in der Ersten Bewegung abzuhalten« (1,
kraft beschäftigen, ohne aus den Geschichten eine S. 26). Wenn die Frau dabei gleichzeitig ihre
Nutzanwendung für ihr eigenes Leben zu ziehen. Empfänglichkeit für edle Gefühle ausbilde, wer-
de sie »der feinere, menschlichere, liebevollere,
Ausgangspunkt von Ewalds Betrachtungen also natürlich, der bessereTheil des Menschenge-
über die Frau ist der »Unterschied«, den die Na- schlechts« (1, S. 24) sein. Die Frau wird damit zur
tur selbst in der Bildung des weiblichen und unse- Trägerinder Humanitätsidee: Sie ist es, die mehr
rem Geschlechte gezeichnet hat« (1, S. 14). Damit als der Mann von dem »Ausdruck des Wohlwol-
wird das Paradigma des weiblichen »Geschlecht- lens, der sanfteren theilnehmenden Menschlich-
scharakters« explizit zur Grundlage und zum keit« (1, S. 15) bestimmt ist. Dieser Vorrang der
Hauptbezugspunkt der Argumentation genom- Frau wird an einer Stelle noch einmal grundsätz-
men. Ewald lehnt sich dabei- z. T. ausdrücklich- lich ausgesprochen: Die Frau sei aufgrund ihres
an Rousseau an. Das Weib soll so sein, wie die beweglicheren Nervensystems »perfektibler« als
Natur will, daß das Weib sei; »alles was das weib- der Mann; denn ihre Erkenntnisart sei »angebor-
liche Geschlecht bezeichnet, muß verehrt werden, ner, geistiger, genialischer« als die des Mannes,
wie eine Einrichtung von ihr [der Natur, d. Red.]« bei dem sie auf Mühe, Nachdenken und Fleiß ge-
(1, S. 16). Im Gegensatz zu Rousseau leitet Ewald gründet sei (1, S. 31 ). Dadurch stehe die Frau den
den Geschlechtsunterschied jedoch nicht aus Göttern näher als der Mann: auch »der göttliche
dem Geschlechtsakt ab, sondern aus dem unter- Genius eiforscht nicht, sondern sieht; die Götter
schiedlichen Körperbau von Mann und Frau. So tun alles ohne Mühe.« (I, S. 31)
wird aus dem schwächeren Körper der Frau auf Neben der Idealisierung der Frau wird an ih-
das Merkmal der weiblichen Passivität geschlos- rer Abhängigkeit vom Mann jedoch weiterhin
sen: Dieser weise darauf hin, daß die Frau nicht festgehalten, ja, ihre eingeschränkten Lebensver-
dazu bestimmt sei, »zu drohen, zu trotzen, sich hältnisse mit großer Offenheit ausgesprochen.
mit Gewalt durchzusetzen, was Ihr Kopf will«, Zentrales Verbindungsglied zwischen Idealisie-
sondern daß sie »zum stillen Dulden« gemacht rung und Festlegung auf die alte Abhängigkeit ist
sei (1, S. 17 f. ). Ähnlich lapidar wird aus der feine- die Vorstellung von der weiblichen Liebesfähig-
ren Beschaffenheit des Gesichts geschlossen, daß keit, die zur Selbstaufgabe der Frau, zur liebenden
das Weib »zu einer eigentlichen Denkerin« nicht Unterwerfung unter den Mann uminterpretiert
bestimmt sei: »Sie soll erblicken, ahnden, empfin- wird. Daraus werden dann in einem weiteren
den; nicht forschen, grübeln, Begriffe spalten. Sie Schritt die weiblichen Eigenschaften der Duld-
empfängt Wahrheit nicht durch Schlüsse, son- samkeit, des stillen Leidens, der Selbstverleug-
dern durch einen gewissen Takt, eine gewisse In- nung und Aufopferung abgeleitet.
spiration des Gefühls« (1, S. 19). Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusam-
Ewald lehnt sich eng an Rousseaus Vorstel- menhang auch die Religion. Zum einen heißt es,
lung einer starren Geschlechterpolarität an: Die daß die Frau der Religion in einem ganz besonde-
Frau könne von dem Mann, dem zu gefallen sie rem Maße bedürfe, weil sie nur so die größeren
bestimmt sei, nur geliebt werden, wenn sie »etwas Beschwerlichkeiten ihres Lebens ertragen könne.
Anders« sei als er, während er »haben« müsse, Daneben tritt jedoch wieder das Argumentations-
»was das andere nicht hat«; wenn der Mann mit muster von den idealen Eigenschaften der Frau
einer Denkerin zusammenlebe, lebe er deswegen als sanfter und liebender Weiblichkeit: Diese Ei-
gleichsam nur mit sich selbst zusammen, und das genschaften könne die Frau nur mit Hilfe des
sei für ihn nicht anziehend (1, S. 20). Außerdem Christentums ausbilden und vertiefen; die Ideale
werde eine Frau, die eine Denkerin sei, vom der Liebe und des Vertrauens, auf denen das
663 Moralisch belehrende Schriften 664

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Ewald, Johann Ludwig: Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu wer-
den. -Bremen 1798 (Nr. 267). Titelblatt mit Kupferstich-Frontispiz von J. Penzel

Christentum gegründet sei, seien gleichzeitig die S. 25 f.). Von hier aus erscheint gerade diejenige
Eigenschaften echter Weiblichkeit. Frau als Leitbild für den Mann, die, als Vernunft-
Die Frau als Wesen, das sowohl für edle Ge- wesen handelnd, sich selbst überwindet (1, S. 24).
fühle als auch für sinnliche Begierden empfängli- Von dieser Position aus gelangt Ewald wieder zur
cher ist als der Mann, erreicht die ihr mögliche Tugenderziehung der Aufklärung; seine Rat-
Vervollkommnung durch Unterdrückung der Be- schläge, wie man im alltäglichen Leben Untugen-
gierden und durch Ausbildung der edlen Gefüh- den wie mürrische Laune, Neid und Eitelkeit be-
le. Aus dieser Ewaldschen Konzeption ergibt sich kämpfen kann, zielen sämtlich auf Handeln aus
ein Grundwiderspruch seines Frauenbildes. Ei- moralischem Selbstzwang ab. - Wie sich zeigen
nerseits ist die Frau als sanfte, echte Weiblichkeit läßt, sind die Schwierigkeiten bzw. Widersprü-
gerade dadurch edel, daß sie nicht aus Pflicht, che, die sich aus der Vorstellung von der Frau als
sondern aus Neigung das Gute tut, indem sie gar unschuldigem Naturwesen ergeben, bereits in
nicht anders kann, als so zu handeln, wie sie han- Schillers Aufsatz Anmut und Würde angelegt, an
delt; gerade in dieser Ganzheit, in dieser Identität den Ewalds Formulierungen teilweise erinnern
von Gefühl und Handeln besteht ihre Stärke ge- und den Ewald offensichtlich gekannt hat (vgl.
genüber dem grübelnden, in sich zerrissenen Grenz, 1981 ).
Mann, der nur aus Vernunft tugendhaft handeln Die Erziehung des Mädchens wird, wie be-
kann (I, S. 27, 42). Andererseits wird von der Frau reits der Aufbau von Ewalds Schrift zeigt, streng
als Wesen, das mehr von der Sinnlichkeit und der auf ihren künftigen Beruf als Gattin, Mutter und
Einbildungskraft bestimmt ist als der Mann, ver- Hausfrau ausgerichtet, der wiederum aus dem
langt, daß sie diese bekämpft. Sie, die gelobt wird, weiblichen »Geschlechtscharakter« abgeleitet
weil sie ein besonders feines Gefühl für die gehei- wird. Damit übernimmt Ewald trotzseines ande-
men Wünsche anderer Menschen hat, für ver- ren Ansatzes schließlich doch das Erziehungs-
steckte Gefahren, die ein Mann niemals sehen prinzip des Philanthropismus: Der Zögling wird
würde, wird dazu aufgefordert, ihren Gefühlen zu nicht im neuhumanistischen Sinne zum universel-
mißtrauen, sie so abzublocken, daß sie ihnen nie- len Menschen gebildet, sondern auf seinen künfti-
mals spontan auf den ersten Impuls hin folgt (1, gen Beruf vorbereitet. Gleichzeitig wird freilich
665 Ewald, Die Kunst, 1798 666

an dem neuhumanistischen Anspruch der Ausbil- Ist diese Voraussetzung gegeben, kann der Mann
dung des ganzen Menschen festgehalten, indem bei ihr seine »besten Ideen« entfalten, seine
die weibliche Bestimmung selbst als einer derbe- »schönsten Empfindungen« ergießen und »seine
vorzugten Berufe aufgefaßt wird, in denen es dem besten, menschlichsten Stunden« verleben; er
Menschen möglich ist, sich als ganzer Mensch kann sich »ganz öfnen und geben [ ... ], wie er ist«
einzubringen und zu verwirklichen. (I, s. 62f.).
Im Gegensatz zu Campes Väterlichem Rath, Die von der Frau verlangte mütterlich-lie-
wo von der Frau noch gleichgewichtig sowohl bende, alles verzeihende Hingabefähigkeit wird
Hausarbeit wie bestimmte Tugenden verlangt von Ewald am deutlichsten in der Beispielerzäh-
werden, hat sich bei Ewald das Verhältnis zugun- lung »Der gewonnene und gebesserte Gatte« vor-
sten der emotionalen Leistungen verschoben. geführt (II, S. l-117). Einem Baron, der sich lei-
Vorrangig sind der Beruf der Mutter und der Gat- denschaftlich in eine italienische Gräfin verliebt
tin; die Tätigkeit der Hausfrau folgt erst an unter- und von dieser um einen Großteil seines Vermö-
geordneter Stelle, und zwar in einem Kapitel, das gens betrogen wird, wird von seiner Frau, obwohl
nur 22 Seiten einnimmt (bei einem Gesamtum- er sich gänzlich von ihr zurückgezogen hat, nicht
fang der Schrift von etwa 470 Seiten). Zwar heißt nur verziehen, sondern er wird von ihr auch vor
es, daß die Frau keine ihrer drei Bestimmungen Schmach und Schande gerettet. Durch ihre auf-
vernachlässigen solle; im Zweifelsfall soll sie je- opfernde Liebe gerührt, wendet sich der Mann
doch lieber ihre Hausfrauenpflichten zurückstel- seiner Frau wieder in Liebe zu.
len als ihre Pflichten gegenüber Mann und Kin- Die eigentliche Geschichte schließt mit dem
dern (II, S. 196) und jegliche »Haushälterinnen- Ausblick auf das häusliche Glück, das beide in
pedanterie« vermeiden (I, S. 230). So ist es besser, ländlicher Einsamkeit genießen. In der Fortset-
lieber einmal den Kochtopf überlaufen zu lassen zung, einer längeren Briefbeilage, versucht der
als den Mann bei der Mitteilung seiner schönsten Autor, aus der Perspektive eines zu Besuch wei-
Gefühle zu unterbrechen (1, S. 229f.). Damit die lenden Gastes zu schildern, was die Frau tut, um
Vernachlässigung der Haushaltspflichten aber dieses Glück zu erhalten. Wichtigste Vorausset-
nicht zu oft vorkommt, müsse die Frau die Haus- zung dafür ist, daß sie es versteht, dem Manne im-
arbeit so organisieren, daß sie auch ohne ihr stän- mer wieder neu zu gefallen. Dazu gehören nicht
diges Dabeisein - wie eine einmal aufgezogene nur gebildete Gespräche und die liebende Unter-
Uhr - funktioniere (II, S. 196); dadurch bleibe ordnung unter den Mann, sondern auch Eigen-
der Frau genügend Zeit für ihre anderen Pflich- schaften, die die erotische Spannung zwischen
ten. den Ehepartnern lebendig halten sollen- Anmut,
In den Pflichten der Mutter und Gattin sieht Schönheit, geschmackvolle Kleidung, eine wit-
Ewald die eigentliche Erfüllung der Natur der zig-leichte, scherzende Unterhaltung, in der die
Frau. Selbst die unverheiratete Frau, mit deren Frau mit ihrem eigenen Mann kokettiert, und ins-
Schicksal er sich als einer der wenigen Autoren gesamt die Bereitschaft, immer für die Abwechs-
der Mädchenliteratur des 18. Jahrhunderts aus- lung des Mannes zu sorgen, so daß bei ihm nie-
einandersetzt, kann dadurch, daß sie bei anderen mals das Gefühl der Langeweile und Monotonie
Kindern Mutterstelle vertritt, »den größten Theil aufkommt. Damit hat sie den einzigen Fehler, der
des wichtigen, weiblichen Berufs« erfüllen (I, sie noch daran hinderte, eine vollkommene Gat-
S. 82); als Haushälterin dagegen könne sie, die tin zu sein, abgelegt: Sie, die am Anfang ihrer Ehe
zum Lieben bestimmt ist, ihre edleren Gefühle zwar eine schöne, gebildete, liebende Ehefrau
nicht befriedigen. war, ihren Mann aber langweilte, weil sie »sich in
Noch wichtiger als der Beruf der Mutter ist Allen immer gleich blieb« (II, S. I 0), und ihn auf
für Ewald die Bestimmung als Gattin, der quali- diese Weise letztlich in die Arme der italienischen
tativ und quantitativ gesehen der zentrale Stellen- Gräfin trieb, ist nun »aus ehelicher Liebe, was die
wert zukommt. Um diese angemessen zu erfüllen, Gräfin [ ... ] aus Koketterie gewesen war- alle Ta-
muß die Frau sowohl mütterlich-fürsorgliche Ei- ge neu, und alle Tage auf eine andere Art reizend«
genschaften (bis hin zur Selbstverleugnung) ha- (II, S. 35 f.). Eine solche vollkommene Gattin ist
ben als auch erotische Qualitäten und ein be- imstande, dem Manne das Paradies auf Erden zu
stimmtes Maß an Bildung. So kann die Frau, um bereiten: Der Gast, verzückt über das häusliche
dem Mann zu gefallen, dies nicht allein aufgrund Glück, das er miterlebt, glaubt sich in das goldene
ihrer Schönheit, sondern nur, wenn sie auch »ih- Zeitalter versetzt (I, S. 65); Platos Vorstellung,
ren Geist mit schönen Kenntnissen« ausgebildet daß Mann und Frau ursprünglich ein Wesen ge-
und »ihrem Herzen die sanften Empfindungen wesen seien, scheint ihm in der Harmonie, in der
der feineren Menschlichkeit« zu eigen gemacht die Baronin mit ihrem Mann lebt, wieder lebendig
hat (I, S. 85). Nur so kann sie dem Mann eine ver- zu werden (II, S. 42).
ständnisvolle Gesprächspartnerin sein und an al- Die Vorstellung von der bürgerlichen
lem »Guten, Edlen, Schönen« teilnehmen, wo- Liebesehe, die Ewald hier propagiert, ist von ihm
von der Mann mit ihr sprechen möchte (I, S. 199). in charakteristischer Weise uminterpretiert wor-
667 Moralisch belehrende Schriften 668

den. Statt eines wechselseitigen Gebensund Neh- tenlehre versteht Thieme dagegen als Hinleitung
mens wird die Platonische Einheit dadurch ver- der jungen Menschen zum richtigen Urteilen;
wirklicht, daß allein die Frau alles tut, um den dies könne am ehesten »durch mitgetheilte Be-
Mann glücklich zu machen; dem Manne fällt nur trachtungen geschehen« (Vorrede, S. 4). Hierin
die Rolle zu, sie wiederzulieben. Trotzdem bleibt liegt die Aufgabe der vorliegenden Betrachtun-
der Stellenwert, der den erotischen Eigenschaften gen, denen Thieme die Bezeichnung Aufmunte-
der Frau zugemessen wird, bemerkenswert. Bei rungen gibt, »weil dadurch das junge Gemüth
aller Selbstaufopferung, die von der Frau verlangt zum eignen Denken über sittliche Gegenstände
wird, bedeuten sie schließlich, daß die Ehefrau und zum eigenen Fleiße in der sittlichen Bildung
nicht nur aufgrund ihrer Tugend geachtet, son- aufgemuntert werden soll« (ebd.).
dern von ihrem Mann auch als Frau begehrt und Dem möglichen Einwand, die Betrachtun-
geliebt wird. gen seien für den erklärten Zweck unbrauchbar,
Die Kunst ein gutes Mädchen [ . .. ] zu werden er- weil »dergleichen trockene Betrachtungen für
schien 1804 in der 3. Auflage, 1807 in einer vermehrten Jünglinge von herrschender Sinnlichkeit wenig
und verbesserten 4. Auflage in 3 Bänden und 1826 in ei- Interesse« hätten (ebd.), begegnet Thieme mit
ner 5., von F. Jacobs herausgegebenen Auflage, eben- dem Hinweis: »Ich gebe das zu, doch mit dem
falls in 3 Bänden. Vorbehalte, daß im Charakter des Jünglings die
Nach Doering (1830, S. 49) hat Ewald selbst das Sinnlichkeit nicht durchaus als herrschend vor-
Gute Mädchen zusammen mit dem Guten Jüngling und ausgesetzt werden darf. Wenn durch die ganze Er-
einer weiteren Schrift für das Beste gehalten, was er ge- ziehung die Herrschaft der Sinnlichkeit gemässigt
schrieben hat. Von spätaufklärerischer Seite wurde das
Buchaufgrund seines anderen Frauenbildes negativ be-
und das sittliche Interesse belebt worden ist; so
urteilt: Die Auffassung, daß die Frau Wahrheit mehr kann man darauf rechnen, daß die Aufmerksam-
durch Inspiration des Gefühls als durch Schlüsse emp- keit der jungen Gemüther auch durch Betrachtun-
fange, daß ihre Sittlichkeit Natur sei und nicht Tugend, gen gereizt wird, besonders wenn diese nicht ganz
wurde als »Erniedrigung des Weibes« getadelt (Neue im Ton einer einschläfernden Predigt abgefaßt
Allgemeine Deutsche Bibliothek, Bd. 49, S. 545, zit. nach sind.« (Vorrede, S. 4f.)
Kluckhohn, 1922, S. 311 ). G. Die Aufmunterungen stellen eine Sammlung
kurzer Ansprachen dar, die Thieme in seiner
Schulpraxis an Stelle der sonst den Unterricht ein-
leitenden »Gebetsformeln« hielt, »die von einem
1798 Schüler aus dem Gedächtnisse hergeschnurrt
Kar/ Traugott Thieme (1745-1802): oder abgelesen werden« (Vorrede, S. 5). Den
Aufmunterungen zum vernünftigen Nutzen dieser Ansprachen beschreibt Thieme mit
Denken und Handeln. Ein Buch den Worten: »ich fand es für die jungen Men-
schen nicht minder erbaulich, wenn ich ihnen die
for bildungsbeflissene Jünglinge. Betrachtung eines moralischen Gegenstandes
Neue Ausgabe. mittheilte, dessen Wahl mehrentheils durch Zeit-
Leipzig 1801 ereignisse oder durch besondere Vorfälle veran-
laßt ward.« (Vorrede, S. 6f.) Er habe diejenigen
Das Werk richtet sich- wie der Untertitel besagt- Ansprachen, »die nicht besondere Beziehung auf
an »bildungsbeflissene Jünglinge«. Angespro- Zeit und Ort haben«, zusammengestellt und in
chen sind in erster Linie männliche Jugendliche den Druck gegeben, damit »vielleicht auch ande-
»reifem Alters« (Vorrede, S. 4). re Schullehrer oder bildungsbeflissene Jünglinge
Das Werk soll einen Beitrag leisten »zur Be- von diesen Betrachtungen Gebrauch machen«
förderung des richtigen Denkens und des sittli- könnten (Vorrede, S. 7).
chen Lebensbey der jungen Welt« (Vorrede, S. 7)
Die Aufmunterungen zum vernünftigen Denken
und ist als Vorbereitung einer umfassenden Sit-
und Handeln umfassen 134 ca. 2-3seitige Betrachtun-
tenlehre gedacht. Thieme betont in seiner Vorre- gen zu moralischen Gegenständen. Sie zielen ab auf die
de, es sei falsch, die sittliche Bildungjunger Leute Veredelung des Menschen und sein Streben nach Voll-
»mit einem systematischen Vortrage« beginnen kommenheit, auf seine sittliche Vervollkommnung. In-
zu lassen (Vorrede, S. 3); die Sittenlehre selbst be- begriff »aller menschlichen Vollkommenheit« (S. 75 f.)
dürfe einer eingehenden Vorbereitung: »Ehe eine ist für Thieme die Humanität oder »Bildung zur
Sittenlehre statt finden kann, muß man sich be- Menschheit« (S. 261). Als Humanität definiert er »alle
mühen, das sittliche Gefühl zu erwecken und die die Vorzüge, die uns, als Menschen, theils gegeben,
thätige Urtheilskraft durch berichtigte Ansichten theils zu erwerben möglich sind, das Vermögen, die Ge-
genstände ausser uns zu empfinden und zu unterschei-
sittlicher Gegenstände zu leiten.« (ebd.) Die Er-
den, Begriffe zu bilden und sie in Ordnung zu stellen, zu
weckung sittlicher Gefühle sieht Thieme als Auf- vergleichen und zu verknüpfen, das Vermögen, vom Be-
gabe des Unterrichts von Kindem an, als Mittel kannten aufs Unbekannte zu schliessen, in die vergan-
empfiehlt er dazu »erzählte Tatsachen« (Vorrede, genen Zeiten zurück und in die Zukunft vorwärts zu
S. 3 f.). Die zweite Stufe der Vorbereitung zur Sit- blicken und so in der Erkenntniß der Wahrheit unauf-
669 Thieme, Aufmunterungen, 1798 670

haltsam weiter zu schreiten, das Vermögen, einander Liebe beseelt wären, bräuchte es keine soziale Not
unsere Gefühle, Gedanken und Wünsche vermittelst zu geben. Thieme bedauert daher die »Armen«,
der Sprache mitzutheilen, Muth und Hoffnung einzu- denen die Zeit für »edlere Bemühungen« von
sprechen, durch Lehre und Beyspiel Einer des Andern
»ihren strengen Herrn geraubt wird, unter dem
Bildung, zu befördern; die Fähigkeit den Trieb der sinn-
lichen Natur durch Gesetze, welche die Vernunft gege-
schnöden Vorwande, daß Unterthanenpflicht der
ben hat, zu beherrschen, auf der Stufenleiter menschli- Menschenpflicht vorgehe« (S. 15). Als Ursache
cher Zwecke immer höher zu steigen und uns dem höch- des Elends sieht er die Expropriation der Bauern-
sten zu nähern; das Vermögen, einander unsere Kräfte schaft: »Wenn Einer zu Reichthum kommt, so
zu leihen und durch gegenseitige Hülfe und Theilneh- werden Hunderte dafür arm: kümmernde Nah-
mung das Leben zu erleichtern« (S. 75). rungssorgen sind das allgemeine Loos der arbei-
Die einzelnen Betrachtungen beschäftigen sich, tenden Klasse« (S. 179 f. ). Er lehnt es ab, die stän-
teilweise thematisch in kleinen Gruppen zusammenge- destaatliche Ordnung als natürlich und gottge-
stellt und sich wiederholend, mit der Bestimmung des
wollt zu betrachten. Es sei »ein altes gangbares
Menschen zur Vernunft (»Die Natur hat uns Alle ohne
Ausnahme bestimmt, vernünftige Menschen zu wer- Vorurtheil, daß wenige Menschen ausdrücklich
den«, S. 297f.), dem Ziel der sittlichen Vervollkomm- von der Natur bestimmt seyn zu dienen; Andere
nung sowie dem Weg, den der Mensch einschlagen aber das Vorrecht haben, sich bedienen zu lassen.
muß, wenn er sich veredeln, d. h. wenn er nach Vollkom- Das ist freilich sonderbar; aber, noch sonderbarer
menheit streben will. Sie umfassen Themenkomplexe ist es, daß man ihm so gar durch Gründe einen
wie die Bestimmung des Menschen zur Tätigkeit, den Schein der Wahrheit zu geben sucht. >Wie könn-
Gesichts- und Wirkungskreis des Menschen, seine ge- ten sonst<, sagen unsere Staatsklugen, >wie könn-
sellschaftlichen und menschlichen Rechte und Pflich- te sonst der weiße Pflanzer reich werden, wenn
ten, gute und schlechte Charaktereigenschaften, die der Schwarze nicht Sclav wäre? Wie könnte der
Notwendigkeit eines tätigen Willens, der Selbständig-
keit und einer selbständigen Meinung sowie der Frei-
Höfling Tafel halten, wenn der Bauer nicht
heit des Geistes, menschliche Anlagen und ihre Ausbil- Frohndienste thäthe? Und, wie könnte der Mo-
dung, das Verhältnis von Natur und Kultur, den Sinn narch ruhig schlafen, wenn der Soldat nicht wach-
für das Schöne und den Kunstfleiß, die Erziehung und te?< Gerade, als wenn das Menschengeschlecht
das »Schulgeschäft«, Studien- und Berufswahl, das um reichwerdender Pflanzer, um tafelhaltender
Verhältnis von Jugend und Alter sowie schließlich die Höflinge und um schlafender Monarchen willen
Eigenschaften, die den Menschen vom Tier unterschei- geschaffen wäre!« (S. l57f.)
den: »Menschensprache«, »Menschengefühl«, »Men- Es kennzeichnet Thiemes politischen Stand-
schenverstand« und »Menschenwürde«. Eine gewisse
ort, daß er zwar die herrschende Gesellschafts-
Sonderstellung nimmt eine erbauliche Naturbetrach-
tung über den Frühlingsmorgen ein (S. 193 ff.). ordnung für Armut und Elend verantwortlich
macht, seine Kritik aber auf die Unmoralität der
Das Werk stellt eine Bearbeitung der Preis- Individuen konzentriert. Weil die Gesellschaft,
schrift Über die Hindernisse des Selbstdenkens weil der Staat sich aus der Summe von Individuen
(1788) für Jugendliche dar. Deutlich wird in ihm zusammensetzt, die ihrer überwiegenden Zahl
Thiemes Beeinflussung durch die Französische nach unmoralisch sind, gebiert die Gesellschaft
Revolution in bezug auf soziale Fragen, deutlich Elend, Armut, Ungerechtigkeit - unsoziale Zu-
aber auch seine Distanz zu ihr in politischer Hin- stände. Der Reiche wird nicht wegen seines
sicht. In mehreren Betrachtungen nimmt Thieme Reichtums kritisiert, sondern weil er ihn schlecht
Stellung zu den sozialen Ungerechtigkeiten des anwendet, der Monarch nicht wegen seiner
feudalen Ständestaats. In der Betrachtung »Stöh- Macht, sondern weil er sie mißbraucht. Aus-
rende Nahrungssorgen« (S. l4ff.) heißt es z.B.: drücklich weist Thieme die Auffassung der» Frei-
»Liegt's etwa in den Gesetzen der Natur; ist's der denker<< zurück, »daß in der jetzt bestehenden
göttlichen Ordnung gemäß, daß der größere Theil Ungleichheit der Güter der Grund zu einer Men-
der Menschen seine Tage durchschwitzen und ge herrschender Ungerechtigkeiten läge« (S.
seine Nächte durchängstigen soll, um kümmer- 334f.).
lich die Brosamen zu erhaschen, die ihnen die Jede Strategie, die nicht berücksichtigt, daß
Hunde der Reichen übrig lassen? Will's etwa Gott die Schaffung einer guten Gesellschaft die cha-
so haben, daß die größte Menge nicht, wie ver- rakterliche Verbesserung, die sittliche Vervoll-
nünftige Wesen, alle Tage edler und besser wer- kommnung der sie bildenden Individuen zur Vor-
den, sondern nur, wie wilde Thiere, ihr ganzes Le- aussetzung hat, ist zum Scheitern verurteilt. Dies
ben hindurch Futter- und gegen die Verfolgun- gilt zunächst für den Weg einer obrigkeitlichen
gen ihrer Feinde Schutz suchen soll? - Das sey Reglementierung des Individuums, um es zur Tu-
fern! Gott giebt seine Gaben so reichlich, daß alle gend anzuhalten: »Das macht, daß sich die Ge-
Menschen auf Erden ohne ängstliche Nahrungs- rechtigkeit die Ordnung und die Tugend nicht
sorgen leben und ihrem höhern Berufe genug einimpfen, nicht von außen in die Seele hinein
thun könnten, ohne um's tägliche Brodt beküm- dringen lassen, wie die Speisen in den Magen,
mert zu seyn.« (S. 15 f.) Wenn Gerechtigkeit sondern im Gemüthe selbst entstehen müssen;
herrschte und die Menschen von brüderlicher weil sie durchaus Produkte des vernünftig freien
671 Moralisch belehrende Schriften 672

Willens sind, welcher durch alle die genannten dessen seine Natur fähig ist, eigen zu machen.
Regierungsmittel mehr erstickt als entwickelt, Willkürlich bestimmt er sich zu seinem Geschäff-
häufiger verwahrloset, als gebildet wird.« (S. te, oder zu einer Lebensart, dadurch er sich der
27 5 f.) Ebenso ungeeignet sind Revolutionen: Gesellschaft nützlich zu machen, und - was ihm
»Hieraus läßt sich nun wolleicht begreifen, wie noch wichtiger ist, -den Unterhalt seines Leibes
trüglich die Rechnung mancher klugen Leute sey, zu gewinnen, oder das Glück seines Lebens zu be-
welche den so genannten Staatszweck ohne Hülfe fördern gedenkt.« (S. 257 f.) Die natürliche Be-
der Menschenbildung, blos durch die Gewalt der stimmung sei die Hauptbestimmung, und werde
Regierung zu erreichen gedenken: denn, meinen die Hauptbestimmung als vernünftiger Mensch
sie, Karren schieben und Steuern geben können erfüllt, so komme »fürwahr auf Stand und Le-
wol auch ungebildete Menschen; welche wäh- bensart gar Wenig an.« (S. 300) Entsprechend sei
nen: Regieren heiße weiter Nichts, als, bei Strafe die Wahl des Studienfaches oder des Berufs von
der Execution befehlen, ohne zu untersuchen, ob sekundärer Bedeutung, allein entscheidend sei
die Unterthanen auch vermögend seyn das Be- der Fleiß in der Bildung zur Menschheit (S. 329).
fohlne zu leisten; welche sich begnügen, allgemei- In bezug auf die Hauptbestimmung diffe-
ne Gesetze zu geben, ob schon die Menschen, die renziert Thieme zwei Komplexe: die Bestimmung
darnach leben sollen, weder ihre Kräfte kennen, zum Schönen und die Bestimmung zur Tätigkeit.
noch das Vermögen besitzen, jene Gesetze auf ih- Das Schöne diene dabei einerseits dem Vergnü-
re Handlungen richtig anzuwenden.« (S. 217f.) gen des Menschen, andererseits bahne es den
Thieme warnt sogar: »Die Welt aufklären, d.i. Weg »zu allen Arten der Vollkommenheit« (S.
seine Meinungen der Welt als Grundsätze auf- 69): »Das Schöne ist ja auch einTheil der Gegen-
dringen zu wollen, ist eben so pflichtwidrig wie stände, wodurch uns Gott seine Vollkommenheit
vergeblich.« (S. ISO) pflichtwidrig sei das Aufklä- geoffenbaret hat. [ ... ] durch den Genuß des
rungsgeschäft, weil kein Mensch von sich be- Schönen werden wir zum Forschen nach Wahr-
haupten könne, im Besitze der allgemeinen Wahr- heit und zum Streben nach Recht gleichsam ein-
heit zu sein, vergeblich sei es, weil die »rohe, ge- geladen und diese Drey sind so innig mit einander
dankenlose Menge« (ebd.) für diese Gedanken verbunden, daß selbst Wahrheit und Weisheit
unempfänglich sei. »Du sollst nicht die Welt re- Viel von ihrem Werthe verlieren, wenn ihnen <iie
formiren, oder deine Meinungen zu Gesetzen er- gefällige Form fehlt.« (S. 67 f.) Ist das Schöne, ist
heben« (S. 281), denn »wem im Ernste daran das Vergnügen so auch Teil der menschlichen Be-
liegt, daß es in der Welt besser werde, der bemühe stimmung, so ist es doch nur dessen Mittel, nicht
sich nur aus allen Kräften selbst besser zu werden. aber dessen Zweck: »Die Lust der Sinne ist
Mehr kann er nicht thun. Damit thut er aber auch Nichts böses; aber, sie ist nicht Zweck des Le-
in Wahrheit nicht Wenig: denn, zu geschweigen, bens, sondern zufälliger Lohn der Pllicht.« (S.
daß er dadurch die Summe des Moralisch-Guten 115) Deshalb liegt auch die Summe des Vergnü-
in sich selbst wirklich vermehrt; so ist auch das gens, die menschliche Glückseligkeit, außerhalb
Beispiel, das er giebt, das einzige ihm mögliche dieser Bestimmung. Die eigentliche Bestimmung
Mittel, die Vermehrung des Sittlich-Guten in An- des Menschen liegt in der anderen, wesentliche-
dem zu befördern.« (S. 324) ren Komponente: »Thätigkeit ist unsere Bestim-
Der Begriff der »menschlichen Bildung« - mung« (S. 26). Das Ideal des tätigen Menschen,
Thieme verwendet ihn synonym mit der Bildung das Thieme in den Aufmunterungen entwirft, ist
des Menschen zum Menschsein, zur Humanität, nicht einfach das des tüchtigen, arbeitsamen
zur Vernunft- führt zu den Kernpunkten seiner Menschen, sondern das des zielgerichtet, ver-
Gedanken zur Aufklärung. Mensch sein bedeutet nünftig handelnden. Nicht die Arbeit an sich trägt
für ihn: »Ich kann empfinden, erkennen undmei- daherzur Veredelung des Menschen bei, sondern
ner Erkenntniß gemäß handeln: undbeydem Al- nur die zweckmäßige Handlung, die aus der Ver-
len muß mein eigner Körper mir als Werkzeug nunft geboren wird: »Nur dann werden wir uns
dienen.« (S. 62) Doch obgleich der Mensch von beruhigen dürfen, wenn wir die Zeit unseres Le-
Natur aus über diese Kräfte verfüge, also Mensch bens [ ... ] nicht blos zu vertreiben, sondern nütz-
sei, bedeute das nicht, daß er der Mühe enthoben lich zu gebrauchen beflißen sind, wenn wir uns
sei, sich zur Menschheit zu bilden. Unter »Bil- immer mit solchen Gegenständen beschäftigen,
dung zur Menschheit« versteht Thieme die die der uns verliehenen Fähigkeiten, unserer gro-
Übung der menschlichen Kräfte und die Anwen- ßen Bestimmung und des Fleisses, den wir darauf
dung der Gesetze der Vernunft auf diese Übun- wenden, würdig sind.- Dann wachsen wir an sitt-
gen (S. 260ff.). Thieme geht hierbei von einer licher Güte, die uns allein zu Menschen macht.«
zweifachen Bestimmung des Menschen aus, einer (S. 4) Ziel der Tätigkeit ist das Wachsen an sittli-
natürlichen und einer willkürlichen: »Von der cher Güte, d. h. die sittliche Vervollkommnung
Natur ist er bestimmt Mensch zu seyn, im edelsten oder Veredelung des Menschen.
Sinne des Worts: das heißt: sich alle die Fertigkei- Das Bemühen, sittlich zu werden, bezeichnet
ten, deren die Menschennatur - in dem Grade, Thieme als »das würdigste Studium, dem alle üb-
673 Thieme, Aufmunterungen, 1798 674

rige Sorgen und Geschäffte dieses Erdenlebens die Lehrerin des Menschen (S. 72ff.). Thieme
müssen untergeordnet werden«. Die Veredelung empfiehlt daher ihre Nachahmung, um zu Ge-
des Menschen ist ein »Werk seiner Vernunft«, rechtigkeit und Güte zu gelangen (S. 168 ff.). Der
denn die Vernunft ist die Voraussetzung, klug, gut dritte Bezugspunkt ist der Mitmensch, die Gesell-
und froh zu werden (S. 104 f.); sie gründet sich auf schaft: » [ ... ] zur Entwicklung meiner Anlagen,
Humanität (s.o.) und sittliche Würde (S. 174). zur Ausbildung meiner Kräfte, zur Richtung mei-
Die sittliche Vervollkommnung hat kein Ziel au- ner Thätigkeiten ist der Umgang mit Menschen
ßer sich selbst; das Streben nach Tugend bedarf nöthig.« (S. 38) Der Mensch sei ein gesellschaftli-
keiner Belohnung, es entwürdigt sich, wenn es mit ches Wesen, das »sich mittheilen soll« (S. 12):
Aussicht auf Vergütung betrieben wird. Die Tu- >>Lasset uns als vernünftige Wesen gesellig seyn! «
gend will daher »um ihres eigenen Werths willen (S. 14)
geschätzt seyn« (S. 228) und »steht nicht im Dien- Zwei Eckpfeiler bestimmen das Verhältnis
ste des wandelbaren Glücks« (ebd. ). Der Mensch zum Mitmenschen: die Pflichten und die Dienst-
soll das Gute wollen, weil es gut ist, nicht jedoch, fertigkeit. »Unter allen Wahrheiten, von denen
weil er aus ihm Vorteil ziehen könnte (S. 278). wir lebendige Überzeugung suchen, sey das die
Thieme stellt sich daher nicht vor allem die Frage Erste: ich habe Pflichten!« (S. 248 f.) Mit dieser
»Was ist nützlich?«, sondern zuerst die Frage Pflichterkenntnis korrespondiert die Achtung der
»Was ist recht?« (S. 268) Sie zu entscheiden setzt Rechte der Mitmenschen: >>Mein Nebenmensch
guten Willen voraus, d. h. den Willen, Gutes um hat Rechte: er mag gleich jünger oder älter,
seiner selbst willen zu tun, nicht eines erhofften schwächer oder stärker, ärmer oder reicher, gerin-
Vorteils wegen. Die Gutwilligkeit ist daher die ger oder vornehmer seyn als ich; mag gleich mein
Voraussetzung der Selbstvervollkommnung. Untergebener oder mein Vorgesetzter, Mitbürger
Thieme bezeichnet sie als »das Edelste aller Ta- oder Fremdling, Ketzer oder Glaubensgenoß,
lente« (S. 278). Der Mensch hat den freien Wil- Freund oder Feind, Verbrecher oder Heiliger,
len, Gutes zu tun, er hat auch den freien Willen, es Sklav oder Monarch heißen: so lange er Mensch
zu unterlassen. Er ist daher der »Selbstschöpfer ist, muß ich in ihm den Menschen würdigen [ ... ]«
seiner Tugenden und Laster« (S. 279). Die Erzie- (S. 249 f. ). Die Bestimmung des Menschen als ge-
hung könne wohl den Menschen zum Guten an- sellschaftliches Wesen beinhaltet seine Bestim-
halten, könne wohl Beispiele geben, entscheidend mung zu Aufgaben seinen Mitmenschen gegen-
für die Vervollkommnung sei der »selbstthätige über: »um nicht als müssige Geniesser blos zu
Verstand« (S. 226). Als »wahre Weisheit« defi- zehren, was Andere eintragen, sondern auch zu
niert Thieme daher: »Selbstthätig alle seine Kräf- Erhaltung des Ganzen thätig mitzuwirken, wollen
te anwenden, um die Natur der Dinge kennen zu wir der Gesellschaft, die uns nährt, brauchbar zu
lernen und sodann seiner eigenen Erkenntniß ge- werden streben, alle Pflichten gegen sie, als würdi-
mäß redlich handeln« (S. 167). ge Glieder, gewissenhaft erfüllen, den Werth der
Der Glaube an Gott ist für Thieme die Richt- körperlich arbeitenden Klasse und ihrer Beyträge
schnur der sittlichen Vervollkommnung und zu- zur gemeinen Wohlfahrt nie verkennen, und auch
gleich die Vollendung menschlicher Würde: »Ja, da, wo kein Zwangsgesetz uns antreibt, denen, die
der Glaube an Gott ist der höchste Gipfel mensch- mit uns verbrüdert sind, nach unserem Vermögen
licher Würde: er soll auch unser Leitstern seyn.« Erleichterung und Freude zu schaffen suchen.«
(S. 123) »Wahre Gottesverehrung« bedeutet für (S. l26f.)
ihn, nach Gottes »heiligen Willen Leben« (S. Aus der Achtung der menschlichen Würde,
125). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, der allgemeinen Menschenliebe, entwickelt Thie-
daß die Veredelung des Menschen die »Mensch- me die Tugend der »uneigennützigen Dienstwil-
heit«, d. h. die Humanität, nicht jedoch die Ver- ligkeit« (S. 154 ff.), die in engstem Zusammen-
vollkommnung des Menschen nach dem Bilde hang steht mit der »Kunst wohl zu thun« (S.
Gottes zum Ziel hat. Das Streben nach »Gottähn- 152 ff.). Weil das Gute um seiner selbst willen ge-
lichkeit« wird von Thieme ausdrücklich verwor- tan werden soll, beinhaltet die Dienstwilligkeit
fen: »Ach! daß die Menschen doch erst aufhörten auch das Dienen ohne Lohn: »lasset uns nicht
Thiere zu seyn und sich bemühten gute Menschen um's Lohn dienen« (S. 156). Die Bereitschaft des
zu werden! warlich, das würde ihrem gesunden Menschen zum Dienst an seinem Nächsten soll
Verstande mehr Ehre machen, als jenes vergebli- keinen anderen Grund haben als die Erkenntnis,
che Streben nach Gottesähnlichkeit.« (S. 74) daß der Nächste durch seine Existenz als Mensch
Die Selbstvervollkommnung des Menschen dieses Dienstes würdig ist und bedarf: »Jeder
hat bei Thieme als weitere Bezugspunkte die Na- Mensch hat Recht seinen Antheil von dem zu for-
tur und die Mitmenschen. Mensch sein bedeutet dern, was ich habe und was ich leisten kann: aus
»der Natur gemäß leben« (S. 173). Das Streben welchem Grunde?- Weil er ein Mensch ist!« (S.
des Menschen nach Vernunft ist nur möglich im 117)
Einklang mit der Natur: »Nichts ist wahr, als, was Im Verhältnis zum Mitmenschen nimmt die
der Natur angemessen ist« (S. 72). Die Natur sei Frage der Freundschaft in Thiemes Ausführun-
675 Moralisch belehrende Schriften 676

gen einen besonderen Platz ein. Wirkliche 1800/01


Freundschaft existiert nicht aus dem Bestreben
nach »Bevortheilung«, sondern aus dem gemein- Adolf Freiherr von Knigge (1 752-1796) /
samen Streben zwei er Menschen nach Tugend: Johann Gottfried Grnber(J774-1851,
»Findet ihr aber ein Gemüth, das sich gleich stark Bearbeiter):
mit euch für Recht und Pflicht interessiert; dann Über den Umgang mit Menschen.
erst könnet ihr glauben, daß euch ein Freund be- Im Auszuge for die Jugend mit einer
scheret sey.« (S. 327)
Der Begriff der Selbständigkeit ist in Thie-
durchgängigen Beispielsammlung.
mes Aufmunterungen weit gefaßt. Er beinhaltet Leipzig 1800/01
das bewußte Denken, den »selbstthätigen Ver-
stand«, den freien Willen, die »freie Thätigkeit Das Buch wendet sich an Jugendliche sowie El-
unserer Gemüthskräfte« (S. 97), das vernünftige tern und Erzieher gleichermaßen, wobei der Le-
Handeln und die freie Meinung. Selbständiges serkreis weder in seiner sozialen noch in seiner Al-
Handeln in Übereinstimmung mit den Grundsät- tersstruktur differenziert wird. Die Lektüre soll
zen der Vernunft ist nur möglich, wenn der Han- angenehm und unterhaltend, aber auch »von
delnde sich aufgrund eigener Untersuchungen mehr als einer Seite nützlich sein« (Vorrede,
ein persönliches Urteil gebildet hat: »Wer nicht S. IV). Den Nutzen seines Werkes erklärt Grober
wähnt den ganzen Beruf des Menschenverstan- zweifach. Gemäß einer Karrtsehen Forderung aus
des erfüllet zu haben, wenn er sich unterzwölfver- dessen Kritik der praktischen Vernunft, wonach
schiednen Meinungen die Beßte auslies't; wer in einer Unterhaltung das » Raisonniren über den
sich bemüht die Sachen selbst, nicht blos die Mei- sittlichen Wert einer Handlung« am wertvollsten
nungen und Redensarten der Menschen von den sei, will die Grubersehe Bearbeitung des Knigge-
Sachen kennen zu lernen; wer den Stoff zu seinen Textes zunächst den Stoff, von dem Kant sprach,
Urtheilen aus den ächten Quellen schöpft und liefern (Vorrede, S. Vf.). Ferner sei es »ausge-
selbst den höchsten Autoritäten nicht ohne Prü- macht, daß die Jugend nie so viele Romane und
fung folgt; nur der ist sich bewußt als vernünftiger Schauspiele gelesen hat, und liest, als in dem letz-
Mensch gehandelt zu haben.« (S. 149 f.) Der freie tem Vierthel dieses Jahrhunderts« (S. VII). Da
Geist soll sich nicht von dem ~~Geschrei der Mei- dieser Lektürestoff schädlich sei, müsse man »al-
nungen« beeinflussen lassen, das immer »die le Mittel hervorsuchen, um seine schlimmen
schwächere Stimme der vernünftigen Grundsät- Wirkungen zu verhindern« (ebd.). Als solches
ze« übertöne (S. 147): »Mögen die Leute um uns Mittel sei sein Buch anzusehen, indem es die Auf-
her sich einbilden, meinen, urtheilen, wünschen merksamkeit des jugendlichen Lesepublikums
und machen, was sie wollen: wir streiten nicht mit auf »Geist, Herz, Gesinnung, Charakter der Men-
ihnen; denn, sie nehmen keinen Grund an: wir schen« lenke. Bei der Ausarbeitung des Werkes
folgen ihnen nicht nach; denn sie verführen hat Grober nach eigenem Bekenntnis der Um-
uns. [ ... ] Nur Eins sey das unabänderliche Ziel gang von Knigge »zur Norm« gedient, als ein
unseres Denkens und Strebens: Wahrheit und Leitfaden, den er in seinem täglichen Umgang
Recht!« (S. 25) und auf Reisen stets gegenwärtig gehabt habe.
Thieme entwickelt somit in seinen Aufmunte- Zum Zweck seines Buches gibt Grober an: »Es
rungen zum vernünftigen Denken und Handeln soll dich die Menschen kennen lehren, deren
seine Gedanken zum »Aufklärungsgeschäft«. Thun und Treiben so wichtigen Einfluß auf dein
Mögen die Betrachtungen auf den ersten Blick Wohl oder Weh haben wird, und soll dich auf-
auch recht unsystematisch erscheinen, so enthal- merksam auf die Falten des menschlichen Her-
ten sie doch ein Vorstellungsgebäude zu Fragen zens machen« (Einleitung, S. 4). Adressat dieser
der Aufklärung, das durchaus logisch und konse- Anrede ist der »geliebte Eduard«, der in der Ein-
quent erscheint. Im Mittelpunkt seiner Vorstel- leitung eingeführt wird und an den sich alle fol-
lungen steht die These, daß der Verbesserung der genden Regeln für den Umgang mit Menschen
gesellschaftlichen Zustände die Selbstvervoll- richten. Der fiktive Adressat wird vorgestellt als
kommnung des einzelnen Menschen vorauszuge- »blühender Knabe«, der die »Rosenzeit seiner
hen habe. Seine auf Humanität, Achtung der unschuldigen Kindheit« eben hinter sich läßt und
Menschenwürde und allgemeine Menschenliebe nun zum Jünglinge reift. Für eben diese Periode
abzielenden Ideen sind insofern mehr als Be- des jugendlichen Reifeprozesses will Grober mit
trachtungen, die »das junge Gemüth zum eigenen seinem Werk Anweisungen vermitteln, die dro-
Denken über sittliche Gegenstände und zum eige- hende Gefahren und manches Unglück aus dem
nenFleißein der sittlichen Bildung« aufmuntern noch unerfahrenen Umgang mit Menschen ab-
sollen; indem sie die »Hindernisse des Selbstden- wenden helfen. Als Richtschnur dient Grober da-
kens« zu beseitigen trachten, sind sie zugleich ein bei, wie er in der Einleitung betont, der von dem
Programm zur umfassenden Aufklärung der Engländer Pope (1688-1744) geprägte und auf
Menschen. 0. B. Pierre Charron ( 1541-1603) zurückgehende Satz:
677 Knigge/Gruber, Überden Umgang, 1800/01 678

»Des Menschen wichtigstes Studium ist der um Werke von Christoph Friedrich Bretzner
Mensch«. Menschenkenntnis durch Menschen- (17 48-1807), Hermann Christoph Gottfried Demme
studium erlangt bei Gruber vor allem deswegen (1760-1822), Johann Samuel Fest (1754-1796), Chri-
höchste Bedeutung, da nach seinem Weltbild die stian Fürchtegott Geliert (1715-1769), Johann Timo-
theus Hermes ( 1738-1821 ), Kar! Heinrich Heydenreich
Menschen von Naturböseundschlechtsind(Ein-
( 17 64-180 I), August Wilhelm Iffland (I 759-1814 ), Au-
leitung, S. 5) und eine vermehrte Kenntnis der gust Heinrich Julius Lafontaine (1758-1831), Johann
Menschen vor manchem Fehler im Umgang mit Anton Leisewitz ( 17 52-1806), Kar! Phitipp Mo ritz
ihnen bewahren kann. Umgekehrt könne die (1756-1793), Johann Gottwerth Müller (1743-1828),
Kunst, mit Menschen umzugehen, manchen Ver- Friedrich von Schiller (1759-1805), Karoline Freifrau
kannten, aber Redlichen einen erst erkennen las- von Wolzogen (1763-1847), Johann Georg von Zim-
sen. Zum Verständnis dieser Zusammenhänge mermann (1728-1795) und Christoph Martin Wieland
könne vor allem Knigges Über den Umgang mit (1733-1813).
Menschen dienen, vorzüglich »für den Jüng- Die Werke dieser Schriftsteller hat Gruber entwe-
der wörtlich aus den Originalen übernommen oder aber
ling [ ... ],der eben mit seinen Entwürfen und Pla-
nachgedichtet bzw. nacherzählt. Am ausführlichsten zi-
nen und seinem feurigen Thatendurstigen Geiste tiert Gruber Passagen aus dem Anton Reiser (S.
in die Welt tritt, um darin zu wirken und sich viel- 117-188), wobei er ausschließlich die Jugendjahre
leicht auszuzeichnen« (S. 17). Indessen reiche die 1763-1777 aus dem Leben von Kar! Phitipp Moritz an-
Lektüre dieses Buches allein nicht aus, um »meh- band von Originalauszügen und auch von Nachdich-
rere[n] Jünglinge[n] [beim] Fortschritt in ihrer tungen des weitgehend autobiographischen Romans
Laufbahn« (ebd.) hilfreich zu sein. Knigges Buch berücksichtigt. Der junge Moritz-Reiser wird vorge-
setze schon »mehrere Beobachtungen und führt als außerordentlich reizbares und leicht verletzba-
Kenntnisse bei dem, der den größtmöglichen res Kind, das als eitel und übertrieben geltungssüchtig
gilt. Als die das Kind kennzeichnenden Charakterzüge
Nutzen daraus ziehen möchte, voraus« (ebd.),
werden »Trübsinn, Hang zu einem Leben ohne ange-
und sein Text habe sich an ein Lesepublikum ge- strengte Thätigkeit [und] Eitelkeit« (S. 120) benannt.
wandt, dessen »Blick durch Beobachtung bereits Kritisch erwähnt werden ferner mangelndes Selbstver-
geschärft« sei, das über Natur und Beschaffen- trauen und Nachlässigkeit in Ordnungsfragen. Daran
heit des Menschen nachgedacht habe. Der Um- knüpft Gruber als anzuwendende Regel zur Überwin-
gang sei jedoch nicht für »Jünglinge, die erst in dung dieser kindlichen »Charakterschwächen« die bei
die Welt treten« konzipiert gewesen, weswegen es Knigge entlehnte Aufforderung, sich durch Selbststu-
ihm ratsam erschienen sei, das Brauchbare bei dium und Selbsterkenntnis das Ausmaß der so erkann-
Knigge »auszuheben« (S. 19) und es um seine ei- ten Fehler vor Augen zu führen, um sie sogleich abzule-
gen (vgl. Knigge, Umgang, Teil 1, Kap. 2, § I). Nach ei-
genen sowie die Erfahrungen anderer zu erwei-
nem ähnlichen Muster leitetGruberauch die anderen
tern. seiner Ansicht nach notwendigen Regeln für den Um-
Teilt, der dieser Analyse zugrunde gelegt wurde, gang von Jugendlichen mit Erwachsenen ab. Eine ein-
ist in sich nicht weiter unterteilt. Der Einleitung (S. dringliche Warnung vor dem sogenannten »Geniewe-
1-22) schließt sich ein »Uiber den Umgang mit sich sel- sen« formuliert er im Anschluß an eine Textpassage des
ber« betitelter erster Abschnitt an, der indessen nicht Müllersehen Romanes über den pommerseben Kraut-
fortgeführt wird. Der gesamte übrige Textteil (S. junker Siegfried von Lindenberg, und der Auszug aus
25-286) erweist sich als Kompilat aus verschiedenen Schillers Räubern warnt am Beispiel von Franz Moor,
zeitgenössischen literarischen und moralphilosophi- der als Prototyp des jugendlichen Verbrechers vorge-
schen Texten, die Gruber mit eigenen Überleitungen zu- führt wird, vor jeder Auflehnung gegen Staat und Fami-
sammengefügt hat. Von Knigge hat Gruber aus dem lie.
Umgang lediglich das zweite Kapitel des ersten Teils
»Über den Umgang mit sich selbst«) übernommen, fer- Bei Grubers Bearbeitung des Umgangs
ner eine kurze Passage aus dem 1785 publizierten Jour- handelt es sich um eine Textzusammenstellung,
nal aus Urftstädt (S. 189-193) sowie wenige Seiten aus die sich formal überhaupt nicht, und in der inhalt-
dem 1796 erschienenen Über Eigennutz und Undank
lichen Ausführung nur streckenweise, auf Knig-
(S. 277 278). Die insgesamt 9 Paragraphen des Umgang-
Kapitels hat Gruber über seinen Text verstreut, ohne je- ges Original aus dem Jahre 1788 berufen kann.
weils die Quelle im einzelnen anzugeben. So findet sich Nimmt man die von Knigge stammenden Partien
§ I auf den Seiten 25/26, § 2: S. 54/55;§ 3: S. 58;§ 4: in der Grubersehen Ausgabe zusammen, so ma-
S. 193-195; § 5: S. 219; § 6: S. 236-238; § 7: chen sie von dem immerhin 286 Seiten umfassen-
S. 269-270; § 8: S. 270-271; § 9: S. 278-279. Die Texte, den Werk weniger als ein Zwanzigstel aus. Dem
die sichjeweils den einzelnen Paragraphen anschließen, Umfang nach nimmt allein der aus dem Anton
thematisieren stets den Hauptinhalt dieser Paragraphen Reiser übernommene Textteil mehr Raum ein.
(Umgang mit Freunden, Sorge um die eigene Gesund- Selbst die Ankündigung Grubers in der Einlei-
heit, Selbstrespekt etc. ). tung, Knigges Umgang wenigstens im Auszug
Die Quellen außer den bereits von Knigge ent-
lehnten Passagen hat Gruber in einer Rubrik »Werke, mitteilen zu wollen, ist stark übertrieben und ent-
welche der Verfasser benutzt hat« (S. XV/XVI) ange- stellend. Auch im Adressatenbezug sowie in der
zeigt und kommentiert: »Leicht würde es mir gewesen Gesamtintention unterscheiden sich Knigges
seyn, diese [ ... ] so zu maskiren, daß sie niemand als Original und die erste, eigens für die Jugend kon-
fremdes Gut erkannt hätte« (IX). Es handelt sich dabei zipierte Bearbeitung in entscheidenden Fragen.
679 Moralisch belehrende Schriften 680

Als der Umgang 1788 erschien, hatte Knigge als sächlichen Ziele an: sein Publikum auch unter-
Adressat das bürgerliche Publikum des »mittle- halten zu wollen (Vorrede, S. IV). Auch daß der
ren Standes« vorgeschwebt, wie er mehrfach be- Text sich eigne, die vermeintlich schädlichen Fol-
tonte. An ein jugendliches Lesepublikum hatte er gen der Roman- und Schauspiellektüre zu be-
nicht gedacht, was in der zeitgenössischen Litera- kämpfen, ist eine Wendung, die von Grober frei
turkritik auch bemängelt wurde. Im Vorwort zur erfunden wurde und sich dergestalt in Knigges
dritten Auflage des Umgangs aus dem Jahre 1790 Umgang nirgends findet.
griff Knigge diese Kritik auf und schrieb: »Ande- Unbeschadet gewisser Ähnlichkeiten und
re haben hier Vorschriften für junge Leute ver- Parallellen in den pädagogischen und auch politi-
mißt, die als Studenten, Offiziere usf. in die Welt schen Anschauungen Knigges und Grubers (auch
treten.- Vorschriften, wie diese sich gegen andre Grober steht fest in der Tradition der Aufklä-
junge Leute gleichen Standes zu betragen hätten« rungspädagogik) bleibt hinsichtlich der Bearbei-
( Umgang, Ausg. Frankfurt/M. 1977, S. 10). Zur tung Grubers festzuhalten: Wenn dieser seiner
Begründung, diesen von den Rezensenten gefor- angeblichen Jugendausgabe von Knigges Über
derten Teil nicht geliefert zu haben und auch in den Umgang des Menschen, die weder in der
kommenden Nachauflagen nicht liefern zu wol- Textpräsentation noch in der formalen Anlage so-
len, verwies Knigge auf die Schwierigkeit, Regeln wie der inhaltlichen Ausführung das einhält, was
des Umgangs für Erwachsene und für Jugendli- sie in der Einleitung verspricht, den Titel des
che im gleichen Zusammenhang abzuhandeln, da Kniggesehen Originals gibt, so entspringt dies of-
insbesondere die kindlichen und jugendlichen fenkundig einem primären Interesse am verlegeri-
Charaktere in ihrer unterschiedlichen Ausprä- schen Erfolg und hohen Auflagenzahlen und kal-
gung nicht generalisiert werden könnten. Aus die- kuliert mit der Popularität des originalen Titels
sem Grunde habe er seine Ausführungen zum und der Autorität der Person Knigges. Der Bu-
Umgang mit und unter Kindem und Jugendli- cherfolg des Grubersehen Werkes bestätigt dies:
chen knapp gehalten. Entsprechend liefert Knig- nach der ersten Auflage l801lag 1804 bereits die
ge denn auch nur einige Hinweise und Regeln zur zweite und verbesserte Auflage vor (vgl. Vorrede
Behandlung der älteren Generation durch die zur zweiten Auflage, S. XI).
heranwachsende sowie Erziehungsratschläge an In der zeitgenössischen Rezeption hat Grubers
die Adresse der Eltern, die vor allem die Ernst- Werk Berücksichtigung gefunden in der Nicolaischen
haftigkeit und das Verantwortungsbewußtsein Neuen Allgemeinen Deutschen Bibliothek (Bd. 88,
beim » Erziehungsgeschäfte« hervorstreichen. S. 271-273). In der neueren Literatur findet sich eine
Dabei steht Knigge die Bildung des Menschen zu Bewertung der ersten Jugend-Bearbeitung des Umgang
einem verantwortungsbewußten, tätigen, häusli- durch Grober im Ausstellungskatalog Nr. 21 der Wol-
chen und aufgeklärten Bürger als Ideal vor Au- fenbütteler Herzog-August-Bibliothek (1977), wo es
S. 73 heißt: »Die Schrift ist ein frühes Beispiel für den
gen. Mißbrauch von Knigges Werk [gemeint ist der Um-
Auf die Problematik, daß Knigges Buch gangs, d. Red.]. Das Buch geht nur einleitend auf Knig-
nicht an die Jugend adressiert ist, geht Grober ge ein und entpuppt sich als Klitterung aus verschiede-
nicht wirklich ein. Wovon bei Knigge nie die Rede nen moralphilosophischenund literarischen Werken«.
war, gibt Grober überdies als eines seiner haupt- -Vgl.Kogel(l981). K.
Religiöse Schriften für Kinder und Jugendliche

1753 Mose. Auch die Erzählungen 25-34 und 36 folgen den


Geschichtsbüchern des AT. Miller erzählt die Geschich-
Johann Peter Miller (1725-1789): ten von Samuel (25 und 26) und von Daniel (27 und 28)
Erbauliche Erzählungen der vornehmsten nach dem I. Samuel, »übrige Geschichten Davids« (29)
biblischen Geschichten zur Erweckung nach dem 2. Samuel, die Geschichten von Samuel und
dem Propheten Elia (30 und 31) nach den I. Könige,
eines lebendigen Glaubens und der von Elias Himmelfahrt (32), von Elias und der Witwe
wahren Gottseligkeit. (33) und der babylonischen Gefangenschaft nach den 2.
Helmslädt 1753 Könige. Mit Ausnahme der Geschichte 36, die ebenfalls
aus den Geschichtsbüchern gezogen ist, entlehnen die
Miller möchte mit seiner Historienbibel Kindem folgenden Historien ihren Stoff aus den Apokryphen
(35 und 41), den Lehrbüchern (37) und den propheti-
»die Lehren des Glaubens und der Gottseligkeit schen Büchern (38-40). Erzählt werden die Geschich-
in Geschichten« vortragen (Vorbericht). Er beruft ten von den jüdischen Märtyrern (35, 2. Makkabäer),
sich in seiner Methode, die er als »historisch« be- die Erzählungen von Esther und Haman (36, nach Es-
zeichnet, auf das Beispiel der biblischen Erzväter ther), Hiob (37), den drei Männern im Feuerofen und
und der Apostel, die ebenfalls durch das Erzählen Daniel in der Löwengrube (38 und 39, nach Daniel), so-
göttlicher Begebenheiten zur Wahrung, Festi- wie vom Propheten Jona (40) und dem »alten undjun-
gung und Verbreitung des Glaubens beigetragen gen Tobias« (41).
hätten. Die ersten 39 Geschichten des Neuen Testaments
Der Autor begründet seine neue Sammlung folgen den vier Evangelien, die 40. Geschichte (Him-
melfahrt Christi) ist nach Lukas und der Apostelge-
biblischer Geschichten damit, daß er den »belieb- schichte erzählt. Die Erzählungen 41-45 entlehnen ih-
ten biblischen Historien des seel. Hübners« (d. i. ren Stoff aus der Apostelgeschichte (Ausgießung des
Zweymal zwey und furifzig auserlesene biblische Heiligen Geistes; »Einige Begebenheiten des Apostels
Historien, EA 1714) ein neues Werk an die Seite Petri«; >}Stephanus stirbt fürdie Ehre Jesu«; die Bekeh-
stellen wolle, das »den Nutzen noch grösser ma- rung des Apostels Paulus und »Einige andere Begeben-
chen könne« (Vorbericht). Er will Hübners Werk heiten Pauli«). Den Schluß des Werkes bildet- in Um-
auf mehrerlei Weise verbessern. Zum einen habe formulierung von Offenbarung 21.22.- die Bitte um die
er sich bemüht, }}die Geschichten deutlich und baldige Ankunft Jesu Christi. Den einzelnen Historien
mit untermischten Erklärungen nach dem Grund- sind jeweils praktische »Nutzanwendungen« beigege-
ben. Die Ziffern, die den Nutzanwendungen vorange-
texte, zu erzählen«. Zum anderen habe er »solche stellt sind, sind an entsprechender Stelle in den Erzähl-
Geschichten erwählet, die unmittelbar Exempel text eingerückt, so daß leicht erkennbar ist, auf welche
eines wahren Glaubens und einer reinen Tugend, Stelle sich eine einzelne Lehre genau bezieht.
oder auf der andem Seite der Schädlichkeit und
Schändlichkeit der Sünden vorstellen«. Damit Im Vergleich zu Hübner ist Millers Werk
begründet er auch eine leicht veränderte Stoff- kürzer und prägnanter, auch flüssiger geschrie-
wahl. Schließlich habe er noch }}ganz neue Nutz- ben. Hatte sich Hübner jedoch bei allernotwendi-
anwendungen hinzugesetzet«. (Vgl. Vorbericht.) gen Raffung um die größtmögliche Authentizität
Miller gibt keine Hinweise, wie seine Schrift bemüht, finden sich bei Miller mehrere Abwei-
im einzelnen benutzt werden soll. Er äußert ledig- chungen vom biblischen Original, die auf aufklä-
lich den Wunsch, die }}gottseeligen Lehrer« rerischen Einfluß, aber auch auf Millers Bearbei-
möchten ihre Schüler anhalten, die biblischen Er- tungsmethode zurückzuführen sind.
zählungen, wenn sie gut verstanden seien, »in ei- Daß Millers Nacherzählung der biblischen
nem Briefe oder einer anderen Form« aufzu- Geschichte vom Gedankengut der Aufklärung
schreiben (Vorbericht). Auch könne es seine }}Ab- mitgeprägt ist, wird deutlich, wenn es in der Histo-
sicht noch mehr befördern, wenn man es für gut rie }>Vom Stand der Unschuld im Paradiese und
befände, diese Geschichten als eine Vorbereitung von dem Fall« heißt: }}So betrachteten unsere er-
zu den historisch moralischen Schilderungen, die sten Eltern die vortreflichen Geschöpfe, und ler-
ich vor weniger Zeit herausgegeben, bey Kindem neten daraus die Macht, die Weisheit und die Lie-
zu gebrauchen« (ebd.). be ihres großen Schöpfers recht deutlich kennen.
Sie sahen es ein, wie schön die Tugend und wie
Millers Werk enthält 41 biblische Geschichten aus häßlich das Laster wäre.« (S. 4) Eindeutig tritt der
dem Alten und 46 aus dem Neuen Testament. Die ersten
18 Erzählungen nach dem Alten Testament sind der Ge-
aufklärerische Standpunkt, der nicht nur in der
nesis entlehnt. Die Geschichten 19-24, in der über die Gegenüberstellung von Tugend und Laster, son-
Leiden der Kinder Israels und ihren Auszug aus Ägyp- dern auch im Hinweis auf das Erkennen der Grö-
ten berichtet wird, folgen dem 2. Buch Mose; die 23. Er- ße Gottes aus der Wohlgeordnetheit der Natur
zählung ist erweitert um Stellen aus dem 4. und 5. Buch deutlich wird, vor die biblische Lehre, daß die
683 Religiöse Schriften 684

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Hübner, Johann:Zweymal zwey undfunfzig aus- Hübner, Johann: Zweymal zwey undfunfzig aus-
erlesene Biblische Historien aus dem Alten und erlesene Biblische Historien aus dem Alten und
Neuen Testamente.- Leipzig 1775 (Nr. 399). Ti- Neuen Testamente. - Leipzig 1775 (Nr. 399). Il-
telblatt lustration zu: Altes Testament, 3. Historie. Von
dem Stande der Unschuld im Paradiese

Nürnbergisches Kinder/ehr-Büchlein. - Nümberg 1764 (Nr. 648). Frontispiz mit illustriertem Vortitelblatt
685 Miller, Erbauliche Erzählungen, 1753 686

Menschen erst mit dem Sündenfall den Unter-


schied zwischen Gut und Böse - also auch zwi-
schen Tugend und Laster- hätten erkennen kön-
nen. Der aktuelle Zeitbezug wird auch in der Ge-
schichte Moses deutlich; »Allein, da Moses gros
ward, so gefiel ihm die eitele Lebensart am Hofe
gar nicht« (S. 43), berichtet Miller über die Grün-
de Moses zur Abwendung von Pharao, während
das AT dafür die Verbitterung über die Leiden der
Kinder Israels nennt (2. Mose 2., 11 ff.). Aller-
dings kann sich Miller dabei auf die apostolische
Auslegung dieser Stelle stützen (Hebr. 11, 24-27).
Teilweise hat Miller die Erzählungen so ge-
kürzt daß Zusammenhänge nicht immer ver-
ständlich bzw. die Hauptaussagen der entspre-
chenden Bibelstelle nicht mehr erkennbar sind. In
der Geschichte Hannas heißt es z.B.: »Indem sie
nun lange Zeit vor sich zu dem Herrn aus dem
Herzen geseufzet, so frug sie der Priester Eli, wie
lange sie noch trunken seyn wollte?« (S. 55). Wes-
halb diese Frage gestellt wird, bleibt jedoch un-
klar, weil Miller seinen Lesern verschweigt, daß Johann Peter Miller (1 725-1789). Kupferstich
Hanna den Eindruck von Trunkenheit erweckte von Lips und Bernigeroth nach einem Gemälde
( 1. Samuell., 9-15). Daß Miller bei seinen Kür- von Sporleder
zungen auch nicht davor zurückscheut, ~en Ge-
halt biblischer Erzählungen zu ändern, wud deut-
lich in seiner Darstellung des alten und jungen
sich Miller bemüht, Anstößiges zu eliminieren.
Tobias (S. 92-94). Berichtet Hübner ausführlich
Während Hübner z.B. in exakter Wiedergabe der
und in Anlehnung an das Buch Tobias in vier auf-
entsprechenden Bibelstelle berichtet, daß Elkana
einanderfolgenden Erzählungen über das Un-
neben Hanna auch noch Peninna zur Frau hatte,
glück des alten Tobias und die Reise~ Vermähh~ng
heißt es bei Miller schlicht: »Es war eine Frau,
und Wiederkunft des jungen Tobms, reduziert
Hanna mit Namen, des Elkana Weib.« (S. 55)
Miller die ganze Geschichte im wesentlichen auf
Und über Davids Ehebruch und Blutschuld
die Ermahnungen des alten Tobias an seinen
(2. Samuelll.) heißt es bei Miller lediglich: »So
Sohn; die eigentliche Handlung der biblischen
fromm David war, so war er doch in dem Hofle-
Geschichte wird nur in wenigen Stichworten um-
ben nicht stets auf seiner Huth. Daher hat er sich
rissen bzw. nicht erwähnt.
zweymal aufs gröblichste an Gott versündiget..«
Änderungen gegenüber Hübner gibt es auch
(S. 65) Wo sich Anstößiges dennoch nicht völh~
in der Auswahl der Erzählungen, wobei Millers
vermeiden läßt, versucht Miller es zu umschrei-
Auswahlprinzip geleitet ist von der Zweckmäßig-
ben. Berichtet z.B. Hübner- wieder in Aufnahme
keit einzelner Historien für Glaubens- und Sitten-
der entsprechenden Formulierung des AT -, die
lehren. Das Neue Testament wird teilweise mit
Frau Potiphars habe zu Joseph gesagt» Schlafbey
anderen Gewichtungen nacherzählt. Die Ge-
mir« , so heißt die Stelle bei Miller: Potiphars Frau
schichte des Judas wird z.B. stark verkürzt wieder-
»muhtete ihm etwas Böses zu« (S. 30).
gegeben, die Geschichten vom verfluchten Fei-
Die den Erzählungen nachgestellten Ermah-
genbaum und vom Gotteskasten z~ Jerusale~
nungen, Belehrungen, Betrachtungen und Erkl~­
fehlen völlig, dagegen gibt es Erweiterungen m
rungen sind kürzer als bei Hübner, jedoch wem-
der Darstellung der Apostelgeschichte. Im Alten
ger systematisch. Häufig sind sie in kurze Bibel-
Testament sind die Geschichten von Isaaks Segen
stellen gekleidet, nicht selten auch in kleine Geb~­
und vomjungen und alten Tobias (s.o.) stark ver-
te, so daß weniger der belehrende als der erbauh-
kürzt worden; die Erzählung von der Pest zu Da-
ebe Charakter der »Nutzanwendungen« hervor-
vids Zeiten fehlt völlig, vor allem aber hat Miller
tritt.
jene Geschichten ausgelassen, die z~.r christlic~e~
Moral in Widerspruch stehen oder uber Anstoßi- Erlebte Millers Historienbibel auch mehrere Auf-
ges berichten. Die Historie »von Jakobs gedop- lagen bis ins 19. Jahrhundert- Kayser weist noch für
1823 eine von H.G. Kreußler besorgte 14. Auflage nach,
pelter Heyrath« fehlt daher ebenso wie die Histo- die bei Weygand in Leipzig erschien (Wegehaupt 1979,
rien von Simson, von der Bathseba und von der Nr. 1445 nennt als Erscheinungsjahr für diese Ausgabe
Judith. Statt dessen hat Miller die Geschichte von 1824) - .'konnte sie sich doch nicht ge.ge~ Hüb~ers
den jüdischen Märtyrern eingefügt. Zweymal zwey und funfzig auserlesene b1bhs.che Histo-
Auch in den verbliebenen Geschichten hat rien ... durchsetzen, die als Schulbuch ungleich erfolg-
687 Religiöse Schriften 688

reicher waren. Als Grund dafür gibt J.F. Heynatz in der welche in dem Kupferstiche vorgestellet wird,
Vorrede zu seiner Schrift Auserlesene Erzählungen aus machet dieses Buch sehr weitläufig«. Die Bilder-
der biblischen Geschichte ( 1776) an, daß Millers Erzäh- bibeln des 16. und 17. 1ahrhunderts - Breitkopf
lungen »bey ihren übrigen Vorzügen dennoch vielen,
erwähnt u.a. die von Emser, Säuberlich und Lust
theils wegen mancher bloß hergebrachten aber nicht ge-
nug bewiesenen Erklärungen, theils wegen nicht weni- mit den Holzschnitten Cranachs - seien dagegen
ger mehr herbeigezognen als aus den Geschichten selbst nicht mehr zugänglich; sie seien in den »Cabinet-
hergeleiteten Sittenlehren, nicht recht [haben] gefallen tem der Kunstsammler unsichtbar geworden«.
wollen.«- Trotz dieser Einschränkungen waren die Er- Auch die großen Werke des 18. Jahrhunderts von
baulichen Erzählungen . .. dennoch so erfolgreich, daß Mortier (Amsterdam), Dername (Paris) und
sie ins Schwedische und Finnische übersetzt wurden, Scheuchzer (Augsburg) seien »viel zu kostbar, als
wie Millers Biograph in der ADBzu vermelden weiß. daß sie in vieler Hände kommen könnten«. Zu-
O.B. dem könnten alle kaum zum »nützlichen Gebrau-
che« bei der Kindererziehung dienen. Breitkopf
umreißt damit deutlich die Absichten bei der Her-
ausgabe des Werks: wohlfeile und kindgemäße
1758 Ausgabe, gute Auswahl der Historien, hinlängli-
Poetischer Bilderschatz der vornehmsten che Beschreibung der Kupfer und »heilsame«
Nutzanwendung.
Biblischen Geschichte des alten und neuen
Testaments, zum erbaulichen Vergnügen der Der Poetische Bilderschatz enthält je !50 Kupfer-
Jugend ans Licht gestellet. 2 Teile. tafeln zu Geschichten des Alten und Neuen Testaments
mit darunter gesetzten poetischen Inhaltsbeschreibun-
Leipzig 1758 gen und Nutzanwendungen. Die Kupfertafeln sind un-
signiert, auch der Autor der Verse bleibt ungenannt.
Der Poetische Bilderschatz ist eine Bilderbibel für Breitkopfberichtet in seiner Vorrede lediglich, es hand-
Kinder. Den Nutzen einer Bilderbibel erklärt der le sich bei dem Autor um einen »Freund und Gönner«,
Verleger des Werks, J.G.I. Breitkopf, in seiner der auf sein Ersuchen hin die »poetischen Erklärun-
Vorrede damit, daß »eine sinnliche Vorstellung gen« verfertigt habe.
allerley löblicher Thaten, und Ausübungen der Der erste Teil des Werkes umfaßt Geschichten aus
dem Alten Testament. Die ersten 12 Tafeln beschreiben
herrlichsten Tugenden, nothwendig in den Ge-
die »Geschichte vor der Sündfluth«, die Tafeln 13 bis
müthem der Kinder einen lebhaftem Eindruck 15 die »Geschichte nach der Sündfluth « bis zum Turm-
und eine stärkere Erinnerung derselben verursa- bau zu Babel. Die Tafeln 16 bis 51 behandeln die Ge-
chen muß, als eine bloße Erzählung zuwege zu schichte der Erzväter Abraham, Lot, Isaak, Jakob und
bringen vermag«. Die »heilsame Wirkung« der die Geschichte Josephs und seiner Brüder. Die »Ge-
bildliehen Darstellung werde noch vergrößert, schichte der Kinder Israel in Aegypten« ist Gegenstand
»wenn diese Vorstellungen durch eine gute Erklä- der Tafeln 52 bis 65, die »Geschichte der Kinder Israel
rung und Anweisung des daraus fliessenden Nut- von dem Ausgange aus Aegypten bis zur Eroberung Ca-
zens gleichsam lebendig gemacht werden«. naans« der Tafeln 66 bis 87. Bis zur 80. Tafel wird die
Geschichte aus den fünf Büchern Mose behandelt, da-
Eine gute Bilderbibel zeichne sich durch drei
nach aus dem Buch Josua und ab Tafel 87 nach dem
Kriterien aus: durch »eine gute Wahl der Histo- Buch der Richter. »Geschichte der Kinder Israel unter
rien«, »durch eine kurze poetische Beschreibung den Richtern« sind die Tafeln 88 bis I 00 betitelt, wobei
des Kupfers, den Inhalt desselben hinlänglich zu die Tafeln 98 und 99 dem Buch Ruth und die Tafel! 00
erklären, und durch eine Nutzanwendung dersel- dem I. Samuel folgen. Die Geschichtsbücher Samuel,
ben Geschichte, in einer Warnung für solche, Könige und Chronik, die Propheten Jona, Jesaja und
oder einer Aufmunterung zur Nachahmung der- Jeremia sowie das Buch Judith aus den Apokryphen
selben, oder auch einer Erinnerung zur Erfüllung sind die Grundlage für die Tafeln I 0 I bis 133, der »Ge-
der darinnen enthaltenen heilsamen Lehren«. schichte der Kinder Israel unter den Königen«. Sie wird
fortgesetzt mit der »Geschichte der Kinder Israel in der
Unter diesem Aspekt kritisiert Breitkopf
Gefangenschaft, bis an derselben Ende«, die in Anleh-
auch die gängigen Bilderbibeln von Negelein und nung an die prophetischen Bücher Hesekiel und Daniel,
Kyburz. Zwar lobt er an Negeleins Bilderergät- die Apokryphen Tobias und 2. Makkabäer sowie die
zung die »schönen Holzschnitte« von Porcelius, Geschichtsbücher Esther und Esra in den Tafeln 134 bis
»allein, außer daß seine poetischen Erklärungen, 147 abgehandelt wird. Die letzten drei Tafeln erzählen
und die daraus gezogenen Lehren viel zu kurz ge- die Geschichte Hiobs.
fasset sind, und sich unmöglich alle Vorfälle in Derzweite Teil des Werks ist unterteilt in die »Ge-
vier Versen einschließen lassen: so ist auch die schichte derGeburth und KindheitJesu« (Tafeln 1-13),
Wahl der Historien nicht allemal so glücklich ge- die »Geschichte des Lehramts Jesu« (Tafeln 14-70), in
der ebenfalls zahlreiche Gleichnisreden behandelt wer-
schehen, daß der Nutzen, den man sich verspro-
den, die »Geschichte des Leydens Jesu« (Tafeln 71-97)
chen, daraus kommen könnte«. Kyburz sei mit und die »Geschichte der Auferstehung Jesu« (Tafeln
seiner Historien-Kinder-Bel- und Bilder-Bibel da- 98-112). Die Apostelgeschichte ist Gegenstand der Ta-
gegen »in den gegenseitigen Fehler gefallen; und feln 113 bis 133. Ein letzter Abschnitt (Tafeln 134-150)
die zu umständliche Erzählung der Geschichte, beschäftigt sich mit der Offenbarung des Johannes.
689 Poetischer Bilderschatz, 1758 690

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Poetischer Bilderschatz der vornehmsten Biblischen Geschichte des alten und neuen Testamentes. 1heil2.
-Leipzig 1758 (Nr. 683)
691 Religiöse Schriften 692

Die den Kupfertafeln beigefügten Verse beschrei- Kindem die christlichen Lehren besonders tief
ben jeweils kurz den Inhalt der Abbildung, verbunden einzuprägen.
mit einer Ermahnung, Warnung u.ä., die den Nutzen Die Dramatik der Situation versucht der Ste-
der Geschichte zusammenfaßt. Die Verse haben sehr
cher im Bild festzuhalten. Fast durchgängig wer-
häufig die Form von Alexandrinern, doch kommen
auch andere Formen wie der vierfüßige Jambus vor. Die den die Szenen in ihrem Höhepunkt, dem Mo-
meisten Verse haben eine Länge von 12 Zeilen. Das ment ihres Umschiagens festgehalten, z.B.: Jakob
Reimschema ist unterschiedlich: am häufigsten benutzt im Augenblick des Entsetzens, als Boten ihm den
der Autor den Paarreim, den er mit dem umarmenden Rock des vermeintlich von Tieren gerissenen Jo-
oder dem Kreuzreim verbindet; bisweilen kommt auch seph vorhalten (Tafel 1139); David, wie er zum
der Schweifreim vor. Kupfer und Vers sind jeweils, von tödlichen Schwertstreich gegen Goliath ausholt
einer Holzschnittrandleiste eingefaßt, auf ein Blatt ge- (Tafel 11104); Jonas, der im tosenden Meer vor
druckt. Die Titelseiten beider Teile sind mit einer oma- den Augen eines raubgierigen Wals über Bord ge-
mentalen Holzschnittrandleiste und einer Kupferstich-
worfen wird (Tafel 11122); der Diener des Ho-
vignette ausgestattet. Die Vignette ist gestochen von
Johanna Dorothea Philippin, geb. Sysang ( 1729-179 I), henpriesters, wie er die Hand erhebt, um Jesus ins
die auch Kupferstiche für Buffons Histoire naturelle, Gesicht zu schlagen (Tafel 11/80). Durch das Ein-
für Gottscheds Leipziger Monatsschrift Das Neueste fangen der Bewegung gelingt es dem Stecher, vie-
aus der anmutigen Gelehrsamkeit (I 754--62), für Base- len Bildern Lebendigkeit zu verleihen. Dem steht
dows Elementarwerk und für die Oktavausgabe von jedoch in manchen Tafeln eine gewisse statische
Klopstacks Messias lieferte. Trägheit entgegen, die ihre Ursache hat in dem
fast völligen Verzicht auf eine individuelle Ausge-
Schon die kurze Auflistung der verwendeten staltung der handelnden Personen. Im Neuen Te-
biblischen Bücher zeigt die Fülle des Materials, stament ist einzig Jesus hervorgehoben, dies je-
das den einzelnen Tafeln des Poetischen Bitder- doch nicht durch eine besondere Charakterisie-
schatzeszur Vorlage dient. Dabei ist die Vorliebe rung, sondern durch den ihn umgebenden Strah-
des Verfassers für dramatische Szenen nicht zu lenkranz. Müller bemerkt dazu: »Besonders naiv
übersehen. Besonders der erste Teil enthält eine wirkt der Strahlenkranz um das Haupt Jesu, der
Fülle von Darstellungen, deren Titel wie »Pharao wohl als Konzession an die Leserschaft aus den
ersäuft im rothen Meere«, »Die Rotte Korah wird ungebildeten Kreisen gedacht ist.« (Doderer/
verschlungen«, »Adonibesek werden die Dau- Müller, 1975,S. 7)
men und Zehen abgehacket«, »Absalom am Bau- Dieser Verzicht auf eine detaillierte Zeich-
me durchgestochen«, »Die Bären fressen die nung der Personen ist möglicherweise Ergebnis
spottenden Knaben«, »Judith stecket Holofemis der Absicht, das Buch wohlfeil, d.h. erschwing-
Haupt in den Sack« usw. schon auf die Grausam- lich zu gestalten, steht andererseits jedoch auch in
keiten hinweisen, mit denen der Betrachter kon- der Tradition der Bilderbibeln. Teil dieser Tradi-
frontiert wird. Auch die ausführliche Behandlung tion ist auch die Ausschmückung der Kupferta-
des Leidens Christi und der Auferstehung sowie feln mit stilisierten Wolkengebilden, Land-
furchterregender Szenen aus der Offenbarung schaftspanoramen und Gebäudeteilen, die nicht
des Johannes deutet auf die Kriterien hin, die bei nur dekorative, sondern z.T. auch eine das Ge-
der Auswahl der biblischen Historien offenbar schehen verdeutlichende Funktion haben.
zugrundegelegt wurden: vor allem wurden Ge- Die Dramatik, mit der der Stecher die ver-
schichten mit Dramatik, Spannung und leicht schiedenen Kupfertafeln ausstattet, spiegelt sich
darstellbaren zugespitzten Konflikten ausge- auch wider in der theatralischen Sprache man-
wählt. Dies könnte die Vermutung begründen, cher Verse. In den Versen wird zumeist nur das
daß es dem Verfasser weniger um die Vermittlung auf dem Bild unmittelbar Dargestellte beschrie-
der christlichen Glaubenslehre alsum-so ja auch ben. Da dieses wiederum auf den entsprechenden
der Titel - das »erbauliche Vergnügen der Ju- Höhepunkt beschränkt wird, fehlen in den Versen
gend« ginge, zumalerauf einen wesentlichen Be- fast immer das Geschehen verdeutlichende Her-
standteil anderer Bilderbibeln wie der von Ky- leitungen oder nähere Beschreibungen des Ortes,
burz oder besonders der von Kratzenstein ver- der Personen und der Umstände derbetreffenden
zichtet: die apostolischen Briefe und die darin Handlung. Damit wird eine genauere Kenntnis
enthaltenden Glaubenslehren, Lebens- und Sit- der entsprechenden biblischen Historien voraus-
tenregeln. Dagegen spricht jedoch die Tatsache, gesetzt. Da bei der dargebotenen Materialfülle
daß die poetischen Verse in starkem Maße utilitär kaum anzunehmen ist, daß die Kinder mit den
geprägt sind. Die bevorzugte Wahl dramatischer vielen Episoden aus den verschiedensten Bü-
Stoffe kann so den Effekt haben, daß durch den chern des Alten und Neuen Testaments bereits
Gegenstand und die Art der Darstellung die Auf- vertraut sind, liegt die Vermutung nahe, daß der
merksamkeit der Kinder auf die Nutzanwendun- Poetische Bilderschatz als ein die Wirkung des
gen erhöht, die Wirkung der Nutzanwendungen mündlichen Vortrags unterstreichendes und be-
verstärkt wird. Das »erbauliche Vergnügen« ist kräftigendes Mittel gedacht ist. Dies scheint auch
somit nicht Endzweck, sondern ein Mittel, den in der bereits zitierten Stelle aus der Vorrede Breit-
693 Basedow, Methodischer Unterricht, 1764 694

kopfs zu sprechen, die »sinnliche Vorstellung al- Eltern bzw. Privatlehrer konzipiert, ein Gebrauch
lerley löblicher Thaten, und Ausübungen der des Lehrbuchs an öffentlichen Schulen wird ein-
herrlichsten Tugenden« hinterlasse beim Kind ei- deutig ausgeschlossen (II, S. XXXI). Basedow
nen »lebhaftem Eindruck« und eine »stärkere will in diesem Werk »die Wahrheit des Christen-
Erinnerung«, »als eine bloße Erzählung zuwege thums und die göttliche Autorität der heil. Schrift
zu bringen vermag«. so beweisen, daß die Beweisgründe von aller gro-
Offensichtlich gelang es dem Verleger nicht, mit ßen theologischen Gelehrsamkeit unabhängig
der Neukonzeption einer Bilderbibel in der Form des sind, und bloß aus der Existenz und Beschaffen-
Poetischen Bilderschatzes den übrigen Erzeugnissen heit der heiligen Schrift und aus dem itzund be-
dieser Art den Rang streitig zu machen. Eine in der Vor- kannten Zustande der Jüdischen und Christli-
rede von Breitkopfbereits ins Auge gefaßte Neuauflage chen Religion geschlossen werden.« (1, S.
des Werks wurde offenbarnicht mehrveranstaltet 0. B. XLVII).
Die beiden Teile des Methodischen Catechis-
mus werden von Basedow als einheitliches Gan-
zes betrachtet: »In beyden Theilen des methodi-
1764 schen Unterrichtes selbst, auch in dem Grundris-
se zur Wiederholung derselben, herrscht durch-
Johann Bernhard Basedow (1 724-1790): gängig die Methode der Ordnung, in welcher ei-
Methodischer Unterricht der Jugend in der ner Seele, die vorher nichts von der Religion weis,
Religion und Sittenlehre der Vernunft nach die Wahrheiten derselben bekannt gemacht wer-
dem in der Philalethie angegebenen Plane. den müssen, wenn sie auf die kürzeste, leichteste,
Methodischer Unterricht in der und gründlichste Art davon belehrt werden soll.
überzeugenden Erkenntniß der biblischen [ ... ]Die beiden Theile des methodischen Unter-
Religion zur fortgesetzten Ausführung des in richtes in der Religion sind also auf eine gedop-
pelte Art ein Ganzes. Denn I) enthalten sie alles,
der Philalethie angegebenen Plans. Grundriß
was nach meiner Meynung einem Lernenden von
der Religion, welche durch Nachdenken und der Religion muß vorgetragen werden; und der
Bibelforschen erkannt wird. 2 Bände. Grundriß ist ein Auszug und eine Wiederholung
Altona 1764 desselben. 2) Alle Materien folgen in der Ord-
nung, wodurch sowol Deutlichkeit, als Ueberzeu-
Basedows dreiteiliges Lehrwerk, dessen zwei er- gung am geschwindesten befördert wird«.
ste Teile von ihm auch als Methodischer Catechis- ( Grundriß, S. 141 f.)
mus Ibzw. Ilbezeichnet werden, richtet sich vor Die Funktion des Grundrisseserläutert Base-
allem an »Kinder und Jünglinge« (1, S. 1), doch dow mit den Worten: »Den Schluß des zweyten
auch an Personen »männlichen Alters«, die Werkes macht ein von Beweisen mehrentheils
durch» Unwissenheit und Zweifel« gekränkt sind entblößter Auszug beyder, in welchem die Ant-
(ebd.). Der Methodische Catechismus I enthält, worten aufvorgedruckte Fragen folgen, und wel-
so Basedow, nur die Wahrheiten der natürlichen chernach meinen Urtheile dasjenige ist, was nach
Religion, er sei daher von allen Konfessionen und gehörigen Erklärungen memoriert werden kann.
Kirchen in gleichem Maße zu gebrauchen. Da Es verdient so wohl den Namen eines kleinen Ca-
»die Theologie und Moral dieses Buches [ ... ] techismus, als auch, da die Antworten ohne die
bloß die natürliche« sei (1, S. XLVI), könne es Fragen verständlich sind, den Namen eines Glau-
auch »denen Eltern, Hofmeistem und Cateche- bensbekenntnisses solcher Christen, die mit mir
ten nützlich seyn, deren Gewissen in allen Stük- vollkommen einstimmig denken.« (1, S. XLIX)
ken so beschaffen ist, als das öffentliche Gewis- Der Grundriß richtet sich sowohl an Kinder wie
sen ihrer Kirche« (I, S. XLIX). Die getrennte Her- Erwachsene ( Grundriß, S. 4). Sie könnten »in die-
ausgabe des ersten und zweiten Teils des Methodi- sem Catechismus dasjenige (finden), was zur
schen Catechismus erklärt Basedow mit dem Cha- Wiederholung dient, und vielleicht eine nützliche
rakter des zweiten Buches: »Es ist in einigen Stük- Uebung des Gedächtnisses seyn kann« (Grund-
ken auf eine bescheidene Weise paradox nach riß, S.4f.).
dem Urtheile einer jeden mir bekannten großen Das Werk ist zugleich eine Verteidigungs-
Kirche. [ ... ] Wegen dieser Paradoxie habe ich schrift gegen Basedows orthodoxe theologische
beyde Werke getrennt. [ ... ] Daher wird das erste Kritiker und deren Behauptungen, in der Philale-
Werk ohne das zweyte verkauft. Das zweyte aber thie sei »das Licht und die Gewißheit der Ver-
ohne das erste wird niemand verlangen, weil es nunft in Religionsfragen zu sehr erhoben« wor-
ganz wesentliche Beziehungen auf das erste hat, den (1, S. LIX). Dies wird deutlich in der Vorrede
und ohne dasselbe niemanden recht nützlich zum Grundriß, wo sich Basedow gegen die Kritik
wird.« (1, S. XLVIII f.) mit den Worten wehrt: »Diese Bogen können fer-
Der Methodische Catechismus II ist vor- ner meinen gottseligen und protestantischen
nehmlich für die religiöse Unterweisung durch Obern dienen, ohne viele Vergleichung zu sehen,
695 Religiöse Schriften 696

was ich aus dringender Pflicht meines Gewissens, die menschliche Vernunft »durch Unterricht zu
als ein Gelehrter und ein Christ in meiner Philale- den wirklichen Gedanken an Erlösung und Heili-
thie und in dem gesagten Unterrichte zur Bestrei- gung« leiten zu können, hält Basedow folgende
tung des Unglaubens, und als einen mit der Zeit Erkenntnisschritte für notwendig: Erkennen der
zu verbessemden Vorschlag anfangs zum Privat- Vortrefflichkeit der Welt, Erkennen der »Idee der
Unterrichte einiger Kinder in der Religion, ge- menschlichen Freyheit und Moralität zu Gottes
schrieben habe, wenn einige Eltern etwa meinen Weisheit und Gesetzen«, Erkennen der menschli-
Untersuchungen beystimmen mögten. Ich chen Sünden und der Gerechtigkeit Gottes, Er-
fürchte nicht, daß durch dieses Unternehmen ei- kennen der Unsterblichkeit der Seele und Schlie-
ne Uebertretung meiner äusserlichen Pflichten ßen auf die Erlösung und Heiligung (1, S. XI f.).
geschehen sey.« ( Grundriß, S. 4) Deutlich wird Diese »natürliche Ordnung der menschlichen Er-
der Verteidigungscharakter des Werks auch an kenntnisse« (1, S. XXI) legt Basedow seinem me-
den häufigen Beteuerungen, zur Umkehr der ver- thodischen Stufenplan für den Religionsunter-
blendeten Naturalisten einen Beitrag leisten zu richt zugrunde. Er gliedert den Unterricht in 14
wollen (vgl. Meth. Cat. /, S. LI). aufeinanderfolgende Stufen, die zugleich die
Basedows Werk liegt eine neue religionspäd- Struktur des Methodischen Catechismus bilden:
agogische Methode zugrunde, die er in einer dem »I) Die Kinder sich ihrer Seelenkräfte be-
Methodischen Catechismus I vorangestellten wußt machen. 2) Den Unterschied ihrer Seele und
»Abhandlung von dem Unterrichte der Kinder in ihres Körpers deutlich vorstellen, und dadurch ei-
der Religion« ausführlich erläutert. Den Haupt- ne schwache Vermuthung von dem Leben nach
mangel der bisherigen religionspädagogischen dem leiblichen Tode verursachen. 3) Die Freyheit
Methoden sieht Basedow in dem schädlichen Me- ihres Thuns und Lassens und den Unterschied
morieren religiöser Wahrheiten, die die Kinder derselben von dem unwillkührlichen Zustande
nie als solche wirklich verstehen gelernt hätten: nebst der daraus folgenden Fähigkeit zu einer mo-
»Kaum kann der entwöhnte Säugling stammeln, ralischen Regierung deutlich vorstellen. 4) Einige
so lehrt man ihn auch mit gebrochener Stimme leichte Kennzeichen der wahren, falschen und
Gebete hersagen, ohne zuvor in den tiefsten Ge- zweifelhaften Urtheile zeigen, und die jungen
heimnissen des Christenthums unterwiesen zu Seelen dadurch vor dem fürchterlichen groben
seyn« (1, S. IV). Für die Kinder sei das Beten keine Aberglauben bewahren. 5) Die Vortrefflichkeit
Sache des Verstandes und des Herzens, sondern des ordentlichen Laufs der Naturund das vorzüg-
ein bloß rituelles Händefalten und Sprechen liche Gewicht der Glückseligkeit in den uns be-
(I,S. Vllf.). Durch das Memorieren erzöge man kannten Theilen der Naturvor Augen stellen, um
die Kinder zur kritiklosen Übernahme auch der daraus auf die unbekannten zu schliessen. 6) Die
Ungereimtesten Religionssätze, denn »Wahrhei- Existenz eines einzigen weisen Gottes erst wahr-
ten und Irrthümer werden auf gleiche Art einge- scheinlich, und hernach durch die Pflicht, sich
propft« (1, S. XI). Basedow kritisiert vor allem nach solchen Wahrscheinlichkeiten als nach den
den unsinnigen Aufbau des Religionsunterrich- klärsten Wahrheiten zu richten, moralisch gewiß
tes: Durch ihre Methode, an den Anfang des Un- machen. 7) Aus der durch die Beschaffenheit der
terrichts die Lehre von der Erlösung, von der Welt erkannten Idee von Gott, und aus der
Dreifaltigkeit Gottes, von der Jungfrauengeburt Pflicht, von ihm ehrerbietig zu denken, die einzel-
etc. zu setzen, stellten die traditionalistischen Re- nen Eigenschaften Gottes herleiten. 8) Auf eben
ligionspädagogen und Theologen die natürliche die Art die Unsterblichkeit der Seele und das gött-
Ordnung des Unterrichts auf den Kopf, und so liche Gericht, als practisch gewiß vorstellen. 9)
werde »nichts gründlich verstanden, nichts Auf diese Wahrheiten eine gründliche Moral bau-
gründlich bewiesen« (1, S. XXIII). Die ganze Mo- en. 10) Hernach göttliche Offenbarungen vermut-
rallehre erschöpfe sich auf das Lehren des Deka- hen lassen, die Möglichkeit und den Nutzen der-
logs; dies habe nicht nur »eine unnatürliche Kün- selben zeigen, und die Verpflichtung der Men-
steley« zur Folge, sondern führe auch dazu, daß schen beweisen, bey solchen und solchen Um-
wichtige bürgerliche Moral- und Tugendlehren ständen erst zu untersuchen und dann zu glauben,
gar nicht vermittelt würden, »die man oft unter daß die mit solchen Zeichen begleitete Anprei-
die zehn Gebote zu bringen vergessen hat« sung einer göttlichen Offenbarung und Gesaut-
(1, S. XXXIV). Basedow wendet sich gegen die schaft wahr sey. 11) Die Geschichte und den In-
fortlaufende Lektüre des Alten Testaments, weil halt der biblischen Offenbarungen in einem sol-
nicht alle Bücher notwendig zu wissen wären (vgl. chen Auszuge der heiligen Schrift, der nicht zu
I, S. XXXVI). Auch kritisiert er den »Mißbrauch machen itzund unnützen Untersuchungen und
der heiligen Schrift« durch das Lernen aus dem Vorstellungen abführt, dem Verstande und dem
Zusammenhang herausgerissener Sprüche (vgl. Gedächtnisse der Kinder vorlegen. 12) Alsdann,
I, S. XXXVII). (ohne Gebrauch einer entbehrlichen Gelehrsam-
Diese Mängel will Basedow mit seinem Me- keit, aus dem blassen Inhalte der Bibel, und aus
thodischen Catechismus beseitigen helfen. Um den itzigen Wirkungen ihrer Existenz in dem
697 Basedow, Methodischer Unterricht, 1764 698

Glauben der Juden und Christen) beweisen, daß


die Bibel prophetische und apostolische Autorität
habe, und also da, wo es darinnen gesagt wird,
göttliche Offenbarungen und Lehrsätze göttlicher
Gesandter enthalte. 13) Unter den göttlichen Ge-
sandten Jesum Christum anfangs als den größten,
den vollkommensten, den tugendhaftesten, den
menschenfreundlichsten kennen lehren. 14) End-
lich aus dem Vortrage Christi und der Apostel die
Geheimnisse der christlichen Religion von dem
eingehohrneo Sohne Gottes, der auch unser Gott
ist, und von dem Geiste des Vaters und des Sohnes
beweisen; so auch die Geheimnisse von dem Ver-
derben des menschlichen Geschlechtes durch die
erste Sünde, von dem ewigen Rathschlusse der
Erlösung; von dem jüngsten Tage, der Auferste-
hung und dem letzten Gerichte; von dem Bey-
stande des heiligen Geistes zum Guten; von Him-
mel und Hölle; von der Gerechtigkeit des Glau-
bens; von den besandem Pflichten und Vorzügen
der Christen; endlich von denen göttlich verord-
neten äusserlichen Mitteln, die christliche Reli-
gion zu bekennen und in der Seele wirksam zu er-
haltgn, odervon den Sacramenten« (1, S. XXIff.).
Grundlage des Religionsunterrichts dürfe
nicht das Memorieren, das » Herstammeln unver-
standener Worte« sein, sondern man müsse in
den Kindern »wirkliche Ideen« erzeugen, »wel-
ches nicht anders als durch solche Gespräche ge-
schehen kann, deren Gegenstände in der natürli- Johann Bemhard Basedow (1 724-1790). Kupfer-
chen Ordnung auf einander folgen« (1, S. stich von Daniel Chodowiecki
XLII f.). Fürden Gebrauch des Methodischen Ca-
techismus entwickelt Basedow daher folgendes
Moralen« und die Anfangsgründe der »Univer-
Modell: »Der Vater oder Lehrer macht sich zuvor
sal-Historie«, eingeschlossen Geographie und
selbst durch Lesen und Nachdenken mit dem
Chronologie, umfassen (1, S. LV). Mit diesen
zweckmäßig geordneten Inhalte der Paragraphen
Hauptbestandteilen einer neuen Schulbibliothek
bekannt, redet davon mit seinem Kinde; versucht
will Basedow zur Verbesserung des Schulwesens
durch die untergesetzten und durch selbstgewähl-
beitragen.
te Fragen, wie weit sein Schüler ihn verstanden
habe; wiederholt das Vorige nach der jedesmali- Der Methodische Unterricht der Jugend in der Re-
gen Nothwendigkeit, wenn er zu dem Folgenden ligion und Sittenlehre der Vernunft ist in zwei Haupt-
stücke gegliedert: »Von dem Menschen und der Welt«
fortschreitet.« Das Kind solle sodann zum Nach-
(S. 1-62) und »Die natürliche Religion« (S. 63-268). Im
lesen angehalten werden (I, S. XLII f.). ersten Hauptstück entwickelt Basedow die Grundbe-
Basedow begreift seinen Methodischen Cate- griffe, auf denen er im zweiten Hauptstück die Lehre
chismusund den Grundrißais ersten Teil einer auf von der natürlichen Religion aufbaut. Es umfaßt die er-
drei Hauptwerke konzipierten Lehrbuchsamm- sten fünf Stufen seines methodischen Plans. Die ersten
19 Paragraphen sollen die Kinder »ihrer Seelenkräfte
lung. Das zweite Werk soll aus einem »Buch der bewußt machen« (S.l-11). Dabei erklärt Basedow den
Erbauung und Gebete« bestehen, das Basedow Verstand als Summe der Sinneskraft, des Vermögens,
für Kinder und Erwachsene plant, die Kenntnisse »euch eurer selbst bewußt zu seyn«, des Gedächtnisses,
in der natürlichen Religion haben. Das dritte der Einbildungskraft und der Urteilskraft (S. I 0). Den
Werk schließlich soll ein Lesebuch für Kinder Verstand, gepaart mit Willen, bezeichnet er als »geisti-
sein, »ein solches ABC Buch, worinneu die Ue- ges Leben« (S. 11). Die zweite Stufe(§§ 20-23) behan-
bung des Lesens und des Verstehens gelesener delt den Unterschied zwischen der Seele und dem Kör-
Sätze, und der nach der Bedeutung gebogenen per. Die dritte Stufe beschäftigt sich mit der Willensfrei-
heit des Menschen (§§ 24-35). Die vierte Stufe vom
Aussprache, nicht mit Ausdrücken und Sätzen, »wahren, falschen und zweifelhaften Urtheile«, in de-
die zur Religion gehören, sondern mit andern, nen Basedow einige Grundbegriffe der Logik abhan-
theils angenehmen, theils nützlichen, Erkenntnis- delt, findet sich jedoch nicht im Anschluß hieran, son-
sen angestellet wird [ ... ]«. Das Buch soll Ab- dern war bereits schon Gegenstand der Betrachtung in
schnitte aus der Kinderphysik, »einige Kinder- den§§ 11-17. Auf der fünften Stufe (§§36-38) liefert
699 Religiöse Schriften 700

Basedow einen physikotheologischen Gottesbeweis. wollen anderer. 5) Die Mäßigung, welche die Sanft-
Aus der Ebenmäßigkeit und Schönheit des Körpers, der muth, die Geduld, die Demuth und die Mäßigung in
Feinheit der Sinne, der nützlichen Anordnung und sich faßt«. (S. 108) Nach einem kurzen Abschnitt über
Funktion der Körperorgane und dem Vorhandensein die Pflichten gegen Tiere(§ 115, S. 138 f.) behandelt Ba-
der menschlichen Instinkte schlußfolgert Basedow: sedow die Pflichten gegen andere Menschen, die alles-
»Der Zustand des menschlichen Geschlechts besteht in amt in dem kurzen Gesetz »Liebe deinen Nächsten als
mehrerer Glückseligkeit, als UnglückseligkeiL [ ... ] Da- dich selbst« (S. 139) enthalten seien. Er unterteilt sie in
her ist er, insgemein beurtheilt, gut.« (S. 35) Durch einen »Wahlpflichten« und »Zwangspflichten«. Zu den
»Erfahrungsschluß« gelangt er zu der »ordentlichen Wahlpflichten zählt er » 1) Menschlichkeit, oder eine
Wahrheit [ ... ], daß auch der Zustand der Thiere gut sey, liebreiche Gesinnung gegen andre, ohne Grausamkeit
nämlich für sie selbst« (S. 40), was schließlich beweist, und grausamen Haß, ohne Neid und Schadenfreude,
daß jedes lebendige Wesen, »wenn es gleich etwas ohne Rachbegier, Unversöhnlichkeit und Zanksucht. 2)
Elend erfährt, dennoch in einem überhaupt glückseli- Die Dienstfertigkeit 3) Die Gefälligkeit. 4) Die Billig-
gen Daseyn« sei (S. 52). Hieraus schlußfolgert Base- keit. 5) Die Enthaltung von Aergemissen.« (S.l44),
dow: »Wenn viele Dinge so zusammen geordnet sind, während er die Zwangspflichten unterteilt in » 1) Treu
das ist, wenn sie so beyeinander sind, und so auf einan- und Glauben, ohne Diebstahl und Betrug, und ohne
der folgen, daß eben diese Ordnung sie für die Men- Versagung des Versprochnen. 2) Die Enthaltung von
schen in manchen Stücken nützlich macht; so ist, nach der Lästerung des ehrlichen Namens. 3) Der Gehorsam
der Erfahrung in vielen tausend Exempeln, diese Ord- gegen die Obern. 4) Das Friedehalten, oder die Enthal-
nung ein Werk der Absicht« (S. 52 f.). Seine Beweiskette tung vom Todtschlage und Verletzung; von Gefangen-
schließt mit der »Wahrheit«: »Die Welt ist gut. Diese nehmung und Nothzüchtigung, vom Mordbrennen und
Wahrheit aber bedeutet nichts anders, als I) daß das Gu- vom gewaltsamen Drohen« (S. 144 f.).
te in der Welt das Uebergewicht hat, und 2) daß jedes Eine dritte Gruppe von Pflichten gegen andere bil-
wirklich Böse vom größem Guten kommt, oder mehr den nach Basedow die Standespflichten (S.l69ff.). Er
Gutes wirket« (S. 59). behandelt unter diesem Aspekt die Keuschheit und die
Hieran schließt sich die Behandlung der natürli- ihr entgegenstehenden Laster (» 1) Hurerey. 2) Ehe-
chen Religion im zweiten Hauptstück an. Auf der sechs- bruch. 3) Vielweiberey. 4) Vielmännerey. 5) Unnatürli-
ten Stufe(§§ 69-72) wird zuerst die Wahrscheinlichkeit che Unkeuschheit.«; S.l69), die Pflichten von Eheleu-
der Existenz Gottes angenommen und sodann als »ver- ten, die Pflichten und Rechte von Eltern gegen ihre Kin-
bindliche Wahrheit« durch einen »Erfahrungsschluß« der und von Kindem gegen ihre Eltern, von Stiefeltern
nachgewiesen (kausaler Gottesbeweis). Auf der siebten und -kindem, von Pflegeeltern, die Freundschaft, die
Stufe werden anschließend die Eigenschaften Gottes Pflichten unter Verwandten, die Pflichten der Lehrjun-
abgeleitet (§§ 73-84, S. 68-80), die allesamt mit Bibel- gen und Gesellen, die Pflichten der Schüler gegen ihre
stellen belegt werden. Auch die achte Stufe, die dieUn- Lehrer, die Pflichten von Herrschaften und Bedienste-
sterblichkeit der Seele zum Gegenstand hat, beschäftigt ten, von Handelsmännem, die Obrigkeit und die Pflich-
sich mit den Eigenschaften Gottes (§§ 85-88), der hier ten gegen sie, Pflichten des »patriotischen Eifers«,
als unveränderlich (S. 82 f.) und allweise (S. 83 ff.) dar- Pflichten der niedrigen Untertanen gegen die Mächti-
gestellt wird. Aus Gottes Wohlwollen gegenüber dem gen, die »Sünden der Richter, Sachwalter und Zeugen«,
Menschen entspringe dessen Glückseligkeit (vgl. S. 84). die »Sünden der Commissarien« sowie gerechte und
Diese Glückseligkeit könne der Mensch noch durch ungerechte Kriege, das Verhalten im Kriege und die
kluges und weises Handeln vermehren (§§ 89-100, Pflichten der Befehlshaber. Ein weiterer Abschnitt
S. 85-105). Dazu stellt Basedow mehrere Regeln auf: handelt von den Eigenschaften eines weisen Königs
die Regeln von der Wahrheit und Wahrscheinlichkeit, (S. 237-243). Den Schluß der Morallehre Basedows bil-
von der Weisheit, vom »Rathfolgen«, vom jugendli- det eine Betrachtung der Pflichten gegen Gott, der
chen Fleiß, vom Gehorsam, vom Wert der Dinge, von Pflicht des Gebets sowie des göttlichen Gerichts
den Affekten, von den Gewohnheiten, von der Liebe (§§ 161-163). Auffällig ist, daß auch im Abschnitt über
und Ehre, von den Pflichten und von den Tugenden, die die Pflichten- ähnlich wie in dem Teil, der sich mit den
als »gemeinnützige Handlungen und Gewohnheiten« Eigenschaften Gottes auseinandersetzt - verschiedene
definiert werden, die »zum allgemeinen Besten der Tugenden oder Laster mit dem Hinweis auf entspre-
Menschen« gereichten (S. I 03 f.). Da Gott »allwissend, chende Bibelstellen bekräftigt werden, obwohl sich die-
allmächtig, allweise« sei (S.I 05), und da man sehen ser Teil des Methodischen Catechismus nur mit der na-
könne, »daß eine Gesellschaft durch die lasterhaften türlichen Religion beschäftigt.
Handlungen ihrer Glieder viel Uebel« leide (S.I06), Den letzten Teil des Methodischen Catechismus I
schließt Basedow auf die »verbindliche Wahrheit« des bildet der Übergang zur zehnten Stufe des Unterrichts,
Gerichtes Gottes (ebd.). Mit der Begründung des göttli- auf der die Kinder an die Offenbarungsreligion heran-
chen Gerichts (§ I 0 I, S. 105-108) wird die achte Stufe geführt werden sollen(§§ 164-168). Während Basedow
des methodischen Unterrichts abgeschlossen. die natürliche Religion definiert als die Lehrsätze »von
Auf der neunten Stufe entwickelt Basedow eine Gott und unsem Pflichten, welche wir durch die Be-
»gründliche Moral« (§§ 102-163, S.I08-252), wobei trachtung der Welt und durch Annehmung verbindli-
die Pflichten eingeteilt werden in solche gegen uns cher Wahrheiten zu erkennen vermögend sind«(S. 252),
selbst, gegen andere und gegen Gott. Zu den »beson- führt er die geoffenbarte Religion als ein >>außerordent-
dem Pflichten, welche in der Selbstliebe enthalten wor- liches Werk der Vorsehung« ein, »wodurch uns über-
den«, zählt er: »I) Das Bestreben nach Klugheit und menschliche Erkenntnisse, die in der natürlichen Reli-
Weisheit überhaupt. 2) Die Selbsterhaltung und Selbst- gion nicht enthalten sind, mitgetheilet, oder die Sätze
vertheidigung. 3) Die Arbeitsamkeil und Erwerbsam- der natürlichen Religion bestätiget werden« (S.253).
keit. 4) Die Ehrliebe und das Bestreben nach dem Wohl- Als geoffenbarte Wahrheiten will er jedoch nur solche
701 Basedow, Methodischer Unterricht, 1764 702

gelten lassen, die der eigenen sinnlichen Erfahrung und sind diese Offenbarungen, als mit der natürlichen Reli-
der gesunden Vernunft nicht widersprechen (S. 256). gion übereinstimmend, dem Jehovah oder wahren Got-
Nach einer kurzen Betrachtung über die Heiden te nicht unanständig. 2) Die Wunder Mosis und einiger
(»Halbmenschen«) und die Offenbarung (S. 256 ff.) be- Propheten werden als so öffentliche Wunder erzählt, die
schäftigt er sich mit dem Atheisten sowie den Naturali- eine Nation schwerlich zu glauben anfängt, wo sie nicht
sten. Die natürliche Religion habe entscheidende Män- von Augenzeugen durch das Gerücht und die Belehrun-
gel: sie lasse den Menschen »in einer Ungewißheit, oder gen auf die Nachkommenschaft gebracht werden.«
in einer sehr schweren Verbindlichkeit zu glauben« (S.l2f.)
(S. 264); die Wunder der geoffenbarten Religion mach-
In gleicher Art und Weise behandelt Basedow das
ten demgegenüber dem »gemeinen Haufen« die Wahr-
Neue Testament: auf die Darstellung der Bücher des
heiten der natürlichen Religion leichter glaubhaft
Neuen Testaments (§ 174) folgt eine kurze Inhaltsbe-
(ebd.). Die natürliche Religion enthalte einige zu kom-
schreibung (§ 175) und der Nachweis des göttlichen
plizierte Sittenlehren, deren Wahrheit von vielen Men-
Charakters des Evangeliums, der apostolischen Briefe
schen erst durch die Wunder der geoffenbarten Reli-
und der Offenbarung(§§ 176-178). Der Schluß des er-
gion geglaubt würden (S. 265); auch könne die natürli-
sten Hauptstücks versucht nachzuweisen, warum die
che Religion aufviele Fragen keine schlüssige Antwort
christliche Religion »allein die wahre« sei, und weshalb
erteilen (ebd.).- Der erste Band endet mit 20 Gebeten
es außer der Bibel keine andere apostolische Autorität
für Kinder, >>die schon Begriffe von der natürlichen,
gäbe. Hier wendet sich Basedow insbesondere dagegen,
aber noch nicht von der christlichen Religion haben«
Kirchenvätern, Konzilien und Päpsten irgendwelche
(S. 269-272).
göttliche oder apostolische Autorität zuzugestehen
Dem Methodischen Unterricht in der überzeugen- (S.40f.).
den Erkenntniß der biblischen Religion ist eine ausführ- Im zweiten Hauptstück trägt Basedow die »Reli-
liche, 32 Seiten lange Vorrede mit dem Titel »Abhand- gions-Wahrheiten« vor, die ihm »die wichtigsten schei-
lung von der Pflicht und Duldung der Paradoxie« vor- nen« (S. 44). Er definiert seinen religiösen Standort als
angeschickt, in der Basedow die Berechtigung begrün- den eines »freygläubigen Christen«: »Ich nenne einen
det, den christlichen Kirchen widersprechende Lehrsät- freygläubigen Christen, der seiner eigenen wahren oder
ze zu äußern und zu verteidigen. Basedow bezeichnet in vermeinten Einsicht in die heilige Schrift, im Ortheilen
seiner Abhandlung die Gewissensfreiheit als »ein un- über göttliche Dinge folgt, und den symbolischen Bü-
schätzbares Kleinod«. Es sei »unleugbar, daß paradoxe chern derjenigen Kirche, zu der er sich bisher gehalten
Bücher und Verfasser (unter der Bedingung einer guten hat, nicht aus blinder Ehrerbietung glaubt, der also,
politischen Religion und gehörigen Bescheidenheit) in wenn er ein Schriftsteller in der Religion ist, diese seine
protestantischen Staaten ohne bürgerliche Strafen müs- besondere Meynung frey heraus sagt, und zu beweisen
sen geduldet werden« (S. XXV). Basedow bezeichnet sucht, sie mag übrigens dieser oder jener Kirche ortho-
die paradoxen Schriften gar als »die eigentliche Vorbe- dox oder paradox und ketzerisch scheinen.« (S.45)
reitung eines bessern Zustandes der Kirchen«.
Das zweite Hauptstück enthält die Stufen 13 und
Trotz seiner paradoxen Ansichten nimmt Base- 14 des Religionsunterrichts, wobei der Übergang je-
dow für sichjedoch in Anspruch, Vertreter einer »poli- doch nicht scharf abgegrenzt ist. Zu Beginn erläutert Ba-
tisch guten Religion« zu sein. Darunter versteht er eine sedow anhand zahlreicher Schriftstellen die These von
Religion, »wenn sie ein alle andere Bewegungsgründe Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist(§ 183) und be-
überwiegendes Gericht Gottes nach dem Tode über Tu- schäftigt sich sodann mit Gott als dem Vater, »den Chri-
gend und Laster, die Gottlosigkeit der groben Beleidi- stus in Geist und Wahrheit anzubeten befiehlt«(§ 184).
gungen, die Pflicht, der Obrigkeit um Gottes Willen zu Die nächsten Abschnitte(§§ 185-188) handeln von Je-
gehorchen, und niemanden der Religion halber zu ver- sus als Gottes Sohn. Dabei weist Basedow darauf hin,
folgen, als wahr annimmt.« (S. VIf.) Auch wenn ernicht daß der Begriff Gott in bezugauf den Vater und den
mehr - wie noch in der Practischen Philosophie for alle Sohn verschiedenerlei Bedeutung habe, Jesus sei Gott
Stände ( 17 58) - behauptet, daß sich eine solche »poli- nicht gleichgestellt, sondern untertan (vgl. S. 49). Im fol-
tisch gute Religion« »in einer wahren oder vermeinten genden Abschnitt wird der Heilige Geist als »eine Per-
Offenbarung« gründen müsse, grenzt er sich dennoch son«, als »Geist Christi und Gottes« dargestellt(§ 189).
scharf vom Naturalismus ab, dessen Ausbreitung er Dies bildet den Übergang für die Auseinandersetzung
»für ein bürgerliches Verbrechen« erklärt (S. VII). mit der Trinitätslehre (§ 190). Sie wird von Basedow mit
Der eigentliche Unterricht in der überzeugenden dem Argument verworfen, daß Vater, Sohn und Heili-
Erkenntniß der biblischen Religion, der bereits die Lek- ger Geist in ihrem Wesen verschieden seien (vgl. S. 62).
türe und Kenntnis eines »ausführlichem Auszug[s) der Auch die Lehre, daß Jesus zugleich wahrer Gott und
heiligen Schrift« voraussetzt (S. 2, Anm.) ist in drei wahrer Mensch sei, lehnt Basedow ab. Jesus sei anfangs
Hauptstücke gegliedert: »von der Bibel«(§§ 169-182) Gott oder Gottes eingeborener Sohn gewesen, habe sich
»von der Gottheit«(§§ 183-191) und »von den göttli- danach erniedrigt und sei Mensch geworden, um mit
chen Rathschlüssen über das menschliche Geschlecht, der Auferstehung wieder zur» Rechten Gottes erhöhet«
das ist, von der Erlösung, von den Gnadenmitteln, und zu werden: »Vermeidet die Wörter, daß Christus zu glei-
den lezten Dingen«(§§ 192-216). Zu Beginn des ersten cher Zeit eine göttliche und eine menschliche Natur be-
Hauptstücks, das den Unterricht in der Stufe II und 12 sitze. Denn diese Redensarten stehen nicht in der
beinhaltet, gibt Basedow eine kurze Gliederung und In- Schrift.« (S. 63) Im Schlußkapitel betont Basedow, man
haltsübersicht des Alten Testaments (§§ 169-171 ). An- dürfe nur Gottvater, den Sohn und den Heiligen Geist
schließend wird- entsprechend der Stufe 12 des Unter- anbeten, nicht aber Engel und Heilige(§ 191 ).
richtsplans- der göttliche Charakter und die »verbindli- Die Stufe 14 des Religionsunterrichts wird im drit-
che Wahrheit« des Alten Testaments begründet: »I) ten Hauptstück fortgesetzt. Es beschäftigt sich zuerst
703 Religiöse Schriften 704

mit dem Stand der Unschuld, der Erbsünde, der Erlö- die Apostel Jesu gelten. Der folgende Abschnitt (§ 215)
sung, der Unsterblichkeit und dem Jüngsten Tag(§ 192) enthält eine neuartige Auslegung des Vaterunser; der
und erörtert dann die Lehre von den letzten Dingen letzte Abschnitt(§ 216) handelt vom Beistand des Heili-
(§§ 193-198). Durch einen Vernunftschluß belegt Base- gen Geistes. In einer Anmerkung zu diesem letzten Pa-
dow dabei seine These, daß die Verdammnis nicht ewig ragraphen gibt Basedow zahlreiche Erklärungen theo-
dauere (S. 74). Durch eine philologische Untersuchung logischer Fachausdrücke (S. 172 ff.). Den Band be-
der hebräischen und griechischen Wörter, die im Deut- schließen fünf Zusätze »von den Kirchenlehrern«
schen mit »ewig« übersetzt zu werden pflegen, kommt (S. 179ff.), von den »symbolischen Büchern und ihren
Basedow zu dem Schluß, daß sowohl die peinlichen Aenderungen« (S.l84ff.), von den »Secten und Kir-
Strafen wie auch die verheißene Glückseligkeit von chen der Christen« (S.l87ff.), von der »Kirche«
zwar unbekannter, aber doch endlicher Dauer seien. In (S. 20 1 ff. ), von der »Liturgie« (S. 212 ff.) und von den
seiner Lehre von der Wiederbringung vertritt Basedow »Einwürfen der Naturalisten« (S. 219ff.).
ebenfalls die Auffassung, daß auch die »peinlichen Der Grundriß der Religion, welche durch Nach-
Strafen« die Gott über die Teufel verhängen werde, ein- denken und Bibelforschen erkannt wird, in Fragen und
mal ein Ende hätten. Antworten nebst einigen Zusätzen enthält im ersten Teil
In den folgenden Abschnitten(§§ 199-209) setzt eine Zusammenfassung des Methodischen Catechismus
sich Basedow mit der Lehre von der Versöhnung ausein- in Frage- und Antwortform. Der erste Teil zur natürli-
ander. Allein der Glaube sei »den Gläubigen die ganze chen Religion ist in 69 kurze Abschnitte gefaßt
zureichende Bedingung ihrer Gerechtigkeit vor Gott« (S. 7-31), der zweite Teil zur geoffenbarten Religion in
(S. 98); den Glauben definiert er als »Gehorsam gegen weitere 28 (S. 31-48). Knappen Fragen, denen jeweils
das Evangelium« (S. 99). Ausdrücklich verwirft er die ein Verweis auf die entsprechenden Paragraphen im
These von der Werkgerechtigkeit (S.lOOff.), wenn- Methodischen Catechismus beigegeben ist, folgen the-
gleich er es für unabdingbar hält, daß sich der Glaube in senmäßige Zusammenfassungen der hauptsächlichen
tätiger Erfüllung der von Christus aufgetragenen Pf1ich- Aussagen der beiden Lehrbücher. Die »Zusätze«
ten verwirklicht. Das einzige Mittel eines Menschen, sei- (S.49-144) beginnen mit »Gedanken über die tägliche
ner Sünden ledig zu werden, sei die tätige Buße, die ih- Erbauung« (S. 49-55). Als »nächstes und kräftigstes
ren Niederschlag finde in der Wiedergeburt. Unter den Mittel der Erbauung« bezeichnet Basedow das Gebet
vielen Mitteln, die Basedow zur Wiedergeburt aufzählt, (S. 50), ein »entfernteres Mittel« sei die »angewöhnte
steht der »Vortrag des Evangelii « an erster Stelle Aufmerksamkeit auf die Schönheit und den Nutzen der
(S. 107). Werke der Schöpfung« sowie die Aufmerksamkeit auf
Der nächste große Abschnitt setzt sich mit der die Vorsehung Gottes, auf die Exempel menschlicher
Taufe und der Kindtaufe auseinander (§§210/11). Ba- Tugend und Laster, auf die Abhängigkeit des Schicksals
sedow vertritt darin die These, daß die Taufe keines- von eigenen Handlungen und Zufällen, auf den »er-
wegs die Vergebung der Sünden oder die Gotteskind- bärmlichen Zustand des Christenthums und den ein-
schaft bewirke (S. 128), sie sei lediglich »das öffentliche reissenden Naturalismus«, auf die »beständige Mög-
Bekänntniß eines neubekehrten Christen« (S.l32). lichkeit des Todes und schließlich auf den großen Un-
Man könne auch ohne Taufe selig werden (S. 126). Die terschied zwischen tugendhaften und lasterhaften
Kindtaufe will er nur insofern gelten lassen, als sie »ein Freunden (S. 51).
feyerliches Versprechen der Eltern sei, das Kind zur Den zweiten Zusatz bilden »einige Versuche in
göttlichen Verehrung des Vaters, Sohnes und Geistes zu Gebetsformeln« (S. 55-1 07). Die Gebete sind in der Re-
unterweisen und anzuführen, auch ein Erinnerungsmit- gel ungewöhnlich lang; ein »Gebet für das Christen-
tel der für dieses Kind geschehenen Erlösung Jesu Chri- thum« umfaßt z.B. mehr als fünf Seiten. Im dritten Zu-
sti.« (ebd.) In seiner Abendmahlslehre(§§ 212/13) folgt satz- »Gedanken für geübte und scharfdenkende See-
Basedow weitgehend der reformierten Auffassung, in- len von dem Zwecke der göttlichen Schöpfung und Vor-
dem er die Lehren von der Transsubstantiation und von sehung, auch von den Ursachen der Unwissenheit und
der Konsubstantiation ausdrücklich verwirft und das Irrthümer« (S.108-116) - beschreibt Basedow als
Abendmahl definiert als »eine von Christo eingesetzte Zweck der Schöpfung die »Beförderung der allgemei-
sehr feyerliche Handlung zum Gedächtnisse seines für nen Glückseligkeit seiner [d.i. Gottes] Geisterwelt«
uns gebrochenen Leibes, für uns vergossenen Blutes, (S. 109). Der vierte Zusatz handelt »von der Ausübung
wodurch ein jeder Christ sich erinnert und bekennt, daß der christlichen Religion« (S. 116-137). Hier definiert
er ein Theil und mit andern Gemeinschaft habe an der Basedow die Sätze des »Universal-Christenthums«,
Kraft des gebrochenen Leibes und des vergossenen Blu- »dem keine einzige mir bekannte Kirche widerspricht«.
tes Jesu Christi« (S.137f.). Daher könne das Abend- »Diese Sätze sind: I) Die vier Evangelien nebst der
mahl auch von jedem Christen in Gemeinschaft ausge- Apostelgeschichte sind sehr glaubwürdige Geschieht-
teilt werden. Bücher. 2) Die Briefe des neuen Testaments sind von
Auch in seiner Lehre über die Beichte (§ 214, Aposteln geschrieben. 3) Christus ist der eingebohrne
S.l44ff.) weicht Basedow erheblich von den Lehrmei- Sohn Gottes ohne Gleichen, dergrößte unter allen gött-
nungen der großen Kirchen ab. Für ihn ist die Absolu- lichen Gesandten. 4) Auch die Apostel sind wahre Ge-
tion keine tatsächliche Vergebung der Sünden, sondern sandte Gottes und Jesu Christi, und haben als solche
lediglich eine »feyerliche Ankündigung oder Vorhal- wirklich gelehrt. 5) Der Innhalt der wahren natürlichen
tung der von Christo erworbenen Gnade für Sünde, und Religion, ist auch durch Jesum Christum und seine
der völligen Gerechtigkeit und Vergebung der Sünden Apostel geoffenbart. 6) Die Mängel der natürlichen Re-
durch den Glauben« (S. 145). Kein Beichtvater habe die ligion werden durch die Offenbarungen ersetzt.«
göttliche oder apostolische Autorität, Sünden zu verge- (S.116)
ben; die häufig zitierten Worte Jesu in Matth. 18, 18. Darüberhinaus bestehe der »vorzügliche Inhalt
und Joh. 20, 22. 23. läßt Basedow ausdrücklich nur für der heiligen Schrift, welcher allen Völkern und Perso-
705 Basedow, Methodischer Unterricht, 1764 706

nen im höchsten Grade nützlich ist« (S. 117), aus folgen- Vollkommenheit, Nützlichkeit und Brauchbar-
den Lehrsätzen: I) Jesus sei gestorben, auferstanden keit, ist das wichtigste Prinzip des Werkes. 6) Ne-
und genHimmelgefahren; 2) er und die Apostel hätten ben der Erziehung zur Glückseligkeit ist die Ver-
als Gesandte Gottes gelehrt; 3) Jesus sei als Gottes ein-
mittlung zwischen natürlicher und geoffenbarter
geborener Sohn der göttlichste unter Gottes Gesandten;
4) die Seele sei unsterblich; 5) Jesus sei der Erlöser aller
Religion das hauptsächliche Anliegen Basedows.
Menschen und Ursache ihrer Unsterblichkeit und Auf- Der besondere Charakter der christlichen Reli-
erstehung; 6) jeder, der den lebendigen Glaube habe, gion wird nicht herausgestellt, statt dessen be-
werde ohne Strafe seiner Sünden durch Jesus selig müht sich Basedow- in Anlehnung an die engli-
(ebd.). Diesen sechs Sätzen gibt Basedow den Namen schen Deisten-, die Übereinstimmung von natür-
des »wesentlichen Christenthums, sofern nemlich das licher und geoffenbarter Religion zu betonen. Für
Christenthum in Theorie und Erkenntniß besteht« Basedow ist die natürliche Religion gleichsam der
(S. 119). Dieses »wesentliche Christenthum« beinhalte Unterbau für die geoffenbarte: ohne natürliche
eine ))zureichende Kraft« (S. 121) und ermögliche einen
Religion ist die geoffenbarte nicht denkbar; die
))Sehr nützliche[n) öffentliche[n) Gottesdienst und Un-
terricht, in welchem die Streitigkeiten der Kirche nicht
geoffenbarte Religion wiederum bestätigt die
erwehnt würden, und an welchem Christen von allen Wahrheiten der natürlichen Religion und enthält
Kirchen Antheil haben könnten« (ebd.). Dieser Unter· zugleich die Sätze, die die Mängel der natürlichen
richt und Gottesdienst könne aus drei ))belehrenden Religion aufheben. 7) Der Mensch steht in Base-
und erbauenden Theilen« bestehen (ebd.): ))Die ganze dows Religionsunterricht nicht mehr am Anfang
Geschichte Jesu Christi und der Apostel; derjenige gan- als sündiges, in Frage gestelltes Wesen, sondern
ze Theil der christlichen Religion; der dem Inhalte nach als das mit besonderen Gaben versehene Wesen,
der natürlichen ähnlich ist; und folglich die ganze Sit- das mit Hilfe seiner Sinne und seines Verstandes
tenlehre« (S. 122). Erachte man seinen Satz von der Zu·
durch die Natur zu Gott vorstößt. 8) Die Inhalte
länglichkeit des ))Wesentlichen Christenthums« für
wahr, so könne man ))mit Gemüthsruhe an vielen Lehr-
des Religionsunterrichtes stellen bei Basedow im
sätzen der Kirchen [ ... )zweifeln« (S.l23), die im fol- wesentlichen abstrahierte, logisch gefolgerte
genden in 16 Punkten zusammengefaßt werden. Schlüsse dar, die sich vornehmlich an den Ver-
stand wenden. Die Gefühlsseite wird vor allem in
In Anlehnung an Meiers (1969, S.129f. u. ethischer Hinsicht angesprochen.
S. 146 f.) kann zusammenfassend festgestellt wer- Basedows religionsunterrichtliches Werk ist
den: 1) Der Inhalt des Religionsunterrichtes ist geprägt vom Gedanken der Toleranz und von ra-
zunächst die natürliche, später die geoffenbarte tionalistischem Gedankengut. Die Idee der Tole-
Religion. Offenbarung wird dabei von Basedow ranz zeigt sich nicht nur in dem Versuch, zwischen
jedoch nicht im kirchlichen Sinne, sondern als der natürlichen und geoffenbarten Religion zu
))Universal-Christenthum« verstanden. 2) Die vermitteln, sondern auch in seiner Lehre von der
einzelnen Teile des methodischen Unterrichts ste- »zureichenden Kraft« des ))Wesentlichen Chri-
hen in einem kausal-logischen Verhältnis zuein- stenthums«, das Basedow als ausreichende
ander, sie sind so miteinander verbunden, daß sie Grundlage für einen interkonfessionellen Unter-
fortschreitend ein Ganzes bilden. Zudem ist die richt und Gottesdienst betrachtet. Die Toleranz
Auswahl wie die Anordnung des Stoffes durch erstreckt sich jedoch keineswegs nur auf die
psychologische Gesichtspunkte bestimmt: Base- christlichen Kirchen und Konfessionen, sondern
dow will eine Überforderung der Kinder vermei- umfaßt auch die außerchristlichen Religionen.
den und sie daher nicht mit Unterrichtsgegenstän- Rationalismus zeigt sich im Methodischen
den konfrontieren, die ihrem Alter noch nicht an- Unterrichtvor allem im Versuch, die Notwendig-
gemessen sind. 3) Basedows Religionsunterricht keit eines göttlichen Wesens mit allen sich daraus
geht aus von der Gegenüberstellung von Leib und ergebenden Konsequenzen einsichtig zu machen.
Seele und läßt aus ihr die Wahrscheinlichkeit der Räumt Basedow der natürlichen Religion auch
Existenz Gottes zuerst vermuten, um später diese entscheidende Bedeutung ein, weil er auch jene
Existenz durch Analogieschlüsse gewiß zu ma- Lehrsätze der geoffenbarten Religion nicht als
chen. 4) Das Erschließen der natürlichen Reli- wahr anerkennen, die der gesunden Vernunft zu
gion aus Mensch und Welt (teleologischer und widerlaufen, so wäre es jedoch falsch, ihn schlicht
kausaler Gottesbeweis) bedingt die Aufnahme als)) Vertreter einer [ ... ]vom Christentum sich lö-
außerreligiöser Gegenstände in den Religionsun- senden Vernunftgläubigkeit« (E. Hirsch, Ge-
terricht (Grundbegriffe der Logik, Gedächtnis, schichte der neuem evangelischen Theologie,
Phantasie, Denken, Biologie und Sexualaufklä- 1960, Bd. IV, S. 115) zu bezeichnen. Entspringen
rung, Geographie). Der Religionsunterricht wird seine harten Worte gegen den Naturalismus auch
dadurch vornehmlich zum Unterricht in Moral offenkundig dem Bestreben, seinen orthodoxen
und Sittenlehre. 5) Die Inhalte des Religionsun- Kritikern so wenig Angriffsfläche wie möglich zu
terrichts werden stets in bezug auf den Menschen bieten, so handelt es sich hierbei doch keineswegs
betrachtet; sie sollen ihm nützlich sein und zu sei- um Spiegelfechterei: Basedow präsentiert sich im
ner weiteren Glückseligkeit beitragen. Die Glück- Methodischen Unterricht als entschiedener Geg-
seligkeit, in engem Zusammenhang gesehen mit ner des Naturalismus. Seine Definition des Glau-
707 Religiöse Schriften 708

bens als eines »aufrichtige[n] undherzliche[n] Ge- Grunde sei er sehr kurz abgefaßt, da Dorfkinder
horsam[s] gegen das Evangelium« ( Grundriß, »gemeiniglich nur 14 Wochen, in die Schule kom-
S. 41) verdeutlicht seine Nähe zur Offenbarungs- men« (S. 5). Dieser Katechismus soll eine Erwei-
religion. Auch seine Methode, die natürliche Reli- terung und Erläuterung des ersten sein: »er ist für
gion in den Abschnitten zu den Eigenschaften den Verstand, und dienet, die Wahrheiten, welche
Gottes und besonders denen zur Sittenlehre mit Kinder in das Gedächtniß gefasset haben, ihnen
entsprechenden Bibelzitaten zu erklären, seine begreiflicher und verständlicher zu machen. Er ist
Vermengung von biblischer und natürlicher Reli- zu diesem Ende in Fragen und Antworten abge-
gion in der Herleitung der natürlichen zeigt sein fasset.« (ebd.) Der dritte Katechismus stellt die
Schwanken zwischen aufklärerischem Rationa- letzte Stufe des Unterrichts dar. Er dient »so wohl
lismus und Offenbarungsglauben. zur Ueberzeugung des Verstandes, in Absicht auf
Es fällt daher schwer, Basedows theologi- die Glaubenswahrheiten, als auch zur Bewegung
schen Standort im Methodischen Catechismus des Willens, zu Erfüllung der Pflichten der Reli-
und im Grundriß eindeutig zu bestimmen: Er ist gion.« (S. 6) Er ist für die »ältesten Schüler« be-
nicht einzuordnen in die großen philosophischen stimmt, die ihn als Lesebuch benutzen sollen,
Richtungen seiner Zeit. Schon sein Zeitgenosse denn »die Erfahrung hat an unsem Leseschülem,
Johann Salomo Semler bemängelte 1780, Base- beym Anfange der Schulverbesserung, hinläng-
dows »Schreibart und Denkart« seien so lich gelehret, wie tief man durch Lesen Sachen ins
»räthselhaft, daß beide den möglichen Nuzen sei- Gedächtnis eindrücken kann.« (S. 7) So wird der
ner Bücher hindem; welche aus verdienter Hoch- Katechismus nicht in der üblichen Frage- und
achtung für seine Talente und Wissenschaft, und Antwortform behandelt, sondern ist in gebunde-
in Hofnung (wie weislich!) daß die Auflösung ne Rede gefaßt, der jedoch in Anmerkungen Fra-
endlich folgen wird, mehr gekauft als gelesen wer- gen beigefügt sind, die die Lehrer benutzen kön-
den; denn das System seiner Religion ist bisher al- nen »zum Besten derjenigen, die in der Kunst zu
len Critikem unerforschlich geblieben« (zit. n. fragen ungeübt, und dennoch begierig sind, durch
Meiers, 1969, S.84). G. Schurig (1875) umreißt Fragen zu erforschen, was die Kinder aus dem
Basedows theologischen Standort wohl am rich- Katechismo erlernet haben.« (ebd.)
tigsten mit den Worten: »ein rationalistisch philo- Im Rahmen seiner Verbesserungen im
sophierender Apologet wesentlicher christlicher Schulwesen ist für Felbiger die Reform des Reli-
Offenbarungswahrheiten« (zit. n. Meiers, ebd.). gionsunterrichts von besonderer Bedeutung,
O.B. denn »die Religion allein ist es, welche Menschen
wahrhaft und recht dauerhaft glücklich macht.«
(S. 3) Die Grundlage dieses Unterrichts müsse die
frühestmögliche Unterweisung im katholischen
1771 Katechismus sein. Felbiger beklagt, daß »dieses
Johann lgnatz von Felbiger (1724-1788): wichtige Geschäft so schlecht von vielen getrie-
Katholischer Katechismus zum Gebrauche ben, ja von nicht wenigen gar als etwas Niedriges
der Schlesischen und anderen Schulen mit Verachtung angesehen wird« (S. 31). Die zu-
nehmende Verrohung der Sitten in allen Ständen
Deutschlandes nach der Fähigkeit der
und Lebensarten, selbst auf dem Lande, habe ihre
Jugend in drey Klassen eingetheilt. Ursache in der Nachlässigkeit und Ungeschick-
Münster 1775 lichkeit der Katecheten, die sich nicht die Mühe
machten, zur »Ausbreitung der Erkenntnis und
Felbiger wendet sich mit seinem Lehrbuch an Liebe Gottes«, die ihr Ziel sein müsse, beizutra-
Lehrer und Katecheten, um diesen eine Anleitung gen (S. 31 f.). Besonderes Gewicht legt Felbiger
für den Religionsunterricht in katholischen Stadt- auf die richtige Vermittlungsform. Zunächst müs-
und Landschulen an die Hand zu geben. Die drei se der Katechet den Schülern die Offenbarungsre-
enthaltenen Katechismen auf der Grundlage des ligion verständlich machen, indem er ihnen stets
Römischen und Canisischen Katechismus sind vor Augen führe, daß »dieß alles Gott, der weder
fürverschiedene Alterstufen bestimmt. So soll der selbst trügen, noch betrogen werden kann, geof-
erste Katechismus der Unterweisung der »klein- fenbaret hat.« (S.21) Der Mensch hingegen be-
sten Kinder« dienen, damit sie zunächst die finde sich ständig in der Gefahr zu irren. Aus die-
Grundzüge der christlichen Lehre erlernen. Sein ser Erkenntnis könne die richtige Folgerung gezo-
Zweck sei in erster Linie die Gedächtnisübung, gen werden, »daß nichts so vernünftig sey, als un-
d.h. »er wird Wort für Wort auswendig gelemet; sem Verstand, der fehlen kann, dem göttlichen
er wird zur Uebung im Lesen gebraucht, und unterwerfen, der unfehlbar ist« (S. 21 f.). Der
durch öftere Wiederholung Kindem ins Gedächt- nächste Schritt müsse nun sein, den Schüler zu
nis gebracht.« (S. 5) Der zweite Katechismus ist überzeugen, daß er sich den Entscheidungen der
an Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren ge- Kirche zu beugen habe, da »Gott die Kirche zur
richtet, die Dorfschulen besuchen. Aus diesem Bewahrerio und Auslegerio der Glaubenswahr-
709 v. Felbiger, Katechismus, 1771 710

heiten gemacht hat« (S. 22). Die Befolgung dieser die zehn Gebote Gottes, die Gebote der Kirche, die hei-
Grundsätze sei unerläßlich, denn hierin unter- ligen Sakramente, die Pflichten eines Christen, die Sün-
scheide sich ein guter Katholik von jedem ande- den und Tugenden. Im Anhang sind verschiedene Mor-
ren Christen: »nämlich, daß der Katholische das gen-, Abend- und Tischgebete abgedruckt. Der Kate-
chismus für die zweite Klasse ist in Frage- und Antwort-
Wort Gottes glaubet, wie es in zweifelhaften Fäl-
form abgefaßt. Felbiger fügt jeweils am Rand die gerade
len die katholische Kirche ausleget; da andere behandelten Textstellen bei. Der letzte Katechismus ist
Christen, die zu unserer Kirche sich nicht beken- am ausführlichsten abgefaßt und wird in zusammen-
nen, das Wort Gottes glauben, wie sie es selbst zu hängenden Lektionen behandelt, damit er auch als Le-
verstehen vermeynen« (S. 23). sebuch benutzt werden kann. Felbiger gibt den Kate-
cheten Unterrichtshilfen, indem er in den Anmerkun-
Laut Felbiger sind die drei Katechismen so abge-
gen Fragen vorgibt. Er räumt ein, daß die Antworten
faßt, daß der Katechet seinen Schülern »die Religions-
nicht immer wortgetreu sein müssen, hält dies sogar für
wahrheiten [ ... ] erstlieh in das Gedächtnis, zweytens in
eine nützliche Übung für die Schüler: >>sie müssen beym
den Verstand, und drittens in den Willen bringen« kön-
Antworten nachdenken, auf das sich besinnen, was sie
ne (S. 12). Jeder Katechismus ist in sieben Hauptstücke
gelesen haben. Sie können also nicht blos das Gedächt-
eingeteilt. Da die Religion auf dem göttlichen Glauben,
nis brauchen, und aus solchem erlernte Worte, maschi-
der Hoffnung und der Liebe fuße, müsse die Jugend von
nenmäßig hersagen, sondern sie müssen ihren Verstand
»sieben Stücken, nämlich: a) von den Wahrheiten, die
anstrengen; und da sie Solchergestalt die Antwort selbst
wir glauben; b) von den Gütern, die wir hoffen; c) von
mit eigenen Worten abzufassen genöthigt sind, so ge-
den Dingen, die wir lieben, d) gebrauchen, e) meiden, f)
wöhnen sie sich, über eine Sache sich auszudrücken,
üben und g) gewärtigen sollen, unterrichtet werden«
und solche ordentlich vorzutragen.« (S. 7 f.)
(S. 8).
Felbiger beginnt seinen Katechismus mit einer Ta-
belle, »in welcher alles, was im katholischen Katechis- Da Felbiger mit seinen Katechismen nicht
mus pflegt abgehandelt zu werden, dergestalt geordnet nur die religiöse Unterweisung anstrebt, sondern
ist, daß man es im gehörigen Zusammenhange überse- auch den Katecheten und Lehrern seine Auffas-
hen kann«. Der erste kleine Katechismus enthält das sung über die angemessene Vermittlungsmethode
Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Ave Maria, nahebringen möchte, gibt er ihnen konkrete di-
daktische Hinweise zum Gebrauch des Buches.
In seiner Schulschrift Eigenschaften, Wis-
senschaften, und Bezeigen rechtschaffener Schul-
leute(1780) formuliert Felbiger die Aufgaben des
Katecheten so: >>Der Katechet muß endlich wäh-
rend der Unterweisung erklären, erläutern, zer-
gliedern, erweisen und auch bewegen, das ist: die
Schüler geneigt machen, die Forderung der Reli-
gion zu erfüllen.« Die ersten beiden Katechismen
sind zwei Stationen auf dem Weg, den Schüler da-
von zu überzeugen, daß sie »den erkannten Reli-
gionswahrheiten ungezweifelten Beyfall geben«
und bereit sind, »für diese Wahrheiten Haab und
Gut, Leib und Leben aufzuopfern« (S. 11). Der
Katechet müsse Kindern im ersten Lesealter den
kleinen Katechismus durch wiederholtes Vorle-
sen bei aufgeschlagenem Buch nahebringen. So-
dann »befiehlt der Schulmann, die Bücher zuzu-
machen, und läßt es sich auswendig von der ge-
samten Schule zugleich, auch sonach nur von ei-
nigen Schülern hersagen, und das so lange, bis er
gewiß seyn kann, daß alle Schüler das Stück aus-
wendig können.« (S. 12 f.) Der zweite Katechis-
mus ist so aufgebaut, daß er den Schülern durch
»Zergliederung« beigebracht werden kann. Dies
bedeutet: »er zergliedert die Fragen und Antwor-
ten; ertreibet die Fragen so weit, als es sich treiben
läßt, damit in der ganzen Materie nichts unerör-
tert bleibe;[ ... ] er fraget sie mit andern Worten
und in andern Ausdrücken, als im Büchlein ste-
hen; er verändert die Fragen so oft, als er nur
kann, um von den Kindern zu erfahren, ob sie ne-
Johann lgnaz von Felbiger (1 724-1788). Kupfer- ben den Worten, auch die Sachen selber im Kopfe
stich von G. P. Nusbiegel haben.« (S. 17) Das Ziel dabei ist die »Bewegung
711 Religiöse Schriften 712

des Willens.« Es sei jedoch schwer zu erreichen 1772


und verlange vom Katecheten besondere Auf-
merksamkeit. Die Ursachen lägen »in der natürli- Georg Friedrich Seiler (I 733-1807):
chen Verderbniß des Willens, dieser kläglichen Religion der Unmündigen.
Folge und Wirkung der Erbsünde« (S. 19). Der Erlangen 1 772
Seelsorger oder der Lehrer könne die Schüler
durch »Bekanntmachung der Beyspiele, und das
Vorhalten anderer Bewegungsgründe« die christ- Seilers Werk will Kindern im Alter von zehn bis
liche Lehre so ans Herz legen, ))daß der Wille ge- elf Jahren (vgl. Vorrede, S. X) »auf eine natürli-
neigt gemacht werden kann, sie Lieb zu gewinnen, che, leichte, annehmliche und erbauliche Art den
hochzuschätzen und zu befolgen« (S. 20). Der für sie anständigen Unterricht des Christen-
dritte Katechismus soll in diesem Sinne als Lese- thums« beibringen (Vorrede, S. IVf.). Die Ab-
buch im Unterricht benutzt werden, wobei jedoch sicht des Buches ist, »daß bey Kindern das eigne
das Lesen der Schüler beständig durch Fragen Nachdenken über die Wahrheiten des christli-
bzw. durch Gleichnisse und Lehren unterbrochen chen Glaubens erwecket werden, daß sie eben
werden soll. So enthält der dritte Katechismus am dieselben Grundsätze der Sittenlehre und Reli-
Schluß einer jeden »Lection« eine Lehre, in de- gion aus verschiedenen Seiten betrachten und
nen die vorangegangenen Ausführungen noch leichter fassen lernen; daß sie auch nach der
einmal zusammengefaßt und konkretisiert wer- Schule zu Hause ein Buch haben, aus welchem sie
den. sich unterrichten und erbauen können; daß sie
Der Katechismus dient Felbiger zur Ent- zugleich unvermerkt zum Gebet aus dem Herzen
wicklung eines Methodenkatalogs, der die wich- augeführet werden, daß ihnen endlich Religion
tigsten Punkte seiner Schulverbesserung enthält. und Pflicht als etwas angenehmes und liebens-
So weist er auch auf die Buchstabier-Methode würdiges vorkommen möge.« (Vorrede, S. XIII)
hin, mit deren Hilfe den Schülern der Katechis- Gleichzeitig könne das Buch aber auch zum
mus vermittelt werden könne. Auch seine Maß- Unterricht der noch »unmündigen« Erwachse-
nahme, die Kinder nicht mehr einzeln, sondern nen dienen, vornehmlich um den Eltern zu zeigen,
im Klassenverband zu unterrichten, komme dem »wie sie die christliche Religion zur Kinderzucht
Katechismusunterricht entgegen, da sie auf diese anwenden, oder mit ihren Kindern ein erbauli-
Weise in beständiger Aufmerksamkeit gehalten ches Gespräch über geistliche Sachen anstellen
würden und durch die Beispiele der Mitschüler sollen« (ebd.). Schließlich hat Seiler seine Reli-
beeinflußt werden könnten. gion der Unmündigen auch als »Collegium über
Auch zur Sprache im Unterricht gibt Felbi- den Kinderunterricht« für künftige, aber auch
ger konkrete Anweisungen. Er weist den Lehrer schon in Dienst stehende Hofmeister und Infor-
darauf hin, daß er möglichst »alle Allegorien, Fi- matoren (vgl. Vorrede, S. XIV) sowie als » Exem-
guren und uneigentliche Redensarten« vermei- pelbüchlein« bei seinen katechetischen Vorlesun-
den solle (S. 18). Z.B. solle er, wenn er von der All- gen (vgl. Vorrede, S. XV) konzipiert, wobei er die
macht und Allwissenheit Gottes spreche, nicht Nebenabsicht verfolgt, die »Anleitung zu der po-
den Ausdruck »die allmächtige Hand, oder das pulären Sprache« zu liefern, »in welcher die
allsehende Auge Gottes« benutzen: »Hand und Wahrheiten der geoffenbarten Religion heut zu
Auge, können Kinder leicht in den Irrthum der Tage den Kindern und dem Volke zugetragen
Anthropomorphiten stürzen, und sie glaubend werden müssen« (Vorrede, S. XV f.).
machen, daß Gott einen Leib, wie wir, habe.« Begreift Seiler sein Werk als)) Exempelbüch-
(S.l8) lein«, so nicht nur, weil es aus einer »öffentli-
Baur (1790) hebt das Reformwerk Felbigers lo- che[n] praktische[n] Anweisung zum Katechisi-
bend hervor, ohne jedoch auf einzelne Werke einzuge- ren« hervorging, über das Seiler im Winter 1771
hen. In einerneueren Ausgabe der Schulschriften Felbi- an der Universität Erlangen eine Vorlesung für
gers, die Julius Scheveling besorgte, gibt dieser an, daß Theologiestudenten hielt (vgl. Vorrede, S. IV),
viele Lehrbücher, u.a. auch der Katechismus, an den sondern auch, weil er eine Methode angewandt
Schulen fast 100 Jahre in Gebrauch gewesen seien sehen möchte, die auf die )) Erleuchtung und ge-
(Scheveling, 1958, S. 233). Gloria (Diss., 1933) geht aus- meinnützige Erbauung zur Beförderung der
führlich auf Felbiger ein und betont besonders die An- christlichen Tugend« abzielt (vgl. Vorrede, S. IX).
leihen, die dieser bei der pietistischen Pädagogik ge-
macht habe, weshalb erstark angefeindet worden sei. H.
Diese Methode wird in ihren Grundzügen in der
Vorrede zur Religion der Unmündigen so umris-
sen: alles Abstrakte soll vermieden werden, statt-
dessen müsse »stets mit concreten Ausdrücken«
gesprochen werden. Dem entspricht ein Aufbau
des allmählichen Übergangs von leicht- zu schwe-
rer verständlichen Unterrichtsgegenständen, vom
Sichtbaren zum Unsichtbaren und die Einteilung
713 Seiler, Religion der Unmündigen, 1772 714

in kleine, faßliche Stoffeinheiten (vgl. Vorrede, ten Gottes geschildert. An die Darstellung der Schöp-
S. VII). Dies setze voraus, daß »stets mit sinnli- fungsgeschichte (Kapitel II, S. 3-5) schließt sich daher
chen Dingen« begonnen, daß alles »sichtbar und die Herleitung der großen Macht Gottes an; die Er-
fühlbar« gemacht werde (Vorrede, S. V und VI). schaffung des vernunftbegabten Menschen wird als
Zeichen der Wohltätigkeit Gottes gedeutet (Kap. IV,
Dabei müsse der Lehrer »den innem Sinn, (das)
S. 8-11); Gott wird als Ernährer und Bewahrer aller ge-
sittliche Gefühl, die Grundlage des Gewissens schaffenen Dinge in seiner Fürsorge für die Natur ge-
[ ... ] wohl zu gebrauchen wissen« (Vorrede, schildert (Kap. V, S. 11-14). Die nächsten Kapitel han-
S. VI), denn die ersten Grundsätze aller menschli- deln von der Allwissenheit, Allmacht und Gerechtigkeit
chen Erkenntnis lägen »schon von Natur in der Gottes. Die Güte Gottes wird »aus der Einrichtung der
Seele der Kinder« (Vorrede, S. V). Nur so könne Erde«, aus »der Einrichtung der Erdgewächse, der wil-
er - und das ist Seilers Hauptforderung an eine den und zahmen Thiere« sowie aus der »Einrichtung
gute Lehrmethode - »die Grundsätze der Reli- des menschlichen Körpers« hergeleitet (Kapitel
gion in einer solchen Gestalt zeigen, daß die Kin- XI-XIII).
der an ihrem Verstande und Herzen spüren, diese Mit dem XIV. Kapitel beginnt Seiler die Darstel-
Wahrheiten seyen der Natur ihrer Seele angemes- lung der menschlichen Pflichten, als deren wichtigste er
die »Dankbarkeit gegen Gott« an den Anfang stellt.
sen, gut und heilsam« (Vorrede, S. VI).
Das XV. Kapitel (S. 45-4 7) handelt von der Pflicht, Gott
Die Bedeutung, die dieser Zielangabe zu- nachzuahmen. Da die Menschen jedoch »zum Bösen
kommt, wird deutlich in dem Hinweis Seilers, daß geneigt« seien (S. 47) und viel Böses in sich hätten, seien
die Erkenntnis des guten und heilsamen Charak- sie Gott nur im entfernten ähnlich. Die folgenden Ab-
ters der Religion bei Kinder die Stelle »eines schnitte handeln von der Gottebenbildlichkeit des Men-
strengem Beweises für die Religion« vertrete, schen, der Existenz guter und böser Geister und dem
»den sie noch nicht fassen können: »Was sie als Sündenfall, der die Ursache sei, weshalb der Mensch
wahr und gut erkennen und fühlen, daran zwei- vieler göttlicher Eigenschaften verlustig gegangen sei.
feln sie nicht. Sie sehen die Religion aus diesem Im Kapitel XIX wird der Tod des Menschen als Strafe
für diesen Sündenfall beschrieben; gleichzeitig sei der
Grunde eben also für eine Gabe Gottes an, wie
Tod jedoch die »Wiederherstellung des ersten seligen
das Brod und andre nahrhafte Speisen. Denn sie Zustands« durch die Auferstehung (Kap. XX).
sind gut: also kommen sie aus der Quelle alles Gu-
Aus der Betrachtung der Güte und Gerechtigkeit
ten.« (Vorrede, S. VIf.) Gottes wird im XXI. Kapitel (S. 64-66) die Notwendig-
Als bestmögliche Form der Darstellung sol- keit des Gehorsams gegen die göttlichen Gebote gefol-
cher Wahrheiten empfiehlt Seiler das sokratische gert. Daran anschließend handeln die Kapitel XXII bis
Gespräch, wobei er sich auf die Gleichnisreden XLI von den Pflichten, Tugenden und Lastern, die zu
Jesu, vor allem aber auf Plato und Xenophon be- erfüllen und zu entwickeln bzw. zu meiden die Kinder
ruft. Die Ordnung, die diesen Gesprächen zu- aufgefordert werden (S. 67-117). Es geht um die Pflich-
grunde zu legen sei, will Seiler »aus der Natur der ten gegen die Eltern und die Obrigkeit, die Nächstenlie-
Religion und des Menschen« (Vorrede, S. XI) be, den Fleiß, die Mäßigkeit, die Demut, die Sparsam-
keit und Wohltätigkeit, die Gerechtigkeit, die Mäßi-
entlehnen. Um den Versöhnungsauftrag Christi
gung im Vergnügen, den Neid, die Rache, den Geiz und
zu erkennen, sei zuerst die Kenntnis der Pflichten Wucher, die Untreue, die Lüge, die Verleumdung und
und der Bestimmung des Menschen notwendig, die »bösen Begierden«. Aus der Feststellung, daß be-
die Einsicht, daß der Mensch strafbar sei. Darauf reits die »bösen Begierden« und keineswegs erst die ih-
sei nach und nach die Lehre von der Dreieinig- nen folgenden Handlungen Sünden seien, leitet Seiler
keit, von der Versöhnung, von der Besserung des die Pflicht ab, ))gute Gedanken und Begierden zu ha-
Menschen »durch höhere Mittel« und von den ben« (Kap. XL). Dies ist zugleich die Überleitung zum
Wirkungen des Heiligen Geistes zu entfalten. Erst XLI. Kapitel, in dem das Gewissen beschrieben wird als
auf dieser Grundlage sei es möglich, »die Beweg- ))ein Zuchtmeister bei dir in deiner Seele, der dich be-
strafen wird, wenn du sündigest« (S. 118).
gründe zum Guten aus dem Versöhnungswerke
den übrigen beyzufügen« (ebd.). Im XLII. Kapitel weist Seiler nach, daß die Men-
schen ihren Pflichten nicht hinreichend nachkommen
Die Religion der Unmündigen - Seiler bezeichnet und somit der Strafe Gottes nicht entgehen könnten.
sie selbst als »kleines System der christlichen Religion Die folgenden Kapitel XLIII bis XLVIII beschäftigen
und Sittenlehre« (Vorrede, S. VIII)- besteht aus 55 Ka- sich mitJesus als dem Erlöser. Seiler beschreibt in kurzen
piteln in Gesprächsform, in denen die Grundzüge der Worten Jesu Lebensgeschichte und Opfertod. Anschlie-
Religion und der christlichen Sittenlehre vermittelt wer- ßend wird der Charakter Jesu als ))Wahrer Mensch« und
den, 13 kurzen Predigten sowie je sieben Morgen- und ))Wahrer Gott« hergeleitet. Durch den Glauben an Je-
Abendgebeten »für solche Kinder, welche die Lehre sum würden die Menschen von der Strafe ihrer Sünden
von Christo noch nicht gelernt haben«. los und der ewigen Seligkeit teilhaftig; Voraussetzung sei
Die Gespräche werden zwischen einem Vater und jedoch die unermüdliche Vervollkommnung, die ))Heili-
seinem Sohn geführt. Aus dem Kontext ist zu erschlie- gung« des Menschen. Behandelt werden sodann die
ßen, daß der Junge bereits über einige grundsätzliche Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist
Kenntnisse der christlichen Religion (z.B. Leben Jesu) (S.I43-146) und die Wirkungen des Heiligen Geistes in
informiert ist, wenngleich nicht systematisch. So leitet der Taufe, die Seiler als eine ))Verbesserung an der
denn Seiler die Existenz Gottes nicht mehr ausführlich Seele« (S. 147) kennzeichnet. Ausdrücklich tritt er
her. In den folgenden Kapiteln werden die Eigenschaf- für die Kindertaufe ein, da der Mensch durch die
715 Religiöse Schriften 716

Erbsünde von Geburt an sündhaft sei. Nachdem er im ler hält z.B. die Lehre von der Gottessohnschaft
LII. Kapitel die Kinder über die »Nothwendigkeit der Jesu, die Versöhnungs- oder Trinitätslehre für so
täglichen Buße und der ernstlichen Verabscheuung alles unverzichtbar, daß er ihnen selbst in dieser religi-
Bösen« aufgeklärt hat, beschreibt Seiler im LIII. Kapitel
ösen Unterweisung für Anfänger einen zentralen
»Pflicht und Lohn der guten Werke in der gänzlichen
Heiligung aller unserer Kräfte.« Die letzten beiden Ka-
Stellenwert einräumt-, wohl aber in der Behand-
pitel (S. 166- 17 5) beschäftigen sich mit dem Vaterunser, lung des biblischen Stoffes, den er nicht nur auf
das in drei kurzen Betrachtungen abgehandelt wird, und ein Minimum zusammenstreicht, sondern selbst
der Pflicht des öffentlichen Gottesdienstes. dort, wo er mit ihm arbeitet, ihn alles Wunderba-
Die einzelnen Kapitel sind unterschiedlich aufge- ren entkleidet. Beispielhaft dafür ist das XLIV.
baut, gemeinsam ist ihnenjedoch die Form des sokrati- Kapitel »Die Abstammung und das Leben Jesu
schen Gesprächs und der Beschluß durch eine Reihe bi- kürzlich beschrieben«, in der etwa die Geschichte
blischer Sprüche, die den Inhalt des jeweiligen Kapitels von der Geburt Jesu auf die einfache Mitteilung
zusammenfassen, erläutern oder vertiefen und erwei-
reduziert wird: » Maria, eine gottseelige Jungfrau,
tern. Häufiges Mittel der Überzeugung ist eine Beispiel-
geschichte, die in der Regel in das Gespräch eingewo-
die mit Joseph, einem Bürger aus Nazareth, ver-
ben ist, bisweilenjedoch auch den Ausgangspunkt einer sprochen war, [ ... ] gebahr, auf eine wunderbare
Unterredung bildet. Sind auch des öfteren biblische und von Gott selbst veranstaltete Weise Jesum,
Sprüche- wenn auch ohne nähere Kennzeichnung- in welcher Christus oder Messias, das ist, der Ge-
die Gespräche mitaufgenommen, so bildet jedoch nur salbte, genennet wurde.« (S. 126)
selten der Bibeltext die Grundlage für das Gespräch. Der Versuch, Wunderbares - und daher
Viele Gespräche werden mit einem Gebet begonnen schwer Glaubwürdiges - aus seiner Argumenta-
oder beschlossen, um die Aufmerksamkeit der Kinder tion fernzuhalten, zeigt sich auch in dem Bemü-
auf Gott zu lenken, um Gott um etwas zu bitten oder ihm
hen, die christlichen Glaubensgrundsätze aus der
zu danken.
Die anschließenden Predigten für Kinder dienen Vernunft herzuleiten. Sowirdz.B. das WesenJesu
zum großen Teil der Vertiefung des in den Gesprächen als wahrer Mensch und wahrer Gott im Kapitel
Gelernten. So finden sich Themen wie» Von der Pflicht XLVI folgendermaßen bewiesen: wie der
des Dankes und der Liebe gegen die Eltern« (S. 179 ff.), Mensch bestehe auch Jesus aus Leib und Seele;
»Von der Friedfertigkeit«(S.182f.), »Wie und unter da er Gottes Sohn sei, sei er auch wie dieser allge-
welche Bedingungen irdische Freuden gar wohl erlaubt genwärtig, gütig, gerecht, allwissend, unveränder-
sind« (S.I84f.) oder »Von der Kraft und der Wirkung lich und ewig. So sei er zugleich der Sohn der
des Gebets« (S. 206 ff.). Andere Predigten beschäftigen Jungfrau Maria, also wahrer Mensch, und Gottes
sich mit der Erlösertat Jesu, der Notwendigkeit, Jesum
Sohn, also wahrer Gott: »Der Sohn Gottes hat
»nachzuahmen« und mit Jesu Herrlichkeit. Eine weite-
re Predigt hat die Heilung des Sonntags zum Gegen- sich mit dem Menschen Jesu, den die Jungfrau
stand (S. 176 ff.), eine andere den gerechten Lohn, den Maria gebahr, so genau vereiniget, daß beide der
die Menschen für ihre Handlungen zu gewärtigen ha- Sohn Gottes und der Mensch Jesus nur eine Per-
ben (S.I86ff.). Alle Predigten nehmen ihren Ausgang son, einen Herrn Christus ausmachen.« (S.l33)
von einem Bibelwort, zwei von einer alttestamentari- Seilers Versuche einer vernunftgemäßen Begrün-
schen Stelle, vier von Worten der Evangelisten, sieben dung der christlichen Wahrheiten bleibenjedoch
von Worten der Apostel. Jeweils sieben Bitt- und Dank- inkonsequent. Kann man die Feststellung Seilers
gebete für den Morgen und den Abend beschließen das im ersten Kapitel »Du weißt doch, daß ein Gott
Werk. Sie sind so gehalten, daß sie auch von Kindem ge-
sey« (S. 1) noch damit begründen, daß Seiler von
betet werden können, die noch nicht in der Lehre Christi
unterwiesen worden sind. dem tatsächlichen Wissensstand eines zehn- oder
elfjährigen Kindes ausgeht, das bereits von Gott
Kennzeichnend für Seilers populäres reli- und Jesus gehört hat, so zeigt doch eine Reihe an-
gionsunterrichtliches Lesebuch ist der Versuch derer Beispiele, daß Seiler die vernunftgemäße
des Ausgleichs zwischen Orthodoxie einerseits Argumentation für sich genommen als zu wenig
und Aufklärung andererseits. Die aufkläreri- beweiskräftig ansieht und deshalb zusätzliche Ar-
schen Züge in Seilers Werk werden besonders gumente einführt. Am deutlichsten wird dies
deutlich in dem Versuch der Eliminierung alles zweifelsohne in der Bekräftigung des jeweils im
Wunderbaren, der vernunftgemäßen Begrün- Gespräch Entwickelten durch die den einzelnen
dung der christlichen Dogmen, in dem beständi- Kapiteln beigefügten Bibelworte, tritt aber auch
gen Hinweis auf die Nützlichkeit der christlichen dort zu Tage, wo Seiler z.B. den Nachweis der All-
Sittenlehren und in eudämonistischen Positio- macht Gottes mit der Bemerkung beschließt, der
nen. Der orthodoxe Einfluß äußert sich dagegen Mensch könne diese Wahrheit nicht ganz verste-
in der Selbstverständlichkeit, mit der die »göttli- hen, »weil wir nicht überall sind, und weil unser
chen Offenbarungen« als wahr behauptet wer- Verstand nicht alles weiß. Aber es ist doch gewiß,
den; auch schlägt er sich in Seilers Beweisführung wie du erst eingesehen hast, und die heilige Schrift
nieder. sagt es auch.« (S. 15) Der Hinweis auf die Heilige
Die Ausschaltung des Wunderbaren zeigt Schrift ist an dieser Stelle umso verwunderlicher,
sich nicht in dem Verzicht auf die Vermittlung als ihr göttlicher Ursprung und damit ihr Wahr-
schwer verständlicher Glaubensgrundsätze- Sei- heitsgehalt erst sehr viel später bewiesen wird. Die
717 Seiler, Religion der Unmündigen, 1772 718

Vermengung von vernunftgemäßer Argumenta- Gott auferlegten Pflichten. Seiler kennzeichnet


tion und christlichem Offenbarungsglauben ist diesen Tatbestand mit der Notwendigkeit der
charakteristisch für Seilers Nachweis der Eigen- »Pflicht der Heiligung« (ebd.). Diese » Heili-
schaften Gottes. Angelegt ist dieses Verfahren gung« erfolgt einerseits durch göttliche Mittel -
schon in dem Verzicht auf den Nachweis der Exi- durch die den Menschen reinigende, seelenver-
stenz Gottes, der bloßen und als akzeptiert vor- bessernde Taufe und die Heilige Schrift (Kapitel
ausgesetzten Behauptung seines Daseins. Mag XLIX, L und LI)-, andererseits jedoch durch das
dies auch als methodischer Mangel gedeutet wer- aktive Zutun des Menschen selbst: durch die Bu-
den, so ist doch offensichtlich, daß Seiler dieses ße und die »Verabscheuung alles Bösen« (LII.
Verfahren bewußt anwendet, wohl um die Har- Kapitel), durch die Hinwendung zu Gott im Ge-
monie von Vernunft und biblischer Religion zu bet und im Gottesdienst (Kapitel LIV und LV),
erweisen: Vernunft und biblische Religion sind vor allem jedoch durch die guten Werke, deren
für ihn kein Gegensatz, sondern ergänzen einan- Lohn »in der gänzlichen Heiligung aller unserer
der und bilden eine Einheit. Bei aller vernunftge- Kräfte« bestehe (LIII. Kapitel). Dem entspricht
mäßen Begründung der Religion hält Seiler denn Seilers Auffassung, daß die Menschen sich die
auch an den wichtigen christlichen Dogmen un- Liebe Gottes durch gute Taten und Gedanken er-
beirrbar fest. werben, erarbeiten müssen, daß sie ihnen nicht
Der theologische Gehalt des Werkes läßt durch die göttliche Gnade einfach zufällt
sich in drei Kernaussagen zusammenfassen: 1. (S. 86f.).
Die Menschen sind von Natur aus »zum Bösen Der von Seiler gezeichnete Gott ist gütig,
geneigt« (XV. Kapitel); 2. Jesus- wahrer Mensch aber er ist nicht gnädig. Mit dem Bild des gütigen
und zugleich wahrer Gott (XLVI. Kapitel) - »hat korrespondiert das des strafendes Gottes: Gott
die Strafen, welche wir verdient hatten, über sich hat »viele Strafen, damit er die Menschen heim-
genommen« (XLIII. Kapitel); 3. »Der einige suchen kann« (S.109). So wird verständlich, daß
Gott ist Vater Sohn und heil. Geist« (XLVIII. Ka- jeder Verstoß gegen die von Gott auferlegten
pitel). Seiler vertritt- bedingt durch seine Lehre Pflichten, jedes Laster auch unter endzeitlichem
von der Erbsünde- die These: »Wir haben nichts Aspekt behandelt wird, z.B.: Gott »hat gedroht,
Gutes von uns selbst« (S. 97). Die Menschen alle die zu strafen, welche sich der Obrigkeit wi-
seien von Geburt aufböse; doch seien sie zur Bes- dersetzen« (S. 73). Nach dem Tode empfängtje-
serung fähig. Voraussetzung dieser »Heiligung« der den verdienten Lohn: »Nicht die geringste gu-
des Menschen sei seine Gottebenbildlichkeit: »Er te Handlung, kein nützliches Wort, kein guter Ge-
hat dich nach seinem Bilde geschaffen, daß du danke und Wunsch wird unbelohnet bleiben;
weise, gütig, heilig, und gerecht wie Gott werden, gleichwie auch nichts Böses unbestraft bleiben
daß du ihnstets lieben und ehren sollst.« (S. 38) In wird.« (S.165) Die Aufforderung, aus diesem
dieser Vervollkommnung des Menschen zur Tu- Grunde Gutes zu wirken, wird noch verstärkt
gend, die er als stete Vorwärtsentwicklung des durch den Hinweis auf das vielleicht bald nahen-
zum Bösen geneigten Menschen beschreibt, sieht de Ende der Welt - ein Gedanke, der besonders
Seiler das menschliche Glück begründet. Doch häufig in den Predigten zu finden ist.
der Mensch kann nie ganz vollkommen werden, Die Religion der Unmündigen gehörte mit allein
nie die ihm von Gott auferlegten Pflichten, an de- 18 Auflagen noch zu Seilers Lebzeiten zu den populären
nen er sich vervollkommnet, gänzlich erfüllen. Er Erbauungsschriften für Kinder. Noch 1823 erschien-
ist deshalb zur Buße angehalten (XLII. Kapitel). unter dem Titel Unterredung eines Vater mit seinem
Erst durch den Tod und die Auferstehung wird Sohn- das Werk in Erlangen in 20. Auflage. Neben ei-
der »erste selige Zustand« wiederhergestellt; der ner lateinischen Ausgabe 1775 erlebte das Werk Ausga-
Mensch geht »aus einem engen Gefängniß, in ben in sieben modernen Sprachen. In tschechischer
den weit prächtigem Paliast des Himmels« ein Sprache erschien es sogar in evangelischer und zugleich
(S. 58), wenn er vor Gott bestehen kann. Vor der in bearbeiteter katholischer Fassung. Katholische Aus-
gaben erschienen auch in Deutschland, so 1785 bei
Verdammnis rettet den Menschen, da er aus eige- Aschendorff in Münster Die Religion der Unmündigen,
nen Werken nicht vollkommen werden kann, al- zum gemeinnützigen Gebrauch katholischer Aeltem und
lein der »Glauben an Jesum,«; durch diesen Lehrerund-wieder in einer Fassung auch für Kinder-
Glauben »werden wir von der Strafe der Sünden 1789 in Augsburg Die Religion der Unmündigen, for
loß, und der Seeligkeit theilhaftig« (XLVII. Kapi- katholische Aeltem und Kinder. Eine andere Bearbei-
tel). tung wurde im gleichen Jahre in Frankfurt/M. unter
Nun vertritt Seiler jedoch keineswegs, wie dem Titel Die Religion der Unmündigen, zum Gebrauch
man aus dieser Argumentation annehmen könn- der Aeltem und Kinder veröffentlicht. 0. B.
te, den Standpunkt der Rechtfertigung vor Gott
aus dem Glauben: Wesentliches Element der
Sündenvergebung ist die tätige Liebe zu Gott, d.h.
die Vervollkommnung des Menschen aus sich
selbst heraus, die demütige Befolgung der von
719 Religiöse Schriften 720

1773 sich »irrige Gedanken, unrichtige Vorstellungen,


alberne Bilder [ ... ) zu tief in die Seele« einpräg-
Johann Albrecht Burk (1 747-1783): ten, »als daß man sie in der Folge nur so ge-
Gebetbüchlein in Versen für Kinder schwind wieder austilgen könnte. Und diß muß
zum christlichen und andächtigen doch seyn, es muß seyn, wenn wir einmal einen
Privat-Gebrauch aus guten und neuen vernünftigen Gottesdienst ausgebreitet sehen
Lieder-Dichtem gesammelt. wollen.« (ebd.) Burk zitiert eine längere Passage
Tübingen 1 773 aus der Vorrede Lavaters zum Christlichen Hand-
büchlein für Kinder (1772), um die Kriterien, die
seine Auswahl bestimmt haben, deutlich zu ma-
Burk wendet sich zunächst an die »grosse Anzahl chen. Lavater plädiert dafür, »dem Kinde so we-
kleiner Menschen von der Wiege an bis ins zwölf- nig, als möglich, zu sagen, es so wenig, als möglich
te oder dreyzehende Jahr« (S. IX). Um sie zu er- lernen zu lassen; was es nicht verstehen kann«
reichen, habe er sich »bey der Wahl der Verse die (zit. n. Burk, (S. XXIII). Diesen Grundsatz habe
Verständlichkeit des Innhalts und die Deutlich- er, Burk, sich bei seiner Auswahl zur Regel ge-
keit des Ausdrucks zum Gesetz gemacht« (ebd.). macht. So lehnt er ausdrücklichen Texte ab, die
Gleichzeitig relativiert Burk den Begriff der Ver- Allegorien und bildhafte Wendungen enthalten.
ständlichkeit, da er nicht unbedingt auf das Le- Die Klarheit müsse auch in der Form gewahrt
bensalter des Kindes bezogen werden könne: werden: »Neben der Verständlichkeit des Inn-
»Einem Kinde ist das noch dunkel, was dem an- halts habe ich bey dieser Sammlung immer auch
dem von gleichem Alter sehr deutlich ist.« (S. X). auf einen reinen Ausdruck und guten regelmässi-
In diesem Zusammenhang wendet sich Burk an gen Versbau gesehen, weil ich diese Eigenschaf-
die Eltern und Lehrer, deren Aufgabe es sein müs- ten für nöthig, aber auch für hinlänglich hielt, um
se, den Kindem die Verse zu erklären und eine den Geschmack der kleinen Jugend nicht schon
»kluge Auswahl« zu treffen (ebd. ). Nur die ersten vorher zu verderben, ehe man Gelegenheit hat ihn
acht Abschnitte des Gebetbüchleins sind für die- zu bilden.« (S. XXXVIII)
sen Leserkreis bestimmt. So weist der Verfasser
daraufhin, daß er aus diesem Grunde bei den Ka- Das Buch besteht aus 12 Kapiteln, von denen die
Abschnitte eins bis acht auschließlich Gebete, die Ab-
techismus-Gebeten das fünfte und sechste Haupt-
schnitte neun bis zwölf in wechselnder Folge sowohl
stück nicht berücksichtigt habe. Ältere Leser, Lieder als auch Gebete enthalten. Die Texte entstam-
möchte Burk mit den Abschnitten neun bis zwölf men überwiegend dem Geistlichen Liederkästlein
ansprechen, die »für junge Leute, welche zur ( 1764) von Philipp Friedrich Hili er und Christoph Chri-
Confirmation zubereitet werden oder zur Beicht stian Sturms Gebeten und Lieder für Kinder ( 1771 ). Ei-
und heiligen Abendmahl gehen wollen«, gedacht nige Verse wurden in veränderter Form eingeführten
sind. (Titelbl. nach S. 100, neue Zählung). Die Ju- Gesangbüchern entnommen, so das Weihnachtslied
gendlichen sollen sich der Sammlung >>bey den »Ein Kindelein so löbelich«, das in Burks Fassung im
wichtigen Vorfällen [der] öffentlichen Taufbunds Gebetbüchlein nur noch wenig mit dem ursprünglichen
Text gemein hat.
Emeurung, beyder Beicht und heil. Communion
Das Buch beginnt mit allgemeinen Gebeten, in de-
zu [ihrer] Erbauung bedienen« (Vorrede nach S. nen vorwiegend um Weisheit, Tugend und Verstand ge-
100). Dieser Teil des Gebetbüchleins ist auschließ- beten wird. Sodann folgen Gebete über die einzelnen
lich für Jugendliche bestimmt, die keiner Anlei- Stücke des Katechismus (S. 4-25) und zu den kirchli-
tung durch Eltern oder Lehrer bedürfen. chen Festen (S. 26-47). Das vierte Kapitel enthält »Ge-
Die Absicht, die der Verfasser mit diesem bete um allerley christliche Tugenden« (S. 48-64). Hier
Gebetbuch verfolgt, zeigt deutliche Anklänge an wird u. a. Christus als »Exempel der Tugend« behan-
die Erziehungsmodelle des Pietismus. Er habe delt, fernerwird um Aufrichtigkeit, Demut, Gehorsam,
sich für eine Gebetsammlung in Versen entschie- Gottesfurcht, Vergebung der Sünden u. ä. gebetet. Der
Abschnitt endet mit Gebeten »wider die Weltliebe«. Es
den, weil diese »von den Kindem am liebsten und
folgen »Morgen und Abendgebete« (S. 65-79), »Gebe-
leichtesten ins Gedächtnis gefaßt werden« (S. te vor und nach dem Unterricht« (S. 80-84) und »Gebe-
VII). Ganz im Sinne des Pietismus versteht Burk te vor und nach dem Essen« (S. 85-88). Das achte und
das Gebet als erste Anleitung zur Gottseligkeit So letzte Kapitel derjenigen, die sich an kleinere Kinder un-
habe er sein Werk einer strengen Prüfung unterzo- ter Aufsichtder Eltern und Lehrer wenden, enthält »Ge-
gen und oft »um eines einigen untauglichen Ge- bete aufverschiedene Zeiten und Vorfälle« (S. 89-94).
dankens oder ungeschickten Ausdrucks willen Es folgt ein alphabetisches Register der Melodien, nach
ganze Stellen wegstreichen« müssen (S. XI). Aus- denen die Texte gesungen werden können, » Wiewol
gehend davon, »daß die Kinder ihre erste Begrif- sich eigentliche Gebete nicht schicklich singen lassen«,
wie Burk anmerkt. (S. XXXIX) Es schließen sich »Des
fe von Religion und Gottseeligkeit aus ihrem Ge- Gebetbüchleins für Kinder neunte, zehende, eilfte und
bet bekommen«, befragt Burk seine Leser, »ob es zwölfte Abtheilung« an. Nach einer kurzen Vorrede an
nicht nöthig sey, eine strenge Prüfung und Muste- die »Durch das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes,
rung anzustellen« (ebd.). So soll das Gebetbüch- theuer-erkaufte, christliche Jugend« folgen Lieder, die
lein der möglichen Folge entgegenwirken, daß »während der Zubereitung zur Confirmation und
721 Burk, Gebetbüchlein, 1773 722

heil. Abendmahl zu gebrauchen« sind. (S. 5-10) Die Lavater in seinem Handbüchlein formuliert, dem
letzten drei Kapitel enthalten »Lieder beyund nach der sich Burk anschließt: »Sehr wichtig ist es auch,
Confirmation« (S. 11-17), »bey der Buß =Andacht« daß wir recht daraufbedacht seyen, die Erkennt-
(S. 18-23) und »Lieder vom heiligen Abendmahl« (S. nis Gottes und der Religion den Kindern nicht zu
23-27). Im Anhang wird in einem Lied die Liebe zu Je-
sus Christus besungen. (S. 27 f.) Das Werk schließt mit
einer sauren Arbeit, die Belohnung verdiente,
einer ausführlichen »Nachschrift an den christlichen sondern selbst zu einer Belohnung zu machen.«
Leser«, in der sich Burk mit den Reaktionen auf seine (zit. n. Burk, S. XXV). Burk erläutert dies Vorge-
»Zuschrift an alle rechtschaffene, sorgfältige, christli- hen am Beispiel einiger Gedichte. Er empfiehlt,
che Väter, Müttern und Lehrer« auseinandersetzt, da er ein lügenhaftes Kind, einen Text aus den »Tu-
erfahren habe, »daß einige Leser sich über die Grund- gendgebeten« lernen zu lassen, der sich mit der
sätze, welche in derselben herrschen, sehr befremdet ha- Wahrheitsliebe befaßt, jedoch- und dies ist Burk
ben« (Nachschrift, I. ungez. BI.). sehr wichtig- »ja nicht zur Strafe, wenn es wirk-
Burk weist in seinem Vorbericht im Zusam- lich gefehlt hat- das nicht! sondern unvermerkt,
menhang mit der »Zuschrift« darauf hin, »Daß zu einer Zeit da das Kind sich wohl hält:- so kann
sie ein wesentliches Stück des Büchleins ist und denn etwabeyeinem vorkommenden Fall die An-
daß (er sich) auch einen weitem Zweck dabey vor- wendung davon aufs Herz des Kindes gemacht
gesetzt habe, als gewöhnlicher-weise durch Zu- werden: Liebes Kind! du hast schon so oft gebe-
schriften oder Vorreden erhalten wird« (S. tet: Wohl dem der richtig wandelt sc. und doch
XXXX). In der Tat wird durch diese Ausführun- sagst du so oft die Unwahrheit u.s.w.« (S. XXVI)
gen der Rahmen eines bloßen Gebetbuches ge- Burk legt besonderen Wert darauf, daß diese Er-
sprengt, da neben der theologischen Bestimmung mahnungen »liebreich« erfolgen (S. XXVII),
des Gebets auch pädagogische bzw. methodische und daß sich die Eltern der »allerfreundlichsten
Überlegungen zu seiner Funktion deutlich ge- Worte (nicht des Scheltens, nicht der Schläge
macht werden. Burk setzt sich ausführlich mit [ ... ])« bedienen sollten (S. XXXIII). Auch dieser
dem Problem der Gebetserziehung als » Uebung Aspekt zeigt deutlich pietistische Anklänge.
der wahren Gottseeligkeit« auseinander (S. VII), Burk möchte mit seinem Werk eine Samm-
wobei er seine grundsätzliche Auffassung vom lung von Gebeten, d. h. Gesprächen mit Gott, in
Sinn des Gebets und vom richtigen Beten in ei- einer den Fähigkeiten und dem Fassungsvermö-
nem vorangestellten Motto zusammenfaßt: »Ver- gen der Kinder angemessenen Form für alle Gele-
stehst du auch, was du betest?« Burk versteht das genheiten und Situationen bereitstellen. Durch
Gebet als ein persönliches Gespräch mit Gott und ihr gutes Beispiel sollen die Eltern und Erzieher
wirft den »erwachsenen Christen noch sehr viel die Kinder zu bewußtem, andächtigem und gläu-
Mißverstand in diesem Stück« vor: »Man heißt bigen Beten anleiten, um somit den Grundstock
alles Beten. Den Catechismus- Haustafel- bibli- zur Erlangung der Gottseligkeit zu legen.
sche Sprüche - Gesänge oder Psalmen aufsagen, Die Auswahl der Gebete entspricht weitge-
heißt man Beten. Man lehret die Kinder auch wol hend den Auffassungen des Pietismus hinsicht-
die Hände falten, indem sie die Lectionen hersa- lich eines tugendhaften Lebenswandels. So über-
gen müssen.« (S. VIII) So wendet sich Burk ent- wiegt hier nicht die moralisierende Thematisie-
schieden dagegen, das Gebetbüchlein als »Buch- rung profaner Tugenden, wie es häufig in ähnlich
stabir- oder Lesebuch« (S. III) zu benutzen, »die gelagerten Werken der Aufklärung zu finden ist,
Gebete zu Uebungen des Auswendig= Lernens« sondern es finden sich überwiegend christliche
zu machen (ebd.) oder es den Kindern zu überlas- Tugenden, die auf einen frommen Lebenswandel
sen, welche Gebete sie sprechen wollen (S. IV). abzielen: Gebete »um die Gnade Gottes; um
Hier sollen die Eltern bzw. Lehrer eingreifen und Glauben; um wahre Gottesfurcht; um Vergebung
die Kinder zum rechten Gebet anleiten. der Sünden; um Vertrauen auf Gott; wider die
In Burks Gebetsauffassung zeigen sich deut- Weltliebe«. So erlangt der Mensch seine Glückse-
liche Anklänge an die pädagogischen Schriften ligkeit nicht vorrangig durch eine diesseitige, auf
August Hermann Franckes, die schließlich in die Menschenliebe beruhende Lebensführung, son-
pietistischen Schulordnungen mündeten. So be- dern durch Gottesliebe und -furcht, die den Kin-
stimmt bereits die Herzoglich-Württembergische dern zur Pflicht gemacht werden soll. Das Thema
Schulordnung von 1729: die Gebete »müssende- der Weltabgeschiedenheit erscheint häufig in den
nen Kindern zum öfftern [ ... ] deutlich erkläret Gebeten und Liedern. So heißt es in einem der
werden, damit sie wissen, was sie betten. So kom- Konfirmationslieder (S. 13 nach 100):
men sie zu einer mehrern Attention und Andacht,
dem blossen Mund-Gebet und leeren Lippen- Nein Welt! ich mage den Orden nicht
den du suchst anzupreisen.
Werck wird zeutlich vorgebogen, und die Kinder Das Finstre gilt mir nichts, im Licht
von Jugend auf gewöhnet, mit derbehörigen An- vor Gott es aufzuweisen.
dacht und Aufmerksamkeit zu betten.« (Vorm- Dein Fürst gibt solche Regeln an
baum, 1860-64, Bd. 3, S. 322) Die Erwachse- die mein Gott gar nicht leiden kann
nen sollen bei der Anleitung so vorgehen, wie es an seinen Heil-Genossen.
723 Religiöse Schriften 724

Danksagungen und Bestärkungen im Glau- ter ( 1741-180 I), Johann Gottfried Herder
ben sind die überwiegenden Inhalte der Texte, die (1744-1803), Johannes T. Tobler (1732-1808)
so~ar ganz konkret auf bestehende Glaubensun- und Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)
terschiede und religiöse Erneuerungs- bzw. Re- beteiligt gewesen.
formbestrebungen anspielen (vgl. z. B. S. 16 und Es wendet sich an ))Solche Kinder [ ... ], bey
100). denen sich der Verstand schon merklich zu äu-
Burk wendet sich gegen eine für die Kinder ßern anfängt« (Vorrede, S. VIII). Aus der Bemer-
unverständliche Sprache bzw. eine bildhafte Aus- kung ))Des gemeinsten Mannes Sohn kömmt oft
drucksform. Das Bestreben nach Verständlich- in Fälle, wo es ihm wohl ansteht, wenn er seine
keit der Texte bezieht sich sowohl auf den Inhalt Sprache richtig schreiben kann« (Vorrede, S. VI)
als auch auf die Form. So überwiegen, besonders läßt sich zudem entnehmen, daß das Buch nicht
in den Gebeten für die kleineren Kinder, Kreuz- nur für wohlhabende Bürger, sondern offenbar
reime und einfache Reimpaarverse. Entspre- auch fürdie niederen Stände konzipiert ist. Die im
chend der Definition des Verfassers handelt es Zusammenhang mit biblischen Historien aufge-
sich bei den Gebeten um direkte Ansprachen und stellte Forderung, ein )) Lesebuch für die Jugend«
Bitten. solle ))interessant seyn« (Vorrede, S. VII), deutet
1775 erschien eine Neuauflage des Gebetbüchleins darauf hin, daß das Buch für die eigenständige
unter dem Titel Gebet- und Lieder-Buch zum Privatge- Beschäftigung der Kinder bestimmt ist. Daß es je-
brauch for Kinder und for junge Christen reifem Alters. doch wohl auch zum Vorlesen und als Anleitung
Das Buch besteht aus zwei Teilen: T. I : Gebete und Rei- zum Erzählen gedacht ist, spricht aus verschiede-
men for Kinder vom zartesten Alter an bis in das vierze- nen Anmerkungen, in denen den Vortragenden
hende Jahr, der mit dem Gebetbüchlein von 1773 iden- Hinweise für Erklärungen der biblischen Histo-
tisch ist. T. 2: Gebete und Lieder for junge Christen vom rien gegeben werden. Das Werk ist jedoch nicht
vierzehenden Jahre an bis in das mannbare Alter. Die- nur für die häusliche Beschäftigung, sondern
ser Teil entspricht den Kapiteln neun bis zwölf der er-
auch zum Religionsunterricht gedacht (vgl. Vor-
sten Ausgabe, allerdings wurde hier die Anzahl der auf-
genommenen Texte (insgesamt 226) beträchtlich erwei- rede, S. IV).
tert. Neben Versen erscheinen hier auch Prosatexte. Bei- Die Notwendigkeit der Veröffentlichung bi-
de Ausgaben stimmen in Tendenz und Intention über- blischer Erzählungen begründen die Verfasser
ein. Die ))Zuschrift« erscheint hier in unveränderter mit der grundlegenden Bedeutung der ))histori-
Form; zusätzlich enthält das Gebet- und Lieder-Buch schen Religions-Kenntniß« für jede zukünftige
noch ein ))Bücher-Verzeichnis zu einer zweckmäßigen religiöse Unterweisung (Vorrede, S. III). Daher
Kinder-Bibliothek«, das aus insgesamt 44 Titeln be- sei es dringend geboten, die biblischen Erzählun-
steht, und einen ))Anhang einiger Reimen und kleinen gen ))SO gesund und lauter« wie die biblische Ge-
Lieder für Kinder: welche nicht gebetet werden sollen,
sondern nur der zarten Jugend zum Vergnügen, oder schichte selbst zu gestalten. Diesem Anspruch
wo! auch zu Les-Uebungen für kleine Kinder dienen würden jedoch die meisten biblischen Unterwei-
können« (S. 145-160). sungen nicht gerecht: ))Oefters waren es blosse
Göhring (1904, S. 63) erwähnt die Ausgabe von Abrisse, und gleichsam Gerippe der biblischen
1773 und reiht sie in die ))religiösen Jugendschriften der Geschichte, welche zu einer Uebung für das Ge-
protestantischen Orthodoxen und Pietisten« ein: ))Be- dächtnis dienen konnten, aber nicht viel Anzie-
liebt war es, Hillers [ ... ] pietistisches )Geist!. Lieder- hendes für das Herz und nicht viel Lehrreiches für
käst! ein< in den Dienst der Jugendbildung zu stellen, den Verstand hatten. Zuweilen waren es gar ver-
d. h. auszuplündern; so z. B. im )Gebetbüchlein in Ver- stellte märchenähnliche Erzählungen, die wo! die
sen für Kinder[ ... ]< von Albrecht Burk.«. Köberle
(1971, S. 36) weist ebenfalls darauf hin, daß Burk für
Neugier des Kindes befriedigen konnten, aber
seine Sammlung in der Hauptsache Texte aus dem Lie- ihm auch frühe den Kopf mit seltsamen Bildern
derkästlein entnommen habe, ))das zwar im ganzen pie- erfüllten, und seinen Geschmack verderbten. Die
tistischen Schwaben weit verbreitet, aber von geringem schönen lehrreichen Auftritte des patriarchali-
poetischen Gehalt war.« -Vgl. Schmalenberg ( 197 4). schen Lebens, wie übel sind sie bisweilen in sol-
H. chen Erzählungen verstellt worden! Irren wir wo!,
wenn wir sagen: Die Verachtung, in welche die
Bibel bey vielen fällt, oder daß man wenigstens
1774 bey reiferm Alter nicht mehr so viel Geschmack
daran findt, komme größtentheils daher, weil
Biblische Erzählungen for die Jugend.
man sich des vielen ungereimten Zeugs, womit
Altes und Neues Testament. Bearbeitet von die biblische Erzählung etwa verunstaltet wird,
Johann Jakob Heß (1741-1828) u.a. noch allzuwohl, und es wohl gar auf Rechnung
Zürich 1774 der Bibel selbst setzt.« (Vorrede, S.III f.) Beson-
ders kritisieren die Verfasser den mangelnden Zu-
Das Werk wurde von der Züricher ))Ascetischen schnitt der biblischen Historien auf das Fassungs-
Gesellschaft« herausgegeben; an seiner Abfas- vermögen und die Verstandeskraft der Kinder;
sung sind neben Heß Johann Kasper Lava- vieles sei zu weitläufig beschrieben, manches sei
725 Biblische Erzählungen, 1774 726

für Kinder überhaupt nicht von Interesse. Für die darauf an, sie auf zweierlei Weise lehrreich zu ma-
weitverbreitete Ablehnung der Bibel sei eben chen: »Das Moralische mußte sich entweder aus
auch eine schlechte Erziehung verantwortlich, die der Erzählung von selbst ergeben; oder durch ein-
häufig Vorurteile befördere: »Als Kinder neh- gestreute Anmerkungen und Lehren daraus her-
men wir oft den Inhalt der Bibel so an, wie er uns geleitet werden.« (ebd.) Das jede Geschichte
von Ammen oder Dienstboten; oder in der Schu- Lehrreiches und für die Erziehung Brauchbares
le, unter unangenehmen Umständen; oder in Bü- enthalte, und da bei vielen biblischen Geschich-
chern, denen Anmuthund Geschmack fehlt, bey- ten die Lehren »so leicht und deutlich ins Aug«
gebracht wird.« (ebd.) fielen, enthalte das Buch auf diese Weise »wol
Um die biblische Geschichte »für die Jugend beynahe eine vollständige Kindermoral« (Vorre-
lehrreicher, zum Religionsunterricht brauchbarer de S. VIII).
und unterhaltender« zu machen, habe man daher Die Biblischen Erzählungen sind in zwei Teile ge-
durch »eine freyere Erzählung, die sich nicht teilt. Der erste Teil umfaßt in 125 Erzählungen die Ge-
eben an die Worte der Schrift bände, sondern der schichte des Alten, der zweite Teil in I 02 Erzählungen
Jugend die Sachen so beybrächte, wie wenn man die des Neuen Testaments. Die Erzählungen aus dem
ihr eine ganz neue Geschichte, umständlich und Alten Testament sind in 10 Abschnitte gegliedert. Die
lehrreich, und in der Sprache des gemeinen Um- ältesten Geschichten der Bibel bis zum Turmbau von
gangs erzählen wollte«, diese Mängel zu beheben Babel werden in den Erzählungen I bis 6 behandelt. Es
versucht (Vorrede, S. V). Die Kriterien einer neu- folgen die Abschnitte »Lebensgeschichte und Charack-
ter Abrahams« (Erzählungen 7-14), »Lebensgeschich-
en Bearbeitung seien dabei a) eine geschickte
te und Charackter lsaks« (Erzählungen 15 und 16),
Auswahl, b) Richtigkeit im Erzählen, c) »Faßlich-
keit und Einfalt« und d) die Schwerpunktsetzung
auf das Interessante und Lehrreiche.
Bei der Auswahl der Historien habe man
zwei Absichten miteinander zu verbinden ge- $iblifd;e
sucht: den Verzicht auf alles, was für die Kinder
nicht irgendwie lehrreich sei, und das Prinzip ei-
ner zusammenhängenden Darstellung. Die Ver-
fasser begründen ihr Vorgehen, die biblische Ge-
schichte »im Zusammenhang, und als ein Gan- fur bie
zes« darzustellen, mit den Worten: »Dieß [ ... ]
war um so viel nöthiger, weil man die biblische 3 u g e nb.
Geschichte unmöglichjemals in ihrer ganzen Vor-
trefflichkeit und Göttlichkeit einsehen kann,
wenn man nicht von Jugend auf angewiesen wird,
auf den merkwürdigen und weisen Zusammen-
hang Acht zu geben, der die verschiednen Theile
dieses Entwurfs miteinander verbindet.« (Vorre-
de,S. V)
Unter »Richtigkeit im Erzählen« wird nicht
nur unverfälschtes Erzählen verstanden, sondern
auch die Forderung, »jede Geschichte so zu er-
zählen, daß sie sich selbst erklärte«. Man habe
deshalb »zuweilen Erklärungen mit einfliessen
lassen; aber diese fand man besser, mit der Erzäh-
lung so zu verweben, daß dieselbe dadurch nicht
unterbrochen wurde, als sie einzeln und abgeson-
dertzu geben.« (Vorrede, S. VI)
Faßlich sollen die Historien sein, damit die
5\tri~ 1 bc~ .Orca 1 QScinff, \Jutfilin unb (!omp.
Kinder sie auch leicht verstehen können: » Leich-
te Wortfügungen, biegsame Perioden, ungesuchte I 7 7 :.

Wendungen, im gemeinen Umgang übliche Re-


densarten, die aber darum nicht unedel und kin-
disch seyn dürfen: Eine solche Sprache schickt
sich für dieß Alter vorzüglich, und kleidet die Ein- Biblische Erzählungen for die Jugend. Altes Te-
falt der biblischen Geschichte am besten.« (ebd.) stament. {Hrsg. von der ascetischen Gesellschaft
Auf diese Weise sollen die Kinder zugleich zu gu- unter Mitarb. von Johann Jakob Hess und Jo-
ter Sprache und Schreibart erzogen werden. hann Kaspar Lavater.]- Zürich 1772 (Nr. 93).
Interessant seien die biblischen Geschichten Titelblatt mit Kupfervignette von Salomon Gess-
»schon an sich selbst«, es komme aber außerdem ner
727 Religiöse Schriften 728

)) Lebensgeschichte und Charackter Jacobs« (Erzählun- Dies wird bereits deutlich in der Darstellung
gen 17-22), ))Geschichte Josephs« (Erzählungen der Schöpfungsgeschichte, wenn die Verfasser
25-34) und ))Schicksale der Israeliten bis auf den Tod die Vernunft als Wesen des Menschen betonen:
Moses« (Erzählungen 35-52). Die Rückkehr der Israe-
»Da nun alles das so gemacht war, wie es Gott gut
liten in das Land Kanaan ist Gegenstand der ))Ge-
schichte des Josua« (Erzählungen 53-58). Die Zeit der
und nützlich fand, machte der gute Schöpfer noch
Richter wird behandelt in den Abschnitten ))Zustand ein Geschöpf, das viel vortrefflicher ist, als alle
des Volks Gottes unter den Richtern« (Erzählungen 59- Thiere; einen Menschen, d. i. eine vernünftig den-
66) und ))Leben und Charackter Samuels« (Erzählun- kende Seele in einem aufgerichteten schönen Leib
gen 67-72), die der Könige in den Abschnitten ))Ge- [ ... ].« (S. 2)
schichte Sauls«, ))Lebensgeschichte Davids« und ))Le- Die Verfasser versuchen, alles dem Kind
bensgeschichte Salomos« (Erzählungen 73-99), die mit möglicherweise Unverständliche vernunftgemäß
der Darstellung der Teilung des Reichs beendet wird. zu begründen. Über Adams Tier- und Ernteopfer
Die nächsten Abschnitte beschäftigen sich mit den Kö-
heißt es: Adam »wußte freylich wo!, daß man
nigen Judas und Israels (Erzählungen 100-l 03). Mit der
)) Lebensgeschichte des Propheten Elias« (Erzählungen
dem lieben Gott eigentlich keine Geschenke ge-
l 04-l 07) beginnt die Reihe der Vorstellungen der Pro- ben kann, wie man etwa einem grossen Herrn
pheten: es folgen die Lebensgeschichten von Elias, Jo- oder Könige Geschenke bringt, um seine Huld zu
nas und Daniel (Erzählungen 108-120). Beschlossen erwerben; weil alles sein ist, und er nichts von uns
wird der erste Teil mit dem Abschnitt)) Lebensumstände bedarf. Aber er wußte auch, und Gott hatte es ihm
und Charackter einiger merkwürdiger Personen« (Er- vermutblich gesagt, daß es eben so gut aufneh-
zählungen 121-125); er berichtet über Esra, Nehemia, men würde, als wenn ein freundlicher und gütiger
Hiob, Esther und Tobias. Herr ein Geschenk aufnimmt, welches man ihm
Die Auflistung der einzelnen Abschnitte macht
zum Zeichen der Dankbarkeit giebt.« (S. 8) Den
bereits deutlich, daß mit wenigen Abstrichen alle wichti-
gen Ereignisse und Personen des Alten Testaments vor-
Zeremoniendienst der Israeliten erklären die Ver-
gestellt werden. Wohl mit Rücksicht auf das ))Interes- fasser damit, daß Gott sie dadurch vom Götzen-
sante« wurden lediglich einige Propheten, die Lehrbü- dienst habe abhalten wollen: »Gott wollte eben
cher und das Leviticum ausgelassen, auch das 4. Buch nicht, daß diese Gebräuche und Cärimonien be-
Mose ist nur kurz gestreift worden. ständig so fortdauern, vielweniger daß sie auch
Auch das Neue Testament wird- mit Ausnahme von andern Völkern beobachtet werden sollten.
der apostolischen Briefe und der Offenbarung des Jo- Sie waren nur so eingerichtet, wie sie sich für das
hannes- in großer Vollständigkeit nacherzählt. Es läßt Volk Israel am besten schickten; ein Volk, wel-
sich in elf Abschnitte unterteilen. Der erste Abschnitt
ches nicht wo! anders vom Götzendienst abgehal-
beschäftigt sich mit Johannes dem Täufer und Maria
und Joseph (Erzählungen 1 und 2, S. 287-296). Die
ten werden konnte, als dadurch, daß es an solche
))Lebensgeschichte Jesu des Sohnes Gottes« ist unter- sinnliche Gebräuche gewöhnt wurde, die von den
gliedert in ))Geschichte der ersten Jugend Jesu« (Erzäh- heidnischen gänzlich unterschieden waren.« (S.
lungen 3-7), ))Geschichte des öffentlichen Lebens Je- 104)
su« (Erzählungen 8-12), ))Wohlthätige Wunder Jesu« Mit dem Hinweis auf die Nützlichkeit der
(Erzählungen 13-30), ))Andere Wunder und merkwür- Arbeit begründen die Verfasser, weshalb Gott die
dige Begebenheiten Jesu« (Erzählungen 31-41), ))Leh- Zwangsarbeit seines Volkes zuläßt: »Das war
ren, Gleichnisse und Gespräche Jesu« (Erzählungen freylich kein Unglück für die Israeliten, daß sie ar-
42-67), ))Geschichte des Leidens und Todes Jesu« (Er-
beiten mußten: Es ist nichts bessers, nichts gesün-
zählungen 68-80) und ))Geschichte der Begräbniß,
Auferstehung und Himmelfahrt Jesu« (Erzählungen ders für einen Menschen als arbeiten.« (S. 82)
81-86). Das Wachsen der christlichen Gemeinde wird Ähnliche Motive schreiben die Verfasser Gott bei
geschildert in dem Abschnitt ))Ausgießung des Heiligen der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies
Geistes und Ausbreitung der christlichen Lehre« (Er- zu: »Er verwies sie aus dem Paradiese, dessen sie
zählungen 87-91). Ausführlich gehen die Verfasser sich unwürdig gemacht, und setzte sie in einen Zu-
dann auf den ))Charackter und [die] Lebensgeschichte stand, der sich für fehlerhafte und sterbliche Men-
Pauli« ein (Erzählungen 92-97). ))Einige nachgeholte schen besser schickte. Er hieß sie in einer Gegend
Stücke aus der Apostelgeschichte« (Erzählungen wohnen, wo sie mehr und mühsamer arbeiten
98-102) berichten zum Schluß über Philippus, Corne-
mußten: Denn er sahe, daß ein arbeitsames Leben
lius, die Urgemeinde, den Tod des heiligen Stephanus,
Sirnon zu Samaria und Elymas in Paphos. sie von vielen Fehlern abhalten würde. Es ist auch
eben gar kein Unglück für den Menschen, wenn
Die Verfasser der Biblischen Erzählungen er viel arbeiten muß.« (S. 6)
halten sich in der Darstellung der biblischen Hi- Um den Kindern nichts unverständlich er-
storien wohl an den Bibelinhalt, weben aber dort scheinen zu lassen, scheuen sich die Verfasser
Erklärungen, Belehrungen und auch Ausschmük- nicht, eigene Vermutungen als Begründungen für
kungen ein, wo es im Dienste leichter Verständ- die Handlungsweise Gottes anzuführen. So
lichkeit geboten zu sein scheint. Lehnen sich die schließt z. B. die Darstellung des Bethlehemi-
Verfasser so auch recht eng an das Original an, ist tischen Kindermordes mit den Sätzen: » Herodes
doch der Einfluß aufklärerischen Gedankenguts lebte von da an nicht mehr lange; wenn er doch
unverkennbar. eher gestorben wäre! Warum ließ ihn Gott nicht
729 Biblische Erzählungen, 1774 730

eher sterben! - GOtt wollte itzt das Kindlein JE- haften »Charackters« werden häufig auch negati-
sus retten. Den unschuldigen Kindem wußte er, ve Züge gezeigt und zumeist so abgehandelt, daß
was sie litten, im Himmel zu verguten; wie er auch sie das Kind mit eigenen Verhaltensweisen ver-
für alle Kinder sorget, die, ehe sie nur ein oder gleichen lernt. Das Werben König Davids, dessen
zwey Jahre in der Welt gelebt, von der Erde schei- ansonsten vorbildliche, selbstkritische und from-
den. Aber es waren vielleicht viele böse Eltern in me Regentschaft gelobt wird, um Urias' Frau
diesen Gegenden, die ihre Kinder übel erzogen Bathseba wird z. B. mit den Worten kritisiert: »Er
hätten; denen wollte GOtt ihre Kinder entreissen. hätte also dem Urias seine Bathseba gerne gönnen
Darum hinderte er den Herodes nicht.« (S. 303) sollen: Aber er machte es wie ein ungezogenes
Solche »Erweiterungen« des eigentlichen Kind, das andem Kindem das Ihre wegnehmen,
Bibeltextes haben in den Biblischen Erzählungen und für sich behalten will, wenn es schon selbst
unterschiedliche Funktionen. Sollen sie hier die viel Schönes und Gutes von seinen Aeltem hat«
grausame Tat des Kindermordes als Vorsehung (S. 180).
Gottes erklären und ihr so das Schreckliche neh- Als vorbildlichster Charakter wird den Kin-
men, dienen sie an anderer Stelle zur Vorberei- dem Jesus vorgestellt. In der Erzählung »Jesus
tung der Kinder auf kommende Ereignisse. So Jugend« wird Jesus beschrieben als das Exempel
macht sich z. B. Joseph in einem Selbstgespräch eines frommen Kindes: »Er war in allen Dingen
Gedanken, wie er seinen Brüdern einen Denkzet- gehorsam, ausgenommen wo es offenbar war,
tel verpassen kann, und faßt schließlich den Plan, daß er viel vesser als seine Eltern wußte, was dem
sie zum Schein verfolgen und verhaften zu lassen Willen GOttes gemäß sey. Und ob er es gleich bes-
(S. 75). An anderer Stelle dient die Ausschmük- ser wußte, so verachtete er darum seine Eltern
kung auch der zusammenfassenden Betrachtung, nicht. Und die Liebe seiner Eltern und anderer
z. B. in einem eingefügten Abendgebet Jakobs, in Menschen wollte er nicht anders als durch Wohl-
dem die göttliche Vorsehung gepriesen wird. Die- verhalten, durch sein Zunehmen in Erkenntnis
ses Gebet kann den Kindem zugleich als Muster und Tugend gewinnen.« (S. 305) Dem »Charak-
für eigene Abendgebete dienen (S. 46 f.). Indem ter JEsu« ist weiter hinten ein ganzes Kapitel ge-
sie erklären, vorbereiten und zusammenfassen, widmet. Es beginnt mit den Worten: »Ohne Zwei-
dienen die Erweiterungen, die die Verfasser vor- fel war unser göttlicher Erlöser auch schon nach
nehmen, der besseren Erzählbarkeit des Bibel- seiner äussem Bildung ausgezeichnet, edel und
stoffes, sie erhöhen damit- erklärtes Ziel der Ver- liebenswürdig; sanfte Güte, heiterer Ernst, Ge-
fasser- die »Faßlichkeit« und die »Einfalt« der fühl seiner Grösse, lebendiger Ausdruck von Un-
Erzählung. schuld und Menschenliebe und Vertrauen auf sei-
Ein weiterer Schwerpunkt der Bearbeitung nen Vater, verbreitete sich über sein ganzes Ange-
liegt in der Betonung des Lehrreichen. In der Re- sicht; und auch seine übrige Bildung war ohne
gel folgt die Lehre schon aus der betreffenden Ge- Zweifel schön und eines solchen Charackters
schichte selbst, dennoch wird sie häufig von den würdig. Auch war er einer gesunden und starken
Verfassern- auch in einer direkten Anrede des Leibesbeschaffenheit. Er konnte beschwerliche
Kindes -noch einmal explizit formuliert. So en- Reisen, Frost und Hitze ausstehen, auf einem von
det z. B. das Kapitel über die Sünde Chams mit Winde und Wetter herumgejagten Schiffe ruhig
der Lehre: >>Es gefällt GOtt und allen guten Men- schlafen; ganze Nächte durch, unter offnem
schen, wenn ein Kind die Schwachheiten und Himmel wachen. Er war munter und geschäftig,
Fehler seiner Eltern übersieht, oder vor anderen und was er unternahm, kam ihn leicht an. Seine
Leuten zu verbergen sucht, und ihnen immer Ehr- Geberden hattes etwas ungezwungenes und off-
furcht beweist.« (S. 14) Aus Abrahams Bereit- nes, und sein Betragen war so angenehm, daß es
schaft zur Opferung Isaaks sollen die Kinder ler- ihn schon, da er noch ein Knabe war, bey jeder-
nen: »Kind! Wie höchst schuldig ist der Mensch, mann beliebt machte. -Auch seine Kleidung war
GOtt in allem zu vertrauen und zu gehorchen! bescheiden, bequem, dauerhaft.« (S. 379 f.)
Wie glücklich, wenn er es allemal von Herzen Entwickeln die Verfasser hier in wenigen
thut; auch da, wo es ihn schwer ankommt! Die Sätzen ein bürgerliches Tugendideal vollkomme-
Folgen sind gewiß allemal die herrlichsten und se- ner Schönheit und Geistesgröße, wird in mehre-
ligsten.«(S. 30) Manche Lehren werden auch bei- ren Abschnitten sodann ein Katalog vorzüglicher
läufig in den Text eingeflochten. christlicher Tugenden aufgestellt: »JEsu Fröm-
Besonders deutlich tritt das belehrende Mo- migkeit. Vertrauen und Liebe zu GOtt.« (S.
ment des Werkes in der Darstellung exemplari- 308 f. ), »JEsu Menschenliebe. Sanftmuth gegen
scher Charaktere hervor. So soll z. B. eine ausma- Feinde. Liebe gegen Kinder.« (S. 381 ff.), »De-
lende Schilderung der Person Abrahams das Bei- muthJEsu.« (S. 383 f.), »Enthaltsamkeit, Mässig-
spiel eines frommen Charakters liefern: Abra- keit, Wachsamkeit JEsu im Gebet.« (S. 384f.),
hams »nachgebendes, brüderliches Betragen« »Herablassung und Geselligkeit JEsu.« (S. 385)
wird den Kindem als moralisches Vorbild hinge- sowie »Armuth JEsu.« (S. 386) Betrachtet man
stellt (S. 16-20). In der Darstellung eines vorbild- diese Ausführungen über den Charakter und die
731 Religiöse Schriften 732

Tugenden Jesu im Zusammenhang mit den lehr- unter dem Titel 60 Biblische Geschichte des alten Testa-
reichen MoraJen in den übrigen Erzählungen, so mentes in Kupfer geäzt von Johann Rudolf ScheUen-
werden hierdie Umrisse einerumfangreichen Tu- berg. 1779 folgten beim gleichen Verlag die 60 Bibli-
gend- und Sittenlehre deutlich, die tatsächlich schen Geschichten des neuen Testamentes in Kupfer
geaezt von Joh. Rud. Sche/lenberg. Jeder Kupfertafel
»wo! beynahe eine vollständige Kindermoral«
sind Hinweise, Erläuterungen und erbauliche Betrach-
ausmachen (Vorrede, S. VIII). tungen-z. T. in Versform-von Lavaterbeigegeben.
Anny Angst (1947, S. 52) ist in ihrer Behaup- O.B.
tung zuzustimmen, daß die Autoren die selbstge-
stellte Aufgabe- geschickte Auswahl, Richtigkeit
im Erzählen, »Faßlichkeit und Einfalt« sowie
Schwerpunktsetzung auf das Interessante und 1777
sittlich Lehrreiche- gut erfüllten: »Für lange Zeit
Jakob Friedrich Feddersen (1 736-1788):
war ihr Werk das beste seiner Art im deutschen
Sprachgebiet, wenn es auch Hübners Historien Das Leben Jesu.
nicht zu verdrängen vermochte. In gut lesbarer Halle 1777
Sprache wird der biblische Stoff Kindem zugäng-
lich gemacht, ohne dass der Inhalt seine Würde Feddersens Buch ist zur Lektüre für kleinere Kin-
verlöre.« Einschränkend muß jedoch gesagt wer- der unter der Aufsicht von Erwachsenen be-
den- auch Angst (S. 53) weist darauf hin-, daß stimmt: »Um euch Aeltem und Kinderlehrern ein
ein großer Mangel der Biblischen Erzählungen in Mithelfer in dem großen Gotteswerk- in der Er-
der häufigen Verwendung indirekter Rede be- ziehung der Jugend zu werden, schrieb ich dieß
steht, die manche Textstellen recht hölzern wir- Leben Jesu. Laßt es eure lieben Kleinen unter eu-
ken läßt. rer Aufsicht lesen!« (S. VI) Das Werk soll den
Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich Grundstock zur weiteren religiös-moralischen
um eine Sammetausgabe der 1772 bzw. 177 4 in 2 Unterweisung liefern. Die Beschreibung der
Bänden erschienenen Biblischen Erzählungen für »Denkungs- Lehr- und Lebensart Jesu« habe-
die Jugend. Altes bzw. Neues Testament. Im Ver- laut Feddersen- einen »gesegneten Einfluß« auf
gleich hierzu sind leichte Überarbeitungen vorge- die »Erziehung der Kinder zum Guten« (S. IV f. ).
nommen worden. Insbesondere fehlenjedoch die Das Leben und die Lehren Jesu »enthalten den
in der Einzelausgabe enthaltenen Reimsprüche Grund alles übrigen, und alles übrige muß dar-
zu den einzelnen Erzählungen. Die Reimsprüche nach beurteilt werden.« (S. V) Feddersen möchte
waren gedacht als »eine kurze Moral, ein from- mit seinem Werk zur Erkenntnis der Lehren und
mer Gedanke, oder ein pracktischer Auszug [ ... ]. Tugenden Jesu beitragen und den Kindem »Ehr-
Diese werden dem Kinde, welches sie mit Ver- furcht und Liebe gegen Jesum« vermitteln, um
stand auswendig lernt, das Lehrreiche der Erzäh- diese vor» Unglauben, Religionsspöttereyen, und
lung wieder ins Gedächtnis zurückrufen« (Bibli- Laulichkeit in der christlichen Religion« zu be-
sche Erzählungen für die Jugend. Altes Testa- wahren (S. Vf.). In diesem Sinne sollen Leben
ment. Zürich 1772, Vorrede S. XV). Die Reim- und Lehren Jesu beispielhafte Funktion für die
sprüche, die in der Sammetausgabe nicht mehr Kinder besitzen, so daß sie sich schon in den er-
enthalten sind, wurden 1782 in Zürich unter dem sten Jugendjahren verpflichten, »Jesum Chri-
Namen Lavaters als Reimen zu den biblischen Ge- stum zu lieben zu verehren, ihm nachzuahmen
schichten des Alten und Neuen Testamentes ge- und ihn anzubeten« (S. 153). Um dieses Ziel zu er-
sondert herausgebracht. reichen, werden die Erwachsenen angehalten,
Leichte Veränderungen zeigen sich auch hin- darauf zu achten, welche Passagen aus dem Le-
sichtlich der sprachlichen Gestaltung, die in der ben Jesu besonders die Aufmerksamkeit und das
Sammetausgabe nüchterner wirkt. Weitere Ver- Gemüt der Kinder bewegen, um ihnen diese dann
änderungen betreffen zuweilen die in den Text »immer mehr wichtig, werth und angenehm zu
eingeflochtenen Begründungen, die den Kindem machen« (S. VIf.).
die biblischen Geschichten leichter verständlich Das Leben Jesu ist in fünf Hauptkapitel geglie-
machen sollen. dert, wobei der erste Teil, die eigentliche Lebensbe-
schreibung, am kürzesten ausfällt (S. 1-34). Der zweite
Die Biblischen Erzählungen fiir die Jugend. Altes Abschnitt enthält »Betrachtungen und Gebete über das
und Neues Testament erschienen 1790 in Zürich in ei- Leben Jesu«. Zunächst wird den Kindern die
ner Neuausgabe, die 1813 neu aufgelegt wurde.l821 er- )) Nothwendigkeit, Jesum Christum recht zu erkennen«
schien das Werk mit dem Untertitel »von einer Gesell- erläutert, es folgen die Begebenheiten von Christi Ge-
schaft Jugendfreunde« ebenfalls bei Orell in Zürich. burt bis zur Versuchung Jesu in der Wüste (S. 35-52).
Angst (1947, S. 53) weist daraufhin, daß die Zür- Die Kapitel werden durch Gebete in Reimen und Prosa
cher Kinderbibel-Verfasser »den tüchtigen Winterthu- oder durch Sittenlehren abgeschlossen, die z. T. Anlei-
rer Kupferstecher Joh. Rud. Schellenberg« anregten, tungen zur Gewissenserforschung enthalten und Kon-
die biblischen Erzählungen für die Jugend zu illustrie- sequenzen für das Leben aufzeigen. Sodann folgen die
ren. Das Werk erschien 1774 bei Steiner in Winterthur Lehren Jesu (S. 53-93), die konkrete Maßgaben für ei-
733 Feddersen, Leben Jesu, 1777 734

nen christlichen Lebenswandel enthalten. Es Iinden


sich Ausführungen zur »Dienstfertigkeit« (S. 74), zu
»Sanftmuth, und Liebe gegen Feinde« (S. 78), zur» Un-
versöhnlichkeit« (S. 80) und den »Eigenschaften eines
Christen« (S. .83) sowie zur »Wachsamkeit und
Mäßgkeit« (S. 84) und der »sündlichen Menschenge-
fälligkeit und Gewinnsucht« (S. 85).
Das vierte Kapitel enthält »Lehrreiche Gleichniß-
reden und Erzählungen Jesu« (S. 95-124). Erzählt wer-
den die Gleichnisse »Vom verlohrenen Sohn«, »Die
Knechte mit den Talenten« und »Der reiche Mann und
der arme Lazarus«. Anschließend gibt Feddersen eine
Anleitung zur Selbsteinkehr durch »Selbstgespräche
und Gebete über einige Reden und Parabeln Jesu« (S.
108), schildert »Lehrreiche Begebenheiten und Bey-
spiele aus der Geschichte Jesu« (S. 111) und beschließt
das Kapitel mit kommentierten Auszügen »aus Jesu
letzten Reden« (S. 121 ). Der letzte Teil befaßt sich mit
den »Tugenden Jesu« (S. 125-153), in dem Christus
den Kindem als Vorbild nahegebracht wird, und zwar
durch seinen Fleiß (S. 134), seine Aufrichtigkeit, Frei-
mütigkeit und Wahrheitsliebe (S. 135), durch den Ge-
horsam seinen Eltern gegenüber (S. 147), seine Demut
(S. I 39), seine Menschenliebe (S. I 36) und Kinder-
freundlichkeit (S. 125). Feddersen beschließt sein Werk
mit einer kurzen Rede an die Kinder, in der er noch ein-
mal darauf hinweist, daß die »aus diesem Büchlein er-
langte Erkenntnis von Jesu Christo, nur der Anfang der
rechten Erkenntnis von ihm ist«. Häufiges Lesen der Jakob Friedrich Feddersen (1 736-1788). Kupfer-
heiligen Schrift, besonders des Neuen Testamentes sei
unerläßlich, und er ermahnt seine Leser eindringlich:
stich von J. C. G. Fritzsch nach Jensch
»wenn ihr zu einem reifem Alter und Verstande werdet
gekommen seyn: so denket selbst weiter nach über die
Lehren, Tugenden, Thaten und Schicksale Jesu!« (S.
zum Bösen, soweit ihr könnet!« (S. 51) und warnt
154)
sie davor, sich in Gefahr zu bringen, z. B. durch
Die Aufzeichnung des Lebens und Wirkens waghalsige Spiele, denn auch durch sie versuche
Jesu ist in den Grundzügen dem Johannes- und man Gott, oder auch vor Unmäßigkeit besonders
Lukasevangelium entnommen. Der Autor nimmt im Essen und Trinken, denn sie beraube die Kin-
alle dort erwähnten Ereignisse, Wunder und Aus- der nicht nur ihrer» Vernunft« und ihrer »Sinne«
sagenJesu wörtlich und ist oft bemüht, Jesu göttli- (S. 84), sondern sei überhaupt eines der größten
che Herkunft anband der vielen Wunder und Zei- Laster, »denn wer demselben ergeben ist, ist un-
chen zu beweisen, den Leser von der schon lange tüchtig zur Gottseligkeit, und kann nicht in den
verkündeten Gottessohnschaft Jesu, der Offenba- Himmel kommen« (S. 85). Feddersen weist be-
rung seiner göttlichen Kräfte und der Dreieinig- sonders eindringlich daraufhin, daß eine tugend-
keit zu überzeugen. Feddersen folgt nicht der Rei- hafte Lebensführung stets belohnt, ein lasterhaf-
henfolge in den Evangelien, sondern gliedert die ter Lebenswandel jedoch bestraft werde. Diesem
Überlieferungen in verschiedene thematische Zu- »Vergeltungsrecht« Gottes könne niemand ent-
sammenhänge. Hat noch der erste Teil eher refe- kommen. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
rierenden Charakter, so wendet sich Feddersen in empfiehlt der Verfasser in diesem Sinne »zur
den folgenden immer eindringlicher an die Kin- fleissigen und aufmerksamen Durchlesung«. (S.
der, sie ständig ansprechend durch Fragen, Aus- 98) Hier werde das Unglück offenbar, in das sich
rufe, Ermahnungen, Aufforderungen und Hin- junge Leute stürtzten, »die sich ganz unbesonnen
weise. Den gesamten Text durchziehen Mahnun- den Thorheiten, Lüsten und Ausschweifungen
gen zur Selbstprüfung, zur Reue über Verfehlun- der Jugend überlassen« (ebd.). Gottes Strafe für
gen und zur Umkehr sowie Ermutigungen, Gott diese Lebensart seien )) Krankheiten, geschwäch-
für ein glückliches Leben zu danken, aber auch te Seelenkräfte, und ein durch eigne Schuld ver-
ein trauriges Schicksal als Strafe Gottes zu ertra- kürztes Leben« (S. 99). Feddersen bedient sich
gen. häufig der Methode der Abschreckung, nicht nur
Das Leben und die Lehren Jesu bieten dem wenn er auf die unvermeidliche Bestrafung hin-
Verfasser die Möglichkeit, den Kindem ganz kon- weist, sondern auch, wenn er z. B. den Kindem
krete Verhaltensmaßregeln zu geben. So ermahnt rät, in Begleitung Erwachsener Hospitäler und
er sie z. B. am Beispiel der Versuchung Jesu: Lazarette zu besuchen, um »an den Elenden, die
»Fliehet alle Gelegenheiten und Verführungen an ihrem Gemüth und Leibe die traurigen Folgen
735 Religiöse Schriften 736

der Wollust, in den abscheulichsten Schmerzen Schlosser jetzt als zusammenhängende Unter-
und Plagen fühlen«, zu erkennen, »daß die Wol- richtswerke an, die das vollständig enthalten, was
lust, wie jede Sünde, den Menschen in das größte die Landkinder nach seiner Auffassung von Mo-
Unglück bringe« (S. 99). ral und Religion wissen müssen. An die »Schul-
Die Grundtendenz des Werkes besteht in der meister« ist denn auch die umfangreiche Vorrede
eindringlichen Aufforderung des Verfassers an gerichtet. Doch soll auch der Katechismus nicht
seine Leser, sich dem Willen Gottes zu unterwer- unmittelbar in die Hände der Kinder gelangen.
fen und dem Vorbild Jesu nachzueifern, wohinter Schlosser möchte vielmehr, daß der »Lehrer«
alles übrige zurückstehen müsse. hierin ein Modell sieht, nach dem er seinen »Re-
Das Leben Jesu erlebte bis 1827 zahlreiche Aufla- ligionsvortrag« einrichtet. Er bemerkt deshalb,
gen. Die 3. verbesserte Auflage 1781 enthält eine Vorre- daß er das Buch »nicht für die Kinder, sondern
de, die sich ausschließlich »an die Kinder in der Hof- wie den moral. Katechism. auch, blos für den
und Domgemeinde zu Braunschweig« wendet (Wege- Lehrer« geschrieben habe. Es soll zudem nicht
haupt, 1979, Nr. 601). 1790 erschien in der Bearbeitung mechanisch nachgeahmt werden, sondern »muß
von P.W. Hüffer Das Leben Jesufor katholische Kinder in seinem Herzen zur Empfindung worden seyn,
und Schulen, das als Lehrbuch abgefaßt war. Hüffer hat und ganz als eigne Empfindung in seiner Sprache,
Feddersens Werk wortgetreu übernommen, lediglich ei- mit seinene Wendungen, auf seine Art wieder her-
ne neue Einteilung in »Lektionen« vorgenommen und
zusätzlich spezifisch katholische Glaubensgegenstände
ausfließen« (S. 30). Der Lehrer sollte dabei für
behandelt. Dieser Bearbeitung sind einige Gleichnisse Schlosser »ein redlicher Mann, ein Freund der
hinzugefügt, sowie eine »Unterweisung von dem katho- Kinder, ein verständiger, exemplarischer Mann
lischen Beichtgebote« und »vom heil. Abendmahle« seyn« (ebd.). Wie wenig es Schlosser auf eine aus-
sowie ein Kapitel über »die Sünde einer unwürdigen gefeilte Gelehrsamkeit ankommt, zeigt der Vor-
Kommunion«. Baur (1790) hebt bei seiner Bespre- schlag, daß nach gewisser Zeit auch ältere Bau-
chung der Werke Feddersens hervor, daß dieser die Ma- ern, die sich bereits zur Ruhe gesetzt haben, den
terie »so ganz ohne Schultheologie behandelt, und so Unterricht übernehmen sollten (S. 31 ).
recht in den Gesichtskreis der Kinder gebracht« habe. Schlossers Absicht ist es, einen »faßlichen,
Göhring (1904, S. 65) steht Feddersen kritisch gegen-
über und führt aus, dieser habe »viel zu viel den Beicht-
überzeugenden« Katechismus vorzulegen, der
vater gespielt, dem die Gebetsformeln, Ermahnungen den Bedürfnissen und intellektuellen Fähigkeiten
und Tröstungen etwa so geläufig vom Mund fließen, des Landvolks und seinen Kinder angemessen ist,
wie dem Advokaten die Paragraphen der Gesetzesbü- der primär das »Herz« des Bauern befriedigt und
cher. Trotz seiner Begeisterung für den Unterricht war ihn nicht zum Vernünfteln und Beweisen und zu
sein Platz doch weniger in der Schule als auf der Kanzel, einer falschen Gelehrsamkeit veranlaßt, der
und die Hochschätzung seines >Leben Jesu für Kinder, schließlich methodisch auf das Vertrauen aus-
1775< durch Rochow erklärt sich nur durch den Um- geht, das der Bauer in die Autorität setzt (S. 38 f.).
stand, daß die übrigen biblischen Geschichten noch un-
Die bisherige Katechese hat für Schlosser den
tauglicher waren und der Einäugige unter Blinden im-
mer König ist.« T. R./H.
wirklichen Charakter des Landvolks verkannt:
»Man denkt sich im Kabinet den Bauer wie den
Gelehrten.« (S. 29) Sein Katechismus soll zum ei-
nen alldie Dinge weglassen, die »kein Bauer und
kein ehrlicher Mann [ ... ]zu wissen verlangt« (S.
1776 28), zum anderen auf jeglichen Beweis und alle
Johann Georg Schlosser (I 739-1799): Begründung verzichten und seine Überzeugungs-
Katechismus der christlichen Religion fiir kraft und Glaubwürdigkeit allein aus der Autori-
das Landvolk, als der zweyte Theil des tät des Religionslehrers ziehen. Wird die christli-
che Lehre »mit Wärme von einem guten geliebten
Katechismus der Sittenlehre für das
Mann« vorgetragen, so wird sie »den Bauer, der
Landvolk. so viel auf Autorität baut, völlig überzeugen« (S.
Leipzig 1776. 29). An anderer Stelle heißt es: »Mein Schüler
fängt an, an Christum zu glauben, weil sein Lehrer
Wie schon die vorausgehende Sittenlehre Schlos- an ihn glaubt, mit Wärme, mit Überzeugung an
sers wendet sich das vorliegende Religionsbuch in ihn glaubt.« (S. 19)
Abweichung vom Wortlaut des Titels nicht an das Inhaltlich hegt Schlosser die »Absicht, blos
Landvolk, sondern speziell an dessen Kinder. An- Jünger Jesu, und keine Jünger Menschenmeister
gesprochen sind »Bauernjungen« im Schulalter zu machen« (S. 33). Mit »Menschenmeistern«
»vom sechsten bis ins sechszehnte Jahr« (S. 26); sind hier die Apostel und die Kirchenlehrer ge-
da die Sittenlehre vorausgehen soll, kommt hier meint, die die christliche Lehre ergänzt und erwei-
wohl eherdas fortgeschrittenere Schulalteein Fra- tert haben. Schlosser will seinen Religionsunter-
ge. Das Werk ist eindeutiger als der zuvor erschie- richt einzig auf die Worte und Lehren Jesu grün-
nene Katechismus der Sittenlehre für den dörfli- den (S. 34). Ausschließen will er damit die
chen Schulunterricht gedacht. Beide Werke sieht »Schriften der Apostel«, da »sie etwas enthalten,
737 Schlosser, Katechismus, 1776 738

was Christus nicht sagte« (S. 14). Schlosser gerät, und der einzelnen Sätze des Glaubensbekenntnisses
wie er selbst spürt, mit dieser Haltung, die »doch bzw. des Vaterunsers werden knappe Erklärungen gege-
nicht orthodoxer seyn kann« (S. 34), in einen Ge- ben. Eine Anmerkung für den Lehrer schreibt vor, daß
gensatz zur lutherischen Ortohdoxie und läßt nur »die Worte der Hauptstücke« auswendigzulemen,
die »Erklärungen allein dem Verstand an[zu ]vertrauen«
denn auch eine Reihe zentraler Lehrstücke fallen,
seien (S. 66).
die ihm durch Worte Christi nicht unmittelbar be- Derdritte Teil des Werkes (S. 66-103) besteht aus
legt erscheinen. Es handelt sich um die Lehre von einem Kommentar und aus Erläuterungen zu ausge-
der Dreieinigkeit, von den zwei Naturen Christi, wählten Kapiteln des Matthäus-Evangeliums, wobei
von den zwei Ständen und drei Ämtern Christi, auch von den behandelten Kapiteln nicht alle Verse her-
schließlich um die vom Amt der Schlüssel (S. angezogen werden. Geboten werden hier Wort- und
20-25). Auch im lutherischen Katechismus will Sacherklärungen, Erläuterungen der Handlungen und
Schlosser »eine Menge anderer kleiner Deuteley- Lehren Christi sowie moralische Nutzanwendungen.
en« sowie die häufig eingefügten »Nutzanwen- Den Abschluß des Werkes bildet eine Schlußbetrach-
tung (S. 103-110), die Religions- und Sittenlehre zu-
dungen« weglassen (S. 25).
sammenbindet. Die Religionslehre habe zu einer Bestä-
Schlossers Absicht, auf Begründungen und tigung und Stützung all der Pflichten geführt, die zuvor
Beweise zu verzichten, bringt ihn zugleich auch in im moralischen Unterricht dargelegt wurden: »[ ... ] in
einen Gegensatz zu den aufgeklärt rationalisti- der ganzen Lehre und ganzen Geschichte Jesu findet ihr
schen Strömungen der protestantischen Theolo- bestätigt, was man euch gelehrt hat zu thun, um in dem
gie. Der Katechismus macht keinerlei Aussagen Leben unter anderen Menschen glücklich zu seyn« (S.
zur »natürlichen Religion« und zu dem Problem 103). Zugleich ist umgekehrt deutlich geworden, daß Je-
der »Wahrheit und Authenthicität der Schrift« su »uns nichts (befiehlt), als was uns offenbar selbst
(S. 20). Diese dienten nur dazu, »den Gelehrten, nützlich ist zu thun« (S. 109): »Alles, was euch schon
um eurer selbst willen zu thun gerathen worden, hat Je-
der sein Menschengefühl verloren oder ge-
sus uns auch noch auf Gottes Befehl, weil er, der weise-
schwächt hatte, mit dem Verstand, durchs Ueber- ste Gott, sieht, wie nützlich es uns ist, bekannt ge-
gewicht der Wahrscheinlichkeit« zu überzeugen macht.« (S. 108). Geboten werden biblische Belege für
(ebd.). Der Bauer dagegen, »der sein Menschen die einzelnen Pflichten und Tugenden.
gefühl, sein vertrauliches Stützen auf den Aus- Das Werk ist nicht mehr wie noch der Katechismus
spruch des guten und lieben klügern Mannes der Sittenlehre in eine Rahmenhandlung eingekleidet,
nicht verloren hat«, bedürfe nicht der natürlichen und auch auf die Figur des alten Verwalters wird nicht
Religion (ebd.). mehr zurückgegriffen. Es ist in der Form eines kateche-
Auf der Basis dieser Absichten entwirft tischen Lehrervortrags gehalten. Der Text ist durchsetzt
Schlosser einen Plan für den Religionsunterricht mit zahlreichen Anreden der Zuhörer als »Kinder« und
häufigen Aufforderungen, Warnungen und Ermunte-
Zunächst betont er, daß die Sittenlehre vorausge- rungen. Exempel und andere Formen der Veranschauli-
hen müsse. Der sich anschließende Religionsun- chung werden nicht geboten.
terricht gliedert sich in drei Stufen: Zunächst wird
eine »kurze Geschichte der Religion von Abra- Schlossers Katechismus ist sowohl gegen die
ham an bis zu dem Lutherischen Glaubensbe- protestanisehe Orthodoxie wie auch gegen natu-
kenntnis« gegeben; ohne diese Kenntnisse sei ralistische und rationalistische Tendenzen ge-
»die Geschichte Jesu ganz unverständlich« (S. richtet. Jenes manifestiert sich in der Orientierung
12 f. ). Die zweite Stufe bildet die Behandlung des allein an den Evangelien und der Ablehnung ei-
lutherischen Kleinen Katechismus, weil dies »zur ner verpflichtenden Geltung anderer Schriften,
Fertigkeit und Deutlichkeit der Begriffe unum- dieses in der Zurückweisung aller natürlichen Re-
gänglich notwendig ist« (S. 13). Das Zentrum des ligion. Beiden Tendenzen gemeinsam ist das Prin-
Religionsunterrichts stellt die dritte Stufe mit der zip der Rationalität, mit dem die eine die Harmo-
Lesung der Evangelien dar, »weil diese die Seele nie zwischen Vernunft und Offenbarung be-
der christlichen Religion enthalten« (ebd. ). hauptet, die andere eine reine Vernunftreligion
Entsprechend dem im Vorbericht dargelegten konstruiert. Gegen diesen Rationalismus führt
Plan ist der Katechismus in drei große Abschnitte einge- Schlosser im »Vorbericht« eine ausführliche Po-
teilt: Der erste Teil gibt einen äußerst knappen Abriß lemik. Nachdem er den außerordentlichen Wert
der Religionsgeschichte bis auf Luther (S. 35-54). Wird der christlichen Religion herausgestellt hat, fragt
die Geschichte des AT noch mit einiger Ausführlichkeit gleich zu Beginn: »Wie kommts, daßbeyalle dem
geschildert, so sind für Leben und Lehre Jesu nur vier Werth, wenige gute Christen sind, wenige die Re-
Seiten, für die Kirchengeschichte nur wenige Absätze ligion glauben, noch weniger sie verstehen?« Die
reserviert. Die Darstellung erschöpft sich weitgehend in Antwort lautet: »Wenn mich meine Empfindung
einer Aufzählung von Namen und Ereignissen ohne
nicht betrügt, so ist nichts daran Schuld als die Be-
weitere Erklärung.
Der zweite Teil (S. 54-66) gibt in gleich kurzer Zu- mühung derer, die die Religion Christi erklären
sammenfassung die fünf Hauptstücke des Kleinen Ka- und beweisen wollten.« (S. 3) Christus selbst habe
techismus wieder: die zehn Gebote, das Glaubensbe- seine »Sätze« ohne Beweise ausgesprochen, weil
kenntnis, das Vaterunser, schließlich die Abschnitte von er davon überzeugt gewesen sei, »daß menschli-
der Taufe und dem Abendmahl. Zu jedem der Gebote che Kräfte die Rathschlüsse Gottes nie errei-
739 Religiöse Schriften 740

chen« (S. 4). Seine Lehre zu verstehen, bedürfe es giösität der »Ungelehrten« und des Landvolkes
eines anderen Organs als bloß des Verstandes: stellt für ihn ein erstrebenswertes Verhältnis dar,
Christus »wußte besser als wir, daß in allen den zu dem die entwickelte Verstandeskultur wieder
Dingen, der Verstand des Menschen nicht den zurückfinden müsse (S. 31 ). Hieran schließt sich
ganzen Kreis von Begriffen hat, der erfordert ist, ein Seitenhieb auf die »verbessernden philanthro-
feste Wahrheit zu fassen, und sie so eng einzu- pischen Zeiten« und ihre angebliche Betonung
schließen, daß kein Zweifel sich eindringen kann, des Intellektuellen und Rationalen, die in die The-
noch ein anderes Organ wirksam seyn muß zur se mündet, »daß es mit allen Seminarien, Schul-
Überzeugung; und das war ihm das innere Ohr, anstalten und Erziehungsanstalten nichts ist, so
auf das er sich berief.« (ebd.) Jegliches Beweisen lange die unselige Vielwisserey, das traurige Le-
und Begründen verhindert nun gerade das Auf- ben durch den Kopf, so bleibt, wie es ist.« (ebd.)
kommen jenes notwendigen »inneren Gefühls Wenig später wird auch der Übereifer der Erzie-
der Wahrheit« (ebd.). Schlosser rät deshalb: hungsreformer angegriffen und kritisiert, daß
»Laßt uns, um Gottes willen, nicht tiefer eindrin- »die, die bessern wollen, alles zur höchsten Voll-
gen in Gottes Rathschlüsse, sondern - wählt; kommenheit treiben, alle Verbesserung kalkuliert
glaubt ihr an Christum; so nehmet seine Worte, haben wollen, und mehr auf Vorschriften, als auf
und sucht nicht mehr, als er gesagt hat; und glaubt Männer zur Ausführung denken« (S. 32 f.). Der-
ihr nicht, so rührt sein Wort garnicht an; sondern gestalt tauchen im Vorbericht einzelne Argumen-
helft euch wie ihr könnt.« (S. 10) te einer Kritik des Philanthropismus auf, die
Unter den »Ungelehrten«, insbesondere Schlosser zusammenhängend in seinem Brief-
dem Landvolk, findet Schlosser diejenigen, die wechsel mit Isaac Iselin übt und die 1776 in den
gegenwärtig noch ein solch einfältiges und inni- Ephemeriden der Menschheit erstmals publiziert
ges Verhältnis zur Religion haben (S. 16). Im Ge- worden ist. E.
gensatz zum Gelehrten, dessen »Menschenge-
fühl« geschwächt oder schon verloren ist, kennt
das Landvolk noch keinerlei Zweifel: »Daß Gott
ist, fühlt der Bauer; es sey Gewohnheit, Erzie- 1777
hung, angebohmer Begrif, Blick in die Schöp- Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788):
fung.« (ebd.) Auf diese naive Gewißheit des Ge-
fühls müsse die Katechese aufbauen; keinesfalls
Kern der Geschichte des alten und
dürfe sie dem Bauern Beweise ansinnen. Für den neuen Testaments mit beygesetzten
Religionsunterricht hat dies zur Konsequenz, daß kurzen Sittenlehren.
jede auf rationales Begreifen ausgerichtete Lehr- Köln 1782
methode auszuschließen ist. Ins Zentrum müssen
jetzt die innere Überzeugung und die gefühlsmä- Felbiger wendet sich mit seiner Historienbibel an
ßige Gewißheit des Religionslehrers selbst treten; katholische Kinder und Jugendliche und an Er-
durch die allein kann er die »Herzen« seiner wachsene. Besonders die Sittenlehren seien »dem
Schüler gewinnen. »Fängt aber der Schüler nicht Begriffe der Jugend angemessen« (Vorrede). So
damit an, daß er dem Lehrer glaubt, daß er über- habe er »alles, woran sich etwa zarte Füße stoßen
zeugt wird, weils der Lehrer sagt, so ist alles Be- könnten, aus dem Wege geräumt« (ebd.). Etwai-
weisen umsonst.« (S. 19) Die gefühlsmäßige Si- gen Einwänden in diesem Zusammenhang hält er
cherheit im Glauben muß unangefochten darste- entgegen, daß man die »zehn Gebothe weder än-
hen: »Nicht einmal zeigen soll der Lehrer, daß dern, noch das sechste Geboth ganz ausstrei-
man zweifeln könne, nichts widerlegen, nichts be- chen« könne (ebd.). Den Lehrern versichert Fel-
weisen, bis er mit Christi Worten beweisen kan.« biger, »daß es ihnen gar wenige Mühe kosten
(ebd.) Bei Kindern des Landvolks aber werden wird, den Kindem diese Geschichten beyzubrin-
Zweifel erst gar nicht anzutreffen sein: »Das Herz gen, denn sie lernen seihe mit Freuden, und
des Menschen ohne Ansprüche, des einfältigen folgsam leicht« (ebd.). Felbiger empfiehlt sein
sinnlichen Knaben, der ... einen lieben, dienst- Werk ebenfalls »einem jeglichen Hause zum
fertigen, treuen, gütigen, allgemein beliebten Leh- geistlichen Buche«. Er sieht darin eine vergnügli-
rer hat, glaubt dem gern einfältige Erzählung.« (S. che und nützliche Beschäftigung für »Hausväter
18 f.) und Mütter an Sonn- und Feyertagen [ ... ], wenn
Die hier von Schlosser entworfene religions- sie in den nach geendigtem öffentlichen Gottes-
unterrichtliche Methodik ist zunächst mit speziel- dienste übrigen Stunden, sich, ihre Kinder und
ler Rücksicht auf das Landvolk und seine Kinder übrigen Hausgenossen mit solchen heil. Ge-
entworfen. Daß sie aber darüber hinaus eine schichten [ ... ]unterhalten« (ebd.).
gleichsam ideale Bedeutung für ihn besitzt, geht Zum Gebrauch des Buches macht Felbiger
nicht zuletzt daraus hervor, daß er sie als die Über- verschiedene Anmerkungen. So weist er aus-
zeugungsweise ausgibt, die Jesus selbst praktiziert drücklich darauf hin, daß er dieses Werk von ei-
habe (vgl. S. 4). Doch auch die naive Gefühlsreli- nem Katechismus habe unterscheiden wollen.
741 v. Felbiger, Kern, 1777 742

Daher seien die Geschichten nicht in Frage- und dingt eine Beschränkung auf das Wesentliche. Felbiger
Antwortfonn, sondern in gebundener Rede abge- hat insofern das Frageprinzip des Katechismus einzu-
faßt. Bei der katechetischen Form bestehe häufig bringen gewußt, als er am Ende einer jeden Seite Fragen
die Gefahr, daß allenfalls das Gedächtnis, nicht zum behandelten Stoff stellt. Am Schluß einer Lektion
befinden sich »Sittenlehren«, die jeweils die wichtig-
aber der Verstand der Kinder geschult werde.
sten Geschehnisse, z. T. mit Hinweisen auf gleichsinni-
Dennoch habe er Fragen beigefügt, die Leh- ge Bibelstellen, zu einer Moral zusammenfassen, die
rer den Schülern stellen sollten, so daß diese die überwiegend auf die praktische Lebensführung im Sin-
Antworten »mit eigenen Worten abfassen müs- ne des Christentums bezogen ist.
sen; wodurch sie dann zum Nachdenken erwek- Die hier vorliegende Ausgabe von 1782 enthält ei-
ket, wie auch über eine Sache sich auszudrücken, nen Anhang von Matthias von Schönberg, Verfasser
und solche ordentlich vorzutragen gewöhnet wer- zahlreicher religiös-moralischer Schriften: Wie man die
den« (ebd.). Schließlich könne die Sammlung im Unschuld wider alle Sünden bewahren solle, oder die
Unterricht die »sogennanten Exempel, welche beste Kunst, sich von Sünden zu enthalten. Ausgehend
von dem Wort Gottes an Kain: »Die Begierde wird dir
die Kinder gar zu gerne erzählen hören«, vertre-
unterworfen seyn, und du sollst über sie herrschen«
ten und langfristig auch im Katechismusunter- (Gen. 4,7.), und dem daraus folgenden Grundsatz, daß
richt gebraucht werden, indem »die Schullehrer der Mensch allein die Schuld trage, wenn er sündige,
diese Geschichte in die gehörigen Orte des Kate- wird mit Beispielen aus der biblischen Geschichte be-
chismus zertheilen « ( ebd.). legt, wie der Mensch »Anfechtungen« und »sündigen
Gedanken« widerstehen könne.
Die Historienbibel enthält insgesamt 66 Erzählun-
gen aus dem alten (39) und dem neuen Testament (27). Die geraffte Behandlung des biblischen Stof-
Die Einteilung erfolgt in »Hauptstücken«, die wieder- fes konzentriert sich weitgehend auf solche Passa-
um in »Lectionen« gegliedert sind. Der biblischen Ge- gen, von denen Felbiger glaubt, daß sie für Kinder
schichte vorgeschaltet sind ein Faltblatt, auf dem in ta- vom größten Nutzen zur Vorbereitung auf einen
bellarischer Form eine Einteilung der Bücher der heili- »gottseligen Lebenswandel« seien (S. 246). So
gen Schrift vorgenommen wird, und ein »Kurzer Be-
griff sämmtlicher Bücher, die sich in der hlg. Schrift be-
haben die verschiedenen Erzählungen beispiel-
finden, mit beygesetzter Zahl der Kapitel, die jedes haften Charakter. Die Erzählung von Jakob und
Buch enthält.« Esau z. B. veranlaßt Felbiger in der Sittenlehre zu
Felbiger hält sich bei seiner Darstellung im We- folgendem Hinweis: »Also verkaufen die Sünder
sentlichen an die Reihenfolge des Alten und des Neuen für eine augenblickliche Wollust, für ein bischen
Testaments, orientiert sich jedoch ebenfalls am histori- Ehre, Geld und Erde das Recht zum Himmel.«
schen Ablauf des biblischen Geschehens. Die ersten Und er rät seinen Lesern: »Sey du vernünftiger,
beiden Hauptstücke behandeln die Bücher Mose (S. und erwäge jenes oft, was Math. 16. 26 steht:
1-53). Sodann folgen die wesentlichen Begebenheiten >Was kann der Mensch zum Werthe für seine See-
aus den Büchern Josua, Ruth und Samuel (s. Haupt-
le geben.<« (S. 22). Im Zentrum stehtjeweils die
stück, S. 53-77). Das vierte Hauptstück beginnt mit dem
ersten Tempelbau (Buch der Könige) und führt dann religiös-moralische Belehrung, oft verbunden mit
über die assyrische bis zur babylonischen Gefangen- praktischen Hinweisen. So wird z. B. der Geiz als
schaft. Die letzten beiden Lektionen dieses Teils be- »Wurzel alles Bösen« (S. 232) am Beispiel der Er-
handeln das Buch Tobias und das Buch Judith aus den zählung von Ananias und Saphira (Apostelgesch.
Apokryphen (S. 77-105). Im fünften Hauptstück wird 5) angeprangert. Weitere Themen der Sittenlehre
der Zeitraum von der Zerstörung des ersten Tempels in sind die christliche Nächstenliebe und die Bekeh-
Jerusalem bis zur Einweihung des zweiten dargestellt (S. rung Andersgläubiger. Hier dient die Bekehrung
105-118). Das letzte Kapitel des Alten Testaments en- des Sau! als Beispiel: »Man muß also jene, die
det mit Christi Geburt. Hier werden die Regierungen
Alexanders, Antiochius und Herodes behandelt (S.
nicht unseres Glaubens sind, weder verachten,
118-154). Der neutestamentliche Teil enthält Auszüge noch hassen, sondern vielmehr ... Gott fürsie bit-
aus den Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas und ten, daß er sie bekehren wolle. [ ... ] Auch müssen
Johannes. Das zweite Hauptstück befaßt sich besonders wir durch unser ehrbares und liebreiches Betra-
mit den »merkwürdigsten Wunderwerken, Sittenleh- gen den Bekehrten ein gutes Beispiel geben, um
ren, Parabeln und andern Vorfällen in der Geschichte unsere Religion in ihren Augen ehrwürdig zu ma-
Jesu« (S. 151-196). Vier Hauptstücke behandeln Le- chen.« (S. 241 f.)
bens- und Leidensgeschichten Jesu, wobei die letzten Immer wieder empfiehlt Felbiger seinen Le-
drei Lebensjahre am eingehendsten geschildert werden. sern die häufige Lektüre der Bibel: »Lese daher
Das fünfte und letzte Hauptstück befaßt sich mit der
oft und mit Lehrbegierde die göttlichen Schriften,
Apostelgeschichte des Lukas. Es beginnt mit dem
Pfingstwunder, der Verfolgung der Apostel, schildert es ist eben so viel, als wenn du mit Gott selbst re-
dann die Bekehrung des Sau!, die Wunder des Petrus dest, und der Geist desselben wird dich erfüllen.«
und seine Befreiung aus dem Gefängnis und schließt (S. 238) G. R./H.
mit den Taten des Paulus (S. 226-251 ).
Felbiger berücksichtigt bei seiner Darstellung nur
die Geschichtsbücher; die Lehrbücher und propheti-
schen Schriften werden nicht behandelt. Die angestreb-
te Kürze verhindert textliche Ausführlichkeit und be-
743 Religiöse Schriften 744

1777 diesen Liedern häufig nach dem Prinzip von Lehre, Zu-
spruch und Vermahnung verfahren wird.
Christoph ChristianSturm (1740-1786): Der zweite Teil des Buches enthält in seinem er-
sten Abschnitt Betrachtungen und Gebete »bey besan-
Vollständiges Gesangbuchfür Kinder
dem Zeiten«. Hier finden sich neben Morgen-, Abend-
von reiferm Alter. und Tischgebeten Gebete zu den kirchlichen Festen und
Halle 1777 solche, die speziell vor und nach dem Unterricht gespro-
chen werden sollen (S. 143-163). Im zweiten Abschnitt
werden wiederum solche Gebete vorgetragen, die von
Der Verfasser wendet sich mit seinem Gesang- der Jugend bei ganz bestimmten Anlässen gesprochen
buch an das »reifere Kinderalter« (Vorrede). Er werden sollen, wie z. B. bei »jugendlichen Vergnügun-
sei zwar bemüht gewesen, sich mit seinen Liedern gen«, vor und nach der Krankheit, bei der Krankheit
dem Fassungsvermögen und den Empfindungen der Eltern und bei ihrem Tod (S. 164-170).
der Kinder weitgehend anzupassen, dennoch ent- In der Vorrede bezeichnet Sturm seine Ge-
halte das Buch auch solche Texte, »welche Kin- sänge nicht als Kirchen-, sondern als Kinderlie-
dem ohne gegebene Erklärung undeutlich sind« der. Zwar enthalten sie stets Lob und Preis Gottes,
(ebd. ). So ist das Buch auch für Eltern und Lehrer doch scheint der Verfasser die moralisierende, auf
bestimmt, um »die Vorstellungsarten ihrer Kin- eine praktische Nutzanwendung bezogene Kom-
der und Lehrlinge zu berichtigen, ihre dunklen ponente seiner Texte der religiösen Erbauung zu-
Vorstellungen aufzuklären, und sie in ihren religi- mindest gleichzusetzen. Auf dem christlichen
ösen Empfindungen vernünftig zu leiten« (ebd.). Glauben fußend, wird denn auch ein umfassen-
Durch Aufklärung einerseits und religiöse Erbau- der Tugendkatalog aufgestellt. So besingen einige
ung im Gesang andererseits möchte Sturm zur Lieder z. B. die Kindheit Jesu, die für die Kinder
>>Bildung jugendlicher Herzen« beitragen. (ebd.) Beispielfunktion in Hinblick auf einen christli-
Laut Sturm enthält die Liedersammlung »einige chen Lebenswandel und auf ihr Verhältnis zu den
schon bekanntgemachte, aber nach der Fähigkeit der Eltern haben soll :
Jugend abgekürzte und veränderte Kinderlieder«, von
Du weihtest dich schon jung und klein
denen »mehr als die Hälfte« von ihm »ganz neu verfer-
Der Weisheit und der Tugend.
tigt« worden seien. (Vorrede). Der erste Teil enthält ins-
Von Thorheit und von Lüsten rein
gesamt I 08 »Gesänge von allgemeinem und besonderm
War deine frohe Jugend.
Inhalt«, der zweite Teil trägt den Titel »Betrachtungen
Geleitet von der Furcht des Herrn,
und Gebete für Kinder von reiferm Alter«. Die Lieder
Gehorchtest du den Eltern gern. (S. 20)
sind jeweils in verschiedene Themenkomplexe geglie-
dert. So enthalten die ersten drei Abschnitte Lieder, die Zwar werden kindliche Spiele nicht abge-
»Von Gottes Wesen, Eigenschaften u. Werken«, »Von lehnt, doch weist der Verfasser stets auf die Ge-
J esu, dem Erlöser der Menschen« und »Vom heil. Geist fahren zu häufiger Zerstreuung hin und kleidet
und den Gnadenmitteln« handeln (S. 3-39). Hier fin- seine Auffassung in die Worte: »Vernünftig soll
den sich überwiegend Bekenntnislieder. Auf diese allge- die Freude seyn,/und angenehm dem Herrn.« (S.
mein religiösen Themen folgen drei weitere Abschnitte,
94) Auch die Tischlieder sind nicht nur Danksa-
in denen die konkreten Pflichten des Kindes gegen Gott
und Jesus, gegen sich selbst und gegen andere besungen gungen an Gott, sondern mit ihnen wird gleichzei-
werden (S. 40-76). Hierzu gehören zunächst Erkennt- tig die Ermahnung zu Mäßigung verbunden: »So
nis, Lob, Furcht und Liebe Gottes. Die moralische oft ich Speis' und Trank genieße,/So laß es mit
Komponente dieser Texte wird in den folgenden Lie- Vernunft geschehn.« (S. 89)
dern erkennbar, die sich u. a. mit Arbeitsamkeit, Mäßig- In den Trostliedern werden die Kinder häu-
keit, Keuschheit, Demut, Eintracht und Friedfertigkeit, fig ermuntert, ein trauriges Schicksal als Prüfung
sowie Liebe und Gehorsam gegenüber den Eltern befas- Gottes zu betrachten und als solche anzunehmen:
sen. Der siebente Abschnitt enthält »Lieder aufbeson- »Ich bitte, Herr, laß jede Pein I Mir eine Tugend-
dre Zeiten und Vorfälle« (S. 77-130). Dieses Kapitel
schule seyn.« (S. 122)
umfaßt Morgen-, Abend- und Tischlieder und zahlrei-
che Erbauungslieder, wie siez. B. in den Rubriken >>bey Die Hauptsache, auf die es ankomme, um
jugendlichen Vergnügungen« und »Bey jugendlicher »zeitliches und ewiges Glück« zu erlangen, sei
Glückseligkeit« zusammengefaßt werden. Sodann fin- das Bestreben, »weise und fromm« zu werden (S.
den sich etliche Erlebnislieder, die sich mit Themenkrei- 167). Dieser Themenkreis wird besonders in den
sen wie Armut, Krankheit oder Todesfall eines Ver- Gebeten behandelt, wobei der Schwerpunkt dar-
wandten befassen, sowie Gesänge zur Konfirmation auf liegt, »für die Welt nützlich zu werden« (S.
und zum Abendmahl. Im letzten Abschnitt des ersten 153). So warnt Sturm auch hierwiederum vor Ver-
Teils findtn sich schließlich Lieder zum Wechsel der gnügungen und Zerstreuungen, denn das Kind
Jahreszeiten (S. 131-137). Die Lieder sind weitgehend
sei nicht auf der Welt, um sich »nur zu vergnügen,
auf den kindlichen Erfahrungsbereich abgestimmt und
ausschließlich in der ersten Person verfaßt Ihnen vor- um nur zu spielen«. Vorrang müsse die Vorberei-
angestellt ist jeweils der Hinweis auf die Melodie eines tung auf das künftige Leben haben, um einmal für
bekannten Kirchenliedes, nach der das Kinderlied ge- das »Vaterland brauchbar zu werden« (S. 166).
sungen werden soll. Sturms Gesangbuch hat etwa die Auch die Krankheit sei nützlich, denn einmal er-
gleiche Funktion wie eine christliche Predigt, da auch in fahre das Kind, »daß der Mensch wie eine Blume
745 Resewitz, Predigten, 1779/82 746

ist, die heute blühet und morgen schon welk ist«. gegenwirken. Er ist der Auffassung, daß sie ein
Zum anderen könne es »hiedurch vorsichtiger, notwendiger Teil der Erziehung sein müsse, da
ernsthafter und frömmer« werden (S. 167 f.). nur sie »feste sittliche Gesinnungen« und »bür-
Laut RGG(Bd.3, 3 1959), das Sturm »konservativ- gerliche Tugenden« erzeugen könne (1., Vorbe-
aufklärerisches Gedankengut« bescheinigt, wurde der richt, S. 1). Der Jugend müsse »die Verbindung,
Gemeindegesang bis in die zweite Hälfte des 19. Jahr- Beziehung, Kraft und Wichtigkeit der religiösen
hunderts auch durch seine Lieder geprägt. Baur ( 1790) Kenntnisse und Empfindungen in Rücksicht auf
hebt besonders hervor, das Gesangbuch sei »gut ge- ihren ganzen dermaligen Zustand und auf das
wählt, lebhaft ohne Schwulst und richtig im Ausdruck«. daraus fließende Verhalten in anschauendem
Er empfiehlt die Schriften Sturms für alle >>Eltern, Lichte dargestellt« werden (1., Vorbericht, S. 4).
Schullehrer, Erzieher und Kinderfreunde«. Köberle Was Resewitz unter einer anschaulichen
(1972, S. 37) zitiert ein Abendgebet aus Sturms Gesang-
buch als Beispiel für ihre Beurteilung: >>Der Ton ist
Darstellungsform versteht, faßt er in die Worte:
kindlich, etwas süßlich, von der Art, wie er heute noch in »Der Vortrag muß nicht objectivisch, sondern
Kinderreimgebeten vorkommt, die keinen Anspruch subjectivisch seyn«. (1. Vorbericht, S. 8) »Objecti-
auf tieferen Gehalt oder dichterische Schönheit erheben vische« Predigten sind für ihn »moralische oder
können.« dogmatische Abhandlungen« (1., Vorbericht,
Göhring (1904, S. 64) geht mit den Verfassern von S. 12). Resewitz kritisiert denn auch die übliche
Kirchenliedern in der Nachfolge Gellerts und Klop- Form der Predigten, in denen die Religion »der
stocks hart ins Gericht. Er bezeichnet die religiösen Lie- Jugend oft so kahl und flach, oder so schulmäßig
der als Karikaturen und fährt- sich konkret auf Sturms und so unbeziehend auf ihren Zustand dargestei-
Vollständiges Gesangbuch beziehend - fort: »In Wo-
chenschriften, Almanachen und Neujahrsgeschenken
let wird, daß sie bey der übrigen mehrern Kultur
verstreut, in Lesebüchern u. dgl. aufgenommen oder des Geistes keinen Geschmack daran gewinnen,
wiederum zu einem artigen Büchlein zusammengetra- noch weniger herzlichen Anteil, als an eine ihr an-
gen, sind die Lieder jener Tage nichts als ein ziemlich gelegentliche Sache, nehmen kann« (1., Vorbe-
schlecht versifizierter Moralkatechismus nach Wolff- richt, S. 1). Die Folge solcher Predigten sei, daß
schem System: ein stetes Kokettieren mit Tugend, Gott aus den Jugendlichen entweder »gefährliche
und Glückseligkeit [ ... ], bei immer wiederkehrenden Freygeister« oder »alberne Katechismus-Ortho-
Nützlichkeitsmaximen.« H. doxen« würden (II., Vorbericht, S. 10). Um »sub-
jectivisch« predigen zu können, müsse das
Hauptgeschäft des Predigers in der »Beobach-
tung, Kenntniß und Forschung der Menschen
1779/82 und Seelen« bestehen (ebd.). So müsse er sich,
wenn er für Jugendliche predige, an ihrem Erfah-
Friedrich Gabriel Resewitz (1 725-1806): rungsbereich orientieren, und seine Worte so
Predigten für die Jugend. wählen, daß sie »ohne Beyhülfe philosophischer,
Leipzig 1779-1782 historischer oder tiefsinniger Untersuchungen,
von jedem gesunden Verstande als wahr und
Die beiden Sammlungen beruhen auf Predigten, wichtig erkannt werden können« (1., Vorbericht,
die Resewitz und andere Mitglieder der Schule S. 7). Ferner dürfe der Vortrag nicht »scienti-
des Klosters Berge vor der Schülerschaft, dem stisch« und an ein System gekettet sein (1., Vorbe-
Lehrerkollegium und dem Anstaltspersonal ge- richt, S. 5). Resewitz hebt hervor, daß er auch die
halten hatten. Diese Einrichtung habe laut Rese- »orientalisch-figürliche Sprache der Bibel [ ... ],so
witz in einem 14tägigen Rhythmus für die Dauer herrschend sie immer noch auf den Kanzeln seyn
von zwei Jahren Bestand gehabt und habe das mag«, nicht billigen könne, da sie der deutschen
Ziel gehabt, »die Empfindungen der Religionbey Denkungsart und dem Fassungsvermögen der Ju-
der hier studirenden Jugend mehr anzuregen, und gend zu »fremd«, zu »ausländisch« und zu »un-
dadurch mehr sittliche Gesinnungen und Liebe bestimmt« sei (ebd.).
zum Gutenbey ihr zu bewirken« (I. Vorbericht, Die vorliegende Sammlung enthält insgesamt 27
S. 1 f.). An die Veröffentlichung dieser Predigten Predigten (I. Sammlung: 13; 2. Sammlung: 14 Predig-
knüpft Resewitz die Hoffnung, »daß nicht allein ten). Die Texte eins bis sechs der I. Sammlung stammen
der Plan und die Absicht dieser Predigten, son- von Resewitz, die Predigten sieben bis neun von den
dern auch ihre Ausführung, ob sie zweckmäßig Klosterpredigern Reccard und Rathmann und die letz-
sey oder nicht, von Männern, denen die Wichtig- ten viervon Laas, Lehrer am Pädagogium. Die 2. Samm-
keit der Sache einleuchtet, geprüft, beurtheilt und lung enthält wiederum sechs Predigten von Resewitz ( 1-
der Vollkommenheit näher gebracht werden; und 3, 9-11), die inhaltlich in engem Zusammenhang ste-
hen. Die Vorträge vier bis acht wurden von dem Kon-
wenn sie nüzlich erfunden würden, auch Nachah- ventual und Lehrer am Pädagogium, Woller, gehalten,
mung und ausgebreitetere Erbauung befördern und die Predigten 12 bis 14 stammen von Rathmann.
möchten« (1., Vorbericht, S. 2 f.). Der Verfasser Den Texten ist jeweils ein Spruch aus dem Alten oder
möchte mit seinem Werk der zunehmenden Ver- dem Neuen Testament vorangestellt, der dem Lebens-
nachlässigung der Religion in der Erziehung ent- und Erfahrungsbereich der Jugendlichen entsprechend
747 Religiöse Schriften 748

ausgelegt werden kann. Die ersten drei Predigten von erfolgen aus einer der Aufklärung verpflichteten
Resewitz handeln von den Vorteilen der Gottesfurcht in Sicht. Er wendet sich besonders gegen Dogmatik
der Jugend, im männlichen Alter und in Alter und Tod und Orthodoxie bei der Behandlung der Glau-
(I., S. 1-40) im Anschluß an Ekkl. 12, I: »Gedenke an
bensgrundsätze und verweist auf die »große Ue-
deinen Schöpfer in deiner Jugend«. Hauptanliegen
scheint Resewitz jedoch das Thema der Keuschheit in
bereinstimmung der Vernunft und Erfahrung mit
der Jugend zu sein. Die folgenden drei Vorträge befas- den Lehren und Forderungen des Christen-
sen sich mit dem Wert der Keuschheit und mit den Mit- thums« (II., Vorbericht, S. 5). So widerspricht er
teln, die anzuwenden seien, um Keuschheit zu bewah- denn auch dem Vorwurf, seine Argumentation
ren (I., S. 41-1 02). Die siebte Predigt von Reccard geht entspreche nicht dem »lnbegrif der geoffenbar-
über Sirach 25,5: »Wenn du in der Jugend nicht sam- ten Religion« (ebd.). Die große Überzeugungs-
melst, was willst du im Alter finden?« und befaßt sich kraft der Lehre Jesu bestehe nicht »in gewissen
mit dem positiven Einfluß, den eine christliche Lebens- unbekannten und unerklärlichen Wirksamkei-
führung in der Jugend auf das spätere Leben haben
ten,[ ... ] noch in sinnlichen Ausbildungen mor-
kann (I., S. I 03-116). Die beiden Vorträge des Kloster-
predigers Rathmann handeln von den Vorteilen der »ju-
genländischer Figuren und Ausdrücke der Bibel,
gendlichen Arbeitsamkeit« und »Von der rechten Art, die die Fantasie erschüttern, Herz und Verstand
sich von Jugend auf Ehre und Lob zu erwerben« (1., aber leer lassen; noch im unablässigen Treiben
S. 117-154). Die folgende Predigt enthält Betrachtun- und Andringen einer und derselben Lehrmetho-
gen über Proverb. 28, 12: »Wenn die Gerechten Über- de, wie sie ein jeder immer nur nach seiner Fas-
hand nehmen, so geht's sehr fein zu; wenn aberGottlose sung, für die Hauptsache im Christenthum hält:
aufkommen, wendet sich's unter den Leuten.« An- sondern in dem wirklichen Gehalt der Lehre Jesu
schließend führt Laas den Jugendlichen eindringlich selbst.« (II., Vorbericht, S. 6) Resewitz führt aus,
die Verpflichtung zur rechten Anwendung ihrer eigenen
daß in diesem Sinne gerade bei der Erziehung der
Talente vor Augen. Die Notwendigkeit zur Einhaltung
dieser Verpflichtung wird damit begründet, daß die Ju-
Jugend die Vermittlungsform der Religionslehren
gendlichen auch einmal »dem Richter der Welt[ ... ] Re- eine entscheidende Rolle spielt. Er stellt die Fra-
chenschaft ablegen müssen«, ob sie ihr Leben zum Nut- ge, ob es nicht besser sei, wenn man sich mit den
zen der Mitmenschen und der Gesellschaft geführt ha- Jugendlichen, »ausser den eigentlich-christlichen
ben (I., S. 216). Die letzte Predigt ermahnt die Jugendli- Vorträgen die sie hören, auch über ihre eigene
chen zur Friedfertigkeit, denn »Freundschaft und Ver- nächste Angelegenheiten[ ... ] öffentlich unter-
träglichkeit« seien »des Glückes Anfang« (1., S. 238). halte, und ihre Aufmerksamkeit dadurch reize,
Die Predigten Resewitz' in der 2. Sammlung be- und für den Kanzelvortrag gewinne« (II. Vorbe-
handeln die aus dem Lebenswandel des Menschen zu
richt, S. 11). Wenn der Pädagoge diesen Weg ein-
erwartenden Belohnungen oder Strafen durch Gott. So
befaßt er sich mit dem »Schaden, der aus Nachhängung schlage, könne er jedoch nicht auf Vernunft und
sinnlicher Begierden entsteht« und den Vorteilen der Erfahrung verzichten, um ihnen »den guten oder
»Bildung des Geistes« (II., S. 1-56). Die Predigten 9 bis bösen Erfolg[ ... ] vor Augen zu legen, und das
II gehen über Ga!. 6, 9: »Lasset uns aber Gutes tun und Ganze endlich aus dem Sinn und den Zeugnissen
nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir des Evangelii zu bestätigen« (ebd.). Resewitz baut
auch ernten ohne Aufhören.« (li., S. 197-274) Rese- auf die »reifere Vernunft« und die eigenen Beob-
witz befaßt sich in diesen Vorträgen mit der christlichen achtungen und Erfahrungen der Jugendlichen,
Nächstenliebe und ermahnt seine Zuhörer, »gut und die »ihnen die Wahrheit dessen, was ihnen in die-
nützlich zu werden und Nutzen zu stiften«, da die eige-
sem Lichte vorgesteilet worden, immer mehr be-
ne »Glückseligkeit in Zeit und Ewigkeit in unaussprech-
lichem Maaß« dadurch vermehrt werde (II., S. 274). stätigen, ihren moralischen Sinn stärken, und sie
Die Predigten vier bis acht von Wollerbehandeln den williger und folgsamer machen, den Lehren und
Einfluß der Religion auf das tägliche Leben. Sie befas- Forderungen des Christenthums mit Ehrfurcht
sen sich mit der »Ehre des Aeisses«, dem »Werth der Gehör zu geben, wenn ihr Geist einmal gestimmt
Gesundheit« und legen die Anweisungen der Bibel zur ist, wahrzunehmen, wie sehr die Wirkungen der-
Erhaltung der Gesundheit aus. In seiner letzten Predigt selben mit der Erfahrung, und dem gesunden Ge-
schließlich versucht er ihnen den »Einfluß der Gottse- fühl ihres eigenen Herzens zusammentreffen«
ligkeit auf das Studiren« deutlich zu machen. (II., S. 57- (II. Vorbericht, S. 11 f.). Das Prinzip der Beru-
196). Die letzten drei Predigten von Rathmann befassen
sich mit dem Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern, wo-
fung auf Erfahrungswerte schlägt sich auch in den
bei der Verfasser besonderen Wert auf den kindlichen Predigten nieder. In ihnen setzt sich Resewitz um-
Gehorsam legt, da »Gott durch seine Offenbarung diese fassend mit den Gefahren der Unkeuschheit aus-
Pflicht dem Menschen eingeschärft« habe (II., S. 289). einander, die Gesundheit und Leben verderbe,
Den Beschluß des Werkes bildet Rathmanns Auslegung Schande bringe und die Kräfte des Geistes schwä-
des Bibeltextes: >>Und ringet darnach, daß ihr stille seid che, so daß der Mensch in »viehische Dumm-
und das Eure schaffet« (I. Thess. 4,11 ). Sie enthält eine heit« hinabsinken müsse (1., S., 48). Resewitz
eindringliche Warnung vor der »Schädlichkeit allzu- warnt vor Müßiggang, der die Phantasie reize und
häufiger Zerstreuungen und Lustbarkeiten« (li., auch zum Lesen »schlüpfriger und phantasti-
s. 275-326). scher Schriften« verleite (1., S. 63), zu denen erbe-
Die Ausführungen Resewitz' zum Wesen sonders die »phantastischen Erdichtungen und
des Christentums und zum Sinn der Lehrpredigt romantischen Träumereyen der sogenannten
749 Salzmann, Gottesverehrungen, 1781/83 750

Empfindsamkeit« zählt (1. S., 65). Sodann er- Denken, Bestimmtheit und Würde im Ausdruck« be-
mahnt er seine Zuhörer, Mäßigung zu üben und scheinigt, führt er aus: »Wer wollte nicht wünschen, daß
schlechte Gesellschaft zu fliehen, um gegen jede einmal die Überzeugung allgernein würde, daß es, um
Anfechtung gefeit zu sein. Das Ziel aller Men- Menschen zu bessern und zu belehren nicht auf den Ge-
brauch tönender Phrasen und rednerischer Blumen,
schen müsse es sein, »gute Christen, rechtschaffe-
oder unerklärter Redearten des Orients, noch müßiger
ne Bürger, brauchbare Mitglieder in der mensch- Spekulationen, die nur von fernher Religion befördern,
lichen Gesellschaft« zu werden (I., S. 108). Aus sondern darauf allein ankomme, daß man die wichtig-
diesem Grunde plädiert Reccard, der Verfasser sten Wahrheiten dem Zuhörer anschauend darstelle,
der 7. Predigt, dafür, schon in der Jugend nach ihm ihren Werthund Einfluß fühlbar mache, ihm zeige,
Wissen und Bildung zu streben, wobei die Kennt- wie dadurch auch besonders sein Glück, seine Ruhe be-
nisse in der Religion den Vorrang haben sollten, fördert werde, und ihn dann solche gebrauchen und an-
denn nur »der rechtschaffene Christ ist immer der wenden lehre?« Auch in Böckhs Rezensionsorgan wer-
brauchbarste Mensch, der Verehrer Gottes, der den die Predigten fiir die Jugend entsprechend gewür-
digt (Bd. 8, 1780). Küttner (1781, S. 273) spricht Rese-
getreueste Unterthan, der Freund Gottes, der ehr-
witz einen hohen Rang zu: »Seine neuen Vorschläge
lichste Freund der Menschen« (1., S. 109f.). sind alle reif durchdacht, seine Pläne mit Mäßigung und
Ebenfalls gehört hierzu frühzeitige Übungen in Weisheit entworfen. Alles, was auf Verfeinerung und
den Pflichten des gesellschaftlichen Lebens, um Veredelung des menschlichen Geistes und der Sitten ab-
in der Gesellschaft bestehen zu können und ihr zu zielt, urnfaßt er mit wohlwollendem Eifer.« In den zeit-
nützen. Da jeder Mensch von ihrem Urteil abhän- genössischen wie auch in den neueren Arbeiten wird
gig sei, und sie den Wert der menschlichen Kennt- hauptsächlich der Pädagoge und Reformer Resewitz ge-
nisse allein nach ihrer Nutzbarkeit bestimme, würdigt (vgl. Ernil Schöbe!, 1912). Köberle (1972,
werde derjenige abgelehnt, der noch so gute S. 213) bezeichnet Resewitz als einen »unentwegten Ra-
tionalisten« und erwähnt die besonders starke Beto-
Kenntnisse habe, diese aber nicht zum Nutzen für
nung des Nützlichkeitsprinzips bei Behandlung der Re-
die menschliche Gesellschaft anwende. Reccard ligion in den Predigtenfiir die Jugend (S. 42). H.
beschwört in dieser Predigt seine Zuhörer: »Jeder
Tag eures jugendlichen Lebens ist verloren, an
welchem ihr nicht für euer folgendes Leben ge-
samm1et habt.« (I., S. 107) Auch Rathmann be- 1781183
faßt sich mit diesem Themenkomplex und rät zu Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811):
Arbeitsamkeit, da diese nicht nur zeitliches Ver-
mögen schaffe, sondern auch der menschlichen
Gottesverehrungen gehalten im Betsale des
Gesellschaft nütze. So ermuntert er seine Zuhö- Dessauischen Philanthropins.
rer, sich schon von Jugend auf an die Arbeit zu ge- 4 Sammlungen.
wöhnen, denn »einem in der Jugend schon durch Dessau 1781-1783
Weichlichkeit und Müßiggang verzärtelten Kör-
per pflegen ermüdende Arbeiten, zumal Arbeiten Bei der vorliegenden Predigtsammlung handelt es
des Geistes, bald lästig und entkräftend, ja wohl sich um eine Niederschrift einzelner Andachten,
garschädlich zu werden« (1., S. 133). die Salzmann in seiner Eigenschaft als Liturg und
Ein weiteres Thema stellt das des kindlichen Religionslehrer am Dessauer Philanthropin in
Gehorsams dar. Um ihre Dankbarkeit zu bewei- Form sonntäglicher »Gottesverehrungen« im
sen, sollten sich die Kinder vor »Ungehorsam Betsaale des Instituts gehalten hat. Aus der Funk-
und Widersezlichkeit gegen Lehrer und Vorgesez- tion der Andachten wird auch der Kreis der
te« hüten (1., S. 146) und sich im kindlichen Ge- Adressaten deutlich: Vor allem handeltes sich
horsam gegen die Eltern üben, aber auch in dem hierbei um die Zöglinge des Basedowschen Insti-
Bewußtsein der Gehorsamspflicht Gott gegen- tuts, dann aber auch um die Erzieher sowie um
über: »Schon durch die Natur hat er euch diesen Fremde. Die Zöglinge - deren jüngstes Alter an
Gehorsam gegen die, durch welche er euch das einer Stelle mit zehn Jahren angegeben wird (4.
Leben gab, [ ... ] zur Pflicht gemacht. Daher sahen Slg., S. 43)- werden in den Predigten sehr häufig
auch von jeher alle Nationen der Erde, die eini- direkt angesprochen, aufgefordert, ermuntert
germaßen der Stimme der Natur Gehör gegeben und ermahnt; an einigen Stellen wendet sich Salz-
haben, und nicht ganz in den Stand der rohesten mann auch ausdrücklich an die Erzieher des Phil-
Wildheit herabgesunken sind, den Gehorsam der anthropins. Daß auch Fremde an den Gottesver-
Kinder gegen die Eltern als ein höchstwichtige ehrungen teilnahmen, wird in der Vorrede zur 1.
Pflicht an.« (II., S. 289) Sammlung erwähnt (S. XXX). Salzmann hat sei-
ne Gottesverehrungen so konzipiert, daß an ihnen
Die zeitgenössische Kritik an den Erziehungsbe-
strebungen Resewitz' war sehr positiv. Baur ( 1790) sieht
Gläubige aller Konfessionen teilnehmen können.
sich zu dem Ausspruch veranlaßt: »So lange Deutsch- Er trägt damit der Tatsache Rechnung, daß das
land noch Resewitze unter seinen Erziehern aufzählen Philanthropin »aus den Gliedern verschiedener
kann, darf es sich getrost den Ausländern an die Seite Christlicher Partbeyen bestehet« (Vorr. I. Slg.,
stellen.« Zu den Predigten, denen er »Gründlichkeit im S. XXVIII), und legt daher die Vorträge so an,
751 Religiöse Schriften 752

daß in ihnen alles fehlt, »was zu den Unterschei- die man die Wahrheit hüllet, getroffen, und frei
dungslehren der christlichen Partbeyen gehöret« von allen unnöthigen Verzierungen seyn, die zu
(ebd.). Einige Andachten verehren Gott »blos falschen Nebenvorstellungen Anlas geben«
nach der Erkenntnis, die wir aus der Natur ha- (Vorr. I. Slg., S. XI). Um »angenehme« Empfin-
ben« (1. Slg., S. 179) und sind daher auch für die dungen hervorzurufen, sei es zudem nötig, »we-
Teilnahme von Juden gedacht. Als ein » Exem- nigstens die ersten Regeln des Wahren und Schö-
pel« solcher Verehrung wird von Salzmann die nen« nicht zu vernachlässigen (ebd.).
II. Gottesverehrung (I. Slg., S. 179-195) hervor- Wie diese »richtigen« und »angenehmen«
gehoben. Empfindungen geweckt werden können, be-
Mit den Gottesverehrungen will Salzmann schreibt Salzmann ausführlich in der Vorrede zur
einen Beitrag zur Verbesserung der Liturgie lei- ersten Sammlung, in der er auf die Form eingeht,
sten. Der hohe Wert, den er der Liturgie beimißt, die einer Andacht mit neuer Liturgie zweckmäßig
wird deutlich in den Worten: »Liturgie ist, meiner zugrundegelegt werden soll. Zur Andacht oder
Einsicht nach, beyweitem nicht das einzige Beför- »Gottesverehrung« rechnet Salzmann »Vortrag,
derungsmittel der Tugend. Es ist aber doch ein Gebet, Gesang, Musik, Anstand der Versamm-
sehr kräftiges, und, nach der Meynung der Meh- lung, und Verzierung des Versammlungsortes«
resten, das einzige.« (Vorr. I. Slg., S. 111) Salz- (Vorr. I. Slg., S. XII). In den Vortrag gehörten le-
mann verurteilt scharf die >>Unglaubliche Schläf- diglich solche Wahrheiten, »die in dem menschli-
rigkeit«, »die man zeither gegen die Verbesserung chen Erkenntnißkreise liegen, und die die mehre-
derselben gezeigt hat« (ebd.), und bezeichnet die ste Kraft besitzen Herzen zum Guten zu ändern,
landläufig praktizierte Liturgie als das »wirksam- und zu beruhigen« (Vorr. I. Slg., S. XIV). Der
ste Mittel«, »Religionsspötterey zu befördern« Vortrag soll »in zwar ungekünstelten, aber doch
(Vorr. 2. Slg., S. VII). Salzmann will mit der Ver- gut gewählten, die Empfindung solcher Zuhörer,
öffentlichung seiner Gottesverehrnngen nicht in die ihren Geschmack gebildet haben, nicht belei-
dem Sinne bessernd auf die gewöhnliche Liturgie digenden Ausdrükken, vorgetragen, und wo mög-
einwirken, daß er seine Andachten »andern als lich, durch sinnliche Gegenstände und Exempel
Muster anpreisen wollte, nach dem sie ihre Litur- erläutert werden, daß Ton, Geherde und Anstand
gie einrichten sollten« (Vorr. 2. Slg., S. XV), son- des Redners, Theilnehmung des Herzens an den
dern indem er das Publikum »von der Nothwen- vorgetragenen Wahrheiten, ausdrükken müssen«
digkeit und dem Nutzen einer Abänderung der (ebd.).
gewöhnlichen Liturgie« durch praktische Bei- Das Gebet - Salzmann empfiehlt, es mög-
spiele seiner sonntäglichen Gottesverehrungen lichst kurz zu halten- soll als »Gespräch des Ge-
überzeugt (ebd. ). schöpfes mit dem Schöpfer[ ... ] auf das Möglich-
War es ein Ergebnis der herkömmlichen Li- ste verinnerlicht werden« (Vorr. I. Slg., S. XVI).
turgie, »der Gemeine Ekel gegen die Wahrheiten Der - auch jeweils kurze - Gesang soll »auf die
beyzubringen« (Vorr. 2. Slg., S. IV), so ist das Hauptwahrheit, die vorgetragen werden soll, Be-
Ziel, das Salzmann mit seinen Gottesverehrungen ziehung haben [ ... ], entweder als Vorbereitung,
verfolgt, die »Beförderung der Tugend« (Vorr. l. oder Erläuterung oder Wiederholung, oder noch
Slg., S. 111). Der Zweck der Gottesverehrungen ist stärkere Versinnlichung« (Vorr. I. Slg., S. XVII).
es, »Liebe und Vertrauen zu Gott, Liebe zu unsern In die Lieder sollen die »gemeinnützigsten Wahr-
Brüdern, Fleiß zu guten Werken, Beruhigung, heiten auf die gefälligste, eindringendste Art ver-
Hofnung zu künftigen Seligkeiten beyuns zu näh- wehet« sein (Vorr. I. Slg., S. XVI), und der Ton
ren« (Vorr. I. Slg., S. VI). Salzmanns Absicht ist des Liedes müsse der »Wahrheit, die er aus-
somit- und er setzt dabei an der Stelle an, wo nach drücken soll«, angemessen sein (Vorr., I. Slg., S.
seiner Ansicht der zentrale Mangel der herkömm- XVIII). Der begleitenden Musik schreibt Salz-
lichen Liturgie zu suchen ist -, die Zuhörer zur mann eine noch höhere Wirkung als dem Lied zu,
»Wahrheit« zu führen. denn die Musik müsse »das, was der Gesang wir-
Er geht dabei davon aus, daß die Wahrheiten ken soll, in einem etwas höheren Grade thun«
»versinnlicht« werden müssen, um sich dem Zu- (Vorr. l. Slg., S. XX).
hörer tief einzuprägen (vgl. Vorr. l. Slg., S. VI). Daß es Salzmann bei seinen Gottesverehrun-
Das schließt ein, »daß die Wahrheiten, die die gen nicht nur um die Ausbesserung der Liturgie
Versammlung fassen soll, ihr so vorgetragen wer- geht, wird deutlich in der Vorrede zur 4. Samm-
den, daß sie dieselben empfindet, richtig empfin- lung, wo es heißt: »Uebrigens hoffe ich zu dem
det und auf eine angenehme Art empfindet« Allbarmherzigen, daß er die Seufzer der Geist-
(Vorr. I. Slg., S. X). Unter »Empfinden« versteht lichkeit, zu seiner Zeit, erhören, und sie, nicht nur
Salzmann, daß »die Wahrheit nach ihren Eigen- von der liturgischen, sondern auch von der dog-
schaften so beschrieben wird, daß sie die Einbil- matischen Fessel befreyen werde.« (Vorr. 4. Slg.,
dungskraft in einem Bilde fassen und sich damit S. VIII) Die Dogmatik könne auf der Kanzel ge-
beschäftigen kann« (ebd.). Richtig empfinden gen die zunehmende Aufklärung- die Salzmann
könne man jedoch nur dann, wenn »die Bilder, in als ein Werk und eine Gnade Gottes ansieht -
753 Salzmann, Gottesverehrungen, 1781/83 754

»schlechterdings nicht bestehen« (Vorr. 4. Slg., und das »höchste Glück« des Menschen bezeichnet.
S. IX). Es sei »eine unleugbare Schwäche des Die Darstellung der Lehre Jesu wird in der zweiten
Verstandes, die Vorstellung, die man sich von Je- Sammlung unterbrochen durch drei Betrachtungen, die
su, der Erbsünde, dem freyen Willen des Men- wiederum die Natur zu ihrem Ausgangspunkt nehmen:
»Ueber das Gefühl gegen die Freuden der Natur« (16.
schen, dem Abendmahle, derTaufe u.s.w. macht,
Verehrung). » Ueber einige Wahrheiten, die wir aus der
als die allein wahre und seligmachende, auf der Betrachtung der Natur lernen« (17. Verehrung) und
Kanzel vorzutragen« (ebd.). »Ueber den Herbst« (19. Verehrung).
Salzmanns Werk umfaßt insgesamt 52 Gottesver- Die dritte Sammlung beschäftigt sich vor allem mit
ehrungen. 19 Gottesverehrungen können im weiteren der Lehre Jesu und seinem Wirken. Die sechste Selig-
Sinne als Schriftenauslegungen bezeichnet werden, wo- preisung ist Gegenstand der 25. Verehrung. Statt der
bei alle diese Betrachtungen ihren Ausgang von Worten achten Seligpreisung, die Salzmann unerwähnt läßt,
des Evangelisten Matthäus nehmen; allein 12 Vereh- wird in der 26. Verehrung ein anderes Wort aus der
rungen beschäftigen sich mit der Bergpredigt, davon Bergpredigt (Matth. 11., 6: »Selig ist, der sich nicht an
bauen wiederum 7 auf den Seligpreisungen auf. Weitere mir ärgert«) zum Ausgangspunkt genommen. In der 27.
fünf Gottesverehrungen werden aus Anlaß von Kir- Verehrung behandelt Salzmann dann die fünfte Selig-
chenfesten gehalten, drei aus weltlichen Anlässen (Ge- preisung. Die 28. und 29. Verehrung stehen im Zusam-
burtstag des Landesvaters, der Landesmutter und des menhang mit dem Kirchenjahr: Salzmann behandelt
Erbprinzen Friedrich sowie Stiftungstag des Philanthro- darin »die Absichten des Todes Jesu« (S. 61-78) und
pins), andere drei nehmen ihren Ausgang in einer jah- »die Auferstehung Jesu« (S. 78-97). Die Verehrungen
reszeitlichen N aturbetrachtung. 30 bis 36 beschäftigen sich erneut mit der Lehre Jesu.
Folgen die Gottesverehrungen in ihrer Aufeinan- Hierbei handelt die 33. Verehrung von der »Pflicht, sei-
derfolge und ihrem Aufbau auch keiner streng logi- ne Gedanken stets bei sich zu haben«. Der Behandlung
schen Systematik, so sind doch gewisse Entwicklungs- der 7. Seligpreisung folgen Auslegungen verschiedener
stufen erkennbar, die die Zuhörer schrittweise zur Er- Bibelsprüche. Die dritte Sammlung wird beschlossen
kenntnis der »Wahrheit« führen sollen. Die ersten sie- mit zwei Betrachtungen über die Güte und die Allmacht
ben Verehrungen beschäftigen sich mit der »Menschen- Gottes.
liebe«, in denen Salzmann »die Vortreflichkeit, die Na- Die vierte Sammlung beginnt mit zwei Gottesver-
tur und die Bewegungsgründe der Menschenliebe« zei- ehrungen aus Anlaß landesfürstlicher Geburtstage: Die
gen und »Muster« vorstellen will, nach denen sich die Thematik der 28. und 29. Verehrung (Wirken des Le-
Zöglinge bilden sollen (vgl. I. Slg., S. 121 ). In der sieb- bens Jesu) wird in der 41. Verehrung fortgeführt: »Über
ten Verehrung »Ueber den Charakter Johannes des die Wohlthaten, die wir der Geburt Jesu zu danken ha-
Täufers« (S. 101-120) wird die »Selbstbeherrschung, ben.« Die 42. Verehrung »Warum die Freunde des Er-
Uneigennützigkeit, Wahrheitsliebe, Arbeit für ziehungsinstituts Ursache haben, an den Freuden des
Menschenglück« des Täufers als Muster für das Leben Fürstlichen HausesTheil zu nehmen?« (S. 54-72) hat
der Zöglinge gepriesen (S. 119). Als das »vortreflichste als Anlaß den Geburtstag des Erbprinzen Friedrich und
zur Nachahmung empfehlungswürdigste Muster« (S. zugleich den achten Stiftungstag des Philanthropins.
121) stellt Salzmann dann in der achten Verehrung (S. Diese Verehrung hebt sich von den anderen nicht nur
120-142) Jesus vor. Hatten die ersten sieben Verehrun- durch ihren stark weltlichen Charakter, sondern auch
gen gezeigt, wieviel Freude der Mensch durch Wohltä- durch eine konkrete Handlung hervor: Im Verlaufe der
tigkeit genießen kann, so zeigt Salzmann in der neunten Verehrung wird sieben Zöglingen des Instituts- vier da-
Verehrung (S. 142-163), daß die Seligkeit des Men- von sind bürgerlicher Herkunft, einer ist freiherrlicher,
schen »noch äußerst unvollkommen« sei, und daß zwei sind gräflicher Abstammung - der Fleißorden des
selbst der redlichste Mensch »seine trüben Stunden« er- Philanthropins verliehen. Im Anschluß an die 43. Ver-
lebe (S. 143). Die zehnte Verehrung (S. 163-179) be- ehrung, in der das Leben des Menschen mit einer Reise
schäftigt sich sodann mit dem Gebet Jesu, dem Vaterun- verglichen wird, greift Salzmann mit einer Betrachtung
ser. In der elften und zwölften Verehrung (»Ueber den über den Winter die Naturthematik aus den Verehrun-
Sommer«, S. 179-195, » Ueber die Gesundheit, und die gen II und 15 wieder auf. Die45. Verehrungüber »Got-
Mittel, sie zu erhalten«) nehmen die Verehrungen ihren tes Allgegenwart und Allwissenheit« setzt dagegen die
Ausgang in der Betrachtung der vollkommenen Schöp- Gedanken aus den Verehrungen 37 und 38 fort. Hieran
fung Gottes (Sommer, Körper des Menschen). schließen sich die folgenden Verehrungen thematisch
Die zweite Sammlung beginnt mit einer Darstel- an. Die 46. Verehrung handelt über das von Gott be-
lung des Auftrags Jesu. Jesus hat nach Salzmann die stimmte und gelenkte Schicksal des Menschen und
Menschheit durch seine Lehre erlöst. Die vierzehnte zeichnet Gott als stets an den Menschen denkend, stets
und fünfzehnte Verehrung bilden den Anfang der Dar- um ihn besorgt. Von der Pflicht des Menschen, auch da-
stellung der Lehre Jesu, die mit einer Auslegung der er- her »oft an Gott zu denken«, ist die Rede in der 47. Ver-
sten vier Seligpreisungen in der 18., 20., 22. und 23. Ver- ehrung (S. 146-161). Dies schließt die Bitte des Men-
ehrung fortgesetzt wird. Hierein fügen sich auch die schen an Gott ein; und so nimmt die 48. Verehrung er-
Verehrung 21, die unter den »Freuden, derenGenuß neut Jesu Weisungen aus der Bergpredigt auf. Die 49.
sich der Mensch verschaffen kann« neben dem Gebet Verehrung lautet »Von der christlichen Fürbitte«. Auch
insbesondere das » Wohlthun« hervorhebt (S. !59) und die letzten drei Verehrungen bilden thematisch eine Ein-
sich dabei auf das Wirken Jesu beruft, und die Vereh- heit. Handelt die 50. Verehrung »von Gottes Strafen«,
rung (S. 205-222), die von der Tugend als einer Gabe so befassen sich die 51. und 52. Verehrung mit einer
Gottes handelt. Diese Verehrung ist im wesentlichen ei- Auslegung von zwei weiteren Worten der Bergpredigt:
ne Zusammenfassung der Seligpreisungen im Begriff »Die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zum Ver-
der »Tugend«, die Salzmann als die »höchste Würde« derben abführt« (Matth. 7., 13) und »Die Pforte ist en-
755 Religiöse Schriften 756

ge, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt« Neben dem Verstand zählt Salzmann zu den
(Matth. 7., 14). »Schätzen für die Ewigkeit« noch die Freiheit,
In der Form der Gottesverehrungen hält Salz- die er definiert als »die Kraft das zu thun, was
mann sich weitgehend an die in der Vorrede zur ersten
man nach seinen Einsichten vor gut hält, ohne
Sammlung entwickelten Überlegungen. Die Liturgie ist
jedoch nicht in eine allgemeine, sich in den einzelnen sich an äußerliche Umstände, und die Strebungen
Verehrungen stets wiederholende Form geordnet, son- seiner sinnlichen Begierden zu kehren« (2. Slg.,
dern wird den jeweiligen Inhalten der Verehrungen an- S. 51), die Menschenliebe (2. Slg., S. 55) und »die
gepaßt. Auffällig ist, daß weder die Predigtteile, noch Besserung der Menschen, unserer Brüder« (2.
die Gebete oder die Lieder von Chor bzw. Gemeinde Slg., S. 58). Alle diese Eigenschaften befördern
von größerer Länge sind, so daß die einzelnen Bestand- die Gottähnlichkeit des Menschen.
teile der Liturgie einander in der Regel rasch abwech- Der Verstand ist dabei die Voraussetzung der
seln. Salzmanns Sprache in den Gottesverehrungen ist übrigen Eigenschaften: >>Denn nur dieser kann
geprägt von seinem Bemühen um eine Empfindungen
sich Gott, kann sich die Ewigkeit denken, diese
weckende »versinnlichte« Darstellungsweise, die im
Gebrauch vieler Bilder und einer besonders in den Na- Gedanken, die die kräftigsten sind, unsere Sinn-
turbetrachtungen häufig schwärmerischen Sprache ih- lichkeit zu überwinden, und uns zu bewegen Got-
ren Ausdruck findet. tes Willen zu thun.« (2. Slg., S. 208) Indem Gott
dem Menschen den Verstand gegeben hat, hat er
Salzmann reduziert in seinen Gottesvereh- damit auch »den ersten Grund zu unserer Tu-
rungen die christliche Botschaft im wesentlichen gend« (2. Slg., S. 209) gelegt. Doch auch die Tu-
auf eine Vernunft- und Sittenlehre. Dafür spricht gend selbst ist eine Gottesgabe: »Wenn also alles
die starke Betonung der Bergpredigt und die voll- das, was zur Hervorbringung der Tugend erfor-
ständige Ausklammerung z. B. des Alten Testa- dert wird, wenn Verstand, die erste Bildung des
ments; auch die Heilsbotschaft findet bei ihm kei- Menschen, die Wahrheit, die ihm durch Unter-
ne Erwähnung bzw. wird um ihre Kernaussage richt beygebracht wird, sein ganzes Schicksal,
gekürzt. Salzmann geht es vor allem um den religi- wenn dieß alles von Gott kommt, so ist es auch
ösen Menschen und dessen Vervollkommnung. ganz gewiß, daß die Tugend selbst Gottes Gabe
Die Vervollkommnung des Menschen ist nach sey.« (2. Slg., S. 216) Kein Mensch ist von dieser
Salzmanns Ansicht undenkbar ohne die Güte und Gottesgabe ausgeschlossen, er muß jedoch »sein
den Willen Gottes, sie ist aber auch Gottes Ab- ganzes Leben auf Erwerbung der Tugend wen-
sicht: »Der ganze Plan, den er zum Besten der den, wenn er dieses Kleinod, diese unschätzbare
Menschen entworfen hat, gehetauf die Ewigkeit: Gottes-Gabe, diese höchste Würde, dieses höch-
denn er zielet dahin ab, den Menschen immer ste Glück des Menschen erlangen will. Durch
vollkommner, zum Genuß der reinsten Freuden fortgesetzte treue Uebung wird er es aber gewiß
immer geschickter zu machen, ihn dahin zu brin- erlangen.« (2. Slg., S. 221)
gen, daß er einst sein Gesellschafter, seiner Freu- Die Bestimmung der menschlichen Gott-
den Mitgenoß werden, und die Früchte guter ähnlichkeit wird von Salzmann noch erweitert
Handlungen ewig genießen möge.« ( 1. Slg., S. 54) und vertieft durch seine Auffassung von der Ge-
Voraussetzung der menschlichen Vervoll- stalt und der Lehre Jesu. Jesus ist für Salzmann
kommnung ist die Gottesebenbildlichkeit des die Versinnlichung der Eigenschaften Gottes:
Menschen. In Auslegung von I. Mose 1., 27 heißt »Da nun die Versinnlichung der Wahrheit für
es daher bei Salzmann: »Ueberleget selbst, ob unsre Natur Bedürfniß zu seyn scheint, so glaube
zum Lobe des Menschen etwas vortrefflicheres ich immer, daß es eine der vorzüglichsten Absich-
kann gesaget werden, als -er ist Gottes Bild.« (1. ten, die Gott bey der Sendung seines Sohnes ge-
Slg., S. 20) Das Ziel der menschlichen Vervoll- habt hat, gewesen sey, seine Vollkommenheiten,
kommnung ist die Gottähnlichkeit, die der seine eigene Macht, Weisheit, Thätigkeit, Wohltä-
Mensch aber nur durch tätige Anstrengung errei- tigkeit und Sanftmuth zu versinnlichen, damit wir
chen kann. Zwar hat der Mensch nach Salzmann diese Eigenschaften, die für uns zu geistig sind, in
alle Anlagen, »daß er, durch gute Anwendung sei- dem Bilde des wunderthätigen, weisen, arbeits-
ner Kräfte immer höher steigen, immer weiser, amen, wohlthätigen, sanftmüthigen, duldenden
immer stärker, immer glücklicher, seinem Urbilde und sterbenden Menschenfreundes, sinnlich den-
immer ähnlicher werden könnte« (I. Slg., S. 5 f. ), ken möchten.« (Vorr. 1. Slg., S. VIII) Der Cha-
doch er läßt sich zu sehr durch >>Unedle, thierische rakterisierung Jesu als des vollkommenen Bildes
Begierden« (ebd.) beherrschen, die ihm den Weg Gottes entspricht die pädagogisch interpretierte
der Vervollkommnung versperren. Nur durch Sendung Jesu. Salzmann verfolgt mit seiner Dar-
harte Arbeit an sich selbst, durch Bezwingung sei- stellung Jesu keineswegs irgendwelche christolo-
ner Begierden kann der Mensch daher seine guten gischen Implikationen, ihm geht es einzig und al-
Anlagen bis zur höchsten Vervollkommnung ent- lein um die Beschreibung des Charakters, der Ge-
falten. Das erste Mittel dazu, das dem Menschen sinnung und der Tätigkeit Jesu, die er als Muster
gegeben ist, ist der Verstand, der den Menschen zur Nachahmung empfiehlt: »Willst du also, ge-
über das Tier erhebt und ihn gottähnlich macht. liebte Versammlung, Jesu nachfolgen, so mußt du
757 Salzmann, Gottesverehrungen, 1781 / 83 758

ausdrücke, daß die Menschen immer vollkomme-


ner würden. Jesus habe den Menschen die »be-
sten Regeln der Vollkommenheit« gegeben.
Wichtige Hinweise auf Salzmanns Jesus-
Bild liefert die 28. Verehrung unter dem Titel
»Ueber die Absichten des Todes Jesu «. Salzmann
vergleicht darin den Kreuzestod Jesu mit dem
Tod des Sokrates und zieht daraus den Schluß, Je-
sus habe den Kreuzestod sterben müssen, weil
sonst seine Lehre längst vergessen worden wäre,
wie es auch Sokrates und anderen berühmten
Denkern ergangen sei (vgl. 3. Slg., S. 64ff.). Zu-
dem habe der Tod Jesu die irdischen Hoffnungen
der »Heuchler und Niederträchtigen« auf einen
»kriegerischen Messias« zunichte gemacht und
die »Gemüther der besten, uneigennützigsten
Menschen, desto besser an ihn gebunden« (3.
Slg., S. 72). Schließlich habe der Kreuzestod den
festen Glauben an die Unsterblichkeit des
menschlichen Geistes gewirkt (3. Slg., S. 74).
Die Versöhnungslehre vom Kreuzestod, mit
dem Christus die Sünden der Welt auf sich lädt,
bleibt bei Salzmann völlig ausgespart; die Erlö-
sungsproblematik wird ausgeklammert. Spricht
Christian Gotthilf Salzmann (1 744-1811). Kup-
Salzmann von Jesus als Erlöser, so meint er damit
ferstich von Bol/inger
stets die Erlösung durch Jesu Lehre : »Der Inhalt
der Lehre Jesu ist so beschaffen, daß jeder, derihn
hört und darüber ernstlich nachdenkt, sich gar
ihm in seiner Thätigkeit für menschliches Glück leicht überzeugen kann, daß Jesus die Person sey,
ähnlich zu werden suchen.« (3. Slg., S. l74f.) die Gott dazu bestimmt habe, die Menschen vom
Die gesamte Geschichte Jesu schildert Salz- Irrthume und dem damit verknüpftem Elende zu
mann in einer Predigt zum Himmelsfahrtsfest auf erlösen« (2. Slg., S. 15). Die Erlösertat Jesu ist da-
einer einzigen Druckseite : Jesus sei als Sohn einer mit nicht nur auf seine Lehre, sondern auch aus-
armen Mutter geboren worden und habe die übli- schließlich auf die Diesseitigkeit bezogen. Auch
che Erziehung von Handwerkerkindem genossen schließt die Erlösertat das selbsttätige Handeln
- »ohne den geringsten Unterricht in Künsten, des Menschen ein und hat es zur Voraussetzung:
Wissenschaften und ausländischen Sprachen zu »Jesus Christus, den Gott in die Welt sandte, um
empfangen« (1. Slg., S. 37) -, habe nie nach die Menschen aus ihrem Elende zu erlösen, und
Reichtum und Ruhm gestrebt, sondern einzig und ihnen zu der höchsten Glückseligkeit zu helfen,
allein wohlgetan. Seine Begleitung habe aus zwölf deren ihre Natur fähig ist, hat[ . . . )solche Grund-
ungelehrten Männem bestanden. Weil er die Tu- sätze in die Welt gebracht, durch deren Befolgung
gend gelehrt und gegen den falschen Gottesdienst jeder Erwachsene sich aus allem Jammer heraus-
der Juden gepredigt habe, habe er den Haß der arbeiten und Glückseligkeit verschaffen kann
»Vornehmsten seiner Nation« auf sich gezogen [ ...)« (3. Slg., S. 205). Dem Ausklammem der
und sei aufgrundallerhand erdichteter Beschuldi- Lehre vom Versöhnungstode Jesu entspricht die
gungen am Kreuze hingerichtet worden (vgl. l. Auffassung Salzmanns, daß der Tugendhafte, ob-
Slg., S. 37 f.). An erster Stelle der » Wohlthaten, gleich er »Schätze im Himmel« sammelt, schon
die wir der Geburt Jesu zu danken haben« nennt auf Erden reichlich belohnt wird. Sehr deutlich
Salzmann daher auch den »gänzliche[n) Umsturz formuliert Salzmann diesen Gedanken in der Vor-
des Gözzendienstes, die Verehrung, die itzo dem rede zur zweiten Sammlung : »Ich glaubte, daß
wahren Gott, über dem ganzen Erdkreise geleistet die Lehre Jesu weit mehr Liebe finden würde,
wird« (4. Slg., S. 41). An zweiter Stelle folgt dann wenn man zeigte, wie durch die Befolgung dersel-
die Verkündigung »Friede auf Erden«: »Denn ben, die Früchte der Erlösung Jesu, auch schon in
die Grundsätze, die er uns hinterlassen hat, zielen diesem Leben sichtbar würden, und fand, bey
auf nichts anders, als auf die Gründung eines all- weiterem Nachdenken, daß dies ausnehmend
gemeinen Friedens unter Nationen, Familien und leicht sey, indem die treue Befolgung der Lehre
einzelnen Menschen ab.« (4. Slg., S. 41 f.) Als Jesu im Grunde uns von allem Elende erlöse, da
dritte »Wohlthat endlich, die wir Jesu zu danken sie einen großen Theil des menschlichen Elends
haben«, nennt Salzmann »Gottes Wohlgefallen entfernt[...)« (Vorr. 2. Slg., S. XVIII).
an uns« (4. Slg., S. 45), die sich in seiner Absicht Lachmann (1974, S. 140) hebt hervor, daß
759 Religiöse Schriften 760

die Absetzung der Versöhnungslehre im Reli- re Brüder, beyeinander leben, die ganze mensch-
gionsunterricht, wie sie Salzmann in der Schrift liche Gesellschaft sollte sich wie eine Familie, ja
Ueber die wirksamsten Mittel Kindem Religion wie einen Körper betrachten, und immer einer
beyzubringen (1780) vornimmt, zwar zunächst das Glück und die Zufriedenheit des andern zu
nur pädagogisch begründet wird, bemerkt aber: befördern suchen.« (2. Slg., S. 167) An anderer
»Zwar verwahrt er [Salzmann, d. Red.] sich aus- Stelle wiederum heißt es: »Das Menschenge-
drücklich dagegen, diese rein pädagogisch be- schlecht wurde mit dem großen Gedanken: wir
gründete >Behauptung als einen Ausfall auf die sind alle eines Gottes Kinder, alle unter einander
Lehre von der Erlösung [zu] verschreyen <, aber im Brüder, das Menschengeschlecht ist eine Familie,
Grunde müßte er sich eingestehen, daß in seinem ein Leib, davon jeder einzelne Mensch ein Glied
auf der Annahme möglicher Selbstveredelung be- ist, die Glieder können sich unter einander nicht
ruhenden theologischen Konzept kein Platz für verletzen, ohne daß der ganze Körper dabey lei-
diese Lehre ist. Dies zeigt sich denn auch darin, det; mit diesem großen Gedanken wurde das
daß im Unterschied zur> Erlösung der Menschen Menschengeschlecht bekannt gemacht.« (3. Slg.,
durch Jesu Lehre<, der Salzmann ganze Bücher S. 91) Die Ausweitung der biblischen Leib Chri-
gewidmet hat, die >Erlösung durch Jesu Blut und sti-Vorstellung von der christlichen Gemeinde
seinen Tod< in Salzmanns Schriften kaum Erwäh- auf die gesamte Menschheit steht eng verbunden
nung findet.[ ... ] Die Gabe der Gnade Gottes wie mit dem Toleranzgedanken Salzmanns, der in
die Vergebung der Sünden und die Versöhnung diesen Ausführungen deutlich formuliert wird.
mit Gott sind stets an die unbedingte Vorausset- Die Vorstellung von der menschlichen Ge-
zung menschlicher Besserung gebunden.[ ...] Jesu meinschaft als einer Familie und eines Leibes be-
Anteil an der Versöhnung ist dementsprechend inhaltet für Salzmann vier Konsequenzen. Die er-
darin zu sehen, daß er die Menschen dazu bringt, ste Konsequenz ist die der Menschenliebe, die der
an ihn zu glauben und >nach seiner Lehre ihre Ge- tätigen Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft, der
sinnung und Betragen< zu ändern, so daß sie gern aufopfernden Sorge für die »kranken Glieder«
wieder an Gott (Text: ihn) denken und sich seiner der menschlichen Gemeinschaft, unter denen
freuen< können.« Salzmann nicht nur die physisch Kranken, son-
In engem Zusammenhang mit der These von dern vor allem die seelisch» Kranken«, die Irren-
der Vervollkommnung des Menschen steht Salz- den und Zweifelnden verstanden wissen will (vgl.
manns Auffassung von der Unsterblichkeit des 1. Slg., S. 87 ff.). Dieses Postulat leitet über zur
menschlichen Geistes. Erst durch die Gewißheit zweiten Konsequenz: wer dem Irrenden und
der Unsterblichkeit wird der Mensch genötigt, Zweifelnden Hilfe gewährt, kann sich seinem
Gutes zu tun (vgl. l. Slg., S. 48). Die Erkenntnis Christenbruder nicht verschließen, auch wenn
von der Unsterblichkeit gewinnt der Mensch ei- dieser einer anderen Religionspartei angehört.
nerseits durch die Vernunft, andererseits durch Von daher begründet Salzmann die Notwendig-
den Tod und die Auferstehung Jesu: »Wenn wir keit der religiösen Toleranz, die er an mehreren
mit unserer Vernunft nachdenken, so werden wir Stellen seines Werkes ausdrücklich fordert (vgl. 1.
freilich auch zum Glauben an die Unsterblichkeit Slg., S. 63). Salzmanns Religionstoleranz bezieht
geneigt gemacht. Es ist aber ein ungewisser, sichjedoch nicht nur auf die verschiedenen christ-
schwankender, Glaube. Dann erst bekommt er lichen Konfessionen, sondern auch auf andere
seine Gewißheit, wenn eine Person, wie Christus, Religionen. Dafür sind seine Predigten »nach der
Unsterblichkeit verheißet, und ihre Verheißung Natur« ein Beispiel, die für die Teilnahme auch
mit ihrem Tode bestätigt, und durch ihre eigene von Juden konzipiert sind.
Auferstehung bezeugt, daß sie unsterblich sey.« Eine dritte Konsequenz bildet das friedliche
(1. Slg., S. 49) Durch die Unsterblichkeit wird die Zusammenleben der Nationen, das Salzmann di-
Würde des Menschen noch erhöht (vgl. 1. Slg., rekt aus der Lehre Jesu ableitet. So heißt es, Jesu
S. 23). Im Bewußtsein dieser Gewißheit kann Lehre wisse nichts »von diesem eingeschränkten,
Salzmann deshalb feststellen: »Tod aber ist dem falschen, ewigen Krieg und Blutvergiessen erre-
Christen nicht Tod: er ist der Anfang seines rech- genden, Patriotismus«; sie spreche dagegen von
ten Lebens.« (1. Slg., S. 219) DerTod ist für Salz- der menschlichen Gemeinschaft als einer Fami-
mann die Befreiung des Geistes von den Schran- lie:» Welch herrliche Vorstellung, die allen Natio-
ken, »die seiner Wirksamkeit durch den Körper nalhaß, allen Nationalstolz aufhebt!« (4. Slg.,
gesetzt wurden« (4. Slg., S. 8). S. 42) Durch das Wirken Jesu habe der National-
Das Bild des Körpers als der Behausung der stolz »und der damit verknüpfte Nationalhaß«
Seele taucht noch in einem ganz anderen Zusam- abgenommen, »die entlegendsten Nationen tra-
menhang auf: als >>Universale Interpretation der ten mit einander in Verbindung, Europäer, Asia-
biblischen Leib Christi-Vorstellung« (Lachmann, ten und Mrikaner betrachteten sich unter einan-
197 4, S. 109). In der 22. Verehrung schreibt Salz- derwie Brüder« (3. Slg., S. 91). Zwarhabe seither
mann: »Die Menschen sind nicht so, wie sie seyn der »falsche Patriotismus noch mächtig gewü-
sollten. Nach Gottes Absicht sollten sie, wie wah- thet«, aber »bey der immer mehr zunehmenden
761 Lavater, Brüderliche Schreiben, 1782 762

Aufklärung des menschlichen Verstandes muß es allein um das verstandesmäßige Erkennen, son-
doch endlich der Welt in die Augen leuchten, daß dern vor allem um das Empfinden der Wahrheit,
alle Begierde, sein Vaterland auf Unkosten ande- das den Menschen zur Tugend geneigt macht.
rer groß zu machen, folglich aller Krieg, der auf Die Gottesverehrungen gelangten erst, wie
Eroberung abzielt, ein Ungeheuer sey, das die Schmidt (1974, S. 77) berichtet, durch die Vermittlung
menschliche Gesellschaft, wenn sie glücklich le- Weißes zum Druck; sie stießen auf Zustimmung. Baur
ben will, unter sich nicht länger dulden kann[ ... ]« (1790, S. 190f.) hebt sie lobend mit den Worten hervor:
(3. Slg., S. 92). Das brüderliche Zusammenleben »Alles was man zum Lobe gemeinnüziger, interessanter
der Menschen schließt auch die Gleichberechti- Religionsvorträge für junge heranwachsende Christen
gung der Rassen mit ein (vgl. l. Slg., S. l28f.). sagen kann, das gilt von Herrn Salzmanns Gottesvereh-
Eine vierte Konsequenz, die sich aus Salz- rungen und Verehrungen Jesu; so ohne alle gesuchte
manns Auslegung der Leib Christi-Vorstellung Künstelei aus dem Herzen heraus, so einfach, mit so viel
Salbung, den Fähigkeiten, Kenntnissen Gemüthsarten,
ergibt, bildet die Rechtfertigung der bestehenden den Empfindungen, Beschäftigungen und künftigen
Ordnung und der sozialen Ungleichheit. Salz- Bestimmungen seiner Zöglinge so anpassend weiß Herr
mann stellt fest: »Die Glieder eines Leibes haben Salzmann mit ihnen zu sprechen, daß wir in dieser Art
ganz verschiedene Kräfte und Verrichtungen.[... ] von Reden nichts vollkommeneres gelesen haben.«
So mußte es seyn, wenn es dem ganzen Leibe Schmidt (1974, S. 77) bemängelt dagegen, die Gottes-
wohlgehen sollte.[ ...] So ist es auch mit der verehnmgen blieben »im Belehrenden, in praktisch-auf-
menschlichen Gesellschaft. Jedes Glied dersel- klärerischen Bemühungen, in Konvention und in litera-
ben hat seine besondern Kräfte, Neigungen und rischer Nachahmung stecken«.- Eine umfassende Dar-
stellung von Salzmanns Religionspädagogikhat in jün-
Verrichtungen. Einer beschäftiget sich damit, daß
gererZehR Lachmann(1974)geliefert. 0. B.
er den Verstand seiner Mitbürger unterrichte und
ihnen nützliche Erkenntniß mittheile, ein anderer
sorget für die Erhaltung ihrer Gesundheit, ein
dritter arbeitet für ihren Unterhalt oder Bequem-
lichkeit oder Vergnügen, und wie will ich im Stan- 1782
de seyn die unbeschreibliche Mannigfaltigkeit
Johann Caspar Lavater (1741-1801):
von Kräften, Neigungen und Verrichtungen zu
beschreiben, die der gute Gott so weißlich unter Brüderliche Schreiben an verschiedene
seine Menschen vertheilet hat. Und so mußte es Jünglinge.
seyn, wenn es der menschlichen Gesellschaft Winterthur 1782
wohlgehen sollte.[ ...] Eben so weißlich hat Gott
auch die irdischen Güter vertheilet. Der eine be- Die Schreiben sind sämtlich an Jugendliche fort-
sitzet sie im Überfluß, dem andern mangeln sie. geschrittenen Alters gerichtet, an solche, die vor
Und eben von dieser Ungleichheit rühret die gro- dem Abendmahl stehen (l. Schreiben), die den
ße Thätigkeit her, die durch die ganze Menschen- Religionsunterricht beendet haben (6. Schrei-
familie herrschet[ ...]« (l. Slg., S. 75ff.). Diese ben), überwiegend aber an Jünglinge, die aufRei-
Fürsprache Salzmanns für die Klassenharmonie sen gehen (2., 3., 7. und 8. Schreiben). Eines der
wird auch dort deutlich, wo er nachzuweisen Schreiben wendet sich an einen »jungen Theolo-
sucht, daß die Reichen auch von schweren Sorgen gen« (5. Schreiben); ein anderes läßt die Situation
geplagt seien und am Ende ein noch weit be- des Adressaten im Unbestimmten (4. Schreiben).
schwerlicheres Leben hätten als die Armen (vgl. 2. Bei den auf Reisen gehenden Jugendlichen han-
Slg., S. 37). delt es sich um solche, die nach abgeschlossenem
Zusammenfassend kann festgehalten wer- Unterricht das Elternhaus verlassen, um in einer
den: Die Gottesverehrungen zielen weniger auf fremden Stadt in eine Handwerker- oder Kauf-
die Religion, als auf den religiösen Menschen. In- mannsfamilieeinzutreten und eine Lehre zu ab-
dem sie- anband der Lehre und dem Wirken Jesu solvieren. Daß hierin das eigentliche Ziel der Rei-
- grundlegende Tugenden vermitteln, wollen sie sen besteht, wird an einer Stelle deutlich: »Der
zur Vervollkommnung der Zuhörer, also vor al- thut gewiß wohl, wenn er sich vorsetzt, und beson-
lem der Zöglinge des Dessauer Philanthropins, ders, wenn er sich, wie Sie, einem bewährtem und
beitragen und sie zu guten Handlungen leiten. weisen Manne zur völligen Ausbildung hin-
Voraussetzung dieser Vervollkommnung ist die giebt.« (S. 113) An einer anderen Stelle wird das
Gottebenbildlichkeit des Menschen und das Er- Alter des Jugendlichen mit 16 Jahren angegeben
kennen von Gottes Güte, Allmacht und Allwis- (S. 95). Das Besondere der Schreiben besteht nun
senheit, die den Menschen in Jesu versinnbild- darin, daß sie alle einen wirklichen Adressaten
licht werden. Grundlage zu guten Handlungen, haben, alle an einen bestimmten Jugendlichen
zur Tugend, ist der Verstand, ist die Vernunft des aus der Gemeinde sich richten, auf dessen indivi-
Menschen, die jedoch erst durch Phantasie ver- duelle Probleme und Schwierigkeiten sie einge-
sinnlicht werden muß, wenn sie zu guten Hand- hen wollen. Lavater betont, daß alle hier gesam-
lungen leiten soll. Salzmann geht es daher nicht melten Schriften »nur für Einen, einen uns be-
763 Religiöse Schriften 764

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che heiliger Schrifft in Figuren vorgestellt. - Nüm- che heiliger Schrifft in Figuren vorgestellt. - Nüm-
berg 1 756 (Nr. 209). Seite 46 berg 1756 (Nr. 209). Seite 70

313.

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tcr 1• llulf< ~. 61t•l "'" bi<j(r il!n ou(bdr ; ~<b 11>11 er i~o
um4tlllt; unb b<nU ••<111 ""~' on bd DM(§<; i~ .., f~ic0 1 bof
er ~n111 O<tlorQI f(f~UII et~ ll'il><r llcfllllbcn ~II

Sche/lenberg, Johann Rudolf: 60 Biblische Ge- Sche/lenberg, Johann Rudolf: 60 Biblische Ge-
schichten des neuen Testamentes in Kupfer schichten des neuen Testamentes in Kupfer
geaezt. - Winterthur 1779 (Nr. 788). Titelkupfer geaezt. - Winterthur 1779 (Nr. 788). Kupfer Nr.
30: Der verlohme Sohn
765 Lavater, Brüderliche Schreiben, 1782 766

kannten, geliebten Menschen gemacht« worden ist ein Jugendlicher von starkem, genialischem Charak-
sind (S. 7). Dies äußert sich am augenfälligsten ter, dem Lavaters ganze Sympathie und Bewunderung
zunächst darin, daß stets die Namen der Ange- gehört. Lavater sucht hier darzulegen, daß Güte und
sprochenen, wenn auch zumeist nur mit Initia- Menschenliebe wie auch Fleiß, Ordnungssinn und
Pünktlichkeit Eigenschaften darstellen, die dem wahren
lien, genannt werden.
Genie durchaus nicht fremd sein müssen. Dem Jugend-
In einer »Nachschrift« sucht Lavater sich lichen werden auch einige »physiognomische Regeln
über die Absichten und Prinzipien eines »christli- zur Entwicklung, Berichtigung, Stärkung deines phy-
chen Schriftstellers« Klarheit zu verschaffen. Er siognomischen Sinnes« gegeben (S. 65 ff.). Das vierte
stellt hier 6 Grundsätze auf, die er auch künftig bei Schreiben (S. 77-82) stammt vom 29. 8. 1778 und ist an
allen seinen Publikationen respektieren will. Es einen nicht näherbezeichneten »Herrn V. inS.« gerich-
heißt hier unter anderem: »Ist alles durchaus tet. Es besteht aus 26 durchnumerierten Sprüchen zu
wahr, was du schreibst?[ ... ] Ist's nützliche, heilsa- einzelnen moralischen Fragen. Das fünfte Schreiben (S.
me, Weisheit, Wohlfahrt, Tugend befördernde 83-90) handelt von der Bibellektüre, von der Offenba-
rung Gottes in der Natur und in den biblischen Schrif-
Wahrheit?« Der inhaltlichen Verpflichtung wird
ten, schließlich von J esus Christus. Es besteht aus 16
auch eine formale an die Seite gestellt: »Ist Alles kurzen Abschnitten.
so klar, deutlich, einleuchtend, und so gesagt, daß Das sechste Schreiben (S. 91-1 08) ist an »Herrn
es keinem Mißverstand ausgesetzt ist?« Von her- C.F.G.v.W. [d.i. Carl Friedrich Gideon zu Wartensle-
ausragender Bedeutung ist die praktische Wir- ben; vgl. Sp. 774] Nach geendetem Religionsunter-
kungsabsicht, die irrtentierte religiöse und morali- richt« adressiert und am 26. 9. 1781 verfaßt worden. Es
sche Besserung des Lesers: »Werden alle gute, geht nur im ersten Absatz auf religiöse Themen, den
wahrheitsfrohe, edle, Neidlose, unleidenschaftli- Gottesglauben, das Gebet und Schriftenlesen, ein, um
che, nachdenkende Leser deiner Schrift dir dan- in den 14 folgenden Abschnitten eine Tugendlehre vor-
zutragen. Angesprochen wird die Reifung des Jugendli-
ken, oder nach der Lesung derselben erleuchteter,
chen zum Manne, die mit dem ersten Abendmahl begin-
edler, froher, in der Wahrheit und Tugend fester nen müsse. Sodann geht es um Themen wie Ordnung
seyn? « (S. 170) Den Abschluß bildet die Messung und Reinlichkeit, Schmeichelei, Unzucht, Treue im Be-
der Schrift an den Lehren und Taten Jesu Christi: ruf und gegen die Obrigkeit, Wahrheit und Wahrhaftig-
Würde er »mit deiner Arbeit zufrieden seyn? keit. Schließlich wird das Verhalten gegenüber Reli-
Würd' er nichts durchstreichen? Nichts tadeln? gionsspöttern wie gegenüber ernsthaften Zweiflern
Übernichts dir Vorwürfe machen?« (S. 171) erörtert. Das siebte Schreiben (S. 109-128) vom 24. 1.
1782 richtet sich gleichfalls an einen vor der Abreise aus
Die Schrift ist »Herrn Hofrath Pfeffel in Colmar« dem Elternhaus stehenden Jugendlichen. Hier handelt
gewidmet, der, wie aus dem Widmungsschreiben her- es sich um einen schüchternen, zurückhaltenden Cha-
vorgeht, die Publikation der Briefe angeregt zu haben rakter, dem Lavater »neue Stärke, Freyheit, Selbstän-
scheint (S. 5). Die ersten beiden Schreiben, datiert vom digkeit, Unerschütterlichkeit« zu erstreben empfiehlt
4. 4. 1773 und vom 20. 3. 1776, sind an >>meinen lieben (S. 116). Gewarnt wird auch hier eindringlich vor den
Freund und Vetter« Johann Caspar Schinz gerichtet Religionsspöttern, zumal der Jugendliche in eine fran-
und beziehen sich einmal auf das bevorstehende erste zösische Stadt reist. Das achte Schreiben von 1782 ist
Abendmahl, das andere Mal auf die bevorstehende Ab- versifiziert und in heroischen Alexandrinern verfaßt. Es
reise. Im ersten Schreiben (S. 9-34) überwiegt ganz die behandelt im ersten Teil (S. 131-137) religiöse Fragen,
religiöse Thematik: Die Lehren des alten und neuen Te- um sodann einzelne moralische Grundsätze und Ver-
stamentes werden als ein Heilmittel gegen die physi- haltensregeln zu bieten (S. 13 7-140). Es ist an »Herrn C.
schen und moralischen Übel der Welt bezeichnet und K .. r« adressiert, einen gleichfalls auf Reise gehenden
gegen alle Zweifler und Ungläubige verteidigt. Das Jugendlichen. Dem Werk sind als »Beylagen« einzelne
zweite Schreiben an den jungen Schinz weist zunächst Gebete hinzugegeben: Ein »Gebeth vor und nach der
einen religiösen Teil auf (S. 3 5-46): Gehandelt wird hier Communion und zu allen Zeiten« in Prosa (S.
von der Glaubensgewißheit, von der Erkenntnis Gottes 145-154), ein »Tägliches Gebetheines in die Fremde
aus der Natur und seinen Werken, von Jesus Christus, reisenden Jünglings« von 1778 gleichfalls in Prosa (S.
sodann vor den Religionsspöttern gewarnt, wobei Vol- 15 5-160), ein versifiziertes »Gebethlied eines reisenden
taire und Rousseau namentlich genannt werden (S. 45), Jünglings« (S. 161-164) und schließlich ein »Ge-
und von allem Dispuitieren abgeraten. Der zweite Teil bethlied eines Jünglings« (S. 165-168).
des Schreibens enthält vermischte moralische Lehren
und KJugheitsregeln (S. 47-56): Es geht um die Wahl Die Situation, in der die angesprochenen Ju-
der Gesellschaften und Freunde, um Menschenbeob- gendlichen sich befinden, ist die klassische des el-
achtung, um das Tagebuchschreiben, den Umgang mit terlichen Rates: Erziehung und Unterricht sind
dem »schönen Geschlecht«. Es folgen zahlreiche mora- abgeschlossen; der Abschied aus dem elterlichen
lische Regeln, schließlich wird eindringlich vor der Haus und der Eintritt ins Leben stehen bevor. Es
Onanie gewarnt (S. 54). gilt zum einen, die sittlich-religiöse Basis, die mit
Das dritte Schreiben (S. 57-76), datiert vom No-
der Erziehung gelegt worden ist, noch einmal zu
vember 1775 und an »S. M.« gerichtet, wird als Frag-
ment bezeichnet, das zwar an verschiedenen Stellen er-
bekräftigen; zum anderen müssen Verhaltensre-
gänzt werden mußte, dadurch aber nicht seine >> Indivi- geln für den neuen Lebensabschnitt gegeben wer-
dualität und Aechtheit« verloren habe (S. 58). Es geht, den. Lavater realisiert diese doppelte Funktion
von einigen religiösen Bemerkungen abgesehen, aus- des elterlichen Rates auf eine für ihn charakteristi-
schließlich auf moralische Fragen ein: Angesprochen sche Weise, die auch in den Lebensregeln ftir
767 Religiöse Schriften 768

Jünglinge von 1783 zur Anwendung kommt: Er nächst die Wahl des Adressaten bestimmt: Es
ersetzt die Figurdes Vaters bzw. des Greises durch handelt sich um einen »Starken«, um einen über-
die des Freundes und Bruders, der Rat erteilt. mächtigen, vorzüglichen »prägnanten Charak-
Durch die Wahl der Rolle des Freundes oder ter« (S. 59). Auch wenn Lavater einige kritische
Bruders wird der Abstand zwischen Ratgeben- Anmerkungen machen wird, so bleibt seine Sym-
dem und -suchendem verringert; ja sie sind prin- pathie mit diesem jungen Kraftgenie doch unge-
zipiell gleich, und es herrscht ein gegenseitiger Re- trübt: »Ich erkenne deine Vorzüge. Du weißest's,
spekt zwischen ihnen. Die Jugendlichen werden ich verehre deine Stärke zu sehr, als daß ich bei
überwiegend in der dritten Person Plural ange- Dir in den Verdacht kommen könne, durch meine
sprochen und mit »mein theurer Freund« oder Freymüthigkeit beleidigen zu wollen.« (S. 62) Ne-
»mein Lieber« apostrophiert. Die Ratschläge ben der Kraft wird die Natürlichkeit seines Cha-
und Regeln werden ihnen zum kritischen Über- rakters bewundert: »Wo so viel Wahrheit, so viel
denken und Erwägen dargelegt. Der Ratgeber Kraft, so viel Menschenkenntniß, so viel Emp-
tritt nicht als unfehlbare Autorität auf; er zeigt findsamkeit, so viel Erfahrung ist - Da soll billig
sich selbst vielmehr in seiner Schwäche und Feh- Alles, was nur den Schein von Mfektation hat -
lerhaftigkeit. Das Pathos des weisen sterbenden unendlich fern seyn.« (ebd.) Bei aller Verehrung
Greises ist der Bescheidenheit des Freundes gewi- aber ist Lavater bemüht, die wahre Größe des
chen, der sich selbst als unvollkommen weiß (vgl. Charakters von alberner Kraftmeierei abzusetzen
z. B. S. 33).Überzeugungskraft sollen die Rat- (vgl. S. 60). Andere niederdrücken und über
schläge allein dadurch gewinnen, daß sie unmit- Schwächere hohnlachen, sei kein Zeichen von
telbar aus dem Gefühl, aus dem Herzen entsprin- Größe; wahre Größe sei vielmehr in der Güte und
gen, daß sie gänzlich unverstellt und reiner Aus- »Gutherzigkeit« zu finden. »Aechte Güte ist die
druck der Liebe und Freundschaft sind. größte ,Kraft; Die Kraft, alle seine drückenden
So originell Lavaters Umwandlung des elter- Kräfte zu bemeistern und an sich zu halten.« (S.
lichen in einen freundschaftlichen Rat ist, so be- 59). Lavater nimmt dies zum Anlaß, die Verteufe-
merkenswert ist auch die Form des vorliegenden lung aller Pedanten durch die Kraftgenies aufs
Werkes: Lavaters Weigerung, die einzelnen Korn zu nehmen: »Diese Leute sind sicherlich
Schreiben aus ihrem individuellen Zuschnitt her- wenigstens so brauchbar, als all' das poetische
auszulösen und zu einer allgemeinen Religions- und genialische Völklein, bald hätt' ich gesagt,
und Sittenlehre umzuschmelzen, zeugt von einer Geschmeiß, das aller Pünktlichkeit und Dexteri-
Individualitätsauffassung, wie sie für den Sturm tät, als elender Sklaverey spottet, undjedem gewi-
und Drang charakteristisch ist. Die religiös-mora- ßenhaften, beschränkten Arbeiter, als einem
lische Belehrung gewinnt erst dann wahrhafte Le- Dummkopfe hohnspricht.« (S. 67)
bendigkeit, wenn sie sich ganz auf die Individuali- Lavaters eigener Geniebegriff, der dem bloß
tät des Jugendlichen einläßt; eben deshalb kann äußeren Geniekult entgegengesetzt wird, mündet
Lavater die scheinbar paradoxe These aufstellen, schließlich in das Bild eines »ächten Christen«,
daß mehr Individualität mehr Gemeinnützigkeit der durch »Weisheit«, »Kraft« und »Liebe« sich
bedeute (S. 7). Was sich in der formalen Anlage auszeichnet und bisher noch nicht gefunden sei.
des Werkes manifestiert, gewinnt auch inhaltlich Lavater sucht die Züge eines solchen Christen fol-
an Bedeutung: Die Forderung, die eigene Indivi- gendermaßen zu beschreiben: »Einfalt und Weis-
dualität auszubilden, wird bei Lavater zu einem heit; Treu' und Liebe; Ruhe und Kraft; Stilles
zentralen Postulat. Zu Beginn des vierten Schrei- Hören; Bescheidenes Lehren; Dankbares Emp-
bens heißt es: »Sey, was Du bist. Mein erstes und fangen; Dehmüthiges Geben-[ ... ] Ortheile der
letztes Wort.« (S. 79) Eine andere Stelle lautet: sanftesten Bruderliebe, und des künftigen Welt
»Sey immer, was Du bist, und will nur, -was Du und Engelrichters; Freyheit, ohne den mindesten
kannst.« (S. 89) Dieses Individualitätsprinzip Beysatz von Frechheit, oder Vermeßenheit; Tiefe
wird sogar gegen den vorschnellen Zugriff der Bescheidenheit und Dehmuth, ohne die mindeste
Moral verteidigt. Eine Unterwerfung unter das Aengstlichkeit -« (S. 72). Daß Lavaters Ideal des
Sittengesetz auf Kosten der Individualität wird Christen wesentlich durch den Geniebegriff des
abgelehnt. Sturm und Drang gekennzeichnet ist, geht nicht
Das dritte Schreiben läßt allein schon des- zuletzt daraus hervor, daß dessen zentrale Eigen-
halb einen stärkeren Einfluß des Sturm und schaft, die Güte, selbst noch als Kraft, und zwar
Drang vermuten, weil es in die Zeit des intensiven als die höchste Kraft des Menschen, ausgegeben
Kontaktes mit Goethe und in das Erscheinungs- wird. Inwieweit die den Text durchziehende Ab-
jahr des ersten Bandes der Physiognomischen grenzung von einem falschen Geniekult in dieser
Fragmente fallt. Allerdings handelt es sich um das polemischen Schärfe schon von 177 5 ist, oder erst
einzige Schreiben, das nicht in seiner ursprüngli- durch die späteren Zusätze hinneingetragen wur-
chen Gestalt aufgenommen ist; es ist also zu be- de, läßt sich nicht entscheiden. Unstreitig aber
rücksichtigen, daß das Schreiben von 1775 späte- bleibt die außerordentliche Nähe dieses dritten
re Zusätze enthält. Ganz vom Geniekult ist zu- Schreibens zur Geniebewegung; in ihm ist ein ju-
769 Lossius, Die ältesten Geschichten, 1784 770

gendliterarisches Werk zu sehen, das dem Sturm nunftsgründe für die Glaubwürdigkeit des Evange-
und Drang zuzurechnen ist. liums« (S. 50) anführe. E.
Bemerkenswert ist schließlich noch das Ein-
dringen von Lavaters Physiognomik in die Ju-
gendliteratur. Der jugendliche Empfänger des
Schreibens hat von sich aus nach »brauchbare[n] 1782/83
physiognomische[n] Regeln« gefragt (S. 65). Aus
Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811):
dem Dutzend Regeln, die Lavater anführt, seien
einige Beispiele zitiert: »Wo schöne Proportion
Moralisches Elementarbuch. 2 Teile.
ist, Parallelität der Hauptzüge des Gesichts; Ge- Leipzig 1782-1783
rade, starke, unverworrene Augbrauen - Die
Form des Kopfes nicht gedrückt, nicht gedehnt, Siehe: Moralisch belehrende Schriften, Spalte
nicht verzerrt; Wo die Augen mit den Lippen, die- 574
se mit jenen gleichlaufen, gleich sich bewegen -
Da, Lieber, gieb gern Hand und Herz.« (S. 66) Ei-
ne andere Regel lautet: »Jede harte, knöcherne,
gedrängte Stirn mit breiter, fester Nasenwurzel, 1784
deren Übermacht über die deinige Du sogleich
Rudolph Christoph Lossius (1760-1819):
ehrerbietig fühlest, mache Dir wohl zu Nutze;
Auch, wenn sie Dich drückt; Auch wenn sie Dich Die ältesten Geschichten der Bibel für
dehmüthigt.« (S. 67) Am Ende der Regeln findet Kinder in Erzählungen auf Spaziergängen.
sich folgende, die Physiognomik selbst betreffen- Erfurt 1784
de Empfehlung: »Laß Dich mit keinem Men-
schen ein, der die objektife Wahrheit der Physio- Lossius' Historienbibel ist für Kinder im Alter
gnomien läugnet; Und mit keinem, der alle, auch von etwa acht bis elf Jahren gedacht. Gibt Lossius
die gegenwärtig tiefsten Gesinnungen und Ge- auch selbst keine weiteren Auskünfte über seinen
danken aus dem Gesichte lesen will. Beyde sind Adressatenkreis, so dürfte doch das Alter der in
Thoren, die selbst nicht an das glauben, was sie seinem Werk auftretenden Kinder- es liegt eben
glauben machen wollen.« (S. 69) zwischen acht und elf- mit dem der angesproche-
Die zwischen 1773 und 1782 entstandenen nen Leser weitgehend identisch sein. Daß die fünf
Schreiben weisen die für Lavater charakteristi- Kinder Wilhelm ( 11 ), Gotthilf (I 0), Gottfried (8),
sche Religiosität auf, die sich in diesem Jahrzehnt Friederike (8) und Karotine (8 Yz) aus begütertem
herausbildet und festigt. Hierzu gehören die Ab- Elternhause stammen- die Familie verfügt offen-
lehnung aller natürlichen Religion und der aufge- barübereine größere Anzahl Gesindes (vgl. S. 99)
klärt-rationalistischen Theologie, der strenge Bi- -,legt zudem den Schluß nahe, daß vor allem Kin-
blizismus und die durch eine intensive Sinnlich- der des wohlhabenden Bürgertums angesprochen
keit charakterisierte Christologie, die in allen sind.
Briefen durchscheinen. Das Religionsverständnis Lossius hat seine Historienbibel, die aus-
ist praktisch und gefühlsmäßig und gegen alles in- schließlich Begebenheiten der ältesten biblischen
tellektuelle Disputieren gerichtet. Geschichte nach dem 1. Buch Mose zum Gegen-
stand hat, eingekleidet in 19 Erzählungen, die ein
In einem Brief von Juli 1782 teilt Goethe Lavater Lehrer mit fünf Kindern auf Spaziergängen führt.
einen Auszug aus einem» Briefe von K.« mit, der an ihn Die besondere Einkleidung des Werks ist Aus-
gerichtet war und Stellung zu Lavaters Schrift nimmt: druck der didaktischen Konzeption einer religi-
»Was den guten Lavater selbst betrifft, so sind jezt wie- ösen Unterweisung, wie sie in einer Vorrede von
der brüderliche Schreiben an verschiedene Jünglinge
Christian Gotthilf Salzmann entwickelt wird.
von ihm erschienen, die Sie ohne Zweifel schon gelesen
haben. Ich habe sie mit wahrer herzlicher Theilneh- Salzmann wendet sich darin gegen die fort-
mung gelesen, und mir dabey einige neue praktische Be- laufende Bibellektüre - angefangen vom ersten
griffe über das was Christenthum seyn soll gemacht.« Buch Mose und endend mit der Offenbarung -
(Funck, 190l,S.203) und betont das Auswahlprinzip im Religionsun-
Für Samuel Baur ( 1790) enthalten die Schreiben terricht, da »aller Unterricht, der Kindern gege-
»viele edle und befolgendwerthe Grundsätze, mit Wär- ben wird, elementarisch seyn« müsse (Vorrede, 6.
me und Herzlichkeit vorgetragen, aber an vielen Orten ungez. S.). Ein Kindern verständlicher Religions-
blickt auch seine Schwärmerei, so wie überall, hervor« unterricht müsse insbesondere drei Dinge außer
(S. 234). Das Werk findet bei Angst (1947) Erwähnung: acht lassen: 1) Genealogien, Familienanekdoten,
Sie hebt hervor, daß »eine warme, ansprechende
Freundschaft« aus ihm spreche. Allerdings glaubt sie
geographische Nachrichten und jüdische Glau-
»die Stimme eines Vaters zu vernehmen« (S. 50), eine bensrituale und -zeremonien, 2) alles Unklare,
Rolle, die Lavaters freundschaftliche und brüderliche Dunkle wie die meisten Weissagungen, die Art
Räte gerade zu vermeiden suchen. Bestätigt werden und Weise der Schöpfung, des Sündenfalls usw.
kann auch nicht, daß Lavater in den Schreiben »Ver- und 3)allesAnstößige(Vorrede, 7. ungez. S. u. f.).
771 Religiöse Schriften 772

Als wichtige Grundlage für Verständlichkeit be- kenden Anblick der brennenden Städte so verstört wor-
trachtet Salzmann die Dechiffrierung des in der den, daß sie wie versteinert stehen geblieben sei und so
Tradition orientalischer Sprache stehenden Tex- dem einsetzenden Regen von Kohlen, Steinen und Erd-
tes. Die Dechiffrierung müsse sich einmal auf die stücken nicht mehr habe entrinnen können (S. 113 f.).
Die nachfolgenden Erzählungen sind- trotz man-
Sprache beziehen, die von ihren typisch regional-
cher Ausschmückung- stärker am biblischen Text ori-
und zeitbedingten Eigenheiten zu befreien und in entiert: die Geschichte von der Opferung Isaaks und Sa-
»eine deutsche, Kindem verständliche, Sprache« rahs Tod (II. Spaziergang, S. 121-129), von Rebekka
zu übersetzen sei. (Vorrede, 10. ungez. S.). Zum (12. Spaziergang, S. 129-135), von Jakob und Esau (13.
andem müßten die Gegenstände, von denen der Spaziergang, S. 135-147), von Jakob und der Himmels-
jeweilige Bibeltext handelt, »so weit als möglich, leiter, von Jakob bei seinem Onkel Laban (14. Spazier-
faßlich gemacht werden«. Salzmann befürwortet gang, S. 148-158) und von Jakobs Heimkehr nach Ka-
eine Herangehensweise, die die Kinder lehrt, die naan, seinem Kampf mit dem Engel, seiner Aussöh-
»Begebenheiten der alten Zeit« von einem »rich- nung mit Esau und Raheis Tod (15. Spaziergang,
S. 158-173). Auf den letzten vier Spaziergängen werden
tigen Gesichtspunkt« aus zu beurteilen (Vorrede,
die Josephsgeschichten erzählt. Auf dem 16. Spazier-
ll. ungez. S.). gang (S. 174-185) wird das Schema der üblichen Dar-
stellung unterbrochen: die Geschichte von Josephs
Lossius' Historienbibel ist eingekleidet in eine Kindheit wird von den Kindern selbst vorgetragen. Un-
Rahmenhandlung: jeweils ein Sinnabschnitt aus der äl- gewöhnlich ausführlich berichtet dann der Lehrer von
testen biblischen Geschichte wird in Form einer Erzäh- den Ausschweifungen der Frau Potipharund ihren Ver-
lung vorgetragen. Der Erzähler ist ein Lehrer, der mit suchen zur Verführung Josephs; die Schilderung geht in
fünf Kindem von Mai bis in den späten Sommer Spa- ihren Details weit über den biblischen Text hinaus (vgl.
ziergänge durch Felder und Wiesen unternimmt und ih- S. 183). Die letzten drei Spaziergänge handeln von Jo-
nen in Ruhepausen aus der biblischen Geschichte er- seph im Gefängnis und in Pharaos Diensten, von Jo-
zählt. seph und seinen Brüdern ( 17. Spaziergang, S. 186-200,
Die ersten beiden Spaziergänge dienen der Dar- und 18. Spaziergang, S. 200-213) sowie von Jakobs Tod
stellung der Schöpfungsgeschichte (S. 1-26). Ausma- (19. Spaziergang, S. 214-230).
lend berichtet der Erzähler insbesondere über die Er-
schaffung der Tiere. Der Sündenfall, Gegenstand der Entspricht Lossius' Auswahl biblischer Ge-
Erzählung auf dem dritten Spaziergang (S. 26-39), wird
schichten auch weitgehend dem gängigen Kanon
stark ausgeschmückt und mit erheblichen Abweichun-
gen vom Bibeltext wiedergegeben. So ißt z. B. die der Historienbibeln für Kinder, so sind doch die
Schlange zuerst vom Baum der Erkenntnis (eine Erklä- Form der Vermittlung- Erzählungen auf Spazier-
rung, weshalb die Schlange überhaupt in der Lage zu gängen- und die Sprache des Werks, die sich er-
sprechen ist!) und kann so Eva in einem langen Ge- heblich von der bekannten Bibelsprache entfernt,
spräch überzeugen, daß die Früchte des Baumes keines- durchaus eigentümlich. In der sprachlichen Ge-
wegs todbringend seien (S. 27 ff.). Auch kommt Gott staltung verzichtet Lossius vollständig auf das
nicht erst gegen Abend und entdeckt den Sündenfall, sonst übliche Zitieren zumindest der wichtigsten
sondern tut schon zuvor durch ein langanhaltendes und Bibelstellen und versucht, alles in einer den Kin-
furchterregendes Gewitter seinen Zorn kund (S. 31 ff.).
dem verständlichen, leichten Art abzufassen. Alle
Auf dem vierten Spaziergang erzählt der Lehrer
die Geschichte von Kain und Abel (S. 39-50), auf dem Bilder und Vergleiche, die er heranzieht, sind dem
fünften die von der Sündflut (S. 50-64) und auf dem Erfahrungsbereich der Kinder entlehnt. Wo
sechsten die Geschichte von der Sünde Chams und vom Fremdartiges auftaucht, wird es in leichtfaßlicher
Turmbau zu Babel (S. 64-77). Lossius deutet die Weise erklärt, etwa die orientalische Sitte der
Sprachverwirrung nicht im biblischen Sinne als Strafe Fußwaschung der Gäste (S. l 05) oder die eigen-
Gottes für das ehrgeizige Machtstreben der Menschen, tümliche Art des Brotbackens (S. l 06). Durch
sondern als Ausdruck göttlicher Absicht und Fürsorge: Ausschmückungen, bildhafte Sprache und be-
»Der wollte nicht haben, daß die Menschen auf einen sonders durch Mittel wie direkte Rede u. ä. ver-
Flek bleiben, sondern sich auf der grosen Erde ausbrei-
sucht Lossius, die biblischen Texte zu verlebendi-
ten sollten. Zuletzt hätten sie dort nicht satt zu essen ge-
habt, und hätten Hunger leiden müssen.« (S. 75 f.) gen und den Kindem nahe zu bringen.
Die Geschichte Abrams und Lots wird auf dem Zur Verlebendigung des Textes trägt auch
siebten (S. 77-93), die von der Verheißung Isaaks auf die Gesprächsform bei. Sie erlaubt zudem die
dem achten Spaziergang (S. 93-97) berichtet. Die Er- Vertiefung des Erzählten durch Nachfragen des
zählung des neunten Spaziergangs handelt von Hagars Nicht-Verstandenen und Außergewöhnlichen,
Flucht und Rückkehr und von der zweiten Verheißung die Belehrung der Kinder durch Beispielge-
der Geburt Isaaks (S. 98-103). Auf dem zehnten Spa- schichten (analog zum Sündenfall wird z. B.
ziergang erzählt der Lehrer von Sodoms Untergang, der S. 35 ff. eine Beispielgeschichte über ein nasch-
Geburt Isaaks und Hagars und Ismaels Austreibung (S.
haftes Mädchen erzählt, dessen Laster üble Fol-
103-121). Bezeichnend ist, daß die Stelle, wo Lot den
Bürgern Sodoms seine beiden noch jungfräulichen
gen hat) und sittliche und moralische Schlüsse aus
Töchter darbietet (1. Mose 19., 8), umschrieben wird dem Vorgetragenen. Durch die moderne Form, in
mit: »er wolle sich lieber was anders gefallen !aßen« (S. die Lossius die biblischen Geschichten gegossen
112). Die Erstarrung der Frau Lots zur Salzsäule wird hat, wird es ihm möglich, zeitgemäße Schlußfol-
auf natürliche Weise erklärt: sie sei durch den erschrek- gerungen aus den biblischen Erzählungen zu zie-
773 Lavater, Religionsunterricht, 1788 774

hen bzw. die Kinder selbst ziehen zu lassen, die Aussagen der Bibel entfernt, mag dabei weniger
von den Kindern auch als aktuelle Handlungsan- ins Gewicht fallen, da es ihm offensichtlich nicht
leitungen begriffen werden könen. So werden die darum geht, Kinder zur »Bibelfestigkeit« zu er-
Kinder etwa im Zusammenhang der weisen ziehen, sondern sie zu lehren, aus den biblischen
Schöpfung Gottes angehalten, keine Tiere zu quä- Schriften für ihr eigenes Denken, Tun und Lassen
len (S. 15); die Kinder werden ermuntert, sich wie zu lernen. Lossius' Historienbibel steht in der Tra-
Adam und Eva mit Früchten und gesunden Kräu- dition der moralisierenden Bibelerzählungen wie
tern zu ernähren, nie aber zuviel und niemals Un- Feddersens Geschichte des Lebens Jesu for Kin-
reifes zu essen. Das Beispiel Isaaks, der sich in der, die später unter dem Einfluß der profanen
den Willen seines Vaters fügt, ihn als Opfergabe Kinderliteratur- besonders Weißes Kinderfreund
darzubringen, wird den Kindern als richtige El- -sich stärker vom eigentlichen Bibeltext entfern-
ternliebe gepriesen (S. 125). ten und sich in die Richtung des moralischen Ex-
Daß das Erzählen biblischer Geschichten empelbuches entwickelten. Kennzeichnend für
weniger auf die notwendige Kenntnis der kanoni- diese Entwicklung ist vor allem auch die Über-
schen Schriften abzielt als auf die praktische nahme der freien Erzähl- und Gesprächsform, die
Nutzanwendung, wird deutlich, wenn die Kinder jedoch bald von der ADBals »widerliche Garnie-
die Lehren aus Kains Brudermord auf sich selbst rung mit Randglossen dazwischenredender Kin-
anwenden: Gotthilf und Wilhelm zerstreiten sich der« kritisiert und in der Folge zugunsten stärker
beim Spiel, keiner von beiden will nachgeben. bibeltextorientierter Schriften aufgegeben wurde
Noch als sie schon zu Bett gehen, ist ihr Zwist (vgl. Köberle, 1972, S. 33 f.).
nicht beigelegt. Gotthilf wird darüber- in Erinne- In der Kritik des Zeitgenossen Baur ( 1790) über-
rung an die Geschichte Kains und Abels - unru- wiegt das Negative: >>Er triftzwar den Ton, wie man mit
hig(» Herr Gott, dachte ich, wenn er oder ich die- Kindem reden muß, ohne selbst kindisch zu werden, so
se Nacht stürben, da gäb ich mich nicht zufrie- ziemlich, oft aber fällt er auch ins Platte und Pöbelhaf-
den.«), reicht seinem Bruder die Hand und ver- te.« Und zu dem Werk heißt es: ))Gegen die Aus-
söhnt sich mit ihm (S. 50 f. ). An anderer Stelle de- wahl( ... ] hätten wir nun eben nichts einzuwenden, aber
monstriert Wilhelm- in Aufnahme der zuletzt ge- seine Art, die biblischen Geschichten kindermäßig zu
hörten Geschichte über Jakob und Laban, dessen behandeln, scheint uns nicht die wahre zu sein. Es ist bei
betrügerischer Geiz kritisiert wird- Freigebigkeit verständigem Lesen des Alten Testaments bei aller Ach-
tung gegen dasselbe, wohl so viel ausgemacht, wie wir
und Opferbereitschaft, als er einem armen klei- schon ein paarmal bemerkt haben, daß ein großer Theil
nen Jungen aus seiner Sparbüchse Geld für den der Begebenheiten keine andere, innere Heiligkeit oder
Kaufwarmer Strümpfe schenkt (S. 159). in Beziehung auf uns auch nur Wichtigkeit hat, als die
Vergleicht man Lossius' Werk mit den in der aus der sogenannten Profangeschichte. Aber so lange
Vorrede Salzmanns genannten didaktischen In- die Bibel in ihrer alten Gestalt ohne Absonderung des
tentionen, so kann man feststellen, daß die von localen und zeitmäßigen Religionsbuch heißt, scheint es
Salzmann aufgestellten Grundsätze im wesentli- uns doch, müße die Art, wie man ihren Inhalt behandelt,
chen befolgt werden: Lossius verzichtet auf den immer eine gewisse Ernsthaftigkeit ein gewisses Schick-
Bericht von Genealogien, Familienanekdoten, liches beibehalten, das aber Herr Loßius hie und da ver-
fehlt hat. Sein Ausdruck ist - wie sollen wir es gleich
geographischen Nachrichten usw., Dort, wo er nennen?- bald zu brav und derb, bald zu poßirlich und
nicht umhinkommt, Kindern Unverständliches modern in der Darstellungjener grauen Zeiten, bald so
erzählen zu müssen, versucht er, es bestmöglich kindisch tändelnd und dann wieder so fromm, daß es
aufzulösen (vgl. die sprechende Schlange bei der ein sonderbares Gemisch macht. Indessen müssen wir
Versuchung Evas). Auch versucht Lossius, den bi- doch auch gestehen, daß wir zuweilen auf Stellen gesto-
blischen Text zu »dechiffrieren«; er hält sich da- ßen sind, die wir für musterhaft in ihrer Art halten.« (S.
bei sowohl in bezug auf die Sprache als auch auf 255f.) O.B.
die zu behandelnden Gegenstände eng an Salz-
manns Grundsätze. Die einzige Abweichung ge-
genüber der didaktischen Konzeption Salzmanns
ergibt sich in der inkonsequenten Handhabung 1788
der »anstößigen« Stellen: einerseits kommt Los-
sius (vgl. die Geschichte Sodoms) der Forderung
Johann Caspar Lavater (1741-1801):
Salzmanns nach, andererseits geht er jedoch weit Christlicher Religionsunterricht for denkende
über das in der Bibel Gesagte hinaus (vgl. die Er- Jünglinge.
zählung von Frau Potiphar) und scheut sich auch 1788
nicht zu berichten, die Nachkommen Kains hät-
ten herum»gehurt« (S. 57). Das Werk geht auf den Religionsunterricht zu-
Die Stärke von Lossius Werk liegt- im Ver- rück, den Lavater Carl Friedrich Gideon von
gleich mit anderen Historienbibeln für Kinder - Wartensleben, dem Sohn derverwittweten Gräfin
in der eingängigen Form und Sprache der Ver- von Wartensleben, Frau Isabella von Lynar, gege-
mittlung. Daß sich Lossius dabei z. T. von den ben hat, um diesen auf einen »würdigen Gebrau-
775 Religiöse Schriften 776

ehe des heiligen Abendmahls« (S. 1) vorzuberei- ben gibt denn auch einen Vorausblick auf die noch zu
ten. Lavater suchte hierbei auf die besonderen behandelnden Materien.
philosophischen Interessen des jungen Grafen Das Werk beginnt mit einem einleitenden Schrei-
einzugehen, weshalb sich das Werk denn auch ben (S. 1-4), in dem das Ziel des Religionsunterrichts,
die Erklärung des Abendmahls, benannt und die Me-
vornehmlich an »denkende Jünglinge« richtet.
thode des Vorgehens, das Ausgehen von intuitiven
Das Werk ist jedoch auch für »denkende« er- Wahrheiten, angegeben wird. Hieran schließt sich ein
wachsene Leser gedacht; dies kommt darin zum ausführlicher philosophischer Teil an, der sich vom 2.
Ausdruck, daß es der gräflichen Mutter gewidmet bis zum 17. Schreiben erstreckt (S. 5-71 ). Es geht um ei-
ist. Was Lavater unter »denkenden« jugendli- ne Betrachtung der menschlichen Existenz, ihrer Größe
chen und erwachsenen Lesern versteht, macht fol- und ihrer Grenzen, ihrer Entfaltung und Entwicklungs-
gender Satz deutlich: »Leser, wie Ihr Sohn war, dynamik. Das Ziel dieser philosophischen Betrachtung
Beurtheiler, wie Sie- wünsch' ich mir; Solche, de- ist es, die tiefsten und fundamentalsten Bedürfnisse des
nen es um Wahrheit, Gewißheit, Ruhe, und den Menschen herzuleiten. Diese gehen darauf hinaus, die
Existenz eines persönlichen Gottes und die Unsterblich-
reinsten, kräftigsten, sichersten, geistigsten
keit der Seele anzunehmen und hiervon Gewißheit
Selbstgenuß - und sonst um nichts zu thun ist. - durch eine positive Offenbarung zu haben. Lavater geht
Ich schreibe für die, welche Philosophen, Men- es in diesem Teil des Werks um eine philosophische Be-
schen, und Christen in Einer Person zu seyn, stre- gründung der christlichen Offenbarungsreligion. Die
ben -« (Widmung). Diese Charakterisierung folgenden Abschnitte suchen darzulegen, daß die Bibel
macht zugleich deutlich, daß das Werk an geho- und ihre Lehren eine positive Antwort auf die funda-
bene adelige und bürgerliche Kreise gerichtet ist, mentalen Fragen menschlicher Existenz darstellen. Die
die dem Erwerbsleben in gewissem Ausmaß ent- Abschnitte 18 bis 24 (S. 72-118) zeichnen den Inhalt des
hoben sind und Raum für Muße und »Se1bstge- Alten Testaments in knappen Zügen nach, wobei es La-
vater auf die Herausstellung der »Hauptbegriffe« an-
nuß« entfalten können. Dermoralisch-utilitaristi-
kommt. Im Mittelpunkt steht die Gotteslehre des Alten
sche Zug ist denn auch durch eine philosophisch- Testaments. Mit dem 25. Abschnitt (S. 119ff.) beginnt
kontemplative Ausrichtung verdrängt. die Behandlung des Neuen Testaments, zu der aller-
Das Werk verfolgt die Absicht, denkende Ju- dings nur eine Einleitung gegeben wird. Im 26. Schrei-
gendliche »zum würdigen Gebrauche des heili- ben wird ein Überblick über die einzelnen Themen die-
gen Abendmahls« vorzubereiten. »Mit anderen ses nicht mehr zur Ausführung gelangten Abschnittes
Worten: Daß ich Sie zum Verständniß und zur gegeben: Behandelt werden sollen die Lehre Jesu, sein
Empfindung des grössten aller Geheimnisse, oder sittlicher und religiöser Charakter, seine außerordentli-
vielmehr des Aufschlusses aller Göttlichen Offen- chen Geistes- und Wirkungskräfte, »die Beziehung sei-
ner Geschichte, seines Charakters, seiner Kräfte auf die
barungen einweihe.« (S. 1) Bei der Ausarbeitung
Bedürfnisse und Glückseligkeit der Menschen«, der
der Schrift hat Lavater drei Gesichtspunkte zu »Zusammenhang seiner Geschichte mit den früheren
vereinigen gesucht: Sie soll zugleich philoso- Offenbahrungen«, die Glaubwürdigkeit der Urkunden
phisch, biblisch und praktisch sein. »Durchaus sowie die Stiftungen und positiven Gesetze Jesu für sei-
philosophisch, das ist: ohne alle Voraussetzung, in ne Jüngerschaft (S. 125 f.).
den allgemeinsten Gesichtspunkten - durchaus Das Werk hat die Gestalt einzelner Schreiben an
biblisch, - ohn' alle Rücksicht und Hinaussicht den Grafen, der denn auch häufig unmittelbar ange-
auf Privatmeynungen, von welcher Art sie seyn,- sprochen wird. Lavater hat auch dieser Schrift den Cha-
und durchaus praktisch und anwendbar - zu rakter eines freundschaftlichen und brüderlichen Rates
gegeben. Der Lehrende gibt auch hier sich konsequent
schreiben.« (Widmung)
als Freund aus und sieht in seinem Schüler einen Gleich-
berechtigten, den er respektiert und achtet. Diese Hal-
Die Unterweisung des jungen Grafen war zwar tung schließt das Eingeständnis eigener Fehler und die
»die erste Veranlassung und der unmittelbare Gegen- Aufforderung zur Kritik mit ein.
stand« der vorliegenden Schrift; für die Publikation
Mit seiner philosophischen Einleitung in die
aber wurde diese »freylich weiter ausgearbeitet«. Lava-
ter spricht von einer nachträglichen »zehnfach erweiter- Religionslehre geht es Lavater nicht darum, die
ten Ausarbeitung« (Widmung). Die 26 Schreiben sind Offenbarungswahrheiten vernunftmäßig zu be-
sämtlich datiert: Das erste stammt vom » 15. Aug. weisen und das Christentum als Vernunftreligion
1781 «,das letzte vom »4. September 1781 «. Diese Da- darzutun. Seine philosophische Begründung der
tierung bezieht sich vermutlich auf die Unterrichtung christlichen Religion ist rein praktischer Art: Sie
des jungen Grafen. Das Widmungsschreiben wie eine beschränkt sich darauf nachzuweisen, daß die
Schlußbemerkung stammen demgegenüber vom 24. 2. christliche Religion eine vollendete Befriedigung
bzw. 5. 3. 1788; es darf angenommen werden, daß in der tiefsten Bedürfnisse des Menschen bedeutet
diese Zeit auch die Ausarbeitung der Aufzeichnungen und eine Annahme ihrer Glaubenslehren zu einer
für den Druck fällt. Am Schluß des Widmungsschrei-
bens wird eine Fortsetzung des Werkes angekündigt, die
»dauerhaften Glückseligkeit der menschlichen
jedoch nicht realisiert wurde. Es stellt also in der vorlie- Natur« (S. 22) führt. Zwar klingen an verschiede-
genden Gestalt keinen vollständigen Religionsunter- nen Stellen physikotheologische Gedankengänge
richt dar; Lavater hat nur einen Teil der Entwürfe, die und Beweise für die Existenz Gottes an (vgl. z. B.
1781 für die religiöse Unterweisung des Grafen angelegt S. 18). Lavater hält jedoch den Schluß auf das Ge-
wurden, für den Druck umgearbeitet. Das letzte Schrei- genteil nicht für unwahrscheinlicher. Zudem kön-
777 Lavater, Religionsunterricht, 1788 778

ne aus der physikotheologischen Betrachtung nie dem der Mensch sich vereinigen kann; schließ-
der Schluß auf einen persönlichen Gott gezogen lich um das )) Bedürfnis der souverainen Herr-
werden, worauf es dem Menschen aber besonders schaft überdas Universum« (ebd.),nacheinerBe-
ankommen müsse (S. 22 f.). Die Betrachtung der stätigung der Freiheit und Überlegenheit des Gei-
äußeren Dinge ist für Lavater zwar ein wichtiges stigen. Ohne eine Erfüllung dieser Bedürfnisse
Moment - allem Wissen und Glauben müßten »giebt es keine vollkommene, keine allbefriedi-
»gewisse sinnliche Erfahrungen zum Grunde lie- gende Glückseligkeit für die menschliche Natur«
gen« (S. 26) -, in den wichtigen Glaubensfragen (S. 69). An dieser Stelle wird in Überschreitung
könne aus ihr jedoch keinerlei Antwort gewonnen der philosophischen Betrachtungsebene die Bibel
werden. Lavater betont deshalb »die äusserste als eine)) Urkunde« eingeführt, »die auf alles ant-
Unzulänglichkeit dessen, was man natürliche Re- wortet, was die menschliche Natur fragen mag,
ligion oder Gottes-Erkenntniß zu nennen pflegt« und ihm gerade alles das anbeüt, aufschließt, na-
(S. 27). Der philosophische Einleitungsteil läuft he legt, was die menschliche Natur bedürfen mag,
bei Lavater also nicht auf eine natürliche Religion und was sie in der sichtbaren Welt nicht findet«
hinaus, sondern im Gegenteil auf den Nachweis (ebd).
der )>Unumgänglichen Nothwendigkeit einer Bemerkenswert innerhalb des philosophi-
freythätigen positiven Offenbahrung« (ebd.). schen Teils sind Lavaters Ausführungen zu der
Dieser Nachweis geschieht vermittels einer philo- Möglichkeit, sich von Gott überhaupt eine Vor-
sophischen Betrachtung der Bedürfnisse des stellung zu machen ( 16. Schreiben). Hier heißt es:
Menschen, von denen erwiesen wird, daß sie oh- )) Von einem unsichtbaren, unendlichen, unver-
ne Offenbarungsreligion nicht zu befriedigen gleichbaren, einem Ersten, ewigen, allgegenwärti-
sind. gen, Alles in Allen wirkenden Wesen aller We-
Der erste Teil entwirft eine philosophische sen[ ...] können wir uns schlechterdings keinen
Anthropologie: Ausgegangen wird von der Exi- wahren, bestimmten, brauchbaren, beruhigenden
stenz des Menschen als dem Gewissesten, sodann Begriff machen! Zwischen schlechterdings Un-
wird der Mensch als das zusammengesetzte We- endlichen und Unermeßlichen, und dem so sehr
sen zweier Kräfte, der »mechanischen« und der Endlichen und Eingeschränkten - kann ohne
»willkührlichen«, begriffen (S. lOf.). Hieran Mittelbegriffe, Mittelverhältnisse, ohne Media
schließt sich eine Theorie der Bedürfnisse und ih- perceptionis keine wahre Verbindung und Ge-
rer Befriedigung an (S. 14 ff. ). Die wahre Glückse- meinschaft[ ... ] statt haben«. (S. 63 f.) Für Lavater
ligkeit besteht für Lavater darin, daß »immer kann Gott »ohne einen Mittelbegriff, ohne ein
neue Bedürfnisse in der menschlichen Natur er- Wesen, das zwischen uns und ihm steht; ohne ei-
weckt, und immer neue Kräfte in ihr entwickelt ne Person, die von Ihm und von uns viel ähnliches
oder ihr dargebotten werden, diese Bedürfnisse hat, schlechterdings nicht begriffen werden« (S.
zu befriedigen« (S. 13). Es folgt ein groß angeleg- 64). Alle Völker und Nationen hätten das Bedürf-
tes Bild der Unerschöpflichkeit der menschlichen nis nach einem solchen »Mittelwesen« gespürt
Bedürfnisse auf allen Ebenen seines Daseins ( 10. und diesem unzählig viele Gestalten gegeben. La-
bis 13. Abschnitt). Dieses zeigt schließlich, daß vaters Theorie des )) Mittelbegriffs« ist also noch
»in der menschlichen Natur eine Menge von tie- nicht speziell auf die Gestalt Jesu gemünzt; sie gilt
fen reellen, unaustilgbaren Bedürfnissen vorhan- für jegliches Sich-Offenbarmachen Gottes über-
den ist, wozu sich in der sichtbaren, physischen, haupt, das nur als eine solche Vermittlung zwi-
moralischen, intellektuellen Welt keine Befriedi- schen Unendlichem und Endlichem gedacht wer-
gungsgegenstände darstellen« (S. 47). Der Be- den kann. Diese erkenntnistheoretischen Refle-
trachtung dieser übersinnlicher Bedürfnisse wid- xionen aber bilden nur den Ausgangspunkt von
men sich die folgenden Abschnitte. Es handelt Lavaters Gottesvorstellung: Schon an dieser Stel-
sich um das Bedürfnis nach einer metaphysischen le deutet sich an, daß Gott nicht mehr das Unend-
Bekräftigung des »moralischen Gefühls« und Be- liche ist, sondern mehr und mehr mit dem Mittel-
ruhigung des Gewissens durch die Gewißheit dar- wesen identisch wird. Lavater spricht von einem
über, daß die Sünden verziehen, das Gute belohnt »gedenkbaren, begreiflichen, menschlichen
und das Böse bestraft wird; um das)) Bedürfnis ei- Gott«, von einem den Menschen »analogen, ge-
nes entscheidenden Orakels«, nach übersinnli- denkbaren Gott, der den an sich selbst Unbegreif-
chen Fingerzeigen in trostloser Verworrenheit, lichen, Unendlichen einerseits so wahr, wie mög-
und um das Bedürfnis nach übersinnlicher Hilfe lich darstellen, andererseits ihnen diesen so nahe
in Situationen, in denen »keine natürliche Ret- bringen, so genießbar machen würde, wie mög-
tung abzusehen ist« (S. 67); um das Bedürfnis, lich« (S. 65). Die ursprünglich nur erkenntnis-
Gewißheit über die Unsterblichkeit der Seele zu theoretisch motivierte Herleitung des )) Mittelbe-
haben; um das Bedürfnis nach einer Sinn und Zu- griffes« wird unter der Hand ontologisiert: Das
sammenhang stiftenden Kraft, einer »alles Leben » Mittelwesen« ist der sich offenbarende Gott
immer neubelebenden Gottheit« (S. 68); um das selbst. Auf dieser Basis kann sich Lavaters Vor-
Bedürfnis nach einem persönlichen Gott, mit stellung eines persönlichen Gottes dann problem-
779 Religiöse Schriften 780

Gott, wie sich die menschlichen Bedürfnisse [ ... ]


einen Gott wünschen mögen.« (S. 87 f.) An einer
anderen Stelle heißt es: ))So ist einmal der Bibel-
gott! Werder nun angenommen oder verworfen-
ausgezischt oder angebehtet- Ich will Ihn darstel-
len, wie er dargestellt wird. Ich will nichts dazu
und nichts davon thun. - Ich will Ihn nicht mei-
nem Zeitalter, nicht irgend einem besonderen,
wahren oder falschen philosophischen oder theo-
logischen Geschmacke nach bequemen« (S. 87).
Auf der Basis seiner Gottesvorstellung
braucht Lavater nicht zu Deutungen Zuflucht zu
nehmen ; was er in bezugauf eine Episode fest-
stellt, kann für sein ganzes Bibelverständnis ste-
hen: »Diese Erzählung hat gar keinen Sinn, wenn
sie nicht einfältig, buchstäblich verstanden wird.«
(S. 88) Nur an einer Stelle scheint sein buchstäbli-
~ona4 unb btt mlRllfifd). ches Schriftverständnis in Zweifel zu geraten:
»Wenn es blosse Poesie, bloß Erdichtung wäre,
@=!n nngt'~currr \jifd;l DOn bic(n- o&n- cina anbtm 9Ift &lrl was uns die Schrift erzählt;- Welche Poesie! Wel-
fdll•ng ~cn 31111d - ~rro 1•ßc lang blkb 3oaol roic io
ibm ~crsrnbcn. - 'll6fr 1!)011, 6fr TCI!tn tonn, wo feine che Erdichtung! Welche Einfalt und Hoheit! Dem
lR«!Ung mc~r möglid;l fd/cm! , crbicl! i~n, lllril er bc~mÜ!~9 Unwahrscheinlichsten, welche Wahrscheinlich-
unb btrrraucn,ooD 111 i~tn ~c~tc. ~cc \ji(cfl f~it Ibn micbct keit gegeben! Dem Unglaublichsten, welche
unbc(ciJ<INg! ant l?anb.
Glaubwürdigkeit! Dem Erhabensten, welche Na-
E5ud) ~ulfc nur bn)m J)~rn! (!r ~1!0 oad )cbcr ur~t~ r türlichkeit! Dem Befremdesten, welche Gefallig-
e:llc~, 11111! bu itfrb{l, ll<sl \jc~lct bdnrm (!!.01!!
keit!« (S. 90) Diese Bemerkung gerät ganz in die
Nähe von Herders Verständnis der »ältesten Ur-
Schellenberg, Johann Rudolf: 60 Biblische Ge- kunde der Menschheit«; sein Name findet denn
schichte des alten Testamentes in Kupfer geaezt. auch an einer Stelle Erwähnung (S. 21 ). Lavater
- Winterthur 1774. (Nr. 787) Kupfer Nr. 58 (Text bleibt jedoch bei seinem streng buchstäblichen
von Lavater.) Verständnis der Schrift: Die in ihr geschilderten
Weisen göttlichen Sichoffenbarens und Eingrei-
los entfalten, wie die folgenden Abschnitte zei- fens sind im strengen Sinne wörtlich zu nehmen.
gen. In diesem Zusammenhang kommt denn
Der »alles in sich schließende Hauptbe- auch Lavaters These der Gebetserhörung zur
griff« des Alten Testaments besteht für Lavater in Sprache. Gott erscheint nicht nur als handelnde
dem Satz: »Es ist ein freythätiger, sich offenbah- Person, spricht nicht nur durch den Mund von
render, Alle die Ihn suchen, unmittelbar und au- Priestern und Propheten, er erhört auch die Gebe-
genscheinlich beglückender Gott.« (S. 78) Für te seines Volkes. Die israelitische Geschichte ist
Lavater besagt die Schrift, daß Gott- »aller seiner für Lavater eine »Geschichte der positivsten Ge-
unermeßlichen Grösse, seiner allgegenwärtigen betserhöhrungen «.
Alles umfassenden Wirksamkeit ungeachtet -
durchaus als ein gedenkbares, begreifliches, der Das für die religiöse Unterweisung des Grafen an-
menschlichen Natur analoges Wesen sich offen- gefertigte Manuskript hat Lavater im Freundeskreis be-
bahrt« (S. 80). bies nimmt sich konkret so aus: reits 1781 zirkulieren lassen. Goethe erhielt einen Brief
»Der Gott der Bibel, mein Lieber, handelt durch- »von K.«, der folgende ausführliche Stellungnahme zu
dem Manuskript enthielt: »Bey des Menschen täglicher
aus wie sonst ein beschränktes menschliches We- Schwachheit nemlich ist es gut und ist nöthig, daß er
sen.- So große Dinge von Ihm, von seiner Macht sich einen Helden - einen Helfer, ein höheres Ideal der
und Wirksamkeit, erzählt werden; Er erscheint, Vollkommenheit, vergegenwärtige. Je erhabener und
spricht, handelt, empfindet sogar, auf eine der menschlicher zugleich dieses ist, je näher er es sich biß
menschlichen Natur analoge Weise-« (S. 86f.). zur Gegenwart der Gottheit darstellen kann, desto nüzli-
Daß Lavater mit diesem Verständnis des bibli- cher und hülfreicher ist es für ihn. Dies haben die alten-
schen Gottes sich in einen Gegensatz zu seiner Heiden schon gesagt. Solch ein Beystand ist auch wirk-
aufgeklärten Zeit begibt, ist ihm im Bewußtsein: lich, dem Menschen der ihn braucht, göttlich. Es ist ihm
»Der Gott, den die Bibel uns darstellt - ist nicht die Gottheit, wie Lavater sagt vermenschlicht. Was
braucht es nun also weiter über Dogmata zu streiten, die
der Gott der Philosophen unserer Zeit; - Nicht immer fatal sind. Jesus Christus ist Lavaters menschli-
ein bloß unendliches, unbegreifliches, ungedenk- cher Gott, und er ist es auch wirklich, und aller, die ihn
bares- Ich weiß nicht was! - Er ist zugleich, inso- für das brauchen, wozu ihn Lavater braucht - nemlich,
fern er sich offenbahret, eine anschaubare, positif den flachen Damm unseres Gemüthes, gegen die los-
und freyhandelnde Person; Ein menschlicher rauschenden Leidenschaften damit zu verstärken, und
781 Liebner, Nöthiger Unterricht, 1789 782

zu erhöhen, die lokere Wände und die gemachten Risse zeitliche Vortheile verschaffen, oderSchaden und
damit auszustopfen und zu versichern. Dies ist gut und Gefahr von sich abwenden wollen« (2. ungez. S.).
ist menschlich und ist wahr. Wenn aber Lavater bekeh- Die Ursachen für diese Mißstände lägen in der
ren will, wenn er jungen Leuten und sogar einen Graf
Erziehung begründet; in der Jugend hätten sie
Wartensleben, der in die Welt gehen soll ermahnt, kei-
nem Menschen zu trauen auch nicht einmal Gemein-
»einfältige Bücher gelesen« oder ))dergleichen
schaft mit ihm zu haben, der nicht ein Christ sey, so fin- Fratzen von unwissenden und leichtgläubigen
de ich es eben darnm abgeschmackt, weil dadurch die- Leuten« gehört. Diese Eindrücke seien so stark
ses erste Principium, warum man glauben kann und soll, gewesen, daß sie auch in erwachsenen Jahren haf-
aufgehoben wird, das Christenthum nicht mehr eine ten geblieben seien. Daher müsse man die Jugend
Herzenssache, sondern eine fanatische Wuth um ein nie schon frühzeitig aufklären: »Diese muß frühzei-
zu erweisendes Dogma wird.« (zit. n. Funck, 1901, tig davon unterrichtet, dafür gewamet, ihr das
S. 203 f.) Goethe hat dieses an ihn gerichtete Schreiben Thörichte, Lächerliche und Schädliche davon ge-
Lavaters in einem Brief von Juli 17 82 mitgeteilt. Lavater
zeigt, und durch Beyspiele erläutert werden.« (5.
scheint seinem Antwortbriefvom 28. 7. 1782 an Goethe
das Manuskript beigefügt zu haben. Er fordert Goethe ungez. S.).
auf, das Manuskript selbst zur Kenntnis zu nehmen: Liebnerwürdigtdie Werke Weißes, Campes,
»Daß du nur fragen kannst, ob ich Wartensieben gegen Salzmanns und Gözes, die »in ihren vortreflichen
Alles, was nicht Christ ist, so eingenommen habe?[ ...] Jugend- und Erziehungsschriften, bey vorkom-
Lies oder lies nicht [...] Ich sehe einen fremden Geist um mender Gelegenheit, den Aberglauben in seiner
dich schweben! das hat nicht Göthe geschrieben[ ... ].« Thorheit und Schädlichkeit gezeigt« hätten
(zit. n. Funck, 1901, S. 208) (ebd.); ))allein da dieser Männer Schriften sich
In der Allgemeinen Litteratur-Zeitung vom 22. 5. über vielerley Kenntnisse ausbreiten, und den
1788 wird das vorliegende Werk als »hellste, fehler-
Aberglauben nur beyläufig berühren, da sie auch
freyeste und ordentlichste« Schrift Lavaters bezeichnet.
-Es findet bei Angst (1947) Erwähnung. Die folgende zum Theil, ihres großen Umfangs wegen, in einem
Bemerkung muß allerdings als Fehlurteil gewertet wer- solchen Preise sind, daß sie nicht von allen Ael-
den: »Lavater entwickelt das Christentum als Ver- tem können angeschaft werden; so hoffe ich
nunftsreligion und bestätigt und ergänzt seine Behaup- durch dieses kleine Buch, das wider den Aber-
tungen anhand der Offenbarung, deren Glaubwürdig- glauben nicht nur absichtlich geschrieben ist, son-
keit er fürbeweisbar hält.« (S. 51) Dem ist entgegenzu- dern auch mit wenig Kosten erlangt werden kann,
halten, daß unter allen Jugendschriften Lavaters dies jungen Leuten aus jedem Stande Belehrung dar-
diejenige ist, in der sich sein buchstäblicher, antirationa- über geben zu können« (8. ungez. S.).
listischer Biblizismus am gewichtigsten manifestiert.
Folgender Bemerkung ist dagegen zuzustimmen: »Die In fünf »Abtheilungen« handelt Liebner das The-
Schrift erhebt bemerkenswerte Anforderungen an die ma Aberglauben ab. Er beginnt zunächst mit einer allge-
Denkfähigkeit und ist nur für überdurchschnittlich be- meinen Erläuterung »Vom Aberglauben überhaupt«
gabte und geschulte junge Leute zu verstehen, für sie (S. 1-37), den er so charakterisiert: »Der Aberglaube
aber ungemein anregend.« (ebd.) E. hoft Gutes und fürchtet Böses, da, wo eigentlich nichts
zu hoffen und nichts zu fürchten ist.« (S. 1 f.) Liebner
unterscheidet zwischen dem Aberglauben in der Reli-
gion und dem Aberglauben »im gemeinen Leben«. Die
1789 erstere Variante komme bei nahezu allen außerchristli-
chen Religionen und beim Katholizismus vor. Im ersten
Johann Adolph Liebner (ca. 1750-1808): Kapitel behandelt Liebner weitgehend die profanen
Nöthiger Unterricht über den noch Ausprägungen des Aberglaubens, die zum Teil auf-
grundvon Volkslegenden entstanden sind. So den Ge-
herrschenden schädlichen Aberglauben unter
spenster· und Geisterglauben, die Traumdeutungen,
den Christen, ein Lesebuch besonders für die Bauernregeln, die Bedeutungen von Zahlen und
Jugend. Zahlenkombinationen und die Weissagungen aus dem
Erfurt 1789 Bereich der Astrologie, die seinesErachtensaus Unwis-
senheit über die natürlichen Vorgänge folgen. Die
Kenntnis der Naturwissenschaft könne diesen Irrtü-
Liebners Schrift hat das Ziel, »die Jugend über- mern abhelfen, jedoch weist Liebner insbesondere dar-
haupt vor dem so schädlichen und schändlichen auf hin, »daß bloße weltliche Wissenschaften, wenn sie
Gift des Aberglaubens bey Zeiten zu verwahren« nicht zugleich mit wahren Religionskenntnissen aus der
(Vorrede, 7. ungez. S. ). Zwar hätten sich »gelehrte heiligen Schrift verbunden sind, wider den Aberglauben
und verständige Männer« bemüht, durch ihre nicht allezeit schützen können; und daß die Unglaubig-
Werke den Aberglauben unter den Christen aus- sten an das göttliche Wort, mehrentheils die Aberglau-
zurotten, doch sei ihre Absicht nicht gänzlich er- bigsten sind« (S. 36). Bemerkenswert ist die Form, in
reicht worden. Für besonders erschreckend hält der Liebner in diesem ersten Kapitel seine Belehrungen
vermittelt. So läßt er den Aberglauben »gleichsam in
es Liebner, daß »Gelehrte und selbst Geistli- Person reden und seinen Kram selbst auspacken«, und
che[ ... ] diese und jene Allfanzerey des Aberglau- merkt an: »vielleicht giebt er euch mit unter etwas zu la-
bens für wahr halten, und sich darnach richten; chen.« (S. 5) Die Kommentierung der Aussagen, bzw.
ja, durch gewisse abergläubische Gebräuche, die ihre Richtigstellung erfolgt in Form von Anmerkungen,
oft sehr lächerlich und albern sind, sich entweder die Liebner oft zu spöttischen bis ironischen Äußerun-
783 Religiöse Schriften 784

gen veranlassen. Als die Rede auf Berggeister kommt, » Irrthum und Thorheit, weil er sich nie auf etwas
»die die Bergleute bey ihrer Arbeit so oft beunruhigen, Gewisses gründet, sich nie mit der gesunden Ver-
und mit Steinen werfen«, merkt Liebner z. B. an: »Bis- nunft zusammen reimet, und vornehmlich mit der
weilen sollen sie ihnen aber auch arbeiten helfen. Es
von Gott geoffenbarten Religion streitet« (S.
kommt also darauf an, bey welcher Laune sie sind.« (S.
6 f.)
I 05). Zu dem Religionsaberglauben gehören
Im zweiten Kapitel berichtet Liebner vom »Ur- nach Liebner »der ganze heidnische Götzen-
sprunge des Aberglaubens unter den Heiden« (S. dienst, da man lauter falsche und erdichtete Gott-
37-64), der aus Unwissenheit und Einfalt der Men- heiten mit Gebet und Opfern verehret, und sie ent-
schen entstanden sei, »wozu sich hernach bald List, Be- weder fürchtet oder liebet; desgleichen ein großer
trug und Bosheit gesellete, und ihm Nahrung und Un- Theil der jüdischen und muhamedanischen Re-
terhalt verschaffte« (S. 37). Zunächst befaßt er sich mit ligionsgebräuche, wie man aus ihren Religions-
dem Götterglauben der Antike und verknüpfte diesen und Glaubensbüchern, als dem Talmud der Ju-
mit den Praktiken der römisch-katholischen Kirche:
den, und Koran der Türken sehen kann; ferner
»Sollte man an den so vielen und verschiedenen Schutz-
heiligen der römischen Kirche, nicht noch eine Nachah- die Anrufung der Engel und verstorbener Men-
mung dieses alten abgöttischen Aberglaubens der Hei- schen, die man für besondere Heilige hält, und so
den finden?« (S. 44 f.) Liebner erläutert Traumdeuterei gar ihre vermeinten hinterlassenen Sachen- Reli-
und Orakelsprüche bei Griechen und Römern und gibt quien - noch verehret, und ihnen allerley Wun-
zahlreiche Beispiele aus der Geschichte. Stets ist er da- derkräfte zuschreibet, wie noch von einem großen
bei bemüht, den Bezug zur Gegenwart herzustellen. Als Theil der Christen geschiehet« (S. 2 f.). Daherver-
Fortsetzung folgen nun im dritten Kapitel Ausführun- bindet Liebner seinen Kampf gegen den Aber-
gen zu der» Fortpflanzung des Aberglaubens unter den glauben zugleich mit der Kritik an der Praxis der
Christen« (S. 65-1 05). Liebner kritisiert heftig, daß un-
katholischen Religionsausübung. So setzt er sich
ter den Christen die Teufel und Engel an die Stelle der
guten und bösen Götter der Alten getreten seien, und er- beispielsweise bei seiner Erläuterung der histori-
läutert die Praktiken der Exorzisten. Die Christen hät- schen Ursachen des Aberglaubens in besonderem
ten den Aberglauben von den Heiden übernommen und Maße mit dem »Mönchswesen« des Mittelalters
ihm lediglich ein »christlich Gewand angezogen« (S. auseinander, wodurch die katholische Kirche die
79). In dem folgenden Kapitel »Von der Thorheit und Angst der Menschen vor Geistern, Gespenstern
Schädlichkeit des Aberglaubens« (S. 105-158) befaßt und dem Teufel geschürt habe, in Wirklichkeitje-
sich Liebner überwiegend mit dem Gespenster- und doch nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht gewe-
Hexenglauben, der Zauberei und den Traumdeutun- sen sei. Den Grund dafür, daß die Bevölkerung
gen. Da er die Existenz des Teufels verneint, ist er der
den Mönchen glaubte, sieht Liebner zum einen
Auffassung, man solle im Katechismusunterricht die
Antwort auf die Frage» Was heißt zaubern?« ändern in: darin, daß »der Mensch immer von Natur zum
»Es heißt aller Betrug, da man vorgiebt durch den Bey- Wunderbaren und Ausserordentlichen geneigt«
stand einer unsichtbaren geistigen Macht allerley aus- sei (S. 77), zum anderen und vorrangig darin,
serordentliche Dinge verrichten zu können.« (S. 120) »daß man nach und nach dem größten Haufen
Liebner wehrt sich dagegen, Träumen einen Bedeutung die heilige Schrift entzog und zuletzt gar bey Le-
beizumessen, die sie lediglich zur Zeit der göttlichen Of- benstrafe zu lesen verbot, daher so leicht Nie-
fenbarung gehabt hätten. Träume seien nichts anderes, mand sich selbst aus derselben unterrichten konn-
»als natürliche Gedanken, Vorstellungen und Empfin- te, nur die Geistlichen allein behielten sich das
dungen der Seele, die sie entwedervon gewissen äusse-
Recht vor, sie zu lesen und zu erklären« (ebd.).
ren Gegenständen, die sie durch den Körper empfindet,
hat, oder von der Einbildungskraft erzeugt werden, wel- Luther habe vor allem dazu beigetragen, dem
che Gedanken, Vorstellungen und Empfindungen sie Aberglauben einen heftigen Stoß zu versetzen,
im Schlafe eben so fortsetzet, als beym Wachen« (S. und die Reformation habe auch auf den Katholi-
126). Er belegt seine Aussagen mit Verweisen auf ent- zismus eine heilsame Wirkung ausgeübt: »daß sie
sprechende Bibelstellen und argumentiert überwiegend den Aberglauben verdrängte und ihn immer mehr
aus einer religiös fundierten und an der Vernunft orien- und mehr entlarvte; welche Wirkung wir, beson-
tierten Sicht. Das letzte Kapitel handelt von »kräftigen ders in unsern Zeiten, sehr deutlich wahrnehmen.
Mitteln wider den Aberglauben« (S. 159-181). Hierzu Denn was sind alle Aufklärungen in Religion und
gehören, so Liebner, vorrangig »eine gute und richtige
Kenntniß der geoffenbarten Religionswahrheiten aus
Wissenschaften, die man jetzt in katholischen
der heiligen Schrift« (S. 159). So fordert er insbesondere Ländern findet, anders, als immer noch die heil-
für Landschulen, wo der Aberglauben noch stark ver- samsten Folgen von Luthers Reformation?« (S.
breitet sei, »nur noch durchgängig vernünftige und 83)
selbst vom Aberglauben befreyte Schullehrerund Predi- Liebners kritische Ablehnung aller wunder-
ger auf den Dörfern« einzustellen, »so die Religions- baren Ereignisse als Aberglauben beanspruchtje-
und Naturkenntniß, nach den Bedürfnissen der Land- doch nur für die nachbiblische Zeit Geltung. Zur
leute, weislich mit einander zu verbinden wissen« (S. Zeit Jesu dagegen seien etwa Traumdeutungen
166). Zum Schluß richtet Liebner einen Appell an seine nicht als Aberglauben zu werten. Liebner geht da-
Leser in allen Ständen, selbst tätig zu werden und zur
von aus, daß Joseph und Daniel lediglich Voll-
Aufklärung der Mitmenschen beizutragen.
strecker der göttlichen Offenbarung gewesen
Liebner charakterisiert den Aberglauben als und somit die in der Bibel wiedergegebenen
785 Bahrdt, Katechismus, 1790 786

Traumdeutungen wahr seien (vgl. S. 124). Da Liebner noch eine Anmerkung hinzu, wobei er
nunmehr die »ausserordentlichen Offenbarun- sich, wie häufig in seinem Werk, auf Schrökh und
gen Gottes längst aufgehöret« hätten (ebd. ), sei es Göze beruft. Er führt aus, daß ))die ganze Ge-
ein Verbrechen, Träume immer noch deuten zu schichte von D. Fausten, der in so vielen Schriften
wollen. und Schauspielen als ein Zauberer und Teufels-
Da Liebner der protestantischen Orthodoxie braten vorgesteilet wird, ein Märchen ist, und von
zuneigt, wehrt er sich gegen »manche neue Johann Faust, einer der ersten Buchdrucker und
Schriftausleger«, die »jene Besessene, zur Zeit Je- Verbesserer dieser Kunst herrührt, dem die Mön-
su, blos für natürliche Kranke halten, von denen che seiner Zeit solche Teufeleyen aus Neid und
die Juden sich nur fälschlich eingebildet, daß ihre Bosheit über seine Kunst, die ihren Gewinn mit
Krankheiten von bösen Geistern herrühren muß- den Handschriften so viele Abbruch that, ange-
ten, weil sie die Ursachen derselben nicht zu erklä- dichtet, um ihn bey dem Volke verhaßt zu ma-
ren gewußt, und Jesus habe sie bey ihrem Begriff chen« (S. 99 f.). Insbesondere wendet sich Lieb-
gelassen«. Dem setzt Liebner entgegen: »Hätten ner in diesem Zusammenhang gegen allegorische
sich dieses die Juden blos eingebildet; so wäre es Darstellungen in Kirchen, wie beispielsweise die
ebenfalls Irrthum und Aberglaubebey ihnen ge- des Jüngsten Gerichts. Schließlich werde der
wesen, und Jesus hätte sie ja vielmehr darinnen Aberglaube ))durch unvernünftige Aeltem selbst,
bestärkt, da er sie doch vielmehr von allem Irr- oder andere Leute, denen die Aufsicht über junge
thum und Aberglauben zu befreyen suchte. Er Kinder anvertraut wird, als Ammen, Kindermuh-
hätte ihnen also gewiß diesen Irrthum mit verwie- men u.s.w. fortgepflanzt« (S. 103).
sen.« (S. 109) Bei der Frage, ob der Unglaube oder der
Liebner befaßt sich insbesondere mit den Aberglaube mehr Schaden anrichte, meint Lieb-
Ursachen des Aberglaubens bei den Protestanten, ner, daß dies eher bei letzterem der Fall sei, da der
die doch nicht, »wie die Christen in der römi- Unglaube, ))Worunter hier eigentlich die Verläug-
schen und griechischen Kirche mit Fleiß und aus nung entweder aller, oder einiger der wichtigsten
mancherley politischen Absichten, von ihren Re- geoffenbarten Religionswahrheiten muß verstan-
ligionslehrem in abergläubischen Meinungen den werden,[ ... ] wirklich nicht so viel Anhänger
und Gebräuchen erhalten und bestärkt werden, unter dem Christenvolk« finde als der Aberglau-
sondern von je her die edle Freyheit im Denken be(S.l57). H.
und Forschen, sowohl über Religions- als Ver-
nunftwahrheiten, genossen« (S. 91 ). Liebner
macht hierfür insgesamt sechs Gründe namhaft:
Zunächst würden den Kindem bereits falsche Be- 1790
griffe von Gott und der Religion vermittelt; dies Carl Friedrich Bahrdt ( 1741-1792):
sei um so leichter, als Kinder geneigter seien, Katechismus der natürlichen Religion, als
»eher das Böse, das Falsche und Unwahre, als das
Grundlage eines jeden Unterrichts in der
Gute und Wahre anzunehmen« (S. 92). Hierin
sieht Liebner den Beweis dafür, daß die Bibel Moral und Religion, zum Gebrauche für
recht habe, wenn sie lehre, »daß der Mensch von Eltern, Prediger, Lehrer und Zöglinge.
Natur mehr zum Bösen als zum Guten geneigt Halle 1790
sey« (ebd.). Sodann habe es unter den Protestan-
ten seit Luthers Zeiten häufig Gelehrte gegeben, Der Katechismus soll, wie es in der Vorrede heißt,
»die oft selbst die abgeschmacktesten ererbten Eltern und Lehrern als Grundlage für die religiöse
abergläubischen Meinungen behaupten und vor- Unterweisung von Knaben und Jünglingen die-
tragen« (S. 93). So seien immernoch Predigt-, Ge- nen. Dabei wird betont, daß der Katechismus zu
bet- und Religionsbücher im Umlauf, »welche schwierig sei, um von Kindem ohne Hilfe benutzt
vom Aberglauben strotzen, und mit Gespenster-, zu werden, daß aber auch ein ))gemeiner Schul-
Traum- und dergleichen wunderlichen Geschich- meister«, ))der etwa vor Zeiten Stubenheizer bei
ten angefüllt sind« (ebd.). Drittens pflanze sich einem Minister, oder Bedienter bei dem Edel-
der Aberglaube »durch die grossen und kleinen manne des Dorfes war«, unfähig sei, den Kindem
Betrüger, oder Schwärmer« fort. Liebner kritisiert den Katechismus zu erklären.
die Form der Hauskalender, die »noch mit so viel Geschrieben habe er den Katechismus, so
heidnischer Astrologie« versehen (S. 98) und Bahrdt, um einem allgemeinen )) Bedürfniß« des
nicht nur ))das Orakel der Bürger und Bauern, Zeitalters entgegenzukommen: Die immer stärke-
sondern auch noch vieler Leute aus höhem und re Ausbreitung der Meinen Vemunftreligion« er-
vornehmem Ständen« seien (ebd.). Der Aber- fordere es, daß diese zur Grundlage alles Reli-
glaube werde ferner durch Bilder und Gemälde gionsunterrichts in der Jugend« gemacht werde
fortgepflanzt, die allegorische Gestalten und un- (S. 3). Das dafür nötige Lehrbuch aber soll der
natürliche Begebenheiten darstellten, ))Z. B. wie vorliegende Katechismus sein, der, so Bahrdt
der Teufel D. Fausten geholet« (S. 99). Hier fügt selbst, eine Bearbeitung seines Systems der mora-
787 Religiöse Schriften 788

fischen Religion sei. Was über die natürliche Reli- Die Übel in der Welt widersprächen nicht Gottes
gion hinaus an positiver Religion gelernt werden Weisheit und Güte, sondern seien begründet in den kör-
soll, dürfe den Jugendlichen nicht aufgezwungen perlichen und geistigen Unvollkommenheiten unserer
werden, sondern müsse ihrer freien Wahl überlas- Natur (S. 40), nämlich der Begrenztheit eines jeden
Seienden. Sie könnten aber nicht eigentlich als Übel be-
sen bleiben, und zwar erst dann, »wenn sie reif ge-
zeichnet werden, weil sie notwendig aus der Natur der
nug sind, Wahrheit und lrrthum zu unterscheiden Dinge flössen (S. 43 f.). Auf die Frage, warum Gott die
und ihrer eigenen Vernunft zu folgen« (S. 8). Menschen bei der Schöpfung nicht auf eine höhere Stu-
fe der Vollkommenheit gesetzt habe, von der aus sie
Bahrdts Katechismus, der 418 kürzere Abschnitte nicht zu so großen Verirrungen wie bisher in der
in Frage-Antwort-Form enthält, läßt sich grob in zwei menschlichen Geschichte gelangt wären, heißt es: »weil
Teile gliedern, einen ersten Teil (S. 1-78), dervon »Got- er nicht konte«. Es gehöre zu dem »nothwendigen We-
teskenntniß« (S. 79), und einen zweiten Teil (S. sen aller Dinge[ ... ], daß sie mit dem ersten Moment ih-
79-204), der von der Kenntnis der Glückseligkeit und res Daseyns auf der niedrigsten Stufe der Vollkommen-
den »Regeln ihrer Erlangung, Erhaltung und Vermeh- heit stehn« (S. 49).
rung« handelt (S. 79). Im ersten Teil wird der Unter-
schied zwischen Wissen, Glauben und Aberglaube ent- Ausführlich wird schließlich dargelegt, aus wel-
chen Gründen sich die Unsterblichkeit der Seele folgern
wickelt. Wissen sei dem Menschen durch die Wahrneh-
mung seiner Sinne gegeben, Glauben, indem er mit der läßt (S. 59-76). Als Grund angegeben werden u. a. die
Vernunft etwas aus der sinnlichen Wahrnehmung folge- Liebe Gottes, der als liebender Vater seine Kinder nicht
sterben lassen könne, und die ungleiche Glückseligkeit
re. Aberglaube hingegen zeichne sich dadurch aus, daß
man etwas glaube, ohne einen vernünftigen Grund da- der Menschen auf dieser Erde: Wenn Gott alle Men-
schen in gleicher Weise liebt, muß es ein Leben nach
für angeben zu können, und sich statt dessen der Autori-
dem Tode geben, wo diese Ungleichheit aufgehoben ist.
tät eines anderen Menschen unterwerfe. Die Autorität
selbst eines älteren und einsichtsvolleren Menschen sei Am Schluß wird betont, daß der Mensch von Gott je-
lediglich ein »gutes Vorurtheil« für die Richtigkeit einer doch für diese Welt gemacht sei. Deswegen könne er
sich auch keine genaueren Begriffe von dem Leben
Sache: »Aber glauben, fest glauben, daß etwas möglich
nach dem Tode machen: sonst würden vor der Herrlich-
oder wirklich sey- so daß ich davon meine Empfindun-
gen und Handlungen leiten ließe- das würde ich nicht, keit des Jenseits die Freuden des Diesseits verblassen.
sobald die Sache meine Glückseligkeit angienge, wo- Der zweite Teil nennt als Grundlage der Glückse-
fern Sie nicht auch deutliche Begriffe und unwidersteh- ligkeit die Gesundheit des Leibes und gibt sieben Re-
liche Gründe mir vorlegten. Ohne dieses muß man kei- geln zur Gesunderhaltung bzw. Verhaltensregeln im
nem Menschen glauben und wenn er noch so groß und Falle einer Krankheit (S. 89-97). Als Mittel zur Glück-
erhaben zu seyn schiene.« (S. 9) In diesem Zusammen- seligkeit wird dagegen die Tugend bestimmt. Ihr Wesen
hang wird auch der Glauben an die göttliche Offenba- bestehe in der Menschenliebe, die wiederum denjeni-
rung verworfen: Gott belehre die Menschen nicht über gen auszeichne, der die Güter und Freuden anderer
die Offenbarung, sondern er habe ihnen als Quelle der mehre und darin zugleich eigene Freude finde (S. I02).
Wahrheit Sinne und Vernunft gegeben (S. I Of.). Als die beiden Haupttugenden eines solchen Men-
Der Gebrauch der Sinne und der Vernunft sei bei schenfreundes werden Gerechtigkeit und Gemeinnüt-
jedem einzelnen Menschen außerordentlich verschie- zigkeit bestimmt.
den; deswegen sei Wahrheit immer subjektiv begrenzt. Im dem Teil über die Gerechtigkeit (S. 103-129)
Daraus wiederum folge das Gebot der Toleranz: »daß werden die Rechte und Pflichten des Menschen be-
jeder dem andern seine Freiheit lassen muß, zu glauben, handelt, die in natürliche und bürgerliche Rechte unter-
was er wil und kan: daß man keinen Menschen, um kei- schieden werden. Unter die natürlichen Rechte werden
nerlei Meinung willen, hassen oder verfolgen muß« (S. gerechnet: das Recht auf Leben und Gesundheit, das
13). Trotz der Bedingtheit der von dem Menschen zu er- Recht auf Eigentum, das Recht auf freie Entwicklung
reichenden Wahrheit seijedoch das Streben nach Wahr- der eigenen Kräfte und Fähigkeiten, das Recht auf Ehre
heit die höchste Zierde des menschlichen Geistes und (als das Recht, von den anderen Menschen als Mensch
unabdingbar für seine Glückseligkeit; denn erst wenn behandelt zu werden) und das Recht auf freie Mei-
der Verstand durch die Wahrheit gebildet sei, wisse der nungsäußerung. Diese natürlichen Rechte gründeten
Mensch, auf welche Gegenstände er seine Neigungen sich auf den Willen Gottes; sie seien »algemeines, göttli-
richten solle, um wahre Glückseligkeit zu erringen. Nur ches, unverlezbares Menschenrecht« (S. 107). Zu den
die Wahrheit schließlich trage zur Mäßigung der Emp- bürgerlichen Rechten des Menschen werden das Re-
findungen bei und sei die Quelle aller Tugend. Die gentschaftsrecht, das Vertragsrecht, das Eherecht und
höchste Erfordernis der Glückseligkeit sei es deswegen, das Eidrecht gezählt.
sich »im Gebrauche der Vernunft« zu üben, sich »an ei- Die Gemeinnützigkeit, die zu der Gerechtigkeit
genes Nachdenken« zu gewöhnen und lebenslang nach hinzutreten müsse, um den Menschen vollkommen zu
Wahrheit zu streben (S. 18). machen, besteht bei Bahrdt aus Arbeitsamkeit, Wohltä-
Gott wird bestimmt als Schöpfer des Weltalls, als tigkeit und Geselligkeit. Zur Geselligkeit wiederum ge-
erste Ursache, seine Existenz abgeleitet aus dem die ge- hören: Gewissenhaftigkeit, Verschwiegenheit, Lobprei-
samte Natur durchwaltenden Kausalitätsprinzip. Auch sung des Guten anderer Menschen, Friedfertigkeit, Ge-
die Eigenschaften Gottes- unbegrenzter Verstand, un- fälligkeit, Bescheidenheit, Achtung gegen alle Men-
begrenzte Güte und Liebe, Macht und Wahrhaftigkeit- schen, Großmut und Edelmut, Festigkeit des Charak-
werden aus der Betrachtung der Zweckmäßigkeit seiner ters, Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, Freundlichkeit
Schöpfung hergeleitet. Die Eigenschaften der Ewigkeit, und Reinlichkeit (S. 138 f.). Das Kind sei außerdem zu
der Notwendigkeit und der Unendlichkeit dagegen wer- Gehorsam gegenüber Eltern und Lehrern verpflichtet-
den als unklare Begriffe zurückgewiesen. allein schon aus Dankbarkeit für deren Mühe und Sorg-
789 Bahrdt, Katechismus, 1790 790

falt, aber auch, weil ansonsten Bildung und Erziehung geführt haben, werden auf verkehrte Erziehung
nicht möglich wären. - Schließlich habe der Mensch reduziert und die »Selbstkenntniß« auf rationale
auch ein Recht auf den Genuß sinnlicher Freuden; es Einsicht beschränkt, die sich, ungeachtet des hi-
seien aber bestimmte Regeln zu beachten, um zu vermei-
storischen Gewordenseins von Bewußtseins- und
den, daß ihr Genuß gefährlich werde.
Verhaltensstrukturen, ohne weiteres in Handeln
Bahrdts theologische Position ist die eines umsetzen läßt.
konsequenten Deisten. Religion wird von ihm, Bahrdts gesellschaftspolitische Ansichten
wie bereits Titel und Vorrede deutlich machen, als sind weniger radikal als seine theologischen. Die
»natürliche Religion« verstanden, die nur solche Ständehierarchie wird von ihm nicht angetastet,
Wahrheiten enthält, die dem Menschen durch und bei dem Regentschaftsrecht hält er an der Ge-
Sinne und Vernunft gegeben sind. Gott, zu dessen horsamspflicht des einzelnen Untertanen auch
Erkenntnis der Mensch über das Studium der Na- gegenübereinem unwürdigen Herrscherfest Auf
tur gelangt, wird als Schöpfer des Weltalls ver- der anderen Seite ist hervorzuheben, daß er in sei-
standen, der Offenbarungsglaube als Unterjo- nen Katechismus statt der zehn Gebote die
chung der Vernunft verworfen. Damit geht Menschenrechte aufnimmt (ohne das Recht auf
Bahrdt weit über das hinaus, was andere Philan- Gleichheit); und in bezugauf das Regentschafts-
thropen, ja selbst Basedow vertreten haben, der recht betont er, daß die Rechte des Herrschers die-
immerhin noch Offenbarungsbegriff und Ver- sem von der Gesellschaft »freiwillig« übertragen
nunftbegriff miteinander zu verbinden suchte worden seien (S. 116) und weiterhin der Gesell-
(vgl. Meiers 1969, S. 70ff.). Die biblische Ge- schaft »gehören« (S. 114). Folglich hörten alle
schichte spielt in Bahrdts Katechismus keinerlei Pflichten der Untertanen auf, sobald der Regent
Rolle, und die Gestalt Jesu ist reduziert auf denje- die Sicherheit, zu deren Zweck sie ihm bestimmte
nigen, der der Vernunft bzw. der natürlichen Reli- Rechte übertragen hätten (dazu wird auch aus-
gion wieder zu ihrem Recht verhalf. Alles, was zur drücklich die Garantie der natürlichen und bür-
positiven Religion gehört, ist ohnehin ausgeklam- gerlichen Rechte gezählt), nicht mehr gewährlei-
mert. Bahrdts Katechismus hat insofern mit dem sten will. (S. 117). Die Folgerung, daß in diesem
traditionellen Lutherschen Kathechismus eigent- Fall die Gesellschaft den Vertrag aufkündigen
lich nichts mehr gemein; er ist in seinem ersten kann, wird nicht gezogen; sie ist in diesen Worten
Teil eine Einführung in theologische und erkennt- aber doch deutlich als Möglichkeit angelegt.
nistheoretische Grundfragen und in seinem zwei- Die vertragsrechtliehen Prinzipien werden
ten Teil Staatsbürgerkunde und allgemeine Tu- vom Staat auf die Ehe übertragen, die als nichts
gendlehre. anderes als ein »bürgerlicher Vertrag« definiert
Bahrdts Theologie und Philosophie sind ge- wird (S. 121). Hierscheint ebenfalls der Gedanke
tragen von einem überaus starken Optimismus der Kündbarkeit bzw. der begrenzten Zeitdauer
und Eudämonismus. So wird große Betonung anzuklingen: Die Vertragspartner verpflichten
darauf gelegt, daß die von Gott geschaffene Welt sich, den Vertrag einzuhalten so lange, »als es je-
zweckmäßig und gut sei, ferner, daß die Summe dem Theile möglich ist, und, die Zeit dauert, auf
des Guten die Übel bei weitem überwiege. Gott welche sie den Kontrakt geschlossen haben« (S.
sei nicht ein Gott des Zorns, sondern ein Gott der 124 f. ). Auffällig ist auch, daß die monogame Ehe
Liebe. Auch seine Strafen seien keine wirklichen nicht als Forderung der menschlichen Natur gese-
Strafen, sondern Ausdruck seiner Liebe: Durch hen wird. Die Natur gestatte dem Menschen
die negativen Folgen falschen Tuns möchte er die durchaus Polygamie; es ist vielmehr die »durch
Menschen lediglich vorsichtiger machen (S. 50 f.) das gesellschaftliche Leben gebildete Vernunft«
-zu ihrem eigenen Wohl. (S. 12l),die den Menschen von den Vorteilen der
Der Mensch selbst wird als von Natur aus Ehe überzeugt.
gut vorgestellt. Kein Mensch tue das Böse, weil es Ein zentraler Gedanke des Katechismus, auf
böse sei, sondern er in dem Moment, wo er das den Bahrdt an mehreren Stellen zu sprechen
Böse tue, es sich nicht als böse vorstelle (S. 17). kommt, ist die Forderung nach Toleranz, wobei
Bahrdt vertritt den Glauben an die Möglichkeit an erster Stelle an religiöse Toleranz gedacht wird.
der Veränderbarkeit, der »Besserung« des Men- So wird in das Regentschaftsrecht ausdrücklich
schen. Wichtigste, wenn auch schwer zu erfüllen- die Verpflichtung des Regenten eingeschlossen,
de Voraussetzung dafür ist die »Selbstkenntniß« die Meinungsfreiheit der Untertanen unangeta-
(S. 201 ). Das Tun, d. h. das Streben nach Besse- stet zu lassen, auch wenn sie sich auf den Regen-
rung werde ihr, sobald man sie erlangt habe, auf ten selbst oder Gott beziehe (S. 117). Als Ein-
dem Fuß folgen, da man seine Zeit wohl schwer- schränkung folgt lediglich, daß Äußerungen ver-
lich mit tatenloser Reue hinbringen werde.- Hier boten werden könnten, die gegen die allgemeinen
zeigen sich die Grenzen von Bahrdts aufkläreri- Gesetze der Bescheidenheit, der Sanftmut und
schem Menschenbild: Die historisch-gesell- der Achtung, die jeder jedem Menschen schuldig
schaftlichen Bedingungen, die, vermittelt über die sei, verstießen (S. 117 f. ). In dem Teil über die na-
eigene Lebensgeschichte, zu dem »falschen« Tun türlichen Rechte des Menschen wird das Recht
791 Religiöse Schriften 792

auffreie Meinungsäußerung verknüpft mit einem geht davon aus, daß auf der Stufe der Kindheit ein
emphatischen Bekenntnis zur Toleranz: »Ohne schulmäßiger, Iehrbuchhaft-systematischer Re-
den freien Besiz und Gebrauch desselben [des ligionsunterricht noch überhaupt nicht stattfin-
Rechts der Meinungsfreiheit], wird das höchste den solle:»[ ...] der Religionsunterricht [sollte] bis
Kleinod der Menschen, Vernunft und Sprache, dahin, nicht aus oder nach Büchern, sondern
nuzzenlos -, wird dem Aberglauben, dem Gewis- mündlich, nicht im schulmäßigen, systematischen
senszwange und dem moralischen samt dem bür- Zusammenhange, sondern nach jedesmaligen Be-
gerlichen Despotismus jeder Zugang geöfnet - dürfnissen und Gelegenheiten, nicht in festgesetz-
wird die Grundlage aller menschlichen Glückse- ten Stunden und an bestimmten Orten, sondern
ligkeit zerstört.« (S. I 09) bei schicklichen Veranlassungen und Eindrücken
Das Gegenteil der religiösen Toleranz, der von aussen [... ]mehr in Form einer vertraulichen
» Religionshaß«, wird als Ursache für die meisten Unterredung, Mittheilung und Herzens-ergie-
Übel, die es in der menschlichen Geschichte gege- ßung, als einer regelrechten Schul-unterweisung,
ben hat, angesehen; er erst habe die Menschen mehr durch Beispie~ als durch steifes Vor-dociren,
Menschen hassen gelehrt (S. 46). Entstanden sei gegeben werden[ ... ]« (S. V f.). Mit den Methoden
er aus dem Interesse der Priester und Despoten, und Inhalten einer soir.hen ersten kindlichen Re-
die die Vernunft der Menschen durch »vorgebli- ligionsunterweisung hat sich Campe bereits 1778
che Offenbarungen« unterjocht hätten, um sie in dem Aufsatz Ueber den ersten Unterricht in der
>>Unumschränkt« beherrschen zu können (S. 47). Religion beschäftigt, der in den ersten Band seiner
Um dies noch mehr abzusichern, sei von ihnen die Sammlung einiger Erziehungsschriften aufge-
Religion zur Staatsreligion erhoben worden.- An nommen wurde. Campe weist zu Beginn des Vor-
das Zurückdrängen des » Religionshasses« und berichtes auf eben diesen Aufsatz hin, den er als
den Sieg der Toleranz wird von Bahrdt die Hoff- seinen ersten religionsunterrichtlichen Entwurf
nung auf eine bessere Welt geknüpft: Wenn der bezeichnet (S. III). Angesprochen wird zudem ein
Religionshaß geschwunden sei, würde sich die Aufsatz jüngeren Datums aus dem Braunschwei-
Zahl der Übel in der Welt sehr verkleinern und die gischen Journal vom April 1789, der dasselbe
Welt ein» Paradies« sein (S. 48). G. Thema behandelt und gleiche Positionen vertritt,
diese jedoch biblisch zu begründen sucht. Der
Aufsatz, von dem unklar bleibt, ob er von Campe
selbst stammt, lautet: Ueber den ersten Religions-
1791 unterricht, nach dem Muster unsers Erlösers (S.
Joachim Heinrich Campe (1746-1818): 461-476). Das vorliegende Werk setzt diese bei-
Versuch eines Leitfadens beim christlichen den Schriften voraus, weicht allerdings in einem
Punkt von dem Entwurfvon 1778 ab. Hielt er dort
Religions- Unterrichte for die sorgfältiger
den Beginn eines schulmäßigen Religionsunter-
gebildete Jugend. richtes bei einigen Kindern schon von dem 6., bei
Braunschweig 1791 anderen von dem 8. bis 10. Lebensjahr für ange-
bracht (S. 207), so wird mit der vorliegenden
Im Vorbericht legt Campe den jugendlichen Schrift die vordere Grenze auf das 12. Lebensjahr
Adressatenkreis fest, an den das Werk gerichtet hinausgeschoben. Dies entspricht der radikaleren
ist: »Dem zufolge setze ich hier das Ende der Position, die Campe seit Mitte der 80er Jahre ge-
Kindheit oder den Anfang der Jugend, d. i. ein Al- genüber dem Problem der Früh- und Vielwisserei
ter von ungefähr zwölf Jahren, und denjenigen in der Erziehung eingenommen hat.
Grad von geistiger Entwickelung voraus, den jun- Mit dem Leitfaden will Campe »den ersten
ge Leute dieses Alters in den gebildeteren Stän- schriftlichen und zusammenhängenden Lehr-
den, bei guter Unterwiesung, jetzt im Durch- gang (Cursus)« der christlichen Religion liefern
schnitt erreicht zu haben pflegen.« (S. V) An die (S. VII). Er will damit nicht schon einen vollstän-
»gebildeteren Stände«, das gehobene Bürgertum digen Religionsunterricht bieten; folgen sollen
und Teile des Adels, hat Campe sich deshalb ge- vielmehr noch ein zweiter und gegebenenfalls ein
wandt, »weil es bekanntlich leichter ist, für die ge- dritter Kursus, der von dem Geistlichen abzuhal-
bildete, als für die ungebildete Jugend zu schrei- ten ist, der die Schüler auf die Konfirmation vor-
ben, und weil ich, im Gefühl der ganzen Wichtig- bereitet, und der »nach einem von diesem belieb-
keit der Sache, lieber mit dem Leichten, als mit ten, oder ihm vorgeschriebenen Katechismus fol-
dem Schweren, den Anfang machen wollte«. (S. gen« soll (ebd. ). Inhaltlich enthält der hier darge-
VII) Campe kündigt an, bei Erfolg der Schrift legte erste Kursus »nur die einfachen und wesent-
»auch für die niedrigeren Stände auf dem Lande lichen Grundlehren der christlichen Religion«,
und in den Städten etwas Aehnliches zu versu- wobei »die, durch theologisch-gelehrte Bestim-
chen« (ebd.). mungen entstandenen, besonderen Kirchen- und
Die Wahl der Alterstufe ergibt sich aus Cam- Sektenlehren« ausgeschloss-en und auf die späte-
pes Konzeption des Religionsunterrichts. Campe ren Kurse verwiesen werden sollen. Campe be-
793 Campe, Religions-Unterricht, 1791 794

greift die Aufeinanderfolge der Kurse als eine di- Ansprachen der Jugendlichen. Charakteristisch für die
daktische »Abstufung« des Religionsunterrichts: Argumentationsweise der Schrift ist, daß sie die rationa-
Ihm »scheint die beste Abstufung die zu seyn, daß le, vernunftmäßige Begründung der einzelnen Reli-
mit dem Einfachsten und Faßlichsten angefan- gionswahrheiten mit ihrer Belegung durch Bibelstellen
kombiniert. Am Ende der meisten Kapitel befindet sich
gen, das Zusammengesetztere und Schwerere hin- eine tabellarische Auflistung der praktischen Konse-
gegen, welches hier die theologischen Bestim- quenzen, die sich aus dem jeweils behandelten Stoff er-
mungen und die besondern Kirchen-lehren sind, geben.
zurückgeschoben werde« (S. VIII). Bei dem er- Die »Einleitung« (S. 1-13) gibt zunächst eine De-
sten Kursus gehe es lediglich darum, daß »durch finition von Religion, klärt das Verhältnis von natürli-
Mittheilung jener einfachen und wesentlichen cher bzw. Vernunftreligion und geoffenbarter bzw.
Hauptlehren der Grund zu den folgenden Stufen christlicher Religion, handelt von dem gesunden
gelegt werden solle« (ebd.). Bei der Abfassung Menschenverstand bzw. der Vernunft und den Heiligen
des Werkes habe Campe die »Fähigkeiten dieses Schriften als den Quellen religiöser Erkenntnis und hebt
Alters«, die »Regeln der guten Methode« sowie schließlich den praktischen Charakter der »wahren Re-
den »gegenwärtigen Grad unserer öffentlichen ligion« hervor. Das I. Kapitel (S. 14-34) lautet: »Unter-
richt der Religion von des Menschen Natur, Bestim-
Aufklärung« beachtet (S. IX). Er betont deshalb,
mung und Würde«. Gehandelt wird hier zunächst von
daß die Schrift weder das nötige Religionswissen den Vorzügen und Vollkommenheitendes Körpers und
des Erwachsenen enthalte, noch ein »Glaubens- der Seele sowie von ihrem Verhältnis zueinander, wobei
bekenntniß seines Verfassers« sei (S. VIII). Campe die Notwendigkeit einer gleichzeitgen, harmo-
Das religiöse Lehrbuch soll durchgängig nischen Ausbildung beider hervorhebt (S. 20). Sodann
»praktisch oder anwendbar für jeden Menschen wird die »persönliche« und die »gesellschaftliche Be-
seyn« (S. IX). Für Campe gehört es »zur Pflicht stimmung« des Menschen hergeleitet. Es folgt die Un-
des Religionslehrers, den Schüler der christlichen terscheidung von Tugend und Laster bzw. Sünde, wobei
Glückseligkeitslehre bei jedem Theile derselben der prinzipiell gute, moralische Charakter des Men-
schen herausgestellt wird. Campe geht hier auf die altte-
darauf aufmerksam zu machen, wie er das Ge-
stamentarische Erzählung vom Sündenfall der »ersten
lernte zu seiner sittlichen Ausbesserung und zu Stammeltern« ein (S. 28 ff.) und sucht die Lehre von der
Beförderung seiner Gemüthsruhe anwenden kön- Erbsünde abzuschwächen: Auch für die Nachkommen
ne und müsse« (S. IXf). Neben der praktischen Adams sei das Böse prinzipiell zu bezwingen. Der
Ausrichtung hat Campe besonders auf Knapp- Mensch sei nur aus eigenem Versagen, nicht von Natur
heit und Faßlichkeit des Werkes Wert gelegt: Er aus böse.
habe geglaubt, »eine auf die Fähigkeiten der Ju- Das 2. Kapitel (S. 35-48) handelt>> Von Gott, dem
gend berechnete Sparsamkeit beobachten zu Schöpfer des Weltalls«. Hier wird zunächst auf die
müssen und das junge Gedächtniß nicht auf eine Schöpfungsgeschichte eingegangen und sodann die
zweckwidrige Weise überladen zu dürfen[ ...]« (S. Lehre von den Eigenschaften Gottes vorgetragen. Mit
XII). Dies betrifft sowohl die Auswahl der bibli- der »göttlichen Vorsehung« beschäftigt sich das 3. Ka-
pitel (S. 49-61 ), das in seinem zweiten Teil (S. 55 ff.) das
schen Stellen wie die »Darlegung und Zergliede-
Theodizee-Problem anschneidet und die Frage nach
rung der Lehren selbst« (S. XIII). In diesem dem Sinn der zahlreichen natürlichen und sittlichen
Punkte scheinen die bisherigen Lehrbücher der Übel in der Welt zu beantworten sucht. Das 4. Kapitel
Religion Campe kritikwürdig zu sein, indem sie handelt »Von den Gesinnungen Gottes gegen die Men-
sich von einem falschen» Begriffe von Gründlich- schen« (S. 62-69) und zeigt auf, daß Gott alle Men-
keit und Vollständigkeit« leiten ließen. Die religi- schen liebe, daß Gott will, daß sie Gutes tun. Eben des-
ösen Lehren »wurden dadurch, sowol für die halb sorge er für die Belohnung tugendhaften Han-
schwache Vorstellungskraft der Jugend und des delns. Auch die »göttlichen Strafen« zielten lediglich
Volks, als auch für die Ausübung, so systematisch auf eine »Besserung« des Menschen ab (S. 67). Das fol-
gende 5. Kapitellegt die» Schriftmäßige Lehre der Chri-
verwickelt und schwer gemacht, daß der Verstand
sten von der Person Jesu und von der Absicht seiner Sen-
der Lehrlinge dadurch nothwendig verwirrt, ihr dung« dar (S. 70-80). Eingegangen wird zunächst auf
Gedächtniß überwältiget, durch beides ihre Emp- den »Charakter Jesu« als Mensch und Gottessohn,
findung empört, und ihr Wille von der Ausfüh- dann sein Erlösungsauftrag dargelegt und beschrieben,
rung abgeschreckt werden mußte« (S. XIV). wie der Auftrag erfüllt wurde. Anschließend wird in 8
Punkten der» Hauptinhalt der Lehre Jesu« zusammen-
Es handelt sich um ein in II Kapitel eingeteiltes gefaßt (S. 76 ff.) und zu ihrer Annahme und Befolgung
Lehrbuch ohne besondere Einkleidung. Durch Verwen- aufgerufen.
dung von drei Schriftgrößen sind die einzelnen Ab- Das 6. Kapitel befaßt sich mit »der Besserung und
schnitte ihrer Wichtigkeit nach abgestuft; bedeutende dem Fortschreitenden Besserwerden des Menschen, als
Lehrsätze wie auch sämtliche zitierte Bibelstellen sind einem unentbehrlichen Mittel zur Seligkeit« (S. 81-88)
zudem durch Fettdruck hervorgehoben. Zahlreiche ein- und geht auf Sinnesänderung, Buße, Bekehrung und
gestreute methodische Hinweise sowie einzelne Litera- Wiedergeburt, auf Wiedergutmachung des Bösen und
turempfehlungen deuten daraufhin, daß das Werk dem Vergebung der Sünden ein. Das 7. Kapitel trägt die
Lehrer als Grundlage für den Religionsunterricht die- »Schriftmäßige Lehre der Christen von dem Beistande,
nen soll. Daß es aber auch für die Eigenlektüre der den uns Gott durch seinen Geist zu unserer Besserung
Schüler bestimmt ist, belegen die häufigen direkten leisten will«, vor (S. 89-93). Campe betont hier, daß der
795 Religiöse Schriften 796

Mensch sich nicht »unthätig und bloß leidend dabei Entwicklung der ersteren.« (S. 7) Den Ausgangs-
verhalten« dürfe. Der Beistand Gottes sei vielmehr bloß punkt bildet hierbei die natürliche Religion:
ein »mittelbarer, d. i. ein solcher, wodurch uns Gott die »Denn von jener wissen wir gewiß, daß sie göttli-
zu unserer Besserung erforderlichen Mittel verleihet;
chen Ursprungs sey, weil der Schöpfer selbst sie in
wobei es denn natürlicherweise uns selbst und unserem
eigenen Fleiße überlassen bleibt, diese Mittel dazu an- unsere Vernunft gelegt, sie unserer Vernunft zu ei-
zuwenden, wozu sie uns gegeben werden« (S. 90). Das nem dringenden Bedürfniß gemacht hat.« (ebd.)
8. Kapitel behandelt die Lehre vom Gebet (S. 94-100). Die christliche Religion sei ihrem Inhalt nach
Campe betont hier, daß hauptsächlich »der Nutzen des »übereinstimmend mit den Aussprüchen der ge-
Gebetsfiiruns selbst so groß und wichtig ist« (S. 95). So- sunden Vernunft« und »den Bedürfnissen des
dann wirddas Vaterunsererläutert (S. 98 ff.). Das 9. Ka- menschlichen Geistes und Herzens[ ... ] überaus
pitel befaßt sich mit der »Lehre der Vernunft und der angemessen« (S. 8); sie stelle deshalb »sowol eine
christlichen Religion von dem gegenwärtigen und zu- natürliche, als geoffenbarte Vernunft-religion«
künftigen Leben« (S. 101-109). Campe hebt hervor,
dar (S. 9). Ihre Glaubenswahrheiten müßten des-
daß die Religion uns schon im Diesseits erheitern und
beglücken solle. Im weiteren wird die Lehre von der Un- halb aus zwei Quellen geschöpft werden: aus
sterblichkeit der Seele samt Vernunftbeweisen vorgetra- »der gesunden Vernunftund unzweideutigen Stel-
gen (S. I 05 ff.). Das I 0. Kapitel ist betitelt: »Vom thäti- len der Bibel« (ebd.). Die christliche Offenba-
gen Christenthum, dem Glauben und der christlichen rungsreligion ist also für Campe nur der Form,
Rechtschaffenheit« (S. 110-123). Es behandelt die nicht aber dem Inhalt nach etwas anderes als die
christliche Sittenlehre und liefert 27 » Religionsvor- natürliche Religion. Zugleich wird deutlich, daß
schriften« und »Gebote Christi«, die zugleich als »Ge- die natürliche Religion ihm als das höhere Prinzip
bote der gesunden Vernunft« ausgegeben werden. Das gilt; die geoffenbarte Religion muß paradoxer-
letzte Kapitel (S. 124-127) handelt schließlich von den
weise ihre göttliche Herkunft allererst durch
Sakramenten, der Taufe und dem Abendmahl.
Die Inhaltsübersicht macht deutlich, daß das Übereinstimmung mit jener unter Beweis stellen.
Werkall die Fragen anspricht, die zum Themenkanon Warum eine Offenbarung überhaupt notwendig
des Kleinen Katechismus gehören: Das Gebet und Va- ist, wird an dieser Stelle von Campe nicht reflek-
terunser(8. Kp.). der Dekalog (10. Kp.), die Sakramente tiert. Im 7. Kapitel aber wird die Offenbarung als
( II. Kp.). Dem Glaubensbekenntnis ließen sich am ehe- ein »Beistand« interpretiert, »den uns Gott durch
sten die Kp. 2 bis 5 zuordnen. Lediglich auf das Amt der seinen Geist zu unserer Besserung leisten will« (S.
Schlüssel wird nicht eingegangen.- Campe läßt teilwei- 89). Die Bibel und ihre Religionswahrheiten er-
se schon in den Überschriften hervortreten, aus welchen scheinen als »das vorzüglichste Mittel, wodurch
Quellen die vorgetragenen Lehren sich speisen: Hierbei
der Geist Gottes auf die Gemüther der Menschen
enthalten die Kapitel 5 bis 7 und das 11. Kapitel aus-
schließlich »schriftmäßige Lehren« bzw. »Lehren der wirkt« (S. 92), um sie zu bessern. Dies stellt je-
christlichen Religion«, während alle anderen Abschnit- doch eine gleichsam zusätzliche »Wohlthat Got-
te christliche Lehren enthalten, die zugleich auch Leh- tes« dar; denn es ist nicht ausgeschlossen, daß der
ren der Vernunft bzw. der natürlichen Religion darstel- Mensch allein durch seine »Verstandeskräfte und
len. das Gewissen« zu seiner Vollendung zu gelangen
vermag. Mit dieser Bestimmung des Verhältnisses
Die Verknüpfung der natürlichen und der von Vernunft und Offenbarung erweist sich Cam-
geoffenbarten Religion gehört zu den grundle- pe deutlich als Vertreter der Neologie.
genden Anliegen der Schrift, wie Campe bereits Neologisch ist zudem auch das moralisch-
im Vorbericht deutlich macht: Es sei an der Zeit, praktische Religionsverständnis, das sich in die-
die »willkührliche, und in so mancher Betrach- ser Schrift manifestiert. Der oberste Zweck der
tung so schädliche Scheidewand, die man zwi- Religion ist nämlich für Campe ein moralischer:
schen der sogenannten natürlichen und geoffen- Er besteht nicht in der Verehrung Gottes, sondern
barten Religion aufgeführt hat, auf die Seite zu in der Selbstvervollkommnung des Menschen.
schieben« (S. X). Hierdurch sei insbesondere die »[ ... ] die Religion [hat] keinen anderen Zweck
christliche Offenbarungsreligion in ein falsches [...],als den: die Menschen zu ihrem eigenen Be-
Licht geraten. Es gelte zu betonen, »daß nicht sten zu belehren.« (S. 4) Campe lehnt die Vorstel-
bloß die natürliche, sondern auch die wohl-ver- lung ab, die in der Religion einen Dienst erblickt,
standene Schrift-religion, eine Vernunftreligion, der Gott um seinetwillen dargebracht wird. Auch
d. i. eine solche sey, die das Licht der Vernunft gar das Gebet wird für Campe nur deshalb zur
wohl ertragen kann, und sich nicht aufbloße Auc- Pflicht, weil es »eins der wirksamsten Mittel zu
torität, sondern auch aufVernunft-gründe stütze« unserer fortschreitenden sittlichen Ausbesserung
(S. Xf.). Die Argumente hierfür werden in der sey« (ebd.). Unter dieser moralischen Zweckset-
»Einleitung« nachgeliefert: Natürliche und zung erhält die Religion einen stärkeren Diesseits-
christliche Religion seien nicht zwei verschiedene bezug. Für Campe ist es Gottes Wille, daß die
oder gar sich widersprechende Religionen. Für Menschen »bei dem redlichen Bestreben, ihm
Campe gilt vielmehr: »[ ... ] die erstere ist die durch Tugend und Rechtschaffenheit wohlgefäl-
Grundlage der andern; und die andere ist nur eine lig zu werden, schon hier auf dieser Erde froh und
Bestätigung, genauere Bestimmung und weitere glücklich leben sollen« (S. 102). Aus dieser dies-
797 Campe, Religions-Unterricht, 1791 798

seitsbezogenen Bestimmung folgt für Campe: Augen der Leute, nicht sie selbst im Herzen trägt«
»Auch die Religion ist uns keineswegs dazu gege- (S. 13).
ben worden, daß sie uns freudenleer, traurig und Aus dem moralisch-praktischen Religions-
schwermüthig machen soll; sondern vielmehr da- verständnis leitet sich bei Campe schließlich auch
zu, daß sie uns beruhigen, erheitern, zu jeder ver- das Toleranzpostulat her. Daraus daß die Reli-
nünftigen und edlen Freude fähiger machen, also gion die höchst eigene Angelegenheit eines jeden
schon hier in diesem Leben uns beglücken soll.« Menschen selbst ist, folgt, daß sie Privatsache ei-
(ebd.) nes jeden einzelnen ist. »Sie ist eure, nicht Gottes
Dem formalen Zweckbezug auf den Men- Sache; sie istjedes Menschen eigene Angelegen-
schen selbst entspricht auch ein inhaltlicher: Für heit, worüber er, nicht seinen Nebenmenschen,
Campe macht die Religion uns mit uns selbst be- sondern nur sich selbst Rechenschaft schuldig
kannt, ist sie Aufklärung des Menschen über die ist.« (S. 4) Deshalb könne nicht verlangt werden,
Bestimmung des Menschen selbst. So bemerkt er »daß alle Menschen, in Ansehung der Religion,
bereits im Vorbericht, daß »die christliche Reli- einerlei Vorstellungen[ ... ] haben oder einerlei
gion recht eigentlich darauf abzweckt, unsere Be- Meinungen[ ... ] bekennen sollen« (S. 4f.).
griffe, nicht bloß von Gott, sondern auch von uns Bereits im Vorbericht vermerkt Campe, daß
selbst, von unserer Natur und Bestimmung, auf- er, statt ein Gemälde seiner Verdorbenheit zu lie-
zuklären und berichtigen[ ... ]« (S. XVf.). Dane- fern, die positiven Seiten des Menschen in den
ben steht zwar weiterhin die Kenntnis Gottes, die- Vordergrund gestellt habe. Man könne der Ju-
se stellt aber keinen Selbstzweck mehr dar, ist gend im »ersten Religions-unterricht[ ... ] die
nicht das Höchste der Religion. Die durch die Re- menschliche Natur nicht zu sehr von ihren gro-
ligion vermittelte Kenntnis Gottes dient für Cam- ßen, gott-ähnlichen und ehrfurcht-gebietenden
pe vielmehr selbst noch einmal der sittlichen Ver- Seiten zeigen[ ... ]« (S. XVI). Denn der Unterricht
vollkommnung des Menschen. Der Mensch er- solle nicht bedrückend und niederschmetternd
langt in seiner sittlichen Vollendung für Campe für die Jugendlichen sein, sondern »ein Sporn
eine »gewisse entfernte Aehnlichkeit« mit Gott, zum eigenen Bestreben in der sittlichen Ausbesse-
eine gewisse Gottebenbildlichkeit (S. 27). Eben rung und Vervollkommnung für sie« (S. XVII).
deshalb blickt ihm in der religiösen Erhebung zu Was hier zunächst nach einer bloß pädagogischen
Gott sein eigenes sittliches Telos entgegen, so daß Rücksicht aussieht, ist jedoch von Campes eige-
auch die Gotteserkenntnis noch von moralischem ner Auffassung nicht weit entfernt: Die Lehre von
Nutzen, Mittel zur sittlichen Vervollkommnung »der gänzlichen Verdorbenheit der menschlichen
des Menschen selbst ist. Natur und von einem völligen sittlichen Unver-
Der nahezu vollständigen Subsumtion der mögen derselben« scheint ihm ganz und gar nicht
Religion unter eine moralische Zwecksetzung »in den deutlichsten Aussprüchen Christi und sei-
entspricht die Ablehnung einer kontemplativ aus- ner Apostel gegründet« zu sein (S. XVI). Diese
gerichteten Religiösität. Religion besteht für Position äußert sich bereits im ersten Kapitel, wo
Campe nicht in einem bloßen Wissen, einem Ge- die alttestamentarische Lehre vom Sündenfall des
denken Gottes, ist nicht zurückgezogene Andacht Menschen sehr stark abgeschwächt wird (S.
und kontemplative Vereinigung mit Gott. Wahre 28 ff. ). Sie wird im dritten Kapitel wieder aufge-
Religion ist für Campe nur die, die zur »Gesin- griffen und in das Theodizeeproblem überführt.
nung« der Menschen geworden ist und deren Campe sucht hier eine Antwort auf die Frage zu
Handeln bestimmt. Sein aktivistisch-praktisches geben, »woher es gleichwol komme, daß[ ...] so
Religionsverständnis faßt Campe in dem Satz zu- viel natürliche und sittliche Uebel in der Welt ge-
sammen: »Ein religiöser Mensch ist also der, der funden werden?« (S. 55) Bezüglich der natürli-
Religion im Herzen hat und durch sein Leben an chen Übel führt Campe an, daß sie stets auch Gu-
den Tag zu legen sucht; d. i. der sich bestrebt, sei- tes mit sich brächten und zu unserer Vervoll-
ne Gesinnungen nach den Vorschriften der Reli- kommnung als »Arzeneyen« durchaus notwen-
gion zu ordnen und zu veredeln, und sein ganzes dig seien und so das »Gewürz des Lebens« (S. 57)
Thun und Lassen darnach einzurichten.« (S. 12) darstellten. Bezüglich der sittlichen Übel stellt
Neben der kontemplativen wird auch eine Religi- Campe sich auf den Standpunkt, daß Gott zu ih-
ösität abgelehnt, die sich in äußerlichen Gebräu- rer Abwendung das getan habe, was er bei Re-
chen und Zeremonien ergeht. Campe ist besorgt, spektierung der Freiheit des Menschen habe tun
»daß man die äusserlichen Uebungen der Religion können: Er habe uns Vernunft und Gewissen so-
-das öffentliche Beten, Singen, Anhören der Re- wie eine zusätzliche Belehrung durch die Offen-
ligionsvorträge und die Abwartung und Beobach- barung gegeben. Die sittlichen Übel seien allein in
tung der feierlichen Religionsgebräuche - nicht der Schwäche des Menschen begründet; dies aber
mit dem Wesen der Religion, oder mit der Reli- habe Gott zulassen müssen, weil es zur Freiheit
gion selbst verwechsele.« (S. 11 f.) Wer nur an den des Menschen gehört. So ist der Mensch prinzi-
äußerlichen Formen klebt, sei ein Frömmler und piell und von Natur aus gut, obwohl er sich für das
»Heuchler, der die Larve der Religiösität vor den Böse entscheiden kann, und die Welt vollkom-
799 Religiöse Schriften 800

men und der weisen Vorsehung Gottes unterwor- die Menschen überzeugt, »daß es nunmehr, nach-
fen trotz der Existenz natürlicher und sittlicher dem er selbst sich für sie aufgeopfert habe, keiner
Übel. anderen Opfer und Versöhnungen mehr bedürfe,
Für Campe ist die christliche Religion nicht als der redlichen Entsagung und Reinigung von
schlechtweg Vernunftreligion, schon gar nicht in allen Lastern und Untugenden nach den Vor-
ihrer überkommenen Gestalt. Sie ist es nur dann, schriften seiner Lehre« (S. 75). In dieser Bezie-
wenn man ihren Inhalt »in seiner ursprünglichen hung erscheint der Opfertod Christi als >> Versöh-
Lauterkeit und Einfachheit, getrennt von dem, nung der erzürnten Gottheit«. Campe gibt diese
was nachhefiger menschlicher Vorwitz hinzuge- Interpretation jedoch als Schriftenlehre aus, die
than hat, betrachtet« (S. 8). Die christliche Reli- nur mit Rücksicht auf den »Glauben der Juden«
gion wird also einer aufklärerischen Interpreta- aufgestellt worden sei und deshalb keine Verbind-
tion unterzogen, gleichsam auf ihren vernünfti- lichkeit besitze. Er selbst bietet denn auch eine Er-
gen Kern reduziert und erst in dieser rationalen klärung ohne heilsgeschichtlichen Bezug an:
Gestalt in den Unterricht eingegeben. Christus habe durch seinen Tod » 1. die Lauter-
Die aufgeklärte Sicht des Christentums zeigt keit seiner Absichten besiegel[n], 2. seiner Lehre
sich zunächst in der Einschätzung der biblischen Nachdruck und Eingang in die Herzen der Men-
Berichte (vgl. z. B. S. 29,38 ff.), tritt aber am deut- schen verschaf[fen]« wollen (S. 74). Der Ignorie-
lichsten in der Einschätzung der Person Jesu Chri- rung der heilsgeschichtlichen Dimension ent-
sti zu Tage. In der Einleitung heißt es, daß die Re- spricht es, daß bei Campe von der Auferstehung
ligion deshalb nach ihm benannt sei, »weil Jesus Christi nicht mehr die Rede ist. Sein Tod stellt für
Christus sie deutlicher, faßlicher, vollständiger Campe die unaufhebbare »Aufopferung seiner
und wirksamer verkündigte, als alle andere von selbst für Wahrheit und Menschenbeglückung«
Gott erweckte Lehrer der Religion, welche vor dar(ebd.).
ihm gewesen waren« (S. 6). Auch das 5. Kapitel
sieht in ihm zunächst »den größten Lehrer der Köberle (1972) sieht Campes Haltung, den Reli-
Menschen« (S. 70). In der näheren Bestimmung gionsunterricht erst spät zu beginnen, als deutlich von
seines Charakters aber hält Campe sich zurück; Rousseau bestimmt an (S. 38). Es ist für Köberle aber
nachdem er die Versicherung des Neuen Testa- die Abstraktheit der aufgeklärten Religion selbst, die ei-
nen solchen späten Beginn notwendig mache. Zwischen
mentes, daß Christus der eingeborene Sohn Got-
der kindlichen Welt und der abstrakten Vernunftreli-
tes sei, vorgetragen hat, fügt Campe an: »Die nä- gion, nicht aber der Religion überhaupt, bestände ein
heren Bestimmungen dieser und ähnlicher bibli- Gegensatz. Campe »spürte den Gegensatz, der zwi-
schen Beschreibungen von der höhern Würde Je- schen der Forderung einer naturgemäßen kindlichen
su Christi sind uns nirgends vorgeschrieben. Sie Pädagogik und einem Religionsunterricht, der abstrak-
nach eigenen Vermutbungen angeben zu wollen, te Lehrsätze vermittelt, bestand, vermochte ihn aber
würde verwegener Vorwitz seyn. Gleichwohl nicht zu überbrücken, weil auch für ihn die Religion
kann und muß man hierin, wie in Allem, was des hauptsächlich Verstandessache war« (ebd.). Der Leiifa-
Gewissens Sache ist, Jedem seine unbeschränkte den gilt ihr als ein Dokument des aufklärerischen Eudä-
monismus in Religionssachen: »Das Religiöse, das ur-
christliche Freiheit lassen. Nur daß sich Niemand
sprünglichste und eigenste Leben im Menschen, wird zu
anmaaße, das, was er für sich darüber zu bestim- einem Mittel der Glückseligkeit erniedrigt, das Wohl-
men, anzunehmen und festzusetzen für gut oder ergehen des Menschen ist das Zentrum, um das sich al-
nöthig findet, seinen Mitchristen unbefugter Wei- les dreht.« (S. 40)- Eine ausführliche Würdigung findet
se aufdringen zu wollen!« (S. 72) Die Aufgabe, das Werk bei Fertig (1977): Hier wird zunächst hervor·
die Christus zu erfüllen hatte, beschreibt Campe gehoben, daß bei Campe »die christliche als geoffen-
folgendermaßen: »Er war gesandt von Gott, die barte Religion [... ] in ihrem Wert gegenüber der natürli-
Menschen zu erlösen, d. i. sie frei zu machen, und chen deutlich relativiert (wird)« (S. 77). Von der christli-
zwar I. von ihrer großen Unwissenheit in Anse- chen Religion akzeptiere Campe zudem nur das, »was
als >vernünftig< interpretiert werden kann« (S. 78). Die
hung der Religion und Sittenlehre, und vom ver-
moralisch-praktische Ausrichtung des Werkes läßt Fer-
derblichen Aberglauben;[ .. .]2. von ihren Sünden tig von einer »christlichen Tatphilosophie« (S. 79) spre-
und Lastern;[ .. .]3. von den auf Sünden und La- chen. An vielen Stellen werde deutlich, »in wie starkem
stern nothwendigen folgenden Leiden oder Stra- Maße der Wille zur Veränderung der menschlichen Le-
fen.«(S. 72f.) Die heilsgeschichtliche Dimension bensumstände auch durch Erziehung von der religiös
des christlichen Erlösungsauftrages findet in die- fundierten Tatphilosophie Campes bestimmt ist. Religi-
sem Bild des Lehrers, moralischen Besserers und ös sein heißt geradezu vernünftig wirken, und wo kann
Wohltäters der Menschheit so gut wie keinen sich dieses Ethos besser bestätigen als in der Verbesse-
Platz, was denn auch nicht verwundert, nachdem rung des Menschen, in der Erziehung?« (S. 78) Fertig
erwähnt zudem, daß die Ablehnung des Erbsündendog-
die Lehre vom Sündenfall aufgehoben wurde. Sie mas »die Voraussetzung für pädagogischen Elan« bie-
erscheint lediglich in reduzierter Gestalt bei der te. >>Religiöse Erziehung mündet in Humanitätsbil-
Interpretation des Opfertodes Christi: Durch sein dung, der Mensch hat den Auftrag, sich zu vervoll-
geduldiges Leiden und seinen Tod habe Christus kommnen; seine Konzentration auf seine eigene Natur
den »mosaischen Opferdienst« aufgehoben und und Geschichte, seine Emanzipation von Mythen und
801 Lossius, Gumal und Lina, 1795 802

blind geglaubten Dogmen ist göttlicher Wille.« (ebd.) zählmethode sei bisher vornehmlich auf dem Ge-
Fertig spricht von Campes »spätaufklärerische[m] Wil- biet der »moralischen Bildung der Kinder« ange-
le[n] zur Erziehung des Menschengeschlechts zur Auf- wandt worden, wobei sich gezeigt habe, »daß
hellung seiner selbst als Fortsetzung säkularisierter
Beyspiele von guten und schlechten Handlungen,
Theologie« (S. 79). E.
in unterhaltenden Erzählungen geschildert, im-
mer den stärksten Eindruck auf das Gemüth der
Kinder machen« (T. l, S. 111). Allenfalls in den
»praktischen Theil des Religionsunterrichts«
1795 noch sei die Erzählmethode eingedrungen; vor
Kaspar Friedrich Lossius (1753-1817): dessen Kern habe sie bisher Halt gemacht. »Die
Gumal und Lina. Eine Geschichte für Anwendung dieser Methode aber auf den mehr
Kinder, zum Unterricht und Vergnügen, theoretischen Theil derselben, um Wahrheiten,
die mehr abstrakt sind, nach der Fassungskraft
besonders, um ihnen die ersten der Kinder zu versinnlichen, hat[ ... ] mehr
Religionsbegriffe beizubringen. 3 Teile. Schwierigkeit; daher sind auch Versuche dieser
Gotha 1795-1800 Art so häufig eben nicht[ ... ]« (T. l, S. IV). Unter
Erzählmethode versteht Lossius »die Methode,
Das religiöse Lesebuch ist an Kinder beiderlei den Verstand der Kinder durch Erzählungen zu
Geschlechts gerichtet, was in der Wahl zweier bilden, und ihnen auf diesem Wege dersinnlichen
Helden, eines Mädchen und eines Jungen, zum Darstellung die nützlichsten Begriffe und Kennt-
Ausdruck kommt. Altersangaben werden nicht nisse beizubringen« (T. l, S. 111). Gemeint ist hier
gemacht; da es aber zunächst um die Vermittlung nicht bloß der Gebrauch von Exempeln und Bei-
der »ersten Religionsbegriffe« (T. 1, S. IV) geht, spielen zur Veranschaulichung abstrakter Sätze,
darf angenommen werden, daß Kinder vom er- obwohl Lossius auch an diese Tradition anknüp-
sten Schulalter an angesprochen sind. Allerdings fen möchte. Es geht vielmehr um die »Versinnli-
müssen diese schon einige Fertigkeit im Lesen be- chung« von Sachverhalten durch ausgeführte Er-
sitzen, denn die Schrift ist ausdrücklich »zum eig- zählungen, durch in epischer Breite ausgestaltete
nen Lesen der Kinder bestimmt« (T. 1, S. V). Als Geschichten. Es ist dies eine Steigerung der Ex-
Richtmaß kann eine Altersgrenze aus der Erzäh- empelmethode, des Prinzips der Beispielge-
lung selbst genommen werden: Lina ist zu Beginn schichte, die insbesondere von Chr. G. Salzmann
der Handlung 9 Jahre alt (T. 1, S. 96). vertreten wurde.
Der 1. Teil des Werkes hat »den Zweck, Kin- Die Erzählmethode kommt bei Lossius aber
dem die ersten Religionsbegriffe beizubringen, nicht nur deshalb zur Anwendung, weil sie
und sie dadurch zu dem weiteren Unterricht in schwierige Sachverhalte »versinnlichen« und der
den für sie so wichtigen Wahrheiten der christli- Fassungskraft der Kinder nahebringen kann. Er
chen Religion vorzubereiten« (T. l, S. IV). Der greift auch wegen ihres sehr viel größeren Unter-
»weitere Unterricht« wird mit den zwei folgen- haltungswertes auf sie zurück; ja er traut ihr zu,
den Teilen abgedeckt: Der 2. Teil will eine »Ein- die Aufmerksamkeit und Spannung der Kinder
leitung in die christliche Religion« sein und eine über knapp 1000 Seiten hinweg zu erhalten. »Da
»nähere Bekanntschaft mit Jesu« durch einenge- diese Schrift zum eigenen Lesen der Kinder be-
treuen Vortrag der biblischen Geschichte vermit- stimmt war, mußte ich, um nicht diesekleinen Le-
teln. Der 3. Teil soll schließlich »die eigenthümli- ser zu bald zu ermüden, sondern ihnen die Lesung
chen Lehren des Christenthums, nach ihrem be- derselben anziehend zu machen, den Unterricht
lehrenden und so sehr beglückenden Inhalt« dar- selbst in das so gefällige Gewand der Geschichte
legen (T. 2, Vorbericht). Das Werk will somil ei- einkleiden und verweben.« (T. 1, S. IVf.).
nen vollständigen Religionsunterricht liefern, der
Der Schauplatz der Handlung ist das Innere von
sich von den Anfängen bis zur Konfirmation und
Mrika. Zwei Völkerschaften liegen in »unaufhörlichem
zum ersten Empfang des Abendmahls erstreckt, Krieg« miteinander. Einerihrer Fürsten, Hudsi (später:
die denn auch in der Erzählung selbst den Ab- Hadsi), verliert hierbei den einzigen Sohn auf dem
schluß bilden. Schlachtfeld und sinnt auf Rache: Er läßt Gumal, den
Die besondere Leistung des Werks liegt für Sohn des gegnerischen Fürsten Chilum, entführen und
Lossius hierbei nicht im Inhaltlichen, sondern im an seinen Hof bringen. In der Gefangenschaft lernt Gu-
Methodischen. Er will weder neue Erkenntnisse mal Lina, die Tochter des Fürsten Hudsi, kennen, die
liefern, noch eine wirkliche Vollständigkeit bie- sich zusammen mit ihrer Amme Nanli um den zu Tode
ten; ihm geht es in erster Linie um einen methodi- geweihten Knaben kümmern. Gumal und Lina fassen
Vertrauen und Liebe zueinander. Einen Tag vor der
schen Fortschritt. Er will die Erzählmethode auch Hinrichtung gelingt beiden die Flucht in die Wildnis. In
in den »theoretischen Theil« des Religionsunter- einer gänzlich verlassenen Gegend treffen die beiden
richts einführen und mit der vorliegenden Schrift Negerkinder auf einen weißen Greis, dessen Erschei-
eine »Probe des erzählenden Religionsunter- nung sie in Schrecken versetzt. Es handelt sich um den
richts für Kinder« vorlegen (T. 1, S. IV). Die Er- 75jährigen Italiener Geronio, der zusammen mit einem
803 Religiöse Schriften 804

alten Neger, den er Pedro genannt hat, eine Einsiedelei nes Tages taucht der feindselige Hadsi mit zwei soldati-
bewohnt. Die Kinder fassen Vertrauen zu den beiden schen Begleitern auf; er ist jedoch von den Kämpfen
Alten und finden Zuflucht in der Einsiedelei. Sie ge- derart geschwächt und verwundet, daß er im Sterben
wöhnen sich an »den stillen Aufenthalt« (T. I, S. 64), liegt. Beim Anblick Chilums und seiner Tochter gerät er
lernen schnell die Sprache des Alten, nehmen an den Ar- in »Raserei« und unterliegt noch im Tod »der Macht
beiten teil, wobei Gumal sich mehr dem »Gartenbau« der feindseligsten Leidenschaft« (T. 2, S. 37). Sein Tod
widmet und Lina die Küchen- und Hausarbeiten über- ist ein negatives Gegenstück zu dem friedlichen des
nimmt (T. I, S. 66). Der Gottesdienst, den die beiden Al- Christen Pedro. Die Begleiter Hadsis bleiben in der Ko-
ten in einer Grotte verrichten, reizt die Kinder danach zu lonie. Hier setzen der Greis und Antonio den Religions-
fragen, zu welchem Wesen sie sprechen. Diese Neugier- unterricht fort. Das Stille, arbeitsreiche Leben der Kolo-
de ist der Ansatzpunkt der religiösen Unterweisung nie wird durch einen weiteren Besuch Bemhards unter-
durch den Greis: »Die Begierde, immer mehreres von brochen, in dessen Begleitung sich Philipp, ein Bruder
diesem großen Gott zu hören, nahm mit jedem Tage in Antonios, und Agathe befinden, ein braunes christli-
den Herzen der Kinder zu.« (T. I, S. 84) Der Unterricht ches Mädchen aus Nubien, das verwaist und ebenso wie
findet jeweils in den Abendstunden nach vollbrachter Philipp Aufnahme in der Kolonie findet und zu Linas
Arbeit statt. Gesellschafterin wird. Bemhard bringt eine große An-
Die Einsiedelei erhält eines Tages Besuch von zahl von »Geräthschaften« und Werkzeugen mit, deren
Bemhard und Antonio, zwei weiteren weißen Einsied- die vergrößerte Kolonie bedarf, weil die »Vermehrung
lern, die mit Geronio zu einem Orden gehören. Antonio der Gesellschaft« eine »Zunahme der Bedürfnisse« zur
wird gebeten, zu bleiben und die Erziehung der Kinder Folge hat (T. 2, S. 114). Die Werkzeuge hat Geronio mit
zu übernehmen. Er ist handwerklich ausgebildet und dem Gold aus einer Mine bezahlt, die zu seiner Einsie-
bringt Gumal Arbeiten mit Holz und Metall und das delei gehörte. In dieses Geheimnis weiht er nur Antonio
Drechseln bei, während er Lina zu Bastelarbeiten und ein, dem er das Versprechen abverlangt, das Gold der
zum Flechten mit Bast anhält. Er gibt ihnen ersten Un- Mine auch weiterhin nur zum Wohl der Kolonie, zur
terricht in der »Buchstabenschrift« und führt sie in die Stillung ihrer wenigen natürlichen Bedürfnisse, anzu-
Naturbeobachtung und die Naturgeschichte ein (T. I, wenden und gleichzeitigjeden falschen Reichtum, jegli-
S. 186 ff.). Die Erweiterung der Einsiedelei zu einer klei- che Geldgier und Habsucht zu verhindem (T. 2,
nen »Colonie« liegt hierbei durchaus in der Erziehungs- S. 148 ff.). Die Kolonie hat mittlerweile die wilde Ge-
absicht des Greises. Er geht davon aus, »daß auch sie gend beträchtlich verschönert, zahlreiche Hütten ge-
nicht dazu bestimmt wären, immer in dieser Einöde zu baut und Gärten und Pflanzungen angelegt. In ihr leben
leben, und daß vielleicht der Zeitpunkt kommen könn- Menschen dreier Rassen in familiärer Verbundenheit
te, wo sie in eine größere Gesellschaft von Menschen miteinander. Das Glück dieser Idylle wird gerade von
kommen könnten; daß seine Absicht sey, sie jetzt zu die- Chilum betont, von dem man am ehesten noch anneh-
sem Eintritt in die menschliche Gesellschaft vorzuberei- men könnte, daß er als Fürst besser gelebt habe. »Chi-
ten, und ihnen zu lehren, wie sie auch dann ein weises, Ium erklärte mehrmals: er sey als Fürst nie so glücklich
zufriedenes und glückliches Leben führen könnten.« gewesen, als er sich hier im Schooße der schönen Natur
(T. I, S. 162f.) Die Kolonie erhält bald weiteren Zu- und in dem ungestörten Umgange mit seinen Kindem
wachs: Chilum, der Vater Gumals, und sein alter und Freunden befände.« (T. 2, S. 176) Der glückliche
Freund Widdum tauchen plötzlich auf, finden »mit je- Zustand der Kolonie aber ist wesentlich eine Auswir-
dem Tag mehr Vergnügen an diesem angenehmen und kung des Religionsunterrichts durch den Greis. Er be-
ruhigen Aufenthalte und an dem lehreichen Umgange weist, »welchen Einfluß die richtig erkannten Wahrhei-
des Graises« (T. I, S. 303) und beschließen zu bleiben. ten der Religion auf das Leben, auf die ganze Den-
Mit der plötzlichen Erkrankung, dem Tod und der kungsart und Verhalten derer haben, die sie mit Ueber-
Beerdigung Pedros, des schwarzen Dieners von Gero- zeugung bekennen. Religion war bei ihnen nicht etwa
nio, schließt der erste Teil des Werkes. In einem Schluß- bloße Beschäftigung des Verstandes, oder des Gedächt-
absatz wird in der Art eines Ausblickes das weitere nisses: sondern des Herzens; Leitung des Willens zu
glückliche Schicksal dieser »neuen Kolonie« angedeu- dem, was sie als Gut, als Edel, als den Willen Gottes er-
tet: Widdam holt seine Geliebte und Nanli, die Amme kannt hatten[ ... ]« (T. 3, S. 133).
Linas, nach, wodurch ein stetig währendes Familien- Handlungsmäßig geschieht nicht mehr viel: Ein
glück gestiftet wird (T. I, S. 304). Auch wird eine fernere letzter Besuch Bemhards findet statt, der wiederum
Unterweisung in den »geoffenbarten Wahrheiten der Werkzeuge mitbringt, jetzt aber in der Kolonie bleibt (T.
christlichen Religion« und den »Schriften der Bibel« 3, S. 116 ff. ). Er bringt Gumal die Heilige Schrift mit. In
und die Taufe aller Schwarzen in Aussicht gestellt. Der seiner Begleitung befindet sich Wilhelm Palmur, ein
Ausblick macht deutlich, daß Lossius an eine Fortset- christlicher Nubier, der zu Agathes Geliebtem wird.
zung der Schrift zunächst noch nicht gedacht hat; erst Schließlich realisiert Widdam noch seinen lang geheg-
der »Beifall« der »kleinen, lieben Leser« und der ten Plan, aus seinem Vaterland Mella, seine Geliebte, zu
>>christlichen Eltern und Erzieher« hat ihn laut Vorbe- holen. Chilum trägt ihm auf, auch Nanli mitzubringen,
richt zum 2. Teil bewegt, die Anschlußbände zu konzi- mit der er sich bereits verheiratet hat. Bei deren Ankunft
pieren. Diese führen handlungsmäßig das aus, was der zeigt sich, daß Nanli von Chilum bereits einen Sohn
kurze Ausblick am Ende des ersten Teils angedeutet hat. empfangen hat. Das familiäre Glück ist damit vollendet.
Der zweite Teil knüpft an den Entschluß des Ne- Auch die religiöse Unterweisung durch den Greis ist
gerfürsten Chilum an, sich in der Kolonie niederzulas- zum Abschluß gekommen, sodaß die Taufe aller
sen. Ein Bauplatz wird gesucht und eine neue Hausanla- schwarzen Mitglieder der Kolonie vollzogen werden
ge gebaut. Gumal zieht zu seinem Vater und wird so von kann. Sie erhalten die christlichen Namen ihrer Taufpa-
Lina getrennt; der Greis hält »aus wohlüberdachten ten (T. 3, S. 155 ff.). An die Taufe schließt sich die Kon-
Gründen diese Absonderung für nöthig« (T. 2, S. 7). Ei- firmation und die Feier des ersten Abendmahls an (T. 3,
805 Lossius, Gumal und Lina, 1795 806

S. 210 ff. ). In einem Ausblick wird die christliche Heirat natürliche Gotteslehre, die zweite die geoffenbarten
von Chilum und Nanli, Guma und Lina, Widdam und Lehren der christlichen Religion. Die natürliche Gottes-
Mella sowie von Wilhelm und Agathe angekündigt. Die lehre, die sich ohne Zuhilfenahme der Offenbarung rein
Wohnung Geronios »blieb der Versammlungsort der aus der Vernunft ergibt, bietet der erste Teil des Werks:
glücklichsten Menschenfamilie, wo sie sich nach ar- Nach der Einführung Gottes als des höchsten Wesens
beitsvollen Tagen zum gemeinschaftlichen Genuß der und des Schöpfers der Welt (S. 7 6)handelt er von dessen
edelsten Lebensfreuden im traulichsten Kreise versam- Größe (S. 78), dessen Herrlichkeit und Erhabenheit (S.
melten, und sich durch religiöse Betrachtungen zum 81 ff.), dessen Unsichtbarkeit und Geistigkeit (S. 86 ff.),
fortgesetzten Fleiß in guten Werken stärkten.« (T. 3, dessen Ewigkeit und Unveränderlichkeit (S. 95 ff.), des-
S. 286) Geronio schließlich stirbt in Frieden. sen Allmächtigkeit (S. 120ff.), dessen Allkraft und
Die Integration der religiösen Unterweisung in die Schöpferturn (S. 130 ff. ), dessen Allgegenwärtigkeit und
Erzählung vollzieht sich nicht in der Weise, daß die zu Allwissenheit (S. 156ff.). Nach einer größeren Hand-
veranschaulichenden Sachverhalte in Handlungen auf- lungsunterbrechung wird von der Helligkeit Gottes (S.
gelöst, als konkretes Verhalten von Menschen selbstzur 198), seiner Güte und Gerechtigkeit (S. 207) und seiner
Darstellung gebracht werden. Diese Möglichkeit liegt Liebe (S. 220) gehandelt. An Pedros Ableben werden
bei Behandlung moralischer Themen nahe; die hier zur »lehrreiche Betrachtungen über Tod Auferstehung und
Debatte stehende religiöse Thematik sträubt sichjedoch Leben in der zukünftigen Welt« geknüpft (S. 300). Le-
dagegen. Lossius schlägt deshalb den Weg ein, die reli- diglich an einer Stelle (S. 243) wird Jesus erwähnt, aller-
giöse Unterweisung nicht in Handlung aufzulösen, son- dings nur um »bei den Kindem immer mehr das Verlan-
dern zu einem besonderen Moment der Handlung gen« zu erwecken, »auch diesen Jesus kennen zu l~r­
selbst zu machen. Sie ist gleichsam eingebettet in das nen« (ebd.). Die im ersten Teil angewandte Methode 1st
Geschehen als ein besonderer Abschnitt desselben. Sie die der sokratischen Unterredung, der es um rationale
bewahrt deshalb stärker ihren Charakter als diskursive Einsicht geht. An ihr nehmen Geronio und die beiden
Belehrung und Unterweisung und vollzieht sich denn Kinder, Gumal und Lina, teil.
auch überwiegend in der Form eines sokratischen Un- Teil 2 und 3 des Werkes decken die zweite Stufe
terrichtsgespräches. Trotz dieser relativen Selbständig- des Religionsunterrichtes ab. Begonnen wird mit einer
keit bleiben die religionsunterrichtlichen Passagen auf allgemeinen Betrachtung des Verhältnisses von Ver-
vielfache Weise mit dem Handlungsgeschehen verbun- nunft und Offenbarung, von natürlicher und geoffen-
den: Sei es in der Weise, daß die Unterrichtung selbst barter Religion (T. 2, S. 46ff.). Hieran schließen sich
sich aus der Handlung ergibt, sei es in der, daß einzelne längere Überlegungen zur Gestalt Jesu Christi an (T. 2,
Ereignisse zum Anlaß religiöser Betrachtungen und Re- S. 62-126). Erörtert werden seine Eigenschaften, sein
flexionen gemacht werden. So wird durch die Handlung Doppelwesen als Mensch und Gottessohn, sein Auftre-
erst eine hohe Neugierde und ein großes Bedürfnis bei ten, seine Art des Überzeugens, sein Wunderwirken und
den Kindem aufgebaut, ehe der Religionsunterricht seine Mustergültigkeit. Sodann wird die Frage nach der
einsetzt. Einzelne Naturereignisse wie der Sonnenauf- Überlieferung der Botschaft Christi gestellt und auf die
gang, Gewitter, Stürme, Unwetter u. dgl. werden zum Zuverlässigkeit der Evangelisten und die Glaubwürdig-
Ausgangspunkt von religiösen Betrachtungen über Got- keit der Schriften eingegangen (T. 2, S. 168 ff.). Metho-
tes Einrichtung der Natur. Ähnliche Anläße geben ein- disch gesehen kommt hier weiterhin die sokratische Un-
zelne Ereignisse aus dem zwischenmenschlichen Zu- terredung zur Anwendung. Der nächst folgende Schritt
sammenleben der kleinen Kolonie ab wie z. B. Verlet- besteht in der Darbietung der biblischen Geschichte,
zungen oder Krankheiten. Pedros Krankheit und Tod, wobei zunächst das Alte Testament von Abraham bis zu
die die Kinder unmittelbar miterleben, schaffen die Johannes dem Täufer dargelegt (T. 2, S. 185-252), dann
Voraussetzung für die religiöse Behandlung von Tod, die Lebensgeschichte Jesu bis zur Himmfelfahrt wieder-
Unsterblichkeit der Seele und ewigem Leben. Des Ne- gegeben wird (T. 2, S. 261-364). Die Methode ist hier
gerfürsten Hadsis Ende leitet zur Betrachtung der Fol- die der berichtenden Erzählung, die nur zeitweilig von
gen eines sittlich zerrütteten Lebens an. Schließlich stellt Unterredungen abgelöst wird. Den Zuhörerkreis bildet
neben dem Aufbau und dem Wachsen der Kolonie die hier die gesamte mittlerweile angewachsene Kolonie.
christliche Bekehrung der schwarzen Helden selbst ein Hieran schließt sich die Behandlung der wichtigsten
wichtiges Moment der Handlung dar, wie zu den Höhe- christlichen Lehren an, insoweit es sich um durch Chri-
punkten der Erzählung nicht allein die familiäre Zusam- stus geoffenbarte Wahrheiten handelt. Zur Sprache
menkunft aller, sondern ebenso die Taufe und Konfir- kommen die christliche Lehre von Gott als dem lieben-
mation der Schwarzen gehören: schon von hierher also den Vater aller Menschen (T. 3, S. 23 ff.), die von der
gehört der Unterricht zur Handlung der Erzählung. In richtigen Verehrung Gottes, dem vernünftigen Gottes-
einem Punkt jedoch scheint die Integration der reli- dienst und der rechten Art des Gebets (T. 3, S. 27 ff. ), die
gionsunterrichtlichen Passagen in das Geschehen nicht von der Gnade Gottes, der Vergebung der Sünden und
geglückt: Gemeint ist die über ca. 160 Seiten sich er- der Erlösung der Menschen durch Christi Tod (T. 3,
streckende Darbietung der Geschichte des Alten und S. 53). Im Anschluß hieran werden die »vorzüglichsten
Neuen Testamentes (T. 2, S. 185-364). Die biblische Er- Lebenspflichten« eines Christen dargelegt, die
zählung löst sich weitgehend vom Handlungsablauf »Grundsätze eines tugendhaften Verhaltens, die Jesus
und wird nur zeitweilig durch ein klärendes Gespräch durch seine Religion festgesetzt hatte« (T. 3, S. 97 ff.).
der Zuhörer unterbrochen. Insgesamt treten in Teil 2 Es folgen die Lehre von der bestärkenden Wirkung des
und 3 die abenteuerlichen Handlungsanteile deutlicher Heiligen Geistes (T. 3, S. II 0 ff.), die von der Taufe (T.
zurück, was signalisieren könnte, daß Lossius hier mit 3, S. 143 ff.) und vom Abendmahl (T. 3, S. 204 ff.).
einem älter gewordenen Leserkreis rechnet. Schließlich wird noch auf die Lehre von der Auferste-
Der dem Werk zugrunde liegende religionsunter- hung derToten am Jüngsten Tag und vom Jüngsten Ge-
richtliche Planumfaßt zwei Stufen. Die erste enthält die richt eingegangen (T. 3, S. 248 ff.).
807 Religiöse Schriften 808

Der Beginn der religiösen Unterweisung mit Sind solchermaßen Lossius' Positionen
der natürlichen Theologie kennzeichnet Lossius durch eine gewisse Nähe zur Neologie gekenn-
als Vertreter des aufgeklärten Protestantismus. zeichnet, so ergeben sich doch schon deutliche
Auffällig ist hierbei allerdings, daß er sich zum ei- Verschiebungen etwa durch die Betonung der ge-
nen auf die Behandlung nur der natürlichen Got- offenbarten christlichen Lehre im Religionsunter-
teslehre beschränkt, zum anderen auf jegliche Be- richt, die Hervorhebung der Christusgestalt nicht
weise für die Existenz Gottes und die Unsterblich- nur als eines »Musters der Weisheit und Tu-
keit der Seele verzichtet. Dies mag in seinem allge- gend«, dem nachzueifern ist, sondern auch als
meinen moralisch-praktischen Religionsver- des Garanten von Glaubenswahrheiten, dem zu
ständnis zusammenhängen, durch das er in die vertrauen ist. Auffällig ist nicht zuletzt auch, daß
Nähe Chr. G. Salzmanns und der Neologen rückt bei Lossius dem Religionsunterricht nicht eine
und das etwa in folgendem Satz zum Ausdruck natürliche Sittenlehre vorausgeht, sondern nur ei-
kommt: »Jesus hat die Erkenntniß und Vereh- ne christliche, durch Jesus gestiftete Tugendlehre
rung Gottes nicht zu einer Wissenschaft, die der geboten wird. Hier wird eine bedeutsame Errun-
Mensch zu lernen soll, sondern zu einer Sache des genschaft der Aufklärung, die Herauslösung des
Herzens gemacht, die er innigst empfinden, von elementaren Moralunterrichts aus der christli-
der er sich ganz durchdrungen und belebt fühlen chen Religionslehre, nicht mehr aufgegriffen.
soll. Seine Lehre ist Geist und Leben.« (T. 3, Das Werk kann nicht verbergen, daß der re-
S. 20f.) Von einer Gefühlsreligion trennen ihn ligionsunterrichtliche Plan das Erste und Be-
wiederum das Festhalten an natürlicher Theolo- stimmende, die Erzählung dagegen das Sekundä-
gie und rationaler Einsicht. re und Bedingte ist, das »gefällige Gewand« (T. I,
Noch deutlicher in die Nähe der Neologie S. V), das den unterrichtlichen Stoff bloß ))ein-
bringt Lossius die Bestimmung des Verhältnisses kleidet«. Die Handlung der Erzählung entfaltet
von Vernunft und Offenbarung. Er geht zunächst sich nicht aus sich selbst heraus ; die Ereignisse
davon aus, daß die Menschen die » Absicht ihres sind unverkennbar nach den Bedürfnissen der re-
Schöpfers« bereits mit ihrer Vernunft erkennen
können (vgl. T. 2, S. 47), die Schwäche der Men-
schen aber habe sie von der wahren Erkenntnis
abkommen lassen, zu der sie prinzipiell ohne
fremde Hilfe in der Lage seien. Die Offenbarung
dient mithin nicht dazu, etwas der menschlichen
Vernunft prinzipiell Unzugängliches mitzuteilen ;
sie kompensiert gleichsam nur die menschliche
Schwäche, von der eigenen Vernunft Gebrauch
zu machen, und ist nur in dieser Hinsicht notwen-
dig. Ein Widerspruch zwischen Vernunft und Of-
fenbarung kann nicht stattfinden. Dennoch aber
hält sich Lossius von allem strengen Rationalis-
mus fern: So hält erz. B. fest an der Lehre von der
göttlichen Abstammung Jesu, an seiner Auferste-
hung und seiner Himmfelfahrt. Am deutlichsten
wird seine gemäßigte Zwischenposition zwischen
Rationalismus und Dogmatismus in der Behand-
lung des Wunderproblems: Wunder sind für ihn
»Wirkungen, die sich nicht aus dem gewöhnli-
chen Laufe der Natur und den Kräften des Men-
schen erklären lassen, und also ganz vorzügliche
und übernatürliche Kräfte voraussetzen« (T. 2,
S. 85). Solche Kräfte besitze nur Gott, »der auch
die Kräfte der Natur in seiner Gewalt hat« (T. 2,
S. 84). Jesus habe durch die Wunder gezeigt, daß
er wirklich von Gott gekommen sei. Allerdings
seien die Wunder für Jesu Auftreten und Wirken
nicht von zentraler Bedeutung; er habe zu ihnen
nur deshalb greifen müssen, weil er es mit noch
»sinnlichen Menschen« zu tun gehabt habe, die
nur so hätten überzeugt werden können. Die Lossius, Kaspar Friedrich: Gumal und Lina. 7.
Wunder waren »nöthig[.. .] für die damalige Zeit Aufl.-Gotha 1827 (Nr. 543). T eil 1, Frontispiz.
zum Beweis seiner göttlichen Sendung« (T. 2, Das Kupfer entspricht dem d er ersten Auflage
s. 108). 1795-1800
809 Lossius, Gumal und Lina, 1795 810

ligiösen Unterweisung gefügt. Damit aber wird ökonomisch selbständig, sondern integriert in
die erzählerische Einkleidung nicht etwa bedeu- den Markt. Zudem geht in sie auf diese Weise
tungslos; sie behauptet sich vielmehr als Träger fremde Arbeit ein. Diese Abhängigkeit der Kolo-
wichtiger Gehalte, die das Werk neben den religi- nie aber wird von Geronio verheimlicht; nur
ösen auch vermitteln will. So ist die Wahl des durch eine, wenn auch gut gemeinte Täuschung
Schauplatzes keinesfalls zufällig: Die Verlegung vermag er die Mitglieder der Kolonie vor der zer-
der Handlung auf einen außereuropäischen Kon- störenden Wirkung des Geldes zu bewahren. Die
tinent und die Entscheidung, zwei Neger-Kinder Kolonie aber erweist sich damit als eine bloße Ins-
zu den Helden der Erzählung zu machen, sichern zenierung Geronios; ihre Selbständigkeit und
dem Roman die reizvolle Anziehungskfraft, die Andersartigkeit ist nichts als Schein. Geronio
vom Exotischen ausgeht. Die Entführung Gu- selbst sucht sich die gesellschaftlichen Vorausset-
mals, seine gemeinsame Flucht mit Lina, die wei- zungen der Kolonie zu verbergen, indem er die
teren Erlebnisse Chiturns und Widdams stellen Goldmine als ein »Geschenk der Natur« bezeich-
abenteuerliche Handlungsanteile dar, die Span- net (T. 2, S. 151 ).
nung erzeugen. Schließlich geht auch vom zentra- Nicht nurvon ihrer andersartigen Ökonomie
len Schauplatz der Handlung, der Einsiedelei und her, sondern auch hinsichtlich der Formen des ge-
der hieraus sich entwickelnden Kolonie, ein be- sellschaftlichen Zusammenlebens will die Kolo-
sonderer Reiz aus; von hier aus gesehen kann die nie eine ideale Gegenvorstellung gebieten. Hier
Erzählung durchaus als eine Robinsonade einge- fällt zunächst auf, daß politische Gegenvorstel-
stuft werden. Die robinsonhafte Abgeschieden- lungen im strengen Sinne garnicht entwickelt wer-
heit und Einsamkeit sind hierbei weder als Ver- den. Die Kolonie ist bis zuletzt ganz und gar un-
bannung und Strafe, noch als Ideal und endgülti- politisch als Familie organisiert und wird denn
ge Lebensform gedacht; für die Kinder sind sie auch als die »glücklichste Menschenfamilie« be-
zum einen Rettung vor dem Zugriffgesellschaftli- zeichnet (T. 3, S. 286). Doch gerade in ihrem un-
cher Mächte, zum anderen nur ein vorläufiger politisch-familiären Charakter liegt ihr politisch-
und vorübergehender Zustand, in dem sie sich auf utopisches Moment: In ihr kommt das Politische
einen erneuten Eintritt in die Gesellschaft vorbe- als solches zur Auflösung, die Bindung der Men-
reiten, wie es das oben bereits angeführte Zitat (T. schen untereinander macht jegliche staatliche Or-
1, S. 172 f.) belegt. Ideal ist die Abgeschiedenheit ganisation überflüssig. In der Kolonie kommt es
als Erziehungssituation; die Robinsonade fun- denn auch zu keinerlei politischer Funktionstei-
giert hier mithin als »pädagogische Insel«. Da es lung; auch Geronio erhält keine politische Son-
sich um ein religionsunterrichtliches Lesebuch derstellung.
handelt, ergibt es sich gleichsam von selbst, daß Der Schauplatz der Erzählung ist das Innere
das Robinson-Freitag-Motiv der christlichen Be- von Afrika. Ihr geht es jedoch wie den meisten
kehrung eines Wilden, ganz in den Vordergrund Robinsonaden: Der fremde Kontinent, die exoti-
rückt. Doch sind auch die anderen Elemente der sche Gegend, die reiche Vegetation und Tierwelt
Robinson-Situation vertreten: Die Kinder erfah- bleiben Hintergrund und Staffage. Das innere Le-
ren hier eine natürliche Erziehung durchaus im ben der Kolonie ist ganz und gar europäisch aus-
rousseauisch-philanthropischen Sinne. gerichtet: Hier herrschen Arbeitsamkeit, Hand-
Durch das Anwachsen der Einsiedelei zu ei- werklichkeit, Technik und aufgeklärt-rationalisti-
ner kleinen Kolonie erlangt die Robinson-Situa- sche Denkungsart. Sitten und Gewohnheiten sind
tion zunehmend den Charakter einer gesellschaft- die des weißen Geronio und seiner Konfratres,
lichen Utopie. Die Erzählung wird solchermaßen deren Sprache im übrigen auch gesprochen wird.
zum Entwurf eines gesellschaftlichen Idealzu- Es handelt sich gleichsam um eine europäische
standes, der sich kritisch gegen die eigene Gegen- Exklave in innerafrikanischer Umwelt. Die hin-
wart richtet. Als eine ideale Gestalt gesellschaftli- zukommenden Schwarzen nehmen nicht nur die
chen Zusammenlebens erscheint die Kolonie zu- christliche Religion der Weißen, sondern auch
nächst deshalb, weil sie ausschließlich an Ge- deren Umgangsformen, Arbeitsweisen und Sitten
brauchswerten orientiert ist, weder Geld noch die an. Diese Anpassung wird hierbei von ihnen als
Sucht nach abstraktem Reichtum kennt, weil des- ein glücklicher Gewinn empfunden, denn die
weiteren ihr Reichtum auf der eigenen Arbeit aller Völkerschaften, denen sie entstammen, befinden
beruht und Handel wie Ausbeutung fremder Ar- sich in permanentem Kriegszustand 1:md sind da-
beit unbekannt sind. Allerdings macht sie sich die mit von einem zivilisierten Zustand noch entfernt.
Errungenschaft der entwickelten europäischen Gleichzeitig aber ist das Werk ganz und gar von
Zivilisation durchaus zunutze, indem sie deren dem Gedanken einer Toleranz der Rassen durch-
Gerätschaften und Werzeuge sich besorgen läßt. drungen. Die Kolonie umfaßt Menschen dreier
Hier aber zeigt sich, daß die Kolonie in Wahrheit Rassen in vollendeter Gleichberechtigung. Sode-
doch Geldreichtum zu ihrer Voraussetzung hat: monstriert die Erzählung, daß die Menschen -
Geronio kauft ja die Werkzeuge mit dem Gold gleich welcher Hautfarbe - eines Wertes sind.
aus einer Mine. Die Kolonie ist damit keineswegs Die Wahl eines Mädchen und eines Jungen
811 Religiöse Schriften 812

zu den Helden der Erzählung ermöglicht es Los- habe ich mich dazu berufen gefühlt, zu Gunsten derjeni-
sius, mit der vorliegenden Schrift zugleich auch gen, denen jedes Dogma der christlichen Religion, oder
einen Beitrag zur geschlechtsspezifischen Erzie- auch jede historische Wahrheit, die sie nicht gleich mit
hung zu leisten. Denn beide Kinder sind für die ihrer Vernunft vereinigen können, als theologischen
Sauerteig[ ...] wegzulassen, oder meine Ueberzeugung
jugendlichen Leser nicht nur hinsichtlich ihrer re- zu ändern.« (T. 1, S. VIII f.) Den großen Erfolg des
ligiösen Vorstellungen, sondern auch in ihrem Werkes sieht Lossius schließlich als einen Beweis dafür
Rollenverhalten als Mädchen und Junge Identifi- an, »daß die Religion, daß insbesondere die christliche
kationspunkte. Die verschiedenen Geschlechter- Religion noch immer ihre Verehrer hat, die es als das
rollen werden denn auch in der Gestaltung der Fi- wichtigste Bedürfniß fühlen, an ihre Wahrheiten erin-
guren Gumal und Lina von Lossius bis zur Über- nert zu werden« (T. I, S. VI). Die im Werk vorhandene
deutlichkeit akzentuiert. gemäßigt neologische Position erhält in der Vorrede von
1816, wie sich deutlich zeigt, einen antiaufklärerischen
Wie der Katalog von Wegehaupt (1979) zeigt, hat Akzent.
der erste Teil des Werks bereits 1797 eine 2. verbesserte Das Werk hat in der Literaturgeschichtsschrei-
Auflage erfahren. Alle drei Teile haben 1801-1802 eine bung stets Beachtung erfahren. C. Kühner (1862, 2.
von neuem durchgesehene Auflage erlebt; die dritte Aufl., 1880) hält Gumal und Lina für die »Vermählung
Auflage des gesamten Werkes ist lt. Kayser von 1809, des Rousseau'schen Naturkindes mit dem modernen
die fünfte von 1816 (lt. Wegehaupt), die sechste von Christentum« (S. 869). Merget (1882) widmet dem
1819, die siebte von 1827. Eine neunte Auflage 1846 ist Werk einen längeren Absatz. Er bezeichnet es als »Ro-
von Wilhelm Hey durchgesehen und verbessert. Die binsonade«, kritisiert aber die Handlung als »sehr will-
Vorrede zur fünften Auflage, die auch in der siebten kürlich erfunden«. Hervorgehoben wird, daß der Ver-
noch abgedruckt ist, gibt Auskunft über die Verbesse- fasser »kein Rationalist« sei, als unangenehm aber die
rungen der Ausgabe 1809: »Ich habe daher auch weiter die »Eigenmächtigkeit« empfunden, »mit welcher der
keine Abänderungen in Absicht der Form bei der dama- Verfasser in jener Einsamkeit eine abgesonderte Kirche
ligen Auflage gemacht, als daß ich einige Perioden mehr konstituiert«. Das Buch wird schließlich als »veraltet«
geründet, einige geschlichene Sprachfehler verbessert, abgetan (S. 53 f.). Egon Schmidt(l974) nimmt eine aus-
manche Wiederholungen des schon Gesagten wegge- führlichere Besprechung des Werks vor. Lossius schei-
strichen und die geschichtliche Einleitung zur christli- ne »sich geschickt gewisser Techniken der zeitgenössi-
chen Religion im zweiten Bande mehr zusammenge- schen Trivialliteratur zu bedienen, um seine religiösen
drängt habe, mit Weglassang dessen, was mehr auf die Belehrungen an den Mann zu bringen« (S. 59). Gemeint
vormalige jüdische Religionsgeschichte Beziehung hat- sind hier das »Exotische« und die »exzeptionelle
te.« (T. I, S. VII f.) Handlung«; allerdings sieht Schmidt auch »Schwarz-
In der Vorrede zur fünften Auflage geht Lossius weißmalerei« und eine »starke Emotionalisierung der
nocheinmal auf die Konzeption seines Werkes ein. Zu- Helden« vorwalten, ohne dies jedoch näher zu belegen
nächst macht er die Methode namhaft, die er in den re- und zu erläutern. Sodann konstatiert Schmidt Einflüsse
ligionsunterrichtlichen Passagen angewandt hat: »Um »zeitgenössischer fortschrittlicher Ideen« gerade in der
diesen Unterricht faßlich, oder dem Verstande der Kin- im Werk vertretenen Morallehre: In sie sei eine »stark
der einleuchtend zu machen, bediente ich mich der so- bürgerlich-nützliche Ethik integriert« (ebd.). Gerade in
kratischen Methode, und suchte sie durch Unterhaltung diesem Punkt aber, so hat sich oben gezeigt, nimmt Los-
über sinnliche Gegenstände auf die übersinnlichen sius eine bedeutende Errungenschaft der Aufklärung
Wahrheiten von Gott und der höheren Bestimmung der wieder zurück. Zwar ist Schmidt darin zuzustimmen,
Menschen zur Seligkeit zu leiten[ ... ]« (T. I, S. 111 f.) Ein daß die Handlung »bürgerliche und irdische Tugen-
solch expliziter Hinweis auf die sokratische Methode den« wie Arbeitsamkeit, Heiß etc. verbreite, die Sitten-
fand sich in der ersten Ausgabe noch nicht. In dieser lehre jedoch wird in einem ausdrücklichen Sinne wieder
Vorrede akzentuiert Lossius im Nachherein stärker sei- als christliche installiert, womit Lossius einen bedeutsa-
ne theologische Position. So hebt er besonders hervor, men Schritt hinter Salzmann zurückgeht. Schmidt weist
daß er nicht eine natürliche Moral, sondern eine auf schließlich auch daraufhin, daß in der Kolonie es nicht
christlichen Glaubenswahrheiten basierende Sittenleh- nur keinerlei »Vorurteile gegenüber anderen Rassen
re geboten habe, was in der Blütezeit der Aufklärung ei- und Völkern« gibt, sondern auch »soziale Unterschiede
ne riskante Angelegenheit gewesen sei. Deutlicher wen- beseitigt« werden, »indem der Adel (hier ein Fürst) sei-
det Lossius sich jetzt gegen aufgeklärt-rationalistische ne Privilegien freiwillig aufgibt und sich als gleicher in
Strömungen innerhalb der Theologie: »Am wenigsten die Schar derTätigen einordnet« (S. 59 f. ). E.
Werke für den Lese- und Schreibunterricht und für den
deutschen Sprach-, Rhetorik- und Poetikunterricht

1753
heiten der griechischen und römischen, doch ge-
Johann Christoph Gottsched (1700-1766): wißlich aller heutigen ausländischen Sprachen,
Kern der Deutschen Sprachkunst. ihnen gleich kommen, ja nicht selten vorgehen«
5., verbesserte Auflage. (Vorrede).
Leipzig 1766 Wenn die Schüler der deutschen Sprache ge-
genüber den klassischen oder auch ausländischen
Gottscheds Kern der Deutschen Sprachkunst ist Sprachen einen geringeren Wert zumäßen, so lie-
ein »kleine[s] Hand- und Schulbuch« (Vorrede) ge das sicherlich auch zum großen Teil in der Ver-
»zum Gebrauche der Jugend« und stellt eine unsicherung begründet, die aus den Ungewißhei-
Kurzfassung der umfangreichen, 1748 erschiene- ten der deutschen Rechtschreibung erwüchsen.
nen Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst, Einerseits sei die »regelmäßige deutsche Schreib-
Nach den Mustern der besten Schriftsteller des art, nochbeyweitem nicht allgemein geworden«,
vorigen und jetzigen Jahrhunderts abgefasset dar. zum andem seien diese Ungewißheiten Ergebnis
Die Umarbeitung der Grundlegung zu einem vieler bisheriger Grammatiken: »Fast alle, die
Werk für Jugendliche begründet Gottsched in ei- sich in das Handwerk der Sprachlehre gemischet,
ner »Anrede an die sämmtlichen berühmten Leh- haben sich besondre Meinungen und Regeln ge-
rer der Schulen in und außer Deutschland« mit wählet; und dadurch viele mehr abgeschrecket,
den Worten: Die Grundlegung »war freylich, zu- als angelocket, ihre Anweisungen zu lesen; der
mal in der letzten Ausgabe, für Anfänger etwas zu Sprache selbst aber, dadurch mehr geschadet, als
weitläufig geworden. So wenig sie noch an die genützet.« Diesem Mißstand will Gottsched
Größe der schottelischen reichet; so gewiß hält sie durch die Vorlage seines Hand- und Schulbuchs
schon viel Dinge in sich, die nur den Lehrern, abhelfen. Dabei beruft er sich auf die Erfolge sei-
nicht aber den Schülern zu wissen nöthig sind. ner Grundlegung, die nicht nur mehrere Auflagen
Hernach aber schreckete auch der Preis derselben erfahren habe, sondern auch in verschiedene
manchen fähigen Schüler ab, sich dieselbe anzu- Sprachen übersetzt worden sei (vgl. Vorrede).
schaffen. Nichts von dem allen wird diesen mei- Das Werk gliedert sich in vier Abschnitte. Im er-
nem Auszuge im Wege stehen. Er hält wirklich sten Teil wird die Orthographie behandelt (S. 1-75).
den bloßen Kern der deutschen Sprachkunst in Gottsched erläutert die allgemeinen Regeln der Recht-
sich; daraus man sich aber einen ziemlich zurei- schreibung, die besonderen Regeln »der Verdoppelung
chenden Begriff, von allen Theilen derselben wird der Mitlauter<< und die »Regeln von dem Gebrauche
machen können.« des H, Th, K, und Q«. Einem weiteren »Hauptstück«
von den »orthographischen Unterscheidungszeichen«
Der Kern der Deutschen Sprachkunst will folgt dann ein ausführliches »Orthographisches Ver-
der Förderung des muttersprachlichen Unter- zeichniß gewisser zweifelhafter Wörter«. Der zweite
richts dienen; der muttersprachliche Unterricht Teil ist der Wortforschung gewidmet (S. 76-184); Gott-
soll den Schülern »sowohl eine wahre Kenntniß, sched behandelt darin nach einem Hauptstück »Von
als eine Hochachtung und Liebe zu ihrer Mutter- den verschiedenen Arten der Wörter« in der Reihenfol-
sprache« einpflanzen und sie auch auf diese Wei- ge Artikel, Substantive, Adjektive und Numeralien, Pro-
se zu »rechtschaffene[n] Patrioten« erziehen, nomen, Verben, Partizipien, Adverbien,Präpositionen,
»die auch das Einheimische kennen und lieben; Konjunktionen und Interjektionen. Im dritten Teil
nicht aber aus Vorurtheilen, nur die Sprachen der (S. 185-227) beschäftigt sich Gottsched mit der Syntax,
die er in zehn Hauptstücken - gegliedert nach Syntax
Ausländer hochschätzen« (Vorrede). Es sei »ei- der Artikel, Nomina, Pronomina, Verben, Partizipien,
nem gebohmen Deutschen eine wahrhafte Hilfsverben, Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen
Schande [ ... ], zwar in todten und ausländischen und Interjektionen- vorstellt. Den Schluß des Werkes
Sprachen geschickt; in seiner eigenen Mutter- bildet die Lehre von der Prosodie (S. 228-252). Gott-
sprache aber ein Fremdling, oder doch ein halber sched behandelt darin die Quantität der Silben, die ver-
Barbar zu seyn.« (Vorrede). Dem herrschenden schiedenen Füße deutscher Verse, den Reim und die ge-
Übel des »Verfall[s] unserer Muttersprache« bräuchlichen Versarten der deutschen Poesie. Ein» Ver-
(Vorrede) könne nur durch die muttersprachliche zeichniß der gebrauchten Kunstwörter« beschließt den
Erziehung der Schuljugend entgegengewirkt wer- Band.
den. Es sei Aufgabe der Lehrer, den Schülern be- Mit seiner Grundlegung einer Deutschen
greiflich zu machen, daß auch die deutsche Spra- Sprachkunst versuchte Gottsched das bis dahin
che »ihre beständigen Regeln, und ihre besan- noch immer anerkannte, jedoch veraltete Lehr-
dem Schönheiten habe: die, wo nicht den Schön- buch der deutschen Grammatik, Schotteis Teut-
815 ABC- und Lesebücher etc. 816

sehe Sprachkunst von 1641, durch ein zeitgemä- Kern aus: ))Die beste Mundart ist insgemein in
ßes Werk des galanten Stils zu ersetzen. Die Be- der Hofstadt eines Landes; z. E. in Paris und Lon-
deutung seiner Sprachkunst liegt in dem Versuch, don, Stockholm und Kopenhagen: oder wenn das
eben nicht aus eigenem Gutdünken ))besondere Land viel Höfe hat, in der größten Hofstadt, die in
Meinungen und Regeln« gewählt und zur Norm der Mitte des ganzen Landes liegt; wie in Wälsch-
erhoben zu haben, wie er selbst an anderen zeitge- land zu Rom, oder in Deutschland zu Dresden.
nössischen Grammatikern kritisiert (vgl. Vorrede Doch muß man auch hier nicht des Pöbels, son-
zum Kern der Deutschen Sprachkunst), sondern dern der vornehmen und studirten Leute Aus-
sowohl aus den alten Grammatiken die nach wie sprache annehmen. Diese gute Art nun breitet
vor gültigen und zeitgemäßen Regeln zu überneh- sich insgemein von diesem Hofe auf den Adel, auf
men, als auch aus dem aktuellen Sprachgebrauch die Gelehrten, und die vornehmen Bürgersleute,
zu schöpfen. Seine Aufgabe als Grammatiker be- und nachmals nächst umliegenden Städte und
nennt er in der Vorrede zur Grundlegung: )) Meine Landschaften aus; zumal wo es hübsche Handels-
Absichten sind nicht gewesen, Neuerungen in städte, Universitäten, oder gar kleine Höfe gibt.
unsrer Sprache zu machen. Ich gehöre nicht unter Daher kömmt es, daß die gute obersächsische
die Zahl derer, die sich einbilden, sie hätten Fä- Mundart sich auch außer Meißen, im Altenburgi-
higkeit genug, ihre Muttersprache zu verbessern, schen, in der Lausitz, im Anhältischen, im Saal-
anders einzurichten, und zu verschönern. [ ... ] Al- kreise, in Thüringen und im Vogtlande antreffen
les was also, meines Erachtens, ein Sprachlehrer läßt.«(Kern,S.I5,Anm.)
thun kann, ist dieses, daß er die verborgenen Gottsched geht es zunächst um eine Verbin-
Schönheiten seiner Muttersprache aufsuche, ent- dung der Dresdner Hof- und Kanzleisprache mit
decke, anpreise und bey seinen Landsleuten in der Sprache des Leipziger Buchhandels: ))[ ... ] so
Schwang bringen helfe: nicht aber, daß er sich zu werden wir in Deutschland ohne Zweifel der
einem neuen Gesetzgeber aufwerfe, der ein gan- chursächsischen Residenzstadt Dresden, zumahl
zes Volk nach seinem eigenen Kopfe will reden des Hofes angenehme Mundart, mit den Sprach-
lehren; und sich Regeln erdichte, die von seiner regeln und critischen Beobachtungen verbinden
Nation noch niemals angenommen, oder beob- müssen, die seit vielen Jahren in Leipzig gema-
achtet worden.« chet, und im Schreiben eingeführt worden; um
Gottsched beruft sich in der Vorrede zur durch beydes die rechte Wortfügung im Deut-
Grundlegung nicht nur auf die sprachschöpferi- schen fest zu setzen.« (Grundlegung, S. 334) Er
schen Leistungen großer Vorbilder, ))dahin man warntjedoch davor, die meißnische Mundart ab-
billig den großen Luther, Opitzen, Buchnern, solut zu setzen; er strebt die Vereinheitlichung der
Claubergen, Vorsten, Vossen, Leibnitzen, Eckar- deutschen Sprache ausgehend vom Meißnischen
den und so viele andere zählen muß«, sondern an, lehnt aber die sprachliche Vergewaltigung der
auch auf ))zum Theil sehr glückliche Vorgänger«, Grenzländer durch die Mitte ab, zumal man
von denen er ))Clajus, Schotte!, Stielerund Bödik- schon eine stillschweigende Anerkennung der
ker« namentlich nennt. In der Vorrede zum Kern Vorherrschaft des Meißnischen voraussetzen
erwähnt er neben Bödicker vor allem die beiden könne: ))Denn obgleich einjedes Volk, zumal in
Grammatiker Frisch und Bellin, die ))ansehnliche Deutschland, Herr in seinem Land ist, und also
Dienste« geleistet hätten. Bedeutsamer jedoch als der besondern Mundart seines Hofes folgen
sein Versuch, das Neue aus dem Alten zu entwik- könnte: so wird es doch niemand für rathsam hal-
keln, ist seine Methode, sich in der Feststellung ten, sich mit Fleiß von dem übrigen Theile der Na-
der Regeln eng an den Sprachgebrauch seiner tion, um etlicher Kleinigkeiten willen, zu trennen;
Zeit anzulehnen, d. h. die lebendige Sprache zum zumal, da schon die besten Schriftsteller in allen
Gegenstand der Untersuchung zu machen. Die- Landschaften den Vorzug der wahren hochdeut-
ses Bemühen wird bereits im Titel der Grundle- schen Mundart eingesehen, und stillschweigend
gung deutlich: ))Nach den Mustern der besten zugestanden haben« (Grundlegung, S. 7). Die Be-
Schriftsteller des vorigen und jetzigen Jahrhun- gründung, die Gottsched für seine Wahl des
derts abgefasset«. ))Eine Sprachkunst«, so heißt Meißnischen als Grundlage seiner sprachrefor-
es in§ 1 der Einleitung zur Grundlegung, ))ist eine merischen Bemühungen selbst liefert, zeigt, daß
gegründete Anweisung, wie man die Sprache ei- er sich für das Meißnische vor allem deshalb ent-
nes Volkes, nach der besten Mundart desselben, scheidet, weil hier einerseits ein großer Hof in der
und nach der Einstimmung der besten Schriftstel- Mitte des zersplitterten Deutschlands liegt, ande-
ler, richtig und zierlich, sowohl reden als schrei- rerseits dieses Gebiet den Mittelpunkt des deut-
ben solle« (Grundlegung, S. I). Gottsched nimmt schen Buchhandels und Schrifttums bildet. Von
also zwei Quellen als richtungweisend an: die be- daher eignet sich nach Gottscheds Auffassung
ste Mundart und die Tradition der Schriftsprache. das Meißnische aus einem nationalen Grund: Es
Was unter ))bester Mundart« zu verstehen kann Grundlage sein zur Vereinheitlichung und
sei, führt Gottsched in einer Anmerkung zu den Einigung der Sprache.
))Allgemeinen Regeln der Rechtschreibung« im Die von Schimansky (1939, S. 133 ff.) aufge-
817 Gottsched, Sprachkunst, 1753 818

stellte Behauptung, Gottscheds Bezug auf die


»beste Mundart« bedeute nicht nur die Aufnah-
me der Sprache der Gelehrten, sondern auch
»praktisch eine Annäherung an die Sprache des
Volkes«, wobei Gottsched das Volk keineswegs
mit dem Pöbel gleichsetze, läßt sich zumindest
aus der Grundlegung bzw. dem Kern keineswegs
erhärten. Zweifelsohne hat Gottscheds Sprach-
lehre einen sozialpraktischen Bezug - er faßt sie
ausdrücklich mit Rücksicht auf die bürgerlichen
Stände ab (vgl. Grundlegung, Vorrede)-, nur be-
deutet dieser nicht, daß er Elemente der Volks-
sprache in seine Sprachlehre aufnehmen will; sei-
ne Absicht geht vielmehr dahin, auch den nicht-
adeligen und nicht-gelehrten Ständen die Spra-
che des Hofes und der gelehrten Welt zu vermit-
teln. Es bedeutet keineswegs, dieses volkserziehe-
rische Anliegen Gottscheds herabzusetzen, wenn
man darauf hinweist, daß in der expliziten Aus-
klammerung der Volkssprache die vielleicht we-
sentlichste Schranke in Gottscheds sprachrefor-
merischen Bemühungen in der Grundlegung einer
Deutschen Sprachkunst liegt.
Die zweite Quelle, aus der Gottsched
schöpft, ist das Schrifttum des 17. und 18. Jahr-
hunderts, sind die »besten Scribenten«. Diese
Quelle ist jedoch der ersten nicht gleichwertig:
Gottsched will sie vor allem dort herangezogen
wissen, wo die erste Quelle Ungewißheiten nicht
beseitigen kann. So lautet dann auch seine »IV. Johann Christoph Gottsched (1 700-1766}. Kup-
Regel« zur Orthographie: »In zweifelhaften Fäl- ferstich von Sysang
len schreibe man, wie es der Gebrauch der mei-
sten und besten Schriftsteller eingeführt hat.«
(Kern, S. 17) Normativ ist die Schriftsprache je- der sprachreformerischen Bemühungen Gott-
doch bezüglich der Reime. In der 2. Regel des Ab- scheds ein: )) Die Einrichtung der Sprachlehre
schnitts» Von Reimen überhaupt« heißt es daher: mach dem heutigen, weit zärtern Geschmacke
)) Ein guter Reim muß, so viel möglich ist, mit ei- der Deutschen< war das Bekenntnis zu einer
nerley Buchstaben geschrieben werden. [ ... ]Weil Grammatik der Gegenwartssprache. Sie mußte
nämlich in so vielen Landschaften von Deutsch- die Orientierung an der lateinischen und an der
land die Aussprache unterschieden ist: so ist es Kanzleisprache endgültig verdrängen. Gottsched
am besten, man richte sich im Reimen allenthal- hatte einen wesentlichen Baustein zu einer mut-
ben nach der Schrift, die viel allgemeiner ist. Da tersprachlichen Grammatik gelegt, die sich weit-
wird es nun leicht fallen, zu sehen, was sich rei- gehend an der Gegenwartssprache ausrichtete
met, oder nicht.« (Kern, S. 239) Bedeutsam ist und die helfen konnte, eine einheitliche deutsche
Gottscheds Bezugnahme auf die »besten Schrift- Schriftsprache über die vielen Provinzial- und
steller« - er zählt dazu Canitz, Besser, Neukirch, Mundartgrenzen hinweg durchzusetzen. Dem
Pietsch, Günther, Mosheim, Mascau und Bünau Bürgertum war damit in seinem nationalen Stre-
(vgl. Jellinek, 1913, Bd. l, S. 243)- insofern, als er ben ein unschätzbarer Dienst erwiesen, vor allem
damit die bislang gültige Autorität der Kanzlei- auch dadurch, daß von Gottsched zugleich eine
sprache eindeutig verwirft. Seine Grundlegungist sozial akzentuierte Praxisorientierung angestrebt
mit einer solchen Fülle von Beispielen aus »be- wurde, denn er hatte sie )den Deutschen, und son-
sten Schriftstellern« ausgestattet, daß Frank derlich der Jugend zu gut abgefasset, die nicht al-
(1976, Bd. I, S. 94) zutreffend feststellen kann, lezeit die lateinische Grammatik gelernet hat;
das Buch sei zugleich geeignet, »als deutsche Stili- sonderlich, wenn sie sich dem Soldatenstande,
stik benutzt zu werden«. der Schreiberey, dem Handel und Landleben
Wolff(l895, Bd. I, S. 60) betont mit Recht, widmet<.« Das nationale Anliegen Gottscheds
Gottsched habe mit seiner Grammatik »rein wird bereits deutlich in seiner Auffassung von der
praktische Zwecke« vor Augen gehabt (ähnlich Sprache als )) Klammer der Einheit im Ionern und
Nadler, 1931, Bd. 2, S. 410). Auch Rieck (1972, Schutzschild nach außen« (Schimansky, 1939, S.
S. 100 f.) geht auf die praktischen Konsequenzen 139): Nach innen soll die Vereinheitlichung der
819 ABC- und Lesebücher etc. 820

Sprache einen Beitrag zur nationalen Einheit lei- S. 228), sondern darum, sie den korrekten Vortrag
sten, nach außen soll sie das nationale Selbstwert- eines Gedichtes zu lehren und ihnen Grundkennt-
gefühl dokumentieren, das sich gerade auch in nisse für eigene dichterische Versuche zu vermit-
dem Bewußtsein des Wertes der Muttersprache teln: »Wer also Gedichte machen, oder nur recht
äußert. Das schon zitierte Wort aus der Vorrede, lesen, und mit Verstande davon urtheilen will, der
es sei »eine wahrhafte Schande«, in seiner eignen muß die Syllben ihrem rechten Tone nach abmes-
Muttersprache »ein Fremdling, oder doch ein sen, oder aussprechen lernen. Daher gehört nun
halber Barbar« zu sein, macht deutlich, daß es für die Prosodie, oder Tonmessung billig zur deut-
Gottsched eine »Sache der nationalen Ehre« schen Sprachkunst « (Kern, S. 228 f.) Damit zieht
(Schimansky, 1939, S. 139) ist, die deutsche Spra- Gottsched ab auf die Schärfung der Urteilskraft
che besser zu beherrschen als die alten oder aus- der Schüler, ein Anliegen, das er in ähnlichem Zu-
ländischen Sprachen. Von daher begründet sich sammenhang 17 54 in seinen Vorübungen der Be-
auch das Gewicht, das Gottsched im Kern dem redsamkeit, zum Gebrauche der Gymnasien und
muttersprachlichen Unterricht in der Erziehung größeren Schulen (S. 404) äußert. - Daß hier ein
der Schüler zu »redliche[n] Patrioten, rechtschaf- grundsätzlich gleiches Anliegen für zwei auf den
fene[n] Bürger[n], und ehrliebende[n] Deut- ersten Blick doch recht unterschiedliche Bereiche
sche[n]« beimißt Der Kern der Deutschen - Grammatik und Rhetorik - postuliert wird,
Sprachkunst soll durch richtige muttersprachliche weist auf einen Umstand hin, den Frank (1976,
Ausbildung einen grundlegenden Beitrag zur pa- Bd. 1, S. 94) mit den Worten beschreibt: »Für
triotischen Nationalerziehung leisten. Gottsched und seine Zeit gehörte zur Einheit von
So wie die Grundlegung einer Deutschen Poetik und Rhetorik noch ein Drittes, nämlich die
Sprachkunst und der Kern der Deutschen Sprach- Grammatik oder, wie man seit Schottel gern sagte,
kunst die gleichen Zielvorstellungn verfolgen, ist die >Sprachkunst<. Gemäß dieser später wieder
auch der Aufbau der beiden Werke im wesentli- verloren gegangenen Auffassung bildeten Dich-
chen gleich. Der Grundlegung ist allerdings eine tung, Literatur und Rede einen großen Zusam-
Einleitung vorweggeschickt (»Von der Sprach- menhang, in dem sich eine noch nicht zum System
kunst überhaupt«, »Von der Vollkommenheit ei- erstarrte Grammatik an den sprachschöpferi-
ner Sprache überhaupt«,» Von der Abteilung der schen Leistungen neuer Autoren orientierte. [ ... ]
Sprachlehre«), die im Kern fehlt. Ebenso fehlen Wie die zahlreichen Poetiken und Rhetoriken
im 3. Teil zur Syntax die ausführliche» Vorerinne- auch Kapitel aus der Sprachlehre bringen, so fin-
rung« sowie die beiden Hauptstücke XI und XII den sich umgekehrt in den Grammatiken Ab-
»Von den grammatischen Figuren« und »Von schnitte über die poetischen Gattungen mit An-
den Kern- und Gleichnißreden, imgleichen den weisungen über die Einhaltung der Versmaße
Spruchwörtern der deutschen Sprache« (beide und dergleichen.«
Abschnitte sind jedoch auch nicht enthalten in Tritt auch im Kern im Vergleich zur Grundla-
der vorliegenden 1. Auflage der Grundlegungvon ge der Charakter eines grammatikalischen Regel-
1748); im 4. Teil zur Prosodie fehlen die Vorerin- werks stark in den Vordergrund- mit» Rücksicht
nerung sowie die Hauptstücke I und VI (»Histo- auf seinen schmalem Umfang und seine Bestim-
rie und Vertheidigung des deutschen Sylbenma- mung mußte [ ... ] die Vielzahl der literarischen
ßes«, »Von den ungewöhnlichem Arten der Ge- Beispiele fortfallen« (Frank, 1976, Bd. 1, S. 95) -,
dichte«). Auch drei Anhänge - sie fehlen aller- so ist doch unbestreitbar, daß der Kern der Deut-
dings in der vorliegenden Erstausgabe der Grund- schen Sprachkunst als »Hand- und Schulbuch«
legung ebenso wie zwei Register - sind in den Gottscheds Verdienste um die deutsche Sprache
Kern nicht mitaufgenommen. Inhaltlich hat Gott- mitbegründete. In seiner umfangreichen Gott-
sched gegenüber der Grundlegung keine oder nur sched-Studie faßt Rieck (1972, S. 106) diese Ver-
unwesentliche Korrekturen vorgenommen. dienste und ihren Stellenwert mit den Worten zu-
Jellinek übt insbesondere an Gottscheds sammen: Sie »bestehen vor allem darin, daß er
viertem Teil zur Tonmessung Kritik: »Gottscheds die nationalsprachlichen Einheitsbestrebungen
eigenstes Werk ist die Prosodie, in der er dem Ehr- durch seine Wirksamkeit weitgehend verwirkli-
geiz frönt, Regeln nach Art der lateinischen chen konnte und sie um die qualitativ bedeutsame
Schulgrammatik aufzustellen, d. h. die >Quanti- Ausrichtung auf die gegenwartssprachlichen Er-
tät< nach dem Lautgehalt der Silben zu bestim- scheinungen bereicherte. Hierin liegt auch die na-
men, ein Unternehmen, das natürlich Schiffbruch tionale Bedeutung seiner sprachreformerischen
erleiden mußte. Und dabei weiß er recht gut, daß Bestrebungen. Dabei betonte Gottsched aus-
im Deutschen die Stammsilben den Ton tragen.« drücklich, daß es ihm nicht um die dogmatische
(Jellinek, 1913, Bd. 1, S 233) Jellinek verkennt Normung der deutschen Sprache und ihrer Re-
hierbei jedoch den pädagogischen Wert, der die- geln zu tun sei, sondern um ihre Ausrichtung nach
sem Teil in Gottscheds Grammatik zukommt. dem Beispiel der guten Schriftsteller und der
Gottsched geht es nicht nur darum, die Schüler >wahren hochdeutschen Mundart<.«
zur »guten Aussprache« zu gewöhnen (Kern,
821 Basedow, Kleines Buch, 1771 822

Der Kern der Deutschen Sprachkunst war das er- chen« (ebd.). Weil es aber doch auch für die Vor-
folgreichste Schulbuch Gottscheds. Es erlebte mehrere nehmen und Reichen nützlich, wenn auch nicht
Auflagen - Kayser weist acht Auflagen nach, die letzte ausreichend sei, richte es sich an alle Stände.
177 6 besorgt von J. G. Hoffmann- und auch Nachdruk-
ke. In einer »Erinnerung« zur vorliegenden 5. Auflage
Das begleitende Methodenbuch ist für die
1766 verwahrt sich Gottsched gegen einen unrechtmä- Eltern und Lehrer gedacht und soll, wie Basedow
ßigen Wiener Nachdruck; die 5. Auflage wurde daher ausdrücklich vermerkt, nicht in die Hände der
als »verbesserte« herausgegeben, so daß Gottsched dar- Kinder gelangen (E, S. 90 f.). In der Familie bzw.
aufhinweisen kann, die vorigen Ausgaben wie auch der der Schule genüge die Anschaffung eines Exem-
Nachdruck seien »dadurch unvollständig, und minder plars, während von dem Kinderbuch jedes Kind
schätzbar geworden«. ein Exemplar erhalten solle; aus diesem Grunde
Frank (1976, Bd. I, S. 94f.) berichtet, der Kernsei sei denn auch eine getrennte Veröffentlichung
in »viele europäische Sprachen « übersetzt worden und vorgenommen worden. Das Werk ist sowohl für
habe Johann Bödikers Grammatik, »die bis dahin den
die private, häusliche Unterrichtung im Rahmen
deutschen Sprachunterricht beherrscht hatte« ver-
drängt. Sie sei »bis auf Adelung die am meisten benutzte der Familie wie auch für den Schulgebrauch ge-
deutsche Sprachlehre« gewesen. dacht, was schon aus der Titelformulierung des
1765 wurde der Kern durch das im Auftrag Fried- Methodenbuchs hervorgeht. Die gegebenen Er-
richs von Felbiger verfaßte preußische »General-Land- ziehungsanweisungen betreffen den gesamten Er-
Schui-Regelement« zum offiziellen Schulbuch in den ziehungsprozeß von der Geburt an. Dem Ge-
schlesischen Volksschulen. Eine ausführliche Darstel- brauch des Lesebuches sollen Buchstaben- und
lung der Wirkungsgeschichte der dem Kern vorausge- Leselernspiele vorangehen, die gänzlich ohne Bü-
gangenen Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst, cher durchgeführt werden sollen: Bis zur Endi-
die von Friedrich II. und Maria Theresia in den
gungdes 2. bis 3. Jahres sollen durch Aussprache-
Deutschunterricht eingeführt wurde, findet sich bei
Schimansky (1939, S. 124f.) und besonders bei Rieck spiele die »Sprachglieder« geübt werden (E,
(1972, S. 101 ff.). 0. B. S. 67ff.), hernach seien die Buchstaben-, Buch-
stabier-und Silbenspiele vorzunehmen. Erst nach
Beendigung dieser Übungen dürfe den Kindem
das Lesebuch in die Hand gegeben werden (E,
S. 88). Basedow macht hier keine exakten Alters-
1771 angaben, definiert aber die inhaltlichen Voraus-
Johann Bernhard Basedow (1 724-1790): setzungen: Die Kinder müssen die kleinen deut-
Kleines Buch for Kinder aller Stände. schen Buchstaben kennen, Silben aus en Buchsta-
Kleines Buch for Eltern und Lehrer aller ben bilden können sowie durch ihre Sinne, durch
Erfahrung und durch Gespräche schon eine Rei-
Stände. Zurelementarischen Bibliothek he von Kenntnissen erlangt haben (E, S. 91 f.).
gehörig. Die beiden letzten Hauptstücke des Lesebuches
Leipzig 1771 sollen wiederum erst dann vorgenommen wer-
den, wenn die Kinder »keiner eigentlichen Lese-
Im Gegensatz zum Wortlaut des Titels richtet sich übung mehr bedürfen«, wenn sie »einer besonde-
das Werk vornehmlich an die unteren Schichten ren Aufmerksamkeitauf Buchstaben, Sylben und
der Handwerker und der Bauern. Basedow betont Unterscheidungszeichen nicht länger bedürfen«
zwar in der Vorrede zum begleitenden Methoden- (E, S. I 06). Das Lesebuch ist damit, so darf ver-
buch für Eltern und Lehrer ( = »E«), daß er für mutet werden, für das 5. bis 8. Lebensjahr der
»Arme und Reiche, für Vornehme und Gemeine« Kinder bestimmt. Hierbei kommt es Basedow kei-
schreibe (E, S. 2). Er weist aber zugleich darauf neswegs- wie etwa später Campe- auf eine Ver-
hin, daß die hier gegebenen Anweisungen für eine zögerung der intellektuellen Bildung an; seine
vornehme Erziehung bei weitem nicht ausrei- neuen Methoden zielen ganz im Gegenteil darauf
chend seien: »Die Erziehung und Unterweisung ab, daß die Kinder nicht nur leichter und ange-
der Reichen und Vornehmen bedarf[ ... ] eines nehmer, sondern auch schneller und früher lesen
umständlichem Rathes; als dessen, den ich hier lernen. So weist er auf ein kleines Mädchen hin,
gebe.« (ebd.) Wer seine Kinder »zu den vorneh- das noch vor Vollendung des 2. Lebensjahres die
mem Ständen« erziehen wolle, müsse zu umfang- meisten Buchstaben gelernt hatte und auch schon
reicheren und teureren Büchern greifen. Basedow buchstabieren konnte, wobei es sich vermutlich
nennt hier das Methodenbuchfor Väter und Müt- um Basedows eigene Tochter handelt (E, S. 79).
ter der Familien und Völker und das Elementar- Basedow sieht das vorliegende Werk als ein
buch samt dazugehöriger Bildersammlung; diese Teil der von ihm in Gang gesetzten Reform der
gäben eine zureichende Grundlage für die vor- Erziehung, des Unterrichts und der Schulbücher
nehme Erziehung ab. Das vorliegende Werk da- an. »Ich will, ohne die Nachwelt zu verderben,
gegen sei »ganz zureichend für die arbeitsamen das gewöhnliche barbarische Joch der fehlerhaf-
und achtbaren Stände der Handwerker, der ten Erziehung und Unterweisung zerbrechen; ich
Landleute und aller, die ihnen an Lebensart glei- will lehren, wie die Kinder, welche durch Schelt-
823 ABC- und Lesebücher etc. 824

worte, Drohungen, Ruthe und Stock eben nicht »vieler nützlichen Kenntniß der Sachen ange-
sehr verständig, tugendhaft und gottesfürchtig füllt«. Die beiden letzten religiösen Hauptstücke
werden, durch bessere Mittel in fast beständigem des Lesebuchs sollen überhaupt nicht mehr zur
Genusse der Kindlichen Freude Alles dieses wer- Übung im Lesen verwandt werden, sondern als
den können. Alsdann können ganz andere Men- reine Sachtexte fungieren. Neben die methodi-
schen aufwachsen, als wir selbst sind.« (E, S. 9 f.) sche tritt also eine inhaltliche Absicht: Das Werk
Die alte »Kinderzucht« durch eine neue soll alldas an Sachkenntnis vermitteln, »was den
»Kindererziehung« zu ersetzen, ist die Absicht Kindem nützen kann, vorsichtiger, klüger und
der ersten 5 Abschnitte des Methodenbuches: Sie folgsamer zu werden, die Kräfte der Natur mit
machen zunächst »Vorschläge zum Besten der Vernunft zu gebrauchen, an die Fürsehung Gottes
Leibes-Frucht und der Säuglinge« (E, S. 8-19), zu glauben, ihre eigne unsterbliche Seele zu ken-
geben sodann einen » Rath, die Kinder gesund, nen, und um der künftigen Vergeltungwillen ei-
munter, muthig und fleißig zu erhalten« (E, S. 19- nen gewissenhaften Wandel zu führen.« (E,
26), handeln »Von der Ablegung des heidnischen S. 102) Das Zitat läßt drei inhaltliche Schwer-
und altväterlichen Aberglaubens« (E, S. 26-35), punkte deutlich werden: einen lebensprakti-
»Von dem Gebrauche des hausväterliehen Anse- schen, einen sittlichen und einen religiösen. Was
hens« (E, S. 35-47) und bieten schließlich »Ver- die Texte selbst hierzu nicht bieten, soll der Lehrer
mischte Anschläge, die Tugend der Kinder zu be- »in seinem Gespräche mit den Kindem hinzuset-
fördern« (E, S. 47-66). Auf diese Weise wird eine zen« (ebd.).
vollständige Lehre der physischen und der mora- Das Lesebuch soll den Kindem nicht auf im-
lischen Erziehung geboten, die praktisch orien- mer zur eigenen Verwahrung, sondern nur für die
tiert und mit Rücksicht auf den wenig gebildeten Zeit der Benutzung übergeben werden, damit es
Adressaten knapp und einfach abgefaßt ist. »als eine angenehme und etwas seltene Sache ver-
Der 6. und 7. Abschnitt (E, S. 66 ff.), irrtüm- langenswürdig bleibe« (E, S. 91 ). Die beigefügten
lich als 5. und 6. Kapitel gezählt, widmen sich der Kupfertafeln sollen nicht in das Buch eingebun-
intellektuellen Erziehung. Hierbei steht zunächst den, sondern auf Pappe aufgezogen werden. Sie
das Lesenlemen, der »Unterricht in der Lese- sollen nicht alle auf einmal, sondern nur einzeln
kunst« im Vordergrund. Seine Absicht ist hier, vorgenommen werden und auch nur »etwa ein
das Lesenlernen so zu erleichtern, daß es statt wie Vierthelstündchen« gezeigt werden. »Denn sie
bisher eine Plage zu sein, zu einem Vergnügen sollen eine vorzügliche Ergätzung unter den übri-
wird: »Wie große Plage haben bisherviele Kinder gen lehrreichen Ergötzungen, oder unter dem üb-
ausgestanden, um Lesen zu lernen! Und was ha- rigen Unterrichte seyn.« (ebd.)
ben die meisten in vielen Jahren gelernt? Nichts
anders, als höchst stümperhaft und so mühselig Dem Einsatz des Lesebuches sollen verschiedene
lesen, daß sie von den bekanntesten Dingen im Lernspiele (»Spiel der Aussprache«, »Buchstaben-
Lesen fast nichts verstehn und viel weniger sich spiel«, »Buchstabierspiel«) vorausgehen, die Basedow
Andem verständlich machen. Diesem Übel will im 6. Abschnitt des begleitenden Methodenbuches ent-
wickelt (E, S. 66-89). Erst nach Endigung dieser Spiele
ich auf eine so leichte Art abzuhelfen suchen, daß, soll den Kindem erklärt werden, was Vokale, Konso-
wenn die Eltern selbst gut lesen können und zu- nanten, Diphthonge, Silben und Wörter sind. Das Lese-
weilen mit ihren Kindem auf eine lehrreiche Art buch soll nicht eher herangezogen werden, bis die Kin-
scherzen und spielen wollen, ihnen die Leseschu- der durch das Buchstabenspiel das kleine deutsche Al-
le überflüssig werde, oder daß daselbst alles weit phabet kennengelernt haben und vermittels des Buch-
besser, und mit Vergnügen der Lehrerund Kinder stabierspiels aus vorgesprochenen Buchstaben Silben
gelinge.« (E, S. 66 f.) Zur Realisierung der Ab- zusammensetzen können.
sicht, das Lesenlernen zu erleichtern, sollen die Das letzte Kapitel des begleitenden Methodenbu-
von Basedow entwickelten Lernspiele herangezo- ches (E, S. 89-116) enthält Anweisungen zum Ge-
brauch des Lesebuches, wobei jedem der 6 Hauptstücke
gen werden, die dem Einsatz des Lesebuches
ein besonderer Abschnitt gewidmet ist. Das erste
noch vorausgehen sollen. Hauptstück des Lesebuchs (S. 3-13) beinhaltet das klei-
Das Kinderbuch selbst soll nicht mehr dem ne und große deutsche und lateinische Alphabet, die
Lesenlemen, sondern nur noch der Übung im Le- Doppelbuchstaben, Vokale, Diphthonge und Konso-
sen dienen. Doch soll es sich in dieser Zweckset- nanten sowie einen Abschnitt über die Zeichensetzung,
zung nicht erschöpfen: Die angebotenen Texte über die arabischen Ziffern und die römischen Zahlen.
sollen zugleich schon Sachkenntnisse vermitteln. Laut Anweisung soll zunächst mit dem kleinen deut-
Basedow rät sogar davon ab, allzu lange bei blo- schen Alphabet und den Ziffern der ersten neun Zahlen
ßen Leseübungen stehen zu bleiben: »Nach begonnen werden (E, S. 92). Das zweite Hauptstück
(S. 14-20) stellt eine »erste Leseübung bei sehr bekann-
Sachenkenntniß, nach Sachenkenntniß hungert ten und angenehmen Materien« dar. Es enthält zu-
die menschliche Seele. Diese erleuchtet den Ver- nächst Leseregeln, sodann vier Lesestücke, die sich je-
stand und bessert das Herz, ihrer bedürfen eure weils auf eine Abbildung der ersten Kupfertafel bezie-
Kinder.« (E, S. 101) Auch wenn die Stücke noch hen. Die Lesestücke nähern sich Schritt für Schritt der
»Leseübungen« hießen, seien sie doch schon mit normalen Rechtschreibung und Zeichensetzung, die
825 Basedow, Kleines Buch, 1771 826

mit dem letzten Text erreicht ist. Für diesen müssen die sten und besten unter den Menschen findet, und wel-
Kinder zudem auch das große deutsche Alphabet be- cher uns zur Nachahmung eines ähnlichen Glaubens
herrschen. Bei den Texten handelt es sich inhaltlich zu- reizet.« (S. 40f.) Bei vielen Völkern käme schließlich in
nächst um Beschreibungen der auf der Kupfertafel ab- Gestalt der Offenbarung ein vierter Glaubensgrund hin-
gebildeten Dinge des alltäglichen Lebens. Der letzte zu, »nämlich eine mündlich fortgepflanzte oder in
Text (S. 18-20) liefert dagegen schon verstärkt »Sach- Schriften aufbewahrte Nachricht, daß denMenschen in
kenntnis« : Behandelt werden das Leben, der Leib und allen Zeiten das Daseyn und die Eigenschaften Gottes
die Seele, der Unterschied zwischen der tierischen und durch Offenbarungen bekannt gemacht sind« (S. 41).
der menschlichen Seele, schließlich der Tod. Die Er- Hieran schließt sich eine kurzgefaßte Gotteslehre an
kenntnisse sollen schon mündlich vermittelt sein, ehe sie (S. 41-45). Gott wird als einziger, als ewiger, als unver-
gelesen werden (vgl. E, S. I 02 f.). gleichbarer und unbegreiflicher, als allgegenwärtiger,
Das dritte Hauptstück (S. 20-25) ist mit »Fortge- als bannherziger, gütiger, höchstgerechter und allerhei-
setzte Leseübung und Sachenkenntniß« überschrieben. ligster bestimmt, dann auf die göttliche Vorsehung, die
Es enthält Lesestücke zu den Abbildungen der zweiten Schöpfung, Erhaltung und Regierung der Welt einge-
Kupfertafel und behandelt den Unterschied der Ge- gangen. Gestreift wird schließlich auch das Theodizee-
schlechter und die Fortpflanzung bei Mensch und Tier, Problem, die Zulassung des Bösen durch Gott. Es müsse
die verschiedenen Alter des Menschen, die Arbeitsam- geglaubt werden, »daß er alles Böse, was ist und ge-
keit, Mäßigkeit und Gesundheit, die verschiedenen Be- schieht, aus höchster Güte und mit Allwissenheit darum
rufsstände, wobei zum Schluß der König, die Obrigkeit geschehen lasse, weil er aus dem Bösen so viele und so
und das Militär angesprochen werden. Das vierte große Wirkungen erfolgen lassen kann und will, welche
Hauptstück (S. 25-30) bietet Lesestücke zu den ersten ohne Vermischung einiger Uebel mit dem vielen Guten
zwei Bildern der dritten KupfertafeL Inhaltlich geht es nicht möglich wären«. (S. 45) Auf die Gotteslehre folgt
zunächst um das Schicksal des Menschen, um sein die religiöse Pflichtenlehre (S. 45-57), deren drei Berei-
Glück und Unglück, das er zumeist selbst zu verantwor- che zunächst genannt werden: die Pflichten gegen Gott,
ten habe. Das Bild einer Leiche bringt erneut das Ver- gegen uns selbst und gegen andere (S. 46 f.). Der Grund-
hältnis von Leib und Seele zur Sprache, wobei hier satz der gesamten Pflichtlehre laute: >>Meide alles Böse
schon die Frage nach dem Schicksal der Seele nach dem und thue alles Gute, weil GOTT, der höchstweise und
Tode gestellt wird (S. 28). Sodann werden Erfahrung allmächtige Oberherr aller Menschen ist, der ihren See-
und Belehrung thematisiert, die zu Klugheit und Weis- len ein unsterbliches Leben giebt, und durch seine Für-
heit führen. Anschließend wird zwischen Gutem und sehung alles Gute früh oder spät belohnet und alles Bö-
Bösen, zwischen Tugend und Laster unterschieden und se früh oder spät bestraft.« (S. 46) An dieser Stelle wird
auf den Wahnsinn eingegangen. auf den Atheismus eingegangen: Ein Atheist habe, eben
Die beiden folgenden Hauptstücke mit religiöser weil er keinen Gott kenne, auch keinen »Antrieb, ein
Thematik nehmen mehr als die Hälfte des Lesebuchs Laster zu vermeiden, das ihm angenehm ist, und wovon
ein (S. 30-77). Das fünfte Hauptstück (S. 30-57) ist er sich überzeugt hält, daß es verborgen bleiben [ ... ]
überschrieben »Etwas von dem Glauben an Gott« und wird«. (S. 48) Hieraus wird geschlußfolgert, daß der
bezieht sich auf die dritte Abbildung der dritten Kupfer- Gottesglauben für die Tugend und die allgemeine
tafel. Am Beginn steht eine Herleitung des Begriffes von Wohlfahrt von außerordentlichem Nutzen sei. Von der
Gott, der als ein Wesen ausgegeben wird, dem Ewigkeit, Pflichtenlehre wird nur der Teil behandelt, der die
Allmacht, Allwissenheit und höchste Güte zukommt. Pflichten gegen Gott beinhaltet (S. 49-55). Angespro-
An ein solches Wesen glaubten die>> Vernünftigsten un- chen wird das Gottvertrauen und die Gottesliebe, so-
ter den Menschen« (S. 32). Mit der Vorstellung eines dann auf das Gebet als Fürbitte, Danksagung oder Preis
solchen Wesens gehe natürlicherweise der Wunsch ein- und Lob Gottes eingegangen. Schließlich wird das
her, daß es tatsächlich existiere: »Kurz, der Mensch, in Vaterunser erläutert (S. 51 ff.).
welchem der Gedanke an Gott erregt wird, hat ein natür- Das sechste Hauptstück (S. 57-77) ist betitelt
liches Verlangen, von dem Daseyn desselben überzeugt >>Wahrheiten oder Meynungen von Offenbarungen und
zu werden.« (ebd.) Aus der Vorstellung von Gott aber übernatürlichen Dingen«. Zunächst wird der Unter-
ergebe sich als ein weiteres »natürliches Verlangen« die schied zwischen natürlichen und übernatürlichen, wun-
Vorstellung eines Fortlebens der Seele nach dem Tode derbaren Dingen erläutert und auf die mannigfaltigen
(S. 33 f.). Erzählungen über Wunderdinge eingegangen, die »die
Der nächste Absatz trägt insgeheim vier »Grün- Vernünftigsten unter den Menschen« nach »genauer
de« für die Existenz Gottes vor (S. 34-41 ). Der erste Be- Untersuchung sämtlich für falsch befunden hätten
weis für das Dasein Gottes sei die Welt selber, denn sie (S. 58). Sodann wird als ein »merkwürdiges Buch [ ... ],
habe »alle Eigenschaften, welche sie haben muß, wenn worinnen aus alten Zeiten viele wunderbare und über-
sie ein Werk Gottes ist, und welche sie nicht haben natürliche Dinge erzählt werden«, die Heilige Schrift
könnte, wenn sie kein Werk Gottes wäre« (S. 35). Der eingeführt (S. 60) und der Unterschied zwischen Altem
zweite Existenzbeweis Gottes ist das Gewissen des und Neuern Testament erklärt. Der nun folgende Ab-
Menschen selbst: »Es ist [ ... ] in einem zum Nachden- satz (S. 61-65) ist in lateinischer Schrift gesetzt. Zu die-
ken gebrachten Menschen ein natürlicher Trieb, das sen Passagen heißt es im begleitenden Methodenheft:
Daseyn Gottes, die Unsterblichkeit der Seelen und die >>Diese sind schlechterdings euren jungen Kindern
künftige Vergeltung des Guten und des Bösen zu glau- nicht bestimmt, sondern den erwachsnern, nachdem
ben.« (S. 40) Dieser »Trieb« ist für Basedow nichts an- dieselben schon beyde Alphabete kennen, und das Alter
deres als das Gewissen. Ein Zweifel an diesen Wahrhei- erreicht haben, in welchem die lateinisch gedruckten
ten verursache zwangsläufig »Widerwillen« (ebd.). Absätze nach eurem Ortheil ihnen nützlich werden.«
Den dritten Beweis sieht Basedow in dem »ausgebreite- (E, S. 113) Basedow fordert hierin dazu auf, alle religi-
ten Beyfal~ welchen dieser Glaube bey den verständig- ösen Aussagen, auch wenn sie in der Bibel und im Kate-
827 ABC- und Lesebücher etc. 828

chismus stehen, zunächst zu bezweifeln und einer Prü- sei, werden hier doch nur vereinzelte und ver-
fung durch die Vernunft und den gesunden Menschen- streute Kenntnisse vermittelt. Auch wenn die
verstand zu unterziehen. Stücke zahlreiche moralische Fragen anschnei-
Im nächsten Abschnitt(S. 66-71) gibt Basedow ei-
den, können sie nicht als eine Sittenlehre angese-
ne Zusammenfassung der biblischen Geschichte des Al-
ten und Neuen Testaments sowie einige biblische Leh- hen werden. Der erste zusammenhängende Sach-
ren. Hierbei läßt er bis in die Formulierung hinein deut- unterricht bleibt trotzderweltlichen Leselernstük-
lich werden, daß er die Aussagen der Schrift bloß refe- ke die Religionslehre. Dies verwundert um so
riert; offen bleibt, ob diese Aussagen als Wahrheiten an- mehr, wenn man das 1770 erschienene Elemen-
gesehen werden können. Dennoch schlägt er vor, daß tarbuch zum Vergleich heranzieht: Hier sind der
diese Passagen »mit Stille und Feyerlichkeit den Kin- Religionslehre zahlreiche Stoffgebiete vorgeord-
dem vorgelesen oder von ihnen selbst gelesen werden« net, findet ein elementarischer Gang vom Sinnli-
sollen (E, S. 113). Sie machten den Kern des letzten chen und Natürlichen zum Abstrakten und Über-
Hauptstückes aus, deren andere Teile nicht »von so gro-
sinnlichen statt, was ganz im Sinne der Aufklä-
ßer Wichtigkeit« seien (ebd.). Die noch folgenden letz-
ten Absätze (S. 71-77) wenden sich erneut den überna- rungspädagogik ist, die der Religionslehre doch
türlichen Dingen zu und handeln zunächst von Engeln die vernünftige Kenntnis der Natur und der Mo-
und Teufeln, sodann von Wahrsagem, Zauberern und ral vorordnen will. Dieser elementarische Gang
Besessenen. Alle Berichte und vorgebrachten Beispiele findet im vorliegenden Lesebuch nicht statt: die
von Wundem aus neuerer Zeit seien als falsch und lü- gebotene Gotteslehre wird ganz unvermittelt ein-
genhaft anzusehen. Jeglicher »Aberglauben« sei der ei- geführt und ist auch nicht durch die vorangehen-
genen Glückseligkeit abträglich (S. 75). Auf die Frage, den Lesestücke vorbereitet. Der Unterschied mag
was denn von den Wundererzählungen der Bibel zu hal- in der Verschiedenheit der Adressatenkreise lie-
ten sei, gibt Basedow die folgende Antwort: »Mein
gen: Die elementarische Methode wäre demnach
Rath ist, daß ihr diese Untersuchungen nicht für wichtig
anseht. Denn da solche übernatürlichen Wirkungen
auf die »vornehme« Erziehung beschränkt, für
[ ... ] itzund nicht sind; so kann es euch gleichgültig seyn, die denn auch das Elementarbuch einzig gedacht
ob sie vor einigen tausend Jahren gewesen sind, oder ob ist, während bei der Erziehung der unteren Stände
irgend ein Mißverstand daran Schuld sey, daß wir die die Religionslehre weiterhin wie bisher den ersten
Erzählungen von solchen Dingen, davon uns doch der zusammenhängenden Sachunterricht abzugeben
Glaube nirgends zur Pflicht gemacht ist, jetzund in der hat, was allerdings die Anwendung der elementa-
Bibel zu finden glauben.« (S. 76 f.) rischen Methode in gewissem Maße ausschließt.
Die Übereinstimmung mit der altherge-
An dem vorliegenden Lesebuch für Kinder brachten Praxis istjedoch nur äußerlich: Was bei
der unteren Schichten überrascht das große Ge- Basedow an Religionslehren inhaltlich geboten
wicht, das der Religion in ihm eingeräumt wird. wird, hat mit der traditionellen, zumeist an dem
Basedow gerät dadurch zunächst rein äußerlich »Kleinen Katechismus« ausgerichteten konfes-
in die Nähe der traditionellen, seit der Reforma- sionellen Unterweisung wenig mehr zu tun. Im 5.
tion geltenden Praxis: In den niederen Stadt- und Hauptstück wird eine Gotteslehre vorgetragen,
Landschulen stand neben Lesen, Schreiben und die gänzlich auf dem Boden einer natürlichen
Rechnen nur noch die Religionslehre auf dem Vernunftreligion verbleibt und hinsichtlich ihrer
Stundenplan, lag dem Unterricht neben einem Geltung die engen Schranken der einzelnen Kon-
ABC-Buch nur noch der Katechismus zugrunde, fessionen und Sekten weit überschreitet. Basedow
dessen Stücke zumeist auch als erste Leseübun- hält es hierbei für »einfältig«, diese Wahrheiten
gen benutzt wurden. Das Kleine Buch bietet hier gerade wegen ihres allgemeinen, überkonfessio-
zunächst kaum Neues: Auf die kurze Leseschule nellen Charakters abzulehnen und statt dessen
folgt sogleich die Religionslehre, ohne daß ande- nur die jeder Konfession eigenen Lehren für wahr
re Gebiete- etwa Naturkunde oder Sittenlehre- zu halten. Die Leser sollten sich deshalb nicht
dazwischen geschoben werden. In einem Punkt durch Warnungen von solch einfältigen Konfes-
allerdings weicht Basedow von der althergebrach- sionsvertretern dazu bewegen lassen, »den in die-
ten Praxis ab: Er möchte nicht, daß die religiösen sem Hauptstücke gegebenen Unterricht gering zu
Abschnitte des Lesebuchs als Leseübungsstücke schätzen oder gar zu verachten und für gefährlich
verwandt werden. Diese enthielten nämlich die zu halten« (E, S. I 09).
»vortrefflichsten Erkenntnisse für den Verstand Noch in einer anderen Hinsicht weicht Base-
und das Herz, und müssen ihnen mit aller Sorgfalt dow von der bisherigen Praxis ab: Ging es dieser
im höchsten Grade leicht und angenehm gemacht im wesentlichen darum, daß die Kinder die Reli-
werden« (E, S. I 06). Die religiösen Wahrheiten gionslehren auswendig lernten, so besteht Base-
seien zu wichtig, als daß ihre erste Zurkenntnis- dow auf einer wirklichen Erkenntnis Gottes, um
nahme noch durch die Mühen getrübt sein dürf- eine auf rationaler Einsicht und Gewißheit beru-
ten, die das ungeübte Lesen stets bereite. Basedow hende religiöse Überzeugung zu erwecken. Seine
fügt deshalb Leseübungsstücke weltlichen Inhalts Adressaten sind dabei die Kinder der unteren
ein. Obwohl er betont, daß auch bei diesen Stük- Schichten. Dies verdient besonders hervorgeho-
ken die »Sachenkenntnis« schon von Bedeutung ben zu werden: Wenn er in didaktisch-methodi-
829 Weiße, Neues A, B, C, Buch, 1773 830

scher Hinsicht auch Abstriche macht, so existiert men, allerdings in einer Weise, die den Eltern heutiger
in diesem Punkt für ihn kein Unterschied zwi- Zeit geradezu roh erscheint«. (S. I 06) Basedows Auffor-
schen vornehmer und einfacher Erziehung. Daß derung zu zweifeln erscheint Bünger »heute völlig un-
dieses Festhalten an wirklicher Erkenntnis selbst pädagogisch, weil ganz unkindlich!« Bünger hat das be-
noch in einem Lesebuch für die Kinder des Vol- gleitende Kleine Buch fiir Eltern und Lehrer aller Stän-
de nicht herangezogen und ausgewertet. - Göhring
kes auch kritische Dimension besitzt, zeigt das (I 904) ordnet das Werk unter die Nachahmungen der
letzte Hauptstück mit seiner Aufforderung, alle Methoden einer Le Prince de Beaumontein (S. 8 f.). Er
Autoritäten und Schriften zunächst zu bezweifeln spricht sodann von »ungenießbar trockenen« morali-
und ihre Aussagen einer Prüfung durch die eigene schen Erzählungen, »welche er an die Stelle von Fabeln
Vernunft zu unterziehen. Dem entspricht die Auf- in sein Lesebuch stellte« (S. 9). In Basedows Lesebuch
forderung an die Eltern und Lehrer aus der Vorre- sind die von Göhring angesprochenen Erzählungen je-
de zum begleitenden Methodenbuch, die eigene doch nicht zu finden. Das folgende Urteil Göhrings
»gesunde Vernunft« zu gebrauchen, statt sich von bleibt unausgeführt und unbegründet: »Aber in der
Predigern und Schullehrern beeinflussen zu las- Entwicklung des Lesebuchs bedeutete Basedow einen
Markstein; weniger durch eigne positive Leistung, als
sen (E, S. 4f.). durch die gegebene Anregung.« (S. 9) Auch für
Bezüglich der beiden Religionsabschnitte E. Schmidt (1974) ahmt das Werk »das französische
stellt Basedow selbst die Frage, ob nicht sein Vorbild« der Beaumont nach; es enthalte zudem »Ge-
»Vortrag von GOTI und seinen Eigenschaften schichten für Kinder«, die nichts anderes als »illustrier-
den Kindern zu hoch und zu unverständlich sei« te Moral« darstellten (S. 24). Basedows Aufforderung
(E, S. 109). Daß diese Abschnitte schwierig sind, zu zweifeln, die Bünger so stark verurteilte, wertet
gibt er hierbei unumwunden zu. Er sehe aber kei- Schmidt dagegen positiv. E.
ne andere Wahl, wenn er den Kindern nicht blo-
ßes Wortwissen, sondern wirkliche Erkenntnis
von Gott vermitteln wolle. Hieraus erkläre sich
auch die Länge und Ausführlichkeit dieser Kapi- 1772
tel. Basedow schlägt eine mehrfache, wiederholte
Lektüre vor und setzt zudem die »Hülfe eines er- Christian Felix Weiße (1726-1804):
fahrenen Lehrers« voraus (E, S. 109). Neues A, B, C, Buch, nebst einigen kleinen
Zu Beginn des dritten Hauptstückes gibt Ba- Uebungen und Unterhaltungen fur Kinder.
sedow im ersten Lesestück Aufklärung über die Frankfurt un4 Leipzig 1773
Herkunft eines jeden Menschen (vgl. S. 20 f. ). Im
begleitenden Methodenbuch vertritt er die Posi- Weißes Buch ist für den ersten Leseunterricht
tion, daß man den Kindern bereits vor der Puber- kleiner Kinder bestimmt. Es zielt zugleich ab auf
tät eine erste sexuelle Aufklärung geben solle. einen moralischen Elementarunterricht. Findet
»Die Jugend kann diese Wahrheit, ohne deren sich auch keine nähere Angabe über den Adressa-
Hülfe viele andre ihr ganz unverständlich bleiben, tenkreis, darf aus dem Inhalt der »Leseübungen
zum grossenNutzen lange vor demjenigen Alter und Unterhaltungen« - die Handlung spielt zu-
gebrauchen, in welchem der erste Mißbrauch meist in begüterten Häusern - geschlossen wer-
möglich ist. Alsdann wird die dazu nöthige Er- den, daß das Buch vor allem für die Hofmeisterer-
kenntniß auf eine nicht so unschädliche Art ge- ziehung von Kindern reicherer Eltern konzipiert
sucht oder von Andern mitgetheilt.« (E, S. 103) ist. Darauf deutet auch der Preis des Werkes hin:
die teuerste Ausgabe mit illuminierten Kupfern
Die von Basedow entwickelten Leselernspiele hat wird bei Kayser mit einem Taler und acht Gro-
J. H. Campe in seinem ABC-Buch von 1778 mit einigen
schen angegeben, liegt also für ein Kinderbuch
Veränderungen übernommen (Neue Methode, Kinder
auf eine leichte und angenehme Weise Lesen zu lehren).
außerordentlich hoch.
-Das Werk wird ausführlich von Bünger (1898) kom- Dem Werk sind sechs längere Gebete vorange-
mentiert: Es zeige »die an den bisherigen Fibeln bemän- stellt, die Bezug auf den Tagesablauf und Krankheits-
gelte Unklarheit, nämlich Stoffe für den Lehrer und für fälle nehmen. Obwohl im kindlichen Ton gehalten, wird
den Schüler durcheinander, sodaß es zugleich ABC- in ihnen teilweise schwer faßliches Glaubensgut vermit-
und Lehranweisungsbuch ist« (S. I 08). Es weise zudem telt. Den eigentlichen Anfang des Werks macht die
am Anfang immernoch die »alten Fibelrequisiten« auf, »Kurze Anweisung zum Lesen« (S. 3-12) aus. Hier fin-
>>wohl um nicht mit der Tradition zu brechen und dem den sich das deutsche Alphabet in Druck- und Schreib-
Buche dadurch eher Eingang zu verschaffen« (ebd.). schrift, eine kurze Lautlehre zu den Vokalen und Kon-
Neu seien lediglich die Lesestücke, die für Bünger sonanten, ein Abschnitt »Von den Sylben und ihrer
»platte Beschreibungen von Anschauungsgegenstän- Theilung«, eine Auflistung der gebräuchlichsten Satz-
den« darstellten und auf den sinnlichen Grundtrieb des zeichen, das lateinische Alphabet sowie ein Verzeichnis
Kindes abzielten. Bünger moniert sodann, daß Base- arabischer und römischer Zahlen.
dow »dem kleinen Leseschüler Aufklärung über Ge- Darauf folgt der Lesebuchteil mit dem Titel »Le-
schlechtsvorgänge« vermittele. Basedow suche »also seübungen und Unterhaltungen« (S. 13-96), an dessen
den beiden stärksten Grundtrieben des Kindes, dem Anfang kurze Sittenlehren stehen (S. 13-20). Zu
Nahrungs- und dem Geschlechtstriebe, nahe zu kom- Übungszwecken sind die einzelnen Sätze so gedruckt,
831 ABC- und Lesebücher etc. 832

daß die Trennungssilben einzelner Wörter deutlich wer- Nachteil sein können. Bei Weiße entspricht dem die Er-
den. Es finden sich hier Sinnsprüche und Sprichwörter zählung »Das Gesinde«: Ein unbescheidenes Töchter-
wie »Jung ge-wohnt, alt ge-than«, »Fürch-te Gott, thu-e chen schlägt dem Gesinde gegenüber einen gebieteri-
recht, scheu-e nie-mand« u. dgl. Die letzten drei Seiten schen Ton an. Als sich die Mägde daraufhin bei ihrer
c:J:ieser Sinnsprüche sind in lateinischer Schrift gedruckt. Herrin beschweren, gibt diese die Anweisung, keiner
Ahnlichen Charakter tragen die folgenden »Gedenk- unhöflich vorgebrachten Aufforderung ihrer Tochter
sprüche« in Versen (S. 21-25), die auf ein tugendhaftes mehr Folge zu leisten. Dies bringt das Mädchen zur Ein-
Verhalten abzielen wie z. B.: »Verlangt man deinen sicht: »Da sie nun nicht weiter konnte, und ihr kein
Dienst, so öffne schnell dein Ohr I Und eile liebreich Mensch ungebeten mehr etwas that, sah sie die
selbst dem Bittenden zuvor.« Nothwendigkeit ein, dem Gesinde höflich zu begeg-
Den nächsten Abschnitt bilden 33 »kleine Erzäh- nen.« (S. 48). Neben dieser Umarbeitung hat Weiße
lungen« (S. 26-74). Häufig deuten schon die Titel auf drei der Erzählungen selbst im Stile der Mlle. de Los
ihren Charakter als moralische Beispielgeschichten hin, Rios verfaßt (S. 49 f., 65 f., 66 f.).
z.B. »Das unvorsichtige Kind«, »Das Kind aufmerk- Den nächsten Abschnitt bilden fünf »kleinere Er-
sam auf die Pflichten gegen sein Geschwister«, »Das zählungen« (S. 75 f.), die in wenigen Sätzen eine kleine
wahrhaftige Kind«, »Das unbesonnene Kind«, »Das Morallehren, z. B.: »Ein alberner Mensch sagte: er wol-
hartnäckige Kind«,» Der kleine Heuchler« usw. Darge- le nicht eher ins Wasser gehen, als bis er schwimmen
stellt wird jeweils eine positive oder negative Eigen- könne. Machst du es besser, mein Kind, wenn du lesen
schaft und deren Folgen. In der Regel folgt der Aufbau zu können wünschest, und doch nicht zuvor die Buch-
einem Dreischritt: der erste Teil enthält eine Regel oder staben willst kennen lernen?« (S. 75) Alle Erzählungen
Anweisung, die das Kind beachten soll (z. B. nicht mit sind in lateinischer Schrift gedruckt. Die nachfolgenden
dem Licht spielen, S. 27), der zweite Teil erzählt die fik- »Kinder-Lieder« (S. 77-82) sind mit Ausnahme derer-
tive Handlung (das Kind spielt mit dem Licht und ver- sten vier Lieder Weißes Lieder for Kinder (Leipzig
brennt sich den Ärmel), im dritten Teil wird die Lehre 1767) entnommen (vgl. entsprechende Beschreibung).
gezogen und häufig eine Verbindung in Form einer Fra- Auch bei den nachfolgenden sechs Fabeln (S. 83-90)
ge o. ä. zu der anfangs aufgestellten Regel hergestellt, handelt es sich nicht um Originalbeiträge Weißes. Sämt-
werden die Folgen des Tuns geschildert (das Haus und liche Fabeln sind- wiederum ohne Verfasserangabe-
viele Menschen hätten beim Feuer umkommen kön- anderen zeitgenössischen Sammlungen entnommen,
nen). Insgesamt dreißig dieser Erzählungen hat Weiße u. a. Gellerts Fabeln und Erzählungen. Die nachfolgen-
ohne Angabe der Herkunft entlehnt und übersetzt aus den Kindergebete (S. 91-96) bringen häufig ebenfalls
der Encyclopedie enfantine ou Magazin pour /es petits Moralregeln, tragen jedoch primär religiösen Charak-
Enfans ( 1771) der Mlle. de Los Rios (deutsch: Das ter.
Buch for Kinder, Aus dem Französischen der Mademoi- Den Abschluß des Werkes bilden neun Kupferta-
selle Los Rios übersetzt, und mit deutschen Zusätzen feln vonJohann David Schubert(l761-1822). Aufjeder
vermehrt, Dresden 1773). Im wesentlichen behält er Tafel sind untereinander jeweils drei Illustrationen zu je
Aufbau, Handlungsstruktur und sprachliche Gestal- einem Buchstaben zu sehen. Der jeweilige Buchstabe ist
tung der Erzählungen bei, ändert jedoch bisweilen die am oberen linken Bildrand in gotischen, am oberen
Titel (z. B. »Das genügsame Kind« in »Das Confect«), rechten Bildrand in lateinischen Lettern ausgedruckt.
versucht, die Personen etwas stärker zu individualisie- Am unteren Bildrand steht jeweils ein Zweizeiler mei-
ren, indem er ihnen Namen gibt, sie in einen konkrete- stens mit moralischer Belehrung. Die kleinen Kupfer il-
ren Rahmen stellt und bisweilen sie genauer beschreibt, lustrieren den Inhalt dieser ABC-Sprüche: beim Buch-
und schmückt die Erzählungen mitunter leicht aus, so staben E sieht man z. B. einen schwerbepackten Esel vor
daß sie weniger trocken und steif wirken, als dies im einer Windmühle, darunter steht der Vers: »Den Esel
Buch der Mlle. de Los Rios der Fall ist. schilt man faul, weil er so langsam schleicht I Doch er
trägt seine Last: wer nicht trägt, fühlt sich leicht.«
Ein Stück allerdings, die Geschichte >>Das unbe-
dachtsame Kind«, ist bei Weiße unter dem Titel Weißes Neues A, B, C, Buch, nebst einigen
»Zween Knaben« (S. 56) stark verändert aufgenommen kleinen Uebungen und Unterhaltungen for Kinder
worden. Im Original (dt. ÜbersetzungS. 32ff.) handelt geht auf eine Anregung Basedows zurück. In
die Erzählung von einem Knaben, der sich aus lauter Christian Felix Weißens Selbstbiographie (Leip-
Freude über die Bienen ihrem Korb zu sehr nähert und
zig 1806) heißt es zur Entstehung des Werks, Ba-
gestochen wird. Die Mutter gibt ihm einen Verweis.
Weiße kürzt die Erzählung beträchtlich und schreibt sie sedow habe an Weiße die Aufforderung herange-
zu einer Kontrastgeschichte um: Zwei Knaben werden tragen, »daß er zu einem Lesebuche, das Base-
von einem Gärtner gewarnt, sich nicht zu sehr den Bie- dow für die Kinder herausgeben wollte, kleine Er-
nenstöcken zu nähern; der eine Knabe gehorcht, der an- zählungen, Denksprüche, Apophthegmen usw.
dere nicht - er wird gestochen. Der Schluß lautet bei sammeln, und ihm aus seinen und anderer Ge-
Weiße: »So ward er durch Schaden klug: der andere dichten moralische, fürKinderverständliche Stel-
hingegen war es durch Lehre geworden. Welcher von len auszeichnen möchte. Weiße befriedigte die-
beyden mag wohl der verständigste gewesen seyn?« sen Wunsch, setzte aber zugleich eine Reihe eig-
(S. 56). Einer Geschichte hat Weiße eine völlig andere ner Erzählungen, und neue Liedgen für kleine
Stoßrichtung gegeben, die deren Inhalt in das Gegenteil
verkehrt: Mlle. de Los Rios schildert in »Das den Ver- Kinder auf, wählte die leichtesten und kürzesten
führungen der Bediensteten widerstehende Kind«, wie Sittensprüche aus, und fertigte so das Manuscript
ein Kind die Verbote der Eltern mißachtet, durch Scha- zu einem Hilfsbüchelgen bey den ersten Denk-
den klug wird und daher einsieht, daß die Verlockun- und Leseübungen. Basedow sah es durch und war
gen, denen es durch eine Magd ausgesetzt wird, nur von sehr zufrieden damit. Es ward eine Anleitung zur
833 Weiße, Neues A, B, C, Buch, 1773 834

Buchstabenkenntniß vorgesetzt, und um den ne Rücksicht auf das kindliche Fassungsvermö-


Kleinen das Merken der Buchstaben zu erleich- gen präsentieren und sich allenfalls in der Einklei-
tern, wurden kleine Kupferstiche verfertigt, auf dung dem kindlichen Sprachgebrauch zu nähern
welchen der Name der Hauptfigur sich mit dem versuchen.
dabeystehenden Buchstaben anfieng. Darunter Kann man auch mit Recht Weißes Neues A,
kam ein gleicher Denkspruch, der sich darauf be- B, C, Buch als Modell und Ausgangspunkt späte-
zog.« (S. l70f.) rer Schullesebücher betrachten, so bedarf doch
»Obgleich nicht von einem Schulmann ver- Weißes Eigenleistung an diesem Werk einer kriti-
faßt, keinesfalls für den allgemeinen Schulge- schen Würdigung. Stellvertretend für viele Urteile
brauch bestimmt und aufgrund seiner anspruchs- über das Werk mag das Lob Franks (1976, S. 130)
vollen Aufmachung wohl nur im Privatunterricht zitiert werden: »Es waren kleine Geschichten
verwendet«, schreibt Frank (1976, S. 131) über nach Art der bekannten moralischen Erzählun-
Weißes ABC- und Lesebuch, »hat dieses Buch gen aus den Wochenschriften, nun aber, und dar-
doch den Typ des deutschen Schullesebuchs vor- in bestand Weißes besondere Leistung, in Thema-
geprägt. Zwar enthielt auch diese Fibel zunächst tik, Form und Sprache ganz auf den kindlichen
die für den Anfangsunterricht üblichen kalligra- Leser zugeschnitten. [ ... ] So unkindlich auch die-
phischen Zusammenstellungen. Das Neuartige se Kindergeschichten uns erscheinen mögen, es
lag aber in der erklärten Zielsetzung, die Übungen waren Vorstöße in ein literarisches Neuland, die
für den Schüler unterhaltsam zu gestalten, wobei großen Anklang fanden und zahlreiche Nachfol-
die Unterhaltung zugleich in den Dienst der mo- ger auf den Plan riefen. Das Kind war als Leser
ralischen Belehrung treten sollte. [ ... ] Am deut- entdeckt, und man beeilte sich, diese Entdeckung
lichsten aber bekundet sich diese Zielsetzung in pädagogisch zu nutzen.«- Ohne den Stellenwert
dem zweiten Teil des Buchs, durch den Weißes Fi- des Neuen A, B, C, Buchs dabei herabzusetzen,
bel sich den Namen eines ersten weltlichen Lese- muß doch darauf hingewiesen werden, daß Wei-
buchs für Schüler verdiente.« ßes eigentliche Leistung in der Kombination der
Die säkulare Morallehre, die Weiße in sei- verschiedenen Stoffe zu einem ABC- und Lese-
nem ABC- und Lesebuch vermittelt, ist in der buch bestand, das den aufklärerischen Interessen
Form ihrer Präsentation stark von Basedow be- des Bürgertums entsprach. Die ihm von Frank at-
einflußt, der in seinem Methodenbuch fiir Väter testierte Leistung ist jedoch nicht sein Verdienst:
und Mütter der Familien und Völker (Altona seine Erzählungen sind in Inhalt, Form und Spra-
1770) den Grundsatz entwickelte, daß sich die che Kopien und Nachahmungen des französi-
Morallehre am stärksten durch Beispielgeschich- schen Originals.
ten einpräge (vgl. Methodenbuch, S. 226f.). Base- Die Wirkungsgeschichte des Neuen A, B, C,
dow unterscheidet zwei Kategorien von Erzäh- Buchs wird ausführlich in Christian Felix Weißens
lungen, die sich für die Morallehre eignen: wahre, Selbstbiographie dargestellt: »Dieses kleine Elementar-
denen der Vorzug zu geben sei, und »erdichtete buch, was im Jahre 1772 zuerst im Druck erschien, wur-
Erzählungen oder Fabeln«. Hierbei sei wiederum de von dem Publicummit einem Beyfall aufgenommen,
die erdichtete Erzählung der Fabel vorzuziehen, der sich nur aus dem längst gefühlten Wunsche nach et-
»wofern der moralische Zweck durch beyde kann was Aehnlichem erklären ließ. Es wurde nicht nur die
in gleichem Grade erfüllet werden« (Methoden- erste Auflage mit schwarzen und ausgemahlten Kup-
buch, S. 228f.). fern sehr bald verkauft, sondern es mußte auch neben
der neuen in dem vorigen Format, eine kleinere mit
Die moralischen Exempel in Form der klei- Holzschnitten besorgt werden, damit sie für die ärmere
nen Geschichten in Art der Wochenschriften und Volksclasse käuflich wäre; [ ... ]. Es hat in seinen ver-
der Reimfabeln ersetzen bei Weiße die trockene schiedenen Gestalten gewiß sechs Auflagen erlebt, oh-
Katechismuslehre und sollen dazu beitragen, ne mehrere Nachdrücke zu rechnen. Die letzte rechtmä-
»das Mechanische, Langweilige, die kindlichen ßige Ausgabe ist noch 1799 herausgekommen. In Berlin
Kräfte Niederdrückende aus dem ersten Unter- wurde es ins Französische übersetzt, und in mehrern Tri-
richt zu verbannen« und den ersten Unterricht vialschulen ist es eingeführt worden«. (S. 171 f.).- Er-
»als eine Uebung des Verstandes und eine Erwek- gänzend kann vermerkt werden, daß Weißes ABC- und
kung sittlicher Gefühle« zu handhaben ( Christian Lesebuch noch weitere Auflagen erlebte. Kayser weist
eine Neue Ausgabe für 1810, eine weitere für 1847 nach.
Felix Weijlens Selbstbiographie, S. 173).
O.B.
Daß Weißetrotz seiner grundlegenden Er-
neuerung des Leseunterrichts durch die Zielrich-
tung auf eine bürgerliche Morallehre noch nicht
vollständig mit den herkömmlichen Unterrichts-
methoden brechen mochte, zeigt die Aufnahme
der Gebete zu Beginn des Bandes. Sie sind stili-
stisch nicht nurvöllig von dem anderen Lesebuch-
stoff unterschieden, sondern zeichnen sich gerade
dadurch aus, daß sie die Religionswahrheiten oh-
835 ABC- und Lesebücher etc. 836

1776 des Bauernfreunds als Lesebuch für die Land-


schulen. Sein Urteil über den Bauernfreundlaute-
Friedrich Eberhard von Rochow te: »Herr Basedow goutiert ihn sehr, hofft von sei-
(1734-1805): nem allgemeinen Nutzen viel, - aber es zum Ge-
Der Kinderfreund. setz zu machen, daß jeder es brauchen müsse, -
Frankfurt 1776 das glaub ich selber, würde rebutieren, und wir
bedürfen, zumal bei der ersten Einrichtung viel
guten Willen des Publici; wenigstens müssen wir
Rochows Kinderfreund steht in engem Zusam- alle Praeoccupationes, und alle Veranlassung zur
menhang mit den Bemühungen um ein preußi- Abneigung, zur Widerstrebung verhüten.« (zit. n.
sches Volksschullesebuch. 1763 eröffneten eine Bünger, 1898, S. 139)
Anzahl Kabinettsbefehle aus den Monaten Fe- Rochow ließ sich durch den Bescheid des
bruar bis April den Behörden, »daß der König Ministers jedoch nicht entmutigen. Wahrschein-
nach glücklich hergestelltem Frieden [von Huber- lich zu Anfang des Jahres 1774 schrieb er an Zed-
tusburg, d. Red.] >die Aufrechterhaltung der litz: »Ohne ein Lesebuch, das ergötzlich, beleh-
Schulen im Lande und die gute Ordnung bei sol- rend und sprachrichtig zugleich ist, wird die
chen< jetzt >mit zum Hauptaugenmerk< genom- Schulanstalt entweder gar nicht, oder nicht so
men habe« (Koser, 1913, Bd. 3, S. 470). Im Au- schnell gute Folgen zeigen. Die Fibel schickt sich
gust bereits wurde das von dem Direktor derBer- nicht dazu; denn sie ist z. E. zu kurz; die Kinder
liner Realschule, Hecker, ausgearbeitete »Gene- lernen sie in vierzehn Tagen auswendig, und dann
rallandschulreglement« zur Ordnung des niede- hat alle Sprach- und Leseübung ein Ende. Das
ren Schulwesens erlassen (vgl. Bünger, 1898, neue Testament- doch das fällt in die Augen, was
S. 139). Im gleichen Jahre wurde der Konsistorial- sich darüber sagen läßt, und das fordert doch we-
rat und Leiter der Züllichauer Anstalten, Gotthe1f nigstens Vorkenntnis.- In diese bisherige Lücke
Samuel Steinhart, beauftragt, »neue Lehrbücher des Unterrichts gemeiner Leute tritt mein Lese-
für die Landschulen anzufertigen, aus welchem buch, der Bauemfreund, und aus diesem Stand-
die Dorfjugend das ihr brauchbarste aus der Na- punkt wünsche ich, daß die sechzig Abteilungen,
turlehre erlernen und dadurch zugleich einige Er- woraus es besteht, angesehen werden. Alsdann
weckung der Verstandeskräfte erhalten könne« muß doch etwas Ähnliches geschrieben sein oder
(zit. n. Bünger, 1898, S. 132). Steinbart geriet je- werden, oder dieses wäre beizubehalten; denn
doch mit der Ausführung dieses Vorhabens in sonst kann es kein Schullehrer, Lese- und Sprach-
Verzug. Unter dem Eindruck neuer pädagogi- übung mit Unterricht verbunden, sobald zu der
scher Ideen - Basedow hatte 1768 seine Vorstel- Fertigkeit bringen, als in meiner Reckahnsehen
lung an Menschenfreunde veröffentlicht - schlug Schule geschieht. Mein Kantor klagte über den
er dem zuständigen Minister Zedlitz eine völlige Defekt eines solchen Buches, und in der Absicht
Neukonzeption des Lehrwerkes vor. Es sollte aus schrieb ich den Bauemfreund. Nun zeigt der Er-
zwei Teilen bestehen und die enge Beschränkung folg als die Probe, daß die Aufgabe richtig aufge-
auf die Vermittlung der Naturlehre und die »Er- löst sei. [ ... ] Ich bin nicht fähig, für mich zu bet-
weckung der Verstandeskräfte« aufgeben; der ei- teln; aber ich schäme mich nicht, Ew. dieses alles
ne Teil sollte aus einem Lesebuch moralischen In- nochmals zur Prüfung vorzulegen.« (Rochow an
halts, d. h. Geschichten und Fabeln, bestehen, an- Zedlitz, ohne Datum; in: F. E. v. Rochows sämtli-
hand derer die Kinder nicht nur das Lesen lernen, che pädagogische Schriften, hg. v. F. Jonas und
sondern zugleich ihren »Witz« und ihren »Ge- F. Wienecke, Bd. 4, Berlin 1910, S. 55 f.)
schmack an guten Sitten« ausbilden sollten. Der Offenbar durch eine erneute Antwort des
Plan eines Lesebuchs stieß auf Zedlitzens Zustim- Ministers ermuntert, schrieb Rochow an Nicolai,
mung. daß man im Berliner Konsistorium entschlossen
Rochow, dessen Versuch eines Schulbuches sei, das Buch allgemein einzuführen, und machte
schon 1772 den Beifall des Ministers gefunden dem Verleger Aussicht auf einen stattlichen Ge-
hatte, legte Zedlitz 1773 ein solches Lesebuch vor, winn, denn »dafem es gelingen sollte«, werde
verbunden mit der Anregung, es als amtliches Le- dies Buch das »allerlukrativste Verlagsbuch«
sebuch für die preußischen Landschulen einzu- sein, da» leichtlieh eine halbe Million« Kinder im
führen. Das Buch trug den Titel Der Bauern- Lande seien (Rochow an Nicolai, 17. 3. 177 4; zit.
freund und bestand aus einer Reihe von Ge- n. Rochows sämtl. pädagog. Schriften, a. a. 0.,
schichten, die Rochow bereits mit Erfolg im Un- S. 59). Rochow kündigte Nicolai ebenfalls an, er
terricht auf seinen Gutsschulen hatte einsetzen werde den Titel umändern in Der Kinderfreund,
lassen. Da sein Verleger, Nicolai, der Veröffentli- da das Buch auch in Stadtschulen nützlich zu ge-
chung des Werkes zunächst mit Skepsis gegen- brauchen sei (vgl. ebd.). Doch auch die Verände-
überstand, veranstaltete Rochow einen Druck auf rungen, die Rochow vornahm, führten nicht zu ei-
eigene Kosten. Der Minister aber erklärte sich ner Annahme des Werks. Bünger(l898, S. 142f.)
von vomherein gegen die amtliche Einführung berichtet über die Gründe der Ablehnung u. a.:
837 v. Rochow, Der Kinderfreund, 1776 838

»Als Grund für die vielfachen Bedenken giebt dem Inhalt, ein Briefwechsel zwischen Mutter und
Büsehing schon am 9. April 1775 an, daß Ro- Tochter, eine Fabel sowie sieben Gebete bzw. Lieder.
chows Hinarbeiten auf Aufhebung der gemein- Mit Ausnahme eines Gedichts(» Vom Nutzen der wah-
schaftlichen Hutweide und ähnliches Anstoß er- ren Frömmigkeit, und von der Schädlichkeit des La-
sters«, S. 59) und eines Liedes (S. 77), die von Geliert
regt habe, auch könnten die Leser auf die Gedan-
entlehnt wurden, handelt es sich bei allen Texten um
ken kommen, die Obrigkeit wolle dadurch gewis- Originalbeiträge Rochows.
se kameralistische und militärische Absichten er-
Die verschiedenen Lesestücke sind durchgängig
reichen, und wenn man eine derartige Auffassung aus der Erfahrungswelt der Landkinder geschöpft. Sind
bei den Bauern befürchtete, so wäre es wohl ganz die einzelnen Themen auf den ersten Blick auch in lok-
richtig, das Buch nicht durch Ordonnanz einzu- kerer Reihenfolde abgehandelt, so werden doch deutli-
führen, sondern das Weitere dem Verfasser zu che Gliederungsstrukturen erkennbar, die den Lebens-
überlassen. Auch waren die Ausstellungen und weg des Menschen vom kleinen Kind zum betagten
Korrekturen zum Teil stilistischer und redaktio- Greis beschreiben. Im ersten Abschnitt behandelt Ro-
neller Natur.« Zudem wurde moniert, daß die Sit- chow die Kindheit und Jugend im Elternhaus (bis Text
tenlehre des Kindeifreunds die »wahre Glaubens- 21 ), im zweiten Abschnitt den erweiterten Familienkreis
(22, 23, 25, 27), im dritten Tugenden und Laster der Er-
lehre« nicht beinhalte (vgl. Frank, 1976, Bd. 1,
wachsenen (Texte 32-50) und im vierten Stände und Le-
S. 141). Als auch Gespräche über ein Kompro- bensverhältnisse (51, 53, 54, 57, 59, 60, 64, 65,67, 69); in
miß wenig Erfolge zeitigten, entschloß sich Ro- einem letzten Abschnitt sind übergreifende Themen von
chow 1776, das Lesebuch unter dem Titel Der allgemeiner Bedeutung abgehandelt, zumeist aus der
Kinderfreund auf eigene Kosten herauszugeben. Naturgeschichte (Texte 71-79 mit Ausnahme von Text
Der Erfolg sollte seinen Bemühungen recht ge- 74). (Nähere Einteilung vgl. Bünger, 1898, S. lSOf.)
ben. Der Kinderfreund erwies sich als »bahn- Die Beispielgeschichten führen jeweils eine be-
brechendes Unternehmen« (Hobrecker, 1924, sondere Tugend oder ein besonderes Laster vor; einige
S. 14). »Rochows >Kinderfreund<«, stellt Frank der Texte stellen einem negativen einen positiven Cha-
(1976, Bd. 1, S. 142) fest, »brach einem neuen rakter gegenüber. Handelnde Figuren sind bäuerliche
Unterrichtsmittel die Bahn. An die Stelle von Bi- Jungen oder Mädchen, aber auch erwachsene Dorfbe-
wohner, die als nachahmenswerte Vorbilder oder war-
beln und Katechismus trat ein profanes Buch in
nende Beispiele dargestellt werden. Den Schluß der Ge-
den Mittelpunk der Schularbeit. Mochten ihm in schichte bilden jeweils die Belohnung des Tugendhaf-
der Folgezeit auch neue und andere Gegenstände ten und die Bestrafung des Lasters sowie eine morali-
zugeführt werden, die Hauptaufgabe des Lese- sche Lehre in Form eines Sprichwortes, eines Merksat-
buchs stand von nun an fest.« zes, eines Bibelspruchs oder auch nur des Verweises auf
Mit dem Kinderfreund schuf Rochow ein Le- eine Bibelstelle, z. B. »Edle Gesinnungen sind an keinen
sebuch für Volks- und Landschulen, das die »gro- Stand gebunden.« (S. 55),» Was nützliches lernen scha-
ße Lücke zwischen Fibel und Bibel« ausfüllen det niemals, und kann oftviel helfen.« (S. 17) oder »Jac.
soll (Vorbericht). Es soll die Kinder mehr lehren 5,19. Wer einem Menschen zur Tugend behülflich ist,
hat großen Lohn von Gott zu erwarten« (S. 77). Schon
als das bloße Buchstabieren, andererseits jedoch
die Titel weisen häufig auf die beschriebenen Tugenden
dem Erfahrungsbereich der Kinder angemessen oder Laster hin: »Das aufrichtige Kind«, »Die kleine
sein und ihre Verstandeskräfte nicht überfordern. Lügnerinn«, »Die neidische Nachbarinn«, »Der wohl-
Deutlich benennt Rochow in einem Vorbe- thätige Arme« usw.
richt die pädagogischen Ziele, die er mit dem Kin- Der erste Typus der Beispielgeschichte, die Vor-
derfreund verfolgt: »Ich habe durch dieses Buch bildgeschichte, zeigt die positiven Folgen einer Tugend
Uebungen der Aufmerksamkeit, dadurch, daß, in Form einer kurzen Szene oder sogar Lebenslaufes.
wenn ein Kind laute liest, ein anderes außer der Ein Beispiel dafür ist die Geschichte »Der gute
Reihe, und oft mitten in der Periode, zum Fortle- Knecht«: »Martin war krank, und mußte seinem
sen aufgerufen wird; Sprachübungen, in deutli- Knecht die Arbeit anvertrauen. Anstatt, daß ein böser
chem und verständlichem Ausdrücken; Einen Knecht, ohne Aufsicht, nachlässig und träge gewesen
wäre; so war dieser Knecht doppelt fleißig, und wende-
leichten Erzählungs- und Gesprächston; und
te alle mögliche Sorgfalt an, alles recht gut zu machen.
Vorbereitungen zur christlichen Tugend beför- >Ey! sagte er: wie wird sich mein Brodtherr freuen, wenn
dern wollen.« Das Buch soll in die Hände eines er meine Treue sehen wird! Er soll sich noch einmal so
jeden Schulkinds gegeben werden, denn »sonst bald erholen von seiner Krankheit, wenn er alles gut fin-
könnten viel Kinder zugleich daraus nicht lesen den wird, und sich nicht ärgern darf<. Martin ward wirk-
lernen«. Um dies zu ermöglichen, ist der Preis des lich besser, und gab diesem guten Knecht seine Tochter;
Lesebuchs mit acht Kreuzern außerordentlich und da er keinen Sohn hatte, so bekam nach Martins To-
niedrig angesetzt worden: »Dieses Buch ist der de der Knecht das Bauerngut. Ey du frommer und ge-
Armen wegen so wohlfeil.« (Vorrede) treuer Knecht, du bist über wenig getreu gewesen, ich
will dich überviel setzen. Matth. 25,21. Sir. 7, 22.23« (S.
Der Kinderfreundbesteht aus 79 kleinen Lesestük- 32) In ähnlicher Weise zeigt Rochow den Nutzen von
ken von in der Regel ca. ISO Worten Umfang. In der Gottesfurcht und -liebe, Gehorsam, Fleiß, Aufrichtig-
Mehrzahl handelt es sich dabei um moralische Beispiel- keit, Achtsamkeit, gut verbrachter Muße, Wohltätigkeit,
geschichten, doch finden sich auch kurze Dialoge zwi- Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft,
schen Eltern und Kindern mit meist sachlich belehren- Edelmut, Unparteilichkeit, guten Gewohnheiten, Sanft-
839 ABC- und Lesebücher etc. 840

mut, Ordnungsliebe und Rechtschaffenheit. Vor allem ziehung »weiser Frauen«, Marktschreier und anderer
betont er jedoch immer wieder den »Nutzen des Lesens Scharlatane strikt ablehnt.
und Schreibens« (S. 46f.); man könne sich durch diese Zu den »Sprachübungen, in deutlichem und ver-
Fertigkeiten vor den hinterhältigen Absichten betrügeri- ständlichem Ausdrücken«, die zugleich Grundbegriffe
scher Personen bewahren. Wie nützlich das Lesen und der Logik vermitteln und somit auch »Denkübungen«
Schreiben auch im täglichen Leben sein kann, wird sind, gehören die Lesestücke von »Ursach und Wir-
durch den Briefwechsel einer Mutter mit ihrer entfernt kung« (S. 25), der Notwendigkeit der Unterscheidung
lebenden Tochter sinnfällig vor Augen geführt (S. einer Sachevon ihrem Bild (S. 23 f.), von »Aehnlich und
79ff.). Wiederholt preist Rochow die Nützlichkeit des unähnlich« (S. 27ff.) sowie von »Endzweck und Mit-
Lernens in der Schule (S. 17). tel« (S. 73 ff.). Auch bei diesen Lesestücken wählt Ro-
Den zweiten Typus der Beispielgeschichte, die chow z. T. das Mittel des sokratischen Dialogs.
Abschreckgeschichte, findet sich wieder in der Ge- Beginnt das Lesebuch mit einem »Gebet für kleine
schichte »Der böse Knecht«: »Hans war von schlech- Kinder« (S. 9), so endet es mit dem seligen Tod eines
ten Aeltern erzogen, und kam in der Jugend zu einem Greises, dessen väterliches Vermächtnis für seinen Sohn
liederlichen Herrn, der auf das Seinige nicht Achtung und seine Schwiegertochter Rochow in die Worte klei-
gab. Da ward er denn vollends liederlich. Des Nachts det: » >[ .•. ] Bleibt fromm und redlich, hütet euch vor
lag er im Wirtshause, und des Tages schlief er auf dem Neid und Geiz, liebet Gott über alles, weil ihr alles von
Feldebey dem Pfluge, oder wo er sonst allein war. Das ihm habt, seyd wohlthätig gegen die Armen, fleißig in
Vieh übertrieb und überjagte er; aus der Stadt kam er eurem Beruf, und ehrerbietig und gehorsam gegen eure
stets betrunken; und so warm als das Vieh denn war, so Obrigkeit. Seyd friedfertige Nachbarn und Eheleute,
warm brachte er es auch entweder an die Krippe, oder und erziehet eure Kinder zu verständigen und recht-
ins Wasser. Sein Gespann bestand auch stets aus lah- schaffenen Menschen, durch gute Lehren, und vor-
men und blinden Pferden; und sein Herr verlohr durch nehmlich durch euer eigenes gutes Beyspiel [ ... ]« (S.
seine Liederlichkeit in kurzer Zeit das ganze Gespann 112).
Pferde. Endlich starb er selbst, elend, arm, und von nie- Über die Sprache des Kindeifreunds äußert sich
mand beklagt. Nachlässigkeit, Untreue, und Liederlich- Bünger ( 1898, S. 153): » Rochows deutsche Sprachtech-
keit des Gesindes verursacht großen Schaden, und nik ist geradezu erstaunlich. Weil er zum einfachen
bringt um den Segen Gottes, und um die Liebe der Men- Landkinde sprach, mußte er auch den damals üblichen
schen. Tit. 2,9.1 0.« (S. 44 f.)Getadelt und abschreckend etwas gespreizten und französisch vornehmen Stil, der
dargestellt werden in dieser Manier Tierquälerei, Dieb- doch in seinen Briefen herrscht, ebenso den Katheder-
stahl, Baumfrevel, Vorwitz, Neid, das Stiften von Un- stil der gleichzeitigen Schriftsteller, in den die späteren
frieden, Aberglauben, Unmäßigkeit, Zorn, Faulheit, Lesebuchverfasser zurückgefallen sind, bei sich gänz-
Hehlerei, falsche Schüchternheit, Heuchelei, Nasch- lich unterdrücken. Auch durfte er den vulgären Stil der
sucht und Leckerhaftigkeit, Ungeduld und Furchtsam- Volksbücher (z. B. Eulenspiegel, Schildbürger), der
keit. Die schlechten Charaktere werden schon häufig sonst dem gemeinen Volke wohl zusagt, desgleichen
durch den Familiennamen verdeutlicht: der Hehler den salbungsvollen Ton der im Volke beliebten Erbau-
trägt z. B. den Namen »Hehlemann«, der faule Tage- ungsbüchernicht anschlagen [ ... ],wenn er seiner Sache
löhner den Namen »Trägemann«, und »Leckermaul«, nicht einen falschen Schein geben wollte. Seiner Liebe
der zuerst die ländliche Kost verachtet, muß später mit zum Volke glückte es, den einfachen, bei aller An-
Mühe um ein Stück trockenes Brot betteln (S. 58 f.). spruchslosigkeit bildenden, allerdings etwas nüchter-
»Klaus und Fritze« (S. II f.) ist eine Beispielge- nen Erzählton zu treffen, den er wohl seiner Intimität
schichte des dritten Typus, eine Kontrastgeschichte: mit dem volkstümlichen Geliert verdankte. Rochows
»Klaus war leichtsinnig und unachtsam; Fritze aber Darstellungsweise könnte Gellerts Poesie in Prosa ge-
dachte nach, und gab auf alles acht.« Geschildert wird, nannt werden. Seine Pädagogik und Sprache decken
wie Fritz auf dem gemeinsamen Nachhauseweg durch sich völlig.«
seine Aufmerksamkeit einen Ring findet, den er seinem 1779 brachte Rochow einen zweiten Teil des
rechtmäßigen Besitzer zurückgibt: er bekommt zehn Ta- Kinderfreunds heraus, dem eine Anleitung »Von
ler Finderlohn.
dem nützlichen Gebrauch des Rochowschen Kin-
Neben den Beispielerzählungen hat Rochow auch derfreundes« vorangestellt ist, die über die Lehr-
-besonders im letzten Teil- sachlich belehrende Texte
methode Auskunft gibt, mit der der Kinderfreund
aufgenommen, die häufig in Form eines Dialogs gehal-
ten sind. Sie handeln vom Gewitter, vom Brennglas, in den Schulen eingesetzt werden sollte: »Schade
vom Magneten, vom Wachstum der Pflanzen, dem Glo- nur ist es, daß man sehr wenig Lehrern den rech-
bus, den Gestirnen und »der Erde, und den Geschöp- ten Gebrauch des Buchs mittheilen kann. Der Ti-
fen, die darauf sind«. In engem Zusammenhang damit tel, Lesebuch, scheint sie irre zu führen. Sie lesen
stehen Lesestücke, die unmittelbar auf die Landwirt- es, und lassen die Kinder es vorlesen, oft sieben
schaft Bezug haben. So wird z. B. berichtet, wie» Der gu- Historien nach einander - da sie denn freylich
te Landwirth « (S. 60 ff.) durch überlegtes Wirtschaften bald durchkommen, und es endlich überdrüssig
mit Brache, Düngemitteln, Durchmisten der Felder und werden müssen. In andem Schulen wird nur je-
gutem Saatkorn größere Erträge gewinnt. Ein anderer
den Tag eine Historie, und (da jedes Kind das
Text schildert, wie der »kluge Wirtbey der Theurung«
(S. 67) Armut verhindert, in dem er vorausschauend Buch hat) außer der Reihe mehr als einmal, zur.
sparsam lebt. Ebenfalls in den Bereich der volksaufklä- Erweckung der Aufmerksamkeit und der Fertig-
rerischen Themen fällt die Geschichte »Der ordentliche keit im Schönlesen vorgenommen; dann die Bü-
Kranke« (S. 63), der durch Befragen eines Arztes seine cher zugemacht, und über die Geschichte kate-
Gesundheit zurückgewinnt und aus Einsicht die Hinzu- chetisch und paränetisch, mit häufigen Ueber-
841 v. Rochow, Der Kinderfreund, 1776 842

gängen in die Bibel (wozu alle Historien angelegt dieser Sinn einprägsam als Sentenz formulieren
sind) in einem Diskurs, der jedes Kind NB. beson- ließ. Und endlich sollte hier wie dort die memo-
ders (ja nicht einschläfernde Predigt!) ins Ge- rierte Sentenz als Ergebnis des Unterrichts eine er-
spräch einflicht, verfahren. Wenn dieses gesche- zieherische Wirkung auf das Kind ausüben. Nur
hen, so wird von den stupidesten angefangen zu war der Katechismusunterricht von Bibeltexten
fragen: was jedes Kind in der Historie, oder in ausgegangen, während jetzt erdichtete Erzählun-
dem Diskurs darüber, gemerkt? Von dieser Ver- gen die Grundlage des Unterrichts bildeten. Und
fahrensaTt merken wir großen Nutzen; und so wo bisher die Glaubenslehre der religiösen Erzie-
wird der Kinderfreund das, wo zu er geschrieben hung hatte dienen wollen, dort sollte nun eine
worden ist, nemlich ein Mittel, christliche Er- profane Tugendlehre die moralische Erziehung
kenntniß und Gesinnung auf eine angenehme bewirken. So konnte also der Moralunterricht di-
Weise in die jungen Seelen zu bringen, und gesun- daktisch wie methodisch an eine einflußreiche
den Menschenverstand zu säen, der so vortheil- Tradition anknüpfen, indem er deren Erbe über-
haft fürs ganze seyn muß.« (zit. n. Göbels, 1979, nahm und säkularisierte.«
s. 120) Dennoch geht es Rochow nicht darum, die
Frank (1976, Bd. I, S. 142f.) stellt hierzu traditionellen Lehrmethoden des Katechismus-
fest : »Das klingt wie eine Übertragung der alten unterrichts bruchlos zu übernehmen, die sich in
Lehrmethode des Katechismusunterrichts auf erster Linie durch die starke Betonung des Memo-
den neuen Moralunterricht. Und in der Tat nerens auszeichneten. Rochow lehnt das bloße
knüpfte Rochow an diese ältere Tradition an, wa- Auswendiglernen vielmehr ab; er betont stattdes-
ren doch die formalen Voraussetzungen durchaus sen, der Mensch müsse das Lernen ansehen »als
vergleichbar. Wie beim alten Katechismusunter- etwas angenehmes, wodurch er Vorteil hat, und
richt, so stand auch beim neuen Moralunterricht seine Vollkommenheit befördert« (Hand-Buch in
ein Text im Mittelpunkt der unterrichtlichen Be- katechetischer Form for Lehrer die aufklären wol-
mühungen. Hier wie dort war es ein Lehrtext, des- len und düifen, Halle 1783, S. 45). Spricht Ro-
sen Lehre es zu verstehen galt, wobei der Lehrer chow vom »Katechisiren«, so meint er vielmehr
die jeweils nötigen Erklärungen zu geben hatte. die Form des sokratischen Dialogs, die er auch in
Hier wie dort sollte der gelesene Text in einem ein- einzelnen Lesestücken des Kindeifreunds vor-
deutigen Sinne verstanden werden, wobei sich führt. Er meint die Veranschaulichung von Denk-
vorgängen, die Klärung von Begriffen und Sach-
verhalten, die Erkenntnis von Zusammenhängen
durch Frage, Einwurf und Widerlegung. Nur auf
diese Weise glaubt er das Kind zum wirklichen
Verständnis schrittweise hinleiten zu können.
Die Morallehre des Kindeifreundes solle von
der Erfahrung des Schülers ihren Ausgang neh-
men: »Stets aus der Natur der menschlichen See-
le, durch eine auf die eigne Erfahrung des Schü-
lers gegründete Seelen-Lehre sey alles moralische
hergeleitet, und daher mit seinen Empfindungen
übereinstimmend. Z. E. Aus der Einrichtung des
ganzen aus Leib und Seele bestehenden Men-
schen selbst, werde durch manch überzeugendes
Beyspiel erwiesen, daß jedes verübte Laster oder
böse Fertigkeit, in die Länge schade, so wie jede
versäumte gute That, oder unterlassene Tugend,
unzufrieden oder unglücklich mache.« (Hand-
Buch, S. 54). In diesem Hinweis ist bereits die
Quintessenz von Rochows Tugendlehre angelegt,
wie sie sich im Kindeifreund darstellt: Die Tu-
gend wird stets belohnt, das Laster dagegen be-
straft. Diese Belohnung bzw. Bestrafung behan-
delt Rochow nicht nur und nicht vor allem unter
dem Aspekt der Rechtfertigung vor Gott, sondern
unter dem eines glücklichen und erfüllten bzw. ei-
nes selbst verschuldet unbefriedigenden Lebens.
So wird die Notwendigkeit eines moralisch guten
Lebens zwar auch als religiöse Ptlicht, in besonde-
Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805). rem Maße aber durch den Nutzen begründet, den
Kupferstich von Westermayr der Tugendhafte erfahren werde.
843 ABC- und Lesebücher etc. 844

Dabei geht Rochow davon aus, daß das buchs auch kaum zu erwarten-, so spiegeln doch
menschliche Schicksal durch Gottes gute Fügung die einzelnen Lesestücke Rochows Intentionen
gelenkt wird. Er ist davon überzeugt, daß »mehr wider. Der Kanon der Lernziele umfaßt all jene
Gutes, als Böses in der Welt« sei (S. 72), und sieht Punkte, die Rochow als grundlegende Elemente
die dennoch vorhandenen Widerwärtigkeiten der »Nationalerziehung« ansieht, die für ihn mit
stets als vom Menschen selbst verschuldet an bzw. der Aufklärung des ganzen Volkes identisch ist
als Notwendigkeit innerhalb eines göttlichen (vgl. Frank, 1976, Bd. 1, S. 375ff.). Dahermüsse
Plans, dessen Sinn vom Menschen noch nicht auch der »Landmann, diese eigentliche Stärke
durchschaut wird, der aber letzendlich für ihn gut des Staats-Körpers« »auch verhältnismäßig ge-
und nützlich ist: »Das meiste Misvergnügen bildet, und zu allem guten Werk geschickt ge-
macht der Mensch sich selbst, durch Unordnung macht werden« (Geschichte meiner Schulen,
und Laster. Wer Gott recht aus Dankbarkeit liebt, 1795, S. 7). Das besondere Gewicht, daß Rochow
und durch Gehorsam ehrt, für den ist die Welt im Rahmen der gesamten Nationalerziehung der
kein Jammerthal. Das Unangenehme in dem Aufklärung des Landvolkes beimißt, läßt sich aus
menschlichen Leben ist entweder verschuldet; zwei Beweggründen herleiten.
und denn ist es, als Strafe, zur Besserung nützlich; Der eine Grund, von Rochow selbst be-
oder es trifft uns, ohne daß wir es veranlasset ha- nannt, ist sozialer Natur. »Auf die erste Frage,
ben; und denn ist es Schickung oder Verhängniß >wer mich berufen hat, mich zum Lehrer des
des allerweisesten Gottes und Vaters, und im Landvolks aufzuwerfen?< ist meine kurze Ant-
Ganzen gewiß gut und nützlich.« (S. 72f.) wort diese: Ich lebe unter Landleuten. Mich ja-
Diese Unterordnung unter Gottes Willen merte des Volks. Neben den Mühseligkeiten ihres
soll nach Rochows Forderung für die niederen Standes werden sie von der schweren Last ihrer
Stände auch bedeuten, denStändestaat als gottge- Vorortheile gedrückt. Ihr Unwissenheit, in den
wollte Einrichtung zu akzeptieren: »Gott regieret nöthigsten Kenntnissen, beraubt sie der Vortheile
die Menschen durch Obrigkeiten. Die Obrigkeit und Ersetzungen, welche die, für alle Stände, gnä-
ist von Gott verordnet. Sie strafet die Bösen, und dige Vorsehung Gottes auch dem ihrigen gegönnt
ist der Frommen Schutz und Beystand. Jeder- hat. Sie wissen weder, das, was sie haben, gut zu
mann sei also willig unterthan der Obrigkeit, die nutzen; noch, das, was sie nicht haben können,
Gewalt über ihn hat. Röm. 13, I. u. f.« (S. 85). In froh zu entbehren. [ ... ] Die Ursachen dieser
diesem Zusammenhang ist bedeutsam, was Ro- sämmtlichen, den Staat in seinem wichtigsten
chow dem Landmann als das Ideal eines erfüllten Theile, zerstörenden Uebel, liegt an der vernach-
Lebens entgegenhält: Fleiß im Lernen führt zu läßigten Erziehung der ländlichen Jugend« (Ver-
Wissen und Verständigkeit, diese wiederum ist such eines Schulbuches, für Kinder der Landleu-
die Grundlage der erfolgreichen Ausübung des te, oder zum Gebrauch in Dorfschulen, 1772, Ein-
Berufes; harte Arbeit und ein genügsam geführtes leitung). Das einleitende Kapitel seiner Schrift
Leben, Gehorsam gegen Gott und die Obrigkeit Geschichte meiner Schulen nennt den unmittelba-
sowie ein frommer Lebenswandel bringen Wohl- ren Anlaß seiner schriftstellerischen Bemühun-
ergehen; das tugendhafte Leben wird durch den gen: Er besteht in der Erfolglosigkeit seiner Be-
gelassen erwarteten Tod beendet, und die »be- mühungen, dem Landvolk nach den verregneten
ständige Glückseligkeit ist nach dem Tode der Sommern der Jahre 1771 und 1772 Unterstützung
Lohn des Frommen« (S. 73). zuteil werden zu lassen: »Aber böse Vorurtheile,
Zu einem solchen Leben soll der moralische Verwöhnung und Aberglauben, nebst gänzlicher
und staatsbürgerliche Unterricht im Kindeifreund Unwissenheit an Lesen und Schreiben, machten
erziehen. In seinem Hand-Buch nennt Rochow fast alle meine guten Absichten fruchtlos.« (S. 4)
sieben Ziele des Unterrichts: I) Kenntnis der Dabei habe sich ihm »die ganze Kette von Ursa-
»Lehr- und Befehls-Sprache« des Vaterlandes; chen und Wirkungen, warum der Landman so sey
2) Kenntnis der gemeinnützigsten Wesen der als er ist«, enthüllt: »Er wächst auf, als einThier
Natur; 3) Kenntnis dessen, »was von Gottes und unter Thieren. Sein Unterricht kann nichts Gutes
Obrigkeits wegen erlaubt, oder verboten ist«; wirken. Der gröbste Mechanismus herrscht in sei-
4) Grundkenntnisse der Krankheitsvorsorge und nen Schulen. Sein Prediger spricht hoch- und er
-behandlung; 5) Kenntnis, wie >mach weisen Re- plattdeutsch. Beyde verstehen sich nicht. [ ... ]
geln« die Lektüre, Lebensart und »nähern Ver- Niemand bemüht sich, die Seelen seiner Jugend
bindungen« zu wählen sind; 6) Kenntnis des zu veredlen. Ihre Lehrer sind gewöhnlich, wie
Wertes guter Gesinnungen durch das Lehrerbei- Christus es nennt, blinde Leiter, und so leidet
spiel; 7) Verständnis des »lnbegrifs der wahren denn der Staat bey diesem Zustande der Sachen
Religion«: »Gott über alles, und die Menschen (nach welchem sein Flor sich in einem beständi-
wie sich selbst lieben« (S. l2f.). gen Kriege gegen die verheerende und zerstören-
Schlagen sich diese Ziele auch nicht in ihrem de Dummheit befindet) mehr Verlust als in der
ganzen Umfang im Kindeifreund nieder- das ist blutigsten Schlacht.« (S. 6 f.) Das Elend der Land-
bei dessen Charakter als eines elementaren Lese- bevölkerung zu lindern vermag nach Rochow al-
845 v. Rochow, Der Kinderfreund, 1776 846

Iein die Aufklärung des Landvolks durch die Ein- man denn eigentlich von diesem Zuklugwerden,
richtung von Schulen. welches von diesem vorberührten Zuvielwissen
Die Ablehnung der Einführung des Kinder- die Folge wäre? Etwa, daß der Landmann (Culti-
freunds als allgemeines Lesebuch war nicht zu- vateur) seinen Stand verlasse und Handwerker,
letzt auch darin begründet, daß man bei Hofe be- Künstler, Gelehrter würde? Lebt unbesorgt, skru-
fürchtete, eine gründliche Aufklärung der Land- pulierende Menschenfreunde! Er tauscht nicht,
bevölkerung könne das Fundament des absoluti- wenn er nur klug genug und die Regierungsform
stischen Ständestaats ins Wanken bringen. Fried- gut genug ist. Denn der Kluge zeigt auch beim
rich erachtete »ein bißeben Lesen und Schrei- Tausche, daß er seine wahren Vorteile kennt. [ ... ]
ben« als genügend für das platte Land, denn Und die wenigen Genies in diesem Stande, die
»wissen sie [die Landleute, d. Red.] zu viel, so lau- schon jetzt weder Schule noch Kanzel noch Po-
fen sie in die Städte und wollen Sekretärs und so lizei hindern konnte, das zu werden, was sie aus
was werden; deshalb muß man aufm platten Lan- sich selbst wurden, laßt sie ja klug, recht klug wer-
de den Unterricht der jungen Leute so einrichten, den! Ewig seid ihr davor gesichert, daß sie keine
daß sie das Nothwendige, was zu ihrem Wissen Prätorianer, Strelitzen, Georg Metzlers, Johann
nötig ist, lernen, aber auch in der Art, daß die Leu- von Leidens, Knipperdollings, Ravaillacs, Da-
te nicht aus den Dörfern weglaufen, sondern miens oder Thomas Münzers und Jakob Böh-
hübsch dableiben« (zit. n. Koser, 1913, Bd. 3, mens werden!« (Rochow, Sämtl. pädagog.
S. 473). Auch Zedlitz, der die Bestrebungen Ro- Schriften, a.a.O., Bd. 1, 1907, S. 346f.)
chows anfangs begrüßt hatte, verdächtigte den Die Gefahr der Aushöhlung des Stände-
Reformer zunehmend, ein »Cosmopolite enthou- staats liegt nach Rochows Ansicht also gerade
siaste« zu sein, »der die Dorfbevölkerung zu klug nicht in der vermehrten Aufklärung der Landbe-
mache«. In einer akademischen Rede von 1777 völkerung, sondern im Halbwissen, weil es den
faßte er seinen Standpunkt dahin zusammen, Landmann mit seinem gegenwärtigen Zustand
»wenn es ungerecht sei, den Bauer wie ein Vieh unzufrieden macht, ihm aber die Einsichten vor-
aufwachsen zu lassen, so sei es eine Torheit, die enthält, die zur bewußten und freudigen Ausfül-
künftigen Schneider, Tischler oder Krämer wie ei- lung seines Platzes in der Gesellschaft notwendig
nen Konsistorialrat oder Schulrektor zu erzie- sind. Für ihn ist die allgemeine Aufklärung auch
hen« (vgl. Koser, 1913, Bd. 3, S. 472). des Landvolks der eigentliche Garant für die Fe-
Die konzeptionellen Unterschiede sind stigkeit der sozialen Ordnung: der aufgeklärte
deutlich: setzen Friedrich und sein Staatsminister Landmann weiß, daß die Obrigkeit ihm Schutz
von Zedlitz der Aufklärung Grenzen dort, wo sie und Beistand gewährt und für sein Wohlergehen
über das Prinzip der Nützlichkeit für den einzel- Sorge trägt. Die Voraussetzung dafür ist jedoch
nen Stand hinausgeht, so vertritt Rochow das das Vertrauen in den Staat, daher muß »die Re-
Prinzip der allgemeinen Volksaufklärung. In ei- gierungsform gut genug« sein. Rochows Konzept
ner seinem Buch Vom Nationalcharakter durch der allgemeinen Volksaufklärung läuft nicht auf
Volksschulen ( 1779) beigegebenen »Schutz- die Infragestellung des absolutistischen Stände-
schrift«, die sich offenbar gegen Friedrich II. rich- staats hinaus, sondern zielt ab auf dessen autorita-
tet, versucht er ausführlich, die Bedenken des Ho- tive Festigung, die sich auf das Vertrauensverhält-
fes als unbegründetzurückzuweisen: »Üb es wohl nis zwischen Souverän und Untertan gründet.
Grenzen der Wissenschaften gibt, wenn man sie Diese Absicht spricht auch aus den schon zi-
der Ordnung wegen und in abstracto betrachtet, tierten Lesestücken des Kinderfreunds, die sich
so folgt doch daraus, meine ich, noch keine Be- mit dem Verhältnis des Untertanen zur Obrigkeit
grenzungsnotwendigkeit des nützlichen Wissens beschäftigen. Charakteristisch ist, daß Rochow
in concreto. Zuviel von Gottes der Menschen die Kinder in diesem Zusammenhang auffordert,
Glückseligkeit bezielenden Willen, zuviel von selbst die schlechte Behandlung durch eine
dem, was der Mensch ist, zu werden hoffen darf, »schlimme Herrschaft« geduldig und im Vertrau-
und von den Mitteln, wodurch er zu dieser festen en auf Gott hinzunehmen: »Aber vielleicht ist mir
Zuversicht gelangt, zuviel von dem, was er als Un- diese Trübsal nützlich; wer weis, wie ich die guten
tertan, Ehemann, Hausvater etc., zu wissen Tage vertragen würde! Vielleicht würde ich frech
braucht, [ ... ] zuviel endlich von dem, was mit sei- und liederlich, wenn es mir zu wohl ginge.« (S. 31)
nem eigentlichen Gewerbe in solchem Verhältnis In der Regel erwartet jedoch den gehorsam Die-
steht, daß irgend eine Art Wohlstand (und hier ist nenden die gerechte Belohnung für seine Mühe:
von Millionden Menschen und Millionen Talern »Wer der Herrschaft Nutzen sucht, I Dem nützt
die Rede) durch Nationaldummheit in diesem sie auch wieder.« (S. 33)
Stück verloren geht, kann das Volk je zuviel von Das zweite Motiv seiner volksaufkläreri-
diesen berührten Dingern wissen? Kann es je dar- schen Bemühungen ist in ökonomischen Interes-
in zu klug werden? Denn Zuvielwissen müßte sen und Rochows sozialer Stellung als Gutsherr
doch wohl, wenn man nicht mit Worten spielt, zu suchen. Rochow steht offensichtlich den Theo-
dem Zuklugwerden vorgehen. Und was fürchtet rien Adam Smiths nahe, der in seinem 1776 er-
847 ABC- und Lesebücher etc. 848

schieneneo Werk Inquiry into the nature and cau- schenkt wurde:» 1788, mehr als 10 Jahre nach der Erst-
ses of the wealth of nations den Zusammenhang auflage, wies noch Prediger Loren(t)z auf den Eigensinn
zwischen dem wirtschaftlichen Reichtum einer der Eltern gegenüber diesem weltlichen Buch hin.« An
Nation und der Nationalerziehung herauszuar- anderer Stelle heißt es (S. 177): »Es wundert nicht,
wenn v. Türk noch kurz nach 1800 tadelnd vermerkte,
beiten versuchte. Für Smith ist die allgemeine
daß Lehrer die Unterredungen über das eine oder ande-
Aufklärung des Landvolkes und seine Unterwei- re moralische Stück aus dem Rochowschen Kinder-
sung in Anbaumethoden, klugem Wirtschaften freund für unnütz ansahen und meinten, es wäre genug,
etc. die Grundbedingung für die Prosperität einer wenn die Kinder wöchentlich die Bibel und das Evange-
Nation. In dem Wissen, daß der wohlausgebilde- lium auswendig lernten. So hätten es schließlich ihre
te Landmann seine Äcker mit größerem Ertrag Vorfahren gemacht, sie selbst wollten daran nichts än-
bestellen wird als der unaufgeklärte und dem dern, denn das wären ja auch keine Dummköpfe gewe-
Aberglauben verhaftete, setzt sich Rochow gera- sen. Das ist immerhin erstaunlich, denn Rochows Kin-
de auch in seinem Kinderfreundmit notwendigen derfreund war schon fast 30 Jahre zuvor erschienen und
hatte weitgehende Verbreitung und Anerkennung ge-
Grundkenntnissen der Landwirtschaft auseinan-
funden. Andererseits zeigt aber eine solche Bemerkung,
der; immer wieder betont er den ökonomischen daß es mit dem Vorhandensein von guten Büchern nicht
Nutzen der Aufklärung der Landbevölkerung. So getan war. Das> Wie-zu-gebrauchen< mußte hinzukom-
endet z. B. die Erzählung »das arme Kindermäd- men.« Nicht nur in Preußen wurde die obrigkeitliche
chen« (S. lOf.) mit den Worten: Die Frau Einführung des Kinderfreunds als allgemeines Lese-
»schickte von der Zeit an das arme Kind alle Wo- buch abgelehnt; nach dem Katalog der verbotenen Bü-
chen etliche Stunden in die Schule; und je mehr chervon 1790-1792 war das Werk in Bayern sogarvöl-
gutes das Mädchen lernte, je treuerund fleißiger lig verboten (vgl. Rommel, 1968, S. 114).
arbeitete es.« Hier wird deutlich, daß bei Rochow Dessen ungeachtet kann Baur (1790, S. 367) fest-
die Volksaufklärung nicht allein ein philanthropi- stellen: Rochows »Kinderfreund ist längst in den Hän-
sches Prinzip ist, sondern konkreten Nützlich- den aller Erzieher und Kinderfreunde, und er allein wä-
keitserwägungen folgt: Seine Idee der Nationa- re schon hinreichend, den Namen seines vortrefflichen
Verfassers zu verewigen.« Die Wertschätzung, derer
lerziehung hat somit auch einen stark utilitären
sich der Kinderfreund zu Rochows Lebzeiten erfreute,
Charakter. spricht aus dem Nachruf der Gothaer Nationalzeitung
»Der Erfolg dieses Werkes war ein großer, ver- der Deutschen zum Tode des Verfassers des Kinder-
gleichbar dem des kleinen Katechismus Luthers, beson- freunds. Darin wird Rochow dargestellt als »einer der
ders nachdem auch die katholischen Schulen, zuerst frühesten und tätigsten Beförderer der basedowischen
wohl zögernd, dammimmer stärker, sich dies Buch an- Unternehmungen, ein Menschenfreund in Tat und
eigneten, und massenhaft waren die Nachdrucke, über Wahrheit«: »Sein reger Eifer für das Menschenglück,
die Rochow selber klagt«, heißt es bei Bünger (1898, Menschenveredelung machten ihm die Bildung des
S. 154). Das Werk war in kurzer Zeit so erfolgreich, daß Landvolkes zum wichtigsten Ziele seiner gemeinnützi-
es schon sehr bald wieder aufgelegt werden mußte. In gen Tätigkeit. Durch sein Schulbuch und seine Muster-
der Geschichte meiner Schulen berichtet Rochow selbst, schulen [ ... ] gab er das Signal zu einer fast über ganz
daß »der erste Teil meines Kinderfreundes [ ... ] indeß Deutschland verbreiteten Reformation der Volksschu-
so häufig« abgegangen sei, »daß, dervielen Nachdrük- len.[ ... ] Eben darum verdient auch sein Name in der
ke ohngeachtet, von den Gehrüdem Halle in Branden- Geschichte der Pädagogik zu prangen und sein Ge-
burg über 2000 Exemplare verkauft wurden.« (S. 15). dächtnis in den Annalen gemeinnütziger Menschen-
Engelsing (1973, S. 59) vermeldet, das Werk habe mehr freunde erhalten zu werden.« (zit. n. Göbels, 1979,
als 200 Auflagen erlebt und sei in wenigen Jahren in s. 204f.).
über 100000 Exemplaren verbreitet worden; es sei Der Kinderfreundwurde offenbar noch bis weit in
»weit mehr gelesen (worden), als alle Werke Goethes die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Schulen be-
und Schillers zusammen«. Eine umfassende Übersicht nutzt. So verfügte z. B. noch eine Hannoveraner Schul-
aller Nachdrucke, Übersetzungen und Bearbeitungen verordnung vom Dezember 1871: »Als unbrauchbar
des Kinderfreundes liefern Jonas und Wienecke (Bd. 3, werden bezeichnet und sind bis spätestens 12. April
1909, S. 503-515). Eine kommentierte und illustrierte 1872 aus den Schulen zu entfernen a) der >Kinder-
Auswahlbibliographie von Nachfolgern des Kinder- freund< von Rochow [ ... ]« (zit. n. Köberle, 1972, S. 23).
freunds findet sich im Anhang zu dem von H. Göbels Die Meinungen über den Kinderfreund waren zu Aus-
herausgegebenen Reprint des Kinderfreunds (1979). gang des 19. Jahrhunderts durchaus geteilt. Carl Kehr
Göbels stellt darin auch Werke vor, die in der Tradition beurteilt das Werk in seiner Geschichte des deutschen
des Kinderfreunds als Lesebuch der Volksschule (z. B. Unterrichts in der Volksschule(l889) durchweg positiv:
Der Mädchenfreund, 1811, Der Denkfreund, 1801, Der »Die kleinen Geschichten, welche Rochow im >Kinder-
Volksschulenfreund, 1816) und in der Tradition des Kin- freund< bot, und welche sich auf Verhältnisse des ländli-
derfreunds als Kinderbuch stehen (z. B. Astronomischer chen Lebens beziehen, sind gut erfunden und in einfa-
Kinder-Freund, 1798, Arithmetischer Kindeifreund oder cher, korrekter Sprache dargestellt. Immer waltet die
Musikalischer Kinderfreund, 1805). Absicht vor, die Denkkraft und den sittlichen Sinn zu
Der Kinderfreund ist jedoch keineswegs nur auf wecken und zu läutern, Gemüt und Einbildungskraft
uneingeschränkte Zustimmung gestoßen; dies machen mit guten Bildern zu erfüllen, überall durch die Erzäh-
schon die erwähnten Vorbehalte des Berliner Konsisto- lung zu belehren. Diese Aufgabe war in jener Zeit, wo ei-
riums deutlich. Rommel ( 1968, S. 163) berichtet, daß El- ne gute Jugendliteratur noch eben erst im Entstehen
tern den Kinderfreund ablehnten, obwohl er ihnen ge- war, keine leichte.« (zit. n. Stach in: Lexikon der Kin-
849 Seybold, Chrestomathie, 1777 850

der- und Jugendliteratur, Bd. 3, 1979, S. 192). Während her ans Schwarze, ja, man darf es keck sagen: ins
Merget ( 1882, S. 17) lediglich eine knappe Themen- Schwarze selber[ ... )«. Auch Köster(l972, S. 278 f.) be-
übersicht liefert, beschäftigt sich Bünger ( 1898) in seiner urteilt zwei Jahre später das Werk überwiegend positiv:
Entwicklungsgeschichte des Volksschullesebuchs aus- Rochows »Kinderfreund wandte sich in der glücklich-
führlich mit dem Werk. Er weist nach, daß das Buch bei sten Weise an Dorfkinder. Seine Erzählungen sind kurz
aller Eigenständigkeit an die bisherige Entwicklung des und einfach und verständlich. Die Moral, die immermit
Lesebuchs direkt anschloß, indem es verschiedene Stof- einer Bibelstelle schließt, zeichnet sich ebenfalls wohl-
fe miteinander in Verbindung brachte: frei erfundene tuend durch ihre Knappheit aus. Uns muten die kleinen
moralische wie auch religiöse Stoffe, Briefwechsel, Ge- Geschichten, in denen konsequent der Gute belohnt
spräche, Gebete und Lieder, Sinnsprüche, Lesestücke und der Schlechte bestraft wird, gar zu naiv an. Vonall
zur Naturkunde usw. Er bemängelt jedoch ausdrücklich den vielen Nachahmungen aber erreichte keine die Hö-
das Fehlen historischer Stoffe. In einer knappen Zu- he Rochows.« Auch Köberle (1972, S. 22f.) bewertet
sammenfassung würdigt er das Werk: »Rochow hat I. den Kindeifreund ähnlich positiv. Er sei ein Lesebuch,
sämtliche berechtigte Vorarbeiten für das Lesebuch be- »das durch seine kindlich herzliche Sprache, seine ein-
rücksichtigt und verständnisvoll verarbeitet, 2. den Stoff fachen kurzen Erzählungen mit seiner klaren und doch
in zweckmäßiger Mischung geordnet, 3. ihn zu kurzen unaufdringlichen Moral den damaligen Bedürfnissen
Bildern abgerundet, 4. dabei den Kindersinn und Volk- vollkommen entsprach.«
ston zugleich getroffen. Doch hat er a) die klassischen Ähnlich wie schon Hobrecker ( 1924, S. 14) betont
Sprachstoffe nur sehr spärlich, Geschichtliches über- auch Kunze (1965, S. 42) die enge Verbindung des Kin-
haupt nicht berücksichtigt, b) den philanthropisch-ra- deifreunds mit der Volksliteratur. Er zählt das Werk zu
tionalistischen Geist der Nützlichkeit zu sehr vorherr- den Schriften, die »nur mit einem Auge das Kind visie-
schen lassen, c) fast ausschließlich Selbstverfaßtes gelie- ren, mit dem anderen die neuen Leserschichten aus dem
fert und d) die Konfession nicht berücksichtigt.« (S. Volke, also Erwachsene ohne höhere Bildung.« Dieses
154) Bestreben sei bei Rochow »am deutlichsten« gewor-
Zwanzig Jahre zuvor war von einer anderen Seite den. Offenbar in Anlehnung an Rochows Verurteilung
eine beißende Kritik am Kindeifreund erschienen, die durch Engels klassifiziert Schmidt ( 197 4, S. 27) den
hier zitiert werden soll, weil sie in manche Rezensionen Kindeifreund als »Anpassungs- und Einordnungslite-
des 20. Jahrhunderts eingegangen ist; sie stammt aus ratur«: >>[ ... ] die vertretenen Klasseninteressen sind
Engels' Streitschrift gegen den kleinbürgerlichen Sozia- eindeutig. F. E. von Rochows Geschichten wirken kon-
listen Eugen Kar! Dühring, HerrnEugen Dührings Um- struiert, sie werden noch von einer frühen Aufklärungs-
wälzung der Wissenschaft (1878): »Es sind jetzt unge- poetik bestimmt, die von einer These, einem ethischen
fähr hundert Jahre, seit in Leipzig ein Buch erschien, das Postulat, ausgeht und dazu >Beispiele< aus der Wirklich-
bis Anfang dieses Jahrhunderts dreißig und einige Auf- keitsucht.« Ähnlich urteilt Kuhn (1975, S. 97): »Es hie-
lagen erlebte, und in Stadt und Land von Behörden, Pre- ße jedoch, grundsätzlich den Charakterund die Motiva-
digern, Menschenfreunden aller Art verbreitet, verteilt tion des pädagogischen Engagements Rochows zu ver-
und den Volksschulen allgemein als Lesebuch zugewie- kennen- auch in Hinsicht auf den >Kinderfreund< -,
sen wurde. Dieses Buch hieß: Rochows Kinderfreund. wenn man sie mit Menschenliebe erklärte, wie vielfach
Es hatte den Zweck, die jugendlichen Sprößlinge der in der Geschichtsschreibung der Jugendliteratur ge-
Bauern und Handwerker über ihren Lebensberuf und schehen. [ ... ] Rochows eigenes, unmittelbar ökonomi-
ihre Pflichten gegen ihre gesellschaftlichen und staatli- sches Interesse reiht sich [ ... ] ein in breitere Versuche,
chen Vorgesetzten zu belehren, ingleichen ihnen eine die Situation in der Landwirtschaft zu verbessern.« Der
wohltätige Zufriedenheit mit ihrem Erdenlose, mit Kindeifreund habe dem »dringenden Bedürfnis und In-
Schwarzbrot und Kartoffeln, Frondienst, niedrigem Ar- teresse nach besser ausgebildeten Landarbeitern« ent-
beitslohn, väterlichen Stockprügeln, und andern derar- sprochen. Den Stellenwert des Kindeifreunds formu-
tigen Annehmlichkeiten beizubringen, und alles das liert Reble ( 1967, S. 157) in einem Vergleich. »Wie Co-
vermittelst der damals landläufigen Aufklärung. Zu die- menius' Orbis pictus der Urahn aller Kinderbücher ist,
sem Zweck wurde der Jugend in Stadt und Land vorge- so stellt Rochows >Kinderfreund< den Urahn aller
halten, welch eine weise Einrichtung der Natur es doch Schullesebücher dar.« 0. B.
sei, daß der Mensch sich seinen Lebensunterhalt und
seine Genüsse durch Arbeit erwerben müsse, und wie
glücklich sich demnach der Bauer und Handwerker zu
fühlen habe, daß ihm gestattet sei, ein Mahl durch saure 1777
Arbeit zu würzen, statt wie der reiche Prasser an ver-
dorbnem Magen, Gallenstockung oder Verstopfung zu David Christoph Seybold (J 747-1804):
laborieren und die ansgesuchtesten Leckerbissen nur Deutsche Chrestomathie für Jünglinge zur
mit Widerwillen hinunterzuwürgen.« (Engels, 1973, Bildung des Herzens und des Geschmacks.
s. 172) Leipzig 1777
Göhring ( 1904, S. 34 f.) hält den Kinderfreund für
ein »durch und durch originelles Buch, klar bewußt in Seybold wendet sich an Jünglinge von zwölf bis
dem, was es wollte, und ohne Umschweif, nicht selten
achtzehn Jahren sowie an Lehrer, die das Buch
mit ehrlicher, bäuerlicher Schroffheit aufs Ziel los-
schreitend, ein einzig dastehendes Werk voll ausgepräg-
mit ihren Schülern lesen. Dabei ist die Chresto-
ter Charakterzüge, wie geschaffen, der Urtypus der mathie allerdings nicht nur für den Schulge-
nachfolgenden Lesebuchliteratur zu werden. Rochow, brauch gedacht, sondern auch für den Jüngling,
für Dorfkinder schreibend und deshalb in Ton und In- »der das Glücke nicht hat, einen Lehrer von Ge-
halt niederhaltend wie Weiße, traf darum auch weit nä- schmack zu haben« und der sich deswegen
851 ABC- und Lesebücher etc. 852

»selbst bilden muß« (Vorrede). - Da der mit dem werden, erscheint ihm weit geeigneter, »als in be-
Buch angestrebte Poetikunterricht auf Gymna- sondern Stunden logische und rhetorische Rgeln
sien hinweist (auf Volksschulen war ein solcher vorzutragen«. Deutlich ausgesprochen wird in
nicht üblich) und der Herausgeber sich außerdem diesem Zusammenhang auch die Bedeutung des
explizit an das für Gymnasien bestimmte Lese- Poetikunterrichts für die Stilbildung des Schülers:
buch Sulzers anlehnt, ist offensichtlich, daß die Die Jünglinge sollen »durch wirkliche Übungen
angesprochenen Leser in den mittleren und geho- richtig denken und gut schreiben« lernen (Vorre-
benen bürgerlichen Schichten zu suchen sind. de).- Nebenabsicht des 2. Teils ist- die Bildung
Die Intentionen seiner Chrestomathie be- des Herzens. Diese hat auch Einfluß auf die Aus-
stimmt Seybold in Abgrenzung von Sulzers Vor- wahl gehabt: Man findet »hauptsächlich Gedich-
übungen zur Erweckung der Aufmerksamkeit und te, die Standhaftigkeit im Unglücke, Menschen-
des Nachdenkens ( 1771 ), die er selbst bisher in liebe, Vaterlandsliebe« anpreisen; außerdem
seinem Unterricht benutzt habe. Im Unterschied »mehrere moralische Stellen, Hymnen, um Ehr-
zu dem breit gefächerten Spektrum der Vorübun- furcht gegen Gott, die Religion und Tugend ein-
gen möchte er mit seiner Schrift weder Naturge- zuflößen, als von den andern Dichtungsarten«
schichte noch Geographie noch Geschichte leh- (Vorrede).
ren, da diese Lehrgegenstand besonderer Stun- Den Gedichten sind Anmerkungen beige-
den sein müßten, noch in erster Linie den Ver- fügt, die »die einzelnen Schönheiten erklären«
stand bilden, da dies in Philosophie wie über- sollen, und zwar nicht nur für die Schüler, son-
haupt in allen Fächern geschehe. Von den Sulzer- dern auch für die Lehrer, »die vielleicht die
sehen Intentionen bleiben für ihn deswegen nur Schönheiten der Stelle empfinden, denen aber die
zwei Zielsetzungen übrig - die Bildung des Her- Sprache fehlt, sie zu entwickeln« (Vorrede). Bei
zens und die Bildung des Geschmacks. Die Bil- anderen Gedichten wiederum sind Anmerkungen
dung des Herzens ist Hauptabsicht des 1. Teils der weggelassen, damit Lehrer und Schüler selbstän-
Anthologie, der aus »Erzählungen von tugend- dig mit ihnen umgehen lernen. In einem Anhang
haften Handlungen oder Besinnungen« besteht, zum 2. Teil sind schlechte Gedichte gesammelt.
die Bildung des Geschmacks Hauptabsicht des 2. Von ihrer- kritisch gemeinten- Lektüre erhofft
Teils, der »Gedichte von jeder Gattung« (Vorre- sich Seybold ebenso eine Übung des Geschmacks
de) enthält. wie von der Lektüre der guten Gedichte.
Die Geschichten des 1. Teils, die von ver- Ausführlich geht Seybold auf das methodi-
schiedenen (namentlich nicht genannten) Verfas- sche Vorgehen beim Gebrauch seiner Chrestoma-
sern stammen, seien mit nur geringfügigen Verän- thie ein. Hierbei stützt er sich nach seinen eigenen
derungen aufgenommen worden, um den unter- Worten auf Sulzers Einleitung zu den Vorübun-
schiedlichen Erzählton beizubehalten; einige der gen, »aus der ich hier, mit Erlaubnis des Verfas-
Geschichten stammen aus Sulzers Vorübungen. sers, die meisten seiner Regeln entlehnt habe«.
Der Anfang, in dem »kurzgefaßte Gedanken und Als methodische Schritte (sowohl bei der Behand-
Sprüchwörter« gesammelt sind, ist bestimmt für lung der Erzählungen wie der Gedichte) werden
die Übung der »Beurtheilungskraft« (Vorrede). von ihm genannt: 1. »Lesen«, nämlich Vorlesen
Im übrigen ist bereits bei den Erzählungen des 1. durch den Lehrer und anschließend durch die
Teils nicht nur an moralische Erziehung, sondern Schüler, 2. »Erklären«, nämlich Besprechung des
auch an Muster für eigene Schreibübungen ge- » Hauptinhalts«, des »Hauptsatzes der Erzäh-
dacht: Der Jüngling soll »mit den verschiedenen lung des Gedichts«, 3. »ans Herz legen«; nämlich
Arten zu erzählen« bekannt gemacht werden, Frage nach dem »Schönen« und» Wahren« einer
»damit er sich selbst einmal eine wählen kann, die Handlung und Gesinnung und Anwendung auf
seinem Genie und seiner Art zu empfinden am ge- das eigene Leben(» Was wollt ihr euch daraus für
mäßesten ist« (Vorrede). Euer ganzes künftiges Leben für eine Regel zie-
Die Zielsetzungen des 2. Teils weisen in die hen? Seyd Ihr auch entschlossen, so zu handeln,
Richtung des Poetik- und Rhetorikunterrichts. so zu denken?«).
Der Jüngling soll hier »die verschiedenen Gattun- Als Beispiel für die spezielle Vorgehenswei-
gen der Dichtkunst kennen, und sie unterschei- se, die bei Gedichten erforderlich ist, werden Sul-
den« lernen, und der Lehrer soll Gelegenheit er- zers methodische Ausführungen zu Hallers Ge-
halten, »zu erklären, was die Gesetze der Dich- dicht: » Verblendte Sterbliche« zitiert. Für die Be-
tungsarten sind, von denen hier Beyspiele gelie- handlung der Erzählungen werden außer den
fert werden«. »Eine eigentliche vollständige oben genannten Schritten auch Nacherzählungen
Theorie« werde zwar nicht gegeben, doch hält der und Diktat vorgeschlagen, letzteres zur Übung
Verfasser eine solche für die vorgesehene Alters- der Rechtschreibung und mittelbar zur Einprä-
stufe ohnehin nochfür zu früh: Ein »praktisches« gung ins Gedächtnis und ins Herz.
Vorgehen, bei dem die »Regeln aus den zusam- Auf eine Widmung, eine längere Vorrede und das
mengedruckten Mustern« abgezogen bzw. an- Inhaltsverzeichnis des 2. Teils (mit Angabe der Verfas-
band der Beispiele »gelegenheitlich« angegeben semamen) folgen der I. Teil, »welcher die Erzählungen
853 Campe, Neue Methode, 1778 854

tugendhafter Handlungen enthält« (S. 1-92), sowie der sich auf Sulzer stützt, deutlich, daß die Gedichte
2. Teil, »hauptsächlich zur Bildung eines guten Ge- mehr sind als bloße Stilmuster: Indem für sie zu-
schmacks« (S. 93-232). Ein Inhaltsverzeichnis zum I. nächst die gleichen methodischen Vorschläge ge-
Teil fehlt.
geben werden wie für die Erzählungen, werden
Der I. Teil enthält rund 50 Erzählungen mit mora-
lisch-belehrendem Charakter - historische Erzählun- auch sie zum Gegenstand einer sinnerfassenden
gen und Anekdoten, Beispielerzählungen und Beispiel- Lektüre, bei der das Wahre und Schöne einer
geschichten. Die meisten Erzählungen sind ein bis zwei Handlung und Gesinnung herausgefunden und
Seiten lang; einige umfassen nur wenige Zeilen, andere auf das eigene Leben übertragen werden soll.
erstrecken sich auf bis zu zehn Seiten. Manchmal wird Literaturgeschichtlich interessant ist die
die Moral bereits in der Überschrift ausgesprochen: Aufnahme von Gedichten des Morhofschen Un-
»Im Zornesoli man nie strafen« (S. 26f.), »Eine Mutter terrichts von der Teutschen Sprache und Poesie
kann man nicht zu sehr ehren« (S. 33), »Das ist wahre ( 1682) in den Anhang der schlechten Gedichte.
Großmuth, für Wohlthaten keinen Dank oder Ruhm zu
Trotz Seybolds Einschränkung, daß er diese Aus-
verlangen« (S. 41-50).
Der 2. Teil ist gegliedert nach Gattungen, und wahl getroffen habe, um niemanden der neueren
zwarfolgen I. Epigramme, II. Fabeln und Erzählungen, Dichter zu beleidigen, von denen es ebenfalls
111. »Idyllen, oder Schäfergedichte«, IV. »Moralische schlechte Gedichte gebe, wird hiermit doch deut-
Poesien«, V. Oden, VI. Hymnen und VII. »Epische Stel- lich, daß Gedichte, die vor knapp hundert Jahren
len aus Klopstacks Meßias«. Verfasser sind die vorklas- zum Exempla-Kanon gehörten (vgl. Herrlitz,
sischen Autoren der Aufklärungszeit (einschließlich 1964, S. 28ff.), nunmehr als überholt abgelehnt
Empfindsamkeit). Am häufigsten finden sich Gedichte werden.
von Uz (6mal) und Gesner (4mal); es folgen Geliert,
Kleist, Wieland und Klopstock, schließlich Hagedorn, Die Teutsche Chrestomathie erschien 1786 in 2.
Lichtwer, Kronegk, Haller und Thomson. Auflage. G.
Die schlechten Gedichte (im Anhang zum 2. Teil)
stammen aus ))Morhoffs Sammlung« (S. 213). Gemeint
ist damit offensichtlich Morhofs Unterricht von der
Teutschen Sprache und Poesie, deren Ursprung, Fort- 1778
gang und Lehrsätzen von 1682.
Joachim Heinrich Campe (1 746-1818):
Seybolds Chrestomathie nimmt- wie andere Neue Methode, Kinder auf eine leichte und
Anthologien der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts- angenehme Weise Lesen zu lehren, nebst
eine charakteristische Zwischenstellung zwischen einem Buchstaben- und Silbenspiele in sechs
dem alten Imitationsunterricht und dem neueren
Dichtungsverständnis ein, das auf die Lektüre
und zwanzig Charten, und einer Vorrede,
von Literatur abzielt. Der 2. Teil mit seiner Inten- welche jeder lesen muß, der dieses
tion der Geschmacksbildung setzt die Ziele des Büchelchen gebrauchen will.
traditionellen Poetik- und Rhetorikunterrichts Altona 1778
fort; so sollen die Schüler die Gattungen und die
ihnen zugrunde liegenden Regeln zum Zwecke Das Werk ist an Kinder im 5. bis 6. Jahr gerichtet
der Stilnachahmung kennenlernen. Der I. Teil, (S. 5). Campe verbindet mit der Altersangabe eine
dessen Hauptabsicht die Bildung des Herzens ist, Erörterung der Frage, in welchem Alter mit dem
sieht Literatur dagegen als Mittel der moralischen Lesenlernen zu beginnen sei. Jeder frühzeitigere
Erziehung, das (im Sinne vonSulzerund Geliert) Beginn scheint ihm hierbei schädlich zu sein. Statt
deswegen besonders wirksamsei, weil es zum Kindervor dem besagten Alter mit Büchern zu be-
)) Herzen« spreche. Die bildende Wirkung von Li- schäftigen, sei es weit nützlicher, »wenn wir sie
teratur wird bezeichnenderweise den moralischen nurbeyungekünstelter Munterkeit zu erhalten su-
Erzählungen zugesprochen, die Geschmacksbil- eben, ihnen Zeit und Gelegenheit zu eigener Ge-
dung den Gedichten, wobei deutlich ist, daß nur schäfftigkeit geben, uns viel mit ihnen zu schaffen
die letzteren zur Dichtung gerechnet werden. machen, sie mit den sinnlichen Gegenständen so
Die beiden unterschiedlichen Intentionen wohl im Hauswesen, als auch in der Natur, durch
werden freilich in Seybolds Chrestomathie bereits den Gebrauch ihrer eigenen Sinne bekannt wer-
miteinander angenähert. Das geschieht nicht nur den lassen, und dabey die grosse und schädliche
durch ihre Verbindung in einem Lese- bzw. Lehr- Thorheit vermeiden, ihren jungen Verstand durch
buch, sondern auch dadurch, daß die Erzählun- schimmernde Kenntnisse aus Büchern aufzustut-
gen auch zum Zweck der Stilbildung benutzt wer- zen, um anfangs kleine Wunder, und nachher
den sollen und ebenso die Gedichte auch der Bil- grosse Affen volllächerlicher und unseliger Eitel-
dung des Herzens dienen. Letzteres war für Sey- keit aus ihnen zu machen« (S. 5 f.). Zudem sei es
bold immerhin so wichtig, daß er sich von dieser für Kinder ganz und gar nutzlos, schon so früh le-
»Nebenabsicht« auch bei der Auswahl der Ge- sen zu können, da es für sie keinerlei wirklich ge-
dichte leiten ließ. Schließlich machen auch die mäße Bücher gäbe, »welche so wohl dem Aus-
methodischen Ausführungen, in denen Seybold drucke, als auch dem Inhalte nach, der Sprache
855 ABC- und Lesebücher etc. 856

und der Fassungskram junger Kinder unter fünf Absicht der Erleichterung sucht Campe durch ei-
oder sechs Jahren, so ganz angemessen wären, ne neue Methode des Lesenlernens zu erreichen,
daß sie alles [ ... ] darin verstehen, und begreifen die er in der Vorrede darlegt und ausführlich er-
könnten« (S. 6). Weitere Beweise für die »Schäd- läutert (S. 13-25). Die zweite Absicht, das Lesen-
lichkeit des frühen Lesenlernens« enthalte seine lernen angenehm zu gestalten, soll dadurch ver-
Abhandlung Ueber das schädliche Frühwissen wirklicht werden, daß es vollständig als ein Kin-
und Vielwissen der Kinde, die zunächst in den derspiel aufgezogen wird. Campe gibt hierzu in
Pädagogischen Unterhandlungen erschien und der Vorrede zunächst methodische Anweisungen
dann in die Sammlung einiger Erziehungsschriften an die Erwachsenen und Lehrer, das Lesenlernen
von 1778 aufgenommen wurde (T. 2, S. 225-308). so einzurichten, daß es tatsächlich »die Natur ei-
Campe beeilt sichjedoch zu betonen, daß ein spä- nes wahren Kinderspiels« (S. 8) erhalte (S. 8-13),
terer Beginn des Leselernen die Kinder in »ihren um dann die Regeln eines Buchstaben- und Sil-
künftigen Studien« keinesfalls zurückwerfen benspieles sowie weiterer Lernspiele darzulegen
würde (S. 7). (S. 36-44). Die Teile der Vorrede, die die Lese-
Das Werk ist zunächst für den Privatunter- lernmethode und die Lernspiele betreffen, hat
richt gedacht, was daraus hervorgeht, daß die Campe im gleichen Jahr auch separat als Abhand-
Spiele für einen Kreis von 3, maximal von 6 Kin- lung veröffentlicht und unter dem Titel »Be-
dern entworfen sind (S. 34). Campe betontjedoch schreibung einer erleichterten und angenehmen
ausdrücklich, daß die Spiele und entsprechend Methode die Kinder Lesen zu lehren« in die
auch das ABC-Buch gleichermaßen »in öffentli- Sammlung einiger Erziehungsschriften aufge-
chen Schulben brauchbar« seien, und ein »Schul- nommen (T. 1, S. 81-148).
halter<<, der »zwanzig oder mehr ABC Schüler zu Campes Leselernmethode geht aus von den ))fünf
unterrichten habe«, hiervon Nutzen ziehen kön- Hauptschwierigkeiten des Lesenlernens«, die alle ))VOn
ne (S. 35). Die Spiele und das ABC-Buch sind dar- willkührlichen Einrichtungen herrühren, und daher für
überhinaus nicht nur für Stadtschulen und Stadt- den Anfänger auch wieder aus dem Wege geräumt wer-
kinder aller Stände gedacht; sie sollen auch in den können« (S. 13): Die erste Schwierigkeit liegt in der
Landschulen gebraucht werden und »den armen Existenz zusätzlicher Buchstaben, die Dehnungen oder
Landkindern in die Hände« gelangen (S. 36). Kürzen anzeigen. Campe schlägt vor, alldiese zusätzli-
chen Buchstaben wegzulassen und stattdessen Deh-
Campe fragt selbst, ob dem nicht der hohe Preis
nungs- und Kürzungszeichen einzusetzen (S. 15 f.). Die
des ABC-Buches im Wege stünde. Er hofft hier zweite Schwierigkeit besteht darin, daß die Buchstaben
auf eine zweite Auflage des Werks, die bei stehen- Bezeichnungen haben, die mit dem Laut, den sie dar-
gelassenen Lettern dem Verleger billiger käme stellen, nicht übereinstimmen. Nach Campe sollten hier
und ihn instandsetzte, »den Preis verhältnißmä- alle Buchstaben, auch die zusammengesetzten, mit dem
ßig herabzusetzen« (ebd.). Zudem könne das Laut bezeichnet werden, den sie tatsächlich ausdrucken
Buchstaben- und Silbenspiel so eingerichtet wer- (z. B. j- nicht Jot, sondern je/ eh- nicht c h, sondern
den, daß nur der Lehrer ein vollständiges Exem- ehe). Die Ungleichartigkeit der Bezeichnungen für die
plar des ABC-Buches bräuchte und für die Kin- Konsonanten bildet die dritte Schwierigkeit; Campe
schlägt hier vor, alle Konsonanten in der gleichen Weise
der einige Blätter ausreichten: »Dann wird eine
mit nachgestelltem Schwa-Laut zu bezeichnen (fe statt
ganze Dorffschaft nur ein einziges Exemplar für ef; he statt ha). Die vierte Schwierigkeit besteht darin,
ihren Schulmeister zu kaufen nöthig haben« daß ein und derselbe Laut durch verschiedene Buchsta-
(ebd.). ben ausgedruckt werden kann; Campe ist hier für eine
Campe hat den »gegenwärtigen Versuch« in Angleichung der Schrift an die Aussprache (z. B. q- kw;
der Absicht verfaßt, »eine noch grösser[e] Er- x- ks; ph, v- f). Die letzte Schwierigkeit liegt in der Exi-
leichterung des Lesenlernens« einzuführen. Zwar stenz mehrerer Alphabete; Campe spricht sich hier da-
seien in der jüngsten Zeit schon zahlreiche Versu- für aus, die Kinder anfänglich nur nach einem Alphabet
che zur »Verbesserung der alten Fibeln« unter- lernen zu lassen. Campe rationalisiert solchermaßen
aus didaktischen Grunden Buchstabenbezeichnung
nommen worden; die Wichtigkeit der Sache
und Rechtschreibung: Für das erste Lesen sollen alle
rechtfertige aber jeden neuen Versuch. Campes Buchstaben gleichartig bezeichnet, und alles soll so ge-
zweite Intention ist es, das Lesenlernen nicht nur schrieben werden, wie man es spricht.
zu erleichtern, sondern es auch angenehm, d. h. zu Dem Einwand, daß die Kinder hierbei etwas ler-
einem beliebten Kinderspiel zu machen. Schon nen müßten, das sie später wieder zu vergessen hätten,
die Kinderwürden mit dem bloßen Wort >lernen< sucht Campe mit dem Argument zu begegnen, daß es ja
»den Nebenbegriffvon einer beschwerlichen An- nicht um Ideen, sondern nur um Buchstaben, um ))Will-
strengung« verbinden; so gelte es zu verhüten, kürlich erdachte Zeichen der Ideen« (S. 24), gehe. Des-
daß die Kinder das Lesenlernen »mit diesem ab- halb sei es auch nicht schädlich, ))die Kinder auf eine
kurze Zeit an andere zweckmäßigere Zeichen (zu) ge-
schreckenden Vorortheil anfingen« (S. 8). Seine
wöhnen, die sie nachher wieder vergessen sollen« (S.
zweifache Absicht faßt Campe in folgendem Satz 25). Die vorgeschlagenen Vereinfachungen böten je-
zusammen: »Alles kömmt hier darauf an, daß das doch nicht nur eine Erleichterung des Lernens; sie besä-
Lesenlernen den Kindern so wohl leicht, als auch ßen noch einen weiteren Vorteil: Da es sich um eine
angenehm gemacht werde« (S. l2f.). Die erste zweckmäßigere und rationalere Einrichtung von
857 Campe, Neue Methode, 1778 858

Buchstabenbezeichnung und Rechtschreibung hande- Buchstabentafeln begonnen werden. Hierbei sol-


le, käme beim Lernen nicht nur das Gedächtnis, son- le von Anfang an darauf geachtet werden, daß die
dern gleichfalls auch der Verstand zur Anwendung: Da Kinder die Fabeln in einem angemessenen Ton
alles »analogisch« aufgebaut sei, könne vieles erschlos-
vorlesen. Deshalb sei es am besten, »wenn man
sen werden. Campe bedauert es hierbei, daß die von ihm
vorgeschlagenen Vereinfachungen und Rationalisie- ihnen jedes Stück erst selbst mit richtiger Dekla-
rungen nur für das erste Lesen vorgenommen werden mation vorlieset, und sie dann eben so nachlesen
können, dann aber zugunsten der gewachsenen, nicht läßt«(S. 45). Die ersten dreizehn Fabeln sind in
vernunftgemäßen Rechtschreibung wieder zurückge- der vereinfachten Rechtschreibung abgedruckt.
nommen werden müssen. Er läßt keinen Zweifel daran, Von der vierzehnten Fabel an »ist es Zeit die bis
daß das, was die Kinder anfanglieh lernen, das bessere, jetzt versteckten Schwierigkeiten des Lesens nach
zweckmäßigere, vernunftgemäßere Zeichensystem ist, und nach hervortreten zu lassen « (S. 45). Die zu-
die bestehende Rechtschreibung dagegen nur eine vorgetroffenen Vereinfachungen der Recht-
»willkürliche Einrichtung« darstellt, die sich allein aus
schreibung sind jetzt Schritt für Schritt wieder
Tradition und Gewohnheit hält.
Auf die Beschreibung der Leselernmethode folgt aufzuheben. »Auf diese Weise werden die Kin-
die verschiedener Lernspiele (S. 26ff.). Vorgestellt wer- der, noch ehe sie die 22 Fabeln ausgelesen haben,
den das Buchstabenspiel, das Silbenspiel (S. 38ff.), das die mehrsten Schwierigkeiten des Lesens, die ih-
» Piapperspiel« (S. 42, das >>Rednerspiel« (S. 43) und nen anfangs verheelt wurden, nach und nach auf
das Spiel »Lauffeuer« (S. 44). eine unmerkliche Weise glücklich überwunden
haben« (S. 46). Es fehle ihnen dann nur noch die
Im Anschluß an die Beschreibung der Lese- »gewöhnliche Benennung der Buchstaben« und
lernmethode und der Lernspiele legt Campe den die Kenntnis »mehrerer künftig zu wissen nöthi-
Gebrauch des ABC-Buches dar. Nach Beendi- gen Alphabete«.
gung der Silbenspiele soll mit der Lektüre der Der nächste Lernschritt besteht in der Be-

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Campe, Joachim Heinrich: Neue Methode, Kin- Campe, Joachim Heinrich : Neue Methode, Kin-
der auf eine leichte und angenehme Weise Lesen der auf eine leichte und angenehme Weise Lesen
zu lehren. - Altona 1778 (Nr. /43). Titelblatt zu lehren. - Altona 1778. Bild und Text zum
Buchstaben C, S . 55
859 ABC- und Lesebücher etc. 860

kanntmachung der Kinder mit dem großen Al- Auf den Fabelteil folgen 25 Silbentabellen (S.
phabet, die nicht eher geschehen soll, »biß die 95-1 05), Tafeln mit den verschiedenen Alphabeten und
Kinder die Fabeln durchgelesen, und nun schon Zahlen (S. 106-107) und ein Abschnitt mit Interpunk-
eine hinlängliche Fertigkeit im Lesen erlangt ha- tions- und Rechtschreiberegeln (S. 108-110). Hieran
schließen sich)) Leseübungen in angenehmen und lehr-
ben« (S. 47). Das große Alphabet soll hierbei mit-
reichen Unterhaltungen« an (S. 111-135): Es handelt
tels der gleichen Buchstaben- und Silbenspiele er- sich um 12 moralische Beispielgeschichten, deren Hel-
lernt werden. Im Anschluß hieran sollen die im den sämtlich Kinder sind, und die Fragen eines klugen
ABC-Buch zusammengestellten Leseübungen, und moralisch richtigen kindlichen Verhaltens behan-
soweit sie »mit deutschen Lettern gedruckt sind«, deln, wie z. B. Unartigkeit, Gehorsam, Unvorsichtig-
gelesen werden. Sodann sei auf die gleiche spiele- keit, Vergeßlichkeit, Ehrlichkeit, Vorwitz, Eitelkeit etc.
rische Methode das lateinische Alphabet den Die Erzählungen sindteilweise dialogisiert. Sie sind in
Kindem zu vermitteln. Auf die gleiche Weise kön- Frakturschrift mit Groß- und Kleinbuchstaben abge-
ne ihnen auch die »erste Zahlenkenntniß« beige- druckt; lediglich die letzte Erzählung (S. 133-135) ist in
lateinischer Schrift gesetzt. Hierauf folgen ))Sprichwör-
bracht werden (S. 47). Mit Bezug auf den alten
ter« (S. 136-142), zunächst in lateinischer, dann in
Brauch, »den ABC Büchern einen kurzen Reli- Frakturschrift, die nach der Lektüre ))Sowohl zur Ue-
gionsunterricht oder Catechismus anzuhängen« bung des Verstandes und des Gedächtnisses, als auch
(ebd. ), hat auch Campe an den Schluß des Werkes zur angenehmen Unterhaltung der Kinder, in Räthsel
einen religiösen und sittlich-belehrenden Teil ge- (zu) verwandeln« sind, die von ihnen aufzulösen sind
stellt. Er wehrt sich allerdings energisch dagegen, (S. 140).
diesen Teil zu Leseübungen zu verwenden. Dies An das ABC-Buch schließt sich an der ))Versuch
sei »ein sicheres Mittel, den Kindem die Religion einer leichten Entwicklung der ersten Religionsbegriffe,
gleichgültig oder gar verhaßt zu machen« (S. in sechs Gesprächen zwischen einer Mutter und ihrer
47f.). Mit den angefügten Gesprächen habe Cam- Tochter« (S. 143-176). Diese Unterhaltungen sind auch
pe vielmehr »statt eines eigentlichen Religionsun- in der Sammlung einiger Erziehungsschriften von 1778
terrichtes, bloß ein Beyspiel gegeben, wie Eltern abgedruckt (T. 1, S. 253-298), wo sie als Anhang zu
Campes Abhandlung Ueber den ersten Unterricht in der
oder Lehrer die ersten Religionsbegriffe in den
Religion erscheinen. Campe will hier zeigen, wie eine er-
Seelen der Kinder erwecken sollten« (S. 48). Der ste zwanglose Belehrung über religiöse und sittliche Fra-
Teil sei also recht eigentlich nur für die Erwachse- gen etwa im 5. bis 6. Lebensjahr stattfinden kann, bevor
nen gedacht; er gestehe lediglich zu, »daß diese mit einem zusammenhängenden Religions- und Moral-
Gespräche von einer im Lesen geübten erwachse- unterricht begonnen wird. Im ersten Gespräch werden
nen Person den Kindem langsam und deutlich folgende Gegenstände angesprochen: Leblose und le-
vorgelesen werden, oder, daß man sie diesselben bendige Wesen, die fünfSinne des Menschen, das Spre-
dann erst selbst lesen lasse, wenn sie schon eine chen und Denken sowie der Unterschied von Körper
vollkommene Fertigkeit im Lesen erlangt haben« und Seele. Das zweite Gespräch führt Gott als den Ur-
heber der Werke der Natur und den Erhalter alles Le-
(ebd.).
bendigen ein und sucht ihn als ein der menschlichen
Auf die Vorrede folgtdas ABC-Buch, das einen se- Seele vergleichbares unsichtbares Wesen zu charakteri-
paraten Titel trägt: ))Neues ABC Buch oder Bilderfie- sieren. Im dritten Gespräch wird die Forderung nach
bel, nebst erklärenden Fabeln« (S. 49-142). Den ersten Gottesliebe entwickelt, die darin besteht bestehe,
Teil bilden 22 illustrierte Buchstabenfabeln (S. 51-94), fromm und artig zu sein, täglich zu beten und stets nur
die jeweils von zwei Abbildungen eingerahmt werden. Gutes zu denken. Das vierte und fünfte Gespräch ent-
Hierbei stellt die obere Abbildung zumeist eine Situa- wickeln eine kindliche Sittenlehre, bei der die Gehor-
tion aus der erzählten Fabel dar, während die auf den samkeitspflicht gegenüber den Eltern im Mittelpunkt
Fabeltext folgende Abbildung überwiegend sinnbildli- steht. Für den Umgang unter ihresgleichen wird den
che Motive enthält, die dem Anwendungsbereich der Kindern die Regel gegeben: )) Was du willst, daß dir die
Fabellehre entnommen sind. So stellt etwa die erste Ab- Leute thun sollen, das thue du ihnen auch« (S. 172). Das
bildung zur Fabel vom Ackermann und dem Affen (S. letzte Gespräch handelt vom Tod und dem Zerfallen des
51 f.) den pflügenden Bauern und den zur Seite stehen- Leibes, sowie von der Unsterblichkeit der Seele und ih-
den Affen dar; in der zweiten Abbildung werden dann rem Fortleben bei Gott.
die bäuerlichen Arbeitsgeräte den Instrumenten des Wie Campe in der Vorrede zur Neuauflage des
Putzes, Kämmen, Puderdosen und Parfümflaschen, ge- Werkes von 1806 (zitiert hier nach der 3. Gesamtausga-
genübergestellt. Die Fabeln sind jeweils einem Buchsta- be von 1830) darlegt, hat das Werk bei einer starken
ben des Alphabets zugeordnet, was über den Anlaut der Auflage schnellen Absatz gefunden, so daß eine Neu-
Handlungsträger geschieht. Von einer Ausnahme abge- auflage erwünscht wurde. Campe habe aber angesichts
sehen, handelt es sich sämtlich um Tierfabeln. Den in seiner ))Mängel und Fehler« sich zu einer Neuauflage
knapper Dialogform verfaßten Fabeln ist keine explizi- nicht entschließen können und stattdessen eine Neube-
te Lehre beigegeben; diese wird gleichsam durch die arbeitung erwogen, die aber nicht zustande gekommen
zweite Abbildung unterhalb des Fabeltextes vertreten, sei (S. III f.). Sie wurde erst nach der Jahrhundertwende
die ja Hinweise auf Anwendungsmöglichkeiten der Fa- in Angriff genommen und liegt mit dem erstmals 1806
bel gibt. Wie bereits erwähnt, sind die ersten 13 Fabeln erschienen Neuen Abeze- und Lesebuch vor, das zu-
in der vereinfachten Orthographie abgedruckt; die rest- gleich den ersten Band der ersten Gesamtausgabe bildet
lichen Fabeln nähern sich nach und nach der gewöhnli- und 1807 auch selbständig erschienen ist. In der Vorre-
chen Rechtschreibung. de legt Campe im einzelnen die Prinzipien seiner Neu-
861 Friedländer, Lesebuch, 1779 862

bearbeitung dar. Beibehalten habe er zunächst »gewisse allerdings, >>deren Sittenlehre für das kindische Alter
allgemeine Vorschriften und Veifahrensarten«, die das noch nicht gehörte«, weggelassen und durch neue Fa-
>>Geschäft des Lesenichrens [ ... ] erleichter[n) und min- beln ersetzt. Gleichzeitig wurden alle Abbildungen neu
der unangenehm« machen (S. VIII). Gemeint ist hier- gezeichnet und gestochen. Hier fällt auf, daß bei den
mit die überwiegend von Basedow übernommene Lese- zweiten Abbildungen der Sinnbildcharakter konse-
lernmethode, die beibehalten und in einem separaten quent ausgestaltet worden ist, wobei nun auch deutli-
Abschnitt ausfürhlich erläutert wird. Dieser erste Ab- cher gesellschaftliche und politische Symbole verwandt
schnitt ist neu formuliert; die Regeln zur Vereinfachung werden. Die Anwendungsbereiche der Fabellehren sind
der Buchstabenbezeichnung und der Rechtschreibung damit schärfer pointiert. Beide Abbildungen sind jetzt
stimmen aber weitgehend mit denen der Ausgabe von allerdings auf eine Tafel gebracht; zwischen ihnen steht
1778 überein. Der Abschnitt, dersich gegen das zu frühe der jeweilige Buchstabe.
Lernen wendet (S. 1-l 0), hat allerdings ein sehr viel grö- Die Veränderung der Lehrart macht eine neue An-
ßeres Gewicht bekommen. ordnung des Fibel- und Lesebuchteils erforderlich: Zu-
Hinsichtlich der Lehrart dagegen sieht Campe nächst sind sämtliche Fabeln wie auch die ersten 5 Sil-
sich zu einer völligen Neufassung gezwungen: >>Das Er- bentafeln in lateinischer Schrift gesetzt. Sodann sind die
ste und Vorzüglichste, was ich auszumerzen und zu ver- bereits in der Erstausgabe lateinisch gedruckten Erzäh-
werfen fand, war die Lehrart, nach welcher ich das lungen und Sprichwörter vorgezogen, so daß sich der la-
Büchlein zu gebrauchen ehemahls gerathenhatte [ ... ]« teinische Schriftteil gut die erste Hälfte des Werkes aus-
(S. VI). Gemeint ist hiermit spielerische Leselernmetho- macht (S. 60-129). Sodann folgen eine Tafel mit dem
de, die Campe nun ablehnt, >>weil ichjetzt fand, daß sie kleinen deutschen Alphabet, die ersten drei Erzählun-
nicht einfach genug sei, und auf Seiten des Lehrers hö- gen in Fraktur und Kleinschrift und die weiteren Silben-
here Lehrgaben und mehr gute Laune und Kinderliebe tafeln (S. 132-145). Hieran schließen sich eine Tafel mit
voraussetze, als den Meisten von denen, welche sich dem großen deutschen Alphabet und die restlichen Bei-
zum Unterrichtgeben anstellen lassen, eigen zu sein spielgeschichten an. Die Beispielgeschichten sind hier-
pflegt« (ebd.). Die Lehrart, die Campe jetzt vorschlägt, bei sämtlich unverändert aus der Erstausgabe übernom-
sei >>schlicht und ungekünstelt« sowie >>leicht für die men. Das Lesebuch wird abgeschlossen mit Interpunk-
Anwendung«; sie sei >>bloß auf gewöhnliche Kräfte tionsregeln und Zahlentafeln (S. 168-171 ). Die 6 Ge-
und auf gemeinen guten Willen [ ... ] berechnet« (S. spräche zwischen Mutter und Tochter sind gleichfalls
VII). Campe legt seine neue Lehrart in einem zweiten se- ohne Änderung wiederabgedruckt, wobei lediglich der
paraten Kapitel dar: »Meine Verfahrensart beim Lesen- Titel verändert wurde: »Versuch einer leichten Ent-
lehren (S. 29-58). Die neu entwickelte Lehrart kommt wicklung der ersten und einfachsten Begriffe aus der
weitgehend ohne Spiele aus. Campe nennt drei Charak- Gottes-, Seelen-, und Sitten- oder Tugendlehre« (S.
teristika dieser Lehrart: Erstens beginnt sie gleichzeitig 173-200).
mit Übungen sowohl im Lesen wie im Schreiben. Das Das Werk wird ausführlicher bei Bünger (1898)
Kennenlernen der Buchstaben und Silben soll zugleich beschrieben (S. 239-242). Bünger kennt allerdings nur
mit Schreibübungen verbunden werden (S. 30f.). Zwei- die umgearbeitete zweite Auflage und kann folglich
tens soll das lateinische Alphabet am Anfang stehen auch deren Veränderung gegenüber der Erstausgabe
und dem deutschen vorangehen. Dennjenes sei »einfa- von 1778 nicht herausarbeiten. Zu den Fabeln vermerkt
cher und zur Nachbildung leichter« und gewähre dem er, daß Campe hier das Lesenlernen >>durch einen an-
>>Schreibeschüler, mehr als die Deutsche Schrift, Gele- schaulich wirkenden, leicht behaltbaren, einfachen poe-
genheit zu freien und großen Zügen, wodurch die Hand tischen Stoff« erleichtert habe (S. 240). Erwähnung fin-
des Kindes zu größerer Dreistigkeit und Leichtigkeit im det das Werk bei Hobrecker (1924): >>Campes Abcbuch
Ziehen gewöhnt wird« (S. 32). Das dritte Charakteristi- ist sicherlich eine der freundlichsten Erscheinungen sei-
kum besteht in der Anwendung der im vorangegange- ner Zeit [ ... ]« (S. 74). Hobreckergeht insbesondere auf
nen Abschnitt aufgezeigten Methode der Erleichterung die »reizenden Fabelchen« und die >>entzückendsten
des Leselernens, die nach einer gewissen Zeit wieder bunten Kupfer« ein; er kenntgleichmaßennur die zwei-
stufenweise zurückzunehmen ist. So solle nach dem te, umgearbeitete Fassung. Ebenfalls nur auf diese Aus-
Prinzip >>der genauen Abstufung und des behutsamen gabe bezieht sich die Kommentierung des Werkes durch
Fortschreitens vom Leichteren zum Schwereren« (S. Hubert Göbels in dem Nachwort zu einem Reprint des
33) vorgegangen werden. Campe beläßt seine Lehrart Abeze- und Lesebuches in der Ausgabe von 1830 (1979).
diesmal bewußt mehr im Allgemeinen, um den Lehrern E.
die konkrete Ausgestaltung zu überlassen (S. 36). Dies
gilt auch für die Anwendung bestimmter Lernspiele, die
nun nicht mehr derart im Mittelpunkt stehen, wie bei
der ersten Ausgabe von 1778.
Zu den aus der Erstausgabe übernommenen Tei- 1779
len gehören auch die Buchstabentafeln. Campe bekennt
in der Vorrede, daß >>die dem alten Abeze-Buche einver- David Friedländer (1750-1834):
leibten zwei und zwanzig Fabeln das (waren), was an Lesebuch für Jüdische Kinder. Zum Besten
diesem Kinderbuche am meisten und am allgemeinsten der jüdischen Freyschule.
gefiel« (S. XI). Einige hätten allerdings, so Campe, den Berlin 1779
Mangel gehabt, dem Inhalt und dem Ausdruck nach
keine »vollkommene Paßlichkeit für das kindliche Al-
ter« zu besitzen; dennoch seien die Kinder bis zum Alter Das Lesebuch enthält keine weiteren, über den Ti-
von vier Jahren hinab stets in sie vernarrt gewesen (S. tel hinausgehenden Angaben zum angesproche-
X). Er habe deshalb die Fabeln beibehalten, diejenigen nen Leserkreis.
863 ABC- und Lesebücher etc. 864

'2 t f e b ud)
Das Buch eröffnet mit einer »kurzen Anweisung
zum Lesen« (S. 1-8) und stellt das kleine und große
deutsche Alphabet, das geschriebene deutsche Alpha-
bet, sowie Vokale, Konsonaten, Silben und Regeln zur
f(n

~llbi fd)e stinber.


Teilung, das lateinische Alphabet, die arabischen und
römischen Zahlen und zum Schluß das geschriebene
»jüdische Alphabet« auf einer Kupfertafel vor. Sodann
folgen die 13 »Grund-Artickel des Judenthums, nach
Rabbi Mosche Majemonssohn« (d.i. Maimonides). Es
schließen sich Fabeln von Barachia Ben-Natronai Ha-
nakdan an (S. 16-22), denen moralische Erzählungen
aus dem Talmud folgen (S. 16-22). Sodann finden sich
vier Gedichte (S. 26-28), eine »Andachtsübung eines
Weltweisen« und ein »Vorbereitungs-Gebet aus dem
Hebräischen« (S. 29-32). »Sittensprüche und Sprich-
wörter aus dem Talmud« und » Beyspiele von Tugen-
den und Lastern, guten und schlechten Gesinnungen«
schließen sich an (S. 33-44). Den Beschluß des Buches
bilden »Kurtze und scharfsinnige Reden« und »Ver-
gleichungen« (S. 44-46).
Die Texte des Lesebuches fußen überwiegend auf 0tt I Ia
den Überlieferungen jüdischen Glaubens- und Kultur- lo fOO'.miflon.., l trtlli.. fr~bli410ot . . e,•
guts. Die Auswahl muß im Zusammenhang mit den ver- I 77 f.
stärkten Emanzipationsbestrebungen der deutschen Ju-
den im 18. Jahrhundert gesehen werden. Friedländer
will bereits die Kinder mit Ursprung und Wesen ihres
Glaubens vertraut machen, um auch auf diesem Weg
den Grundstein zu legen für ein stärkeres Selbstbe-
wußtsein der deutschen Juden hinsichtlich ihrer religi- Friedländer, David: Lesebuch fiir Jüdische Kin-
ösen Tradition. Hierfür spricht auch der Abdruck der 13
der. - Berlin 1779 (Nr. 300). Titelblatt
Glaubensartikel nach Maimonides, dessen besondere
Bedeutung in der Abfassung talmudischer und philo-
sphischer Schriften lag. Sein Glaubensbekenntnis be-
handelt das Bekenntnis zu Gott und seiner Einheit: Aber der Wolfbedient sich einer List: »Doch in jedem
»Daß dieser Gott, der Schöpfer und Erhalter aller Din- Jahre sind dreyhundert, und fünfund sechzig Tage. Tag
ge ein einfaches, einiges und einziges Wesen sey; ein- ist, wenn ich sehen, und Nacht, wenn ich nicht sehen
fach, ohne Theile, und Glieder, einig, von welchen keine kann. So oft ich also die Augen verschließe, ists Nacht,
Vielheit sich denken läßt, und einzig, dem kein anderes und wenn ich sie wieder aufthue; so wirds Tag.- Schnell
Wesen ausser ihm gleichen kann« (S. 9). Ferner enthal- blinzte er die Augen zu, und that sie wieder auf; da ward
ten die Artikel die Bekräftigung der prophetischen Of- aus Abend und Morgen der erste Tag. Er zählte zwei
fenbarung, das Bekenntnis zu Mose und zur Gültigkeit volle Jahre. Nun sprach er, habe ich für die Sünde zum
und Unveränderlichkeit des göttlichen Gesetzes, be- voraus gebüßt, ergriff das Schaaf, und würgte es«
handeln die Vorsehung und das Vergeltungsrecht Got- (ebd.). Einneueres Gedicht behandelt den » Vorwitz«,
tes, sowie die Gewißheit vom Erscheinen des Messias, die Zukunft wissen zu wollen. Seine Aussage steht dem
der sein Volk aus der Diaspora herausführen und »wie- Lebensoptimismus der Aufklärung nahe: >>Was ich ha-
derum zu einer freyen Nation machen und in dem Lan- be, will ich nützen, I Fernen Gram nicht scheun, I Und
de ihrer Väterüber sie regieren wird« (S. 13). Der letzte soll ich ein Glück besitzen I Meines Glücks mich freun«
Glaubensartikel gibt der Hoffnung Ausdruck, »daß (S. 26).Auch das Gedicht »Der Schäfer zu dem Bür-
Gott nach dieser Zeit, die Tugendhaften, welche sich ger«, das in antithetischer Form ein Loblied auf die Na-
seiner höchsten Gnade würdig gemacht, vom Tode er- tur singt, gehört in diesen Rahmen: >>Du wohnst in ban-
wecken, und auferstehen lassen wird; damit sie Theil gen Mauren, ich wohn' auf freyer Aur; I Dir malt die
nehmen, an der Glückseeligkeit ihrer Kinder und Nach- Kunstden Frühling, mirmalt ihn die I Natur; I Du bist
kommen« (S. 13).
oft siech vor Wolust, ich bleibe stets gesund; I Dich
Die Prosafabeln von Barachia Ben-Natronai Ha- schützt für Geld ein Schweitzer, mich schützt I mein
nakdan verbinden moralische Belehrung und Religion treuer Hund« (S. 27). In dem »Vorbereitungs-Gebet«,
miteinander. So bedient sich in der Fabel »Die Mauß, wohl älteren Ursprungs, hingegen wird ein eher negati-
die Sonne, die Wolke, der Wind, und die Mauer« (S. 18) ves Weltbild in Hinblick auf das Erdendasein des Men-
die Maus beim Anblick der aufgehenden Sonne des Bi- schen deutlich. Das Leben wird hier im traditionellen
belwortes: »Ich habe dich je und je geliebt, und will dich Sinne als Wanderung begriffen, die erst mit dem Tod ab-
zu mir ziehen aus lauter Gewogenheit« (Jer. 31,3) (S. geschlossen ist: »Einst reise ich hin, wo meine Väter
20). Auch die Fabel »Der Wolfund die Thiere« (S. 16) sind; I Wo diese ruhn, da find ich meine Ruh. I Ein ge-
bedient sich biblischer Bilder und Redeweisen. Erzählt duldeter Fremdling auf dieser Erdenfläche; I In ihrem
wird die Geschichte vom Wolf, der vor dem Löwen den Innern nur finde ich mein Erbtheil « (S. 31).
Schwur ablegt, sich nurmehr mit toten Tieren zu begnü- Die »Sittensprüche und Sprichwörter aus dem
gen, oder aber sich für jedes lebendige Tier, das er töte, Talmud« und die »Beyspiele von Tugenden und La-
»zwey ganze Jahre alles Aeisches zu enthalten« (S. 17). stern« enthalten Klugheitsregeln und thematisieren
865 Sulzer/Meierotto, Vorübungen, 1780-82 866

vielfach in kurzen Anekdoten aus dem Leben antiker len Classen, von den untersten bis in die obersten
Philosophen- vornehmlich Platons und Sokrates- Tu- kann gebraucht werden.« (T. 4, IV) An anderer
genden und Untugenden. Den Texten ist häufig ein Stelle werden genaue Altersangaben gemacht:
Kommentar des Verfassers vorangestellt. So heißt es Der Leserkreis reiche »vom Knaben im achten
zum Thema >>Mäßigung des Zorns: >>Die gewisseste
Probe, daß ein Mensch, durch Nachdenken zu einem Jahre bis zum Jünglinge im sechszehnten« (T. 4,
merklichen Grade der Vernunft und der Tugend gelan- S. 2). In der vorliegenden Bearbeitung von Meier-
get sey: ist die Mäßigung seiner Leidenschaften. Je we- otto ist das Werk in drei Abteilungen gegliedert,
niger man den Verstand gebraucht, je heftiger sind die die sich jeweils an unterschiedliche Altersstufen
Leidenschaften, und je weiter man sich von der Wild- wenden. Der erste Teil ist an die »letzten«, d. h.
heit entfernet, je gemäßigter sind dieselben« (S. 38). die untersten Klassen gerichtet, die zwei folgen-
Weitere Themen sind Großmut, Verschwiegenheit, den sind »zum Gebrauch einiger Klassen«, der
Freundschaft, Vertrauen, List, Einigkeit und Reichtum. höheren nämlich, ausgeschrieben. »In drey Ab-
Bei den letzten Beiträgen mit ihrer überwiegend morali-
theilungen ist das ganze getheilt, und dabey vor-
sierenden Komponente handelt es sich um typische
Texte der Zeit. So stellt Friedländers Lesebuch eine Ver- ausgesetzt, daß von zwey Jahren zu zwey Jahren
bindung her zwischen überliefertem Kulturgut des Ju- der Schüler einen neuen Theil in die Hände
dentums, das der Verfasser durch Rückgriff auf die Tra- bekomme[ ... ]« (T. 4, S. 4). Auf diese Weise kön-
dition sichtbar zu machen sucht, und den Ideen der Auf- ne anband des vorliegenden Werkes ein stufen-
klärung. weiser, »zweckmäßig sechs Jahre hindurch fort-
Die zeitgenössische Beurteilung des Lesebuchs gesetzter Unterricht« vorgenommen werden
war weitgehend positiv. Götz (1781, S. 14) erwähnt es (ebd.). Doch soll das Werk vom Schüler auch au-
ohne Verfasserangabe und merkt an: »Auch dieß Bü- ßerhalb der »Lehrstunden« gebraucht werden:
chelchen verdient wohl hier eine Anzeige, da eine gute »[ ... ]es muß der Gegenstand des Gesprächs mit
Auswahl in demselben herrscht.« Baur ( 1790) spricht den Seinigen, es muß die Belustigung unter seinen
davon, daß das Buch mit »seiner aufgeklärten Den- Gefehrten, es muß der Führerbey seinen Spazier-
kungsart, und seinen geläuterten Einsichten wahre Eh- gängen werden.« (T.4, 12f.)
re« mache und fährt fort: »Der Inhalt ist ungemein gut Die Absicht des Werkes geht in zwei Rich-
gewählt, nur zuweilen über die Fassungskraft der Kin-
der.« Weiter heißt es: »Für Kinder ist freilich manches
tungen: Zum einen will es den Schülern gewisse
nicht, aber das Büchlein enthält doch so viel trefliches, intellektuelle Fertigkeiten und Techniken bei-
welches höchlich verdient in unsere Bücher selbst zur bringen und einüben; zum anderen will es ihnen
Bildung junger Leute aufgenommen zu werden, daß es »Sachkenntnisse« (T. 4, S. 7) vermitteln. Es ist für
jeder Leser dem Herrn Friedländer Dank wissen wird, Unterrichtsstunden gedacht, die unter »die ge-
eine so schöne Sammlung veranstaltet zu haben.« wöhnliche[n] Lehrstunden, in denen Lehrer und
N./H. Schüler nur mechanisch handeln«, gemengt wer-
den und der »Jugend Vergnügen machen« und
sie »bey guter Lust erhalten« sollen (T. 4, S. II f.).
Es will also das Lernen abwechslungsreich und
1780-82 unterhaltsam gestalten.
Johann Georg Sulzer (1720-1799) / Johann Die Vermittlung intellektueller Fertigkeiten
Heinrich Ludwig Meierotto (1742-1800): steht im Vordergrund, was schon in der Formulie-
rung des Titels zum Ausdruck kommt. Sulzergibt
Vorübungen zur Erweckung der
hierzu in seiner Vorrede detaillierte Anweisun-
Aufmerksamkeit und des Nachdenkens. gen, die Meierotto noch ergänzt. Es gehe darum,
4 Teile. daß »die Wissenslust der Jugend gereizt, ihre Auf-
Berlin 1780-1782 merksamkeit geübt, der Beobachtungsgeist und
das Urtheil geschärft, und die moralische Emp-
Das Lesebuch ist erstmals 1768, dann in vermehr- findungen rege gemacht würden (jedes von die-
ter Auflage 1771 erschienen. Die vorliegende sen Dingen nach Maaßgebung des Alters und der
Ausgabe ist von Meierotto seinem Umfang nach Fähigkeiten)« (T. 4, S. III). Sulzer führt sechs
verdreifacht und gänzlich neu gegliedert. Das Übungen an, die anband des Werkes durchge-
Werk ist für den speziellen Gebrauch am Joa- führt werden sollten: Die erste betrifft das Lesen
chimsthalschen Gymnasium zu Berlin von Meier- und die »Bildung der Stimme und der Ausspra-
otto, seinem Rektor, umgearbeitet worden, hatje- che« (T. 4, S. V); gerade von hier aus erhält das
doch daneben einen allgemeineren Adressaten- Werk die ausgesprochene Funktion eines »Lese-
kreis. Es soll »in verschiedenen Classen den buches«. Die zweite Übung besteht in der »Er-
Schüler, oder, mehrere Jahre des Privat-Unter- weckung der Aufmerksamkeit«: »Sie besteht
richts hindurch, den jungen Leser beschäftigen« überhaupt darin, daß die Jugend geübt wird, auf
(Nachricht, T. 1, S. 1), ist also für den Schul- wie dasjenige, was ihr vorgelesen wird, dergestalt acht
für den Privatunterricht gedacht. Bezogen ist es zu haben, daß sie das gehörte nach den wesent-
zudem auf alle schulischen Altersstufen: »Die lichsten Theilen fasse und sich klar genug vorstel-
Materien sind so ausgewählt, daß das Buch in al- le, um es wieder erzählen zu können.« (T. 4, S. X)
867 ABC- und Lesebücher etc. 868

Drittens geht es um die Übung von Rechtschrei- Schulen noch nicht aufgegriffen worden sei (T. 4,
bung und »Punctirung«; einzelne Stücke des S. 46 ff.). Sodann macht er selbst Vorschläge, wie
Werkes sollten als Diktate verwandt werden (T. 4, Kinder durch Veränderung von Fabeln ihre Erfi-
S. XIX). Bei der vierten Übung geht es um die ndungskraft anregen können, und betont, daß
»Schärfung des Beobachtungsgeistes und der solcherlei Übungen nicht bloß für »Jüngling-Ge-
Überlegung«: Hier soll der »Hauptgedanke« ei- nies, wie das seinige«, nämlich Lessings, ange-
nes Stückes herausgearbeitet und dann unter- bracht seien.
sucht werden, wie dieser vorgetragen wird (T. 4, Zu der sachlich belehrenden Intention des
S. XX ff.). Die fünfte Übung geht auf die »Schär- Werkes nimmt nur Meierotto Stellung : Die
fung des Verstandes und Witzes« aus (T. 4, Kenntnisse aus den einzelnen Gebieten würden
S. XXVII): Hier kommt es darauf an, »den Geist deshalb nicht in »systematischer Ordnung« und
und die Kraftjeder Stelle der Jugend begreiflich« in Vollständigkeit geboten, weil die Schüler nicht
zu machen. Die letzte »Uebung in dem Gefühl gelangweilt und mit Stoff überladen werden soll-
des Guten und des Bösen« soll »der Jugend eine ten. Das Gesetz, nach dem jedes einzelne Stück
Kenntniß der verschiedenen Grundtriebe[ ... ] ge- ausgewählt werden solle, »durfte nicht dieses
ben, aus denen die sittlichen Handlungen der seyn, es gehört zum System, sondern, diese Sache,
Menschen entstehen, und nach welchem sie mo- dieser Theil der Kenntnisse ist hervorstechend ge-
ralisch gut oder böse sind« (T. 4, S. XXIX). nug, um den Schüler zu reitzen; und ist zugleich
Meierotto ergänzt diese Liste um weitere die beste Gelegenheit, Verstand, Nachdenken,
Übungsvorschläge: So solle die »Aufmerksam- Scharfsinn, Urtheil zu schärfen« (T. 4, S. 9). Aus-
keit« nicht nur durch mündliches, sondern auch wahlkriterien sind also zum einen das Merkwür-
durch schriftliches Wiedergeben des Inhaltes der dige und Interessante einer Sache, zum anderen
Stücke geschärft werden; hierzu solle der Lehrer ihre Eignung zur Übung der »Seelenkräfte«. Bau-
Fragen diktieren, die die Schüler schriftlich be- prinzip des Werkes seien »Abwechslung« und
antworten (T. 4, S. 15 ff.). Auch solle die Urteils- »grosse Mannigfaltigkeit der Artikel« (ebd.). Nur
fähigkeit durch solcherlei schriftliche Übungen durch steten Wechsel der Themen lasse sich die
geschult werden (Teil 4, S. 20 ff.). Schließlich sol- Aufmerksamkeit der Schüler fesseln. »Eben der
le die » Erfindsamkeit des kleinen Lehrlings[ ... ] Vorsatz, die Sammlung für den Schüler so interes-
bey Gelegenheit der Vorübungen auch mannig- sant als möglich zu machen, ist auch die Erklä-
faltig erweckt, und geübt werden« (Teil 4, S. 29). rung der Ordnung, welche man in Ansehung der
In diesem Zusammenhang knüpft Meierotto an Artikel wählte.« (T. 4, S. 11)
den 5. Abschnitt aus Lessings Fabeltheorie an Das Lesebuch besteht aus drei Abteilungen und ei-
und beklagt, daß Lessings Anweisung, die Kinder nem vierten Teil als Anhang, derdie Vorrede Sulzers zur
selbst Fabeln erfinden zu lassen, bisher in den I. Auflage »Von dem Endzweck und dem Gebrauch
dieses Buches« (S. I-XXXIII) sowie einen Bericht
Meierottos »Zur dritten Ausgabe« (S. 1-106) enthält.
Die Aufteilung des Werkes in drei Abteilungen, die je-
weils unterschiedlichen Altersstufen zugeordnet sind,
geht auf die Bearbeitung Meierottos zurück. »Die erste
Ausgabe machte einen mäßigen Band aus, welcher ein
Ganzes von zweckmäßig vereinigten Beschreibungen,
Erzählungen, Betrachtungen darstellte[ ...]« (T. 4, S. 2).
Meierotto empfindet es als einen Mangel, daß hier Lese-
stücke für verschiedene Altersstufen nebeneinander ste-
hen, und entschließt sich, »getrennte, einzelne Theile
heraus(zu)geben; so daß nunmehr jedes Alter die Ab-
schnitte allein in Händen haben kann, welche seinen Fä-
higkeiten angemessen sind« (T. 4, S. 4). In sich sind die
Teile nach ein und demselben Schema gegliedert, das
wahrscheinlich aus der Erstausgabe übernommen ist,
sie enthalten lediglich Stücke unterschiedlichen Schwie-
rigkeitsgrades.
Als Konsequenz dieser Neugliederung des Wer-
kes hat sich eine beträchtliche Umfangserweiterung er-
geben. Meierotto sah sich offensichtlich gezwungen,
beim Auseinanderziehen des Werkes in drei Teile die
einzelnen Inhaltsabschnitte durch zusätzliche Lesestük-
ke aufzufüllen. Dies hat gegenüber der Erstauflage zu
einer guten Verdreifachung des Umfangs geführt. Hier-
über gibt ein ausführliches Inhaltsverzeichnis im 4. Teil
Auskunft (S. 67- 90): Von den ca. 330 Lesestücken, die
Johann Georg Sulzer (1720-1779). Kupferstich das Werk in Meierottos Neubearbeitung enthält, stam-
von Geyser nach Gra.ff men nur ca. 80 Stücke aus der ersten und ca. weitere 50
869 Adelung, Sprachlehre, 1781 870

Stücke aus der schon vermehrten zweiten Auflage; ca. sehen Schilderungen, Adelungs Leipziger Wochenblatt
200 Texte also hat Meierotto hinzugefügt, wobei im drit- für Kinder und Weißes Kinderfreund. Für die natur-
ten Teil knapp zwei Drittel der Stücke neu sind. Meier- kundlichen Partien sind u.a. Texte von Trembley, Rei-
otto erklärt denn auch, daß bei Wahrung der grundle- marus, Lichtenberg und Heinrich Sander herangezo-
genden Konzeption sich >>diese dritte Ausgabe« doch gen; für die völkerkundlichen Teile wird u. a. auf die Be-
»sichtbar, schon im Aeussern von der ersten, und zwey- schreibungen der Reisen von Anson, Carteret, Cook,
ten unterscheide« (T. 4, S. 1). Forster und Brydone zurückgegriffen. Zudem finden
Der erste Teil beginnt mit einem Abschnitt über sich Texte von Klopstock, H. C. Hirzel, A. G. Meißner
»Merkwürdigkeiten der Natur« (S. 3-80) und enthält in und Schlözer.
unsystematischer Reihenfolge Artikel über einzelne
Tier- und Pflanzenarten, Mineralien, die Physiologie
Da es sich überwiegend um eine Sammlung
des Menschen, über Ackerbau und Schiffahrt. Hinzuge- von Texten verschiedener Autoren, um eine Art
rechnet ist noch ein Abschnitt »Das angenehme, das be- Anthologie mithin, handelt, kann nicht davon
wunderte, das gute Kind« (S. 72-81 ), in dem sich neben ausgegangen werden, daß ihnen eine einheitliche
verschiedenen historischen Anekdoten ein Artikel über Sicht oder gar ein kohärenter Standpunkt zugrun-
das Wunderkind Christian Heinrich Heinecken findet. de liegt. Ob die Texte der ersten beiden Ausgaben
Es folgen ein Abschnitt» Beyspiele und Lehren« (S. 81- von 1768 und 1771 von Sulzer stammen, oder ob
97) mit kurzen moralischen Exempeln, eine kurze Ru- es sich hier bereits um eine anthologische Zusam-
brik »Verstand und Unverstand« (S. 98-99), schließlich menstellung handelt, kann allein anband der vor-
»Fabeln und Erzählungen« (S. 100-116), die u.a. von
liegenden dritten Ausgabe nicht entschieden wer-
Geliert, Gesner und Nicolai stammen, teilweise auch
aus Weißes Kinderfreund entlehnt sind. den. Sowohl Sulzer wie Meierotto beschränken
Der zweite Teil beginnt gleichermaßen mit dem
sich in ihren Anleitungen auf die Erörterung me-
Abschnitt »Merkwürdigkeiten der Natur« (S. 3-61), thodischer und didaktischer Fragen, ohne auf die
um dann einen geographisch-völkerkundlichen Teil un- vermittelten Inhalte und »Sachkenntnisse« ein-
ter dem Titel »Lebensart, Sitten und Gebräuche ver- zugehen.
schiedener Völker« (S. 61-147) einzuschieben, der zu- In methodischer Hinsicht verrät Meierottos
nächst von wilden Völkern berichtet und dann auf die Neubearbeitung des Sulzersehen Werkes durch-
Geschichte der alten nordischen und germanischen Völ- aus philanthropische Einflüsse: Die Trennung
ker eingeht. Hieran schließen sich Anekdoten» Von ver- der Texte nach Altersstufen spiegelt das diffe-
schiedenen Nationen, jetziger sowie alter Zeiten« an renziertere Bewußtsein bezüglich der kindlichen
(S. 82 ff.), wobei zunächst asiatische Länder im Vorder-
grund stehen, dann vom antiken Griechenland und der
Adressaten wider, das sich in den 70er Jahren ver-
römischen Welt erzählt wird. Abgeschlossen wird der breitet hat. Auch die unsystematische, auflnteres-
Völker-Teil durch Texte zum Sklaventurn in Geschichte se, Reiz und Abwechselung aufbauende Konzep-
und Gegenwart (S. 133 ff.). Der nächste Abschnitt ist tion sachlicher Belehrung, wie sie von Meierotto
mit »Lebensart, Gewerbe der Menschen« (S. 148-199) dargelegt und begründet wird (T. 4, S. 7 ff.), ist
überschrieben, wo sich ein von Meierotto extra für diese philanthropisch beeinflußt, wobei zugleich der
Ausgabe verfaßter Artikel »Beruf, Lebensart« Fortschritt gegenüber Sulzer deutlich wird, der ei-
(S. 151 ff.) befindet. Hieran schließen sich folgende, ne solche aufgelockerte und auch unterhaltende
schon aus dem ersten Teil bekannte Rubriken an: »Ver- Lernart noch auf einige eingeschobene Stunden
stand und Unverstand« (S. 199-222), »Beyspiele von
Tugenden und Lastern« (S. 222-276) und »Fabeln und
beschränkt wissen wollte (T. 4, S. I II); Meierotto
Erzählungen« (S. 276-282), die diesmal von Hagedorn verwirft dagegen die trockene und langweilige sy-
und Lichtwer stammen. Den Abschluß des zweiten stematische Vollständigkeit des sachkundlichen
Teils bilden Bemerkungen, Betrachtungen und Be- Unterrichts gänzlich.
schreibungen, worunter sich Texte von Bodmer, Hage- Erwähnung findet das Werk bei Bünger (1898,
dorn, v. Haller, Nicolai, Pope, Heinrich Sander, Sterne S. 92 f), wo es als »erste[s] Gymnasiallesebuch« be-
und Uz befinden. zeichnet wird. Roeder (1961, S. 46) bezeichnet das
Der dritte Band beginnt wiederum mit» Merkwür- Werk als »das beliebteste und verbreitetste Lesebuch
digkeiten der Natur« (S. 3-99), woran sich ein Ab- des 18. Jahrhunderts«. Eine ausführliche Besprechung
schnitt» Lebensart, Angelegenheiten, Begriffe der Men- hat es zudem bei Helmers ( 1970, S. 101-1 03) gefunden.
schen« (S. 100-121) anschließt. Hier wird u.a. »Von E.
dem weiblichen Geschlechte«, vom Aberglauben und
von Religionsbegriffen gehandelt. Wie im zweiten Teil
schließen sich jetzt an: »Verstand und Unverstand«
(S.I22ff.), »Beyspiele von Tugenden« (S. 132ff.), Fa- 1781
beln (S. 154ff.) sowie Betrachtungen, Beschreibungen
und Schilderungen (S. 206 ff.). Neben den o. g. Autoren Johann Christoph Adelung (1 732-1806):
sind hier zusätzlich Wieland, E. v. Kleist und M. Clau- Deutsche Sprachlehre.
dius mit Texten vertreten.
Berlin 1781
Die von Meierotto hinzugefügten Lesestücke sind
bis auf wenige Ausnahmen aus anderen Werken ent-
nommen, wobei die Quellen im Inhaltsverzeichnis ge- Adelungs Deutsche Sprachlehre ist zum Ge-
nannt werden. Eine Reihe von Texten ist Kinderschrif- brauch für Gymnasien und höhere Schulen ge-
ten der Zeit entnommen, so Millers Historischmorali- dacht; sie sei aber auch dort »vielleicht oft nur für
871 ABC- und Lesebücher etc. 872

die höhern Classen« verwendbar (Vorrede). Ade- chen aller oder doch der vornehmsten Erschei-
lung verfolgt mit seiner Grammatik das Ziel, »den nungen in der Sprache nur hier geschöpft, und
jungen Liebhaber der Sprache auf ihre bisher so nur aus ihm allein begreiflich gemacht werden
verkannten Gründe aufmerksam« zu machen können«. Nur durch eine solche Methode könne
(Widmung). man die Sprachlehre tatsächlich in den Rang ei-
In einer ausführlichen Vorrede begründet ner Wissenschaft heben; alles bisherige Sprach-
Adelung, warum seine Deutsche Sprachlehre studium sei dagegen lediglich ein »elendes und
»der erste Versuch in dieser Art« und mit den vor- langweiliges Gedächtnißwerk« gewesen, das die
hergehenden grammatischen Lehrbüchern nicht Sprache nicht als ein Werk des Verstandes, son-
vergleichbar sei. Es gebe zwei Wege, die Regeln dern nur des bloßen Gedächtnisses begriffen
einer Sprache vorzutragen und zu lehren: »entwe- habe.
der, daß man dasjenige, was man in der Sprache Adelung verfolgt mit seiner Sprachlehre zu-
bemerkt oder bemerket gefunden, unter gewisse gleich das Ziel der Geschmacksbildung der Schü-
allgemeine, größtentheils von ältern Sprachleh- ler. Wie stark diese Intention mit seiner Ableh-
ren entlehnte Rubriken neben einander stelle, oh- nung des Geniekults des Sturm und Drang, durch
ne weiter zu untersuchen, was es ist, wie es ist, dessen Sprachinnovationen er die Einheitlichkeit
oder warum es ist; oder daß man das Wesen der der Hochsprache bedroht sieht, verknüpft ist,
Sprache in ihr selbst aufsuche, von allem was in wird bereits in der Vorrede deutlich: »Einen Um-
derselben vorkommt, deutliche Begriffe zu be- stand kann man Lehrern auf höhem und niedem
kommen und zu geben suche, und den Ursachen Schulen nie genug empfehlen, nämlich die frühe
nachforsche, warum das Veränderliche in der Bildung des Geschmackes der ihr anvertrauten
Sprache gerade so und nicht anders eingerichtet Jugend; ein Hülfsmittel, welches in dem ganzen
ist.« Den ersten Weg bezeichnet Adelung als den gesellschaftlichen Leben, in allen Künsten und
leichtesten und bislang gebräuchlichsten. Durch Wissenschaften, und vornehmlich in den Spra-
ihn sei das Erlernen der Sprache ein »abschrek- chen von der größten Wichtigkeit und Nothwen-
kendes Gedächtnißwerk« geworden; alle bisheri- digkeit ist. Die meisten Mißgeburten in der ge-
gen Garammatiken seien lediglich »Copien der lehrten, sittlichen und gesellschaftlichen Welt
lateinischen«, und die gesamte deutsche Gram- rühren aus dem Mangel des wahren Gefühls des
matik sei dadurch auf der Stufe der »freyen Wohlanständigen und Schönen her; er ist der Va-
Kunst« stehengeblieben und habe sich nicht zu ei- ter aller Pedanten und selbst der meisten Genies,
ner Wissenschaft fortentwickeln können. in der heutigen verächtlichen Bedeutung dieses
Das Neue an seiner Deutschen Sprachlehre Wortes. In einer ausgebildeten und verfeinerten
faßt Adelung in den Worten zusammen: »Ich ha- Schriftsprache kommt überaus vieles auf dieses
be mich bemühet, das Wesen der Deutschen Spra- feine und richtige Gefühl an.«
che in ihr selbst aufzusuchen, und daraus ist denn
auch die Einrichtung der gegenwärtigen Sprach- Adelungs Deutsche Sprachlehre ist in zwei Haupt-
lehre entstanden [ ... ]. Man wird daher hier sehr abschnitte unterteilt. Der erste Teil handelt »von der
Fertigkeit richtig zu reden« (S. 27-572), der zweite, we-
viele Lehren und ganze Abschnitte finden, welche
sentlich kürzere, »von der Fertigkeit richtig zu schrei-
man in andem Deutschen Sprachlehren verge- ben« (S. 574-626). In einer ausführlichen Einleitung
bens sucht, so wesentlich und nothwendig sie beschäftigt sich Adelung mit »der Sprache überhaupt«,
auch sind, z. B. die von der Declination der eige- der »Geschichte der Deutschen Sprache« sowie den
nen Nahmen und fremden Wörter, von den zu- deutschen Mundarten und der deutschen Sprachlehre
sammen gesetzten Wörtern, von der Partizipial- (S. 3-24). An den Anfang der Einleitung stellt Adelung
Construction u. s. f. Ich habe von den Redetheilen eine Definition von Sprechen und Sprache: »Sprechen
deutliche Begriffe zu geben, und daraus ihren heißt im engem und gewöhnlichsten Verstande, die Rei-
ganzen Gebrauch in der Deutschen Sprache zu he seiner Vorstellungen durch vernehmliche Laute aus-
entwickeln, und die Gründe herzuleiten gesucht, drücken; ein Vermögen, welches nur allein dem Men-
schen eigen ist. Sprache ist in diesem Verstande sowohl
warum die vornehmsten Erscheinungen in dersel- dieses Vermögen, als auch der ganze Inbegriffvernehm-
ben so und nicht anders sind und seyn können.« licher Laute, vermittelst welcher die Menschen die Rei-
Adelung geht davon aus, daß jede Sprache- und he ihrer Vorstellungen ausdrücken.« (S. 3)
damit auch die deutsche- »von einem ganz rohen Herders These aufnehmend, daß die Sprache und
und sinnlichen Volke nach dunkel empfundenen die Vernunft gemeinsam miteinander fortschreiten, ver-
Aehnlichkeiten erfunden und ausgebildet, und tritt Adelung die Auffassung, daß die Sprache mit der
selbst im Fortgange der Cultur nach eben so dun- » Erkenntniß eines Volkes und dessen Art zu denken, in
kel empfundenen Aehnlichkeiten erweitert, und dem genauesten Verhältnisse« stehe: »Bey einem ar-
men, rohen und ungesitteten Volke ist sie arm, rauh und
verfeinert worden« sei. Daher sei es Aufgabe ei-
ganz auf sinnliche Gegenstände eingeschränkt; bey ei-
ner Sprachlehre, »alles dieses auf deutliche Be- nem gesitteten, blühenden und ausgebildeten Volke
griffe zurück zu führen«, und dies bedeutete, die wortreich, biegsam, aller Begriffe und ihrer Schattirun-
Sprache bis auf ihren »ersten Ursprung« zurück- gen fahig; bey einem durch den Luxus entnervten Volke
zuverfolgen, »weil die wahren Gründe und Ursa- aber, so weich, üppig und kraftlos, als das Volk
873 Adelung, Sprachlehre, 1781 874

selbst.« (S. 4) Ausgehend von dieser Vorstellung teilt


Adelung die Geschichte der deutschen Sprache in sechs
Hauptabschnitte ein, »welche mit der Geschichte der
Cultur und der Sitten in der genauesten Verbindung ste-
hen« (S. 6). Stufenweise hätten sich die »Begriffe« der
Deutschen ebenso wie die anderer Völker erweitert,
aber »der wahre schöne Zeitpunkt in der deutschen
Sprache fängt sich erst in der ersten Hälfte des gegen-
wärtigen Jahrhunderts an, da Vernunft und Geschmack
völlig in die ihnen so lange vorenthaltenen Rechte tra-
ten, und sich nicht allein die Philosophie sondern auch
die schönen Künste eigen machten.« (S. 16) Höhepunkt
dieser Entwicklung sei die Herausbildung des Hoch-
deutschen, das er definiert als »die durch den Obersäch-
sischen Dialect gemilderte und durch Geschmack, Kün-
ste und Wissenschaften ausgebildete und verfeinerte
Oberdeutsche Mundart. Sie hat nebst ihren ältern
Schwestern, den Fränkischen, Thüringischen und Ober-
sächsischen Dialecten von der weichen, schlüpfrigen
und kurzen Sprache des Niederdeutschen nur gerade so
viel angenommen, als zur Milderung der rauben und
schwülstigen Oberdeutschen nöthig war, und ist seit der
Reformation nicht allein die Büchersprache aller
Schriftsteller von Geschmack, sondern die Hofsprache
des gesitteten und verfeinerten Umganges geworden.«
(S. 18)
Im letzten Abschnitt der Einleitung setzt sich Ade-
lung mit der Entstehung der Sprache sowie den Sprach-
normen auseinander. Er entwickelt darin die These, daß
jede Sprache »bey einem Volke in dessen noch rohen
und ungebildeten Zustande« entstehe, »daher es dabey
nicht anders als nach dunkeln Vorstellungen ähnlicher
Fälle verfahren« könne. Auf diese Weise entstehe »eine
übereinstimmige Art des Verfahrens in ähnlichen Fäl-
len, welche die Analogie oder Sprachähnlichkeit ge- Johann Christoph Adelung (1732-1806). Kupfer-
nannt wird.« (S. 19 f.) Bezüglich der Sprachnormen er- stich von Geyser nach Graf!
kennt Adelung dem »herrschenden und übereinstimmi-
gen« Sprachgebrauch die höchste Autorität zu, wobei er
den Sprachgebrauch definiert als »herrschende und sprechen oder zu widersprechen scheinen, zeigt der Na-
übereinstimmige Gewohnheit des besten und weisesten tion, wo sie aus Übereilung, aus Mangel der Aufmerk-
Theiles der Nation, besonders der besten und weisesten samkeit oder aus Unkunde wider Willen ihre eigenen
Schriftsteller« (S. 21 ). Gesetze übertreten, und überläßt endlich alles der Ent-
Adelung anerkennt vier »gesetzgebende Theile ei- scheidung der meisten und weisesten Stimmen.«
ner Sprache« : >>I. der Sprachgebrauch, als die höchste (S. 22 f.)
und unumschränkteste Macht. Was diese nicht be- Auf diesem theoretischen Hintergrund entwickelt
stimmt, entscheidet 2. die Sprachähnlichkeit oder Ana- Adelung seine Sprachlehre: Im ersten Teil behandelt er
logie. Wenn auch diese schweigt, so nimmt 3. die Ab- zunächst die Etymologie, gefolgt von den Abschnitten
stammung oder Etymologie das Wort, und wenn in ei- »Von den Wörtern als Redetheilen und ihrer Biegung«
nem Falle alle diese nichts entscheiden, so gebühret sowie »Von der Composition oder Zusammensetzung
4. dem Wohlklange eine Stimme.« (S. 22) Daraus der Wörter«. Mit einem Abschnitt zur Syntax wird der
schlußfolgert Adelung zudem, daß die Sprachregeln erste Hauptteil beschlossen, in dem Adelung auch
»als bloße Erfahrungssätze durch Bemerkung der über- Komplexe bespricht, die in bisherigen Schulgrammati-
einstimmigen Art des Verfahrens in jeder Sprache selbst ken ausgeklammert wurden wie zB. die Deklination von
aufgesucht, und nicht willkürlich gemacht werden« Fremdwörtern (S. 164ff.) und von Eigennamen
müßten, daß diese Sprachregeln lediglich wahrschein- (S. 177 ff.) oder die Zusammenziehung der Sätze
lich seien und daher durch Beispiele erwiesen werden »durch die Adverbia und Participia, oder von der Parti-
müßten, und daß sie schließlich nicht unveränderlich cipiai-Construction« (S. 551 ff.). Auch der bereits er-
seien, sondern der Sprache in all ihren Veränderungen wähnte Teil von der »Composition oder Zusammenset-
zu folgen hätten (S. 22). Diese Auffassung von der Spra- zung der Wörter« (S. 376 ff.) ist in diesem Zusammen-
che und ihren Normen determiniere zugleich die Aufga- hange völlig neu erarbeitet worden. Der zweite Teil des
ben des Sprachlehrers: »Er ist nicht Gesetzgeber der Werkes setzt sich ausschließlich mit der Orthographie
Nation, sondern nur ihr Sprecher und Dolmetscher. Er auseinander. Adelung behandelt darin neben allgemei-
dringet ihr keine Vorschriften auf, sondern sammelt nur nen Grundsätzen die Orthographie einzelner Buchsta-
die von ihr von Zeit zu Zeit gemachten und in dem Her- ben, die Silbentrennung, zusammengesetzte Wörter und
kommen aufbehaltenen Gesetze, spüret ihren Gründen die Interpunktion. Richtiges Schreiben habe sich am
und Gränzen nach, bemerkt die Fälle, wo sie sich wider- »allgemeine[n] Grundgesetz der Deutschen Orthogra-
875 ABC- und Lesebücher etc. 876

phie« zu orientieren: »man schreibe, so wie man risch, aus der Untersuchung der einzelnen Spra-
spricht, der allgemeinen besten Aussprache gemäß, mit che, ihre Einrichtung erkennen [ ... ]. Nicht mit ei-
Beobachtung der erweislichen nächsten Abstammung nem allgemeingültigen Begriffssystem soll die
oder des allgemeinen Gebrauches, und wo diese nicht
Sprache in Beziehung gesetzt werden, sondern
hinreichen, der Analogie« (S. 580).
mit den Vorstellungen, die ihre Schöpfer wirklich
Adelungs Deutsche Sprachlehre geht zurück gehabt haben. Damit ist eine Wendung von logizi-
auf eine Anregung des preußischen Staatsmini- stischer zu psychologischer Sprachbetrachtung
sters Freiherrvon Zedlitz, der aufgrundeines Vor- und, da die Vorstellungen der Menschen sich än-
schlags des Rektors des Joachimthalschen Gym- dern, zur Sprachgeschichte gegeben.«
nasiums in Berlin, Johann Heinrich Ludwig In seiner sprachhistorischen Betrachtung be-
Meierotto, Adelung mit der Ausarbeitung einer tont Adelung wiederholt, daß die Sprache nicht
Grammatik beauftragte, die Gottscheds Kern der das Werk eines aufgeklärten Verstandes sei, son-
Deutschen Sprachkunst als Schulgrammatik ablö- dern ein Ergebnis »dunkler Vorstellungen«, die
sen sollte. Zedlitz folgte damit der Kabinettsordre bei einem Volk »in dessen noch rohen und unge-
Friedrichs aus dem Jahre 1779, mit der der König bildeten Zustande« entstünden (vgl. S. 19f.).
die Aufgaben des Sprachunterrichts definierte. Hierbei ist nicht nur bedeutsam, daß Adelung das
Gleichwohl übernahm Zedlitz nicht die traditio- Volk in seiner Gesamtheit zum Sprachschöpfer
nalistischen Auffassungen Friedrichs, der mit sei- erklärt - das Individuum, selbst das aufgeklärte
ner Kabinettsordre »ein Menschenalter hinter Individuum kann nach seiner Auffassung allen-
den pädagogischen Bestrebungen seiner Zeit zu- falls zur Verbreitung der Kenntnis und des guten
rück« lag (Frank, 1976, Bd. 1, S. 104), sondern Geschmacks beitragen, keineswegs aber sprach-
drückte auch der Neugestaltung des Sprachunter- entwickelnd tätig werden -, sondern auch die en-
richts seinen reformerischen Stempel auf. Aus- ge Verbindung, die Adelung zwischen der Ent-
druck dieser Bemühungen ist auch Adelungs wicklung von Sprache und Vernunft sieht: Da
Sprachlehre, die nicht nur dem Urteil des Verfas- sich der jeweilige Zustand der Kultur auch in der
sers nach als »der erste Versuch in dieser Art« be- Sprache widerspiegelt, bedeutet ihm jeder Fort-
zeichnet werden kann. schritt der Kultur eine Abnahme der »dunklen«
Neu ist bereits Adelungs Definition einer und eine Zunahme der »deutlichen« Begriffe,
Sprachlehre, wie er sie in dem erläuternden Werk d.h. eine Verfeinerung, Ausbildung und Berei-
zur Deutschen Sprachlehre, dem Umständlichen cherung der Sprache. Für den Sprachbetrachter
Lehrgebäude der Deutschen Sprache, zur Erläu- ergibt sich aus diesem Umstand die Notwendig-
terung der Deutschen Sprachlehre fiir Schulen keit, die Sprache in ihrer jeweiligen historischen
(Leipzig 1782), vornimmt: »Eine gründliche Erscheinungsform zu untersuchen, d. h. das» We-
Sprachlehre ist gewisser Maßen eine pragmati- sen der Sprache in ihr selbst aufzusuchen«.
sche Geschichte der Sprache; soll sie eine wahre Diese Sprachtheorie hat wiederum erhebli-
Geschichte und kein Roman seyn, so muß sie die che Rückwirkungen sowohl auf die sprachlichen
Sachen nicht so vortragen, wie sie seyn könnten Normen als auch auf die Tätigkeit des »Sprach-
oder seyn sollten, sondern wie sie wirklich sind; lehrers«. Die sprachliche Norm ist für Adelung
sie muß bey Aufsuchung der Gründe, welche hier nichts feststehend Absolutes; sie verändert sich
das Pragmatische ausmachen, der Sprache keine vielmehr in dem Maße, wie die Sprache sich selbst
Gründe unterschieben, welche der ganz rohen verändert. Nicht der Sprachgebrauch hat sich der
und sinnlichen Vorstellungsart ihrer Erfinder Norm anzupassen, sondern die Norm muß der
nicht angemessen sind« (Umständliches Lehrge- Entwicklung des Sprachgebrauchs folgen; daher
bäude, Bd. I, S. Vf.). Mit Recht bezeichnet Jelli- ist für Adelung der» übereinstimmige Gebrauch«
nek (1913, Bd. 1, S. 336f.) diesen Ansatz Ade- der »höchste Gesetzgeber in allen Sprachen«
lungs als »Absage an die herkömmliche philoso- (S. 21 ). Die Grammatik ist kein starres Regelsy-
phische Grammatik«: »Diese macht die Voraus- stem mehr, sie wandelt sich, läßt Ausnahmen und
setzung, daß alle Sprachen die sich überall gleich mehrfache Interpretationen zu. Die Aufgabe des
bleibende Natur des menschlichen Verstandes Sprachlehrers kann daher auch nicht mehr die ei-
widerspiegeln müßten. Die eine Sprache könne nes obersten Hüters der Sprache oder gar ihres
dies vollkommener tun, als die andere, immer Gesetzgebers sein; er ist vielmehr Chronist und
aber sei es möglich, die grammatischen Einrich- Berichterstatter, »Dolmetscher«, wie ihn Ade-
tungen einer Sprache mit einem allgemeingülti- lungnennt.
gen, a priori aufstellbaren Begriffsschema in Be- Die Sprachlehre verlangt so nicht allein
ziehung zu setzen. Die Problemstellung dieser mehr Regelkenntnis, sie ist vom Sprachverständ-
philosophischen Grammatik ist: wie drückt eine nis, vom Sprachgefühl abhängig - vom »guten
bestimmte Sprache dies oder jenes aus? Für Ade- Geschmack«. Ohne den »guten Geschmack« ist
lung lautet dagegen die Frage: was drückt diese richtiges Sprechen unmöglich: »Um hier nur bey
bestimmte Sprache aus? Denn, statt von einem den Sprachen stehen zu bleiben, so wird ein feiner
aprioristischen Schema auszugehen, will er empi- und richtiger Geschmack einen großen Theil der
877 Wolke, Erste Kenntnisse, 1783 878

Sprachfehler, alle Härten, niedrige und unedle 1783


Ausdrücke, harte, dunkele und verworrene Ver-
bindungsarten u. s. f. auch ohne tiefe Sprach- Christian Heinrich Wolke (I 741-1825):
kenntniß als solche empfinden und vermeiden, Erste Kenntnisse für Kinder von der
dagegen auch der gründlichste Sprachkenner, Buchstabenkenntnis an bis zur Weltkunde.
wenn dieses Gefühl in ihm verwahrloset ist, allen- Leipzig 1783
falls wohl vor den erstem, nie abervorden letztem
gesichert seyn, sondern sich ihrer oft desto mehr
schuldig machen wird, je größerer Sprachkenner Das kompendiöse Lesebuch soll von Lehrern be-
er zu seyn glaubt. Alle classische Schriftsteller al- nutzt werden, um Kindem das Lesen beizubrin-
ler Sprachen haben ihre Reinigkeit und ihr ganzes gen und ihnen gleichzeitig ihrem Alter angemes-
classisches Ansehen mehr ihrem feinen und rich- sene Sachkenntnisse zu vermitteln. Wolke ist der
tigen Geschmacke, als ihrer tiefen Sprachkennt- Auffassung, daß das Lesealter nicht vor dem
niß zu danken, von welcher viele unter ihnen nicht sechsten Lebensjahr liegen sollte, weil das Kind
einmahl einen Begriff hatten.« (Vorrede) Frank vorher »viel leichter, viel besser und in zehnmal
(1976, Bd. l, S. 106) sieht hierin eine Parallele zu weniger Zeit durch mündlichen Unterricht, und
dem Versuch Sulzers (Vorübungen zur Erweckung im Fal der Not, durch Vorlesen, zu kinderleichten
der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens, Kenntnissen körnt, als wenn es sie durch Lesen
1768), »durch aufmerksame Betrachtung des selbst erwerben sol« (S. 105). Es ist WolkesZiel,
Kunstwerks selbst neue Kategorien der Ästhetik neue Wege zu zeigen, wie der erste Unterricht für
und Stilistik zu gewinnen«: »Mit diesem Hinweis Kinder interessanter gemacht und wie die Moti-
auf die Wichtigkeit des Geschmacks und Sprach- vation zum Lernen gesteigert werden kann. Vor-
gefühls erinnerte auch Adelungs neue Sprachleh- aussetzung ist für ihn, daß das Kind »große Lust
re an die vornehmste Aufgabe des deutschen dazu haben« müsse (S. l 04). Er wendet sich gegen
~prachunterrichts, der Stilbildung zu dienen. die herkömmliche >>Unvernünftige Weise des
Uber allem Regelwissen, nicht nur in der Gram- Buchstabirens [ ... ], wodurch man die Lernlust
matik, sondern auch in der Rhetorik, sollte nun der Kinder gleich in der Geburt erstickt« (ebd.).
der wachsame Sinn für den sprachlichen Aus- Wolke geht davon aus, daß die Leselust »gar nicht
druck stehen.« ( ebd.,S. l 08) durch unangenehme Mittel erzwungen« werden
müsse (ebd.), dennjedes Kind sei ab einem gewis-
Sicke! (1933, S. 61) berichtet, Adelungs Deutsche sen Alter, wenn es häufig mit lesenden Personen
Sprachlehre habe den von Zedlitz gestellten Anforde-
in Kontakt komme, geneigt, sich durch Bücher
rungen so entsprochen, daß sie »insgesamt sechs Aufla-
gen erlebte (die letzte 1816) und auch ins Französische Unterhaltung und Kenntnisse zu verschaffen.
und Lateinische übersetzt wurde. Außerdem erschien Gleichzeitig beabsichtigt Wolke mit der Vermitt-
noch ein Auszug, der für die niederen Schulen bestimmt lung von Sachkenntnissen, die Kinder »den gro-
war und es auf vier Auflagen brachte.« Baur ( 1790, S. 3) ßen Umfang der Kentnisse und Wissenschaften
lobt Adelung: »Seine beiden deutschen Sprachlehren fülenzu lassen« und sie so »vor Eitelkeit zu bewa-
für höhere und niedere Schulen übertreffen alle vorher- ren und zur Lernbegierde aufzumuntern«
gehenden an Richtigkeit, Gründlichkeit und Fleiß bey (S. 114). Einige Kapitel des Buches haben sodann
weitem.« Trotz des zeitgenössischen Lobs und der zahl- das Ziel, die Kinder zu einem angemessenen Ver-
reichen Auflagen weiß Gessinger (1980, S. 74) zu be-
halten Erwachsenen gegenüber anzuleiten. Hier-
richten, daß eine »Durchsicht der während der Schulvi-
sitationen durch das preußische Oberschulkollegium zu gehöre die Schulung der Urteilsfähigkeit, die
zwischen 1787 und 1802 aufgefundenen oder als Schul- der Lehrer dadurch erreichen könne, daß er die
bücher genannten Titel« zeige, »daß an den preußi- Kinder zu Fragen ermuntere und sie darüber be-
schen Gymnasien nur eine verschwindende geringe lehre, »wie man aus unbestimmten Urteilen ge-
Zahl von Lehrbüchern für den Deutschunterricht vor- wönlich doch den Willen des andem schliessen
handen war«. Auch Adelungs Deutsche Sprachlehre sei könne, und daßdisklüger und besser sei, als wenn
nur vereinzelt angetroffen worden.- Eine ausführliche- ein Kind an dem Urteile der Erwachsenen, gegen
re sprachhistorische Würdigung der Deutschen Sprach- die es immer bescheiden sein mus, auf eine nase-
lehre und des Umständlichen Lehrgebäudes findet sich
bei Jellinek ( 1913, Bd. I), eine Darstellung Adelungs als
weise Art etwas auszusetzen findet« (S. ll3).
Sprachwissenschaftler in Siekeis Adelung-Biographie Das Buch besteht aus 37 Kapiteln, einem Anhang
(1933). O.B. »Vom Gebrauch dieses Buchs« (S. 104-108) und einer
kommentierten Inhaltsangabe. Das Werk kann, nach
inhaltlichen Gesichtspunkten betrachtet, in drei große
Abschnitte gegliedert werden: zuerst einmal in den
ABC- und Leselernteil (S. 1-31 ), ferner in einen zweiten
Teil, der die Fertigkeiten des Lesens weiter ausbaut und
zugleich eine Übung des Verstandes und der Urteilsfä-
higkeit darstellt (S. 31-60), wobei auch eine Vermittlung
von allgeneinem Sachwissen und eine moralische Un-
terweisung angestrebt wird. Der dritte Teil vermittelt
879 ABC- und Lesebücher etc. 880

Sachwissen aus den verschiedensten Gebieten. sehen ABC-Bücher, ))in denen aufunverantwort-
(S.60-103). liche Weise das, was den Kindem immer ange-
Zuerst werden Kleinbuchstaben gelehrt, gefolgt nehm, ehrwürdig, heilig bleiben sollte, ekelhaft
von kurzen Leseübungen. Nach Vorstellung der Groß-
und gleichgültig gemacht wird. Dis ist eine Mit-
buchstaben folgen weitere kleine Leseübungen in der
Ich-Form, die, zunächst noch in getrennten Silben ge- quelle von dem moralischen Verderben des gros-
schrieben, einen stufenförmigen Unterricht darstellen. sen Haufens.« (S. 108) Wolke wendet sich eben-
Behandelt werden die Beschaffenheit des menschlichen falls gegen die Neigung vieler Eltern und Pädago-
Körpers, die Wahrnehmungsfähigkeit und Verstandes- gen, die Kinder geistig zu überfordern. Er hält die-
tätigkeit des Menschen sowie einzelne Bereiche der se Tendenz für schädlicher, als wenn man die Kin-
kindlichen Umwelt. der bis zum zwölften Lebensjahr gänzlich ohne
Der zweite Teil beginnt mit einem als vorbildlich Unterricht ließe, solange sie nur in Gesellschaft
dargestellten Tagesablauf eines Kindes mit dem Titel ))Vernünftiger und guter Personen« lebten. Seines
»Die Beschäftigung eines Kindes während eines Ta-
Erachtens ist der Unterricht, der ))one Buch, one
ges« (S. 31-34).
Diesem Text folgen kleine Abhandlungen über
Lesen und Vorlesen, nämlich durch Exempel,
den Garten (S. 35-36), die Stadt (S. 36-37) und den durch Handlung, durch Vorweisen und Erklären
Wald (S. 37-38), denen sich ein Frage- und Antwortteil vorhandner Dinge [ ... ] für Verstand und Herz der
anschließt. Die ersten 60 Fragen weisen alle den glei- wirksamste, der beste.« (S. 114) So führt er denn
chen Satzanfang auf: »Was musman haben, um[ . . .]«, auch exemplarisch den Tagesablauf eines Kindes
die folgenden beruhen auf Gegensatzpaarbildung: vor, in dem allerdings der Unterricht eine große
»Wer hat im Wortstreit Unrecht?« (S. 44), und die letz- Rolle spielt (S. 33 f.).
ten fragen Handlungen und Aktivitäten ab: »Was mus Das Kapitel >>Etwas aus der Geschichte«
man tun, um[ ...]«. Diese Fragen sollen laut Wolke zur
kommentiert Wolke in seinem Inhaltsverzeichnis
» Uebung des Lesens, der Sprache und des Verstandes«
dienen (S. II 0). Es folgt ein Kapitel, in dem ein »Com- so: ))Ich hoffe, dass dis Kapitel den Einsichten
mandirspil« erläutert wird (S. 48 ff.), wodurch die Kin- unserer Zeit angemessen, Gutes stiften werde, da
der lernen sollen, Befehlen zu gehorchen und Aufträge es so kurz, und doch kein mit Namen ausgestopf-
zu erfüllen. Es schließen sich Texte an, die sich mit der tes Skelet des Geschichte ist.« (S. 116) Ausgehend
Urteilsbildung der Kinder befassen. Anknüpfend an all- von den Zeugnissen der Bibel gibt er einen reli-
tägliche Situationen wird das Kind ermutigt, Aussagen gionsgeschichtlichen Überblick. Wolke behan-
über Gesehenes zu treffen, die vom Lehrer kommen- delt zunächst die Geschichte des jüdischen Vol-
tiert, wenn nötig korrigiert und von den Kindem ins kes und geht über zur Blütezeit Griechenlands,
Französische übersetzt werden. Diesem Abschnitt
schließt sich wiederum ein Fragenteil an; sodann soll in
einer Erzählung bewiesen werden, »wie sehr wert und
wunderbar die Erfindung der Menschen ist, ihre Ge-
danken durch Buchstaben auszudrükken« (S. 58ff.).
Mit dem 32. Kapitel (S. 61 ff.) beginnt der Sach-
teiL Er enthält zunächst den Text »Über Natur und
Kunst«, in dem Wolke einleitend den Wert der Kennt-
nisse für den Menschen erläutert, wobei er besonders
den Bereich der Physik hervorhebt. Es folgen eher allge-
mein gehaltene Abhandlungen »Von der Erde«
(S.65 ff.) und »Von der Welt« (S. 69 ff.), in denen in ge-
raffter Form geographische und kosmologische Infor-
mationen vermittelt werden.
Der Brief »Karls Schreiben an seinen Vetter«
handelt von der Lobpreisung der Natur und der daraus
resultierenden Gottesverehrung. »Etwas aus der Ge-
schichte« (S. 81 ff.) behandelt die Geschichte des jüdi-
schen Volkes und weiterführend die Geschichte der
christlichen Religion in Europa. Mit einbezogen in die-
sen Text werden Ausführungen zu Sokrates (S. 90),
Christus (S. 91), Karl dem Großen (S. 95) und Martin
Luther (S. 97). In dem abschließenden Text>> Kurze Re-
ligions!ehre für alle Menschenkinder« (S. 97 ff.) be-
handelt Wolke die Grundideen christlicher Religion in
zwei für alle Menschen verbindlichen Geboten: »Sei
deinen Eltern und Obern gehorsam« und »Libe deinen
Nächsten als dich selbst«.

Da es Wolke neben Schulung des kindlichen


Verstandes darauf ankommt, ))dem Kinde ein
freudiges Selbstgefühl seiner Selenkraft (zu) er- Christian Heinrich Wolke (1741-1825). Kupfer-
wekken« (S. 110), kritisiert der die zeitgenössi- stich von J. F. Bause nach A. C. Hüne
881 Basedow, Unerwartlich grosse Verbesserung, 1785 882

wobei Sokrates eine besondere Würdigung er- 1785


fährt. Er wird als »ein helldenkender, liebenswür-
diger Lehrer der Weisheit und Tugend, die den Johann Bemhard Basedow (1724-1790):
Menschen glücklich macht« bezeichnet (S. 90). Unerwartlich grosse Verbesserung der Kunst
Eine kurze Beschreibung des Wirkens Christi Lesen zu lehren, nebst einem
schließt sich an, wobei Wolke als wichtigstes Buchstabir-Büchlein.
Merkmal der christlichen Lehre hervorhebt, daß Leipzig und Harnburg 1785
sie »alle Menschen in eine einzige große Familie
vereinigt, wodurch der Nationalhaß verdrungen
und der Patriotismus der Menschenliebe unterge- Basedows Werk ist für »Väter, Mütter, Hausleh-
ordnet ward« (S. 92). Auch Mohammed wird mit rer und Schulhalter« (Zueignung) gedacht, die ih-
einer Darstellung bedacht, die Wolkes aufkläreri- ren Kindern bzw. Schülern das Lesen lehren wol-
sche Grundhaltung erkennen läßt: »600 Jahre len. Der dritte Teil, ein »Buchstabir-Büchlein«,
nach Christo lebte in Arabien ein Mann Muha- ist für den Leselernunterricht von Kindern ab ca.
med, der viel dazu beitrug, daß die wichtigsten fünf Jahren konzipiert. Basedow betont, sein
Christuslehren, als die von des höchsten Wesens Werk sei für Arme und Reiche gleich nützlich, da
Einheit, Almacht, Alwissenheit, Albarmherzig- seine Methode unabhängig sei »von allen ent-
keit sc. die von seiner ewigen Vergeltung des Gu- behrlichen Spielereien und Hülfsmitteln« (S. 4).
ten und Bösen, zugleich mit einigen Irtümem von Ziel des Buches ist es, die Kinder gut lesen zu leh-
ihm selbst sehr weit umher unter den Heiden be- ren. Darunter versteht Basedow »vornehmlich
kant und angenommen wurden.« (S. 94f.) Die die nöthige Abwechslung der Stimme nach Be-
Darstellung endet mit einer kurzen Beschreibung schaffenheit der Materien« (ebd.).
des Wirkens Martin Luthers. Der Ansatz für seine >>Unerwartlich grosse
Die weitere Darstellung der christlichen Re- Verbesserung« der Leselernmethode ist die Auf-
ligion hebt die Gebote der Eltern- und Nächsten- fassung, daß die »Plage«, die die meisten Kin-
liebe hervor. Die Kinder werden dazu ermahnt, dem beim Lesenlernen litten, zu »neun Zehnthel
sich nicht nur in der häuslichen Gemeinschaft un- vermeidlich« sei. Die Methode, gut lesen zu leh-
terzuordnen und den Eltern Gehorsam zu leisten, ren, sei »bisher noch sehr weit von ihrer erreich-
sondern auch in der »bürgerlichen oder andem baren Vollkommenheit« entfernt. Auch hätten
Gesellschaft [ ... ] ihre (durch Gewohnheit, oder die »besten Pädagogen«, die sich der Verbesse-
durch Geseze, Gebote und Verbote, bestirnte) rung der Leselernmethoden angenommen hätten,
Ordnung zu beobachten.« Ansonsten müßten sie die auftretenden Probleme kaum lösen können,
damit rechnen, »daß die Vorsteher diser Gesel- da sie bei ihren Verbesserungen »höchstens nur
schaften, die Obern oder die Obrigkeit« sie »zu an drei Kinder«, nicht aber an ganze Klassen und
der Ordnung durch Zwang und Strafe anhalten, Schulen gedacht hätten. Zudem hätten »Einige
oder aus der Zahl ihrer Mitglieder verstoßen« (S. die Spielereien zum Ekel der Lehrenden, und oh-
I 00). Die Befolgung des zweiten Gebotes soll ne angemessenen Nutzen der Kinder, gar zu sehr
durch »Führung eines arbeitsamen Lebens, und gehäuft, und den Zeitverlust zu wenig in Betrach-
durch das Bestreben nach immer größerer Vol- tung gezogen.« (S. 4f.)
kommenheit, Kentnis, Einsicht, Geschiklichkeit, Basedow geht davon aus, daß bei richtiger
Klugheit Weisheit und Gemeinnützigkeit« erfol- Methode »neun Zehnthel der Zeit, die zum Lesen
gen (S. 101), um die »Offenbarung der Lehren lernen nöthig ist, von den Schülern so angewendet
und pflichten, durch deren Anname und Aus- werden [kann], daß sie nur hören und den Mund
übung die Glükseligkeit der Menschen in disem brauchen, nicht aber zugleich die Augen auf ein
und in dem zweiten Leben befördert wird« (S. Blatt, auf eine Zeile, auf ein Wort, auf eine Sylbe,
97), zu erfüllen. und auf einen bestimmten Buchstaben richten
Baur ( 1790) bezeichnet die Ersten Kenntnisse als müssen.« (S. 5) Die Vorstellung seinerneuen Me-
einen »glücklichen Versuch« zur Methode des Lesen- thode des LesenJemens hat Basedow in einen fik-
Jemens und empfiehlt solchen Lehrern, »die kleine Kin- tiven Erfahrungsbericht »Gottlieb Kinder-
der zu unterrichten haben, und nicht wissen, wie sie es freunds Leseschule« (S. 9-30) eingekleidet. Er
anfangen sollen, sich ihnen verständlich zu machen, zeigt »in der Form einer Erdichtung, wie Gottlieb
was sie ihnen zur ersten Lektüre geben, und wovon sie Kinderfreund handelte, dem, als einem Lehrmei-
mit ihnen sprechen sollen.« Wolke gibt am Schluß sei- ster, dreißig Kinder nach ihrem fünften Jahre an-
nes Buches eine französische Übersetzung bzw. Bear- vertraut wurden, und der sie, bis ans Ende des
beitung unter dem Titel Connoissances premieres d'un
enfant an, die auch bei Kayser ohne Jahresangabe ver-
achten Jahres, in seiner Schule behielt, wo er sie,
zeichnet ist. Vgl. Köberle ( 1972); Schmidt ( 1974). obgleich zuletzt auch in andern Sachen, dennoch
N./H. vorzüglich im Lesen stundenweise, wie es in Schu-
len seyn muß, unterrichtete.« (S. 9)
Das grundlegend Neue an» Kinderfreunds«
Methode beschreibt Basedow folgendermaßen:
883 ABC- und Lesebücher etc. 884

»Kinderfreund beschäftigte seine Schule, welche, und Wörterlesen« (S. 35-40), der mit den üblichen Syl-
wegen der Gleichheit der Kinder, keine Classen labiernbungen wie »ba be bi bo bu« usw. beginnt und
hatte, in Absicht auf das künftige Lesenlernen an- mit den Übungen im Lesen mehrsilbiger Wörter wie
fangs gar nicht mit der Buchstabenkenntniß oder »baumwollenkrämer, ausserordentlich, constantino-
politaner, generalgewaltiger« beendet wird. Die näch-
mit Uebungen des Buchstabirens.« (S. 12) Statt-
sten Abschnitte bilden das große deutsche Alphabet
dessen spricht »Kinderfreund« den Kindem Sät- (S. 41 ), das kleine lateinische Alphabet (S. 42), das gro-
ze vor, die sie wiederholen sollen; dadurch werde ße lateinische Alphabet (S. 43), die Zahlen bis 100 (S.
die Sprache der Kinder »biegsam« und verfalle 44) sowie ein Überblick über die Satzzeichen (S. 45).
nicht in den »singenden Schulton«, der andern- Darauffolgen »Einige Leseübungen, in bisheriger
orts üblich sei (S. 13). Später müssen die Kinder Ermangelung des Kinderbuchs« (S. 46-70). Es handelt
die Sätze in einzelne Wörter, dann in Silben abge- sich dabei zunächst um kurze Verhaltens-, Anstands-,
teilt wiederholen. Diese Übungen werden unter- Klugheits- bzw. Sittenlehren, die- jeweils durch einen
brochen durch Hinweise auf Kleinbuchstaben, Gedankenstrich getrennt- fortlaufend gelesen werden
können. Neben Belehrungen wie »kuchen schmeckt
die auf Pappe aufgezogen oder auf kleine Karten
zwar besser, als brod; aber nur auf eine zeitlang. so ge-
aufgemalt sind und so den Kindern überall vorge- sund ist kuchen nicht.« (S. 46) finden sich Anweisungen
führt werden können - »auch im Spazirengehn, zu Ordnung und Sauberkeit oder kurze Tugendlehren
auch bei Verzehrung ihres Frühstücks und Ves- wie »das wohlwollengegen andere gereut fast niemals;
perbrods« (14). Auf diese Weise lernen die Kin- aber streit, haß und rache verderben die gemüther, daß
der während weniger Tage das ganze kleine Al- sie nicht recht vergnügt werden können.« (S. 51) Darauf
phabet, wobei einzelne Buchstaben der Verständ- folgen »Lehren, in Geschichten« (S. 51 ff.), kurze mora-
lichkeit wegen zunächst nicht immer mit ihrem lische Beispielgeschichten in unterschiedlichertypogra-
richtigen, sondern einem ihrem Lautwert eher phischer Aufmachung, auch in lateinischer Schrift, wo-
bei Basedow zu Beginn nur die Kleinschreibung be-
entsprechenden Namen bezeichnet werden.
nutzt, ab S. 62 Groß- und Kleinbuchstaben. Jeweils
Es folgen Syllabierübungen, wobei die Kin- wird eine gute oder schlechte Charaktereigenschaft vor-
der sowohl die einzelnen Buchstaben zu Silben geführt, die fast immer schon am Namen der handeln-
zusammensetzen, als auch die Silben in einzelne den Person zu erkennen ist (»Junker Selbstfeind«,
Buchstaben auflösen. Dieser Unterricht erfolgt »Monsieur Sonderbar«, »Fräulein von Freydumm«,
mündlich: »Er brauchte das Gehör der Kinder »Monsieur Neidherz«, »David Naschmann«, »Jobst
anstatt ihres Auges; sagte ihnen die Namen der Ungestüm« usw.); in der Regel folgt auf die schlechte
Buchstaben vor; und gleich darauf den Laut der bzw. gute Tat eine Bestrafung oder Belohnung mit an-
Sylbe.« (S. 20) »Kinderfreund« beginnt seinen schließender Belehrung. S. 63 ff. folgen einige Fabeln,
Syllabierunterricht mit einfachen Silben, läßt die Basedow offenbar in freier Bearbeitung aus anderen
Lesebüchern übernimmt, sowie einige kleine morali-
aber dann zwei- und mehrsilbige Wörter, endlich sche Beispielgeschichten, die z. T. ebenfalls entlehnt
ganze Sätze folgen: »Er sprach z.E. dann nicht: sind.
Nun könnet ihr nach Hause gehn; sondern er
sprach: n,u,n- k,ö,n- n,e,t- i,r- n,a,ch- h, au-s, Basedows Werk ist von zwei grundsätzlichen
e - g, e, n.« (S. 23 f.). Erst als die Kinder diese Absichten geprägt: Zum einen will er das Lesen-
Übungen beherrschen, gibt ihnen »Kinder- lernen erleichtern und dem Leseunterricht das Be-
freund« das Buchstabierbüchlein in die Hand, schwerliche nehmen; damit verbunden ist seine
aus dem sie zuerst Silben lesen lernen, nachdem Absage an das Lesenlernen anband des Katechis-
ihnen der Unterschied zwischen Vokalen und mus und der Bibelsprüche. Zum andem will er
Konsonanten erklärt worden ist. Später lernen die aus der Erkenntnis heraus, daß sich die spieleri-
Kinder noch das große Alphabet und die Zahl- schen Formen des LesenJemens- sowohl weil sie
wörter, und schließlich, nachdem sie sich im z. T. teure Hilfsmittel benötigen, als auch weil nur
»auflösenden Buchstabiren« geübt haben, wer- jeweils wenige Kinder in die Spiele miteinbezo-
den ihnen die Grundlagen des Schreibens vermit- gen werden können - nicht zum allgemeinen Le-
telt. senlemen eignen und ihre Anwendung in bezug
Basedow rühmt seine Methode als »eine, auf ärmere Volksschichten in der Regel ausge-
bisher unerwartlich gewesene, große Verbesse- schlossen ist, eine neue und leichte Leselernme-
rung der Kunst, sowohllesen als richtig schreiben thode entwickeln, die ohne kornplizierte Hilfsmit-
zu lehren« (S. 29). Die Vorteile seiner Methode tel auskommt und auch in Klassen und Schulen
seien >>Unerwartlich groß für Millionen Kinder mit größeren Schülerzahlen angewendet werden
und Familien« (S. 6f.). kann.
Man magjedoch in Zweifel ziehen, ob Base-
Den ersten Abschnitt des ca. 40 Seiten langen
dows neue Lehrmethode tatsächlich eine so »un-
»Buchstabirbüchleins« bildet ein kurzer Unterricht
über den Unterschied von Vokalen und Konsonanten erwartlich grosse Verbesserung« darstellt, wenn
(S. 30-35), der bereits mit kleinen Übungen durchsetzt man an seinen Vorschlag denkt, ganze Gespräche
ist: die Kinder sollen einzelne Silben mehrere Male um- mit den Kindem in Form des Buchstabierens füh-
kehren und so einen Eindruck von ihrem Lautwert be- ren zu lassen, zumalseine Methode von der zwei-
kommen. Es folgt ein Abschnitt überdas »Sylbenlesen ten Stufe an sich nicht mehr wesentlich von den
885 Basedow, Unerwartlich grosse Verbesserung, 1785 886

mit rinigt11
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Bilder-A,B,C, mit einigen Lesübungen, Gedenk- Bilder-A,B,C, mit einigen Lesübungen, Gedenk-
sprüchen und Gebeten für Kinder. - Strafsund sprüchen und Gebeten für Kinder. - Stralsund
1788 (Nicht in der Bibliographie). Titelblatt 1788 (Nicht in der Bibliographie).

Weber, Johann Gottfried: Allgemeine Anweisung der neuesten Schönschreibkunst. - Detmold 1780 (Nr.
967). Tafel18
887 ABC- und Lesebücher etc. 888

herkömmlichen Syllabierübungen unterscheidet. geht, daran muß ein Juden-Kind eben sowohl Theil
Beachtenswert ist dagegen der zweite Teil seines nehmen können, als ein Christen-Kind. Denn die Mittel
Buchstabierbüchleins: konsequent spart Base- der Aufklärung müssen allgemein gemacht werden.«
dow hier jede religiöse Thematik aus. Er geht da- (S. 19f.) Entsprechend dieser Konzeption sind neue,
sehr ausführliche Abschnitte über die Seele und die Un-
mit noch weit über das von ihm angeregte ABC- sterblichkeit sowie ein »Hauptstück« mit dem Titel
Buch Christian Felix Weißes (Neues A, B, C, »Von Gott« eingefügt worden, die- in recht anspruchs-
Buch, 1773) hinaus, der dem Buch sowohl Gebete voller Sprache und z. T. katechetischer Form- religiöse
im alten Stil vorangestellt als auch Gebete mit be- Grundwahrheiten lehren. Diente die Unerwartlich gros-
tont bürgerlicher Morallehre beigegeben hatte. se Verbesserung der Vermittlung bürgerlicher Tugen-
Basedow beschränkt sich dagegen auf moralische den, so steht im Neuen Werkzeugdie Vermittlung religi-
Beispielgeschichten und Fabeln, die einen Kanon ösen Grundwissens gleichberechtigt daneben. Ist auch
der bürgerlichen Tugendlehre entwickeln. In nicht ersichtlich, inwieweit Basedow im Neuen Werk-
))Gottlieb Kinderfreunds Leseschule« heißt es zeug seinen Mitautoren der »für die Aufklärung arbei-
tenden Gesellschaft« inhaltliche Zugeständnisse ge-
dementsprechend: )) Religionsunterricht muß gar macht hat, muß doch gesagt werden, daß Basedow mit
nicht oder sehr spät mit Leseübungen verbunden der sog. neuen Auflage hinter den von ihm 1785 einge-
werden.« (S. l 0) nommenen aufklärerischen Standpunkt zurückfällt.
Der zweite Teil des Buchstabierbüchleins O.B.
zeigt bereits in seiner Überschrift- ))in bisheriger
Ermangelung des Kinderbuchs« -, daß es sich
hierbei vorerst nur um Grundbestandteile eines
)) Kinderbuchs« handelt, das dem Buchstabier- 1787
büchlein folgen soll. Dieses ))Kinderbuch« soll
nach Basedow folgende Teile umfassen: ))ge- Johann Gottfried Herder (I 744-1803):
trennte Sätze von mancherlei Inhalt«; ))kurze Buchstaben- und Lesebuch.
Fragen und kurze Antworten«; ))Wahre und er- Weimar 1787
dichtete Erzählungen, aber gar wenige Fabeln«;
Sprichwörter, Sittensprüche und Kinderbriefe; Herders ABC-Buch ist für die Elementarklasse
))Sachen des bürgerlichen Lebens« wie Schuld- der Gymnasien und die Anfangsklassen der nie-
verschreibungen, Quittungen, Zeugnisse, Annon- deren Schulen geschrieben und soll Lehrern wie
cen usw.; Unterredungen und schließlich ))poeti- Schülern gleichermaßen die Arbeit erleichtern.
sche Stücke von mancherlei Art«. Das meiste soll Herder zielt mit seinem kleinen Buch darauf ab,
von ))angenehmem Inhalt« und den Kindem den Katechismus als erstes Buchstabier- und Le-
))Zugleich nützlich« sein (vgl. S. 10). Auch wenn sebuch zu ersetzen durch ein Werk, das das Lesen
Basedow mit dem)) Buchstabir-Büchlein« erst ein vor allem durch solche Wörter lehrt, die im alltäg-
kleines Fragment dieses )) Kinderbuchs« vorlegt, lichen Leben besonders häufig vorkommen: ))Je-
so ist doch eutlich erkennbar, daß seine Konzep- der verständige Schullehrer wird durch eigene
tion eines ABC- und Lesebuchs sich in seiner saure Mühe bemerkt haben, daß das gewöhnliche
Stoffwahl völlig von den hergebrachten Leselem- A. B. C. Buch, das aus den Hauptstücken des Ka-
büchem lossagt und die religiöse Erziehung der techismus bestand, ganz und gar nicht für die er-
Kinder vom Lesenlernen abkoppelt. sten Anfänger des Lesens sei. Die schwersten
Worte: geheiliget, Benedicite u. dgl. kommen
Ein Jahr nach der Unerwartlich grossen Verbesse- gleich auf den ersten Seiten vor: die Kinder ver-
rung in der Kunst, Lesen zu lehren erschien als ein »Ge- stehen nichts von dem was sie buchstabiren und
schenk an Bürgerschulen« ein Neues Werkzeug zum lesen, sie lernen es also ohne Lust und Liebe, ja
Lesenlemen, zur Gotteserkenntniß und zur nothwendig- mit einer täglichen Quaal. Keines von alle den
sten Sprachrichtigkeit ebenfalls von Basedow, dieses
Wortern, die im gemeinen Leben und auch im
Mal jedoch in Zusammenarbeit mit »einer für die Auf-
klärung arbeitenden Gesellschaft«, das in der Vorrede Schreiben am meisten vorkommen, stand in sei-
als neue Auflage des vorliegenden Werks bezeichnet nem Buchstabierbuch und das Kind findet sich al-
wird. Es handelt sich hierbei keineswegs um eine Ver- so beyjedem andem Buch so unerfahren, als ob es
mehrung des vorliegenden Werks um die von Basedow noch gar nicht lesen gelernt hätte. Gegenwärtiges
zwar konzipierten, jedoch noch nicht ausgeführten Tei- Buchstaben- und Lesebuch wird diesen Mängeln
le des >>Kinderbuchs«, sondern um eine besonders zu grosentheils abhelfen und sowohl dem Lehrer als
religionsunterrichtlichen Zwecken erweiterte Ausgabe. dem Schüler die Arbeit sehr erleichtern.« ())An-
Bezeichnenderweise heißt es im Neuen Werkzeug nicht weisung zum Gebrauch dieses Lesebuchs für ver-
mehr, daß der Religionsunterricht »gar nicht oder sehr
ständige Schullehrer«)
spät« mit Leseübungen verbunden werden solle; diese
Stelle ist jetzt abgeändert in den Verzicht auf eine kon-
Herder betont in der Vorrede zu seinem
fessionelle Unterweisung: ))Keine Leseübung in Schu- Werk, der Lehrer dürfe die Schüler nicht mit an-
len muß, ihrem Inhalte nach, sectirisch seyn. Nicht ca- strengenden Übungen überhäufen, und vertritt
tholisch, nicht lutherisch, nicht reformirt. Was (wohl zu den Grundsatz, das Lernen müsse lustbetont sein
merken, des blossen Lesens wegen) in Leseschulen vor- und erfolge daher am besten im Spiel. Den Kin-
889 Herder, Buchstaben- und Lesebuch, 1787 890

dem soll immer wieder vor Augen geführt wer- ge und unregelmäßige Verben vorgestellt, die besonders
den, welche Fortschritte sie bereits gemacht ha- notwendig seien, »weil Kinder, die die Sprache noch
ben: »Da Einerlei Worte hier oft vorkommen, so nicht inne haben, die Verba oft sehr unrichtig verän-
wird das Kind diese Seiten im leichtesten Spiel dern.« (»Anweisung«)
Es folgen Sittensprüche und Sprichwörter wie
lernen, und sich froh dünken, daß es schon so viel ))Die Morgenstunde hat GoldimMun de«, »Unrecht
kann.« (»Anweisung«) Herder empfiehlt außer- Gutge dei het nicht.« u.ä. (12. ungez. S.) sowie Sprüche
dem, die Schüler im Wettstreit unvermerkt konju- aus der Bibel (13. und 14. ungez. S.). Sie sollen »das ver-
gieren und deklinieren zu lassen. Schon frühzeitig haßte Singen aus den Schulen, das meistens den Ver-
soll das Lesen mit eigenen Schreibübungen der stand zerreißt«, verhindern. Die 15. Seite enthält je ein
Kinder verbunden werden; das eigene Schreiben Morgen- und Abendgebet sowie das Vaterunser. Im Ge-
müsse für die Kinder allmählich »ein Spiel wer- gensatz zu den Vorseiten sind hier die Wörter ohne
den«. Ebenso sollen ihnen die »3 ersten Species« Trennsilbenabsetzung gedruckt, »weil ein Kind, wenn
der Zahlen im Spiel beigebracht werden. Großen es an sie (diese Seite, d. Red.) kommt, schon so weit seyn
muß, daß es diese selbst abtheilen kann.« (»Anwei-
Wert legt Herder ebenfalls auf die richtige Aus- sung«) Den Schluß des ABC-Buches bildet das kleine
sprache. Das ganze Buch solle »durch abwech- Einmaleins, das den Kindem »in allen Ständen und Ge-
selndes Lesen und Schreiben so sehr zum unter- schäften[ ... ] sehr nützlich und nöthig« sei (»Anwei-
haltenden Spiel gemacht (werden), als es seinem sung«).
Inhalte nach seyn kann. Der Lehrer wird sich sei-
ne Mühe damit siebenfach erleichtern und das Nach zehnjähriger Tätigkeit als Generalsu-
Kind ihm für diese väterliche Methode Lebens- perintendent und Ephorus der Schulen in Wei-
lang danken.« (»Anweisung«) marnahm Herder 1786 die Reform des Weimarer
Gymnasiums in Angriff. Ein Ergebnis seiner re-
Die erste der insgesamt 16 Seiten des ABC-Buchs formerischen Bestrebungen ist das vorliegende
enthält in sechs voneinander durch einen Querstrich ge- ABC-Buch für den Elementarunterricht, das das
trennten Abschnitten zuerst das kleine Alphabet, dann bisher in Sachsen-Weimar benutzte ABC-Buch
die Vokale, die Umlaute, Konsonantenverbindungen, ablösen sollte, an dessen Anfang Abschnitte aus
das große Alphabet und schließlich die arabischen Zah- dem Landeskatechismus und der biblischen Ge-
len. Der Lehrer soll sich dabei besonders an die Eintei-
schichte standen. Deutlich sind im Buchstaben-
lung in Abschnitte halten, denn so bekomme das Kind
»ein gewisses Maas ins Ohr«. »Sodann wird der Lehrer und Lesebuch Herders pädagogische Intentionen
Sorge tragen, daß der Schüler die Buchstaben auch aus- erkennbar: Die Leseübungen bestehen zum gro-
ser der Ordnung erkenne, die ähnlichen unterscheide ßen Teil aus Begriffen der unmittelbaren Umwelt
und die Doppellauter, die auf der Mitte der Seite stehen, der Kinder; Herder verzichtet auf das Einstudie-
auch dem Schall nach vernehmlich lerne: denn nach- ren vom Fremdworten und schwierigen Begriffen
dem sich der Mund frühe gewöhnet, nachdem bleibt die aus dem religiösen Bereich; der Wortschatz der
Aussprache Lebenslang.« (»Anweisung«) Die Silben Kinder soll stufenweise, aber beständig erweitert
auf der 2. Seite sollen ebenfalls eine richtige Aussprache werden und ihnen einen Grundbestand nützli-
befördern helfen: sie sind so aufgelistet, daß jeweils
chen Wissens vermitteln; die Sprichwörter und
leicht verwechselbare untereinander stehen.
Es folgen der Artikel, einfache Interrogativprono- Bibelsprüche zielen ab auf die Erziehung der Kin-
mina, Personalpronomina und Substantive (Vater, Mut- der zu tugendhaften, tüchtigen und arbeitsamen
ter, Kind) mit entsprechender Deklination (3. ungez. Bürgern. Murrdorf (1955, S. 30f.) weist auf die
S.). Daranschließen sich Hilfsverben und einfache Ver- große Bedeutung hin, die Herders Eintreten für
ben mit Konjugation an (3. und 4. ungez. S.). »Die No- richtiges, lautgerechtes Sprechen und damit ge-
mina und Verba folgen, nicht damit das Kind die Gram- gen die mundartlichen Entstellungen der Hoch-
matik lerne, die für dasselbe noch nicht gehört, sondern sprache hat: )) Dadurch trug er zur Reinerhaltung
weil sie die leichtesten Sylben und den Grund der gan- einer allen Deutschen gemeinsamen Sprache bei
zen Sprache enthalte. [ ... ] Und das das A. B. C. Buch,
- ein Bestreben, das in der Epoche des Zusam-
insonderheit laut getrieben, im Gedächtniß bleibet: so
hat (das Kind) damit decliniren und conjugiren gelernt, menschlusses der Deutschen zur Nation außeror-
ohne daß es weiß, was decliniren und conjugiren heißt.« dentlich bedeutungsvoll war.«
(»Anweisung«). Die folgenden Seiten enthalten einfa- Es kannjedoch nicht übersehen werden, daß
che Begriffe, die dem Kind geläufig sind, nach Sach- Herdertrotz seiner reformerischen Bestrebungen
gruppen geordnet, so z. B. Bäume, Baum- und Feldfrü- der herkömmlichen Buchstabiermethode weitge-
che, Blumen und Gartenfrüchte; auch die Jahreszeiten, hend verhaftet bleibt. Bedenkt man, daß Fried-
die Wochentage, die Himmelsrichtungen, die Erdteile rich Gedike schon zwei Jahre vor Herders Schrift
sowie Länder- und Städtenamen werden gelehrt (6.-8. in seiner bekannten Rede »Einige Gedanken über
ungez. S.). die Uebung im Lesen« (in: Gedike, Gesammlete
Die 9. Seite ist betitelt »Allerlei Thiere«. Hier fin-
den sich erste einfache Sätze, die charakteristische Ei-
Schulschriften, Bd. 1, Berlin 1789, S. 368-380) die
genschaften von Tieren benennen, z. B.: »Die Bie ne Unzulänglichkeiten dieser Methode aufgezeigt
sum set. « oder )) Das Ka meel kann lan ge Zeit hun gern hatte, so bedarfMundorfs Herder-Lob der Relati-
und dürsten.« Auf der I 0. Seite sind einander ähnliche vierung: »In ständiger schöpferischer Auseinan-
Wörter verzeichnet; auf der II. Seite werden regelmäßi- dersetzung mit den fortschrittlichen pädagogi-
891 ABC- und Lesebücher etc. 892

sehen Theorien und Forderungen seiner Zeit und 1790


in unablässiger Verbindung mit der pädagogi-
schen Praxis [ ... ]gelangte Herder zu besonderer Johann Friedrich Hähn (1710-1789):
Klarheit und Eindringlichkeit in der Formulie- Berlinisches neu eingerichtetes A B C
rung seiner pädagogischen Ansichten.« (Mun- Buchstabier-und Lesebüch/ein.
dorf, 1955, S. 29) Weiter heißt es bei Mundorf, Umgearbeitet von Christian Zimmermann
Herder habe die »Unzulänglichkeit der Buchsta- (1766-1841).
biermethode [ ... ]nicht klar erkannt«, doch schei-
Berlin 1790
ne er »ihre Mängel gespürt zu haben. Er suchte ih-
nen vor allem dadurch zu begegnen, daß er Anlei-
tungen zu lautgerechtem Sprechen gab.« (S. 30) Bei dem Werk handelt es sich um eine Bearbei-
Tatsächlich unterscheiden sich Herders Buchsta- tung des ersten Bandes des dreiteiligen Neu einge-
bier-und Syllabierübungen »Ba be bi bo bu Pa pe richteten Berlinischen Schulbuchs (1758) von
pi po pu« usw. jedoch allenfalls in der Zusam- Hähn. Zimmermanns ABC- und Lesebuch ist
menstellung von ähnlichen ABC-Büchern und zum Gebrauch an Stadt- und Landschulen ge-
stellen ihnen gegenüber keinen Fortschritt dar. dacht. Es ist »nicht bloß für die kleinsten Lehrlin-
Auch wenn das Üben im Deklinieren und Konju- ge bestimmt, sondern kann auch den größern
gieren unvermerkt und im Spiel erfolgen soll, ist nützlich seyn« (Vorrede). Zu dem Buch gehören
seine trocken-rationalistische Methode der ersten zwei weitere Werke: das Bilder-Buch zum Berlini-
Grammatikübungen von anderen Lehrbüchern schen neu eingerichteten A. B. C. Buchstabier-
hauptsächlich dadurch unterschieden, daß die und Lesebüchlein, enthält neun und zwanzig Ab-
Kinder wesentlich eher zum grammatikalisch bildungen verschiedner Thiere, und zwölf Kupfer-
richtigen Sprechen gewöhnt werden sollen. Ver- stiche zu den in diesem Buche vorkommenden Ge-
gleicht man Herders Buchstaben- und Lesebuch schichten. ( 1791) mit Illustrationen von Darchow
vom Stoff her mit dem 15 Jahre früher erschiene- sowie die Anmerkungen über den Gebrauch des
nen Neuen A, B, C, Buch Christian Felix Weißes, ersten Theils (des Neu eingerichteten Berlinischen
wird zudem deutlich, daß in Weißes Werk der Schulbuchs, d. Red.), die ebenfalls von Zimmer-
pädagogische Grundgedanke einer bürgerlichen mann herausgegeben wurden. Dieses letzte Werk,
Morallehre, die die Kinder zu arbeitsamen, tüch- das nicht eingesehen werden konnte, erschien
tigen und brauchbaren Bürgern erziehen soll, be- 1792 in dritter Auflage (Kayser).
reits wesentlich stärker ausgeprägt ist. In einem Vorbericht erläutert Zimmermann
die Methode, mit der das ABC- und Lesebuch im
Goethe lobte den damals auf der Höhe seines lite-
Unterricht eingesetzt werden soll: »In der Lese-
rarischen Ruhms stehenden Herder, daß er »herabge-
stiegen« sei und ein ABC-Buch geschrieben habe, »das stunde lasse er (der Lehrer, d. Red.) bloß lesen,
recht gut und trefflich gedacht ist« (Goethe an Carl Au- und zwar jeden Absatz mehrere Mahle hinter ein-
gust, 8. 4. 1786; zit. n. Mundorf, 1955, S. 28). Und Kne- ander, und erkläre entweder nur wenig oder äu-
bel rühmte seinen Freund Herder: »Er verfertigte einen ßerst kurz, oder auch gar nichts. [ ... ] Dagegen be-
Katechismus, ein ABC-Buch mit eben dem Geist und stimme er gewisse Stunden an gewissen Tagen,
derselben Liebe wie die Ideen zur philosophischen Ge- wo über die einzelnen Wörter gesprochen werden
schichte der Menschheit. Einen menschlicheren Men- soll. >Kinder,< sage er etwa, >künftigen Donners-
schen, wenn es auf Kenntnisse und Wissenschaften an- tag (oder Montag) von 10 bis 11 Uhr ist Unterre-
kam, giebt es nicht. Er lieh sich allen gerne zur Verbesse-
rung und Vollkommenheit.« (zit. n. Mundorf, 1955,
dungsstunde. Leset auf der -ten Seite die fünf oder
S. 31) - Herders Buchstaben- und Lesebuch, das in der zehn Zeilen fleißig durch; sehet zu, ob ihr jedes
von Bemhard Suphan besorgten Ausgabe seiner Werke Wort versteht; sucht von den daselbst genannten
nur im Auszug abgedruckt wurde, findet sich als voll- Sachen so viele, als euch möglich ist, kennen zu
ständiges Faksimile in der Festschrift zum 50. Geburts- lernen[ ... ]. Je mehrihr mirüberdie Wörtererzäh-
tag Robert Alts (Beiträge zur Geschichte der Erziehung, len könnt, desto größer wird meine Freude über
Berlin 1955). 0. B. euch seyn. Könnt und dürft ihr von den hier ge-
nannten Dingen eins und das andre, was noch
nicht allen bekannt seyn möchte, oder eine Abbil-
dung davon mitbringen, so thut es; [ ... ]. - Dies,
dächte ich, wäre Anleitung der Kinder zum Le-
sen, Denken, Sprechen und zu Sachkenntnissen
[ ... ]. In dieser Unterredungsstunde erkläre nun
auch der Lehrer von den Wörtern jedes Mahl so
viele, als er für gut findet; aber nicht alles auf Ein
Mahl, denn das Buch wird noch oft durchgegan-
gen werden.« (Vorrede)
Das Berlinische neu eingerichtete A B C Buchsta-
bier- und Lesebüchlein bringt nicht nur Übungen im Le-
893 Hähn, Buchstabier- und Lesebüchlein, 1790 894

senlernen, sondern vermittelt auch die Anfangsgründe Verfasser keineswegs am Erfahrungsbereich der
der Geographie, der Grammatik, der Rechenlehre usw. Kinder, sondern nehmen auch komplizierte Be-
und dient ebenfalls der religiösen Unterweisung der griffe auf. Als Beispiel für die Leseübungen für
Kinder. Grundlage der Leseübungen ist die Litteralme- die ))kleinen Lehrlinge« mag ein Auszug der er-
thode, nach der die Kinder zunächst Buchstaben, dann
Silben und schließlich ganze Wörter lesen lernen.
sten von vier Wortkolonnen auf der S. 35 dienen,
Auf den Seiten I bis 5 werden das gesamte Alpha- die vergleichsweise nicht einmal besonders
bet in verschiedenen Schreibweisen, arabische und rö- schwierig ist: )) Plome, Plötze, Plumpheit, Pocken-
mische Zahlen sowie verschiedene Vokal- und Konso- grube, Porzellanfabrik, Poststation, Präbende,
nantenverbindungen vorgestellt. Die Silben werden Präcaution, Pracht, Prämie, Pränumeration, Prä-
aufgrundäußerlicher Merkmale zu verschiedenen Ka- paration, Präposition, Präsentation, Präservation,
tegorien zusammengefaßt, so z. B. wird die dritte Kate- Prätension, Predigerinn, Preiselbeere, Presse, Pri-
gorie von Vokalen mit und ohne Dehnungszeichen mit mel, Prinzessin, Prise, Pritsche, Privatstunde, Pro-
anschließenden einfachen oder verdoppelten Konso-
be, Procedur, Procession, Profession, Professur,
nanten gebildet. Es folgen- grammatisch und alphabe-
tisch geordnet - lange Tabellen einzelner Wortarten Promenade«. Derartige, mit vielen Fremdwör-
(S. 6-50), an die sich Abschnitte mit männlichen und tern durchsetzte Wortreihen sollen die Kinder
weiblichen Vornamen, mit den Zahlwörtern und ein buchstabieren, nachdem sie sich zuvor durch
Überblick über die Zeitrechnung anschließen (S. Übungen im Silbenlesen wie ))Of off öf äf efuf äuf
50-52). eif« usw. (S. 4f.) auf diese schwierige Aufgabe
» Reimfreie und gereimte Sprichwörter und Denk- vorbereitet haben.
sprüche« ist der nächste Abschnitt (S. 52-63) betitelt, Die dem Buchstabier- und Lesebüchlein zu-
der in alphabetischer Folge 354 numerierte Sinnsprüche grundeliegende Methode wurde 1785 von Fried-
enthält, die Tugenden wie Arbeitsamkeit, Standesge-
rich Gedike in seiner Rede )) Einige Gedanken
nügsamkeit, Sparsamkeit, Mäßigkeit, Gehorsam und
Ehrfurcht vor dem Alter propagieren. Daran schließen
über die Uebung im Lesen« mit den Worten be-
sich »einige Sprüche aus der Bibel« an (S. 64f.), die reli- schrieben: ))Kaum hat das Kind Töneformiren
giöse Glaubenssätze und christliche Tugendlehren ver- gelernt, so geht die folternde Uebung an, die ein-
mitteln. Den folgenden Abschnitt bilden 18 »kleine, zelnen Buchstaben kennen zu lernen, und es ist
wahre Geschichten« (S. 65-71 ). Diese moralischen Bei- gar nichts seltenes, daß ein Kind zwei Jahr und
spielgeschichten dienen gleichsam als Exempel für die länger mit dem bloßen und troknen Abc sich zer-
zuvor gelehrten Sprichwörter und Denksprüche. The- quält. [ ... ] Hat es endlich mit großer Anstrengung
men der einzelnen Geschichten sind Mildtätigkeit, und Marter die einzelnen Schriftzeichen kennen
Dankbarkeit, Gottvertrauen, Ehrlichkeit, Opferbereit-
gelernt: so geht es zu den Sylben über - es lernt
schaft, Höflichkeit, Liebe zu den Eltern, Strebsamkeit,
Gerechtigkeit und Treue zur Dienstherrschaft. Drei Ge-
buchstabiren. Zuerst werden ihm bloß einfache
schichten behandeln die negativen Folgen von grobem abgerissene Sylben, die noch für sich keine Be-
Unfug und Diebstahl. Mehrere Geschichten schildern deutung haben, vorgelegt. Dann schreitet es zum
die tugendhaften Handlungen von Kindern. Buchstabiren ganzer Wörterund ganzer Sätze; bis
Darauf folgen die »Namen von Ländern, Städten, es endlich nach vieler Mühe und Zeit so weit
Flüssen und Meeren« (S. 72f.), ein Verzeichnis der kömmt, lesen zu können, nicht so, daß man aus
Schriften des Alten und Neuen Testaments (S. 73), ein Akcent und Modulation der Stimme hört, es ver-
Verzeichnis der Abkürzungen für Wochentage, Monate stehe, was es liest, sondern bloß so, daß es eine
und die biblischen Bücher (S. 73), ein allgemeines deut-
Reihe Wörter, deren Bedeutung oder wenigstens
sches und lateinisches Abkürzungsverzeichnis (S. 74f.),
die Vorstellung der gebräuchlichsten Satzzeichen Zusammenhang es noch gar nicht einsieht, hinter-
(S. 75), eine kleine Einführung in die Rechenlehre (S. einander herschnattert.« (Friedrich Gedicke, Ge-
76f.) sowie eine kurze Grammatik (S. 77-83). Den sammlete Schu/schriften, Berlin 1789, S. 374)
Schluß des Buches bilden der Kleine Katechismus Lu-
thers (S. 83-88) sowie 28 Lieder meist religiösen Inhalts Ausführlich setzt sich Baur (1790, S. 143 ff.) mit
(S. 88-92). der von Hähn begründeten Litteralmethode auseinan-
der, die er als »der Psychologie und gesunden Pädago-
Der letzte Teil des Werkes deutet daraufhin,
gik widersprechend« bezeichnet. Besonders kritisiert
daß es sich bei dem Berlinischen neu eingerichte- er, daß alles, »was auf Erden und im Himmel und in ih-
ten A B C Buchstabier- und Lesebüchlein nicht ren [der Kinder, d. Red.] Kompendien steht« in Tabel-
nur um ein reines ABC- und Lesebuch, sondern len zusammengefaßt werden soll, die die Kinder abzu-
zugleich wohl auch um ein Unterrichtswerk für schreiben und auswendig zu lernen hätten: )) Die Kinder
niedere Stände gehandelt haben mag. Dafür spre- sollen mit der Schale spielen, um den Kern kann sich be-
chen nicht nur die religiösen Teile des Werks, son- kümmern, wer da will. Wie kann Herr Hähn die Leute
dern auch die Aufnahme des kleinen und großen überreden wollen, daß durch solche Spielereien Nutzen
Einmaleins sowie der Angaben zu Geld, Maß und geschaft, daß dadurch Sinne und Einbildungskraft ge-
schärft, das Gedächtniß geübt, der Verstand aufgeklärt,
Gewicht (S. 76 f.). Im Mittelpunkt des Werks ste- die Beurtheilungskraft berichtiget werden?«
henjedoch eindeutig die Leseübungen, die in der Trotz dieser Kritik scheint das Hähnsche ABC-
Abfolge zuerst das Lesen einzelner Buchstaben, und Lesebuch in vielen Schulen benutzt worden zu sein.
dann einzelner Silben und schließlich ganzer Dies geht auch aus einer Kritik Friedrich Gedikes her-
Wörter lehren sollen. Dabei orientieren sich die vor, die er an einer früheren Auflage des Werkes in sei-
895 ABC- und Lesebücher etc. 896

ner bekannten Rede »Einige Gedanken über Schulbü- stabein großer und kleiner sowie in deutscher und latei-
cher und Kinderschriften« ( 1787) übte. Sie sei hier aus- nischer Schrift eingezeichnet. Der Text unter den Abbil-
zugsweise zitiert, auch wenn manche der von Gedike ge- dungen besteht aus einem Begriff und einem Satz, des-
nannten Kritikpunkte auf die Bearbeitung Zimmer- sen Subjekt zumeist mit dem entsprechenden Buchsta-
manns nicht mehr zutreffen. Er berichtet, das Berlini- ben beginnt. Die 26 Lesestücke sind den einzelnen Ab-
sche neueingerichtete ABC Buchstabier- und Lesebüch- bildungen zugeordnet.
/ein-seiner Kritik liegt eine Berliner Ausgabe von 1784 Die Lesestücke bestehen überwiegend aus kurzen
zugrunde- werde »in unzähligen Land- und Stadtschu- und einfachen Hauptsätzen, enthalten jedoch auch
len der Preußischen Monarchie gebraucht«. Nach einer komplexere Satzkonstruktionen mit Nebensätzen. Ihre
spöttischen Darstellung von Hähns Silben- und Wort- Anordnung weist inhaltlich eine deutliche Gliederung
kolonnen sowie seiner Übungssätze wie »Sei du, o Jeho- auf: Die ersten beiden Texte (S. 7-8) thematisieren das
va, meine einige sichere Retirade« heißt es bei Gedike: Lesen selbst und sprechen vom lesenden Auge, von Bil-
»Wenn nun noch obenein in diesem Büchlein zur Ue- dern, Buchstaben und Büchern. Das 3. bis 6. Lesestück
bung im Buchstabieren und Lesen nicht nur das Vater (S. 8-13) befaßt sich mit den menschlichen Sinnen, mit
unser, sondern der ganze Katechismus Lutheri steht, dem Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Die bei-
ferner die bekannten Morgen- und Abendsegen, die be- den folgenden Stücke handeln vom Nachdenken und
kannten Tischgebete, die die Kinder lernen und her- vom Geist des Menschen sowie von seinem Körper
plappern müssen, ohne daß sie ihnen jemals auch nur (S. 13-16). Die vier nächsten Abschnitte tragen die
erklärt werden, eine Ordnung des Heils, und am Ende Überschrift» Mensch und Thier« (S. 16-20) und zeigen,
ein Lied, wo die ersten Buchstaben jedes Verses nach al- in welcher Weise der Mensch von den Tieren lebt. Das
phabetischer Ordnung ein ganzes ABC darstellen, so 13. bis 17. Lesestück liefert gleichsam eine elementare
muß man wirklich erstaunen, wie sehr man ehedem die Kulturgeschichte: Zunächst wird der Zustand »roher
Bestimmung und zwekrnäßige Einrichtung eines Lese- Natur« geschildert, in der der Mensch nicht zu existie-
buches verkennen konnte. In dem zuletzt genannten ren vermag. Diesem wird der »gebildete Mensch« ge-
Liede sind, heißt es, >die vornehmsten Namen Gottes genübergestellt. Sodann wird der Gefahr einer Entar-
und Jesu nach dem ABC enthalten. Die Kinder können tung gesellschaftlichen Lebens gedacht und von
nicht nur die großen Buchstaben dabei kennen lernen,
sondern man kann sie auch die Verse als kurze Seufzer-
lein nebst den beistehenden Sprüchen auswendig lernen
lassen.< Ist die Jugend nicht zu beklagen, die aus einem
solch Buche sogar die Namen Gottes mit und nach dem
ABC auswendig lernen muß? Das heißt doch wol offen-
bar den Namen Gottes mißbrauchen.« (Friedrich Gedi-
ke, Gesammlete Schu/schriften, Berlin 1789, S. 436 ff.).
O.B.

1790
Kar/ Philipp Moritz (I 756-1793):
Neues A. B. C. Buch welches zugleich eine
Anleitung zum Denkenfor Kinder enthält.
Mit Kupfern.
Berlin 1790

Das Werk ist für den Erstleseunterricht gedacht.


Seine Absicht ist eine doppelte: Es will zum einen
Buchstaben- und Zahlenkenntnis vermitteln und
Stücke für die ersten Leseübungen liefern; zum
anderen sollen die Lesestücke zu einer ersten Be-
griffsklärung beitragen und eine elementare Auf-
klärung über die Bestimmung des Menschen ge-
ben.
Die Fibel besteht aus einem ABC-Teil und 26 Le-
sestücken. Zum ABC-Teil gehören zunächst die Alpha-
bete: das kleine und große deutsche, die zusammenge-
setzten Zeichen, das geschriebene und das kleine und
große lateinische Alphabet sowie die arabischen und rö-
mischen Zahlen (S. 3-6). Sodann die illustrierten
Buchstabentafeln: Es handelt sich um 9 Kupfertafeln Kar/ Philipp Moritz (1756-1793). Abbildung ent-
mit jeweils drei Abbildungen, die letzte Tafel mit nur nommen aus: Moritz, Kar/ Philipp: Mythologi-
zwei Abbildungen, die sich damit auf 26 belaufen. In sches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen.
den oberen Ecken der Abbildungen ist jeweils ein Buch- Berlin 1794 (Nr. 610). Frontispiz
897 Seiler, Allgemeines Lesebuch, 1790 898

»Pracht und Ueberfluß« gesprochen, denen die »Ge- hat die Uhr erst in Bewegung gesetzt. Der Mensch
nügsamkeit« entgegengehalten wird. Schließlich kom- aber bewegt sich durch seine eigenen Gedanken.«
men die Erfindungen des Menschen zur Sprache. Die (S. 29f.) Wie in der Kinderlogikwird jedoch auch
zwei folgenden Lesestücke handeln von Leben und Tod
hier die »Kunstwelt« wieder relativiert: »Die
(S. 26-28). Die Stücke 20 bis 22 bilden einen weiteren
Sinnabschnitt: Behandelt wird hier die Kunstwelt der Menschen können wohl gegen die wilden Thiere
vom Menschen und seinem Verstande hervorgebrach- streiten, aber gegen das Erdbeben, den Donner
ten Dinge, deren Vergänglichkeit gegenüber der großen und den Blitz, können sie nicht streiten. Die Wer-
Naturwelt hervorgehoben wird (S. 28-31). Die beiden ke der Menschen können leicht zerstört werden.«
nächsten Stücke handeln von den größten inneren Ge- (S.31)
fährdungen der Menschenwelt: von der menschlichen Einen Höhepunkt stellt wohl das Stück über
Hybris und Machtgier einerseits, von der gesellschaftli- die Ungleichheit dar. Ausgegangen wird von dem
chen Ungleichheit andererseits (S. 31-34). Den Ab- Unterschied der Größe zwischen einem Baum
schluß bildet ein Stück über die Vergänglichkeit, das
und einem Gras: »Die Pflanzen sind einander un-
sich an die allegorische Darstellung des beflügelten
Kronos anschließt, der in der Hand eine Uhr hält und ei- gleich. Die Menschen aber sind nicht so ungleich
ne Sense neben sich liegen hat. Die Schlußsätze spre- wie die Pflanzen. Die armen und niedrigen Men-
chen noch einmal das Thema des Bücherlesens an und schen sind ebenso gebildet wie die Reichen und
schlagen damit einen Bogen zu den ersten Lesestücken. Vornehmen.[ ... 1Einjeder Mensch ist Hülfe be-
dürftig. [ ... 1 Wenn reiche und vornehme Men-
Die »Anleitung zum Denken« besteht zu- schen das Fieber bekommen, so frieren sie eben
nächst darin, den Kindern die Bedeutung wichti- so sehr, wie die Armen und Niedrigen. Kein
ger philosophischer Begriffe soweit zu vermitteln, Mensch muß den andern gering schätzen. Denn
als sie von ihnen erfaßt werden kann. Nur ganz es ist die höchste Würde, ein Mensch zu sein.«
behutsam werden über die Begriffe hinausgehen- (S. 33 f.)
de Zusammenhänge oder Wertungen eingeführt.
Ein Nachdruck des Werkes ist 1980 in Frank-
Die Klärung der Begriffsinhalte vollzieht sich furt IM. erschienen. E.
hierbei ganz auf einer anschaulichen Ebene. Der
Unterschied zwischen Geist und Körper etwa
wird folgendermaßen eingeführt: »Den Körper
des Knaben kann ich sehen. Aber das Denken in 1790
ihm kann ich nicht sehen. Was ich aber selber den-
Georg Friedrich Seiler (1733-1807):
ke, das weiß ich. Denn das denken ist in mir.«
(S. 15 f.) Daß der Geist unsichtbar, im Inneren des
Allgemeines Lesebuch fo.r den Bürger und
Menschen ist und die Bewegungen des Körpers Landmann vornehmlich zum Gebrauch in
bestimmt, reicht Moritz an dieser Stelle zu seiner Stadt- und Landschulen.
Definition aus. Daß der Geist das Höchste des Erlangen 1790
Menschen ist, nimmt sich in der Fibel so aus:
»Das Denken ist eine angenehme Sache. Ich will Die vorliegende Ausgabe enthält keine über den
immer denken, was ich thue. « (S. 16) Titel hinausgehenden Angaben zum angespro-
Die Unmöglichkeit, in der wilden Natur zu chenen Leserkreis. Offensichtlich muß jedoch ei-
leben, demonstriert das Bild eines nackten Men- nigen Exemplaren eine Gebrauchsanweisung bei-
schen in einer wilden winterlichen Landschaft; gefügt gewesen sein, denn Seiler merkt am Schluß
die Vorteile des gesellschaftlichen Zusammenle- seiner Rechtslehren an:» Warum von Verbrechen
bens macht die Beschreibung eines warmen und Strafen hier nicht gehandelt wird, davon sol-
Wohnzimmers plausibel. »Eine warme Stube ist len die Ursachen in demjenigen Blatte der ge-
im Winter sehr angenehm. In der Wildnis ist keine meinnützigen Betrachtungen (Gemeinnützige Be-
warme Stube. [ ... 1Wer keine Wohnung hat, ist trachtungen der neuesten Schriften, welche Reli-
übel dran. Es ist gut unter andern Menschen zu gion, Sitten und Besserung des Menschenge-
wohnen.« (S. 22) Was unter »Pracht« zu verste- schlechts betreffen; Erlangen 1776-1800; d. Red.)
hen ist, legt Mo ritz so dar: »Der Herr des Hauses angegeben werden, in welchen ich überhaupt von
ist ein reicher Mann. Er hat viel mehr als er den Gründen der Einrichtung dieses Lesebuches
braucht. Einen goldenen Becher braucht man und vom Gebrauch desselben umständlich reden
nicht. Der goldene Becher ist nur zur Pracht.« und den ich für Eltern und Lehrer besonders ge-
(S. 23) Bemerkenswert sind die Abschnitte über druckt diesem Lesebuch beylegen lassen werde«
die Kunstwelt, in denen Moritz Gedanken aus der (S. 541). Baumgärtner (Lexikon der KJL, Bd. 3,
Kinderlogik wieder aufgreift. Moritz nimmt hier S. 37 4) führt aus: »In einem dem eigentlichen Le-
die Uhr als Beispiel für ein Produkt des menschli- sebuch vorangestellten Teil, >Vom Gebrauch die-
chen Verstandes: »In der Uhr offenbaret sich der ses Buches< legt S. dar, welche Abschnitte in sol-
Verstand des Menschen. [ ... 1Die Uhr ist an sich chen Landschulen gelesen werden sollen, in de-
ein lebloses Ding und steht still, sobald sie nicht nen nur im Winter unterrichtet wird, und welche
aufgezogen wird. Der Gedanke des Menschen Abschnitte in Schulen mit ganzjährigem Lehrbe-
899 ABC- und Lesebücher etc. 900

trieb hineinzunehmen seien; in Stadtschulen und Neben technischen Erläuterungen zur Verbesserung
in den unteren Klassen des Gymnasiums dagegen von Ackerbau und Viehzucht werden Anweisungen ge-
könne sein Buch> beynahe ganz, wie es ist, gelesen geben,» aufwas man beym Antritte oder Ankaufe eines
werden<.« Die Vorrangstellung der Themen aus Landgutes oder Bauernhofes zu sehen hat«, wozu der
Verfasser ausdrücklich anmerkt: »Dieser letzte Theil
dem landwirtschaftlichen Bereich, die auch auf
der Oekonomie ist nur allein für Erwachsene.« (S. 363)
andere Gebiete übergreifen, macht deutlich, daß Es schließen sich Ausführungen zur Pferdezucht an so-
ein Ziel des Lesebuches darin besteht, Kinder von wie »Gute Rathschläge, mancherley Vortheile zu erhal-
Landwirten in groben Zügen mit ihren späteren ten, Schaden zu entfernen, und in Noth sich zu helfen.«
Aufgaben bei Übernahme des elterlichen Hofes (S. 387-434) Hier finden sich Anweisungen zum Ver-
vertraut zu machen. So heißt es in der Einleitung halten in Krankheits- und Unglücksfällen von Mensch
zum Ökonomiekapitel: »Wollt ihr die von euren und Tier. Im siebten Kapitel wird der Aberglaube abge-
Eltern ererbten oder die angekauften Güter nach handelt (S. 435-467). Sehr ausführlich geht der Verfas-
der Absicht eures gütigen Schöpfers recht wohl ser auf Ursprung und Entwicklung des Aberglaubens
ein, erläutert die verschiedenen Deutungen und Kenn-
benutzen, so müsset ihr euch diejenigen guten
zeichen und gibt schließlich» Verwahrungsmittel gegen
Rathschläge merken, welche seit vielen Jahren Aberglauben« an, wozu vorrangig das Streben, »vor-
von klugen und erfahrenen Landwirtben und sichtig und klug, fromm und tugendhaft« zu werden, ge-
Bauern gemacht, und gesammelt worden sind.« hört. (S. 467) Es schließt sich eine »Geschichte der
(S. 287) Deutschen« an (S. 468-489), die ausgehend von Christi
Geburt sowohl die Geschichte des Christentums und
Das Werk vermittelt in II Kapiteln christliche und der Kirche als auch die weltliche Geschichte des deut-
moralische Grundsätze sowie Sachkenntnisse, die über- schen Reiches bis auf den »gegenwärtigen Zustand« in
wiegend am Erfahrungsbereich der Landbevölkerung knapper Form abhandelt. Das Kapitel schließt mit ei-
orientiert sind. Das Lesebuch beginnt mit einer Erdbe- nem Text über die »billigen Vorrechte der Regenten«
schreibung (S. 1-112). Zunächst wird die Beschaffen- (S. 488). Der folgende Abschnitt enthält »Gemeinnützi-
heit der Erde erläutert, der sich Ausführungen zu Euro- ge Rechtslehren« (S. 490-541), in denen sich Seiler mit
pa anschließen. Nach einer systematischen Auflistung privatem und öffentlichem Recht befaßt und eindring-
der Reichsstände und der Kreise in Deutschland folgt lich an seine Leser appelliert, bei Prozessen »christli-
eine Tabelle der wichtigsten Städte des Landes und ihrer ches Verhalten« zu üben (S. 539). Das Schlußkapitel ist
wirtschaftlichen Produkte. Den Beschluß des Kapitels nur für Erwachsene bestimmt und enthält jeweils einen
bilden kurze Tabellen zur Schweiz, zu Italien, den Nie- Anhang zur Sittenlehre (S. 544-550) und zur Oekono-
derlanden, Asien, Afrika, Amerika, Südamerika und mie; letzterer Abschnitt hat den Weinbau zum Gegen-
Palästina, dessen Beschreibung anhand der Bibel vorge- stand (S. 550-556). In den Sittenlehren wird z. T. in Fra-
nommen wird. Es schließt sich eine »Schlußbetrach- ge- und Antwortform, z. T. in Sprichwörtern vor Vorur-
tung zur Erdbeschreibung« an (S. II! ), die die Kinder teilen gewarnt und zur Erhaltung der Keuschheit ge-
zu Lob und Verehrung Gottes anhält, »der dieß alles ge- mahnt. Sodann folgen Maßgaben zur» Wahlanständig-
schaffen hat«. Es folgen »Sittenlehren und Klugheitsre- keit in dem Umgang mit andern« (S. 547). Ein besonde-
geln« (S. 120-197) in 80 kurzen Abschnitten. Sie enthal- rer Abschnitt wendet sich an »junge Profeßionisten und
ten Beispielerzählungen und Ermahnungen. Das Kapi- Handwerksleute«, in dem Ratschläge zum Verhalten in
tel beginnt mit dem Verhältnis des Menschen zur Obrig- den Lehrjahren und während der Wanderschaft gege-
keit, das auf» Hochachtung« beruhen solle, führt über ben werden (S. 548 ff.).
die Thematisierung verschiedener moralischer Tugen-
den und Untugenden zum Verhalten in der Gesellschaft
und wird beendet mit religiösen Themen. Abgeschlos- Baumgärtner (a. a. 0.) zählt Seilers Lesebuch
sen wird das Kapitel mit »Sitten und Klugheitsiehren in zur Gattung »realistisches Lesebuch«, da seine
200 Sprüchwörtern«. Die Sittenlehren geben z. T. in vorrangige Aufgabe in der Vermittlung von Sach-
stark verkürzter Form Inhalte der Beispielgeschichten wissen aus verschiedenen Bereichen liege. Er
aus Rochows Kinderfreund ( 1776) wieder, oder es wird führt weiter aus: »Der Typus des realistischen Le-
zum Schluß zur Veranschaulichung des Gesagten auf sebuchs ist freilich insofern nicht ganz rein ver-
sie verwiesen.
wirklicht, als das Kapitel >Sitten- und Klugheits-
Das dritte Kapitel enthält »Uebungen des Ver-
standes und Witzes« (S. 200-203). Nach Erläuterungen lehren< neben Texten anderer Herkunft auch ei-
zur Nützlichkeit von Verstandesübungen werden ver- nige Geschichten aus dem >Kinderfreund<
schiedene Begriffe wie das Prinzip von Ursache und ( 177 6-1779) [ ... ] enthält, der gebräuchlicher Le-
Wirkung, Zweck und Mittel, Notwendigkeit und Zufall sebucheinteilungzufolge als vorwiegend> Morali-
gegeneinander abgegrenzt und Ausführungen zur Er- sches< Lesebuch angesehen wird.« Dieser Kom-
kenntnisfähigkeit, zur Beurteilungs- und Einbildungs- plex stellt einen Kanon von Tugenden und Untu-
kraft des Menschen gegeben. Kapitel IV vermittelt das genden auf, die überwiegend religiös begründet
»Nöthigste aus der Naturlehre« (S. 204-273). Der Ab- werden. Es läßt sich in der Anordnung der einzel-
handlung der vier Elemente folgen Texte zur Beschaf-
nen Texte insofern eine Systematik erkennen, als
fenheit des menschlichen Körpers, zur Tier- und Pflan-
zenwelt und zur Geologie und Mineralogie. Kapitel V sie ausgehend von der »Hochachtungs-, Gehor-
behandelt Kosmologie und Zeitrechnung (S. 274-286). sams- und Dankbarkeitspflicht« gegenüber Staat
Die folgenden zwei Kapitel sind die umfangreichsten und Gesellschaft, auf die konkrete Umwelt des
des Lesebuchs. Hier wird zunächst das Thema »Oeko- Kindes, d. h. ihr Verhältnis zu den Eltern, überlei-
nomie und Landwirthschaft« behandelt (S. 287-386). ten und zur Thematisierung bestimmter sittlicher
901 Seiler, Allgemeines Lesebuch, 1790 902

Werte wie Wahrheitsliebe, Friedfertigkeit, De- men; sie werden ungenügsam und boshaft, wenn
mut, Wohltätigkeit, Fleiß, Barmherzigkeit führen, sie nicht alles bekommen was sie wünschen, und
denen häufig ein negatives Beispiel gegenüberge- wenn ihnen andere immer mehr Lohn verspre-
stellt wird. Ein weiterer Komplex von Erzählun- chen.« (S. 142)
gen befaßt sich anschließend mit unglücklichen Es wird im Rahmen der Sittenlehren keine
und glücklichen Lebenssituationen, die als Beloh- strenge Trennung ersichtlich zwischen Texten für
nung oder Strafe Gottes betrachtet werden. Der Kinder und Texten für Erwachsene, obwohl sich
letzte Teil-ca. 15 Erzählungen- behandelt das noch ein besonderer Anhang nur für die erwach-
Verhältnis des Menschen zu Gott. senen Leser am Schluß des Buches befindet. Hier
Einen zentralen Stellenwert nimmt die Be- zieht der Verfasser gegen weitverbreitete Vorurtei-
handlung des staatsbürgerlichen Gehorsams ein. Je zu Felde. So wendet er sich dagegen, einen
Seiler betrachtet die Obrigkeit als von Gott einge- Menschen aufgrund seiner Abstammung oder
setzt und von daher über jede Kritik erhaben. seines Reichtums zu beurteilen; er ist vielmehr
Gott habe dem Menschen zur Pflicht gemacht, der Auffassung, daß der Wert eines Menschen al-
der Obrigkeit untertan zu sein; daher bedeute je- lein durch seine Handlungsweise bestimmt wer-
des Vergehen gegen den Staat zunächst einmal ei- den könne: »Sind nicht auch viele vornehme Leu-
ne Mißachtung des göttlichen Willens: »Sollten te Mörder, Ehebrecher und Ehebrecherinnen ge-
wir Gott nicht danken, der uns alle diese großen wesen; war dieß deswegen recht, weil sie vorneh-
Wohlthaten durch die Anordnung der Obrigkeit me Leute waren?« (S. 542) Obwohl diese Sitten-
bisher erwiesen hat? Was sind wir diesen Vätern lehren ausdrücklich für Erwachsene bestimmt
und Versorgern der Unterthanen schuldig?« sein sollen, wendet sich Seiler auch hier direkt an
(S. 113) Diese Fragen finden ihre Beantwortung die Kinder, um sie zu korrektem Verhalten in der
in dem letzten Abschnitt der »Geschichte der Gesellschaft anzuleiten. Es ist davon auszugehen,
Deutschen«, in dem sich Seiler mit den »billigen daß dieses Kapitel nicht so sehr der Unterweisung
Vorrechten der Regenten« befaßt. Um die »gute Erwachsener dienen soll, sondern eher als Leitfa-
Ordnung« zu erhalten und die »Glückseligkeit den für sie beim Unterricht der Kinder gedacht
der Menschen« zu befördern, »müssen die Re- ist. So sind von Zeit zu Zeit didaktische Hinweise
genten und Landesherrn sehrvielen Personen den für die Lehrer eingefügt.
Lebensunterhalt reichen [ ... ]. Daher ist es Seiler setzt sich sehr ausführlich mit dem
nothwendig, daß die Unterthanen das Ihrige hie- Aberglauben auseinander, den er als »die gefähr-
zu beitragen.« Seiler weist daraufhin, daß es »un- lichste Krankheit der Seele, eine Pest die an-
billig« sei, wenn die Unterthanen nur die Vorteile steckt« bezeichnet, da er die Menschen von Gott,
genießen, nicht aber die Lasten tragen wollten, Religion und Tugend abwende (S. 435). Da gera-
und betont, daß Steuern »von christlichen Unter- de auf dem Land der Wunder- und Gespenster-
thanen mit der größten Bereitwilligkeit« entrich- glaube noch weit verbreitet sei, sucht Seiler seine
tet werden sollten (S. 488). Das Kapitel schließt Leser überzeugend aufzuklären, indem er sich be-
mit einem Appell an die »guten Unterthanen«, sonders mit Themen beschäftigt, die aus dem Be-
»auch in Zeiten der Noth, wenn ein Krieg dem reich der Landwirtschaft kommen. So erklärt er
Vaterland droht, oder eine Theurung entsteht denn die natürliche Ursache verschiedener Er-
[ ... ], zur Beschützung der Gränzen, zur Besie- scheinungen, die bei »behextem« Vieh zu beob-
gung der Feinde, zur Minderung des allgemeinen achten seien. In seiner »Abfertigung einiger aber-
Elendes das Ihre beyzutragen. Es sind daher die- gläubischer Meynungen« (S. 455) geht er mit die-
jenigen keine guten getreuen Unterthanen, wel- sen hart ins Gericht: »Läuft dir, beydem Antritt
che in ihren Abgaben betrügen, Zölle überfahren deiner Reise, ein Haase oder eine Maus über den
oder sonst durch List und Lügen sich durchzuhel- Weg, da wirst du nicht glücklich fahren. Antw.
fen suchen, wenn sie die gerechten Forderungen Wer hat dir denn die Mäuse und Haasen zu Pro-
der Obrigkeit erfüllen sollen.« (S. 489) pheten gesetzt? Elender Zeichendeuter, hast du
Einige der Sittenlehren wenden sich speziell so wenig Vertrauen auf Gott, der alles zum Besten
an die begüterte Landbevölkerung und greifen der Seinen wenden kann?« (S. 457 f.) Seiler been-
Themen aus ihrem Erfahrungsbereich auf. So bei- det das Kapitel mit einer Erzählung über eine »al-
spielsweise die Ausführungen zu der Frage>> War- te listige Frau«, die dem Bürgermeister eines Dor-
um man Gesinde nicht abspenstig machen soll« fes ihre Fähigkeiten als Wahrsagerin anpreist:
(S. 141 ), in denen den Landwirten geraten wird, »Der Schulze antwortete: ihr altes böses Weib!
sich nicht gegenseitig Mägde und Knechte abzu- wisset ihr nicht, daß Gott die Wahrsagerinnen aus
werben, denn dadurch »verderbt man nach und dem Land zu jagen, daß die Obrigkeit sie mit har-
nach alle Dienstboten; denn sie werden deswegen ten Strafen zu belegen geboten hat? Wird Gott
stolz; sie bilden sich was darauf ein, daß jeder sie durch die Karten künftige Dinge offenbaren,
an sich ziehen will; sie werden zum theil auch faul oder bildet ihr euch ein, ein Werkzeug des bösen
und ungehorsam, weil sie sich darauf verlassen, Geistes zu seyn, der euch verborgene Dinge offen-
daß sie bald wieder einen andern Dienst bekom- baren soll? Fort aus dem Dorfe du abergläubische
903 ABC- und Lesebücher etc. 904

Heidin! gehe hin in die Stadt, wo noch so dumme 1791


Leute sind, die sich aus Kartenschlagen die Zu-
kunft offenbaren und aus Coffeetassen weissagen Friedrich Gedike (1754-1803):
lassen.« (S. 458 f.) Hierwird deutlich, daß das Le- Kinderbuch zur ersten Übung im Lesen ohne
sebuch vorrangig zur Aufklärung der Landbevöl- A B C und Buchstabiren.
kerung beitragen soll. Dies geschieht sowohl auf Berlin 1791
sachlich-informierender Ebene, indem Seiler die
neuesten Erkenntnisse aus dem Bereich der Land-
wirtschaft weitergibt, als auch auf dem Gebiet von Gedikes Kinderbuch zur ersten Übung im Lesen
Sitte, Moral und Religion. ist ein Lesebuch für den Anfangsunterricht, das
Das Lesebuch Seilers hatte große Resonanz. Bis vor allem für die häusliche Erziehung kleiner Kin-
1830 erlebte es 22 -z. T. mit neuen Zusätzen versehene- der durch Eltern, besonders Mütter, und Hofmei-
Auflagen. Büchling (1792, S. 153f.) verzeichnet im ster gedacht ist. Den Gebrauch des Buches in ei-
Ersterscheinungsjahr 1790 bereits eine 2. verbesserte ner größeren Zahl von Schulen schließt Gedike
Auflage, die einige neue Teile enthält und charakteri- aus: »Für gewöhnliche Schulmeister, die zu sehr
siert das Werk als »recht brauchbarund gemeinnützig« am hergebrachten Schlendrian hängen, ist dies
(S. 153). Daneben wurde es von verschiedenen Autoren Buch freilich nicht bestimmt. Dazu ist es auch zu
für unterschiedliche Leserkreise bearbeitet. So weist theuer. « (Vorrede, S. VIII) In der Tat dürften die
beispielsweise Büschling darauf hin, daß der »gelehrte
und würdige katholische Geistliche in Erlangen, Hr.
hohen Anschaffungskosten für das Werk seinen
Sauer, [ ... ] für das katholische Deutschland eine Aus- Gebrauch in weniger bemittelten Schichten aus-
gabe besorgt« habe. In derTat findet sich in Feders Ma- geschlossen haben: Der Preis liegt mit 12 Gro-
gazin zur Beförderung des Schulwesens (I. Bd., 3. H., schen für ein Lesebuch ungewöhnlich hoch; er ist
S. 33 f.) die Anzeige: Allgemeines Lesebuchfür katholi- durch die aufwendige Ausstattung des Buches -
sche Bürger und Landleute für Stadt- und Landschulen mehrere Bögen sind zweifarbig und zudem auf
eingerichtet von einem katholischen Geistlichen in Fran- teurem Schreibpapier gedruckt- bestimmt.
ken, Neue, in vielen Stellen berichtigte und vermehrte In einer ausführlichen Vorrede entwickelt
Auflage. Bey Göbhard 1791. Weiter heißt es, daß das Gedike seine analytische Methode des Lesenler-
Lesebuch »bereits in mehreren Ländern in Schulen ein-
geführet, und mit dem größesten Nutzen gebraucht wor-
nens. Er geht dabei aus von einer Kritik der ver-
den« sei. Nach der Inhaltsangabe Feders ist das Werk schiedenen Buchstabier- und Syllabiermethoden
identisch mit dem Original. Auch Bünger (1898, in den ABC- und Lesebüchern seiner Zeit: »Nach
S. 170 ff.) vermerkt- nach einer kritischen Stellungnah- der gewöhnlichen Methode lernt das Kind erst
me zu Seiler, dem er bescheinigt, er sei in seinem Lese- mit vieler Mühe die einzelnen Buchstaben, so wo!
buch »mit der Verplattung der Lesebuchstoffe auf die die großen als die kleinen, kennen. Die Figur ei-
gemeinste Nützlichkeit am weitesten von allen gegan- nes einzigen Buchstaben kostet dem Kind mehre-
gen« - die katholische Bearbeitung, gibt allerdings als re Tage, ja mehrere Wochen und Monate, und
Ersterscheinungsjahr 1804 an. Auch bei dem Bauern-
doch verwechselt es alle Augenblikke die Buch-
freund, ein allgemein nützliches Lesebuch für Bürger
und Landleute, wie auch für Stadt- und Landschulen, staben mit einander, weil das Bild des bloßen
von einem katholischen Landgeistlichen eingerichtet. Buchstaben einen zu schwachen Eindruk auf das
Neue, verb. Aujl., Fran/ifurt und Leipzig 1794 (I. Aufl. Auge und die Imagination eines Kindes macht,
laut Heinsius ebenfalls 1794) handelt es sich um eine und sich mit gar keiner Idee associirt. ( ... ] Nach
wörtliche Übernahme des Seilersehen Lesebuchs. Es der herrschenden Methode lernt ferner das Kind
fehlt lediglich das erste Kapitel mit der Erdbeschrei- erst die Theile(die Buchstaben), dann das Ganze
bung. In den Abschnitten für Erwachsene finden sich (das Wort) kennen, da es sonst umgekehrt seine
folgende Zusätze: »Von der Bienenzucht«, »Von den Ideen einsammlet, und erst von dem Begrif des
Seidenwürmern«, »Von der wilden Baumzucht«, die
Ganzen, wofern dieses Ganze nicht für den Ver-
laut Büschling in späteren Auflagen des Originals eben-
falls hinzugefügt worden sind. Der Bauernfreund stand der Kinder zu ungeheuer ist, zur genauen
schließt mit einem » Beytrag zur Einführung besserer Beachtung der Theile derselben übergeht. Ueber-
Tischgebete«, einer kurzen »Anleitung zum Briefe- haupt ist wo! die synthetische Methode, die den
schreiben« und dem Kapitel »Titulaturen, Addressen Verstand von den Theilen zum Ganzen, von den
oder Aufschriften der Briefe Konto sc.«. So ist davon Gründen zur Folge führt, mehr Gang der Kunst
auszugehen, daß es sich hierbei um einen Nachdruck und des Systems, als der Natur, mehr dazu ge-
der katholischen Fassung von Franz Xaver Sauer han- macht, das schon Erkannte und Erforschte zu
delt. Noch im 19. Jahrhundert erschienen Bearbeitun- ordnen, als zu erkennen und zu erforschen. Die
gen des Seilersehen Lesebuchs. So vermerkt Kayser ein analytische Methode, die rükwärts von dem Gan-
Allgemeines Lesebuch für Militärschulen ( 1830) und für
Sonn- und Feiertagsschulen (1830) von W. Friedrich,
zen zu den Theilen, von den Folgen zu den Grün-
die ebenfalls auf Seilers Werk zurückgehen. H. den fortschreitet, ist unstreitig der natürliche
Gang des menschlichen Geistes, vornehmlich des
sich erst entwickelnden Geistes. Sollte es denn
nur hier widersinnig sein, von der Wahrnehmung
des Ganzen zur Kenntnis der Theile überzuge-
905 Gedike, Kinderbuch, 1791 906

hen? Man hat lange genug die Kinder nach syn- aus der Naturgeschichte, aufgegliedert nach dem Tier-,
thetischer Methode gequält, um sie durch Buch- Pflanzen- und Mineralreich. Die Sätze sind zumeist den
staben die Wörter kennen zu lehren. Wie, wenn Naturgeschichten Büschings und Blumenbachs ent-
wir es einmal analytisch versuchten, und umge- lehnt (vgl. Vorrede, S. VIII).
Hierauf folgen verschiedene Sprichwörter
kehrt die Kinder übten, durch die Wörterund zu-
(S. 107-112). Die Sprichwörtersind auf der Vorderseite
gleich mit den Wörtern die Buchstaben kennen zu in deutscher, auf derRückseite in lateinischer Schrift ge-
Jemen.« (Vorrede, S. II, Hervorhebungen durch druckt, um die Kinder auch zum Lesen der lateinischen
Gedike) Schrift zu gewöhnen. Daran schließen sich zusammen-
hängende Lesestoffe in Form kleiner Geschichten und
Das Kinderbuch zur ersten Übung im Lesen läßt FabelnfürKinderan(S.ll4-145). VonS. 107bisS. 124
sich in drei aufeinanderfolgende Stufen einteilen: die sind die Lesestücke wie schon vorher die Sprichwörter
erste Stufe umfaßt Vorübungen im Lesen einzelner auf der Vorderseite in deutscher, auf derRückseite in la-
Wörter, die zweite Stufe Übungen im Lesen ganzer Sät- tenischer Schrift gedruckt, ab S. 125 wechselt die deut-
ze und die dritte Übungen im Lesen zusammenhängen- sche mit der lateinischen Schrift. Die Lesestücke - sie
der Texte in Vers und Prosa. sind allesamt von bekannten Kinderschriftstellern ent-
Die ersten 31 Seiten des Werks befassen sich mit lehnt- behandeln zumeist die gängigen Folgen von Tu-
den kleinen Buchstaben des Alphabets. Der Reihe nach genden und Lastern und geben kurze Verhaltensregeln,
werden zuerst die Vokale und Diphthonge, anschlie- die häufig in die Form kontrastiver Beispielgeschichten,
ßend die Konsonanten behandelt. Jedem Buchstaben bisweilen auch in die Form kleiner dramatischer Szenen
ist in der Regel eine Seite vorbehalten. Am Kopf der Sei- gekleidet sind.
te ist der jeweilige Buchstabe jeweils rot ausgedruckt, es Auf den Seiten 146 und 147 sind, jeweils in zwei
folgen darauf einzelne Wörter, die diesen Buchstaben Spalten unterteilt, Worte in Druckschrift Worten in
am Anfang haben, dann Wörter, in denen der Buchsta- deutscher Kurrentschrift gegenübergestellt, damit die
be in der Mitte erscheint. Die Wörter der ersten Zeile Kinder sich auch an die Schreibschrift gewöhnen. Dem
kommen insgesamt viermal vor: einmal in Rotdruck, gleichen Zweck dienen einige »Kurze Sätze aus der Na-
einmal in Schwarzdruck; einmal erscheint lediglich der turgeschichte« (S. 148-154), die die Schüler vorher
entsprechende Buchstabe in Rot, ein weiteres Mal die- (S. 80 ff.) schon in Druckschrift zu lesen gelernt haben,
ser nur in Schwarz. Die Wörter der anderen Zeilen kom- und die ihnen hier in Schreibschrift vorgestellt werden.
men jeweils mindestens zweimal vor, indem einmal der
dominierende Buchstabe allein in Rot, das nächste Mal
Mit seinem Kinderbuch zur ersten Übung im
jedoch in Schwarz ausgedruckt wird. Auf diese Weise
»prägt sich unvermerkt in die Imagination des Kindes Lesen verwirklicht Gedike in Grundzügen das
nicht nur das Bild des ganzen Wortes, sondern auch ne- Konzept eines Lesebuches, das er in seiner be-
benher, obgleich dunkler, das Bild jedes einzelnen, vor- rühmten Rede »Einige Gedanken über Schulbü-
nehmlich aber des auf jeder Seite durch den Druk be- cher und Kinderschriften« (1787) entwickelt hat-
sonders herausgehahnen Buchstaben.« (Vorrede, S. V) te. In dieser Rede, in der er die Geschäftemache-
Erleichtert wird das Lesenlernen dadurch, daß Gedike rei mit der Kinderliteratur und den » Iitterarischen
zumeist einsilbige Wörter anführt. Durch die Vertau- Puppenkram« eines »unabsehlichen Schwarms
schung der einzelnen Wörter in den Wiederholungsrei- von Skribblern« an den Pranger stellte, nimmt
hen wird vermieden, daß die Kinder allein schon aus der
Gedike eine deutliche Unterscheidung von Lehr-
Stellung eines Wortes schließen können, um welches
Wort es sich dabei handeln muß. Bei verschiedenen buch und Lesebuch vor (vgl. Friedrich Gedike,
Wörtern ist Gedike »mit Fleiß von der Observanz abge- Gesammlete Schulschriften, Berlin 1789,
wichen, um dem Kinde durch Weglassung eines in der S. 422-466). Für den Anfangsunterricht lehnt er
Aussprache nicht gehörten Buchstaben das Lesen des den Gebrauch von Lehrbüchern ab: »Für Anfän-
Worts zu erleichtern.« (Vorrede, S. VI) ger jeder Art bedarf es eigentlich gar keine Lehr-
Auf den Seiten 32 bis 40 lernen die Kinder die gro- bücher, sondern nur Lesebücher. Man kann frei-
ßen Anfangsbuchstaben kennen, wobei Gedike zu- lich jedes Buch und also auch ein eigentliches
nächst aus dem vorher benutzten Wortmaterial schöpft, Lehrbuch zum Lesebuch machen, und das ge-
um später (S. 37-40) durch geographische Namen die
schieht häufig genug, besonders in den niedem
ganze Folge des Alphabets vorzustellen. Auf den Seiten
41 bis 46 finden sich solche Wörter, die sich nicht mehr Schulen, wo man sogar den Katechismus als ei-
am Anfang, sondern am Ende gleichen; auch hierbei be- gentliches Lesebuch gebraucht. Aber die unaus-
nutzt Gedike etliche der schon bekannten Wörter. Auf bleibliche Folge ist, daß Kinder sich früh gewöh-
den Seiten 47 bis 73liefert Gedike kurze Sätze, in denen nen, ohne Verstand und Empfindung zu lesen.«
jeweils mehrere Wörter mit dem gleichen Anfangsbuch- (Gesammlete Schulschriften, S. 430f.) Als Krite-
staben vorkommen, z. B.: »Warm Wetter ist im Winter rien für ein gutes Lesebuch nennt Gedike: Ver-
selten.« (S. 72) oder» Die Thee Tasse wird aus Thon ge- ständlichkeit und Faßlichkeit; anlockender In-
macht« (S. 69). In der Regel ist hier ebenfalls einem halt, der sich auf den Erfahrungsbereich der Kin-
Buchstaben eine Seite vorbehalten. Die Sätze sind zu- der bezieht; leichte, faßliche und angenehme Prä-
meist so gehalten, daß die Kinder ihnen unbekannte
Wörter im Analogieschluß aus dem Sinnzusammen- sentation des Stoffes ( Gesammlete Schulschriften,
hang ermitteln können. Auf die gleiche Art werden auf S. 431 ). Das Lesebuch soll zwar nicht systema-
den Seiten 74 bis 79 die schon S. 37 ff. gelehrtengeogra- tisch, aber geordnet sein. Schon früh sollen die
phischen Namen zu kurzen Sätzen zusammengefaßt. Kinder mit der Literatur bekannt werden: »[ ... ]
Die Seiten 80 bis I 06 versammeln kurze lehrreiche Sätze selbst in den ersten Klassen sollte eine nach einem
907 ABC- und Lesebücher etc. 908

bestimmten Plan geordnete Sammlung aus den 1791


vorzüglichsten Schriftstellern derdeutschen Litte-
ratur als Lesebuch gebraucht werden, um den Justus Gottfried Reinhardt (1759-1841):
Jüngling nicht nur mit der Geschichte der deut- Der Mädchenspiegel oder Lesebuchfiir
schen Litteratur, sondern auch mit den Eigen- Töchter in Land- und Stadtschulen ganz
thümlichkeiten jeder Gattung des Stils praktisch nach dem von Rochowschen eingerichtet.
bekannt zu machen; um die Regeln einervernünf- 2., vermehrte und verbesserte Auflage
tigen Interpretation auch auf deutsche Schriftstel-
ler, besonders Poeten anwenden zu lassen; um
Halle 1794
dem Jüngling zu zeigen, wie er lesen müsse, um
aus seiner Lektur reelen Nutzen zu ziehen; und Reinhardts Mädchenspiegelist gedacht als ein Le-
endlich, um zugleich Fertigkeit, nicht blos richtig, sebuch für Mädchen in Stadt- und Landschulen,
sondern auch schön zu lesen, zu befördern.« (Ge- wobei die Texte aus dem bäuerlich-ländlichen Be-
sammlete Schulschriften, S. 4l4f.) reich allerdings überwiegen. Die drei Abteilun-
Gedike ist es mit seinem Kinderbuch zur er- gen, in die es gegliedert ist, wenden sich, wie aus
sten Übung im Lesen, das er für seine fünfjährige den Stücken deutlich wird, an verschiedene Al-
Tochter zum Lesenlernen schrieb (vgl. Vorrede, tersklassen- an die jüngsten Mädchen, die gerade
S. II), gelungen, diesen Ansprüchen gerecht zu erst mit der Schule beginnen (ca. sieben Jahre alt;
werden. Wenngleich das Buch offenbar auch nur vgl. das l. Stück »Schule«, das vom Schulanfang
einen verhältnismäßig geringen Erfolg hatte im eines kleinen Mädchens erzählt), an etwas ältere
Vergleich zu anderen Lesebüchern seiner Zeit- es Mädchen (2. Abteilung) und schließlich an Mäd-
erlebte lediglich eine zweite Auflage ( 1798) -, so chen, die die Schule bald verlassen werden (3. Ab-
hat Gedike doch einen neuen Typus eines Lese- teilung).
buchs für den Anfangsunterricht geschaffen. Es Der Mädchenspiegel soll, wie der Verfasser
unterscheidet sich von den Werken, die die Kin- im Vorwort zur 2. Auflage seine pädagogischen
der nach den schwerfälligen Buchstabier-, Sylla- Intentionen umschreibt, der weiblichen Jugend
bier- oder Litteratmethoden das Lesen lehren nicht »bloß zu einem angenehmen Zeitvertreibe
wollen - »ABC Philosophie« nennt sie Gedike dienen [ ... ] er soll vielmehr- außer der Uebung
spöttisch ( Gesammlete Schulschriften, S. 434) -, im richtigen Lesen und Wiedererzählen- auch zu-
wie auch durch das spielerische Erlernen der gleich dem Lehrer Winke geben, wie er von der so
Buchstaben mithilfe von Lesemaschinen, Ruch- wichtigen und vielfachen Bestimmung und von
stabenkeksen usw. dadurch, daß Gedike von den den mannigfaltigen Geschärften des weiblichen
Verstandeskräften der Kinder ausgeht und ihrem Geschlechts recht oft und recht viel mit Nutzen re-
logischen Erkenntnisgang folgt: »Die natürliche den solle« (S. V). Nur wenn der Lehrer geschickt
Entwikklung einzelner Menschen geht eben den genug sei, die Stücke als Anlaß für weiterführende
Gang, wie die des ganzen Menschengeschlechts. Gespräche zu benutzen, könnten auch solche
Sinnlicher Eindruk - Begrif - Streben seine Be- weiblichen Kenntnisse abgehandelt werden, die
griffe mitzutheilen - Sprache - Bilderschrift für trotzder Erweiterungen der 2. Auflage durch das
sinnliche Ideen- Hieroglyphenschrift für Natio- Buch selbst nicht hätten abgedeckt werden kön-
nen - endlich Buchstabenschrift- dis ist die Stu- nen.
fenfolge, nach der die Ausbildung der Mensch- Die vorliegende 2. Auflage des Mädchenspiegels
heit überhaupt und noch itzt die Ausbildungjedes enthält 178 Stücke. Neben moralisch-belehrenden Bei-
einzelnen Menschen geschieht, oder vielmehr ge- spielgeschichten, die zahlenmäßig überwiegen, stehen
schehen würde und müßte, wenn man die Natur Sentenzen, Lieder und sachlich-belehrende Texte, die
allein wirken ließe, oder höchstens, statt ihr Hän- zumeist ebenfalls in eine Geschichte oder ein Gespräch
de und Füße zu binden, ihr auf ihrem Gange eingekleidet sind. In den Gesprächen wird zum Teil die
nachhülfe.« (»Einige Gedanken über die Uebung sokratische Methode verwandt. Viele Geschichten sind
wörtlich oder mit Veränderungen aus dem I. oder 2.
im Lesen«, in: Gesammlete Schulschriften, Band von Rochows Lesebuch Der Kindeifreund über-
S. 374f.) 0. B. nommen; wie bei Rochow finden sich Vorbild-, Ab-
schreck- und (nur selten) Kontrastgeschichten. Außer-
dem hat der Autor, wie er im Vorwort selbst angibt, in
die 2. Auflage Stücke aufgenommen, die sich auf Ger-
mershausens Die Hausmutter in a/1 ihren Geschäfften
stützen.
Die I. Abteilung, die sich an Mädchen wendet, die
eben erst lesen lernen (vgl. »Lehrreiche Sentenzen für
die Anfänger im Lesen«), hat den geringsten Umfang-
sowohl was die Anzahl der Stücke (1.-32. Stück) als
auch die Länge der einzelnen Texte angeht. Die Ge-
schichten stellen von dem Kinde zu erwerbende Tugen-
den (z. B. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Wohltätigkeit)
909 Reinhardt, Der Mädchenspiegel, 1791 910

bzw. kindliche Fehler und Untugenden (wie Nasch- sterder Rochowschen Geschichten geschrieben. Nur ei-
sucht, Stehlen, Hehlen, Tierquälerei) dar. Zu den sach- nige sachlich belehrende Texte der 3. Abteilung, die we-
lich-belehrenden Texten (z. B. über Bachsanbau oder der in ein Gespräch noch eine Geschichte eingekleidet
über die verschiedenen Stationen, die das Korn bis zum sind, verlassen diesen Rahmen (»Wie und womit bringt
fertigen Brot durchläuft) gehören auch solche, die in er- man die verschiedenen Recke aus der Wäsche?«, »Ver-
ste logische Zusammenhänge einführen (»Das Bild schiedene Gewürze, bey deren Einkauf und Gebrauch
oder der Schein betrügt«; »Aehnlich und Unähnlich«) Vorsicht nöthig ist«). Schließlich baut auch die Gliede-
oder, anknüpfend an die sachliche Belehrung, religi- rung, obwohl durch die Einteilung in drei Abteilungen
ösen Anfangsunterricht geben (»Die Mutter und das (bzw. Altersstufen) straffer konzipiert als bei Rochow,
Kind«, >>Die lange Tafel«). Die Hauptfiguren fast sämt- auf der Gliederung des Kindeifreundes auf; so stellen ja
licher Stücke sind kleine Mädchen (oder allgemein Kin- schon bei Rochow die Stücke in ihrer Aufeinanderfolge
der). den immer größer werdenden Lebenskreis vom Kind in
Die Stücke der 2. Abteilung, die sich an etwas älte- der Familie bis zum Erwachsenen in seinem gesell-
re Mädchen wenden, haben sowohl Mädchen als auch schaftlichen Umfeld und in seiner natürlichen Umwelt
(in stärkerem Maße) erwachsene Frauen als Hauptfigu- dar. Schließlich bleibt auch der Gesamttenor des Ro-
ren. Sie bewegen sich zum Teil innerhalb und zum grö- chowschen Kindeifreundes in dem Reinhartsehen Mäd-
ßeren Teil außerhalb des engeren Bereichs der kindli- chenspiegel weitgehend erhalten; die Mädchen und
chen Erfahrungswelt, indem sie der Leserin Tugenden Frauen auf dem Lande und der unteren Stände in der
und Laster von Erwachsenen vorführen. In einigen Fäl- Stadt sollen besser ausgebildet werden, damit es ihnen
len sind beide Bereiche miteinander verknüpft (die er- innerhalbihres Standes besser geht. Die Verbesserungs-
wachsene Tochter, die den Eltern gegenüber ihre Dank- vorschläge bewegen sich damit im Rahmen des aufge-
barkeit erweist; Gespräch zwischen Vater und Tochter klärten absolutistischen Staates.
über weibliche Berufsmöglichkeiten bzw. »Berufsge-
schäffte«). Sachliche Belehrungen enthalten z. B. die Im Mittelpunkt des Lesebuchs stehen - ne-
Stücke über den Seidenbau und die Schweinezucht ben der allgemeinen Tugenderziehung und der
Die 3. Abteilung, die bei weitem umfangreichste Erziehung zu den Standespflichten - die medizi-
(92.-178. Stück) mit den längsten Texten, in denen nur
nische Aufklärung (Verhaltensregeln zur Vermei-
erwachsene Frauen (oder Ehepaare oder Gruppenvon
Erwachsenen) als Hauptfiguren auftreten, stellt die Er- dung von Krankheiten und im Krankheitsfalle,
wachsenenwelt vor allem aus dem weiteren Blickwinkel für die Kinderpflege ), der Kampf gegen den
der Ständepflichten und allgemeinen Lebensverhältnis- Aberglauben und die Werbung für fleißigen
se dar. Dazu gehört auch die große Zahl sachlich-be- Schulbesuch bzw. den Nutzen in der Schule er-
lehrender Stücke, die über das richtige Wirtschaften im worbenen Kenntnisse. Besonders auffällig ist die
Haus belehren oder einen allgemeinen volksaufkläreri- Werbung für die Pockenschutzimpfung (über-
schen Charakter haben (Themen: Kinderpflege, Impf- nommen aus dem 2. Band des Kinderfreundes) so-
schutz gegen Pocken, Wöchnerinnnenschutz, Verhal- wie das Plädoyer für die Verschiebung der Kind-
tensregeln bei Krankheiten, Kampf gegen Aberglau-
taufe auf eine Zeit, wo die Mutter bereits vom Wo-
ben).
chenbett aufgestanden ist(» Die Kindtaufe«). Im-
Die Anlehnung an den Kindeifreund von Rochow
ist sehr eng. Geschichten, die bereits bei Rochow eine
mer wieder wird in den Geschichten außerdem
weibliche Hauptfigur haben, wurden - abgesehen von vor Quacksalbern und weisen Frauen gewarnt
kleinsten Veränderungen - wörtlich übernommen und dazu ermahnt, im Krankheitsfalle zum Arzt
(»Das aufrichtige Kind«, »Die neidische Nachba- zu schicken oder zumindestens den Dorfprediger
rinn«). Bei anderen genügte die Ersetzung der männli- um Rat zu fragen; gerade dieser erscheint (neben
chen Hauptfigur durch eine weibliche (»Der kleine dem Arzt und dem Schullehrer) immer wieder als
Dieb«, »Das Bild oder der Schein betrügt«). Dort, wo Träger und Verkünder einer aufgeklärten, ver-
von Rochow bestimmte Arbeitstätigkeiten erwähnt wer- nünftigen Lebenshaltung.
den, wurde mit dem Geschlecht auch der Arbeitsbereich Während der kranke Mensch vernünftige
verändert. Statt des Knechtes, dervon seinem Herrn mit
Pflugeisen in die Stadt geschickt wird und diese aus
Maßnahmen zu seiner Gesundung ergreifen und
abergläubischer Furcht vor einem Schornsteinfeger sich nicht der fatalistischen Einstellung überlas-
wegwirft, ist es nun eine Magd, die mit Butter und Käse sen soll, Gott werde es schon so oder anders len-
zur Stadt geschickt worden ist (»Der Furchtsame« - ken, sollen Ungerechtigkeiten, die eine Magd von
»Die Furchtsame«). Steht der Arbeitsbereich oder die ihrer Herrschaft zu erleiden hat, geduldet werden,
Arbeitstätigkeit im Mittelpunkt der Geschichte, so wird wobei Reinhardt dies im Gegensatz zu Rochow
eine weitergehende Bearbeitung vorgenommen. Wäh- noch ganz besonders expliziert: In »Die gute
rend z. B. bei Rochow »Der Freund in der Noth« sei- Magd« harrt die Magd bei der schlimmen Herr-
nem Nachbarn, dessen Pferde erkrankt sind, beim Um- schaft aus, obwohl sie leicht einen besseren Herrn
pflügen des Erbsenfeldes hilft, erklärt sich bei Rein-
hardt »Die Freundin in der Noth« bereit, für die Nach-
hätte bekommen können, da sie arbeitsam ist, und
barin, deren Tochter einen Blutsturz erlitten hat, den zwar bleibt sie, wie es heißt, weil sie fromm ist. Die
Arzt zu holen. Von der Struktur her sind die Geschich- Möglichkeit, die Stelle ohne Schwierigkeiten
ten gleich: Beide beginnen mit der wörtlichen Rede der wechseln zu können, fehlt bei Rochow; hier wird
in Not geratenen Hauptfigur und enden mit Bibelzitat die Magd am Ende vielmehr gerade mit einer bes-
bzw. moralischer Sentenz. seren Herrschaft belohnt. Auch die Geschichte
Auch die völlig neuen Stücke sind nach dem Mu- »Das Schicksal« vertritt eine irrational-religiöse
911 ABC- und Lesebücher etc. 912

Rechtfertigung des Leidens als einer von Gott ge- 1794


schickten Fügung.- Ein weiterer Unterschied zu
Rochow ist die Weglassung der Stücke des Kin- Kar/ Traugott Thieme (1 745-1802):
derfreundes, die naturgeschichtliche, physikali- Gutmann oder der Sächsische Kinderfreund.
sche und astronomische Grundkenntnisse vermit- 2 Teile.
teln. Leipzig 1794
Die enge Anlehnung an die beiden Bände
des Rochowschen Kinderfreundes und die weit-
gehende Austauschbarkeit von männlichen und Der Sächsische Kinderfreund ist ein Lesebuch
weiblichen Hauptfiguren zeigen, daß noch nicht vornehmlich, aber nicht ausschließlich für Bür-
von spezifischen, von Natur gegebenen männli- ger- und Landschulen. Thieme hat es für die
chen und weiblichen Eigenschaften ausgegangen »kleinere Jugend, besonders in den kursächsi-
wird; der Unterschied der Geschlechter ist noch schen Ländern« (Ideal eines Lesebuches fiir die
primär- wie in der Hausväterliteratur- ein Unter- Bürger- und Landschulen, 1793) konzipiert. Über
schied der Ständepflichten, d. h. er ergibt sich aus das Alter der Schüler finden sich keine Angaben,
den unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Daß die doch wird der Adressatenkreis eingegrenzt durch
Eigenschaften des weiblichen »Geschlechtscha- die Voraussetzung, daß die Schüler über die zum
rakters« oder zumindest spezifische weibliche Verständnis des Buches notwendigen Sach- und
Tugenden (wie Anpassungsbereitschaft und Sprachkenntnisse verfügen sollen (Vorrede,
Emotionalität, durch die dieFrau eine beglücken- S. VII). Der Sächsische Kinderfreund ist sowohl
de häusliche Atmosphäre schafft, in der sich der für den Schul- als auch für den Hausgebrauch, für
Mann nach seiner Berufsarbeit entspannen kann) die alleinige Benutzung durch die Kinder wie
fast durchweg fehlen, liegt mit Sicherheit an der auch für die begleitende Unterweisung durch
Zielgruppe, in erster Linie zukünftige Mägde, Lehrer und Erzieher gedacht (ebd. ).
Bäuerinnen, Dienstmädchen, Kinderwärterin- Den Zweck des Lesebuchs umreißt Thieme
nen, Frauen der unteren Stände, deren Bestim- allgemein in seiner Programmschrift Ideal eines
mung es war, gleichgültig, ob verheiratet oder un- Lesebuches fiir die Bürger- und Landschulen, die
verheiratet, hart zu arbeiten, in der eigenen klei- ein Jahr vor dem Sächsischen Kinderfreund er-
nen Wirtschaft (als Hausmutter) oder für andere schien: )) Vor allem aber sollen die Bücher, welche
Leute. Die dreifache Bestimmung der bürgerli- zum Gebrauch für die Jugend bestimmt werden,
chen Frau als Gattin, Mutter und Hausfrau, zu belehrend seyn; sollen im Gemüthe des jungen
der neben Arbeitstugenden auch bestimmte, auf Lesers Begriffe erzeugen, verbinden, vervollstän-
Mann und Kinder ausgerichtete psychische Lei- digen, berichtigen, aufklären, ordnen« (S. 6 f.).
stungen gehören, hatte für die Frauen der unteren Sein Ziel ist es, mit dem Sächsischen Kinderfreund
Stände deswegen noch keine Geltung. einen Beitrag zu leisten, die Kinder zu »vemünfti-
Reinhardts Mädchenspiegel, der in der I. Auflage ge[n] Menschen und brauchbare[n] Glieder[n] der
von 1791 mit einem Vorwort von Andre erschienen ist Gesellschaft« zu erziehen (Vorrede, S. XVIIf.).
(vgl. ADB., Bd. 111, 1792, S. 572-574), wird von dem Die Kinder sollen die )) Würde vernünftiger Men-
Rezensenten der ADB. recht positiv beurteilt als eine schen« erlangen (Widmung).
»sehr verdienstliche« Arbeit, die »im Ganzen sehr wohl Das Lesebuch soll die Kinder nicht nur lesen
gelungen« sei; außerdem wird hervorgehoben, daß das lehren, »d. i. Sylben und Worte aussprechen zu
Lesebuch »eine Lücke« in den bisherigen Kinderbü- lernen, sondern auch ihre [der Kinder, d. Red.]
chern schließe, »so groß die Anzahl derselben auch
Vorstellungen von den darin enthaltenen Sachen
ist«: »Es fehlte nähmlich an einem Lesebuche, das blos
for Mädchen eingerichtet wäre, und so viel möglich in
[ ... ] erweitern, [ ... ] berichtigen und zugleich (leh-
aller Kürze das vorzüglichste von dem in sich faßte, was ren), mehr Fertigkeit im Gebrauche ihrer Mutter-
einem Mädchen zu wissen nöthig ist, wenn es einmal, sprache zu erlangen« (Vorrede, S. VIII). Um dies
seiner Bestimmung gemäß, eine gute Magd, Haushälte- zu erreichen, müsse das Lesebuch von den unmit-
rin, Gattin, Verpflegerin oder Mutter werden will« telbaren Erfahrungen der Kinder ausgehen: )) Bey
(ebd., S. 572). Eine 5. Auflage erschien 1822.- Bünger der Wahl des Inhalts durfte ich mich durchaus
1901, S. 75, führtden Mädchenspiegel inseiner Listeder nicht aus der Kinderwelt entfernen. Ich mußte al-
Volksschullesebücher aufund erwähnt noch eine späte- so nicht Könige und Kriegshelden, nicht Gelehrte
re Ausgabe von 1862 (Reinhardt und Gebauer: Mäd- und Weltweise, nicht Ketzerverfolger und Märty-
chenspiegel und (oder?) Lesebuch fiir Töchter in Stadt-
und Landschulen). Kayser und Heinsius geben als Er-
rer, sondern hauptsächlich Kinder redend und
scheinungsjahr 1865 an. G. handelnd einführen; mußte auch diese Kinder
immer so empfinden, urtheilen und handeln las-
sen, wie es der Kindematur angemessen ist; woll-
te ich anders, daß die Gegenstände Kindem ver-
ständlich und die gegebenen guten Beyspiele
nachahmlieh seyn sollten. Doch mußte ich Reden
und Handlungen von erwachsenen Personen mit
913 Thieme, Gutmann, 1794 914

einmischen, weil bekanntermaßen bey uns die die Sprache des gemeinen Lebens oder des tägli-
Kinder nicht abgesondert leben, sondern in Ver- chen Umgangs geläufig seyn [ ... ]. Der zweyte
bindung mit älteren Menschen handeln.« (Vorre- Zweck ist: Er will die Kultur der Sprachebey sei-
de, S. VIII) nen Lesern befördern helfen. Auch in Beziehung
Mit der Beschränkung der Stoffauswahl auf auf die Sprache sollen die Kinder durch den Ge-
den Erfahrungsbereich der Kinder begründet brauch des Buchs angeleitet werden einen Fort-
Thieme auch, weshalb er sonst übliche Gegen- schritt zu thun; sollen dadurch eine größere Fer-
stände der Kinder- und Jugendliteratur nicht in tigkeit sowohl im Verstehen, als im eigenen Ge-
das Lesebuch mitaufgenommen hat: »Daß ich brauche ihrer Muttersprache erlangen.« (Ideal ei-
vom hohen Patriotismus, von Kirchentoleranz, nes Lesebuches, S. 58 f.) Das Prinzip des allmähli-
von kriegerischer Tapferkeit, von ehelicher Treue chen Fortschreitens in der sprachlichen Gestal-
und dergleichen Tugenden, die blos dem männli- tung des Lesebuchs begründet Thieme mit den
chen Alter und dem bürgerlichen Leben eigen Worten: ))Die Vermehrung der Sachkenntnisse
sind, keine Beyspiele angeführt habe: das wird ist schlechterdings nur unter der Bedingung mög-
Niemanden befremden, der nur bedenken will, lich, daß die Vermehrung der Sprachkenntnisse
daß diese Tugenden sowohl als die ihnen entge- mit ihr gleichen Schritt halte.« (Vorrede, S. XV f.)
gen gesetzten Fehler ganz außer dem Gesichts-
und Wirkungskreise der Kinder liegen, für die das Die Sächsische Kinderfreund ist zweigeteilt: der
Buch bestimmt ist. Kinder sind noch nicht Staats- erste Teil übernimmt die sachliche, der zweite Teil die
moralische Belehrung. Der verbindende Rahmen, die
bürger, nicht aktive Glieder der Kirche, nicht Klammer, die beide Teile zusammenfügt, ist die Figur
Herrschaften, nicht Ehegatten, nicht Väter und des Gutmann: im ersten Teil führt er mit seinen fünf
Mütter; sie verwalten noch keine Aemter und trei- leiblichen und zwei adoptierten Kindern sachlich be-
ben noch keine bürgerlichen Geschäfte: sie sind lehrende Gespräche, im zweiten Teil erzählt er ihnen
nur Menschen und Kinder und ihr ganzer Wir- moralische Beispielgeschichten. Gutmann wird mit den
kungskreis schränkt sich auf einige Theilnahme Worten vorgestellt: »Gutmann war ein Freund aller
an der Sorge für ihren Körper für die Ausbildung Menschen, folglich auch ein Kinderfreund: denn Kin-
ihrer Gemüthskräfte und für die Verwahrung ih- der sind auch Menschen. Er lebte auf seinem Landgute
rer wenigen Habseligkeiten ein. Alle andere Ver- in der Gegend zwischen Leipzig und Altenburg. Da-
selbst trieb er seine Wirtschaft, erzog seine Kinder und
hältnisse, in denen erwachsene Menschen stehen that außerdem so viel Gutes, als er nur konnte.- Dieser
können, sollen die Kinder erst noch kennen ler- Mann hatte fünf Kinder, und, weil er einiges Vermögen
nen: wie sollten sie schon für die Pflichten Sinn besaß, so hatte er auch zwey Kinder seines verstorbenen
haben, die mit jenen Verhältnissen verbunden Bruders zu sich genommen; welche er versorgte und er-
sind?- oder, wie sollten sie gar schon Beruf ha- zog, wie seine eigenen. Alle dieser Kinder liebte Gut-
ben, solche Pflichten zu leisten?« (Vorrede, mann sehr und gab sich viele Mühe, damit sie einst ver-
S. IXf.) nünftige Menschen werden sollten. [ ... ] Er schalt und
Die Kinder seien auch für eine »eigentliche schlug daher seine Kinderniemahls; sondern er ließ sie
Sittenlehre, d. i. eines zusammenhängenden, sy- nicht aus den Augen, beschäftigte und belehrte sie.« (S.
I f.)
stematischen Vortrags über sittliche Gegenstän-
Der sachlich belehrende erste Teil des Sächsischen
de« noch »nicht empfänglich, mithin auch nicht Kinderfreunds behandelt in 117 - meist in Gesprächs-
bedürftig« (Vorrede, S. IX). Bei dem zweiten Teil form gehaltenen - Kapiteln zuerst den Menschen (S.
des Lesebuchs, dem moralischen Unterricht, han- 2-33), dann die Tiere, eingeteilt nach Nutzen und Scha-
dele es sich daher auch keineswegs um ein »Kom- den für den Menschen (S. 33-53), die Pflanzen (S.
pendium der Sittenlehre« (Vorrede, S. VIII) oder 53-72) und die Minerale (S. 72-87), gefolgt von einer
ein »moralisches Spruchkästchen« (Vorrede, S. Darstellung der Atmosphäre, der Elemente und ver-
XI); das Buch sei bloß eine ))Sammlung kindi- schiedener Naturerscheinungen (S. 87-141). Die Erde
scher Thatsachen [...], an denen sich der Kinder- und das Sonnensystem werden in den folgenden Kapi-
tel abgehandelt (S. 141-159). Weitere Abschnitte be-
verstand in sittlichen Urtheilen üben kann«
schäftigen sich mit den Jahreszeiten (S. 160--162), mit
(ebd.). der Geographie unter besonderer Betonung der kur-
Auch in seiner Sprache habe sich Thieme sächsischen Länder, verschiedenen Sprachen und Völ-
den Kenntnissen der Kinder anpassen müssen: kerkunde (S. 162-174). Die letzten Kapitel liefern
)>In Absicht auf Sprache und Ausdruck hat der Staatsbürgerkunde: neben Gesetzen und Strafen wer-
Verfasser eines solchen Lesebuchs einen doppel- den die Ständeordnung und die verschiedenen bürgerli-
ten Zweck vor Augen. Erstlieh: Er will verstanden chen Berufe vorgestellt. Darin eingeschlossen sind kur-
seyn. Daraus folgt, daß er von vorn herein lauter ze Ausführungen zur Sprache und Schrift, zur Rechen-
Ausdrücke gebrauchen muß, die seinen Lesern kunst, zu Zahl, Maß, Gewicht und Geld. Im Zusam-
menhang mit dem Soldatenstand wird auf den Krieg
präsumtive verständlich sind. Verständlich sind eingegangen, an den sich die Darstellung von Teuerung
ihnen nur solche Worte, die sie bisher oft haben und Hungersnot anschließt. Zwei Schlußkapitel (S.
brauchen gehört, selbst gebraucht haben; deren 242-248) beschäftigen sich mit Gott und den Religio-
Bedeutung ihnen also geläufig ist. [ ... ] [Ihnen nen. Es handelt sich hierbei jedoch nur um sehr kurze
kann] also nicht die Büchersprache, sondern nur Belehrungen, die den Kindern gegeben werden, um ih-
915 ABC- und Lesebücher etc. 916

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Ihieme, Kar/ Traugott: Gutmann oder der Sächsische Kinderfreund.- Leipzig 1794 (Nr. 906). Thei/1,
Titelblatt mit Vignette, Frontispiz von Grießmann nach Schubert

nen ungefähre Vorstellungen dessen zu vermitteln, wo- Die Beispielgeschichten kreisen immer wieder um
von sie die Erwachsenen reden hören. die Begriffspaare gut/ böse, recht/ unrecht und anstän-
Der zweite Teil des Sächsischen Kindeifreunds be- dig/unanständig und sollen die Kinder zu eigenen sittli-
steht aus 123 moralischen Beispielgeschichten. Die Ge- chen Urteilen gewöhnen: aus den Mustern der Beispiel-
staltung und die Zielvorstellungen dieser Geschichten geschichten sollen sie ein Grundinstrumentarium sittli-
erläutert Thieme in Form einer kurzen Nachricht über cher Urteile gewinnen, das sie dann später in ähnlichen
Gutmanns Erzählweise: »Da Gutmann jederzeit ein Fällen zur Urteilstindung benutzen können. Bedeutsam
Kinderfreund gewesen war; so hatte er sich immer Viel ist, daß Thieme bei den Geschichten nicht nach einem
mit Kindem zu schaffen gemacht, hatte überall fleißig mechanischen·Gerechtigkeitsprinzip verfährt: meistens
bemerkt, was Kinder sprachen und thaten, auch eine bleibt der Ausgang einer Tat offen oder folgenlos; das
Menge seiner Kindergeschichtchen zusammengetra- Gute wird nicht immer belohnt, es kann sogar für den
gen, die er nun den Seinigen erzählte und zwar so erzähl- Tugendhaften von Nachteil sein, Gerechtigkeit auszu-
te, daß sie immer Etwas daraus lernen konnten. Damit üben; auch das Schlechte wird keineswegs immer be-
sie aber nicht glauben sollten, er erzählte ihnen Mär- straft.
chen zum Zeitvertreibe; so ließ er sie gemeiniglich auch Die Beispielgeschichten dienen der Übung der Ur-
mit darein reden. Nemlich, wenn er ihnen solche Kin- teilskraft; immer wieder werden daher Fragen gestellt
derhandlungen erzählte; so gab er sich nicht viel Mühe wie» Wardas Recht?«, »Tadelt ihr das?«, »War das zu
zu beweisen, daß dieser recht und jener unrecht gehan- loben oder zu tadeln?«, >>War das eine gute oder eine
delt habe; er hielt sich auch dabey nicht sehr mit dem schlechte Gesinnung?«,» Wie gefällt euch das?«,>> Hal-
Lobe des Guten und mit dem Tadel der Fehler auf; son- tet ihr das für verantwortlich?« usw.
dern, er erzählte blos, was geschehen warund nun fragte Den Band beschließen verschiedene >>Sittensprü-
er die Kinder: War das recht oder unrecht? - Gefällt che«, die den moralischen Gehalt einzelner Beispielge-
euch das oder nicht? Würdet ihr auch so oder anders ge- schichten bündig zusammenfassen. Offenbar um die
handelt haben? [ ... ] Durch diese Gespräche erlangten Kinder auch zum Lesen lateinisch gedruckter Bücher zu
die Kinder eine große Fertigkeit nach ihrem gesunden gewöhnen, sind die Sittensprüche nicht in Fraktur-
Verstande über Recht und Unrecht, Gut und Bös, An- schrift, sondern in lateinischen Lettern gesetzt.
ständig und Unanständig zu urtheilen; bekamen auch Ein Frontispiz zum ersten Teil - entworfen von
zugleich Lust, das Gute, was sie erzählen hörten, nach- dem Dresdner Maler, Radierer und Zeichner für Kup-
zuahmen und die Fehler zu vermeiden.« (S. 4 f.) ferstiche Johann David Schubert (1761-1822) und ge-
917 Thieme, Gutmann, 1794 918

stochen von dem Leipziger Kupferstecher C. W. Griess- der kindlichen Erkenntnis: »Mein Leser [ ... ] ist
mann- zeigt den wohlbeleibten Herrn Gutmann auf ei- immer noch ein Kind. Indem er lesen gelernt hat,
nem Polsterstuhle sitzend und mit einer langen Tabaks- haben zwar seine Kräfte durch den Gebrauch ei-
pfeife in der Hand im Kreise seiner Kinder. Die allegori-
nes neuen Werkzeugs schnellere Wirksamkeit er-
sche Titelvignette stellt einen Erwachsenen dar, der drei
Kinder zu einem Tempel mit einer davorstehenden Sta-
langt; aber er ist darum nicht Jüngling, nicht
tue führt. Mann geworden: er ist ein Kind. Ich finde ihn
noch immer auf demselben Standpunkte, den er
Thiemes pädagogische Konzeption, wie sie bey seiner ersten Belehrung behauptete. Folglich
sich im Sächsischen Kinderfreund darstellt, hat ih- ist auch sein Gesichtskreis noch immer derselbe
ren Ausgang in der Feststellung: »Ein Kind ist ei- und die fortgesetzte Belehrung darf ihm nicht
ne vernunftfähige Seele, mit allen den Anlagen neue Felder eröffnen, sondern sie soll nur seine
versehen, die als Bedingungen der formalen Ver- Augen schärfen [ ... ]« (Ideal eines Lesebuches,
mögen mit der menschlichen Natur verbunden s. 30f.).
sind. Die Entwickelung dieser Anlagen und die Thieme nennt verschiedene Unterschiede
Beförderung vernünftiger Selbstthätigkeit ist zwischen der ersten und der zweiten Stufe der
Zweck der Belehrung« (Ideal eines Lesebuches, »absichtlichen Belehrung«: die Schüler sollen
S. l6f.). Hier liegt für Thieme der Ansatzpunkt auf derzweiten Stufe die Gegenstände nicht mehr
für den ersten Unterricht der Kinder: Er soll die nur in ihrer Umgebung wahrnehmen, sondern im
sinnlichen Vorstellungen vermehren, diese zu Be- Zusammenhang mit ihren nächsten Ursachen
griffen verbinden und die Begriffe wiederum zu und Folgen begreifen lernen; den »schon vorrä-
Klarheit und Verständigkeit weiterentwickeln. thigen moralischen Begriffen« soll mehr Einheit
Die erste Stufe des Unterrichts ist nur mündlich: gegeben werden; das Verständnis allgemeiner
»Und von allen diesen Gegenständen kann und Gesetze soll befördert, einzelne Handlungen der
soll der junge Mensch belehret werden, ehe er ei- Kinder sollen erleichtert werden; die Schüler sol-
nen Buchstaben kennt, blos durch das Anschauen len allgemeine und grundlegende Gesetze verste-
der sinnlichen Gegenstände, durch mündliche hen und richtig anwenden lernen; schließlich soll
Benennung und Beschreibung derselben.« (Ideal der Sprachumfang in dem Maße erweitert wer-
eines Lesebuches, S. 19) Ausdrücklich lehnt Thie- den, wie der Kenntnisumfang zunimmt (vgl. Ideal
me für diese Stufe jede Benutzung von Büchern eines Lesebuches, S. 31 ff.).
ab. Folglich finden sich auch bei den schon älte- Thiemes Bemühen, in dieser Belehrung stets
ren Gutmannsehen Kindem »nicht eben viel Bü- vom unmittelbaren Erfahrungsbereich der Kin-
cher« (I. Teil, S. 138). der auszugehen und alles beiseitezulassen, was
Der in diesem Prinzip deutlich werdende außerhalb ihres Gesichtskreises liegt, hat vor al-
Einfluß Rousseauscher Ideen äußert sich auch in lem für Thiemes moralischen Unterricht im zwei-
seiner Auffassung, daß die Kinder durch diese er- ten Teil des Sächsischen Kinderfreunds weitrei-
ste Belehrung das »Bedürfnis« entwickeln, lesen chende Konsequenzen: Indem Thieme haupt-
zu lernen: »Wo nun das Bedürfnis der Belehrung sächlich Kinder als handelnde Personen seiner
einmal angeregt ist, da steigt es mit jedem Zeit- Beispielgeschichten wählt, verzichtet er bewußt
punkte und wird bald so dringend und stark, daß darauf, den Schülern diejenigen Pflichten zu ver-
beyder gewöhnlichen Lage der Dinge der münd- mitteln, die sie später als Mitglieder der Gesell-
liche absichtliche Unterricht und der zufällige schaft- sei es als Gatten und Eltern, sei es in ihren
Umgang mit Menschen ihm nicht Genüge leistet. bürgerlichen Berufen - ausüben sollen. Er hält
Nichts ist daher bequemer, um den Mangel des diese Belehrung auch für vollständig unnütz, weil
mündlichen Unterrichts zu ersetzen und denjun- die Kinder damit nur verschwommene und un-
gen Menschen [ ... ] auf eine belehrende Art zu un- klare oder sogar falsche Begriffe verbinden könn-
terhalten, als der schriftliche Unterricht« (Ideal ten. Thieme richtet daher sein Augenmerk auf die
eines Lesebuches, S. 21). Schärfung des sittlichen Urteilsvermögens: An-
Für diese zweite Stufe der »absichtlichen Be- hand der Modellbeispiele, die die einzelnen Lese-
lehrung«, den ersten schriftlichen Unterricht, ist stücke des Sächsischen Kinderfreunds liefern, sol-
der Sächsische Kinderfreund konzipiert. Im Kern len sich die Kinder eine klare Vorstellung dessen
geht es bei diesem schriftlichen Unterricht um die erarbeiten, was recht und unrecht, gut und böse
gleichen Inhalte wie bei der mündlichen Beleh- usw. ist. Diese Methode des moralischen Unter-
rung, wenngleich sie auch auf einer höheren Stufe richts sieht Thieme zugleich als beste Vorberei-
abgehandelt werden. Ziel ist nicht die Belehrung tung für das zukünftige gesellschaftliche Leben
des Kindes mit neuem Faktenwissen, nicht die der Kinder an: »Man kann sich in Wahrheit auf
»materiale Vermehrung« der Unterrichtsgegen- die Zukunft nicht besser vorbereiten als dadurch,
stände, sondern die »formale Vervollkomm- daß man die Gegenwart pflichtmäßig ge-
nung« der Kenntnisse der Kinder (vgl. Ideal eines braucht.« (Ideal eines Lesebuches, S. 40)
Lesebuches, S. 31 ). Thieme begründet diese Kon- Thiemes Moralunterricht speist sich aus
zeption des ersten Leseunterrichts mit dem Stand zwei Grundsätzen. Der erste lautet: »Thue das,
919 ABC- und Lesebücher etc. 920

denn es ist dir nützlich; unterlaß das, denn es ist als solchen zu bestätigen, können sie kaum Thie-
dir schädlich.« (Ideal eines Lesebuches, S. 48) mes Anspruch gerecht werden, die» Urtheilskraft
Doch gilt ihm dieses Prinzip nicht als alleiniger nach sittlichen Gesetzen« auszubilden (Ideal ei-
Grundsatz: Es entspräche keineswegs der Reali- nes Lesebuches, S. 53).
tät, daß sittliche Leben stets als freudenvoll, das Die aufklärerische Grundhaltung Thiemes
unsittliche dagegen als kummervoll und schaden- zeigt sich in besonderer Weise in seiner Behand-
bringend darzustellen. Man erzöge die Kinder auf lung der Religion, die sich auf eine knappe Erklä-
diese Weise dazu, der Tugend nur aus sinnlichem rung derjenigen Begriffe beschränkt, die Kindern
Vorteil heraus nachzustreben, und entehre auf durch den gesellschaftlichen Umgang geläufig
diese Weise die Tugend selbst. Aus dieser Auffas- sind. Ausdrücklich spart er die Religion in der Sit-
sung heraus entwickelt Thieme seinen zweiten tenlehre aus: »Die Beziehung der Sittenlehre auf
Grundsatz: »Thue das, denn es ist recht: unterlaß die Religion den Kindern begreiflich zu machen,
das, denn es ist unrecht.« (ebd.) Die Kinder sollen überlasse ich dem Unterrichte in der letzteren.
nicht um des Vorteilswillen der Tugend nachei- Wenn man nicht über Wortedisputiren will; so
fern; sie sollen Gutes tun, weil es gut ist, das muß man wohl gestehen, daß die beyden Gesetze:
Schlechte meiden, weil es schlecht ist. Nennt Thue das, weil's die Vernunft für Recht erkennt,
Thieme diesen Grundsatz auch erst an zweite Stel- und: Thue das, weil's Gott befohlen hat, ganz
le, so ist er doch für ihn der wesentliche, die Tu- gleichbedeutend sind. Weil aber die Gültigkeit
gendhaftigkeit eines Charakters bestimmende. des letzteren die Theorie von der Offenbarung
Das Gewicht, das er diesem Grundsatz beimißt, voraussetzt, welche ich für einen Lehrgegenstand
bestimmt auch seine Methode: Einerseits kom- halte, dessen Umfang und Wichtigkeit ein eigenes
men seine Exempelgeschichten ohne die sonst üb- von dieser Leseübung abgesondertes Geschäft er-
liche Belohnung/Bestrafung aus; ihr Ausgang fordert; so halte ich's für schicklicher, hier Alles
kann offen bleiben, denn die Moralität des Hand- auf das Vernunftgesetz zu beziehen und die Ver-
eins bemißt sich nicht allein an seinem Ergebnis. stärkung dieser Motive durch die Verbindung mit
Andererseits muß das Kind aus der Erfahrung ler- einem positiven göttlichen Gesetze dem Reli-
nen, was recht und unrecht ist; seine Urteilskraft gionslehrer zu überlassen.« (Ideal eines Lesebu-
wird daher in beständigen Entscheidungsfragen ches, S. 53)
geübt. Für Thieme ist daher notwendigerweise die
Thiemes Gutmann oder der Sächsische Kinder-
Beförderung der »Fertigkeit richtig zu urtheilen freund erlebte zu Lebzeiten des Autors drei Auflagen.
[ ... ] vorzugsweise nächster Zweck der mündli- Die 6. Auflage wurde als »verbesserte« 1813 von sei-
chen und schriftlichen Belehrung« (Ideal eines nem Schüler Johann Christian Dolz herausgebracht.
Lesebuches, S. 53). Pech (Lexikon der KJL, Bd. 3, 1979) berichtet, Dolz ha-
Man mag bezweifeln, ob Thieme dies mit sei- be entscheidende Stellen an Thiemes Werk verändert,
nem Sächsischen Kinderfreund tatsächlich gelun- u. a. durch die Abschwächung der Zurückhaltung der
gen ist. Erscheint Büngers (1898, S. 213 ff.) ver- religiösen Erklärungsversuche. In dieser Bearbeitung
nichtende Kritik an diesem Lesbuch auch als we- erlebte der Sächsische Kinderfreund 1829 seine 10. Auf-
lage. Drei »Ergänzungsbände« erschienen als 3., 4. und
nig differenziert, so ist eine Richtung seiner Kritik
5. Teil von 1803-1806 bei Brackhaus unter dem Titel
doch zutreffend: Er kritisiert (S. 215) den häufig Die Gutmannsehe Schule.
seichten Stil von Thiemes Erzählungen und führt Bünger (1898, S. 213ff.) geht mit Thiemes Lese--
dann aus: »In Kinderzeitungen mag man sich das buch hart ins Gericht. Neben der schon zitierten Kritik
noch gefallen lassen, aber für den Ernst der Schu- am seichten Stil und der Art der »Entscheidungsfra-
le ist die Ware zu leicht, und artet in Gewäsch aus. gen« des Sächsischen Kinderfreunds heißt es bei ihm:
Auf die fast in jedem Stücke hervortretenden Hö- »Die Öde des redseligen Wortstromes wird durch das
hepunkte, z. B. >War das recht, was Regine that?< ganze Buch von keiner Erfrischung, weder von Lied
oder> Haltet ihr diese Rede für gerecht?< und ähn- noch kräftigem Sittenspruch unterbrochen. Keine Erhe-
bung oder Weihe giebt es in diesen Plattitüden aus dem
liche Entscheidungsfragen, welche die in süßli-
philiströsen Leben. Nur 2 kleine und dürftige Stücke
cher Schlaffheit aufnehmenden Kinder zum handeln von der Religion und sind natürlich ganz an das
Nachdenken und zu Entschlüssen aufrütteln sol- Ende gewiesen. Von Sachsen ist nur 1 Stück vorhanden,
len, hat Thieme wohl große Hoffnungen gesetzt. das aber lediglich die Obrigkeiten bis herunter zu dem
Doch sind die Antworten darauf so selbstver- Amtsboten und Gerichtsdiener aufzählt. [ ... ] In der
ständlich, daß kein Kind über sie nachzudenken Widmung bezeichnet er aufrichtig genug die Aufgabe
braucht.« Beispiele lassen sich für beide Kritik- seiner Erziehung: daß die Kinder die Würde vernünfti-
punkte etliche finden. Manche Geschichten wir- ger Menschen erlangen. Etwas Höheres kannte er nicht.
ken konstruiert und so wirklichkeitsfremd, daß Das steht noch tief unter dem Rationalismus.« Wäh-
rend BüngerThieme als» getreuestenJüngerdes Weiße-
sie nur geringe Glaubwürdigkeit entfalten.
schen Kinderfreundes« bezeichnet, zählt ihn Merget
In ähnlicher Weise sind viele Geschichten (1882, S. 32) zu den »vollständigen und wenig bedeu-
und »Entscheidungsfragen« gehalten. Da die tenden Nachahmern der Salzmannsehen moralischen
Fragen in der Regel dazu dienen, einen als positiv Jugendunterhaltungen «.
oder negativ geschilderten Sachverhalt nur noch In neueren Untersuchungen zur Kinder- und Ju-
921 Löhr, ABC und Bilderbuch, 1796 922

gendliteratur wird dem Sächsischen Kinderfreundkaum eben so verständlich als angenehm sein könnte,
Beachtung geschenkt. Schmidt (1974, S. 22f.) betont und [ ... ] alles weglassen wollen, was nicht genau
die starke Abhängigkeit des Sächsischen Kinderfreunds zur Sache zu gehören, und diebezielte Absicht zu
von Weißes Publikationen und hebt besonders hervor,
verhindem schien« (S. 1 f.). An diesem Punkt
daß er wie andere Nachfolger des Weißeschen Kinder-
freunds zur »Verarbeitung und Popularisierung bürger- setzt Löhrs Kritik an ähnlichen ABC- und Lese-
licher Ideologie« beigetragen habe. büchern ein, da diese oft nicht »genau genug auf
Das Lesebuch hat ein »Heer von Nachahmern die Bedürfnisse der Kinder berechnet, oder zu
und Kommentatoren gefunden«: (Knebel, zit. n. Pech trocken, oder zu dürftig eingerichtet« seien (S. 3).
in: Lexikon der KJL, Bd. 3, 1979): 1795 erschien der er- Das häufige Bestreben, über den Sinn eines Lese-
ste Teil von Dasseis Merkwürdigen Reisen der Gut- buches hinausgehend den Kindem gleichzeitig
mannschen Familie. Ein Weihnachtsgeschenk für die weiterführende Belehrungen zu erteilen, habe da-
Jugendbei Hahn in Hannover, das die Kinder mit Ge- zu geführt, daß oftmals übersehen wurde, »was
genständen aus der Natur und dem menschlichen Le-
die Lust zum Lesen erwecken oder unterhalten
ben bekanntmachen und sie so belehren, gleichzeitig
aber auch »amüsieren« will. Bünger (1898, S. 216) ver- sollte, so wie überhaupt die Menge der beabsich-
merkt, daß auch Knigge um die gleiche Zeit ein Lese- tigten Nebenzwecke nicht selten den Hauptzweck
buch mit dem Namen »Gutmann« veröffentlicht habe. gestört hat« ( ebd.). Aus diesem Grunde fehlten in
Bei Bünger finden sich Hinweise auf weitere Nachfol- seinem Buch »vollständige langweilige Sprach-
ger des Sächsischen Kinderfreunds: 1798 veröffentlich- lehren, welche eben darum schon wegfallen müs-
te Johann Kar! Wötzel (1765-1836) sein Lesebuch für sen, weil sie Sprachlehren sind, nicht aber Lesen-
Bürger- und Landschulen in Anhalt-Dessau Der teut- Iehren [ ... ]-Belehrungen von Gott, Vorsehung
sche Kinderfreund Rosenau, oder Originalübungen im usw. die in den Katechismus und in den Reli-
Lesen für die erwachsenere Jugend vom achten bis
gionsunterricht gehören« (S. 2). Er habe sich
zwölften Jahre zur faßlichen, angenehmen und natürlich
richtigen Bildung ihres Verstandes und Herzens. Abge-
denn auch bei der Auswahl seiner Texte auf sol-
sehen von den Änderungen in den Namen der beteilig- che beschränkt, »welche sinnliche und anschauli-
ten Personen handelt es sich um eine exakte Nachah- che Gegenstände enthalten« (S. 17), denn der
mung der Thiemeschen Stoffpräsentation. 1803 er- Mensch sei zuerst »fast nur sinnlich, und nur
schien eine Schrift, die zugleich Thiemes Ideen erläu- durch das Sinnliche geht er zum Ueber = und Au-
tern sollte: H. Gardthausens Unterhaltungen und Erläu- ßersinnlichen über- Er muß erst aufmerken und
terungen über Gutmann oder den Sächsischen Kinder- beobachten lernen, ehe er urtheilen und schließen
freund des Herrn M. K. Ihieme, die »zweckmäßige kann, und wir verkehren den Weg der Natur,
Materialien zur Erläuterung der Lesestücke des Gut-
wenn wir es anders anfangen« (S. 18).
manns« enthielten und der Erleichterung der Arbeit der
Lehrer dienen sollten, indem sie » Musterkatechisatio- Das Lesebuch ist der I. Band einer Reihe unter
nen« vorführten. Bünger, der weitere Nachahmungen dem Titel Erste Vorbereitungenfür Kinder, wozu Löhr
des Werks nennt, vermeldet, der Name Gutmann sei anmerkt: )) In wiefem diesem Büchelchen auch der Titel
noch Mitte des 19. Jahrhunderts »als typische Erzählfi- )Vorbereitungen< gegeben ist, werden die Vorreden zu
gur für einen biedren Kinderliebhaber« benutzt wor- den folgenden Bändchen ersehen lassen. Das nächste
den: »Thieme hat also mit seinem Gutmann nicht unbe- wird kleine Geschichten zur Bildung des sittlichen Ge-
deutend Schule gemacht.« 0. B. fühls, das darauf folgende Materialien zur Verstandes-
übung, und das letzte einen Inbegriff mehrerer gemein-
nütziger Kenntnisse enthalten.« (S. 4)
Das Werk wird eröffnet mit sechs Kupfertafeln,
1796 die einige Lesestücke illustrieren. Es folgen eine Vorer-
innerung und der Methodenteil )) Ueber die Art Kinder
Johann Andreas Christian Löhr leicht lesen zu lehren« (S. 5-18). Die eigentliche Fibel
beginnt mit dem deutschen und dem lateinischen Al-
(1764-1823): phabet, wobei die Aussprache der Buchstaben und
ABC und Bilderbuch nebst einer Anweisung Buchstabenverbindungen beigefügt wird. Es schließen
Kinder leicht lesen zu lehren, zunächst zum sich Abschnitte an, in denen ein-, zwei- und mehrsilbige
Gebrauch beim häuslichen Unterricht. Wörter vorgestellt werden (S. 19-30), jeweils unterbro-
chen von didaktischen Anmerkungen für den Erwach-
Leipzig 1799
senen. Im Anschluß hieran finden sich kürzere Lese-
stücke durchgängig in Kleinschreibung und großem
Der Verfasser wendet sich mit seinem Lesebuch Schriftbild (S. 30-43). Die folgenden 13 Kapitel enthal-
an Kinder »nach dem fünften Jahre« (S. 6). Nur ten Lesestücke zu den Kupfertafeln, in denen das
»besonders fähige und lernbegierige Kinder« Schriftbild fortlaufend kleiner wird und die Groß- und
sollten bereits früher unterrichtet werden. Das Kleinschreibung variiert (S. 44-86). Die Abschnitte 21
vorrangige Ziel des Buches besteht darin, »daß bis 37 behandeln Themen, die direkt der Erlebniswelt
der Kinder entnommen sind, und in denen auch die mo-
die Kinder lesen lernen sollen« (S. 3). Dieses Ziel
ralisierende Komponente deutlich wird (S. 86-177).
könne jedoch nur erreicht werden, wenn die Kin- Die ersten sechs Erzählungen dieser Gruppe werden in
der selbst Freude am Lesenlernen hätten. So habe einem stets kleiner werdenden Schriftbild dargeboten.
er »sehr gewünscht alles zu thun, was Kindem das Es erscheint anschließend das lateinische Alphabet (S.
Geschäft des LesenJemens erleichtern, und ihnen 113), worauf II Geschichten folgen, deren Textjeweils
923 ABC- und Lesebücher etc. 924

in zweifacher Ausführung abgedruckt ist (Antiqua/ den, wenn der Lehrer Geschick genug hat, densel-
Fraktur). Die letzten beiden Kapitel enthalten »Einige ben hervorzuziehen, und wenn er das nicht hat, so
schwere Namen und Wörter« (S. 178-180) und kurze sind auch alle die herrlichen Sentenzen, die tiefen
Sätze mit gleich und ähnlich klingenden Wörtern »Zur
sinnreichen Sprüche, die Charaden und Räthsel,
Uebung im Unterscheiden ähnlicher Laute« (S.
181-184). Am Ende des Buches befindet sich ein Falt- und die kostbaren MoraJen vergebens, und lang-
blatt zum Ausschneiden von Buchstaben und Zahlen. weilen statt zu unterrichten und zu erwecken« (S.
Das Lesebuch umfaßt insgesamt mit dem Faltblatt und 17). In den ersten Lesestücken überwiegen die
dem Frontispiz 14 Kupferstiche. Die sechs Tafeln ent- sachlichen Themen. Die Erläuterungen schließen
halten jeweils zwei übereinanderstehende Abbildun- häufig mit einer Frage an die Kinder ab. Unter
gen, bei denen es sich überwiegend um Tierdarstellun- den Erzählungen zu den Kupferstichen finden
gen handelt. Das Frontispiz trägt den Titel »Der Weih- sich überwiegend Tierbeschreibungen, in denen
nachtsabend« und stellt eine Familie mit drei Kindem Aussehen, Nutzen oder Schaden für den Men-
am Gabentisch dar. Alle Kupferstiche sind unsigniert.
schen und das Verhältnis von Kindem zu Tieren
in sachlicher Form behandelt werden. In der Ge-
In seinem didaktisch-methodischen Kom- schichte »Der Weihnachtsabend« wird nicht auf
mentar setzt sich Löhr mit den Vorzügen der ana- den christlichen Ursprung eingegangen, sondern
lytischen und der synthetischen Leselernmethode die auf dem Frontispiz dargestellte Bescherung
auseinander. Für ihn sei es nur von sekundärer beschrieben. Löhr erklärt den Kindem die Entste-
Bedeutung, »welcher dieser beyden Methoden hung des» Knecht Ruprecht« mit folgenden Wor-
man sich bediene«, viel wichtiger sei es, »wiege- ten: »Sonst verkleideten sich wohl manche unver-
schickt man dieselben anzuwenden verstehe« (S. ständige Leute, und zogen sich auf eine wunderli-
8). Wichtige Gesichtspunkte für den Leseunter- che und närrische Weise an, und hatten häßliche
richt sind ihm folgende: Die Konsonanten sollten Larven vor dem gesiebt, und eine große ruthe in
beim Buchstabieren möglichst rein, d. h. ohne Zu- der Hand. In diesem albernen Aufzuge liefen sie
satz von Vokalen oder anderen Buchstaben ge- auf den Straßen umher, und kamen in die Häuser,
sprochen werden. Auch Doppellaute und Deh-
nungen werden nicht mitbuchstabiert So gelange
das Kind unmerklich vom Buchstabieren zum Le- 2JID[ unb ~ilberbud)
sen. Als nächste Stufe schlägt Löhr vor, den Kin- nrbfl rincr !lnrorifUII,S
dern Wörter zu zeigen, in denen der bereits be-
.stinber lcidjt lefcn &u le~un,
kannte Buchstabe vorkomme, den sie selbständig
aufsuchen sollten, wobei Bücher mit verschiede-
nen Schriftarten und in qualitativ unterschiedli- ····~·
'um 0r&roucf} &rim ~uelicf}tn Untrrricf}t
chem Druck benützt werden könnten, denn es sei
in Schulen häufig der Fall, »daß Kinder, welche ~. ~- (!, f b ~ r 1
im sogenannten Evangelienbuche gut lesen kön- 'l\dar 13 Drr •u•d•r' oor ~mcrr~ura.
nen, mit vieler Mühe nur in der Bibellesen lernen
- ein Fall, welchen man nicht zu fürchten hat,
wenn Kinder auf diese Weise die Buchstaben er-
lernt haben, und gleich vom Anfang gewöhnt
sind, verschiedene Arten des Drucks zu lesen« (S.
12). Der nächste Schritt müsse nun das Lesen gan-
zer Wörter sein, wobei man- wie in vorliegendem
Buch ausgeführt - von einsilbigen zu mehrsilbi-
gen Wörtern fortschreiten solle. Um die Kinder
beim Lesen auch auf die Rechtschreibung vorzu-
bereiten, solle man ihnen zunächst verschiedene
Wörter vorsprechen, aus denen sie die einzelnen
Silben und Buchstaben anzugeben hätten. Das
Wichtigste, gleichgültig, welchen Weg der Lehrer
einschlage, sei es jedoch, stets darauf zu achten,
daß die Kinder Freude und Interesse am Lesen-
lernen empfänden, und daß sie nicht über Gebühr !rlpjl§, &ri l!lrr6orb \jlrlfcf)rr Dem ~ungrrn,
strapaziert würden. I 7 9 9·
Zum Inhalt der Leseübungen führt Löhr aus,
daß er solche Themen gewählt habe, die den Kin-
dem schon bekannt und von daher leicht faßlich
seien, denn »der Verstand des Kindes kann an Löhr, Johann Andreas Christian: ABC und Bil-
den gemeinsten bekanntesten Dingen Stoff zum derbuch nebst einer Anweisung Kinder leicht lesen
Nachdenken und zur Aufmerksamkeit genug fin- zu lehren. -Leipzig 1799 (Nr. 535). Titelblatt
925 Vetterlein, Chrestomathie, 1796/98 926

wo kleine Kinder waren, damit sich diese fürchten 1796/98


sollten. Aus spas gaben sie auch wohl den Kin-
dem einige leichte Striche mit der ruthe. das war Christian Friedrich Rudolf Vetterlein
aber nicht verständig, denn manchen armen Kin- (1759-1842):
dem wurde dadurch die beste Freude verdorben, Chrestomathie deutscher Gedichte
und manche wurden wohl gar krank davon.« (S. gesammelt und erklärt. 3 Bände.
55) Obwohl die erste Hälfte der Lesestücke vor- Köthen 1796-1789
rangig sachlich informierenden Charakter hat,
fließen bereits in dieser Erzählung moralisierende
Ausführungen des Verfassers mit ein. Vetterlein wendet sich mit seiner Chrestomathie
So ermahnt Löhr hier seine Leser: »Kind in erster Linie an die »mittlere Jugend, und [ ... ]
wenn du dich freust über diegeschenkedeiner gü- [den] Teil des übrigen lesenden Publikums, wel-
tigen Aeltem, so denke daran, wie viel es arme cher ihr an Fähigkeit und Kenntnissen ohngefähr
Kinder gibt, denen keiner etwas schenkt. Für sie gleicht, und in dieser Rücksicht zwischen dem ei-
steht nirgends ein Tischehen mit Obst und nüssen gentlichen Gelehrten und dem unwissenden
und Spielsachen, und braunem pfefferkuchen. Nichtgelehrten, in der Mitte steht« (I, S. VIf.).
[ ... ] Wo IIst du wohl einem armen Kinde etwas Für diese beiden Gruppen hält er das Lesen und
von deinem geschenke abgeben? - Hast du wohl Studieren vaterländischer Dichter deswegen für
schon dran gedacht, wie es sich da würde freuen, besonders geeignet, weil die Dichtkunst nützliche
und sich schön bedanken bei dir?« (S. 55 f.) Die Belehrung mit angenehmer Unterhaltung verbin-
Erzählungen, die in zweifacher Ausführung ge- de und dadurch- im Gegensatz zu den »allgemei-
druckt sind, haben die moralische Belehrung zum nen und abstrakten Belehrungen« - den Leser
Hauptinhalt Behandelt werden hier in Form von nicht durch den »Schein der Arbeit und der An-
Beispielerzählungen vorrangig Kindes- und El- strengung« abschrecke (1, S. VII).
ternliebe (Der gute Sohn, S. 114), Nächstenliebe Die Adressaten werden nicht nur nach oben,
(Die wohlthätigen Kinder, S. 104), Tierliebe (Das gegen den eigentlichen Gelehrtenstand, sondern
Rothkehlchen, S. 128), Fleiß und Strebsamkeit auch nach unten abgegrenzt. Das Werk sei nicht
( Friedrich, S. 146) und Ehrlichkeit (Der unglückli- bestimmt »für kleine Kinder [ ... ] noch für die
che Wilhelm, S. 156). Zwar finden sich hier die niedrigen Volksklassen« (I, S. VIII), sondern vor-
Tugendthemen der Aufklärung in typischer Wei- nehmlich für »junge Studierende« (I, S. IX) der
se abgehandelt, nirgends aber werden sie als ab- mittleren Stände, die durch frühen Unterricht be-
strakte Moral vorgetragen. reits genügend Vorkenntnisse hätten und bekannt
Laut Kayser erschien die erste Ausgabe des ABC- seien »mit der reinen und nach berichtigten Be-
und Bilderbuches 1796. Wegehaupt (1979, Nr. 1284) da- griffen bestimmten Sprache der Bücher«- im Ge-
tiert das Ersterscheinungsjahr ebenfalls auf 1796, wäh- gensatz zum gemeinen Mann, dessen geringe
rend Göbels (Reprint 1979, S. 213) 1797 angibt. Rü- sprachliche Bildung ihn »zu dem Genuß unsrer
mann (1937, Nr. 225) vermerkt eine vierte verb. Aufl. bessern Dichter noch unfähig macht« (I, S. VIII).
o.J. mit 10 kolorierten Kupfern und nimmt für die erste Die Intentionen, die der Herausgeber ver-
Auflage 1797 an. Wegehaupt (1979, Nr. 1284) verzeich- folgt, werden wie folgt beschrieben: Die Antholo-
net eine 2. verb. Aufl. 1801 mit 10 kolorierten Kupfern
gie soll denjungen Lesern als »Vorbereitung auf
auf 5 Tafeln und (Nr. 1285) eine 5. verb. Aufl. 1823 (vgl.
Ky), mit 14 kolorierten Kupfern auf 7 Tafeln nach
den theoretischen Unterricht über Dichtkunst
Zeichnungen von Ramberg, gestochen von A. Schule. dienen«, sie zu einem »genauem Studium [der
Graebsch (1942, S. 68) berichtet, daß Löhrs Dichter], zur Bildung ihres Ausdrucks, ihres Ge-
Schriften »viel gelesen und häufig neu verlegt (noch in schmacks und ihres Herzens« hinführen und den,
den IetztenJahrzehnten des 19. Jahrhunderts!)« worden der Lust dazu hat, anhand dervorgelegten Muster
seien und führt weiter aus: » Löhr hat in seinen kleinen zur Anfertigung eigener Gedichte ermuntern (I,
Geschichten mitunter einen kindlich munteren Ton ge- S. III f.). Offensichtlich ist das Werk primär für
funden, wie er zu seiner Zeit selten ist. Daneben steht na- den Privatgebrauch des Schülers gedacht; so wird
türlich vieles, das noch ganz der aufklärerischen Moral-
nur am Rande der Hoffnung Ausdruck gegeben,
geschichte angehört.« G. R./H.
daß die Sammlung vielleicht »auch von angehen-
den Lehrern« gebraucht werden möge, welche
keine Zeit zur eigenen Vorbereitung hätten (I,
S. X).
Die Auswahl der aufgenommenen Gedichte
wird zunächst im Hinblick auf den Rhetorik- und
Poetikunterricht begründet: Die Leser sollten mit
»Beispielen und Mustern aus allen oder doch den
meisten Gattungen der Gedichte« bekannt ge-
macht werden (I, S. IV). Als weitere Gesichts-
punkte werden ein »lehrreicher Inhalt« und »ei-
927 ABC- und Lesebücher etc. 928

ne wahrhaft dichtrisehe Ausführung« genannt. Vetterlein erhebt mit seiner Chrestomathie


Allerdings seien auch ein paar »mittelmäßige den Anspruch, die »besten deutschen Dichter«
Stücke« aufgenommen worden, weil diese eben- zu versammeln (die von ihm zum Teil auch >> klas-
falls für die Bildung des guten Geschmacks nütz- sische Schriftsteller« genannt werden) (I, S. III).
lich seien (I, S. XI). Als drittes Auswahlkriterium Die fast völlige Ausklammerung nicht nur des
wird die Absicht angeführt, möglichst alle guten Sturm und Drang, sondern auch der Weimarer
Dichter vorzustellen. Dies wird freilich erheblich Klassik, die ertrotz dieses Anspruches vornimmt,
eingeschränkt: Ein Teil sei nicht aufgenommen und zwar in einer Anthologie, die kurz vor der
worden, weil der Herausgeber sie noch nicht ge- Jahrhundertwende erscheint, ist allerdings keine
nügend studiert habe, ein anderer Teil, weil ihre Ausnahmeerscheinung, sondern charakteristisch
besseren Gedichte für eine Sammlung zu lang für die nur zögernde Anerkennung der Klassik bei
seien, ein dritter Teil schließlich- obwohl bereits den Philologen und Schulmännern. Ausgehend
berühmt-, »weil ich mich von seinem poetischen von dem tradtitionellen, eng an der Antike ausge-
Beruf noch nicht überzeugen konnte« (I, S. XI). richteten Begriff des Klassischen erschienen die
Entstanden sei die Anthologie aus einer Werke von Uz und Ramler eher als klassisch als
handgeschriebenen Sammlung des Herausge- die der Stürmer und Dränger, ja selbst des klassi-
bers, die er für seinen eigenen Unterricht zusam- schen Goethe und Schiller. Auch aus der Perspek-
mengestellt habe. Um mehr als eine bloße Samm- tive derjenigen Pädagogen, die die Dichtung als
lung herauszugeben, hat er in Anlehnung an die Mittel des moralischen Unterrichts förderten, er-
Chrestomathien der alten Klassiker die Texte mit schien die didaktisch ausgerichtete Literatur der
einem erläuternden und kritischen Kommentar Aufklärung geeigneter als die neuere Dichtung,
versehen. die sich als autonom verstand. Ganz abgesehen
Die drei Bände der Chrestomathie sind nach fol- davon hatte die deutsche Literatur insgesamt an
geden Gattungen geordnet: Fabeln, Erzählungen ( = den Gymnasien einen schweren Stand und war
Erzählgedichte), Romanzen (I. Band); Oden (2. Band noch keineswegs als Unterrichtsfach etabliert.
und erster Teil des 3. Bandes), Hymnen, Lieder, ver- Noch in den 90er Jahren galt es vielerorts als pä-
mischte Gedichte und Sinngedichte (3. Band). Inner- dagogische Sünde, deutsche Literatur im Unter-
halb der Gattungen wird chronologisch vorgegangen.
richt zu lesen, und wenn sie gelesen wurde, dann
Fast alle Texte entstammen der vorklassischen
Dichtung der Aufklärung (Empfindsamkeit mit einge- überwiegend im Rahmen des Rhetorik- und Poe-
schlossen). Unter den Fabeldichtem steht Geliert an er- tikunterrichts, als Muster der Stilnachahmung al-
ster Stelle (mit 9 Texten), gefolgt von Lichtwer (6), Les- so.
sing, Hagedorn und Gleim (5) sowie von Haller, Clau- Vetterleins Chrestomathie ist eine der weni-
dius und Pfeffel (jeweils 1). Unter den Odendichtern gen Vorläufer des literarischen Lesebuchs, die das
findet sich am häufigsten Klopslock (9), gefolgt von 18. Jahrhundert aufzuweisen hat. Charakteri-
Ramler (7) und Uz (5); es folgen weiterhin, Hölty, Bür- stisch für die Sammlung ist seine Zwischenstel-
ger, Haller (jeweils 2) sowie Lessing, Hagedorn, E. von lung: Einerseits werden die Ziele des traditionel-
Kleist und die Karschin (jeweils einmal). Bei den Lie-
derdichtern steht Gleim an der Spitze (5); von den ande-
len Rhetorikunterrichts fortgesetzt, andererseits
ren ist jeweils nur ein Lied vertreten, nämlich von Hage- wird aber darüber hinausgegangen, indem bereits
dorn, Uz, Hölty, Stolberg, Geliert, Claudius und Bür- der bildende Wert der Dichtung betont wird. So
ger. sollen die gesammelten Gedichte zum einen den
Nurwenige Texte stammen aus früheren oder spä- Lesern als Muster dienen- für die Pflege eines gu-
teren Epochen: zahlreiche Sinngedichte von Logau, ten Stils, als >Fallbeispiel< für den Poetikunter-
zwei Epigramme von Herd er, drei Epigramme von Goe- richt und als Vorlage für die Abfassung eigener
the und fünf Gedichte von Bürger, darunter zwei Balla- Produkte. Darüberhinaus wird Dichtung verstan-
den (»Die Entführung«, »Die Weiber von Weins- den als ein Mittel des Unterrichts, das im Gegen-
berg«), die eindeutig dem Sturm und Drang zuzuord-
nen sind.
satz zu den abstrakten Wissenschaften nicht trok-
Die Anmerkungen sind relativ ausführlich. Sie ken belehrt, sondern angenehm unterhält und
bringen Erläuterungen zu unbekannteren, schwierige- deswegen für die Jugend in besonderem Maße ge-
ren Ausdrücken und Bildern, zum Metrum, zu stilisti- eignet ist. Entsprechend beschränken sich auch
schen Figuren und sonstigen formalen Auffälligkeilen die Anmerkungen nicht auf einzelne Erklärun-
(z. B. warum Lessing für seine Fabeln die Prosaform ge- gen, sondern gehen in Interpretation über. Die
wählt hat) sowie zum historischen Hintergrund und zur Wirkung der Dichtung wird dabei im Sinne Sul-
>> Werkgeschichte«, z. B. Vergleichemit früheren Ausga- zers und Gellerts darin gesehen, daß sie Empfin-
ben desselben Autors oder mit der Quelle, ferner die dungen für das Gute und das Schöne weckt oder-
Nennung von Parallelstellen bei den antiken Schriftstel-
wie es heißt - zur Bildung des Herzens und des
lern und lobende oder kritische Kommentare zu einzel-
nen Stellen oder dem ganzen Gedicht. Zu Beginn der Geschmacks beiträgt (1, S. IV, S. X). Diese Vor-
Anmerkungen findet sich außerdem der Versuch, die stellung ist ein wichtiger Vorläufer des Schiller-
Intention des Gedichts durch Untersuchung der Spra- sehen Konzepts der ästhetischen Erziehung im
che, der Figuren, der Handlungen (bzw. des Inhalts) Sinne der allseitigen, harmonischen Ausbildung
und der >>Moral« herauszuarbeiten. des Menschen durch die Kunst (vgl. Frank, 1976,
929 Funke, Neue Bilder-Fibel, 1797 930

Bd. I, S. 256ff.), aber- was ebenfalls zu betonen für den Privatunterricht. Das Werk beginnt mit dem
ist - noch Jahre nach Erscheinen der Schiller- ABC- und Leselernteil, dessen Gebrauch und Funktion
sehen Briefe die herrschende pädagogische Leit- in der Vorrede (S. I-XVI) ausführlich erläutert wird.
vorstellung. Der Teil enthält 34 Kupferstiche des Berliner Malers
und Kupferstechers Wilhelm Jury (1763-1829), denen
Der Chrestomathie deutscher Gedichte folgte 1800 jeweils kurze Texte beigefügt sind. Die Kupfer sollen
Vetterleins Handbuch der poetischen Litteratur der zur» Versinnlichung der Gegenstände« (S. I) beitragen.
Deutschen, d.i. Kurze Nachrichten von dem Leben und Zunächst werden die Vokale angegeben. Es folgen die
den Schriften deutscher Dichter. Ein Anhang zu seiner Umlaute und Konsonanten. Funke verfährt so, daß je-
Chrestomathie deutscher Gedichte, in dem u.a. Autoren- weils ein Wort vorgestellt wird, in dem der betreffende
biographien und eine Übersicht über die Werkausgaben Buchstabe vorkommt. Dieser Begriff wird durch die
enthalten sind. Kayser gibt außerdem eine weitere Chre- Kupfertafel veranschaulicht und im Text in seinen un-
stomathie an: Deutsche Anthologie, oder Auswahl deut- terschiedlichen Anwendungsbereichen dargestellt. Die
scher Gedichte, von Opitz bis auf unsere Zeit. Ein prak- Begriffe kommen überwiegend aus dem Bereich von
tisches Handbuch zum Gebrauch junger Freunde der va- Natur, Handwerk und Handel, aber es findet sich hier
terländischen Dichtkunst in und außerhalb der Schule bereits schon moralische Belehrung: Für den Buchsta-
(Bd. 1.2. 1809-10). ben V wird das Wort Vorwitz eingeführt. Auf der Kup-
Helmers ( 1970, S. 53ff.) betont in einseitiger Weise fertafel sieht man einen Jungen, der gerade ein Gewehr
die Ausrichtung Vetterleins auf den traditionellen Rhe- von der Wand nehmen will. In der geöffneten Tür steht
torikunterricht; vorrangiges Ziel sei die Stillehre auf- sein Vater mit erhobenem Zeigefinger. Der Text hierzu
grundpoetischer Muster. Ebenso undifferenziert ist der lautet: »Ei! Ei! Der Knabe will eine Flinte von der Wand
Vorwurf des Elitären, den Helmers aus Vetterleins Ab- nehmen, und versuchen, ob er auch schießen kann. Das
grenzung des Adressatenkreises nach unten ableitet; ist gefahrlicher vorwitz; denn wenn Jemand etwas wis-
immerhin beschreibt Vetterlein einen historischen Tat- sen oder erfahren will, was ihn nichts angeht, und was
bestand, wenn er meint, der gemeine Mann sei aufgrund ihm schädlich werden kann, der zeigt vorwitz. Zum
seiner geringen sprachlichen Bildung "noch unfähig" Glücke des Knaben kommt sein Vater eben dazu, und
für den Genuß der Dichter. G. warnt ihn noch zu rechter Zeit. Ohne Zweifel haben die
Eltern den Knaben schon sonst gewarnt, weil das Ge-
wehr hier in der Stube hängt, und er also leicht dazu
kommen kann. Um desto strafbarer ist also des Knaben
1797 vorwitz, und er verdient eine harte Züchtigung.« (S. 31)
Es folgen in gleicher Reihenfolge die bisher durch-
Kar/ Philipp Funke ( 1752-180 7): gängig kleingeschriebenen Wörter in Großschreibung,
Neue Bilder-Fibel zum Privatgebrauch in wobei der jeweilige Gegenstand noch einmal in einem
Familien. 2 Teile. (Neues Elementarbuch Satz charakterisiert wird (S. 35-41). Es schließt sich ein
ABC-Teil nach der synthetischen Methode an, um den-
zum Gebrauche bei dem Privat- Unterricht, 1. jenigen Eltern und Erziehern entgegenzukommen, die
Teil, 1. und 2. Hälfte) der Auffassung sind, daß man beim Lesenlernen nicht
Berlin 1797 auf die »gemeine Buchstabir-Methode« verzichten
könne (S. XVI). Es folgen kurze Leseübungen (S.
46-52), in denen überwiegend durch Aufzählung ver-
Funke will mit seinem Werk »die Elemente der
schiedene Begriffe vermittelt werden. Das nächste Ka-
nöthigsten Kenntnisse und Wissenschaften für pitel enthält kurze »Lehren und Sittensprüche«, die als
die Jugend der gebildetem Stände« vortragen Übung im Buchstabieren gedacht sind und durch Aus-
(l.l., S. 1). Die erste Hälfte des ersten Teils des wendiglernen den Verstand schulen sollen (S. 53-56).
Elementarbuches, die Neue Fibel, wendet sich an Es folgen Texte, die zur Schärfung der Urteilskraft bei-
»sorgsame Mütter, welche Zeit, Neigung und Ge- tragen sollen: Sie enthalten Fragen, die auf Begriffsdefi-
schick haben, ihren lieben Kleinen die Buch- nitionen abzielen (S. 57-62). Acht »kleine Erzählungen
stabenkenntniß selbst beizubringen« (S. If.); die zur ersten Übung im Lesen« schließen sich an (S.
übrigen Teile richten sich an »Väter, denen es aus 62-67). Sie behandeln zwei Themenkreise: Unvorsich-
tigkeit und Nachlässigkeit sowie Nutzen des Reich-
Gründen bedenklich scheint, ihre Kinder vor Er- tums. In der Vorrede merkt Funke an, die Leseübungen
reichung eines gesetzten Alters der öffentlichen seien »ihrem Inhalte nach so gewählt, daß sie das Kind
Schule anzuvertrauen, und die deshalb ebenfalls zum Lesen reitzen«, und er empfiehlt weiter: »Man las-
den ersten Unterricht selbst übernehmen, oder se sich fleißig vorlesen, und benutze die sich darbieten-
ihn doch privatim ertheilen lassen« (S. 1). Die de Gelegenheit zu lehrreichen Bemerkungen.« (S. XVI)
Hauptabsicht des Werkes soll es sein, »der Privat- Bei den nun folgenden 32 )) Erzählungen und Auf-
unterweisung in Familien vorzuarbeiten«; gleich- sätzen für Kinder, welche im Lesen schon etwas geübt
zeitig soll es den Eltern als Leitfaden zur Erleich- sind« (S. 68-l 03) handelt es sich um Tiergeschichten, in
terung dieses Unterrichts dienen. Funke will mit denen von der Klugheit, der Gelehrsamkeit, dem Mut
seiner Textauswahl das Interesse der Kinder an und der Anhänglichkeit verschiedener Haustiere be-
der Lektüre wecken und zu ihrer lehrreichen Un- richtet wird. Dem lateinischen Alphabet schließen sich
terhaltung beitragen. acht Beispielerzählungen an (S. 104-135), die dazu bei-
tragen sollen, die Kinder »bei Zeiten von schädlicher
Das vorliegende ABC- und Lesebuch bildet den und abergläubischer Furcht« zu befreien (S. l 06). Die
Anfang eines sechsbändigen enzyklopädischen Werkes ersten beiden Erzählungen werden in zweifachem
931 ABC- und Lesebücher etc. 932

Schriftbild (Antiqua/Fraktur) dargeboten, die übrigen '!S f d}ro r i n. fd I o dJ t t r.


sechs erscheinen ausschließlich in Frakturdruck. Abge-
schlossen werden diese Leseübungen mit fünf Briefen
(S. 136-160). Der erste Brief erscheint ebenfalls in zwei-
fd).
facher Ausfertigung, die folgenden sind in Kurrent-
schrift abgedruckt. Zur Vorgehensweise der Eltern bei
den Leseübungen empfiehlt Funke: »Mit Leseübungen
muß man nicht eher aufhören, und das Kind nicht eher
zum Schreiben oder gar zu wissenschaftlichen Beschäf-
tigungen zulassen, als bis es sich eine vollkommene Fer-
tigkeit, gut zu lesen, erworben hat.« (S. XVI) In Form ei-
nes Gespräches zwischen Vater und Sohn folgt nun eine
»Vorbereitung zum Rechnen« (S. 161-172). Der An-
hang enthält »Spiele des Witzes, und Uebungen des
Scharfsinns und des Nachdenkens«, die aus Worträt-
seln und Sprichwörtern bestehen (S. 173- t 80).
Die zweite Hälfte des ersten Teils enthält überwie-
gend Märchen, was für ein Lesebuch dieser Zeit eine Be-
sonderheit darstellt. Funke führt aus, es seien »absicht-
lich solche Stücke aufgenommen worden, welche die ll:>lrs fd;tntin if! fange grnuggrmnf!rt mor•
lltn;nun ,miU man es fd)!ad}rrn. I'S<I!on frOribm
Kinder zum Lesen anlocken können, damit sie erst
llrr fd;tad)tcl' bas ID?rlfer an Ne .st'r~!r, unb
theils überhaupt Geschmack an der Lektüre gewinnen;
bir lj)rrfon, b1r mit elnrm ~or'fr babri flrpr, roifl
theils desto mehr Fertigkeit im Lesen erlangen.« (Vorre-
llat! !a!ur auffangen. liDrun bat! f!(!rorin tobt
de) In einem vorangestellten Gespräch zwischen einem
iji, fo fdjutiber llrr f dJ rci <II r t r i~m btn !aaud}
Vater und seinen Kindern wird besonders betont, daß es
auf, nimmt Dir ~lngtll'ribr ~rrou1.1, unb rrinigt
sich bei den Märchen um Erdichtungen handle, denen
fit. !Jiud,) fd:o&et rr blr J")aarr unb0orftrn bon
man keinen Glauben schenken dürfe. Der Verfasser
ller J")aur llrs fd)WCinfß a&. ll:>ann mrrDrn
räumt jedoch ein, daß sie »zwar hauptsächlich nur un-
al!rr!ri IIDC!rflr !lrfocllt. ll:>arauf f<:)tintn fidJ
terhalten und belustigen sollen, aber doch auch lehr-
bir ~inbtr, lllrfd,)r plrr &ufe(lcn, AU frrurn. So
reich werden können.« (1.2., S. VII) Bei den acht abge-
1urnig ein fdJIU r in uti6t, fo fange et! lr&t: fo
druckten Märchen handelt es sich vorwiegend um mo-
nn~bar i~ rs ~a rgrn nocl} frhmn ~cbc.
ralisierende Feen- und Zaubermärchen; darüber hinaus
findet sich das »Märchen von Rübezahl« (S. 114-154),
das durch Musäus' Volksmärchen der Deutschen Funke, Carl Philipp: Neues Elementarbuch zum
( 1782-1786) wieder populär geworden ist. Bei den drei Gebrauche bei dem Privat - Unterrichte. 1heil 1.
folgenden Texten handelt es sich um Abenteuer- bzw. - Berlin 1797 (Nr. 309). Kupferstich von W. Jury
Reiseberichte. Die erste Erzählung schildert »Sonder-
bare Begebenheiten eines Kaufmanns in Russland« (S.
183-194), die zweite trägt den Titel »Beschreibung einer
beschwerlichen Reise von Kamtschatka durch einen
Theil von Sibirien« (S. 195-245) und fußt auf den Be- bung nach Lesseps. Sie stellen die eingeborene Bevölke-
richten von Ferdinand de Lesseps. Der letzte Text in die- rung beim Zobelfang, beim Hundeschlittenfahren und
sem Themenkomplex berichtet über »Traurige Schick- beim Schneeschuhlaufen dar. Der Aufbau dieses ersten
sale eines Deutschen, der in Türkische Sklaverei geraten Teils macht den angestrebten stufenweisen Unterricht
war.« Diese Erzählung beruht auf der Schrift von Jh. deutlich. In der Neuen Fibel werden bereits in verein-
Ehrenfr. Weishaupt: Nachricht von seinen Schicksalen, fachter Form Themen angesprochen, die im folgenden
zehnjähriger Sclaverei in Palästina und endlich erfolgter wieder aufgegriffen und ausführlich behandelt werden.
glücklicher Befreiung und Rückkehr in sein Vaterland,
von ihm selbst aufgesetzt, Liegnitz 1789. Die letzten drei Funke setzt sich in seiner Vorrede mit den
Beiträge dieses Teils wollen die Kinder vor Leichtgläu- Pflichten der Eltern bei der Erziehung ihrer Kin-
bigkeit gegenüber den Kunststücken von Zauberkünst- der auseinander. Diese erste Erziehung müsse mit
lern bewahren und sie davon überzeugen, »daß alles, der »Erhaltung und Befestigung der Gesundheit«
was geschieht, natürlich zugeht, so groß auch zuweilen beginnen (S. 111). Gleichzeitig müsse die »Ent-
der Schein seyn mag, als ob Geisterund dergleichen, mit wicklung und weise Richtung der sittlichen Anla-
Einem Worte, als ob übernatürliche Kräfte unmittelbar gen, Fähigkeiten und Kräfte« gefördert werden
wirkten.« (S. 273) So werden denn die Kunstgriffe der (ebd.). Funke unterscheidet den Natur- von dem
Bauchredner (S. 257-273) und Taschenspieler (S.
Kulturmenschen: Das Kind befinde sich bei sei-
286-300) erklärt und auf natürliche Ursachen zurückge-
führt, und es wird von der Geschicklichkeit der Men- ner Geburt im Stande der Natur und müsse zu ei-
schen berichtet, die zu diesem ZweckTiere abrichten (S. nem sittlichen Wesen erzogen werden. Funke
274-285). charakterisiert den Naturmenschen so: »Der ro-
Die zweite Hälfte des ersten Teils enthält acht he Naturmensch thut, was e r will und was er
Kupferstiche auf vier Tafeln von Wilhelm Jury. Zwei muß, aber nicht was er soll.« (S. IV) Für den kulti-
Abbildungen illustrieren Szenen zu der Erzählung vierten Menschen habe der entgegengesetzte
»Sonderbare Begebenheiten eines Kaufmanns in Ruß- Grundsatz zu gelten: »Handle jederzeit, wie du
land«, die übrigen sechs gehören zur Reisebeschrei- sollst (wie die Vernunft es für gut und recht er-
933 Funke, Neue Bilder-Fibel, 1797 934

kennt), nicht wie du willst (wozu heftige Triebe durch öftere Weigerung ihre Begierde immer
und Begierden dich reitzen), auch nicht, weil du mehr zu reitzen, und füge jedesmal hinzu: wenn
mußt, (bloß aus äußerem Zwange; denn der Ver- ihrnurerst selbst recht lesen könntet! Bücher habe
nünftige unterwirft sich der Nothwendigkeit frei- ich genug, u.s.w.« (ebd.).
willig).« (S. V) Ziel aller Erziehung müsse deshalb In der Frage nach der Vorgehensweise beim
s_ein, in den Kindem die Anlagen zur Sittlichkeit ersten Leseunterricht entscheidet sich Funke für
zu entwickeln und sie daran zu gewöhnen, daß sie eine analytische Methode, da er der Auffassung
tun, was sie sollen; solange sie sich im Stande der ist, daß durch die synthetische Methode »das Le-
Natur befänden, sei es gewiß, daß sie »für eine senlemen allerdings sehr erschwert und langweilig
Gesellschaft kultivirter Menschen nicht taugen, gemacht« werde (S. XIII). Zwar könne man sie,
und in derselben sich nicht wohl befinden« nach Locke, den Kindem durch Spiele und be-
(ebd.). klebte Würfel, erleichtern. Die analytische Me-
Der geeignetste Zeitpunkt, mit der Erzie- thode hat für ihn den Vorzug, »daß sie es fast un-
hung zu beginnen, sei dann gekommen, wenn sich möglich macht, den Unterricht so ganz gedanken-
im Kind der Erkenntnistrieb rege, wenn es anfan- los, mechanisch und für die Kinder langweilig zu
ge, seine Umwelt zu erforschen. Hier müßten die treiben, wie es nach jener [der synthetischen Me-
Eltern den kindlichen Willen einem äußeren thode, d. Red.] zu geschehen pflegt«. Beim Le-
Zwang unterwerfen, um es zur Einsicht und zum seunterricht dürfe die Fibel nur sparsam einge-
Gehorsam zu bewegen. Doch weist Funke aus- setzt werden; nur so könne der Reiz des Neuen,
drücklich daraufhin, daß man den Trieb der Kin- der ihr anhaftet, für das Kind bis zum letzten
der »weislich lenken und richten, aber nicht ge- Buchstaben erhalten werden. In jeder Lektion
waltsam unterdrücken« dürfe (S. VI). Hier sollten sollte nur eine Vignette betrachtet und von dem
die Erzieher bemüht sein, den Kindem eine »an- Kind erklärt werden, wobei man ihm mit Fragen
genehme und lehrreiche Beschäftigung« zu ver- zu Hilfe kommen und es auf Kleinigkeiten auf-
schaffen, wie es der »Aufenthalt in der freien Na- merksam machen sollte, um den Beobachtungs-
tur<< sei (S. VII), wobei er das Kind durch Fragen geist zu schärfen. Dem Kind müsse das zu erler-
anleiten könne, seine Umwelt aufmerksamer zu nende Wort zunächst vorgesprochen, dann müsse
betrachten und »frühzeitig der albernen Furcht es aufgefordert werden, das Wort in dem Text un-
und Scheu vor gewissen Thieren« vorbeugen ter dem Kupfer aufzusuchen. Durch dieses Auf-
(ebd.). Zu dem Zeitpunkt, an dem das Kind an- suchen werde »der Total-Eindruck des Wortes
fängt zu sprechen, sollte die eigentliche sittliche [ ... ] in der Einbildungskraft fixirt. « (S. XIV) Nun
Erziehung beginnen, da sich mit der Sprachent- müsse das Kind die Buchstaben des betreffenden
wicklung zugleich die Vernunft auspräge. Dies Wortes zählen, und es aus dem Buchstabenkäst-
bedeute die Erklärung der Ge- und Verbote, um chen in der richtigen Ordnung zusammensetzen.
das Kind zum Nachdenken anzuregen, damit es Zum Schluß des Unterrichts müsse der Erzieher
zwischen Gut und Böse unterscheiden lerne. Auf die Buchstaben benennen und durch das Kind
diese Weise solle der kindliche Wille, der bisher deutlich nachsprechen lassen. Zur Belohnung er-
vom Willen des Erwachsenen regiert wurde, un- zählt der Lehrer etwas aus der Naturgeschichte
abhängig gemacht und unter die eigene Erkennt- des abgebildeten Tieres. Funke bekräftigt, daß
nis und Vernunft gestellt werden. Funke steht mit man diese Methode »ohne alle Schwierigkeit bei
seinen Erziehungsvorstellungen den Auffassun- dem öffentlichen und Privatunterrichte« anwen-
gen Lackes nahe, den er hier zur Untermauerung den könne (S. XIII). Mit dem Leseunterricht soll
seiner Thesen zitiert. gleichzeitig die Vermittlung praktischen Sachwis-
Funke ist der Auffassung, daß in der Zeit der sens verbunden werden.
Ersetzung des Zwangsprinzips durch das morali- Die Kupfertafel stellen überwiegend Tier-
sche Prinzip auch mit der Ausbildung des Ver- szenen vor, wobei zunächst nur ein Gegenstand
standes begonnen werden sollte. Dies könne zur Darstellung gebracht wird, bei fortschreiten-
durch »gelegentliche Unterredungen« (S. XI) dem Unterricht aber verschiedene Gegenstände
und bis zum siebten Lebensjahr ohne Buch ge- zusammengebracht sind. Die dazugehörigen Tex-
schehen. Es sei von besonderer Wichtigkeit, te vermitteln zwar auch Sachwissen, wollen aber
durch das Vorlesen von Erzählungen, Märchen auch unterhalten. So werden etwa zu dem Buch-
und »angenehmen Histörchen« (ebd.) in den staben h die Begriffe Hirt, Hund Heerde angege-
Kindem das Verlangen zu erwecken, lesen zu ler- ben. Auf dem Kupfer ist inmitten einer idylli-
nen. Funke ermahnt die Eltern, stets das pädago- schen Landschaft eine Schafherde abgebildet, de-
gische Ziel vor Augen zu haben und dementspre- ren Schäfer unter einem Baum sitzt und auf der
chend vorzugehen: »Dies Vergnügen messe man Flöte bläst; neben ihm steht der Hirtenhund. Der
ihnen aber sparsam und unterbrochen zu; man Text lautet: »Der hirtmacht seiner heerde Tafel-
sage am nächsten Abend: heute habe ich nicht musik. Er bläset vielleicht nur zum Zeitvertreib
Zeit, weder zum Lesen, noch zum Zuhören; ihr und Vergnügen; aber erfahme hirten wollen be-
müßt euch anders beschäftigen. So suche man merkt haben, daß die Schafe bei dem sanften To-
935 ABC- und Lesebücher etc. 936

ne der Schalmeie ruhiger weiden und besser fres- bens um Hülfe an; er mußte nach einigen Mona-
sen, als ohne diese Musik. Der immer wachsame ten sterben.« (S. 11)
hund steht bereit, auf den ersten Wink seines Das Märchen » Elmine, oder die Blume, die
Herrn hin zu eilen, und die etwa zu sehr sich zer- nimmer welkt« (S. 24-34) läßt in besonderem
streuende heerde wieder zusammen zu treiben. Maße den aufklärerisch-moralisierenden Cha-
Der hirt kann sich sogar hinlegen und schlafen, rakter hervortreten. Elmine erhält von der Fee Im-
und er darf nicht besorgen, daß unterdessen Un- mergrün vier Blumen und zwei Knospen zum Ge-
ordnung entstehen wird; denn ein gut abgerichte- schenk. Sie verkörpern Bescheidenheit, Tugend,
ter hundthut doch seine Pflicht.«(S. 18) Mildtätigkeit und Leutseligkeit, die beiden Knos-
Die nachfolgenden Tiererzählungen bewe- pen Verstand und Anmut. Die Fee verspricht dem
gen sich auf gleicher Ebene: Erzählt werden z. T. Mädchen, daß die Blumen nur dann zur Blüte
spannende, z. T. lustige Geschichten von Hun- kommen werden, wenn sie sich um diese Tugen-
den, Pferden, Katzen und Vögeln, ohne das eine den bemühe. Elmine entwickelt diese Fähigkei-
konkrete Lehre an die Kinder gerichtet wird. In tern im Laufe von acht Jahren und erfährt schließ-
den Erzählungen zu Spuk und Aberglauben tritt lich aus dem Munde der Fee: »Die Blume wird
die moralisierende Komponente jedoch schon immer frisch bleiben, und Elmine immer liebens-
deutlich hervor. Sie sollen beweisen, daß» manje- würdig und immer geliebt seyn; denn Tugenden
desmal entweder sich selbst betriegt, oder von An- des Herzens und Vorzüge des Geistes sind Reitze,
dem betrogen wird, wenn man meint, dies oder je- die durch nichts verlöscht werden können.« (S.
nes gehe nicht natürlich zu.« (S. 106) Meistens 34) Im Verlauf der Erzählung wird die Entwick-
sind es »unverständige« Wärterinnen, die den lung des Mädchens geschildert. Die Beschrei-
Kindem Angst vor Spuk und Gespenstern einflö- bung der »Blume des Verstandes« enthält in ge-
ßen, ohne an die Folgen zu denken. raffter Form ein Bildungsprogramm für junge
Dem Märchenteil des Werkes ist ein Ge- Mädchen. Hier heißt es: »Die Knospe, welche
spräch vorangestellt, das über den Charakter die- die Blume des Verstandes einschloß, wurde täg-
ser Gattung aufklären soll: » V. Habt ihr aber lich größer, und fing an, sich zu entfalten. So oft
wohl behalten, was ich euch sonst schon von sol- die Prinzessin beim Unterrichte aufmerksam und
chen Erdichtungen sagte? K. Nun, daß sie nicht gelehrig gewesen war, befragte sie die Knospe,
wahr sind, und daß wir nicht etwa glauben, als ob und fand alsdann gemeiniglich, daß sie ein neues
das wirklich geschehen wäre, was so erzählt wird Blatt getrieben hatte. Diese Blume war die bewun-
von Erscheinung der Geister, vom Bezaubern und derungswürdigste von allen; denn sie wuchs, so
dergleichen. V. Richtig. Ihr wißt auch aus eurer lange Elmine lebte. Nichts war verschiedener, als
Fibel, daß theils lrrthum, theils Betrug diese fal- die Gestalt und Farbe ihrer Blätter. Auf einigen
schen Vorstellungen veranlaßt hat, und sie bei sah man niedliche kleine Landschaften, auf ande-
nicht unterrichteten Leuten noch erhält. Wenn ren Zeichnungen zu reicher Stickerei, wieder an-
aber verständige Personen so etwas in ihre Erzäh- dem Vorstellungen aus der Geschichte oder Erd-
lungen mit einmischen, so geben sie es für nichts beschreibung, und auf vielen eine goldene Leier
weiter aus, als was es ist, für ein Märchen.« (1.2., oder eine elfenbeinerne Harfe. Kurz, es waren
S. IV) Die Märchen tragen deutlich moralisieren- darauf sinnbildliche Vorstellungen von allem,
de Züge, Funke bezeichnet sie selbst als »kleine was dem Geist eines jungen Frauenzimmers zur
moralische Erzählungen und Fabeln.« ( l.l., Zierde gereicht.« (S. 32)
S. XVI) So behandeln die drei ersten Märchen In dem Märchen »Die Zauberflöte« (S.
Themen wie Wohltätigkeit, Gesundheit und 44-48) sowie in den beiden deutschen Erzählun-
Schönheit. Das Märchen »Das schneeweiße gen »Das dankbare Gespenst« (S. 155-178) und
Kätzchen« (S. 1-5) soll darstellen, daß Reichtum »Das Märchen von Rübezahl« (114-154) treten
nur dann gutzuheißen ist, wenn er zum Nutzen die moralisierenden Elemente zugunsten des
der Armen angewendet wird. Ein solches Verhal- Märchenhaften und der volkstümlichen Überlie-
ten findet stets seine Belohnung. Die zweite Er- ferung in den Hintergrund.
zählung vom »König Frudibald« (S. 5-11) be- Die Neue Bilder-Fibel wurde unabhängig vom
handelt die negative Seite des Reichtums: Der Elementarbuch bis 1807 dreimal aufgelegt, wobei sie um
König muß den Wohlstand mit seiner Gesundheit einen zweiten Anhang erweitert wurde, der »Materia-
bezahlen, da er ihn nicht richtig genutzt hat. Eine lien zur Unterhaltung über den Text zu den Vignetten«
Fee ermöglicht es ihm, mit einem gesunden, aber enthält. Krebs (1929, S. 76 ff.) kritisiert an den Kupferil-
armen Hirten zu tauschen. Doch im Hirtendasein lustrationen der Neuen Bilder-Fibel, daß diese nur ver-
vermißt er seinen Reichtum, und läßt sich wieder wirrten, da sie zu klein seien und zuviel verschiedene
Gegenstände enthielten. Die Gesamtbeurteilung des
in seinen gewohnten Lebensbereich zurückverset-
Elementarbuchs fa11t bei Krebs folgendermaßen aus:
zen: »Schmerz und Unmuth überfielen ihn aufs »Im Vergleich mit dem> Elementarwerke< von Basedow
neue, und thöricht bereuete er schon wieder, daß ist Funkes Werk nicht als eine Fortentwicklung der Idee
er nicht Hirt geblieben war. Aber die Fee ließ zu bezeichnen. Er bringt nichts Neues, nichts Selbstän-
nicht mit sich scherzen, Frudibald rief sie verge- diges, und wird in der zeitgenössischen Literatur kaum
937 Salzmann, Conrad Kiefers ABC, 1798/1800 938

genannt. Etwas mehr bekannt waren seine physikali- die Kinder auf diese Weise gelernt, alle Silben
schen und technologischen Lehrbücher.« H. richtig auszusprechen, soll ihnen das Lesebuch in
die Hand gegeben werden.
Das Lesebuch selbst ist so aufgebaut, daß
der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Lesestücke
1798/1800 zunehmend größer wird. An den Anfang will
Christian Gotthilf Salzmann ( 1744-1811): Salzmann daher nur kurze Sätze aus einsilbigen
Conrad Kiefers ABC und Lesebüchlein oder Wörtern stellen, die aber dennoch einen Sinn er-
geben; erst allmählich sollen zwei- und mehrsilbi-
Anweisung auf die natürlichste Art das
ge Wörter in den Text einfließen.
Lesen zu erlernen. 2 Teile. Der zweite Teil des Werks soll die Kinder
Schnepfenthal1798-1800 lehren, »mit Ausdruck zu lesen«: »Dieß wird ih-
nen nicht schwer seyn, wenn sie Empfindungen
Salzmanns Conrad Kiefers ABC und Lesebüch- ausdrücken müssen, die ihnen nicht fremd sind,
lein ist ein Buch für den ersten Leseunterricht klei- und wenn das zu lesende Stück mehr die Form ei-
ner Kinder und von seinem Charakter her für die ner Erzählung oder eines Gesprächs, als einer Re-
Benutzung unter Anleitung eines Lehrers oder Er- de hat.« (2. Teil, Vorrede, S. II) Das vorzüglichste
ziehers bestimmt. Während der erste Teil einfache Mittel, dieses Ziel zu erreichen seien die den
Übungen zum richtigen Lesen enthält, soll der Schluß des zweiten Bandes bildenden drei Ge-
zweite Teil »Kindern, die in dem ersten Theile fer- spräche, die »ganz in kindischer Denkungsart ab-
tig lesen gelernt haben, Gelegenheit [ ... ] ver- gefaßt« seien. Da er aber nicht in der Lage gewe-
schaffen, mit Ausdruck zu lesen.« (2. Teil, Vorre- sen sei, sich immer »in diesen kindischen Ton her-
de, S. II) abzustimmen«, habe Salzmann für den zweiten
»Der erste Unterricht im Lesen«, beginnt Teil des Werks vornehmlich Fabeln ausgewählt:
Salzmann seinen Vorbericht zum ersten Teil, »Fabeln wählte ich blos deswegen, weil die Kin-
»war bisher gewiß ein sehr unangenehmes Ge- der die in meiner ganzen Erziehungswissenschaft
schärfte, bey dem der Lehrer und die Kinder gar meine Lehrmeister waren, mich lehrten, daß sie
bald verdrüßlich wurden. Daß dies wahr sey, weis die Fabel gerne läsen, und, weil ich glaube, daß
jeder, der sich demselben unterzogen hat, aus Er- man, wenigstens den ersten Leseübungen, die
fahrung. Ich selbst, so gern ich mich auch sonst möglichste Annehmlichkeit geben müsse.« (2.
mit den kleinsten Kindem unterhielt, hatte doch Teil, Vorrede, S. III) Salzmann revidiert damit die
nie Geduld genug, um diesen Unterricht ertheilen in seinen früheren Schriften geäußerte Besorgnis,
zu können.« Mit Conrad Kiefers ABC und Lese- »daß Kinder durch Lesen der Fabeln auf irrige
büchlein präsentiert Salzmann nun das »durch Vorstellungen möchten geleitet werden« (ebd.).
Nachdenken und durch angestellte Versuche« er- Er bezeichnet diese Besorgnis jetzt als »ganz un-
arbeitete »Mittel, den Unterricht im Lesen zu er- gegründet«: » Mehreremale, wann mir Kinderei-
leichtem, und in eine angenehme Unterhaltung ne Fabel vorgelesen hatten, fragte ich sie, wo woh-
für Kinder und ihre Lehrer umzuschaffen« (1. nen denn die Störche, Sperlinge, Mäuse, Ziegen,
Teil, Vorrede, S. IV). die sprechen können? sie antworteten mir alle-
In seinem Vorbericht nennt Salzmann ver- mal: es ist ja gar nicht wahr- es ist ja nur eine Fa-
schiedene » Erleichterungsmittel « des Lesenler- bel. Nie fand ich ein Kind, daß die geringste Nei-
nens, die von den Lehrern angewendet werden gung gezeigt hätte, der Fabel Glauben beyzumes-
sollen: Die offenbar zusammen mit dem Buch ge- sen.« (ebd.) Salzmann verwahrt sichjedoch nach
lieferten einzelnen Buchstaben- sie sind bei dem wie vor dagegen, »die Fabellehrerin der Sittlich-
vorliegenden Exemplar nicht mehr erhalten- sol- keit« zu gebrauchen; er habe daher zumeist die
len einzeln auf ein Stück Pappe geklebt und - Moraleu der Fabeln fortgelassen (2. Teil, Vorre-
nach den verschiedenen Schriftarten geordnet - de, S. IV).
in ein besonderes Kästchen gelegt werden. Mit Der erste Teil von Conrad Kiefers ABC und Lese-
diesen Buchstaben sollen verschiedene Buch- büchlein besteht aus 32 Lesestücken. Bis zum 15. Lese-
stabenspiele gespielt werden: Durch solche Spie- stück bestehen alle Texte nur aus einsilbigen Wörtern,
le und Übungen werde »das Kind gereitzt, mit Be- die Stücke 16 bis 25 aus ein- und zweisilbigen Wörtern,
gierde manche Buchstaben zehn bis zwölf, man- und erst die letzten sieben Stücke weisen auch mehrsil-
che vier bis zwanzigmal herzusagen, ohne ver- bige Wörter auf. Bis einschließlich Text 12 sind alle
drüßlich zu werden.« (1. Teil, Vorrede, S. VI) Die Wörter klein geschrieben. Die in deutscher Fraktur und
nächste Übung besteht im Buchstabieren: die Kleinbuchstaben gedruckten Texte 6 und 8 erscheinen
im gleichen Wortlaut als Texte 19 und 20,jedoch in la-
Kinder müssen die vom Lehrer einzeln ausge-
teinischen Buchstaben und in normaler Groß- und
sprochenen Buchstaben eines Wortes zu einem Kleinschreibung. Ebenso werden die in deutscher
ganzen Wort zusammenfügen; schließlich sollen Schrift gedruckten Texte 17 und 18 noch einmal in latei-
sie einzelne Buchstaben aus de Buchstabenkästen nischer Schrift wiederholt (Texte 24 und 25).
zu einsilbigen Wörtern zusammenlegen. Haben Die meisten Lesestücke sind in Form kleiner Ge-
939 ABC- und Lesebücher etc. 940

spräche gehalten, die zwischen Eltern und Kindern ge- weis, auch fehlt der sonst übliche Hinweis auf die dauer-
führt werden und an Situationen aus dem Erfahrungs- haften schlechten Folgen der Naschsucht.- Den Stoff
bereich der Kinder anknüpfen. Häufig nehmen sie ih- mehrerer Lesestücke hat Salzmann entlehnt aus J. P.
ren Ausgang in der Beobachtung von Tieren. Die Kin- Hundeikers Privatfibel, oder Uebung im Lesen (Braun-
der werden so etwa belehrt über den Schaden und den schweig 1791 ). Die Texte II und 12 sind vollständig von
Nutzen, den ein Krebs stiften kann (S. 22 ff.), die Le- Hundeiker übernommen.
bensgewohnheiten eines Kauzes (S. 24 f.), das Aussehen Der zweite Teil von Conrad Kiefers ABC und Le-
des Storches im Vergleich mit anderen Tieren (S. 26ff.), sebüchlein besteht aus 83 Fabeln sowie drei angehäng-
den Nutzen eines Schweins (S. 30 ff.) oder die Herkunft ten Kindergesprächen. Die Fabeln sind in ihrer Gesamt-
der Milch (S. 35 ff.). Viele dieser Lesestücke setzen sich heit entlehnt. Die ersten zwanzig Fabeln hat Salzmann
mit der Frage auseinander, wie man Tiere zu behandeln Gellerts Fabeln und Erzählungen (Leipzig 1767) ent-
hat, und beschäftigen sich insbesondere mit der Frage nommen. Weitere Fabeln stammen von Lichtwer (S.
der Tötung von Tieren. Die zentrale Lehre, die den Kin- 69 ff.) bzw. Gleim (S. 99 f.) und sind vermutlich den Fa-
dern dabei vermittelt wird, lautet: »Also darf ich ein beln von Hagedorn, Gleim und Lichtwer. Mit Kupfern
Thier tödten, wenn es mir schadet, oder wenn ich sein von J. R. Schellenberg. (Winterthur 1777) entnommen.
Fleisch essen kann.« (S. 56) Zudem werden die Kinder Andere Fabeln sind thematisch identisch mit der von de
angehalten, niemals Tiere zu quälen (vgl. bes. »Die Krö- Bellegarde veranstalteten Aesop-Ausgabe (Aesopus,
te«, S. 75 ff.). des Phrygiers, Leben und Fabeln, Kopenhagen und
In zwei Lesestücken wird das Verhalten kleiner Leizpig 1754) bzw. dem Liber fabularum des Phaedrus,
Tiere als positives bzw. negatives Beispiel den Kindern ohne daß jedoch die spezifische Bearbeitung nachge-
vorgehalten. In » Wilhelms Gespräch mit seiner Schwe- wiesen werden könnte, aus der Salzmann die Texte ent-
ster über die Eier« (S. 70ff.) wird Wilhelms Verhalten, lehnte. Salzmann hat alle Fabeln entsprechend gekürzt,
als er dem Rufen seiner Mutter nicht sogleich folgt, dem wenn sie eine Ana- oder Epimythion enthielten. Die an-
Gehorsam kleiner Küken gegenübergestellt, die schon gehängten drei Gespräche, die den eigentlichen Ver-
nach dem ersten Lockruf der Mutter entgegeneilen. Das such Salzmanns ausmachen, ein Lesebuch für kleine
29. Lesestück über ein Rotkehlchen, das einen kleinen Kinder zu schreiben, greifen erneut Themen aus der
Artgenossen durch sein garstiges Verhalten in den Tod Tierwelt auf. In» Diejungen Katzen« (S. 106ff.) setzen
treibt, endet mit der Lehre: »Nun, sagte der Vater, wir sich drei kleine Geschwister mit Nachdruck und Erfolg
wollen es dem Schätzchen vergeben: denn es weis nicht, dafür ein, daß die Nachkommenschaft ihrer Hauskatze
was es für Freude macht, ein gutes Kammerädchen zu nicht getötet, sondern verschenkt wird. In »Die Eidech-
haben. Es giebt aber Kinder, die eben nicht klüger sind se« lernen Kinder, die Abscheu vor einer Eidechse zu
als Schätzchen, und sich immer mit ihren kleinen Freun- überwinden und ihre Nützlichkeit und spezifische
den zanken, und ihnen ihre Freude verderben.« (S. 115) Schönheit zu erkennen. »Der Kiebitz« (S. 177 ff.) ist ein
Gespräch über die Nützlichkeit von Kiebitzen und ver-
Andere Geschichten vermitteln elementare urteilt das Ausnehmen von Vogelnestern. Ähnlich wie
Kenntnisse aus der Naturkunde, z. B. daß Stein schwe- im ersten Teil sind auch im zweiten Teil des Lesebuchs
rer ist als Holz (S. 18 ff.), welche Auswirkungen der jah- mehrere Texte in lateinischer Schrift gedruckt; im zwei-
reszeitliche Ablauf für die Pflanzenwelt hat (S. 20ff.) ten Teil wechseln jedoch deutsche und lateinische
usw. Auch geläufige Themen aus anderen Lesebüchern Schrift, ohne daß die Texte wiederholt würden. Insge-
finden sich wie das Verhalten bei Verkühlung (S. 105) samt sind 41 Texte mit lateinischen Buchstaben ge-
oder die Warnung vor dem Genuß kalter Getränke bei druckt.
Überhitzung (S. 123). Einen bedeutenden Raum nimmt
auch die Tugendlehre ein. Ein Lesestück beschäftigt
sich z. B. mit den Folgen der Lüge (S. 33), und das »Ge- Conrad Kiefers ABC und Lesebüchlein ist ei-
spräch zwischen Heinrich und seinem Vater« (S. 65 ff.) ne praktische Umsetzung derjenigen Grundsätze,
entwickelt arn Beispiel der beiden Kontrastfiguren Fix die Salzmann 1796 in seiner Schrift Conrad Kie-
und Dix, was ein gutes Kind tun soll: sofort nach dem fer, oder Anweisung zu einer vernünftigen Erzie-
Wecken aufstehen, sich anziehen, kämmen, waschen hung der Kinder aufstellte. In dem 26. Kapitel
und den Mund ausspülen; bei Tisch warten, bis der Va- dieses Werks- betitelt »Conrädchen lernt auf ei-
ter kommt; die Kleidung rein halten; tun, was es die El- ne curiose Art lesen« - schildert Salzmann, wie
tern heißen; kameradschaftlich sein und Bedürftigen
Conrad Kiefer durch den Herrn Pfarrer das Ler-
abgeben; keine Tiere quälen. Besonders häufig wird die
Forderung aufgestellt, morgens früh aufzustehen (vgl. nen lernt. Bereits hier sind die einzelnen Buchsta-
z. B. S. 39 f. oder S. 46 f.). Die Kinder sollen auch ler- bierspiele entwickelt, die Salzmann in der Vorre-
nen, ihre Gefühle zu kontrollieren. Dies wird vor allem de zu dem vorliegenden Werk als Mittel anpreist,
deutlich in der mehrfachen Aufforderung, daß die Kin- »auf die natürlichste Art das Lesen zu erlernen«.
der nicht weinen sollen. Bemerkenswert ist, daß Salz- Im Unterschied zu der in der Vorrede benannten
mann bei mehreren Geschichten auf eine moralische Methode schiebt Salzmann im Conrad Kiefer al-
Ausdeutung des Stoffes verzichtet. So verstößt z. B. in lerdings noch eine Vorstufe voraus, auf der die
der Geschichte »Herr Herbst macht einen Spas« das verschiedensten Dinge gezeigt und dann vor-
kleine Hannchen gegen ein Verbot ihres Vaters und
buchstabiert werden sollen; die Kinder sollen
nascht frühzeitig vom Honig. In dem Honig sitzt jedoch
noch eine Biene, die Hannchen mit ihrem Stachel so in später diese Buchstabierübungen wiederholen.
die Zunge sticht, daß die Zunge stark anschwillt und das Erst wenn dies beherrscht wird, soll nach Salz-
Mädchen den ganzen Tag nichts mehr essen kann. Salz- mann die erste Beschäftigung mit den Buchstaben
mann schildert lediglich, wie der Stachel wieder entfernt folgen, die die Kinder auf die bereits vorgestellte
wird; das Mädchen bekommt nicht einmal einen Ver- Art kennenlernen (vgl. Conrad Kiefer, S. 136f.).
941 Salzmann, Conrad Kiefers ABC, 1798-1800 942

Salzmann, Christian Gotthilf: Konrad Kiefers Bilderbüchlein. - Schnepfenthall803 (Nr. 769). Kupfer-
stich von d'Argent

Salzmanns »curiose« Art des LesenJemens dem Erkenntnisprozeß der menschlichen Natur
unterscheidet sich von der gängigen Buchstabier- zu folgen, unterscheidet sich Salzmanns Lesetern-
und Syllabiermethode vorerst nur dadurch, daß Methode jedoch nicht nur durch ihren spieleri-
er die Kinder die Buchstaben nicht aus dem Bu- schen Ansatz von der herkömmlichen Buchsta-
che lehrt, sondern sie spielerisch mit ihnen be- biermethode. Der wesentliche Unterschied zu ihr
kanntmacht. Die analytische Methode des Lesen- liegt darin, daß die Vertreter dieser Methode, wie
Jemens wird von Salzmann ausdrücklich verwor- etwa Johann Friedrich Hähn mit seiner » Litteral-
fen . Daß die modifizierte Beibehaltung der syn- methode«, von Zeichen ausgehen, während Salz-
thetischen Methode »das beste« sei, demonstriert mann in seinem Unterricht von Sachen ausgeht.
Salzmann im Conrad Kiefer an einem Vergleich Der erste Leseunterricht, für den Conrad Kiefers
zwischen zwei Schülern, von denen der eine nach ABC und Lesebüchlein verfaßt worden ist, stellt in
der Art des Pfarrers, der andere aber nach der ana- Salzmanns Konzeption bereits eine zweite Unter-
lytischen Methode das Lesen gelernt hat. Die richtsstufe dar: Ihm schickt Salzmann nämlich als
Auswirkungen der in Salzmanns Augen falschen erste Unterrichtsstufe einen Sachunterricht vor-
analytischen Methode sind entsprechend nega- aus, der die Kinder mit der Natur bekannt ma-
tiv: »Das Kind, welches nicht buchstabiren ge- chen soll.
lernt hatte, mußte lesen und las herzlich schlecht. Auf die Frage »welches sind die ersten Be-
( .. . )Ich habe so viele Kinder gekannt, die das Le- griffe, die man einem Kinde beibringen soll« ant-
sen ohne buchstabiren lernten, die immer wortet er in seinem kurzen Aufsatz» Ueber den er-
schlecht lasen, und, wann sie schrieben, die Wör- sten Unterricht der Kinder« (in: H. G. Zerrenner,
ter immer falsch abtheilten [ ... ]. Hingegen Kin- Der deutsche Schulfreund ein nützliches Hand-
der, die erst fertig buchstabiren, dann lesen lern- und Lesebuch für Lehrer in Bürger- und Land-
ten, lasen immer gut, und theilten im Schreiben schulen, Bd. l, Erfurt 1791, S. 85 ff.): »Sachen,
die Wörter richtig ab. Sehen Sie, Herr Confrater! dachte ich, waren eher als Zeichen, und Empfin-
dieß sind die Gründe, warum ich das Buchstabi- den ist die Grundlage von Vorstellen und Den-
ren beybehalte.« ( Conrad Kiefer, S. 143) ken, folglich muß das Kind erst die Sachen ken-
Trotz dieser offenen Ablehnung der analyti- nen lernen, ehe man es mit den Zeichen bekannt
schen Lehrmethode, die für sich beansprucht, macht ; es muß erst empfinden, ehe es sich Vor-
943 ABC- und Lehrbücher etc. 944

stellung macht und denkt.« (S. 85) Die erste, sehe Erfahrungen überzeugt worden, daß die
mündliche Unterweisung der Kinder soll sich auf Kinder ohne weiteres den Fabelcharakter des
Gegenstände aus der Natur beschränken: »Da- Vorgetragenen erkennen könnten und daher die
durch wurde ich nun gewiß überzeugt, daß der er- Besorgnis »ganz ungegründet« sei, die Kinder
ste Unterricht, zu welchem der Schöpfer den könnten durch das Erzählen von Fabeln zu fal-
Menschen bestimmt hat, die Bekanntmachung schen Vorstellungen geleitet werden. Vergleicht
mit der Natur sey. Man verstehe mich aber wohl! man diese neue Begründung mit der zuvor vertre-
Durch die Bekanntmachung mit der Natur verste- tenen Ablehnung der Fabel als Unterrichtsmittel,
he ich keineswegs die Bekanntmachung mit den so fällt auf, daß der zweite Teil der Begründung-
Namen der Produkte der Natur, noch mit derCla- durch den Dichtungscharakter verlöre die Fabel-
sification, noch mit den Abbildungen, sondern moral ihre Glaubwürdigkeit (»Wenn [das Kind]
mit den Produkten derselben selbst.« (S. 86) nun aber weiß, daß die ganze Erzählung eine Er-
Für Salzmann ist »kein Gegenstand denk- dichtung ist, wird nicht eben dadurch die ange-
bar, an dem die Seelenkräfte der Kinder zweck- hängte Moral ihre Glaubwürdigkeit verlieren?«,
mäßiger geübt werden könnten, als empfindbare Ueber die wirksamsten Mittel ... , S. 55)- ausge-
Produkte der Natur« (S. 86). Durch den von der spart bleibt. Salzmann meint ihm insofern Rech-
lebendigen Natur ausgehenden Sachunterricht nung tragen zu können, als er auf »die Fabellehre-
verspricht er sich viele Vorteile: 1) Die Kinder er- rin der Sittlichkeit« verzichten will und entspre-
würben auf diese Weise »ein ungemein reichhalti- chend jeweils das entsprechende Ana- oder Epi-
ges Magazin von wahren Begriffen«; 2) sie wür- mythion aus den Fabeln herausstreicht. Freilich
den vor vielen Irrtümern bewahrt, »die sich durch kann dies nur eine Hilfskonstruktion sein, weil
den symbolischen Unterricht nothwendig in die auch die so verkürzten Fabeln immer noch der
Seele schleichen müssen«; 3) man führe so die Morallehre dienen und das »fabula docet« auch
Kinder auf leichtestem Wege von konkreten zu ohne ausdrücklichen Vermerk meistenteils leicht
abstrakten Begriffen; 4) die Kräfte der Kinder zu erschließen ist.
würden nicht überbeansprucht; 5) ein solcher Un- Ergebnis dieser Verkürzung der Fabeln ist je-
terricht erhöhe die Aufmerksamkeit der Kinder doch häufig, daß die aktuellen, zeitkritischen Be-
und verleihe ihnen Beobachtungsgeist; 6) der Un- züge aus den Fabeln herausgenommen werden,
terricht in der Natur sei eine »unerschöpfliche daß die Fabel stärker allgemeingültigen Charak-
Quelle von Freuden« (vgl. » Ueber den ersten Un- ter erhält, wodurch die beständige Gültigkeit ihrer
terricht der Kinder«, S. 87 ff.). Moral allerdings noch eher unterstrichen wird. In
Die Kinder sind auf diese Weise also schon der Fabel »Das Pferd und die Bremse« (Teil 2,
mit den Sachen bekannt, die sie im Leseunterricht S. 11 f.) fehlt so z. B. Gellerts Warnung an die De-
als Zeichen kennenlernen. Das erklärt auch die spoten, und die Fabel »Das Kutschpferd« wird
Stoffauswahl des ersten Teils von Konrad Kiefers um die Stelle gekürzt, die dem müßiggängefi-
ABC und Lesebüchlein: indem sich Salzmann schen Adel die Quelle seines Reichtums vorhält.
hauptsächlich auf Gegenstände aus der Natur Durch diese Kürzungen nimmt Salzmann den Fa-
und dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der beln den gesellschaftskritischen Biß; vom »Auf-
Kinder beschränkt, bringt er stofflich eigentlich stand der Fabel« ist nichts mehr zu spüren. Diese
kaum Neues, sondern bereitet die Inhalte der er- Entschärfung von Gellerts Kritik an Despotismus
sten mündlichen Belehrung auf und ordnet sie. und Adel kennzeichnet deutlich Salzmanns Posi-
Dieses Vorgehen entspricht im wesentlichen dem tion nach der Französischen Revolution, die auf
Karl Traugott Thiemes in Gutmann oder der die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung, des
Sächsische Kindeifreund ( 1794). Auch Thieme Ständestaats abzielt und die Mißstände durch ei-
schickt dem schriftlichen Unterricht eine erste, ne allgemeine Aufklärung zu beseitigen trachtet.
mündliche Stufe der »absichtlichen Belehrung« Zu dem Werk gehört Konrad Kiefers Bilderbüch-
voraus, deren Inhalte später nicht wesentlich er- lein, das 1803 in Schnepfenthai erschien und 18 Kupfer-
weitert, sondern nur formal vervollkommnet wer- stiche von und nach d'Argent zu Themen des ersten
den. Teils enthält. 0. B.
Besondere Erwähnung verdient, daß Salz-
mann im zweiten Teil von Konrad Kiefers ABC
und Lesebüchlein offensichtlich von seinen bis 1800
dahin vertretenen pädagogischen Grundsätzen
abweicht, indem er eine Fabelsammlung dem Le-
Friedrich Philipp Wilmsen ( 177{)-1831):
seunterricht zugrundelegt. In seiner 1780 erschie- Der Brandenburgische Kinderfreund.
nenen Schrift Ueber die wirksamsten Mittel Kin- Ein Lesebuchfor Volksschulen.
dem Religion beyzubringen hatte er die Fabel Berlin 1800
noch als untaugliches Element des Moralunter-
richts abgelehnt. ( Ueber die wirksamsten Mit- Das Lesebuch ist zum Gebrauch im Volksschul-
tel .. . , S. 55). Jetzt dagegen sei er durch prakti- unterricht bestimmt. Der erste Abschnitt wendet
945 Wilmsen, Der Brandenburgische Kinderfreund, 1800 946

sich an Kinder im ersten Lesealter als Leseübung Die Abschnitte elf und zwölf behandeln die Zeitrech-
und zur Schulung ihrer »Aufmerksamkeit und nung und den Kalender (S. 205-21 0), Maß- und Ge-
Denkkraft« (S. V). Der Hauptteil des Buches ist wichtseinheiten (S. 211-214). Im Anschluß hieran fin-
für fortgeschrittene Leseschüler gedacht, denen det sich der auszugsweise Abdruck der Preußischen
Landesgesetze (S. 214-238). Wilmsen hält es für uner-
die Texte durch eingestreute Fragen, auf deren
läßlich, die Kinder früh mit den »wichtigsten Landesge-
Beantwortung der Lehrer bestehen sollte, zur setzen bekannt« zu machen, um zu verhindern, daß sie
»Rückerinnerung an das Gelesene« und somit als »aus Unwissenheit dagegen sündigen«. So ermahnt er
»Verstandesübung« dienen sollen (S. V). Wilm- sie denn auch eindringlich: »so leset das Folgende mit
sen habe mit seinem Lesebuch »das dringende großer Aufmerksamkeit, und präget es eurem Gedächt-
Bedürfniß eines eben so reichhaltigen als wohlfei- nisse tief ein.« (S. 217) Das Schlußkapitel enthält 46
len Lesebuchs für Volksschulen zu befriedigen« »Lieder und Gesänge« (S. 239-276). Es sind religiöse
gesucht (S. IV). Er beklagt, daß Rochows Kinder- Dank- und Lobgesänge, Kinderlieder, in denen Tugen-
freund, der »nur für Landschulen berechnet und den besungen werden, und Lieder zur Naturbetrach-
tung und zum Wechsel der Jahreszeiten. Ziel dieser Lie-
bestimmt war, [ ... ] lange genug auch den Stadt-
dersammlung ist es u. a., »das kirchliche Gesangbuch
schulen aus der Noth helfen« mußte, »weil ent- für die Schulen entbehrlich« zu machen »und ihnen auf
weder für diese kein zweckmäßiges Lesebuch vor- diese Art eine beträchtliche Ersparung« zu verschaffen
handen war, oder die vorhandenen wegen des ho- (S. VI).
hen Preises nicht angeschafft werden konnten« Die Texte erscheinen in unterschiedlicher typo-
(S. III). Er erwähnt die »Lesebücher eines Thie- graphischer Aufmachung (Klein- und Großdruck).
me, Funke, Salzmann, Junker, Wagener«, denen
er zwar »Zweckmäßigkeit und Reichhaltigkeit« Die moralischen Beispielgeschichten, von
bescheinigt, die jedoch, wie z. B. Thiemes Gut- denen allein 41 Rochows Kinderfreund entnom-
mann oder der sächsische Kinderfreund (1794), men sind, stellen eine umfassende Sittenlehre für
nur lokalen Bedürfnissen entsprächen und im üb- Kinder dar. Sie vermitteln durch Beispiele einen
rigen für die meisten Schulklassen zu teuer seien, Tugendkanon, der nicht nur auf den Erlebnisbe-
»ohne dabei so reichhaltig zu seyn, als sie seyn reich der Kinder beschränkt bleibt, sondern auch
müssen, wenn sie alle Bedürfnisse einer eigentli- auf die Welt der Erwachsenen ausgeweitet wird.
chen Volksschule befriedigen sollen« (S. III f.). Die »beträchtliche Veränderung« der entlehnten
Zum Gebrauch des Buches rät Wilmsen an, »daß Beiträge läßt sich kaum feststellen. Wilmsen hat
es äußerst langsam, und jedes Stück wiederholt lediglich z. T. die von Rochow angeführten Bibel-
gelesen werde, damit die Kinder erst mit Fertig- stellen zu den einzelnen Erzählungen weggelas-
keit, und dann mit Verstande lesen mögen« (S. sen oder die sachlichen Informationen erweitert,
VI). so beispielsweise in der Erzählung »Die künstli-
che Erdkugel« (S. 57 ff.), einem Gespräch zwi-
Das Lesebuch ist in 14 Hauptkapitel eingeteilt. Im schen Lehrer und Schüler, in dem die Erläuterun-
ersten Abschnitt »Kurze Sätze zur Weckung der Auf- gen des Lehrers ausführlicher als im Original
merksamkeit und des Nachdenkens« (S. 1-26) werden
sind. Die Titel der Erzählungen wurden z. T. ge-
Aussagen zu verschiedenen Themen und Sachfragen
gemacht, u. a. zu den »Bedürfnissen«, den »Leibes- und ringfügig verändert, um der Absicht, ein Lese-
Seelenkräften« des Menschen, Begriffsdefinitionen buch für Volksschulen im städtischen Bereich zu
und -abgrenzungen vorgenommen. Sodann folgen ins- schaffen, Rechnung zu tragen. So trägt bei Wilm-
gesamt 84 Beispielerzählgeschichten »zur Beförderung sen Rochows Erzählung »Die gute Magd« die
guter Gesinnungen« (S. 26-104). Sie stammen »größ- Überschrift »Das gute Dienstmädchen« (S. 50).
tentheils aus den vortrefflichen Lesebüchern eines Ro- Die aus Salzmanns Conrad Kiefers ABC-
chow, Funke, Salzmann und Götz « (S. IV). Nur elf Er- und Lesebüchlein ( 1798) übernommenen Texte
zählungen hat Wilmsen selbst verfaßt (Nr. 71-78; Nr. sind weitgehend identisch mit dem Original. Die
81-83). Allerdings habe er die entlehnten Beiträge, »in
sofern es der Zweck erforderte, in Ansehung des Aus-
Geschichten behandeln die typischen Themen
drucks und der Darstellung beträchtlich verändert, und der Zeit. Besonderen Raum nehmen Beispiele für
auch zum Theil verkürzt oder erweitert« (S. IV). Die an- Aberglauben und» Hexerei« ein, deren schreckli-
schließenden Beiträge, die von Wilmsen selbst stam- che Folgen ausführlich dargestellt werden. In der
men, behandeln zunächst die »Vorzüge« und »Ver- »Gesundheitslehre« gibt Wilmsen zahlreiche
schiedenheit« der Menschen (S. 104-111), stellen ei- Beispiele als Warnung vor >>Quacksalbern« (S.
nige »Produkte der Erde« vor (S. 111-117) und erläu- 201), denn »Aberglaube ist die Quelle manches
tern »Gestalt und Beschaffenheit der Erde« (S. Unglücks; und doch beherrscht er so viele Men-
117-119). Es folgt ein gesondertes Kapitel über die schen!« (S. 40) Weitere Themen sind Reiß, Ehr-
Mark Brandenburg (S. 119-123). Die Abschnitte sieben
lichkeit, Ordnung, Verträglichkeit, Bescheiden-
und acht handeln »Von den Thieren« und »Von den
Pflanzen« (S. 123-135). Es schießen sich ein ausführli- heit und Sparsamkeit, die jedoch vom Geiz abge-
ches Kapitel zur Beschaffenheit des menschlichen Kör- grenzt wird (vgl. »Unterschied zwischen Spar-
pers (S. 135-168) und eine Gesundheitslehre an (S. samkeit und Geiz«, S. 76). In allen Erzählungen
168-204), die weitgehend auf Fausts Gesundheits-Kate- klingt die Wertschätzung der Bildung an. So wer-
chismus zum Gebrauche in den Schulen (1794) beruht. den in einigen Texten der »Schaden der Unwis-
947 ABC- und Lesebücher etc. 948

unter den Schwarzen. Es giebt aber auch unter ih-


nen eben sowohl gute Menschen und Freunde
Gottes, als unter uns, und Gott liebt sie, wie uns,
wie du in der Bibellesen kannst.« (S. 61)
In den Sachtexten »Von dem Menschen« er-
läutert Wilmsen die »Verschiedenheit der Men-
schen«, die er in »drei Haupt-Klassen« einteilt.
Die erste Klasse der »wilden Völker« charakteri-
siert er so: »Sie haben das Eigenthümliche, daß
sie keine Veranstaltung treffen, um ihres Unter-
halts sicher zu seyn. Sie säen und pflanzen nicht,
sie legen kein Vorrathshäuser an, sie sorgen über-
haupt nicht für die Zukunft, sondern gehen nur
dann auf Nahrung aus, wenn der Hunger sie dazu
treibt« (S. 109). Die zweite Klasse der »Hirten-
Völker« bezeichnet Wilmsen als »etwas verstän-
diger und gesitteter«, da die Viehzucht »mehr
Aufmerksamkeit und Kenntnisse« erfordere. Un-
ter dem Begriffe der »gesitteten Völker« versteht
Wilmsen diejenigen Menschen, »welche das Feld
(~-<' ' I " ~hllr 17719 bauen, und allerlei Handwerke und Künste ver-
Ctvl·- 1 ,_ . ...... lrf,f/.
stehen, also auch mehr Verstand und mehr Kennt-
nisse haben, als die wilden und Hirten-Völker«
(S. 11 0).
In diesem Zusammenhang kommt der Ver-
fasser auf das Staatswesen zu sprechen und führt
dazu aus: »Gesittete Völker haben unter sich
Friedrich Philipp Wilmsen (1 770-1831). Abbil-
Oberherren Oder Regierende, deren Befehlen
dung entnommen aus: Bildnisse der berühmtesten
und Verboten sie gehorchen. [ .. . ] Diejenigen,
und verdienstvollsten Pädagogen und Schulmän-
welche ihren Befehlen oder Gesetzen gehorchen,
ner älterer und neuerer Zeit. 8 Lfgn. - Quedlin-
heißen Unterthanen, und alle zusammen genom-
burg und Leipzig 1833-1840. Lithographie von F.
men machen einen Staat aus.« (S. 110 f.) In den
W. Wenig nach E. Scharden. lfg. 2
Erzählungen wird z. T. das Verhältnis des Men-
schen zum Staat angesprochen, das vorrangig auf
Gehorsam gegenüber der Obrigkeit beruhen sol-
senheit« (S. 69), der »Nutzen des Lesens und le. So hat Wilmsen denn auch aus Rochows Kin-
Schreibens« (Verf. Rochow, S. 51) behandelt und derfreund zwei Erzählungen ausgewählt, in de-
Beispiele dafür gegeben, wie gut es sei, »wenn nen deutlich werden soll, daß jeglicher Ungehor-
man etwas Nützliches gelernt hat« (Verf. Ro- sam bestraft wird. Am Beispiel der »kleinen Lüg-
chow, S. 48). Wilmsen ermahnt die Schüler ein- nerinn« werden die Kinder ermahnt: »Wer die
dringlich: »Unschätzbar ist der Werth des Unter- Wahrheit nicht sagt, um die ihn Eltern, Richter
richts in der Schule! Lesen, Schreiben und Rech- und Obrigkeiten befragen, der lügt. Lügen wer-
nen, dieß sind die Hülfsmittel, zu aller wahren den gemeiniglich entdeckt, und wer gelogen hat,
Weisheit zu gelangen, und viel Gutes zu thun. wird bestraft.« (S. 47).
Darum, lieben Kinder, seid herzlich dankbar für Der auszugsweise Abdruck der Preußischen
diesen Unterricht, und benutzet ihn mit der größ- Landesgesetze verfolgt ähnliche Ziele. Wilmsen
ten Sorgfalt, damit ihr nicht durch Unwissenheit erklärt in seiner Einführung die Funktion der Ge-
Schaden leidet« (S. 70). Das Lesebuch versucht fängnisse und entgegnet dem möglichen Ein-
den Wert der Bildung auch für den Abbau von wand, daß einige Menschen »aus Unwissenheit
Vorurteilen deutlich zu machen. So werden in der gesündigt« hätten: »Nein, sie haben allerdings
Erzählung »Von der Erde, und den Geschöpfen, gewußt, was sie thun und lassen sollten, denn
die darauf sind« (nach Rochow) Informationen schon durch ihr eigenes Nachdenken konnten sie
zu den verschiedenen Völkern vermittelt. Als die ja einsehen, daß es unrecht und schändlich sei,
Rede auf die Bevölkerung Mrikas kommt, fragt [ . .. ] und daß es dagegen ihre Pflicht sei, der Ob-
der Sohn: »Diese Leute sind wohl recht ekelhaft, rigkeit zu gehorchen. Und ohnehin können alle
wild und böse?«, worauf ihn der Vater aufklärt: Einwohner eines Landes genau erfahren, was von
»Nein, mein Sohn, keineswegs. Der Schwarze der Obrigkeit geboten oder verboten ist, weil die
und der Weiße ist nur dann ekelhaft, wenn er un- obrigkeitlichen Gesetze und Verordnungen öf-
reinlich und schmutzig ist. Und böse Menschen fentlich bekannt gemacht werden.« (S. 217) Die
giebt es unter allen Völkern der Erde, also auch abgedruckten Teile der Gesetzgebung umfassen
949 Wilmsen, Der Brandenburgische Kinderfreund, 1800 950

die Pflichten der Untertanen gegen König, Obrig- und ihn so sprechen: »Kein einziger in meinem
keit und gegen die Gesellschaft, Artikel zum Ei- Dorfe ist so schwach, wie die meisten von euch; er
gentumsrecht, Rechte und Pflichten der Guts- möchte denn krank seyn. Aber wir müssen auch
herrschaft gegenüber den Angestellten, Pflichten immer draussen seyn, kommen fast nie, als bei
des Bürgers und der Lehrburschen, Gesellen und dem Essen und bei Nacht unter das Dach. Die fri-
Meister. Auch die »Rechte und Pflichten der El- sche Luft, Kälte und Regen härten uns ab, und
tern, Kinder und Vormünder« (S. 233) sind abge- dieß bewahrt uns vor vielen Krankheiten und
druckt. Übeln.« (S. 173)
Häufiges Thema ist der Wert der Erziehung Laut Stach (Lexikon der KJL, Bd. 3) erlebte der
in Hinblick auf das spätere Leben der Kinder. Die Brandenburgische Kindeifreundbis 1879 224 Auflagen.
Eltern werden dazu angehalten, ihren Kindern Er erklärt die außerordentliche Wirkung des Werkes da-
mit gutem Beispiel voranzugehen, wobei sich mit, daß Wilmsen eine neue Lesebuchkonzeption ent-
Wilmsen sowohl gegen eine zu strenge als auch wickelt habe, die die Bereiche der moralischen und der
verstandesmäßigen Bildung miteinander vereinige. Of-
gegen eine zu gelinde Erziehungsmethode aus- fensichtlich hat das Werk im Laufe seiner Auflagenge-
spricht. Er gibt zahlreiche Beispiele »verständiger schichte zahlreiche Änderungen erfahren. So führt Gö-
Eltern« (S. 27), aber auch für die unausbleiblich bels (1979, S. 152) die 22. Auflage von 1832 an, die er so
negativen Folgen schlechter Erziehung und unzu- beschreibt: »In Kap. XV informiert eine >Uebersicht
reichenden Unterricht. der Brandenburgischen Geschichte< über das >Vater-
Verschiedene Beiträge befassen sich mit den land< Brandenburg-Preußen unter dem Blickwinkel
jugendlichen Vergnügungen. Hierzu heißt es im deutscher Kleinstaatlichkeit. Mit diesem 40 Seiten um-
Anschluß an die Erzählung »Von Spielen und fassenden Text korrespondiert Kap. XIII.> Von der Ob-
rigkeit und den Landesgesetzen <. Unter den 81 >Erzäh-
Vergnügungen« (S. 49): »Es ist vernünftig und
lungen zur Beförderung guter Gesinnungen< sind von
nothwendig, Vergnügungen und Erholungendes Rochow übernommene Lesestücke nur in geringer An-
Gemüths zu suchen, um desto gesunder und mun- zahl vertreten. Verstärkt wird das Bemühen um >gute
terer die eigentlichen Geschäfte zu treiben. Aber Gesinnung< im Anhang der >Lieder und Gesänge< mit
es ist thöricht, sich beständig vergnügen und erho- 47 Beiträgen, die ebenso wie das XIV. Kap. >Von der
len zu wollen, ob man gleich nicht gearbeitet hat.« heiligen Schrift<, der religiösen Erziehung dienen.«- In
Die umfangreiche Gesundheitslehre enthält kon- seiner Entwicklungsgeschichte des Volksschullesebuches
krete Maßgaben für die Kinder, häufig unterbro- ( 1898, S. 280) geht Bünger auf die 8. Auflage von 1815,
chen von Beispielerzählungen und kurzen Ge- dem Jahr der Niederwerfung Napoleons, ein und hebt
dichten. Wilmsen betont stets den großen Wert besonders das neu eingefügte Kapitel zur Geschichte
Brandenburgs hervor: »Diese brandenburgische Ge-
der Abhärtung in der Jugend. So läßt er exempla- schichte hat zwar immer noch das Kompendiengeprä-
risch Jürgen, einen »recht verständigen und ge- ge, aber sie atmet doch einen wohlthuend warmen Va-
sunden« Bauernknecht mit einem »elenden und terlandstolz, der besonders die Thaten Friedrichs des
schwachen« Stadtmenschen zusammentreffen Großen mit Kraft in ein schönes Licht stellt.« H.
Belehrende und unterhaltende Sachschriften
für Kinder und Jugendliche

1750 und Grund fasset, als wenn man es mit vollen


Schäffern ausschüttete.« (ebd.) Unter dem Be-
Anse/mus Desing (1699-1773): griff »Sinnlichkeit« faßt Desing hauptsächlich
Hinlängliche Schul-Geographie Für Junge textliches, bildliebes und anderes Material zur
Leute, Auf Eine solche Art vorgetragen, Daß Motivation der jugendlichen Leser zusammen:
die Studierende Jugend Bey öfterm Erzählungen, Landkarten, die ständig in den
Gebrauche Damit mehr ergötzet, als beladen Klassenzimmern hängen, fremdsprachliche Ter-
mini, die die Schüler vielleicht gerade im Sprach-
werde.
unterricht gelernt haben, ungezwungene Ge-
3. vermehrte und verbesserte Auflage.
sprächsform, Illustrationen, weiterführende Er-
Salzburg 1761 zählungen des Lehrers und Leseproben aus ein-
schlägigen Büchern, >>spitzfindige Fragen« und
Desing wendet sich mit seinem Werk an die »zarte öffentliche Proben ihrer »bereits eroberten Wis-
und auch von Jahren mittelmäßige, dazu mit nicht senschaft« (ebd.).
wenig andern Sachen beschäftigte Jugend« (Vor- Der Verfasser setzt für die Lektüre des Wer-
rede). Angesprochen sind männliche Jugendliche kes drei Jahre an, womitjedoch nicht ein einmali-
aus allen Ständen, vom Hochadel bis hin zu den ges kontinuierliches Lesen gemeint ist, sondern
Angehörigen niederer Stände. So führt Desing wiederholtes Durchlesen einzelner Passagen, so
aus, daß das Buch »nicht zur alleinigen Last, son- daß sich nach diesem Zeitraum »eine hinlängli-
dern auch zu einiger Lust der ohnehin eckelhaften che Idee von der Welt [ ... ]werde eingedrückt ha-
jungen Prinzen« (ebd.) dienen solle; zum andern ben, auf welche alsdenn das Gemälde der edlen
heißt es: »Begehret jemand zu wissen, wie wir die Historie mit gutem Nutzen kann gleichsam einge-
Materien alle austheilen? so hängt solches zwar schmelzet werden« (ebd.).
ab von der Fähigkeit, Occupation, ja auch von
Die Schul-Geographievermittelt in Form von Dia-
dem Destin der Lernenden. Denn es wird anders logen, bestehend aus einer Frage und verschiedenen,
mit einem puren Gemeinen anders mit einem Ca- immer aspektreicher werdenden Antworten, geographi-
vallier hinaus gesehen.« (ebd.) Zum Bildungs- schen, historischen, völker- uund staatskundliehen Un-
stand seiner Leser gibt der Verfasser an, daß das terricht, der sich über den gesamten Erdkreis erstreckt.
Werk sowohl für Anfänger als auch für Fortge- Am Schluß des Werkes befindet sich ein besonderer An-
schrittene bestimmt sei: » Verhaupt aber ist das je- hang zu Deutschland. In seiner Vorrede entgegnet De-
nige, so mit grösserer Schrift hierinn gedruckt er- sing bereits dem möglichen Vorwurf, die Beschreibung
scheine!, für die Anfänger. Das übrige kann unter Deutschlands könne zu kurz ausgefallen sein, mit dem
zwo andere Schulen getheilet werden, also, daß Hinweis auf eine eigene geplante, einschlägige Publika-
tion. Am Anhang werden die verschiedenen Reichs-
die letztere immer dasjenige vor ihren Antheil be-
stände erläutert und die Sitzverteilung im Reichstag
kommen, was mehr ernsthaft ist.« (ebd.) skizziert. Es folgen ein» Historisch-Geographisches Re-
Die Absicht des Verfassers besteht darin, gister« in alphabetischer Ordnung und fünf geographi-
gleichermaßen zu unterhalten und zu belehren: sche Karten: I. die beiden Hemisphären; 2. Karte mit
»Man wollte allein die Jugend unterrichten, und dem Zentrum Europa; 3. Karte von Italien und angren-
aufmuntern.« (ebd.) Aus diesem Grunde werde zende Länder; 4. Der nördliche Teil des deutschen Rei-
ihnen die Geographie nicht »aufgebürdet wie ein ches; 5. Süddeutschland mit Österreich und der
Schul-Arbeit, sondern man unterhält sie mit Aus- Schweiz.
fragen, Fingerzeigen, und Gesprächen: und ist Große Bedeutung kommt in der Schul-Geo-
auch sonst in keinen Dingen gezwungen.« (ebd.) graphie der Unterhaltung zu, die im Verständnis
Um dem Prinzip der Belehrung durch Unter- des Verfassers das angemessene Mittel ist, um
haltung Rechnung zu tragen, seien zwei Dinge Sachwissen zu vermitteln und den Schülern das
vonnöten: die »Sinnlichkeit« und die »öftere bereits Gelernte einzuprägen. In diesem Sinne be-
Wiederholung« (ebd.): »[ ... ]auch mit dem allen stehe das Werk nicht nur »in bloßen Zügen und
wird noch viel Zucker und Specerey dazu gehö- Namen«, sondern stelle »mit allerley Farben und
ren, bis es der schleckerhaften Jugend appetitlich Portraits die innerliche Beschaffenheit der Oerter
genug gemacht werde. Dazu sind nun die zwey und Völkerschaften« vor(ebd.). H.
Haupt-lngredientia: 1. Die Sinnlichkeit I welche
der Jugend unheimlich schmeichelt, und durch
welche man von ihr endlich alles zu erlangen ver-
mag. 2. Die öftere Wiederholung, welche wie ein
sachter Mayenregen viel tiefer eindringet,
953 LePrince de Beaumont, Auszug aus der alten Geschichte, 1766-1781 954

1766 losophie, ihre Logik, ihre Moral, ihre Politik«


(Bd. I, S. XI). Die Aufgaben eines guten kindge-
Marie LePrince de Beaumont ( 1711-1780): mäßen Geschichtswerks sind entsprechend viel-
Auszug aus der alten Geschichte, zur fältig: Es soll zur Entwicklung und Übung der
Unterweisung der Kinder. Übersetzt und Verstandeskräfte- der Einbildungskraft, des Ge-
bearbeitet von Johann Adolf Schlegel dächtnisses, des >Witzes<, der Urteilskraft- die-
(1 721-1793) und Georg Heinrich Martini nen; es ist Sittenlehre, da die lebendigen histori-
(1722-1794). 4 Bände. schen Exempel wirkungsvoller sind als trockene
Lehrsätze; es dient zum Erwerb nützlicher Kennt-
Leipzig 1766-1781 nisse, die im täglichen Leben brauchbar sind, und
schließlich soll es sich in den Dienst der Religion
stellen, indem es Einsicht in die göttliche Vorse-
Das Werk ist nach Schlegel ganz allgemein für hung vermittelt und die Überlegenheit der wah-
»die Jugend« gedacht, nicht, wie das französische ren Religion über die historischen Formen des
Original, das 1753 erschienen war, »a l'Usage de Aberglaubens erweist.
la Familie Royale«, d. h. für die Kinder der fürstli- Der gesamte Stoff ist sowohl in der Bearbei-
chen Familie. Vor allem die politischen Betrach- tung des Originals als auch in den ersten Fortset-
tungen des Urtextes, in erster Linie »auf die Re- zungen von Schlegel in Fragen und Antworten
gierungskunst und den Stand der Großen gerich- aufgelöst, die durch eine zusammenhängende Er-
tet«, wurden in der Bearbeitung so erweitert, daß zählung ergänzt werden. Bei den verschiedenen
sie nunmehr »allen Ständen angemessen sind« Verfassern herrscht jedoch offensichtlich Unei-
(Bd. I, S.XXVII). Aus dem Vorbericht des nigkeit darüber, wie diese didaktische Konzep-
4. Bandes von Martini geht hervor, daß das Buch tion aufzufassen ist. Aus der Vorrede der französi-
für die Altersgruppe der 12- 16jährigen geschrie- schen Verfasserio geht nicht eindeutig hervor, auf
ben (Bd. 4, S. VII) und »selbst für Personen des welche Weise die Kinder mit ihrem Lehrer die
weiblichen Geschlechts« geeignet ist (Bd. 3, Frage-Antwort-Komplexe erarbeiten sollen. Sie
Sechster Theil, Vorbericht). Das Werk erhebt kei- deutet lediglich an, daß die Kinder »an den Ant-
nen wissenschaftlichen Anspruch, denn es soll worten [ ... ] ihr Gedächtniß üben« sollen (Bd. 1,
nicht nur den Lesern nützlich sein, »welche zur S. XXXII), »die darauf folgende Erzählung wird
Gelehrsamkeit vorbereitet werden sollen, [ ... ] ihnen das .Erlernte noch tiefer einprägen.« Das
sondern auch solchen, bey denen die Unterwei- Frage-Antwort-Schema warwohl ursprünglich so
sung bloß auf eine mehrere Bildung des Verstan- konzipiert, daß die Kinder zuerst die Antworten
des und des Herzens zum Umgange und zu den auswendig lernen sollten, um das Gelernte an-
Geschäften des gemeinen Lebens abzielet« schließend durch den Lehrervortrag vertiefen zu
(Bd. 3, Sechster Theil, Vorbericht). können. Schlegel faßt die Methode offensichtlich
Der Auszug aus der alten Geschichte vermit- anders auf (Vorrede zu Bd. 2). Er setzt seine Kon-
telt nach Schlegel das> Notwendige<, d. h. den hi- zeption der Frage-Antwort-Methode einerseits
storischen Stoff, das> Nützliche<, d. h. die Anwen- ausdrücklich von der sokratischen Lehrmethode
dung der geschichtlichen Lehren auf den kindli- ab, die für ihn darin besteht, den Schüler durch ge-
chen Lebensbereich, die Fruchbarmachung der zielte Fragen stufenweise zur eigenen Erkenntnis
Geschichte für den Leser, und das >Anmutige<, eines »Grundsatzes« zu leiten, die aber zur Ver-
d. h. kurze, lehrreiche und unterhaltsame histori- mittlung historischer Tatsachen unbrauchbar sei.
sche Anekdoten (Bd.l, S.XXff.). Im Gegensatz Die Fragen sollen andererseits auch nicht dem
zum herkömmlichen Geschichtsunterricht, der Lehrer dazu dienen, die Kenntnisse des Schülers
nach Schlegel die Kinder mit dem Auswendigler- zu überprüfen, da ja der Lehrervortrag den Fra-
nen von Namen und Daten unnötig belastet und gen und Antworten erst folgt. Vielmehr sind nach
die >angebohrne Lehrbegierde< der Kinder er- Schlegel die Fragen als Fragen der Schüler aufzu-
stickt (BD.l, S. IV), soll das Werk dazu dienen, fassen. Bei ihrer Formulierung war für ihn die Be-
den Kindern das Studium der Geschichte zu ei- mühung maßgebend, der »eingepflanzten Lehr-
nem angenehmen Zeitvertreib werden zu lassen, begierde« der Kinder entgegenzukommen und
ja sogar zu einer Entschädigung für das so mühsa- nur solche Fragen zu stellen, die sich dem Schüler
me Erlernen der alten Sprachen. Als Vorausset- selbst aufdrängen und seinem Wissensstand ent-
zung dafür betrachtet Schlegel, daß »man nur bey sprechen. »Eine jede Frage muß von der vorher-
der Unterweisung sich in die Stelle der Kinder gehenden herbeygeführt werden, aus ihr sich
setzte, um zu beurtheilen, was sie zur Aufmerk- gleichsam von selber an die Hand geben.« (Bd. 2,
samkeit reize; ihnen wichtig sey; bey ihnen den Vorrede)
leichtesten Eingang finde, und den mehresten Martini wiederum stellt den zusammenhän-
Nutzen schaffe!« (Bd.l, S.V.) genden Vortrag des Stoffes in den Vordergrund.
Schlegel betrachtet die Geschichte als »das Die nachgestellten Fragen sollen anschließend le-
Magazin der Kindergelehrsamkeit; es ist ihre Phi- diglich dazu dienen, das Verständnis des Vorge-
955 Sachschriften 956

tragenen zu überprüfen (Bd. 4, Vorbericht). Die wurden in der deutschen Ausgabe die Teile, die die rö-
Konzeption der französischen Verfasserio wird mische Kaiserzeit behandeln, stofflich wesentlich er-
ebenso verworfen wie die Schlegels; die Voran- weitert. Schlegel und Martini benutzen dabei weitere
stellung von Fragen, gleichgültig, ob sie dem Leh- zeitgenössische Kompendien zur Alten Geschichte,
stützen sich aber zum Teil auch auf die antike Historio-
rer oder den Schülern in den Mund gelegt werden,
graphie selbst (Tacitus, Plutarch, Sueton u. a.), die von
betrachtet Martini als etwas >>Unschickliches, et- Schlegel als vorbildlich gelobt wird.
was der Natur der Sachen nicht angemessenes«
(Bd.4, S. Vlff.). Die Unsicherheitgegenüberdem Schlegel fordert von der Geschichtsdarstel-
Sinn oder Unsinn der Frage-Antwort-Form ist of- lung, »daß sie eine wirkliche Einsicht in diesen
fensichtlich groß; Schlegel erwähnt selbst, daß Lauf ertheilen, und die verborgenen Triebfedern,
diese Methode »in keinem sonderlichen Rufe« und Räder desselben aufdecken soll« (Bd. 2, Vor-
stehe (Bd. 2, Vorrede). rede). Er kritisiert demgegenüber die reine Fak-
Vorausgeschickt ist eine Abhandlung der französi- tensammlung eines Kompendiums: »Es fehlt das
schen Verfasserin, in der sie Kritik am Zustand des pri- Wesentlichste; Charaktere, Beschreibungen, Ent-
vaten Erziehungswesens übt, das von einer Erzieherin wicklungen von den Ursachen und Folgen einer
keine andere Qualifikation verlange als die Beherr- Begebenheit, politische und moralische Betrach-
schung der französischen Sprache. Anschließend erör- tungen, oder doch eine geschickte Anleitung da-
tert sie ausführlich die notwendigen Voraussetzungen zu« (Bd. I, S. XVI).
für eine wirklich qualifizierte Erziehungstätigkeit
Das Werk selbst besteht dennoch - begün-
Das Werk selbst behandelt die Alte Geschichte
vom Turmbau zu Babel bis zum Tode des Kaisers Kon- stigt durch das beengende Frage-Antwort-Sche-
stantin, wobei jedoch die Geschichte der verschiedenen ma- in erster Linie aus einer sehr umfangreichen
Völker und Epochen sehr unterschiedlich gewichtet Faktenaufzählung. Die Darstellung beschränkt
wird. Die biblische Geschichte ist auf eine einzige, die sich im wesentlichen auf Feldzüge, Schlachten,
erste Lektion beschränkt, die die Bevölkerung der Welt Eroberungen, Thronstreitigkeiten etc. Die sonst
durch die Nachkommen Noahs schildert. Die Ge- in Geschichtsbüchern dieser Zeit sehr eingehend
schichte der altorientalischen Reiche bis zur Begrün- behandelte Kulturgeschichte findet - von der rö-
dung der persischen Monarchie durch Cyrus wird eben- mischen Mythologie abgesehen- keinen Platz. In
falls nur kurz angedeutet. Der ganze I. Teil befaßt sich
den Berichten über die großen historischen Per-
hauptsächlich mit der Geschichte der Perser und Grie-
chen. Der 2. Teil behandelt ausführlich die Geschichte sönlichkeiten werden, vor allem in den ersten Tei-
Alexanders derGroßen und der Diadochenreiche. In ei- len des Werkes, deren Erziehung und die daraus
nem Anhang wird ein kurzer Abriß der alten ägypti- folgenden charakterlichen Eigenschaften be-
schen und karthagischen Geschichte gegeben. Das handelt. Außer den Ereignissen der politischen,
deutliche Schwergewicht des Werkes liegt auf der römi- vor allem der Kriegsgeschichte finden hauptsäch-
schen Geschichte, die die Teile 3-8 umfaßt (Bd.2, 3 lich solche Begebenheiten Erwähnung, die die
und4). Laster oder Tugenden der Herrscher illustrieren.
Der 3. Teil befaßt sich eingehend mit der römi- (Beispiel: »Wie führte sich Ninyas auf, als er zur
schen Mythologie, und zwar nicht nur mit dem für weit-
Regierung kam? Antwort: Als ein träger und wei-
gehend historisch wahr gehaltenen Stadtgründungsmy-
thos, sondern mit dem gesamten Sagengut, das in erster bischer Prinz. Frage: Nahm wohl unter seiner Re-
Linie Ovids Metamorphosen entnommen ist. Mit dem gierung der Wohlstand seines Reiches zu? Ant-
4. Teil beginnt die eigentliche römische Geschichte, die wort: Nein; jedermann ergab sich nach dem Ex-
mit der Stadtgründung einsetzt und bis zum Tod Cae- empel des Fürsten den Wollüsten«, Bd.J, S.IO.)
sars führt. Band 3 und 4 behandeln ausschließlich die Die Fragen, die-je nach Auffassung der ver-
römische Kaiserzeit und sind nach der Abfolge der schiedenen Verfasser- einmal den Kindern, ein-
Herrscher in einzelne Kapitel unterteilt. mal dem Lehrer in den Mund gelegt werden, set-
Der gesamte Stoff gliedert sich in einzelne kurze zen ebenso wie die Antworten schon die betref-
Lektionen von etwa 2-6 Seiten Umfang, die immer
nach dem gleichen Schema aufgebaut sind (von gering-
fenden Kenntnisse voraus und sind meist eng auf
fügigen Änderungen der Bearbeiter abgesehen): Am den folgenden zusammenhängenden Text bezo-
Anfang stehen die erwähnten kurzen Fragen und Ant- gen. In manchen Fällen ist es ohne die Kenntnis
worten, denen eine zusammenhängende Erzählung des- dieses Textes schwierig, den Sinn einer Frage oder
selben Stoffes folgt. In den> Betrachtungen< werden an- einer Antwort überhaupt zu verstehen. Die kur-
schließend Lehren aus dem Erzählten gezogen, allge- zen Fragen nach weitgehend isolierten Einzelda-
meine Wahrheiten formuliert oder sonstige Reflexio- ten und Ereignissen der politischen bzw. Herr-
nen über den historischen Gegenstand angestellt. sehergeschichte beanspruchen den weitaus brei-
Schließlich geben die Verfasser stichwortartige Hinwei- testen Raum. Die Fragen sind oft nach den Mu-
se auf nützliche oder interessante Anekdoten aus der
stern gebildet »wer war ... ?«, »wie hieß ... ?«,
Geschichte (mit Quellenangaben), die der mündlichen
Erzählung des Lehrers vorbehalten bleiben sollen. »was geschah ... ?«, »was ereignete sich dar-
Die Quelle des französischen Originals ist das auf?« etc., es treten auch Entscheidungsfragen
Lehrbuch zur Alten Geschichte von Rollin (dt. Überset- auf. Die Antworten sind fast immer kurz und be-
zung: Historie alter Zeiten und Völker, Dresden 1763). stehen manchmal sogar nur aus wenigen Worten.
Gegenüber der Fassung von LePrince de Beaumont In den mit »Betrachtungen« überschriebe-
957 Bodmer, Historische Erzählungen, 1769 958

nen Teilen der einzelnen Lektionen, die minde- den zu haben«. Die didaktische Methode der Beaumont
stens ebensoviel Raum einnehmen wie die Frage- ist nach Göhring in Deutschland als mustergültig be-
Antwort-Komplexe, werden »Ursachen und Fol- trachtet und »von Millerangefangen bis herab zu Base-
gen« des Geschichtsverlaufs analysiert, jedoch al- dow im Elementarbuch« übernommen worden (S. 8. f.),
eine Behauptung, die nur teilweise zutrifft und zumin-
lein unter religiösen und moralischen Gesichts-
dest für Miller nicht aufrechterhalten werden kann. Kö-
punkten: Sittenverfall der Herrscher bewirkt poli- berle (1972) bezeichnet die Bearbeitung des Auszugs
tischen Machtverlust, die Tugend wird belohnt, aus der alten Geschichte durch Schlegel als »grundle-
die göttliche Vorsehung lenkt den Lauf der Ge- gend« für Kinder- und Jugendgeschichtsliteratur in
schichte. Klugheitsregeln und allgemeine Wahr- Deutschland und erwähnt, daß z. B. Trapp dieses Buch
heiten werden aufgestellt, um den Lesern zu de- im Unterrichtbenutzthabe(S. 19, 153 f.). S.
monstrieren, wie aus der Geschichte unmittelba-
rer Nutzen für das tägliche Leben gezogen wer-
den kann.
Aus den »Betrachtungen« der ersten Teile 1769
des Werkes geht noch deutlich hervor, daß das
französische Original für die Kinder der königli-
Johann Jakob Bodmer (1698-1783):
chen Familie geschrieben war. Anhand histori- Historische Erzählungen, Denkungsart und
scher Vorbilder werden konkrete Ermahnungen Sitten der Alten zu entdecken.
und Klugheitsregeln für die zukünftigen Herr- Zürich 1769
scher aufgestellt. So sind z. B. alle Betrachtungen,
die sich an die Person Alexanders des Großen Bodmer wendet sich mit seiner Sammlung von Er-
knüpfen, Reflexionen über das richtige Verhalten zählungen aus der mittleren und neueren Ge-
und die Pt1ichten eines Fürsten, Hinweise aufklu- schichte der Schweiz an Kinder unterschiedli-
ge Kriegführung und weise Gesetzgebung - Be- chen Alters. Er schreibt, daß die verschiedneo Er-
trachtungen, die für Bürgerliche kaum von Nut- zählungen wegen der Unterschiedlichkeit ihrer
zen sind, zumal ausdrücklich daraufhingewiesen Thematik, ihres Stoffes und des Ausdrucks »nicht
wird, daß die Moral eines Fürsten und die einer für jede Stufe der Kindheit begreiflich« seien
Privatperson geradezu einander entgegengesetzt (S. XI). Die Forderung, daß der Hofmeister bei
sein können (Teil2, S. 5.). Die Lehren für den zu- der Lektüre und Auswahl der Ezählungen behilf-
künftigen Herrscher bringen die Herrscherideale lich sein solle (S. XII), läßt darauf schließen, daß
der Verfasserio deutlich zum Ausdruck. Ein Bei- Bodmer nur die Jugend der oberen Gesellschafts-
spiel: »Wer seine Gewalt behaupten und vermeh- schichten anspricht, die sich einen Hauslehrer lei-
ren will, muß sich das Ansehen zu geben wissen, sten konnten. Andererseits scheint das Buch je-
als theile er sie mit denen, die unter ihm stehen. doch auch für den Gebrauch in öffentlichen
Die Beobachtung der Gesetze ist die sicherste Schulen konzipiert zu sein: Die ADB kennzeich-
Stütze des Thrones, und der Fürst der sie nicht net die Historischen Erzählungen als den ersten
achtet, setzt sich der Gefahr aus, vom Throne ge- Versuch, in der Schweiz »die vaterländische Ge-
stürzt zu werden.« (Teil 4, S. 20) Die Menschen schichte als Lehrfach in die Schule einzuführen«.
»fühlen es wohl, daß sie zum Gehorchen geschaf- Die Historischen Erzählungen sollen die mo-
fen sind, und doch haben sie darum nicht weniger ralische Urteilsfähigkeit der jungen Leser schär-
Liebe zur Freiheit. Sie wollen, daß man dieser fen, sie sollen lehren, nicht nach dem äußeren
Neigung schmeicheln solle, und tragen ihre Ket- »Blendwerk« von Reichtum und Macht, sondern
ten nicht anders gutwillig, als wenn sie sich über- nach dem Herzen der Menschen zu urteilen
reden können, sie hätten selbige sich selber ange- (S. IXf). Aus den Geschichten könnten die Leser
legt«. (Teil4, S. 16) »einige der stärksten Züge des menschlichen Her-
Offensichtlich wird in den »Betrachtungen« zens« kennenlernen und »aus kleinen Handlun-
die Perspektive des Herrschers eingenommen, gen Lebensregeln abziehen« (S. X f.).
der aus der Geschichte früherer Herrscher ver- Der moralische Nutzen, der zwanglos aus
bindliche Klugheitsregeln und moralische Leh- den kurzen, unterhaltenden, aber aufhistorischer
ren ziehen soll. Diese Tendenz wird erst in den Wahrheit beruhenden Texten gezogen werden
Fortsetzungen des Werkes von Schlegel und Mar- kann, ist nach Meinung des Autors gewisser als
tini von einer Darstellung abgelöst, die stärker das der einer moralischen Abhandlung, »eines Sy-
>Allgemein-Menschliche< der Herrscher hervor- stems von zusammenhängenden, in einanderfort-
hebt und moralische Reflexionen anstellt, die der laufenden Regeln und Beweisen«. Die Geschich-
Bürger auf seinen eigenen Lebensbereich bezie- ten seien »gewiß nützlicher, als wenn man den
hen kann. Jungen das Gedächtniß mit Nahmen von Köni-
Bei Göhring ( 1904) findet sich der Hinweis, daß gen, mitJahrzahlen, mit Kunstwörtern der Erdku-
Schulmänner wie Weiße, Miller, Martini etc. überein- gel und der Himmelssphären, der Plätze, der
stimmend beklagen, »in ihren Hofmeistertagen außer Städte, der Länder, vollgepfropfet hätte«, so Bod-
den Werken der Beaumont nichts Brauchbares gefun- mer (S. XIII).
959 Sachschriften 960

Besonders ausführlich äußert sich der Autor teien geschildert, ohne daß eine Sympathie des Autors
zu der Fabel als Lektüre für Kinder, der die histo- für eine der beiden Seiten feststellbar wäre. Bodmer
rische Erzählung weit vorzuziehen sei. Die Fa- nimmt ohnehin in keiner Geschichte ausdrücklich Stel-
beln, selbst die äsopischen, seien für Kinder nicht lung, er formuliert- entsprechend seiner Konzeption-
nie eine festumrissene moralische Lehre.
nur ohne moralischen Nutzen, sondern meist so-
Neben Erzählungen, die einzelne Geschehnisse
gar schädlich, da sie die Wirklichkeit verzerren, berichten, finden sich solche, die kein bestimmtes Ereig-
»eine Decke über die Wahrheit ziehen« und den nis zum Gegenstand haben. In »Der apostolische Leh-
Kindem »schwer und dunkel« vorkommen müs- rer« (S. I) wird z. B. vom Leben Arnolds von Brescia
sen (S. XIV). Schließlich weist der Autor darauf und seiner gegen das ausschweifende Leben der Priester
hin, daß die Beschäftigung mit der Geschichte gerichteten Lehre erzählt. Eine andere Erzählung schil-
sich nicht in der Lektüre historischer Erzählungen dert das Leben eines Troubadours, aus dessen Liedern
erschöpfen solle. Vielmehr sollten die Erzählun- an seine Dame längere Passagen zitiert werden (S. 33).
gen als »eine gute Vorübung und Vorbereitung« In einigen Geschichten erläutert Bodmer zudem
fremde Sitten und Rechtsbräuche, um verschiedene
zur Beschäftigung mit der schweizerischen Ge-
Handlungen verständlich zu machen und alte Bräuche
schichte dienen (S. XVIII). darzustellen. Grundsätzlich steht jedoch nicht die An-
dersartigkeit fremder Zeiten im Vordergrund, sondern
Das Buch enthält 97 kurze, meist anekdotische die im geschichtlichen Wandel deutlich werdende be-
Geschichten, die durchschnittlich nur etwa 2-3 Seiten ständige Natur des Menschen.
umfassen. Alle Geschichten haben einen historisch
wahren Rahmen, aber es ist zu vermuten, daß viele Ein-
zelheiten durch die Legende entstanden sind. Da Bod- Die Aneinanderreihung kurzer, anekdoti-
mer seine Quellen nicht angibt, ist es schwer, den Wahr- scher Erzählungen über Ereignisse und Handlun-
heitsgehalt der einzelnen Anekdoten festzustellen. Er gen historischer Persönlichkeiten, » Kleinigkei-
selbst legt Wert auf die Feststellung, daß die Geschich- ten«, die für den Gang der Politik kaum von Be-
ten auf historischen Tatsachen beruhen, denn »histori- deutung sind, hat die Darstellung des »Allge-
sche Begebenheiten haben gewiß einen großen Vorteil mein-Menschlichen« zum Ziel, die Erfassung der
vor den erdichteten; es ist mehr Gewißheit dabey, daß menschlichen Natur, die allen historischen Wan-
sie richtig nach der Natur gezeichnet seyn« (S.XIV). del überdauert. Die Erzählungen sollen »ihre Ver-
Man kann also davon ausgehen, daß die Anekdoten je-
denfalls zu Bodmers Zeit als wahr galten.
dienste daher haben, daß sie den Menschen in
Die Erzählungen entstammen der mittelalterli- Umständen und Stunden aufsucheten, wo er
chen und neuerenGeschichte der Schweiz bzw. der Ge- nichts ist als der Mensch, Er selbst und kein an-
biete, die später zur Schweiz wurden. Die einzelnen Ge- drer, in der wahren Gestalt seines Herzens und
schichten sind meist mitJahreszahlendatiert; die frühe- seines Kopfes erscheinet. Sie sollen ihn aus dem
ste stammt aus dem Jahre 1140. Meistens kreisen mehre- öffentlichen Leben herausnehmen, aus den La-
re aufeinanderfolgende Erzählungen um eine bestimm- gen und Geschäfte, welche er gestudiert hat, in
te historische Persönlichkeit, z. B. den Abt Conrad von denselben eine angenommene Rolle oder Person
St. Gallen oder Rudolfvon Habsburg. zu spielen.« (S. V.)
Die Geschichten haben sehr unterschiedlichen In-
halt. Einige berichten von vorbildlich tugendhaftem
Das antike Vorbild für diese Art der Ge-
Verhalten, z. B. von der Mildtätigkeit des Abtes von schichtsdarstellung ist Plutarch, den Bodmer lo-
St. Gallen (S. 3), der Einfachheit und Arbeitsamkeil ei- bend den zeitgenössischen Geschichtsschreibern
nes guten Adeligen (S. 28) oder von der Bescheidenheit gegenüberstellt, bei denen er »vertrauliche Klei-
und Genügsamkeit Rudolfs von Habsburg (S. 11 ). In nigkeiten« und »Familien-Anekdoten« vermißt
der Geschichte »Der kaiserliche Gast bei dem Gerber« (S. V.) und über die er schreibt: »Es ist ein Un-
(S. 23) wird das arbeitsame bürgerliche Leben sogar glück, daß die Geschichtsschreiber nur die Zeiten
vom Kaiser bewundert und gelobt, ein Leben, das trotz für wichtig halten, da die Staaten in Kriege ver-
wohlverdienten Reichtums nicht zu Hochmut verführt: wickelt sind. Gefechte, Schlachten, Beraubun-
der durch Fleiß reich gewordene Gerber schämt sich
trotz seines Reichtums nicht seiner Arbeit. Nicht nur in
gen, Zerstörungen, sind gewiß nicht Sachen, die
dieser Erzählung wird das bürgerliche Leben, das durch auf das Leben und die Gemüther den nützlichsten
redliche Arbeit geadelt ist, als Ideal und positives Ge- Einfluß haben. Wie viel mehrem Nutzen könnte
genbild zum unverdienten Geburtsadel dargestellt. Be- hingegen die Erzählung kleiner, nacketer, das
sonderes Lob verdient dagegen der Adel, der sich an den Herz verrathender, Geschiehtgen haben« (S. IX).
bürgerlichen Tugenden Fleiß, Arbeitsamkeil und Be- Das Wesentliche der Geschichtsdarstellung
scheidenheit orientiert. ist nach Ansicht Bodmers die Erfassung der Cha-
Einige Erzählungen stellen besonders ruchlose raktere, nicht die überpersönlicher Entwicklun-
Taten dar, z. B. die hinterlistige Ermordung eines Gra- gen oder Zustände. Die Betrachtung der Charak-
fen durch seinen Bruder (S. 12), oder beschreiben die
tere großer historischer Persönlichkeiten schärft
Folgen einer bösen Tat (S. 43). In den meisten Geschich-
ten fällt es dagegen schwer, eine eindeutige Moral aus- die moralische Urteilsfähigkeit des Betrachten-
zumachen, da weder besonders vorbildliches, noch be- den und macht ihn mit dem Wesen der menschli-
sonders abschreckendes Verhalten demonstriert wird. chen Natur bekannt. Aus diesem Grunde wählt
So werden z. B. in einigen Erzählungen (S. 15, 16, 18) Bodmer die anekdotische Darstellungsweise,
Kriegslisten und Streitigkeitenzweier gegnerischer Par- denn »der Charakter [zeigt sich] nicht in großen
961 Basedow, Elementarbuch, 1770 962

Handlungen; in Kleinigkeiten wird das Naturell Viertel und veröffentlichte diese Kurzfassung un-
entdeckt« (S. VII). S./0. B. ter dem Titel Das Nöthigste von der Vorstellung
an Menschenfreunde.
Bereits in der ersten Fassung der Vorstellung
1770 an Menschenfreunde hatte Basedow einen Brief
angekündigt (ebd., S. 17 4), in dem er um weitere
Johann Bernhard Basedow (1724-1790): Unterstützung bei der Verwirklichung seines
Des Elementarbuchs für die Jugend und für Werkes werben wollte. Dieser Brief erschien am
ihre Lehrer und Freunde in gesitteten I. April 1768 unter dem Titel Ehrerbietiges
Ständen erstes bis drittes Stück. Mit dem Schreiben an diejenigen Menschenfreunde und
vermögende Männer, wieehe um Beförderung der
Zubehör des Methodenbuchs und der Schulbibliothek und des Elementarbuchs ersucht
Kupfersammlung. zu werden verlangen. In ihm ersuchte Basedow
Altona und Bremen 1770 »verehrungswürdige Menschenfreunde« um
>>Unentbehrliche Hülfe [ ... ], entweder um ein
Den Gedanken, ein umfassendes Erziehungs- Darlehn Ihres Rathes und Verstandes; oder um
und Unterrichtswerk für die Jugend verfassen zu Erleuchterung derunentbehrlichen Auslage, oder
wollen, hat Basedow öffentlich erstmals in der um beydes zusammen« (S. 3). Neben Hinweisen
1768 von ihm publizierten Schrift Vorstellung an und Ratschlägen zur inhaltlichen Ausgestaltung
Menschenfreunde geäußert. Im dritten Teil dieses des Elementarbuchs - Basedow dachte an die
Buches, »Beschreibung des vorgenommenen Ele- Mitteilung von »lehrreichen Ergötzungen«, Spie-
mentarbuches der menschlichen Erkenntniß« be- len, Rätseln u. dgl. m. (S. 4)- ging es ihm in erster
titelt, umriß Basedow in groben Zügen (§54- 57) Linie allerdings um die finanzielle Stützung sei-
die Notwendigkeit eines solchen Werkes, einen nes Unternehmens, ohne die eine Aufnahme der
ersten Plan zur Bewältigung der Arbeit sowie die Arbeit undenkbar sei. Die Höhe hatte er bereits in
»vermuthliche Ordnung der Materien dieses Bu- §41 der Vorstellung an Menschenfreunde festge-
ches«. »Wir müssen erst eine geordnete Schulbi- legt: 2000 Reichstaler. In dem Ehrerbietigen
bliothek zum vernünftigen Unterrichte haben Schreiben erbat sich Basedow auf diese Summe
[ ... ]. Ein Elementarbuch, ein Abc-Buch der rea- »einen sehr geringen Theil [ ... ] auf Vorschuß«
len und nominalen menschlichen Erkenntniß, ein (S. 6) in Höhe von 6 Louisdor zu den Kosten des
Werk, dessen Vorstellung bisher sogar fehlet, ist Elementarbuches, dessen Auflage zwischen 1500
das erste, was einige Menschenfreunde zusam- und 2000 Exemplaren liegen sollte. Allein 500 bis
men oder ein einziger Rat und mancherley Hilfe 700 Reichtstaler würde das Kupferwerk an Ko-
zur Erfüllung so herrlicher Zwecke mit wahr- sten verursachen; hinzu käme noch, daß man für
scheinlicher Hoffnung eines guten Erfolges ma- die »Kinder sehr starkes Papier« verwenden müs-
chen können«(§ 55). Gelegenheit, dieses Ziel zu se. Auch die Bedingungen für »den Ersatz dieses
verwirklichen, bot sich Basedow noch im gleichen Vorschusses« (S. 10), d. h. für die Rückzahlung
Jahr, als er von der dänischen Regierung von sei- hatte Basedow festgelegt: Jeder Kreditgeber kön-
ner Tätigkeit am Altonaer Gymnasium bei Fort- ne nach Erscheinen soviele Exemplare des Ele-
zahlung seiner jährlichen Bezüge in Höhe von 800 mentarbuches zu einem um % niedrigeren Preis
Talern suspendiert wurde. verlangen, wie er an Vorschuß gezahlt habe oder
Den Plan, den er zuvor ausführlich in seinem aber innerhalb einer vierjährigen Frist sein Geld
Freundes- und Kollegenkreis erörtert hatte, hat zurückerhalten. Sollte das Werk wider Erwarten
Basedow ausführlich im§ 56 mitgeteilt, der in nu- nicht zustande kommen, so wollte Basedow alle
ce seine philanthropischen Ziele, die er mit die- Kosten persönlich übernehmen.
sem Werk verfolgte, enthielt: »Es wird als das er- Die Zweifel, die der Rezensent der Allgemei-
ste Buch im Unterrichte der Kinder, (welcher ei- nen Deutschen Bibliothek, Rektor Ehlers, äußerte
nige Jahre fortwähren kann,) so vollständig seyn, (»Unter den Reichen ist die Anzahl solcher, wel-
daß darinnen ein fruchtbarer Saame zu aller Art che mit einer Wärme des Herzens sich zum Besten
von gemeinnützigen Erkenntnissen mit einer Oe- anderer großmütig wohltätig zeigen, gar zu klein,
conomie, die der Natur des Bodens gemäß ist, an- als daß man sich auf deren Beistand verlassen
zutreffen seyn wird« (§56, S.l64). In einem 20 dürfte«, Bd. 9, St.1, S. 60), als er die Erfolgschan-
Punkte umfassenden Programm skizzierte Base- cen des Basedowschen Planes erörterte, bestätig-
dow überdies bereits die von ihm vorgesehene ten sich indessen nicht. Die Resonanz auf den
und in der späteren Ausführung des Werkes auch Aufruf Basedows, man möge ihm mit Rat und vor
beibehaltene Anordnung der Unterrichtsgegen- allem finanzieller Hilfe beistehen, war überwäl-
stände und »Realmaterien« (ebd.). Um die Les- tigend. Die beständige Werbung um Unterstüt-
barkeit zu erhöhen und einen größeren Leserkreis zung, die Basedow vor allem in den Vierteljähri-
zu erreichen, kürzte Basedow die 11 Bogen um- gen Unterhandlungen mit Menschenfreunden be-
fassende Vorstellung an Menschenfreunde auf ein trieb, die ausgedehnte Korrespondenz mit Ge-
963 Sachschriften 964

nommene Arbeit begleitenden Schriften, Zei-


tungsaufsätzen, Flugschriften und Büchern un-
terrichtete er die interessierte Öffentlichkeit über
(!'lementar6ud}~ das Fortkommen seines Projektes (Anfang der
Arbeit am Elementarbuch, 1769; Nachrichten

tür btc ~ugcnb


vom Fortgange der Arbeit am Elementar- Werke,
1769; Endzwecke, Möglichkeit und Probe des ver-
sprochenen Elementarbuches, 1769; Vorschlag
unb fur i~re und Nachricht von bevorstehender Verbesserung
des Schulwesens durch das Elementarwerk, 1770;
2e~rer unb ~reunbe Späteste Nachricht vom Elementar- Werk, 1770).
Nachdem Basedow zu Beginn des Jahres
in gcOttcttft e>tönbcn 1770 als Mitarbeiter für das Elementarbuch Chri-
(frfltl! <Stiut stian Heinrich Wolke sowie Christian Wilhelm
Dohm gewonnen hatte, erschien Mitte des glei-
ton
chen Jahres zunächst das Methodenbuch for Vä-
ter und Mütter der Familien und Völker, als me-
thodisch-didaktische Anleitung konzipiert, und
9.11ir ~nn !lul>c~6r bf~ llrtr~obfnbu~«< unb bfr dann Des Elementarbuchs for die Jugend 1.-
upftr(Qmmluns f>rq bf111 !l.1crf•ff•r, ftlntR 3. Stück, wobei von dem begleitenden Kupfer-
IJrtunbrn unb in 0u~ldbfn. werk zunächst nur der erste Band mit 53 Tafeln
ausgegeben werden konnte. Diese Veröffentli-
~lltona unb rertmfn. 1770·
chungen insgesamt nannte Basedow »Elementar-
werk«, wozu er auch die französische und lateini-
sche Übersetzung hinzurechnete.
Das Elementarbuch ist »für die Jugend vom
Basedow, Johann Bemhard: Elementarbuch for Anfange des Unterrichts an bis etwa ins fünfzehn-
die Jugend.- Altona und Bremen 1770 (Nr. 51). te Jahr« (Vorrede, S. I II) bestimmt, richtet sich
Titelblatt aber gleichermaßen an Eltern und Lehrer, die
dem Werk neben den bereits im Methodenbuch
enthaltenen Anweisungen zum Gebrauch weitere
Anleitungen entnehmen sollen. Darüber hinaus
lehrten, Schriftstellern, Privatpersonen, Königen, eigne sich das Buch, das im eigentliche Sinne »der
Fürsten und Ministern sowie zahlreiche Reisen Jugend bestimmt« (ebd., S. IV) sei, für ältere Le-
durch Deutschland, bei denen er ebenfalls um ser auch insofern, als sie »zu einer heilsamen Er-
Rat und Hilfe nachsuchte, versetzten ihn schließ- innerung« »einige Lücken [der] erworbenen Er-
lich in die Lage, bei finanzieller Sicherstellung des kenntniß« durch die Lektüre wieder schließen
Unternehmens mit der Ausarbeitung zu begin- könnten (S. IV/ V). Laut Basedow ist sein Werk
nen. Binnen kürzester Frist waren, wie Basedow nur den gesitteten Ständen zugedacht: >>Für den
später in den Vierteljährigen Nachrichten (St. I, großen Haufen ist es nach dem Inhalte zu reich
S. 20) mitteilte, »von Freunden und Fremden, und zum Ankauf zu kostbar« ( Vierteljährige Un-
von Gelehrten und Ungelehrten, von Geistlichen terhandlungen, St. 2, S. 18/ 19). Zur Begründung
und Weltlichen aus verschiedenen Kirchen, von dieser Adressatenwahl führt Basedow an, daß je-
Schulmännern und Schulvorstehern, von Unter- der Verbesserung des Erziehungs- und Schulwe-
thanen und großen Monarchen über7000 Reichs- sens eine »vorgängige Verbesserung« (ebd.) der
thaier Beyhülfe und Pränumeration« eingegan- gesitteten Stände vorausgehen müsse, ohne die
gen. In einem »Verzeichnis sowohl der freund- der »große Haufe« nie folgen werde, selbst dann
schaftlichen Commissionaire als der Zeugen von nicht, wenn »Besseres, als das Gewöhnliche« in
des Verfassers Unternehmen zur Verbesserung seine Hände gelange (ebd.). Frühestens nach ei-
des Schulwesens« (ebd., S. 66-92) hat Basedow nigen Jahren, wenn das Elementarbuch in der
die Förderer seines Elementarbuches namentlich Öffentlichkeit Wirkung erzielt habe, könne
einzeln aufgeführt und ihnen Dank gezollt. Es sein Buch als Lesebuch auchjenen vorgelegt wer-
floß so reichlich Geld aus dem In- und Ausland den, die »nur nachahmen können« ( Unterhand-
zur Förderung seines beabsichtigten Werkes zu, lungen, St. 2, S. 19), den unteren Schichten
daß Basedow schließlich öffentlich erklärte, also.
»nach dem ersten Junius 1771 [ ... )keine Praenu- Das Elementarbuch, das Basedow als das
meration mehr annehmen« (ebd., S. 45) zu kön- Kernstück seiner »elementarischen Bibliothek«
nen. Gleichwohl wurde Basedow nicht müde, und zugleich aller seiner beabsichtigten Refor-
auch weiterhin die Werbetrommel zu rühren: In men des Erziehungs- und Schulwesens ansieht,
zahlreichen, die 1768 am Elementarbuch aufge- soll bei dem vom Autor heftig beklagten »Mangel
965 Basedow, Elementarbuch, 1770 966

der Schulen und Hofmeister« (Methodenbuch, hend an dieses Programm. Nach Ausführung und
S. 12) einer »jede[n] Mutter, welche verständig ist, Fertigstellung des Elementarbuches sind ihm al-
oder es werden kann, den Weg eines angenehmen lerdings Zweifel gekommen. Wie er in der Vorre-
und nützlichen Unterrichts in den ersten Jahren de selbstkritisch einräumt, habe sein Werk »we-
der Kinder« (ebd.) weisen. Weder die Kinder und gen der Neuheit des Vortrages« (S. VI/VII) noch
Jugendlichen noch die Eltern oder Erzieher be- mancherlei Mängel und Unordnungen. Auch in
dürften neben dem Elementarwerk anderer der Vollständigkeit der behandelten Materien sei
Schriften oder Unterrichtswerke; lediglich für das Werk noch verbesserungsbedürftig. Um diese
den Bereich der Religion, für die Kalligraphie, die Mängel abzustellen, ebenso wie zahlreiche
Ton- und die Zeichenkunst müßten weitere Lehr- Druckfehler, Sprachfehler und unrichtige Na-
bücher herangezogen werden (Methodenbuch, men in einer verbesserten Auflage zu tilgen, for-
S. 16). Sofern der Benutzer alle Anweisungen, wie dert Basedow »schärfste und unbilligste Critik«
sie im Methodenbuch und im Elementarbuch ge- (ebd.), die ihm nützen werde und seinem Werk
geben seien, befolge, könne man davon ausgehen, letztlich zugute käme. Von dergleichen selbstkriti-
daß die Kinder selbst »kein Spiel und keine Er- schen Äußerungen nimmt Basedow allerdings ve-
götzung so lieben, als dieses für ihre Natur einge- hement das dritte Stück, »worinnen die natürliche
richtete und mit lehrreichen Kupfern durchgän- Erkenntniß von der Fürsehung Gottes [ ... ] mit
gig erläuterte Buch« ( Methodenbuch, S.l4). Die Kürze, Deutlichkeit und Vollständigkeit« vorge-
angesprochenen Leser, Kinder wie Erwachsene, tragen sei, aus. Die »Ordnung und Vollständig-
bedürften, so Basedow, keiner speziellen Voraus- keit« (ebd., S. VI) erscheint ihm dort vorbildlich
setzungen für den Gebrauch seines »A.B.C. des gelungen.
Unterrichts«, wie er das Elementarbuch auch
nannte (vgl. Unterhandlungen, S. 18). Es erfordere Das Elementarbuch ist in drei Stücke unterglie-
nichts »als den Unterricht der Sinne und der dert, die insgesamt 12 Kapitel enthalten (Stück I: Kap.
Empfindungen von den gemeinsten Dingen« 1-69; Stück 2: Kap 70-115; Stück 3 Kap. 116-123).
(ebd.). Gemäß Basedows Ankündigung, die »Materien des
Bezüglich der Anordnung der Materien hat Elementarbuchs [ ... ] nach der Ordnung der Leichtig-
sich Basedow von folgender Maxime leiten las- keit für einen von derUnwissenheitdurch die Grade der
Erkenntniß fortschreitenden Verstand auf einander fol-
sen: »Das Kind weiß nichts, und soll irgend ein-
gen« zu lassen (Endzweck, Möglichkeit und Probe des
mahl alles lernen, was den gesitteten Ständen ge- versprochenen Elementarbuchs, S. 7 f.), ist das Gesamt-
meinnützig ist, und in einer Ordnung, welche sei- werk aufgebaut. Während das erste Stück (384S.) leicht
ne und des Lehrers Mühe erleichtert, und in wel- verständliche » Realerkenntnisse« vorwiegend aus den
cher alles schon Gelernte ihm Licht und Lust Bereichen Natur und Technik wie aus dem Lese- und
giebt, das Folgende zu lernen« (ebd.). Diese Ord- Schreibunterricht enthält und nur in Ansätzen von
nung und Einteilung der Materien, in denen Un- »Seelenkräften«, Moral und Logik handelt, führt das
terricht erteilt werden soll, hat Basedow, wie er an zweite Stück (380 S.) zunächst mit Beschreibungen der
anderer Stelle mitteilt, nicht »nach denen in der » Körperwelt« und der» Naturgeschichte fort und leitet
Gelehrsamkeit üblichen Abtheilungen der Wis- dann in seinem letzten Teil zu moralischen Erörterun-
gen über. Im Zentrum des dritten Stücks (152S.) steht
senschaften« (Unterhandlungen, S.19) einge- schließlich die Behandlung von religiösen Fragen.
richtet, sondern gänzlich neu aufgebaut. Das Ele- Ohne erkennbare Binnen-Systematik oder Ord-
mentarbuch setze mit den allersten Erkenntnissen nungsprinzipien bietet das Erste Stück »Vermischte
eines Kindes ein, und jeder Gegenstand werde zu Gespräche« (Kap. 1-16) und »Vermischte Lehren in
rechter Zeit, nicht zu früh und nicht zu spät, für mancherley Schreibart und Uebung des Lesens« (Kap.
die Bildung des Verstandes und des Herzens der 17-23), handelt »Von Thieren und dem menschlichen
Kinder eingeführt, ganz so, wie »die Stufe[n] der Körper« (Kap. 24-44), »Von Seelenkräften« (Kap.
ordentlich fortschreitenden Natur« (Methoden- 45-61), ferner von »Einige[r] sinnliche[r] Erkenntniß
buch, S. 13) es verlangten. Dabei erscheint für Ba- der Körper-Welt« (Kap. 62-67) sowie abschließend
von »Angenehme[n] Uebungen im Lesen und Denken«
sedow die » Realerkenntniß« als Hauptzweck sei- (Kap. 68 und 69). Anhand detaillierter Beschreibungen
nes gesamten Unternehmens: »Die realen und der Kupfertafeln werden die den Kindem bis dahin
verbalen Erkenntnisse sollen nach ihrem Werthe »unbekannten Sachen« (ebd.) erläutert und in einen be-
und nach ihrem Bedürfnisse der Kinder in der ge- grifflichen Zusammenhang gebracht. Zinn, Eisen, Kup-
hörigen Proportion stehen« (Vorstellung an fer, Silber und Gold, so lernt das Kind, werden unter
Menschenfreunde, S. 164). Wie die »Ordnung der dem Begriff» Metall« zusammengefaßt, Wasser, Milch,
Realmaterien« (ebd., S.l69) begründet ist, hat Bier und Wein unter dem Begriff »Getränke«. Dabei
Basedow ausführlich in der Vorstellung an schreitet Basedow vom Einfachen zum Schwierigen
nach der» Regel der Leichtigkeit« (Endzweck, S. 8), oh-
Menschenfreunde (§58, S.l69-173) dargelegt:
ne dabei freilich kompliziertere Sachverhalte und The-
Das dort entworfene Programm beschreibt die menbereiche nicht wenigistens schon anzusprechen. So
einzelnen Inhalte und enthält auch eine methodi- werden beispielsweise in den ersten 16 Kapiteln der
sche Ausführung. »Vermischte[n] Gespräche« (S.l-67) bereits Fragen
Im Elementarbuch hält sich Basedow weitge- der Sexualität (Herkunft der Kinder), Fragen nach Le-
967 Sachschriften 968

ben und Tod der Menschen sowie der Unsterblichkeit Das Zweite Stück enthält zunächst die »Fortset-
der Seele angeschnitten. zung der sinnlichen Erkenntniß der Körperwelt«
Damit die neu erworbenen Kennntnisse auch im (S. 1-40) mit Erläuterungen über die Beschaffenheit
Gedächtnis der Kinder haften bleiben, sind »Lehren der Erde und ihrer Nutzbarmachung durch die Men-
der Weisheit in Reimen« (Elementarbuch, St. I, S. 22) in schen. Letzteres wird im folgenden Abschnitt (Mannig-
den Text eingestreut, die zudem eine Anzahl von Ver- faltigkeit der Bedürfnisse und Arbeiten«, S.41-96)
haltensregeln für den Umgang mit den Eltern, Geschwi- konkretisiert, indem eine »tabellenmäßige Vorstellung
stern und Freunden enthalten und Merksprüche zu von den Arbeiten und Lebensarten« die wichtigsten Be-
Spiel, Fleiß, Ordnung und Arbeitsamkeit bereit halten. rufe der Zeit nennt. Hieran schließt sich die Fortsetzung
Dem schließen sich »Vermischte Lehren in macherley der naturwissenschaftlichen Themenkomplexe unter
Schreibart und Uebung des Lesens« an (S. 67-111 ), in dem Titel »Etwas aus der Naturgeschichte«
denen das Alphabet, einige Regeln des Lesens (ein- (S. 97- 207) sowie die Behandlung philosophischer,
schließlich Versmaßerläuterungen) sowie Leseübungen moralischer und historischer Themen (»Etwas von der
enthalten sind, wobei eine dieser Leseübungen - nach Weisheit«, S. 208-380) an.
Einführung des lateinischen Alphabets (S. 97 ff.) in la- Das Dritte Stück(S. 1-152) leitet Basedow mit ei-
teinischer Schrift gedruckt ist. nem Hinweis auf partielle Überschneidungen mit dem
Anhand der begleitenden Kupfertafeln erläutern Methodenbuch ein (Vorrede). Es enthält »den Vortrag
die folgenden Kapitel>> Von Thieren und dem menschli- der Erkenntniß und Denkart, welche man gewohnt ist
chen Körper« (S. 111-189) überschrieben, verschiede- natürliche Religion zu nennen« (S. 5), wie zu Beginn
ne Tierarten sowie deren spezifische Eigenschaften (In- festgestellt wird. Im einzelnen erläutert Basedow die
stinkt, Triebe). Bei der Vorstellung des menschlichen Grundzüge christlicher und auch nichtchristlicher Re-
Körpers räumt Basedow erstmalig die Möglichkeit von ligionen sowie deren jeweilige moralphilosophische
Fehlern ein (S. 178). Nur knapp behandelt Basedow un- Auffassungen, zu deren strikter Achtung Basedow die
terder Überschrift »Etwas von Seelenkräften« (S. 191- Jugend anhalten will. Schließlich hat Basedow auch sei-
237) Begriffe wie Verstand, Wille, Urteilskraft, Sinne, ne eigene Religionsauffassung in Grundzügen skizziert
Triebe, wobei er sich zumeist mit Definitionen begnügt. (S. 8ff.).
Als eine erste Einführung in die Mathematik und
Physik versteht sich der Abschnitt» Einige sinnliche Er-
känntniß der Körperwelt« (S. 238- 288). Diese eben-
Wenn auch die öffentliche Reaktion auf das
falls weitgehend definitorisch vorgehenden Abhand- Methodenbuch und das Elementarbuch durchweg
lungen über das Licht, Feuer, Luft, Schall können, wie positiv ausfiel (mit Ausnahme der scharfen An-
Basedow in einer Textanmerkung betont, von jenen Le- griffe A. L. Schlözers) und der Rezensent etwa der
sern, »die keine besondre Lust zur Erforschung der Na- ADBbefand: »So kennen wir kein Buch von der
tur und ihrer Gesetze haben« (S. 262), gänzlich über- Erziehung, in welchem so viele deutliche und ge-
gangen werden, ohne daß daraus ein Nachteil oder gar nau bestimmte Regeln zusammengedrängt wä-
Schaden entstehen würde. Wer den Inhalt nicht verstan- ren« (Bd.l4, St. I, S.ll8, vgl. auchSt.2, S.393)-
den habe, möge sich »mit Naturkundigern oder Mathe- so hatte Basedow doch ein klares Bewußtsein von
matikern« (S. 274) unterreden. In diesen Materien sei er
selber noch zu sehr Schüler, »um das Elementarbuch
den Mängeln seines Werkes. In einer Selbstrezen-
schreiben zu können« (S. 275). sion hat Basedow diese Mängel eingehender be-
Das erste Stück wird beschlossen von »Angeneh- schrieben und notiert: »Das Werk ist noch sehr
me[n] Uebungen im Lesen und Denken« (S. 289-384). unvollkommen«(» Vorschlag und Nachricht von
In diesem Abschnitt hat Basedow sprichwörtliche Re- bevorstehender Verbesserung«, S.20), wobei er
densarten, Erzählungen, Fabeln, moralische Denksprü- jedoch zu bedenken gab: »Neue Unternehmun-
che sowie einige Kinderlieder zusammengestellt. Den gen muß man nicht mit demjenigen vergleichen,
Redensarten (S. 289- 298) schließen sich Erzählungen was werden kann, sondern mit dem, was gewesen
an (Geschichte von Monsieur Neidherz, Junker Selbst- ist« (ebd.). Von der Schwierigkeit, an einem sol-
feind, Mamsell Schmaus, David Naschmann u. a.), die chen Werke zu arbeiten, »in welchem die Elemen-
in unterhaltsamer Einkleidung jeweils eine Lehre ver-
mitteln wollen. Bevor Basedow einige Fabeln
te aller gemeinnütziger Kenntnisse aus dem
(S.344-358) zur Vergnügung und Belehrung der Kin- Chaos abgesondert und zusammengesetzt (ebd.,
der nacherzählt, gibt er in einer » Vorerinnerung« S. 21) wären, könne sich ein Außenstehender nur
(S. 344f.) eine Fabeldefinition und zugleich auch eine schwerlich einen Begriff machen. Daß sein Werk
Kritik dieser Literaturgattung: »Man macht zu unsern der Überarbeitung bedurfte, hatte Basedow über-
Zeiten derselben zuviel« (S. 345). dies bereits in der Vorrede zum Elementarbuch
Dem Zweiten Stück hat Basedow eine Vorrede klar zum Ausdruck gebracht und auch schon dar-
vorangestellt, in der er neben einer Erklärung zum Ge- auf verwiesen, daß »die andre Hälfte unfehlbar
brauch der Kupfertafeln sich vor allem mit einigen folgen wird« (Vorrede, S. IX), womiteine Fortset-
»Einwürfe[n]« auseinandersetzt, die ihm entgegenge- zung und Neufassung des bis dahin Erschienenen
halten worden waren. Sie betrafen vor allem »die offen-
gemeint war. Während Basedow das Methoden-
herzige Belehrung der Jugend von der wahren Verbin-
dung der Eltern mit den Kindern« (S. XII f.), die Sexu- buch für schon rasch folgende Nachauflagen un-
alaufklärung also. Basedow verteidigt sich vehement verändert ließ, stellte er das Elementarbuch gänz-
und will eher einen geringeren Absatz seines Werkes in lich um, überarbeitete es gründlich und veröffent-
Kauf nehmen als Änderungen gerade an diesem kriti- lichete das neu entstandene Werk im August 1774
sierten Teil vornehmen. unter dem Titel Elementarwerk. K.
969 Basedow, Elementarwerk, 1774 970

1774 und mit dem Elementarwerk in Verbindung ste-


hender Schriften, von denen Basedow sein »ma-
Johann Bernhard Basedow(J724-1790): thematisches Werk«, das Kleine Buch für Eltern
Des Elementarwerkes erster bis vierter Band. und Kinder, den Agathocrator sowie die Viertel-
Ein geordneter Vorrathaller nöthigen jährigen Nachrichten nennt.
Erkenntniß. Zum Unterrichte der Jugend Gegenüber der Vorrede zum Elementarbuch
von Anfang, bis ins academische Alter. Zur nimmt Basedow hinsichtlich des Adressatenbezu-
Belehrung der Eltern, Schullehrer und ges eine Erweiterung vor. Sein Werk, das »bloß
von untheologischen Wissenschaften« handle,
Hofmeister. Zum Nutzen einesjeden Lesers, sei in seinen Ausführungen zu Religionsfragen so
die Erkenntniß zu vervollkommnen. In abgefaßt, daß keine einzige Kirchengemeinschaft
Verbindung mit einer Sammlung von befürchten müsse, das Werk wegen etwaiger Aus-
Kupferstichen, und mit französischer und fälle gegen die eigene Religionsauffassung nicht
lateinischer Uebersetzung dieses Werks. benutzen zu können. Sein Elementarwerk sei
Dessau 1774 gänzlich der natürlichen Religion verpflichtet
und mithin für Katholiken, Protestanten, Juden
und griechische Christen »in gleichem Grade
Basedow stellte das Werk unter das anspruchsvol- brauchbar« (S. IV). Ausführlich erläutert Base-
le Motto »Herr, unser Gott, vermehre/Erkennt- dow erneut, was er »seit 6 Jahren sehr deutlich,
niß und Zufriedenheit!/Des Lasters Macht zer- sehr oft, sehr eindringend« (S. XI) stets betont ha-
störe,/und beßre die verderbte Zeit!« In einem be: Damit sein pädagogisches Reformvorhaben
weiteren Widmungsspruch wendet sich Basedow auch wirklich gelinge, müsse ein »elementari-
»An Gottesverehrer in allen Kirchen«: >>Führt sches Seminar«, eine Modellschule eingerichtet
weislich eure Jugend,/ Als Gottes Eigenthum !/So werden, die statt ständigen Memorierens durch
zeugt der Nachwelt Tugend/Für unsrer Zeiten die Schüler wirkliche Verstandesübungen, statt
Ruhm« (ebd.). Vorangestellt sind Widmungen Scheingelehrsamkeit wirkliche Vorbereitung zu
und Dankbarkeitsbezeugungen »Für Beförde- den Geschäften des Lebens, statt »des Gewäsches
rung dieses Werks« an die Adresse der großzügig- von Tugend« wirkliche Unterrichtung darin be-
sten Spender, »Dem weisen Verhalten Seiner Rö- treiben müsse. Ebenso müsse mit der »unsinnigen
misch-Kaiserlichen Majestät Joseph II.«, »Ihrer Lehrart in der lateinischen Sprache« (S. XI) end-
Russisch-Kaiserlichen Majestät Catharina II.«, gültig Schluß gemacht werden. Solange diese Mo-
»Seiner Königlich-Dänischen Majestät Chri- dellanstalt nicht existiere, müsse das Elementar-
stian VII.«, »Seiner Russisch-Kaiserlichen Ho- werkweniger vollkommen sein, da es erst in Ver-
heit Paul Petrowitz«, sowie dem Fürsten von An- bindung mit der Musterschule seine volle Wir-
halt-Dessau, Leopold Friedrich Franz und kung entfalten könne.
schließlich »Dem Publikum der Leser, welches Was Basedow beim Elementarbuch nur vom
durch Vorschuß von mehr als 15 000 Reichstha- dritten Stück gelten lassen wollte, eine gewisse
Iern das Elementarwerk vertrauensvoll beförder- Vollständigkeit und Vorbildlichkeit in der Anlage
te«. und Ausführung, gilt ihm nun für das gesamte
In der Vorrede zu seinem nun vorliegenden Werk. Da keine »Art des Unterrichts ausgelas-
Elementarwerk wiederholt Basedow die zentrale sen« (S. XII) sei, könne das Elementarwerk voll-
Bedeutung eines solchen Unternehmens für seine ständig genannt werden. Daß man auch bei der
pädagogischen Reformideen. Das Elementar- Behandlung der Natur und Künste nichts vermis-
werksei in der Unterweisung der Jugend »sowohl sen müsse, sei der Mitarbeit Wolkes zu verdan-
in den öffentlichen Anstalten als in den Fami- ken. Indessen hält Basedow die von ihm verfaß-
lien« (S. 111), für Eltern, Lehrer, Schulaufseher, ten Partien (Seelenkenntnis, Logik, Sittenlehre,
Patrioten und Menschenfreunde gleichermaßen die Religion und Sprachlehre) für die gelungen-
wichtig, da es als das entscheidende Instrument sten des gesamten Werkes (vgl. S. XII). Er räumt
zur Verbesserung des Erziehungs- und Unter- lediglich ein, daß die Darstellung der Naturlehre
richtswesens betrachtet werden müsse. Dabei bil- im vierten Band noch zu wünschen übrig lasse.
deten das nunmehr vier Bände umfassende Ele- Abschließend bekräftigt Basedow einen
mentarwerk, das Methodenbuch, die französische Hinweis, den er ebenfalls schon in der Vorrede
und lateinische Übersetzung, die beide die Ver- zum Elementarbuch gegeben hatte: wer alle seine
bindung des Realunterrichts mit der Sprach- Anweisungen zum richtigen Gebrauch seines Bu-
übung erleichtern sollten, sowie die Sammlung ches befolge, der bedürfe »bis nach dem 15ten
der 100 Kupfertafeln eine Einheit, deren gesamte Jahre in keiner Erkenntnißart eines andern eigent-
Kenntnis vorausgesetzt werden müsse, wenn lichen Lehrbuchs« (S. XVII). Die Einschränkung
»Kinderfreunde« das Gesamtwerk zum Nutzen des Leserkreises auf Kinder und Jugendliche aus
der Jugend einsetzen wollten. Von Vorteil sei auch gesitteten Ständen behält Basedow ausdrücklich
die Kenntnisnahme anderer von ihm verfaßter bei und bemerkt in diesem Zusammenhang, daß
971 Sachschriften 972

der Ankauf für diese Stände auch nicht zu kost- Höfen aneignen könne. Als Leitmotiv gilt dabei, daß,
spielig sei. wer Vollkommenes erreichen will, nichts dem Zufall
überlassen darf.
Das Elementarwerkumfaßt vier Bände und ist da-
In einer kurzen Abhandlung)) Vom Gebrauch und
mit gegenüber dem Elementarbuch um einen Band er-
Misbrauch des Elementarwerks in Schulen, von Hof-
weitert. Band I enthält die Bücher 1-3, Band 2 die Bü-
meistem und Hofmeisterinnen« (S. 59-76) warnt Base-
cher4-6, Band 3 die Bücher7 und 8, Band 4schließlich
dow ausdrücklich davor, diejenigen Hofmeister, die
die Bücher 9 und I 0. Während sich die ersten beiden
nicht in der Lage oder nicht willens sind, gemäß den Ba-
Bände mit Fragen der Geschichte des Menschen, der
sedowschen Erziehungsgrundsätzen die ihnen anver-
»Seelenkunde« ( = Psychologie), der »gemeinnützigen
trauten Zöglinge zu unterrichten, zum Gebrauch des
Logik«, der Religion und der »Sittenlehre« beschäfti-
Elementarwerks zu zwingen. Zur Unterrichtung mit Hil-
gen sowie mit den Arbeiten und Beschäftigungen ver-
fe des Elementarwerks bedarf es jedoch nach Basedows
schiedener Stände (Bauleute, Gärtner, Tischler usw.),
Ansicht nicht unbedingt eines Hofmeisters. Jeder Vater,
geht Basedow in den beiden Bänden auf die )) Elemente
jede Mutter, sofern sie nur »zur Kindererziehung über-
der Geschichtskunde« und der Naturkunde ein und sie-
haupt Fähigkeiten haben« (S. 70), könnten den Haupt-
delt hier auch den Grammatikunterricht an. Damit ist
inhalt des Buches ihren Kindem vermitteln und die not-
die ursprüngliche Anordnung der Materien im Elemen-
wendige )) Bereicherung und Berichtigung der Sacher-
tarbuch vollständig durchbrachen zugunsten einer grö-
kenntniß in der Muttersprache« (S. 69) leisten. Dabei
ßeren Konzentrierung der behandelten Stoffe.
dürften die Kinder keinesfalls durch dringendes Zure-
Das erste Buch richtet sich ausschließlich an die
den, Verweise, Drohungen oder Schläge zum Umgang
»erwachsnen Kinderfreunde« und versteht sich als Ein-
mit dem Buche gezwungen werden (S. 7 I).
führung in die)) Lehrart des Elementarbuchs« (S. 3). Er-
ste Erziehung habe bereits einzusetzen bei noch Im abschließenden Teil des ersten Buches
»sprachlosen Säuglingen« (S. 3), womit Basedow zu- (S. 77 -90) nimmt Basedow eine Einteilung der kindli-
nächst nur eine genaue Beobachtung der Kleinkinder, chen und jugendlichen Entwicklungsstufen vor. Er un-
dann aber bereits eine sorgsame »Augensprache« terscheidet eine »kleinere Kindheit« (S. 77 -83), eine
(ebd.) meint. Entscheidend ist für ihn dabei, daß alles »größere Kindheit« (ab dem 12. Lebensjahr, S. 81-83)
nach einem festen Plan und einer vorher bestimmten sowie das mit dem 17. Lebensjahr einsetzende Stadium
Ordnung abläuft. Als erste Prüfung empfiehlt er »die der Jugend (S. 87 -90). Bedeutsam ist hierbei, daß in der
Benennung der den Kindem schon bekannten oder er- »kleineren Kindheit« von jeglichem Kirchgang und
kennbaren Dinge« (S. 6). Auf spielerische Weise soll jeglicher Teilnahme an »gottesdienstlichen Gebräu-
den Kindem in diesem frühen Alter durch ein)) Namen- chen« abgesehen werden soll. An der frühen Sexualauf-
spiel« die Unterscheidung von Ober- und Unterbegrif- klärung (vgl. S. 80) hält Basedow weiterhin fest. Die ent-
fen vermittelt werden. Bei allen diesen Übungen ist für wicklungspsychologische Kindheitseinteilung wird von
Basedow entscheidend: »Die Lehrzeit und der langsa- Basedow auf der Folie des als Utopie entworfenen
me deutliche Lehrton muß dem Kinde gleich anfangs »Alethinien« (S. 77) vorgenommen.
angenehm seyn, und immer bleiben« (S.I4). Am Bei- Das zweite Buch (S. 91-320) wird mit einer »Vor-
spiel der »Geschichte Franzens, bis er allerley lesen und erinnerung an die Kinderfreunde« eingeleitet, die vor-
Vieles Gelesene verstehen konnte« (S. 21 ff.) führt Base- schreibt, daß die folgenden Texte den Kindem im Alter
dow verschiedenste Lernspiele vor: das Spiel der Aus- von 10-12 Jahren »größtentheils vorgelesen oder er-
sprache, das Buchstabierspiel (die er beide bereits im klärt« (S. 93) werden sollen. Die Kupfertafeln sollen
Kleine[n] Buchfür Eltern und Kinderbekannt gemacht den Kindem nicht eher gezeigt werden, bis sie lesen
hatte), das »Commandierspiel«, das »Gedächtniß- können. Hieran schließen sich überwiegend in Ge-
spiel« (vgl. S. 33- 52). Zu den bereits genannten vergnü- sprächsform gehaltene Beschreibungen der ersten sie-
genden und zugleich nützlichen Spielen können belie- ben Kupfertafeln an, die immer wieder von didakti-
big viele Lernspiele hinzugenommen werden, für die schen Kommentaren Basedows unterbrochen werden.
Basedow nur eine Voraussetzung nennt: »Jemehr sie Vermittelt werden in diesem Teil allererste Kenntnisse
alsdann zum Lachen reizen, desto zweckmäßiger sind der Kinder, wozu Essen, Trinken, Kleidung, aber auch
sie« (S. 52). abstraktere Begriffe wie Recht, Arbeit gerechnet wer-
Was Basedow unter einem ordentlichen Lehrplan den. Aufgelockert wird dieses Kapitel durch allerlei
versteht, exemplifiziert er anschließend in einem eige- Spiele.
nen Kapitel, »Uebungen eines künftigen Mannes (in Das zweit Hauptstück des zweiten Buches handelt
vornehmen Ständen) von dem lOten bis ins 16te Jahr« von)) Des Menschen Leib, Leben und Seele« (S. I 46 ff. ),
(S. 53- 59). Für die I 6 Stunden, die Knaben dieses Al- nach Basedow »die ersten und wichtigsten Begriffe von
ters zur Verfügung stünden, sieht Basedow folgende vielen Dingen«. Thematisiert wird zunächst die biologi-
Einteilung vor: 6 Stunden sind für diverse Bücherstu- sche Beschaffenheit des menschlichen Körpers. Hier
dien vorgesehen, 4 Stunden für die Mahlzeiten sowie finden sich auch erste Aufklärungen über den Unter-
lehrreiche Spaziergänge, 2 Stunden für die Unterrich- schied der Geschlechter sowie Mitteilungen über den
tung im Zeichnen und Musizieren; die verbleibenden 4 Ursprung des Menschen und seine Zeugung, die als
Stunden sollen zu )) Vorübungen des wahren männli- »vertraulicher Umgang« unter Eheleuten (S.I97) be-
chen Lebens« genutzt werden, worunter Basedow die schrieben wird.
Unterweisung in praktischen Fähigkeiten und verschie- Das dritte Buch (S.321-432), womit der erste
denen Handwerken versteht. Das Ausbildungspro- Band des Elementarwerkes beschlossen wird, behandelt
gramm sieht ferner den Erwerb brauchbarer und nützli- »Die gemeinnützige Logik«. Im Unterschied zu dem
cher Fertigkeiten und Kenntnisse vor, die sich der her- vorhergehenden Buch sind die darin enthaltenen Aus-
anwachsende Jugendliche vorzüglich durch Besuche führungen nicht für die ersten Jahre der Kindheit (bis
bei Bauern, Kaufleuten und auch an Residenzen und zum 10. Lebensjahr, vgl. S. 293 -295) geeignet. Die fol-
973 Basedow, Elementarwerk, 1774 974

Basedow, Johann Bemhard: Kupfertafeln zum Elementarbuche. Bd I. - Altona und Bremen 1770 (Nr.
52). Taf XXII von Daniel Chodowiecki

genden »Untersuchungen von der Logik und Ontolo- sei (S. 95). Je tugendhafter ein Mensch sein irdisches Le-
gie« (S. 323) können ab dem zehnten Lebensjahr bis ins ben einrichte, desto größere Glückseligkeit könne er im
hohe Alter wie Basedow ausdrücklich vermerkt, benutzt ewigen Leben erwarten, eine Maxime, die Basedow in
werden. Behandelt wird zunächst »Das Allgemeine der dem Abschnitt »Wirkung der Religion auf dem Thro-
Logik« : Glauben, Vermutung, Zweifel, Wissen, Wahr- ne« (S.l!0-113) insbesondere den Fürsten und Mo-
heit, Irrtum sowie Verstandesgebrauch (S. 321-350). narchen zur eindringlichen Mahnung vorgelegt. In ei-
Ferner werden die Ausführungen zur Seelenlehre, die nem 27 Gebote umfassenden Katalog formuliert Base-
bereits im 2. Buch abgehandelt wurde, komplettiert. dow die »nothwendigsten Sittenlehren, als Gebothe
Dem schließt sich eine »Festsetzung einiger Begriffe« Gottes« (S. 123), die er als allgemeine Gesetze und Tu-
an (S. 350-386), wobei Begriffe wie Körper, Raum, gendregeln auffaßt und die »ein Jeder nach seinen Um-
Dauer, Zeit, Ewigkeit, Unendlichkeit erläutert werden. ständen bestimmter denken« müsse (ebd., Anm.). Der
Der zweite Band des Elementarwerks versammelt Katalog umfaßt auch alle staatsbürgerlichen Pflichten,
die Bücher 4-6. Das vierte Buch(» Von der Religion«, so etwa die Mahnung, sich nicht ungerechtfertigt frem-
S. 1-232) enthält Inhalt und Methode der religiösen des Eigentum anzueignen (S. 215). Das 20. und 21. Ka-
Unterweisung, die nach Basedow frühestmöglich ein- pitel umfaßt die Vorstellung und Erklärung gemeinnüt-
setzen soll. Man müsse den Kindem den Glauben an ziger Gebetsformeln sowie zahlreiche Anweisungen zur
Gott »so früh mittheilen, als sie fähig werden, ihre Glau- Religionsausübung in »Liedern und Lehrgedichten«
benshand wirklich nach diesem Schatze auszustrecken« (S. 128 -198). Das 22. und zugleich abschließende Ka-
(Bd. 11, Anm. S. 3). Jede Woche sollen die Kinder drei pitel des 4. Buches handelt von der »Verschiedenheit
Stunden »mit einer angenehmen Feyerlichkeit« in ein- der Menschen in der Religion« (S. 198-232). Gedacht
zelnen Partien unterrichtet werden, wobei sie durch vor- ist diese Partie für die »reife Jugend« (S. 198, Anm.), so-
bereitende Gespräche, begleitende Gesänge und Instru- fern ihr die vorigen Ausführungen zur Religion bereits
mentalmusik zuvor eingestimmt werden sollen (S. 3 f.). geläufig seien. Ohne zu werten, stellt Basedow die ver-
Basedow sieht einen Zusammenhang zwischen der schiedenen Religionen vor: die jüdische, die christli-
Gotteserkenntnis und den »logikalische[n] Erkenntnis- chen, ferner die von »Mahomedanem, Naturalisten,
se[n]« (S. 12), die im 3. Buch behandelt wurden; Gott Zweiflern und Gottesleugnern« (S. 225).
könne vermittels der menschlichen Vernunft und nach Das fonfte Buch umfaßt >> Die Sittenlehre«
den Grundsätzen der natürlichen Religion erkannt wer- (S. 233 - 374), von der der Benutzer des Werkes selb-
den. Die Natur und die Geschichte der Menschheit hal- ständig entscheiden müsse, welche Teile daraus der
te ausreichend Beweise bereit, daß Gott existiert. Als der »Kindheit angemessen« seien (S. 235, Anm.). In 10 Ka-
Hauptzweck der wahren Religion erscheint bei Base- piteln skizziert Basedow allgemeine und konkrete Tu-
dow, daß die Tugend »um Gottes Willen auszuüben« genden für den privaten und öffentlichen Bereich, die
975 Sachschriften 976

von einem keuschen, ehrbaren und ehrlichen Leben in (S. 165 ff.) läßt Basedow dann einige »Zusätze zum
einem geordneten Hausstand bis zu den Pflichten ge- Grundbegriffe der Universalhistorie« nachfolgen
genüber dem Vaterland reichen. Einige dieser Lehren (S. 211- 227), worin er die Geschichte des Jüdischen
werden auch in »Sprüchwörten« und »vornehmlich in Volkes sowie das Kirchenwesen der Christen schildert.
Erzählungen« präsentiert, die weitgehend aus dem Ele- Besonders hervorgehoben wird dabei die Person Moses
mentarbuch (St. I, S. 289 ff.) übernommen sind. Derlei Mendelsohns (S.214), dem auch eine Kupfertafel
literarische Einkleidung schätzt Basedow als ein »vor- (LXXX) gewidmet ist und »dessen philosophische und
treffliches Mittel, nöthige Weltkenntnis und Sittenlehre critische Schriften von Juden und Christen aller Sekten
beyzubringen, und unvergeßlich zu machen« (S.240). mit gleich großem Beyfalle« (ebd.) gelesen werden soll-
Wie bereits im Elementarbuch lehnt Basedow auch hier ten.
Fabeln ab, die »bey weitem nicht diesseihe Wirkung« Mit der griechisch-römischen und ägyptischen
(S. 280, Anm.) hätten wie Erzählungen oder theatrali- Mythologie befaßt sich der sechste Abschnitt
sche Stücke: »Das Jahrhundert der Feenmärchen, und (S. 227-261 ). Basedow beschwört zunächst die »Kin-
der Fabelwiederholung, muß ein Ende nehmen« (ebd.). derfreunde«, alle mythologischen Berichte für »dum-
Als Ziel seiner Sittenlehre sieht Basedow, »eine über- mes Geschwätz« zu erklären, kann aber nicht umhin zu-
zeugende Lehre von der Gleichförmigkeit des menschli- zugestehen, daß »ein philosophischer Menschenfreund
chen Thuns und Lassens mit gemeinnützigen Regeln« die an sich verachtungswürdige Mythologie selbst ler-
(S. 366) zu vermitteln. nen, als eine Schulwissenschaft dulden, und (als ein
Das sechste Buch (S.375-509), »Von den Be- minderes Übel) sogar anpreisen« müsse. Er gibt dann
schäftigungen und Ständen der Menschen«, verbindet selbst eine gedrängte Übersicht, z. T. in alphabetischer
geographische Kapitel (Von der Oberfläche der Erde, Aufzählung, über die antiken Götter- und Heldenmy-
Vom Unterschied der Zeiten und der Weltgegenden) then, geht kurz auf den Argonautenzug und den Troja-
mit einer sehr viel ausführlicheren Darstellung mensch- nischen Krieg ein und erläutert die Attribute der Gott-
licher Beschäftigungen und Arbeiten. Diese Teile seien heiten und allegorischen Darstellungen in der Kunst.
bereits für die erste Kindheit brauchbar (d. h. bis zum Kurze Ausführungen zur Wappenkunde und Erläute-
I0. Lebensjahr), wenngleich Basedow einräumt, daß rungen von Grundbegriffen der historischen Wissen-
vieles erst nach mehrmaligen Wiederholungen ver- schaften (S. 261 - 272) beschließen dieses Buch.
ständlich werde (S.377, Anm.). Nach Ausführungen Das achte Buch handelt ausschließlich von der
über die Arbeitsamkeit überhaupt werden zunächst an- Naturkunde (S.273-416). Die naturkundliche Unter-
hand der dazugehörigen Kupfertafeln die verschiede- weisung setzt ein mit der ersten Kenntnis von den Tie-
nen handwerklichen Berufe vorgestellt. Den Wert der ren, behandelt dann die Pflanzenwelt, die Mineralien,
bildenden Künste (S.460-473) erblickt Basedow vor ihre Weiterverarbeitung und Behandlung durch den
allem darin, daß sie »in moralischer Absicht [ ... ]reden Menschen, das Schiffswesen, »Werkzeuge von man-
und [ ... ] viel vernehmlicher und eindringender« reden cherley Art«, sowie die Baukunst. Auf Physik und Che-
als bisweilen Worte (S. 475); hierwerden erstmalig Hin- mie konzentriert sich das neunte Buch (4. Band,
weise auf Bücher gegeben, die nebem dem Elementar- S. 1- 160). Es handelt von flüssigen Körpern, der Luft,
werk noch heranzuziehen seien (vgl. S. 469). von Wärme und Kälte, dem Magnetismus und der Elek-
Der dritte Band des Elementarwerks umfaßt die trizität sowie der Zeitrechnung und schließt mit einem
Bücher 7 und 8 und behandelt zunächst die »Elemente Überblick über die Kosmologie und einem » Begriffvon
der Geschichtskunde« (siebtes Buch) und dann »die der ganzen Philosophie«. Beiall diesen Ausführungen
Naturkunde« (achtes Buch). Wie Basedow in einer An- wird der Schwierigkeitsgrad beständig erhöht. Die Ab-
merkung auf dem Titelblatt des 7. Buches notiert, muß schnitte werden damit für einen »jugendlichen Ver-
die Unterweisung in der Geschichtskunde in engem Zu- stand immer schwerer, aber auch entbehrlicher« (Bd. 4,
sammenhang mit der» Kenntnis der Religion im vierten S. 5) und können sogar von erwachsenen Lesern »nicht
Buche« (Bd. III, S. 4, Anm. auf dem Titelblatt) gesehen ganz verstanden« werden (S. 6). Dem gesamten natur-
werden. Eingekleidet in die Erzählung der Geschichte wissenschaftlichen Lehrkanon der Bücher 8 und 9 hat
des »erdichtete[n] Land[es] Universalia« (S. II) vermit- Basedow das zeitgenössische, allgemein anerkannte Sy-
telt Basedow sämtliche »Grundbegriffe von Staats- stem des schwedischen Naturwissenschaftlers Carl von
sachen«. Dabei schildert er, wie es zur Entstehung von Linne zugrunde gelegt, ohne dabei Vollständigkeit an-
Demokratien, aristokratischen und monarchistischen zustreben, wie er mehrfach betont (vgl. Bd. IV, S. 5).
Staatswesen sowie »Despotereye[n]« (S. 27) gekommen Das neunte Buch schließlich, mit dem das Elemen-
ist. Sofern in >> Universalia« der »Thron oder der Kö- tarwerk beschlossen wird (S.161-256), vermittelt das
nigsstuhl mit einem würdigen Menschenfreunde besetzt »Nöthigste der Grammatik und von der Wohlreden-
war, genoß das Land einer weit grössern Glückseligkeit, heit«. In dieser Disziplin dürfen die Schüler jedoch
als in einer Republik möglich ist« (S.24). Gleichgültig nicht eher unterrichtet werden, als »der Verstand zur
jedoch, unter welcher Regierungsform man lebe, gelte halben Reife gekommen ist, und ehe der Lernende die
es, Gehorsam zu wahren; so mahnt Basedow insbeson- Sprache, deren Grammatik man lehren will, so gut und
dere sein jugendliches Lesepublikum: »Kinder, ge- so fertig weis, als ein belesener Krämer seine Mutter-
wöhnt euch, der Obrigkeit zu gehorchen« (S. 39). Das sprache« (S.174, Anm.). Die Grammatik umfaßt nach
nächste Kapitel handelt von der »erste[n] Geographie«. Basedow vier unterschiedliche Bereiche: die Orthogra-
Über Deutschland, seine Grenzen, Städte und Flüsse, phie, die Etymologie, die Syntax sowie die Lehre vom
Einwohnerzahl und die jeweilige religiöse Bekenntnis- Versmaß. Zunächst müsse der Zögling in der richtigen
form unterrichtet Basedow in einem eigenen Kapitel Aussprache unterwiesen werden, dann gut lesen lernen,
(S. I 07 -115), wobei er rät, hilfsweise zur Vertiefung um auf dieser Grundlage die Deklination, die Konjuga-
dieser Materien Büschings Erdbeschreibung hinzuzuzie- tion sowie die grammatischen Grundkenntnisse begrei-
hen (S. 156). Der Beschreibung der Entstehung der Welt fen zu können. Jede Regel soll durch »mehr Exempel er-
977 Basedow, Elementarwerk, 1774 978

läutert« werden (S. 211) und an praktischen Schreib- de didaktische Konzeption dieser Unterweisung
übungen erprobt werden. Das abschließende Kapitel erschienen in der frühkindlichen Entwicklungs-
»Von der Wohlredenheit und dem Bücherlesen« phase die Lernspiele, die so angelegt sind, daß sie
(S. 213- 256) ist nach Basedow nicht unbedingt notwen-
»nützlich seyn können, gewisse Fertigkeiten des
diger Bestandteil seines Elementarwerks und will dem-
entsprechend auch nicht mehr als eine kurze Einfüh- Körpers, gewisse Begriffe des Verstandes, und die
rung sein. Erörtert werden eine gewählte Ausdruckswei- Erleichterung künftiger Tugenden zu befördern«
se, elegante Schreibart sowie die Art, Briefe zu verfas- (Bd.l, S. 35/36). Entsprechend dem Gewicht,
sen. Um die Kinder davon zu überzeugen, »wie ange- das der Spielpädagogik bei Basedow zukommt,
nehm und nützlich das Bücherlesen« sei (S. 248), stelle sind sämtliche Spiele höchst genau und sorgfältig
die Lektüre des Elementarwerks selbst das beste Mittel erläutert.
dar. Gleichwohl räumt Basedow ein, daß sein Werk Eine stärker berufsorientierte und auf
nicht »die ganze Encyklopädie, oder den ganzen Um- lebenspraktische Aspekte ausgerichtete Ausbil-
fang aller Erkenntniß [enthält], welche unter Anführung
dung soll, wie Basedow in einem beispielhaften
von Lehrern erworben werden muß, wenn man ein ge-
übter Bücherleser werden will« (S. 252). Um diesem Umriß »Uebungen eines künftigen Mannes (in
Mangel abzuhelfen, sei es ratsam, aus» Rollins alterund vornehmen Ständen) vom lOten bis ins l6te Jahr
Römischer Geschichte«, aus »Mayens Handlungswis- (Bd. I, S. 53- 59), im zehnten Lebensjahr einset-
senschaft « und aus »Rammlers Batteux von schönen zen, von wo an der Zögling »nach und nach zur
Wissenschaften« (ebd.) Partien heranzuziehen. Ferner unschädlichen Ertragung solcher Beschwerlich-
sei es unerläßlich, um ein möglichst hohes Maß an keiten gewöhnet werden « soll (S. 57), die im
Wohlredenheit zu erlangen und überdies ausreichend »männlichen Leben zuweilen unvermeidlich«
»von den täglichen Neuigkeiten« unterrichtet zu sein, seien. Zur Erlangung dieses pädagogischen Ziels
Zeitungen zu studieren: »Es gehört zur Wahlanständig-
müssen sodann die »Realmaterien« angeeignet
keit und zum Vergnügen, irgendeine zu lesen«. Weiter-
hin empfiehlt Basedow, ein » wohlgeschriebenes histo- werden (naturwissenschaftliche, technische, öko-
risches Jahrbuch« zu studieren (S. 253). nomische, hauswirtschaftliche Kenntnisse). Die-
se müssen gleichberechtigt neben den religiösen
Unter den deutschsprachigen Elementar- und sittlichen Unterrichtsinhalten stehen. Base-
werken aus der Zeit des Philanthropismus kann dow fordert, daß »die Kenntnisse des Verstandes
das Basedowsche Werk als das erste und zugleich mit dem Zwecke der Bildung des Herzens zur Tu-
bedeutendste Unternehmen dieser Art gelten. Es gend nicht streiten« dürften (Vorstellung an
ist dem Enzyklopädismus der Aufklärung und Menschenfreunde, §58).
der Auffassung verpflichtet, daß mit dem Unter- Im folgenden soll exemplarisch das Bedeut-
richt in frühestem Alter begonnen werden soll. Es same der inhaltlichen Ausgestaltung des Base-
ist zudem von den besonderen pädagogischen dowschen Lehrkanons im Elementarwerk erläu-
Grundeinsichten Basedows geprägt: Das Ele- tert werden. Daß die Vermittlung von »realen Er-
mentarwerk will in »elementarischer Anord- kenntnissen«, wie Basedow es nennt, als eine der
nung« mit den ersten Kenntnissen eines Kindes hauptsächlichen Intentionen gelten kann, wird
beginnen und dieses bis ins akademische Alter nirgends augenfälliger als in dem von den Natur-
führen, ohne dabei eine natürliche Entwicklungs- wissenschaften handelnden Teil des Gesamt-
stufe zu überspringen. Elementarisch nennt Base- werks (Buch 8 und 9). Der Fähigkeit des Men-
dow dabei die Methode, die vom leichteren zum schen, naturwissenschaftliche Zusammenhänge
schwereren Unterrichtsstoff fortschreitet und sich zu durchschauen und die in der Natur geltenden
der Eigenheit jeder Altersstufe anpaßt. Sach- und Gesetzmäßigkeilen sich anzueignen, kommt nach
Worterkenntnis werden in größtmöglicher Weise Basedow entscheidende Bedeutung zu, ist sie
miteinander verbunden, was augenfällig in der doch als entscheidende Grundlage menschlichen
begleitenden Kupfersammlung zum Ausdruck und gesellschaftlichen Fortschreitens anzusehen.
kommt, die die Anschaulichkeit jeder unterricht- Von dort erklärt sich auch die mit immensem
lichen Unterweisung garantieren soll. Von zentra- Fleiß zusammengetragene Stoffülle aus dem na-
ler Bedeutung ist ferner das durchgängige Bemü- turwissenschaftlichen Sektor. Als mindestens
hen, sich stets der kindlichen Wesensart anzupas- ebenso bedeutsam muß die didaktische Präsenta-
sen und sich in der Darbietung der Lehrinhalte tion und ihre Begründung eingeschätzt werden.
dem Erfahrungshorizont der Kinder anzupassen. In den Dienst einer praktisch orientierten
Lernen soll auch Unterhaltung sein. Dementspre- Bildung will Basedow auch die Geschichte und
chend ist das Basedowsche Werk auch aufgebaut: ihre Unterweisung gestellt wissen. Wie er bereits
»Statt Sachverhalte in ihrer rein logischen Auf- in der Philalethie bemerkt hatte, sollten nur sovie-
einanderfolge zu präsentieren, wird an Bekanntes le historische Grundkenntnisse an die Schüler
angeknüpft, im Fortgang der Kapitel für eine rege weitergegeben werden, wie erforderlich wären,
Abwechslung gesorgt, wird schließlich immer um einen ausreichenden Begriff von der Tugend
wieder Aufregendes und Exotisches geboten, um und dem Laster zu gewinnen. Ferner sollte, wie
die Aufmerksamkeit der jungen Leser stets erneut dann im Elementarwerk auch praktisch ausge-
zu fesseln« (Ewers, 1980, S. 44). Als entscheiden- führt, die neuzeitliche Geschichte in den Vorder-
979 Sachschriften 980

grund der Betrachtung treten und die dadurch ge- fang der Arbeit, S. 22). Gleichwohl hielt er es per-
wonnenen Kenntnisse der moralischen Vervoll- sönlich für angebrachter, die Kinder wenigstens
kommnung dienen: >>Die Sittenlehre und die nicht zu belügen und ihnen etwas vorzugaukeln,
Klugheitsregeln gründen sich auf Erfahrung; weil sie ))nicht gewöhnt werden müssen, Worte
unsre eigne aber ist zu eingeschränkt und kömmt ohne Sinn oder im falschen Sinne zu brauchen,
zu oft zu spät; wir bedürfen also der Nachricht und weil man ohne diese Begriffe vorauszusetzen,
von fremden. Nur in dieser Absicht hat die Ge- hundert andre moralisch-nothwendige Begriffe
schichtskunde einen wahren Wehrt« (Methoden- der Jugend nicht mittheilen kann« (ebd.). ImMe-
buch, S. 223). Ferner hat ))Geschichtskunde« für thodenbuch war Basedow über diese Position be-
Basedow einen beträchtlichen Stellenwert für die reits hinausgegangen, hatte bereits konkreter Fra-
bürgerliche Bildung. Alle »Erzählungen von Ge- gen der geschlechtlichen Erziehung behandelt
schichte« müßten in Absicht auf die Religion, auf und gefordert : » Von der Zeugung der Thiere und
die physikalische und psychologische Weltkun- Menschen muß man schon mit jungen Kindern
de, die Sittenlehre sowie die Klugheitsregeln und wenigstens vor dem zehnten oder zwölften Jahre,
gleichermaßen ))auf die Weisheit in Landesregie- mit Wahrhaftigkeit, obgleich nicht ganz umständ-
rungen gemeinnützig seyn« (Methodenbuch, lich, ernsthaft wie von andern natürlichen Din-
S.455). Wie aus der im 7. Buch behandelten gen, [ . . . ]und in den anständigsten Ausdrücken
))Geschichtskunde« erhellt, darf nach Basedow oftmals reden, um sie auf die rechte Art mit diesen
der Unterricht in der Historie sich unter gar kei- Gedanken bekannt zu machen« (S. 168), dabei
nen Umständen auf die Einprägung geschichtli- ganz Rousseau in dessen Ausführungen über die
cher Daten in chronologischer Reihenfolge be- geschlechtliche Aufklärung im vierten Buch des
schränken. Emil verpflichtet, worin ebenfalls gefordert war,
In Widerspruch zu der bis dahin üblichen ))mit größter Einfachheit, ohne Geheimnistuerei,
Unterweisung setzt sich Basedow ebenfalls mit ohne Verwirrung und ohne Lächeln« die Kinder
seiner Sexualaufklärung. In einem frühen Sta- aufzuklären.
dium der Erarbeitung am Elementarbuch hatte er Obwohl bereits unter Bezugnahme auf ent-
es noch weitgehend den Eltern überlassen, ob sie sprechende Passagen im Elementarbuch Base-
ihren Kindern ))Begriffe von dem Vater und von dows Sexualaufklärung heftig kritisiert worden
der Mutter geben oder verbergen wollen« (An- war, hat er auch in den diesbezüglichen Passagen

Basedow, Johann Bemhard: Kupfersammlung zu J. B. Basedows Elementarwerke for die Jugend und
ihre Freunde. Lfg 2.- Leipzig, Berlin und Dessau 1774 (Nr. 55). Taf LVI
981 Basedow, Elementarwerk, 1774 982

des Elementarwerks keine Abstriche von seiner keit im irdischen Leben, auf» Weltlichkeit« (ebd.)
Überzeugung gemacht und bewußt in Kauf ge- vollzogen und religiöser Unterweisung damit die
nommen, daß »bey einigen tausend Familien der Funktion eines Moral- oder Sittenunterrichts zu-
Beyfall und der Gebrauch dieses Buches dadurch gewiesen. Damit korrespondiert Basedows Vor-
verhindert werde« ( Elementarwerk, Bd. I, stellung von einer »natürlichen Religion«, die er
S. 193). Er verabscheut jede »Mischung von im Elementarwerk propagiert: unter Religion
Wahrheit und Unwahrheit« und verdammt jede wolle er nicht eine spezifisch christliche verste-
» Wortplapperey ohne Verstand« (S.l94f.). Zu hen, sondern »nichts anders, als die natürliche
erzählen, daß Kinder aus dem Brunnen gefischt Religion, oder die Lehren von dem einzigen Gott
würden oder vom Storch kämen (ebd. ), hält er für und seiner Vorsehung, von der Unsterblichkeit
eine ausgesprochen >>Unvernünftige Erziehung«, der Seelen und von der künftigen Vergeltung des
die man dort beibehalten möge, »wo Menschen Guten und des Bösen; [ ... ] auch ohne vorgängi-
nach und nach verwöhnet werden sollten, aus Zu- ges Glauben an eine Offenbahrung, bloß durch
traun zu den Eltern und Lehrern des großen La- Betrachtung unsrer Selbst und der ganzen Natur«
mas Koth andächtig zu verzehren« (S.I95f.). (Bd. II, S. 231 ).
Wann und wieviel freilich die Eltern mit ihren
Kindem über Fragen der Geschlechtlichkeit re- Noch im gleichen Jahr des Erscheinens des Ele-
den sollen, überläßt Basedow erneut den Eltern mentarwerks gelangte eine lateinische Übersetzung auf
selbst. Sein eigener Plan (S. 196-199) sieht eine den Markt, die von Carl Ehregott Mangelsdorf u. d. T.
Operis Elementanspars prima (pars secunda etc). Quae
nüchterne und auch nur grobe Unterrichtung
habet Scientiae omnis necessariae penum recte disposi-
über das Leben und die Nahrung eines Embryos tam ad instituendam juventutem a puerita usque ad
im Mutterleib, die Geburt »mit großen Schmer- aetatem academicam angefertigt worden war, rasch ge-
zen« (S. 197) sowie die Empfängnis durch »ver- folgt von einer französischen Ausgabe Manuel Eiemen-
traulichsten Umgang« (S. 197). Die entsprechen- taire D'Education, die weitgehend M. Huber übertra-
de Kupfertafel (XXIX) zeigt unter der Über- gen hatte. Die deutsche Ausgabe des Elementarwerks
schrift »Wohltätigkeit der Eltern gegen ihre Kin- war bereits nach 6 Jahren vergriffen. Der Plan einer
der« »a) Die Vorbereitung während der Schwao- überarbeiteten Neuausgabe, die Ernst Christian Trapp
gerseht der Mutter- b) Die Sorgfalt vor und nach besorgen sollte, wurde nicht realisiert, so daß Basedow
diese Arbeit selbst bewältigen mußte und eine Neuauf-
der Geburt«, dann aufzwei weiteren Bildfeldern
lage 1785 schließlich u. d. T. Das Basedowsche Elemen-
die Eltern bei der Sorge für ihre Kinder (Ernäh- tarwerk. Ein Vorrath der besten Erkenntnisse zum Ler-
rung, Erziehung, Unterricht, Vergnügen). Gleich- nen, Lehren, Wiederholen und Nachdenken, Zur Zeit
wohl hat Basedow im Text des Elementarwerks Kaiser Josephs Il. erschien. Gegenüber der Erstausgabe
Worte wie »schwanger« und »Mutterleib« nur umfaßte die zweite Auflage nur 3 Bände, war ferner um
punktiert setzen lassen, was Wolke später einer das 10. Buch von der deutschen Grammatik gekürzt
Kritik unterzogen hat (vgl. Pädagogische Unter- und gleichzeitig um ein Register erweitert.
handlungen 11, 1778, S. 375). Eine dritte Auflage erfolge zwischen 1847 und
Seinem allgemeinen Erziehungsziel, »die 1849, die von einem >>Verein von Erziehern und Fachge-
lehrten« bearbeitet worden war, indessen »nach dem
Kinder zu einem gemeinnützigen patiotischen
heutigen Standpunkte der Wissenschaften und Volks-
und glückseligen Leben« vorzubereiten ( Metho- cultur« ausgerichtet war, wie es im Titel hieß. Ein wis-
denbuch, S. 123), hat Basedow auch den Reli- senschaftlich zuverlässiger und auf der Basedowschen
gionsunterricht untergeordnet, dessen praktische 2. Ausgabe von 1785 beruhender Nachdruck des Ele-
Durchführung das Elementarwerk enthält. Wie es mentarwerks samt einer Einleitung, einem Anhang so-
bereits im Methodenbuch im Abschnitt »Von der wie einem Anmerkungsapparat wurde von 1909 bis
Religion der Jugend« heißt, betrachtet er dieses 1913 von Theodor Fritzsch herausgegeben. Die Abwei-
Unterrichtsfach als eines der wichtigsten Mittel, chungen von der ersten Auflage wurden durchgängig
»welches in die Glückseligkeit der Personen, der angemerkt; auch das 10. Buch wurde aufgenommen.
Der Anhang enthält die Listen der Förderer des Elemen-
Familien und der Staaten Einfluß hat, und dessen
tarwerks sowie einige zeitgenössische wie auch aus dem
Wirksamkeit in dem reifsten Alter des Menschen, 19. Jahrhundert stammende Beurteilungen und Rezen-
von der Erziehung in seiner Jugend so abhängt, sionen.
daß sie dadurch behindert oder befördert, - ver- Schon rasch nach demErscheinen des Elementar-
mehrt oder vermindert,- mehr oder weniger vor- werks setzte eine breite öffentliche Erörterung ein, die
teilhaft, ja sogar schädlich werden kann« (ebd., überwiegend - wie bereits beim Elementarbuch - posi-
S. 327). Glückseligkeit seilt sich für Basedow als tiv ausfiel. Die ausführlichste Besprechung lieferte Ise-
Folge tugendhaften Verhaltens ein: »Folgt also lin in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek (Bd. 26, St.
der Stimme der Tugend [ ... ]. Alsdann ist ihr Lohn I, S. 42 -I 02), worin er insbesondere die gegenüber dem
Elementarbuch verbesserte Ordnung der Unterrichts-
die wahre Glückseligkeit« (Elementarwerk Bd. I, stoffe lobt, sich jedoch gleichzeitig einen weiteren Aus-
S. 97). Mit dieser Begriffsbestimmung hat er, wie bau des Gesamtwerks auf nötigenfalls zwanzig Bände
Kurt Meiers (1969) näher beschrieben hat (S. 93), wünscht, um auf diese Weise noch spezifischere Unter-
die eindeutige Orientierung jeglichen Religions- richtungen für einzelne Altersstufen der Kinder und Ju-
unterrichts auf die Nutzbarkeit und Brauchbar- gendlichen zu erreichen. Bemängelt wird die Qualität
983 Sachschriften 984

der didaktischen Anweisungen für die Eltern und Erzie- garete Krebs in ihrer Untersuchung zu Elementarwer-
her: »Es wäre deshalb eine noch nähere, eine ausführli- ken aus der Zeit des Philanthropismus (S. X.) ausfindig
che Anleitung nötig, um die Ordnung anzugeben, nach gemacht und zusammengestellt.
welcher die in dem Elementarwerke enthaltenen Kennt- Das Elementarwerk hat mit einigen seiner wichtig-
nisse der Jugend am schicklichsten beigebracht werden sten Grundsätze erheblichen Einfluß auf die Geschich-
können« (zit. nach Fritzsch, Bd. 2, S. 551). Im einzelnen te der Erziehung und des Unterrichts genommen, wobei
unterbreitet Iselin zahlreiche Vorschläge, die bei einer insbesondere an die Anschauungsmethode und den Re-
Überarbeitung Berücksichtigung finden sollten: so solle alienunterricht zu denken ist. Hieraufhat Krebs (1929,
Basedow seine Position zur Verbannung des Unter- S. XI) hingewiesen, die im übrigen ein außerordentlich
richts in alten Sprachen überdenken und möglichst kor- negatives Urteil über das Werk fällt: Die elementansehe
rigieren, und die Darstellung der Geschichte im Elemen- Ordnung, von der Basedow gesprochen habe, sei )>flicht
tarwerk möchte Iselin durch entsprechende Passagen gewahrt« worden; ferner fehle jede didaktische Präsen-
»aus Hrn. Bonnets Betrachtung« ersetzt wissen. Dies tation. »Dadurch und noch mehr durch die unklare,
freilich ändert nichts an seinem abschließenden Urteil weitschweifige Ausdrucksweise, durch ungenügende
des Gesamtunternehmens: »so ist es doch im ganzen Erklärung weniger bekannter Dinge, wird das )) Ele-
das beste und brauchbarste, das wir kennen« (Fritzsch, mentarwerk« nahezu unbrauchbar für die Mütter, die in
s. 560). dem Werk eine vollständige Vorbereitung für den ersten
Nicht minder positiv äußerte sich der preußische Unterricht ihrer Kinder finden sollten« (S. XI). Daß in
Unterrichtsminister von Zedlitz, dervor allein das Kup- dieser ansonsten materialreichen Studie viele unter-
ferwerk hervorhob und als »das erste Handbuch aller richtsgeschichtliche Entwicklungslinien, die von Base-
Erzieher« empfahl ( Pädagogische Unterhandlungen, dow bis indieneuere Zeit fortwirkten, unberücksichtigt
Jg. I, 1778, St. 5, S.604, bei Fritzsch S.561). Um den bleiben, hat Reinhard Stach in seiner Untersuchung
Kindern »nützliche Kenntnisse und moralische Gesin- zum Basedowschen Elementarwerk deutlich gemacht
nungen beizubringen, an welche sonst bei der Erzie- (Stach, Das Basedowsche Elementarwerk, 1974, S.484).
hung, wie sie insgemein ist, nicht gedacht wird«, hielt Er stellt u. a. fest, daß Basedows umfangreiches Unter-
die Allgemeine Bibliothek für das Schul- und Erzie- richtswerk Anregungen lieferte vor allem für die Abfas-
hungswesen in Deutschland (Bd. 3, 1775, S.34-100, sung von kompendienhaften Schulbüchern und für die
S.321-364, bei Fritzsch S.561f.) das Elementarwerk Entwicklung von Lehrerhandbüchern. In seiner Studie,
für sehr geeignet. Indessen bezweifelte der Rezensent, die sowohl die Entwicklungsgeschichte, die didaktisch-
darin mit Iselin übereinstimmend, daß es in Ermange- methodische Konzeption und schließlich die Auswir-
lung geeigneter Schulen und Hofmeister jede nur ver- kungen des Elementarwerks unersucht, gelangt Stach zu
ständige und gewillte Mutter in die Lage versetze, die dem folgenden abschließenden Urteil: » Basedows Ele-
Kinder in den ersten Jahren zu unterrichten. Auch daß mentarwerk ist ein in sich geschlossener didaktischer
der »Sprachunterricht unsere[r] klassischen Autoren« Entwurf, der die curricularen Fragen des Bildungszie-
verdrängt werden sollte, mißbilligte die Besprechung. les, der Lehrinhalte und der Methoden in damals bei-
spielhafter Weise löst und eine Diskussion in Gang
Nicht überraschen konnte dagegen, was der Rek- bringt, die sich auf die verschiedensten Erziehungsbe-
tor der Fürstenschule von Grimma, Krebs, von der Posi- reiche und ihre spezifischen Probleme positiv auswirkt«
tion eines orthodoxen lutherischen Theologen gegen (S.495). K.
Basedows Werk vorbrachte. Insbesondere die »religio
naturalis«, wie Basedow sie propagierte, hielt Krebs für
geeignet, die Jugend geradewegs zum Atheismus zu füh-
ren, da sie jede göttliche Offenbarung ablehnte. Gegen
derlei massive Vorwürfe nahm die Allgemeine Deutsche 1770-74
Bibliothek (Bd. 31, S. 577 ff., bei Fritzsch S. 563) Base-
dow in Schutz und notierte, daß die Widerlegung der Kupfersammlung zu J. B. Basedows
Krebssehen Ansichten ebenso töricht sei, »als dem Blin-
den die Farben, oder dem Tauben die Töne begreiflich
Elementarwerke for die Jugend und ihre
machen zu wollen« (ebd.). Basedow selbst setzte sich Freunde. Erste Lieferung in 53 Tafeln.
mit einer Persiflage zur Wehr, der er den Titel gab: Bild Zweyte Lieferung in 47 Tafeln von L bis
des verwünschten Basedows, sogenannten Curators des XCVI.
sogenannten Philanthropins, in einer kritischen Futter- Berlin und Dessau 1774
schwinge geschildert von Johannes Tobias Krebsius.
Den Wortlaut hat Fritzsch (S.563-566) in Auszügen
mitgeteilt. In seinem Versuch einer Darstellung dessen, Die erste Lieferung war unter folgendem Titel er-
was seit Jahrtausenden in betreff des Erziehungswesens schienen: Kupfertafeln zum Elementarbuche, for
gesagt und getan worden ist(Leipzig 1779) warf der Au- die Jugend ihre Eltern und Freunde in gesitteten
tor Mangelsdorf, der das Elementarwerkins Lateinische Ständen. Erster Band in LI/I Tafeln. Altona und
übersetzt, sich anschließend allerdings mit Basedow Bremen, 1770. Dieses Titelblatt samt Vorrede
überworfen hatte, die Frage auf, ob Basedow »seinem und Inhaltsangabe sollte nach Basedows Angabe
Werke nicht daurch geschadet hat, daß er die Erwartung nach Erscheinen der zweiten Lieferung entfernt
des Publikums zu hoch spannte« (ebd. S.385, bei
Fritzsch S. 568). Daß »die Begriffe und sogenannten
werden, so daß der oben angeführte Titel von
Realien zu sehr gehäuft« seien und Basedow offenkun- 1774, der zusätzlich in französischer und lateini-
dig nur wenig Talent habe, den richtigen »Kinderton« scher Sprache aufgeführt ist, fortan als Titel der
zu treffen, brachte Mangelsdorf als Hauptkritikpunkt gesamten Kupfersammlung gelten sollte.
vor. Weitere zeitgenössische Besprechungen hat Mar- Die Absicht, die geplante Elementarische Bi-
985 Kupfersammlung zum Elementarwerk 1770-74 986

bliothek mit einer Sammlung von Kupfern auszu- ke beteiligt wurden; die Ausführung wurde - ab-
statten, hat Basedow schon früh geäußert. Insbe- gesehen von sechs von Chodowiecki selbst gesto-
sondere in der Schrift Anfang der Arbeit am Ele- chenen Tafeln - mehreren bekannten Stechern
mentarbuche zur Verbesserung des Schulwesens übertragen. Die Entstehungsgeschichte der Kup-
( 1769) geht er darauf ausführlich ein. Er bezeich- fersammlung hat H. Gilow in Bd. III der von Th.
net es als »lächerlich [ ... ], ein Elementarbuch, Fritzsch besorgten Ausgabe von Basedows Ele-
ohne die Hülfe von vielen Kupferstichen oder an- mentarwerk ausführlich dargestellt; dort ist auch
dem Vorstellungen sinnlicher Gegenstände, im der Wortlaut des Vertrages zwischen Chodowiek-
Unterrichte zu gebrauchen. Denn die Nothwen- ki und Basedow wiedergegeben. Ein Nachweis
digkeit der Kupferstiche ist ganz unleugbar [im mit genauen Beschreibungen und Angaben der
Original fettgesetzt]. I) Es zeigt die Erfahrung, Varianten der von Chodowiecki selbst ausgeführ-
wie sehr alles, was einem Bilde ähnlich sieht, die ten Stiche findet sich bei W. Engelmann, Daniel
Kinder vergnüget [ ... ). 2) Die Reflexionen und Chodowiecki's sämmtliche Kupferstiche, 1856;
Moralen, die bey gemahlten Figuren angebracht Wiederabdruck 1926, unter den Nummern 54, 57,
werden, sind lebhafter, als andre, dauren länger, 61-63,117.
und werden von einem Kinde dem an dem öfterer
mitgetheilt und wiederholt. 3) Von vielen sinnli- Wie bereits aus den Besprechungen des Elemen-
chen Dingen kann in den Lehrstunden kein Ein- tarbuchs und des Elementarwerks ersichtlich, sollte die
druck ohne Abbildung gemacht werden, weil sie Kupfersammlung die dort behandelten Lehrinhalte
durch anschauliche Darstellungen begleiten. Der
ausländisch oder wenigstens alsdann abwesend
inhaltliche Aufbau der Kupfersammlung entspricht da-
sind. 4) Durch Hülfe der Kupfer wird der Lehrer her im Prinzip derjenigen der beiden oben genannten
leichter verstanden, wenn er bekannte Sachen in Werke, wobei nach der Umarbeitung durch Basedow
einer fremden oder todten Sprache wiederholet das Elementarwerk von 1774 die maßgebliche Fassung
[ ... ]« (S. 8 f.). darstellt. Im Verlaufe dieses Werks wird jeweils auf die
In dieser Schrift nun will er die ersten Proben zugehörigen Kupfertafeln verwiesen, so daß das Zu-
vorführen, und zwar Darstellungen zu den ele- sammengehen von textlicher und bildlicher Informa-
mentarsten Bedürfnissen des Menschen: Nah- tion gewährleistet ist. Basedow hat zusätzlich didakti-
rung und Kleidung; Dinge, die schon den jüng- sche Anleitungen gegeben, aufwelche Weise die Bilder
sten Kindem verständlich gemacht werden kön- zu betrachten und wie daraus zu lernen sei. Bereits im
Elementarbuch finden sich ausführliche Musterbeispie-
nen. Basedow empfindet es als notwendig, sich zu le von Gesprächen, die Mutter und Kind bei der Be-
rechtfertigen, daß er in einem Lehrbuch so simple trachtung einzelner Tafeln führen. Das Gespräch über
Dinge abhandeln will: »Auch mir schmeckt die- die erste Tafel »Die meisten Arten der Nahrungsmittel«
ser Brey nicht. [ ... ]Aber ich will mich anfangs bis zieht sich - von Zwischengesprächen unterbrochen -
zur Gemeinschaft mit den kleinsten Kindem er- von S. 9 bis 46 hin. Die Betrachtung der Nahrungsmit-
niedrigen«; denn ein solch einfacher Anfang im tel, der Personen und Gegenstände in der Küche bietet
Unterricht bringe die Kinder weiter als Jünglinge, den Anlaß zu häufigen Exkursen, in denen Begriffe wie
die ohne Verständnis Cicero läsen. Die beiden ge- Ordnung, Regel, Metall, Fragen nach Leben und Tod,
nannten Themen sind auf drei Tafeln dargestellt, geometrische und physikalische Gesetze erörtert wer-
den. Im Elementarwerk sind solche Gespräche kürzer
von denen die erste (im Rahmen einer Küchen- gehalten und bleiben mehr bei der Sache. Bei den Ge-
szene) die verschiedenen Arten der Nahrungsmit- genständen, die einem höheren Lernalter vorbehalten
tel, die zweite das Verhalten bei Tisch, nacheinan- sind, entfallen sie ganz. Auch im Methodenbuch hat Ba-
der also den sachlichen und moralischen Aspekt, sedow Anweisungen zum Gebrauch der Kupfersamm-
darstellen. Auf der dritten Tafel zum Thema lung gegeben; vgl. den Abdruck in Bd.III der Ausgabe
»Kleidung« sind beide Aspekte vereint: in der von Fritzsch, S. 22. Sie zielen u. a. darauf ab, daß die
oberen Hälfte die einfache Wiedergabe der Klei- Kinder die Tafeln nur unter Anleitung des Lehrers und
der derDame und des Herrn, in der unteren Hälf- jeweils nur für kurze Zeit betrachten dürfen. Aus sich
te Kinder, die ihre Kleider beschmutzen und ver- heraus sind die Tafelnjedoch in vielen Fällen nicht ver-
ständlich, besonders wenn Begriffe aus dem Bereich des
derben, woraus zu lernen ist: »Man muß diejeni- Psychischen oder Ethischen veranschaulicht werden
gen schonen, welche man hat.« (ebd. S. 39) sollen. Hier geben die Angaben zum Inhalt der Kupfer-
Diese Kupfer sind nach Anweisungen Base- tafeln, die sich im I. Band des Elementarwerks
dows entworfen von Tischbein und Krüger, gesto- (S. 1-42) finden, nützliche Hinweise. Bei der Verwen-
chen von letzterem und von Schleuen. Den An- dung der Kupfersammlung haben sich aber die Ausfüh-
sprüchen Basedows genügten diese Ausführun- rungen Basedows wohl als zu wenig praxisnah erwie-
gen jedoch anscheinend nicht. Er trat daher mit sen, so daß Christian Heinrich Wolke hierzu ein Erläu-
dem damals bereits berühmten Berliner Kupfer- terungswerk verfaßte unter dem Titel Beschreibung der
zum Elementarwerk gehörigen und von Daniel Chodo-
stecher Daniel Chodowiecki in Verbindung und
wiecki (bis auf 18) gezeichneten hundert Kupfertafeln,
gewann ihn für die Gesamtausführung der Kup- enthaltend die Methoden durch welche der Jugend auf
fersammlung, insbesondere für die Entwürfe, an eine leichte und angenehme Weise Kenntnisse der Sa-
denen nur einige andere Künstler wie der Schwei- chen und Sprachen zugleich können mitgeteilt werden,
zer Schellenberg und Basedows Mitarbeiter Wo!- das in zwei Lieferungen 1782 und 1787 erschien.
987 Sachschriften 988

Basedow, Johann Bemhard: Anfang der Arbeit am Elementarbuche. - Her/in 1769. Tafel /. »Von Hun-
ger und Durst, Speise und Trank.« Von J. C. Krüger nach A. Tischbein.

Das Erscheinen der Basedowschen Kupfer- bejaht er, aber die Kinder »sollen die Natur se-
sammlung rief ein positives Echo, aber auch kriti- hen, und nur im Notfalle, nur in Ermangelung der
sche Stimmen hervor. Das Buch, das im Kontext Natur, sich mit Kupfern behelfen, die ein unvoll-
des Elementarwerks einer damals modernen Auf- kommenes Surragaturn der Natur sind«. Wenn
fassung von Erziehung entsprach, wurde vielfach aber schon Kupfer, so Schlözer, dann nicht so un-
als Ablösung des immer noch im Gebrauch be- vollkommene wie die Basedowschen, sondern
findlichen, aber doch - trotz verschiedener Bear- dann sollte lieber ein Hinweis auf die »richtigste
beitungen - als veraltet empfundenen Orbis sen- und schönste Zeichnung, die bisher in irgendei-
sualium pictus des J. A. Comenius empfunden. nem Buche vorhanden ist«, gegeben werden.
Ein interessantes Zeugnis dafür findet sich in der Wenn unter I 000 Familien nur 50 zu einem sol-
kleinen Komödie »Der Orbis pictus«, die im Nie- chen Buch Zugang haben, dann kann, so lautet
dersächsichen Wochenblatt for Kinder 1774 ver- Schlözers etwas zynisch klingende Antwort, »den
öffentlicht wurde (vgl. Brüggemann, 1978). übrigen 950 nun einmal nicht geraten werden«.
Kritik kommt dagegen von der Seite des Göt- (ebd., S. LXXXII)
tinger Professors A. L. Schlözer, und zwar bereits Schlözers Auffassung, daß die Kinder ihre
nach dem Erscheinen der ersten Lieferung der Kenntnisse und Begriffe an den Dingen selbst
Kupfertafeln von 1770. Er lehnt die Kupfer- un- und nicht von Abbildungen gewinnen sollten,
verständlicherweise aus Geschmacksgründen - wird auch von Chr. Gottfr. Schütz, dem Verfasser
ab, da sie »sowohl in der Auswahl als in der Aus- des Hallischen Neuen Elementarwerks, geteilt. In
führung betrachtet, von dem Nürnberger Orbis der Vorrede zu seinem Methodenbuch for ange-
pictus in nichts verschieden sind, als daß sie 4 thlr hende Lehrer [ ... ] (1783) setzt er sich mit einem
kosten« (Vorrede zu La Chalotais, Versuch über Rezensenten der ADB auseinander, der es als ei-
den Kinder-Unterricht, 1771, S.XXXIf.). nen Vorzug des Basedowschen Elementarwerks
Schlözer polemisiert heftig gegen Basedows ansieht, daß der Unterricht dort mit Kupfern be-
Werbung um finanzielle Förderung seiner Unter- ginnt. »Nun ist es eineserbekannte Sache«, wen-
nehmungen, wobei besonders die Kosten für die det Schütz ein, »daß Kupfer eine angeneme Un-
Kupfer ins Gewicht fallen. Er erbietet sich, 20 terhaltung für Kinder sind, und daß besonders
Elementarwerke aufzuzählen, die ohne Kupfer Kinder von 4 bis acht Jahren nichts lieber haben,
auskommen. Die Wichtigkeit der Anschauung als Bilderbücher. Für Kinder dieses Alters würde
989 Kupfersammlung zum Elementarwerk, 1770-74 990

Basedow, Johann Bemhard: Kupfertafeln zum Elementarbuche. Bd. 1. - Altona und Bremen 1770 ( Nr.
52). Tafel 1: Die meisten der Nahrungsmittel

ich demjenigen, der die Basedowsche Kupfer- Antwort, die Schütz gibt, lautet: >>Das erste und
sammlung kaufen kann, allerdings raten, sie zu beste Mittel, diese Kindern bekannt zu machen,
brauchen, nicht um dabei lateinisch und franzö- ist doch wol unstreitig die Natur selbst. Laß den
sisch zu plaudern, sondern vielmehr in deutscher Knaben die Rose selbst sehen, riechen, fülen und
Sprache ihm allerlei Sachkenntnisse bei Gelegen- zergliedern; zeig ihm ein Stük Bernstein vor;
heit der Kupfer beizubringen.« (ebd. S. XIII) nimm ihn mit in den Garten, und zeig ihm den Un-
Wenn er diesen Nutzen auch anerkenne, so sei er terschied zwischen Kirsch- und Pflaumenbäu-
doch weit davon entfernt, »diese oder eine andre men; füre ihn in eine Müle, und zeige ihm wie das
Kupfersammlung für ein unentbehrliches oder Met gemalen wird. Das wird doch hoffentlich
wo I gar für das beste Hülfsmittel bei dem Kinder- weit elementarischer sein, als die so hochgepriese-
unterricht zu halten. Unentberlich ist es deswegen nen elementansehen Kupfertafeln.« (ebd.
nicht, weil unzählige Objecte, die Hr. Basedow in S. XIVf.) Könnten aber bestimmte Gegenstände
Kupfer hat stechen lassen, weit leichter in natura nicht direkt betrachtet werden, so seien verklei-
vorgezeigt, und zur Veranlassung eines unter- nerte Modelle, etwa eines Pflugs oder einer Was-
richtenden Gesprächs mit Kindern gemacht wer- sermühle, immer noch besser als eine Zeichnung.
den können. Dahin gehören ganz bekannte Sce- Wo aber weder die Dinge selbst noch Modelle ge-
nen aus dem kindischen Leben selbst. Ist es z. E. zeigt werden könnten, da hätten gute Zeichnun-
nicht weit kürzer, Kinderspiele mit Kindern selbst gen allerdings ihren Nutzen, nur seien die Base-
zu spielen, und ihnen dabei das nötige zu sagen, dowschen Kupfer dazu wenig geeignet, da man-
als ihnen die stumme Abbildung solcher Spiele, che Darstellungen etwa zu klein seien (ebd.
nach der 5ten Basedowschen Kupfertafel, zu die- S.XVf.).
ser Absicht vorzuhalten? Dahin gehören Objecte, Schützens Argumente sind neben den bissi-
die die Kinder in der Natur selbst weit besser vor gen Bemerkungen Schlözers eher ernst zu neh-
sich haben, als sie ihnen durch die vortrefflichste men, es fällt aber auf, daß die Frage der künstleri-
Zeichnung dargestellt werden können.« (ebd. schen Qualität, die sich zumal in Chodowieckis
S. XIV). >>Wer wird dem Kinde einen Kirsch- meisterhafter Darstellung von Szenen aus dem
baum, eine Rose, ein Stük Bernstein, eine Wind- Familien-, Bürger- und Arbeitsleben zeigt und die
müle blos zu diesem Behufe malen, um ihm Be- auf genauen Beobachtungen und exakten Stu-
griffe davon beizubringen?« (ebd. S. XIV) Die dien beruht, in der damaligen Diskussion so gut
991 Sachschriften 992

wie keine Rolle spielt. Bildliehe Darstellungen, Wesen und nach ihm auch gegen unseren Neben-
mögen sie nun künstlerisch hochstehend sein menschen befinden?« (S. XII)
oder nicht, stehen damals einzig unter dem Primat Adelung erhebt mit seiner Enzyklopädie
pädagogischer Effizienz. Dies - neben der allge- nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, da er
meinen Wertschätzung Basedows - dürfte auch Rücksicht nehmen will auf die Fähigkeit des Ler-
den Nürnberger Pädagogen Johann Siegmund nenden. Denn neben den Wissenschaften, »die
Stoy veranlaßt haben, auf jeder der 50 Anschau- auch den jüngsten Gemüthern nicht zu schwer
ungstafeln seiner Bilder-Akademie for die Jugend sind, die vielmehr tausendfache Reize und An-
(1784) eine Abbildung aus der Basedowschen muth für sie haben, die zur ersten Bildung ihres
Kupfersammlung wiederzugeben. Herzens unentbehrlich sind« (S. XIV), gebe es
Die KupfersamJung wurde mit der Neuauflage auch abstrakte Wissenschaften, »in Ansehung de-
des Elementarwerks 1785 wiederaufgelegt und 1909 rer man zufrieden seyn kann, wenn der Lernende
von Fritzsch als Band 3 seiner kritischen Bearbeitung sie nur dem Namen nach kennet« (S. XIII). Doch
von J. B. Basedows Elementarwerkneu gedruckt; 1972 auch bezüglich des Elementarstoffes sei nicht al-
erschien diese Ausgabe als Reprint. Die schon zu ihrer les gesagt, »was Lehrlingen auf niedem Schulen
Zeit sehr geschätzte, aber auch umstrittene Kupfer- zu wissen nöthig ist« (S. XIV), und es sei die Auf-
sammlung zu Basedows Elementarwerk gilt heute als gabe des Lehrers, entsprechend den Bedürfnissen
bedeutendes kulturhistorisches Dokument; sie ist nach und Fähigkeiten der Schüler »bald etwas hinzu-
Hobrecker ( 1924, S. 28) »das erste wirklich künstleri-
sche Erzeugnis für die Jugend.« B.
zusetzen, bald aber auch etwas wegzulassen und
zu überschlagen« (S. XV).
Das Werk ist in 52 Kapitel eingeteilt. Die ersten
drei Kapitel beschäftigen sich mit der Naturgeschichte,
der Naturlehre und der Kosmographie (S. 2-35). Ne-
1771 ben einer Beschreibung der »drey Reiche der Natur«
findet sich hier eine Darstellung der Erde, von flüssigen
Johann Christoph Adelung (1 732-1806):
Körpern und Naturerscheinungen sowie der Gestirne.
Unterweisung in den vornehmsten Künsten Das 4. und 5. Kapitel handelt von Gott, dessen Vor-
und Wissenschaften zum Nutzen der niedem handensein Adelung »theils aus den Werken der Natur,
Schulen. indem solche nicht von sich selbst entstanden seyn kön-
Frankfurt und Leipzig 1771 nen; theils aus unserem eigenen Gewissen, theils aber
auch aus der heiligen Schrift« (S. 36) erklärt, sowie von
der Schöpfung (S. 40-42). Das 6. Kapitel (S.42-48)
Adelungs Unterweisung richtet sich an die Schü- definiert den Menschen als das »künstlichste Meister-
ler der niederen Schulen und dient gleichzeitig als werk des Schöpfers, in welchem sich seine unendliche
Unterrichtshilfe für Lehrer: »Bücher dieser Art Weisheit auf eine ganz besondere Weise offenbaret«.
dienen mehr zum Leitfaden für Lehrer, als daß sie Im 7. Kapitel »Von der Religion« (S.49-56) erklärt
eben das ganze Maß der Kenntnisse des Lernen- Adelung die Notwendigkeit der geoffenbarten Religio-
den erschöpfen sollten.« (S. XIV) Mit seiner En- nen aus der Sündhaftigkeit des Menschen und faßt die
Lebensgeschichte Jesu zusammen. Daran schließt sich
zyklopädie möchte Adelung »wenigstens etwas
das Kapitel »Zustand der heutigen Religionen« (S. 56-
zur Verbesserung des Geschmackes in den nie- 61) an, in dem die außerchristlichen Religionen be-
dem Schulen« beitragen (Widmung). handelt werden. Nach einer Definition und Einteilung
Ausgangspunkt ist seine Kritik an der gro- der Künste und Wissenschaften im 9. Kapitel
ßen Anzahl bereits vorhandener Enzyklopädien (S. 61-63) behandeln die folgenden Kapitel Einzelwis-
für die Jugend, ohne daß Adelung deren Nachtei- senschaften und Künste wie Sprachen, Redekunst,
le benennte. Offenbar stellt jedoch die bisherige Dichtkunst, bildende Künste, Musik u.a. (S.63-82).
Ordnung dieser Werke für ihn den hauptsächli- Adelung sieht das Gemeinsame an den schönen Kün-
chen Mangel dar, auch wenn er betont, im kon- sten »darinn, daß sie die schöne Natur nachahmen«
(S. 71 ), und definiert sie als solche, die >>vornehmlich
kreten Fall müsse eine solche Ordnung immer
das Vergnügen der Menschen zum Gegenstand haben,
pragmatisch sein. Adelung kennzeichnet seinen die daher das Gemüthergötzen und das Herz rühren«
Ansatz so:» Indessen glaube ich doch, daß man in (ebd.).
den meisten Fällen mit der Naturgeschichte, der In den Kapiteln 17 bis 21 werden die Mathematik
Naturlehre, und der damit verwandten Cosmo- und die ihr verwandten Wissenschaften Geometrie, Sta-
graphie den Anfang machen und sodann zu den tik, Optik und Astronomie dargestellt (S.83-104).
Lehren der Religion und den übrigen Wissen- Nach einem Kapitel über Architektur (S. I 04-1 06) wer-
schaften fortgehen könne. Was ist wohl natürli- den in dem folgenden Kapitel mit der Behandlung der
cher, als von den sichtbaren Dingen, die uns täg- »theoretischen« Philosophie (Logik und Metaphysik)
und der »praktischen« Philosophie (praktische Welt-
lich vor Augen sind, zu den unsichtbaren fortzu-
weisheit, Moral, Naturrecht, Klugheitslehre, bürgerli-
gehen, und von den Geschöpfen auf der Leiter che Rechtsgelehrsamkeit) die Wissenschaften abge-
der Wesen bis zu den Unerschaffenen hinaufzu- schlossen, die sich mit »den Gebrechen der menschli-
steigen, und denn die mancherley Verhältnisse zu chen Seele« (S. 152) beschäftigen (S. I 07- 152). Das
betrachten, in welche wir uns gegen das höchste 31. Kapitel handelt von der »Wissenschaft, die sich
993 Adelung, Unterweisung, 1771 994

steiler sowie der wichtigsten weltlichen Ritterorden der


fiji europäischen Länder. Die letzten drei Kapitel befassen
sich mit dem Handel, den Schiffen und der Schiffahrt
sowie den Manufakturen und Fabriken (S.483-494).
Dem Buch sind zwei Anhänge beigegeben: der erste be-
handelt die »politische Rechenkunst«, d. h. die Statistik
(S.497-504), der zweite gibt eine Übersicht über den
römischen Kalender (S. 505-51 0).
Der Text ist ein sprachlich unkomplizierter, reiner
Sachbericht, dessen stoffliche Fülle dadurch besser zu-
gänglich gemacht wird, daß er überschaulieh in präzise
Fragen und recht knappe Antworten zergliedert ist.
Dem Buch sind 6 kolorierte Landkarten sowie mehr als
30 Kupfertafeln mit 120 Wappen beigegeben. Die Wap-
penkupfer stellen kaiserliche, königliche, kurfürstliche
Wappen, Wappen der geistlichen Fürsten, der altfürstli-
chen und neufürstlichen Häuser, sowie gräfliche und
Wappen der Reichsstädte dar.

Adelung versucht mit seinem Werk, einen


Grundstock bügerlichen Wissens zu entwickeln
und zu vermitteln. Das spezifisch bürgerliche In-
teresse zeigt sich insbesondere in der Aufnahme
der neuen praktischen Wissenschaften wie etwa
im Kapitel über die Fabriken und Manufakturen,
drückt sich aber auch in seiner Behandlung der
Geschichte, der Moral und der Institution Kirche
aus. Dabei vertritt Adelung den Standpunkt des
aufgeklärten Absolutismus. An mehreren Text-
stellen durchbricht er daher auch seine durchweg
objektivierende Darstellungsweise, um sehr posi-
tiv die Taten Katharinas Il. von Rußland hervor-
Adelung, Johann Christoph: Unterweisung in den zuheben (vgl. z. B. S. 393). Adelung vermeidet es,
vornehmsten Künsten und Wissenschaften. 2. in der Darstellung der Konflikte zwischen dem
verm. u. verb. Aufl. - Leipzig 1774 (Nr. 15). Ta- Adel und dem Bürgertum für eine Seite Partei zu
fell ergreifen. So etwa werden die frühbürgerliche Re-
volution in Deutschland und die bürgerliche Re-
volution in England lediglich als historische Da-
vornehmlich mit den Gebrechen unseres Körpers be-
ten genannt und dazu noch unter dem Aspekt der
schäftigt« (S.l53), der Medizin und Arzneikunst, sowie
den angrenzenden Wissenschaften Pharmazie und Bot- Glaubenskämpfe abgehandelt (S. 381 bzw. 389).
anik (S. 152-157). Deutlicher wird der bürgerliche Standpunkt
Mit dem 32. Kapitel »Von den historischen Wis- Adelungs in der Abhandlung der Kirchenge-
senschaften überhaupt« beginnt Adelungs Abhandlung schichte. So ergreift er eindeutig Partei gegen den
der Geschichte, die er versteht als »gegründete Erzäh- »abergläubischen Bilderdienst« im Streit zwi-
lung geschehener Dinge« (S. 157). Um ein Verständnis schen Leo III. und dem »aufrührerischen Papst«
der Geschichte zu ermöglichen, schaltet er die Behand- Gregor II. (S. 344), erklärt sich für die Zentralge-
lung der Chronologie (S. 159- 172) und der Geographie walt des Reiches und kritisiert unter diesem
(S. 172-261) als Hilfswissenschaften vor. Die Kapitel
39-44 machen den eigentlichen historischen Teil der
Aspekt die Schenkung mehrerer ostelbischer Bi-
Enzyklopädie aus (S. 26 1 - 393). Neben einer ausführli- stümer an die Kirche durch Otto I. (S. 354), nimmt
chen Geschichte des Alten Testaments findet insbeson- Partei für Heinrich IV. im Investiturstreit (S. 356),
der die deutsche Geschichte Beachtung; ein Überblick wertet die Kreuzzüge als Taktik der Päpste, die
über die außerdeutsche Geschichte wird nur summa- weltliche Macht zu untergraben (»eine neue Er-
risch gegeben. Der historische Abriß endet mit der findung der Päbste, die Europäischen Mächte zu
Thronbesteigung Josephs II. ( 1765). entkräften und zu entfernen, damit sie desto be-
Das 45. Kapitel beschäftigt sich mit der )) Wapen- quemer im Trüben fischen konnten«; S. 357) und
kunst« (S. 394-409) und liefert gleichzeitig eine Be- macht auch für das Entstehen des Dreißigjähri-
schreibung der am Ende des Buches abgedruckten Kup-
gen Kriegs die Katholische Kirche verantwortlich
fer. Die Mythologie ist Gegenstand des 46. Kapitels
(S. 409-432), daranschließt sich eine Darstellung der (S. 384). Deren Macht beruhe auf der Unwissen-
»gottesdienstlichen, politischen, bürgerlichen und heit ihrer Untertanen: )) Unwissenheit und Aber-
häuslichen Verfassung der alten Römer« an glauben herrscheten schon überall, so daß es den
(S.432-451). Dem folgen ein chronologischer Über- Geistlichen sehr leicht ward, den Layen einzubil-
blick überdie alten griechischen und römischen Schrift- den, was sie nur wollten; ein Vortheil, dessen sie
995 Sachschriften 996

sich nie anders als zu ihrem Nutzen bedienten.« der besonderen Bedeutung der Entwicklung der
(S. 354) gesellschaftlichen Produktivkräfte, sondern er
Das beständige Eintreten Adelungs für die übernimmt auch wesentliche Elemente aus Leib-
Zentralgewalt kennzeichnet zugleich sein natio- nizens Dialektik wie z. B. das Prinzip der Aktivität
nales Anliegen. Der nationale Gedanke wird be- der Substanz und das Prinzip der Verbindung von
sonders deutlich, wo Adelung die verheerenden Materie und Bewegung (vgl. S. 17 ff.).
Folgen der Zersplitterung des Reiches beklagt, Mit Thomasius verbindet ihn der Kampf ge-
z. B. wenn er Deutschland zur Zeit des Großen gen Aberglauben und Unvernunft. Wie jener ver-
Interregnums als »Mördergrube« bezeichnet wirft Adelung die Lehre vom Gottesgnadentum
(S. 365). des Monarchen (S.l34f.); auch geht er davon
Adelungs erklärte Absicht in der Behand- aus, daß die Menschen zum tätigen Leben be-
lung der historischen Wissenschaften ist die Leh- stimmt sind, indem er die Tugend definiert als die
re für die lebenden und künftigen Generationen, »thätige Neigung zum Guten, oder die Fertigkeit,
für ihn ist »die Historie [ ... ] der Grund aller Sit- nach rechtschaffenen Bewegungsgründen zu
tenlehre und der Staatskunst, und der glänzendste handeln« (S.138). Hatte jedoch Thomasius die
Schauplatz der göttlichen Güte und Vorsehung.« Nächstenliebe als das höchste ethische Ziel defi-
(S. 158) Dennoch ist seine Geschichtsschreibung niert, dem alle Tugenden entsprängen, wogegen
nahezu durchgängig nur ein chronolgischer Be- alles Böse aus der Selbstliebe herrühre, so setzt
richt, eine Aneinanderreihung von Regenten und Adelung in seiner Tugendlehre den Akzent an-
Begebenheiten, von Schlachten und Kriegen, bei ders und versucht nachzuweisen, »daß eine ver-
denen er sich zumeist einer Bewertung enthält. nünftige Selbstliebe eine natürliche Pflicht und ei-
Positiv und denkwürdig sind ihm vor allem Er- ne Quelle unendlicher guter Handlungen ist. Was
oberungen und siegreiche Feldzüge (vgl. z. B. die lehret sie uns? Das erste und wichtigste Naturge-
Darstellung Trajans, S. 31 0). setz, auf welches alle anderen gegründet sind,
Daß Adelung mehr zu referieren als zu wer- nämlich: Suche dein wahres Wohl.« (S. 127) Dies
ten versucht, wird deutlich in der unkritischen führt Adelung zu einer besonderen Betonung der
Übernahme überlieferten Gedankenguts. So er- Freiheit des Individuums, die er als Vermögen be-
klärt er die Weisheit der biblischen Erzväter mit trachtet, »sich nach vernünftigen Vorstellungen
deren langem Leben, »welches sich über zehnmal zu entschließen, und freye Handlungen sind sol-
so hoch erstreckte, als das gegenwärtige Alter der che, welche der Mensch thun oder lassen kann,
Menschen, und in welchem sie freylich weitmeh- wenn er will« (S. 125). Voraussetzung der Freiheit
rere Erfahrungen sammeln konnten, als wir jetzt ist für ihn die Beherrschung der Begierden und
zu thun im Stande sind.« (S. 263) Dieser unkriti- Leidenschaften, die aber nur aus der Erkenntnis
schen Weitergabe traditioneller Vorstellungen erfolgen könne; auch aus diesem Grunde sei es
entspricht die Aufnahme von Vorurteilen gegen- notwendig, die Erkenntnis ständig zu verbessern
über fremden Völkern und Religionen, etwa und zu erweitern.
wenn die Spanier als »arm, faul und dennoch
Adelungs enzyklopädisches Lehrbuch erlebte bis
stolz« beschrieben werden (S. 183). Über die Ju- 1789 insgesamt vier Auflagen. Bereits in der 2. Auflage
den heißt es, sie seien »ungläubig und halsstar- 1775 berücksichtigte Adelung Kritik an seinem Werk
rig«, sie werden als» Beyspiele der Strafgerechtig- und berief sich in seinen Korrekturen namentlich auf
keit Gottes« angeführt, und der Koran ist für ihn Böckhs Allgemeine Bibliothekfiir das Schul- und Erzie-
eine »Menge abgeschmackter Fabeln, die bald hungswesen in Deutschland, Bd. 2, Nördlingen 1773.
aus dem Heidenthum, bald aber auch aus der heil. Ergänzungen erfolgten zudem in den Kapiteln zur Na-
Schrift hergenommen, aber sehr verunstaltet turgeschichte und »den Schiffen und der Schiffahrt«;
sind.« (S. 58 f.) Religionstoleranz läßt Adelung das Kapitel über den Berg- und Hüttenbau wurde völlig
neu geschrieben. Die 2. Auflage erhielt auch einige zu-
daher auch nur für die unterschiedlichen christli-
sätzliche Kupfer, »welche aber nicht ausdrücklich zu
chen Religionen gelten. Gleichzeitig wendet er diesem Werke gestochen wurden, sondern dem Verle-
sich auf naturwissenschaftlichem Gebiet ent- ger wie die Wapen durch ein günstiges Ohngefähr in die
schieden gegen den Irrationalismus und Aber- Hände geraten sind« (Vorrede 3. Aufl., S.XIV). Diese
glauben (S. 23, 30f., 33 f.), auch versucht er etwa, Kupfertafeln sind auch in der dritten Auflage 1777 ent-
in der Behandlung der Mythologie deren histori- halten. Sie illustrieren auf 26 Faltblättern in ihrer Mehr-
schen bzw. materiellen Kern herauszuarbeiten zahl den Text und stellen vornehmlich Tiere und Götter-
(S. 409 ff. ). gestalten dar. Einige der Tierkupfer sind nachweislich
Adelung vertritt den Standpunkt des philo- von Johan Lorenz Hoening (Johann Lauritz Hönnig),
Kupferstecher und Verleger in Nürnberg, gestochen,
sophischen Rationalismus, seine Vorbilder sind
über die anderen finden sich keine Angaben. Die dritte
Thomasius und Wolff, vor allem aber Leibniz, Auflage enthält zudem ein neues Kapitel über den
den er wegen der »völligen Ausbesserung« der Landkartengebrauch, das von einem anderen, nicht ge-
gesamten bisherigen Philosophie rühmt (S.l12). nannten Verfasser bearbeitet wurde. 0. B.
Mit ihm teilt er nicht nur den Standpunkt des
aufgeklärten Absolutismus und die Einschätzung
997 Voit, Schauplatz, 1774-83 998

1774-1783 ständen und Veranlassungen in die Hände zu ge-


ben«, um so »dem Gemüthe alles tief einzuprä-
Johann Peter Voit (1747-1811) u. a.: gen, was die Erkenntniß der Natur und ihres ewi-
Schauplatz der Natur und Künste, in vier gen Urhebers, und die Wissenschaft nützlicher
Sprachen, deutsch, lateinisch,französisch, Künste befördern kan« (Vorrede 4.Jg.). Da es
und italienisch. 10 Bände. stets für den Lehrer darauf ankomme, der jeweili-
Wien 1774-83 gen Situation des Zöglings Rechnung zu tragen,
wenden sich die Verfasser gegen eine starre An-
ordnung und Reihenfolge der verschiedenen The-
Die Verfasser des enzyklopädischen Bilderlehr- menbereiche. Der Lehrer solle vielmehr »nach
buchs wenden sich sowohl an »Schüler« bzw. seinem Plane, den er seinen Untergebenen mit-
>>Zöglinge« -über deren Alter keine Angaben ge- theilt, diese anweisen, die gelieferten Stücke zu
macht werden - als auch an Lehrer. Daß der ordnen und dereinst daraus ein Gebäude zu er-
Schauplatz ursprünglich wohl für ein breiteres richten« (ebd.). Aus diesem Grund plädieren die
Publikum bestimmt war, kann man der Vorrede Verfasser für eine »freyere Unterweisung«, denn
des Verlegers Kurzböck im l.Jg. entnehmen, in der »nach gewissen Stunden zugeschnittene Un-
der es heißt, der Nutzen dieses »Handbuchs für terricht«, könne den Bedürfnissen des Zöglings
junge Leute« schränke sich »übrigens nicht auf nicht entgegenkommen (ebd.), ebenso wenig die
die Jugend« ein. In der Vorrede zum 6.Jg. wird Praxis des AuswendigJemens: »Lesen sollen sie
dann jedoch abändernd gesagt, der Schauplatz sei es nur, und sich's vom Lehrer grammatisch und
»blos der lern- und wißbegierigen Jugend be- philologisch erklären, und die Sachen selbst so
stimmt«. anschauend machen lassen, daß sie die Worte, sie
Das Ziel des Werkes ist es, »der Jugend von auszudrücken, gerne behalten« (Vorrede 5.Jg.).
allem, was Natur und Kunst jemals hervorge- Ausgangspunkt des Unterrichts soll die Be-
bracht hat, eine unterrichtende Kenntniß beyzu- obachtung der Natur und Kunst sein (Vorrede
bringen« (Vorrede 2.Jg.). Das Hauptaugenmerk 2.Jg.). Der >>geschickte und die Bequemlichkeit
habe dabei darauf gelegen, »das Lehrreiche mit hassende Lehrer«, dessen Aufgabe darin bestehe,
dem Angenehmen zu verbinden (Vorrede 4.Jg.), »das Schwere mancher Abhandlungen [ ... ]leicht
um so die Jugend frühzeitig mit den Werken der und faßlich« darzustellen (Vorrede 4. Jg.), müsse
Natur und der Kunst bekanntzumachen, um Irr- die Ordnung des Stoffes so vornehmen, daß bei
tümern vorzubeugen und eine Verbindung zwi- entsprechenden Gelegenheiten passende und
schen Sach- und Sprachunterricht herzustellen. nützliche Erläuterungen gegeben würden: »Je
Durch »sinnreiche Hilfsmittel« wollen die Ver- mehr man es verbirgt, sie lehren zu wollen; desto
fasser die »Aufmerksamkeit und Wißbegierde weniger Abneigung werden sie gegen die Unter-
[junger Gemüter] angenehm fiziren<<: »Der bey weisung spüren lassen« (Vorrede 6. Jg. ). Durch ei-
solchen Gelegenheiten ihnen beygebrachte Un- ne solche geschickte Unterweisung könnten die
terricht prägt sich tief ein, und verlöscht so leicht jungen Leute »gereizt« werden, »die Originale
nicht wieder, da die auf eine angenehme Art ge- selbst aufzusuchen« und so ihre Kenntnis zu ver-
sammelte Aufmerksamkeit, wenn sie durch Intui- tiefen (Vorrede 8.Jg.).
tion unterstützt, und in solchen Augenblicken Das I 0-bändige Werk ist, wie aus dem Vorbericht
durch eine vernünftige Erläuterungen befriediget des I. Jahrganges 1774 hervorgeht, »vor ungefähr 12
wird, das besonders jungen Seelen sehr empfind- Jahren in Berlin angefangen, und bis auf die 48. Stücke,
liche Vergnügen erweiterter Erkenntniß lebhaft die hier im ersten Jahrgange vorkommen, fortgesetzt
gewährt. Was in einer so vortheilhaften Fassung worden«. Es wurde anschließend in Form einer Wo-
gelernt wird, hat außer der Erweiterung des Um- chenschrift- mit einer Unterbrechung 1780 und dem so
fangs der Begriffe einen unmittelbaren Einfluß verspäteten Erscheinen des siebten Jahrgangs- in Wien
herausgegeben. U. a. erklärt sich auch hieraus die unsy·
auf das Erkenntnißvermögen selbst« (Vorrede
stematische Aneinanderreihung derverschiedenen The-
l.Jg.). Das Werk will das Beobachtungsvermö- menkreise. Bei dem genannten in Berlin erschienenen
gen der Lernenden in »eine gute Richtung auf Werk handelt es sich um Spectaculum Naturae & Ar-
wahrhaft nützliche und wissenswerte Dinge« len- tium, in vier Sprachen ... (2 Lieferungen 1761 und
ken (ebd.), daher soll es nicht nur theoretischen 1765), ein enzyklopädisches Bilderlehrbuch, dessen ins-
Anschauungs- und Sprachunterricht ermögli- gesamt 50 Kupfertafeln von J. W. Meil entworfen und
chen, sondern auch den Grundstock zur Vermitt- gestochen wurden (vgl. hierzu Brüggemann/Brunken,
lung praktischer Fertigkeiten liefern. 1980).
Die didaktische Intention des Werkes läßt Jeder Jahrgang enthält einen zweisprachigen Vor·
bericht (deutsch/französich) und jeweils 48 Kupferta·
sich an den Richtlinien ablesen, die den Lehrern fein verschiedener Illustratoren, denen ca. I Y,-2 Spal·
zum Gebrauch anempfohlen werden. Es wird ih- ten Erläuterungen in deutscher, lateinischer, französi·
nen geraten, ihren Zöglingen den Inhalt »gele- scher und italienischer Sprache beigefügt sind. Der in-
gentlich bekannt zu machen, und nur jedesmal haltliche Schwerpuntk des Werkes liegt auf der Vermitt-
ein Stück und zwar unter den schicklichsten Um- lung solcher Kenntnisse, die besonders den bürgerli-
999 Sachschriften 1000

Spectacu/um Naturae & Artium. 2. I.fg. von 20 Platten und 20 Beschreibungen.- Berlin 1765 (Nr. 862).
Kupfertafel von J. W. Meil zu ))Der Zimmermann«

Stellen, Paul von: Der Mensch in seinen verschiedenen Lagen und Ständenfor die Jugend geschildert.-
Augsburg 1779. (Nr. 871). Tafef XVI: Kupferstich von Ern. Eichel nach Ch. Erhart zu S. 42 des Text-
bandes
1001 Voit, Schauplatz, 1774-83 1002

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Schauplatz der Natur und der Künste. Jg. 1. - Wien 1774 (Nr. 786). Titelblatt und Kupferstich-Fronti-
spiz von J. Wagner

chen Interessen entgegenkommen. So nehmen die Be- tornie besonders ausführlich dargestellt (Jg.7, 1-14).
rufsbeschreibungen den weitaus größten Raum ein. Hinzu kommen Erläuterungen zur Erziehung in der
Weitere Themen kommen aus dem Bereich der Natur- häuslichen Gemeinschaft (Jg. 6, 32; Jg. 8, 2; Jg. I 0, 30)
und Völkerkunde, Geographie, Geschichte und Archi- und zu den Pflichten für die Gesellschaft (Jg. 10, 26).
tektur. Die Ausführungen hierzu liegen auf einer popu-
lärwissenschaftlichen Ebene, wobei stets der Bezug zur Im Zusammenhang mit der Würdigung des
Praxis sichtbar gemacht wird. Die theoretischen Wis- eigenen Werkes als Erziehungsschrift ))für alle
senschaften werden nur sporadisch abgehandelt. Je ein Stände und Religionen«, die weder einer ))Reli-
Kapitel sind der Naturlehre, Naturgeschichte (Jg. 6, 45/ gionsparthei« der ))bürgerlichen Gesellschaft
4 7) und der Philosophie gewidmet (Jg. 5, 45).
und häuslichen Glückseligkeit« noch den ))guten
Ausführlich erläutert werden religiöse Themen: es
findet sich je ein Kapitel zur heidnischen, jüdischen, Sitten« abträglich sei (Vorrede 6.Jg.), streben die
christlichen und mohammedanischen Religion (Jg. 6, Verfasser einen Vergleich mit dem Elementar-
33 -36) sowie zu dem Unterschied zwischen natürlicher werk Basedows an, des ))freiwilligen Märtyrers
und geoffenbarter Religion (Jg. 4, 46/ 47). Aus dem Ge- der jugendlichen Erziehung«, der sich hinsicht-
biet der schönen Künste werden Schauspiele (Jg. 5,30; lich der Parteilichkeit )micht ohne gegründete Ur-
Jg. I 0, 46/ 47), die Dichtkunst (Jg. 5,40) und das Wesen sache [ ... ] auf mehrern Seiten verdächtig« ge-
der Fabel (Jg. 6, I 0) aus historischer Sicht erläutert. Hin- macht habe : ))So wenig wir geneigt sind, jemand
zu kommen Themen aus der antiken Mythologie (Jg. 4, zu verkezern, oder uns auf Unkosten anderer zu
26), wobei Apollo, den Grazien und den Musen jeweils
besondere Kapitel gewidmet sind (Jg. 4, 38-42).ln den
loben, so wird doch Niemand, der die Sache un-
Bereich der Staats- und Gesellschaftswissenschaften ge- partheyisch untersucht, unser Urtheil von dem
hören Ausführungen zu Republik (Jg. 4, 33) und Mon- übrigens sehr verdienten Manne hart oder unge-
archie (Jg. 5, 41), zu Krieg und Frieden (Jg. 7, 15/ 19) recht finden. In wie ferne er in Ansehung des Vor-
und zur »bürgerlichen Gesellschaft« (Jg. 10, S. 13), als trages der Sachen vor uns den Vorzug verdiene,
deren wesentliche Grundlage die Ehe (Jg. 4, 32) be- mögen diejenigen entscheiden, die nur mit etli-
trachtet wird und zu der der »geistliche« und der »welt- chen Stücken aus dem Elementar Werke eine Ver-
liche Stand« (Jg. 4, 29/ 30) gehören, sowie ein angemes- gleichung mit den unserigen gewissenhaft ange-
senes Verhältnis zwischen »Herrschaft und Gesinde« stellet, und die Jugend mit gleicher Treue nach
(Jg. 8, 41). Die sozialen Errungenschaften wie »Das
beiderlei Abhandlungen unterwiesen haben«
Findelhaus« (Jg. 8 ,6) und ein Arbeitshaus für Kriegsin-
validen (Jg. 8, II ) werden ebenso behandelt wie die
(ebd.). Aus historischer Perspektive wird in weit-
Strafen, durch die sich der Staat schützen könne : »Die gehend sachlich-referierender Form aufkläreri-
Folter« (Jg. 8, 13), » Die Lebensstrafen« (Jg. 4, 44). Aus- sches Gedankengut vermittelt, das sich schwer-
gehend von der »Vortrefflichkeit des Menschen« (Jg. punktmäßig an den Bedürfnissen der bürgerli-
10, 35/ 36) im Rahmen der Schöpfung wird seine Ana- chen Gesellschaft orientiert und stets den Bezug
1003 Sachschriften 1004

zur Praxis sichtbar werden läßt. So steht hinsicht- Standesordnung zur Erhaltung der »Glückselig-
lich der Themenauswahl das »Gemeinnützliche« keit« notwendig sei (Jg. 6, 21): »Es ist bekannt,
im Vordergrund mit dem Ziel, zur »Aufklärung daß die sogenannten Glücksgüter ungleich ver-
der Jugend« beizutragen (Vorrede 7.Jg.) und die tbeilet sind, und die göttliche Vorsehung diesen
»Bildung des Herzens und Verstandes junger Weg gewählet hat, die Menschen unter einander
Weltbürger« (Vorrede 8. Jg.) zu fördern. genauer zu verbinden. Diesem Unterschiede nun
Die Entstehung eines Staatswesens wird aus hat man hauptsächlich den Stand der Herrschaft
der patriarchalischen Familienstruktur hergelei- und des Gesindes zuzuschreiben« (Jg. 8, 41).
tet, der ältesten Gesellschaftsform und dem Gleichzeitig wird aber die noch bestehende Leib-
»Grund aller bürgerlichen Glückseligkeit« (Jg. 4, eigenschaft des Bauernstandes kritisiert: »Da die
32). Die Notwendigkeit einer obrigkeitsstaatli- Landleute für alle Stände arbeiten, so sollten sie
ehen Institution habe ihre Ursache in dem zu- billig aller Orten des Joches der Leibeigenschaft
nehmenden Verfall der Sitten gehabt: »Unter entledigt und mit der Freiheit anderer Staatsbür-
dem weltlichen Stande begreift man überhaupt al- ger beschenkt werden. Zu unseren Zeiten ge-
le Arten von Obrigkeiten. So nothwendig auch ge- schieht dieses hie und da nach dem erhabenesten
genwärtig dieser Stand ist, und so groß die Ver- Beispiele des größten Fürsten in der Welt, und der
dienste immer seyn mögen, die sich derselbe um Staat sowohl als der Landmann werden dadurch
die ganze menschliche Gesellschaft stiftet, so ist glücklicher und reicher« (Jg. 9, 13).
doch aus der ältesten Erd- und Völkergeschichte Das Werk übt deutliche Adelskritik: »Der
bekannt, daß er seinen Ursprung der verderbten Adel, der zuweilen durch allerhand Umstände
Sittlichkeit der Menschen zu danken habe. Jede um sein Vermögen gekommen ist, bildet sich ein,
Familie lebte anfänglich ganz unabhängig für seinen Stand zu beschimpfen, wenn er sich bür-
sich, und gehorchte blos den Befehlen des Haus- gerlichen Geschäften widmete, und scheuet sich
vaters ; Nach und nach aber schlichen sich Eigen- daher nicht, lieber das Bettelbrod zu essen« (Jg. 7,
nuz und Widerspenstigkeit ein, und man fing 45).
auch an über das Mein und Dein zu streiten« (Jg. Der Krieg erfährt hinsichtlich seines morali-
4, 30). Die Ausführungen zu den unterschiedlich- schen Nutzens eine positive Würdigung: »So
sten Gesellschaftsformen beruhen nicht auf einer schädlich auch immer wie Wirkungen des Krieges
politischen Argumentation ; sie orientieren sich seyn mögen: so ist er doch unter den Menschen,
vielmehr an den moralischen Wertvorstellungen wie sie jezt sind, unvermeidlich, und stiftet mitun-
der Aufklärung. So soll z. B. die bürgerliche Ge- ter viel Gutes« (Jg. 7, 15). Hierzu gehöre z. B. die
sellschaft eine Synthese aus Vernunft, Moral und Vaterlandsliebe, welche »die größten Wunder der
dem Streben nach Glückseligkeit herstellen (Jg. Tugend« hervorgebracht habe (Jg. 10, 26).
10, 13). Monarchie und Republik werden weder Im Verständnis der Verfasser haben die An-
befürwortet noch abgelehnt. Am Beispiel der forderungen der Gesellschaft Vorrang vor den in-
Monarchie wird darauf hingewiesen, daß der Re- dividuellen Bedürfnissen des Menschen. In die-
gent häufig Gefahr laufe, seine Macht zu miß- sem Sinne werden die Methoden der Strafverfol-
brauchen (Jg. 5, 41 ). Allerdings hält der Verfasser gung gerechtfertigt, da die Menschen weitgehend
am Prinzip des Gottesgnadentums fest: »Nach so geartet seien, »[ . . . ] daß sie sich von der Bege-
den Lehren des Christenthums wird jede recht-
mäßige Obrigkeit, und überhaupt der Regenten-
stand für eine göttliche Ordung angesehen, und
als Statthalter des Allerhöchsten betrachtet« (Jg.
4, 30). Die republikanische Staatsform wird einer
historischen Betrachtung unterzogen, wobei der
Verfasser zu folgendem Schluß kommt: »Und in
der That haben auch die Staaten am meisten ge-
blühet, die edelsten Handlungen angestellet, und
die größten Geister hervorgebracht, deren Regie-
rung republikanisch war. Die traurige Erfahrung
hat inzwischen doch auch gelehret, daß selbst in
Republiken oft harte Bedrängungen der Bürger
und greuliche Mißbräuche der überlassenen Ge-
walt, wie nicht weniger sehr schädliche Zerrüttun-
gen der Bürger untereinander vorgefallen seyn.
Beweis genug! d aß die republikanische Regie-
rungsfarm so wenig, als irgend eine andere, auf
dieser Erde vollkommen genennet werden kön- S chauplatz der Natur und der Künste. Jg. 1. -
ne« (Jg. 4, 33). Die innere Struktur des Gemein- Wien 1774 (Nr. 786). Kupferstich von J. Wagner
wesens wird dahingehend definiert, daß die zu Nr. 4 »Die Windmühl«
1005 Voit, Schauplatz, 1774-83 1006

hung des Bösen mehr durch empfindliche Stra- was in dem gesellschaftlichen Leben die Unruhe
fen, als durch Vorstellung der Tugend, die sich verursacht, und den Frieden desselben zerstöret,
selbst belohnet, abhalten lassen« (Jg. 4, 44). Die so wird man die Ursache davon in unseren Lei-
Strafen, einschließlich der Todesstrafe, die für hu- denschaften, oder in den Lastern, welche die un-
maner gehalten wird als lebenslange Gefängnis- seligen Wirkungen derselben sind, antreffen« (Jg.
strafen, »haben blos den Endzweck, die Wohl- 10, 19). Unter Berücksichtigung der sich verän-
fahrt eines ganzen Staates zu sichern, die Gesetze dernden sozialen und politischen Machtverhält-
in ihrer Gültigkeit zu erhalten, das Ansehen der nisse seiner Zeit treten die Verfasser für eine Auf-
Obrigkeit zu unterstützen, und einen sinnlichen weichung der starren standesorientierten Erzie-
Abscheu gegen das Laster einzuprägen« (ebd.). hungsregeln ein mit dem Ziel, den Kindem die
In diesem Sinne wird auch die Folter als Mittel Fähigkeit und moralischen Prinzipien zu vermit-
der Bestrafung gutgeheißen (ebd.), als Mittel der teln, die es ihnen ermöglichen, »in jedem Stande
Wahrheitsfindung jedoch abgelehnt (Jg. 8, 13). zu leben« : »Das für seinen Stand erzogene Kind,
Lobend wird Kaiserin Maria Theresia hervorge- weil es denselben niemals verließe, würde den
hoben, die »sich auch dadurch verewigt [hat], daß Unordnungen eines anderen nicht bloß gesteilet
Allerhöchstdieselbe die Tortur in ihren Staaten seyn können. Allein betrachtet man den Unbe-
aufgehoben hat« (ebd.). stand der menschlichen Dinge, erwäget man den
Zweifel an den Errungenschaften der Zivili- unruhigen, und alles in Bewegung setzenden
sation werden deutlich, wenn es heißt, daß »[ ... ] Geist dieses Jahrhunderts, so kann die Art und
gesittete Völker bei schlaffer Sittenzucht leicht in Weise ein Kind also zu erziehen, als wenn es nie-
Schwelgerei und Ueppigkeit ausarten, die nicht mals aus seinem Zimmer kommen sollte, unmög-
selten den ganzen Staat erschüttert und seine lich gebilligt werden« (Jg. 10, 30). Die Erziehung
Glückseligkeit wiedersehrtiefherabsetzet« (Jg. 6, müsse so beschaffen sein, daß der »junge Welt-
21 ). In Gegensatz dazu wird das Gesellschaftsge- bürger« befähigt werde, »die Streiche des Ge-
füge der »wilden Völker« gestellt, denn es sei schickes«, die Güter und die Uibel dieses Lebens
nicht zu leugnen, daß sie die »beste Anlage zu al- [ ... ] zu ertragen«, »den Reichthum und das
lem, was edel underhaben ist, besizen« (Jg. 6, 19). Elend zu verachten« (Jg. 10, 30).
Die unterschiedlichen Religionen werden Ein weiterer Artikel zur Kindererziehung be-
ausführlich behandelt, wobei lediglich die »Ab- schränkt sich weitgehend auf den zu vermitteln-
götterei« der »heidnischen Religion« insofern ei- den Lernstoff. Dieser bestehe aus »Lesen, Schrei-
ner Bewertung unterzogen wird, als sie ihren Ur- ben, Rechnen, Sprachen, Geschichte, Erdbe-
sprung in »Unwissenheit, Dummheit und Träg- schreibung [ ... ] Künsten und [ ... ] Religion« so-
heit« habe (Jg .. 6, 33). Die übrigen Religionen wie aus der Anleitung der Knaben zu mechani-
werden hinsichtlich ihrer Glaubensgegenstände schen Arbeiten, »bis sie soweit gebracht sind, daß
sachlich und distanziert dargestellt. Bei der Be- man sie mit Vortheil in die Werkstätte der Künst-
handlung der jüdischen Religion zeigt sich in An- ler und Handwerker, und zu den Landwirtben
sätzen aufklärerisches Toleranzdenken: »Heuti- schicken kann« (Jg. 6, 32), um auf diese Weise die
ges Tages leben die Juden auch unter den Chri- Schüler in allem zu unterrichten, »was eine Bezie-
sten in einem bedaurenswürdigen Zustande, und hung auf den zweckmäßigen Gebrauch ihrer
es ist zu wünschen, daß dieser endlich einmal auf- Leibes- und Seelenkräfte hat, und was gemeinnüt-
höre, und daurch das Christentum ihnen liebens- zig zu ihrem und anderer Menschen Wohl ange-
würdiger werde« (Jg. 6, 34). Die der Aufklärung wendet werden kann« (ebd.). In Hinblick auf ihre
verpflichtete Grundposition der Verfasser wird Erziehungs- und Bildungsvorstellungen heben
auch in den Artikeln zum Aberglauben und zu die Verfasser lobend hervor, daß die Erziehung
den verschiedenen religiösen Praktiken der Anti- der Jugend nunmehr auch »ein Gegenstand der
ke und des Mittelalters erkennbar. So werden die Berathschlagungen der Großen« geworden sei
Gottesgerichte als Resultat des Aberglaubens ver- und daß »der Eifer, womit man an deren Verbes-
worfen (Jg. 5, 26), von dem man sich nur durch serung arbeitet, [ ... ]für die Nachwelt viel Gutes«
»gründliche Kenntnis der Natur, und deren ewi- hoffen lasse (ebd.).
gem Urheber« freimachen könne (Jg. 4, 45). Illustrationen. Jeder Jahrgang des Werkes
Die Verfasser gehen davon aus, daß der enthält 48 Kupfertafeln und ein Frontispiz. Ein
Schwerpunkt bei der Erziehung neben den »Oe- Teil der Tafeln ist unsigniert, sie dürften jedoch
bungen des Verstandes sowohl, als des Leibes« von denselben Künstlern stammen, die die übri-
auf der sittlich-moralischen Formung der Kinder gen Tafeln gestochen und signiert haben, nämlich
in Hinblick auf ihr späteres gesellschaftliches Da- J. Adam, F. Aßner, F. Landerer, J. Mößmer, J. M.
sein liegen müsse. (Jg.l 0, 30). Hierzu gehöre die Schmutzer, J. A. Ph. Stoessel, J. Wagner, A. Zen-
Unterdrückung bzw. Regulierung der Leiden- ger. Offenbar sind die Kupfertafeln von ihrer
schaften durch die Vernunft, um den Bedürfnis- Qualität her nicht immer auf den Zuspruch des
sen des Gemeinwesens Rechnung tragen zu kön- Publikums gestoßen. So heißt es in Kurzböcks
nen: »Endlich untersuche man alles dasjenige, Vorrede zum 3. Jahrgang in bezugauf eine von
1007 Sachschriften 1008

Benutzern des Schauplatzes geäußerte Kritik an Einer allgemeinen Betrachtung »über die Dinge,
den Kupfern: »Die mehrere Zierde und Schön- welche auf dem Erdboden sind«, (S. 44 ff.) folgt die Be-
heit der Kupfer wäre nun freylich ein Wunsch, schreibung der ••drey Reiche der Natur« (S. 59-229).
den der Verlegermit allen Liebhabern gemein hät- Sie beginnt mit der Vorstellung des Mineralreichs, das
in Erden und Steine, Salze sowie brennbare Körper ein-
te, wenn aus dem geringen Preis des Werks der
geteilt ist. Der Abschnitt über das Pflanzenreich folgt
Aufwand bestritten werden könnte, und wenn mit seiner Gliederung in Moose, Schwämme, Kräuter,
man durch die Erhöhung desselben nicht manche Stauden und Bäume weitgehend dem Klassifikations-
Liebhaber, denen an der Feinheit der Kupfer schema Linnes. Besonders ausführlich befaßt sich Bü-
nicht viel gelegen ist, entfernte. Man erkennt sching mit den ••Kräutern« (d. h. Pflanzen), deren Nut-
auch, daß manche von denen neuern Kupfern zen für Tiere und Menschen (unterteilt nach Speisen,
nicht so gut ausgefallen sind, als die erstem,- statt Getränken und Gewürzen) aufgezeigt wird. Die Be-
aller Entschuldigung kann der Verleger nichts schreibung des Tierreiches folgt weitgehend dem Klas-
weiter, als hier öffentlich zu sagen, daß er für die sifikationsschema Jacob Theodor Kleins mit einer Un-
terteilung in haarige Tiere, Tiere mit Federn, mit Floßfe-
Ietztern mehr bezahlt habe, als für die ersten, und
dern, Schlangen, Insekten, nackten Würmern und Wür-
daß folglich der Fehler keineswegs an ihm liege.« mern in Schalen.
-Über den Verleger Joseph Ritter von Kurzböck
s. Europäische Kinderbücher( 1979), S. 47. Büsehing geht es mit seinem Unterricht in der
H./O.B. Naturgeschichte nicht allein darum, bloßes Fak-
tenwissen zu vermitteln. Sein Ziel ist vielmehr die
Erkenntnis der Wohlgeordnetheit und des Nut-
zens der Natur wie der gesamten Schöpfung:
1775 »Beobachtet und untersucht man die Dinge noch
Anton Friedrich Büsching(1724-1793): genauer, so findet man, daß ein jedes Ding zu ei-
ner gewissen Absicht gemacht und eingerichtet,
Unterricht in der Naturgeschichte, für
daß eines um des andern willen vorhanden ist,
diejenigen, welche noch wenig oder gar daß insonderheit alle leblosen Dinge und alle Ge-
nichts von derselben wissen. wächse, um der lebendigen Wesen willen, daß sie
Berlin 1775 alle vornehmlich zum Nutzen und Vergnügen des
Menschen da sind, und daß ein Mensch um des
Büschings Unterricht in der Naturgeschichte ist andern Willen da ist.« (S. 45) Die wichtigste Er-
für Anfänger gedacht; die Art und Weise der Dar- kenntnis, die derjenige entwickeln kann, der sich
stellung läßt darauf schließen, daß vor allemjün- mit der Geschichte der Natur auseinandersetzt, ist
gere Kinder angesprochen sind. Büschings Ziel ist für Büsehing jedoch, »daß die Menschen auf dem
es, »für die Anfänger in (der Naturgeschichte) das Erdboden sind, um auf demelben arbeitsam,
nöthigste, nützlichste und zuverlässigste auszusu- nützlich und vergnügt zu seyn, und ihm ihren und
chen, dasselbige richtig zu beschreiben, und leicht aller Dinge allmächtigen, weisen und gütigen
auszudrücken«. (Vorr., S. 4) Schöpfer und Vater kennen zu lernen« (ebd.).
Büsehing beginnt seinen Unterricht mit einer Be- Auf diese grundsätzlichen Erkenntnisse wer-
schreibung von Himmel, Erde und Luft. Nach einer Be- den dieLeser-besonders in den ersten Kapiteln-
sprechung der verschiedenen Bedeutungen des Wortes immer wieder hingewiesen, und häufig benutzt
»Himmel« setzt er sich mit dem Weltall auseinander, Büsehing zur Bekräftigung des Gesagten entspre-
weil es •>Ungemeinlich nützlich« sei, ••vom Himmelet- chende Verweise auf Bibelstellen. Dabei verwen-
was zu lernen; denn wer von demselben etwas weiß, det er jedoch ausdrücklich nur solche Bibelworte,
kann vieles begreifen, das er vorher nicht verstanden die mit den zeitgenössischen naturwissenschaftli-
hat, ist frey von mancher Furcht und Angst, denkt von chen Erkenntnissen in Einklang zu bringen sind;
Gott, der den Himmel gemacht hat, viel besser und hö-
her als andere Leute, und erkennet, daß die künstlichen
sind sie dies nicht, werden die Aussagen der Bibel
Dinge, welche die Menschen verfertigen, etwas sehr relativiert: Ȇb die Erde sich um die Sonne, oder
kleines und geringes gegen den Himmel sind« (S. 5 f.). ob sie Sonne sich um die Erde bewege? soll aus
Das Kapitel ''Von der Erde« beschreibt den Platz der Bibel nicht gelernet werden: denn sie ist uns
der Erde im Sonnensystem, erklärt Tag und Nacht so- nicht gegeben, um dieses zu lehren, und wenn sie
wie die Jahreszeiten aus der Umkreisung der Sonne beyläufig von dieser Sache redet, so spricht sie da-
durch die Erde und erläutert den Einfluß der Sonne auf von wie wir Menschen gemeiniglich davon zu
die Vegetation. Das Zusammenwirken von Sonne und denken und zu reden pflegen.« (S.l3)
Erde wird als Ausdruck der gütigen Weisheit des Schöp- Einen wichtigen Stellenwert nimmt in Bü-
fers gedeutet.
schings Werk dieBekämpfung des Aberglaubens
Das nachfolgende Kapitel'' Von der Luft« enthält
eine Darstellung der Luft als eines dünnflüssigen, ein. Besonders Naturerscheinungen, die bei vie-
durchsichtigen Körpers sowie verschiedener Naturer- len Menschen Furcht hervorrufen, werden aus-
scheinungen (Tau, Nebel, Regen, Blitz, Donner usw.). führlich untersucht. Indem der sachliche Kern
Ein weiteres Kapitel ''Von der Erde« liefert eine physi- dieser Erscheinungen herausgearbeitet wird, soll
kalische Erdbeschreibung. den Menschen die Angst genommen werden. So
1009 Ebert, Naturlehre, 1776-78 1010

die man also unter sich hat. Diese Gestalt der Er-
dezeugetvonderWeisheitGottes« (S.l5 f.). 0. B.

1776-78
Johann Jacob Ebert (1737-1805):
Naturlehrefiir die Jugend. 3 Bände.
Leipzig 1776- 78

Ebert wendet sich mit seiner Naturlehre an l 0 bis


l2jährige Kinder vornehmlich aus dem gehobe-
nen Bürgertum und dem Adel. Dies wird einer-
seits deutlich aus den mehrmaligen Hinweisen
auf die Hofmeistererziehung, andererseits dürfte
der hohe Verkaufspreis des Werkes (4 Thaler, ge-
druckt auf Schreibpapier 9 Thaler) den Käufer-
kreis von vornherein beschränkt haben.
Das Werk ist in die Form von Briefen einge-
kleidet, die der Verfasser an »einen jungen
Herrn« richtet und mit denen er gleichzeitig »El-
tern und Hofmeistern, welche nicht Gelegenheit
gehabt haben, die Naturlehre ordentl~ch zu erl~r­
nen«, ein Mittel an die Hand geben wlll, den Kin-
dern ))einen Vorgeschmack von dieser nützlichen
Wissenschaft mit leichter Mühe zu geben« (Vor-
• 1.\--rP.r n fiH:lllcu rede). Nach Eberts Meinung müßten bei einer
nI·. '('J/1.\'r i . »vernünftigen Erziehung« »den Kindern schon
in den ersten Jahren die vornehmsten und leichte-
sten Wahrheiten der Naturlehre einigermaßen be-
Anton Friedrich Büsehing (1 724-1793). Kupfer- kannt« gemacht werden (Vorrede), da die Be-
stich von G. F. Schmidt nach Eriksen schäftigung mit der Naturlehre jedem vernünfti-
gen Menschen »sehr wichtige Vortheile« ver-
schaffen könne: die Kenntnis von den Eigen-
schaften und Wirkungen der Körper sei notwen-
führt Büsehing z. B. fünf völlig unterschiedliche
dig, da von den Körpern, »mit denen wir umge-
Erklärungen für den sog. »Blutregen« an (S. 27).
ben sind, theils die Erhaltung unseres Lebens,
Baur ( 1790, S. 64) bescheinigt Büschings Un-
theils die Beförderung unsers Vergnügens« ab-
terricht in der Naturgeschichte »Kürze, Deutlich-
hänge und »ein unrechter Gebrauch derselben«
keit, kluge Auswahl, und ein[en] ange.nehi?e[~]
leicht die größten Gefahren heraufbeschwören
Vortrag«. Tatsächlich gelingt es Büschmg, m e•-
könne. )) Überdies enthält außer der Offenbarung
ner einfachen und verständlichen Sprache die Ge-
keine Wissenschaft so viele und so wichtige Be-
genstände so zu beschreiben, daß sie auch jünge-
weise von der Allmacht, Weisheit und Güte des
ren Kindern gut verständlich sind. So heißt es z. B.
Schöpfers, als die Naturlehre. Sie ist das beste
in bezugauf die Kugelgestalt der Erde: )) Auf die-
Mittel wider den Aberglauben, und wider die dar-
ser kugelrunden Erde, mag ein Mensch stehen wo
aus entstehende unnötige Furcht. Sie ist eine
er will so bildet er sich ein, er stehe auf der ober-
Quelle von tausend Vergnügungen und Annehm-
sten S~ite der Erde, und wundert sich, daß ein an-
lichkeiten mit welchen diejenigen Vergnügun-
derer gerade ihm entgegen auf der untersten Seite
gen, die si~h der größte Theil der Menschen zu ei-
der Erde stehen kann, denn er meynet, daß dersel-
nem Zeitvertreibe zu erwählen pflegt, nicht zu ver-
bige mit seinem Kopf unterwärts hangen, und in
gleichen sind.« (Vorrede)
den Himmel fallen müßte. Das ist aber falsch,
denn die Erde ziehet an allen ihren Seiten die Kör- Die drei Bände behandeln in 275 ))Briefen« die
per an sich, so wie ein großer runde~. Mag?et, Naturlehre, die die ))allgemeinen Eigenschaften der
wenn er in Eisenfeilstaub herumgewalzt wtrd, Körper nebst ihren vornehmsten Unterschieden, !erner
die Einrichtung des ganzen W eltgebäudes, und dte Na-
denselben von allen Seiten auf gleiche Weise an
tur der einfachen Körper« beschreibe, sowie die Natur-
sich ziehet, also daß der nicht einmahl von seiner geschichte, die sich mit dem Tier-, Pflanzen- und Mine-
untersten Seite abfallen kann. Auf allen Seiten der ralreich beschäftige. Ebert stellt der Behandlung d~r
Erdkugel hat man den Himmel über seinem Naturgeschichte die Naturlehre voran, auch wenn ste
Kopf, und also über sich, undstehetauf der Erde, den Schülern wegen der ))allgemeinen Benennungen
1011 Sachschriften 1012

und Kunstwörter« »ziemlich trocken« erscheinen mö- Mineralreichs (Briefe 266-275), das in fünf Gruppen
ge (S. 2), weil er sie für das Verständnis des nachfolgen- unterteilt wird.
den Stoffes als notwendig erachtet. Jedem Band sind Kupfertafeln beigegeben. Die
Der erste Band beginnt mit der Darstellung der Ei- insgesamt 48 Kupfer sind nicht signiert. Sie geben eine
genschaften von Körpern (Briefe 1-27, z. B. Teilbar- Vorstellung der besprochenen Tiere und Pflanzen und,
keit, Bewegung und Ruhe, harte und weiche Körper im ersten Band, von technischen Geräten und optischen
usw.) und behandelt dann das Weltgebäude, d. h. die Versuchen. Die Kupfer sind verschiedenen Werken ent-
Erde und das Weltall (Briefe 28-91 : Begriffsdefinition, nommen: die Abbildungen der vierfüßigen Tiere stam-
Einteilung der Sterne und ihre Beschreibung, Darstel- men aus einem nicht näher bezeichneten Werk Buffons;
lung der Erde und der Elemente, von Licht und Elektri- die der Vögel aus Edward und Catesby, Sammlung ver-
zität. Der 92. Brief leitet über zur Naturgeschichte und schiedener ausländischer seltener Vögel [ ... ] (Nürn-
liefert eine Einteilung des Tierreiches in sechs Klassen: berg 1749-78; Kayser), die von dem Nürnberger Zeich-
vierfüßige Tiere, Fische, Amphibien, Vögel, Insekten ner, Kupferstecher und Kunsthändler Johann Michael
und Würmer. Im folgenden wird die I. Klasse, nach Seligmann (1720-62) illustriert wurde ; die der Fische
zehn Ordnungen unterteilt, beschrieben (bis zum aus Catesby, Piscium, serpentum, insectorum descriptio-
229. Brief). nes etc. [ .. . ] (Nürnberg 1750; Kayser); die der wal-
Der zweite Band beschäftigt sich mit der 2. Klasse fischartigen Tiere aus Egede-Saabye, Beschreibung und
des Tierreichs, den Vögeln, die in sechs Untergruppen Naturgeschichte von Gränland (Berlin 1763 ; Kayser)
eingeteilt werden (Raubvögel, spechtartige - Wasser-, und Zorgrader, Beschreibung des Grönländischen Wal-
Sumpf-, hühnerartige und Singvögel; Briefe 130-170). fischfangs und Fischerei (Nürnberg 1750 ; Kayser) ; die
Daran schließt sich die Darstellung der Fische an (Brie- der Insekten aus Rösel, Insektenbelustigungen (Nürn-
fe 170-197), die in sechs Gruppen aufgegliedert wer- berg 1741-51; Kayser) und dem Herbarium Blackwel-
den. Den Abschluß des Bandes bildet die Klasse der lianum (Nürnberg 1749; Kayser). Die Herkunft der an-
Amphibien mit zwei »Ordnungen« (Briefe 198-208). deren Kupfer ist nicht näher bezeichnet.
Der dritte Band beginnt mit der Beschreibung der fünf-
ten Klasse des Tierreiches, der Insekten (Briefe Ebert versucht mit seinem Werk, einen syste-
209-237). Die Briefe 253-265 geben einen Überblick matischen Abriß der gesamten Naturlehre und
über das Pflanzenreich, das Ebert einteilt in Schwäm- Naturgeschichte für Kinder zu liefern. Bei seiner
me, Flechten und Afterrnoose, Moose, Farnkräuter, Naturgeschichte folgt er zumeist dem Klassifika-
Gräser, Palmen sowie die »eigentlichen Pflanzen« tionsschema Linnes, an anderer Stelle wieder
(Garten- und Forstbäume, Sträucher). Die Darstellung dem Jacob Theodor Kleins, der seine Systematik
der Naturgeschichte endet mit der Beschreibung des nicht auf die Verwandtschaft des anatomischen
Baus der Lebewesen, sondern auf die Ähnlichkeit
äußerer Merkmale gründete. Zudem hat Ebert al-
le bekannten Schriften zeitgenössischer N aturfor-
scher herangezogen und genutzt (er nennt u. a.
Buffon, Frisch, Zorn, Seligmann, Klein, Müller,
Löwenhoek, Reaumur und Newton).
Allen Abhandlungen liegt ein ähnlicher Auf-
bau zugrunde: zuerst erfolgt eine Abgrenzung
und Definition der jeweils behandelten Gruppe
(Tiere, Pflanzen oder Mineralien) gegenüber ei-
ner anderen, der sich die Klassifikation in Groß-
gruppen, auch »Familien«, »Klassen« oder
»Ordnungen« genannt, anschließt. Diese wieder-
um sind in Untergruppen unterteilt, die durch be-
kannte und »merkwürdige« Exemplare beschrie-
ben werden. Bei den einzelnen Exemplaren er-
folgt eine Beschreibung des Äußeren, die teilwei-
se auch von ästhetischen Gesichtspunkten gelei-
tet ist, der Verhaltensweise, der Nahrungssuche,
Gewohnheiten der Fortpflanzung sowie des Nut-
zens, den der Mensch aus der jeweiligen Art zie-
hen kann.
Offenbar ist die von Ebertangestrebte Syste-
matik gleich bei Erscheinen des ersten Bandes auf
Kritik gestoßen. In der Vorrede zum dritten Band
setzt sich Ebert daher mit der Kritik auseinander,
seine Ausführungen enthielten Mängel bezüglich
der Ordnung und Klassifikation natürlicher Kör-
Ebert, Johann Jacob: Naturlehre for die Jugend. per sowie im Hinblick auf die Genauigkeit im Er-
Mit Kupfern. Bd. 2. - Leipzig 1777 (Nr. 237). klären und Beweisen. Ebert betont dagegen das
Tafel XXVIII systematische Vorgehen seiner Arbeit und be-
1013 Raff, Geographie, 1776 1014

men durch anschauliche, einprägsame Beispiel zu


erläutern. Die Beschreibung einfacher Versuche
soll den Erkenntnisprozeß unterstützen sowie An-
regung sein zum Durchführen eigener Versuche.
Dem dient auch die Erklärung der Funktionswei-
se technischer Hilfsmittel und Geräte wie Luft-
pumpe, Barometer, Pendel, Brenngläser, Brenn-
spiegel, Magnet usw., die teilweise vom Schüler
selbst untersucht und erprobt werden können.
Einen ungewöhnlich breiten Raum nehmen
in Eberts Naturlehredie »curiosen Fälle« ein. Die
Vorstellung dieser unglaublichen Fälle geschieht
meistens in der Absicht, sie als nichtwissenschaft-
lich zu widerlegen, etwa wenn die Berichte über
den Vogel Phönix als »Hirngespinste« abgetan
werden (Bd. 2, S.l54), in der Absicht, den Aber-
glauben zu beseitigen. Andere »curiose Fälle« da-
gegen werden für bare Münze genommen und
kommentarlos vorgestellt wie die Geschichte vom
»sprechenden Hund«, von dessen Existenz sich
1715 die Pariser Akademie der Wissenschaften
überzeugt habe.
Das mit einem Privileg Kaiser Josephs II. versehe-
ne Werk erlebtetrotz des recht hohen Preises drei Aufla-
gen bis 1796. Baur (1790, S. 86) bemerkt zu Eberts
Schriften: »In allen diesen Wissenschaften hat er Werke
geliefert, die für studierende Jünglinge ungemein
brauchbar sind, und seinen gründlichen Einsichten Eh-
re machen. Die wiederholten Auflagen derselben zeu-
gen von ihrer günstigen Aufnahme und der Anerken-
nungihres Werths.« 0 . B.

Johann Jakob Ebert (1 737-1805). Abbildung ent-


nommen aus: Leipziger Musenalmanach auf das
Jahr 1781.- Leipzig 1781. Kupferstich-Frontispiz 1776
von Geyser
Christian Georg Raff (1 748-1788):
Geographiefor Kinder. Mit einer Vorrede
merkt, es sei »wohl ziemlich einerley, ob manjun- des Herrn Prof Feders (1740-1821).
gen Leute die Gegenstände der Naturgeschichte Göttingen 1776
nach dem Linnäischen, nach dem Kleinischen
oder nach einem andem Register erklärt« (Vorre- Das Werk ist bestimmt für den Schul- und Privat-
de. Bd. 3), wichtig sei lediglich die Stringenz der unterricht und für die außerschulische Lektüre.
Abfassung, die man seinem Werk nicht abspre- Angesprochen sind Jungen und Mädchen im er-
chen könne. sten Lesealter: »Auch euch, Buchstabierschülern
Sowohl inhaltlich wie formal bemüht sich geh ich dieß Buch in die Hände. Denn ich sahe zu
Ebert, den Kindem den Stoff in einer leichten und meiner Freude bei dem vortreflichen Weissischen
faßlichen Form zu präsentieren. An seinen Schü- A. B. C. Buch, daß zwei- drei- und vierjährige
ler gewandt, bemerkt er, er wisse »aus eigner Er- Kinder mit den Worten auch Sachen merkten;
fahrung, auf was für Art man sich dergleichen und bis sie lesen konnten, die meisten Erzählun-
Dinge in demjenigen Alter, in welchem Sie sich gen auswendig wußten« (S. 2). Gleichzeitig wen-
itzt befinden, vorzustellen pflegt«. (Bd. I, S. 9) Er det sich der Verfasser an Eltern und Erzieher:
bemüht sich deshalb nicht nur um eine einprägsa- »Euer guter Vater, oder Muter oder Lehrer wer-
me Systematik und schreibt in leicht verständli- den euch soviel daraus erzählen, als ihr gerne hö-
chem Stil, sondern versucht auch, den Stoff durch ren und verstehen könt« (S. I).
Anreden des Schülers, durch das Einstreuen von LautVorrede von). G. H. Feder istdas Werk
Versuchen und Anekdoten aus der Wissenschaft vornehmlich zur eigenen Lektüre bestimmt, aber
und nicht zuletzt durch die Kupferillustrierung » [ ... ] ein Lehrer bleibt unterdessen immer dabey
aufzulockern. nöthig; und auf Erläuterungen desselben konnte
So weiß er die häufig sehr abstrakten The- daher und mußte gerechnet werden« (Vorrede).
1015 Sachschriften 1016

Er hält die Geographie für »die natürlichste bei der Charakterisierung verschiedener Völker.
Grundlage des größten Theiles unserer Kenntnis- So werden sowohl die Portugiesen als auch die
se« (ebd.), d. h. der Geschichte, Naturlehre, Grös- Spanier als »faul« charakterisiert; es heißt, sie
senlehre, Religion und Sittenlehre. Ferner liefere »ließen fast die Hälfte von ihren Ländereien wü-
sie »eine fruchtbare Erweckung und Anleitung« ste liegen, grüben es nicht um, und pflanzten auch
beim Sprachenstudium. Ganz im Sinne des Phil- nichts« (S. 18). Vom Franzosen weiß Raff zu be-
anthropismus soll das Werk eine Synthese des richten, daß er gerne singt und pfeift und fleißig,
Angenehmen mit dem Nützlichen herstellen: höflich und galant ist. (S. 46). Das eigene Land er-
»Kinder müssen über alles, was sie lernen, bald hält eine positive Beurteilung: »Teutschland ist
etwas zu lesen haben. Dieses macht sie aufmerk- eins der besten Länder in Europa. Es hat fast in al-
samer auf den Unterricht, und ist eine der nütz- len Gegenden gute und gesunde Luft. Es ist
lichsten Arten von Beschäftigung und Zeitver- fruchtbar und mit allem reichlich versehen, was
treib« (ebd. ). zur Nothdurft und Bequemlichkeit des Lebens
Die Vermittlung des Lehrstoffes durch die gehört« (S. 98). Die Bevölkerung wird als fleißig
Form des Dialogs zwischen Herrn R. und den und arbeitsam bezeichnet, wobei der Verfasser
fünf Kindern Lotchen, Ludwig, Philipp, Wilhelm besonders hervorhebt: »Schon die kleinsten Kin-
und Wilhelminchen soll die Identifikation er- der müssen sich ihr Brodt selbst verdienen« (S.
leichtern und die Lernbereitschaft steigern: 102).
»Seyd ihr erst, meine lieben Kinder, mit dem Deutlich nimmt Raff auch zu religiösen Fra-
Buch bekant, und merket ihr, daß man darin mit gen Stellung. So wendet er sich z. B. gegen den
Kindern, und also auch mit euch rede, so werdet Dogmatismus der katholischen Kirche und stellt
ihr gewiß von selbst fleissig und so lange darin le- fest: »Alle Spanier sind eifrige Katholiken. Man
sen, bis ihr entweder durch eigenen Aeiß, oder duldet weder Reformirte noch Lutheraner, noch
durch öfteres Fragen, alles verstehet, was darin er- Juden« (S. 35). Im Kapitel »Vom Kirchenstaat«
zählet ist« (S. 1 f.). Zur Methode der Lektüre weist kritisiert er die frühere Stellung des Papstes:
Raff ferner darauf hin, daß er mit einem zwei- bis
sechsmaligen Durchlesen rechne.
Die Geographie fiir Kinder behandelt Europa,
aufgeteilt in 27 Länder, die mehr oder weniger ausführ-
lich beschrieben werden -je nach der Wichtigkeit, die
®eogravbte
fUr

Jtinbtr,
der Verfasser ihnen beimißt Die fiktive Reise, der die
Kinder auf der Landkarte folgen, beginnt- nach einer
allgemeinen Einführung »Von Europa überhaupt« (S.
4)- im Südwesten mit Portugal (S. 18), Spanien (S. 29),
Frankreich (S. 46), geht über einen Teil Mitteleuropas
und die nördlichen Länder, wendet sich im Osten wie- 'Oll
der südwärts und endet nach Beschreibung der Balkan-
länder (S. 362), der Türkei (S. 371) und Italiens (S. 388)
in der Schweiz (S. 425). Die Behandlung Deutschlands mtit einer ilombt
nimmt den größten Raum ein und hier wiederum das Hf
Kapitel »Vom Niedersächsischen Kreis« (S. 209-245) : .errrn 'J)rofrfl'or Stbtrl.
»Freut euch, Kinder izt kommen wir zu eurem lieben
Vaterlande« (S. 209). Bei den einzelnen Ländern wer-
den zumeist Größe und angrenzende Länder bzw. Ge-
biete, Teilgebiete und Provinzen dargestellt, ferner Ko-
lonien, Flüsse, Städte, Staatsform, Regenten und deren
Linien, Beschaffenheit des Landes, Tier- und Pflanzen-
welt, Bodenschätze, Wirtschaft, Bevölkerungszahl und
-eigenarten, Religion, berühmte Persönlichkeiten und
geschichtliche Ereignisse. Vieles wird allerdings nur ge-
nannt und findet keine nähere Erläuterung oder Einord-
nung in einen Gesamtzusammenhang. Um der Fakten-
fülle einen Hintergrund zu geben, sind häufig Anmer-
kungen in den Text eingelassen, die entweder selbst nä-
«!Httingcn,
here Erläuterungen geben oder auf weiterführende Lite- ttl , ..... fhl~ln Zhttrl41
ratur, meist das Leipziger Wochenblattfiir Kinder, ver- J 77 6.
weisen oder auch den Erzieher auffordern, Erweiterun-
gen und Erklärungen zu geben.
Die Geographie for Kinder hat weitgehend
sachlich-informierenden Charakter, allerdings Raff, Georg Christian: Geographie für Kinder. -
finden sich auch subjektive Bewertungen von sei- Göttingen 1776 (Nr. 690). Titelblatt mit Vignette
tendes Verfassers. Dies zeigt sich am auffälligsten von Joh . Heinrich Mei/
1017 Trembley, Unterricht, 1776 1018

» [ ... ]die Leute glaubten, der liebe Gott thäte al- der Quelle der Glückseligkeit« führen (Vorrede,
les, was der Pabst wolte, oder zürnte doch mit den- S. XXVII). Die Leser sollen lernen, zwischen
jenigen, gegen die der Pabst erzürnt wäre. - Gott Wahrem und Falschem und zwischen Gewissem
sey gelobt, daß dieser schädliche Irrthum nicht und Ungewissem zu unterscheiden (Vorrede, S.
mehr herrscht« (S. 399 f.). XXV) und sich im »Urtheilen und Schliessen«
Die didaktische Intention des Werkes zeigt üben (Vorrede, S. XXX).
sich besonders deutlich in den Anmerkungen. Trembley wendet sich entschieden gegen das
Hier werden dem Lehrer oftmals methodische schädliche Frühwissen und Viel wissen, gegen die
Hinweise zur Stoffvermittlung gegeben, wobei Überladung des kindlichen Verstandes mit syste-
stets die Berücksichtigung der jeweiligen indivi- matischem Faktenwissen, das der Entwicklung
duellen Entwicklung des Kindes betont wird. So der Kinder gar nicht gemäß sei: »Man weis nicht,
heißt es im Zusammenhang mit der Geschichte daß man den Gewächsen schadet, wenn man sie
Deutschlands: »Die Lehrer werden sich bestän- zwinget, bey Zeiten Früchte zu tragen, und wahr-
dig nach den Fähigkeiten ihrer Schüler, und vie- scheinlicher Weise kann man dem Verstande, und
len Nebenumständen richten müssen. Sie werden ganz gewiß dem Körper schaden, wenn man dem
daher bald mehr, bald weniger ausführlich in der Alter zuvorkommt, und die Wirkungen der Natur
Historie, und in der Schilderung eines Stüks von übereilet« (Vorrede, S. XII). Stattdessen komme
Teutschland seyn. Vieles werden sie auf einige es vor allem darauf an, den Verstand der Kinder
Zeitgänzlich übergehen« (S. 107). »zu berichtigen« und die Natur zum Wegweiser
Das Werk erfuhr bis 1786 fünf Auflagen. Nach der Erziehung zu nehmen: »Nach dem Lauf der
dem Tod des Verfassers erschien eine neue Bearbeitung, Natur muß daher der Unterricht unvermerkt er-
die 1796 von Chr; K. Andre besorgt wurde. Unter dem folgen. Man kann die Begriffe nicht in kurzer Zeit
Titel Andres erstes geographisches Lehrbuch für die Ju- in dem Verstande sammlen: will man sie anhäu-
gend. Erste Abtheil. erschien diese Fassung 1806 in neu- fen, so verdunkelt man sie, und macht einen ver-
er Auflage.Andre ist auch der Verfasser weiterer Teile wirrten Haufen daraus, der eine Art von Chaos
der Geographie für Kinder: Asien und Afrika. Th. 2. ist. Man muß sie nach und nach in den Verstand
1790 (2. Aufl. 1792, auch unter dem Titel: Andre's erstes bringen: sie müssen klar kommen, und nicht auf
geographisches Lehrbuch. 2. Abtheil.) und eines dritten
Teils von 1791 (2. Aufl. 1794). G. R./H.
eine gezwungene Weise hineingebracht werden.
Die Neubegierde muß so viel als möglich vor den
Begriffen in dem Verstande vorhergehen[ ... ]«
(ebd.).
Doch auch wenn das Lernen »unmerklich«
1776 geschehen soll, ist Trembley der Auffassung, daß
Abraham Trembley (J 710-1784): es schädlich sei, die Kinder nur das zu lehren, was
Unterricht eines Vatersfür seine Kinder über »sie begierig und mit Vergnügen annehmen«
(Vorrede, S. XIV). Daher sollen die Kinder »nach
die Natur und Religion. Aus dem und nach zum Fleiße, zur Ordnung, und zur Ar-
Französischen. 2 Bände. beit angehalten werden. Sie müssen deswegen be-
Leipzig 1776 stimmte Zeiten der Beschäfftigung, und gewisse
anhaltende Beschäfftigungen haben, die unver-
Trembley wendet sich mit seiner religiös beleh- merkt immer schwerer werden« (ebd.). Ein sol-
renden Naturlehre und -geschichte an Kindervon ches Lernen erfolge am besten nach der Natur,
zwölf bis sechzehn Jahren, doch könne diese aus der die »schönen Lehren« genommen wer-
»Einleitung in das Lesen der vortrefflichen Wer- den könnten, wonach diejenigen Lehren, »wel-
ke [ ... ], welche man hierüber geschrieben hat«, che man ertheilen soll«, »einzurichten« seien:
auch noch »in einem reifem Alter« gute Dienste »Man kann ihrem Laufe, ihren Entwicklungen,
leisten (Vorrede, S. XVII). Trembleys Schrift und der Art und Weise, wie sie die schönen Ge-
folgt dem mündlichen Unterricht, den er seinen genstände unsem Augen darstellet, nachspüren«
eigenen Kindem gab (Vorrede, S. III), und so be- (Vorrede, S. XV). Dieses Studium führe zum
tont er denn, daß »die Ordnung, welche darinnen Schönen und Guten und zu dem Wesen, »wel-
herrscht, [ ... ] schicklicher für eine Familie, als für ches die Quelle von allem ist, was man sich als das
das Publikum« sei (Vorrede, S. XIX), und ver- Beste und Vollkommenste vorstellen kann« (Vor-
sichert: »Hier ist keine Erdichtung, es ist alles rede, S. XVI). In der Betrachtung der Natur sol-
wirklich« (Vorrede, S. XX). len vornehmlich die Gegenstände behandelt wer-
Trembley will seinen Lesern »die gehörigen den, die am ehesten die Aufmerksamkeit der Kin-
Begriffe und Empfindungen zur Bildung ihres der auf sich ziehen, ihre Neugierde erwecken und
Verstandes und Herzens« »einschärfen« (Vorre- sie »zur Bewunderung der Kunst und des Nut-
de, S. I li), er will den Verstand durch »angeneh- zens ihrer Werke« erziehen können. Dabei soll
me Beschäftigungen« bilden (Vorrede, S. XXIII) die Beschreibung des Äußeren, das »ohne Nach-
und zur Erkenntnis des Urhebers der Natur »als denken« als »Kunst und ordentliche Einrieb-
I 019 Sachschriften 1020

tung« zu erkennen sei, der Betrachtung der inne- schreibung der Mineralien (S. 36-68) folgt dann eine
ren Organisation des Gegenstandes vorangehen, Darstellung der vier Elemente (S. 69-96).
durch den die Kinder einen» Begriffvon dem Me- Die nächsten Abschnitte sollen auf die Erkenntnis
chanismus, der in diesen schönen Maschinen ist, Gottes »aus der Betrachtung der Werke, die von unserer
Erdkugel getrennt sind« (S. 118), hinlenken. Nach einer
und von dem Nutzen dieses Mechanismus« be-
kurzen Vorstellung der Gestirne als des Werkes »der un-
kommen könnten (Vorrede, S. XXII). Dies sei ei- endlichen Macht« (S. 119) werden die scheinbaren Be-
ne Quelle der »wahren und leichten Logik«, die wegungen der Sonne, Tag und Nacht und die Umdre-
den Abstraktionen der »schematischen Logik« hung und der Fortgang der Planeten erläutert. Der
erheblich vorzuziehen sei, weil sie eine angeneh- Mond, die Hauptplaneten und ihre Trabanten, die Ko-
me Beschäftigung sei, zu der es keiner großen An- meten, Fixsterne und »das ganze Weltgebäude« sind
strengung des kindlichen Verstandes bedürfe Gegenstand des nächsten Abschnittes (S. 137-150). Im
(Vorrede, S. XXIII). Anschluß an die Beobachtungen und Betrachtungen
Doch die Naturbetrachtung ist nicht Selbst- über die Bewegung überhaupt, über die Stärke der Be-
wegung eines geworfenen Körpers und schließlich die
zweck und dient auch nicht nur der Erkenntnis
Bewegung der Gestirne stellt Trembley die Frage:
des Schöpfers und seiner Vollkommenheit, sie hat »Welches ist das thätige Wesen, welches so große Kräf-
auch charakterbildende Eigenschaften: »Das te hat eindrücken können? Welches ist das verständige
Studium der Natur ist in der Verbindung mit der Wesen, so alle diese Kräfte vereinigt, und alle ihre Wir-
Religion, wovon sie im Grunde unzertrennlich ist, kungen berechnet hat?« (S. 163), und antwortet: »Ihr
ein sehr schickliches Mittel, dem Verstande den sehet, meine Kinder, daß ich euch durch diese Fragen
Geschmack an der Wahrheit, an den Kenntnis- die großen Züge des Verstandes, der Weisheit, und
sen und an Beschäfftigungen beyzubringen; es Macht des Urhebers der Natur zeige« (S. 164). Trem-
kadn vieles dazu beytragen, den Charakter zu mil- bley beschreibt sodann die Erde als einen in aller Man-
nigfaltigkeit wohlorganisierten kleinen Körper inner-
dem, und ihn zur Empfindsamkeit, Güte, und
halb des großen Weltgebäudes und stellt die Vermutung
Wohlgewogenheit zu lenken; es kann folglich auf, daß innerhalb dieses großen Gebäudes auch Wel-
auch von dem Verstande die gefährlichen Grund- ten existieren, »welche für vollkommene tugendhafte
sätze entfernen, die zu seiner Erniedrigung und verständige Wesen dienen sollen« (S. 169ff.) In diese
zur Verderbung des Charakters abzielen« (Vorre- Welten werde die »unsterbliche Seele« eingehen, die
de, S. XXIX). zum Genusse dieser Glückseligkeit vollkommenere Sin-
ne erlangen könne, als dies auf Erden möglich sei. Als
Eine Betrachtung über die Glückseligkeit bildet Zeugen für diese These nennt Trembley die Offenba-
den Anfang des Werkes. Trembley macht den Lesern rung, das die Auferstehung, die »Wiedervereinigung
deutlich, »daß die Quelle der Güter, die sie begehren, in unserer Seele mit einem Körper« verkündende Evange-
dem Urheber ihres Daseyns, und des Daseyns der Na- lium (S. 171).
tur, befindlich ist« (Vorrede, S. XXI). Die folgenden Der letzte Teil des Werkes ist ausschließlich der re-
Abschnitte (S. 37-101) beschäftigen sich mit den Pflan- ligiösen Unterweisung vorbehalten. Die Ordnung, die
zen. Trembley beschreibt das unterschiedliche jahres- Kunst, der Plan und der Nutzen der Werke der Natur
zeitliche Auftreten der Pflanzen und erläutert dann die werden dargestellt als Ausdruck des Verstandes und der
äußere Gestalt der Pflanzen, ihr Wachstum, ihre innere Weisheit ihres Urhebers. Ausführlich wird- nach einer
Beschaffenheit und Organisation, ihre Vermehrung und Polemik gegen die »Ungereimtheit des Systems, nach
Erzeugung. Im dritten Teil des ersten Bandes (S. welchem man den Ursprung dieser Welt mechanisch er-
101-384) gibt Trembley eine Einführung in das Tier- klären will« (S. 188ff.)- die Vollkommenheit Gottes
reich. Auf eine kurze Beschreibung des Körperbaus der entwickelt (S. 225-314). Trembley sieht sie in seiner
Tiere folgt eine Darstellung der Funktionsweise ihrer in- Ewigkeit, Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart, seiner
neren Organe, die vornehmlich am Beispiel des mensch- Weisheit und Güte, seiner Gerechtigkeit und seiner Ein-
lichen Körpers verdeutlicht wird (S. 137-170). An- heit begründet.
schließend wird die Organisation des menschlichen Der erste Band ist mit einem unsignierten Titel-
Körpers mit der der Tiere verglichen, dann die verschie- kupfer illustriert. Es stellt einen Vater mit seinem Sohn
dener Tiergattungen untereinander; schließlich folgt beim Unterricht in der freien Natur dar. Während der
ein Vergleich der unterschiedlichen Organisation von Vater in der einen Hand eine Blume hält, über die er of-
Tier und Pflanze. Die nächsten Abschnitte haben das fenbar dem Kind Auskunft erteilt, weist er mit der ande-
Wachstum, die Nahrung und die Vermehrung der Tiere ren Hand auf die in der Ferne hinter den Bergen aufge-
zum Gegenstand. Den Abschluß bildet eine Beschrei- hende Sonne. Der kleine Kupferstich, von einem orna-
bung der Bedürfnisse, des Instinkts, der Empfindlich- mentalen runden Rahmen umgeben, symbolisiert so die
keit der>> Kenntniß« und des Naturells der Tiere. Hier- sich Bahn brechende Aufklärung, die Schönheit der Na-
bei legt Trembley besonderes Gewicht auf die Darstel- tur und das eifrige Streben des Kindes- es hat zwei Bü-
lung des sozialen Verhaltens der Tiere (vgl. z. B. cher vor sich liegen- nach Erkenntnis.
S. 313 ff., S. 345 ff. ).
Der zweite Band beginnt mit einer Betrachtung
Trembleys Unterricht über die Natur und
über die Erde und die Himmelskörper. Nach einer kur-
zen Vorstellung der Sonne, des Mondes, der Planeten Religion unterscheidet sich insofern von anderen
und der Fixsterne beschäftigt sich Trembley u. a. mit der Naturlehren und Naturgeschichten für Kinder,
Übereinstimmung von Erdkugel und Gestirnen, der als es im strengen Sinne keinen systematischen
Schwere der Körper, der Atmosphäre, den Erdarten Abriß derverschiedenen Bereiche der Natur gibt.
und den Veränderungen der Weltkugel. Auf die Be- So fehlt z. B. die sonst übliche Einteilung des
1021 Raff, Naturgeschichte, 1778 1022

Pflanzenreiches nach Systemen wie Linne, Klein Kind oder ich mit einem Thier, izt lassen wir das
o. ä. oder die Vorstellung der wichtigsten Tiergat- Thier seine Geschichte selbst hersagen; nun ge-
tungen mit ihren Untergliederungen; auch die hen wir spazieren, nun schiffen wir im weiten
Darstellung des Mineralreiches ist unvollständig. Weltmeer herum, und sehen Seehunde und Wal-
Stattdessen legt Trembley großes Gewicht auf die fische fangen.« Auf diese Weise sei die ganze Na-
Erörterung der Funktionsweise der Organe, die turgeschichte »so ziemlich in dem Ton geschrie-
unterschiedliche Art der Fortpflanzung oder auch ben [ ... ], wie es die Kinder haben wollen, und ge-
das soziale Verhalten der Tiere. Bemerkenswert wissermasen auch haben müssen, wenn sie mit
ist vor allem der beständige Vergleich verschiede- Nuzen und Vergnügen drin lesen sollen« (Vorre-
ner Arten untereinander, der unterschiedlichen de).
Organisation, Vermehrung usw. von Tieren und Der Unterricht, zu dem die Naturgeschichte
Pflanzen, der Vergleich zwischen dem menschli- als Lehrbuch herangezogen wird, soll von den In-
chen und dem tierischen Körper. Trembley ver- teressen der Kinder her bestimmt werden: »Erst-
folgt damit die Absicht, die unendliche, aber doch lieh lese er [der Lehrer] es mit seinen Eleven ja
höchst wohlgeordnete Mannigfaltigkeit der nicht gleich von Vomen bis Hinten in einem weg
Schöpfung zu verdeutlichen, in der jeder Halm, durch, sondern mache Auswahlen und verschie-
jedes Insekt und jeder Stein den ihm zugewiese- dene Cursus, und lasse es den Kindem über, wo-
nen Platz einnimmt und seine Aufgabe in der Na- von sie izt gern was Neues wissen wolten. Da wird
tur ausfüllt. Der Nachweis der Vollkommenheit denn gewis ein jedes was fodem, vielleicht eins
Gottes aus der Vollkommenheit seiner Schöpfung die Geschichte der Kaze, das andere die Ge-
heraus ist daher Trembleys Anliegen, das in der schichte der Maus, das dritte die Beschreibung
Behandlung jedes Gegenstandes deutlich wird. des Schafs, und das vierte die Beschreibung des
Die religiöse Unterweisung erfolgt nicht nur am Elefanten. Dis thue er nun, so lange es den Kin-
einzelnen Objekt, sondern auch in häufigen, den dem gefält, und es Zeit und Umstände ihm ra-
Inhalt verschiedener Abschnitte wiederholenden then« (Vorrede). Danach solle der Lehrer un-
Zusammenfassungen, die das Augenmerk der Le- merklich zum Systematischen übergehen, begin-
ser immer wieder auf die Güte, Weisheit und Voll- nend mit der Auswahllektüre eines ganzen Ab-
kommenheit Gottes lenken sollen. schnitts, fortgesetzt mit zeitweiliger Überprüfung
Im Vergleich zu anderen Naturlehren sticht des Gelernten und schließlich hinführend zu ei-
zudem hervor, daß Trembley die Offenbarung als ner über den Text hinausgehenden systemati-
eine Möglichkeit der Erkenntnis Gottes nicht nur schen Unterweisung, die allerdings den »fähig-
benennt und sich im übrigen darauf beschränkt, sten« Schülern vorbehalten bleiben soll. Das
die Existenz Gottes aus der Natur abzuleiten, son- Buch eigne sich auch für den Unterricht der» Le-
dern sich am Schluß des Werkes ausführlich mit se- und Buchstabier-Schüler«, die nach erfolgrei-
der Offenbarung auseinandersetzt, daß er die Of- cher Arbeit mit der Betrachtung einer Kupfertafel
fenbarung sogar direkt aus der existierenden Welt belohnt werden könnten.
ableitet, indem er das tatsächliche Vorhandensein
Raffs Naturgeschichte ist dreigeteilt. Behandelt
der >>Unsterblichen Seelen« auf »Wohnungen«
werden das Pflanzen-, das Tier- und das Mineralreich,
innerhalb des Kosmos lokalisiert. 0. B. wobei der Schwerpunkt der Darstellung auf dem Tier-
reich liegt. In der Darstellung des Pflanzenreichs (S.
11-70) geht Raff vom unmittelbaren Erfahrungshori-
zont der Kinder aus und behandelt zuerst solche Ge-
1778 wächse, die den Kindern bereits geläufig sind, um dann
zu unbekannteren und exotischen Pflanzen überzuge-
Georg Christian Raff(J748-1788): hen: »Nun wollen wir im Ernst in einen Garten gehen,
Naturgeschichte for Kinder. Liebe Kinder, und uns erstlieh mit denjenigen Blumen,
Göttingen 1 778 Früchten und Gewächsen bekant machen, die wir täg-
lich vor unsern Augen sehen, und die uns zur Speisse,
oder zur Freude und Geruch dienen. Sodann führ ich
Raffs Naturgeschichte ist gedacht für »Kinder al- euch über Aekker und Wiesen weg in einen Wald, und
ler Art, arme und reiche«, die »fünf oder zehn zeig euch Eichen, Birken, Ellern, Espen, Buchen und
oder auch noch mehrere Jahre alt« sind (Vorre- Tannen. - Und endlich sollt ihr auch erfahrn, wie der
de). Es ist hauptsächlich für den Schulgebrauch, Kaffeebaum, der The- und Baumwollenstrauch, das
für die Benutzung unter Anleitung eines Lehrers Zukkerrohr und der Citronenbaum aussehen, wo sie am
konzipiert. Wie in seiner Geographie for Kinder häuffigsten wachsen, und was uns ihre Früchte nüzen«
( 1776) hat Raff auch in der Naturgeschichte »den (S. 17).
In lockerer, unsystematischer Folge behandelt
dialogischen Thon wieder gewählt« (Vorrede);
Raff Herkunft und Vorkommen, Namensherkunft, Un-
allerdings treten hier die Personen nicht mit Na- terarten, Eigenschaften, Verwendung und Nutzen für
men auf. Die Methode des »dialogischen Thons« den Menschen usw. Hervorzuheben sind besonders die
charakterisiert Raff mit den Worten: »Bald rede Ausführungen über exotische Pflanzen, in denen bei-
ich mit den Kindern, bald sie mit mir; izt red ein läufig wichtige Kapitel der Kolonialgeschichte und der
1023 Sachschriften 1024

Kulturgeschichte fremder Völker gestreift werden (z. B. Werkes bildet eine streng sachlich gehaltene Darstel-
Geschichte des Tabaks, S. 53 f.). lung des Mineralreiches, das in sieben Hauptgruppen
Den Hauptteil des Bandes macht die Geschichte vorgestellt wird (S. 597-616).
des Tierreichs (S. 71-596) aus. Im Gegensatz zum ersten Dem Buch sind elf Kupfertafeln beigegeben, alle
Teil findet sich hier eine stärkere Systematisierung, die von dem Bildnis-, Historien- und Landschaftsmaler
zuerst dem Klassifizierungsschema Erxlebens und spä- Friedrich Ludwig Heinrich Waagen (1750-1822), ei-
ter Blumenbachs folgt. Behandelt werden in der Rei- nem Schüler J. H. Tischbeins d.Ä., gezeichnet und ge-
henfolge die Würmer, die Insekten, die Fische, die Am- stochen von dem Nürnberger Kupferstecher Johann
phibien, die Vögel und die Säugetiere. Häufig stellen die Georg Sturm (1742-1793), der auch mehrere Blätter zu
Tiere ihre »Geschichte« selbst vor oder werden in ein Lavaters Physiognomik und zum Göttinger Musenal-
originelles Zwiegespräch mit dem Erzähler hineingezo- manach lieferte.
gen. Da begründet z. B. ein Geier seine Nützlichkeit
(»Ist das für euch Menschen nicht eine Wohlthat, daß Raffs Naturgeschichte hebt sich von anderen
wir das Aas wegfressen, das die Luft stinkend, und euch naturwissenschaftlichen Werken für Kinder so-
krank machen würde?«) und liefert eine kulturhisto- wohl durch die dialogische Form ab als auch
risch aufschlußreiche Beschreibung der Umweltproble-
me der ägyptischen Hauptstadt Kairo (S. 261 f.). Mit be-
durch den Aufbau des Lehrstoffes. Der Dialog
redten Worten erklärt ein Fuchs allerhand Listen wie paßt sich dem Fassungsvermögen und dem Inter-
das Krebsfangen mit dem Schwanz oder das gefahrlose esse der Kinder nicht nur durch die sprachlich
Ausrauben eines Bienenstocks (S. 448 ff.), und der Peli- einfache Form der Stoffpräsentation an, sondern
kan muntert die Kinder gar auf, sein Bildnis zu betrach- auch durch die abwechslungsreiche Vielfalt des
ten: »Auf der fünften Tafel, bei Figur fünfund dreissig Erzählten und den beständigen Wechsel zwi-
bin ich abgebildet« (S. 294). schen belustigenden, spannungsreichen Erzähl-
Raff geht weit übereine bloße Schilderung derver- passagen mit informativen, faktenreichen Erörte-
schiedenen Tierarten hinaus. Die Leser erfahren ebenso rungen. Durch die dialogische Form gelingt es
Wissenswertes über die Aufzucht von Falken und über Raff, die Kinder eng in das Geschehen miteinzu-
die Herstellung von Käse und Butterwie über die einzel-
beziehen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, un-
nen Stadien der Tollwut, das Einfangen von Affen oder
den beschwerlichen Zug einer Karawane. Von besonde- mittelbar als Akteure mitbeteiligt zu sein.
rer Intensität ist die spannungsreiche Darstellung des Der dialogischen Form entspricht auch der
Walfischfangs, zu dem der Erzähler und seine kleinen Aufbau des Lehrstoffes. Im Gegensatz zu ande-
Zuhörer aufbrechen. Ausführlich schildert Raff bei ren Werken seiner Zeit geht Raff nicht streng sy-
manchen Tieren deren Eigenschaften und Gewohnhei- stematisch vor; er setzt vielmehr am Interesse und
ten, z. B. wird der Papagei als »Affe unter den Vögeln« den Erfahrungen der Kinder an und entwickelt
beschrieben: »Der Affe ist munter, listig und schel- von da ausgehend schrittweise ein ganzes Mosaik
misch, und stiehlt alles weg, was er sieht und erwischen von Wissen, das jedoch keineswegs willkürlich ist,
kan, er mags essen können oder nicht.- Und gerade so
sondern in sich- wenn auch nicht streng nach na-
machts auch der Papagei. Er nimmt alles in seinen dik-
ken krummen Schnabel, was glänzt, Glas, Ringe, turwissenschaftlichen Systemen - durchaus ge-
Schnallen, Löffel und oft gar glühende Kohlen, und ordnet ist. Die systematische Kenntnis der Natur-
schlept sie weg. Man mus sich daher sehr in Acht neh- geschichte hält Raff bei Kindem auch für nicht
men, daß durch ihn kein Verdrus entsteht, oder gar ein notwendig; sie sei vielmehr eine Aufgabe der Ge-
Unglük geschieht« (S. 270). lehrten, der Naturforscher. Er hält es demgegen-
Um den »Charakter« der Tiere zu verdeutlichen, über für wichtiger, die Kinder mit Neuigkeiten zu
wählt Raff verschiedentlich das Mittel der Beispielge- überraschen und so ihren Spaß an dem Erlernen
schichte. So erzählt er mehrere Beispiele von der »Groß- der Naturgeschichte zu vergrößern: »Nicht wahr,
muth und Erkenntlichkeit einiger Löwen« (S. 429ff.); liebe Kinder, euch ist es einerlei, in welcher Ord-
eine Schauergeschichte handelt von einer »mörderi-
nung ich euch was erzähle? Ob ich izt von der lu-
schen Kaze«, die ihren Herrn erdrosselt haben soll (S.
418ff.), und einige Anekdoten berichten von der »Er-
stigen Ziege, oder von dem trägen Murmelthier?
kentlichkeit« von Elefanten (S. 522f.). Der Abschnitt Ob von der kleinen Maus, oder von dem ungeheu-
über den Menschen (S. 584ff.) besteht nahezu aus- ren Elefanten etwas erzähle? Auch werdet ihr
schließlich aus zeitgenössischen Schilderungen über euch wenig darum bekümmern, ob es drei, oder
Wolfsmenschen. vier, oder sechs Naturreiche gibt, wenn ihr nur
Charakteristisch für die Form der Darstellung ist Neuigkeiten erfahret?« (S. 3)
auch die häufige Einblendung kleiner Fabeln, die meist Raff betont immer wieder das Vernunftge-
bei Geliert entlehnt sind. Manche Fabeln werden nicht mäße und besonders das Nützliche in der Natur:
einfach im Zusammenhang des Textes erzählt, sondern Die Kinder sollen im Betrachten der Natur erken-
sind in eine besondere Form gebracht wie etwa die Fa- nen, daß Gott »so viele und so sehr schöne, artige
bel über einen Tanzbären (S. 458 f.) oder die dramati-
und nützliche Dinge gemacht hat« (S. 5). Sie sol-
sierte kleine Fabel über die verschlagene Katze und das
Mäusekind, das nicht auf die Worte seiner Mutter ach- len lernen, daß Gott jedem Tier eine nützliche Be-
tet (S. 391 f.). Häufig verwendet Raff, um die Belehrung stimmung zugewiesen hat, daß es daher auch kei-
noch eindringlicher zu machen, auch Sprichwörter (vgl. ne Tiere gibt, die von Natur aus böse sind oder
z. B. S. 289: »Es flog ein Gänschen über den Rhein, I dem Menschen hauptsächlich Schaden zufügen.
Und kam ein Gänsrich wieder heim«). Den Schluß des Raff erläutert dies am Beispiel von Insekten:
1025 Raff, Naturgeschichte, 1778 1026

keit eigener kleiner Gärtchen für Kinder erläu-


tert: »Und auf diese Weise werdet ihr bald eine
Menge Thiere, Pflanzen und Kräuter kennen ler-
nen, und ohnvermuthet kleine Naturhistoriker
werden, und eine wahre Freude an den Geschöp-
fen Gottes bekommen, und täglich bessere, frohe-
re und dankbarere Kinder gegen Gott, eure Ael-
tem und jeden guten Nebenmenschen werden.«
(S. 13)
Charakteristisch für Raffs Naturgeschichte
ist auch der beständige Kampf gegen den Aber-
glauben und gegen erdichtete Halbwahrheiten.
So etwa werden Berichte über den von einem Ta-
rantelstich herrührenden Veitstanz als einfaltige
Narretei abgetan: »Kinder, alles dis ist falsch,
und erdichtet. Nur arme einfältige Leute, bestelte
Lügner, boshafte Betler und Faunenzer stellen
sich krank und unklug, um Geld zu bekommen,
und nicht mehr arbeiten zu dürffen« (S. 193).
Dem steht Raffs durchgängige Tendenz zur An-
thropomorphisierung entgegen, die jedoch aus-
schließlich ein Mittel sein dürfte, den Kindem die
Tiere anschaulich und lebendig vorzustellen, et-
wa wenn er vondem »mutwilligen Haushahn und
seiner trägen Henne« erzählt (S. 315) oder die
Ziege in einem Zwiegespräch als »du verzweifelte
Mekkerin, du Erzstinkerin« beschimpft (S. 486).
Bei seinem Werk hat sich Raff nicht nur die
großeZahl zeitgenössischer Naturgeschichten zu-
nutze gemacht, sondern ebenso naturwissen-
schaftliche Magazine, Reisebeschreibungen und
Raff, Georg Christian: Naturgeschichte for Kin- Naturbeschreibungen auch antiker Autoren wie
der. 4. verm. u. verb. Aufl. - Frankfurt u. Leipzig Varro oder besonders Plinius, von dem erz. B. ei-
1784 (Nr. 695). Tafel XI ne ausführliche Schilderung des Gesangs einer
Nachtigall entlehnt (S. 341 ).

»Die Raupen zum Beispiel, die Blatläuse und Ke- RafTs Naturgeschichte wurde schnell populär und
gehörte zu den beliebtesten Kinderbüchern des ausge-
fer sind uns oft sehr schädlich, indem sie uns so
henden 18. Jahrhunderts. Bis 1861 erlebte es 16 Aufla-
manchen Baum und so manche Pflanze zerfres- gen und zahlreiche Nachdrucke. 1841 erschien in einer
sen; abervielen von denjenigen Vögeln dienen sie Bearbeitung von Philipp Jakob Beumer Der kleine Raff.
zur Nahrung, die uns mit ihrem herrlichen Ge- oder: Vater Gotthold's Unterhaltungen mit seinen lieben
sang ergözen, oder uns mit ihrem Fleisch sättigen. Kindem über die Reiche der Natur. Eine Naturge-
Auch zehren manche Vögel vieles auf, was die schichte for die liebe Jugend, das 1843 in einer zweiten,
Luft oder unsere Nahrung vergiften würde. Ihnen mit Zusätzen vermehrten Auflage bei Bagel in Wesel
aber schadet es nichts. Gönnet also immer in Zu- herauskam. Der Titel ist jedoch eher irreführend; von
kunft den Thieren ihr kurzes Leben, ihre Nahrung Raffs Naturgeschichte for Kinder, die in Gespräche zwi-
und ihre kleine Freude, die sie von Gott erhalten schen einem Vater und seinen Kindern aufgelöst wird,
sind lediglich fragmentarisch einige Reste erhalten.
haben; und übersehet eine geringe Unbequem- Hobrecker ( 1924, S. 36) bezeichnet »den Raff«
lichkeit, die sie durch wirklichen Nuzen vergü- als die»köstlichste Naturgeschichte, die je geschrieben
ten.« (S. 5) wurde.« Und Merget (1882, S. 244) behauptete vor ei-
Die Kinder sollen sich an der Natur nicht al- nem Jahrhundert noch: »Sie kann noch immer ein Mu-
lein erfreuen; wichtiger ist es Raff, daß sie die ster für kindliche Darstellungen des Tier- und Pflanzen-
nützliche Bestimmung der verschiedenen Ge- lebens sein, wenn sie auch oft ins Kindische fällt, wohin
schöpfe erkennen lernen. Die Beschäftigung mit wir jedoch den Versuch, die Tiere selbst sprechen zu las-
der Natur trägt so auch bei zur Erziehung des sen, nicht rechnen; aber die mancherlei Unrichtigkeiten
und die immerhin altmodische Einkleidung haben den-
Menschen, sie hat nicht nur die Kenntnis von
noch das Buch außer Gebrauch gesetzt.«
Pflanzen, Tieren und Steinen zum Ziel, ihr eigent- Während Kunze ( 1965, S. 131) die Naturgeschich-
licher Sinn ist die charakterliche Veredelung des te}Ur Kinderals »eine Perle unter den Sachbüchern des
Menschen. Diese Zielvorstellung nennt Raff 18. Jahrhunderts« bezeichnet, bemängelt Köberle
auch in einem Gespräch, in dem er die Nützlich- ( 1972, S. 169), die als einzige unter den neueren Auto-
1027 Sachschriften 1028

rendas Werk negativ beurteilt: »In Büchern mit dem ein Problem, da hier die Eltern nicht wie in den
modernen Kinderstil werden die systematischen Ab- großen Städten das Glück hätten, »daß sie durch
sichten etwas verbrämt, um desto sicherer fortzubeste- Abwechslung des Unterrichts in Wissenschaften
hen. [ ... ]Der Grundeinteilung folgt eine Fülle von Na-
und in Sprachen, mit dem Zeichen, mit der Musik
men, Pt1anzen und Tieren der Heimat und der Feme, sie
werden ohne Charakterisierung nebeneinander gereiht. und mit dem Tanze, auch durch Besuchung guter
Wichtigerist es zu wissen, wie viele Arten von jeder Gat- Schauspiele, Haltung guter Gesellschaften, Ver-
tung gezählt werden, als eine genau kennenzulemen.« anstaltung angenehmer Promenaden, und man-
Daß Raff zu seiner Zeit trotz des Erfolgs seiner cherley andere Dinge, die Stundenjedes Tages so
Naturgeschichte nicht nur auf Zustimmung, sondern ausfüllen könnten, daß ihre Kinder weder unthä-
auch auf massive Kritik stieß, wird besonders deutlich tig stille sitzen, noch auch auf eine schädliche Art
bei Baur (1790, S. 355f.): »Seine Kenntnisse waren beschäftiget seyn dürften« (Vorrede).
mannigfaltig, freilich nicht tief geschöpft, aber doch Das Werk soll vor allem der Unterhaltung
zum Jugendunterricht hinreichend. [ ... ] Seine Geogra-
und der moralischen Belehrung dienen. Die Wahl
phie, Naturgeschichte und Geschichte haben gewiß viel
-sehr viel zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse beige- des historischen Stoffes- die Geschichte Roms-
tragen, deswegen segnen wir seine Asche. Aber gestehen wird damit erklärt, daß dieser Gegenstand dem
müssen wir doch auch, daß uns sein Ton gar nicht gefal- Kind im Laufe seines Lebens noch öfter begegnen
len hat; er ist bis zum Ekel kindisch. Herr Raff läßt sich werde, so daß es auch immer wieder an die damit
zu gewissen Scherzen herab, die vielleicht einem Hof- einmal vermittelte Moral erinnert werde (Vorre-
meister in seiner Stunde ganz gut kleiden mögen, ge- de). Die Vermittlung der römischen Geschichte
druckt aber sehr widerlich sind. Wie ganz anders ist es, ist also nicht der eigentliche Zweck des Werkes.
wenn Campe oder Salzmann mit seinen Kindem Die Ziele, die er mit seinem Werk erreichen
spricht! Hätte Herr Raff zwar in einen eben so simpeln,
will, werden von Reiche klar umrissen: »Eltern
aber zugleich edlen und der Würde der vorgetragenen
Kenntnisse angemessenen Schreibart geschrieben, so und Lehrer sind so oft gezwungen, die Kinder ent-
wäre viel Raum erspart, und seine Schriften wären allge- weder zum Stillesitzen zu nöthigen, oder ihnen
mein gebraucht worden. Wir wissen zuverlässig, daß sie unnütze und mehrentheils auch verderbliche Un-
in einigen Schulen hauptsächlich wegen ihres kindi- ternehmungen zu erlauben, oder aber sie mit zu
schen Tons nicht eingeführt wurden.« sehr anstrengenden und entkräftenden Aufgaben
Die wohl bissigste Bemerkung über Raffs Natur- zu quälen; wie wärs also, wenn ein Buch da wäre,
geschichte stammt jedoch von Abraham Gotthelf Käst- so faßlich geschrieben, daß die 7 bis 15jährige Ju-
ner (1719-1809), der seine spöttische Kritik in einem gend, (von der alleine hier die Rede ist,) desselben
Epigramm festhielt: »Hier sind die Tiere sprechend an-
Inhalt, ohne erst fragen zu dürfen, von selbst ver-
gekommen, I Allein den Esel ausgenommen, I Die Rol-
le hat der Autor übernommen« (zit. nach Köberle, 1972, stünde;- ein Buch von Dingen, welche diese Ju-
S. 170). 0. B. gend mit großer Freude und sehr begierig hörete;
- ein Buch, in dem sich gar nichts fände, was den
Verstand verwirret, und böse Eindrücke auf die
Seele macht; ein Buch, welches die Seele mit gu-
ten Gefühlen füllete, und sie zu guten Gesinnun-
1778 gen triebe; - ein Buch, welches die aufkeimende
Beurtheilungskraft der Jugend nicht unterdrück-
Kar/ Christoph Reiche:
te, sondern entwickelt;- ein Buch, welches, wenn
Die Geschichte Roms. es ja das Gedächtniß mit Begriffen füllete, doch
Leipzig 1778 immer nur mit solchen Begriffen selbiges erfülle-
te, die ohnehin dereinst in dies Gedächtnis kom-
Reiches Geschichte Roms ist für Kinder im Alter men müssen;- ein Buch also, welches, weil es alle
von sieben bis fünfzehn Jahren gedacht, die noch diese Erfordernisse hat, die Jugend gerne lesen
keine oder nur geringe Geschichtskenntnisse ha- würde, Eltern und Lehrer aber, um sich selbsten
ben. Der Verfasser widmet das Werk dem Erb- ihre Kräfte zu ersparen, ohn Bedenken und mit
prinzen von Anhalt-Dessau; es soll seiner »ersten Nutzen dieser Jugend geben könnte? Solch ein
Jugend Lust und edle Kenntnis mehren« (Wid- Buch, dacht ich, wäre zur Ausfüllung so vieler lee-
mungstext). Gleichwohl ist das Buch keineswegs ren Stunden vortrefflich; solch ein Buch, dacht
nur für einen adligen Leserkreis bestimmt. ich, fehlte uns noch, und solch ein Buch versuchte
Das Lesebuch soll Eltern ein Mittel an die ich zu schreiben« (Vorrede).
Hand geben, »durch welches sie ihre Kinder, die Reiche geht in seiner Vorrede ausführlich
zur Thätigkeit geneigt, und auch dazu geboren auf die Konzeption eines Kinderbuches ein,
sind, vor dem Müßiggange, so wie vor schädli- durch die sich die oben angegebenen Ziele ver-
chen Zeitvertreiben, bewahren, und sie, ohne sie wirklichen ließen, was nach seiner Ansicht-trotz
zu ermüden, zu guten Erkenntnissen, auch guten des breiten zeitgenössischen Literaturangebots
Gesinnungen leiten können« (Vorrede). Beson- für Kinder - bislang vernachlässigt worden sei.
ders in den kleinen Städten und auf dem Lande Als lobenswerte Ausnahme nennt er lediglich
sei der Müßiggang der Kinder und jungen Leute Joh. G. Schummels Kinderspiele und Gespräche,
1029 Reiche, Geschichte Roms, 1778 1030

schränkt aber zugleich ein, Schummel habe die ben müsse, doch er hält diese als unzulänglich er-
Kinderspiele »zum Thun, nicht aber zum Lesen kannte Darstellungsweise in einem Geschichts-
geschrieben. Er hat sie zu wahren Spielen mehre- buch für Jugendliche für gerechtfertigt, da sich
rer Kinder, nicht zum bloßen Lesen eines einzel- die Kinder am gerechten Verlauf der Geschichte
nen Kindes abgefasset« (Vorrede). erbauen könnten: »Wenn dies auch den Erwach-
Ein Lesebuch müsse vor allem leicht ver- senen nicht gefällt, so gefällt es doch der Jugend,
ständlich und »vergnüglich« zu lesen sein und die ich vor Augen habe« (Vorrede).
sich an dem Fassungsvermögen und Geschmack Zugleich fordert Reiche, »wundervolle Be-
der Kinder orientieren - nicht etwa an dem des gebenheiten« nicht in die Geschichtsdarstellung
Autors. Reiche erläutert daher die Notwendigkeit einzubeziehen bzw. sie zu bestreiten oder als na-
einer »sinnlich-konkretischen « Darstellungswei- türlich zu erklären, damit die Kinder nicht in Ge-
se durch »Definitionen«, die alle dem Kind noch fahr gerieten, Aberglauben und Vielgötterei u. ä.
unbekannten Begriffe durch einfache Umschrei- ohne Urteil zu übernehmen oder gar zu glauben.
bungen aus dem kindlichen Wortschatz ersetzt Schließlich wendet er sich gegen Fabeln als litera-
und die Dinge beschreibt, statt sie mit abstrakten rischen Stofffür Kinder. Er verlangt, daß der Kin-
Begriffen zu benennen. So soll z. B. der »durch derschriftsteller seinem Werk »eine wahre und er-
Abstrakta und durch Definita« bestimmte Satz: hebliche Geschichte zu Grunde lege; die Moral
»Was ist die Ursach hiervon?« ersetzt werden bey ihr anbringe, und die Begebenheiten um-
durch den »sinnlich-konkretischen«: »Woher ständlich, nicht aber kurz und kompendiarisch er-
kommt das?«, »du hast anjetzt Gelegenheit hier- zähle« (Vorrede). Die Fabel, zumal die Tierfabel,
zu« durch: »jetzt kannst du das leichter als sonst« bedeutet für Reiche eine Häufung von Unmög-
usw. (Vorrede). lichkeiten, die dem Kind, das sie durchschaut, für
Um Faßlichkeit des Ausdrucks und der Sa- die Wirklichkeit keine Lehren vermitteln könne.
che sowie Unterhaltsamkeit der Lektüre zu errei- Auch das Studium von Kompendien hält Reiche
chen, fordert Reiche vom Verfasser eines Kinder- für schädlich, weil das Kind den Stoffhierbei oh-
buches, »daß er nichts abdrucken lasse, was er ne Einsicht und Prüfung seines Wahrheitsgehalts
nicht vor dem Abdruck verschiedenen Kindem mechanisch erlerne. Daher wählt Reiche einen
vorgelesen und nach ihren Verstandes- und Ge- geschichtlichen Stoff, den er auf die intellektuelle
müthskräften abgeändert hat« (Vorrede). Der Fassungskraft und den Geschmack der Kinder
Autor betont, sich selbst beim Verfassen des Bu- abgestimmt zu haben glaubt.
ches eng an dieses Prinzip gehalten und den Maß- Entsprechend der dargestellten Konzeption stellt
stäben des jugendlichen Publikums absoluten Reiche nicht eigentlich die Geschichte Roms dar, son-
Vorrang vor seinen eigenen gegeben zu haben: dern er erzählt Geschichten von der Gründung Roms
»Ich strich aus, was mir gefiel, und ich setzte hin, durch Romulus und Remus bis hin zu den Zeiten des
was die Kinder gleich begriffen, was sie mir gleich Kaisers Augustus, wobei auch in starkem Maße antikes
wieder erzählten, und richtig wieder erzählen Sagengut mitaufgenommen wird. Wenn Reiche sich
konnten; was sie mit Vergnügen hörten u.s. w.« auch im wesentlichen an dem historischen Verlauf ori-
entiert, so greift er doch insbesondere die Episoden aus
(Vorrede).
der römischen Geschichte heraus, die ihm besonders
Bei der Wahl des Stoffes müsse der Kinder- »merkwürdig« und moralträchtig erscheinen. Dement-
schriftsteller besonders behutsam vorgehen. Ge- sprechend werden wichtige Begebenheiten völlig außer
genstände, die »den Verstand verwirren« oder Acht gelassen, für den historischen Verlaufunwichtige-
»böse Eindrücke auf die Seele machen«, müßten re Episoden dagegen ausschmückend geschildert.
sorgfältig vermieden werden. Zu diesen Seele und Dabei bemüht sich Reiche stets um eine »kindge-
Verstand der Kinder gefährdenden Gegenstän- mäße« Darstellung historischer bzw. für historisch ge-
den gehöre vor allem das, »was nah an die Aus- haltener Vorgänge und der Motive der handelnden Per-
schweifungen der Liebe gränzet«, durch dessen sonen. So heißt es z. B. über den Raub der Sabinerin-
nen: »In Rom waren nun aber freylich wohl ein König,
Darstellung der »Verstand gefesselt« werde und
und Rathsherren, und starke, dreiste Kerls genug, aber
wodurch die Jugend Kenntnis davon bekäme, noch fast kein einziges, oder doch nur wenige Weiber,
»was ihr mit Nutzen noch verhohlen werden soll- und das war schlimm. Denn wer sollte nun waschen?
te«. Auch die neutrale, d. h. »kaltblütige« Schil- wer sollte nun kochen? wer sollte nun das Haus rein hal-
derung böser Taten hält Reiche für gefährlich. ten? u. s. w. Männer geben sich mit solchen Dingen
Vielmehr sei der Kinderschriftsteller gehalten, nicht gern ab; und es hätte also recht herzlich schlecht in
das Laster nur »unter Bezug seines Abscheus« Rom sich müssen wohnen lassen, wenn dieses derge-
darzustellen und für die moralische Erziehung stalt geblieben wäre. Das erste derowegen, worauf der
der Kinder dadurch fruchtbar zu machen, daß er König Romulus hier denken mußte, das waren gewiß-
lich wohl die Weiber; aber, Kinder, da gings sehr wun-
die notwendige göttliche Vergeltung böser Taten
derlich bey her« (S. 19).
in der Geschichte aufweise. Wohl räumt Reiche Einen wichtigen Stellenwert nimmt die »Entmy-
ein, daß derartige Erklärungsversuche des Ge- thologisierung« von Elementen des antiken Sagenstof-
schichtsverlaufs spekulativ seien, da dem Men- fes ein. Nach der Darstellung der wunderbaren Rettung
schen das göttliche Wirken unerforschlich blei- des Romulus und des Remus durch die Wölfin heißt es
1031 Sachschriften 1032

z. B.: »Solche abscheuliche Menschen, die unschuldige Ausschmückung hinzuerfunden wurde. Wo und
Kinder um ihr Leben bringen, hat es freylich wohl gege- wann sich diese erbaulichen und »merkwürdi-
ben; aber daß eine Wölfin dies alles gethan haben sollte, gen« Begebenheiten abgespielt haben, ist im
das ist doch wohl zu viel.- Und Kinder, seht auch nur
Kern gleichgültig und nur daran erkennbar, daß
die kleinen Kinder, die noch gewickelt werden! sie müß-
ten ja verfaulen und umkommen, wenn die Mutter sie bisweilen eine Jahreszahl am Rand verzeichnet
nicht reinigte, und das kann doch wohl die Wölfin ist. Das Bemühen um kindgemäßes Erzählen
nicht!« (S. 3). Als Erklärung für die Rettung durch die führt paradoxerweise zu einer unhistarischen Ge-
Wölfin führt Reiche dann an, wahrscheinlich habe ein schichtsdarstellung: Alles Historische, Andersar-
Mannnamens Wolf die ausgesetzten Kinder an sich ge- tige, Besondere wird ausgeklammert, und so
nommen und seiner Frau zur Pflege übergeben: »Denn bleibt nur das »allgemein Menschliche« übrig,
wäre diese Wölfin aber eine sehr gute Wölfin gewesen. d. h. der zum Moralisieren Anlaß gebende Stoff.
Es wäre denn die lobenswürdige Frau des guten, barm- Die völlige Vereinfachung der Vorgänge und Ent-
herzigen Mannes gewesen, der Wolf genannt wurde.«
wicklungen, die zur weitgehenden Entstellung
(S. 4)
Vor allem bemüht sich Reiche, eine Erklärung für der komplexen Tatsachen führen kann, zeigt sich
das Entstehen der heidnischen Vielgötterei zu geben. Er am Beispiel der Charakterisierung des Augustus:
deutet die heidnischen Götter als Erfindungen der je- »Erthat anfangs sehr viel, was abscheulich, unge-
weiligen Machthaber, die z. B. einem Verstorbenen (den recht und grausam war. Er wurde aber nachher
sie wohlmöglich noch selbst haben beseitigen lassen) zu von Herzen gut gegen alle Menschen« (S. 470).
göttlicher Verehrung verhelfen, um ihre eigenen Macht- Indem sich Reiche bemüht, die Motive der Han-
interessen als Gebote der Götter ausgeben zu können delnden nicht nur dem intellektuellen Fassungs-
(vgl. S. 35 ff.). Ähnlich wird die Befragung der Sibyllini- vermögen eines siebenjährigen Kindes anzupas-
schen Bücher gedeutet: » Ihrwerdet hiernun freylich sa-
sen, sondern auch ausschließlich mit Begriffen
gen:- >Ey, die dummen Leute, sie durften ja diese Bü-
cher der Sibylle nur nehmen, und zusehn, ob das, was des kindlichen Erfahrungsbereichs zu erklären,
die Männer sagten, würklich auch drin stünde.< - Da werden die Motive der historischen Personen
muß ich euch aber sagen, das konnten sie nicht. Denn weitgehend auf die eines siebenjährigen Kindes
die Bücherwaren damals noch nicht gedruckt, sie waren reduziert (vgl. die Darstellung der Motive für den
bloß geschrieben; und da konnten also der König und Raub der Sabinerinnen).
auch die andern Männer bald herein schreiben, was sie Dieser Mangelläßt sich auch am Stil des Bu-
gethan oder nicht gethan haben wollten.« (S. 99) ches feststellen, dessen charakteristische Merk-
Reiches Werk zeichnet sich weiterhin dadurch male Reiche in der Vorrede benennt. Begriffe wie
aus, daß direkt moralische Lehren für den kindlichen
»Tugend«, »Pflicht«, »Weisheit« usw. werden
Lebensbereich gezogen werden wie z. B. anläßtich der
Schilderung der Kriege Roms mit seinen Nachbarge- nicht etwa durch leichtverständliche Definitionen
meinden: »Ihr könnt sehen, wie so sehr schlimm das ist, eingeführt, sondern überhaupt vermieden und
wenn man sich mit andern zankt« (S. 28). Der Verfasser durch Umschreibungen ersetzt, die die Bedeu-
scheut sich auch nicht, moralische Lehren für die Kin- tung der Begriffe unzulänglich vereinfachen und
der aus Begebenheiten zu ziehen, die mit ihrem Lebens- z. T. sogar verfälschen. Wenn etwa der Satz »sey
bereich keine direkten, sondern erst sorgfältig zu kon- weise mein Sohn« umschrieben werden soll mit
struierende Berührungspunkte aufweisen wie z. B. bei "denk immer: kann ich nicht noch etwas bessers
dem Mord der Senatoren an Romulus, der seinerseits thun", kann die Komplexität des Begriffs »wei-
seinen Bruder Remus getötet hatte: »Es kann[ ... ]
seyn, [ ... ] daß Gott ihn durch Übereilung strafte, weil er
se« wohl kaum hinlänglich ausgeschöpft werden.
durch Übereilung gesündiget hatte. Denn, Kinder, der Die rigorose Einengung des Wortschatzes, der
Mensch muß sich nicht übereilen[ ... ]. Von klein auf eben dem eines kleinen Kindes entsprechen soll,
müßt ihr also anfangen, ehe ihr was thut, zu fragen:- die Beschränkung der Syntax auf die einfachsten
wird auch Gott das gerne sehen? Denn, fragt ihr dieses Konstruktionen sowie das ständige Einflechten
immer, so übereilt ihr euch gewißlich nicht, und denn von Suggestivfragen (»lsts also nicht wahr, Kin-
gefallt ihr Gott, und werdet kluge und bedachtsame der, euch zittern eure Glieder, da ihr dies hört?«,
Menschen, und das ist euch eine Ehre, und die Men- S. 80), von Appellen und direkter Anrede an die
schen haben euch denn lieb, thun euch auch Gutes« (S. Kinder führen zu einem »kindertümelnden«
34).
Ton, der wohl dem tatsächlichen Stil kindlicher
Reiche will sein Kinderlesebuch in erster Li- Sprache damals ebensowenig entsprochen hat
nie »kindgemäß« und leicht verständlich schrei- wie heute: » Romulus war nun aber ein Mörder
ben. Doch die Reduzierung des Dargestellten und seines Bruders worden, und, Kinder, ists nicht
der verwendeten Begriffe auf das, was einem sie- wahr, das dünkt euch abscheulich? Ists nicht
benjährigen Kind bereits ohne Erklärung ver- wahr, nun habt ihr ihn auch nicht mehr lieb, und
ständlich ist, führt zwangsläufig dazu, daß sich nun wünschet ihr, daß er nun wieder todt geschla-
die römische Geschichte in eine Reihe unterhalt- gen würde?- Das glaube ich, daß ihr das wün-
samer Kindererzählungen verwandelt, zumal ein schet« (S. 16).
großer Teil des Erzählten nicht der historischen Vor allem bleibt aber fraglich, ob Reiche die
Realität entspricht, sondern Bestandteil antiken in seiner Vorrede genannten Absichten mit die-
Sagenguts ist oder vom Autor zur spannenden sem Werk tatsächlich erreichen konnte. Er hatte
1033 v. Schlözer, Vorbereitung zur Weltgeschichte, 1779 1034

ja gerade um der Moral willen die römische Ge- Iein« (S. II), die »weisse, niedliche, geschickte,
schichte zum Gegenstand seiner Unterhaltung und artige Europäerin« (S. 50) usw. wendet (ge-
und Belehrung ausgewählt. Aber »an diese Ge- meint ist seine Tochter Dorothea Schlözer).
schichte wird das Kind sehr oft erinnert, und kann Da Schlözer manches an der Vorbereitung
also der Moral nun wiedererinnert werden« (Vor- als zu schwierig für die jungen Leser erachtet, hält
rede). Tatsächlich scheint es eher unwahrschein- er die Unterweisung durch einen »geschickten«
lich, daß die häufig mittels Hilfskonstruktionen und »fleißigen Kinderlehrer« für notwendig:
eingeführte moralische Belehrung nach längerer »Ein solcher präparierter Lehrer wird nun, in der
Zeit überhaupt noch mit dem behandelten Ge- Lehrstunde selbst, I. dem Kind eine Reihe von
genstand in Verbindung gebracht, d. h. bei einer Sätzen, mündlich, aber lebhaft, ohne Buch, aber
erneuten Behandlung des gleichen Stoffgebietes in eben der Ordnung, wie die Sätze im Buche ste-
in reiferem Alter erinnert wird. Ebenso unwahr- hen, vorerzälen. Dann II. läßt er solche das Kind
scheinlich dürfte es sein, daß die manchmal nur in nacherzälen, und hilft ein, wo das Kind etwas aus-
Nebensätzen beiläufig angebrachten moralischen läßt, oder gar irrig erzält. Und dann erst 111. wird
Belehrungen später noch auf dieses oder jenes die Lection vom Kinde selbst, laut und nachden-
Thema der römischen Geschichte bezogen wer- kend, hergelesen: die versteckten Ideen werden
den. durch Ausfragen wiederholt, und die schweren,
Im gleichen Jahr erscheint - ebenfalls bei Wey- oder die nicht haften wollen, allenfalls durch Un-
gand in Leipzig - eine Römische Geschichte von H. M. terstreichen vor künftiger Vergessenheit gesi-
F. Ebeling über die Zeit von Augustus bis zum 15. Jahr- chert.« (Vorrede) Dort, wo Schlözer das Kind
hundert unter Einschluß der Geschichte Konstantino- trotz des Lehrervortrags für überfordert hält,
pels, die Reiches Konzeption vollständig übernimmt. empfiehlt er das Auslassen schwieriger Textstel-
Fälschlicherweise wird Ebeling von Baur ( 1790, S. 85 f.)
auch als Verfasser des vorliegenden Werkes genannt.
len: »Zehenjähriges Geschöpfe! das ist noch zur
Ba ur urteilt über beide Werke: »Unverständliches wer- Zeit zu hoch für dich. Warte, bis du 14 Jahre alt
den die Kinder gewiß nicht darin finden, man glaubt es wirst; dann kannst du hohe Politik, oder Ge-
mancher Zeile anzusehen, wie sorgfältig Herr Ebeling schichte der Menschheit, studiren. Bis dahin
die abstrakten, und ihm geläufigem Ausdrücke durch- überschlage alle folgenden Seiten bis zum 39sten
strichen und mit Umschreibungen verwechselt habe, die §.« (S. 66)
er der Begreiflichkeit der Kinder angemessener fand.
Dabei hat er seine Erzählungen mit moralischen Urthei- Ausgehend von seiner damals neuen These
len und Anwendungen auf die Kinder begleitet, und ob der notwendigen Verbindung von Geschichte,
er gleich zuweilen viel und falsch moralisiert, und durch Staatswissenschaft und politischer Wissenschaft
das Bestreben recht deutlich zu schreiben, in Tautologie verteidigt er sein Vorgehen, »Politik mit Historie
und eine verhältnißwidrige Weitläufigkeit verfallen ist, zu paren«: Es sei unnatürlich, »von Staten, Rei-
so wüßten wir doch Kindern, die eine gelehrte Erzie- chen, Königen, und Eroberungen einem Kinde
hung genießen sollen, und denen muß doch wohl die rö- vorzuschwatzen, das von Bürgerlicher Gesell-
mische Geschichte frühzeitig bekannt werden, nicht schaft, von Contrat Social, von Force publique &
leicht lehrreichere und zweckmäßigere Bücher in die
Händezugeben,alsdiese.« S./0. B.
C. nicht den allergeringsten Begriff hat! Sollte ein
Kind dieser Ideen durchaus nicht fähig seyn;
oder hielte mans für bedenklich, ein Kind schon
aus dem Stupor zu errütteln, in welchem Millio-
1779 nen alter Erdbürger sanfte schlummern und won-
niglieh träumen: nun - so lasse man es, zu seiner
August Ludwig von Schlözer (I 735-1809): Reihe und zur Ehre der Wissenschaft, mit der
Vorbereitung zur Weltgeschichtefür Kinder. Weltgeschichte lieber ganz ungeschoren.« (Vor-
Erster Theil. rede)
Göttingen 1779 Auch ist bemerkenswert, daß Schlözer - im
Gegensatz zu anderen Jugendschriftstellern- nir-
Die Vorbereitung zur Weltgeschichte ist ein Lehr- gendwo die Intention äußert, zur moralischen Er-
und Lesebuch für Kinder von mindestens zehn ziehung der Jugend beitragen zu wollen. Aus-
Jahren, »die schon einen beträchtlichen Vorrat drücklich greift er das Prinzip des »zudringlichen
geographischer Kenntnisse besitzen; schon Un- Moralisirens« an: »Nichts ist alten Lesern unleid-
terricht in der Religion, folglich auch in der bibli- licher, nichts jungen Lesern unnützer, als das un-
schen Historie, genossen haben; und durch alle zeitige Predigen in der Historie« (ebd.). Dies be-
diese Vorübungen bereits einer scharfen, wenig- deutet jedoch keinen Verzicht, aus der Geschichte
stens halbe Stunde lang ununterbrochen fortdäu- nützliche und notwendige Lehren zu ziehen:
renden Aufmerksamkeit, fähig geworden sind« »Aber solche moralischen Sätze, deren stärkste
(Vorrede). Das Buch ist offensichtlich für Jungen Beweise gerade in der Geschichte sitzen; die Sätze
wie für Mädchen gedacht, auch wenn der Autor von der natürlichen Gleichheit aller Menschen,
sich bisweilen direkt an das »junge gnädige Fräu- vom Glücke der Bürgerlichen Gesellschaft, vom
1035 Sachschriften 1036

Werthe der Erziehung, vom Unsinn der Intole-


renz, etc.: diese durft ich doch anbringen, erklä-
ren, so gar ans Herz und Zwerchfell legen, ohne
den Vorwurf zu befürchten, daß ich über das Re-
flexionenmachen das Histonsiren vergessen hät-
te?« (ebd.).
Schlözers Werk ist ))noch keine Weltgeschichte,
sondern nur eine politisch-historische >Vorbereitung<
dazu« (Vorr.); es ist kein Geschichtsbuch im eigentli-
chen Sinne, sondern befaßt sich vielmehr mit Anthropo-
logie, kulturgeschichtlichen und staatswissenschaftli-
ehen Fragen; es zeigt bestimmte Verlaufsstrukturen auf,
in die diekonkreten historischen Daten und Fakten spä-
ter eingeordnet werden können.
Das erste Kapitel behandelt entlang der biblischen
Schöpfungsgeschichte die allmähliche Entstehung der
heutigen Welt in Übereinstimmung mit dem göttlichen
Willen: Beschrieben werden das Entstehen des Wel-
talls, die Bedingungen für die Unterschiedlichkeil von
Klima und Fertilität sowie Flora und Fauna. Das Kapi-
tel endet mit der Erschaffung Adams, die auf etwa 4000
vor Christus angesetzt wird. Das zweite Kapitel be-
schäftigt sich mit den Veränderungen der toten und be- August Ludwig von Schlözer (1735-1809). Kup-
lebten Erde durch Klimawechsel, Überschwemmun- ferstich von H. C. Grape nach Simmer
gen, Pflanzenausbreitung, Tierwanderung usw. bis auf
den heutigen Tag.
Das dritte Kapitel bildet den Schwerpunkt des
Werkes, es behandelt die ))Veränderungen der Men-
stellungsweise und Stil. Schlözers Werk ist we-
schen« und erklärt, wie aus dem einen Adam durch Ver- sentlich durch den Entwicklungsgedanken ge-
mehrung, Völkerwanderung, unterschiedliche Klimata prägt: Er sieht eine ununterbrochene, stetig auf-
und Gegebenheiten eine so große und vielgestaltige steigende Linie der Entwicklung der niederen
Menschheit werden konnte. Drei Unterkapitel beschäf- Kreatur über den Urmenschen zum Vernunft-
tigen sich mit dem Entstehen der Gesellschaft, der Rolle menschen, den »seine Vernunft zu einem kleinen
der Erfindungen für die Entwicklung der menschlichen Gotte macht« (S. 17). Wenn auch einzelne Völker
Gesellschaft und dem Ursprung der Staaten, Reiche ihre kulturellen Errungenschaften wieder verlie-
und Regierungen. ren können, so bleiben sie doch der Menschheit
Das vierte Kapitel schließlich vermittelt einen
))Begriff der Weltgeschichte«: >>Die Veränderungen
insgesamt erhalten und tragen zum unaufhaltsa-
studiren, die die Erde, seit 6000 Jaren, erlitten hat, und men Fortschritt bei. Ein zeitweiliger Stillstand in
den Ursachen nachgrübeln, warum das eine Land so, diesem Aufstieg ist vielleicht denkbar, aber kein
und das andre so, geworden;- ferner, sich die Verän- Rückschritt. Antriebe zur kulturellen Entwick-
drungen erzälen lassen, die seit Adams Zeiten mit den lung sind entweder die nackte Not, die Sorge um
Menschen auf der Erde vorgegangen sind, und den Ur- die Sicherung der Existenz oder, auf einer höhe-
sachen nachforschen, warum das eine Volk dumm, ren Stufe, die Neigung des Menschen zu Bequem-
stark, und weis geblieben, das andere aber klug, klein- lichkeit und Luxus. Die einmal erworbene »Cul-
lich, oder schwarz geworden: - beides zusammen ge- tur ist ansteckend« : »so wie sie von Alten auf Jun-
nommen heißt mit Einem Worte, Weltgeschichte ler-
nen« (S. 106f.).
ge kommt; so kan sie auch von alten gesitteten
Im letzten Abschnitt der Vorbereitung zur Weltge- Leuten auf alte Wilde kommen, falls anders diese
schichte entwickelt Schlözer den Plan zur Fortsetzung nicht allzu steif sind, und Hopfen und Malz an ih-
des Werkes. In sechs ))Stationen« soll die )) Reise« nen verloren ist« (S. 64f.). Sowie »Wilde[ ... ]von
durch die Weltgeschichte verlaufen: Mit Adam begin- andern bereits gesitteten Menschen cultivirt«
nend, soll sie über Noah und die Sündflut, Moses, Cy- werden (S. 64), kultivieren sich Wilde »selbst ein
rus, ))Hiodowich, Mohämmed, Jamkjen, und Disabul, wenig« und »HalbCultivirte Menschen geben
vier sonderbaren Leuten«, zu Columbus und der neue- sich selbst eine noch höhere Cultur« (S. 65).
sten Zeit führen. Der 1806 erschienene 2. Teil mit dem Unter kulturellem Fortschritt versteht Schlö-
Untertitel /. Urwelt, bis zur Sündflut. Anfang der Din-
zer vor allem praktische Erfindungen und Er-
ge: mehr Raisonnement, als Geschichte umfaßt offen-
bar die ersten beiden ))Stationen« ; die übrigen Teile rungenschaften: »Erfundene Künste, oder ge-
wurden nicht verwirklicht. fundne Sätze, wenn sie in der Weltgeschichte den
hohen Namen der Erfindungen tragen sollen,
Schlözers Vorbereitung hebt sich in mehrer- müssen wichtig, und keine Quackeleien, seyn.
lei Weise von den üblichen historischen Werken Wer das Stricken, die Talglichter, Mülen, Schiffe,
für Jugendliche ab: durch die Geschichtsauffas- und Festungen erfunden habe; wann und wie die-
sung, die politischen Inhalte sowie durch Dar- se Sachen erfunden worden: da frage künftig flei-
1037 v. Schlözer, Vorbereitung zur Weltgeschichte, 1779 1038

ßig nach, das ist des Nachfragens und Behaltens bekümmert, sondern nur ißt und trinkt und
werth. Aber wenn das Filetmachen aufgekom- schläft und sich Plaisirs macht, übrigens aber alles
men? wer in Athen und Rom und Wien die ersten gehen läßt, wie es geht: der heißt auf französisch
Komödien gespielt? wer in der alten Welt die art- un Roi Faineant, zu deutsch eine gekrönte Schlaf-
lichsten Bilderehen aus Marmor gehauen, oder mütze. Von solchen Schlafmützen hängt alles voll
aus Holz geschnitzt? [ ... ]-Tochter, nach solchen in der Galerie der Weltgeschichte« (S. 97).
Lappalien frage mich nicht eher, als bis du nichts Schlözer beschreibt nicht den zu behandeln-
gescheuteres mer zu fragen hast« (S. 80). den Gegenstand, er referiert kein Sachwissen,
Auf politischem Gebiet vertritt Schlözer mit sondern entwickelt ein Problem Schritt für
Nachdruck den Gedanken der Gleichheit aller Schritt. In einer schrittweisen Argumentation
Menschen: »Junges gnädiges Fräulein! Dein werden Erkenntnisse, aber auch Begriffsfelder
Stammvater ist auch der meinige. Er heißt Adam, nachvollziehbar und verständlich gemacht.
nicht Hr. von Adam. Alle Königinnen sind deine Schlözer bemüht sich in seiner Darstellung beson-
Verwandte: aber - sei nicht stolz -, deine Magd, ders um größtmögliche Anschaulichkeit und um
das lumpichte Bette!Mädchen, und die schmieri- Vereinfachung komplizierter Zusammenhänge,
ge Hottentottin, ist es auch. Alle Menschen sind ohne sie dadurch zu entstellen. Vor allem die Kul-
Vettern und Basen zusammen: die Deutschen, die turgeschichte wird dadurch lebendig gemacht
Aethiopier, und die Kannibalen, wie die Franken, und dem kindlichen Vorstellungsvermögen ange-
die Sachsen, und die Baiern; die Taglöner, die paßt. Als Beispiel: »Es war eine Zeit, da alle Men-
Bauren, und die Bettler, wie die Welfen, die Habs- schen barfuß giengen. Nun war das unbequem
purger, und die Oldenburger. Folglich sind alle auf nassem Boden, aufheissem Sand, und spitzen
Menschen einander gleich. Das wissen viele gro- Steinen. Also fiel ein ExtraMensch darauf, sich et-
ße und kleine Leute nicht!« (S. 12). Daß Schlözer was unter die Fußsolen zu legen. Holz war zu hart.
in seinen Gleichheitsgedanken auch die Gleich- Tierhäute hielten nicht lange. Er erfand aber, Le-
berechtigung der Geschlechter einbezieht, zeigt der zu gerben, und es in eine bequeme Form zu
sich in seinem durchaus nicht üblichen Vorhaben, schneiden, und wieder zusammen zu nähen: d. i.
auch Mädchen in Gegenständen zu unterrichten, er erfand Schuhe. Das war ein Erfinder!« (S. 75).
die gemeinhin dem Unterricht für Knaben vorbe- Schlözers Stil ist originell und ironisch und
halten waren. An einer Stelle des Werkes, die sich wirkt an keiner Stelle schulmeisterlich belehrend
mit der Erwählung des Souveräns durch das Volk oder langweilig. Die Sprache ist kraftvoll und na-
auseinandersetzt, wird dieser Standpunkt beson- turwüchsig, häufig humorvoll. Auch bedient sich
ders deutlich: »es versteht sich, daß sie immer den der Verfasser bisweilen eines lockeren Plauderto-
ehrlichsten gescheutsten und resolutsten Mann, nes, so bei der Herleitung der Notwendigkeit ei-
oder auch die ehrlichste gescheutste und resolut- nes »GewaltRichters«: »Wo viel Kinder beisam-
ste Frau, dazu wälen« (S. 93). men sind, da giebts Zank: und wo viel Menschen
Mit beißendem Spott belegt Schlözer den beisammen sind, da giebts in die Länge auch
Adel und kritisiert die Zustände seiner Zeit. So Zank. Dort haut nun der Papa mit der Ruthe
vermerkt erz. B., ironisch gegen den Adel gewen- drein, und so wirds Friede. Wie aber, wenn sich al-
det, über das verschiedenartige Aussehen der te Leute unter sich, wenn sich ganze Familien mit
Menschen: »Einigen sieht man, ohne eine Phy- Familien, wenn sich gar 10 Haushaltungen auf
siognom zu seyn, die Dummheit und tierische Un- der einen Partei, mit eben so vielen auf der andem
achtsamkeit in den Gesichtszügen an: an dem Partei, balgen: wer kan da Friede machen? Nie-
blitzt der Witz und menschlicher Verstand aus mand. Also schlagen sich die Leute entweder
den Augen heraus. Vergleiche doch die Bildung lahm, oder gar todt, oder sie laufen aus einander:
einer walerzogenen deutschen Prinzessin, mit und da nimmt die Compagnie ein Ende mit
dem Gesichte mancher deutschen BaurenMagd, Schrecken« (S. 84f.).
und noch mer mit dem Portrait einer Tschuk- Schlözer versucht mit seiner Vorbereitung
tschin!« (S. 47). Und die Feststellung über die zur Weltgeschichte für Kinder inhaltlich wie for-
Verdrängung der wilden Tiere durch die Zivilisa- mal die Ansprüche zu verwirklichen, die er in sei-
tion gibt ihm Anlaß zu der Bemerkung: »Vor we- ner Vorrede zu Caradeuc de la Chalotais' Versuch
nig Jaren gab es noch Herren in Deutschland, über den Kinder-Unterricht (Göttingen und Go-
Liebhaber von Hüfthom, denen Wild lieber war, tha, 1771)- mit der er die »Unbrauchbarkeit und
als Untertanen; daher sie jenes hegten, und diese Schädlichkeit der Basedowschen Erziehungs-
plagten. Da wichen die Ietztern dem erstem aus, Projecte« (Untertitel) nachzuweisen suchte - an
und zogen nach Pennsylvanien, als in welchem die Kinderliteratur gestellt hatte: »Einem Kinde
Lande eine andre RangOrdnung ist, und ein Moral vordociren, und es moralisch machen, sind
Mensch vor dem Eber den Pas hat« (S. 39). Im himmelweit verschiedne Dinge. [ ... ] die Tugend
Zusammenhang der Erörterung über gute und lässet sich nicht lehren, sondern allein ausüben«
schlechte Regenten heißt es: »Aber ein Regent, (S. LXIX). »Die ganze Art, Kindem ohne Ge-
dem sein Amt zu lästig fällt, daß er sich um nichts schichte vorzumoralisiren, tauget nichts. Es ist et-
1039 Sachschriften 1040

wa so eine Arbeit, als wenn man sie Vocabeln oh- oder fünfzehnten« Jahr (Vorrede 3. T.). Für Kin-
ne Context lernen läßt. Aber Geschichten derge- der unterhalb dieser Altersgruppe sei das Buch
stalt vorzutragen, daß die Moral kaum durch- noch nicht geeignet; ihnen sei die Geschichte viel-
schimmert, und das Kind sie gleichwol selbst her- mehr nur in Form kurzer anekdotischer Erzählun-
ausgraben kan: das wäre ein pädagogisches Mei- gen zugänglich zu machen. Die Altersgrenze der
sterstück« (S. 254) »Er [Basedow] hat einen Hang Leser nach oben wird nicht streng gezogen. So be-
zur Terminologie, zu Kunstwörtern, und Abstrac- tont der Autor, daß sein Werk »nicht bloß für
tionen: wie wimmelt es davon [ ... ]! [ ... ]Gehäufte Kinder, sondern eben sowohl und noch weit mehr
Abstractionen sind wesentliche Vollkommenhei- für die Jugend überhaupt, oder auch für die Lieb-
ten einer Metaphysik: bei einem Kinderbuche haber der Geschichte in mancherley Ständen, sei-
sind sie ein ungesunder Ausschlag, der gleich dem ne Brauchbarkeit haben könne.«
ersten Blicke des Kenners den Unpädagogen ver- Schröckh erläutert die Konzeption seines
räth« (S. LXIIf.). Und zum Stil: »Ihm [Basedow] Werkes in bewußter Abgrenzung zu dem von ihm
feiet der Kinderstyl; eine unerhört schwere Sa- verfaßten Lehrbuch zur Universalhistorie: »Die-
che, dieblos die Natur giebt, und weder Anstren- ses Werk soll [ ... ] weder ein Lehrbuch der allge-
gung noch Gutmeinen erzwingt: ein naiver Styl, meinen Weltgeschichte, noch eine bloße Samm-
leicht und doch gedrungen, schön und doch unge- lung von Erzählungen aus derselben, auch kein
schmückt, präcis und doch nicht gelehrt, gedan- moralisches Exempelbuch, sondern eine gewis-
kenreich und doch erklärlich« (S. LXXIII). sermaßen zusammenhängende Weltgeschichte
Nach Köberle (1972, S. 157) fand die Vorberei- seyn, in der aber manche Personen weit genauer
tung zur Weltgeschichte unter allen Kinderbüchern beschrieben, viele Begebenheiten ungleich weit-
Schlözers die weiteste Verbreitung. Schmidt (1974, läufiger entwickelt werden, als es in einem kurzen
S. 93 f.) weist jedoch darauf hin, daß die Schlözerschen Lehrbuche nöthig ist: und zwar eben soche, die
Kinderschriften trotz oder gerade wegen ihrer an- für Kinder die einnehmendsten und lehrreichsten
spruchsvollen Konzeption im Vergleich zu unbedeuten- sind.« (Vorrede l. T.) »Kindern sollte hier vor-
deren Werken der Kinderliteratur relativ geringen Er- züglich das Fruchtbare der Geschichte an einzel-
folg hatten. Göhring(l904, S. 39f.) urteilt:» Einenganz nen Beyspielen gezeigt werden: sie sollen treffli-
eigenartigen Ton schlug die >Vorbereitung zur Weltge-
schichte< von Schlözer ( 1779) an, die durch Kraft und
che Männer und wichtige Weltveränderungen
Naturwüchsigkeit aus der so vielfach gezierten und ge- ganz überschauen lernen. [ ... ] Diese Beyspiele
künstelten, sogenannten Kindersprache hervorsticht. sollten jedoch nicht bloß als abgerissene Stücke
Dies Buch bestand aus originellen Abhandlungen von hingeworfen werden, sondern immer noch in das
seltener Freimütigkeit über die verschiedensten allge- Ganze der Weltgeschichte eingeflochten blei-
meinen Begriffe, etwa über die >Gleichheit aller Men- ben.« (ebd.)
schen<, über >Regierungsformen< u.s.f., welche aller- Obwohl die Erziehung zu moralischer Ur-
dings ebensowenig wie Thiemes und Raffs Bücher, ja teilsfähigkeit eine der Intentionen des Autors dar-
durch ihre feuilletonistische Form noch weniger als die- stellt, wendet er sich gegen die explizite morali-
se als Kinderlektüre gelten konnten. Man tut, alles in al-
lem gerechnet, somit am besten, all diese Bücher als
sche Belehrung im Rahmen des historischen Le-
mehr oder minder gelungene Versuche, aber auch nur sebuchs: »Allein da nichts dem Kinde so ge-
als Versuche zu betrachten, aus dem Lehrbuch eine schwind lästig werden kann, als das Moralisieren:
Spielart selbständiger Lektüre abzuzweigen.« so habe ich solches mit aller Vorsichtigkeit zu ver-
Als Begleitbuch zu Schlözers Vorbereitung zur meiden gesucht. Jeden Absatz mit einem Sitten-
Weltgeschichte erschien 1802 in Hildesheim ein Welthi- spruche anzufangen, oder aus jeder Geschichte
storisches Kinderlesebuch mit ausführlichen Erklärun- eine oder gar mehrere Lehren zu ziehen, ist ziem-
gen, Ergänzungen und Beispielen zu den einzelnen Pa- lich der gerade Weg dazu, Geschichte und Sitten-
ragraphen des Schlözerschen Lehrbuchs. Es sollte der lehre zugleich dem Kinde zu verekeln.« (ebd.)
Vor- und Nachbereitung des schulischen Anfangsunter-
richts in Geschichte dienen. 0. B. Moralische Schlußfolgerungen sollen durch die
Erzählung vielmehr nur nahegelegt werden, so
daß das Kind sie selbst erkennt; moralische Leh-
ren fließen aus der Erklärung der Ursachen und
Wirkungen einer Begebenheit, ohne noch einmal
1779-84 gesondert herausgestellt werden zu müssen.
Johann Matthias Schröckh (1733-1808): Besonderen Wert legt Schröckh darauf, daß
das Werk von Eltern und Lehrern als »Anweisung
Allgemeine Weltgeschichte für Kinder. zum Gespräche« mit den Kindern über die Ge-
4 Theile. schichte genutzt werden soll, wobei vor allem die
Leipzig 1779-84 zahlreichen Abbildungen als Anregungen ge-
dacht sind. Schröckh wendet sich gegen die dialo-
Schröckh wendet sich mit seinem umfangreichen gische Frage- und Antwortform der Geschichts-
Lehrbuch der Universalgeschichte an Kinder darstellung, die ihm nur im Gespräch, nicht in der
»vom achten oder zehnten bis zum vierzehnten Lektüre sinnvoll erscheint. Er verwirft auch die
1041 Schröckh, Allgemeine Weltgeschichte, 1779-84 1042

»vertrauliche, geschwätzige, und bisweilen sogar Textes illustrieren, sollen als Anregung zum Gespräch
spielende Kindersprache« als »Ton der Ammen- zwischen Eltern und Kindem über die Geschichte die-
mährchen«, die den Büchern für ganz kleine Kin- nen und »die Lust zur Geschichtebey ihnen [den Kin-
der vorbehalten bleiben solle. Zwar ist er sich der dem] erwecken und unterhalten helfen« (Vorr. I. T.).
Die Abbildungen haben jedoch nicht nur die Funktion,
Notwendigkeit kindgemäßer Darstellung be-
den Text zu illustrieren und auf diesen zu verweisen, der
wußt, doch glaubt er mit einem Buch nicht beleh- Künstler soll vielmehr »da anfangen, wo die Erzählung
ren zu können, wenn er sich auf die noch geringen des letzteren (des Schriftstellers) aufhört; mit ihm fort-
Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder beschränkt. arbeiten, oder ihn vielmehr übertreffen, indem er Geist,
(ebd.) Vielmehr strebt er nach kindgemäßer Dar- Leben und Leidenschaften weit anschauender und rüh-
stellung ohne Kindertümelei, indem er sich um ei- render darstellt, als es Feder und Worte thun können«
nen »leichten und faßlichen« Erzählstil bemühen (Vorrede I. T.)
will. Dabei ist sich Schröckh der Gefahr bewußt, Den Gegenstand der Kupfer stellen nicht in erster
die Kinder durch den umfangreichen Stoff zu Linie berühmte historische Begebenheiten dar, sondern
vorwiegend Szenen, die die Eigenschaften der Großen
langweilen, und strebt daher nach Abwechslung
anschaulich machen sollen, z. B. den heldenhaften Tod
in der Darstellungsweise: Auf längere, sehr viel eines Sokrates, Seneca oder Cato, die »Macht der Be-
Stoffumfassende Passagen sollen kurze Anekdo- redsamkeit des Cicero« oder die »Standhaftigkeit des
ten folgen; das Werk soll durch Dialoge aufgelok- Churfürsten von Sachsen [ ... ] bey Ankündigung des
kert und durch ausführliche Detaildarstellungen Todesurtheils<(. Daneben gibt es Motive aus der Kunst-
verlebendigt werden. und Literaturgeschichte, z. B. Correggio vor einem Bild
Raphaels oder Moliere in der Rolle des Eingebildeten
Den vier großen Teilen des Werkes stellt Schröckh Kranken. Der Autor selbst erläutert die Wahl der Ge-
eine »Vorbereitung« voran, die die Kinder in den Ge- genstände: »Vor allen Dingen wollte ich Kindem sol-
genstand einführen soll. Er beschäftigt sich darin zuerst che Begebenheiten vorzeichnen lassen, die ihre Wir-
mit der Frage nach dem Sinn der Beschäftigung mit Ge- kung auf das Herz derselben am wenigsten verfehlen
schichte (»I. Warum man Geschichte lernt?«) und be- könnten: ausnehmende Beyspiele von kindlicher Ehrer-
schreibt im 2. Kapitel die Welt und die verschiedenen bietung, Liebe und Gehorsam, strenger Erziehung,
Erdteile als den Schauplatz der Geschichte (»II. Die frühzeitigen tugendhaften Gesinnungen oder Fehlern
Welt((). Im folgenden Kapitel (»111. Die Menschen«) der Kinder[ ... ], Geschichten und Stellungen von gro-
entwirft der Autor seine Aufassung von der Natur des ßen Männem [ ... ], Erfindung von Gesetzen, Künsten
Menschen und legt seine Geschiehtsauffassung dar. und Wissenschaften, mit ihren herrlichen Früchten«.
Das letzte Kapitel (»IV. Die Zeiten(<) gibt schließlich ei- (Vorrede I. T.).
nen Überblick über die verschiedenen Epochen und die
»bedeutendsten« Völker der Geschichte. Geschichtsdarstellung ist für Schröckh die
Die Geschichtsdarstellung selbst gliedert sich in Darstellung der menschlichen Handlungen, die
zwei Hauptteile, die Alte und Neuere Geschichte; den
Einschnitt bildet die Geburt Christi. Die Alte Geschich-
te, die mit der Schöpfung der Welt beginnt, ist nach den
einzelnen »bedeutenden(< Völkern der Antike in neun
Bücher unterteilt. Die einzelnen » Nationalgeschich-
ten« stehen dabei recht unverbunden nebeneinander,
was Schröckh bewußt in Kauf nimmt, da es der Über-
sichtlichkeit der Gesamtdarstellung dient. Nach dem-
selben Prinzip ist auch der zweite Hauptteil, die Ge-
schichte nach Christi Geburt oder Neuere Geschichte,
gegliedert. Teil 2 behandelt die »Geschichte der Reli-
gion«, die allerdings aus dem Gesamtrahmen ein wenig
herausfallt, da sie nicht nur Religionsgeschichte, son-
dern auch Religionslehre vermittelt, und die Geschichte
der Juden und Römer (nach Chr. Geb.), der Araber,
Türken, Perser und Mongolen. Teil3 ist der Geschichte
der Deutschen vorbehalten, und Teil 4, der sich über
drei Bände erstreckt, beschreibt die Geschichte der übri-
gen abendländischen Nationen (I. Abschn.: italieni-
sche, französische, spanische und portugiesische Ge-
schichte; 2. Abschn.: Geschichte der skandinavischen
Völker; 3. Abschn.: russische, polnische, ungarische
und chinesische Geschichte).
Jedem Band ist eine Zeittafel angefügt, die die
wichtigsten politischen und kulturellen Daten der be-
handelten Völker enthält, die jedoch nicht, wie die Dar-
stellung selbst, nach Nationen gegliedert ist, so daß die
Daten der verschiedenen in einem Band behandelten
Völker miteinander abwechseln.
Die zahlreichen Kupfertafeln nach Zeichnungen Johann Matthias Schröckh (1 733-1808). Zeitge-
von Bemhard Rode aus Berlin, die einzelne Stellen des nössischer Kupferstich.
1043 Sachschriften 1044

»eine merkwürdige oder wichtige Veränderung


nach sich gezogen haben« (S. 19, 1. T.). Zusam-
menhänge sollen deutlich gemacht, nicht einfach
erbauliche Erzählungen gesammelt werden. Art
und Nutzen der wahren Geschichtsschreibung
besteht für ihn darin, »nur wohlgewählte und ge-
nau geprüfte, wichtige und lehrreiche Begeben-
heiten so zu beschreiben, daß man daraus sehen
könne, wie sie entstanden sind, und was sie für be-
trächtliche Veränderungen nach sich gezogen ha-
ben; daß man aber auch daraus die göttliche Vor-
sehung, die Menschen und sich selbst desto besser
kennen lerne« (S. 248, I. T.).
Schröckh ist um ein möglichst breites Spek-
trum des Dargestellten bemüht. Neben Begeben-
heiten und Taten der politischen Geschichte be-
schäftigt er sich eingehend mit der Kulturge-
schichte im weitesten Sinne, vor allem mit Kunst-
und Literaturgeschichte, daneben mit Erfindun-
gen, Fortschritten der Wissenschaft, Sitten, Ge-
setzen usw. Es fehlen »ausführliche Kriegsge-
schichten, künstliche Staatsveränderungen, Be-
schreibungen von berühmten Ausschweifungen
der Großen, und ähnliche Dinge« (Vorrede I. T. ).
Die Darstellung aller verschiedenen Berei-
che der Geschichte geht fast immer von derselben
Perspektive aus: Alle Begebenheiten werden als Der ChrtBt Iohann. Hl.Uif wird
Taten großer Persönlichkeiten beschrieben, die
aus einer ganz bestimmten »Nation« hervorge-
wegen. felru:.r 1\.eligi.onverbrmt.
hen, von ihr getragen werden und sie ihrerseits
prägen. Im Vordergrund steht dabei immer die Schröckh, Johann Matthias: Allgemeine Weltge-
moralische Beurteilung, wobei der Autor sich um schichte for Kinder. Th. 2. - Leipzig 1780 (Nr.
Ausgewogenheit und gerechtes Urteil besonders 819). Tafel4: Kupferstich von F. C. Krüger nach
ausdrücklich bemüht. Beinahe kein Herrscher, Rode.
kein dichterisches Werk, keine politische Tat wird
beschrieben ohne eine ausführliche moralische
Bewertung, wobei der Autor meist zuerst die Vor- Fehler verfallen« (S. 4, l. T.). Zu der moralischen
züge und Tugenden würdigt, um sie anschließend Funktion der Geschichtsbetrachtung tritt vor al-
durch Tadel der Schwächen und Laster wieder lem die religiöse: Man erkennt das göttliche Wir-
einzuschränken. Die moralische Qualität der po- ken, die Absichten, die Gott mit den Menschen
litischen Handlungen großer Männer tritt oftmals verfolgt. Dazu kommt schließlich die bessere Er-
vor ihre historische Qualität. So bleibt z. B. die kenntnis der Gegenwart: »Wenn wir die grossen
Darstellung des römischen Bürgerkrieges auf die Veränderungen kennengelernt haben, die in der
moralische Charakterisierung der Hauptakteure, Welt vorgefallen sind; so begreifen wir alles leich-
vor allem von Marius, Sulla und Caesar be- ter, was jetzt noch vor unseren Augen sich zu-
schränkt. Manchmal dient sogar die Schilderung trägt« (ebd.). Von dem utilitaristischen Stand-
historischer Vorgänge allein der Charakteristik punkt, den Schröckh noch in seinem Lehrbuch zur
der darin Handelnden. Die moralische Kritik, mit Universalhistorie vertritt, daß die Geschichte
der Schröckh sonst selten spart, versiegt aller- nämlich als »Vorrathshaus« nützlicher Ratschlä-
dings in den Kapiteln der deutschen Geschichte, ge für das tägliche Leben aller Stände zu betrach-
die sich mit den noch herrschenden Dynastien der ten sei, scheint er in der Allgemeinen Weltge-
deutschen Einzelstaaten befassen, obwohl der schichte weitgehend abzurücken.
Autor den Verdacht der Schmeichelei ausdrück- Schröckhs Geschichtsbild ist geprägt von
lich von sich weist (S. 541 f., 3. T.). seinem Bild des Menschen und dessen Bestim-
Die moralische Perspektive der Geschichts- mung. »Die Menschen sollten nach der Absicht
darstellung entspricht vor allem Schröckhs Auf- Gottes ein geselliges und gesellschaftliches Leben
fassung vom Sinn der Beschäftigung mit der Ge- zu ihrem allgemeinen Vergnügen führen[ .. . ]
schichte: Durch die Betrachtung der großen Ta- Gott und sich selbst immer mehr kennen lernen,
ten und Werke wird man »bald zur Nachahmung ihre Pflichten täglich besser verstehen und aus-
ermuntert, bald gewarnet, daß wir nicht in gleiche üben, solchergestalt an Weisheit unaufhörlich zu-
1045 Seybold, Mythologie, 1779 1046

nehmen, und eben dadurch sich zu einem noch stian Raff (Abriß der allgemeinen Weltgeschichtefür die
weit bessern Leben, nach dem Ende des gegen- Jugend und ihre Freunde, 1787-1792). Bertlein (1974,
wärtigen, vorbereiten.« (S. II f., l. T.) Zu diesem S. 19) zitiert den Brackhaus von 1830, der das Werk
Zweck habe der Mensch die Seele erhalten, die Schröckhs lobend erwähnt und bemerkt, es habe »Leser
aller Classen« gefunden. Nach Bertlein ist die Allgemei-
den Leib beherrsche, und die durch ihre Kräfte
ne Weltgeschichte »noch weit bis ins 19. Jahrhundert
Erfahrung, Verstand und Gewissen den Men- hinein als vorbildlich bezeichnet« worden. Auch in der
schen zur Erkenntnis Gottes und damit zu Tu- modernen Sekundärliteratur wird das Werk meist -
gend und Glückseligkeit befähigten. wenn auch mit Einschränkungen -lobend erwähnt. Vgl.
Die Geschichte stellt demnach eine Folge S. Köberle(l972, S. 155)und E. Schrnidt(l974, S. 56).
von Gelegenheiten für den Menschen dar, durch s.
die Nutzung seiner von Gott erhaltenen Anlagen
zur Vervollkommnung seiner Sitten und seiner
Religion zu gelangen. Die religiöse Vervollkomm-
nung der Menschen deckt sich mit dem Kultur- 1779
fortschritt, mit der Erringung bürgerlicher Frei- David Christoph Seybold (1747-1804):
heiten usw. Die Vervollkommnung der Menschen
Einleitung in die Griechische und Römische
muß jedoch kein ständig fortschreitender, unauf-
haltsamer Prozeß sein; die Geschichte zeige im- Mythologie der alten Schriftsteller für
mer wieder auch den Rückfall einzelner Völker Jünglinge mit Antiken Kupfern.
auf ungesittete, irreligiöse Kulturstufen. Den- Leipzig 1779
noch erkennt der Autor im Gesamtverlauf der Ge-
schichte eine Tendenz zum Fortschritt, die vor al- Der Verfasser wendet sich an die heranwachsen-
lem im Sieg der wahren Religion über Unfreiheit de männliche Schuljugend, um dieser eine mytho-
und GängeJung durch das Papsttum bestehe und logische Einführung in die Lektüre der antiken
die von den zivilisierten europäischen Völkern ge- Schriften zu geben. Die zahlreichen Quellenanga-
tragen werde. ben und Literaturverweise sollen zugleich »die Iit-
Schröckhs Lehrbuch, das auf eine Anregung terarische Kenntnis des Jünglings vermehren«
Weißes zurückgeht, ist durch eine insgesamt sehr (Vorrede). Mit den Kupfertafeln spricht er vor-
breite und ausführliche Darstellungsweise ge- rangig den »künftigen Künstler« an, »überhaupt
prägt, die hauptsächlich in der eingehenden Be- aber auch jeden andern, dessen Auge zur Kennt-
schreibung hervorragender Persönlichkeiten, ih- nis der Schönheiten der Kunst eingeweihet wer-
rer Werke, Taten und ihres Charakters besteht. den soll« (Vorrede).
Durch diese Art der Darstellung erfüllt Schröckh Seybold mißt dem Nutzen der Mythologie
weitgehend seine Forderung nach Anschaulich- im Schulunterricht besondere Bedeutung bei. Sie
keit und flüssiger Erzählweise. Eine Ausnahme ermögliche das Verständnis der antiken Denkmä-
stellt lediglich die Darstellung der deutschen Ge- ler und Bildsäulen sowie der Schriftsteller und ha-
schichte dar, die sich mit den verschiedenen deut- be- abgesehen von einigen »Ausschweifungen«
schen Einzelstaaten und deren Dynastien be- -eine »gute Wirkung auf das Herz des Jünglings«
schäftigt und die über weite Passagen hinweg zu (S. 3). Ferner mache sie den Einfluß der Religion
einer reinen Aufzählung von Herrschern und de- auf die Politik sichtbar und weise durch Schaf-
ren territorialen Gewinnen und Verlusten gerät fung von Nationalgottheiten auf die unterschied-
und so Schröckhs ursprünglicher Absicht wider- liche Denkungsart der Völker hin. Die zahlrei-
spricht. Seine Konzeption, Zusammenhänge chen Auszüge aus den antiken Schriften, die das
deutlich zu machen, wird jedoch in weiten Teilen Werk enthält, verfolgen das Ziel, »das Trokene,
des Werks nicht erfüllt, da die Persönlichkeitsdar- das dogmatische Bücher haben müssen«, zu ent-
stellungen zu unverbunden nebeneinanderste- fernen und den Jüngling mit den »grosen Genies«
hen. näher bekannt zu machen (Vorrede).
A. Merget (1882, S. 211) bezeichnet Schröckhs In der Vorrede setzt sich Seybold mit den »Mytho-
Werk als das eigentlich erste geschichtliche Buch, das logisten« auseinander, denen er ankreidet, sie hätten
»durchweg mit Rücksicht auf das jugendliche Ver- »die römische Mythologie mit der griechischen zu sehr
ständnis geschrieben ist«. Schröckhs neue, kindgemä- vermischt, und zu wenig bemerkt, was den Griechen
ßere Art der Geschichtsdarstellung fand offensichtlich und was den Römern eigen war«. So nimmt er eine
großen Anklang. Es wurde übersetzt ( Histoire universel- strenge Trennung zwischen beiden Religionen vor, um
le a l"usage de Ia jeunesse d'apres l'Allemand de M. ihren Ursprung und ihr Wesen deutlich zu machen.
Jean M. Schröckh, Leipzig 1786 und 1790/91) und be- Das Werk ist in fünf Abschnitte gegliedert, die in
arbeitet (Die allgemeine Weltgeschichte in Fragen und einzelnen Paragraphen das Wichtigste aus der antiken
Antworten. nebst beigefUgten nützlichen Anmerkungen Sagenwelt berichten. Nach einer ausführlichen Einlei-
zum Unterricht der Jugend nach dem Schröckhischen tung, in der er den Nutzen der Mythologie, die Neigung
Lehrbuch von H. W. Rotherrn und, Frankfurt und Leip- der Menschen zum Wunderbaren und die Gründe für
zig 1784). Darüberhinaus fand das Werk Nachahmer, die Götterverehrung zu erläutern sucht, beginnt Sey-
die sich auf Schröckh beriefen, vor allem Georg Chri- bold mit der Mythologie der Griechen, die den größten
1047 Sachschriften 1048

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Seybold, David Christoph: Einleitung in die Griechische und Römische Mythologie. -Leipzig 1779 (Nr.
846). Frontispiz von J. Nußbiegel nach Mietzsch

Raum einnimmt. Hier werden in zwei Abschnitten die ken Vorbildern, die Seybold lobend von den» Kamka-
»höheren Gottheiten« und die »Untergottheiten« be- turen im Pomey, Damm, Seeger« abhebt (Vorrede).
handelt, wobei weibliche und männliche Gottheiten ge-
Seybold rechnet zur Mythologie alles, »was
sondert erläutert werden (S. 19-260). Im dritten Ab-
schnitt behandelt der Autor die Heldensagen. Hierzu das Gottesdienstliche oder die Religion der alten
merkt er an, daß er eine chronologische Ordnung vorge- Völker betrifft« (S. 15). So dürfe sich das Studium
nommen habe, da die antiken Schriften häufig Anspie- der Mythologie nicht nur in der Kenntnis der ein-
lungen auf die Heroengeschichte enthielten, und er so zelnen Götter, ihres Ursprungs und ihrer Vereh-
zu ihrem besseren Verständnis beitragen könne. Derfol- rung durch die Menschen in den ältesten Zeiten
gende Abschnitt befaßt sich mit den »mythologischen erschöpfen, sondern müsse auch »Nachrichten
Fiktionen« und Verwandlungen und bringt Auszüge von denjenigen, die in spätem Zeiten, nämlich in
aus den Metamorphosen von Ovid (S. 405-464). Im letz- dem so genannten heroischen Zeitalter für mehr,
ten Kapitel wird schließlich in geraffter Form die My-
als gemeine Menschen, oder, wie man sie sonst
thologie der Römer behandelt, wobei Seybold auch auf
die Gottheiten eingeht, die Römer und Griechen ge- nennt, für Halbgötter gehalten wurden«, berück-
meinsam hatten. Um die Unterschiede zwischen römi- sichtigen, auch wenn diese keine besondere Form
scher und griechischer Götterwelt sichtbar zu machen, der Verehrung erhalten hätten (S. 15). So gibt Sey-
werden die Gottheiten unter ihren Nationalnamen ein- bold einen anschaulichen historischen Abriß des
geführt. heroischen Zeitalters vom Argonautenzug bis
Zur Anlage des Werkes führt Seybold aus, daß er zum Trojanischen Krieg.
»den Ursprung entweder dieser oder jener Verehrung, Den Ursprung der Götterlehre sieht Seybold
dieses oder jenes Festes aus der Geschichte der Mensch- zum einen in der »allgemeinen Neigung der Men-
heit, der Naturgeschichte der Länder, der politischen
schen, besonders der rohen, etwas Wunderbares
Geschichte abzuleiten« gesucht hätte. Im übrigen sei er
keiner systematischen Ordnung gefolgt, sondern habe
unter den gemeinsten Phänomenen der Natur zu
sie so eingeführt, »wie sie eine Beziehung gegen einan- suchen«, und zum andem in der »Ehrfurcht der
der haben« (Vorrede). Menschen vor alten Helden, Stiftern und Wohltä-
Das Werk enthält ein Frontispiz von J. Nußbiegel tern« (S. 4). Hier zeigt sich, daß der Verfasser wie
nach G . G. Mietzsch und zehn Kupfertafeln nach anti- die meisten seiner Zeitgenossen davon ausgeht,
1049 Campe, Kleine Seelenlehre, 1780 1050

daß die Götter eigentlich Menschen gewesen 1780


seien, die durch die mündliche Überlieferung ih-
rer besonderen Taten später zu Göttern erhoben Joachim Heinrich Campe (1 746-1818):
wurden. Die daraus entstandenen unterschied- Kleine Seelenlehre fiir Kinder.
lichsten Formen der Verehrung begründet er mit Harnburg 1780
der Klimatheorie, der Verschiedenheit in der
Denkungsart der Völker und mit politischen
Gründen. In der Vorrede hebt Campe hervor, »daß wohl
Seybold beschreibt die antike Götterwelt keiner von der Schädlichkeit einer frühreifen in-
stets mit Rückgriff auf die historischen Gegeben- tellektuellen Ausbildung der Kinder inniger
heiten und setzt sie in Beziehung zueinander. Um durchdrungen sein kann, als ich es durch Grund-
den Aberglauben der Griechen und Römer deut- sätze und Erfahrung bin« (S. 2). Ginge es allein
lich zu machen, gibt er der aufklärenden Darstel- nach ihm, so würde er vorschlagen, »daß man den
lung der religiösen Rituale, der Prophezeiungen eigentlichen zusammenhängenden Unterricht in
und Orakel besonderen Raum. Bei Behandlung der Religion und in der Sittenlehre bis dahin ver-
des Orakels von Deiphi weist er auf die Methoden schieben mögte, wo die Sele des Kindes zum zu-
hin, die angewandt worden seien, um Geheimnis- sammenhängenden Denken reif zu werden an-
se zu erfahren: »Die ersten Personen, die ihn [den fängt« (S. 3). Dies ist erst am Ende der Kindheit
Ankömmling] umgaben, waren wahrscheinli- bzw. am Beginn der Jugend der Fall. Eine solche
cherweise solche, die den Priestern ganz ergeben Position aber scheint Campe unrealistisch zu sein,
waren, die Geheimnisse des Fremden auszulo- weshalb er zu einem Kompromiß bereit ist: »So-
ken, und unter der Hand auch zu erfahren such- nach glaub' ich annehmen zu dürfen, daß auch
ten, ob er mit schweren Händen angekommen ist, der freieste Erzieher fremder Kinder nicht umhin
oder nicht« (S. 47 f.). könne, schon acht- bis zehnjährigen Kindem eine
Die Vermittlung der Götterlehre erfolgt in solche zusammenhängende Unterweisung in der
weitgehend referierender Form, durchsetzt mit Religion und Sittenlehre zu geben [ ... ]« (S. 4).
Auszügen aus den Dichtungen - vorzugsweise Die Seelenlehre ist nun für Campe die Vorberei-
des Homer und Vergil- z. T. in lateinischer und tung zu bzw. die erste Stufe eines solchen zusam-
griechischer Sprache, sowie Zitaten aus zeitge- menhängenden Religions- und Sittenunterrich-
nössischen Werken zur Mythologie und Ge- tes; so darf geschlossen werden, daß diese sich an
schichte. Ferner gibt Seybold den Jugendlichen Kinder etwa vom 7. bis 8. Lebensjahr an wendet.
Übersetzungshilfen, vergleichende Lektüreemp- Die an den Gesprächen teilnehmenden Kinder
fehlungen und weist in seinen Kommentaren auf werden altersmäßig zwar nicht exakt charakteri-
unterschiedliche Interpretationsansätze anderer siert; das jüngste von ihnen, Lotte, dürfte aber et-
Autoren zu einem bestimmten Thema hin. Die wa 6 Jahre, die ältesten schon über zehn sein. Da-
Mythologie enthält neben den Namen der Götter mit dürfte die Altersspanne des möglichen Adres-
und Allegorien und ihrer Bedeutung auch Erläu- satenkreises benannt sein.
terungen von Sachbegriffen, Beschreibungen der Idee und Absicht einer Seelenlehre entsprin-
wichtigsten Denkmäler und der Darstellung der gen bei Campe den Überlegungen und Entwürfen
Götter in der bildenden Kunst. Diese Vorgehens- zu einem religiösen Anfangsunterricht, die erst-
weise läßt die belehrende Funktion des Werkes mals in der Abhandlung Ueber den ersten Unter-
erkennen, die nicht nur auf die Mythologie be- richt in der Religion dargelegt sind. Dieser Auf-
schränkt bleibt, sondern gleichzeitig auf die Ge- satz wurde 1778 in den ersten Teil von Campes
biete der alten Sprachen, der Literatur und der Sammlung einiger Erziehungsschriften aufge-
schönen Künste übergreift. Da die Information nommen (S. 177-250). Hier findet sich denn auch
im Vordergrund steht, finden sich hier keine mo- der erste Entwurf zur Seelenlehre: Ausgangs-
ralischen Bewertungen der antiken Götterwelt punkt ist die deutlich von Rousseau entlehnte Re-
Seybolds Mythologie erfuhr bis 1797 vier Aufla- gel, daß die Kinder nur diejenigen Religions-
gen. Ba ur ( 1790) rezensiert das Werk nach der 2. Aufla- wahrheiten lernen sollen, die zu wissen sie ein Be-
ge 1784 sehr positiv: )) Dieses zweckmäßige Buch hat dürfnis haben und die zu wissen ihnen nützlich ist
unläugbare Vorzüge von allen seinen Vorgängern, und (T. 1, S. 232). Eine solche erste Religionswahrheit
empfiehlt sich auch durch seine angenehme Einklei- scheint Campe die »Selbsterkenntnis« zu sein
dung.« H. (vgl. T. l, S. 240). Was hier als erste Stufe des Re-
ligionsunterrichtes ausgegeben wird, liegt zwar
thematisch diesem noch voraus, stellt aber eine
notwendige und unverzichtbare Voraussetzung
dar: »Daß es aber schlechterdings nöthig sey, mit
dieser Selbsterkenntniß den Anfang des eigentli-
chen Religionsunterrichtes zu machen, wird nie-
mand läugnen, der da bedacht hat, daß man auf
1051 Sachschriften 1052

keine andere Weise, als auf dem Wege der analo- Grundsatz« ist der, »daß die vollkommenste Er-
gischen Schlußart, den Kindern irgend einen ziehung diejenige ist, welche alle psichiseben und
wahren und deutlichen Begriff von dem Wesen moralischen Anlagen des Leibes und des Geistes
des erhabensten Geistes beybringen könne; und der Kinder in dem besten Verhältnisse zueinander
daß sie daher nothwendig erst mit dem Wesen ih- gleichmäßig auszubilden sucht« (S. 6 f.).
rer eigenen Seele, als eines endlichen Geistes, be- Noch in einer anderen Hinsicht sollen die
kannt gemacht werden müssen, wenn sie von die- Gespräche »eine kleine augewandte Methodik«
sem auf das Wesen Gottes, als eines unendlichen sein: Sie wollen die verschiedenen »Mittel« prak-
Geistes, analogisch schließen sollen« (T. I, tisch vorführen, »um psichologische und morali-
S. 241 ). Wenn die Selbsterkenntnis solchermaßen sche Begriffe für Kinder aufzuklären und sie ih-
notwendige Voraussetzung der Gotteserkenntnis nen anschaulich zu machen« (S. 11). Campe
ist, muß die »Psychologie« der »Theologie« vor- spricht hier vier Methoden an: die bloße Worter-
ausgehen. klärung; die Veranschaulichung von Ideen in
Entsprechend ist die Seelenlehre als erste, »sinnlichen Vorstellungen« etwa unter Zuhilfe-
vorbereitende Stufe des Religionsunterrichtes nahme von Kupfertafeln; den Gebrauch von
konzipiert: » [ ... ] ein Inbegrif psichologischer wahren oder erdichteten Beispielen - besonders
Vorerkentnisse [muß] dem eigentlichen Religions- von solchen, »welche aus dem eigenen kleinen
unterrichte und der Sittenlehre vorgehen« (S. 6). Erfahrungsmagazine der jungen Kindersele
Im Unterschied zur Abhandlung wird hier die selbst hergenommen sind« (S. 12f.); schließlich
Seelenlehre lediglich nicht mehr als ein Teil des die sokratische Unterredung. Die erstgenannte
Religionsunterrichtes selbst gefaßt, sondern als Methode ist für Campe »die schlechteste und un-
eine Stufe, die dem »eigentlichen« Religionsun- wirksamste«, die letztgenannte »ohnstreitig die
terricht vorauszugehen hat. Dies ändert aber beste Methode von allen« (S. 12, 13). Dennoch
nichts daran, daß die Vorbereitung auf den Reli- hält er den Einsatz aller beschriebenen Mittel für
gionsunterricht die zentrale Intention der Seelen- sinnvoll (vgl. S. 11).
lehre darstellt. Hieraus erklärt sich denn auch, Die Vorrede gibt schließlich noch Hinweise
daß die moralische Belehrung bei der vorliegen- zum Gebrauch des Werkes: Die beigefügten Kup-
den Seelenlehre eine außergewöhnlich unterge- fertafeln, die teilweise nach denen des Basedow-
ordnete Rolle spielt und allenfalls eine Nebenin- schen Elementarwerkes angefertigt sind, sollen
tention der vermittelten Selbsterkenntnis dar- nicht eingebunden, sondern im » Lehrzimmer«
stellt. Der Bezug auf die Gotteserkenntnis verleiht aufgehängt werden (S. 14). Zudem sollen» Tabel-
solchermaßen dem Werk einen kontemplativen len« angelegt werden, auf denen die in jedem Ge-
Charakter: Die Erkenntnis der Seele wird zu- spräch erarbeiteten Begriffe und Definitionen
nächst um ihrer selbst willen vermittelt; sie steht verzeichnet werden sollen. Das Buch selbst soll
nicht unter dem Zwang moralischer Nutzanwen- seinem Charakter nach zwischen Lese- und Lehr-
dung. buch stehen (vgl. S. 14f.).
Zugleich möchte Campe mit dem Werk die
Das Werk ist in eine Rahmenhandlung eingeklei-
Anwendung und praktische Realisierung gewis-
det, die allerdings nur mit wenigen Zügen gezeichnet
ser pädagogischer Ideen demonstrieren, um auf wird: Eine »Gesellschaft kleiner Menschen« bittet den
diese Weise Muster für die erzieherische Praxis zu Vater um eine weitergehende Aufklärung über »ihre
liefern. Zunächst geht es ihm darum, mit den Ge- und anderer Menschen Selen« (S. 19f.). Es folgt die
sprächen eine Unterrichtungsweise vorzustellen, Wiedergabe von insgesamt 14 Gesprächen, die jeweils
die die verschiedenen Seelenkräfte der Kinder zu- an einem anderen Tag stattfinden. Die Größe der Ge-
gleich und gleichmäßig anspricht und aktiviert. sellschaft bleibt unbestimmt; aus einer Stelle (S. 211)
Der bisherige Schulunterricht wie auch die Lehr- läßt sich auf 16 bis 20 Personen schließen. Namentlich
bücher hätten »nur das Gedächtniß der Kinder in beteiligen sich allerdings nur sechs Jungen an dem Ge-
spräch. In der Einleitung wird » Lotte. die Jüngste unter
Wirksamkeit« gesetzt, die »übrigen Seelenfähig-
ihnen«, erwähnt; mithin befinden sich auch Mädchen
keiten« dagegen schlummern lassen (S. 8). Cam- in der Gesellschaft. Die Kinder bringen bereits gewisse
pe will »dies Uebergewicht des Gedächtnisses Voraussetzungen mit in die Gespräche: Sie haben
von Zeit zu Zeit unterbrechen, und etwas unter- »schon vor Jahr und Tag eben das von ihrer Sele ge-
schieben [ ... ], welches unmittelbar die übrigen hört [ ... ], was Lotte[ .. . ] in den Gesprächen mit ihrer
Selenkräfte, das Gedächtniß hingegen nur mittel- Mutter lernte [ ... ]« (S. 19). Angespielt ist hiermit auf
barer Weise beschäftigen möge.« Er denkt hier- den Versuch einer leichten Entwickelung der ersten Re-
bei an Übungen für den Verstand, die Einbil- ligionsbegriffe in sechs Gesprächen zwischen einer Mut-
dungskraft, den Witz und den Scharfsinn (ebd.). ter und ihrer Tochter, der im Anschluß an die o. g. Ab-
handlung in der Sammlung einiger Erziehungsschriften
Auf diese Weise sollen die »psichologischen Ge- abgedruckt ist (T. I, S. 253-298) und auch in Campes
spräche« Muster »von solchen, zur Beförderung ABC-Buch von 1778 aufgenommen wurde. Diese an 5-
des Gleichgewichts unter den Selenkräften der bis 6jährige Kinder gerichtete Schrift gibt eine erste vor-
Kinder angestelten, Uebungen des Verstandes« läufige Aufklärung über Körper und Seele, über Gott
sein (S. 9). Der dahinterstehende »pädagogische und über die Unsterblichkeit der Seele. Mit dieser
1053 Campe, Kleine Seelenlehre, 1780 1054

Schrift ist die wissensmäßige Basis bezeichnet, auf der Menschen. Zunächst wird zwischen dem »Affekt der
die Seelenlehre ihre weiterführende und zusammenhän- Freude« und dem »Affekt der Traurigkeit« unterschie-
gende Unterweisung ansetzt. den (S. 216ff.). Das 10. Gespräch (S. 220-235) beschäf-
Das erste Gespräch (S. 21-45) setzt an der Unter- tigt sich mit den Leidenschaften der Hoffnung (S. 221 ),
scheidung von Leib und Seele an, um das Wesen und die der Furcht (S. 224), des Schreckens und der Betäubung
Beschaffenheit der Seele zu ergründen. Im Unterschied (S. 227). Das Bild eines unerwartet großen Schreckens
zu allen anderen Dingen, die aus Teilen zusammenge- wird hierbei zu einem Gleichnis aller übertriebenen Lei-
setzt sind, sei die Seele ein »einfaches Ding, oderein ein- denschaften: »Da flieht alles Blut auf einmahl nach
faches Wesen« (S. 26), das nicht mehr teilbar sei. Als ihr dem Herzen, man wird blaß, oft ohnmächtig, oft gar
erstes Vermögen wird die Vorstellungskraft entwickelt vom Schlage gerührt. [ ... )Jeder Affekt ist schädlich, so
(S. 34). So ist eine erste Definition möglich: Die Seele bald er zu stark wird: wer also recht glücklich zu leben
»ist ein einfaches Wesen, das sich etwas vorstelt, und wünscht, der muß sich frühzeitig gewöhnen, seine Lei-
das sich seiner bewust ist« (S. 36). Anschließend wird denschaften zu mäßigen, damit sie nicht gar zu mächtig
auf die fünf Sinne eingegangen, die Werkzeuge, mit de- werden« (S. 229f.). Das II. Gespräch (S. 236-254)
ren Hilfe sich die Seele etwas vorstellt (S. 40). Das 2. Ge- zeigt, wie aus dem Instinkt der Liebe ein so starkes Ver-
spräch (S. 45-68) befaßt sich mit der Abstufung der Vor- langen werden kann, daß von einem »Affekt der Liebe«
stellungen der Seele nach Graden der Deutlichkeit: Un- gesprochen werden muß. Anschließend werden der Af-
terschieden werden die dunklen Vorstellungen, die kla- fekt der Sehnsucht, der des Mitleids und der der Bewun-
ren verworrenen Vorstellungen und die deutlichen Vor- derung vorgestellt.
stellungen. Zugleich wird ein erster Unterschied zwi- Die bisher behandelten Affekte stellen Leiden-
schen der tierischen und der menschlichen Seele gezo- schaften dar, die an sich gut und nur in allzu starker Hef-
gen: Die Tiere könnten nur dunkle und klare, niemals tigkeit schädlich sind. Die beiden folgenden Gespräche
aber deutliche Vorstellungen haben (S. 66). Das 3. Ge- behandeln nun die negativen Affekte, die schlechten
spräch (S. 69-95) handelt von der Vernunft als dem Ver- und bösartigen Leidenschaften des Menschen, die
mögen, Ursache und Wirkung zu erkennen, von der Ur- Campe als Krankheiten der Seele bezeichnet (S. 258).
teils- (S. 80) und der Schlußkraft (S. 92). Das 4. Ge- Das 12. Gespräch (S. 255-274) erörtert den Affekt des
spräch (S. 96-113) beschäftigt sich mit der Aufmerk- Hasses, den des Neides und den des Zornes. Das 13. Ge-
samkeit des Menschen, mit der Fähigkeit, Vorstellun- spräch (S. 274-295) behandelt aus der Reihe dernegati-
gen miteinander zu vergleichen. Das 5. Gespräch be- ven Affekte den Geiz und den Ehrgeiz bzw. die Ruhm-
handelt das Gedächtnis des Menschen, das von der Er- sucht. Der Anfang und die Ursachen dieser» Krankhei-
innerungskraft der Tiere unterschieden wird. Sodann ten« sieht Campe bereits in der Kindheit der von ihnen
wird das Empfindungsvermögen, die Fähigkeit, Ver- befallenen Menschen liegen: »Gemeiniglich wird der
gnügen bzw. Mißvergnügen bei gewissen Vorstellungen Grund dazu schon in der frühesten Kindheit gelegt« (S.
zu empfinden, thematisiert (S. 128). Im Anschluß hier- 267). ZumAbschluß des 13. Gespräches werden wieder
an wird die Einbildungskraft besprochen (S. 134): Wäh- positive Affekte thematisiert, die Affekte der Reue (S.
rend das Gedächtnis nur Vorstellungen überhaupt in 289) und der Scham (S. 292).
die Seele zurückrufe, seien es bei der Einbildungskraft Das 14. Gespräch (S. 296-314) handelt schließlich
Empfindungen, die evoziert würden (S. 135). Das 6. Ge- vom Tod und von der Unsterblichkeit der Seele. Hinge-
spräch (S. 138-155) geht zunächst auf die Phantasie als wiesen wird darauf, daß Christus den Menschen die Ge-
das Vermögen ein, sich etwas vorzustellen, was nicht ist wißheit vom Weiterleben der Seele gegeben habe (S.
(S. 142), und ordnet dieses Vermögen insbesondere den 299), dann aber nach Vernunftbeweisen gefragt. Hierzu
Dichtem, Malern und Bildhauern zu (S. 141). Sodann wird auf die Gestalt des Sokrates zurückgegriffen, um
wird das Begehrungsvermögen erörtert, nämlich die Fä- zu zeigen, wie dieser »durch bloßes Nachdenken er-
higkeit etwas zu begehren oder zu verabscheuen (S. fuhr[ ... ], daß seine Seele unsterblich sei« (S. 301). Der
144). Die Seele aber könne sich überlegen, »ob das Be- erste Beweis bezieht sich auf die Gerechtigkeit Gottes,
gehrte oder Verabscheute ihr nützlich oder schädlich der kein Gutes unbelohnt lassen könne ( S. 302 f.). Der
sei« (S. 148); sie kann sich also vom Begehrungsvermö- zweite Beweis bezieht sich auf den Charakter der Seele
gen unabhängig machen und nach Überlegung han- als einfaches Wesen, das sich nicht in Teile auflösen
deln. Dies macht ihren »freien Willen« aus, der den d. h. nicht sterben könne (S. 306ff.). Eine Schlußbe~
Menschen vom Tier unterscheide. trachtung zielt darauf ab, dem Tod alle Schrecknis zu
nehmen und ihn als Übergang in einen besseren Zu-
Doch kennt der Mensch auch Instinkte; mit ihnen stand zu begreifen. Hierzu wird als Bild die Verwand-
befassen sich die folgenden drei Gespräche. Das 7. Ge- lung der Raupe in einen Schmetterling herangezogen (S.
spräch (S. 156-17 5) behandelt zunächst den »Instinkt 311 ).
der Sinnlichkeit«, der darin besteht, »daß wir alle ange-
nehme sinnliche Empfindungen gern, und alle unange- Die Gespräche sollen unter anderem dazu
nehme sinnliche Empfindungen nicht gern haben wol- dienen, verschiedene Methoden intellektueller
len« (S. 165). Sodann wird der Instinkt der Selbsterhal- Unterweisung zu demonstrieren. Hierbei steht die
tung (S. 168) und der Instinkt der Neugierde (S. 173) sokratische Methode an vorzüglicher Stelle: Der
erörtert. Das 8. Gespräch (S. 176-20 I) beschäftigt sich behandelte Stoff wird nicht vorgegeben, sondern
mit dem Instinkt der Liebe. Anschließend kommen der
im Gespräch entwickelt, wobei sein intellektuel-
Instinkt der Dankbarkeit (S. 186) und der »Instinkt des
Mitgefühls, oder der algemeinen Menschenliebe« (S. les Erfassen stets eine aktive Eigenleistung der
198) zur Sprache. Das 9. Gespräch (S. 202-219) be- Kinder ist. Die Aufgabe des Vaters besteht ledig-
handelt als letzten Instinkt den der Nachahmung (S. lich darin, diesen Lemprozeß zu veranlassen und
204), um sodann zu einem neuen Themenkomplex zu steuern. Dies nimmt sich in der Seelenlehre fol-
überzuleiten: den Affekten und Leidenschaften des gendermaßen aus: Der Vater erzeugt eine Situa-
1055 Sachschriften 1056

tion, die eben das Seelenvermögen bei den Kin- den, »da die Leibnitzische Philosophie [ ... ] noch
dem in Gang setzt und aktiviert, um dessen Erör- ruhig auf ihrem unangefochtenen Throne
terung es ihm geht. Dann fordert er die Kinder auf saß[ ... ]« (S. XIV; zit.n.d. Ausg. 1830, Neue Ge-
zu bedenken, was sie gerade getan haben. Die samtausgabe, 8. Bdch.). In der Bestimmung der
Kinder beschreiben das, was in ihnen vorgegan- Seele als einem einfachen Wesen, die beim Un-
gen ist, und kommen zumeist auch selbst auf die sterblichkeitsbeweis am Ende des Werkes noch
begriffliche Bezeichnung des entsprechenden einmal aufgegriffen wird, ist der Bezug zur Leib-
Seelenvermögens; teilweise wird diese aber auch nizschen Monadologie nicht zu übersehen, wie
vom Vater eingegeben. Die Anlässe zu den Lern- denn auch die Perzeptionslehre und die damit zu-
prozessen ergeben sich nicht zwanglos aus dem sammenhängende Unterscheidung und Abstu-
Zusammenleben der kleinen Gesellschaft, son- fung von tierischer und menschlicher Seele Leib-
dern sind vom Vater bewußt inszeniert und wir- nizsches Gepräge tragen. Am ehesten schlagen
ken teilweise äußerst konstruiert. Dies aber ist sich in der ausführlich vorgetragenen Affekten-
notwendig, da es sich um eine zusammenhängen- lehre Einflüsse der jüngeren Popularphilosophie
de und systematische Unterweisung handelt, die nieder. In der Lehre vom Instinkt der Liebe und
sich nicht von situativen Zufällen abhängig ma- dem des Mitgefühls oder dem der »algemeinen
chen kann. Menschenliebe« (S. 198) darf ein Einfluß Rous-
In den Gesprächen kommen aber auch die seaus darin vermutet werden, daß diese Regun-
anderen, in der Vorrede benannten Methoden zur gen nicht erst im Bereich des moralischen Ge-
Anwendung. Die Worterklärung findet bezeich- fühls, sondern tiefer noch auf der Ebene der In-
nenderweise erst am Ende der Gespräche statt, stinkte angesiedelt sind und damit enger mit der
nachdem die Sache selbst bereits erarbeitet und an sich gutartigen menschlichen Natur verbun-
begriffen ist. Es werden Definitionen aufgestellt, den werden.
die auf Tafeln schriftlich festgehalten werden. Die Bindung des Werks an die » Leibnizsche
Die Methode anschaulichen Lemens kommt und Wolfische Seelenlehre« hat Campe später
durch den Einsatz der Kupfertafeln zur Anwen- selbst als eine Schranke angesehen, wie er in der
dung. Diese stellen zumeist Menschen dar, die o. g. Vorrede von 1807 festgestellt hat. Als veraltet
der gerade besprochenen Aktivität nachgehen erscheint ihm das Werk durch die Kautische Phi-
bzw. sich in dem entsprechenden Seelenzustand losophie, durch die »die Vernunftwissenschaften
befinden. Auf diese Weise wird die Betrachtung überhaupt, und die Seelenlehr insonderheit, be-
der eigenen Seele ergänzt durch die anderer Men- kanntlich eine gänzliche Umwälzung erfahren«
schen. Die in der Vorrede erwähnte Exempelme- hätten (S. XIII). Dennoch hält Campe eine Über-
thode kommt insbesondere bei Behandlung der arbeitung des Werkes nicht für erforderlich. Dies
Instinkte und bei der Affektenlehre zum Einsatz. ergebe sich aus dem sehr eingeschränkten An-
Zahlreiche Instinkte und Leidenschaften, deren spruch einer Seelenlehre für Kinder: »Sie maßt
didaktische Inszenierung kaum möglich oder, wie sich [ ... ] keineswegs weiter etwas an, als nur: die-
bei den negativen Affekten, nicht wünschenswert jenigen Begriffe aus der Seelenlehre auf dem We-
ist, werden durch Beispielgeschichten veran- ge der Eifahrung zu entwickeln, welche bei dem
schaulicht, die zumeist noch ihren Ausgangs- Zöglinge, als Vorbegriffe, vorausgesetzt werden
punkt von den bildliehen Darstellungen nehmen. müssen, wenn er irgend eines zusammenhängen-
Dem in der Vorrede gleichfalls geäußerten An- den und auf Vernuriftwahrheiten gegründeten Un-
spruch, eine Unterrichtsmethode zu demonstrie- terrichts in der Religion und Sittenlehre fähig wer-
ren, die verschiedene Seelenkräfte zugleich akti- den soll. Diese Vorbegriffe nun haben bei der
viert, kommen die Gespräche gleichfalls nach: So Umwälzung unserer Vemunftwissenschaften, so
werden bei der Behandlung von Urteil und viel ich merken kann, entweder gar nicht, oder
Schluß wie auch bei der von Witz und Scharfsinn doch nur insofern gelitten, daß der Sprachge-
sogleich eine Reihe von Übungen und Aufgaben brauch in Ansehung ihrer hin und wieder verän-
angehängt, anhand derer das jeweilige Seelenver- dert worden ist; und sonach ist der Inhalt dieses
mögen sich ausbilden und bewähren kann. So- Buchs, bei dem es auf jene Vorbegriffe nur allein
dann muß die sokratische Unterredung als eine angesehen war, größtentheils jetzt noch eben so
Methode angesehen werden, die den Verstand ak- wahr und noch eben so brauchbar, als er es vorher
tiviert und das Selbstdenken befördert. Für das war.« (S. XIVf.).
Gedächtnis sind lediglich die als Wiederholung
und Zusammenfasung angelegten Definitionen Das Werk hat 1786 die zweite, 1791 die verbesser-
gedacht. te dritte und 1799 bereits die fünfte Auflage erlebt und
zugleich zahlreiche Nachdrucke gefunden. Es wurde
Inhaltlich ruht die vorliegende Seelenlehre
1791 in die von Campe und der Braunschweiger Schul-
ganz und gar auf der Basis der Leibniz-Wolff- buchhandlung herausgegebene Allgemeine Schulenzy-
schen Psychologie. Dies bestätigt Campe selbst in klopädie aufgenommen. Samuel Baur ( 1790) spricht be-
einer von 1807 datierten »Vorrede zur dritten bis reits von einem »klassischen Buche«, das zeige, »wie
siebenten Auflage«: Es sei zu einer Zeit entstan- viel von der Logik, die freilich nichts anders, als Seelen-
1057 Hallisches Elementarwerk, 1780-92 1058

lehre sein sollte, der Jugend beizubringen nöthig und dacht ist (vgl. Bd. I, Vorrede, S. Vf.). Die schon
nützlich ist« (S. 71 ). Campe habe dies »auf eine schickli- in dem Untertitel deutlich werdende Bestimmung
che Art [ ... )durch mancherlei Dialoge geleistet« (ebd. ). für »künftige Studirende« unterstreicht Schütz
Köberle ( 1972) betont die vorbereitende Funktion der
noch einmal in der Vorrede seines Methodenbuchs
Seelenlehre für den Religionsunterricht. Allerdings
kann nicht behauptet werden, daß dieses Werk als Vor- fiir angehende Lerer die den ersten Cursus des
stufe zu dem Versuch eines Leitfadens beim christlichen Neuen Elementarwerks bei ihrem Unterrichte zum
Religionsunterricht von 1791 konzipiert worden sei (S. Grundelegen(Halle 1783). Es heißt dort, das Hal-
38 f.); der Versuch entstammt einer späteren Phase des lische Elementarwerk sei ausschließlich »zum Be-
Campeschen Werkes und beruht auf mehrfachen Ände- huf derjenigen Kinder« gedacht, »die, wie man
rungen seines religionsunterrichtlichen Konzeptes. E. im gemeinen Leben zu reden pflegt, akademisch
Schmidt (1974) sucht dagegen das Werk aus seiner Bin- studiren sollen« (Methodenbuch, Vorrede, S. V);
dung an den Religionsunterricht ganz herauszuneh- »künftige Künstler, Kaufleute und Officiere«
men. So bemerkt er zur Kleinen Selen/ehre: »Während
schließt Schütz dagegen »ausdrücklich aus der
viele Jugendschriftsteller der Zeit zum Erkennen der
Religion und zum Glauben anhalten und mahnen, Zahl derjenigen aus, für welche das Elementar-
strebte Campe an, daß die Kinder sich selbst und die werk bestimmt ist« (Methodenbuch, Vorrede,
Menschen kennenlernen und daß sie sich im Denken S. IX). Das Alter der Schüler setzt Schütz für die
üben« (S. 63). Diese Wertung der Schrift verkennt, daß achte, d. h. unterste Klasse mit acht bis neun Jah-
auch bei Campe die Selbsterkenntnis als Vorstufe der ren an; da das Hallische Elementarwerk Lehrbü-
Gotteserkenntnis angesehen wird und die Seelenlehre cher bis einschließlich zum vierten Kursus, also
als ein Moment des Religionsunterrichtes selbst begrif- der fünften Klasse umfaßt, ist das Werk somit für
fen wird. Eine ausführliche Würdigung erfährt das Schüler vom achten oder neunten bis zum elften
Werk bei Fertig (1977): Zunächst wird die Schrift als ein
oder zwölften Lebensjahr bestimmt.
bedeutendes Dokument für die von Campe entwickelte
sokratische Lehrart und Unterrichtsmethode gewertet »Die Veranlassung zur Herausgabe dieses
(S. 74-77). Als besonders charakteristisch für den »gei- Elementarwerks«, so Schütz, »hat der von mir für
stige[n] Ort des Verfassers« sieht Fertig das letzte Ge- das Erziehungsinstitut bei dem königl. Semina-
spräch an: Hier gebe nicht mehr Christus, sondern So- rium zu Halle entworfene Lehrplan gegeben«
krates ein Vorbild und Ideal ab (S. 77). E. (Bd. I, Vorrede, S. V). Dieser Lehrplan sieht ei-
nen achtjährigen Kursus mit täglich nicht mehr
als sechs Stunden Unterricht vor. Schütz emp-
fiehlt eine strenge Auswahl der Schüler in» Rück-
sicht auf Alter, Fähigkeit, Sitten, vorige Erziehung
1780-92 und Lerart« (Bd.l, Vorrede, S. VIII); die Schüler-
zahl soll nach Möglichkeit aufzehn begrenzt blei-
Neues Elementarwerkfür die niedem ben, um ein effektives Lernen zu gewährleisten.
Klassen lateinischer Schulen und Schütz entwickelt in seiner Vorrede einen aus-
Gymnasien. Nach einem zusammen- führlichen » Lectionsplan « von der achten bis zur
hängenden und auf die Lesung klasischer ersten Klasse mit jeweils sechs Lektionen, wobei
Autoren in den obern Klassen, wie auch auf jedoch nur in den unteren Klassen das Hallische
die übrigen Vorerkenntnisse künftiger Elementarwerkdie Grundlage des Unterrichts bil-
Studirenden gründlich vorbereitenden Plane. den soll, »da in den obem theils die klassischen
12 Bände (Bd. 1-11, 13). Hrsg. von Johann Autoren selbst gelesen, theils z. B. für die Historie,
nach jener gemachten Grundlage, die besten der
Salomo Sem/er (1 725-1791) und Christian
bereits vorhandenen Lerbücher, z. E. eines Schlö-
Gottfried Schütz (1 747-1832). zers und Schröckh, gebraucht werden müssen«
Halle 1780-92 (Bd. I, Vorrede, S. XVIII).
Durch seinen »Lectionsplan« will Schütz
Das Neue Elementarwerkfiir die niedem Klassen den Unterricht an Lateinschulen und Gymnasien
lateinischer Schulen und Gymnasien, im folgen- in eine systematische Ordnung bringen. Dadurch,
den nach seinem Erscheinungsort das Hallische daß »die verschiedenen Lektionen der nämlichen
Elementarwerk genannt, ist mit Ausnahme der Klasse durcheinander unterstützt« werden, hofft
geographischen Teile, die von Fabri stammen, Schütz, eine »parallele und positive Materialkon-
ausschließlich von Schütz verfaßt bzw. zusam- zentration« zu erreichen(» Nachricht von der bey
mengestellt; Semler hat nur seinen Namen gege- dem königl. theol. Seminarium zu Halle neuer-
ben. richteten Erziehungsanstalt, und den dabey zur
Das Hallische Elementarwerk ist ein umfas- Bildung geschickter Schullehrer und Hofmeister
sendes Unterrichtswerk »zusammenhangender, getroffenen Einrichtungen«; in: Magazinfiir die
einander unterstützender und vorbereitender Erziehung und Schulen besonders in den Preußi-
Lehrbücher für die untern Klassen« von Latein- schen Staaten, Bd. I, Teil3, Halle 1782, S. 67 ff.).
schulen und Gymnasien (Bd. I, Vorrede, S. Er betont, daß das Werk nicht immer »den gan-
XVIII), das auch für die Hofmeistererziehung ge- zen Vortrag für die Kinder«, sondern nur die Mar
1059 Sachschriften 1060

terialien enthalte, »die erst durch die sokratische Den ersten Teil des Lehrbuches bildet eine Samm-
Unterredung mit ihnen vollkommen anschaulich lung von zehn lateinischen Gesprächen (S. 1-118). Die
werden können« (Methodenbuch, Vorrede, ersten vier Gespräche und das sechste Gespräch be-
S. XXI); es enthalte daher lediglich » Auswal und handeln in einfacher und anschaulicher Sprache gefie-
derte Haustiere; die Stoffe sind den Scriptores rei rusti-
Anordnung der Materialien; wodurch dem Lerer
cae entnommen, so die ersten beiden von Varro und
ein groser Theil seiner Mühe erleichtert, und er in Columella. In einige Gespräche hat Schütz aesopische
Stand gesezt wird, desto mehr Fleis auf die schick- Fabeln aufgenommen. Das fünfte Gespräch »Lusus
lichste Bekleidung derselben im Unterrichte zu pignorum« ist in die Form eines Pfänderspiels gekleidet
verwenden.« (Methodenbuch, Vorrede, S. (Vorbericht, S. XXVIII). Der folgende Schülerwett-
XXIX). streit »Certamen scholasticum« in den Gesprächen sie-
ben bis neun »hat zur Absicht, durch eine Art von In-
Das Hallische Elementarwerk war ursprünglich duction den Kindern Begriffe von der eigentlichen Gel-
auf vierzehn Bände geplant; die Bände 12 und 14 er- tung der casuum in den nominibus beizubringen« (Vor-
schienen jedoch nie. Die Bände 9 und 13 bestehen je- bericht, S. XXVIII). Neben Gegenständen zur Natur-
weils aus zwei Teilen. Das Werk umfaßt die Lehrbücher wissenschaft, der Geographie und der Medizin werden
für die Fächer Latein, Geographie, Deutsch, Mathema- hier auch grundlegende Begriffe der Logik behandelt.
tik und Religion entsprechend dem »Lectionsplan« für Wiederum sind einige Stellen aus lateinischen Schrift-
die Klassen acht und sieben sowie die Lateinbücher für stellern (Phädrus, Gellius, Ovid, Livius und Cicero) auf-
die Klassen sechs und fünf. Die Bände werden im fol- genommen, die z. T. in Prosa aufgelöst sind (z. B. der
genden ihrem Inhalt nach beschrieben, wobei jedoch Ovid-Text S. 55). Nach einem längeren Abschnitt
insbesondere bei Textsammlungen darauf verzichtet »Grammaticalia« (S. 96-115) wird dieser Teil mit ei-
wird, eine eingehendere Inhaltsangabe zu liefern. nem Gespräch ))Pilae lusus« aus den Colloquiafamilia-
Band 1: In einem Vorbericht zum ersten Band ria des Erasmus beschlossen.
setzt sich Schütz ausführlich mit dem Sinn und Zweck
des Lateinlemens auf Schulen auseinander und erläu- Den zweiten Teil des Lehrbuchs macht eine
tert die Methode des Anfangsunterrichts. Er verwirft Sammlung von zehn weiteren Gesprächen aus, die ge-
das Lesen klassischer Autoren ebenso wie die Lektüre kürzt und leicht abgeändert ebenfalls den Colloquiafa-
»eigentlicher Chrestomathien«. Scharf grenzt er sich miliaria des Erasmus entlehnt sind (S. 119-151 ). Auch
von der philanthropischen Sprachlehrmethode ab: Das hier sind mehrere grammatikalische Übungen einge-
»Plaudern« mit Kindern sei »nicht nötig«, denn Latein schlossen. Darauf folgt ein )) Historiarum Verisimilium
sei eine tote Sprache; es sei zudem »nicht nützlich« und libellus« (S. 152-189), eine Sammlung kleiner morali-
)>nicht thunlich«, sondern vielmehr schädlich, denn scher Erzählungen. Die Stoffe sind entlehnt aus Bara-
»was für unbestimmte Begriffe werden die Kinder sich tiers Fahleset histoires possibles(l724), Weißes Kinder-
von tausend Dingen machen lernen, wie schwankend freund, Rousseaus Emile ou de /'education sowie aus
wird bei einem so umherschweifenden meist halbver- den Fabelsammlungen des Äsop und des Phaedrus, von
standenen Diseurs ihre Aufmerksamkeit werden, und Horaz und Gellius. Bei der nachfolgenden )) Fabularum
wie wenig werden sie zur Einsicht des Genius Sprache Aesopicarum collectio« (S. 190-208) handelt es sich
dadurch gelangen!« (Vorbericht, S. XXIV) Es bleibe ausschließlich um Tierfabeln, von denen 20 aus der
daher »also nichts übrig, als die ersten Anfänger eine Sammlung des Äsop, 13 aus der Sammlung des Phae-
Sammlung lateinisch geschriebner Stüke gehörig lesen drus und eine (S. 194 f.) von Horazentlehnt sind.
und interpretiren zu lassen, deren Innhalt ihrem Alter Im dritten Gesprächsteil (S. 209-224) werden in
und ihren Fähigkeiten angemessen ist« (Vorbericht, anschaulicher Weise zehn Handwerke geschildert, so
S. XXV). Am besten erfülle diesen Anspruch ein Lehr- u. a. die Gerberei, eine Schuster- und eine Kürschner-
buch, das solche Sachen enthalte, »die sinnlich sind, werkstatt, der Bau einer Getreide- und einer Ölmühle.
und leicht vors Anschauen gebracht werden können; Sodann wendet sich das Lehrbuch der Naturgeschichte
Sachen, die entweder den Kindern schon bekannt sind, zu (S. 229-295). Neben einer kurzen Darstellung der
oder mit Hülfe des Lerers ihnen leicht bekannt gemacht drei Naturreiche (S. 229f.) findet sich hier eine Be-
werden können« (Vorbericht, S. XXVI). schreibung von Vögeln und vierfüßigen Tieren. Der
Schütz legt Wert darauf, daß die Kinder nicht Band wird beschlossen mit »Grammaticalia«, dem In-
überfordert werden. Im erstenJahrsollen sie daher auch haltsverzeichnis sowie einem umfangreichen »Ver-
nicht mit stilistisch schwierigen Texten beschäftigt wer- zeichniß der sämtlichen lateinischen Stamm- oder Wur-
den, an Grammatik soll vorerst nur die Deklination und zelwörter« (S. 305-348).
Konjugation gelehrt werden. Das Lehrbuch soll kindge- Band 2: Der zweite Band des Hallischen Elemen-
mäß sein und von daher auch im)) Kinderstil« abgefaßt tarwerks trägt den Nebentitel M. J. E. Fabri's Elemen-
sein. Unter »Kinderstil« versteht Schütz »diejenige targeographie. In einer ausführlichen Vorrede geht
Schreibart, die für Kinder eines gewissen Alters von Schütz auf den Nutzen und die Methoden des Geogra-
dem Lerer one Mühe deutlich und nützlich werden phieunterrichts für achtjährige Kinder ein. Er hält einen
kann [sie]. Wenn Kinderimmer blos unter ihres gleichen solchen Unterricht sowohl für möglich als auch für nö-
sein, immer stammeln und kindisch plaudern sollten, tig. Als möglich bezeichnet er einen Unterricht »für ein
wie viel würden sie da wollernen? Müssen sie sich denn gewisses Alter«, »wenn er diesem Alter faßlich, und zu-
nicht auch im Umgange mit Erwachsenen bilden? Also gleich so angenehm und interessant werden kann, als
wird Kinderstil für achtjärige Kinder derjenige sein, der nöthig ist, um nicht die Aufmerksamkeit der Schüler ab-
keine verwikelte Perioden, keine schwere Constructio- zuschrecken« (Vorrede, S. VII). Dazu eigne sich beson-
nen, keine speculative Spizfindigkeiten enthält, und ders der Geographieunterricht, weil er »von allerley ih-
überhaupt nichts voraussezt, was für die Fassungskraft re Einbildungskraft anziehenden Merkwürdigkeiten
dieses Alters zu hoch wäre.« (ebd.) der Natur und der Kunst, von den gegen die Sitten ihres
1061 Hallisches Elementarwerk, 1780-92 1062

Orts so oft abstechenden Sitten andrer Völker in Absicht S. 311 ff. eine fast dreiseitige Schilderung der Zeremo-
der Kleidung, der Nahrung, der Wohnung u. s. w.« er- nien eines chinesischen Gastmahls. Zur Auflockerung
zähle (ebd.). Nötig sei der Geographieunterricht des- des ohnehin recht spannend vorgetragenen Stoffs flicht
halb, weil er für andere Fächer eine unabdingbare Vor- Fabri des öfteren Darstellungen merkwürdiger Curiosa
aussetzung darstelle, namentlich für den Geschichtsun- ein, z. B. die des Bleikellers in Bremen, ))WO man Lei-
terricht. chen von mehr als hundert Jahren antrift, die noch so
Schütz teilt im Gefolge J. C. Gatterers die Geogra- frisch sind, als wenn sie erst vor wenig Jahren beygesetzt
phie in Grenzkunde, Länderkunde, Staatenkunde so- wären« (S. 9).
wie Menschen- und Völkerkunde ein. Die mathemati- Band 3: Der dritte Band des Hallischen Elemen-
sche Grenzkunde eigne sich nicht für den geographi- tarwerks trägt den Untertitel Deutsches Lesebuch for die
schen Anfangsunterricht; die Kinder sollen sich ledig- unterste Klasse nebst den Anfangsgründen der deut-
lich »einige Kenntniß der natürlichen Grenzen durch schen Sprachkunst und Kinderlogik. In einer Vorrede zu
Meere, Seen, Berge, Flüsse« erwerben (Vorrede, S. XI). dem Band nennt Schütz drei Absichten, die er mit dem
Aus der Länderkunde sollen die wichtigsten Naturpro- Lehr- und Lesebuch verfolge: )) I. Die ersten Linien ei-
dukte und Naturerscheinungen gelehrt werden. Die ner Kinderlogik vorzuzeichnen. 2. Die ersten Anfänge
Staatenkunde soll- mit wenigen Ausnahmen hinsicht- deutscher Sprachkunst; und 3. eine Samlung von Bei-
lich Deutschlands - ganz ausgespart bleiben. Aus der spielen zum Lesen für achtjärige Kinder zu liefern«
Menschen- und Völkerkunde gehöre dagegen »für acht- (Vorrede, S. IV). In Hinsicht auf die ))Anfangsgründe
jährige Kinder hauptsächlich, was von der Lebensart der deutschen Sprachkunst« geht Schütz davon aus,
der verschiedenen Nationen im Essen und Trinken, in daß »die ersten Lerlinge einer Sprache nicht ganz one
Absicht ihrer Wohnung und Kleidung u. s. w. erzählt Grammatik gelassen werden« dürften und daß dies
werden kann. Von ihrer Religionsverschiedenheit, von auch für die Muttersprache zu gelten habe (ebd. ). Da die
mancher Völker Aberglauben u. s. w. in diesem Cursus deutsche Grammatik eigentlich schon ))aus dem gemei-
noch nichts« (Vorrede, S. XI). Der Geographieunter- nen Leben bekannt« sei und daher gleichsam nur ))Un-
richt soll seinen Ausgang im unmittelbaren Erfahrungs- ter Rubriken gebracht« zu werden brauche, könne man
kreis der Kinder, ihrem Aufenthaltsort nehmen, von in ihr bereits weiter vorangehen als in der lateinischen.
diesem Punkt aus sollen dann nach und nach die nähere Eben weil diese Methode so leicht für die Kinder sei,
Umgegend, der Kreis, das Land usw. behandelt werden. mache sie das ))gesamte Sprachstudium angenem«. Der
Schütz übernimmt hierbei die Grundgedanken aus Vii- philologische Unterricht müsse mit dem wissenschaftli-
laumes Abhandlung über die Methode des Geographie- chen Unterricht ))aufs engste« verbunden werden, da-
unterrichts für Kinder (in: Pädagogische Unterhandlun- her müsse man auch ))die erste Anleitung zum richtigen
gen, 2. Jg., 4. Quartal, Dessau 1778). Reden [ ... ] immer mit einer proportionirten elementari-
In den letzten Abschnitten der Vorrede referiert schen Anleitung zum richtigen Denken« verknüpfen
Schütz)) Von der Methode beym Vortrage neuer Lectio- (Vorrede, S. VI).
nen« (S. XVIff. ), über die )) Mittel, die Aufmerksamkeit In bezugauf den Lesebuchteil hebt Schütz hervor,
zu erhalten« (S. XX ff.), die ))Methode beyder Wieder- daß sowohl der Inhalt wie die Form mit den übrigen Tei-
holung«- hier betont er auch das spielerische Element: len des Elementarwerks ))in genauer Verbindung« stün-
Rätsel, Spiele und )) Lieder geographischen Inhalts« (S. den. Die Übungen der Schüler müßten auf dieser Stufe
XXVff.)- und ))Vom Gebrauche der Landkarten« (S. noch eingeschränkt bleiben auf ))richtiges Verstehen,
XXIXff.). Bevor die eigentliche Länderkunde unter- gutes Behalten, richtiges Lesen, und auf die Recht-
richtet wird, sollen die Schüler ungefähre Vorstellungen schreibung [ ... ]. Zu eignen Ausarbeitungen, auch von
von der Rundung und der Kugelgestalt der Erde erhal- der simpelsten Art, ist es im ersten Cursus noch zu früh«
ten und einen deutlichen Begriff vom Globus und von (Vorrede, S. VIII). Die einzelnen Lesestücke sollen je-
den Landkarten vermittelt bekommen. Großen Wert weils erst vom Lehrer vorgetragen und erläutert werden,
legt Schütz dabei auf eine richtige Einführung der Land- bevor sie die Schüler selbst vorlesen.
karten; vor allem soll den Schülern deutlich gemacht Entsprechend seinem Grundsatz, den philologi-
werden, wie sich die verschiedenen Maßstäbe zueinan- schen mit dem wissenschaftlichen Unterricht zu verbin-
der verhalten und welche Beziehung zwischen der Wirk- den, behandelt Schütz im ersten Teil des Deutschen Le-
lichkeit und ihrer künstlichen Darstellung existiert. sebuchs kombiniert die Logik und die Grammatik (S. 1-
Das von Fabri erarbeitete Lehrbuch versammelt 192). Der Stoffwird in siebzehn )) Lektionen« unterteilt.
auf 404 Seiten umfangreiche Materialien zur Länder- In den ersten vier Lektionen werden in bisweilen recht
kunde sämtlicher Erdteile. Am umfangreichsten ist der weitläufigen Dialogen Grundbegriffe der Logik und in
erste Teil zu Europa (S. 1-252); es folgen vier weitere einem zweiten Schritt die dazugehörigen grammatikali-
Abschnitte zu Asien (S. 253-324), Afrika (S. 325-355), schen Grundkenntnisse vermittelt. Die zweite Stufe be-
Amerika (S. 356-394) und Südindien (S. 395-404). schäftigt sich mit ))Thun und Leiden«. Die nächsten
Weitläufig werden jeweils Grenzen und Größe, Flüsse fünf Lektionen behandeln ))Größe und Kleinheit,« den
und Seen, Beschaffenheit, Produkte und Einwohner ge- ))Ausdruk des Grosen und Kleinen, besonders im Deut-
schildert. Während die politische Geographie nur den schen«, »Begriffe vom Ganzen und von Theilen« sowie
Gliederungsrahmen angibt und ansonsten keine weitere den ))Ausdruk der Zusammensezung und Theilung«
Erwähnung findet, liegt das Schwergewicht der Darstel- und ))Ort und Zeit«. Die folgenden drei Lektionen be-
lungen auf der ))Menschen- und Völkerkunde«; auch schäftigen sich mit dem Begriff der Wahrheit. Die letzte
die Landschaft wird mitunter sehr ausführlich beschrie- Lektion ist ausschließlich grammatikalisch. Sie hat die
ben. Außerordentlich umfangreich sind die Informatio- ))Constructionsordnung und Rechtschreibung in der
nen zu einzelnen Ländern und Städten. Ausführlich deutschen Sprache« zum Gegenstand. Schütz über-
geht Fabri ebenfalls auf die verschiedenen Sitten und nimmt in dieser Lektion weitgehend die von Klopstock
Gebräuche anderer Völker ein; so findet sich z. B. (Fragmente über Sprache und Dichtkunst, Harnburg
1063 Sachschriften 1064

1779 /80) aufgestellten orthographischen Regeln. In der Furcht und Mistrauen befallen werden, sobald sie den
Grammatik stützt er sich auf Fuldas Grnndregeln der Namen Buchstabenrechenkunst oder Algebra nur nen-
deutschen Sprache (Stuttgart 1778; vgl. Vorrede S. VI). nen hören« (Vorrede, S. 2).
Klingen die angeführten Themen der einzelnen Lektio- Schütz will in seinem Lehrbuch die arithmetischen
nen auch recht abstrakt, so darfhieraus jedoch nicht auf und geometrischen Sätze nach Möglichkeit gleich prak-
die Darstellungsform geschlossen werden. Teilweise tisch in Bezug auf die Mechanik, die Optik usw. anwen-
sind Schützens Ausführungen zu den einzelnen Gegen- den, um ihren Nutzen aufzuzeigen. Insbesondere sei es
ständen sogar recht amüsant zu lesen. jedoch nötig, bei jedem mathematischen Satz die Hypo-
Daß der erste Deutschunterricht gleichzeitig zur thesen von den zu erweisenden Sätzen deutlich zu unter-
Stilbildung der Kinder beitragen soll, wird exempla- scheiden und die jeweiligen Gründe zu erläutern.
risch deutlich an der vierten Lektion» Von der Beschrei- Schütz begründet dieses Verfahren damit, daß die Ma-
bung des Einzelnen und Allgemeinen«. Schütz liefert in thematik eine Denkschule für die künftigen Studieren-
diesem Abschnitt als »Beispiel einer zwekmäsigen Be- den sei: »Für künftige Studirende wär es übrigens nach
schreibung« einen Auszug aus G. T. Smollets Humphrey meiner Einsicht und Beobachtung mer schädlich als
Klinkers Reisen (3 Bde., Leipzig 1772), in dem ein engli- nüzlich, sie erst blos blindlings durch eine arithmetische
scher Landedelmann die Lebensart auf dem Lande mit und geometrische Praxis zu füren, ehe mann ihnen die
der Londons vergleicht (S. 87 ff.). Darauffolgt ein »Bei- Gründe erkläret. Für einen Handwerker mag das hin-
spiel einer ordentlichen Beschreibung, in der nichts vor- länglich seyn; da aber Studirende hauptsächlich, wenn
kömmt, was nicht zur Absicht gehöret«, in der ein Rei- sie auch nicht Mathematiker werden wollen, ihren Ver-
sender einige Merkwürdigkeiten beschreibt, die er in stand durch die reine Mathematik schärfen, und der
London gesehen hat (S. 93 ff.). Dem wird das »Beispiel Einbildungskraft dadurch einen Zaum anlegen sollen,
einer unordentlichen, und mit unnüzen Einschiebseln so geht man Umwege, und hindert diese gute Absicht
überladnen Beschreibung« gegenübergestellt, in der ei- selbst, wenn man rechnen, Figuren zeichnen, messen
ne betuliche Kammerjungfer den gleichen Sachverhalt läßt, one sogleich die Gründe davon anzugeben« (Vor-
mit tausenderlei Abschweifungen und etlichen Post- rede, S. 3). Deutlich ist in dem ganzen Werk der Ver-
scripten wiedergibt (S. 95 ff.). such, vom Einfachen, Elementaren schrittweise zu
Der zweite Teil macht den eigentlichen Lesebuch- schwierigeren Problemen überzugehen und den kom-
teil des Deutschen Lesebuchs aus. An seinem Anfang plizierten theoretischen Stoff faßlich und klar darzustel-
stehen »Beispiele von Beschreibungen einzelner Ge- len. Dazu tragen auch die immer wieder eingestreuten
genstände« (S. 193-259). Beschrieben werden Gärten Übungen bei, zu denen auch »Aufgaben zur Belusti-
in Spanien und den Niederlanden, die Gegend von gung« gehören. Zur Veranschaulichung der geometri-
Aschberg im Holsteinischen, der Ätna, die Insel Malta, schen Übungen sind dem Buch sieben ausklappbare
verschiedene Wasserfälle, ein See und ein Gebirge, der Kupfertafeln mit geometrischen Figuren beigegeben.
Scirocco in Neapel und Sizilien, die »schreklichen Band 5: Der fünfte Band des Hallischen Elemen-
Wirkungen eingeschloßner Luft«, das Erdbeben von tarwerks ist dem ersten Religionsunterricht vorbehal-
Lissabon 1755, das Fest der heiligen Rosalia zu Paler- ten, der sich nicht »blos auf Kenntniß der Naturund des
mo, eine sonderbare Wolkenerscheinung sowie die Menschen, sondern auch auf die Offenbarung« grün-
»ungereimte und lächerliche Einrichtung« des Palastes den soll (Vorrede, S. 3). Die Kenntnis Gottes aus der
des Prinzen von Palagonia. Natur und der Geschichte des Menschen soll daher mit
Diesem Abschnitt schließen sich die »Beschrei- der Kenntnis Gottes aus der Bibel »innigst« verbunden
bungen und Erklärungen allgemeiner Begriffe, von Ge- werden (Vorrede, S. 4). Gleichwohl will Schütz keinen
genden und Landschaften« »mit beigefügter Anzeige konfessionellen Unterricht erteilen, einerseits weil das
ihrer vomernsten Wirkungen auf das Gemüt« an (S. Elementarwerk sich für Schüler aller Konfessionen in
260-270). Hauptsächlich unter ästhetischen Gesichts- gleicher Weise eignen soll, andererseits weil ein solcher
punkten werden in diesem Abschnitt Ebenen, Höhen, Unterricht erst »für die reifere Jugend [ ... ) kurz vor der
Vertiefungen, das Wasser, das Meer, ein Landsee sowie Confirmation« bestimmt sei (Vorrede, S. 5).
Strom, Fluß und Bach beschrieben. Es folgen »Fabeln Der Religionsunterricht fiir den ersten Cursus,
und poetische Erzälungen« (S. 271-292). Schütz hat für oder die achte Klasse- so der Untertitel des Lehrbuchs
diesen Abschnitt neun Fabeln von Geliert, zehn von Ha- - besteht aus vierzehn Lektionen sowie einem als An-
gedorn und sechs von Lichtwer leicht bearbeitet. Darauf hang gedruckten Lesebuch. Die ersten sechs Lektionen
folgen 26 Sinngedichte von Christian Wemicke, sechs sind anthropologischer Natur. Sie behandeln den Men-
von Martin Opitz und zwei von Andreas Tscheming (S. schen innerhalb der Weltordnung sowie die Ähnlichkei-
293-300). Den Schluß des Bandes bildet ein »Anhang ten und besonders die Unterschiede zwischen Mensch
einiger Lieder und andrer versificirten Stüke geographi- und Tier (I. Lektion, S. 1-16), betrachten dann die
schen Inhalts« (S. 301-304). menschliche Natur und den Unterschied zwischen Leib
Band 4: Der vierte Band des Hallischen Elemen- und Seele. Es folgt eine Beschreibung des menschlichen
tarwerks trägt den Untertitel Mathematisches Lerbuch Körpers. In der vierten Lektion (S. 40-71) behandelt
fiir die achte Klasse, oder den ersten Cursus. In ihm Schütz die menschliche Seele, ihre Existenz, ihre inne-
werden von den vier Rechnungsarten die Addition, ren und äußeren Empfindungen, die Erinnerung und
Subtraktion und Multiplikation »mit ihren Gründen die Vorsehung. Die Seele des Menschen sei im Ver-
vorgetragen« (Vorrede, S. 1). Gleichzeitig bietet das gleich zu der des Tieres frei; dies äußere sich im Denken
Lehrbuch eine Einführung in die Geometrie und die Al- und Wollen des Menschen, der Vernunft (S. 60). Die
gebra, die Kindern, »da sie noch von keinem Vorurthei- Vernunft des Menschen zeige sich in seiner Fähigkeit
le, als ob sie unendlich schwer sey, dagegen eingenom- zum Urteil und zum Vemunftschluß. Die Freiheit des
men sind, weit leichter beizubringen« sei als Erwachse- Willens begründe die Sittlichkeit des Menschen; der
nen, »die, wenn sie darinn versäumt worden, von Mensch sei daher ein mit Vernunft und Sittlichkeit be-
1065 Hallisches Elementarwerk, 1780-92 1066

LIX.
.Faber lignarius. Dtr Simmamann.

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Horqo, lnis, btr !ltmfcf).
b 'i'&Ur Vitt'us, us , l>tf 1}Ullt,-
lttr tfftO«n; (5Jtll~tuna). . •
nunc !equltur aa fol~tt . Amrttus , us, bte ~tune.
dottikill'rlil& ejus. ~eUWJmangkft'clktt. (llciwnt).
· Primo habita· (!r11f4' n>oOnte I

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ln f~.q r. in ~a~lt~; 1. Specus, us, tltf ~~(!·
delnde in tabtrM· Ofnt.t~ tn L4ub~t-, Tabernactllum, 1, blc
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vel tuGIITI'is; 2. o~ esn-o~~tfm; 2· Tugurlum, i, bie e~
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tum etla üi ,,". Hn1l tu~ in c&tlel" Tentorlum, 1, bd t!ftt
torl& 1 ~ tn; 3· &tU:.
um ilotar- "'nt in l)cfufma. Domus, I , et us , bof
kt. !)er .;ot3lH&«rr \ ~·-·
filkt Otaa t
• I

Comenius, Johann Amos: Orbis Pictus. Die Welt in Bildern, in zwey und achtzig Abschnitte zum Gebrau-
che der kleinsten studirenden Jugend in den kaiserl. königl. Staaten zusammengezogen.- Wien: Trattner
1780 ( Nr. 205). LIX. Faber lignarius. Der Zimmermann. S. 120
1067 Sachschriften 1068

gabtes Wesen, und so stehe es ))auch in seiner Macht, Gründung von Staaten usw. sowie das Aufkommen der
das Gute oder das Böse zu wälen« (S. 66). Hiervon aus- Vielgötterei, die als Ursache der Sündflut gedeutet wird.
gehend entwickelt Schütz sodann die Grundzüge einer Im ganzen Abschnitt ist jedoch keinerlei Rede vom Sün-
Sittenlehre. denfall und der Vertreibung aus dem Paradies. Der
Die fünfte Lektion behandelt die ))überaus künst- Übergang vom paradiesischen Urzustand zu einem Zu-
liche Zusammenfügung« und Verbindung der Seele stand, in dem der Mensch zu harter Arbeit genötigt ist,
und des Körpers (S. 72-87). Die sechste Lektion wird von Schütz als Folge der natürlichen Vermehrung
schließlich liefert einen kausalen Gottesbeweis; sie ist der Menschen, nicht aber als Strafe Gottes ausgegeben.
betitelt ))Vom Ursprung des Menschen« (S. 88-104). Die dreizehnte Lektion setzt die physikotheologi-
Schütz gibt darin Auskunft über die Herkunft der Kin- sche Darstellung der Lektionen sieben bis neun fort. Ge-
der: ))Die Menschen sind aller erst kleine Kinder; die genstand ist die)) Weisheit und Güte Gottes, aus der Be-
Kinder werden im Mutterleibe erzeuget; und brechen trachtung der merkwürdigsten Thiere« (S. 193-252).
zu einer Zeit, wie das Küchlein aus dem Ei, so aus dem Die vierzehnte Lektion setzt den Stoff der ))histori-
Schose ihrer Mütter hervor; das heist, sie werden von ih- schen« Lektionen elf undzwölffort und beschäftigt sich
ren Müttern geboren« (S. 89). Wie der Mensch als Ein- mit dem Leben und der Lehre Jesu, des ))größten Le-
zelwesen, so schlußfolgert er, müßten auch die Men- rer[s] und Wohlthäter[s] des ganzen Menschenge-
schen als Gattung einen Ursprung, einen Schöpfer ha- schlechts« (S. 253-288). Das Leben Jesu wird in knap-
ben. Am Beispiel der Sinnesorgane wird dann erläutert, pen Grundzügen beschrieben. Gottes Absicht bei Jesu
daß dieser Schöpfer verständig und weise sein müsse; er Kreuzestod sei es gewesen, ))die göttliche Sendung
habe den ))menschlichen Körper gerade so eingerichtet, Christi zu bestätigen, seiner Lere merern Beifall zu ver-
wie ihn der Mensch zu tausendfachem Vergnügen schaffen, und unsre Hoffnung des künftigen Lebens da-
braucht« (S. I 02). Daher verdiene dieser Schöpfer Ver- durch zu befestigen« (S. 254). Auf einen kurzen Über-
ehrung. blick über die Bibel, die als Quelle erst an dieser Stelle
Die schon am Beispiel der Sinnesorgane und der eingeführt wird (S. 255), sowie über die christlichen
daraus resultierenden Weisheit des Schöpfers aufge- Feiertage (S. 256) folgt sodann eine knappe Zusammen-
nommene physikoteleologische Argumentation wird in fassung der vorzüglichsten Lehren Jesu (S. 256f.). Im
den Lektionen sieben bis neun fortgeführt. In der sieb- nächsten Abschnitt wird Jesus Christus als ))Unser Hei-
ten Lektion (S. 104-109) werden die weiteren Eigen- land und Erlöser« dargestellt, der die Menschen von der
schaften des Schöpfergottes hergeleitet. Die achte Lek- Sünde, der Furcht des Todes und der Furcht vor göttli-
tion (S. II 0-118) beschreibt die in der vorhergehenden chen Strafen befreit und erlöst habe. Bemerkenswert ist
Lektion gelehrten Eigenschaften Gottes in ihrer Einzig- auch an dieser Stelle, daß Schütz mit keinem Wort auf
artigkeit: Gott sei der Allmächtige, der Allwissende, der die Erbsünde eingeht und die Erlösungstat Jesu ledig-
Allergütigste, er sei nicht nur der Schöpfer, sondern der lich auf die vonjedem einzelnen Menschen begangenen
Erhalter der ganzen Welt. Sünden bezieht (vgl. S. 257). Der folgende Abschnitt
Die neunte Lektion leitet))Gottes Macht, Weisheit handelt von der ))Christlichen Lere von Gott«.
und Güte, aus der nähern Betrachtung des menschli- Nach einem Abschnitt über ))Christliche Gesin-
chen Körpers« her (S. 118-155). Auf der Basis dieses nung und Tugend« beschäftigt sich Schütz mit den Vor-
Gottesbeweises aus anthropologischer und physiko- zügen der christlichen Religion vor der jüdischen und
theologischer Sicht werden im zehnten Kapitel die kind- heidnischen Religion. Hatte Schütz auch in seiner Vor-
lichen Pflichten gegen Gott entwickelt (S. 155-165). rede betont, er habe sein Lehrbuch konfessionsunab-
Wie die Kinder sich gegen ihre Eltern dankbar, bittend hängig verfaßt, so geht er zwar nicht auf die Glaubens-
und lobend verhielten, müßten sie sich auch gegen Gott unterschiede zwischen den drei großen christlichen
verhalten. Hieraus schlußfolgert Schütz die Notwendig- Konfessionen ein, kann sich jedoch aus kirchenhistori-
keit des Gebets; anschließend werden mehrere Muster scher Sicht nicht einer Wertung enthalten: ))In der Fol-
von Gebeten als Beispiele vorgestellt (S. !57 ff.). Beson- ge [ ... ]behauptete doch der römische Bischof den Vor-
ders hervorgehoben wird die Sorge um die eigene Ge- zug; und ward nachher nicht nur ein Fürst, sondern
sundheit aus Dankbarkeit gegen Gott. maßte sich auch an, Kaisern, Königen und Fürsten zu
Die elfte und zwölfte Lektion werden von Schütz befelen. Dabei gewann die christliche Religion nichts;
selbst als )) historisch« bezeichnet; sie ))Sollen auf ein es wurden vielmer abergläubische und unchristliche
vernünftiges Studium der Bibel, und auf die Verbin- Gebräuche und Sazungen eingefüret.[ ... ] Die Haupt-
dung des eigentlichen Religionsunterrichts mit dem Un- verbesserung der christlichen Religion aber ist seit dem
terricht in der natürlichen Religion vorbereiten« (Me- J. 1517 in Deutschland durch D. Martin Luther, und in
thodenbuch, S. 195) und tragen den Titel ))Gottes Weis- der Schweiz durch Zwingli und Calvin, unter dem Bei-
heit und Güte aus der Geschichte der Menschheit« (S. stande vieler guten Fürsten und rechtschaffenen Geler-
165-192). Dargestellt wird die Geschichte der Men- len angefangen und ausgefüret worden« (S. 276 f.) Ein-
schen von Adam und Eva bis auf die Geburt Jesu. Es dringlich vermahnt Schütz seine Schüler zur Religions-
handelt sich dabei vor allem um eine äußerst geraffte toleranz (S. 297 f.). Es folgen ))Biblische Sittensprüche
Darstellung des Alten Testaments, das jedoch als Quelle und Gebete« (S. 281-288) und schließlich als Anhang
nicht genannt wird. Beachtenswert ist dabei die Verkür- eine)) Fortsetzung des im 3ten Theile angefangnen Lese-
zung des biblischen Stoffes um grundlegende Aussagen. buchs«. In diesen Teil hat Schütz fünfzehn Fabeln von
So schreibt Schütz z. B.: )) Die ersten Menschen, die Lessing mit Anmerkungen aufgenommen, zehn Fabeln
Gott unmittelbar erschuf, waren auch der Seele nach so und Erzählungen Gellerts (S. 304-314) sowie ))Ver-
gut, als sie immer sein konnten. [ ... ] Doch waren die er- mischte Stüke moralischen lnnhalts« (S. 315-331) mit
sten Menschen im Anfange ganz unschuldig.« (S. 167). Texten von J. J. Engel, Geliert und Bürger. Den Schluß
Geschildert werden dann das Entstehen von Viehzucht, des Lesebuchteils bilden sieben geistliche Lieder von
Jagd und Ackerbau, die Ausbreitung der Völker, die Geliert (S. 331-340).
1069 Hallisches Elementarwerk, 1780-92 1070

Band 6: Mit dem sechsten Band des Hallischen den zweiten Cursus, nebst der Fortsezung der deutschen
Elementarwerks, dem Lateinischen Lesebuch fiir den Sprachlere und Kinderlogik. Er verfolgt die Absicht,
zweiten Cursus oder die siebente Klasse, wird der zweite »theils die Scholaren ferner im richtigen Lesen und Ver-
Kursus für neun- bis zehnjährige Schüler eingeleitet. stehen deutscher poetischer und prosaischer Aufsätze
Gegenüber dem ersten Lateinbuch hat Schütz stilistisch zu üben, theils sie in den Grundsäzen der deutschen
schwierigere Lesestücke ausgewählt; man findet hier Sprache weiter zu füren, theils endlich sie durch Aufklä-
daher »weit mer tropische Redensarten, weit mer Wen- rung verschiedner logischer und psychologischer Be-
dungen, in denen der Genius der lateinischen Sprache griffe zu den Lectionen des folgenden Cursus vorzube-
weiter von der deutschen Sprache sich entfernet« reiten, und ihnen selbst den verständigen Gebrauch der
(ebd. ). Schütz weist darauf hin, daß es sich bei seinem übrigen Theile des itzigen zu erleichtern« (Vorrede, S.
Lehrbuch nicht um eine »blose Chrestomathie« hande- Ili f.).
le, dafür habe er die Texte zu sehr bearbeitet: »Wo ich Schütz betont, er habe keine Stellen aus Büchern
aus den Alten schöpfe, lasse ich alles weg, und ändere ausgewählt, »die für die eigne Leetüre der Kinder, wo-
alles, was sich auf römisches Altertum bezieht; denn da- bei sie der Beihülfe eines Lerers wenig oder gar nicht be-
zu ist in diesem Cursu die Vorbereitung nicht gemacht, dürfen sollen, geschrieben sind«; vielmehr gehe er da-
und die Autoren sollen erst in höhern Classen selbst ge- von aus, daß »die Campischen Kinderbücher, das Des-
lesen werden. Ich ändere ferner alles, was in der Stelle sauische Lesebuch, der Kinderfreund etc. den Eltern
des Alten, die ich benuze, durch die bessern Kenntnisse oder Lerern zehnjäriger Kinder, die dereinst auf Akade-
neuerer Zeiten falsch befunden worden« (Vorrede, mien studiren sollen, bekannt genug, und zur Unterhal-
S. IV). tung derselben in solchen Nebenstunden, die die nötige
In Fortsetzung der Gespräche des ersten Kursus Pflege des Körpers nicht besezt hat, durch ihren Wert
beginnt das Lehrbuch mit sechs Naturschilderungen in hinlänglich empfohlen« seien. Stattdessen wolle er ge-
Gesprächsform (S. 1-23). Darauf folgt eine Beschrei- rade angesichtsder Tatsache, daß junge Leute zwar »die
bung des Bierbrauens von Philipp Melanchthon (S. neuesten Schauspiele, lyrischen Gedichte, Romane,
23-28). Beschlossen wird der erste Abschnitt mit drei one Unterschied ihres Werts« begierig verschlängen, ei-
Gesprächen aus den Colloquia familiaria des Erasmus nen Haller, Hagedorn oder Geliert jedoch kaum dem
(S. 28-41). In Form der BriefeCicerosan Atticus sind Namen nach kennten, die Schüler mit den »ältern uns-
die fünf» Epistolae ad familiarem « (S. 41-46) gehalten; rer guten Dichter« bekanntmachen (Vorrede, S. IVf.).
ihnen folgen zwei Szenen aus den Lustspielen des Plau- Im ersten Teil des Lesebuchs werden wiederum
tus, Trinummusund Aulularia(S. 47-87). Den nächsten kombiniert Logik und Grammatik, in fünfzehn Ab-
Abschnitt bildet das erste Buch »de officio dei et rerum schnitte unterteilt, abgehandelt. Die ersten Abschnitte
natura sermonum ac dialogorum« (S. 88-134), in dem beschäftigen sich mit )) Aenlichkeit und Verschiedenheit
schon bekannte Gegenstände aus dem vorhergehenden der Dinge in der Natur« (S. 1-6), der» Erkenntniß der
Kursus der Religion abgehandelt werden. Themen sind Aenlichkeit und Verschiedenheit in der Natur oder der
die Gestalt und Vollkommenheit des menschlichen Gattungen und Arten« und dem »Ausdruke der Aen-
Körpers. Auf dieser Grundlage wird Gottes Weisheit lichkeit und Verschiedenheit, besonders im Deutschen«
und Güte aus der »Natur der Dinge« geschlußfolgert; (S. 14-47); die weiteren Abschnitte handeln »Von ver-
zwei weitere Kapitel vergleichen die Stellung des Men- knüpften Begriffen und den daher entstehenden Ver-
schen mit der der Tiere(» De conditione pecudum et ho- wechslungen des Ausdruks« (tropische und figürliche
minis«). Quellen für diesen Abschnitt sind Cicero, Cel- Ausdrücke, S. 48-50) sowie von der Empfindung
sus und Lanctantius. (»Vom Ursprung der Empfindungsbegriffe«, S. 51-85;
Der nächste Abschnitt liefert das erste Kapitel ei- »Vom Ausdruke der Empfindungen, besonders im
ner »Topica puerilis« (S. 135-179). Behandelt werden Deutschen«, S. 85-90; »Von Empfindungsurtheilen,
nicht nur die einzelnen Gliedmaßen des Menschen, son- und deren Audruk«, S. 91-119). Der achte Abschnitt
dern auch die Schönheit des Körpers, die Kleidung, die behandelt »Erste Begrife von Meinung, Wissenschaft
Bewegung des Körpers und einzelner Glieder, Stimme und Glauben« (S. 120-136), der neunte den Ausdruck
und Gestus des Redners, Ruhe und Schlaf, Knochen- »der Urtheile in Säzen« (S. 137-143).
verletzungen und innere Organe des menschlichen Kör- Die nächsten drei Abschnitte setzen die fünfte
pers. Den Schluß dieses Abschnitts bilden einige grund- bzw. neunte und zehnte Lektion des ersten Lesebuchs
sätzliche »Praecepta diaetetica«. Im Wesentlichen ori- fort. Derzehnte und elfte Abschnitthandeln »vom deut-
entiert sich Schütz bei der Auswahl derTexte an Celsus; schen Ausdruke des Thun und Leidens, oder von Zeit-
die Abschnitte über den Redner sind Quintilian ent- wörtern« (S. 143-163); im zwölften Abschnitt beschäf-
nommen. Es folgen erneut zehn Dialoge; sie handeln tigt sich Schütz erneut mit »Gröse und Kleinheit, und
vom Schnupfen, der Spürkraft der Nase, vom Wind und deren Ausdruck«, behandelt werden die Zahlwörter (S.
seinem Nutzen, beschreiben die Nützlichkeit des Was- 163-168). Die letzten drei Abschnitte sind rein gramma-
sers, vergleichen Wasser mit Luft und beschäftigen sich tikalischer Natur, wobei sich Schütz in vielen Punkten
mit Regen, Schnee, Eis und Hagel (S. 180-192). Das auf Adelungs Deutsche Sprachlehre ( 1781) bezieht, oh-
» Variarum historiarum libellus« (S. 193-239) liefert im ne siejedoch zu kopieren (vgl. Vorrede, S. Vf.). Die Ab-
Anschluß daran einen Abriß der alten Geschichte von schnitte sind betitelt »Erste Gründe der deutschen
den Tagen Nimrods bis auf den Tod Alexanders des Wortfügung« (S. 169-191), »Von der Wortfolge im
Großen. Darauf folgen erneut einige »Fabulae aesopi- Deutschen« (S. 191-203) und »Von der deutschen Aus-
cae« (S. 240-256) aus dem Phaedrus. Das Lehrbuch sprache und Rechtschreibung« (S. 204-224).
wird mit ausführlichen ))Grammaticalia« (S. 257-328) Zu Beginn des eigentlichen Lesebuchteils steht
beschlossen. Hallers Gedicht »Die Alpen«, wobei Schütz mehrere
Band 7: Der siebte Band des Hallischen Elemen- Strophen ausgelassen hat, »die für dieses Alter zu
tarwerks trägt den Untertitel Deutsches Lesebuch fiir schwer, oder ihm nicht interessant zu machen sind« (S.
1071 Sachschriften 1072

225, Anm.). Dem Gedicht ist ein längerer Kommentar Sehens-und » Merk«würdigkeiten. Größeren Raum hat
beigegeben, der einzelne Wörter, besonders aber Meta- Fabri in diesem Teil allerdings der politischen Geogra-
phern und tropische Redensarten erklärt (S. 225-253). phie eingeräumt. Der Aufbau des zweiteiligen neunten
Darauf folgen zwölf Fabeln und Erzählungen Licht- Bandes folgt im einzelnen dem ersten Band des Geogra-
wers und zehn von Gleim (S. 254--277). Den nächsten phieunterrichts: Auf die Behandlung Europas (S.
Abschnitt bilden elf als Gedichte bezeichnete Idyllen 1-540)- Schwergewicht bildet hier erneut die Geogra-
Salomon Geßners (S. 278-300), gefolgt von einer »Be- phie Deutschlands- folgt die Asiens (S. 541-660), Afri-
schreibung verschiedner Arten von Gegenden« sowie kas (S. 661-702), Amerikas (S. 703-756) und Südin-
der »Beschreibung eines Wintertages bei trokner Käl- diens ( =Australiens; S. 757-766).
te« und der Beschreibung dreier Insekten von Charles Band 10: Der zehnte Band mit dem Untertitel Re-
Bonnet (S. 30 1-318). Zwei moralische Gedichte » Epi- ligionsunterricht .fiir den zweiten Cursus ( 1784) ist in
stel eines Vaters an seinen kleinen Son an seinem Ge- zwei von der Länge her sehr unterschiedliche Abschnit-
burtstage« von Göckingk und »An die Hoffnung« von te aufgeteilt. Der erste ist betitelt »Geschichte des Men-
Bürger beschließen den Band. schen« (S. 3-223), der zweite »Lebensgeschichte Jesu«
Band 8: Der achte Band trägt den Untertitel Ma- (S. 223-276). »Die Geschichte des Menschen« behan-
thematisches Lehrbuch for den zweiten Cursus. Zu Be- delt in dreizehn Kapiteln die Geschichte von der Er-
ginn liefert Schütz eine Einleitung in die Division (S. schaffung der Welt bis auf die Tage des Kaisers Augu-
1--49) und die Bruchrechnung (S. 50-67). Der dritte Ab- stus. Quellen sind dafür Antoine Yves Goguets De l'ori-
schnitt vermittelt »Begriffe von Verhältnissen und Pro- gine des lois, des arts et des sciences, et de leurs progres
portionen« (S. 68-78), der vierte die Grundkenntnisse chez /es anciens peuples (dt.: Untersuchungen von dem
der Dreisatzrechnung (S. 78-92). Im fünften Abschnitt Ursprung der Gesetze, Künste und Wissenschaften, 3
»Von Verwandelung und Ausrechnung der Figuren« Teile, Lemgo 1760--62), außerdem Homer, Herodot
(S. 93-127) wird der Unterricht in der Geometrie fortge- und vor allem das Alte Testament. Das Alte Testament
setzt; u. a. wird ausführlich der Lehrsatz des Pythagoras wird als glaubwürdige historische Quelle benutzt, aller-
entwickelt (S. 119ff.). Im sechsten Abschnitt wird die dings im Sinne von Semlers historisch-kritischer Bibel-
Dreisatzrechnung fortgeführt (S. 127-152), und der exegese stark rationalistisch interpretiert.
achte Abschnitt liefert erneut» Vorübungen in der allge- Das erste Kapitel behandelt die >>Mosaische Be-
meinen Rechenkunst« (S. 152-170), u. a. im Gleichnis- schreibung der Schöpfung« (S. 3-22). In Fortführung
rechnen. Schütz betont dabei jedoch, »daß vor izt die des Unterrichtsstoffes der siebten und achten Lektion
Lerlinge noch nicht eigentlich lernen sollen, Aequatio- des ersten Religionslehrbuches wird Gott als der einzige
nen aufzulösen, sondern daß hier nurdie Absicht ist, sie Schöpfer der Welt dargestellt. Dabei hat für Schütz die
in der Buchstabenrechnung zu üben« (S. 170, Anm.).- in der Bibel geoffenbarte Wahrheit nicht daher Autori-
Auch diesem Band sind drei ausklappare Kupfertafeln tät, weil sie Gottes Wort darstellt, sondern weil sie der
mit geometrischen Darstellungen beigegeben. menschlichen Vernunft entspricht. So heißt es bei ihm:
Bände 9,1 und 9,2: Der neunte Teil des Hallischen »Mann hat auch keine Ursache, diese Erzälung in Zwei-
Elementarwerks enthält das geographische Lehrbuch fel zu ziehen. Denn fürs erste sind die Nachrichten Mo-
für den zweiten Kursus, erneut von Fabri verfaßt »Die sis von der Schöpfung vernünftiger, als die Nachrichten
Menge der Materialien«, so schreibt Schütz in einer andrer alten Geschichtsschreiber, und verdienen also
Vorrede, habe »Anlaß gegeben, diesen Theil in zwey auch mehr Glauben als diese. Zweitens stimmt auch mit
Bände abzutheilen« (Vorrede, S. IV). In der Tat ist das dieser Nachricht dasjenige am meisten überein, was wir
Lehrbuch äußerst voluminös: der erste Band hat allein aus andem Geschichtsschreibern von der Ausbreitung
334, der zweite gar 432 Seiten. Schütz begründet diesen der Menschen auf dem Erdboden wissen« (S. 16).
Umfang mit den Worten: »Da nun ausser dem Lerbu- Gleichzeitig warnt er davor, diese Auffassung von der
che, in welchem alte und neue Geographie verglichen Entstehung der Welt absolut zu setzen.
wird, kein weiteres geographisches in den Plan des Ele- Im zweiten Kapitel »Erster Wohnplaz der Men-
mentarwerks gehört, so sind hier merere Nachrichten schen« (S. 22-25) beschäftigt sich Schütz mit dem Sün-
aufgenommen worden, als in einem Jare Kindem beige- denfall, den er als »eine blosse poetische Vorstellung,
bracht werden können; ein Ueberfluß, der nicht blos wie sie Moses etwa aus einer alten Sage geschöpft haben
unschädlich, sondern vielmer dem Lerer nüzlich ist, um mochte«, bezeichnet (S. 23). Die Geschichte vom Sün-
desto eher eine Auswal nach den Bedürfnissen seiner denfall sei in keiner Weise buchstäblich zu verstehen;
Schüler treffen zu können; auch das Buch zugleich für So etwa sei das von Moses berichtete Gespräch der
einen wiederholten Cursus brauchbar macht« (Vorre- Schlange mit Eva eine »Fabel«, eine »nüzliche Erdich-
de, S. III f.). Auch könnten die beiden geographischen tung, darunter eine moralische Lere verborgen liegt« (S.
Lehrbücher für den ersten und zweiten Kursus »als eine 23), vielleichtjedoch »auch nur alte Sage«. Die Vertrei-
vollständige Kindergeographie« von denen genutzt bung aus dem Paradies sei nur gleichnishaft zu verste-
werden, die nicht das gesamte Elementarwerk zu benut- hen; »unmöglich« könne es sich dabei um eine Strafe
zen wünschten (Vorrede, S. IV). handeln, da »die Menschen bei ihrer weitem Verme-
Die beiden Teilbände bringen, vom Material her rung nicht alle in diesem Paradiese« hätten bleiben kön-
allerdings stark vermehrt, den gleichen Stoff wie schon nen (S. 23). Ebenso falsch sei die Auffassung, Gott habe
das Geographiebuch für den ersten Kursus; auch hier die Menschen durch sein Wort: »Im Schweiß deines
wird das Schwergewicht erneut auf die Länderkunde Angesichts sollst du dein Brot essen« mit Arbeit strafen
gelegt mit starker Betonung der »Menschen- und »Völ- wollen, denn »Arbeitsamkeit ist offenbar für den Men-
kerkunde« sowie der Topographie und der »Landes- schen eine Glückseligkeit« (S. 25).
produkte«. Selbst zu den kleinsten F1ecken finden sich Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der »Er-
z. T. ausladende Schilderungen mit genauer Angabe der ste[n] Sprache der Menschen« (S. 26-31); Schütz ver-
Häuserzahl und oftmals eingehender Beschreibung der tritt auch hier die Auffassung, die Aufforderung Gottes
1073 Hallisches Elementarwerk, 1780-92 1074

an den Menschen, die einzelnen Tiere zu benennen, sei sen-in Anlehnung an Homer berichtet. Darauffolgt im
nicht wörtlich zu nehmen, sie sei lediglich die Beschrei- elften Kapitel die Schilderung der» Hauptbegebenhei-
bung einer Vorstellung über den Ursprung der Sprache; ten von dem ersten jüdischen König Sau! an, bis auf Cy-
Gott habe die Sprache dem Menschen nicht eingege- rus, den ersten König der Perser« (S. 134-167). Hier
ben, sondern sie sei allmählich gewachsen. bringt Schütz auch »einige schöne Stellen« aus prophe-
Das siebte Kapitel berichtet über die » Hauptbege- tischen Büchern: Ausführlich zitiert er aus Jesaja und
benheiten des menschlichen Geschlechts vom Jare der Jeremia sowie Kernsprüche aus Daniel, Hosea, Joel,
Welt 1-1656« (S. 36--55). Bemerkenswert sind darin ins- Amos, Micha, Nahum, Habakuk und Zephanja. Das
besondere Schützens Ausführungen zur Sündflut (1. zwölfte Kapitel behandelt den »Zeitraum von Cyrus
Mose 6--8): Die Sündflut sei »bei weitem nicht über die dem ersten König der Perser bis auf den Tod des letzten
ganze Erde gegangen«, sondern habe nur »einen Theil Königs derselben Darius Codomannus, und die Be-
des westlichen Asiens« betroffen (S. 50). Da die Annah- zwingung des Persischen Reichs durch Alexander den
me grundlos sei, Gott selbst habe Moses »diese Erzä- Grossen, Königvon Macedonien« (S. 167-190).
lung eingegeben, und gleichsam in die Feder dictiret« Der wesentlich kürzere zweite Abschnitt schildert
(ebd.)- Moses sage darüber kein einziges Wort-, müsse die »Lebensgeschichte Jesu« mit untermischten Erklä-
die Geschichte von Menschen überliefert worden sein, rungen (S. 223-276). DieserTeil unterscheidet sich gra-
die selbst Zeuge der Überschwemmung gewesen seien. vierend von dem vorhergehenden, weil in ihm die ratio-
Da die Menschen jener Zeit jedoch keinerlei Vorstel- nalistische Betrachtung der Offenbarung vollständig
lung von der Größe der Erde gehabt hätten, sei es ganz aufgegeben wird. Schütz geht vielmehr von der buch-
natürlich, »daß sie sich einbildeten, diese Flut sei über stäblichen historischen Wahrheit der Wundertaten Jesu
die ganze Erde gegangen, und habe das ganze damals le- aus. Die Wundertaten Jesu sieht er in der Absicht Gottes
bende Menschengeschlecht, Noach und seine Familie begründet, die Juden zu bekehren: »Um aber die Juden
ausgenommen, von der Erde vertilgt« (S. 51). Da es nun zu überzeugen, daß er nicht blos eine menschliche Lere
in älteren Zeiten gebräuchlich gewesen sei, historische predige, sondern daß er von Gott gesandt sei, und göttli-
Erzählungen dichterisch einzukleiden und »das Ware che Warheiten verkündige, ward er von Gott mit der
der Begebenheit mit Dichtungen der Fabeln« zu ver- Kraft ausgerüstet, solche Handlungen, die nur die All-
mengen, sei es »ser natürlich« gewesen, »daß die Men- macht Gottes vollbringen kan, und zu welchen die na-
schen, welche die Noachische Flut erlebten, auf die Ge- türlichen Kräfte der Menschen oder anderer Geschöpfe
danken fielen, daß sich Gott dabei ganz unmittelbar be- nicht zureichen, d. i. Wunderwerke zu verrichten, und
schäftigt habe, zumal da sie in diesen Zeiten noch nichts dadurch die Göttlichkeit seiner Lere zu bestätigen« (S.
von den natürlichen Ursachen, die der gleichen Über- 225). Charakteristisch für Schütz ist die ausführliche
schwemmungen hervorbringen, wissen oder erraten Wiedergabe der Erzählung von der Auferweckung des
konnten. Diese Meinung mußte sich bald in Glauben Lazarus (Johannes II, 1-45), die er mit den Worten
verwandeln; und es war daher kein Wunder, daß mann kommentiert: »Die lezte Begebenheiten hat Johannes
den Nachkommen sie so erzälte, wiemannsie glaubte« mit solchen Umständen erzelet, welche ihre Warheit
(S.51). über allen Zweifel erheben« (S. 260). Breiten Raum in
Das achte Kapitel handelt von »Begebenheiten diesem Abschnitt nimmt die Bergpredigt ein (S.
und Zustand der Menschen in den nächsten 400 Jaren 234-244), die Schütz in Anmerkungen auch in der
nach der noachischen Flut« (S. 55-71). U. a. findet sich Übertragung von J. J. Heß bringt.
hier eine Deutung der Geschichte des Turmbaus zu Ba- Die in der Vorrede zum fünften Band genannte
bel, die Schütz als »alte Sage« bezeichnet, der »viel Absicht, konfessionelle Probleme im Religionsunter-
Dichterfabel untergemengt« worden sei (S. 57 und 58). richt auszusparen, wird im vorliegenden Lehrbuch strik-
Mit einem Beispiel- der Entwicklung des Wortes >Agla- ter eingehalten als im ersten. So berichtet Schütz z. B.
ster< in das deutsche >Elster< und das französische >Aga- ausführlich über die Feier des Passahlamms durch Jesu
ce< -belegt er seine These, daß die Sprachveränderung und seine Jünger, verzichtet aber darauf, die Einsetzung
völlig natürliche Ursachen gehabt habe und keineswegs des Abendmahls zu erwähnen (S. 264ff.), und macht
auf Gottes Einwirken zurückgeführt werden könne (S. sich so von der Notwendigkeit frei, die Abendmahlsleh-
58 f.). Den Schluß des Kapitels bildet eine kleine Kul- re im Sinne der einen oder anderen Religionspartei zu
turgeschichte vom Kochen, von der Ernährung, von Ge- deuten.
tränken, von der Bekleidung und der Baukunst, jeweils Band 11: Den elften Teil des Hallischen Elemen-
unter Einflechtung von Berichten über die Kulturstufen tarwerks bildet das Lateinische Lesebuch ./Ur den dritten
»wilder« zeitgenössischer Völker. Cursus ( 1785). Zu Beginn des Lehrbuchs stehen das
Die Geschichte der Erzväter ist Gegenstand des zweite und dritte Kapitel der »Topica puerilis«. Das
neunten Kapitels» Vornehmste Begebenheiten und Zu- zweite Kapitel handelt von der Wohnung des Menschen
stand der Menschen in dem Zeitraume von Abraham bis (S. 1-26); das dritte »De variis hominum vitae generi-
auf Moses« (S. 71-122). Sie wird teilweise in Beziehung bus artibus et opificiis« (S. 26--118) behandelt zunächst
auf das vorangegangene Religionslehrbuch nur noch die Landwirtschaft, die Aufzucht und Pflege von Bäu-
kurz referiert; bei der Geschichte Josephs werden z. B. men, die Gartenbaukunst, die Viehzucht und die Bei-
fast nur noch kulturhistorische Anmerkungen geliefert nenzucht; den letzten Abschnitt bilden Ausführungen
(S. 85f.). »Hauptbegebenheiten und Zustand des über den Nutzen und Schaden von Vierfüßern. Quellen
menschlichen Geschlechts vom Tode Mosis an, bis auf für die Texte bilden erneut die Scriptores rei rusticae,
den König der Juden Sau!« ist das zehnte Kapitel (S. vor allem Columella sowie Plinius und Vergil. Im An-
123-134) betitelt. Schütz legt in diesen Zeitraum auch schluß daran, jedoch noch als Bestandteil der »Topica
den Trojanischen Krieg, über den er ebenso wie über an- puerilis«, folgt von Tacitus »De moribus Germanorum
dere Ereignisse der griechischen Geschichte - die My- veterum« ohne Kürzungen (S. 118-146). Eine Erläute-
thologie und die Verfassung der Griechen eingeschlos- rung des Tacitus-Textes findet sich in zwei nachfolgen-
1075 Sachschriften 1076

den Dialogen »super Taciti libello de moribus germano- für diesen Personenkreis daher ein zureichendes
rum« (S. 146-158). Den nächsten Abschnitt bilden zwei Lehrbuch sei, >>Und zwar ein solches, welches
Komödien des Terenz, »Andria« (S. 159-247) und man gern oft von neuem lieset oder durchsieht,
»Heautontimorumenos« (S. 248-332), beide jeweils
um (auch noch im 50sten Jahre) mehr daraus zu
mit Übersetzungshilfen. Zum Schluß folgen - diesmal
sehr kurze- »Grammaticalia« (S. 333-350). lernen« (a.a.O., S. 252).
Bände 13,1 und 13,2: Im Gegensatz zu den vor- Im Gegensatz dazu sind der Addressaten-
hergehenden Lateinlehrbüchern handelt es sich bei dem kreis und der Zweck des Hallischen Elementar-
dreizehnten Teil des Hallischen Elementarwerks, dem werks sehr viel eingeschränkter und dadurch prä-
Lateinischen Lesebuch fiir den vierten Cursus, um reine ziser bestimmt. Das Werk ist ausschließlich für
Chrestomathien. Der erste Teilband, 1787 erschienen, den Gebrauch an den niederen Klassen lateini-
enthält zwei Stücke des Terenz, »Adelphi« und »For- scher Schulen, d. h. für den Gebrauch künftiger
mio«, drei Gespräche aus den Col/oquiafami/iaria des Studierender gedacht. Dementsprechend ist die
Erasmus, einen Auszug aus den Cicero-Schriften De of-
Stoffauswahl begrenzt. Schütz beginnt zudem
ficiis und Lae/ius sowie einen Abriß der römischen Ge-
schichte nach Eutropius. Der zweite Teilband, 1792 her- nicht immer mit den Elementarkenntnissen- z. B.
ausgekommen, stellt eine Ergänzung des ersten dar und setzt er in Bezug auf das Lateinische die Fähigkeit
versammelt ausgewählte Kapitel aus der römischen Ge- zum Verständnis leichterer Texte bereits voraus-,
schichte, die verschiedenen römischen Schriftstellern, und der Stoff ist auch nicht so konzipiert, daß er
insbesondere jedoch Livius, entnommen sind. bis hin zur akademischen Reife den nötigen Vor-
rat liefert. Stattdessen sollen in höheren Klassen
zusätzliche Werke herangezogen werden. Ent-
»Unter den Elementarwerken, die im An- sprechend hat Schütz darauf verzichtet, allgemein
schluß an Basedows erstes Unternehmen entstan- gültige Bildungselemente in größerem Umfang in
den, ist am bedeutendsten das >Neue Elementar- sein Werk aufzunehmen. Die Folge dieses Vorge-
werk für die niederen Klassen lateinischer Schu- heus ist eine weit genauere Bestimmung der Ab-
len und Gymnasien< [ ... ]. Dieses umfangreiche sichten und Ziele, als dies beim Elementarwerk
Werk ist seiner Tendenz nach eine Spezialisierung Basedows der Fall ist, ist größere Konzentration
der Basedowschen Idee des Elementarwerks, und und Kompaktheit des Stoffes.
zwar für die unteren Klassen lateinischer Schu- Dies spiegelt sich auch in der Anlage der bei-
len.«, heißt es bei Krebs (1929, S. 38). Die Bezie- den Elementarwerke wider. Will Basedow sein
hung des Hallischen Elementarwerks zu dem Ele- Werk der Absicht nach auch elementarisch gestal-
mentarwerk Basedows (1774) soll im folgenden ten, so hat er doch »nicht einmal den Versuch ge-
kurz umrissen werden. Auf eine eingehendere macht, das von ihm bearbeitete Bildungsmaterial
Würdigung des Hallischen Elementarwerks wird didaktisch zu ordnen oder nach bestimmten Stu-
jedoch- unter Hinweis auf die umfangreiche Dis- fen zu gliedern« (Kau, 1904, S. 65). Häufig wen-
sertation Kaus (1904), die eine detaillierte Analy- det sich Basedow mit der Darlegung eines Gegen-
se des gesamten Werks bietet - an dieser Stelle standes an ganz unterschiedliche Altersgruppen,
verzichtet. häufig sind auch didaktische Hinweise in den
Bedeutsam sind zunächst die unterschiedli- Text eingestreut; der Text ist also nicht durchgän-
chen Adressaten- und Zweckbestimmungen der gig für jüngere Kinder oder Kinder überhaupt ge-
beiden Elementarwerke. Schon der Untertitel eignet oder bestimmt. Schütz dagegen stellt sei-
zum Basedowschen Elementarwerk- »Ein geord- nem Elementarwerk einen genau ausgearbeiteten
neter Vorrath aller nöthigen Erkenntniß, Zum Plan voran, den er nach einzelnen Klas·senstufen
Unterrichte der Jugend, von Anfang, bis ins aca- einteilt. In diesen Plan sind die einzelnen Unter-
demische Alter, Zur Belehrung der Eltern, Schul- richtsgegenstände dem Fassungsvermögen der
lehrer und Hofmeister, Zum Nutzen eines jeden Kinder entsprechend eingeordnet. Der gesamte
Lesers, die Erkenntniß zu vervollkommnen« - Stoff ist stringent und logisch gegliedert. Die ein-
deutet die Größe des Adressatenkreises sowie den zelnen Lehrbücher beziehen sich in den einzelnen
breiten Umfang der behandelten Gegenstände Kursen aufeinander und bauen in Hinsicht auf
an. Das Basedowsche Elementarwerk soll, selbst die verschiedenen Klassenstufen sehr genau auf-
wenn es nicht »in strengster Bedeutung, die ganze einander auf.
Encyklopädie, oder den ganzen Umfang aller Er- Die Anlage der beiden Elementarwerke ist
kenntniß« enthält, »welch unter Anführung von also durchaus unterschiedlich. Dennoch gibt es
Lehrern erworben werden muß, wenn man ein ge- zwischen beiden Werken etliche Gemeinsamkei-
übter Bücherleser werden will« (Bd. 4, S. 252), in ten. Beiden ist vor allem die Betonung des Re-
verschiedensten Wissensgebieten von den ersten, alienunterrichts gemein, insbesondere die starke
elementarischen Kenntnissen bis hin zu akademi- Berücksichtigung der Geographie und der Natur-
scher Reife führen. Basedow betont, daß es für kunde, auch wenn im Hallischen Elementarwerk
diejenigen, »die nicht zum Stand der eigentlichen nahezu ausschließlich die Zoologie abgehandelt
Gelehrten bestimmt sind« (a.a.O., S. 251), sogar wird. Der bei Basedow aufgenommene Unter-
den Gesamtvorrat nötigen Wissens enthalte und richt in der Physik wird im Hallischen Elementar-
1077 Hallisches Elementarwerk, 1780-92 1078

werk ebenfalls vermißt; er ist jedoch entspre- Dogmen. Im Kern läuft sein Versuch auf eine Ver-
chend dem Lektionsplan Schützens erst für eine mittlung zwischen der natürlichen Religion und
spätere Stufe konzipiert. »Auch die eigentümli- dem Offenbarungsglauben hinaus; damit steht er
che Behandlung der Logik (>Kinderlogik<) ist in scharfem Gegensatz zu Basedow.
vielleicht z. T. durch das Dessauer El.-W., dessen Noch schroffer sind die Unterschiede zwi-
drittes Buch der >gemeinnützigen Logik< gewid- schen dem Basedowschen und dem Hallischen
met ist, indirekt angeregt worden. Eine äussere Elementarwerk in bezug auf die Fremdsprachen,
Aehnlichkeit liegt ferner in der grösseren Beach- besonders die alten Sprachen. Das Basedowsche
tung der Muttersprache und ihrer Grammatik. Elementarwerkzielt vornehmlich ab auf den Un-
Basedow behandelt letztere im 10. Buche, wo er terricht in den Realien, es räumt dem Sachunter-
freilich nur >das Nötigste< gibt. Schütz behandelt richt Vorrang ein; der Sprachunterricht hat für
die deutsche Grammatik weit ausführlicher und Basedow dagegen eine sekundäre, eine dienende
gründlicher. Deutliche Anklänge an Basedows Funktion. Eindeutig formuliert Basedow das Ver-
Didaktik hört man an manchen Stellen der lateini- hältnis von Sach- und Sprachunterricht in seinem
schen Dialoge. So erinnert z. B. die dritte Dekade Methodenbuchfor Väter und Mütter der Familien
der Colloquien, welche uns in die Werkstätten der und Völker(l770): »Die Sprachen sind nur ein
Handwerker führt, unwillkürlich an das 6. Buch Mittel, nicht der höchste Zweck des Studirens; al-
des Dessauer, in welchem ebenfalls ausführlicher les muß auf Sacherkenntniß abzielen« (Teil 1,
von >verschiedenen Handwerkern und Arbeitern< S. 260). Der Sprachunterricht hat demnach für
die Rede ist« (Kau, 1904, S. 69f.). Weitere Ge- Basedow keine Existenzberechtigung aus sich
meinsamkeiten zeigen sich in der Methode des heraus; er kann erst in dienender Funktion zur Er-
Geographieunterrichts sowie in der Behandlung werbung von Sachkenntnissen nützlich werden.
physiologisch-medizinischer Fragen, wenngleich Daher ist die »Verbindung des Realunterrichts
Schütz in letzteren auch weit weniger deutlich die mit der nötigen Sprachübung« grundlegendes
Sache beim Namen nennt, als dies Basedow in Element der Basedowschen Unterrichtskonzep-
seinem Elementarwerk tut. tion (vgl. Vorrede Basedows zur 1. Aufl. des Ele-
Trotz dieser Ähnlichkeiten in materialer mentarwerks, Krit. Ausg. v. Th. Fritzsch, Bd. 1,
Hinsicht, gibt es doch zwei Themenkomplexe, in 1909, S. XXXIX); die Sprache soll durch Spre-
deren Behandlung sich die Elementarwerke Base- chen, durch den Realienunterricht erlernt wer-
dows und Schützens deutlich voneinander unter- den. Der Erleichterung von Basedows philan-
scheiden: die Religion und die alten Sprachen. thropischer »Sprechlehrmethode« dient auch die
Basedows Elementarwerk handelt »bloß von un- Kupfersammlung zu seinem Elementarwerk (vgl.
theologischen Wissenschaften, folglich (durch ebd., S. XL). Dem Grammatikunterricht mißt Ba-
Lehre und Beweis) nicht von der christlichen, son- sedow nur eine völlig nebensächliche Bedeutung
dern nur von der natürlichen Religion. Es ist kei- zu: »Ja, ich bin der Meinung, man könne in einer
ner einzigen Kirchengemeinschaft ketzerisch, Sprache ein meisterhafter Schriftsteller werden,
sondern in catholischen, griechischen, protestan- ohne jemals etwas von der Grammatik derselben
tischen, menonitischen, jüdischen und naturali- zu wissen. Denn Vernunft undReichthuman Er-
stischen Familien und Stiftungen, ohne dadurch kenntniß und Worten lehret uns vernünftig, und
in einen Streit mit den väterlichen Meynungen zu die Uebung des Geschmacks an guten Schriftstel-
gerathen, im gleichen Grade brauchbar« (Bd. 1, lern lehret uns schön schreiben: ein gewisser Grad
Vorrede, S. IV). Basedow begreift in seinem Ele- der Fertigkeit ist ohne einen gewissen Grad der
mentarwerk unter natürlicher Religion die Lehre Richtigkeit nicht möglich: und zu diesem Allen
von dem einzigen Gott, von der Vorsehung, von hat die Grammatik noch nichts beygetragen [ ... ]«
der Unsterblichkeit der Seelen und von der Straf- (Methodenbuch, S. 243).
gerechtigkeit Gottes, der Vergeltung des Guten Gleichwohl darf aus Basedows Postulat der
und des Bösen. Die Offenbarung wird im ganzen engen Verbindung von Sach- und Sprachunter-
Elementarwerk konsequent ausgeklammert; Ba- richt nicht geschlossen werden, er lehne jegliche
sedow vertritt darin einen monotheistischen, je- Beschäftigung mit lateinischen Schriftstellern ab.
doch nicht eigentlich christlichen Standpunkt. Er schließt sie lediglich zur Benutzung in denjeni-
Im Hallischen Elementarwerkdagegen stützt gen Kreisen aus, für die er sein Elementarwerk
sich die religiöse Unterweisung nicht nur aufVer- konzipiert hat: >>Denn [ ... ]ich will die claßischen
nunftgründe, sondern auch auf die Offenbarung. Schriftsteller nur aus den Kinderschulen in die
Schütz vertritt einen christlichen Standpunkt, sei- Gymnasien für Studierende versetzen; und glau-
ne Lehre ist jedoch - mit Abstrichen - interkon- be eben auf diese Art nicht nur der Würde jener
fessionell ausgerichtet. Wie dargelegt, vertritt großen Männer, sondern auch dem Nutzen der
Schütz einen rationalistisch modifizierten Offen- Jugend gemäß zu handeln« (Methodenbuch,
barungsglauben, vermeidet jedoch in Überein- S. 260). Basedow anerkennt demnach die Berech-
stimmung mit seinem interkonfessionellen An- tigung der Lektüre lateinischer Schriftsteller im
spruch die Lehre der eigentlichen kirchlichen Gymnasialunterricht, nur zielt sein Werk nicht ei-
1079 Sachschriften 1080

gentlieh auf diesen Unterricht ab. Das Hallische tentiarumque interiore natura perspicienda versa-
Elementarwerk ist jedoch ausschließlich für den tur<<.
Unterricht »künftiger Studirender« konzipiert, Das Erlernen der lateinischen Sprache dient
hat also auch im Hinblick auf den lateinischen also nicht bloß dem Erwerb einer Sprache, deren
Sprachunterricht einen anderen Ausgangspunkt. materielle Beherrschung an sich schon einen Wert
Ob die lateinischen Schriftsteller im Unterricht darstellen könnte, sondern a) dem gleichzeitigen
benutzt werden sollen oder nicht, ist daher keines- Erlernen auch von »Geschichte, Erdbeschrei-
wegs die Kontroverse zwischen Schütz und Base- bung, Philosophie, Geschmak, Beredsamkeit und
dow. mer nüzliche[n] Sachen« (Hallisches Elementar-
Der entscheidende Unterschied zwischen werk, Bd. 1, Vorbericht, S. XX), also dem Sach-
Basedows und Schützens Konzeption des Latein- unterricht, und b) - und hier unterscheidet sich
unterrichts liegt vielmehr in völlig entgegengesetz- Schütz grundlegend von Basedow- dem Üben in
ten Auffassungen über den Stellenwert des der Logik, im Urteilen, im richtigen Schreiben
Sprachunterrichts. Wie Basedow, so geht auch und Sprechen. Daher soll die Sprache auch me-
Schütz davon aus, daß man die lateinische Spra- thodisch und systematisch studiert werden und
che nicht um ihrer selbst willen lerne. Auch für ihn nicht als gleichsam begleitendes Produkt des
hat das Lateinlernen somit eine dienende Funk- Sachunterrichts betrachtet werden.
tion, doch sein Bezugspunkt ist ein anderer als bei Darüberhinaus erfüllt der Lateinunterricht
Basedow: »Man lernt Latein, nicht um der Spra- und namentlich der Grammatikunterricht - dem
chewillen; denn die Sprache ist todt; man kann Schütz einen bedeutenden Stellenwert einräumt-
sie weder im gemeinen Leben, wie seine Mutter- eine grundlegende pädagogische Funktion: Der
sprache, noch der grossen Welt zu Gefallen wie Grammatikunterricht soll die »freie Aufmerk-
das Französische, noch der Musik halber wie das samkeit« der Kinder in Bewegung setzen und sie
Italiänische lernen wollen. Also man lernt Latein, auf solche Gegenstände führen, »die zu beachten
theils um alte lateinische Schriftsteller verstehen kein so dringendes Bedürfnis in der Sele ligt«
zu lernen, theils um sich dabei in der großen (Methodenbuch für angehende Lerer, Vorrede,
Kunst der Auslegung oder der Interpretation zu S. XXIV). Daß auch ein Schüler der untersten
üben. Eine Nebenabsicht ist es auch, lateinische Klasse die »ersten Elemente der Sprachlere« ler-
von Neuern geschriebene Bücher verstehen zu nen solle, sei »vors erste deswegen ratsam, weil
können. Doch dis ergiebt sich von selbst, und gerade dergleichen Kenntnisse seinem Fleiß die
körnt gegen jene weit wichtigere, und für Studi- nöthige Richtung geben, daß er nicht blos das
rende weit allgemeinere Endzweke in keine Be- sinnlich Angeneme, sondern auch das Nüzliche,
trachtung« (Vorbericht, Bd. I, S. XIX). Was den wenn es auch etwas troken und weniger anzie-
ersten »Hauptendzweck«, das Verstehen alter la- hend ist, mit Vergnügen treibe. Acht Jare sind lang
teinischer Schriftsteller, betrifft, beruft sich genug, die Sinne und die Phantasie der Kinderse-
Schütz auf Johann Georg Sulzers Schrift Gedan- te mit mancherlei Narung zu unterhalten, der sie
ken über die beste Art die claßische Schriften der sich so zu sagen fast unwillkürlich öffnet« (ebd.).
Alten mit der Jugend zu lesen (Berlin 1765). Sul- Der Grammatikunterricht soll der Zucht des Gei-
zernennt in seiner kurzen Abhandlung vier Nutz- stes dienen; er soll schon früh die Kinder zu eige-
anwendungen, die man aus »dem Lesen der alten nem Studieren und Selbstdenken anhalten. Dies
claßischen Schriften« (S. 5) ziehen könne: »Erst- leisteten weder »Historie, Geographie, Fabeln,
lieh dienen sie zur gründlichen Erlernung der Naturgeschichte [ ... ], weil hier alles, was für Kin-
griechischen und lateinischen Sprachen, und der gehört, oder doch bei weitem das meiste so
eben dadurch zur Erlangung vieler Begriffe, die bildlich, und für die Neugierde, für die mechani-
man sonst nicht bekommen würde. Zweitens zur sche Aufmerksamkeit so anziehend ist, als ein gu-
Bildung des Geschmacks oder des Gefühls für tes Gericht Essen für den Gaumen eines Hungri-
das Schöne sowohl in den Sitten als in den Kün- gen. [ ... ] Allein die Sprachkunst fürt uns auf
sten; drittens zur Erlangung einer gründlichen Kenntnisse, die an sich gar keinen sinnlichen Reiz
Kenntnis der alten Geschichte und viertens zur haben; und doch von äußerster Wichtigkeit sind;
Erlernung der Philosophie« (S. 5 f.). In bezugauf auf Kenntnisse, die gerade in ihren ersten Anfän-
den zweiten »Hauptendzweck«, der Übung »in gen etwas haben, womit sich der kindische Ver-
der großen Kunst der Auslegung der Interpreta- stand lieber beschäftigt, als der Verstand eines Er-
tion, zitiert Schütz des Hofrats Heyne Vorwort zu wachsenen [ ... ] ; auf Kenntnisse, deren erste An-
dessen Ausgabe der Pindari carmina (Göttingen fänge, so simpel sie sind, dennoch dem kindi-
1773). Heyne hatte darin die Interpretation als die schen Verstande eine kleine ser heilsame Anstren-
beste Lehrmeisterin einer dem Leben fruchtbaren gung seiner Thätigkeit notwendig machen; die
Logik, als vortreffliche Helferio beim Üben der ihm früh schon das Gefühl beibringen können,
Urteilskraft, als Lehrerin richtigen Schreibens daß nicht alles, was man thun und lernen muß,
und Sprechensund als Mutterüberhaupt aller ge- unmittelbar angeneme Eindrüke auf die Sinnlich-
naueren Lehre bezeichnet, »quae in rerum sen- keit mache, und daß, wie zwischen körperlicher
1081 Truckenbrot, Geschichte der Deutschen, 1783-86 1082

Arbeit und körperlichem Genusse, also auch zwi- wachsene Leser gedacht, »die sich größtentheils
schen Geistesarbeit und geistigem Genusse ein wenig um dergleichen Sachen bekümmern« (I.
Unterschied sei« (Methodenbuch, S. XXVf.). Bd., S. V), und soll eine Ergänzung des als man-
Auf dieser - Basedow so entgegengesetzten gelhaft kritisierten Geschichtsunterrichts und ei-
Grundlage - gelangt Schütz folgerichtig zur Ab- ne zusätzliche private Geschiehtsiektüre für Ju-
lehnung der philanthropischen Sprachlehrme- gendliche sein. Es will kein Kompendium sein,
thode, die er als mechanisch verwirft. Insbesonde- vielmehr ein unterhaltsam zu lesender Abriß (vgl.
re lehnt er auch den mit dieser Methode verknüpf- Vorrede Bd. I und 8).
ten Gebrauch von Kupfertafeln ab, die in Base- Trockenbrot bezeichnet es als seine »heilige
dows Konzeption zur Erleichterung des Spra- Pflicht«, nützliche Kenntnisse zu verbreiten und
chenlemens beitragen soll: »So viel Geräusch durch ein kritisch kommentierendes Geschichts-
Herr Basedow von dem Elementarwerk und der werk beliebte, gedankenlos übernommene histö-
Kupfersammlung dazu machte, so wenig Nuzen rlsehe Vorurteile abzubauen und die Kritik und
ist dadurch gestiftet worden« (Bd. l, Vorbericht, Urteilsfähigkeit der Jugendlichen gegenüber der
S. XXIV). Kupfertafeln seien allenfalls gut für historischen Überlieferung zu schärfen (vgl. Vor-
Kinder von vier bis acht Jahren, wenn man mit ih- rede I. Bd.).
nen nicht in einer fremden Sprache, sondern
Das achtbändige Werk behandelt die Geschichte
deutsch darüber rede (vgl. Methodenbuch, Vorre-
der Deutschen von den ältesten Nachrichten römischer
de, S. XIII). Das beste Mittel, den Kindem Be- Schriftsteller über die »Deutschen«, d. h. die Germa-
griffe beizubringen, seijedoch »wo I unstreitig die nenstämme westlich des Rheins, bis zur Gegenwart, der
Natur selbst«, sie sei »weit elementarischer[ ... ] Zeitdes KaisersJoseph li. Band I befaßtsich mitderäl-
als die so hoch gepriesenen elementansehen Kup- testen Überlieferung über Natur und Sitten der Germa-
fertafeln« (Methodenbuch, Vorrede, S. XIV und nen, mit den Kriegen gegen die Römer, der Völkerwan-
XV). Könne man Kindem Begriffe nicht in der derung und der Errichtung des fränkischen Großrei-
Natur und der Wirklichkeit zeigen, so seien auch ches unter Merowingern und Karolingern. Band 2 be-
Modelle geeignet, richtige Vorstellungen zu ver- handelt die Geschichte des Hochmittelalters, das nach
der Herrschaft der verschiedenen Königsgeschlechter
mitteln. Erst wenn auch keine Modelle zur Verfü-
gegliedert ist. In Band 3 äußert sich der Autor zu grund-
gung stünden, könnten auch Kupfertafeln ihren sätzlichen Problemen hinsichtlich der Quellenlage, der
Zweck erfüllen. Religions-, Kultur- und Verfassungsgeschichte des Mit-
Zwar will Schütz auf diese Weise nicht den telalters und schließt die politische Geschichte von Ru-
Gebrauch von Kupfertafeln überhaupt verwerfen dolf I. bis zu Maximilian I. an, die wieder nach den Re-
(vgl. Methodenbuch, Vorrede, S. XVI), er hält sie gierungszeiten der einzelnen deutschen Könige und
jedoch für den Sprachunterricht nicht geeignet, Kaiser gegliedert ist.
weil sie mechanisches Lernen förderten, zu sehr Band 4-6 enthalten den Schwerpunkt des Werkes,
das Augenmerk auf das Sinnliche lenkten und ei- die Geschichte der Reformationszeit Band 4 behandelt
die politische Geschichte von Kar! V. bis zu Rudolf li;
nem systematischen, methodischen, logisch auf-
Band 5 und 6 die eigentliche Reformationsgeschichte
gebautem Unterricht wenig förderlich seien. mit einer umfangreichen Einleitung in die Problematik,
Eine ausführliche Darstellung der Wirkungsge- einem Kapitel über die Vorgeschichte und die tieferen
schichte des Hallischen Elementarwerks sowie derzeit- Ursachen der Reformation, der Darstellung des Ge-
genössischen Kritik findet sich bei Krebs (1929, schehnisverlaufs selbst und der Charakterisierung be-
S. 52 ff.). Hier ist auch zu erfahren, daß das Hallische sonders berühmter Gelehrter der Reformationszeit Im
Elementarwerk am Erziehungsinstitut in Halle selbst Band 7 schließt sich die politische Geschichte des dreis-
nicht benutzt wurde, da das Institut dem preußischen sigjährigen Krieges an, der eine kurze Kirchengeschich-
Staatsminister von Zedlitz, einem eifrigen Anhänger der te Deutschlands in demselben Zeitraum folgt. Band 8
Basedowschen Methode, unterstand. 0. B. schließlich ergänzt die Schilderung der deutschen Ge-
schichte durch einen wesentlich kürzer gehaltenen
Überblick über die Zeit vom westfälischen Frieden bis
zur Gegenwart.
Trockenbrot legt größten Wert aufhistorisch-kriti-
1783-86 sche Korrektheit, auch wenn ihm seine Konzeption
nicht erlaubt, in seiner Darstellung ausschließlich den
Michael Trockenbrot ( 175 6-1793): primären Quellen zu folgen. Er zitiert die benutzte Se-
Geschichte der Deutschen for die kundärliteratur z. T. wörtlich und weist auf die Stan-
Jugend. 8 Bände. dardwerke und Monographien hin, denen er seinen
Nümberg 1783-86 Stoff größtenteils entnimmt und die er durch eigenen
Kommentar und kritische Stellungnahme ergänzt.
Trockenbrot will mit seinem Werk »jungen Leu- Obwohl das Werk als unterhaltsame Ge-
ten, und derjenigen Klasse von Lesern überhaupt, schichtslektüre für Jugendliche und interessierte
welche Geschichte lesen - nicht studiren wollen Laien geplant war, hat es von der ganzen Art der
die deutsche Geschichte im Auszuge« liefern (I. Darstellung her doch den Charakter eines recht
Bd., S. III). Das Werk ist für jugendliche wie er- trockenen, weitgehend Fakten der politischen
1083 Sachschriften 1084

Geschichte aneinanderreihenden Lehrbuchs, das


nurdurch einzelne polemische Exkurse aufgelok-
kert wird. Doch gerade diese Erörterungen dürf- @)efcbicbte
ten für jugendliche, nicht mit Geschichte befaßte
Leser nicht immer verständlich sein, zumal der
Stil an den einer wissenschaftlichen Auseinander-
bet [)cutfcben
setzung erinnert. fu r
Die Darstellung des geschichtlichen Ver-
laufs orientiert sich (mit einigen Ausnahmen) an L> 1 c ;J u g e n b.
den einzelnen deutschen Königen und Kaisem
und beschränkt sich auf das faktische Geschehen
der politischen- und Kirchengeschichte. Ausnah-
men bilden die Schilderung der frühesten »deut-
schen« Geschichte, die auf Sitten und Kultur der
Germanen eingeht, einzelne Kapitel aus der Ge-
schichte des Mittelalters, die kulturelle, vor allem
religiöse Entwicklungen behandeln und in erster
Linie zur Kritik an der Kirche dienen, und
schließlich die einleitenden Kapitel zur Geschich-
te der Reformation, auf die der Autor das größte
Gewicht legt (Bd. 5, Kap. I und II).

Mit einigen Einschränkungen, die auf die


Parteinahme Trockenbrots für den Protestantis-
:nornbttg,
mus und seine feindliche Haltung gegenüber der
katholischen Kirche zurückzuführen sind, gelingt im !!ltrla ~tl )~b.Jnn 0Ntit~tb f? Urontl
es ihm, ein umfassendes Bild von den Ursachen l - ' :-

der Reformation und von den Entwicklungen, die


notwendig zu einer grundlegenden Änderung der
Truckenbrot, Michael: Geschichte der Deutschen
Religion führen mußten, zu entwerfen und die
fiir die Jugend.- Nümberg 1783 (Nr. 915). Bdch.
wechselseitigen Einflüsse und Zusammenhänge
1, Titelblatt mit Vignette von Bock
zwischen Religions- und politischer Geschichte
darzustellen. Der Autor löst sich von der starr
chronologisch verfahrenden Darstellung des Ge-
schehnisverlaufs und stellt Thesen über die Ver- und die geweihten Amulette aller Art« werden
knüpfung von Ursachen und Folgen in der Ge- von ihm kritisiert (Bd. 7, S. 8 f. ).
schichte der Reformation auf, die er durch seine Trotz der harten Kritik am Katholizismus
anschließende Schilderung belegt. glaubt Truckenbrot, daß sein Werk auch für Ka-
Der 4. und 5. Band heben sich vom übrigen tholiken durchaus nützlich sei und nicht als anstö-
Werk besonders deutlich ab. Das ausgeprägte ßig empfunden werden könne, da er sich um die
persönliche Engagement des Autors bewirkt eine größtmögliche Unvoreingenommenheit bemüht
starke Verlebendigung der Darstellung, die in den habe (Bd. 5, S. 3 ff.). Und auch wenn er den Zu-
übrigen Teilen sachlicher und ohne spürbare Par- stand der katholischen Kirche als ein einziges
teinahme, aber auch trockener ausfällt. Der in Bild des Sittenverfalls entwirft, bringt er doch die
diesen Kapiteln benutzte, stark polemisch einge- Überzeugung zum Ausdruck, daßtrotzder Ver-
färbte Ton entspricht weder seiner sonst kritisch- schiedenheit der Glaubensbekenntnisse, die sich
distanzierten Art der Geschichtsschreibung, noch nie vereinigen ließen, eine brüderliche Einigkeit
dem von ihm postulierten Ideal, »ein Freund der aller Christen möglich sei.
Wahrheit, der ächten Gottesverehrung und der Begünstigt durch die massive Kritik am
unparteiischen Geschichte« zu sein (5. Bd., Papsttum und das überzeugte Eintreten für den
S. 27). Das Bild, das Trockenbrot von der katholi- Protestantismus betrachtet Trockenbrot den
schen Kirche zeichnet, ist völlig vernichtend und Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit als haupt-
keineswegs frei von Parteilichkeit. So bezeichnet sächlich religiösen Wandel. Hinter die religiöse
er den Ritus der Katholiken als » Flitterglanz« Aufklärung durch Luther und den Sturz der
und »Theaterkunst«, die »die Leute dergestalt päpstlichen Allmacht treten andere, wirtschaftli-
blendeten und betäubten, daß sie für lauter an- che, soziale, kulturelle oder auch verfassungsge-
dächtiger Neubegierde, dergleichen Gaukeleien schichtliche Komponenten des Wandels völlig
mit anzusehen, nie zum vernünftigen Nachden- zurück.
ken kommen konnten« (Bd. 5, S. 75). Auch »die Ist die katholische Kirche durchgängig das
Wallfahrten, die wunderthätigen Gnadenbilder, Objekt heftiger Polemik, so spart Trockenbrot
1085 Villaume, Geschichte des Menschen, 1783 1086

auch nicht mit bissiger Kritik an seiner eigenen aus dem niederbayrischen Raum. Die größeren Städte
Zeit. So meint er z. B., einzelne aufgeklärte Gei- Nürnberg, Bayreuth und Regensburg kommen neben
ster des Mittelalters würden über die abergläubi- zahlreichen kleineren fränkischen Orten am häufigsten
schen Bräuche des so fortschrittlichen 18. Jahr- vor. Außerdem sind Leser aus den Städten München,
Wien, Prag, Leipzigund Köln vertreten. S./0. B.
hunderts den Kopf schütteln (Bd. 2, S. 16 f. ). An
anderer Stelle vergleicht er die rohen, aber einfa-
chen und strengen Sitten der Germanen mit de-
nen der eigenen Zeit: »Verführung der Weiber
und Töchter anderer, Ehebruch, und ähnliche La- 1783
ster, die die feinere Welt unsrer Zeiten, der das Peter Villaurne ( 1746-1825):
Wort Laster wahrscheinlicher Weise zu altfrän-
Geschichte des Menschen.
kisch klingt, so gerne Galanterie nennt, waren bei
ihnen ganz unbekannt« (Bd. l, S. 14). In dem Ka- Dessau und Leipzig 1783
pitel über die Quellen und theologischen Schrif-
ten der Reformationszeit beklagt er, daß der Bei dem vorliegenden Werk findet sich kein expli-
»Schwall von mystischen und neumodischen Re- ziter Hinweis darauf, daß es auch an jugendliche
ligions- und Erbauungsschriften« heutzutage die Leser gerichtet ist. Es enthält in seiner deutschen
lutherischen Schriften verdränge (Bd. 5, S. 31 ). Ausgabe - es ist gleichzeitig in Französisch er-
Auch polemisiert er gegen die »Anekdotenkrä- schienen - keinerlei Vorwort, in dem Auskunft
merei« in der zeitgenössischen Geschichtslitera- über Adressat und Absicht des Lehrbuches gege-
tur für Kinder und Jugendliche: Die >>Hof- ben würde. Villaurne hat es jedoch dem Unter-
schmeichler« und »Anekdotenkrämer« >>schlei- richt in seiner Halberstädter >>Erziehungsanstalt
chen dem vergötterten Manne überall, auf die für Frauenzimmer aus gesitteten Ständen und
Studierstube, ins Schlafgemach, und selbst auf vom Adel« zugrunde gelegt. Ein Zeugnis hiervon
den s. v. Abtritt nach, merken sich hie ein Anek- hat C. G. Salzmann gegeben, der Villaurne 1783
dötchen, dort eins, beseligen hernach das liebe ein Besuch abgestattet hat, der im ersten Band der
Publikum mit Büchern[ ... ], und denken Wun- Reisen der Salzmannischen Zöglinge (1784) be-
der, was sie der Welt für wichtige Aufschlüsse mit- schrieben ist. Hier wird folgende Unterrichtsbe-
getheilt, und ihrem Patron oder Lehrer für eine schreibung gegeben: »Unser lieber Villaurne las
grosse Ehre -wie der Esel in der Fabel, der seine mit ihnen seine Geschichte des Menschen, und so
Herren mit seinen Klauen kareßiren wollte - er- oft sie ein Stück gelesen hatten, stellte er mit ihnen
zeigt haben« (5. Bd., S. 21). darüber eine Unterredung an« (S. 135). Doch
auch vom Werk selbst her liegt die Vermutung na-
Aufschlußreich ist die dem I. Bändchen beigefüg- he, daß es sich um ein Unterrichtswerk für Ju-
te Subskribentenliste, die Auskunft gibt über die Schich- gendliche beiderlei Geschlechts handelt: Ein-
tenzugehörigkeit, das Geschlecht und die geographi- fachheit der Darstellung, zahlreiche Beispiele
sche Verteilung der Leser. Es finden sich unter den Sub- und Veranschaulichungen, besonders auführli-
skribenten einige Mitglieder des höheren Adels: ))Die che Behandlung von Fragen und Problemen, die
gnädigste Prinzessin Carolina von Sachsen Hildenburg- »junge Personen« betreffen.
hausen Hochfürstliche Durchlaucht«, >>Die verwittibte
Fürstin Eleonora von Hohenlohe Hochfürstliche
Das Werk hat zunächst die Absicht, den Le-
Durchlaucht«, drei Grafen, eine Gräfin, ein Landgraf, ser über die physische und moralische Natur des
ein Baron, ein Freiherr und einige Subskribenten mit be- Menschen aufzuklären. Doch will es nicht nur der
scheideneren Adelstiteln. Von den insgesamt 122 Sub- intellektuellen, sondern auch der moralischen Bil-
skribenten haben II einen Adelstitel und 16 tragen ein dung dienen: Die Kenntnis der wahren Natur des
>von< vor ihrem Familiennamen. Die Leser lassen sich Menschen soll zu einem vernünftigen und tu-
außerdem durch ihre Berufe sozial einordnen (von gendhaften Handeln führen. Zwar werden an kei-
denl22 Namen enthalten 35 eine Berufsbezeichnung). ner Stelle des Werks Handlungsanweisungen,
Folgende Berufe kommen vor: mehrere Prarrer, ein
Gebote oder Verhaltensregeln formuliert, doch
Diakon, ein Kaplan; ein Major; hohe und niedrige Be-
amte und sonstige Berufe des gebildeten Bürgertums: werden an zahlreichen Stellen deutliche Wertun-
Regierungsrath, Hofrath, Reichshofräthin, Geh. Regie- gen vorgenommen. Schlechte Neigungen und
rungssekretär, Senioratsregistrator, Postsekretär, Post- Gewohnheiten werden nicht nur beschrieben,
offizier, Amtmann; Professor, Schulinspektor, Rector, sondern auch verurteilt. Es hat den Anschein, als
mehrere Schulmeister, zwei Chirurgen, einCantorund würden direkte Anweisungen und Gebote gerade
ein Kapellmeister; mehrere Studenten der Medizin und deshalb ausgespart, um die selbsttätige Einsicht
Theologie, Schüler und Alumni; Angehörige hand- des Lesers nicht zu hemmen. Der theoretischen
werklicher Berufe (Sattlerin, Schneidermeisterin), Menschlehre ist also das praktische Moment in-
schließlich ein Stallmeister. Unter den 122 Subskriben- härent: Sie ist zugleich Gesundheitslehre, Ver-
ten befinden sich 13 Frauen und Fräulein, davon tragen
nur 5 einen bürgerlichen Namen.
standeslehre und Sittenlehre.
Die meisten Subskribenten kommen aus dem Das Werk besteht aus zwölf Abschnitten, die zum
fränkischen Raum von Nürnberg und Bayreuth, einige überwiegenden Teil selbst noch in Kapitel eingeteilt
1087 Sachschriften 1088

sind. Dererste Abschnitt befaßt sich mit dem »Aeussern schnitt handelt von »der Seele und ihren Kräften«: Zu-
des Menschen« und handelt von dem Leib, den Glie- nächst geht es um die theoretischen Vermögen, die
dern, dem Kopf, den Sinnen und der Gestalt des Men- )) Verstandeskräfte«, Einbildung, Sprache, Begriffe, Ur-
schen (S. 1-29). Der zweite Abschnitt thematisiert die teile und Schlüsse und um die verschiedenen Wissens-
»Bedürfnisse des Menschen«. Es geht zunächst um Es- quellen (S. 180-202). Kapitel 2 bis 4 beschäftigen sich
sen und Trinken, wobei insbesondere die Jugend vor der mit dem Willen und der Freiheit des Menschen und zäh-
Trunksucht gewarnt wird (S. 37). Im Kapitel über die len zahlreiche gute und schlechte Neigungen und Ge-
Kleidung werden die Mädchen vor Mode- und Putz- wohnheiten auf (S. 202-241 ). Kapitel 5 ist der Sprache
sucht zu bewahren gesucht (S. 44 f.). Es folgen Kapitel gewidmet und Kapitel 6 der »Geistigkeit und Unsterb-
von der Wohnung, dem Hausgerät und der Ruhe. Um- lichkeit der Seele«.
fangreicher ist das Kapitel über das »Vergnügen« (S. Der 6. Abschnitt (S. 250-269) beschäftigt sich mit
62-79) : Hier geht es um sportliche Spiele, um das Tan- dem allgemeinen Glauben der menschlichen Völker an
zen, um Glücksspiele, um die Schaubühne und um ge- eine Gottheit und fragt danach, worin alle Menschen
sellschaftliche Vergnügungen, und hier ist denn auch sich einig sind. Der nächste Abschnitt befaßt sich mit
von Mädchen undjungen Leuten besonders oft die Re- der »Väterlichen Gesellschaft«, der Familie und der
de, da sie es sind, die gegen Verführungen aller Art am Gewalt der Eltern über die Kinder (S. 270-274), wäh-
anfälligsten seien. Ein Kapitel über die »Arbeit« be- rend der 8. Abschnitt die »eheliche Gesellschaft« zum
schließt den Abschnitt. Thema hat und sich ausführlicher über die Motive der
Der dritte Abschnitt enthält eine kurze Anatomie Partnerwahl ausläßt. Hier werden Gesichtspunkte ma-
und handelt von der »inneren Beschaffenheit des Lei- terieller und ständischer Art mit der These zurückgewie-
bes«, vom Knochenbau, von den Eingeweiden und von sen, daß der »persönliche Karakter« entscheidend sei
der Blutzirkulation (S. 83-114). Der folgende Abschnitt (S. 281). Der9. Abschnitt handelt »Von Herrschaft und
beschäftigt sich mit der »Geschichte der verschiedenen Dienstboten« (S. 295-298). Hier wird insbesondere vor
Zeiten des Lebens« und gibt eine Beschreibung der ver- dem schlechten Einfluß des zumeist abergläubischen
schiedenen menschlichen Altersstufen, woran sich ein Gesindes auf die Kinder gewarnt. Sehr viel umfangrei-
Abschnitt über den Tod und über »Gesundheit und cher ist der 10. Abschnitt über die »Bürgerliche Gesell-
Krankheit« anschließen (S. 115- 179). Der fünfte Ab- schaft« (S. 299-359), der eine ausführliche Gesell-

Stellen, Paul von: Der Mensch in seinen verschiedenen Lagen und Ständenfiir die Jugend geschildert.-
Augsburg 1779 (Nr. 871). Tafel I/: Kupferstich von Ern. Eichel nach Ch. Erhart zu S. 6 u. 9 des Text-
bandes

Stetten, Paul von : Der Mensch in seinen verschiedenen Lagen und Ständen fiir die Jugend geschildert. -
Augsburg 1779 (Nr. 871). Tafel ll/: Kupferstich von Ern. Eichel nach Ch. Erhart zu S. 10 des Textban-
des
1089 Villaume, Geschichte des Menschen, 1783 1090

schaftslehre liefert. Die II Kapitel dieses Abschnittes Doch hat dieser geschichtliche Blick noch eine
beschäftigen sich mit den »Ursachen«, den Entste- andere Dimension: Es gilt alle Völker, nicht nur
hungsbedingungen der »bürgerlichen Gesellschaft«; die europäischen, in die Betrachtung mit einzube-
mit deren »aeusserer Gestalt«, den Residenz- und Pro-
ziehen. So gelangen von den Asiaten über die Es-
vinzstädten, den Landstädten und Dörfern; der Regie-
rung und ihren Formen, der demokratischen und aristo- kimos bis hin zu den wilden Völkern zahlreiche
kratischen Republik, der gemäßigten und despotischen völkerkundliche Details in das Blickfeld. Hierbei
Monarchie; der Rechtspflege, der »Polizei« und allge- kommt es zu keinerlei historischer Wertung und
meinen Verwaltung, dem Kriege und den »Auflagen«, Vergleichung; alles steht gleichberechtigt neben-
womit Steuern und Abgaben aller Art gemeint sind (Kp. einander und gilt als eine Möglichkeit von
1-7). Menschsein. Kommt es doch zu Wertungen, so
Die folgenden Kapitel befassen sich mit verschie- ergeben diese sich aus dem Bezug auf die abstrak-
denen Problemstellungen: So wird eine» Vergleichung te, übergeschichtliche Natur des Menschen und
der Regierungen« angestellt, von den »Vortheilen und
markieren derart Widernatürliches, das in der
Beschwerden der Gesellschaft« gesprochen und die
Frage der »Ungleichheit des Vermögens« und der gleichen Weise wie Natürliches auf allen histori-
>>Stände« angeschnitten (Kp. 8-11). Die Abschnitte II schen Stufen und bei allen Völkern anzutreffen
und 12 bilden eine Schlußbetrachtung, die sich mit der ist. Viilaumes »Geschichte des Menschen« ent-
»Größe und Macht des Menschen«, seiner überragen- behrt solchermaßen aller geschichtsphilosophi-
den Stellung in der Schöpfung als dem Herrn der Natur schen Momente.
und der Größe und Überlegenheit seiner »Geisteskräf- Die Bestimmung des Menschen entspringt
te« beschäftigt, aber auch die Schwäche eines jeden ein- bei Villaurne aus der Vergleichung von Mensch
zelnen Menschen in den Blick zieht, seine mannigfa- und Tier, was einem anthropologischen Ansatz
chen Leiden aufzählt und seine rastlose Glückssuche
gleichkommt. Hierbei zeigen sich Rudimente der
schildert (S. 363-420).
Auffassung, die im Menschen ein Mängelwesen
Das vorliegende Werk ist eine »Geschichte sieht und seine besonderen Fähigkeiten gerade
des Menschen« nicht in dem Sinne, daß der ge- aus seiner im Vergleich zu den Tieren mangeln-
schichtliche Werdegang der Gattung in seiner den Spezialisierung und Schwäche ableitet.
zeitlichen Aufeinanderfolge zur Darstellung ge- »Wenn man den Menschen mit den Thieren ver-
bracht würde. Es geht Villaurne nicht darum, die gleicht, so scheints beim ersten Blick, daß er der
Genesis der menschlichen Gattung darzulegen, schwächste unter allen ist, nach Verhältniß seiner
um die Natur des Menschen selbst als eine histori- Größe [ ... ] Diese Blöße hat ihn gezwungen, sich
sche Größe darzutun. Die Natur des Menschen, Waffen und Wehren von aller Art zu machen« (S.
um dessen Darstellung es geht, wird vielmehr in 180). Dieser Schwäche entspringen eben die
Abstraktion von der Geschichte gefaßt, als eine »Kräfte, die von den Kräften der Thiere ganz ver-
Wesensbestimmung begriffen, die aller Geschich- schieden sind, nemlich die Kräfte des Verstan-
te vorausliegt. Sie wird aber von Villaurne nicht in des« (S. 182). Der Vergleich zwischen Mensch
dieser Abstraktion zur Darstellung gebracht; the- und Tier verbleibt jedoch weitgehend deskriptiv;
matisiert wird sie vielmehr in ihrer geschichtli- zu einer stringenten anthropologischen Theorie
chen Erscheinung. Geschichte erscheint derart als kommt es bei Villaurne nicht.
die Ebene der Manifestation des menschlichen Mit größerer Betonung aber werden die Grö-
Wesens, wobei diese Manifestation wiederum ße und Macht des Menschen hervorgehoben, wo-
nicht als ein historischer Prozeß gefaßt ist, in dem zu insbesondere der II. Absatz dient. Zwar werde
das Wesen sich realisiert und in dem eine Stufe als er schwach geboren, seine Kräfte und Fähigkei-
dessen vollendete Realisation sich erweist. Jede ten aber seien aus eigenem Antrieb heraus unbe-
historische Stufe verwirklicht vielmehr eine der grenzt zu steigern und zu vervollkommnen (S.
Möglichkeiten, die in der menschlichen Natur 181 ff. ). Hieraus ergebe sich seine überragende
enthalten sind, und erst der Blick auf alle Realisa- Stellung in der Schöpfungsordnung: Er habe
tionsmöglichkeiten, der Blick in die Geschichte, Macht über Erde, Pflanzen und Tiere. Diese Grö-
vermag das Wesen des Menschen in seiner ganzen ße komme der Menschheit aber nur als Gattung
Mannigfaltigkeit zu ermessen. Es ist dies ein zu; der einzelne Mensch sei schwach und unvoll-
Blick, der die verschiedenen geschichtlichen Stu- kommen.
fen bloß nebeneinander stellt, sie also nicht in eine Von besonderem Interesse sind Villaumes
prozessuale Verbindung und Aufeinanderfolge Ausführungen zu den verschiedenen Altersstu-
bringt. fen. Bei der Darstellung der Kindheit, die bis ins
Entsprechend sind denn auch alle Abschnit- 16. Jahr reicht, schimmern Villaumes pädagogi-
te aufgebaut, die sich mit der moralischen Seite sche Ansichten durch, die einen starken Einfluß
des Menschen befassen, von Gebräuchen, Sitten, Lockes verraten. Die Mütter sollten ihre Kinder
Religionsvorstellungen und Regierungsformen selbst stillen, sie nicht einwickeln und in Schnür-
handeln. Stets wird berichtet, wie sich der gerade brüste zwängen. Sie sollten ihnen eine »vernünfti-
behandelte Sachverhalt auf den verschiedenen ge Freiheit« (S. 122) lassen und sich die »Kinder
geschichtlichen Stufen ausgenommen habe. des gemeinen Volkes« zum Vorbild nehmen. Das
1091 Sachschriften 1092

Schreien und Weinen der Kinderseien am besten rei, die Tonkunst, das Tanzen und viele andre ent-
nicht zu beachten; so ließen sich ihr Zorn und Ei- standen« (S. 30 I). Bei Darlegung der Regierungs-
genwille frühzeitig brechen, sie lernten, » Verwei- formen läßt Villaurne keinerlei Zweifel an seiner
gerungen [zu] ertragen« und »Schmerzen [zu] er- Ablehnung des Despotismus: »Wenn der Beherr-
dulden« (S. 132). Furchtsamkeit könne dadurch scher kein Gesez beobachtet, und dem Volke kei-
vorgebeugt werden, daß die Kindervom Gesinde, nes gibt, sondern den Staat nach seinem jederzei-
seinen Märchen und seinem Aberglauben fernge- tigen Willen regiert, so heißt die Regierung despo-
halten würden. Kindheit und Jugend seien tisch oder willkührlich« (S. 318). »In jedem wol-
schließlich die Zeit, »wo man die Anfangsgründe polizierten Staate, sind alle Theile der Regierung
der Wissenschaften [ ... ] am besten erlernen durch Gesezze bestimmt, theils damit ein jeder
kann« (S. 136). Das »Jünglingsalter«, die Zeit weiß, was er zu thun, zu erwarten und zu fürchten
zwischen dem 16. und 20. Jahr, sei »die Zeit zur hat; theils um der Regierung Festigkeit, und sie
Wahl eines Standes und der eigentlichen Vorbe- nicht dem Eigenwillen, der Unwissenheit, der
reitung dazu«. Es ist für Villaurne zugleich die ge- Untreue und dem Einfall der Bedienten oder des
fährlichste Lebensspanne: »die Zeit der ungestü- Volks Preis zu geben« (S. 321 f.). In der» Verglei-
men Leidenschaften, des Zorns, der Lust, der Un- chung der Regierungen« gibt Villaurne nicht der
mäßigkeit, des gewagten Unternehmens, des blin- demokratischen Republik, sondern der gemäßig-
den Zutrauens zu sich selbst und zu andern« (S. ten Monarchie, die sich an Gesetze hält, den Vor-
138). Zugleich aber seien auch» Tugendliebe und zug. »Die Regierungsform mag seyn, wie sie will,
Religion [ ... ] in ihrer größten Stärke« (S. 140). so muß Obrigkeit da seyn, und diese kann ihre
Im Kapitel über die »Verstandeskräfte« Macht misbrauchen. In der Monarchie hat man
wird ein sensualistisch gefärbter Rationalismus nur die Fehler des Monarchen zu fürchten, in der
vertreten: »Die sinnlichen Kenntnisse [ ... ] ma- Republik aber, die Fehler einer jeden Magistrats-
chen nicht unser ganzes Wissen aus. Wir verschaf- person, und des ganzen Volks« (S. 348 f.). Insge-
fen uns noch intellectuelle Begriffe, d. h. solche samt sei aber auch die schlechteste Regierung
die man gar nicht vorstellen kann, und die man noch dem Zustand gänzlicher Anarchie vorzuzie-
nur denken muß [ ... ]« (S. 188). Sinnliche Erfah- hen: »Die unvollkommenste Regierung ist weit
rung und »Nachdenken« gelten gleichermaßen besser als die Obrigkeitslosigkeit« (S. 349).
als Wissensquellen, neben die Villaurne noch den Die Nachteile eines gesellschaftlichen Zu-
»Unterricht«, die Mitteilung von Erfahrungen sammenschlusses bestehen für Villaurne in der
anderer, setzt (S. 194). Für den Unterricht aber be- Einschränkung der Freiheit des Einzelnen: »Jede
stehe die Gefahr, äußerlich und leer zu bleiben, Gesellschaft auch nur von Zween, kann mit einer
was besonders für den Jugendunterricht gelte. gänzlichen Freiheit nicht bestehn« (S. 350). Es
»Die Erfahrung muß dem Unterricht den Weg sind aber nicht nur Regierung und Gesetze, die
bahnen, sonst bedeutet dieser nicht viel.« Eben die Freiheit einschränken; hinzukommen etwa
deshalb kann »mehrentheils [ ... ]die Jugend den der »Zwang der Sprache«, die »Ceremonien«,
Unterricht nicht begreifen« (S. 20 I). Das männli- die »Höflichkeit« und die sonstigen gesellschaft-
che Alter sei deshalb in Wahrheit »die rechte Zeit lichen Konventionen (S. 352). Die »Ungleichheit
des Unterrichts«. »Auch sieht man, daß alles Flei- der Vermögen« scheint für Villaurne ein gesell-
ßes, den man dem Unterricht der Jugend und schaftliches Übel nur auf den ersten Blick zu sein,
Kindheit wendet, ohnerachtet, diese höchstens »ein großes Scheinübel in der Gesellschaft« (S.
sich zum Lernen und Kennen vorbereitet« (S. 354). Zwar könne Reichtum nicht nur rechtens
202). Dies steht im Widerspruch zu der oben an- durch »Geschicklichkeit« und »Handlung«, son-
geführten These Villaumes, daß in der Kindheit dern auch durch »Hinterlist« und »Plünderung«
und Jugend am besten die Anfangsgründe der erworben sein; dennoch sei ein Vermögensunter-
Wissenschaften zu erlernen seien. schied in der Natur der Sache begründet. »Diese
Viilaumes Gesellschaftslehre setzt mit einer Ungleichheit des Vermögens ist unvermeidlich.
Reflexion über den Ursprung der »bürgerlichen Es ist ausgemacht, daß der arbeitsame geschikte
Gesellschaft« ein: »Die Neigung zum geselligen Mann mehr verdienen muß, als der Träge und
Leben, und das gegenseitige Bedürfniß vereinig- Dumme; und daß der weise Haushälter mehr als
ten sie. Das Bedürfniß ist zwiefach, nemlich der der leichtsinnige Verschwender, zurüklegen
Gegenwehr, und der Hülfe zur Lebensnothdurft« wird« (S. 356). Die Standesunterschiede werden
(S. 299). Nur in Gesellschaft sei die Entwicklung von Villaurne bloß beschrieben, ohne daß es zu ei-
der Handwerke und Künste möglich gewesen, ner Stellungnahme kommt. Hier gelangt auch die
was den Menschen Arbeit erspart und »Ueber- Stellung der Frau ins Blickfeld, die ohne alle Be-
fluß und Muse« beschert habe. »Aus dieser Muse schönigung dargelegt wird: »Ueberall stehn die
sind die Künste des Ueberflusses, der Ueppigkeit, Frauen unter dem Gehorsam; nirgends können
des Puzzes, des Vergnügens, das Frisirens, die sie Staatsbedienungen erhalten. Unsre haben in
Stikkerei, die Arbeit in Seide, Silber, Gold und dem blos höflichen Umgang den Vorzug, die Ge-
Edelsteinen, das Schneiderhandwerk, die Male- schäfte aber sind alle in den Händen der Männer;
1093 v. Schlözer, Neu Jahrs-Geschenk, 1784 1094

und die Gesezze halten jenes Geschlecht unter chen Zuwachs durch Betriebsamkeit zu erhalten
ewiger Vormundschaft. Seine Arbeit wird pflegt« (ebd.).
schlecht bezahlt, so daß es kaum ohne Mann le- Als Quellen für die Ausarbeitung des Kar-
ben kann« (S. 362). E. tenspiels gibt Campe Büsching, Pfennig und Ni-
colai an. Ferner habe er aus »statistischen Aufsät-
zen in guten Journalen, aus Jägers Zeitungslexi-
kon, aus Privatnachrichten und aus selbstgesam-
melten geographisch-statistischen Bemerkun-
1784 gen[ ... ]geschöpft«(S.l4). H.
Joachim Heinrich Campe (1 746-1818):
Geographisches Kartenspiel; ein
Weihnachtsgeschenk for Kinder
undjunge Leute. 1784
Harnburg 1784 August Ludwig von Schlözer (1 735-1809):
Neu Jahrs-Geschenk aus Westfalenfor
Campe wendet sich mit seinem Kartenspiel an einen deutschen Knaben. Stück 1.
Kinder ab acht Jahren, »welche etwa ihren ersten
Geschichte des Schneider- und
kleinen Kursus in der vaterländischen Geogra-
phie vollendet haben« (»Für Kinderfreunde«, SchwärmerKönigs, Jan van Leyden, in
S. 4) oder »welche schon ihren zweiten geografi- Münster: A. 1535.
schen Kursus vollendet haben« (S. 5). In seinen Göttingen 1784
Erläuterungen gibt er je nach Alter und Wissens-
stand unterschiedlich schwierige Spielformen an. Das NeuJahrs-Geschenk aus Westfalen, für
Campe betont, daß er niemals der Meinung Schlözers damals 1Ojährigen Sohn Christian ge-
gewesen sei, »daß es gut sein würde, Kindem und schrieben, ist als erstes einer Reihe von Schriften
jungen Leuten alles, was sie zu lernen haben, [ ... ] gedacht, die als Vorbereitung und Anreiz zu geo-
in eine Spielerei zu verwandeln« (S. 3). In diesem graphischen, politischen und historischen Stu-
Sinne will er das Kartenspiel nicht als Ersatz für dien interessante » HauptBegebenheiten« aus
den Geographieunterricht verstanden wissen, es den deutschen Ländern darstellen sollen, die
soll vielmehr dazu dienen, »müssige Stunden in »nicht blos nützlich, sondern auch lustig zu hören
langen Winterabenden auszufüllen; schlechtere sind« (S. III). »Von jedem Kreise 3 Büchlein: 2
Spiele daraus zu verdrengen, und nebenbei der öf- historische, und das 3te eigentlich geographisch:
teren Wiederholung der vaterländischen Erdbe- facit von allen 10 deutschen Kreisen 30 Büchlein.
schreibung das Langweilige und Beschwerliche - Und in jedem Monat nur ein solches Büchlein
zu benehmen, welches öftere Wiederholungen für durchgemacht, und dann eine ganze Woche aus-
jedermann, am meisten für Kinder, mit sich zu geruht; [ ... ] fertig sind wir nach 3 Jaren mit ganz
führen pflegen« (S. 3 f.). Deutschland!!« (S. IV). Diese recht modern wir-
Das Spiel besteht aus 300 geographischen Karten, kende Konzeption, nicht den gesamten umfang-
sogenannten Kreis-, Produkten-, Strom- und Stadtkar- reichen historischen Stoff darzustellen, sondern
ten. Beigefügt ist eine Umrißkarte von Deutschland, auf Einzelthemen exemplarisch herauszugreifen,
der die Kinder vor Beginn des Spiels mit Hilfe eines glaubt Schlözer jeodch nicht allein erfüllen zu
Lehrers die Lage der Städte aufsuchen sollen, die sich können. Er regt die »zu diesem Werk geschickte-
auf den Spielkarten befinden: »so werden die kleinen ren« Zeitgenossen, namentlich Campe, Raff,
Herrn und Damen sich schon gefallen lassen, daß das Becker, Salzmann und Borheck dazu an, diese
Spiel nicht eher angehe, bis sie hierin sich erst hinläng- Reihe an seiner Stelle fortzuführen (S. Vf.).
lich geübt haben.« (S. 6).
Schlözer sieht das didaktische Problem der
Zur Rangordnung der Karten führt Campe von ihm konzipierten Schrift darin, »euch unwis-
aus, daß die freien Reichsstädte den höchsten senden, flüchtigen, Knaben, etwas so leicht, so
Wert besäßen, »weil sie die Ehre haben, die klei- klar, so faßlich machen, daß ihr das meiste von
nen Ueberreste deutscher Freiheit zu besitzen, euch selbst begreift;- nicht Ein Factum nemen,
und weil es deswegen gut ist, Kindern Achtung und darüber eine 10 Ellen lange Brühe machen,
dafür einzuflößen« (S. 6). Häufig habe eine kleine sondern 30 Facta auf Eine Seite pressen, und da-
Provinzstadt den Vorrang vor einer prächtigen bei doch kein Wort, keinen Namen, kein Datum,
Residenzstadt bekommen: »Jemehr Betriebsam- fallen lassen, das man nicht wie ein ehrlicher
keit, Nahrung und Wohlstand an einem Orte Mann beweisen könnte« (S. V). Den Sinn seiner
herrscht[ ... ] desto höher ist sein Rang« (ebd.). Schrift formuliert er folgendermaßen: )) Deut-
Den geringsten Wert haben Spielkarten mit Lust- scher Junge! lerne dein deutsches Vaterland ken-
schlössern, geistlichen Stiften u. ä., »WO die Sum- nen: sonst bist du nicht wert, ein Deutscher zu
me menschlicher Glükseeligkeit keinen erhebli- seyn« (S. I).
1095 Sachschriften 1096

Das Buch befaßt sich mit der Geschichte der Wie-


dertäufer, die im Jahre 1535 unter Führung des ehemali-
gen Schneiders Johann Bockold, genannt Jan van Ley-
den, in Münster ihr Wiedertäuferreich errichteten und
nach langer Belagerung von den bischöflichen Truppen
besiegt wurden.
Schlözer geht zunächst auf die Auswirkungen der ~tftfaltn
Reformation auf die Stadt Münster und auf die Ge-
schichte und die Lehre der Wiedertäufer ein. Darauf (1\r
schildert er die beginnenden Auseinandersetzungen
zwischen Wiedertäufern, Katholiken und Lutherischen einen beutf~en .Knaben.
in Münster, den Sieg der Schwärmer über die anderen
Richtungen und schließlich die Errichtung des »neuen
Jerusalem« unterdem »König« Jan van Leyden, dessen Stüct I.
Hofhaltung und ausschweifendes Leben drastisch ge- cBcfcbitbtC btiJ e~ndbtt' I Ullb
schildert werden. Gleichzeitig wird von den ))Exzes- e~I\!Armtr.!t&nig,, Jan Clall U,tl~tl,
sen« der Schwärmer, der Belagerung, den Verhandlun- Ua mtm(lce; I. I535•
gen, den Kämpfen und der Situation der Belagerten und
der Belagerer berichtet, denen es schließlich gelingt, die
Stadt einzunehmen. Abschließend erzählt Schlözer, wie
es den besiegten Wiedertäufern erging, wie ihre Führer
»alle 3, über eine ganze Stunde lang, durch 2 Henker,
mit glühenden Zangen gezwickt, zerrissen, und zer-
fleischt« und schließlich zur Abschreckung des Volkes
in drei großen Käfigen am Lambertiturm aufgehängt
werden.
Die Beschränkung des Stoffes auf ein eng be- ~&ttlngtn
grenztes Thema trägt dazu bei, daß es Schlözer ge-
in •er !llAnbcnbotff~rn 0udJ~nbluno
lingt, nicht nur Ereignisse zu referieren, sondern 1784-
Zusammenhänge und Entwicklungen deutlich zu
machen. So beginnt erz. B. nicht, wie sonst üblich,
unvermittelt und ohne Erklärungen mit dem zu
behandelnden Gegenstand, sondern führt zuerst Schlözer, August Ludwig von: NeuJahrs- Ge-
in die Grundlagen der Problematik ein, indem er schenk aus Westfalen for einen deutschen Kna-
ben. Stück 1. - Göttingen 1784 (Nr. 800). Titel-
die Ausgangssituation in der Stadt Münster schil-
blatt
dert, in der sich gerade die Reformation durchzu-
setzen beginnt. Das Auftauchen und die große
Wirkung der sektiererischen Gedanken erklärt er
unter anderem als Mißverständnis der lutheri- kommt große Bedeutung für den Verlauf der Er-
schen Lehre und als falschverstandene Aufleh- eignisse zu, und ihre Motive, ihr Verhalten und ih-
nung gegen die kirchliche Obrigkeit. Die Lehre re Auffassungen werden ausführlich behandelt.
der Wiedertäufer wird in Grundzügen geschil- Diese für die Zeit ungewöhnliche Darstellungs-
dert, und die soziale und wirtschaftliche Kompo- weise wird durch die Stoffwahl beeinflußt, die
nente der Bewegung wird anschaulich gemacht, ebenso überraschend ist: Breite Schichten der Be-
bevor die Darstellung des Geschehensverlaufes völkerung erfassende, noch dazu ketzerische Be-
einsetzt, die sehr stark von Wertungen des Autors wegungen werden sonst meist nur kurz erwähnt-
beeinflußt ist. Blutrünstige Greuelszenen fehlen aus der Perspektive des Regenten, der sie nieder-
nicht, sondern werden im Gegenteil drastisch ge- wirft.
schildert, z. B. die Ausschreitungen der Sektierer Die Reformation wird von Schlözer in erster
während der Belagerung und die Folterung der Linie als wirtschaftlich-soziales, weniger als reli-
gefangenen Anführer. giöses Phänomen dargestellt. Er sieht sie als die
Die Darstellung orientiert sich weitgehend Abschaffung der blutsaugefischen Pfaffenherr-
an einzelnen herausragenden Personen, die als schaft durch die vernunftgemäße Aufklärung des
»Propheten« oder Anführer auftreten, vor allem Volkes. »Der neumodische Prediger predigte so
an der Person des »Schwärmerkönigs« Jan van allerhand, was die Leute dort nie gehört hatten;
Leyden. Trotzdem handelt es sich bei dem Neu- und was doch einem jeden, der's zum ersten mal
Jahrs-Geschenk nicht um eine Biographie des Jo- hörte, einleuchtete. Er predigte zum Exempel:
hann Bockold. Das Schicksal und die Taten des wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Nun wa-
»Königs« liefern vielmehr das Gerüst für die Dar- ren damals viele Schuster in Münster; die arbeite-
stellung auch der überpersönlichen Entwicklun- ten vom frühen Morgen bis in die sinkende
gen. Gerade die Bürger, der »Pöbel«, die Masse Nacht; und verdienten kaum so viel, daß sie und
treten handelnd in der Schilderung auf, ihnen ihre Frau und Kinder das liebe Brod hatten. Da-
1097 v. Schlözer, Neu Jahrs-Geschenk, 1784 1098

gegen waren aber Domherrn und andere Geistli- sie sich im allgemeinen gegen revolutionäre Erhe-
che in Münster; die taten nichts; und hatten doch bungen wendet, so bekämpft sie im konkreten
so viel zu essen und zu trinken, und aßen und tran- den amerikanischen Unabhängigkeitskampf.
ken so viel, daß sie hätten platzen mögen. Daß Das Werk enthält mehrere Anspielungen auf die
aber dies nicht christlich, nicht menschlich, wäre: amerikanischen Ereignisse, so z. B. wird S. 84 f.
konnte jedes SchusterWeib begreifen, sobald sie's ein Gedicht zur Unterstützung der nordamerika-
nur hörte« (S. 4). Die katholischen Geistlichen nischen Patrioten travestiert in: »Der edle Kampf
werden mit mitleidiger Ironie als tumbe »arme für Freiheit und Schneider Jan« (statt: für Frei-
Praffen« dargestellt, denen gegenüber den pro- heit und Vaterland) (vgl. dazu Brunken, 1981,
testantischen Vorwürfen nichts anderes einfällt, s. 34ff.).
als zu behaupten, »sie hätten's übrigens bisher Bemerkenswert ist neben dieser zeitpoliti-
nicht besser gewußt; und hätten immer wie ehrli- schen Ausrichtung vor allem der sehr freie, teil-
che Leute geglaubt, FegFeuer, ChorSingen, Meß- weise umgangssprachliche, häufig derbe, manch-
Lesen, und von andrer Leute Schweiß für nichts mal ironische Stil: Die Bekehrung zum Protestan-
leben, stünde alles in Gottes Wort« (S. 9). tismus bezeichnet Schlözer als »den Leuten den
Schlözer verurteilt die Wiedertäufer als Star stechen« (S. 7 und passim); das Walten der
»Narren«, »garstige Buben«, »Käuze«, als »an- katholischen Geistlichen nennt er die »Büberei
gebrannten Pöbel«, dem man »alles in den Kopf und Prellereider Praffen und Mönche« (S. 8), de-
setzen kann« (S. 78), und ihre Lehre als »Grillen« nen es dank der Reformation nun »an den Wanst
oder »Pestilenz«. Das Wiedertäuferturn ist für ging« (S. 11 ). Über den Bauernkrieg schreibt er,
ihn ein schädlicher Auswuchs der sonst so segens- die Bauern seien »in die Pranne gehauen« wor-
reichen Reformation, ein Mißverständnis der auf- den (S. 28 f.); die Einführung der Vielweiberei
klärerischen lutherischen Lehre: »einige unver- schildert er mit den Worten: »Nun nahm der geile
ständige Leute verstanden das gleich anfangs un- Bock 3 Weiber« (S. 72); und selbst der- wenn
recht, und meinten: >nun wären sie also völlig auch durch Auslassung einiger Buchstaben ge-
freie Leute; dürften tun, was sie wollten, nicht nur milderte- Ausdruck »Sch ... Propheten« kommt
in Religions- sondern auch in weltlichen Dingen; vor(S. 62).
brauchten keinem Amtmann, keinem Edelmann, Die zu erwartende Kritik an diesem Ton in
keinem Fürsten, keinem Könige mer zu gehor- einem Werk der Kinder- und Jugendliteratur
chen[<]« (S. 20). Die Motive der Wiedertäufer nimmt Schlözer selbst ironisch vorweg, indem er
sieht Schlözer in dem Streben nach Macht, Reich- dem Text eine vorgebliche Druckfehler-Korrek-
tum und sexueller Schrankenlosigkeit. Über die tur voranstellt: »Eben schickt mir die Tante B-m
Eroberungen der Sektierer schreibt er z. B.: » Ih- die gedruckten Bogen, die ich ihr zum Durchmu-
nen gelüstete nach den fetten Klöstern; sie, meist stern empfohlen hatte, wieder zurück; und zeigt
arme Schlucker, wollten der reichen Leute in mir darinn merere gar arge Druckfehler an, die
Münster ihr Geld und Gut haben; sie wollten die ich, ich weiß selbst nicht wie? in der Correctur
ganze Stadt, und das Bistum, plündern: das nann- übersehen hatte. Hier sind einige der ärgsten: die
ten die Buben, Gotteslästerlicher Weise, das ändere also gleich in deinem Exemplar. S. 11, Z.
Reich Christi aufrichten!« (S. 51) Entsprechend 2, für Wanst, lies Bauch. S. 47, Z. 4 von unten, für
dieser scharfen Verurteilung der Sektierer befür- hatte nichts als Dicke tun vor, lies ... einen bes-
wortet Schlözer deren strenge Bestrafung: »Man sern Ausdruck, den ich aber sogleich nicht finden
mußte mit den Leuten schrecklich umgehen. Vie- kan« etc. (S. VII).
le wurden geköpft« (S. 32). Die Folterung der ge-
Göhring (1904, S. 60f.) und Schmidt (1974, S. 94)
fangenen Anführer wird kommentarlos und ohne weisen auf die Erfolglosigkeit der neuen, »anspruchs-
Kritik geschildert (S. 13 7). vollen« Konzeption Schlözers hin. Zwei ähnliche Wer-
Schlözer weist zum Schluß darauf hin, daß ke über Thomas Münzer und Kunz von Kauffungen er-
der Geist des Wiedertäuferturns noch immer le- schienen unter dem Namen A. R. Warlichs, stammen
bendig sei: »Diese Leute sind es auch hauptsäch- vermutlich aber auch von Schlözer.
lich, die in unsernTagen in NordAmerika die Re- In der modernen KJL-Forschung wird das Neu-
bellion angefangen; und 2 Millionen sonst ge- Jahrsgeschenk von den Autoren, die es überhaupt er-
scheuter Menschen verleitet haben, sich ohne Ur- wähnen, sehr lobend beurteilt, u. a. von Göhring
(a.a.O.), Köberle, (1972, S. 159 u. 162) und Schmidt
sache, und zu ihrem Schaden, von Georg dem III (a.a.O.), die insbesondere Schlözers Anschauung her-
zu trennen« (S. 141). vorheben, »daß geschichtliches Wissen noch nicht hi-
Dieser Hinweis enthüllt eine der wesentli- storische Bildung bedeutet, daß es vielmehr auf das Ver-
chen Absichten, die Schlözer mit seinem Neu- stehen der Zusammenhänge und die Erkenntnis der
Jahrsgeschenk verfolgt: Die Geschichte des Jan treibenden Kräfte im Schicksal der Völker und Natio-
van Leyden ist- am Beispiel der Wiedertäuferbe- nen ankomme« (Köberle, a.a.O.).- Vgl. Brunken, 1981.
wegung- eine politische Kampfschrift zur Vertei- S./O.B.
digung des aufgeklärten Absolutismus gegen anti-
monarchische revolutionäre Bewegungen. Wie
1099 Sachschriften 1100

1784 men gezogen, gefunden haben« (S. 1 f.). Durch


die Darstellungen der Kupfertafeln aus neun ver-
Johann Siegmund Stoy (1 745-1808): schiedenen Themenbereichen habe der Besitzer
Bilder-Akademie fiir die Jugend. der Bilder-Akademie gleichsam neun Bilderbü-
Nürnberg 1 784 cher in einem. Beim Gebrauch des Werkes im Pri-
vatunterricht trennt Stoy zwischen der Vorge-
hensweise bei der Unterweisung von Kindem
Stoy wendet sich an Jungen und Mädchen bis zwischen fünf und zehn Jahren und der Stoffver-
zum 12. Lebensjahr, an deren Eltern und Lehrer. mittlung bei Kindern vom zehnten Lebensjahr an.
Er versteht die Bilder-Akademie als eine »voll- Diese Anweisungen entsprechen weitgehend den
ständige, und im gewissen Verstande zusammen- Vorschriften Basedows zum Gebrauch seines Ele-
hängende Bildersammlung [ ... ]ein Lehr- und Le- mentarwerkes ( 177 4). Stoy empfiehlt den Lehrern
sebuch, durch welches die Jugend, auf eine leich- von Schülern über zehn Jahren, diesen wöchent-
te und angenehme Art, richtige Kentniße von den lich eine Tafel der Bilder-Akademie zu erklären,
meisten Gegenständen der Aufmerksamkeit, und wobei sie stets bei der biblischen Geschichte be-
Lust zur Erkenntnis der übrigen bekommen kann ginnen sollten. Der Schüler solle anschließend
- ein Magazin der vornehmsten Materialien zur den Stoff nacherzählen und bereits besprochene
Bildung eines gesunden Verstandes und eines ed- Tafeln wiederholen. Die einzelnen Stücke des
len Herzens in der Jugend- vorzüglich brauchbar Werkes sollen jedoch nicht isoliert behandelt,
für Eltern, die ihren Kindern nicht viele und nicht sondern die Kenntnisse fortlaufend durch die
öffentliche Unterweisung können geben lassen- Lektüre zusätzlicher Nachschlagewerke erweitert
Söhnen, welche sich nicht den Wissenschaften werden.
und der systematischen Erlernung derselben son- Die Themenbereiche der Naturgeschichte
dern, z. E. der Kunst, der Handlung, dem Mili- und Naturlehre, der Kunst und des Berufslebens
taire oder einer Profession widmen - Töchtern, sollen durch Hinzuziehung von »Naturalien und
welche durch diese Sammlung auserlesener Ma- Kupfersammlungen«, durch einen Besuch auf
terien (von denen sie, nach dem gewöhnlichen dem Land oder in den Werkstätten der Künstler
Gang ihrer Erziehung, wenig oder nichts hören) und Handwerker veranschaulicht werden (S. 4).
reich an vieler Einsicht, begierig auf die Lektüre, Geschichte und Geographie sollen miteinander
und angenehm im Umgange werden können« verbunden werden, und die mythologischen Ab-
(Bd. 1, S. 10). bildungen sollen den Lehrer veranlassen, mit den
Stoys Bilder-Akademie erschien zunächst Schülern die antiken Schriften zu lesen. Von be-
periodisch in Lieferungen zu je sechs Tafeln mit sonderer Wichtigkeit ist es für Stoy, daß stets auf
Text (1780-1784), die dann zu einem dreibändi- den Zusammenhang der jeweiligen Abbildung
gen Kompendium zusammengefaßt wurden. So mit der grundlegenden Darstellung aus der bibli-
enthält der erste Textband Erklärungen zu den er- schen Geschichte hingewiesen wird. Schließlich
sten fünf Lieferungen (Tafel 1-30), die übrigen könne der Schüler »das Vornehmste derselben in
vier sind im zweiten Band zusammengefaßt. Den allerley deutsche, lateinische und französische
Lieferungen wurden verschiedene methodische Ausarbeitungen bringen - in Briefe, Gespräche,
Beilagen hinzugefügt, die sich auch hier in neuer Verse, kleine Abhandlungen, und dergl.« (ebd.).
Seitenzählung finden. Bereits der zweiten Liefe- Der Unterricht von kleinen Kindern im Alter
rung (1780) schaltete Stoy eine »Anweisung zum von5-1 0 Jahren soll »so einfach, so spielend ein-
nützlichen Gebrauch der Bilder-Akademie« vor gerichtet werden [ ... ], als möglich ist.« (S. 5) Der
(hier S. 1-16 nach S. 102), in der er eingehend Lehrer soll täglich gemeinsam mit dem Kind das
Funktion und Anwendungsbereich des Werkes Buch betrachten: »Er legt dem Kinde eine Tafel
erläutert. Eine Betrachtung der hier vorgestellten nach der andern, wöchentlich eine oder zwey vor,
Erziehungsauffassungen macht eine weitgehende und sagt im Anfange gar nichts. Es wird begierig
Übereinstimmung mit den Prinzipien Basedows alles ansehen- bald dahin bald dorthin schauen-
deutlich. Stoy sieht drei Gebrauchsmöglichkeiten was Dieses was Jenes ist, fragen- Der Lehrer ant-
für die Bilder-Akademie: »Erst/ich, als ein Hand- wortet ihm auf alle Fragen, und wartet, bis die er-
buch und Magazinbey jeder Erziehungs-Metho- ste Neugierde des Kindes gestillet ist. Dann ver-
de; zweytens zum Privat-Unterricht und drittens spricht er ihm, nach und nach Alles weitläufig zu
zum öffentlichen Unterricht in den Schulen« (An- beschreiben, wenn es zuerst auf die größte Vor-
weisung S. 1). stellung in der Mitte ganz alleine sehen, und auf-
Stoy betont insbesondere den Magazincha- merken und etwas davon merken wird. Nun fängt
rakter des Werkes und empfiehlt es - in Anleh- er an die biblische Geschichte ganz kurz, faßlich,
nung an Basedow- auch Erwachsenen zur Lektü- spielend und lebhaft zu erzehlen« (ebd.). Zu-
re, da sie hier alles fänden, was »sie entweder lan- nächst sollen diese Erklärungen jedoch nur
ge wieder vergessen, oder nicht leicht so, kurz, »obenhin« (S. 7) erfolgen und erst in einem zwei-
faßlich und accurat, aus vielen Schriften zusam- ten Durchgang vertieft werden: »Der Lehrer
1101 Stoy, Bilder-Akademie, 1784 ll02

wendungsmöglichkeiten der Bilder-Akademie im


öffentlichen Unterricht auseinander. Im Ver-
gleich zu den Anweisungen Basedows zum Ele-
mentarwerkzeigen sich einige Gemeinsamkeiten.
So tritt beispielsweise bei den Anwendungsmög-
lichkeiten des Werkes im öffentlichen Unterricht
der gleiche elementarische Gedanke auf, den Ba-
sedow seinem Werk zugrunde legte, oder wie Stoy
selbst es formuliert : eine Methode, »nach welcher
nur das Leichtere im Anfange, das Schwerere
aber bey zunehmenden Fähigkeiten der Kinder
mit ihnen vorgenommen wird« (S. 14). Weitere
Gemeinsamkeiten bestehen in der Berücksichti-
gung der Anschauung bei der Stoffvermittlung
und in den »spielenden Erklärungen«, mit denen
den jüngeren Kindern der Stoff nahegebracht
werden soll. Sowohl Basedow als auch Stoy ge-
hen davon aus, daß die Kupfertafeln für alle Al-
tersstufen und Klassen im Unterricht unerläßlich
seien, wobei beide den Eltern und Erziehern emp-
fehlen, eine sorgsame Auswahl zu treffen.
Stoys Intention, zur >>Bildung eines gesun-
den Verstandes und eines edlen Herzens in der Ju-
gend« (Vorrede Bd. I,S. 10) beizutragen-eineim
übrigen häufig von Basedow benutzte Formulie-
rung-, soll auch auf dem Wege von unterschiedli-
chen Kombinationen aller Abteilungen einer Ta-
Johann Siegmund Stoy (1745-1808). Kupferstich fel verwirklicht werden. Stoy gibt dafür in einer
von G. J. Schrazenstaller Beilage zur dritten Lieferung ( 1781) ein umfas-
sendes Beispiel, wobei er auf 36 verschiedene
nimmt auf das Neue eine Tafel nach der andern Kombinationsmöglichkeiten kommt. Der Auf-
vor, erzehlt zuerst die biblische Geschichte weit- bau der Bilder-Akademie macht jedoch einen gra-
läufiger, und lässet sie dem Kinde lesen - sucht vierenden Unterschied zur Konzeption des Base-
alsdenn aus den übrigen Vorstellungen zwey oder dowschen Elementarwerkes deutlich, da für Stoy
drey heraus, die er demselben weitläufig erklärt, das Fundament der ersten Wissensvermittlung
vornehmlich die aus dem Naturreiche. Dann erst die biblische Geschichte ist, während Basedow,
folgt die vollständige Erklärung, wie sie mit er- von der Natur und den sinnlich erfaßbaren Ge-
wachsenen Kindern vorgenommen wird« (S. genständen ausgehend, auf diesem Wege ver-
7 f. ). Stoy weist darauf hin, daß es jedoch die Auf- sucht, den Kindern einen Begriffvon Gott zu ver-
gabe »vernünftiger Eltern und Lehrer« (S. 8) sein mitteln. Stoys Bitder-Akademiedagegen sucht ein
müsse, stets den Entwicklungsstand ihrer Kinder Gesamtbild der Welt auf der Grundlage der
und Zöglinge zu berücksichtigen, der nicht unbe- christlichen Religion zu vermitteln, wobei der
dingt vom Alter abhängig sei. Verstand der Kinder durch das Herausfinden der
Einen »unermeßlichen Vortheil« (ebd.) der Verbindungen der einzelnen Themen mit der bi-
Bilder-Akademie gilt es für Stoy noch hervorzuhe- blischen Geschichte und untereinander geschärft,
ben: »Die Bilderakademie soll nehmlich auch ein das Lernen und Behalten durch »anschauende
Universalrepertorium seyn; in welcher die Jugend, Erkenntnis« erleichtert werden soll.
von den ersten Jahren der Unterweisung an, auf Das Werk besteht aus einem Band mit 54 Kupfer-
alle Lebenszeit hinaus, als in wohlgeordnete Bie- tafeln und zwei Bänden Text, in denen der »Zusammen-
nenzellen alles trägt, was Lectüre, Umgang, Beruf hang der Vorstellungen« jeder Tafel erläutert wird und
und Erfahrung an auserlesenen Kentnißen geben »Erklärungen zu den Tafeln« gegeben werden. Der er-
-aus welchem man, mit leichter Mühe alles wie- ste Band enthält zusätzlich Beilagen mit neuer Seiten-
der zum Gebrauche gleichsam herausnehmen zählung. Es finden sich vor der zweiten Lieferung eine
kann, was man von dem ersten Unterrichtsjahre »Anweisung zum nützlichen Gebrauch der Bilder-Aka-
an, vorzüglich Gutes und Merkwürdiges gelernt demie« (Bd. I, S. 1-16 nach S. I 02) und vor der dritten
Lieferung eine »Probe von den verschiedenen Combi-
und gelesen hat« (ebd.). Dies soll so geschehen,
nationen aller Vorstellungen einer Tafel« (Bd. I, S. 1- 8
das der Schüler unter Anleitung des Lehrers Ru- nach S. 202). Der Bildband enthält mit Kupfertitel und
briken anlegt, in denen er jeweils Bemerkenswer- Dedikationsblatt insgesamt 54 Kupfertafeln, von d enen
tes einträgt. 52 beziffert sind. Sie stammen von verschiedenen
Sehr ausführlich setzt sich Stoy mit den An- Künstlern. Gezeichnet wurden sie von Johann Rudolf
1103 Sachschriften 1104

Schellenberg (1740-1806) (28 Taf.), Gottfried Chodo- zeinen Tafeln erfolgt bibelchronologisch. Die erste Ta-
wiecki ( 1728-1781) ( 17 Taf.) und seinem Bruder Daniel fel unterscheidet sich von den übrigen insofern, als hier
Chodowiecki (1726-1801) (I Taf.) sowie von Johann ausschließlich Abbildungen aus dem Naturreich zu fin-
Georg Penzel (1754-1809) (8 Taf.). Die ausführenden den sind. Sodann beginnt Stoy mit der Schöpfung; die
Künstler waren wiederum Schellenberg (22 Taf.), Pen- erste Tafel zeigt »Adam und Eva im Stande der Un-
zel (16 Taf.) und G . Chodowiecki mit 2 Tafeln, hinzu schuld«; die übrigen Abteilungen dieser Tafel befassen
kommen der Berliner Kupferstecher und Radierer Jo- sich mit dem Menschen allgemein. Es folgen nun Dar-
hann Friedrich Schleuen (9 Taf.) sowie Jakob Samuel stellungen des Sündenfalls (Taf. 3), von Kain und Abel
Walwert (1750-1815), Kupferstecher, Zeichner und (Taf. 4), der Sündflut (Taf. 5) und des Turmbaus zu Ba-
Miniaturmaler ebenfalls in Nürnberg, der Berliner bel (Taf. 6). Die Tafeln sieben bis zwölfbehandeln die
Zeichner und Kupferstecher F. Conrad Krüger und C. Geschichte der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob,
C. Glassbach mit je einer KupfertafeL die Tafeln 13-18 die Geschichte Moses. Am Beispiel
Die Kupfertafeln sind stets in neun Themenberei- der 13. Tafel soll die Vorgehensweise Stoys verdeutlicht
che eingeteilt. Die biblische Darstellung steht im Mittel- werden : Im Mittelpunkt steht die Aussetzung und Erret-
punkt, von ihr ausgehend folgen von oben links nach tung Moses, zwei weitere kleine» Fächer« zeigen die Er-
unten rechts die übrigen Abteilungen, die z. T. noch ein- scheinung Gottes, der Mose den Befehl gibt, das jüdi-
mal in Binneneinteilungen gegliedert sind. In den Text- sche Volk ins gelobte Land zuführen. Mose teilt dies den
bänden befinden sich zu diesen »Fächern« ebensoviele »unter der harten Arbeit und den Drangsalen« (Bd. 7,
Kapitel mit Erklärungen, und zwar stets in der gleichen S. 206) leidenden Menschen mit (vgl. den letzten Teil
Reihenfolge : »biblische Geschichte«, »das gemeine der biblischen Darstellung dieser Tafel). Dies gibt Stoy
Leben«, »die Profangeschichte«, »etwas aus Hr. Base- nun Gelegenheit, in der Abteilung »gemeines Leben«
dow's Elementarwerke«, »etwas aus dem Naturreich«, von den »mancherley Gefahren, denen der Mensch un-
»ein Berufsgeschäft«, »eine Fabel«, »eine mythologi- terworfen ist« (Bd. I, nach S. 202, S. 9), zu berichten.
sche Vorstellung« und »eine moralische Erzählung«. Dargestellt werden in vier kleinen Binneneinteilungen
Die biblische Geschichte, deren Abbildungen den Mit- verschiedene lebensbedrohende Situationen des Men-
telpunkt einer jeden Tafel bestimmen, steht auch inhalt- schen. Es folgt aus der Profangeschichte die Beschrei-
lich an zentraler Stelle; sie bildet die Grundlage des bung der Jugendjahre des Cyrus. Das vierte Fach zeigt
Werkes, von der ausgehend die verschiedenen Bereiche Abbildungen aus dem Leben eines Kindes (Basedows
abgehandelt werden, deren Zusammenhänge sich aller- Elementarwerk). Weil Moses in Ägypten geboren wur-
dings häufig nicht durch die Tafeln allein erschließen de, enthält die fünfte Darstellung eine Karte des Lan-
lassen. So dient der Text zur Erläuterung und Erweite- des. Die Erwähnung der ägyptischen Papierstaude in
rung der Darstellungen. Die Systematisierung der ein- der biblischen Erzählung veranlaßt Stoy, unter dem Ka-

Stoy , Johann Sigmund: Bilder-Akademiefiir die Jugend.- Nümberg 1784 (Nr. 8 74). Kupfertitel des Ta-
f e/bandes von Schellenberg nach D. Chodowiecki
1105 Stoy, Bilder-Akademie, 1784 1106

pitel Berufsgeschäft über die Papierherstellung zu be- einzelne Männer oder ganze Gruppen. So stellt Tafel25
richten. Die Grausamkeit des Pharao führt zu einer Fa- die Klassiker und Tafel 50 die »Gelehrten« des Alter-
bel >>Die Frösche und die Kinder«. Aus der Mythologie tums vor. Von großer inhaltlicher Vielfalt sind die Stük-
wird von den Jugendjahren des Ödipus erzählt, wobei ke aus Basedows Elementarwerk. Im Gegensatz zu den
auf der Kupfertafel dargestellt wird, wie das Kind von übernommenen Kupfertafeln von Chodowiecki wer-
einem Soldaten mit den Füßen an einen Baum gehängt den die Texte nicht nachgewiesen. Sie behandeln die
wird. Die letzte Abbildung, die Darstellung eines Kin- unterschiedlichsten Themen, z. B. »Die Wohnungen«
des, das von einer Schlange angegriffen wird, gehört zu (Taf. 7), »Die Börse in London« (Taf. II), »Kinder-
der Beispielsgeschichte »Das errettete Kind.« zucht« (Taf. 21) oder »Gottes-Erkenntnis« (Taf. 52).
Es folgen nun in der Reihenfolge der Tafeln der Einige Kupfertafeln aus dem Elementarwerk wurden
Auszug der Israeliten ins gelobte Land (Taf. 19). Die Ta- auch für den Bereich »Vorstellungen aus dem gemeinen
feln 20 und 21 enthalten aus dem Buch der Richter Leben« übernommen, jedoch z. T. stark verkleinert wie-
»Thaten und Schicksale Simsons« (Bd. 2, S. I nach dergegeben. Bei dem Thema »Naturreich« nimmt Stoy
S. 320) und aus dem I. Buch Samuel die Geschichte des die herkömmliche Einteilung in Pt1anzen- Tier- und Mi-
Eli, der sich die Geschichten von Saul und David an- neralreich vor und erläutert Vorkommen, Aussehen und
schließt (Taf. 22-25). Aus dem Buch der Könige erfährt den Nutzen für den Menschen. Breiten Raum nimmt
der Betrachter etwas über Salome (Taf. 26) und aus den die Behandlung der Berufsgeschäfte- insbesondere der
prophetischen Büchern von Elia, Elisa und Jonas (Taf. Handwerksberufe- ein, daneben finden sich solche wie
27-29), von der Krankheit des König Hiskias (Taf. 30), der des Wundarztes, des Kaufmanns, des Bildhauers
vom Feuerofen Nebukadnezars (Taf. 31) und von Da- und des Chemikers. Die Fabeln- überwiegend von Gel-
nie! am Hof Belsazars (Taf. 32). Stoy beschließt das Alte Iert- sind sowohl in Prosa als auch in Versform gehal-
Testament mit einem Rückgriff auf Esther und Hiob ten, wobei häufig auf eine moralische Lehre verwiesen
(Taf. 33 u. 34). Die folgenden 14 Tafeln enthalten Aus- wird, die Stoy aus der Bibel zieht. Die Vorstellungen aus
züge aus den Evangelisten (Taf. 35-48). Dargestellt wer- der Mythologie sind teils Erzählungen, teils rein sach-
den Christi Geburt, Christus im Tempel und seine Taufe lich-informierende Abhandlungen. Die Beispielge-
(Taf. 35-37). Tafel 38 und 39 stellen die Wunderwerke schichten schließlich sind häufig in fernen Ländern an-
Jesu dar und sind von nahezu verwirrender Vielfalt im gesiedelt, womit Stoy neben der moralischen Unterwei-
Mittelteil; im Zentrum befindet sich jeweils eine Abbil- sung die Vermittlung von Sachkenntnissen anstrebt. Die
dung, um die herum sich weitere I 0 Darstellungen grup- Quellen, aus denen Stoy seine Stoffe entlehnt hat, wer-
pieren. Tafel 40 zeigt Jesus und Nikodemus und Tafel den nicht genannt.- Am Schluß des Werkes findet sich
41 enthält eine Abbildung, die unter dem Begriff »Chri- ein nach den neun Themenbereichen gegliedertes Ver-
sti Liebe zu den Kleinen« steht. Diese Tafel beschäftigt zeichnis (S. 1186-1194) und ein alphabetisches Register
sich ausschließlich mit dem Thema Kind. So finden sich »der merkwürdigsten Sachen und Personen« (S.
hier u. a. die Schattenrisse der bekanntesten Pädagogen 1195-1208).
der Zeit: Miller, Braun, Weisse, Basedow, Feder, Cam- Stoy hat sein Werk dem Schwedenkönig Gustav
pe, Seiler, Feddersen. Die Tafeln 42-46 stellen verschie- Adolph gewidmet. So ist im Mittelpunkt des Dedika-
dene Gleichnisse dar. Die Tafel 47 behandelt das tionsblattes von Penzel das Portrait des noch jungen
Abendmahl, wobei die Tendenz zur Verweltlichung der Kronprinzen zu sehen, umgeben von allegorischen Ge-
Religion deutlich hervortritt. So stellt Stoy einen Zu- stalten und Gegenständen, die auf die Thematik der Bil-
sammenhang zwischen dem Abendmahl und den Berei- der-Akademie hinweisen: Ein Jüngling überreicht Mi-
chen der Natur und der Arbeit her, indem er vom Wein- nerva und Apoll ein Buch, zu seinen Füßen betrachten
und Hopfenanbau berichtet und den Beruf des Kochs Kinder eine Tafel mit der Genealogie der Herrscherhäu-
und des Wirts vorstellt. Es folgt die Kreuzigung Jesu, um ser, und neben einer Weltkugel finden sich Tafeln mit
deren Darstellung sich in kleinen Abbildungen seine naturwissenschaftlichen Abbildungen, Bücher und
Gefangennahme, der Leidensweg und die Auferste- Malwerkzeuge. Das Titelblatt von Schellenberg nach D.
hung gruppieren. Die Tafeln 49-51 enthalten Abbil- Chodowiecki zeigt Klio, die einen Vorhang lüftet, hinter
dungen aus der Apostelgeschichte: das Pfingstwunder, dem sich verschiedene Wandbilder befinden, die von
die Evangelisten und Apostel und die Steinigung des vier Kindem betrachtet werden. Sie stellen biblische
Märtyrers Stephanus. Die letzte Kupfertafel zeigt das (Kain und Abel, Turmbau zu Babel) und geschichtliche
Ende der Welt, deren Behandlung im Text auf den Themen (Ringer, Pyramide) dar. Zu Füßen der Muse
Evangelienberichten und der Offenbarung des Johan- liegen fünf Bücher mit der Aufschrift: Basedows Ele-
nes beruht. mentarwerk, Fabeln, Kuenste, Naturlehre, Erzaehlun-
gen. An einem Podest lehnt eine Tafel, die Apo II- um-
Während sich die Bibelthemen sowohl in Text als geben von den neun Musen und Pegasus- darstellt. Das
auch Bild durch ihre Chronologie ordnen lassen, sind Podest trägt den Spruch: »Ciio gesta canens transacti
die übrigen Bereiche kaum systematisch zu erfassen. temporis edit«.
Die Kategorie »Vorstellungen aus dem gemeinen Le-
ben« enthält sowohl moralisch-belehrende als auch Stoy geht in seiner BiTder-Akademieüber die
sachlich-informierende Texte aus den unterschiedlich- Forderungen Basedows für den ersten Unterricht
sten Lebensbereichen. So wird über das Reisen berich- hinaus, indem er den Stoff nicht ausschließlich
tet, den Sklavenhandel, Priester- und Ordenstrachten,
nach dem Nützlichkeitsprinzip auswählt. Die nä-
Wappen, religiöse Riten oder über Besonderheiten
fremder Völker. Die Themen aus der Profangeschichte here Betrachtung einiger Tafeln und Texte soll ei-
werden nicht chronologisch, sondern stets nach ihrer nen Eindruck von der Vielfalt der vorgestellten
Beziehung auf das vorgestellte biblische Thema hin an- Themen vermitteln.
geordnet. Dieser Komplex enthält überwiegend Kultur- Die vorgestellten Themen sind äußerst viel-
geschichtliches sowie personenbezogene Berichte über fältig. Dabei geht Stoy häufig so vor, daß er ver-
1107 Sachschriften 1108

Stoy, Johann Sigmund: Bilder-Akademie for die Jugend. - Nümberg 1784 (Nr. 874). Taf XLI von
Schellenberg nach Penzel

schiedene Themen leitmotivisch zusammenfaßt; die ebenfalls als Märtyrer starben, wobei auf den
in anderen Fällen ist die Zuordnung der ange- drei kleinen Abbildungen zu diesem Thema die
sprochenen Gegenstände jedoch eher willkürlich. Todesarten dargestellt werden. Auch um die Dar-
Ein Beispiel für das erste Präsentationsmuster stellung des heiligen Stephanus gruppieren sich
bietet die Tafel 51, die verschiedene Aspekte auf- im übrigen 12 Fächer mit verschiedenen Folter-
klärerischen Gedankenguts veranschaulicht. Die methoden, die darüber hinaus im Text erläutert
Tafel behandelt den Märtyrertod des heiligen Ste- werden. Diese Tendenz des Verfassers zur häufi-
phanus. So wird in der Kategorie »gemeines Le- gen Thematisierung des Absonderlichen und
ben« der Begriff der Toleranz erläutert, die Stoy Grausamen tritt in dem Werk auch sonst deutlich
in menschliche, christliche, kirchliche und bür- hervor. So zeigen viele Kupfertafeln eine Anhäu-
gerliche Toleranz aufgliedert. Ein Teil der Kup- fung von Totenköpfen, Skeletten, verkrümmt da-
fertafel von Penzel zeigt einen katholischen und liegenden Menschenleibem. Weitere Themen
einen protestantischen Regenten. Der Katholik von dieser Art sind Eifersuchtsdramen mit tödli-
läßt in der Überzeugung, »daß zur Bevölkerung, chem Ausgang (Taf. 20), verschiedene durch
Aufklärung und Bereicherung des Staates, Dul- Leichtsinn oder Ungehorsam selbst verschuldete
tung schlechterdings nöthig ist«, ein »Toleranz- Todesarten (Taf. 13), Kindsmord nach Verfüh-
Edikte ausfertigen«, der Protestant unterhält sich rung zur Unkeuschheit (Taf. 24), verschiedene
mit Leuten »von allerley Religion und Mei- Todesstrafen und deren Rechtfertigung (Taf. 2).
nung« : »Kommt, und wohnet in meinen Staaten, Diese Abbildungen dienen als moralisches Mittel
ich will euer Vater seyn! Selbst der Mennonite, der der Abschreckung, als Aufruf zur Besserung,
Herrnhuter, der Quaker, der Jude, die hier den gu- auch auf religiöser Ebene, ausgehend von dem
ten Fürsten um Schuz bitten, erhalten ihn - und eudämonistischen Prinzip, nach dem Tugend be-
des Fürsten Staaten blühen wie eine Rose, und lohnt, Untugend bestraft wird. Sodann bieten sie
seine Wurzeln schlagen aus wie Libanon« (Bd. 2, dem LesereineVergleichsmöglichkeitzum aufge-
s. 1141 ). klärten Zeitalter der Toleranz und der Vernunft,
Ein weiteres Thema dieser Tafel bildet die in dem »die Aufklärung in diesem für einen Staat
Behandlung der Folter. In der dritten Abteilung so wesentlichen Punkte, von Tag zu Tage immer
werden Sokrates, Seneca und Äsop vorgestellt, mehr zunimmt, und endlich auch zu allen Lan-
1109 Stoy, Bilder-Akademie, 1784 lll 0

desherrn, und allen denen, die mit an der gesezge- gegen einander, n. I, b. und Jakob reicht seinem
benden Gewalt und der Regierung der Staaten kranken Vater Isaack Speise, n. I, c. Daher das ge-
Theil haben, durchdringen wird« (Bd. 2, S. 1140). horsame, das höfliche und das wohlthätige Kind«
Auf dieser Intention beruht auch die nun folgen- (Bd. l, S. 18). Diese drei Beispiele werden im
de Behandlung der Inquisition aus Basedows Ele- zweiten Fach dargestellt und im Text erläutert,
mentarwerk, deren Methoden in Wort und Bild wobei es heißt, daß diese Tugenden darauf abzie-
dargestellt werden mit dem Hinweis, sie habe len, jemanden »liebenswürdig« zu machen (Bd.
»schnurgerade der heil. Schrift entgegen« ge- l, S. 140). Mit dem nächsten Beitrag aus der Pro-
handelt, »die mehr als einmal sagt: man solle mit fangeschichte wird der Zusammenhang zum bi-
dem irrenden Bruder Gedult haben, und ihn mit blischen Geschehen wieder hergestellt. Stoy be-
sanftmüthigen Geist wieder auf den rechten Weg richtet hier über das mexikanische Menschenop-
bringen« (Bd. 2, S. 1147). fer, welches im dritten Fach dargestellt wird. Die
Zunächst scheinen die beiden folgenden folgende Abbildung aus dem Elementarwerk
Themenbereiche zum Vorangegangenen in keiner trägt den Titel »Das Sterbebette«. Ein Todkran-
Verbindung zu stehen: Im Naturbereich erläutert ker gibt seinem jungen Verwandten als letzte Er-
Stoy den »Kreislauf des Blutes« (Bd. 2, mahnungen für sein künftiges Leben, stets »das
S. 1147 ff.) und als Berufsgeschäft stellt er die Gesez Gottes« zu achten und »das Andenken an
Anatomie vor (Bd. 2, S. ll50ff.). Er erklärt den die Verwesung« zu bewahren (Bd. 1, S. 143). Auf
»Zusammenhang der Vorstellungen« jedoch so: der Illustration befinden sich auf einem Nacht-
»Bey Gelegenheit des vielen Blut-Vergießens in tisch neben dem Krankenbett ein Totenkopf und
den ersten Jahren der christlichen Kirche, kann eine Tafel mit der Aufschrift »Herr ich warte auf
vom Blute und dessen Umlaufe, und überhaupt dein Heil«. Es schließen sich aus dem Naturbe-
von der Anatomie, gehandelt werden« (S. 2 nach reich Informationen über die Beschaffenheit des
S. l 076). Um den »Unsinn des Haßes der Wahr- Holzes an, und zwar aus der Begründung heraus,
heit und der Verfolgung« (ebd.) vor Augen zu daß im Bibeltext vom Opferholz die Rede sei. Da
führen, wird die Fabel von der Turteltaube er- Esau als Jäger beschrieben wird, stellt Stoy diesen
zählt, die »das Bekentniß der Wahrheit mit dem Beruf vor. Der siebente Abschnitt enthält eine Fa-
grausamsten Tode büssen mußte« (Bd. 2, bel in Versen mit dem Hinweis von Stoy: »Eine
S. 1153). Im Bereich der Mythologie wird vom gute Erziehung und der väterliche Segen, wie ihn
Tod des Pentheus durch die Bacchanten berich- Isaack gab, ist das beste Testament und Erbe«
tet, und die letzte Kategorie »Moralische Erzäh- (Bd. 1, S. 18). Ein Sohn verliest das Vermächtnis
lung« schlägt den Bogen zum Ausgangspunkt - seines verstorbenen Vaters, in dem ihm dieser sei-
der Toleranzerklärung -,indem hier der Bibeltext ne Lebensführung als nachahmenswertes Bei-
von Abraham, der einen Ungläubigen aus dem spiel beschreibt. Der Themenbereich der Mytho-
Haus jagt, nacherzählt wird. Die Geschichte en- logie behandelt, wieder im Rückgriff auf das bi-
det mit den Worten Gottes: »Ich trug diesen blische Thema, die verhinderte Opferung der
Mann 198 Jahre mit Gedult, beschüzte ihn, und Iphigenie, und der letzte Abschnitt enthält die Er-
gab ihm alle Tage Speise und Kleidung, ob er zählung »Das verlohrne Kind«, da Abraham sei-
mich gleich nicht verehrte - Und du konntest nen Sohn Isaack wiedergefunden habe, »eben da
nicht mit ihm, da er dein Bruder ist, eine Nacht in er aus Gehorsam gegen Gott, ihn schon für ver-
deiner Hütte schlafen?« (Bd. 2, S. 1156) lohren schäzte« (Bd. 1, S. 18).
Doch nicht bei allen Tafeln ist ein leitmotivi- Die moralische Belehrung, verknüpft mit der
scher Gedanke, wie hier der der Religionsfreiheit religiösen Unterweisung ist eine der tragenden
und Toleranz, so konsequent durchgehalten; viel- Ideen des Werkes. So enthält die Bilder-Akademie
mehr werden häufig verschiedene, z. T. recht ab- den vollständigen Tugendkatalog der Aufklä-
wegig erscheinende Kombinationen hergestellt. rungspädagogik in vielfältiger Form in Beispiel-
Ein Beispiel für diese weitläufigen Interpreta- geschichten, Fabeln, Sprüchen und Ermahnun-
tionsansätze mag die neunte Tafel von Schellen- gen.
berg geben. Die biblische Geschichte behandelt Bedeutenden Raum nehmen auch Stoys
die Opferung des Isaak. Die große Tafel im Mit- Ausführungen zur Erziehung ein. Bei der Be-
telpunkt zeigt diesen Vorgang, zwei kleinere ent- schreibung der 40. Tafel äußert er sich z. B. zur
halten die Heimführung der Rebecca durch Elie- Mädchenerziehung: »Für Töchter von einer gu-
ser sowie Esau beim väterlichen Segen. Allerdings ten Erziehung giebt es mancherley, ihnen anstän-
wird hier eine zweite Absicht deutlich, die sich dige, rühmliche und nüzliche Beschäftigungen:
erst aus den folgenden Beiträgen erklärt, im Text z. E. die Lektüre, das Nähen, das Klöppen, das
zu diesen Abbildungen jedoch nicht angespro- Stricken, und dergl.« (Bd. 2, S. 830). Er ist der
chen wird. Stoy charakterisiert im »Zusammen- Auffassung, diese Beschäftigungen seien »den
hang der Vorstellungen« die Abbildungen auf ei- wohlerzogenen Töchtern weit anständiger, als
ner anderen Ebene: » l. Isaack. 2. Er ist gehorsam wenn sie zusammenkommen zu spielen- oder ih-
beym Opfer- Elieser und Rebecca sind höflich re manchmalleeren Köpfe mit faden Nichtsreden
II II Sachschriften 1112

noch mehr auszuleeren, oder als Recensentinnen Zuchthäusern für ungehorsame Kinder zum Aus-
der Witterung, der Moden, des Puzes und der druck (Tafel 44). Stoy nennt die >> Vortheile, die
Handlungen anderer sich zu zeigen« (S. 833). durch dergleichen weise obrigkeitliche Anstalten
Zum Umgang mit Literatur fügt Stoy die Be- dem Menschen Geschlechte verschart werden«:
schreibung einer »Freundin der Lektüre« ein, in >>In Zuchthäusern können rohe, verwilderte Ge-
der die Ansicht vertreten wird, daß zu große »Ge- müther oft ehe gebessert und auf den Weg der Tu-
lehrsamkeit« dem Bild der Frau in der Gesell- gend gebracht werden, als in den Tempeln- Das
schaft abträglich sei: >>Sie weiß zwar sehr wohl, Land wird von allerley losem Gesindel, von Tag-
daß sie um ihre übrigen Berufsgeschäfte nicht zu dieben und ungestümen Anläuffern gereinigt -
versäumen, nur wenige Zeit auf das Lesen guter und, obgleich die Obrigkeit sehr viel auf den Un-
Bücher wenden darf- aber desto größer ist ihre terhalt der Züchtlinge wenden muß, so bringen sie
Begierde, aus den besten geistlichen, historischen es doch mit ihrer Arbeit, und Verfertigung allerley
und wizigen Schriften sich allerley Kentniße zu Waaren mehr als doppelt wieder ein« (S. 946). Als
sammeln -desto sorgfältiger ist sie in glücklicher nachdrückliche Bekräftigung seiner Auffassun-
Anwendungjeder leeren Viertelstunde- und klug gen fügt Stoy eine Fabel über ein »feuriges und
in der Auswahl weniger, aber vorzüglich guter unbändiges Füllen« an (S. 949), welches erst
Schriften. Sie prahlt aber nicht mit ihrer Belesen- durch Züchtigung zu der Erkenntnis gelangt, daß
heit- sie ist so weit davon entfernt, mit derselben seine Lage besser wäre, wenn es, nicht »von Stolz
in allen Gesellschaften Lärm zu machen, daß sie und Thorheit verführt«, in seiner »ersten Jugend
vielmehr mit allen Vernünftigen behauptet, es sey den Unterricht angenommen« hätte (S. 951).
nichts lächerlicher als eine belesene Pedantinn -
Die Bitder-Akademiewar zunächst in Lieferungen
nichts unleidlicher, als ein sogenanntes gelehrtes erschienen als »52 Kupfertafeln in länglicht Folio, und
Frauenzimmer.« (S. 831 f.) 3 bis 4 Alphabeten Text«, wie Stoy in seiner »Nach-
Große Bedeutung mißt Stoy insbesondere richt« vom 18.7.1782 vermerkt, die dem ersten Band
der Erziehung zum Gehorsam bei, die den Eigen- vorgeschaltet ist. Jede Lieferung enthielt sechs Tafeln:
willen des Kindes brechen und es auf seine späte- I. Lfg. 1780(Taf.l-6); 2. Lfg.l780(Taf. 7-12);3. Lfg.
re Erwachsenenrolle vorbereiten soll. So schließt 1781 (Taf. 13-18); 4. Lfg. 1781 (Taf. 19-24); 5. Lfg.
die Fabel >>Der Landmann und die jungen Bäum- 1782 (Taf. 25-30); 6. Lfg. 1782 (Taf. 31-36); 7. Lfg.
chen« zu Tafel21 mit der Moral: 1783 (Taf. 37-42); 8. Lfg. 1783 (Taf. 43-38); 9. Lfg.
1784 als letzter Teil dieser dreibändigen Ausgabe mit
)) Führt, Eltern, schon in Zartheit eure Kinder den Tafeln 49-52 sowie Titelkupfer und Dedikations-
Zu Fleiß und Tugenden- Jetzt, weil ihr Herz noch blaU (vgl. Bd. 2, S. I 076 »An die Herren Buchbinder«).
minder Das Echo auf das Werk war nicht einhellig positiv. So
Bekannt mit Lastern ist! Beugt ihr den Sohn nicht bemängelt Adelung (Allgemeines Verzeichnis{. .. }, Bd.
bald, 4, Nr. I 077), daß auf den Kupfertafeln die »seltsamste
So hilft zuletzt nicht Güte, nicht Gewalt.- Unordnung« herrsche, gibt jedoch als Beispiel gerade
Und ihr- wenn andern noch am Grab die Sonn' die erste Kupfertafel an, die sich von der allgemeinen
wird scheinen, Systematik des Werkes unterscheidet, da sie nur Abbil-
Müßt eures Lebens Rest ausbitternGram verwei- dungen aus dem Naturbereich enthältund somit nicht
nen.« (Bd. I, S. 379) mit den neun Themenbereichen in Verbindung gebracht
Den Kindern wird immer wieder eingeprägt: werden kann, worauf Stoy im übrigen selbst verweist.
>>Folgsamkeit macht glücklich- Eigenwille stürzt Sodann kritisiert Adelung die Vielfalt der Darstellun-
ins Verderben«. Gleichzeitig werden ihnen die gen: )) Wie viel wird also der Knabe fragen? Wie alt und
unvermeidlichen Konsequenzen eines lasterhaf- ekelhaft wird ihm gar bald, das immer unerklärbar blei-
ten Lebenswandels vor Augen geführt: »Ihr ar- bende Ganze werden, und wird der Lehrer das sonst so
kräftige Licht der Neuheit nutzen? Mit so überhäuften
men Kinder, die ihr nicht folgen wollt, so wird's Bildern, wird der Knabe verwirrt, und Verwirrung
euch endlich gehen! Unglück, Armuth, Krank- macht Unlust.« Im Rahmen der Themenauswahl be-
heit, vergebliche Reue, Todesangst folgt auf Wi- zweifelt der Rezensent insbesondere die Nutzbarkeit
derspänstigkeit und Eigenwillen.« (Bd. I, S. 106 der Mythologie und der Fabeln: »Erleuchtet man auch
zu Taf. 7) Auch die Geschichte Davids und Abso- den finstern Verstand des Kindes, mit mythologischen
loms wird in einer abschließenden Moral auf den Frazen, deren Ursprung und geistige Bedeutung, der
Erfahrungsbereich der Kinder umgesetzt: Verständigste fast nicht ergründen kann? Ist von diesen
)) Ein Kind, das seine Eltern kränkt, Dingen [ ... ] irgend eine Aufklärung des Verstandes, ist
Das wider sie auf Böses denkt, nicht die stärkste Uebung zur Gefangennehmung des-
Das nicht der Eltern Segen sucht, selben von ihnen zu befürchten? Fabeln läßt Rec. gern
Wird öffentlich von Gott verflucht. gelten, wenn sie eine innere Möglichkeit haben. Die Fa-
Erschrecklich wird sein Ende seyn, beln aber, die der Hr. Verf. z. E. vomJupiterund den sie-
Es rennt in Schmach und Qual hinein.« ben Weisen, auch vom Jupiter und den Lebensjahren
(Bd. 1, S. 427 zu Taf. 24). der Menschen erzählt sind ein wahres Verderben der Ju-
gend. Denn selbst die sieben weisesten Männer in der
Diese auf Abschreckung und Angsterzeu- Welt, sind lächerliche und strafwürdige Thoren: kann
gung beruhenden Erziehungsvorstellungen kom- dies die Jugend erbauen?«. Ähnlich negativ wertet Baur
men auch in der drastischen Beschreibung von ( 1790) die Bilder-Akademie und weitet seine Beurtei-
1113 Gutsmuths, Zusammenkünfte, 1785 1114

Jung auch auf übrige Werke Stoys aus: »Das Buch kann schickt zusammengestellt, oft mit erstaunlicher Findig-
zwar bei der öffentlichen und Privaterziehung mit Nu- keit ausgewählt; und doch führt die Art der Verbindung
zen gebraucht werden, da es aber größtentheils blosse der Stoffe zu Absurditäten« (S. 21). H.
Compilation ist, so hätten wir doch etwas besseres er-
wartet. Die Materien sind nicht immer schicklich genug
gewählt, bei manchen kann man gar nicht absehen war-
um sie da stehen, oft stößt man auf schaale Declama- 1785
tion, und auf schulgerechte Dogmatik. Ueberhaupt ha-
ben uns die biblischen Erzählungen nach Wahl und Be- Johann Christoph Friedrich Gutsmuths
handlung am wenigsten gefallen. Die Verse hätten alle
wegbleiben können; sie sind schlecht. Die Bibel, das
(1759-1839):
Gesangbuch und die übrigen Spielbücher, die Herr Stoy Zusammenkünfte am Atlas zur Kenntniß
herausgab, haben mit der Bilderakademie ungefehr den der Länder, Völker und ihrer Sitten
nehmlichen Werth.« herausgegeben for die Jugend.
Dennoch fand das Werk auch Nachahmer. So er- Gotha 1785
schien 1793 die Kleine Bilderakademie fiir leselustige
und lernbegierige Söhne und Töchter, die seinem Auf-
bau der Vorlage weitgehend entspricht und auch die Laut Vorrede war das Werk ursprünglich als Ma-
Kupfertafeln übernommen hat. Allerdings wird hier terialsammlung zum Geographieunterricht für
nicht die biblische Geschichte zugrunde gelegt. Sodann Lehrerund Schüler konzipiert, wurde aber im Sin-
erschien eine französische Übersetzung: Nouveau ma- ne eines Lesebuches für Jugendliche verändert.
nuel e/ementaire ou explication d"une suite d"estampes Gutsmuths hebt ausdrücklich hervor, daß er
pour /'instruction de Ia jeunesse trad. de /'AIIemand par das Alter des angesprochenen Leserkreises nicht
Perrau/t, Nümberg 1789, die bereits ein Jahr später neu festsetzen wolle, da sich seines Erachtens die
aufgelegt wurde und 1814 in dritter Auflage erschien. Kenntnisse der Kinder nicht nach dem Alter rich-
In neueren Arbeiten wird das Werk im Zusam- teten. So gibt erledigtich folgendes an:)) Ich dach-
menhang mit Comenius und Basedow erwähnt. Ho- te mir meine jungen Leser in der Geographie
brecker (1924, S. 29) bewertet es im Vergleich zum Ele-
schon so bewandert, daß sie sich, vermöge ihrer
mentarwerk positiv: »Das in Nürnberg erschienene
Werk ist im Ton ansprechender als das Basedowsche, Kenntniß der Staaten, Hauptstaedte, Länder,
das sich auch mit der höheren Philosophie befaßt und Meere, Hauptflüsse, auf der Karte leicht finden,
dem jungen Volk Weisheitslehren zumutet, vor denen es und an den Ort begeben können, welchen die Er-
selbst Erwachsenen schaudert. Der gemütlichere Stoy zaehlung betrift« (Vorrede). In diesem Sinne
wendet sich in einfacher Form lieber der Erzählung als wendet er sich ebenfalls dagegen, das Lesealter
der Abhandlung zu. Er berichtet über die Erschaffung nach oben zu bestimmen, ))denn es werden ja vie-
der Welt, die Naturreiche, die biblische Geschichte, un- le Bücher, die für zehnjährige Kinder geschrieben
termischt seinen gefälligen Vortrag mit Fabeln und klei- sind, sogar von bejahrten Personen mit Vergnü-
nen Lesestücken, die er geschickt mit den testamentli-
ehen Ereignissen zu verbinden weiß und läßt alles durch
gen gelesen« (Vorrede).
ungefähr dieselben Künstler, wie sie Basedow hatte, Gutsmuths nennt als Ziel seines Buches vier
bildlich begleiten.« Köberle (1972, S. 173 f.) kreidet Punkte. Zunächst habe er sich bemüht, ))das Gan-
dem Werk an, daß die Zusammenstellung der Themen- ze durch Mannichfaltigkeit angenehm zu ma-
bereiche und ihre Bezugnahme auf die biblische Ge- chen« (Vorrede). Dies bezieht sich hauptsächlich
schichte häufig »nicht ohne Gewaltsamkeit« erfolgt sei. auf die Form der Vermittlung, die häufig variiert.
Auch die Vielfalt der Vorstellungen wird kritisiert sowie Eingebettet in die Rahmenhandlung-einVater
ihre Ausführung: »Die Einzelbildehen der )Bilderaka- führt Gespräche mit seinen Kindern (drei Söhne,
demie< von Stoy sind z. B. so klein, daß schon der Er- eine Tochter)- enthält das Werk Briefe von Rei-
wachsene Mühe hat, sich darauf zurechtzufinden. Au-
ßerdem mußten neun verschiedene Bilder auf einer Ta-
senden und Erzählungen des Vaters, häufig unter-
fel, die häufig wieder in mehrere kleine zerlegt sind, die brochen durch Fragen der Kinder, die dem Unter-
Konzentration der betrachtenden Kinder stören. Auch richt am Atlas folgen. Gutsmuths betont, daß er
wo nicht Handlungen, sondern nur einzelne Gegenstän- keine Länderordnung eingehalten habe, vielmehr
de dargestellt sind, ist auf einem kleinen Raum eine sol- werden die Erzählungen« auf eine leichte Art zu-
che Fülle verschiedener Dinge zusammengedrängt, daß sammengekettet« (Vorrede). Auf diese Weise soll
notwendigerweise falsche Vorstellungen über Größen- das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden
verhältnisse entstehen müssen.« werden.
Krebs (1929, S. 17ff.) sieht eine mögliche Erklä- Die Quellen gibt Gutsmuths nur einmal an
rung für die inhaltlichen Zusammenhänge, die Stoy her- (Beschreibung des Rheinfalls von Schaffhausen
stellt, in einem von ihm beabsichtigten Rückgriff auf die nach Coxe und Meinersund des Staubbachs nach
Typologie der mittelalterlichen Specula, Kompilatio-
Coxe und Hirschfeld), merkt jedoch an, daß er ih-
nen theologischen, lehrhaften und unterhaltenden In-
halts. Zur Systematik des Werkes heißt es bei ihr: nen weitgehend wörtlich gefolgt sei. Er habe nur
»Durch diese Anordnung ergaben sich für den Verfas- dort verändert oder gekürzt, wo die Schilderun-
ser viele stoffliche Schwierigkeiten. In vielen Fällen war gen zu weitläufig seien. Gutsmuths ist der An-
es gewiß nicht leicht, die passenden Materialien zusam- sicht, daß besonders Landschaftsbeschreibungen
menzufinden. Die Bilder sind an sich geistreich und ge- dazu angetan seien, ))die Imagination der Jugend
1115 Sachschriften 1116

auf eine angenehme und unschuldige Art in Thae- chen für den geringen Wohlstand des Landes sei.
tigkeit zu setzen, und zugleich ihren Geschmack Er führt weitere vergleichbare Beispiele aus dem
und ihre Sprache zu bilden« (Vorrede). Aus die- täglichen Leben an und kommt zu dem Schluß,
sem Grunde erhalten sie im Rahmen des Werkes daß es sich - auch bei vielen der zahlreichen Be-
besonderen Raum. schäftigten und Mitgliedern der kirchlichen Insti-
Er charakterisiert ausführlich Plan und Vor- tutionen- um »Müssiggänger« handle, die auf
gehensweise - nicht zuletzt, um sich von Campe Kosten der Gesellschaft lebten: » Dieß ist höchst
abzusetzen, da dieser »eine aehnliche Arbeit an- unrecht, und derjenige verdient nicht den Na-
gekündigt habe«:» Ich liefre nicht ganze Reisebe- men: Bürger eines Staats, einer Stadt, der nicht
schreibungen, sondern nur einzelne Bruchstücke, wenigstens etwas zum Besten der Gesellschaft, in
Beschreibungen von Gegenden, Städten, Sitten, der er lebt, verrichtet; er ist weiter nichts, als ein
Gebraeuchen, merkwürdigen Produkten und de- entbehrlicher Schmarotzer. Pfui, ein häßlicher
ren Gewinnung, von Kunstsachen, Maschinen, Charakter!« (S. 43 f.)
Merkwürdigkeiten; die Schicksale des Reisenden Im Laufe der Unterhaltung wird mehrmals
bleiben ganz unberührt, in sofern ihre Erzaehlung auf die Notwendigkeit gründlicher Kenntnisse
nicht mit einzelnen hineingestreuten Bemerkun- der Natur, der Technologie oder der einfachen
gen verwickelt ist, welche über Sitten, Anbau etc. Dinge des täglichen Lebens schon im Kindesalter
des Landes Licht verbreiten, und für die Wißbe- hingewiesen. So veranlaßt der Vater häufig seine
gierde der Jugend Reiz haben« (Vorrede). Kinder, bestimmte Gegenstände genau zu be-
Das Werkist in neun Kapitel(= Nachmittage) ge- schreiben oder ihre Funktionen zu erklären, z. B.
gliedert, in denen Wissenswertes aus Spanien (1.-4. wenn er sie den Unterschied zwischen Manufak-
Nachmittag), England (5. u. 6. Nachmittag) und der turen und Werkstätten finden läßt, indem er ih-
Schweiz (7. Nachmittag) vermittelt wird. Am achten nen das Prinzip der Arbeitsteilung erläutert
und neunten Nachmittag werden verschiedene Produk- (S. 24 f. ). Ferner sollen Beispielgeschichten über
tionsverfahren (das Schleifen von Granaten, Herstel- »einfältige Menschen« die Kinder zu verstärkter
lung von Uhren und Spiegeln) sowie klimatische und Lernbereitschaft anspornen, damit sie sich in der
geologische Fragen erörtert (Erdbeben, »Ein Brief, der Gesellschaft nicht lächerlich machen (S. !.78 ff.).
eine Beschreibung des feuerspeyenden Vesuvs ent-
hält«).
Wichtiger jedoch ist die praktische Anwendung
Das Buch beginnt mit der Beschreibung einer spa- der Kenntnisse zum Nutzen des einzelnen und
nischen Abendgesellschaft und erläutert Lebensformen der Gesellschaft: »Der kluge Mensch ziehet von
und Traditionen der spanischen Bevölkerung. Sodann allen Gegenständen, von allen Begebenheiten in
werden einige Bauwerke und Sehenswürdigkeiten vor- der Natur V ortheiL Dazu gab ihm der liebe Gott
gestellt. Am dritten und vierten Nachmittag verliest der Verstand und Einsicht, aber er muß aufmerksam
Vater Briefe eines Reisenden, die die Kinder, beginnend genug seyn, um den Vortheil finden zu können,
bei der Abreise aus Madrid, über Saragossa, Katalo- den die Naturihm darbietet. DerTräge und Lang-
nien, Barcelona nach Nizza führen. Von Zeit zu Zeit same schleicht vor den Gütern derselben vorbey,
werden Fragen der Kinder eingeschaltet, die zur Klä-
rung sachlicher und moralischer Begriffe beitragen, wie
ohne zu fragen, woher? warum? wozu sind sie?
z. B. die Ausführungen zur Stellung der Kirche in Spa- wie beschaffen? das heißt, er bekümmert sich
nien, zu dersich der Verfasser-in der Rolle des Vaters- nicht um die Ursach, Beschaffenheit und den
kritisch äußert. Nutzen oder Zweck der Dinge, die ihm vorkom-
Ausgehend von England werden verschiedene men« (S. 127 f.).
Naturerscheinungen behandelt (»Tiefe und Farbe des
Das Werk von Gutsmuths erschien in einer zwei-
Meeres«; »Ungeheure Eisinseln«) und die Gewinnung
ten Auflage 1796 mit einem weiteren Teil: Kinderreisen
von Steinkohle erklärt. Das Kapitel über die Schweiz
enthält eine Beschreibung des Rheinfalls von Schaff-
am Pulte. H.
hausen, des Kantons Bern und der Alpen.
Die behandelten Themen dienen nicht aus-
schließlich der reinen Wissensvermittlung, son-
dern leiten oftmals zu moralischen Fragestellun- 1785
gen über. So wird die Verpflichtung des einzelnen
gegenüber der Gesellschaft besonders häufig be-
Johann Adolph Liebner (gest. 1808):
tont; am Beispiel von Bruderschaften, die sich um D. Martin Luthers Reformationsgeschichte
die Ärmsten kümmern und zu denen auch Mit- for die Jugend.
glieder des Adels zählen, wird der »wahre Adel Gera 1785
der Seele« dem Reichen zugesprochen, der sich
»um seine armen Nebenmenschen, die doch alle Liebner wendet sich mit seinem Werk über die
seine Brüder sind, bekümmert« (S. 45). In diesem Geschichte der Reformation an Jugendliche so-
Zusammenhang übt der Verfasser herbe Kritik an wie an Erwachsene, »die noch in derselben un-
der Verschwendungssucht der katholischen Kir- wissend sind« (Vorrede). Er will zur »nützlichen
che Spaniens, die seinesErachtenseine der Ursa- Erkenntnis der Jugend« beitragen, er will der Ju-
lll7 Liebner, Luthers Reformationsgeschichte, 1785 lll8

gend »gemeinnützig werden, und ihre Kenntnisse Mönche und Nonnen mißhandelt und gefoltert, »Plün-
bereichern helfen« (Vorrede). Das Werk sei zu- dern, Rauben und anderen Bosheiten« ausgeführt usw.
nächst nur »für meine Zöglinge, die mir bisher zu (S. 9 f.). Gleichzeitig werden aber Hussens Anstrengun-
Kölleda in einem angesehenen Hause anvertraut gen zur »Religionsverbesserung« lobend hervorgeho-
ben und Huß als wichtiger Vorläufer Luthers hinge-
worden« (Vorrede), bestimmt gewesen. Erst spä-
stellt.
ter sei ihm der Gedanke gekommen, die Schrift ei-
Als wichtige Voraussetzung zur Reformation be-
nem breiteren Publikum zugänglich zu machen,
trachtet Liebner das Aufblühen der schönen Künste
da er gesehen habe, wie » Luthers Geschichte in und Wissenschaften an den Universitäten und vor allem
den jungen Gemüthern« mancherlei »gute Ein- die Erfindung der Buchdruckerkunst, die alle »vortref-
drücke« hinterlassen und die Zöglinge zu einem liche Hülfsmittel zur Reformation« gewesen seien
genaueren Verständnis des lutherischen Bekennt- (S. 12). Da alle Mächtigen und Gelehrten vergeblich an
nisses geführt habe. der Reformation gearbeitet hätten, habe »Gott selbst im
Liebner möchte mit seiner Schrift »den Ur- Verborgenen Anstalten und Vorbereitungen dazu« ge-
sprung, Ausbreitung und Gründung der Reli- macht, »die damals kein Mensch bemerkt« habe (S. II ),
gion« lehren, »die von Luthern den Namen füh- und schließlich Martin Luther als »Werkzeug« für seine
Absichten auserkoren (S. 12). Die Einleitung schließt
ret« (Vorrede). Um diese Geschichte »in ihrem
mit einer Beschreibung des Lebensweges Luthers bis
ganzen Umfange zusammenhangend vorzutra- zum Jahre 1517.
gen« (Vorrede), hat er sein Werk jahrweise geglie-
Die eigentliche Darstellung der Reformationsge-
dert und in chronologischer Folge geordnet. Zu- schichte beginnt mit Luthers Auftreten gegen Tetzels
dem ist das Buch in Paragraphen unterteilt, um so Ablaßpredigten. Ausführlich werden nun die wichtig-
den Wünschen der jungen Leser entgegenzukom- sten Ereignisse in chronologischer Folge erzählt. Das
men, »theils, damit sie immer eine Abwechslung Schwergewicht liegt dabei auf der Behandlung der Leip-
haben, welche sie alle gerne lieben, theils aber zig er Disputation (1519), des Reichstages zu Worms
auch, damit sie sich desto besser in diesem Buche (1521), des Reichstages zu Nürnberg (1523), des
wieder zu rechte finden können, wenn sie etwas Reichstages zu Speyer und der Protestation der luthe-
vergessen, und wieder aufsuchen wollen, ohne risch gesinnten Stände (1529), des Augsburger Reichta-
ges und der Augsburger Konfession ( 1530), des Schmal-
ein Register nöthig zu haben« (Vorrede). Um die
kaldischen Bundes, der Vorbereitung und Durchfüh-
Leser »zu belustigen und zu unterhalten«, hat rung des Konzils von Trident, des Reichtages zu Speyer
Liebner zudem »einige besondere Anekdoten ( 1544), des Schmalkaldischen Krieges, des Augsburger
von Luthern und andere merkwürdige Begeben- und des Leipzig er Interims ( 1548), der Fürstenver-
heiten« in den Text eingefügt (Vorrede). schwörung und des Passauischen Vertrages (1552) so-
Das Buch ist nicht in erster Linie für das wie des Reichstages zu Augsburg und des Augsburger
Selbststudium gedacht, vielmehr soll es von »Ael- Religionsfriedens (1555). Die Darstellung der haupt-
tern, Lehrern und Erziehern« gemeinsam mit ih- sächlichen Begebenheiten der Reformation wird er-
ren Kindern, Schülern und Zöglingen gelesen gänzt durch fortlaufende Berichte über die Ausbreitung
der evangelischen Lehre und die Verfolgung der Prote-
werden.
stanten. Eingestreut sind zudem kurze Abhandlungen
Liebner liefert mit seinem Werk eine umfassende über Luthers Lieder und seine Bibelübersetzung, anek-
Darstellung des Ursprungs und Verlaufs der Reforma- dotische Begebenheiten, die vor allem Luthers Charak-
tion in Deutschland bis hin zum Augsburger Religions- terund Auftreten beschreiben sollen(» Ein Beyspiel von
frieden und der Abdankung Kaiser Karls V. (1555). Luthers häuslicher Ordnung«, S. 298 ff.), kleine Szenen
Auch über die Reformation in der Schweiz, in den nor- aus Luthers Leben sowie Schilderungen des verderbli-
dischen Ländern und England gibt er einen summari- chen Treibens der Papisten (z. B. »Etwas vom Jesuiten-
schen Überblick. Für Liebner ist die Refomation »ohne orden«, S. 239 ff.).
Zweifel die wichtigste Begebenheit und Veränderung, Die katholische Kirche wird durchgängig in den
die seit der Apostel Zeit in der christlichen Kirche vorge- düstersten Farben geschildert. Dort, wo Liebner Gutes
gangen« (S. 1). entdeckt, führt er es auf Luthers und der Reformation
In einer Einleitung (S. 1-24) schildert Liebner aus- Einfluß zurück: »Der Nutzen, den Luthers Katechis-
führlich die Zustände in der katholischen Kirche vor Be- mus besonders bey dem gemeinen Mann stiftete, fiel
ginn der Reformation. Die katholische Religion sei auch den papistischen Lehrern in die Augen, und bewog
»voll schädlicher Irrthümer und Mißbräuche« gewesen sie, hernach ebenfalls Katechismen zu verfertigen, wo-
(S. I), die Heiligen- und Reliquienverehrung wird in ran Niemand vorher gedacht hatte. Daher die römische
drastischer Weise als lächerlich hingestellt. Gottes Wort Kirche selbst ihre katechetischen Uebungen Luthers
sei »fast ganz auf die Seite geschart« und nur noch von Reformation noch zu danken hat« (S. 139). Die Päpste
unwissenden Pfaffen und Mönchen gepredigt worden. sind in Liebners Augen allesamt tückisch, falsch, macht-
(S. 3). Als besonders verabscheudungswürdig wird der besessen, geldgierig, lasterhaft und ungläubige Ketzer.
Ablaßhandel dargestellt, durch den die Päpste »unsäg- Auch lgnatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenor-
liche Summen Geld nach Rom, besonders aus Deutsch- dens, wird von Liebner mit beißendem Spott bedacht:
land« gezogen hätten (S. 6). - Liebners politischer »Dieser wurde in einer Schlacht [ ... ]verwundet und ge-
Standort als eines Fürsprechers der Fürstenreformation fangengenommen. Als er nun wieder los kam, fiel ihm
wird schon in der Einleitung in seiner Verurteilung der ein, ein Heiliger zu werden, träumte von verschiedenen
Hussitenkriege deutlich: Die Hussiten hätten allerorts Erscheinungen der Jungfrau Maria, und des Apostels
»grausamste Verwüstungen« angerichtet, Pfaffen, Petrus, und hatte noch allerhand schwärmerische Ein-
1119 Sachschriften 1120

fälle« (S. 239 f. ). Mit großer Sympathie berichtet er da- besaß alle große Eigenschaften eines Monarchen, war
gegen über alle antipapistischen Bewegungen. So heißt auch ein besonderer Freund der Religion, und hätte bey
es etwa über den Widerstand der Stadt Magdeburg ge- dem Reformationswerke die größten Dienste thun kön-
gen das Augsburger Interim: ))Die Einwohner sagten: nen, wenn er sich nicht so sehr von der römischen Geist-
sie verlangten weder durch das Interim noch Exterim, lichkeit und seinen eifrigen papistischen Hofleuten [ ... ]
sondern durch das einige Wort Gottes selig zu werden. wider Luthern hätte einnehmen lassen« (S. 48). An an-
Sie gaben ihren Hunden und Katzen den Namen Inter- derer Stelle wirft Liebner ihm vor, er hätte die deutschen
im, und machten Spiele auf dem Brete davon« (S. 348). Fürsten sehr ))Schimpflich und grausam« behandelt
Luther wird als unerschrockener, aufrechter, nur (S. 321); auch die Weigerung, sich mit dem Augsburger
Gottes Wort verpflichteter Mann vorgestellt. Luthers Religionsfrieden abzufinden, sei nur Ausdruck seines
anfängliche Bereitschaft, mit den Papisten zu einer güt- Machthungers (S. 41 0). Umso positiver berichtet Lieb-
lichen Einigung zu kommen, kommentiert Liebner: ner dann über Karls letzte Jahre im Kloster, wo er sich
)) Hier sehen wir also Luthern als einen sehr biegsamen die Einsicht über die Richtigkeit der Augsburgischen
und nachgebenden Mann, und nicht als einen Starr- Konfession erarbeitet und sich immer mehr dem evan-
kopf, wofür ihn immer seine Feinde[ ... ] ausgegeben« gelischen Glauben zugewandt habe (S. 411 ff.).
(S. 5 I). An anderer Stelle rühmt er seine Unbestechlich-
Liebners Geschichtsbild ist geprägt von der
keit (S. 69), seine Tapferkeit und seinen Mut (S. 75), sei-
ne ))bewunderungswürdige Beredtsamkeit« (S. 79) und Vorstellung der Vorherbestimmung des histori-
hebt hervor, er habe ))VOr gekrönte Häupter alle gezie- schen Prozesses durch Gott. In dem göttlichen
mende Ehrfurcht« gehabt, auch wenn er in seiner Kritik Plan sind die Reformatoren und besonders Lu-
an ihnen manchmal sehr offen und in der Wortwahl ther Werkzeuge seiner Erfüllung, die widerstre-
nicht gerade zurückhaltend gewesen sei (S. 89). Luthers benden Mächte sind vor allem Prüfungen für die
leicht aufbrausende Art erklärt Liebner mit den Worten: Vollstrecker dieses Plans, denn »der Glaube muß
)) Denn so sanftmütig und bescheiden auch sonst dieser [ ... ], wenn er siegen und herrlich werden soll, erst
Mann war, so wurde er doch bisweilen heftig, wenn es Widerstand finden« (S. 95). So berichtet Liebner
die Vertheidigung der göttlichen Wahrheit betraf, und
z. B. von einer gefährlichen Krankheit Luthers im
er Gegner vor sich hatte, die solche ohne Grund und
hartnäckig anfechten wollten« (S. I 53). Luther wird ge- Jahre 1527, bei der man schon mit dem Tod des
schildert als christlicher Held, der bei der )) Vertheidi- Reformators gerechnet habe. Allein )>weil Gott
gung der evangelischen Religionswahrheiten « von )) Ei- ihn noch weiter zum Herold seines Worts brauch-
fer« und ))Feuer« durchdrungen ist (S.296f.), auch te, half er ihm von diesem Lager wieder auf«
wenn Liebner Luthers entschiedene Art nicht immer tei- (S. 133).
len mag. Liebner verschweigt auch nicht, daß bei aller Selbst die machtpolitischen Gelüste des Kai-
Betonung der lutherschen Verdienste- als größtes Ver- sers und des französischen Königs werden noch
dienst wird die Bibelübersetzung genannt (S. 92) - er zu vortrefflichen Fügungen im göttlichen Plan
nicht immer mit Luthers Handlungsweisen einverstan-
umgedeutet. Als Karl V. und der König von
den ist. So kritisiert er etwa Luthers Zögern gegenüber
den gemeinsamen protestantischen Kriegsvorbereitun- Frankreich das Angebot des Papstes zu einer
gen gegen die Papisten im Jahre l 529, erklärt es aber mit Koalition gegen die lutherischen Fürsten aus
Luthers kaisertreuer Haltung, seiner Auffassung, ))daß machtpolitischem Kalkül ablehnen, kommentiert
die Stände des römischen Reichs eigentliche Untertha- Liebner: »Hätten nun diese beyden Herren dem
nen des Kaisers wären« (S. 145). Pabste itzt gefolgt [ ... ],[so wäre] die evangelische
Im Gegensatz zu Luther wird Melanchthon als ein Lehre [ ... ] dadurch in große Gefahr gekommen.
kompromißbereiter, stets auf Ausgleich bedachter, ge- Allein Gott machte auch hier die gefährlichen An-
mäßigter und mäßigender Reformator dargestellt. Sei- schläge des Pabstes zunichte« (S. 216). Gleichzei-
ne führende Mitarbeit am Leipziger Interim, das im tig läßt Liebner Gott als strafenden Richter unmit-
sächsischen Klerus aufheftige Kritik stieß, entschuldigt telbar in das historische Geschehen eingreifen: So
Liebner mit dem Hinweis: )) Was sollte aber Melanch-
soll z. B. der kurtTierische Kanzler v. Eck zwei Ta-
thon hier machen, da es sein Landesherr, von dem er alle
Gnade genoß, so haben wollte; Er hätte sich vielleicht ge nach einem bösartigen Angriff auf Luther »an
außerdem den größten Verdruß zugezogen, und es wäre einem Schlagflusse elendiglich gestorben« sein
dennoch ohne ihm von den anderen Theologen ge- (S. 108).
macht worden« (S. 353). Die Reformation erscheint so als ein von
Recht differenziert wird der Adel charakterisiert. Gott, nicht von den Menschen gemachtes Werk.
Dies zeigt sich z. B. in der Darstellung des katholischen Die wirtschaftliche, soziale und geistige Entwick-
Herzogs und Lutherfeindes Georg, über den es heißt, er lung, die der Reformation voranging, wird kaum
habe im Kern eigentlich lutherisch gedacht, sei aber erwähnt, und, wenn doch (wie im Falle der Erfin-
dennoch für die papistische Lehre eingetreten. Er habe dung des Buchdrucks), als »verborgene Maßnah-
die evangelische Lehre, daß man nicht durch gute Wer- me« Gottes zur Vorbereitung seines Reforma-
ke, sondern allein durch die Gnade Gottes erlöst werde,
tionswerkes gedeutet. Dementsprechend treten
nur als Trost für Sterbende betrachtet; ))denn wenn die
gemeinen Leute wissen sollten, daß man allein durch
die Volksmassen als Träger der Reformation nur
Christum selig würde, so würden sie gar zu ruchlos wer- dann in Erscheinung, wenn die »weitere Ausbrei-
den, und sich gar keiner Werke mehr befleißigen« tung« der evangelischen Lehre behandelt wird.
(S. 227). Noch deutlicher wird das differenzierende Doch auch hier erscheinen die Massen nur als
Vorgehen in der Charakterisierung Kaiser Karls V.: )) Er nachvollziehende, nicht aber als eigenständig
1121 Scheppach, Mythologisches Lesebuch, 1785/86 1122

handelnde Subjekte. Wo sie selbst zu handeln be- tungen durchsetzt ist. Diese Parteilichkeit ergibt
ginnen, wird ihre Unerbittlichkeit, ihre aufVerän- sich jedoch aus seinem Vorhaben, nur für lutheri-
derung der Gesellschaft abzielende Radikalität sche Jugendliche zu schreiben und sie in der Ge-
verurteilt. So werden etwa die volksreformatori- schichte ihrer Religion zu unterweisen.
schen Ansätze von Münzer und Karlstadt als »al- Hervorzuheben bleibt, daß Liebner in sei-
berne Streiche« abgetan, deren Unterdrückung nem Urteil gegenüber der katholischen Kirche
durch die adelige Obrigkeit begrüßt wird (S. II 0). seiner Zeit erheblich moderater ist als in der Beur-
Auch in der Schilderung des Bauernkrieges teilung der Papisten zu Luthers Zeiten, wenn-
stellt sich Liebner, selbst wenn er den >>Unerträgli- gleich er auch die Verbesserung der katholischen
chen Frohndienst und andere Bedrückungen von Kirche als Verdienst der lutherischen Reforma-
geist- und weltlichen Herren« (S.ll6) für sein tion verbucht. So schätzt er beispielsweise Papst
Entstehen verantwortlich macht, auf die Seite des Pius VI. als realitätsnah ein, weil er die Bulle In
Adels, dessen versöhnliche Haltung gegenüber Coena Domini 1777 nicht mehr habe verlesen las-
den »armen Leuten« er besonders hervorhebt sen, da »sie den gegenwärtigen Zeiten nicht ange-
(S. 117). In den bäuerlichen Forderungen sieht messen sey<<: »Wer will also dem Pabst verden-
Liebner keine Unterstützung für die Reforma- ken, wenn er diese Bulle nicht mehr verlesen läßt?
tion, sondern im Gegenteil eine ernsthafte Ge- Man triebe ja nur seinen Spott damit« (S. 73).
fährdung des lutherschen Werkes, die Gott aber Und über Joseph II. schreibt er: »Die gegenwärti-
noch rechtzeitig verhindert habe (S. 116). Mit glei- gen Umstände, als die eingeführte Toleranz (Re-
cher Entschiedenheit werden die Bilderstürmer ligionsduldung) Josephs II. und anderer weiser
verurteilt, die Luthers Lehre nur »noch mehr ver- katholischer Fürsten, welche die Katholischen
haßt und verdächtig« gemacht hätten (S. 90). Die mit den Protestanten näher bekannt macht und
Verbesserung der Religion könne nicht bei äußer- verbindet, als bisher geschehen; desgleichen die
lichen Dingen wie Bilderdienst, Reliquienvereh- Mißbräuche, die sie in ihrer Kirche, als Steine des
rung usw. beginnen, sondern müsse bei der Auf- Anstoßes, nach und nach auf die Seite zu räumen
klärung des Verstandes anfangen, »alsdenn wür- bemüht sind, scheinen die Religionsvereinigung
de die nöthige Aenderung der Kirchengebräuche beynahe zu verkündigen« (S. 414).
von selbst erfolgen« (S. 91 ). Liebner setzt daher- Baur (I 790, S. 247) urteilt über Liebners Reforma-
ebenso wie Luther - vor allem auf die Reforma- tionsgeschichte: »Das Buch ist nicht übel gerathen, und
tion durch verständige, wahrheitsliebende und kann sowohl wißbegierigen und schon geübtem jungen
weise Fürsten, die das reformatorische Werk Leuten, als auch erwachsenen studirten und unstudirten
schrittweise in ihren Ländern verwirklichen. Freunden der Geschichte, die jedoch kein Hauptstu-
Liebners Reformationsgeschichte, die 1805 in dium aus der Geschichte machen, mit Nuzen in die
2. und 1811 in 3. unveränderter Auflage erschien, Hände gegeben werden. Diese alle werden darin hin-
behandelt die deutsche Reformation nicht nur längliche Nachrichten zu ihrer Befriedigung antreffen.
umfassend und faktenreich, sondern auch in ei- Das Buch ist ohngefehr fünf und zwanzig Bogen stark.
Wenn in lateinischen Schulen oder Gymnasien in einem
ner flüssigen, teilweise sogar spannenden Art der halben Jahre alle Wochen nur einmal ein Bogen gelesen
Darstellung. Diese Spannungsmomente ergeben würde, so könnte eine solche Geschichte der Jugend auf
sich vor allem aus einer anschaulichen Charakte- eine leichte Art beigebracht, und im frischen Andenken
risierung der historischen Personen, der Darstel- erhalten werden. Bei einem öffentlichen Examen könn-
lung konfliktreicher Situationen, der Vorstellung te die Geschichte nach einem solchen Buche kürzlich
unterschiedlicher Vorgehensweisen (z. B. Luthers wiederholt werden.« 0. B.
und Melanchthons Reaktionen auf das Vorgehen
der Papisten), der häufigen Verwendung direkter
Rede (z. B. auf Reichstagen), dem Zitieren aus
Schriften und Urkunden usw. Auflockernder als
die häufig gar nicht »belustigenden« oder>>Unter- 1785/86
haltenden« Anekdoten sind zweifelsohne be-
stimmte Detailschilderungen, die wie die erwähn-
Georg August Scheppach (geb. 1765):
ten Spannungsmomente dazu beitragen, den hi- Mythologisches Lesebuch fiir die Jugend.
storischen Stoff zu verlebendigen und dem ju- 2 Bände.
gendlichen Leser näher zu bringen. Dresden und Leipzig 1785/86
Auffallend an Liebners Geschichtswerk im
Vergleich zu übrigen zeitgenössischen histori- Der Verfasser wendet sich vorrangig an angehen-
schen Lehr- oder Lesebüchern ist der völlige Ver- de junge Künstler und Kunstinteressierte. Er ha-
zicht auf die moralische Belehrung, die an keiner be sich bemüht, »für den angehenden jungen
einzigen Stelle seiner Schrift zu finden ist. Liebner noch unbelesenen Künstler und für diejenigen
beschränkt sich ausschließlich auf die Darstel- Liebhaber von Kunstwerken, die keine eigentli-
lung der historischen Ereignisse, wenngleich die- chen Gelehrten sind, eine Erläuterung beyzufü-
se Darstellung durchweg parteilich und mit Wer- gen, die bey einer zweckmäßigen Kürze doch die
1123 Sachschriften 1124

Aufklärung der wesentlichsten Punkte der alten


Mythologie enthalten« (Vorrede Bd.l).
Der inhaltliche Schwerpunkt des Werkes
liegt auf der Beschreibung der antiken Kunstwer-
ke, die durch die 22 Kupfertafeln veranschaulicht
werden. Der Verfasser versteht sein Mythologi-
sches Lesebuch als eine Anleitung, die zum besse-
ren Verständnis der Kunstwerke beitragen soll. So
sucht er, den Jugendlichen das Wesentliche anti-
ker Dichtung und antiker Kunstanschauung zu
vermitteln: »Die Kunstwerke der Alten sind die
Muster, die sich die größten Meister der schönen
Künste nicht allein bey Verfertigung ähnlicher
Werke, sondern auchbeyder Zeichnung schöner
Gestalten zur Nachahmung vorgesezt haben [ ... ]
Man wird aber ohnmöglich fähig seyn können, ih-
re Vortreflichkeit so richtig zu beurtheilen, und so
geschikt nachzuahmen, wenn man die Attribute
und Eigenschaften der Dinge nicht kennt, die jene
Denkmäler bezeichnen« (Vorrede Bd. 1). Gleich-
zeitig weist er auf den Unterhaltungswert der My-
thologie hin, deren Studium nicht nur lehrreich,
sondern auch »höchst angenehm« sei. Er betont
fernerden hohen Stellenwert, den er der Mytholo-
gie im Bildungsprogramm fürdie Jugend beimißt
Sie sei zwar eine »Geschichte der Verirrungen des
menschlichen Verstandes in Absicht auf Gott und
A~OLLO·
göttliche Dinge«, doch wenn der aufgeklärte Le-
ser beim Studium der antiken Mythen vom
Grundbegriff der Glückseligkeit ausgehe, erfülle
sie die Aufgabe, deutlich zu machen, »daß auch
die wildesten und Unaufgeklärtesten Nationen
Glükseligkeit geschätzt, und denjenigen die unter
ihnen Glükseligkeit verbreiteten, göttliche Ehre Scheppach, Georg August: Mythologisches Lese-
erwiesen« (Vorrede Bd. 1). So liefere die Kennt- buch for die Jugend. Bdch. 1. - Dresden und
nis von Entstehung und Bedeutung der antiken Leipzig 1785 (Nr. 789). Kupfertafel zu S. 195ff.
Sagenwelt den Beweis nicht nur für die Existenz von J. W. Meil nach A. C. Kirsch
einer Gottheit, sondern auch für ihren Endzweck
und für die Bestimmung des Menschen und stehet« (S. 267). Hier werden die Nymphen, Musen,
»würdigen Weltbürgers«, die in der Erlangung Dämonen und Allegorien behandelt. - Häufig wird,
der Glückseligkeit durch den Glauben an ein teils in griechischer und lateinischer Sprache, teils in
höchstes Wesen liege (Vorrede Bd.l). deutscher Übersetzung, aus den antiken Dichtungen zi-
tiert.
Der I. Band mit neun Kupfertafeln beginnt mit ei- Das Werk enthält insgesamt 22 Kupferstiche. Die
nem knappen Abriß der Mythologie der Ägypter neun Kupfertafeln des ersten Bandes stammen von
(S. 3-124). Anschließend befaßt er sich mit der Sagen- J. W. Meil, die übrigen dreizehn im zweiten Band von
welt der Griechen und Römer, die im 2. Band mit 13 J. G. Seiffert nach A. C. Kirsch. Die Kupfer sind nach
Kupfertafeln ausführlich behandelt wird. Er nimmt die antiken Vorbildern gestochen und werden in den ikono-
traditionelle Einteilung in Haupt- und Nebengötter vor. graphischen Ausführungen des Verfassers näher erläu-
Nach einer »Einleitung in die griechische und rö- tert. Häufig wendet er sich gegen die »neueren Künst-
mische Mythologie«, die einen Exkurs über die philoso- ler« und hält ihnen die »edle Einfalt«, die >>Unnach-
phischen Schulen des Altertums enthält (Thales, Sokra- ahmliche Grazie« und die »stille Erhabenheit« (Vorre-
tes, Plato, Aristoteles, Pythagoras), beginnt er mit Sa- de Bd. I) der antiken Kunstwerke entgegen. So sucht er
tum (S. 156) und beendet den I. Band mit der Göttin auch im Text diesen Eindruck wiederzugeben. Bacchus
Diana. Nach Abhandlung der Hauptgötter werden im wird hier mit einem Umhang bekleidet, seinen Thyrsos
2. Band »Griechische und römische Gottheiten von ge- auf der Schulter tragend, dargestellt. Die Beschreibung
ringerm Range« erläutert (S. 183). Anschließend folgt des Autors im Text läßt die Absicht erkennen, Darge-
ein Kapitel »Verschiedene Nationalgottheiten der Rö- stelltes bildhaft in Literatur umzusetzen : »Das Bild des
mer, die sie nicht mit den Griechen gemein hatten« Bacchus ist ein schöner Knabe, welcher die Gränzen des
(S. 237). Den Beschluß des Werkes bildet das Kapitel Frühlings des Lebens und der Jünglingschaft betritt, bey
»Mythologische Personen, deren Geschichte mit den welchem die Regung der Wollust, wie eine zarte Spize
Begebenheiten der eigentlichen Götter in Verbindung einer pflanze zu keimen anfängt, und welcher wie zwi-
1125 Wolke, Das Buch für Anfänger, 1785 1126

sehen Schlummer und Wachen, in einem entzükkenden und als besondere Gottheiten verehrte« (Bd. I,
Traume halb versenkt, die Bilder desselben zu sammeln S.l29).
und sich wahr zu machen anfängt. Seine Züge sindvol- Der Verfasser setzt sich mit den Veränderun-
ler Süßigkeit, aber die fröhliche Seele tritt nicht ganz ins
gen auseinander, die sich bei Übernahme der My-
Gesicht« (Bd. 2, S. 142).
thologie der Griechen durch die Römer ergaben.
Das Mythologische Lesebuch behandelt die Er beurteilt sie positiv, denn »der Grieche hatte
antiken Mythen sowohl aus kunsthistorischer als schwache, lasterhafte, körperliche Gottheiten«
auch aus religionsgeschichtlicher Sicht. Die Aus- und habe aus bloßen Menschen Götter gemacht.
führungen zur Göttergeschichte des Altertums Die römische Götterwelt hingegen sei über das
enthalten detaillierte Beschreibungen der Gene- menschliche Elend erhaben und keinerlei Schwä-
alogie, der Taten und der daraus resultierenden chen und Anfechtungen ausgesetzt gewesen
Götterverehrung. Der Verfasser bedient sich bei (Bd. I, S. 141). Ähnlich verfährt er bei der Beurtei-
seiner Darstellung- wie die meisten zeitgenössi- lung der unteren Gottheiten und Allegorien. Wie-
schen Autoren - des euhemeristischen Erklä- derum gibt er den Römern den Vorzug, da diese
rungsmodells: Die Götter seien ursprünglich be- »nützliche Götter« (Bd. I, S. 143) geschaffen hät-
deutende Menschen gewesen und nach ihrem To- ten, die nur Personifizierungen moralischer Tu-
de ihrer großen Taten wegen zu Göttern erhoben genden gewesen seien, nicht aber von Lastern,
worden. Schwachheit und Körperlichkeit. Er verurteilt
Die Ägypter bezeichnet der Verfasser als ei- den Fatalismus der Griechen, da diese sich Götter
ne aufgeklärte Nation, die »Selbsterfinder« ihrer geschaffen hätten, die für Haß und Zwietracht
Wissenschaften gewesen seien und von daher unter den Menschen verantwortlich gemacht
auch ihre Religionsgebräuche von niemandem worden seien, um so begangenes Unrecht als
übernommen hätten. Ihre Sonnenreligion die sich Schicksal rechtfertigen zu können. In Rom je-
hauptsächlich auf den Kult des GottesOsiris kon- doch seien die Verbrecher genötigt worden, ihre
zentriert, kommt seiner eigenen Religionsauffas- Taten sich selbst und nicht den Göttern zuzumes-
sung entgegen: »Und doch erkannten die Egyp- sen. Den Wunderglauben der Griechen, den er als
tier beyallem Mangel einer vernünftigen Religion »Ürakelwuth« bezeichnet, setzt er gegen den
ein höchstes Wesen. So sahen schon diese ent- »vernünftigen« Gottesdienst der Römer ab, denn
fernten Völker, daß die Ertheilung der Glükselig- diese ))Verbesserten das Wunderbare, das sie in
keit eine göttliche Eigenschaft sey, und daß der, der griechischen Mythologie fanden, und mach-
welcher andem wohl thut, etwas Göttliches an ten es weniger fanatisch« (Bd. I, S. 149).
sich haben und gleichsam als ein Gott verehret Die Darstellung der einzelnen Gottheiten
werden müsse« (Bd. I, S. 4 f.). Dennoch merkt er beruht weitgehend auf ikonographischen Be-
kritisch an: »So muß man sich wundem, wie eine schreibungen. Doch werden auch die histori-
so einsichtsvolle Nation sich dem Aberglauben so schen Zusammenhänge, der Ursprung der Göt-
sehr habe überlassen, und ihren Religionsbegrif- terlehre und die verschiedenen Formen der Göt-
fen so viel dunkles, unbestimmtes und aben- terverehrung ausführlich behandelt. Dies erfolgt
theuerliches beymischen können« (Bd.l, S.3). ohne die häufig übliche moralisierende Tendenz:
Kritisiert wird von ihm vor allem die Fixierung auch Anstößiges wird nicht verschwiegen. H.
auf das Sinnlich-Wahrnehmbare; es mache »die
Menschen für die Erkenntnis des unsichtbaren
Gottes stumpf [ ... ],weil alle menschliche Einbil-
dungskraft und Kunst viel zu ohnmächtig ist, sich
das Bild des Unendlichen zu vergegenwärtigen 1785
und würdig genug darzustellen« (Bd. I, S. 14). Er
weist darauf hin, daß die Mythologie der Grie-
Christian Heinrich Wolke (1741-1825):
chen nicht eigenständig gewesen, sondern von Das Buch for Arifänger im Lesen und
den Ägyptern übernommen worden sei. Die Grie- Denken.
chen hätten es jedoch verstanden, »diese Gotthei- St. Petersburg 1785
ten bis auf die Veränderung ihrer Namen so zu na-
tionalisieren, daß beynahe keine Spur von ihrem Wolke wendet sich mit seinem enzyklopädischen
Ursprunge übrig blieb« (Bd. I, 127). Über die Lesebuch an Kinder, die mit dem Buchstabieren
Meinungen der unterschiedlichen philosophi- beginnen oder schon lesen können, und an Her-
schen Strömungen zur Götterlehre heißt es: »Ei- anwachsende. Seinen speziellen Leserkreis sieht
nige von den griechischen und römischen Philo- er in der Jugend Rußlands: »Von Rußland habe
sophen läugneten, andere bezweifelten das Da- ich in der Seele eines patriotischen Russen ge-
seyn der Götter, und die klügsten und weisesten schrieben, welches die Pflicht eines jeden ist, der
unter ihnen verehrten nur eine Gottheit, die ande- für die russische Jugend ein Buch bereitet [ ... ]«
ren Gottheiten waren blos Eigenschaften dieser (S. 283 ). So dann kommen »Eltern, Lehrer und
einzigen Gottheit, welche man personificirt hatte, Freunde der Kinder« in Betracht, »die mit ihren
1127 Sachschriften 1128

noch nicht verderbten Kindern dies Buch durch- fragt. Die Antworten, die in einem gesonderten Text fol-
gehen werden« (S. 284). gen, bieten ausführliche Informationen und führen häu-
Wolke bezeichnet sein Werk als eine »ele- fig zu weiteren Fragekomplexen. Diese Frage- und Ant-
mentarische Encyclopädie«, deren Absicht es sei, wortteile sollen die Denk- und Urteilsfähigkeit der Kin-
der schulen und sind sehr zahlreich vertreten.
»die Aufmerksamkeit der Jugend zu erregen und
Die zahlreichen Texte in der Art moralischer Bei-
auf die wissenswürdigen Dinge zu führen«, in- spielgeschichten behandeln Zufriedenheit (S. 37),
dem sie »den Verstand des jungen Menschen mit Nächstenliebe (S. 45), Aufmerksamkeit (S. 45), Streb-
nützlichen Kenntnissen bereichert, ihn zum samkeit (S. 47) und Bescheidenheit (S. 72). Eine weitere
Nachdenken und richtigen Ortheilen leitet« und Gruppe von Texten stellt den hohen Wert der Kenntnis,
»für jedes Gute, für Wahrheit, Wissenschaft, besonders die des Lesens und die Fähigkeit des Urtei-
Kunst, Einsicht, für die Schönheit und das Stu- lensund Behaltens für die Menschen heraus. Die Kapi-
dium der Natur, für die Weisheit, Tugend und Re- tel 30 und 31 enthalten »Etwas von der Zahlenkunst«
ligion, für Eltern, Vaterland und Obrigkeit, der (S. 80-1 06). Hier werden zunächst russische, römische
und arabische Zahlen geboten und die Grundrechenar-
Jugend Liebe einflößt«. Ferner hofft der Autor,
ten vorgestellt, häufig dargestellt an Beispielen aus dem
daß sein Buch »den schädlichen und quälenden russischen Alltag. Es folgen Ausführungen zum Thema
Aberglauben sicherlich vermindern wird« und Zeit. Wolke beginnt zunächst mit einem Tag, um an-
»stufenweise den Verstand der Leser zu der grö- schließend größere Zeitabschnitte wie Wochen, Mona-
sten Idee des Urhebers aller Dinge vorbereitet te und Jahre sowie die verschiedenen Jahreszeiten in
und dann Verstand und Herz so damit erfüllt, daß Analogie zum menschlichen Leben vorzustellen. Diese
daraus die Neigung erfolgt, wahrhaftige Diener Vorgehensweise, »welche mit dem Leichtesten und Ein-
Gottes in Beförderung des Menschenglücks zu fachsten anfängt und allmälig zu dem Schwerern und
werden«. Auch denen soll es »sehr behülflich Zusammengeseztern fortschreitet« (S. 279), hebt Wolke
in seinem Nachwort als besonders wirksame Methode
seyn, die Russisch, Deutsch oder Französisch
hervor. Es schließen sich Texte über die Natur und ein-
durch eigene Uebung lernen wollen« (S.279f.). zelne »Naturalien« (S.ll9) an, die den vom Menschen
Der Verfasser möchte den Kindern außerdem geschaffenen Dingen, den »Kunstsachen« (S.l20), ge-
helfen, dieMühe zu verringern, die sie aufwenden genübergestellt werden. Es folgen sodann Texte zur
müssen, um » Kenntniß, Geschicklichkeit, Kunst, Geographie, speziell über Rußland (S. 128-134), in die
Klugheit, Weisheit, Ehre, Glückseligkeit« zu er- auch Ausführungen zu sozialen und kulturellen Ein-
langen (ebd. ). Er wendet sich gegen die herkömm- richtungen einfließen, stets verbunden mit einer beson-
lichen Erziehungsmethoden und will mit seinem deren Würdigung von Katharina li., die als die »beste
Buch neue Wege aufzeigen: »Von Fehlern, die im Landesmutter« (S.l38) bezeichnet wird, der alle fort-
schrittlichen Errungenschaften zu verdanken seien. In
Unterricht und bei der Erziehung gemacht wer-
den nächsten Kapiteln werden Fragen aus den Berei-
den kommt hie und da im Buche etwas zur War- chen Physik (S.l46f.) und Kosmologie (S.l48-154)
nun'g und Berichtigung vor« (S. 284 f. ). erörtert. Es schließen sich moralisch-religiöse Lehren
an (S.l55-183), denen religionsgeschichtliche Ausfüh-
Das Werk fußt auf dem zwei Jahre zuvor erschie- rungen folgen. Hier wird zunächst die Geschichte des
nenen Buch Erste Kentnisse for Kinder von der Buch- jüdischen Volkes behandelt, es werden wesentliche
stabenkentnis an bis zur Weltkunde, aus dem einige Tei- Grundzüge der jüdischen und der christlichen Religion
le unverändert übernommen worden sind. Wolke be- dargestellt, und schließlich wird auf die griechische und
ginnt mit einem ABC- und Leseteil, dem ein stark ver- die römische Geschichte eingegangen (S.l84-215).
größerter Sachbuchteil folgt. Das Werk enthält neben Nach einer Charakterisierung von Christus als dem
moralischen Beispielgeschichten Frageteile mit nach- » verehrungswürdigsten Menschenfreund« (S. 207)
folgenden Antworten, Gedichte, Lieder, Gebete, Anek- werden Mohammed, Kar! der Große und Martin Lut-
doten Fabeln u. a. Wolke stellt zunächst das deutsche, her behandelt. Den Beschluß dieser »Geschichte der
lateinische, russische und slavonische Alphabet vor, ge- Erde und ihrer Bewohner« (S. 184) bilden Ausführun-
folgt von einer kurzen Grammatik (S. 5-1 0). Beide Tex- gen zu verschiedenen Erfindern und Entdeckern: Bart-
te sind nicht für »die ersten Anfanger im Lesen« be- hold Schwarz, Johannes Goza, Gutenberg und Chri-
stimmt (S. 5). Erst die nachfolgende Leseübung soll als stoph Kolumbus. Im Anschluß hieran findet sich eine
»Erste Vorbereitung der Anfänger« dienen (S. II), die ausführlich dargelegte Regentengeschichte Rußlands
so erfolgen soll, daß den Kindern »erst folgende Voca- (S. 215-252), beginnend bei der Reichsgründung bis zur
len und Doppellaute, dann die Sylben gewiesen und Herrschaftsperiode der >>Unvergleichlichen« Katharina
vorgesprochen, und darauf jedes unter den zuerst gesag- II., der »Menschenfreundin« (S.246). Aufschluß über
ten, oben getrennten Sylben stehendes Wort, wie ge- die pädagogischen Vorstellungen, Konzeptionen und
wöhnlich gelesen wird« (ebd.). Diese Übungen erschei- Methoden geben die nachfolgenden Texte »Die Macht
nen zum Teil in Silbentrennung und zweifacher Schrift- der Erziehung« (S. 253) und das abschließende Nach-
ausführung mit breitem Zeilenabstand. Wolke gibt zur wort »Für Eltern, Lehrer und Freunde der Kinder«
Erleichterung des LesenJemens verschiedene Metho- (S.279).
den an, u. a. eine sogenannte >> Lesemaschine« (S. 286).
Es folgt ein Text über sinnliche Wahrnehmungen
(S. 24-27), dem sich ein Fragenkomplex »zur Erregung Da es Wolke darum geht, in den Kindem die
der Aufmerksamkeit« anschließt (S. 27 ff.) und der di- Lust zum Lernen zu wecken, wendet er sich gegen
rekt Bezug auf die vorangegangenen Ausführungen herkömmliche Lehrmethoden wie z. B. das Buch-
nimmt, indem er die dort vermittelten Kenntnisse ab- stabieren: »Den Krizkraz von Buchstaben anse-
1129 Moritz, Kinderlogik, 1786 1130

hen, sinnlose Töne im Buchstabiren oft und lange 1786


anhören, wie kann das einem Kinde behagen?«
(S. 285). Wolke schlägt einen stufenweisen Unter- Kar! Philipp Moritz (1 756-1793) :
richt vor. Vom vierten Lebensjahr an sollen die EI- Versuch einer kleinen praktischen
tern ihren Kindern den Nutzen deutlich machen, Kinderlogik, welche auch zum Teilfor
den die Fähigkeit, lesen zu können, mit sich brin- Lehrer und Denker geschrieben ist.
ge, und ihnen von Zeit zu Zeit aus Erzählungen
Berlin 1786
und Zeitungen für die Jugend vorlesen. Am Ende
des sechsten Lebensjahres sollen die Kinder mit
dem Lesenlernen beginnen, und Wolke empfiehlt Der Verfasser macht keine genaueren Angaben
den Eltern eindringlich, dem Kind »fühlbar zu über das Alter der angesprochenen Kinder. Die
machen, wie viel es verliert, wie wenig es den klü- Rahmenhandlung führt jedoch in Fritz einen
gern Erwachsenen gleichet, so lange es nicht lesen Knaben ein, der als ein Repräsentant des ange-
kann« (S. 286). Zur Vermittlung von Sach- und sprochenen Lesers angesehen werden kann: Die-
Sprachkenntnissen stellt er seine Methode der ser ist 14 Jahre alt, befindet sich also im fortge-
»Prämonstration« vor, die eine Verbindung von schritteneren Schulalter.
Theorie und Praxis anstrebt: »Man führe seinen Das Werk ist für den Privatunterricht ge-
Schüler zu den Sachen, die er kennen oder deren dacht, dessen Gesprächssituation den durchge-
Namen er lernen soll, in der Stube, in der Küche, henden formalen Rahmen abgibt. Das Werk ist
im Stall, in den Werkstätten der Handwerker und zugleich an »Lehrer und Denker« gerichtet, wo-
Künstler, auf dem Felde, am Flusse, im Walde sc. bei ein Teil ausschließlich an die erwachsenen Le-
oder man bringe die tragbaren Sachen, Instru- ser adressiert ist. Moritz vermerkt ausdrücklich,
mente, Maschienen, Naturalien, oder auch, wenn daß dieser Teil keine »Kinderlogik«, also keine
diese fehlen, die Abbildungen und Modelle der- Kinderliteratur mehr darstellt (Vorrede). Der Teil
selben, ihnen vor Augen, zeige und bespreche sie, wird allerdings nicht exakt gekennzeichnet; Mo-
in der Sprache, die gelernet werden soll« (S. 287). ritz spricht nur vom »letzten Theil « und überläßt
Weitere Methoden sind das »Commandierspiel« damit offensichtlich die genaue Abtrennung dem
und die »Prüfung der Urtheile«, um so zu erfor- Privatlehrer. Doch kann auch dieser Teil immer
schen, »wie recht und verkehrt vorgetragne noch als »Leitfaden für den Lehrer«, als Lehrer-
Kenntnisse gefaßt sind, welche Vorortheile die handbuch für den Unterricht, angesehen werden;
Schüler haben, und was zur Berichtigung ihres er behandelt also für Moritz durchaus noch unter-
Verstandes nöthig ist« (S. 288). Im Rahmen seiner richtsrelevante Gegenstände, er bietet sie nur
didaktischen Überlegungen geht Wolke speziell nicht mehr in einer Weise dar, die Kindern unmit-
auf die russische Jugend ein. Für sie müßten Wer- telbar zugänglich ist. Daß in einem Kinderbuch
ke verfaßt werden, die insbesondere die russische solchermaßen die Sphäre der Kinderliteratur
Vaterlandsliebe behandelten. Da seines Erach- überschritten wird, begründet Moritz mit »dem
tens der »gemeine Russe nicht den richtigen er- natürlichen Gange des Denkens« (Vorrede).
wünschten Begriff von der Freiheit« habe, müsse Zwar sei das Werk anfänglich als Kinderbuch
»auf eine reizende Weise gelehrt werden, ein je- konzipiert worden, bei der »Ausarbeitung« aber
der sey frei und könne glücklich werden, der Gele- sei er auf »Ideen« gestoßen, die zu verfolgen er
genheit zur Arbeit und zum Erwerbe für sich und für notwendig gehalten habe.
die Seinigen hat, und Sicherheit des Lebens und Moritz will mit dem vorliegenden Werk das
deserworbnen Vermögens genießt; undnurunter Denken schulen, den Zöglingen »die große Kunst
den Wilden sey der fürchterliche Zustand, ohne des Eintheilens und Ordnens, des Vergleichens
Obrigkeit und ohne Gesetze zu leben« (S. 290). und Unterscheidens, worauf die ganze Glückselig-
Das vorliegende Werk erschien ebenfalls in russi- keit des vernüriftigen Menschen beruhet, [ ... ]leh-
scher und französischer Sprache. Außerdem kam es im ren« (S. 9). Um die Belehrung »noch angenehmer
gleichen Jahr bei Vogel in Leipzig heraus. Laut Kayser zu machen« (S. 8) und auf »spielende Art« (S. 9)
erschien es 1803 unter dem Titel Kleine Encyklopädie durchzuführen, sind Kupfertafeln herangezogen
der nützlichen Kenntnisse für Anfänger im Lesen. und zum Ausgangspunkt der Betrachtungen ge-
Baur (1790) empfiehlt das Buch (ebenso wie die macht; unterhaltende Absichten hat das Werk
Ersten Kenntnisse für Kinder [ ... ] von 1783) für den nicht. Neben seinen didaktischen Intentionen
Schulunterricht. Er weist auf das im Buch abgedruckte will das Werk zugleich auch als ein originärer phi-
Subskribentenverzeichnis hin, das Aufschluß über die
hohe Auflage des Werkes gibt (ca. 2000 Exemplare). losophischer Essay angesehen werden. Moritz
Vgl. Köberle ( 1972); Schmidt ( 1974). N./H. empfiehlt insbesondere den für die erwachsenen
Leser bestimmten Teil »auch für sich selbst seines
Inhalts wegen« der »Prüfung der Denker« (Vor-
rede). Das Werk ist also Kinderlehrbuch und phi-
losophische Abhandlung in einem.
Die Kupfertafeln von Chodowiecki sind ur-
1131 Sachschriften 1132

sprunglieh nicht für diese Schrift angefertigt wor- ein längerer Absatz über das Buch ())Abdruck des
den; sie gehören zu einer 1779 erschienenen kom- menschlichen Geistes«), die Buchstaben und die Buch-
pendiösen lateinischen Sprachlehre, die von druckerei, über Schriftsteller und Gelehrte und die )) Bü-
Joh. Mich. Friedr. Schulze stammt (Elementar- cherwelt«, die neben die Natur- und Kunstwelt tritt
(S.36-43).
buch der lateinischen Sprache, 2 Teile, Berlin: My-
lius ). Das Lateinbuch erlebte keine weitere Aufla- Die Betrachtung der vierten Kupfertafel bildet das
ge mehr, so daß der Verleger nach einer andersar- umfangreiche Mittelstück des Werkes (S. 44-133). Hier
heften sich die Reflexionen an einzelne abgebildete Ge-
tigen Weiterverwendung der Kupfertafeln su-
genstände, während deren Ordnung und Einteilung am
chen mußte. Die hier vorliegende Schrift ver- Anfang schnell getan sind. An das Bild eines Hauses
dankt ihre Entstehung ganz offensichtlich dem knüpfen sich Gedanken über das Ganze, das Vollendete
Angebot des Verlegers, zu den Tafeln nachträg- und das Wesen des Schönen (S. 50-52). Das Wesen des
lich einen Text zu verfassen; sie ist also ein ausge- Schönen, so heißt es hier, bestehe darin, daß etwas aus
sprochenes Gelegenheitsprodukt In der Vorrede der Masse derübrigen Dinge herausgehoben, gleichsam
gesteht Moritz die recht kuriose Veranlassung der um sein selbst willen, mit Fleiß und Sorgfalt bearbeitet,
Kinderlogik ein, betont aber, daß er sich der Ta- Bildung und Form erhält« (S. 51). Anläßlich einer Ab-
feln nur deshalb bedient habe, »weil sie zufälliger bildung des Kreuzes werden diverse religiöse Begriffe
erörtert (S. 53-56). Sodann folgt eine bemerkenswerte
Weise auch zu meiner Idee paßten«.
Passage über das Eisen und Eisenwerkzeuge (S. 56-60):
Das Werk wird mit einer Rahmenhandlung eröff- Mit den Werkzeugen zerstört der Mensch die Natur, mit
net: Der 14jährige Schüler Fritz vermag keinerlei Sau- den Waffen sich selbst. ))Das Eisen rächt an dem Men-
berkeit und Ordnung zu halten. Die Eltern stellen des- schen die zerstörte Thier- und Pflanzenwelt« (S. 59).
halb einen Hauslehrer ein mit der Bitte, ))er möchte Das Bild des Schlüssels gibt den Anlaß zu einer grösse-
doch ihren Sohn, wo möglich, zur Ordnung gewöhnen ren Passage über Eigentum, Besitz, Tausch, Geld, Geiz,
suchen« (S. 5). Nach den ersten Unterrichtsstunden Verschwendung, Neid, Diebstahl und Raub (S.61-66).
schafft der Lehrer seinem Schüler sieben Kupfertafeln An die Betrachtung der auf der Tafel abgebildeten Tiere
an, um ))Seine Aufmerksamkeit auf alle Weise zu reizen, und ihrer Eigenschaften knüpft sich die Darlegung ei-
und ihm die große Wissenschaft des Eintheilens und ner ganzen Fabeltheorie (S. 68-81): Die Vergleichbar-
Ordnens, die er ihn lehrte, noch angenehmer zu ma- keit der Tiereigenschaften und der ))Gemüthsart gewis-
chen« (S. 8). Die Betrachtung dieser sieben Kupferta- ser Leute« sei die ))erste Veranlassung zur Entstehung«
fein macht den Hauptteil des Werkes aus (S. 9-156). Die der Fabeln gewesen (S. 72). Die besondere Wirkung der
Kupfertafeln (vgl. Engelmann, 1926) bestehen jeweils Fabel gehe auf die Lehre, auf den ))allgemeinen Satz«
aus 6 Abbildungen. Sie dienten ursprünglich zu lateini- hinaus und gebe damit)) Stoffzum Nachdenken« (S. 74).
schen Deklinationsübungen und bilden auf einer Tafel Sie entspringe der )) Erdichtungskraft, welche ganz von-
jeweils Gegenstände ab, deren lateinische Nomina zu einander verschiedene Dinge zusammensetzt« (S. 78).
einer Deklinationsklasse gehören, sonst aber in keiner- Dieser Kraft des menschlichen Geistes entstamme die
lei Zusammenhang stehen. Gerade wegen dieser Zu- ))erdichtete Ideenwelt«, welche neben die ))Wirkliche
sammenhanglosigkeit aber erscheinen die Tafeln als ge- Welt« trete (S.81) und zu der ))alle Erzählungen von
eignete Übungsfelder der Tätigkeit des Ordnens und Hexen und Gespenstern«, die Feenmärchen und die
Einteilens, was denn auch stets die ersten Schritte jeder Mythologie gehörten. Die Einbildungskraft des Men-
Betrachtung sind, bevor sie sich von den Bildern löst schen habe die Göttergestalten geschaffen: )) Diese We-
und zu freieren Reflexionen übergeht. sen entstanden, indem man das Unpersönliche in der
Die Betrachtung der ersten Tafel (S. 9-21) führt in Welt persönlich, und es sich dadurch gewissermaßen
vier Schritten zu folgenden Unterscheidungen: Leben- gleich machen wollte« (S. 82).
des - Lebloses; vernünftig - unvernünftig; Natur- Hieran schließt sich das philosophische Herzstück
Kunst; lebende und leblose Natur- und Kunstwelt. Be- der Kinderlogik an (S. 84-133), das sprachtheoretische,
merkenswert sind hier die Reflexionen zum Verhältnis logische und metaphysische Reflexionen enthält und
von Natur und Kunst, wobei mit letzterem alles vom von dem am ehesten anzunehmen ist, daß es allein an er-
Menschen Geschaffene gemeint ist. Die Kunst er- wachsene Leser gerichtet ist. Es beginnt mit der cartesia-
scheint zunächst als ))neue Schöpfung in der Schöp- nischen Unterscheidung zwischen demegound den res
fung«, die die Natur ))noch vollkommener machen« extensae, woran sich zunächst sprachtheoretische Über-
will (S. 15); die )) Kunstwelt« als ganze aber ist ))gegen legungen anschließen. Mit der Sprache drücke der
die Naturwelt, im Grunde nur sehr klein und unbedeu- Mensch der Natur ))gleichsam den Stempel seines Da-
tend [ ... ], weil sie doch bloß Menschenwerk, und der seins auf« (S. 85). Der )) Bau der Sprache« aber sei wie-
Mensch eigentlich selbst nur ein Werk der Natur ist« derum ein ))Abdruck der ganzen Schöpfung« (S. 88).
(S. 19). Der Abschnitt zur zweiten Tafel (S. 21-28) ent- Der nun folgende Absatz (S. 90-102) ist eine Umarbei-
hält Reflexionen über den Unterschied zwischen dem tung von Moritz' Aufsatz ))Auch eine Hypothese über
Nützlichen und dem Schönen in Natur und Kunst. Die die Schöpfungsgeschichte Mosis«, der 1784 in der Berli-
Betrachtung der ))feinen und unverfälschten Natur« nischen Monatsschrift erschienen war. Die Entstehung
wird hier zur Pflicht des Menschen gemacht; sie allein von Sprache und Denken wird hier in Parallele zur
erhebe ))die Seele wieder zu großen Empfindungen« Schöpfungsgeschichte gesetzt: Sonne und Mond erzeu-
(S. 23 f.). Von dem Anblick der vom Menschen geschaf- gen die Vorstellung der Einheit des Mannigfaltigen, der
fenen Dinge und Kunstwerke gelte es sich dagegen los- Wechsel der Jahreszeiten bringt das ))Bedürfnis der
zureißen. Anhand der dritten Kupfertafel (S. 28-43) Zahl« hervor, aus dem Unterschied von Licht und Fin-
wird der Unterschied zwischen Krieg und Frieden, zwi- sternis entspringt der von Wahrheit und Irrtum, gut und
schen Verteidigung und Ruhe eingeführt. Sodann folgt böse, recht und unrecht. ))Die Natur selbst lehrte den
1133 Moritz, Kinderlogik, 1786 1134

(S.Il2), wobei der Vereinigungspunkt der vielen den-


kenden Wesen selbst »das höchste denkende Wesen
oder Gott« ist. Es folgt eine Erörterung des Unterschie-
des zwischen göttlichem und menschlichem Geist
(S. 113-119): Der menschliche ist noch in der Zeit, wes-
halb seine synthetische Kraft schwächer ist. Das einmal
Zusammengefaßte zerfällt ihm in der Zeit, und er bedarf
der »wiederholten Anstrengung der Denkkraft«, um
dem >>höchsten Vereinigungspunkt« wieder zuzustre-
ben (S. 114). Die Zeit ist das »Resultat der Einschrän-
kung unserer vorstellenden Kraft« (S. 117), die allein
durch die» Erinnerung« kompensiert werden kann. Ab-
geschlossen wird der philosophische Mittelteil durch
zwei Absätze zur »Kraft zu urtheilen« (S.II9-127) so-
wie zur »schließenden Kraft« (S. I27-133). Die Ein-
schätzung beider Denkkräfte fällt skeptisch aus; sie füh-
ren nicht zu einer Erweiterung der menschlichen Er-
kenntnis (S. 130).
Der Abschnitt zur fünften und sechsten Kupferta-
fel (S. 134-145) steht unter der Unterscheidung »Ein-
heit- Mehrheit- menschliche Kraft« und enthält eine
kurzgefaßte Gesellschaftslehre. Dieser Passus ist gleich-
falls zunächst inden Denkwürdigkeiten (Bd. 1, 123-128)
abgedruckt, erfährt aber in der Kinderlogik eine Erwei-
terung und polemische Zuspitzung. Am Beispiel des
Hausbaues demonstriert Moritz zwei Formen der ge-
sellschaftlichen Vereinigung von Menschen unter einen
Zweck: Die eine geschieht in »listiger Weise« und führt
zu Herrschaft und Unterdrückung, die andere hat
»nichts Gewaltsames« an sich und »keine Beraubung
der natürlichen Freiheit« zur Folge. Dies wird sodann
auf den »Staatskörper« übertragen, wobei die konkrete
Anwendung des Beispiels auf den Unterschied von
Monarchie und Republik (S.l43-145) erst in der Kin-
derlogikstattfindet. Hier kommt es zu einer recht schar-
Schulze, Johann Michael Friedrich: Elementar- fen Verurteilung der absolutistischen Monarchie und
buch der lateinischen Sprache. Erster 1heil. - ihres Erbfolgeprinzips.
Berlin 1779 (Nr. 823). Tafel VI von Daniel Cho- Die Betrachtungen zur siebten Tafel gehen zu Un-
dowiecki. Wiederabdruck in: K. Ph. Moritz, Kin- terscheidungen wie Bewegung- Ruhe, Ge nuß- Arbeit,
derlogik, 1786 Spiel - Beschäftigung und münden in einen Hymnus
auf die »häusliche Glückseligkeit« und den »Genuß
der schönen Natur« (S.I52-156), der bereits ebenfalls
in den Denkwürdigkeiten publiziert worden war. Nicht
Menschen die große Kunst zu unterscheiden, und zu den »großen Zirkeln«, sondern der »einfachen Glück-
zählen: sie war es, die ihn schon in der grauen Vorzeit seligkeit« des häuslichen Lebens solle der» Weise« ent-
die erhabenste Logik lehrte« (S. 95). Vorausgesetzt ist gegenstreben. Neben dem »Wohnzimmer« sei einzig
damit eine Übereinstimmung »zwischen der Natur der die »schöne offne Natur« das »wahre Element«, in
menschlichen Begriffe und ihrem großen Gegenstan- dem der Mensch sich bewegen solle.
de« : »Die ganze Natur scheint ein Abdruck des
menschlichen Verstandes, so wie der menschliche Ver- Nach Ansicht von Saine ( 1971) stellt die Kin-
stand ein Abdruck der ganzen Natur zu seyn<< (ebd.).
derlogik das Werk dar, das »die ausführlichste
Die Entstehung von Sprache und Denken ist eine Wie-
derholung der Schöpfung im menschlichen Geist Darstellung von Moritz' Ideenwelt vor seiner Rei-
(S.IOI). se nach Italien [liefert]« (S. 40). Hierwürden »Ge-
Der nun folgende Absatz über den Tod danken vorweggenommen und entwickelt, die in
(S. I02-1 09) ist zugleich in der von Moritz herausgege- anderen Schriften der Jahre zwischen 1785 und
benen Zeitschrift Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur 1788 dauernd wieder aufgegriffen und zum Teil
Beförderung des Edlen und Schönen ( 1786, Bd. I, S. 73- sogar wörtlich wiederholt werden« (S. 33). Saines
78) veröffentlicht. Er geht von der Abbildung eines Untersuchung bestätigt, daß es sich um eine voll-
menschlichen Skelettes aus und kulminiert in der These, wertige philosophische Schrift Moritz' handelt
daß in der Natur die Zerstörung nur ein Mittel des wah-
und daß ihre Konzeption als Kinderbuch hieran
ren Zweckes des Bauens und Bildens sei. Das »Fort-
schreitende in der Natur« aber sei die »immerwährende
keinerlei Abstrich bedeutet. Moritz hat kon-
Vervollkommnung der Geisterwelt« (S.I08). Hieran sequent beides zu vereinen gesucht : Das Resultat
schließt sich eine Theorie des Geistes an: Der Geist ist ist originäres Denken im Medium des Kinderbu-
die >>Kraft des in sich Zusammendrängens« (S. II 0), ches. Auch wenn die Sphäre der Kinderliteratur
ein » Vereinigungspunkt des rundumher zerstreuten« streckenweise um der gedanklichen Konsequenz
1135 Sachschriften 1136

willen überschritten wird, bleibt die Schrift doch an Knaben mittleren Alters aus dem Bürgertum
wesentlich ein Kinderbuch- dies nicht nur durch und dem Adel. Das Buch soll dem Knaben zu ei-
Rahmenhandlung und Einkleidung, sondern nem Spiegel werden, »den du dir vorhalten und
auch durch die Art der anschaulichen Gedanken- dich darin bespiegeln kannst. Und fändest du
entwicklung sowie den unsystematischen Auf- schon ähnliche Züge in deinem jungen Herzen,
bau, der durch stete Abwechslung die kindliche die dich hart und grausam zu machen schienen: o!
Aufmerksamkeit zu fesseln sucht. In seiner Anla- so laß dich bei Zeiten warnen und zu recht wei-
ge als Kinderbuch und seiner Hochschätzung des sen« (Zuschrift, S. 4).
Prinzips der Anschaulichkeit verrät das Werk Das Buch soll zweierlei Lehren vermitteln.
Einflüsse des Philanthropismus. Die Untertanen soll es lehren, geduldig zu gehor-
In der Kinderlogik kommt die Fülle der Ge- chen: »Jeder Untertan muß der Obrigkeit gehor-
dankenkomplexe zur Sprache, die Mo ritz vor sei- chen; denn sie ist von Gott; also auch der wunder-
ner Italienreise bewegen; Saine nennt hier insbe- lichen und tyrannischen. Großmütig dulden, daß
sondere das Erkenntnisproblem und das Theodi- muß Er, oder aus dem Lande ziehen, das kann Er,
zeeproblem. Zugleich aber ist Moritz hier von sei- aber ja nicht rebelliren. Hörst du's, Deutscher
ner späten philosophischen Position, wie sie 1788 Knabe?« (S. 37). Den Hochgeborenen, denen,
in der Abhandlung Über die bildende Nachah- die später verantwortungsvolle Ämter bekleiden
mung des Schönen entfaltet wird, noch weit ent- werden, soll es die Notwendigkeit der gerechten
fernt. Als das Höchste im Menschen gilt ihm hier und fürsorglichen Behandlung der Untertanen
die Vernunft und die Denkkraft; die ästhetische und Untergebenen verdeutlichen.
Anschauung wird hier noch nicht als Möglichkeit Das Werk ist als Fortsetzung von Schlözers
angesehen, die Grenzen des endlichen Denkens NeuJahrs-Geschenk aus Westfalen (1784) zu se-
zu überschreiten. Zwar wird an verschiedenen hen, in dem die Konzeption einer dreißigbändi-
Stellen der Kinderlogik das Schöne thematisiert; gen historisch-geographischen Darstellung der
es ist aber noch nicht in das Zentrum seiner Philo- zehn deutschen Königreiche entwickelt wurde.
sophie gerückt. Dennoch findet sich hier schon
nicht mehr die für die Aufklärung typische Ab- Inhaltlich handelt es sich um eine Ausarbeitung
wertung des Schönen gegenüberdem Nützlichen, des zweiten Kapitels von Schlözers Jan-van-Leyden-
wie auch das Schöne schon als das in sich selbst Schrift (vgl. NeuJahrs-Geschenk aus Westfalen). In ei-
ner kurzen Einleitung schildert der Verfasser die Zu-
Vollendete definiert wird. Das Naturschöne wird stände in Deutschland zu Beginn des 16. Jahrhunderts,
allerdings noch jeglichem Kunstschönen vorge- besonders den um sich greifenden Aufruhr unter den
zogen. Die Ausführungen zur Sprache lassen den Bauern: »Das war nun eine ser schlimme Zeit, schlimm
starken Einfluß Herders spüren. für die gestrengen Junker und gnädigen Fräulein,
Im Lexikon der Erziehungsschriftsteller (Baur, schlimm für die fetten Mönche und gemästeten Non-
1790) hat das Werk eine kritische Aufnahme gefunden. nen.« (S. 10) Als Ursache für die »Rappelköpfigkeit«
Es habe »weder Ordnung, noch einen stufenweisen, der Bauern führt der Verfasser an: »I) die Herren und
zum Unterricht angelegten Plan«. »Uns deucht, man Pfaffen, 2) die Reformation, und 3) die Wiedertäufer«
könnte mit weit mehr Ordnung, Kürze und Leichtigkeit (S. 11). Verantwortlich für die Unruhen seien die tyran-
den Kindem dieß alles vermittelst weniger Blätter bei- nischen Herren gewesen: »Zu jene noch so wenig aufge-
bringen. An der Deutlichkeit fehlt es hier und da sehr, klärten Zeiten, verkannten die Fürsten, Herren und Prä-
wenn nehmlich das Buch für Kinder bestimmt sein soll. laten, die Rechte der Menschheit, die auch den Bauren
Diese fühlt ein Philosoph nicht [ ... ]« (S. 302 f.). Vgl.: zukommen, prellten und schunden, hielten sie wie Leib-
Saine ( 1971 ), Gehrig ( 1950). E. eigene und Sclaven, nicht besser als die Hunde« (S. 12).
Das Abweisen der Bitten und Klagen der Bauern durch
die Fürsten habe dann dazu geführt, »daß der zur Ver-
zweiflung gebrachte Bauer endlich toll wurde, und los-
schlug« (ebd.). Anschließend schildert der Verfasser
1786 den Verlauf des Schwäbischen Bauemkrieges, die Taten
des Bundschuh und des Armen Konrad, die Grausam-
Anton Rudolph Warlieh (1 760-1830): keit der Bauern und ihre Niederschlagung durch das
Geschichte aus Ober-Sachsen for einen Fürstenheer.
deutschen Knaben. Geschichte des Im zweiten Kapitel werden ausführlich die Ursa-
schwärmerischen ffarrers und chen der Bauernunruhen dargestellt. Gegen die Tyran-
nei der Herren und die Prellerei der Pfaffen zitiert der
Bauern-Feldmarschalls Thomas Münzer Autor Luthers Kritik und dessen Ratschlag zur gütli-
in Thüringen im J. 152 5. chen Einigung. Ausführlich referiert er die 12 Artikel
Göttingen 1786 der Bauern; wiederum mit einem Hinweis auf Luther
werden sie als »ganz billige Forderungen« (S. 34) be-
zeichnet. Gleichzeitig würdigt er Luthers Position ge-
Mutmaßlicher Verfasser der Schrift ist August genüber den Bauern, seine Mißbilligung ihrer Vorge-
Ludwig von Schlözer (1735-1809) (vgl. Warlich, hensweise, ihrer Auflehnung gegen die Obrigkeit und
1972, S.l04, Brunken, 1981, S.38f.).- Der Ver- warnt vor einer Mißinterpretation der tuthersehen
fasser wendet sich mit seinem Geschichtsbuch Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen. Sie sei
1137 War1ich, Geschichte aus Ober-Sachsen, 1786 1138

von vielen falsch verstanden worden, die glaubten, die in ihren Zielen und ihrem Vorgehen weit radikaler
» Luther wolle damit so viel sagen, als müsse man keiner und zerstöreciseher gewesen seien als die Bauernauf-
Obrigkeit mer gehorchen, noch eine haben; sondern stände in Deutschland.
man könne machen, was man wollte, und das glaubten DerText ist in acht Kapitel eingeteilt, die ihrerseits
auch die Bauren« (S. 39). Das Auftreten der Wiedertäu- wiederum in 65 Paragraphen untergliedert sind. Diese
fer als dritte Ursache der Unruhen wird mit einem Ver- Gliederung entspricht in ihrer Form ebenso wie die Auf-
weis auf die Geschichte des Jan van Leyden nicht weiter machung des Textes (Zuschrift, Inhaltsverzeichnis,
behandelt. Text, Quellen) vollständig dem NeuJahrs-Geschenkvon
Die folgenden Kapitel III bis VIII beschreiben die 1784. Auch die -von Baur(l790, S. 551) als »launicht«
Geschichte Thomas Münzers, seine Zusammenarbeit bezeichnete- Schreibart des NeuJahrs-Geschenks wur-
mit dem Kreis der Wiedertäufer um Nielas Storch, seine de übernommen. Sie drückt sich im plötzlichen Wechsel
Tätigkeit als Prediger, seine Zeit als »Schwärmer und der Sprachebene aus, in häufiger Verwendung direkter
Pfarrer in Altstädt«, als »Apostel und Burgemeister in Rede(» Top, sprach ein Bauer zum andern, wenn er sich
Mühlhausen«, als »Bauernfeldmarschall«, schließlich begegnete: >der Mann in Altstädt hat recht<, nam seinen
seine Gefangennahme und Hinrichtung. Dresch Flegel und ging nach Altstädt.«, S. 53) und in
Zwar wird Münzer gleich als »Erz-Bösewicht« der dramatisierenden Veranschaulichung zugespitzter
(S. 42) dem Leser vorgestellt, doch über den Anfang sei- Situationen (»Nach diesem ersten Examen spannte
nes Wirkens berichtet der Autor nur in freundlichen man ihn nochmals auf die Folter; und als ihm der Hen-
Worten. So habe erz. B. »gar herrliche Predigten gehal- ker den Daumenstock ziemlich eng zuschraubte, so
ten, darinn nicht das geringste ist zu tadeln gewesen« schrie er: >o weh! o weh!«<., S. 117). Der Sprachstil in
(S. 43). Dann jedoch habe er seine Gesinnung gewan- den eingestreuten Belehrungen an den Leser wirkt im
delt und öffentliches Ärgernis erregt, so daß man ihn Vergleich zum übrigen Text dagegen gestelzt.
aus der Stadt Zwickau habe vertreiben müssen. Seine
Tätigkeit in Altstädt wird unter dem Aspekt seines refor- Ähnlich wie die Geschichte des Jan van Ley-
matorischen Wirkens betrachtet, besonders aber als den bemüht sich die Thomas Münzers um eine
Ausdruck zunehmenden religiösen Schwärmerturns
neue Form der Geschichtsdarstellung: Das The-
und politischer Fanatisierung, die auch rasch auf die
Bürger und Bauern übergegriffen und sich in anderen ma behandelt einen sozialen Konflikt, in dem das
Städten ausgebreitet habe. So sei er auch in Mühlhausen Volk als historisches Subjekt, als handelnde Kraft
mit offenen Armen aufgenommen worden, wo er sich dargestellt wird; das Werk versucht, Ursachen
auf eine große Anhängerschaft habe stützen können. und Zusammenhänge aufzuzeigen, um daraus ge-
Nach dem Sturz des Mühlhauser Rates und seiner schichtliche Lehren zu ziehen; das veranlaßt den
Erhebung zum Bürgermeister habe Münzer nicht nur Verfasser auch, ausführlich die soziale Lage der
die Gütergemeinschaft eingeführt, sondern sich auch Bauern zu referieren. Gleichzeitig ist die Darstel-
zusammen mit dem Pöbel an den Gütern der Fürsten lung des historischen Prozesses durchgängig von
und Herren bereichert und sei auch »auswärts auf Beu- eigenen Wertungen beeinflußt, in denen sich die
te« gegangen. Ausführlich wird geschildert, wie der Pö-
Parteinahme des Verfassers für den aufgeklärten
bel Klöster und Adelshöfe plündert und mordend und
brennend durch die Gegend zieht und dabei seine An- Absolutismus ausdrückt. So verschweigt er zwar
hängerschaft beständig vergrößert, bis Kurfürst Johann nicht die Not der Bauern, ihre Abhängigkeit von
sich mit anderen Fürsten verbündet, um den Aufruhr den Fürsten und den sie unterdrückende Grund-
der Bauern niederzuschlagen. herren, führt auch die Willkür und üppige Le-
Obwohl sich eine einvernehmliche Regelung zwi- bensweise der Geistlichkeit als Ursache für den
schen den Bauern und Fürsten abgezeichnet habe, habe Aufruhr an, ergreift aber nicht für die Bauern Par-
Münzer- um seine eigene Haut zu retten- die Bauern tei, sondern macht ihre Unbeugsamkeit und Ra-
gegen ihren Willen in einer Feldpredigt zu dem aus- dikalität für die Auseinandersetzungen verant-
sichtslosen Kampf beschwatzt. Als sich die Niederlage wortlich. Die Fürsten tadelt er, stellt sich aber
abgezeichnet habe, sei Münzer als einer der ersten geflo-
dann auf ihre Seite, wenn sie den Ausgleich mit
hen und habe sich in der Stadt zu verbergen versucht, sei
aber bald entdeckt und den Fürsten ausgeliefert wor- der Bauernschaft suchen und zur Aussöhnung be-
den. reit sind. In Münzer, dem revolutionären Gegen-
Beim Verhör sei Münzer stumm geblieben, er spieler Luthers, kommen nach des Verfassers
»vermogte nicht zu antworten, weil sein Gewißen ihn Auffassung die radikalen Ideen und Ziele, die
wol von seiner bösen Tat überzeugen mogte« (S.ll6). Unnachgiebigkeit und der Haß der Bauern kon-
Erst bei einer zweiten Folterung sei er geständig gewe- zentriert zum Ausdruck. Deshalb ist seine Ge-
sen, habe seine Ziele offengelegt und die Namen seiner schichte des Bauernkriegs vor allem eine Schilde-
Bundesgenossen verraten, später sogar noch einen letz- rung des Lebens Thomas Münzers.
ten Brief an die Mühlhausen er geschrieben, worin er sie Sofern Münzer nur religiöse Ideen vertritt,
aufgefordert habe, den Fürsten Gehorsam zu leisten
werden sie zwar als schwärmerisch abgetan, aber
und Gnade bei ihnen zu suchen. Vor seiner Hinrichtung
habe Münzer noch einmal sein Unrecht bekannt, gleich- als lauter und rein hingestellt, sobald sich aber
zeitig aber die Fürsten aufgefordert, Milde gegenüber diese religiöse Idee gegen die Obrigkeit, gegen
den Untertanen walten zu lassen. Kirche und Staat richtet, hält der Autor ihre Be-
Das Buch schließt mit einer kurzen Belehrung so- kämpfung für unvermeidlich. Um diesen Wandel
wie einer Schilderung des Schicksals anderer Städte und zu illustrieren, wird Münzer auch ein charakterli-
der Bauernunruhen unter den Walachen unter Horia, cher Wandel unterstellt. So berichtet der Verfas-
1139 Sachschriften 1140

ser über Münzers Zwickauer Zeit, er habe des nachsagte. Am Ende jedoch läßt der Verfasser
Nachts grundlos einen Feueralarm ausgelöst und Milde und Versöhnung, die er als Tugend eines
dadurch einen Auflauf verursacht, ein andermal aufgeklärten Herrschers begreift, auch Münzer
habe er das Volk so verhetzt, daß es mit Steinen widerfahren, wenn er in einer abschließenden
und Kot einen Prarrer aus der Stadt vertrieben ha- Würdigung nicht nur seine negativen Charakte-
be, dann wieder habe er ein unschuldiges Mäd- reigenschaften zusammenfaßt, sondern als vor-
chen verführt und das mit einem »Befehl Gottes« bildlich seinen »Mut, Beredtsamkeit, und
begründet (S. 44 f. ). schwärmerische Liebe für andere« hervorhebt.
Auf diesem Hintergrund entwickelt der Ver- In der Geschichte Thomas Münzers konkre-
fasser ein Münzer-Bild, das einer kritischen Be- tisiert sich noch einmal die politische Auffassung,
trachtung nicht standhalten kann. So bezichtigt er die Schlözers Darstellung der Münsteraner Wie-
z. B. Münzer der Anführerschaft bei dem Bilder- dertäufer (1784) zugrunde liegt. Auch hiersoll ein
sturm in Willerbach (S. 56), obwohl Münzer in Beispiel gesetzt werden für die Schädlichkeit und
den amtlichen Unterlagen weder als Anstifter Unmöglichkeit revolutionärer Bewegungen ge-
noch Teilnehmer genannt wird, sagt ihm nach, gen die Obrigkeit. Münzers Leben und Ende sol-
weniger Bibelkenntnis zu besitzen als die Stallbu- len ein warnendes Exempel sein für diejenigen,
ben des Weimarer Schlosses (S. 60), obwohl Mün- die mit den Zuständen unzufrieden sind und sich
zers Bibelkenntnis selbst von Melanchthon und gegen die Obrigkeit auflehnen wollen, sollen ih-
Luther hochgeschätzt wurde, und behauptet nen deutlich machen, daß es besser ist, mit
schließlich, er habe sich aus eigensüchtigen Grün- »Furcht und Ehren« der Obrigkeit untertan zu
den zum Bürgermeister von Mühlhausen wählen sein (S. 36), als Frieden und Ordnung in Frage zu
lassen, obwohl er dieses Amt nie bekleidet hat stellen.
und auch nach dem Sturz des alten Rats weiterhin Die Parteinahme des Verfassers für den auf-
nur sein Prarramt an der Manenkirche wahrnahm geklärten Absolutismus äußert sich auch in seiner
(S. 72). Ebenso verzerrt stellt er die Gütergemein- Absicht, den Herrschenden einen Spiegel vorzu-
schaft dar, die Münzer und seine Anhänger nach halten, in dem sie die Folgen unterdrückenscher
dem Vorbild der Apostel einführten. Es heißt: Die Willkür erkennen können, und er preist den Mo-
Gütergemeinschaft »gefiel besonders dem Pöbel narchen als Vorbilder die Vermittlung suchenden,
ganz außerordentlich. Schuster, Schneider, Lei- Milde und Barmherzigkeit übenden Fürsten an,
neweber, Schmidt, kurz ein jeder verließ seine deren Tugenden er unter der aufgeklärten Herr-
Werkstatt, ließ die Arbeit liegen, und zerte von schaft eines Josef II. und Friedrich II. verwirk-
den Gütern andrer, ja glaubte, daß man noch licht sieht.- Vgl. Brunken (1981). 0. B.
gnug zu zeren habe, ehe die Güter der Fürsten,
Grafen, Edelleute, Mönche und Nonnen aufge-
zeret wären.« (S. 75)
Dem Bild Münzers als Bauernverführer ent-
spricht die Schilderung seines zynischen Verhal-
tens gegenüber den Bauern in der Stunde seiner 1787-99
Folterung: »Darauf sagte Herzog Johann zu ihm:
>Ja, Thomas, tut dir dieses weh, so bedenk auch,
Georg Heinrich Seiferheld (175 7-1818):
daß es den armen Leuten nicht wol getan, die heu- Sammlung Electrischer Spielwerke für junge
te diesen Tag deinetwegen niedergemacht wor- Electriker. 8 Lieferungen.
den sind. Worauf er mit lachendem Munde ant- Nümberg und Altdorf 1787-99
wortete: >Ho! sie haben es nicht anders haben
wollen.«< (S. 118). Der Verfasser verschweigt Seiferhelds Sammlung Electrischer Spielwerke
dem Leser jedoch den Inhalt von Münzers Rede richtet sich an »junge Electriker« sowie an inter-
bei seiner Folter, in der er sein Vorgehen gegen die essierte Laien ohne besondere fachwissenschaft-
Fürsten unter Berufung auf das Evangelium da- liehe Vorkenntnisse. Der Autor betont, er habe
mit begründet, daß sie unbarmherzig gegen die »nicht gelehrten, nicht geschickten Mechanikern
christliche Freiheit handelten und man ihnen [ ... ] geschrieben, sondern Freunden und Anfän-
Zaum und Gebiß anlegen müsse. Auf diesem gern« (Lfg. 1, S. 6), nicht für »einzelne Denker«,
Hintergrund erscheint ihm das Opfer der Bauern sondern für »begierige Zuschauer« (Lfg. 3, S. 4).
gerechtfertigt (vgl. Zimmermann, 189111974, Er will mit seinem Werk den »warlich Bedau-
S. 676). Gleichzeitig wird Münzer als ein Mann rungswürdigen [ ... ]zur Hülfe seyn, denen schrei-
geschildert, der unter der Last des quälenden Ge- ben, die nicht die gehörigen Mittel haben, alles
wissens zur Reue und Umkehr bereit ist und die von Mechanikern zu erkaufen« (Lfg. 2, S. 7).
Herrschenden um Nachsicht bittet. Hier weicht Gleichwohl setzt er voraus, daß die Käufer der
der Verfasser von Luther ab, der Münzer »keine Sammlung »schon mit einer guten Electrisirma-
Spurvon Reue, nichts als Trotz und Verstocktheit schine versehen seyn, auch jezo überall mit leich-
bis ans Ende« (Zimmermann, 1891/197 4, S. 682) ter Mühe dazu gelangen können« (Lfg. I, S. 5).
1141 Seiferheld, Sammlung, 1787-99 1142

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Seiferheld, Georg Heinrich: Sammlung Electrischer Spielwerkefor junge Electriker. 3. Llfg. 2. Aujl. Mit
Kupfertafeln. - Nürnberg und Altdorf 1791 (Nr. 837). Die in Fig. 19. und 20. dargestellten Versuche
über »Das Einschlagen des Blitzes« (Text S. 57f) und über das Ableiten von Blitzen werden mit Fig.
21ff. (s. obige Tafel, TextS. 59ff.) fortgesetzt. Gegenstand der Abbildungen sind: Fig. 22: »Die künstli-
che Gewitterwolke« Fig. 23: »Der Wetterabieiter zu Land<< Fig. 24: »Das Pulvermagazin« Fig. 25: »Der
Blitzableiter« Fig. 26: »Der Nutzen der spitzigen Ableiter«Fig. 27: »Die gefährlichen Ab/eiter« Fig.
28-30: »Der elektrische Spazierstock«.
1143 Sachschriften 1144

Seiferheld möchte mit seinem Werk >>jungen stande.« (ebd.) Villaurne glaubt denn auch, ))daß
Electrikern auf eine faßliche Art zu einer Anzahl das Studium meines Buches in den Gymnasien
electrischer Versuche [ ... ] verhelfen, und ihnen nicht ganz überflüssig seyn dürfte« (ebd.). Mit
die Anschaffung dieser immer etwas theuren Bü- Rücksicht auf diesen Adressatenkreis habe erbe-
cher [ ... ] ersparen« (Lfg. I, S.4f.). Doch das sondere Themengebiete hereingenommen; ge-
Werk soll die jungen Techniker nicht nur vor gro- meint sind die Abschnitte über Literatur und die
ßen Kosten bewahren (Lfg. 2, S. 8), sondern ihnen >>Beurtheilung der Werke der Kunst«. Sein
auch >>verdrüßliche Stunden angenehm« machen Hauptaugenmerk aber habe auf einem anderen
(ebd.), es will >>angenehme Unterhaltung« sein Leserkreis gelegen: Gedacht habe er insbesonde-
(Lfg. 5, S. 3). Das Ziel der Sammlung ist dabei, re an ))Solche junge Leute [ ... ], deren Stand oder
zum ernsthaften und lehrreichen Experimentie- Gewerbe sie, ohne eigentliche Wissenschaft, zu
ren aufzumuntern (Lfg. 4, S. 5), denn >>aus Kin- einer höheren Sphäre von Kenntnissen erhebt.«
dern werden Leute, und Spielwerke geben oft zu Die ))Logik« soll nicht nur in Gymnasien, son-
grössern Dingen Anlaß« (Lfg. 2, S. 8). dern vornehmlich auch in ))Bürgerschulen« her-
Das Werk- von insgesamt zehn Lieferungen lie- angezogen werden (S. IV). Einen weiteren Adres-
gen die ersten acht vor- besteht aus über 200 Versuchen saten sieht Villaurne in den Frauen: ))Auch viele
bzw. Versuchsgruppen aus den Bereichen Physik und Damen lesen, und erheben sich über die Sphäre
Chemie (bes. Pyrotechnik), die auf eine einfache, auch der Musenalmanache und der Romanen. Diesen
Anfängern leicht verständliche Art ausführlich be- möchte auch wol eine Anweisung zur Erkenntnis
schrieben werden. Dabei verzichtet Seiferheld darauf, der Wahrheit willkommen seyn.« (S. IV)
den Leser mit den jeweiligen naturwissenschaftlichen Die Vorrede gibt Hinweise zum ))Gebrauch
Gesetzen bekanntzumachen, die den einzelnen Versu- dieser Schrift«. Sie könne durchaus ohne fremde
chen zugrunde liegen. Lediglich die Versuchsanord-
nung und das -ergebnis werden dargestellt. Das Nach-
Hilfe gelesen und verarbeitet werden: ))Das Ge-
vollziehen der Experimente, die dem spielerischen Ler- meinnützigste daraus kann ein mittelmäßig geüb-
nen dienen sollen, wird durch exakte Abbildungen der ter Verstand, ohne Hülfe, begreifen.« (S. XIV)
unterschiedlichen Versuchsanordnungen auf angebun- Für den jugendlichen Leser gelte dies aber nur
denen Kupfertafeln erleichtert. eingeschränkt. >>Oftmals habe ich aber für die Ju-
Bei den meisten Experimenten in den Lieferungen gend mit auf den Lehrer rechnen müssen. Also ist
l-4 handelt es sich um kleine, unproblematische Versu- mein Buch eigentlich ein Lesebuch für die Schu-
che, zu deren Durchführung nur wenige Hilfsmittel nö- len.« (ebd.) Es sei nicht notwendig, die im Werk
tig sind. Sie werden zumeist auf durchschnittlich ein bis
vorgetragenen Lehren und Regeln auswendigzu-
zwei Seiten beschrieben. In den letzten vier Bänden wer-
den auch größere Versuche ausführlicher vorgestellt,
lernen und ))mühsam wörtlich ins Gedächtniß zu
z. B. »Die electrische Uhr« (Lfg. 5), >>Das electrische zwängen«. Villaurne will dies nicht geradezu ver-
Orakel« (ebd.), »Das electrische Kartenspiel« (Lfg. 6) bieten, denn schaden könne es nicht; das Gewicht
oder »Die Multiplicationsscheibe« (Lfg. 8). aber solle auf das wirkliche Verständnis gelegt
Die Sammlung Electrischer Spielwerke »besteht werden. >>Das muß man thun- Es recht verstehen
aus allen Versuchen, die ich nur werde auftreiben kön- - und immer dabei nachdenken, und die Lehren
nen, also aus alten und neuen, nebst meinen eigenen, die aufwirkliche Dinge anwenden.« (ebd.)
ich theils selbst ausgedacht, theils gegen Vergütung von Viilaumes Absicht ist, daß der ))junge
Mechanikern erhalten, und besonders aus denen, die
Mensch« vermittelst dieses Lehrbuches das
wir einem gelehrten Priestley, Cavallo, Bohnenberger,
Halle, Adam, Cuthbertson u. s. w. zu verdanken ha-
Nachdenken lernt und seinen Verstand bildet
ben.«(Lfg.l,S.S) O.B. (S. XIV). Das Nachdenken aber dient dem Fin-
den der Wahrheit, der Aufklärung also, und Lo-
gik ist für Villaurne eben die Kunst, die Wahrheit
zu finden (S. 8). Die Kunst der Wahrheitstindung
jedoch ist zunächst eine negative; sie beginnt mit
1787 der Kunst zu zweifeln, mit der Fähigkeit, den Irr-
Peter Villaurne (1746-1825): tum zu erkennen und auszuschalten. ))Also muß
man, wenn man wirklich Wahrheit suchen und
Practische Logik for junge Leute die nicht
finden will, damit anfangen, gegen alle seine
studiren wollen. Ideen den Verdacht zu hegen, daß sie irrig seyn
Berlin und Libau 1787 können, ohne alles Interesse dafür und dawider
[ ... ].« (S.X) ))Also muß der Mensch zweifeln,
Das Werk ist an )) Ungelehrte« gerichtet. )) Unter ehe er Wahrheit suchen und finden kann. - Er
den Ungelehrten verstehe ich alle Jugend, ehe sie muß aber zweifeln lernen; denn zweifeln lehrt uns
sich auf das Formelle der Wissenschaften legt.« die Natur nicht.« (ebd.) Was sich solchermaßen
(S. IV) Abweichend von der Titelformulierung als das wesentliche Anliegen des Werkes heraus-
zählt Villaurne auch die zukünftigen Studenten zu stellt, die Kunst nämlich des Zweifelns zu vermit-
den Adressaten: )) Der einstige Gelehrte, ehe er teln, wird gerade auch mit Bezug auf denjugendli-
die Universität verläßt, gehört zu meinem Gegen- chen Leser begründet: >>Man sehe die Kinder; sie
1145 Villaume, Practische Logik, 1787 1146

glauben alles, was man ihnen sagt, es mag noch so Teile zerlegt werden. Dann folgt ein argumentativer
ungereimt seyn. Die mehresten Lehrer lehren Passus, der vornehmlich Begrundungen und Erläute-
auch die Kunst zu zweifeln nicht. Sie tragen alle rungen gibt. Im Anschluß hieran beginnt der praktische
ihre Sätze mit solcher Zuversicht und so entschei- Teil, der ein oder mehrere Beispiele liefert, die eine
praktische Anwendung des zu Beginn aufgestellten Sat-
dend vor, daß der Schüler keinen Augenblick da-
zes darstellen. Teilweise sind den Paragraphen noch
ran zweifeln kann.« (ebd.) Dies könne nur zu ))Anmerkungen« beigefügt, die weiterführende Be-
»Leichtgläubigkeit« und - im Gegenschlag hier- trachtungen enthalten. Die in der Vorrede angesproche-
zu- zu falscher »Zweifelsucht«, niemals aber zu ne Vermittlung ))Wichtiger Lehren« und ))Stoffe« wird
wahrer » Ueberzeugung« führen. »Wer die Men- vornehmlich von dem praktischen Teil der Paragraphen
schen den Weg zur Wahrheit lehren will, muß also geleistet. Die Beispiele sind sämtlich aus dem gemeinen
damit anfangen, daß er ihren steifen Glauben er- Leben gegriffen und enthalten praktische und morali-
schüttert und sie zweifeln lehrt. Dieß habe ich zu sche Lehren für jedermann. In Ihrer Gesamtheit geben
thun gesucht.« (S. XI) Aus einer solchen kriti- sie kein geschlossenes System nützlicher Kenntnisse,
sondern eine bloße Vielzahl vereinzelter Lehren, die in
schen Auffassung von Logik leiten sich für Villau-
keinen übergreifenden materiellen Zusammenhang ge-
rne die konkreten Absichten des Werkes her: ruckt werden. Von der stofflich-materiellen Seite her ist
»Um diese Kunst zu lehren, werde ich alle die das Werk tatsächlich unsystematisch, wie es die Vorrede
Hülfsmittel, wodurch wir Vorstellungen erhalten, angekündigt hat: Der vermittelte Stoff ist in zahlreiche
untersuchen; ihre Fehler, und wie sie uns in Irr- Einzelbeispiele zersplittert.
thum verleiten, bemerken; Mittel angeben, diese Der ))Faden«, der laut Vorrede das Werktrotz al-
Fehler, und die daraus entstehenden Irrthümer ler fehlenden materiellen Systematik dennoch durch-
möglichst zu vermeiden; und endlich selbst die zieht, fällt ganz auf die logisch-formale Seite: Es ist die
Werkzeuge, wodurch wir Vorstellungen erlangen, Stufenfolge der einzelnen menschlichen Erkenntnis-
zu verbessern.« (S. 8) quellen und -vermögen, nach der sich der Aufbau des
Bei der Einrichtung des Werkes hat Villaurne Werkes richtet. Die Einleitung(§§ 1-9) liefert zunächst
eine abstrakte Wesenbestimmung von Irrtum und
darauf Rücksicht genommen, daß Ungelehrte
Wahrheit, um hieraus Bestimmung und Aufgabe der
und Jugendliche die Adressaten sind. Er habe Logik abzuleiten. Für den Hauptteil des Werkes lassen
sich zunächst »an keine systematische Ordnung sich drei große Abschnitte ausmachen, denen ein zu-
ängstlich gebunden« (S. V). Sodann habe er sich sammenfassender Schlußteil folgt. Der erste Abschnitt
in der Wahl der Themen »fast nur auf das gemei- befaßt sich mit den äußeren und inneren Sinnen des
ne Leben, oder wenigstens auf die gewöhnliche Menschen als Quellen der Erkenntnis und des Irrtums
Sphäre meiner vermuthlichen Leser einge- (Kp.l-10). Derzweite Abschnitt handelt vom Denkver-
schränkt« (S. VI). So habe er insbesondere die mögen, vom ))Nachdenken«, von der Kenntnis des
Wissenschaften weggelassen. Desweiteren habe Menschen und der Kunst (Kp. 11-23). Der dritte Ab-
schnitt beschäftigt sich mit dem Unterricht in allen sei-
er die Regeln und Anweisungen zum Gebrauch
nen Formen (Kp. 24-28). Ein Schlußabschnitt des Wer-
des Verstandes zugleich mit praktischen Übun- kes sucht alle Erkenntnisquellen miteinander zu verglei-
gen und Anwendungen verbunden. »Daher habe chen und sie in dem Prozeß der Wahrheitssuche zu ver-
ich immer zugleich mit der Lehre den Gebrauch einigen, als Wege zur Aufklärung und vollkommenen
selbst zu paaren gesucht. Nicht allein Denken ))Erleuchtung« des Menschen zu fassen (Kp.29-34).
überhaupt wird mein Leser lernen, sondern er Innerhalb der Hauptabschnitte werden im einzel-
wird zugleich darin geübt, auf die Quellen des Irr- nen folgende Materien abgehandelt: Zur Sprache kom-
thums und der Wahrheit geführt.« (ebd.) Schließ- men zunächst die äußeren Sinne: Gesicht, Gehör, Ge-
lich sei es ihm darum gegangen, nicht bloß eine fühl (Tastsinn), Geschmack und Geruch. Ausführlich
rein formale Denkschulung zu liefern, denn dem werden die hier möglichen sinnlichen Täuschungen und
Ungelehrten sei »an dem Materiellen des Den- Verzerrungen der Wahrnehmung erörtert (2. Kp.); auch
wird auf ))Erhaltung und Verbesserung der Sinne« ein-
kens mehr, als an dem Formellen, gelegen«
gegangen (3. Kp.). Unter dem Rubrum ))innere Sinne«
(S. IV). Er habe deshalb nicht beliebige Anwen- werden das innere Gefühl, der Geschmack, der morali-
dungen und Beispiele gebraucht, sondern »wich- sche Sinn, schließlich das Gewissen und das ))gute
tige Lehren« ausgewählt, »um dem Leser zu- Herz« angesprochen (5.-7. Kp.). Die folgenden Kapitel
gleich den wichtigsten Stoffzum Denken vorzule- befassen sich mit der intellektuellen Verarbeitung der
gen, und ihn auf den Weg, wie man diesen Stoff Sinneseindrucke: Die Rede ist zunächst von den
behandeln muß, zu führen« (S. VIf.). So soll das )) Ideen« als den )) Vorstellungen der Dinge« bzw. den
Werk sowohl Regeln als auch »allerlei nützliche Eindrucken, die sie in der Seele hinterlassen (8. Kp.).
Kenntnisse« vermitteln, sowohl der formalen Behandelt wird sodann die Vorstellungskraft als das
))Vennögen, Ideen zu fassen«, deren Formen die Ein-
Denkschulung als auch der Wissenserweiterung
bildungskraft, das Gedächtnis und die Erinnerung sind
dienen. (9. Kp.). Der Abschnitt über die Sinne endet mit einem
Es handelt sich um ein in Paragraphen abgefaßtes Kapitel über die Erfahrung (10. Kp.), worunter starke,
Lehrbuch ohne Einkleidung. Die einzelnen Paragra- intensive sinnliche Eindrucke verstanden werden.
phen sind zumeist folgendermaßen aufgebaut: Zu Be- Der Abschnitt über das Denkvermögen beginnt
ginn steht jeweils der zentrale Satz, eine Bestimmung, ei- mit einem Kapitel über die ))abstrakten Begriffe«, die
ne Definition o. dgl., die mitunter auch in ihre einzelnen von den ))Concreten Ideen« unterschieden werden, de-
1147 Sachschriften 1148

nen ein wirkliches Ding als »Urbild« zugrundeliegt nunft (Berlin 1786) sieht Villaurne in dem »Ge-
( II. Kp.). Sodann folgen die klassischen Abschnitte der fühl der Wahrheit« denn auch kein positives, son-
Logik, die Lehre vom Urteil, vom Schluß und von der dern nur ein negatives Gefühl. Aus seinem negati-
Definition. (12.-15. Kp.). Es folgen Kapitel über die
ven Wahrheitsbegriff ergibt sich als Konsequenz,
»Kennzeichen der Wahrheit«, die Sprache und über
Hypothesen. Hieran schließen sich Kapitel über die Er- daß die Wahrheit nicht unmittelbar und direkt ge-
kenntnis des Menschen an: Zunächst geht es um die lehrt werden kann, daß vielmehr an die erste Stel-
Kenntnis des Charakters und der Gemütsbeschaffen- le eine Auseinandersetzung mit dem Irrtum, sei-
heit der Mitmenschen (20. Kp.). Sodann werden die nen Quellen und Ursachen treten muß. Die Wahr-
Schwierigkeiten erörtert, die sich bei der Beurteilung heit ist also nicht direkt, sondern allein vermittelst
der Sitten und Gebräuche alter und fremder Völker ein- der Kenntnis der Möglichkeiten von Täuschung
stellen (21. Kp. ). Ein weiteres Kapitel befaßt sich mit und Irrtum zugänglich. Eben diesen negativen
der Selbsterkenntnis, mit der richtigen Einschätzung der Weg beschreiten denn auch die einzelnen Kapitel
eigenen Anlagen und Fähigkeiten, die besonders vom
in ihrem Argumentationsgang: Zu Beginn wird
Jugendlichen bei der Wahl des Standes und Berufes er-
fordert werden (22. Kp.). Schließlich wird die »Beur- zumeist eine Definition des jeweils erörterten Er-
theilung der Werke der Kunst« wie die »Beurtheilung kenntnisvermögens und seiner einzelnen Kräfte
großer Männer« zum Gegenstand der Betrachtung ge- gegeben. Sodann werden ausführlich sämtliche
macht (23. Kp). Fehlerquellen, mögliche Verzerrungen, Verschie-
Wie schon in seiner Geschichte des Menschen bungen und Täuschungen dargelegt, die auftreten
( 1783) setzt Villaurne neben die Sinne und das Nach- können. Dann erst werden Ratschläge zur Wahr-
denken den Unterricht als die dritte Quelle von Erkennt- heitsfindung gegeben, die zumeist wiederum An-
nis. Hierunter versteht er nicht nur die private oder schu- weisungen zur Vermeidung von Fehlern sind. Der
lische Unterrichtung im engeren Sinne, sondern »jede
Irrtum wird solchermaßen zwar in ein Verhältnis
Mittheilung der Kenntnisse, welche uns von anderen
gewährt wird« (§ 260), also auch »jede[n] Rath,jede Er- zur Wahrheit gesetzt: Er ist deren Voraussetzung
zählung, jede Warnung, jede Unterhaltung mit An- und Grund, vermittelst dessen Negation Wahr-
dem«. Mitgemeint ist hier zudem der gesamte Bereich heit sich herstellt. Dennoch bleibt das Verhältnis
von Tradition und Überlieferung. Im einzelnen handeln von Irrtum und Wahrheit bei Villame äußerlich
die Kapitel von der »Unterredung«, wo zusammen mit und abstrakt. Der Irrtum ist der Wahrheit nicht
dem Problem des Berichten und Erzählens das der Ge- wesentlich; die Wahrheit wird nicht etwa als ein
schichtsschreibung thematisch wird (25. Kp.), vom
»Rathgeben« (26. Kp.), vom »Beispiel«, das einem die
anderen geben (27. Kp.), schließlich von Büchern
(28. Kp.).
Der Schlußteil des Werkes beginnt mit einer» Ver-
gleichung der verschiedenen Quellen unserer Erkennt-
nis« (29. Kp.), womit der Höhepunkt des Werkes einge-
leitet wird: eine methodisch und inhaltlich gefüllte Be-
stimmung von Wahrheit (30. Kp.). Diese wird durch ei-
ne Betrachtung »verschiedene[r] Grade des Wahrheits-
gefühls« komplementiert (31. Kp.). Die drei noch fol-
genden Kapitel geben allgemeine methodische Hinwei-
se zur Wahrheitsfindung, wobei u. a. auf das Bücherle-
sen, das Studieren und auf die Beurteilung der Wahr-
scheinlichkeit eingegangen wird (32.-34. Kp.)

Dem Werk liegt ein Wahrheitsbegriff zu-


grunde, der im Unterschied zu einem positiv-in-
haltlichen als ein negativer und formaler bezeich-
net werden kann. Wahrheit ist für Villaurne nicht
ein objektives System von Kenntnissen, das ein
für alle Mal feststeht; gegen alle Kenntnisse des
Menschen ist stets der Verdacht zu hegen, daß sie
Täuschungen und Irrtümern entspringen. Wahr-
heit ergibt sich erst durch die Ausschließung des
Irrtums, die in bezugauf jedes Wissen immer wie-
der vorzunehmen ist. Wahrheit liegt immer erst \' I LL.
dann vor, wenn das Entgegengesetzte einer Er-
kenntnis als unmöglich erwiesen ist, ist also nicht
als fertiges System des Wissens gegeben, sondern
muß immer erst durch eine logisch-negative Ope-
ration kritischen Zweifelns hergestellt werden. Im
Anschluß an Samuel Sirnon Wittes (1738-1802) Peter Villaurne (1746-1825). Kupferstich von J.
Versuch über die Bildung der Völker zur Ver- G. Schmidt nach J. F. Bolt
1149 Villaume, Practische Logik, 1787 1150

Prozeß verstanden, der durch den Irrtum hin- stellung wird abgeschnitten. Dies geschieht mit
durchgeht, und der Irrtum nicht als ein aufgeho- Rücksicht auf den ungelehrten Adressaten der
benes Moment der Wahrheit selbst. Die Beschäf- »practischen Logik«: Die durch die Kantische
tigung mit dem Irrtum als Voraussetzung der Transzendendalphilosophie aufgetane Differenz
Wahrheitstindung ist nur dehalb vonnöten, weil zwischen Ding an sich und Erscheinung sei für
Wahrheit und Irrtum anfänglich ununterscheid- diesen ohne praktische Bedeutung. Villaurne
bar sind, die Wahrheit also erst durch den Aus- sucht die Beunruhigung und Verunsicherung auf-
schluß des Irrtums hervortritt. zufangen, die durch die Einsicht in die Unerkenn-
Auch nach dem kritischen Durchgang aller barkeit des Dinges an sich entstanden sind:
Erkenntnisvermögen bleibt Viilaumes Wahrheits- »Denn- wozu brauchen wir Wahrheit? I) Um
begriff durch Negativität und Skepsis bestimmt. unser Wohl und unsre Zufriedenheit zu beför-
Mit Ausnahme der »reinen Mathematik« sei auf dern. 2) Um uns mit den Menschen verstehen zu
keinem Gebiet je absolute Gewißheit zu erlangen können. Unser Wohl aber und unsre Zufrieden-
und der Irrtum definitiv auszuschließen: Es gibt heit hängt nicht von dem Wesen der Dinge, son-
für Villaurne »keinen untrüglichen Maaßstab der dern von dem Eindruck ab, den die Dinge auf uns
Wahrheit« (§ 299), die » Ungewißheit« kann letz- machen. [ ... ]Nicht was ist, sondern was ich fohle,
tendlich nie vollends überwunden werden. Der macht mein Wohl oder Weh. Also brauche ich zu
Prozeß der Wahrheitstindung ist unabschließbar. meinem Wohl nicht zu wissen, was die Dinge
Hieraus zieht Villaurne Konsequenzen, die er als wirklich sind; wenn ich nur weiß, was sie für einen
die zentralen Lehren seiner Logik formuliert. Die Eindruck auf mich machen, so ist dieß schon ge-
erste Lehre besagt, »daß wir uns wohl vorsehen, nug.« (ebd.)
und nicht leicht etwas für wahr und ausgemacht In der gleichen Weise, in der die transzen-
annehmen müssen, damit wir nicht betrogen wer- dentale Fragestellung und die von ihr ausgehende
den«(§ 300). Aus der nie zu überwindenden On- Verunsicherung abgeschnitten wird, sucht Villau-
gewißheit folgt als zweite Lehre, »daß wir, um der rne auch die mit seinem skeptizistischen Wahr-
Wahrheit willen, niemanden hassen, niemanden heitsbegriff einhergehende Beunruhigung aufzu-
verachten, niemanden verfolgen müssen. Es wäre fangen. Daß es keinen untrüglichen Maßstab der
die höchste Ungerechtigkeit.« (ebd.) Dieses Tole- Wahrheit und keine endgültige Gewißheit gebe,
ranzgebot wird schließlich noch ergänzt durch die dürfe einen nicht betrüben. )) Die Wahrheiten, die
Mahnung zur Bescheidenheit: »Wenn du was zu uns nützlich und nothwendig sind, sind mehren-
wissen vermeinst, sey nicht stolz darauf; du weißt theils nicht schwer zu finden. Wie leicht ist es
ja nicht, wieviel Unächtes, wieviel Irrtum in dei- nicht zu wissen, daß Mäßigkeit, Nüchternheit,
nem Wissen steckt.« (ebd.) Kritik, Toleranz und Menschenliebe, Freundschaft nützlich und ange-
intellektuelle Bescheidenheit folgen solcherma- nehm sind? Wie leicht kann man erfahren, was
ßen als sittliche Postulate aus dem negativen und uns schadet oder nutzet?« (§ 303) Zudem sei die
offenen Wahrheitsbegriff Villaumes. Zugleich Wahrheit häufig ohne Wichtigkeit für das prakti-
aber gerät er mit diesem Wahrheitsbegriff in die sche Leben (ebd.). Villaurne schneidet so die
Nähe des Skeptizismus, zu dem er sich offen be- beunruhigende Wirkung seines skeptizistischen
kennt (vgl. Vorrede, S. VII). Wahrheitsbegriffes ab. Dies geschieht unter Ver-
Durch Skeptizismus sind auch seine erkennt- weis auf den Nutzen der Wahrheit, auf die prag-
nistheortischen Positionen bestimmt: In bezug matisch-utilitaristische Dimension von Erkennt-
auf die Erkenntnis der Außenwelt schließt er sich nis: Die zu unserem Wolil erforderlichen Wahr-
dem Kantischen Kritizismus an: »Also scheinen heiten seien leicht aufzudecken. Damit aber wird
uns die Dinge, wie unsre Sinne sind. Andre Sinne jede metaphysische Dimension des Wahrheits-
würden uns ganz andre Vorstellungen von den problems ignoriert: Daß dem Menschen eine Er-
Dingen geben, ob die Dinge gleich dieselben blie- kenntnis der objektiven Gesetze des Kosmos ein
ben. Die Dinge sind also für uns- nicht was sie an zentrales Bedürfnis sein kann, gerät bei Villaurne
und für sich sind, sondern was sie uns scheinen.« gar nicht mehr in den Blick.
(§ 28, S. 21 f.) Drastischer kommt der Skeptizis- Die Aufhebung der beunruhigenden Wir-
mus in folgendem Satz zum Ausdruck: »Die Na- kung des Skeptizismus geschieht bei Villaurne da-
tur der Dinge ist uns ein unauflösliches Räthsel.« durch, daß dem bisher formalen, negativ-kriti-
(§ 303) Villaurne hat hierbei durchaus ein Be- schen Wahrheitsbegriff nun doch noch eine in-
wußtsein von der transzendentalen Fragestel- haltliche Füllung gegeben wird. Villaurne unter-
lung: Die Beschaffenheit der Sinne ist es, die die scheidet im Schlußteil inhaltlich zwischen ver-
Beschaffenheit der wahrgenommenen Gegen- schiedenen Wahrheiten und stellt diese in eine
standsweit bestimmt; eine Veränderung des Sin- hierarchische Rangfolge. Differenziert wird zwi-
nesapparates müßte mithin auch eine der Dinge schen )mothwendige[n], nützliche[n] und minder-
sein. Villaurne geht aber dieser transzendentalen nützliche[n] Wahrheiten«; die »unentbehrli-
Konstitution der phänomenalen Gegenstands- chen« werden vor die )>nicht unentbehrlichen«
welt nicht weiter nach; die transzendentale Frage- Wahrheiten gesetzt(§ 305). An die Spitze der Ska-
1151 Sachschriften 1152

Ia stellt Villaurne ))diejenigen Wahrheiten, welche Geist, Leben etc. (§ 148). Das Nachdenken an
zu unserm Wohl und unsrer Ruhe unentbehrlich sich aber ist für Villaurne keine Wahrheitsquelle.
sind. -Wie wir unser Leben fristen, und unter un- Im Gegenteil: Je mehr es sich von der sinnlichen
sern Nebenmenschen in Ruhe und Frieden leben Erkenntnis entfernt, um so ungewisser und unzu-
können.« (ebd.) Die weiteren Stufen der Skala verlässiger wird es(§ 178). Das abstrakte Denken
umfassen die prinzipiell entbehrlichen Wahrhei- und seine Gesetzmäßigkeit besitzen denn auch
ten. Unter ihnen gibt Villaurne denjenigen den für Villaurne keinerlei Objektivität in dem Sinne
Vorzug, ))die den Geist erheben und ihn durch mehr, daß sie zugleich die Gesetzmäßigkeit der
Uebung stärken«, genannt werden hier Astrono- Natur, des Kosmos darstellen. Das Nachdenken
mie, Mathematik und Geschichte. Auf der unter- ist vielmehr ein rein subjektives Vergleichen und
sten Stufe stehen die Wahrheiten und Kenntnisse, Inbeziehungssetzen von Vorstellungen, Ideen
die bloß von der ))Mode« verlangt werden; Vil- und Begriffen. Es gibt für Villaurne keinerlei ))ein-
laurne führt als Beispiele »Theile der alten Ge- geborene Ideen«; das Denken ist vielmehr gänz-
schichte, die Griechische Götterlehre, mehrere lich leer und muß alle Ideen von der Erfahrung
Sprachen« an. Mit dieser pragmatisch-utilitaristi- borgen(§ 298). Aber auch die Beziehungen, die es
schen Füllung des Wahrheitsbegriffs verliert der unter den von den Sinnen erborgten Ideen her-
Skeptizismus seine beunruhigende und kritische stellt, haben keinerlei Objektivität. Villaurne er-
Wirkung: Diefürden Menschen wichtigen Wahr- läutert dies am Beispiel der Begriffsdefinition:
heits- und Wissensgebiete werden von ihm nicht »Es ist zu bemerken, daß die Definitionen nicht
tangiert. Der kritisch-skeptische Wahrheitsbe- die Dinge, sondern nur unsere Vorstellungen von
griff, der den Ausgangspunkt bildet, wird letztlich den Dingen bestimmen; und daß sich also von
utilitaristisch amputiert und entschärft. den Definitionen auf die Wirklichkeit und auf die
In der Beschreibung der verschiedenen Er- Eigenschaften der Dinge nichts schließen läßt.«
kenntnisquellen vertritt Villaurne in der ))Logik« (§ 195) Bei allerUngewißheit und bloß subjekti-
deutlicher eine sensualistische Position, als dies in ven Geltung ist das Nachdenken für Villaurne
der Geschichte des Menschen der Fall war. Wenn dennoch ))nützlich«: )) Von ihm allein erhalten
er zunächst die Sinne, das Nachdenken und den die Erfahrung und der Unterricht ihre Vollen-
Unterricht als die drei Erkenntnisquellen des dung.« (§ 295) Auch wenn ))die Erfahrung der
Menschen bezeichnet, so ist diese Qualifizierung Grund alles Wissens und Lernens ist«, so erhebt
nicht erkenntnistheoretisch, sondern pragmatisch ))das Nachdenken ... den Unterricht und die Er-
zu verstehen: Gemeint sind damit die Möglich- fahrung erst zu der Würde wahrer Erkenntnisse«
keiten, die jedem Individuum in der Gesellschaft (§ 307).
zum Erwerb von Kenntnissen sich anbieten. Er- Die Vergleichung der Erkenntnisquellen ist
kenntnistheoretisch aber sind für Villaurne allein wiederum nicht erkenntnistheoretisch, sondern
die ))Sinnliche Erfahrung«, die ))anschauliche Er- pragmatisch gemeint. Zwar ist die sinnliche Er-
kenntnis« die Quellen positiver Erkenntnis, die fahrung der alleinige Erkenntnisgrund; dennoch
das Nachdenken nur ordnen und der Unterricht könne das einzelne Individuum nicht alles eigen-
lediglich weitervermitteln kann. ))Alle unsre händig aus der Erfahrung lernen: ))Erfahrung al-
Ideen oder Vorstellungen erhalten wir durch die lein reicht nicht weit, und ist gefährlich.« (§ 298)
Sinne und Gefühle«. (§ 120) Alle weiteren Er- Es muß deshalb auch auf das Nachdenken und
kenntnisvermögen )) können[ ... ] nur gerade die den Unterricht zurückgreifen. ))Keines von die-
Wahrheit haben, welche die Sinne ihnen überlie- sen drei Mitteln zur Erkenntniß der Wahrheit
fert haben. Sie können nicht richtiger seyn, als die reicht allein zu, alle die nöthigen Erkenntnisse zu
Sinne« (§ 134). Auch ))das Nachdenken (kann) verschaffen. [ ... ] Man muß also diese drei Quel-
nur die Ideen betrachten[ ... ], die wir durch die len vereinigen.« (ebd.) Der Prozeß der Erkennt-
Sinne und das Gefühl erlangen, und durch die Er- nisgewinnung ist für Villaurne hierbei nicht ab-
innerungskräfte behalten; so ist es klar, daß es al- schließbar (§ 309). Der Mensch müsse sich hier-
len Irrungen der Sinne und Gefühle, und allen bei mit den Grenzen seiner Erkenntnis abfinden,
Fehlern der Erinnerungskräfte unterworfen ist.« wenn er nicht in neuen Irrtum verfallen wolle
(§ 153) (ebd.). Villaurne geht dennoch vom Prinzip der
Villaurne will damit nicht bestreiten, daß es unendlichen Perfektibilität aus: )) Die Vollkom-
neben den ))Concreten Ideen«, denen Dinge als menheit unsers Verstandes erfordert, daß wir so-
)) Urbilder« zugunde liegen(§ 144), auch ))Symbo- viel Wahrheit erwerben, als uns möglich ist.« (§
lische Begriffe«, ))Abstraktionen ohne Urbilder«, 318) Er kennt allerdings keinen absoluten End-
im menschlichen Verstand gibt. Diese entsprin- punkt mehr in Gestalt etwa einer vollendeten )) Er-
gen allein dem Nachdenken, der Betrachtung leuchtung«, einer Wissenstotalität. Recht para-
nicht der Dinge selbst, sondern der Vorstellungen dox heißt es vielmehr: ))Die vollkommenste Er-
der Dinge, werden in einem Abstraktionsvorgang leuchtung des Menschen besteht 1) Darin, daß er
gewonnen(§ !51 f.); teils betreffen sie aber auch die größte Menge von Kenntnissen besitze. 2)
Dinge, die nicht in die Sinne fallen, wie Seele, Darin, daß er, ohne Irrthum, zu unterscheiden
1153 v. Baumeister, Die Welt in Bildern, 1788-91 1154

wisse, was in seinem Vorrath von Ideen, gewiß, samt 6 Bände. Zur Einsicht lagen allerdings nur die er-
wahrscheinlich, zweifelhaft und unwahrschein- sten vier Bände vor. Band 5, 1793 bei J. B. Wallishauser
lich ist.« (ebd.) Daß der Prozeß der »Erleuch- erschienen, enthält entgegen dem ursprünglichen Plan
tung« für Villaurne identisch mit Aufklärung ist, die Fortsetzung der Darstellung des Mineralreiches.
Band 6 (ebendort, 1794) handelt von den menschlichen
geht nicht zuletzt daraus hervor, daß deren klassi-
Tätigkeiten, Eigenschaften und vom Ende des mensch-
sche Themen alle zur Sprache kommen: Geister- lichen Lebens. Ob noch zwei weitere Bände, wie erneut
erscheinungen und Gespenster(§ 65), Vorurteile in Band 6 angekündigt, erschienen sind, ist ungewiß. Im
(§ 204 ff.), Religionsanhänglichkeit und religiöse Wiener Katalog heißt es dazu: »[ ... ] es muß offen blei-
Intoleranz (§ 207), die Mächtigkeit der Tradition ben, ob die Ausgabe tatsächlich in diesem Umfang«
(§ 262), Glauben, Wahn und Aberglaube(§ 315). [d. h. in 8 Bänden] herausgekommen ist odernicht« (Eu-
Der Terminus »Aufklärung« taucht allerdings ropäische Kinderbücher vom 15. bis zum 19. Jahrhun-
selbst nicht auf. E. dert, Wien 1979, S.69). Kayser und Wurzbach (Bd.l ,
S. 191) dagegen vermerken sogar II Bände. Diese Zahl
könnte sich ergeben haben, wenn die in der Anrede an
den Leser im 4. Band geäußerte Absicht, »auf einige
Zeit in der Absicht auszuruhen, um die auf 26 Kupfer-
1788-91 platten sowohl zu dem Thier- und Mineralreiche, vor-
züglich aber zu dem Pflanzenreiche zu liefrenden Supp-
Joseph Edler von Baumeister (1 750-1819): lemente zu sammeln, um auf diese Art derersten Abthei-
Die Welt in Bildern vorzüglich zum lung des ganzen Werkes die mir mögliche Vollkommen-
Vergnügen und Unterricht der Jugend. heit zu verschaffen«, tatsächlich verwirklicht worden
wäre.
4 Bände. Dem I. Band ist ein 14strophiges Gedicht »Gott«
Wien 1788-1791 von Christian Ewald v. Kleist vorangestellt. Nach einer
Darstellung der Himmelskörper und Lufterscheinun-
Die Welt in Bi/dem dient, wie dem Titel zu ent- gen sowie einer natürlichen Einteilung der Erdkugel
(S. 1-18) wird eine allgemeine Klassifizierung des Tier-
nehmen ist, »vorzüglich zum Vergnügen und Un-
reiches in sechs Hauptgruppen (Vögel, Säugetiere, Fi-
terricht der Jugend«. Über den Adressaten wer- sche, Amphibien, Insekten, Würmer) vorgenommen.
den keine weiteren Angaben gemacht, von der Jede Hauptgruppe (»Ciasse«) ist in »Ordnungen« un-
Anlage her scheint das Werk jedoch vor allem für terteilt. Der I. Band behandelt in 51 Kapiteln(» Num-
den häuslichen Gebrauch und Unterricht gedacht
gewesen zu sein. Die Tatsache, daß das Gesamt-
werk auch ohne Kupfertafeln zu einem geringe-
ren Preis zu erwerben war (vgl. Kayser) und die
Lieferung der einzelnen Teile ohne Pränumera-
tion wochenweise erfolgte, um »Aeltern und Kin-
derfreunden die Anschaffung dieses der vielen
Mühe und Auslagen wegen zwar kostbarer, aber
auch fürdie Jugend so vorzüglich nützlichen Wer-
kes so viel möglich zu erleichtern« (Vorrede
I. Bd.), deutetzudem daraufhin, daß Baumeister,
der zugleich Verleger der Welt in Bildern war, mit
seinem Bilderlehrbuch auch weniger vermögende
Schichten erreichen wollte.
Das Werk ist auf acht Bände konzipiert: »je-
der Band enthält fünfzig Kupfer, und eben so vie-
le Erklärungen derselben. Im ersten und zweyten
Bande wird nach den Einleitungskupfern von
dem Thierreiche, im dritten und vierten von dem
Pflanzen- und Mineralreiche, im fünften und
sechsten von dem Menschen, seinen Handlungen
und Beschäftigungen überhaupt, im siebenten
und achten von den merkwürdigsten Handwer-
ken, Künsten und Fabriken gehandelt werden.
Die Benennung der auf dem Kupfer enthaltenen
Dinge wird zu Anfange des Blattes in Deutscher,
Lateinischer, Französischer, Wälscher und Engli-
scher Sprache angezeiget, worauf die Erklärung Baumeister, Joseph Edler von : Die Welt in Bil-
derselben in Deutscher Sprache folget.« (Vorrede dern. Bd. 1. - Wien 1788 (Nr. 67). Nr. 41: Das
Bd. l) Kamel. Kupferstich von N. Mansfeld nach 1. Sol-
Das Gesamtwerk beläuft sich gesichert auf insge- lerer
1155 Sachschriften 1156

Stetten, Paul von: Der Mensch in seinen verschiedenen Lagen und Ständen.- Augsburg 1779 (Nr. 871).
Tafel I I/: Ursprung der Staaten. a. die Aristokratie. b. die Monarchie. Kupferstich von Em. Eichel nach
Ch. Erhart.
mern«) die Vögel und die Säugetiere. Der 2. Band (50 zeine Tiere, Pflanzen, Mineralien u. ä. neben- und unter-
Nummern) setzt die Darstellung des Tierreiches fort mit einander angeordnet dargestellt; oft enthält das Bild
der Beschreibung der Fische, der Amphibien, der Insek- aber auch nur einen Gegenstand, daneben oder um ihn
ten und der Würmer. Der 3. Band (50 Nummern) hat herum manchmal Einzelheiten dieses Gegenstandes
das Pflanzenreich zum Gegenstand. In einem Nachtrag ausschnittweise vergrößert oder auch Darstellungen
werden verschiedene Blumen- und Kürbisarten sowie verschiedener Entwicklungsstadien eines Tiers oder ei-
die Ananas beschrieben. Im 4. Band (24 Nummern) be- ner Pflanze.
schäftigt sich Baumeister mit dem Mineralreich, das er Baumeister versucht mit seiner Welt in Bil-
untergliedert in die Erde, die Steine, die Salze, die dern die Belehrung mit angenehmer und doch
»brennlichen Mineralien« und die Metalle.
nützlicher Unterhaltung zu verbinden. So z. B.
Zu Beginn einer jeden Nummer wird das auf den
Kupfertafeln Dargestellte mit wenigen Begriffen in wird in zwei Fußnoten die im Text erwähnte
deutscher, lateinischer, italienischer, französischer und Dankbarkeit von Löwen gegenüber ihren Wohl-
englischer Sprache (Englisch durch Lautschrift ergänzt) tätern, ihre Großmut und Treue anhand zweier
vorgestellt, im 4. Band allerdings nicht mehr durchgän- Beispielgeschichten verdeutlicht: In der ersten
gig. Eine Beschreibung der allgemeinen Merkmale und wird von einer Löwin berichtet, die durch treu-
des Aussehens wie der Beschaffenheit der jeweiligen sorgende Pflege eines Herrn vor dem Tode be-
Gattung dient als Einführung in das jeweilige Thema. wahrt wurde und sich diesem dann als so dankbar
Daranschließen sich Ausführungen über die Besonder- erwies, daß sie »aus seiner Hand fraß, und ihm
heiten des Aussehens, der biologischen Funktionen,
überdas bevorzugte geographische und auchjahreszeit-
überall, wie ein Hund mit bloßem Stricke an dem
liche Auftreten sowie den Nutzen der einzelnen Tiere, Hals, nachfolgete«; die andere Geschichte er-
Pflanzen und Mineralien an. Dargelegt werden zugleich zählt von der Freundschaft eines Löwen mit ei-
die Möglichkeiten, die Tiere zu fangen, die genannten nem kleinen Hund, die so tief gewesen sei, daß der
Materialien zu verarbeiteten usw. Die Erläuterungen Löwe den Tod seines kleinen Freundes nicht ver-
sind häufig knapp gehalten, werden aber auch- beson- wunden habe und bald darauf selbst gestorben sei
ders im I. Band - durch kurze Geschichten oder Ge- (Bd. I, S. 27 6, Anm. ). Für diese Erzählungen wie
dichte unterbrochen. Hinweise auf Quellenwerke- für für andere ist eine starke Anthropomorphisierung
den I. Band werden u. a. Linne, Raff, Buffon, Haller kennzeichnend, die die Ausführungen in beson-
und Ebert genannt - , auf die Herkunft eines Namens
derem Maße verlebendigen (Die Pfauen »spielen
oder auf feine Unterschiede zwischen ähnlichen Din-
gen ergänzen die Ausführungen. auf dem Hühnerhof den großen Herrn, und wis-
Während die Titelvignetten in die Thematik der senbeydem anderen Geflügel sich so strenge Ehr-
einzelnen Bände einführen, bilden die ganzseitigen furcht zu erwerben, daß kein anderes Huhn sich
Kupfertafeln vor den einzelnen Nummern die jeweils untersteht etwas zu fressen, bis der Pfau seine
besprochenen Gegenstände ab. Meistens werden ein- Mahlzeit vollendet hat.«; Bd. 1, S. 29).
1157 Pabst, Leben Friedrichs II, 1788/89 1158

Manche dieser Einschübe haben auch mora- habe er, so betont der Autor, »auf Vollständigkeit
lisch-belehrenden Charakter. So etwa das Ge- und Genauigkeit Rücksicht genommen« (1,
dicht »Die junge Ente« von Geliert, das in voller S. IV) und sich bei seiner Arbeit nur »bewährter
Länge abgedruckt ist. Das Prinzip der nützlichen Hülfsmittel« bedient (1, S. V), die der Geschichts-
Unterhaltung zeigt sich in einer Fülle von Zusatz- forscher leicht erkennen werde. Auf Anekdoten,
informationen, die zur Erklärung des jeweiligen die ihm unwahrscheinlich erschienen, habe er von
Gegenstandes kaum notwendig wären. Die Be- vornherein verzichtet. Er habe vor allem solche
schreibung des Fasans ist z. B. Anlaß, auf seine Themen ausgewählt, die für Jünglinge »das mei-
Heimat Mingrelien in Georgien hinzuweisen, das ste Interesse« hätten (I, S. IV). Als wichtige Quel-
ehemalige Kolchis, und einige Bemerkungen le werden Friedrichs eigene Briefe und Reden ge-
über den Zug der Argonauten einzuflechten (Bd. nannt. Gerade die Briefe, die ja ohne jede Verstel-
l,S.36). T.R./O.B. lung an vertraute Personen und unmittelbar aus
der jewiligen Situation geschrieben worden seien,
hätten den Vorteil, daß man durch sie den König
als Menschen kennenlernen könne; sie seien ein
1788/89 »schönes Dankmal seines freundschaftlichen
Johann Georg Friedrich Pabst (1754-1821): Herzens, seiner Menschenliebe, seines wissen-
schaftlichen Eifers, seiner gesunden Philosophie,
Leben Friedrichs /1 Königs von Preußen für seiner herkulischen Arbeiten« (1, S. VII).
deutsche Jünglinge. 2 Bände. Trotz der deutlichen Vorbildfunktion, die
Nürnberg 1 788/89 Friedrich zugesprochen wird, und der Verehrung,
die der Autor für ihn empfindet, stellt dieser für
Pabst wendet sich mit seinem Buch an deutsche sich den Grundsatz auf, Friedrich in seinem Buch
Jünglinge, »die einige Anlage zu deutscher Man- nicht zu loben, ))ausser wo seine Thaten reden«
nesgröße haben« (1, S. 111). Mittelbar wendet er S. VI). Innerhalb des Werks selbst spricht der Er-
sich auch an erwachsene Leser, von denen er zähler sogar davon, daß er die Schwäche wie auch
hofft, daß sie das Werk an die Jugend weiteremp- Stärke Friedrichs »so unparteiisch unter die Au-
fehlen werden. Der fiktiven Kommunikationssi- gen stellen« werde, »als wäre vom römischen Cä-
tuation läßt sich entnehmen, daß primär an Leser sar die Rede« (1, S. 1); erst am Schluß des Buches
aus dem bürgerlichen Stand gedacht ist (II, möchte er sein Urteil über Friedrich II. entdek-
S. 436). ken.
Intention der Schrift ist es, Jünglinge »etli- Das I. Kapitellautet )>Von der Geburt des Königs
che Stunden auf eine nützliche Art zu unterhal- Friedrich II bis zu seiner Befreiung aus der Gefangen-
ten« (1, S. 111). Das Leben Friedrichs II. soll ihnen schaft zu Cüstrin« (1, S. 1-47). Die harte Kindheit Fried-
als Vorbild, in einigen wenigen Punkten als nega- richs- seit seinem 8. Geburtstag führt er das Leben eines
tives Beispiel dienen:»Seine harte Jugend [kann] Soldaten- wird dem Autor dabei zum Anlaß, eine allzu
unsere Jünglinge duldsamer, seine frühzeitige An- verweichlichende Knabenerziehung zu kritisieren ())0
Schande der deutschen vornehmen Buben, die oft biß
strengung diese thätiger, seine Hize bei einigen
ins zwölfte Jahr nur wie Austern leben, und kaum die
seiner Handlungen, diese kühler, sein trauriges Hülle ihrer schwammigten Körper an und abzulegen im
Streben gegen den harten väterlichen Willen, die- Stande sind!« I, S. 9). Der Konflikt zwischen König und
se nachgiebiger und sein Muth bei nahen Todes- Kronprinz, die Flucht des Kronprinzen, seine Gefan-
gefahren, diese standhafter machen [ ... ]. Fried- gennahme, die Festungshaft in Küstrin und die Hinrich-
richs Beispiel wird auch iedem die Wahrheit laut tung des Mitwissers Katte werden vom Autor sehr vor-
predigen, welch einen Trost Künste und Wissen- sichtig erzählt; weder König noch Prinz werden verur-
schaften unter allerlei Lebensauftritten gewäh- eilt, für beide wird Verständnis gezeigt. Die Sinnesände-
ren; wie groß der Werth treuer Freunde auch für rung des Kronprinzen während der Festungshaft in Kü-
Fürsten sey; welche Klugheit dazu gehöre von strin, wo er sich gerührt über die rückkehrende Gnade
des Königs zeigt, wird psychologisch nicht weiter be-
beiden Seiten, auf Kosten höherer Pflichten sich gründet. Das 2. Kapitel (1, S. 48-91) handelt ))Von des
nicht zu willfährig zu erweisen; welch ein gefähr- Königs Vermählung; seiner Residenz zu Rupin und
licher Posten es sey, gegen die Cabale an den Hö- Rheinsberg, biß zu seines Vaters Tode«. Von der auf
fen zu bestehen; und wie das Glük, ein Regent zu Geheiß des Vaters und gegen die Neigung des Sohnes
seyn, nur dann erst ein wahres Glük heißen kann, geschlossenen Ehe mit Elisabeth von Braunschweig
wenn er, mit hoher Verläugnung seiner selbst, sei- wird in bedauerndem Ton gesprochen; sie wird gerecht-
nem Lande die möglichste Summe von Guten zu fertigt mit dem Hinweis auf die allgemeine Sitte in Für-
bewirken sucht«, so lauten die vielfältigen Inten- stenhäusern. Die ))philosophische Enthaltsamkeit«,
mit der Friedrich II. sich seiner Gattin ))lebenslang«
tionen des Autors (1, S. Illf.). Die eingeschobe-
entzog (1, S. 49), wird begründet mit dem Hinweis auf
nen Briefe Friedrichs sollen zugleich als »Muster seine zahlreichen Kriege, seine umfangreichen staats-
in der Schreibart und im Vortrage« dienen (1, politischen Tätigkeiten, der ihm versagt gebliebenen
s. V). Freiheit bei der Gattenwahl und seinem frühen Umgang
Trotz der Ausrichtung auf jugendliche Leser mit den Künsten und Wissenschaften (I, S. 50f.). Von
1159 Sachschriften 1160

dieser Neigung des Kronprinzen, der er auf Schloß stellt wird. Auch auf die sehr bedrängte Lage des Königs
Rheinsberg im Kreise seiner Freunde nachgeht, wird und die vielen Unglücksfälle, die ihn treffen, wird einge-
ausführlich und sehr lobend berichtet; die Freunde wer- gangen. Der König selbst habe sie zwar mit stoischem
den im einzelnen vorgestellt. Die Beschäftigung mit den Gleichmut ertragen; sie hätten ihn aber- wie mit Fried-
Künsten und Wissenschaften in Rheinsberg habe, so richs eigenen Worten gesagt wird- um seinen »>frohen
heißt es, in dem Prinzen nicht nur den »sanften«, son- Sinn<«, sein »>Feuer<« und seine »>Lebhaftigkeit<« ge-
dern auch den »großen Regenten« gebildet (1, S. 83). bracht (II, S. 247). Als Umstände, die zur Rettung des
Das 3. Kapitel »Von Friedrichs Thronbesteigung Königs beigetragen hätten, werden die mangelnde
biß zum Breslauer Friedensschluß im Jahre 1742« (1, Übereinstimmung in der Kriegsführung zwischen
S. 92-216) befaßt sich fast ausschließlich mit dem I. Österreich und Rußland genannt, insbesondere das Zö-
Schlesischen Krieg. Der Krieg Friedrichs wird als ge- gern Österreichs, der preußischen Armee den endgülti-
recht dargestellt (1, S. 114), da Schlesien das »rechtmä- gen »Gnadenstoß« zu geben, sowie der Tod der Zarin
ßige Eigenthum« (1, S. 116) des Königs gewesen sei, auf Elisabeth (II, S. 423).
das er »gegründete Ansprüche« habe erheben können Das folgende Kapitel, das »Denkwürdigkeiten
(1, S. 117). Die Eroberung Schlesiens wird bewertet als aus der friedlichen Periode Friedrichs vom Jahre 1763
eine politische Tat, durch die nicht nur »Preußens biß 1778« (II, S. 428-487) enthält und zunächst einmal
Flor«, sondern auch »Schlesiens Glück« »sich mächtig das große Elend schildert, in dem sich Land und Bevöl-
erhöhete« (1, S. 160); die vielen Gnadenbeweise des kerung befinden, stellt- neben einer Reihe außenpoliti-
Königs gegenüber der schlesischen Bevölkerung wider- scher Ereignisse wie der Teilung Polens - die Maßnah-
sprächen der Behauptung, er sei ein »harter Regent«, men dar, die Friedrich zum Wiederaufbau des Landes
»der nur genommen habe, wo er nicht gesäet hätte« (1, und der Wiederherstellung des Wohlstands ergreift.
S. 165). Die Schlesier schließlich hätten den Einmarsch Hierzu gehören auch die Urbarmachung des Warthe-
Preußens »mehr für einen nachbarlichen Beistand, als ader Oderbruches und die Schulreform. Diese sei frei-
für einen feindlichen Überfall« (1, S. 123) gehalten. lich, wie vom Erzähler kritisiert wird, durch die Einstel-
Das I. Kapitel des 2. Bandes» Vom Breslauer Frie- lung von kriegsverletzten Unteroffizieren in den Schul-
den 1742, bis zum Dresdner 17 45« (II, S. 1-69) schidert dienst entscheidend gehemmt worden, da diese im we-
den 2. Schlesischen Krieg. Der Erzähler selbst nennt als sentlichen nur das »Talent« mitgebracht hätten, »den
Gründe für den Neubeginn des Krieges Friedrichs Stock mit Nachdruck« zu führen (II, S. 441 ).
Wunsch, dem zum Kaiser gewählten bayrischen Kur- Das 7. Kapitel (II, S. 455-487) schildert Verlauf
fürsten gegen Österreichs Versuche, ihn abzusetzen, und Hintergründe des Bayrischen Erbfolgekrieges und
Beistand zu leisten: »Mitleidig sah Friedrich Deutsch- die Gründung des deutschen Fürstenbundes durch
lands Freiheit und deßen alte, Freiheit begünstigende, Friedrich. Friedrich sei es darum gegangen, »die Ehre
Verfassung sinken« (1, S. 18). Auch an anderer Stelle er- der deutschen Fürsten und ihre Gerechtsame« zu erhal-
scheint Friedrich als derjenige, dem die Reichsverfas- ten, »ohne dabei die geringste Absicht von Selbstvergrö-
sung »über alles heilig« ist, weswegen er eine zu große ßerung blicken zu lassen« (II, S. 473). Das letzte Kapitel
Übermacht Österreichs habe verhindem wollen (II, (II, S. 488-503) schildert Friedrichs letztes Lebensjahr
s. 7f.). und enthält eine Gesamtwürdigung seiner Verdienste
um den preußischen Staat. Dabei werden vor allem die
Das 2. Kapitel »Vom Dresdner Frieden (den 25.
wirtschafts- und handelspolitischen Früchte seiner Re-
Dz. 1745) biß zum Ausbruch des 7jährigen Kriegs
gierungszeit hervorgehoben- der große Staatsschatz an
1756« (II, S. 70-113) stellt die auf den 2. Schlesischen
barem Geld, die Vielzahl blühender Fabriken, eine weit-
Krieg folgende zehnjährige Friedenszeit dar. An Tätig-
gehende Unabhängigkeit vom Import und deswegen ei-
keiten, die Friedrich durchführt, werden u.a. genannt
ne >> Handelsbalanz«, die »vortheilhaft und sicher« war
und teilweise näher beschrieben: die Verbesserung des
(II, S. 492).
Justizwesens, die Entwässerung des Oderbruchs (die als
Die Lebensbeschreibung Friedrichs wird darge-
friedliche Landeroberung bezeichnet wird), die Förde-
boten als ein Bericht, die ein Vater seinem Sohn auf-
rung der Wollmanufakturen und der Seidenraupen-
schreibt, um ihn damit zu unterhalten und zur Nachah-
zucht, die Gründung neuer Dörfer und die Einführung
von Schutzzöllen. Beiall diesen Maßnahmen, durch die mung aufzurufen. Die Vater-Sohn-Beziehung istjedoch
in keiner Weise strukturbestimmend; sie geht über gele-
die Staatseinkünfte stark gestiegen seien, habe er den
gentliche Anreden an den Sohn, die sich lediglich auf
Zweck verfolgt, »Menschen für seine Staaten zu gewin-
das Erzählte beziehen, nicht hinaus.
nen, zu erhalten und zu beglücken« (II, S. 84). Ausführ-
lich wird außerdem auf die Erholungsstunden des Kö-
nigs eingegangen, in denen er sich den Künsten und Das Prinzip der Unparteilichkeit ist entge-
Wissenschaften gewidmet habe, und auf die verschiede- gen der Vorrede des Autors nicht bestimmend für
nen Gelehrten, die er in Sanssouci um sich versammelte die Darstellung. Der Autor ist vielmehr von vorn-
(u.a. auf Voltaire). - Daß Friedrich 1756 den ersten herein von großer Bewunderung für Friedrich er-
Schritt tut und Österreich und Sachsen angreift, wird als füllt. Er steht ihm nur selten fragend gegenüber;
unumgängliche Präventivmaßnahme dargestellt, zu der statt dessen sieht er - bewundernd, verständnis-
Friedrich aufgrund der Kriegsrüstungen seiner Gegner
gezwungen gewesen sei. Der Krieg selbst wird als »mo-
voll, zumindest rechtfertigend - die Ereignisse
ralisches Wehe« bezeichnet und in seiner Schrecklich- aus dessen Perspektive, wie er sich ja auch häufig
keit mit dem Erdbeben von Lissabon verglichen (II, bei seiner Darstellung auf Schriften Friedrichs
s. 112). stützt. Freilich versucht der Autor seine Darstel-
Thema derdrei folgenden Kapitel (II, S. 114-427) lung immer durch Fakten und Argumente abzusi-
ist der siebenjährige Krieg, der sehr ausführlich mit sei- chern.
nen verschiedenen Feldzügen und Schlachten darge- Der König wird dargestellt als großer Held,
1161 Voit, Faßliche Beschreibung, 1788/ 90 1162

sen Gewalt in seiner Person Talente vereinigte,


die einander gemeiniglich auszuschliesen pfle-
gen, und eine Kraft des Willens, wodurch es das
ward, was es seyn sollte, so oft und so bald es sichs
gebot« (II, S. 492).
Die wenigen Vorbehalte, die gegenüber
Friedrichs Handeln deutlich werden, beziehen
sich u.a. auf die Übernahme von Kriegsinvaliden
in den Schuldienst (s.o.), den Ausschluß des bür-
gerlichen Standes von der Offizierslaufbahn (II,
S. 435 f.) und vor allem auf seine Haltung gegen-
über der Religion. Der Autor steht voll hinter der
Einstellung Friedrichs, soweit sie sich auf den
Kampf gegen Aberglauben (II, S. 285 f.) und auf
die Forderung nach religiöser Toleranz bezieht
(vgl. II, S. 479 f.). Zugleich versucht er jedoch zu
beweisen, daß der König gegenüber der christli-
chen Religion keineswegs gleichgültig gewesen
sei (II, S. 71-73). Der Briefwechsel zwischen
Friedrich II. und seinem Vertrauten d'Argens, in
dem sich beide, wie der Verfasser zugibt, nicht nur
über Theologie und Priester, »die von ieher so vie-
le Blößen gaben« (II, S. 93), sondern auch über
die christliche Religion lustig machten, sei nicht
für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen; die
Briefschreiber seien dazu »durch einen »naiven
Einfall« verführt worden (II, S. 94). Die lebens-
lange Verehrung des Königs für Voltaire wird in
einem Punkt direkt eingeschränkt, wie Voltaire
auch insgesamt eher skeptisch betrachtet wird:
Voltaire habe bei seinen Angriffen auf >>Aber-
glauben, Fanatismus und Priestertrug« »das Hei-
lige der Religion selbst« mit seinem Witz »besu-
Pabst, Johann Georg Friedrich: Leben Friedrichs delt« und dadurch seine gesamte Moralität ver-
II Königs von Preussen for deutsche Jünglinge. dächtiggemacht(II,S. 476). G.
Erste Hälfte.- Nümberg 1788 (Nr. 661). Kupfer-
tafel von A. W. Küfner zu S. 352
1788/90
der an die Seite Cäsars gehört, als »Kriegsgott« Johann Peter Voit (1 747-1811):
(II, S. 486) und zugleich als genügsamer Soldat,
Faßliche Beschreibung der
der alle Entbehrungen des Krieges mit Gleichmut
auf sich nimmt; ferner als »treuer Haushalter« gemeinnützlichsten Künste und Handwerke
(II, S. 489) und »liberaler König« (II, S. 83), der fiir junge Leute. 2 Teile.
sich- im Sinne des aufgeklärten Absolutismus - Nürnberg 1788/ 90
für das Wohl seiner Untertanen sorgt und sein Le-
ben voller Selbstverleugnung dem Wohl des Staa- Voit wendet sich mit seinem Werk an die männli-
tes weiht. Daneben wird Wert darauf gelegt, daß che Jugend des Bürgerstandes, die später den Be-
er auch ein »sanfter Held« ist (II, S. 70) - ein ruf eines Künstlers oder Handwerkers ergreifen
»liebenswürdiger Privatmann« (II, S. 84), ein möchte. Da er der Auffassung ist, bei der Erzie-
schonender Sieger«, ein »reizvoller Gesellschaf- hung junger Leute solle ihre »künftige Bestim-
ter« und schließlich ein »Kenner der Wissen- mung« stärker berücksichtigt werden, fordert er
schaften« (II, S. 70). Als Schriftsteller wird er an von den Lehrern, »den Knaben solche Kenntnis-
die Seite von Cäsar und Cicero gestellt (I, S. V, II, se mitzutheilen, die ihnen bei der Wahl ihrer künf-
S. 69). Nach dem 2. Schlesischen Krieg wird er tigen Lebensart wirklichen Vorschub thun, und
aufgrundseiner Reichspolitik bzw. seiner Politik bleibenden Nutzen schaffen« (Vorbericht, Bd. 1).
gegenüber Österreich als Schutzherr der deut- So sollen sie ihren Schülern »eine historische
schen Reichsverfassung gepriesen, als »vereh- Kenntniß der vorzüglichsten oder bekanntesten
rungswürdiger Vater der Freiheit« (II, S. 482). Künste und Handwerke« vermitteln, damit diese
Insgesamt wird er als ein »Genie« beurteilt, »des- sich, ihren Neigungen entsprechend, für einen
1163 Sachschriften 1164

Voit, Johann Peter: Faßliche Beschreibung der Voit, Johann Peter: Zeitvertreib for junge Leute
gemeinnützlichsten Künste und Handwerke for zur Beschäftigung in Arbeitsfreyen Stunden. -
junge Leute mit Kupfern. 1heil 2. - Nürnberg Nürnberg 1793 (Nr. 958). Taf 3 (kolorierter un-
1790 (Nr. 956). Taf 26, kolorierter Kupferstich signierter Kupferstich) mit Bildunterschrift: Na-
von Vogel nach Gabler, mit Bildunterschrift: Der nette singt: Sollt ich eine Gräfin seyn. Taf 12 (ko-
Mechanicus. Taf 9, kolorierter Kupferstich von lorierter unsignierter Kupferstich) mit Bildunter-
Vogel nach Gabler, mit Bildunterschrift: Der schrift: Der Hauslehrer mit den Gästen in der Bi-
Kupferdrucker bliothek des Kaufmanns W.
1165 Voit, Faßliche Beschreibung, 1788/90 1166

Beruf entscheiden könnten (ebd.). Voit rät den ausführlich und versucht, sie in ein anderes Licht zu set-
Lehrern, nach der Lektüre des Werkes gemein- zen (Schneider, Seifensieder, Barbier, Bader), indem er
sam mit den Jugendlichen die Werkstätten der stets auf die »Gemeinnützlichkeit« dieser Gruppen hin-
Künstler und Handwerker aufzusuchen, »um sie weist.
durch Augenschein von dem zu belehren, was sie Neben dem Bestreben, den Praxisbezug des Wer-
schon durch Beschreibung und Kupferstiche vor- kes sichtbar zu machen, tritt auch derinderVorrede for-
mulierte Anspruch an die Lehrer nach einer histori-
läufig gelernt haben« (ebd.). schen Wissensvermittlung deutlich hervor. So flicht
Ferner soll die Beschreibungden Lehrern da- Voit häufig Erzählungen über berühmte Vertreter einer
zu dienen, »sie der Mühe des Nachschiagens und bestimmten Berufsgruppe ein, wie z.B. über den
Excerpirens aus mancherlei oft weitschweifigen »merckwürdigsten Schneider« Johann Bockold von
Werken zu überheben« und den Jugendlichen die Leiden, »der vom Jahre 1532-1535 als Oberhaupt der
Möglichkeit bieten, »sich selbst bei dem Mangel Wiedertäufer zu Münster in Westphalen viel Unfug
einer mündlichen Anweisung über diese nützli- trieb« (S. 62). Der 2. Teil enthält einen Anhang, in dem
che Materien belehren, und, mit diesem Buche der Verfasser von »seltsamen Handwerksgebräuchen«
versehen, Künstler und Handwerker besuchen, (S. 407) berichtet, die bei der Gesellenprüfung stattfin-
den. Er gibt als Beispiel die »Examinierung« eines
und sich das Nöthige in ihren Werkstätten vorzei- Buchbindergesellen in Nümberg und schließt seine Er-
gen lassen zu können« (ebd. ). zählung mit dem Hinweis, daß »dergleichen Albernhei-
Voit ergreift in den Vorreden die Geleenheit, ten« nunmehr durch Reichsgesetz in Deutschland abge-
seine Erziehungs- und Bildungsvorstellungen zu schafft seien, und daß sich auch »die erleuchteten
umreißen. Er plädiert für eine strenge Trennung Handwerker solcher Possen« schämten (S. 414). Die
zwischen Bürger- und Gelehrtenschulen, um so Kupfertafeln stammen zum größten Teil von A. Gabler
»die Erziehung des künftigen Handwerkers und undG. Vogel. Indem Vorberichtzum I. BandmerktVo-
Künstlers von der Erziehung des künftigen Ge- it an: »Die zu diesem Buche nöthigen Kupferstiche sind
lehrten und blossen Studirten zu unterscheiden« auch illuminiert oder mit natürlichen Farben erleuchtet
in billigem Preisse zu haben. Vielen Kindem macht dieß
(Vorrede Bd. 2). Die Einrichtung solcher getrenn- desto mehr Vergnügen und Antrieb zum Fleisse; und
ter Erziehungs- und Ausbildungsweisen sei so- darum sollte auch für die Befriedigung ihrer Wünsche
wohl dem »jungen Weltbürger« als auch dem gesorget werden.«
Staat dienlich, denn die Jugendlichen »würden in Die vorliegenden zwei Teile gehören zu einem
der Folge nicht, wie es bisher so oft geschah, sich dreibändigen Werk mit dem Titel: Unterhaltungen fiir
selbst und andern zur Last, sondern zur Lust und junge Leute aus der Naturgeschichte, dem bürgerlichen
zum Nuzen leben« (ebd.). Eine solche »liberale Leben und der Kunst, dessen erster Band schon 1786 er-
Erziehung« führe im übrigen dazu, Vorurteile ge- schien und der bereits Beschreibungen einzelner Künste
gen Handwerker und Künstler abzubauen, wozu und Handwerke enthielt. Im Rahmen dieses umfangrei-
denn auch Voit mit seinem Werk beitragen möch- cheren Werkes macht die hier besprochene Handwerks-
lehre Teil 2 und 3 aus; sie ist daneben aber auch selb-
te. Er lehnt ein Schulwesen ab, das ohne Unter-
ständig erschienen.
schied jeden Schüler die lateinische Sprache ler-
In der Vorrede zum dritten Auflage des ersten
nen läßt, und weist auf die Bedeutung der Kennt- Bandes der Unterhaltungen (1794) teilt Voit eine Ände-
nisse hin, die der Jugendliche für das »gemeine rung des Konzeptes der drei Bände mit: »Einige Künst-
bürgerliche Leben brauchen kann« (Vorbericht !er und Handwerker, deren Beschreibung noch in der
Bd. 1). Beispielgebend sind für ihn die »neuern zwoten Auflage statt fand, sind nun in den zweiten Theil
Philantropine«, denen es gelungen sei, »junge der Unterhaltungen übertragen worden, und ihren Ab-
Leute mit einem brauchbaren Vorrathe gemein- gang hat man nicht nur durch anderweitigen Sachen-In-
nütziger Kenntnisse auszurüsten, und mit mehr halt, sondern auch durch schickliche Kupfer zu vergü-
Sorgfalt, als es in den gewöhnlichen öffentlichen ten gesucht. Diese Abänderung ist darum geschehen,
Schulen geschiehet, ihren Charakter ausbilden zu weil mehrere Liebhaber wünschten, Künste und Hand-
werke, von der Naturgeschichte abgesondert, zu besit-
helfen« (ebd.). zen: Und dieser Wunsch ist durch meine Faßliche Be-
Das vorliegende Werk stellt insgesamt 86 verschie- schreibung der vornehmsten Künste und Handwerke in
dene Berufe vor. Den einzelnen Kapiteln sind kolorierte 2 Theilen (mit vielen Kupfern) welche auch besonders
Kupferstiche beigefügt (Th. I :45; Th. 2: 39). Die bei- verkauft werden, befriedigt worden.«
den Teile behandeln ausschließlich handwerkliche Be- Über die Aufnahme der Faßlichen Beschreibung
rufe. Die auf die Praxis bezogene Ausrichtung des Wer- gibt der Verfasser in der Vorrede des zweiten Teils Aus-
kes tritt bei den Beschreibungen deutlich hervor. Es wer- kunft, wenn er erwähnt, daß sie »zu Erlangen in öffentli-
den nicht nur Entstehung und Bedeutung der Handwer- chen Schulen zu allgemeinem Gebrauch eingeführet
ke erläutert, sondern auch die zu ihrer Ausübung nöti- worden« sei. Samuel Baur ( 1790, S. 544) rezensiert das
gen Befähigungen, die Kosten, Arbeitsgänge und die Werk positiv, da Voit ihm »sowohl durch Vortrag, als
Dauer der Lehr- und Wanderjahre ausführlich darge- die ziemlich treffenden Kupfer die gehörige Anmuth
stellt. Das Spektrum der vorgestellten Berufe reicht von mitzutheilen gewußt habe«. Er geht davon aus, daß
den Dienstleistungshandwerken bis zu den Kunsthand- Adelungs Schrift Begriff menschlicher Fertigkeiten und
werken (Kupferstecher, Orgelbauer, Gold- und Silber- Kenntnisse ( 1778) Voit als Leitfaden bei der Abfassung
drechsler). Die Berufe, die keine große Reputation in des Werkes gedient habe und bedauert: >>Hätte sie doch
der Gesellschaft besitzen, beschreibt Voit besonders Herr Voit noch pünctlicher nachgeahmt; der Werth sei-
1167 Sachschriften 1168

ner Arbeit würde dadurch eher zu- als abgenommen ha- Schönheitslinie.« (S. 21 ). Dem Text sind 13 die Übun-
ben, und wir sehen nicht ein, warum er oft die schönsten gen erläuternde Kupfertafen beigegeben.
Bemerkungen ungebraucht ließ.« H.
Meils kurzes und präzises Lehrbuch, das ei-
gentlich nur durch die Beschränkung in der Stoff-
wahl und die »nicht so weitläufigen« Regeln als
1789 Kinderbuch erkennbar ist, fußt in der Darstellung
weitgehend auf William Hogarths 17 53 erschie-
Johann Heinrich Meil (1729-1803): n er kunsttheoretischer Schrift The Analysis ofBe-
Unterricht im Zeichnen fiir Kinder. auty (dt. Die Zergliederung der Schönheit, 1754).
Berlin 1789 Hogarth sieht unter den verschiedenen, in ihrem
Zusammenwirken das Schöne hervorbringenden
Meil möchte mit seiner kleinen Schrift dazu bei- Prinzipien die Mannigfaltigkeit (»variety«) als
tragen, den Verstand der Kinder zu bilden. Gera- das wichtigste an, weil sie der allgemeinste Aus-
de das Zeichen eigne sich unter den Künsten be- druck der Schönheit sei. Als eine besondere Form
sonders zu diesem Zweck, »weil ich durch diese dieser Mannigfaltigkeit betrachtet er die Verwick-
Kunst im Stand gesetzt werde, alle Gegenstände lung (>>intricacy«), die das Auge an allen Formen
in der Natur richtig zu beurtheilen, wenn die Un- bewundere, die sich aus Wellen- und Schlangenli-
terweisung nach richtigen Grundsätzen ge- nien zusammensetzen. Dem barocken Formele-
schieht« (S. 3). Dabei dürfe man die Kinder aber ment der Schlangenlinie gesteht Hogarth an sich
nicht »kindisch traktiren«, sondern müsse mit schon höchsten ästhetischen Wert zu, die reichste
Vorsicht zu Werke gehen, »weil die ersten Ein- Vervollkommnung dieser Form sei jedoch der
drücke sich bey Kindem dem Gedächtniß so im- menschliche Körper. Nach Ansicht Hogarths be-
primiren, daß es schade ist, wenn sie mit schlech- ruht auf dem Gebrauch der Schlangenlinie nicht
ten Sachen unterhalten werden, und dieses gilt
vorzüglich beym Zeichenen « (ebd. ). Meil sieht in
der Ausbildung von Kindem und Erwachsenen
zum Zeichnen keinen wesentlichen Unterschied:
»der vornehmste Grundsatz also beym Zeichnen
ist, daß man den Kindem eben so gute Sachen zu
imitiren vorlegen muß, als Erwachsenen, und
eben so gute Regeln geben, aber nicht so weitläu-
fig.«
Meils Zeichenschule beschränkt sich auf das Er-
lernen der zeichnerischen Darstellung des menschli-
chen Körpers. Dabei sollen die )(jnder vornehmlich mit
dem Bleistift arbeiten, »theils, weil er nicht so schmut-
zig, und auch wegen der kleinen Figuren, welche mit
Rothstein und schwarzer Kreide, nicht so sauber kön-
nen gezeichnet werden, das heißt von Kindern« (S. 4).
Die ersten Übungen sollen die )(jnder an eine
leichte Strichführung gewöhnen, sie bestehen aus dem
Zeichnen von Wellen- und Schlangenlinien (S. 5). In
der nächsten Übung soll der zu zeichnende Gegenstand
mithilfe einer Horizontal- und einer Perpendikularlinie
geometrisch aufgeteilt werden (S. 6 ff.). Es folgt eine An-
leitung zur Darstellung der einzelnen Körperteile, die
zur Erleichterung des Zeichnens geometrisch zerglie-
dert werden: gelehrt wird die Darstellung des Kopfes
(in verschiedenen Haltungen), der Hand (mit einzelnen
Handgriffen), der Arme, der Füße (in verschiedenen
Stellungen), der Schenkel und des Rumpfes (Vorder-,
Seiten- und Rückenansicht).
Der letzte Teil des Buches beschäftigt sich mit der
Lehre vom Kontrapost, der richtigen Setzung des »Cen-
trum gravitatis«, sowie mit der Lehre von den Proportio-
nen. Einen wichtigen Stellenwert nehmen dabei die
Ausführungen zur »Schwunglinie« ein, »welche Hog-
gard die Schönheitslinie nennt. [ ... ]man [wird) finden,
daß die Halsgrube mit dem Fuß worauf die Schwere des
ganzen Körpers ruht, in einer Perpendikularlinie steht,
dieses ist das Gleichgewicht des Körpers auf einem Bei- Meil, Johann Heinrich: Unterricht im Zeichnen
ne, und in dieser Stellung bemerkt man vorzüglich die for Kinder. - Berlin 1789 (Nr. 566) Tafel XI
1169 Forster/Klügel, Beschreibungen, 1792-1800 1170

nur die Vollkommenheit der antiken Kunst, son- zu beschäftigen; nur so könnten sie bewahrt wer-
dern auch die künstlerische Überlegenheit der den vor »dem Müssiggange und der Anhänglich-
großen Italiener, zu denen er Raffael, Correggio keit an elende Zerstreuungen und Frivolitäten
und Pietro da Cortona zählt. und dem verdorbenen Geschmacke, der in den
Die Parallelen zu Meils Zeichenschule sind bisher üblichem und gewöhnlichem, höchst elen-
offensichtlich: Meil beschränkt sich darauf, die dem, geschmacklosem Spielzeuge herrscht«
Darstellung des menschlichen Körpers zu lehren, (ebd.).
seine Zeichenschule beginnt mit Übungen im Zei- Neben die sachliche Belehrung tretenjedoch
nen von Schlangen- und Wellenlinien, seine Leh- auch moralisch belehrende Absichten. Diese ma-
re fußt auf der geometrischen Zergliederung des chen sich vornehmlich an den völkerkundlichen
menschlichen Körpers, seine Überlegungen zum Partien des Werkes fest. Bei Kindem mache sich
Kontrapost und zur diesen beherrschenden frühzeitig der Nachahmungstrieb, die »Nachah-
»Schwung-« oder »Schönheitslinie« sind mit de- mungssucht«, bemerkbar, weshalb man ihnen
nen Hogarths identisch. 0. B. rechtzeitig Beispiele und »lebendige Darstellun-
gen von Tugenden und Lastern« geben müsse.
»Diese können beijedem Bilde eines Volkes von
Eltern und Erziehern nach und nach beigebracht
1792-1800 werden: das Gute als nachahmenswerth, das Bö-
Johann Reinhold Forster (1728-1798)/ se als verwerflich und abscheulich, das man ver-
Georg Sirnon Klügel (1739-1812): meiden und fliehen vorgestellt werden.« (Vorre-
de, T. 3) Die moralische Belehrung weitet sich bei
Beschreibungen zu den Abbildungen
der Völkerkunde schnell zu einer politischen aus:
merkwürdiger Völker und Ihiere des Durch die }} Vorstellung des Elends bei einem ro-
Erdbodens (T. 3). 5 Teile. hen, barbarischen Volke ohne gesetzliche, ver-
Halle 1792 bis ca. 1800 nünftige Verfassung« ließen sich besonders gut
»das Glück und die Vorzüge einer wohleingerich-
Das Werk ist laut Vorrede zum 2. Teil an Kinder teten bürgerlichen Gesellschaft und derunterwei-
im »ersten Alter« gerichtet, worunter das Alter sen Gesetzen blühenden bürgerlichen Freiheit«
des ersten Unterrichts verstanden wird. Für dieses deutlich machen. Auf diese Weise könnten zügel-
Alter sind vornehmlich die naturkundlichen Teile lose und »aufbrausende junge Gemüther zu ei-
des Werks gedacht, denn »die Kenntniß der Na- nem vernünftigen Nachdenken, zum Geiste der
tur [ ... ] ist das erste womit der Unterricht anfan- Ordnung« gebracht und auf »den rechten Patrio-
gen sollte« (Vorrede, T. 2). Die anthropologi- tismus« gelenkt werden (Vorrede, T. 3).
schen Teile des Werks, die »Naturgeschichte des Bei aller sachlichen, moralischen und poli-
Menschen«, soll dagegen erst »von grösseren tisch-patriotischen Belehrung soll das Werk je-
Knaben und Kindem erlernet werden« (ebd. ). Sie doch auch eine »angenehme Beschäftigung«
sind zugleich auch an Erwachsene gerichtet: Sie (VorredeT. 2) sein und der Unterhaltung dienen.
»würden selbst manchen Erwachsenen an Sonn- Dies bezieht sich zunächst auf die dargebotenen
tagen und bei langen Winterabenden angenehme Bilder, die den Kindem »immer aufs neue Freu-
Beschäftigung und Unterricht geben« (ebd.). de« machen sollen, und die Klügel dazu veranlas-
Die Absicht der Verfasser ist, »der Kindheit sen, das ganze Werk als ein »Spielwerk« zu be-
und dem Knabenalter guten, richtigen und nützli- zeichnen (VorredeT. 4). Auch Forster spricht an
chen Unterricht« in der Naturgeschichte und der einer Stelle von der »spielenden Methode« des
Völkerkunde zu geben (ebd.). Der »Durst nach Lemens, die hier zur Anwendung komme (Vorre-
Kenntnissen«, der von Kindheit an im Menschen deT. 3). Unterhaltende Züge trägt das Werk hier-
sich rege, müsse »zuforderst so befriedigt werden, bei nicht nur, weil es ein Bilder- und Anschau-
daß Kinder bloß durch die äussem Sinne, eine ungsbuch darstellt, sondern auch deshalb, weil es
grosse Menge, wahrer, nützlicher und faßlicher seinen Stoff in unsystematischer Form und bunter
Begriffe vom Menschengeschlechte und dessen Mischung präsentiert. Diese angenehme und
Völkerschaften, Sitten, Gewohnheiten Vollkom- spielende Art des Lemens will Forster jedoch nur
menheiten, Mängeln, Tugenden, Lastern, Verfas- für das »erste Alter« gelten lassen. Sobald die
sungen, Glückseligkeit, Elende, und ihren Folgen Kinder »des ächten Nachdenkens und des Ge-
nach und nach erlangen, so wie auch von den brauchs ihrer Vernunft fähig« seien, müßten sie
mancherlei Gegenständen, der uns umgebenden »zu einer vernünftigen Arbeitsamkeit« angeführt
Naturund ihrer Mannigfaltigkeit, Nutzen, Reich- werden, müßte »die Periode der Sinnlichkeit und
thume, Schönheit und Wichtigkeit« (Vorrede, T. die spielende Methode aufhören« (ebd.). Die für
3). Die frühe Vermittlung umfangreicher Sach- die älteren Kinder bestimmten anthropologi-
kenntnisse ist für Forster der kindlichen Natur an- schen Partien im 2. Teil nehmen denn auch die sy-
gemessen, weil Kinder neugierig und wissensdur- stematische Lehrbuchform an.
stig seien. Zugleich sei dies die beste Art, Kinder Der Einsatz von Bildern im Unterricht ist für
1171 Sachschriften 1172

Forster dem »ersten Alter« ganz angemessen, die auf einen Urheber, auf Gott als mächtigen und güti-
weil die Kinder noch ganz und gar dem Sinnli- gen Vater, hinweist.
chen verhaftet seien. »Gute Bilder sind für das an- Der zweite Band von 1793 enthält einen von For-
schauende Erkenntniß ein grosses Hülfsmittel, ster verfaßten systematischen Abschnitt über »Die Na-
turgeschichte« (S. 1-80). Hierbei nehmen allerdings die
und sie prägen die Eindrücke noch mehr und leb- Kapitel über die nichtmenschliche Naturgeschichte nur
hafter ein.« (VorredeT. 2) An anderer Stelle heißt die ersten zehn Seiten ein; sie stellen gleichsam nur eine
es: »Alle diese Vorstellungen bekommen durch Hinführung zu der »Naturgeschichte des Menschen«
die Bilder tiefere Eindrücke, mehr Leben, Wahr- dar (S. I 0-80), auf der denn auch das ganze Gewicht
heit und Licht.« (VorredeT. 3) Hinzu kommt, daß liegt. Begonnen wird hierbei mit der geistigen, morali-
mit einem solchen Anschauungsunterricht früh schen und gesellschaftlichen Natur des Menschen (S.
begonnen werden müsse: »Das Gedächtniß ist in I 0-21). Behandelt werden hier Vernunft, Sprache, Vor-
dem ersten Alter am stärksten, und die alsdann ge- stellungskraft und Erkenntnisvermögen, Willenskraft,
machten Eindrücke die bleibensten.« (Vorrede, Nachahmungs- und Freiheitstrieb, Erziehung der Kin-
der, vernünftige Denkart und Tugend. Beschlossen
T. 2) Hierbei sollen die ganz jungen Kinder nur wird dieser Teil mit einem Passus über Ehe und Vielwei-
die Bilder in die Hände bekommen. Die Beschrei- berei (S. 19 ff.). Den Mittelteil dieses Abschnittes bildet
bungen sind vorerst nur für die Eltern und Erzie- eine Darstellung der Physiologie des Menschen (S.
her gedacht: Sie sollen hierdurch in den Stand ge- 22-55). Sodann werden die menschlichen Lebensalter
setzt werden, »bei den Figuren auch den Unter- behandelt (S. 56-63), anschließend wird auf den Tod
richt dem Kinde zu ertheilen: der erst kurz seyn eingegangen. Der nächste Absatz thematisiert die Man-
könnte, und allmählich weitläufiger und vollstän- nigfaltigkeit der Menschheit, ihre einheitliche Abstam-
diger werden müßte. Mit zunehmenden Jahren mung sowie ihre Ausbildung zu verschiedenen Rassen
würden die Kinder, wenn sie schon lesen könn- (S. 66ff.). Der Schlußabsatz enthält Beschreibungen
von sechsVölkern: den Grönländern, den Neuseelän-
ten, diesen Unterricht durchs Lesen dieses klei- dern, den Negern aus Afrika, den Mexikanern und den
nen Büchleins wiederholen, und sich alles Gehör- Kariben (S. 71-80). - Die letzten 24 Seiten des Bandes
te besser einprägen.« (ebd.) Die Kinder sollen das werden von 17 Tierbeschreibungen eingenommen, die
Buch nicht ständig, sondern nur »als eine Beloh- gleichfalls alphabetisch angeordnet sind.
nung ihres guten Verhaltens« in die Hände be- Der dritte Band ist zur Ostermesse 1794 erschie-
kommen; hierdurch bliebe der »Reiz der Neu- nen· seine Vorrede ist mit »2. December 1793« datiert.
heit« gewahrt (ebd.). Er e~thält zunächst größere völkerkundliche Abschnit-
te: Die Zigeuner (S. 8-19), Die 0-Taheiter (S. 20-52),
Die Kupfertafeln sind offenkundig selbständig er- Die Patagoner (S. 52-88) und Die Tschuktschen (S.
schienen, während die Beschreibungen stückweise 88-1 00). Die Abschnitte beginnen zumeist mit einer geo-
nachgereicht wurden. Die Tafeln erschienen in insge- graphischen Beschreibung des Landes bzw. der Insel,
samt 15 Lieferungen beim Kunsthändler Dreyßig in gehen dann auf Ernährung, Beschäftigung, und Klei-
Halle (lt. Ky), so daß einem Textbandjeweils drei Liefe- dung der Völker ein und schildern sodann deren Reli-
rungen korrespondieren. Lt. Vorrede zum 4. Teil enthal- gion, deren Bräuche und gesellschaftliche Einrichtun-
ten die ersten 12 Lieferungen zusammen 348 »besonde- gen. - Den zweiten Teil des Bandes nehmen wiederum
re Figuren«. Forster hat nach eigener Aussage zur Her- 17 alphabetisch angeordnete Beschreibungen einzelner
stellung der Kupfer selbst »die richtigsten und besten Tierarten ein, wobei diesmal heimische Tiere stärker im
Zeichnungen geliehen« (VorredeT. 2). Der erste Band Vordergrund stehen (S. 101-152).
von 1792 ist ganz von Klügel verfaßt. Im zweiten Teil Der vierte Band enthält zunächst völkerkundliche
stammt die Vorrede von Forster, der gleichfalls den er- Abschnitte über die Tartaren (S. 5 ff.) die Samojeden (S.
sten systematischen Teil über Naturgeschichte verfaßt 7ff.), die Kaimucken (S. 9ff.), die Ostindi~~ (S. 12ff.),
hat; die angehängten Tierbeschreibungen sind wieder- die Ingermannländer (S. 18 f.) und die Agypter (S.
um von Klügel (vgl. ebd.). Über die Autorenschaft des 19-38). Dann folgen naturkundliche Tierbeschreibun-
dritten Bandes, dessen Vorrede von Forster stammt, gen, die nun nicht mehr alphabetisch angeordnet sind.
werden keine Angaben gemacht; es darf jedoch ange- Beschrieben werden zunächst verschiedene Fischarten
nommen werden, daß die völkerkundlichen Beiträge (S. 38-45) und Vögel (S. 48-7 5). Die noch folgenden Ab-
von Forster, die Tierbeschreibungen erneut von Klügel schnitte behandeln die Amphibien (S. 75 ff. ), die Klap-
beigesteuert worden sind. Der 4. Band ist lt. Vorrede perschlange (S. 78 f.), den Leguan (S. 79 f.) und den grü-
nach Forsters Tod 1798 erschienen und von Klügel al- nen Armpolypen (S. 80).
leine besorgt worden, was auch für den 5. Band gilt. Je- Der fünfte Band fängt zunächst mit völkerkundli-
denfalls finden sich keine Hinweise auf einen neuen chen Beschreibungen an. Behandelt werden die »Teut-
Mitherausgeber.
schen« (S. 3-10), die Russen (S. 11-18), die Portugiesen
Der erste Band von 1792 enthält ausschließlich na- (S. 18-22), die Eskimos (S. 22-25), die Einwohner von
turkundliche Tierbeschreibungen. Die ca. 25 Beiträge Honduras (S. 25-27), die Chinesen (S.27 -33) und die Pe-
sind alphabetisch nach denjeweiligen Tiernamen ange- ruaner (S. 33-40). Im zweiten Teil des Bandes finden
ordnet, was auch in dem Nebentitel »Naturhistorisches sich insgesamt 16 naturkundliche Beschreibungen ver-
A.B.C.Buch« zum Ausdruck gebracht wird. Behandelt schiedener Tierarten, die wiederum alphabetisch ange-
werden überwiegend fremde und exotische Tiere, ver- ordnet sind.
einzelt aber auch solche aus dem näheren Umkreis, wie
der Damhirsch, der Hund und der Ochse. Am Schluß An zwei zentralen Stellen - im Abschnitt
des Bandes findet sich eine allgemeine Betrachtung über die Naturgeschichte des Menschen (im 2.
über das Ganze der Natur und deren weise Einrichtung, Teil) wie in der Vorrede zum dritten Teil- legt
1173 Forster /Klügel, Beschreibungen, 1792-1800 1174

Forster seine Vorstellungen zu Erziehung und Zügellosigkeit ausartet, wenn er nicht gehörig in
Unterricht der Kinder dar, aus denen sich die Schranken gehalten, und durch die bösen Folgen
Konzeption des vorliegenden Werks herleiten des Mißbrauchs vernünftig regieret zu werden bei
läßt. Die Erziehung gehört für Forster zu den Zeiten angeführet wird; kann am Besten durch
wichtigsten Mitteln der Vervollkommnung der Vorstellung des Elends bei einem rohen und bar-
Menschheit: »Es ist für die Menschheit äusserst barischen Volke ohne gesetzliche, vernünftige
wichtig, die folgende Generation zu vervoll- Verfassung eine bessere Richtung bekommen.«
kommnen. Die Erziehung und der erste Unter- (Vorrede T.3) Den »aufbrausenden« Freiheits-
richt der Kinder sind die Grundlagen dieser so trieb gelte es zu bändigen, an Ordnung zu gewöh-
wichtigen Vervollkommnung.« (Vorrede, T. 3) nen und zu einem wahren Patriotismus und zu ei-
Eine der Aufgaben der Erziehung sei es, das Vor- ner Wertschätzung der »bürgerlichen Gesell-
stellungs- und Erkenntnisvermögen, zu dem im schaft« zu bringen. »Diese ersten Flammen pro-
Kinde nur der Keim vorhanden sei, zu einer wirk- rnethischen Feuers, können und müssen von El-
lichen Kraft zu entwickeln. Hierzu gebe es im tern und Erziehern in der Folge der Erziehung
Kinde einen Trieb, den der Neugierde und Wiß- und des Unterrichts, zu einer ächten Flamme der
begier, den eine gute Erziehung sich zunutze ma- Tugend, Rechtschaffenheit und Herzensgüte, mit
chen müsse: »Wird dieser Trieb gut von den Er- ächtem Patriotismus verbunden, angefacht wer-
ziehern genutzt, so trägt er viel bei, um den Men- den.« (ebd.) Die Völkerkunde erhält derart nicht
schen klüger und sich und anderen nützlicher zu nur eine moralische, sondern auch eine politische
machen; wird er aber vernachlässiget oder gar er- Erziehungsfunktion.
stickt, oder auf unnütze, falsche, untaugliche und Allein im Methodischen scheint Forster von
böse Gegenstände gerichtet; so wird das Kind ge- der philanthropischen Bewegung beeinfluß zu
hindert ein kluger, brauchbarer Mensch zu wer- sein, indem er für das erste Lernalter der Kinder
den [ ... ]« (T. 2, S. 11 f. ). Forsterzeigt sich hier von eine »spielende Methode« zugesteht, womit zu-
den Einwänden der philanthropischen Pädago- nächst das anschauende Lernen in lockerer und
gik gegen eine zu frühe intellektuelle Ausbildung unsystematischer Form gemeint ist. Zugleich be-
und Vielwisserei ganz und gar unbeeinflußt. Eine zeichnet er diese Altersphase als »Periode der
frühe Aneignung einer großen Masse von Kennt- Sinnlichkeit«, was die Bevorzugung naturkundli-
nissen ist für Forster nicht nur unschädlich; es cher Stoffe nach sich zieht. Forster beeilt sich
stellt zugleich die sinnvollste Beschäftigung der aber, diese Methoden auf das »erste Alter« zu be-
Kinder dar, die sie vom Müßiggang und anderen schränken und ihre Fortführung aufhöheren Al-
Verderbnissen abhält und bewahrt. Eine beson- tersstufen für sehr schädlich zu erklären: Mit Er-
dere Rücksicht auf das kindliche Fassungsvermö- wachen der Vernunft müßten die Kinder zu einer
gen nimmt Forster nur insofern, als er die Aneig- »vernünftigen Arbeitsamkeit« und zu einem »tie-
nung vornehmlich naturkundlicher Stoffe emp- feren Nachdenken« angeführt werden. Das vor-
fiehlt. Diese sind aufgrund ihrer Anschaulichkeit liegende Werk sucht hierbei weitgehend die für
der sinnlichen Auffassungsgabe der Kinder ange- das erste Lernalter gedachte »spielende Metho-
messen. de« anzuwenden; lediglich die systematische Na-
Neben der Wißbegierde rege sich früh das turkunde im 2. Teil baut auf einen strengeren Be-
Begehrungsvermögen, das die Erziehung gleich- griff des Lernensund ist dementsprechend an äl-
falls entfalten und auf das Gute hinlenken müsse. tere Kinder gerichtet.
Hierzu müsse die Erziehung sich des Nachah- In zwei der zahlreichen völkerkundlichen
mungstriebes der Kinder bedienen: »Diesen Artikel kommt Forsters religiöse, geschichtsphi-
Trieb der Nachahmung hat also die Vorsehung losophische und gesellschaftlich-politische Posi-
den Kindem eingepflanzt, zu Verbesserung und tion in besonderem Maße zum Durchschein: Es
Stärkung des Begehrungsvermögens. Es ist dem- handelt sich um die Artikel über die Zigeuner und
nach sehr wichtig den Kindern nichts Böses sehen über die 0-Taheiter im dritten Teil. Gewichtiger
und hören zu lassen, damit sie es, vermöge dieses ist hierbei der Tahiti-Aufsatz Forsters (T. 3, S. 20-
Triebes, nicht nachahmen möchten.« (T. 2, S. 12) 52). Nach Schilderung der geographischen Lage
Auch hier zeigt sich Forster unbeeindruckt von und Beschaffenheit der Insel, der gesellschaftli-
den philanthropischen Bedenken gegen eine zu chen Einrichtungen des Inselvolks, ihrer Klei-
frühe Moralerziehung, die allein auf derverständ- dung und ihres Kriegswesens gibt Forster eine
nislosen Nachahmung beruht. Neues bringt For- ausführliche Darstellung ihrer Religion (T. 3,
ster hier lediglich darin, daß er den moralerziehe- S. 34 f. ). Als Fazit für die Kinder ergibt sich hier-
rischen Wert völkerkundlicher Darstellungen aus zunächst, »daß alle, selbst die rohesten, ent-
hervorhebt. Das Begehrungsvermögen sei mit ei- ferntesten Völker, doch eine Gottheit vereh-
nem » Freiheitstrieb« verbunden, dem die Erzie- ren[ ... ]« (S. 38). Freilich muß Forstereinräumen,
hung eine richtige Ausrichtung zu geben habe: daß »an ihrem Erkenntnisse von Gott viel Fehler-
»Der Freiheits trieb, welcher früh genug, in Eigen- haftes« sei (ebd.). Bei Schilderung der Patagoner
sinn, Eigendünkel, Selbstsucht und unbändige spricht Forster gar davon, daß »viele rohe Völker
1175 Sachschriften 1176

einen sehr falschen Begriff von der Gottheit« ha- Menschengeschlechts« (S. 50) und formuliert
ben (S. 75). Das Christentum erweist sich demge- prägnant den großen Kontrast zu den Völkern
genüber als ein großer Vorzug: »Freuet euch Europas: »Der glückliche und sanfte Himmels-
demnach über den grossen Vorzug, den euch die strich, der Ueberfluß guter und gesunder Nah-
Vorsehung gegeben, unter einem Volke und in ei- rung, ein froher Sinn, wenige Bedürfnisse, mäßi-
nem Lande geboren und erzogen zu werden, wo ge Arbeit, wenige Leidenschaften, haben diesem
man euch den Schöpfer Himmels und der Erden glücklichen Völklein eine angenehme ausdrucks-
lehret besser erkennen, und ihm eine vollkomm- volle Gesichtsbildung, und einen schönen Kör-
nere Verehrung darzubringen[ ... ]« (S. 38). Hier- perbau erhalten.- Dagegen verstellen viele Euro-
aus aber ergibt sich bei Forster keinerlei Überheb- päer ihre Gesichter durch finstere und niedere
lichkeit. An der Zurückgebliebenheit der »rohen Leidenschaften.« (S. 52)
Völker« seien auf ihrer Seite »ihre Lage und der Richtete sich Forsters Polemik gegen den
Mangel an vorläufigen Kenntnissen« verantwort- Müßiggang im Tahiti-Artikel gegen den parasitä-
lich. Aber auch die Europäer trifft Schuld: »[ ... ] ren Adel, so sind im Zigeuner-Artikel (T. 3,
die mangelhafte Kenntniß ihrer Sprache von Sei- S. 8-19) untere Randschichten der Gesellschaft
ten der Eruopäer, nebst ihrem kurzen Aufenthalte getroffen, die sich dem bürgerlichen Arbeits- und
unter ihnen, so wie auch die ganz fremde Bestim- Nützlichkeitsethos entziehen. Ohne jegliches
mung der Europäer und der unmoralische Cha- Mitleid erklärt Forster, daß »ihre Vorliebe zum
rakter so vieler unter ihnen, haben es bisher un- Faullenzen [ ... ] wohl vorzüglich Schuld an ihrer
möglich gemacht, ihnen bessere Begriffe von der Armuth [ist]« (S. 12). »Dies sind die Absichten
Gottheit beizubringen.« (ebd.) Forster schließt des gütigen Gottes mit uns, und also werden sie
deshalb den Abschnitt mit der folgenden Auffor- uns zur nothwendigen nicht zu erlassenden
derung: »Bedauert [ ... ] jene arme Mitmenschen, Pflicht; so daß wer nicht arbeitet, auch nicht essen
daß sie noch so weit von den Vorzügen, die ihr ge- soll. Diese faulen Zigeuner, die nun nicht arbeiten
niesset entfernet sind, und wünscht ihnen mit wollen, widerstreben der Bestimmung des Men-
Wärme und Theilnahme, daß sie bald diese euch schen und der Ordnung Gottes, und sind daher
zu Theil gewordene Vorzüge, wenn sie dazu reif mit Recht arm, ohne Wohnung, ohne Kleidung
seyn werden, auch geniessen mögen.« (S. 39) und oft ohne Nahrung, die dochjeder ordentliche
Bemerkenswert ist die Beschreibung der pa- und fleissige Mensch durch Arbeit und Fleiß für
rasitären Schicht der »Erioys« (S. 44ff.), einer sich und die Seinigen leicht erwerben kann.«
nicht arbeitenden Kriegerkaste, die dem Adel ver- (ebd.) Besonders empört ist Forster zudem über
gleichbar ist und deren Mitglieder von Forster als die von den Zigeunern betriebene Wahrsagerei,
»Drohnen dieser kleinen Staaten« bezeichnet die nur Unwissenheit und Aberglauben befördere
werden (S. 46). Er schildert drastisch, wie diese (S. 12f.). Weil sie ihren Kindern nicht »den ge-
Schicht mehr und mehr zu einer Last der Gesell- ringsten Unterricht« gäben, müßten diese in» Un-
schaft geworden ist. »Diese ganze Klasse auszu- wissenheit und Fühllosigkeit« aufwachsen (S.
rotten war nicht wohl möglich; denn sie war 16). Das Fazit dieses Abschnittes lautet: »Hieraus
schon zu zahlreich, und die Sicherheit des Staates werdet ihr, lieben Kinder, noch deutlicher erken-
gegen auswärtige Feinde erlaubte es auch nicht, nen lernen, welche böse Folgen der Müßiggang
seine Vertheidiger wegzuschaffen.« (S. 46) Dies und der daraus entstehende Mangel und Dürftig-
hindert Forster nicht daran, hier von einem »Feh- keit nach sich ziehen.« (S. 19) Wer arbeitsam sei
ler der ursprünglichen Verfassung von Tahiti« zu und »seine Berufsarbeit erlernt und fleißig
sprechen und dagegen zu stellen: Es »muß kein treibt«, der erlange nicht nur Nahrung, Kleidung
Mensch im Staate bestimmt seyn, gar nichts zu und Wohnung, sondern dürfe auch noch auf den
thun zum allgemeinen Besten, am allerwenigsten Schutz der Obrigkeit rechnen und könne solcher-
muß er kein so großes Ansehen oder eine solche maßen mit »Freudigkeit auf diesem Erdboden le-
Macht sich anmaßen, daß er andere unterdrücken ben« (ebd.). E.
oder gar allen Gesetzen den Gehorsam versagen,
und durch Unruhe und Unordnung anderen Mit-
menschen beschwerlich oder schädlich werden 1792
könnte. Denn das ist eben die Absicht, warum Christian Gottlieb Steinheck (1766-1831):
man in der Gesellschaft anderer lebt, daß nämlich Der aufrichtige Kalendermann.
ein jeder dem anderen nützlich und förderlich
seyn soll, weil man ein gleiches von ihnen erwar-
Ein gar kurioses und nützliches Buch.
tet, und daher ihnen dasselbe zuvor erzeigen Für die Jugend und den gemeinen
muß.« (S. 47) Deutlich wird, daß diese Stellung- Bürger und Bauersmann verfertiget.
nahme Forsters nicht nur die Erioys, sondern Langenberg, Leipzig u.a. 1792
auch den heimischen Adel trifft (vgl. auch S. 49).
Gegen Ende des Artikels bezeichnet Forster das Steinbeck wendet sich mit seiner Einführung in
Inselvolk als »eine der schönsten Abbarten des die Astronomie an den gemeinen Bürger und den
1177 Steinbeck, Kalendermann, 1792 1178

Bauern sowie an die Jugend. Die Anrede an die ren. Die Gesprächsform ist durchgängig und wird
Jugend findet sich nur im Titel; im Text selbst z.T. um Regieanweisungen ergänzt. Auch als Au-
wird sie nicht mehr aufgegriffen. Der Verfasser gust eine längere Geschichte erzählt, treten inner-
möchte mit seinem Buch, wie er in dem einleiten- halb dieser Geschichte wiederum zwei Gespräch-
den Kapitel ausführt, die von Friedrich II. einge- spartner auf, wo der eine der Belehrende und der
leitete und von der Bevölkerung Preußens bislang andere der Nichtwissende ist. Nur an einer Stelle
abgelehnte Kalenderreform unterstützen, indem wird die Gesprächsform unterbrochen durch eine
er den gemeinen Mann von der Nützlichkeit des längere Beschreibung der Vorkehrungen, die der
neuen und der Unrichtigkeit und Schädlichkeit Kalendermann trifft, um seinem Schüler die im
des alten Kalenders überzeugen will. Das soll ge- Lauf des Jahres jeweils wechselnde Stellung der
schehen durch einen »Unterricht über das Kalen- Erde im Verhältnis zu den verschiedenen Stern-
derwesen« (S. 5)- nämlich durch eine Vermitt- zeichen zu veranschaulichen (S. 125-128).
lung astronomisch-physikalischer Grundkennt- August vertritt in dem Dialog die Position
nisse, die den Leser mit dem modernen astrono- der >matürlichen« Wahrnehmung. Durch seine
mischen Weltbild bekannt machen und ihn erken- Ausrufe des Erstaunens und Nicht-Glauben-
nen lassen sollen, daß er durch den neuen Kalen- Wollensunddie von ihm vorgetragenen Gegen-
der »gar nichts verliehrt, sondern vielmehr ge- gründe und Einwände nimmt er die Reaktionen
winnt« (S. 4). Solange in seinem Land noch die al- des Lesers vorweg und fordert den Kalenderman
ten Kalender benützt würden, solle er lernen, sich zu einer genauen Erklärung der verschiedenen
durch diese nicht länger ))bei der Nase herumfüh- Phänomene heraus. Zugleich ist er der wißbegie-
ren« zu lassen (S. 5). Die Kritik an dem alten Ka- rige und neugierige Schüler, der daraufbrennt zu
lender gilt dabei, wie innerhalb des Buches deut- erfahren, welche Erklärung ihm für Tatsachen ge-
lich wird, einmal der darin immer noch enthalte- geben werden wird, die der allgemeinen Sinnes-
nen Vorstellung von der Erde als Mittelpunkt des wahrnehmung so zu widersprechen scheinen. Er
Universums, um den sich die anderen Himmels- stellt weiterführende Fragen, kommt von sich aus
körper, u.a. die Sonne drehen, zum andern den zu Schlußfolgerungen und Erkenntnissen, zu de-
falschen Wettervoraussagen und Horoskopen, nen der Kalendermann ihn durch die Form des
die den gemeinen Mann ))hinters Licht« führten sokratischen Dialogs hinführt, oder er faßt am
(S. 2). Ende eines Gesprächs bzw. eines Lernschrittes
Das Buch ist in 19 Gespräche (=Kapitel) geglie- das, was er gelernt hat, noch einmal von sich aus
dert. Dazu kommt ein vorgestelltes EinleitungskapiteL zusammen. Dem Leser werden dadurch wichtige
Folgende Themen werden behandelt: der Unterschied didaktische Hilfestellungen gegeben.
zwischen Fixsternen und Planeten; die Tatsache, daß- Der Kalendermann knüpft mit seinen Erklä-
entgegen unserer Sinneswahrnehmung- die Sonne ein rungen an dem Wissen und den Meinungen des
Fixstern und die Erde ein Planet ist; die Kugelgestalt gemeinen Bürgers und Bauern an und versucht,
der Erde, die Erdumdrehung und die Schwerkraft der seinen Gesprächspartner Schritt für Schritt zur
Erde; in diesem Zusammenhang die Entstehung von Erkenntnis der physikalischen Zusammenhänge
Tag, Nacht und Dämmerung, die Entstehung der Jah-
reszeiten, der unterschiedlichen Länge von Tag und
zu führen, wobei großer Wert auf die Veranschau-
Nacht und der Zeitverschiebung; dießternzeichen und lichung des Gesagten gelegt wird. Die Intention
die verschiedenen Konstellationen, in denen die Plane- des Autors, den gemeinen Mann von schädlichem
ten zueinander stehen; der Mond als Erdtrabant und Aberglauben zu heilen, wird an mehreren Stellen
schließlich die Entstehung von Sonnen- und Mondfin- des Buches aufgegriffen. Durch die Erklärung der
sternis. Zur Verdeutlichung von letzterem sind dem naturwissenschaftlichen Zusammenhänge wird
Buch sechs Zeichnungen beigegeben. Eine Titelvignette versucht, die Haltlosigkeit von Vorstellungen auf-
in Holzschnitt stellt den Kalendermann dar, der einem zuzeigen, die den Sternzeichen und der Konstella-
Mann aus dem Volke ein Buch mit der Aufschrift »Ka- tion der Planeten einen Einfluß auf das menschli-
lender« überreicht.
che Leben zusprechen, auf gute und böse Tage,
Das Buch ist eine Einführung in die Erkennt- auf )>Ader lassen, purgiren, schröpfen, Kinder
nisse der modernen, auf mathematisch-physikali- entwöhnen, säen, pflanzen, Holz fällen, Haar ab-
scher Grundlage operierenden Astronomie. Der schneiden u. dgl.« (S. 198) Besonders im Schluß-
Wissensstoff ist in übersehbare Lernschritte ein- kapitel wird hierauf ausführlich eingegangen; ein
geteilt, die jeweils ein Kapitel umfassen. Kapitel- Brief wird abgedruckt, in dem ein Kalenderma-
überschrift und Zwischenüberschriften am Kopf cher einem ratsuchenden Kollegen verrät, daß er
der Seite erhöhen die Übersichtlichkeit des Stof- Horoskope und Wettervoraussagen von einem
fes. Vermittlungsform ist der szenische Dialog. ihm bekannten Schneider frei erfinden läßt;
Als Gesprächspartner treten ein Mann aus dem »denn der gemeine Mann will nun einmal betro-
Volk (als Vertreter des intendierten Lesers) auf, gen und bei der Nase herumgeführet seyn« (S.
genannt August, und der )) Kalendermann«, dem 200).
aufgrund seines höheren Wissens die Funktion Von den alten Kalendern positiv abgegrenzt
zukommt, den anderen zu belehren und aufzuklä- werden in diesem Sinne, wie bereits die Titel deut-
1179 Sachschriften 1180

lieh machen, die eigenen Werke des Verfassers, riebt, zugleich aber auch für den öffentlichen Un-
und zwar sowohl das vorliegende Werk wie auch terricht in »Bürgerschulen« gedacht. Altersanga-
das an mehreren Stellen des Kalendermannes an- ben finden sich nicht: als Adressat kommt die
gekündigte Buch Der hundertjährige Kalender, mittlere und ältere Jugend in Frage. Das Haupt-
ohne Schnurrpfeifereien. Der Hundertjährige Ka- anliegen des Verfassers konzentriert sich auf den
lender soll dem gemeinen Mann anstelle der geschichtlichen Teil des Werkes: Er will ein Ge-
»Schnurrpfeifereien« (S. 172) nützliche Rat- schichtsbuch für Bürger, speziell »für diese Klas-
schläge für sein alltägliches Leben geben (S. 198). se« verfassen, woraus sich seine >>Ungewöhnliche
Dazu gehört auch ein Teil der Bauernweisheiten, Gestalt« herleitet.
die von dem Verfasser nicht rundweg abgelehnt
Der erste Teil ist betitelt »Geographie und beson-
werden. So fordert er in der »Nachricht« am dere Geschichte«. In der Einleitung (S. 1-73) werden
Schluß des Buches seine Leser auf, ihn bei der Er- nach allgemeinen Bemerkungen zur Geographie als
stellung des Kalenders mit »zweckmäßigen Bei- Wissenschaft die Grundbegriffe und das » Nöthige« je-
trägen« zu unterstützen, »zumahl Wirtschafts- weils aus der mathematischen, physischen und politi-
und Witterungsregeln, die in der Natur ihren schen Geographie entwickelt. Der Abschnitt zur politi-
Grund haben«. An anderer Stelle heißt es, daß es schen Geographie (S. 54ff.) gibt in knappem Aufriß ei-
unter gewissen Umständen auch möglich sei, ne Lehre von den ökonomischen gesellschaftlichen und
Wettervorhersagen zu treffen (S. 198). politischen Verhältnissen und Institutionen. Das erste
Kapitel behandelt Deutschland, das in 10 »Kreise« un-
Typisch für die aufklärerische Grundhaltung des
terteilt ist (S. 74-200). Im Anschluß an jedes Kapitel
Werks sind auch die Ansätze historisch-herme- über einen der» Kreise« steht ein Abschnitt über dessen
neutischer Bibelinterpretation, die sich im 9. Ge- Geschichte. Die »Geschichte von Deutschland« ist Ge-
spräch finden. Durch sie kann sowohl an dem genstand des 2. Kapitels (S. 20 1-268). - Die zweite Ab-
Wahrheitsanspruch der Bibel festgehalten wie teilung des ersten Teils behandelt die außerdeutsche
auch dem Leser nachgewiesen werden, daß die Geographie und Geschichte: die Königreiche Ungarn,
Verse Josua 10, 12-14 (»Sonne, stehe still zu Gibe- Polen, Preußen, die europäische Türkei, Frankreich,
on«) kein Beweis gegen das heliozentrische Welt- Spanien und die anderen europäischen Länder, den
bild sind. Dagegen wird die Möglichkeit eines asiatischen Kontinent, schließlich Nord- und Südame-
Wunders, durch das Gott in den Gang der Natur rika. Auch hier ist an jedes Kapitel ein geschichtlicher
Abschnitt angeschlossen. Bemerkenswert ist der Ab-
eingegriffen und den Einbruch der Nacht verzö- schnitt über die Geschichte Frankreichs (S. 422-454),
gert hat, als Möglichkeit offengelassen. der in seinem letzten Teil eine ausführliche Schilderung
Dennoch hat Der aufrichtige Kalendermann der französischen Revolution gibt (S. 447 ff.) und Aus-
seinem Verfasser den Vorwurf des »Bibelverdre- züge aus der Verfassung vom 3. September 179lliefert.
hers, Neulings, Ketzers« eingebracht (3. Aufl. Ein längerer Abschnitt beschäftigt sich mit der »Ge-
von 1800, S. 5; zit. nach Lexikon der KJL, Bd. 3, schichte der Entdeckung von Amerika« (S. 662ff.).
S. 455). Der Erfolg des Kalendermannes war da- Der zweite Teil des Lehrbuchs enthält unter dem
durch aber offensichtlich nicht aufzuhalten; 1794 Titel »Allgemeine Geschichte« einen Abriß der Weltge-
erschien er bereits in 3. Auflage. 1795 kam ein 2. schichte, wobei die erste Abteilung die Geschichte bis
zur Geburt Christi, die zweite Abteilung die christliche
Teil heraus (laut Kayser auch unter dem Titel: Der Zeitrechnung bis zur Gegenwart des 18. Jahrhunderts
hundertjährige Kalender; offensichtlich identisch behandelt. Von besonderer Bedeutung sind die Darle-
mit dem bei Hamberger/Meusel angegebenen Ti- gungen zum spartanischen Staat, seiner Gesetzgebung
tel: Der hundertjährige Kalender, ohne Schnurr- und Erziehung (S. 61 ff.), da diese ein Vorbild abgeben
pfeifereien; ein Volksbuch), 1809 ein 3. Teil. Alle für die von Villaurne zu Beginn der 90er Jahre entworfe-
drei Teile erschienen 1829 in 8. Auflage. G. nen Pläne zu einer republikanischen »Nationalerzie-
hung«. Einen großen Umfang nimmt die Schilderung
der römischen Geschichte ein, wobei insbesondere bei
der Beschreibung des Untergangs des römischen Impe-
1792 riums die politischen Ansichten des Erfassers durch-
scheinen. Die christliche Religion wird in ihren Anfän-
Peter Villaurne (1745-1825): gen als Religion der Menschenliebe wertgesschätzt: in
Geographie und Geschichte für die Jugend ihrer weiteren Entwicklung aber sei sie zu »Kirchendes-
potismus« und »Ceremoniedienst« degeneriert. Die
der Bürger undfor Bürgerschulen. Darstellung der abendländisch-christlichen Welt endet
2 Teile Leipzig 1792 mit einem Kapitel über die Aufklärung (S. 626ff.).
Der Text ist ein reiner Sachbericht. Das gelegent-
Das Lehrbuch ist an den Bürgerstand gerichtet: lich verwendete »wir« gibt dem Text einen Vortragscha-
rakter.
»Es sollte ein Lehrbuch der Geschichte für den
Bürgerstand seyn, der zur Bildung seines Geistes Villaurne verfolgt die Absicht, Geogra-
einige Muße und Gelegenheit hat, und woraus, phie und Geschichte speziell aus der Perspektive
wenns möglich wäre, der Bürger sich und seine des Bürgerstandes zu entwerfen. »Der Kaufmann
Söhne unterrichten könnte. «(1, Vorrede) Es ist für kann ohne Geographie keine Handlungen trei-
die häusliche Lektüre und den privaten Unter- ben: der Bücherliebhaber kann ohne Geographie
1181 Villaume, Geographie und Geschichte, 1792 1182

keine Reisebeschreibung, keine Geschichte ver- sehen haben, werden wir uns nicht mehr bei je-
stehen.« (1, S. 2) Neben diese spezifisch bürgerli- dem Schritt dieser Tyrannen der Menschheit auf-
chen Interessen an Geographie treten aber auch halten, sondern nur ihre auffallendsten Schand-
allgemein-menschliche: Geographie lehre die thaten bemerken.« (II, S. 328) Gleichermaßen
»großen Werke Gottes kennen«. Auch befördere verurteilt Villaurne jegliche Form von Krieg und
sie die Menschenkenntnis, »denn sie erzählt die Eroberung: So bemerkt er gleich zu Beginn der
Sitten, die Gebräuche verschiedener Völker« (I, »politischen Geographie«, daß »Könige und
S. 3). Noch deutlicher äußert sich das bürgerliche Fürsten, wenn sie können, Eroberungen machen,
Erkenntnisinteresse in bezug auf die Geschichte: woran sie noch weniger wohl thun, als wenn wir
»Was ist aber Geschichte für diese Klasse? Zeit- mit gewaffneter Hand in des Nachbars Haus gin-
rechnungen, Namenregister, Thronfolgen, Krie- gen, ihm seinen Beutel oder sein Pferd zu rauben;
ge, Schlachten, Bündnisse haben für den Men- denn die eroberten Menschen können doch nicht,
schen und Bürger, als solche, kein Interesse. Men- wie Geld oder ein Pferd, ein Eigenthum seyn« (1,
schen und deren Schicksale kenne, beurtheilen S. 54). Gegen den Krieg findet sich folgende Stel-
lernen, nachdenken über die Angelegenheiten des lungnahme: »Der Krieg nimmt eine Menge Men-
menschlichen Geschlechts; dieß allein scheint schen weg. Friedrich zählt, daß der siebenjährige
der Mühe werth zu seyn, daß man es zum Zwecke Krieg 886 000 Menschenleben gekostet hat. Al-
seines Fleißes mache.« (1, Vorrede) lein dies ist nicht alles. Der Krieg verbreitet
Die Polemik gegen eine Geschichtsauffas- Schrecken, und mag dadurch manchen Men-
sung, die in ihr nur eine Kette von Staatsaktionen schen früher ins Grab bringen; er verheert,
und Schlachten sieht und darüber den Gesichts- brennt, zerstört, plündert, die armen Geplagten
punkt der Menschheit vergißt, durchzieht das kommen vor Bedürfniß um; die Väter können ih-
ganze Werk. Von der Menschheit seien in der Ge- ren Familien nichts schaffen[ ... ] Und wozu das?
schichte oft nichts anderes zu finden »als ihre Lei- was gewinnt man dabey? Nichts. Die Geschichte
den, ihre Zerstörung: die Thaten sind nur die der erzählt diese Thaten, und rühmt die Thäter mit
Regenten, und die Absicht derselben, in vielen großem Geschrey.- Warum rühmt sie denn nicht
Fällen nicht das Wohl der Menschheit, nein, son- auch derbeydem Nachbar Thür und Fenster ein-
dern die Gründung, Befestigung, Ausdehnung ih- wirft, ins Haus dringt, die Menschen lahm
rer eigenen Macht; allihr Streben geht oft nur ge- schlägt[ ... ]« (1, S. 66).
gen die natürliche Freyheit ihrer Untertanen[ ... ] Der Bloßstellung von Tyrannei und Krieg
Alsdann sind die Völker nichts als Werkzeuge entspricht eine besondere Aufmerksamkeit für
und Schlachtopfer.« (1, 267 f.) Ursprünglich war die Leiden und Notlagen gerade der ärmeren un-
die Menschheit frei, so nimmt Villaurne an; da- teren Bevölkerungsschichten. Nach der Schilde-
rüber aber könne die Geschichte nichts mitteilen. rung des aufwendigen Lebens der oberen Gesell-
Einsicht jedoch könne die Geschichte vermitteln schaftsschichten Wiens heißt es etwa:» Wenn vie-
in die »Ursachen und Mittel, wodurch die Men- le so prächtig leben, wie viele müssen wohl hun-
schen Von dem ursprünglichen Zustande der gern? Wie viele müssen für die vornehmen Herrn
Rohheit und Freyheit zu dem jetzigen Zustande und Damen arbeiten, um ihnen die Summen zu
der Bildung und Unterwürfigkeit gebracht wor- verdienen, die diese so verschleudern? Zehntau-
den sind« (ebd). In der Einleitung zum 2. Teil send arbeiten sich zu Krüppeln, zehntausend wer-
heißt es: »Die Menschen waren ursprünglich frey den von Hunger abgezehret, damit ein Faulenzer
und gleich. Jetzt hat die Menschheit den Nacken in Vergnügungen Langeweile habe und sich zu
unter die Herrschaft Weniger, Fürsten und Prie- Tode schwelge.« (1, S. 88 f.) Bei der Schilderung
ster, gebeugt. Wie ist das zugegangen? Das soll der Regierungsformen steht die »Demokratie«
die Geschichte uns lehren.« (II, S. 2) an erster Stelle: »Wenn die versammelten Bürger
Auch wenn Villaurne nicht »die Geschichte (Das Volk) über das Wohlseyn des Staates Be-
der Monarchen und Blutvergießer<<, sondern so rathschlagungen anstellen, die nöthigen Anord-
viel wie möglich »die Geschichte der Mensch- nungen beschließen, oder Gesetze geben, und
heit« (II, S. 278) darlegen will, kommt er doch diejenigen erkennen, die für Ausführung und Be-
nicht umhin, die Taten der Herrscher zu schil- obachtung derselben Sorge tragen, so ist der Staat
dern. Dies aber wird bei Villaurne zu einer konse- eine Demokratie, ein Volksstaat.« (1, S. 72) Eine
quenten Kritik jeglicher Form von Tyrannei und explizite Wertung findet sich an dieser Stelle zwar
Despotismus: »Denn die beste Regierung, wenn nicht, der Standort Viilaumes läßt sich aber häufig
sie aufgedrungen ist, ist Tyranney.« (II, S. 258) aus der Ausführlichkeit erkennen, mit der be-
Hierbei interessiert mehr die Entstehung von stimmte politische Ereignisse geschildert werden.
Herrschaftsverhältnissen als die einzelnen Taten Dies gilt etwa für die französische Revolution, in
der Herrscher. So heißt es am Schluß des Ab- der »das gedrückte Volk die Fesseln des Despotis-
schnittes überdas 4. Jh. n. Chr.: »Nunmehr da wir mus [zerbricht]« (II, S. 625). Hinter der ausführli-
den Depotismus der Regenten auf seinem höch- chen Schilderung solcher Maßnahmen wie die
sten Gipfel[ ... ] und die Hierarchie entstehen ge- Aufhebung aller Privilegien, der Einführung der
1183 Sachschriften 1184

Gewaltenteilung etc. steht, so darf sicher ange- 1794-1812


nommen werden, eine zustimmende Haltung Vii-
laumes. Neue Bilder Galleriefor junge Söhne und
Gleiches gilt für die Schilderung des Sparta- Töchter zur angenehmen und nützlichen
nischen Staates, seiner Gesetzgebung und Erzie- Selbstbeschäftigung aus dem Reiche der
hung (II, S. 61 ff.). Vorbildhaft ist hier für Villau- Natur, Kunst, Sitten und des gemeinen
rne die vollständige Hingabe aller Bürger an das Lebens. 15 Bände.
Vaterland, die durch keinen Eigennutz, kein Pri-
Berlin 1 794-1812
vatinteresse eingeschränkt und behindert wird
(II, S. 70f.). Besondere Aufmerksamkeit :Vidmet
er der Erziehung, die ganz dem Staate obliegt (II, Siehe: Unterhaltende Schriften für Kinder und
S. 68 ff.). Daß Wissenschaften nicht gelehrt wer- Jugendliche, Spalte 429
den und die schönen Künste verbannt sind, ist für
Villaurne nur eine Konsequenz aus der Hingabe
der Bürger an das Allgemeine. An dieser Stelle 1794
zieht er einen Vergleich zur Gegenwart: »In unse-
ren Staaten, wo der Bürger es nicht wagen darf, Christian Gottlieb Steinheck ( 1766-1831):
sich um das gemeine Wohl zu bekümmern, und Frey- und Gleichheitsbüchlein. Für die
wo Reichthum Muße giebt, muß man wohl mit Jugend und den deutschen Bürger und
Wissenschaften und Künsten die Jugend beschäf- Bauersmann verfertiget vom Verfasser des
tigen, und die Erwachsenen amüsieren[ ... ]« (II, aufrichtigen Kalendermannes.
s. 68f.). Leipzig 1794
Viilaumes Darstellung der Universalge-
schichte endet mit einem Abschnitt über die Auf-
Mit dem Frey- und Gleichheitsbüchlein will Stein-
klärung. Nach den englischen und französischen
heck den gemeinen Bürger und Bauern und deren
Philosophen wird Friedrich II. als Förderer der
erwachsene Kinder ansprechen, wobei er glaubt,
Aufklärung in Deutschland gewürdigt (II,
daß das Buch seinen Lesern gerade »bei den ge-
S. 627). Auf Kant wird hingewiesen, »der noch
genwärtigen Zeiten und Umständen s~hr nütz-
tiefer in die Gesetze unseres Denkens, als noch ir-
lich« sein und auch gefallen werde. Anliegen des
gend einer gedrungen zu seyn scheint« (II,
Autors ist es u.a., zu zeigen, daß Obrigkeit und
S. 268). Das Aufblühen »eine[r] ganz neue[n]
Abgabepflichten »auf eine ganz natürliche Art ~n
Wissenschaft«, der Pädagogik, wird den Urhe-
der Welt aufgekommen sind« (S. VI) und d1e
bern Rousseau und Basedow zugeschrieben
»Rebellion« ein völlig untaugliches Mittel ist, ge-
(ebd. ). Hervorgehoben wird die Ausbreitung .reli-
sellschaftliche Zustände zu verbessern.
giöser Toleranz, der »Stark-« und »Freygeiste-
Den Erwachsenen, die von ihm in leutseli-
rey«. Besonders hebt Villaurne jedoch die »Ver-
gem Tone als »liebe Leute« in der 2. Person Plural
besserung der Rechte« hervor und meint hier so-
angeredet werden, wird empfohlen, das Buch nur
wohl die »Bürgerrechte«, das »Criminalrecht«
kapitelweise zu lesen und am Ende das Gelesene
wie auch das Verfassungsrecht. Die »Theorie der
jeweils gemeinsam zu überdenken, es evtl. noc?
Constitution« hätten Montesquieu und Rous-
einmal zu lesen und, falls immer noch Unklarhei-
seau geliefert. Bis auf wenige Bemerkun~en ~n
ten bestehen, an den Verfasser zu schreiben. l_)ie
den Vorreden und Einleitungen finden sich m
Melodie zu dem beigegebenen Bänkelsängerlied
dem Lehrbuch keine Ansätze zu geschichtsphilo-
sollten sie sich von ihrem Schulmeister beibringen
sophischen Betrachtungen. Es verharrt wei~~e­
lassen und bei Zusammenkünften gemeinsam
hend auf einer beschreibenden Ebene, wobei Je-
singen. Zugleich werden sie vom Verfasser dazu
doch der dezidiert demokratisch-patriotische
aufgefordert, den Schulmeister zu bitten, einmal
Standpunkt Viilaumes stets durchscheint und in
pro Woche ihren Kindern ein Stück aus dem
z.T. scharfer Kritik sich manifestiert.
Büchlein vorzulesen und mit ihnen darüber zu
Vgl.: König, 1960, S. 400ff. E. diskutieren; dadurch würden sie ihren Kindem
»für die Zukunft eine wahre Güte erzeigen« (S.
XII).
Die historisch-politische Belehrung, die Steinheck
seinen Lesern gibt, ist in Gesprächsform eingekleidet.
Im 1. Gespräch (=Kapitel) (S. 1-20) wird die Geschich-
te der Menschheit von ihrem Ursprung bei Adam und
Eva über eine paradiesisch-friedliche Urgesellsch.aft bis
zur Entstehung des Eigentums, der Erbmonarchie und
des Kriegs dargestellt. Im 2. und 3. Gespräch (S. 20-34,
35-56) wird die Geschichte Deutschlands von de~ alten
Germanen, die als kriegerisches, hartes und ehrheben-
1185 Steinbeck, Frey- und Gleichheitsbüchlein, 1794 1186

des Volk gepriesen werden, bis zur Herausbildung des dem der Vater wegen seiner Teilnahme an Gewalttaten
deutschen Reiches mit seinen verschiedenen Ständen ins Gewissen redet, rachsüchtig seine Eltern überfällt
und deren unterschiedlichen Rechten bzw. Pflichten und im Namen der Revolution eigenhändig tötet. Die
entwickelt. Im 4. und 5. Gespräch (S. 56-69, S. 69-91) sanftesten Gefühle der Natur« würden »erstickt« (S.
werden der Gleichheits- und Freiheitsgedanke als nicht 120), Unschuldige verdächtigt und auf grausamste Wei-
realisierbar, als unbillig und dem Gemeinwohl und dem se umgebracht. Den Schluß dieser Erzählungen bildet
einzelnen nicht förderlich zurückgewiesen. Das 6., 7., 8. die Darstellung der Hinrichtung Ludwigs XVI., des
und 9. Gespräch befassen sich mit den Ereignissen in ))guten Königs« (S. I 06), der noch auf dem Schafott sei-
Frankreich. Im 6. und 7. Gespräch (S. 91-101, nen Feinden vergibt. Im I0. und Ietzen Gespräch
S. 101-112) wird die Vorgeschichte der französischen schließlich wird als das sicherste Mittel zur Verbesse-
Revolution dargestellt : An ihrem Ausbruch treffe Lud- rung gesellschaftlicher Zustände christliche Religiosität
wig XVI. keinerlei Schuld; er sei im Gegenteil »der empfohlen.
rechtschaffenste und beste König« gewesen, »wie ihn Das Werk ist in Gesprächsform gehalten.
Frankreich lange Zeit nicht gehabt hat« (S. 94). Schuld
Dialogpartner sind ein deutscher Gasthofswirt
daran trage vielmehr der Herzog von Orleans, dem auf-
grund seiner »schlechten niederträchtigen Lebensart« und ein durchreisender Franzose, der vor der
(S. I 00) der Zutritt zum Hofe verboten gewesen sei und französischen Revolution geflohen ist. Identifika-
der sich deswegen am König habe rächen wollen; dies tionsfigur für den Leser ist der Wirt; er ist der Un-
sei ihm auch aufgrund seines immensen Reichtums ge- wissende, Fragende, der in gewisser Weise mit
lungen, mit dem er sich sowohl innerhalb wie außerhalb den Grundforderungen der französischen Revo-
der allgemeinen Ständeversammlung eine große An- lution sympathisiert, allerdings bereit ist, sich von
hängerschar habe gewinnen können. Das 8. und 9. Ge- dem Fremden, dem Augenzeugen der Revolu-
spräch (S. 112-160, S. 160-177) enthalten neben einem tion, der als Sprachrohr des Autors fungiert, eines
Bänkelsängerlied (mit Melodie) in bunter Palette eine
Besseren belehren zu lassen. Neben kritischen
Fülle der verschiedensten Greueltaten, die der französi-
sche »Pöbel« im Laufe der Revolution vollbracht habe: und weiterführenden Fragen, die dem Fremden
So wird davon erzählt, wie ein königstreues Mädchen, die Möglichkeit geben, seinen Gedankengang nä-
das der Königin auch noch nach der Revolution in her auszuführen, fällt dem Wirt dabei häufig die
Dankbarkeit zugetan ist, von seinen aufgebrachten El- Rolle zu, aus dem, was der Fremde sagt, von sich
tern auf ein mit Schwefel bestrichenes Brett gebunden aus die ))richtigen« Schlüsse zu ziehen, den Argu-
und verbrannt wird (S. 120), oder wie ein junger Mann, mentationsgang des Fremden für klar und ein-

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!tlpjig, 1794
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Steinbeck, Christoph Gottlieb: Frey- und Gleichheitsbüchlein. - Leipzig 1794 (Nr. 868). Titelblatt mit
Holzschnitt- Vignette und Kupferstich-Frontispiz
1187 Sachschriften 1188

leuchtend zu erklären oder ihn durch emphati- Land geschenkt- unter der Bedingung, dem ur-
sche Ausrufe des Staunens oder der Empörung zu sprünglichen Eigentümer für alle Zukunft Fron-
bekräftigen. dienste zu leisten, Erbzinsen zu zahlen und be-
Neben zahlreichen direkten Verfälschungen stimmte Rechte wie das Jagdrecht zu überlassen.
und Verdrehungen historischer Tatsachen findet Das Fazit, das daraus gezogen wird: Auch wenn
sich bei dem Fremden als häufigstes Argumenta- eingeräumt werden muß, daß diese Bedingungen
tionsmuster der Rekurs auf das historisch Gewor- für den gemeinen Mann drückend sein möchten,
dene als das Natürliche und deswegen Gerecht- so seien es doch allemal »Gerechtigkeiten, die ih-
fertigte und auch noch in der Gegenwart Richtige ren guten Grund haben« (S. 47).- »Fronen sind
und Vernünftige. Als Legitimation für bestehende zwar lästig, waren aber ursprünglich dem gemei-
Strukturen reiche es aus, wenn auf einleuchtende nen Mann erfreulich« (S. 42 f. ). Auch heute noch
Weise erklärt werden kann, aus welchen Gründen müßten die Bauern deswegen, anstatt zu klagen,
sich in der Vergangenheit etwas so und nicht an- sich darüber freuen, daß ihren Vorfahren früher
deres entwickelt hat. Der Übergang vom Wahlkö- einmal Land geschenkt worden sei. Wer von den
nigtum zur Erbmonarchie wird dem Wirt z.B. da- Abgaben und Diensten frei sein wolle, könne
mit erklärt, daß die Menschen annahmen, daß der schließlich sein Land zurückgeben und in eine
Sohn eines Regentenaufgrund seines engen Um- noch unbewohnte Gegend auswandern, wo er
gangs mit dem Vater von Kindheit an ebenso wei- Neuland in Besitz nehmen könne (S. 81 ).
se sein müsse wie dieser; außerdem habe man Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden
Zwistigkeiten, die ansonsten um die Nachfolge fast durchgehend als vom Menschen geschaffene
ausgebrochen wären, vorbeugen wollen. Diese Strukturen und nur in Ausnahmefällen als von
Gründe leuchten dem Wirt als durchaus vernünf- Gott gewollt erklärt. So greift also das Buch, auch
tig ein (S. 19); als er jedoch- offensichtlich im wenn es sich explizit gegen die französische Revo-
Hinblick auf die spätere Entwicklung- meint, die lution wendet, doch nicht wieder auf traditionell-
Erblichkeit des Königtums habe auch ihre negati- theologisches Denken zurück. Auch der Titel des
ve Seite, entgegnet der Fremde: »Kann sein, wie Buches (Frey- und Gleichheitsbüchlein) und die
alles in der Welt seine gute aber auch seine schlim- Figur des Wirts, der, konzipiert als Repräsentant
me Seite hat- doch davon wollen wir nicht urthei- des »gemeinen Mannes«, der Gleichheits- und
len« (ebd.). Freiheitsidee ja zunächst nicht ablehnend gegen-
In ähnlicher Weise werden die hohen Abga- übersteht, zeigen, wie sehr Steinheck bemüht ist,
ben, die der gemeine Mann zu entrichten hat, mit an dem aktuellen Zeitgeschehen anzuknüpfen,
Rechtsverhältnissen der Vergangenheit gerecht- auch wenn er gegen die Ereignisse in Frankreich
fertigt. Es wird zwischen zweierlei Arten von Ab- deutlich Stellung bezieht. Gefürchtet wird offen-
gaben unterschieden. Die erste Art der Abgaben sichtlich ein Übergreifen der Ideen der französi-
sind solche, die im Zuge der Entstehung der ge- schen Revolution auch auf Deutschland. Auf die-
sellschaftlichen Arbeitsteilung dem König, seinen selbe Ebene gehört die Tatsache, daß die Frage,
Beamten, seinen Offizieren, schließlich auch den durch welche Mittel der gemeine Mann seine La-
Geistlichen und Gelehrten dafür entrichtet wur- ge verbessern könne, vom Autor überhaupt the-
den, daß sie, die sich auf einem spezifischen Ge- matisiert wird; damit räumt er schließlich ein, daß
biet für das Gemeinwohl einsetzten, keine Zeit er dessen Lage tatsächlich als verbesserungswür-
mehr hatten, selbst ihr Feld zu bestellen; deswe- dig ansieht.
gen mußten sie von den anderen mitversorgt wer- Als völlig verfehltes Mittel, die gesellschaftli-
den. In auffälliger Weise wird das Verdienst der chen Verhältnisse zu ändern, wird die Revolution
Geistlichen herausgestellt (was auf eine beson- dargestellt. Diese bringe nur Chaos mit sich oder,
ders scharfe zeitgenössische Kritik gerade an ih- wie es im Bänkelsängerlied heißt: »erst recht gro-
ren Privilegien schließen läßt): Der gemeine ße Noth,/ Verfolgung, Angst und schweren Tod/
Mann habe die Geistlichen nötiger als andere Und nach dem Tode- Qualen« (S. 165). Die brei-
Stände, weil sie als wahre » Volkslehrer« bemüht te Schilderung blutrünstiger Greueltaten führt
seien, seinen Geist auszubilden. Ohne sie »würde dem Leser die Folgen jeglicher »Rebellion« vor
er nicht nur in der größten Dummheit bleiben, Augen; dabei wird sowohl auf die Weckung von
sondern auch von hunderterlei Leuten, aus man- Ängsten wie auf die Stillung des Sensationshun-
cherlei Ständen, am Narrenseile herumgeführet gers (besonders deutlich bei der genauen Be-
werden« (S. 17 f.). schreibung der Guillotine) abgestellt. Nicht Ge-
Die zweite Art der Abgaben und Pflichten walt gegen die Obrigkeit, sondern Vertrauen auf
sind solche, die mit einem bestimmten Grund- sie seien die Voraussetzung für die Verbesserung
stück verbunden sind. Hier rekurriert der Fremde der eigenen Lage. So wird als Mittel, sich gegen
auf die Annahme, daß die Bauern nicht zu den drückende Abgaben zu wehren, eine Eingabe an
germanischen Freigeborenen gehören, sondern den Fürsten vorgeschlagen, in der dieser auf un-
ursprünglich Kriegsgefangene waren. Aus Groß- tertänige Weise (und unter Anerkennung des
mut wurde ihnen später von den Freigeborenen fürstlichen Rechts auf Abgaben) darum gebeten
1189 Blasche, Der Papparbeiter, 1797 1190

wird, von seinen Rechten etwas abzulassen. aus Erfahrung sprechen können.« (Vorrede,
Schlage dieses Vorgehen fehl, müsse man den S. III) Auch wenn Blasehe keineswegs davon aus-
»Eigensinn« des Fürsten ( S. 84) mit Geduld er- geht, daß die mechanische Arbeit, als körperliche
tragen und auf bessere Zeiten warten. Das »si- Übung betrachtet, allein schon hinreichend zur
cherste Landesverbesserungsmittel « aber (S. 178) Erhaltung der Gesundheit ist, so betont er doch
sei das Christentum: Die Menschen müßten nur ihren Wert als Mittel, »den so heilsamen Wechsel
so miteinander umgehen, wie es Jesus Christus zwischen geistiger und körperlicher Thätigkeit in
vorgelebt habe; dann werde das Paradies auf Er- gehörigem Maße zu veranlassen« (Vorrede,
den entstehen. »Ein jeder im Lande, vom ersten S. IV).
bis zum letzten, vom reichsten bis zum ärmsten, Die besondere Behandlung der Papparbei-
vom angesehensten bis zum geringsten, vom ge- ten begründet Blasehe mit dem Hinweis, daß die
lehrtesten bis zum einfältigsten, sei gesinnet, wie Erlemung der mechanischen Künste nicht immer
Jesus Christus gesinnet war, so brauchen wir kei- ohne Schwierigkeiten sei: »Vielen fällt es zu
nen Aufruhr, keine Rebellion, keinen so gewaltsa- schwer, die dazu nöthigen, oft kostbaren Werk-
men Reichsumsturz, wie unsre unglücklichen zeuge anzuschaffen, das Lehrgeld zu bezahlen,
Nachbarn, die Franzosen« (S. 178 f.). Dabei wird vielen fehlt es an Raum, eine Werkstatt anzulegen
verlangt, daß der gemeine Mann den ersten u.s.w. Bey der Papparbeit fallen diese Schwierig-
Schritt tut und auf jegliche Forderungen verzich- keiten fast ganz weg. Der Apparat von Instrumen-
tet; nur so könne er die Fürsten, die aufgrundder ten ist nicht groß, erfordert wenig Aufwand, und
Vorgänge in Frankreich ein durchaus berechtigtes eben so wenig Raum. Die ganze Werkstatt läßt
Mißtrauen gegen ihn hätten, von seinem guten sich allenfalls in ein Kästchen, oder in eine große
Willen überzeugen; erst dann wären sie bereit, für Mappe bringen, ist folglich tragbar und kann
seine Wohlfahrt zu sorgen. Ein Aufstand gegen überall aufgeschlagen werden.« (Vorrede,
die Fürsten und die Obrigkeit würde dagegen de- S. VIf.)
ren Argwohn aufs neue nähren und »eure Erlö- Die Beschäftigung der Kinder mit Pappar-
sung [ ... ] wieder [ ... ] einen Schritt von Euch« beiten habe auch noch andere Vorteile: die Kin-
entfemen(S.184). G. der brächten den Papparbeiten deshalb so großes
Interesse entgegen, weil sie viele der selbstgeba-
stelten Sachen zu ihrem eigenen Gebrauch ver-
wenden könnten, weil sehr unterschiedliche Sa-
1797 chen gefertigt werden könnten, und die Arbeit zu-
Bernhard Heinrich Blasehe (1766-1832): dem häufig noch leicht und schnell zu verrichten
sei, die Kinder also bald den Erfolg ihrer Anstren-
Der Papparbeiter, oder Anleitung in Pappe
gungen betrachten könnten. Das alles bewirke
zu arbeiten. » 1) viel Lust zur Erlemung der Kunst bey den
Schnepfenthal1797 Kindern, 2) daß man früher, alsbeyvielen ande-
ren Handarbeiten, mit gutem Erfolg anfangen
Blasches Werk richtet sich an »verständige Eltern kann, 3) daß manbeygehöriger Behandlung nicht
und Erzieher« (Vorrede, S. II). Ihnen soll es ein leicht befürchten darf, daß sie es überdrüßig wer-
Leitfaden sein zur Anleitung ihrer Kinder und den« (Vorrede S. VII). Dieses Interesse könne
Zöglinge zu einer angenehmen und nützlichen man auch nutzen, um die Kinder im Verlauf der
»Beschäftigung in Nebenstunden«, dem Werken Papparbeiten »zum Nachdenken zu gewöhnen,
mit Pappe, das Blasehe der »Jugend aus allerley und ihre Erfindungskraft zu reizen« (ebd.). Bei
Ständen empfehlen möchte« (ebd.). größeren Fortschritten solle daher den Kindem
Blasehe wendet sich in seiner Vorrede gegen nicht sogleich erklärt werden, wie ein bestimmter
die weitverbreitete Auffassung, die Arbeit mit Gegenstand anzufertigen sei, vielmehr sollten die
Pappe sei ein bloßer Zeitvertreib, lediglich »Aus- Kinder selbst herausfinden, aufwelche Weise sie
füllung müssiger Nebenstunden«, der ansonsten die gestellte Aufgabe am besten lösen könnten.
kein Wert beizumessen sei (Vorrede, S. I). Er hält Ein weiterer Vorteil bestehe darin, daß das
dagegen die Handarbeit für »sehr wichtig und Augenmaß der Kinder geschult werden könne. So
vortheilhaft« »in mancherlex Rücksicht für Geist sollen z.B. die Kinder bei Bastelaufgaben mit
und Körper«: »Daß es der Gesundheit sehr zu- Kreisflächen erst mit dem Augenmaß versuchen,
träglich sey, bey anhaltender Kopfarbeit, oder den Mittelpunkt festzustellen, und danach die
überhaupt bey sitzender Lebensart mit mechani- Aufgabe mit geometrischen Mitteln lösen. Auf
scher Arbeit oft genug abwechseln zu können, diese »leichte und angenehme Art« könnten die
wobey sowohl der Körper, sey es auch nur eine ge- Kinder dann auch zugleich in die Anfangsgründe
linde Bewegung, als der Geist durch Versetzung der Geometrie eingeführt werden (Vorrede, S. X).
in einen an dem Ideenkreis, Erhohlung findet, da- Andererseits brächten die Kenntnisse im Werken
von werden alle diejenigen Gelehrten, welche zu- mit Pappe wieder für den Geometrieunterricht
gleich Künstler oder Handwerker sind, am besten Nutzen: Geometrische Beweise und Lehrsätze
I I9 I Sachschriften I 192

prägten sich leichter ein, wenn sie durch Figuren sammenhang mit dem Unterricht an der Salz-
verdeutlicht würden, die die Kinder selbst anferti- mannseben Erziehungsanstalt in Schnepfenthal.
gen könnten. Salzmann zählt in seiner Schrift Ueber die Erzie-
Später, »nach erworbener hinlänglicher Fer- hungsanstalt zu Schnepfenthai (I 808) die Pappar-
tigkeit [ ... ], würde diese Kunst auch dem Unter- beiten zu den Bildungen des Körpers, die wie
richt in der Technologie sehrzustatten kommen« Gymnastik, Sport, Reiten, Sehreinem usw. dazu
(Vorrede, S. XIII). Durch die Anfertigung leich- beitragen sollen, »den Muskeln Reiz zu verschaf-
ter Modelle von Hausgeräten, später dann von fen, ihre Tätigkeit aufmancherley Art zu äußern«
komplizierteren Werkzeugen, könne die Sach- (S. 42). Zur Erziehung des Menschen sei unum-
kenntnis der Schüler erheblich vermehrt werden. gänglich nötig die »Übung seiner Hände, und Ge-
Blasehe schlägt vor, von hier aus dann die Schüler wöhnung von den Werkzeugen, die der menschli-
zu weiteren Arbeiten mit Wachs, Blei, Ton usw. che Verstand erfand, Gebrauch zu machen«
anzuleiten und sie »auf diese Art leicht in andere (S. 46). »Daher hat jede Stube, in welcher sich
nützliche Künste [zu] überführen« (Vorrede, Zöglinge aufhalten, und wo es die Umstände er-
S. XIV). lauben, eine Werkstatt, wo sich Hobelbank, Ho-
Schließlich kann, so Blasche, die Arbeit mit bel, Meißel, Bohrer, Hämmer, Feilen, Schnitz-
Pappe den Kindem Veranlassung geben, »die Tu- messer und dergleichen befinden. Ueber dieß
gend der Gefälligkeit und Freygebigkeit zu werden in verschiedenen Arbeiten bestimmte
üben«: »Kann man wohl Kindern eine zweckmä- Lehrstunden gegeben. Die Zöglinge lernen da aus
ßigere Beschäftigung für einen Theil ihrer Frey- Pappe allerley Gefäße und Geräthschaften zu
stunden,besonders in langen Winterabenden ge- verfertigen und zu lackieren. Diemehresten brin-
ben, als eine solche, wodurch sie Gelegenheit be- gen es darin bald zu einer solchen Geschicklich-
kommen, ihren Eltern, ihren Geschwistern, ihren keit, daß ihre Fabrikate Bewunderung erregen.«
Freunden von Zeit zu Zeit eine Freude zu ma- (S.48)
chen, sie selbst aber das noch edlere Vergnügen zu Der Papparbeiter wurde zu Blasches verbreitet-
empfinden, durch eigenen Fleiß und erworbene stem Werk und erlebte noch fünfzig Jahre nach seiner
Geschicklichkeit Andem Freude gemacht zu ha- ersten Herausgabe eine fünfte Auflage. 0. B.
ben.«(ebd.)
Blasches Werk ist in zwei Teile gegliedert. Der er-
ste Teil »Die Papparbeiten nach ihren Hauptformen«
(S.l-106) beschreibt zunächst die notwendigen Hilfs-
1797-1816
mittel für die Papparbeiten wie Maßstab, Messer, Wi- Johann Friedrich August Zahn u. a.:
nel, Zirkel usw. und deren Anwendung, danach das An-
fertigen zylindrischer Körper, das Bekleben mit Leim
Historisches Bilderbuch fiir die Jugend
und Papier, das Verfertigen eckiger Sachen sowie regu- enthaltend Vaterlandsgeschichte. 12 Bände.
lärer geometrischer Körper wie Parallellepipedum, Leipzig 1797-1816
Würfel, Prisma, Pyramide, Kegel und Kugel.
Der zweite Teil des Buches »von den feinen Papp- Das Historische Bilderbuch richtet sich an die
arbeiten, in Verbindung mit der Kunst zu lackieren und
zu vergolden« (S. 102-210) soll lehren, wie den Pappar-
»lernende Jugend« (Vorrede, S. VI). Es will »bey
beiten »mehr Vollkommenheit, Schönheit und Festig- der immer mehr Überhand nehmenden Cosmo-
keit« gegeben werden könne (S.l03). Nach einer Vor- polomanie die Liebe fürs Vaterland« befördern
stellung der Mittel, »der Pappe eine feinere Oberfläche helfen (Vorrede, S. IV), indem es die »Geschichte
zu geben«, werden ausführlich die notwendigen Vorbe- unserer Vorfahren recht anschaulich« darzustel-
reitungen zum Lackieren beschrieben, vor allem das len trachtet (Vorrede, S. VI). Dies sei um so not-
Herstellen von Leim und Farben. Hierbei gibt Blasehe wendiger, als die »Geschichte unseres Vaterlan-
detaillierte Anweisungen zur natürlichen bzw. künstli- des, die uns doch aus tausend Gründen näher am
chen Eigengewinnung der Farben Weiß, Gelb, Rot,
Herzen liegen sollte, als die Geschichte fremder
Grün, Blau, Braun und Schwarz mit den ebtsprechen-
den Tönungen und Arten sowie zur Mischung verschie-
Nationen, Nationen,die kaum dem Namen nach
dener Zwischentöne und zum Auftragen der Farben. vorhanden sind«, vollständig vernachlässigt und
Die nächsten Kapitel behandeln das eigentliche Lackie- nur oberflächlich gelehrt werde (Vorrede, S. V).
ren sowie das Vergolden. In einem Anhang »Von der Dabei geht Zahn, der Verfasser der ersten
Anwendung der Papparbeit« (S. 211-248) beschreibt neun »Bändchen«, davon aus, daß das Studium
Blasehe die Herstellung von Gegenständen fürverschie- der Geschichte der Völker »so nützlich und dabey
dene naturgeschichtliche Sammlungen, für Experimen- so angenehm« sei, »daß, wenn man auch hierbey
talphysik, Mechanik und Technologie, schließlich die auf die Erlangung der Menschenkenntniß, in so
Anwendung der Papparbeit auf die Transparentmalerei ferne solche der Gelehrte nöthig hat, oder auf die
und auf »brauchbare Gegenstände des gemeinen Le-
bens« wie Taschennähzeug, Taschennähpult und Stick-
Sitten, Gewohnheiten, Lebensart und Religion
kästchen. der Völker, welche unsere Erde bewohnten, keine
Rücksicht nehmen wollte, ersteres schon völlig
Blasches Papparbeiter steht in engem Zu- hinreichend wäre uns ganz für sie zu bestimmen«
1193 Zahn, Historisches Bilderbuch, 1797-1816 1194

(Vorrede, S. III). Am wichtigsten und zugleich werden, welches siebeyden öfteren Kriegen unter sich
lehrreichsten sei jedoch das Studium der Vater- längst hätten werden können.« (S. 8)
landsgeschichte, »denn ihre Kenntniß bereichert Die neuere Zeit läßt Zahn mit dem 16. Jahrhun-
nicht nur unsere Ideen, sondern wir lernen auch dert beginnen. Die Reformation markiert für ihn einen
einsehen, was für Eigenschaften wir von unsern entscheidenden historischen Einschnitt. Als weitere
Vorvätern angenommen, welche Fehler wir ver- herausragende Ereignisse nennt er die Einschränkung
der Zentralgewalt, das Ende der Hanse und den Drei-
mieden, welche Tugenden wir uns zu eigen ge-
ßigjährigen Krieg, nach dessen Ende die Deutschen be-
macht haben, und überhaupt, um wie viel besser gonnen hätten, »sich die Bevölkerung und den Anbau
oder schlimmer wir geworden sind« (Vorrede, ihrer Ländereyen angelegener seyn zu lassen und den
S. IV). Ohne Kenntnis der vaterländischen Ge- sanften Künsten des Friedens zu huldigen« (S. 10). Sie
schichte sei man verhindert, dem >>Vaterland zu seien jedoch bald in den Fehler der ))SO verderblichen
nützen« (S. 3). Nachahmungssucht« gefallen und hätten den französi-
Den Mangel an Kenntnissen in vaterländi- schen Charakter zu kopieren versucht. Doch auch ))die
scher Geschichte schreibt Zahn den bisherigen der menschlichen Vervollkommnung so nöthige Frey-
Lehrbüchern zu, die es nicht verstanden hätten, heit im Denken, Lehren und Schreiben, regte sich. Sie
griffen irrige Meinungen an, studirten ihre Sprache, ga-
die Geschichte anschaulich zu vermitteln. Dem
ben ihrer Beredsamkeit und Dichtkunst mehr Ausbil-
suche das Historische Bilderbuch insbesondere dung, änderten dadurch ihre Sitten und halfen der bey-
durch die Kupferillustrierung abzuhelfen: nahe ganz gesunkenen Handelschaft wieder auf«
>>Denn da wohl niemand läugnen wird, daß ein (S.lO).
vernünftiger Pädagog den frühesten Unterricht Die ältere Geschichte stellt Zahn im ersten Ab-
der Jugend durchs Auge anfangen könne; so ist schnitt des ersten Bandes dar (S. 13-218). Besonderes
auch unbezweifelt richtig, daß Kupfer, es versteht Gewicht legt er dabei auf die Darstellung des Wesens
sich richtig gezeichnete und gut gestochene, am und Charakters, der Sitten und Gebräuche der Germa-
geschicktesten sind das Sinnliche der lernenden nen. Der Abschnitt enthält auch ein Kapitel zur germa-
Jugend zu fixiren und, was von der größten Be- nischen Mythologie, wobei Zahn häufig gewisse Über-
deutung ist, dem Gedächtniß derselben bey Er- einstimmungen mit der christlichen Religion hervorzu-
heben bestrebt ist. Der erste Band wird fortgesetzt mit
zählung der Geschichte zur Hülfe zu kommen.«
dem ersten Abschnitt zur mittleren Geschichte, den
(Vorrede, S. VI) Das Buch könne jedoch nur Zahn mit der Niederlage des letzten Burgunderkönigs
dann wirklichen Nutzen schaffen, wenn zu der Godomar bei Autun (532) und der dadurch markierten
bildliehen Darstellung »ein geschickter Vortrag, Ausdehnung des Frankenreichs unter Chlodwigs Söh-
eine leichte und dabey lichtvolle Erklärung und nen enden läßt. Im Mittelpunkt dieses Abschnitts steht
Ausführung des vorliegenden Stoffes« hinzu- der Untergang des ostgotischen Reiches sowie die Völ-
komme. kerwanderung und deren Folgen. Die mittlere Ge-
schichte wird bis einschließlich Band 5 fortgesetzt. Der
In einer ))Kurzen Uebersicht«, die er dem gesam- zweite Bandumfaßt die Geschichte der Karolinger und
ten Werk voranschickt, unterteilt Zahn die deutsche Ge- der sächsischen Könige und Kaiser bis zum Tode Hein-
schichte in drei große Epochen, die alte, mittlere und richs li. im Jahre 1024. Der dritte Bandbeschreibt zu-
neuere Geschichte (S. 6). Die alte Geschichte datiert er nächst die Geschichte der salischen Kaiser bis auf den
von 100 v.u.Z. bis 400; als wichtigstes Ereignis hebt er Tod Heinrichs V. (1125); im Mittelpunkt stehen dabei
die Völkerwanderung heraus. Über die Deutschen in die Schilderungen der Auseinandersetzung zwischen
dieser Zeit sagt er zusammenfassend: >>Damals kannten dem Kaiser- und Papsttum (Investiturstreit) sowie der
sie zwar weder Künste noch Wissenschaften, sondern Kreuzzüge. Zahn geht dann kurz auf die Geschichte des
trieben bloß den Ackerbau und die Viehzucht, daher Sachsenkaisers Lothar ein und behandelt ab S. 181 die
waren ihnen Städte und feinere Sitten etwas unbekann- Geschichte der Staufer, ab S. 247 den Thronkrieg zwi-
tes, so wie auch die meisten von ihnen noch Heiden blie- schen Staufern und Welfen. Der Band endet mit der
ben; aber ihre Redlichkeit, Tapferkeit und Treue fan- Hinrichtung Konradins in Neapel ( 1267), dem Ausgang
den selbst an ihren Feinden Bewunderer und Lobred- des staufischen Herrscherhauses in Sizilien.
ner.« (S. 6) Für die mittlere Geschichte setzt Zahn den In einer ))politischen Uebersicht der Epoke« hebt
Zeitraum von 400 bis 1500 an. »Vom schwarzen Meere Zahn nicht nur den Rheinbund und die Hanse als positi-
bis zum Weltmeere greifen die teutschen Völker das rö- ve Erungenschaften hervor, sondern betont vor allem
mische Reich von allen Seiten an, und überwältigen es das Aufkommen des Bürgerstands und der Städte, das
endlich völlig. Zwar nehmen sie von den Ueberwunde- er dem Niedergang des Adels gegenüberstellt (S. 308 f.).
nen sanftere Sitten, Künste, Wissenschaften und Geset- Die Aufhebung der Leibeigenschaft kommentiert Zahn
ze, aber auch mit denselben ihnen bisher noch unbe- mit den Worten, daß dadurch »selbst in jenen finstern
kannten Luxus und unbekannte Fehler an. Ihre Sprache Zeiten de[r] Anbau unsers Vaterlandes mit Riesenschrit-
behielten sie bey, ohne sie jedoch merklich zu verfei- ten seiner Vervollkommnung entgegen« gegangen sei:
nern.« (S. 7) Als herausragende Ereignisse dieser Epo- >>Der Landmann erntete ja jetzt die Früchte seines Flei-
che nennt Zahn die Herausbildung des Heiligen Römi- ßes selbst, und ließ sich daher auch die Verbesserung
schen Reiches, die Entwicklung der Reichsverfassung seiner Aecker, Wiesen und Gärten ungleich angelegener
und die Gründung der Hanse. Den Zustand des Reichs seyn, als da er den Ertrag seiner Grundstücke noch ge-
beschreibt er mit den Worten: >>An Gesetzen mangelte gen einen ärmlichen Unterhalt an den Leibherrn ablie-
es den Teutschen zwar nicht; aber eine allgemeine Auf- fern mußte; und zwar um so mehr, weil ihn die immer
klärung ließ sie noch nicht zu dem aufgeklärten Volke mehr zunehmende Bevölkerung der Städte außer
1195 Sachschriften 1196

Sorgen setzte, umsonst zu arbeiten.« (S. 322) Zahn be- Bandes beschäftigt sich mit dem Dreißigjährigen Krieg.
zeichnet die Bauern und Leibeigenen gar als ))die nütz- Zahn schildert eingehend Ursachen und Verlauf zu-
lichste und unentbehrlichste [Volksklasse] im Staate« nächst des Böhmisch-pfälzischen ( 1618-1623), des Dä-
(S. 321). nisch-niedersächsischen ( 1625-1629), des Schwedi-
Der vierte Band hat die Geschichte des späten schen (1630-1635) und schließlich des Schwedisch-
Mittelalters zum Gegenstand und beginnt mit der Wahl französischen Krieges bis zum Tode Ferdinands II.
Rudolfs I. zum deutschen König ( 1273). Im zweiten Teil (1637). Als Ursache des Krieges bezeichnet Zahn die
des Bandes gibt Zahn auch eine Darstellung des Krieges Religionsstreitigkeiten zwischen den Katholiken und
Leopolds 111. von Österreich gegen die Schweizer Eid- den Evangelischen. Dabei ist auffällig, daß er bei aller
genossen, der Iuxemburgischen Familienwirren sowie Verurteilung des Papsttums doch die katholische Kir-
der Hussitenkriege in Böhmen. Der Band endet mit ei- che nicht für den Krieg allein verantwortlich erklärt (vgl.
ner Bewertung der Regierung des Ungarnkönigs Sigis- S. 7 f.). Seine Schilderung der deutschen Zustände beim
mund (1410-1437). Tode Ferdinands II. - sie ist zugleich eine Anklage ge-
Im fünften Band umfaßt die Zeitspanne von der gen das Zerstörerische Wesen des Krieges (S. 494ff.)-
Inthronisation Albrechts von Österreich (1438) bis zur schließt mit den Worten: ))Teutschland wimmelte von
Regentschaft Kaiser Maximilians ( 1493-1519) - schil- solchen Tyrannen, und die Länder litten eben sowohl
dert Zahn zunächst die vergeblichen Bemühungen um von dem Feinde als von ihren Vertheidigern. Fremde
die Reichsreform, die Auseinandersetzungen zwischen Mächte setzten zur Schande der Teutschen diesen Krieg
den Ständen und dem Kaiser um die Gewährung der fort, um ihre eignen eigennützigen Zwecke zu erreichen.
Türkenhilfe und die Selbständigkeitsgelüste des Adels Teutsche stritten gegen Teutsche, bloß weil sich diese
(ausführliche Darstellung des sächsischen Bruderkriegs selbst über ihre kirchliche und bürgerliche Rechte nicht
und Prinzenraubs) und würdigt dann die Verdienste mit einander vereinigen konnten, indem es ihnen sonst
Maximilians I. um den ewigen Landfrieden und die sehr leicht gewesen seyn würde, allen ausländischen
Reichskammerordnung: ))Von nun an hörten Faust- Kriegsheeren das Eindringen in ihr Vaterland zu ver-
krieg und Fehderecht in unserem Vaterlande ganz auf wehren.« (S. 497 f.)
und machten der Herrschaft der Gesetze Platz [ ... ]«
(S. 209f.).
Zahn hebt im fünften Band besonders die Erfin-
dung des Buchdrucks und des Schießpulvers - letztere
bezeichnet er als einen ))unglücklichen Einfall« (S. 179)
-hervor; breiteren Raum nimmt auch die Entdeckung
Amerikas und vor allem der Anfang der Reformation in
Deutschland ein. Er begreift die Reformation als die
))einzige allgemeine Revolution dieses Landes« ; sie ha-
be die Deutschen in die Lage versetzt, ))in derThat Chri-
sten zu seyn, das heißt : in Rücksicht auf Religion nur
von Gott selbst abzuhängen, auch nichts für Christen-
thum anzunehmen, was nicht unläugbare Winke und
Befehle unsers Schöpfers enthält« (S. 298 f.). Zahn ta-
delt die starre und unnachgiebige Haltung des Papstes,
der nach seiner Meinung klüger gehandelt hätte, ))Wenn
er sich nicht gar in diese gelehrte Zänkerey gemischt,
sondern z. B. durch Ertheilung der Kardinalswürde Lu-
thern in sei[n] Interesse gezogen hätte« (S. 308).
Im Mittelpunkt des sechsten Bandes, mit dem die
Darstellung der neueren Geschichte beginnt, steht die
Geschichte der Reformation bis hin zum Reichstag von
Regensburg und dem Auseinanderbrechen des Schwä-
bischen Bundes. Einen breiten Raum nimmt dabei
Schilderung des Bauernkrieges sowie der Münsteraner
Wiedertäufer ein. Die Geschichte der Reformation wird
im siebten Band fortgesetzt bis zum Höhepunkt der
Ausbreitung des Protestantismus in Deutschland und
Österreich, d. h. bis hin zu den Reichstagen von Speyer
und Regensburg und der Regentschaft Kaiser Maximi-
Hans II. (1564-1576).
Die Thronbesteigung Rudolfs II. ( 1576), die zu-
gleich die Ausbreitung der Gegenreformation in ~;,. IJny:..L!t;,~:,~:Y Jl//f.-,;.h"L'<W ,ll;•fjJ.wJ /;.,~I
Deutschland bezeichnet, setzt Zahn an den Anfang des ,t.,l"i'' u,~ . 10#. fr~Y /So.,s ," HnnoJ.,.~y r t'JI , / , ,,

achten Bandes. Er behandelt zunächst den Freiheits- '"tfrtdt l"'f;JrAI!'" f"''4au.,.,.~ ,,.,NIPr,.k/".
kampf der Niederlande, die Lehrkämpfe und Eini-
gungsbestrebungen im deutschen Protestantismus bis
hin zur Konkordienformel (1577), den Kalenderstreit, Historisches Bilderbuch for die Jugend, enthal-
den Türkenkrieg und die Gründung der evangelischen tend Vaterlandsgeschichte. 6. Bdch. - Leipzig
Union (1608) und beschreibt ausführlicher das Fort- 1802 (Nr. 394). Kupfertafel Nr. 6 zuS. 141 von
schreiten der Gegenreformation. Der zweite Teil des Mettenleiter
1197 Zahn, Historisches Bilderbuch, 1797-1816 1198

Die Bände 9, 10 und 12- Band II lag nicht zur schichte von den Anfängen bis auf das Jahr 1705.
Einsicht vor - behandeln fast ausschließlich nur noch Bemühen sich die ersten Bände noch darum, in
Kriegsgeschichte. Der neunte Band setzt die Schilde- größeren Zügen Zusammenhänge und Verlauf
rung des Schwedisch-französischen Krieges fort bis zur
der Geschichte zu entwickeln - wobei Zahn der
Darstellung des Westfälischen Friedens (1648), berich-
tet sodann über die anhaltenden Streitigkeiten im Reich, Schilderung der Entwicklung des deutschen Na-
über den Schwedisch-polnischen Krieg 1657, den tionalcharakters breiten Raum beimißt -, be-
Rheinbund ( 1658), das Bündnis des Großen Kurfürsten handelt das Werk ab dem neunten Band nur noch
mit dem Kaiser und endet mit einer Schilderung des Be- relativ kleine Zeiträume in sehr großer Ausführ-
ginns der Türkenkriege. Der zehnte Band liefert eine lichkeit. Die Darstellung auch kleinster Ereignis-
ausführliche Darstellung des I. Eroberungskrieges se des Kriegsgeschehens macht zwar das Werk
Frankreichs gegen Spanien und die spanischen Nieder- nicht unübersichtlich, überfrachtet den jugendli-
lande sowie des 2. Eroberungskriegs Frankreichs gegen chen Leser jedoch mit einem Detailwissen, dem
Holland. Der Band schließt mit einem Bericht über den
der Sinn für übergeordnete Zusammenhänge
Verlauf der zweiten Türkenbelagerung Wiens im Jahre
1683. Der zwölfte Band setzt ein mit der Eröffnung des nicht immer anzumerken ist. Dies mag auch der
Testaments Karls li. von Spanien ( 1700) und dem in der Grund sein, weshalb das Erscheinen des Werkes
Folge ausbrechenden Spanischen Erbfolgekrieg ( 1701- mit Band 12 abgebrochen wurde, der ja den be-
1714). Aufbreitem Raum werden nahezu alle wichtigen handelten historischen Abschnitt - den Spani-
und weniger wichtigen Ereignisse, Schlachten und di- schen Erbfolgekrieg - nicht einmal zu Ende
plomatischen Schachzüge abgehandelt. Die Darstel- bringt. Detailschilderungen finden sich allerdings
lung bricht ab mit dem Tode Leopolds 1., also vier Jahre nicht erst in den letzten Bänden, sondern kommen
nach Kriegsbeginn. Das Bild der Regentschaft Le- auch in den früheren Bänden bereits vor, so z. B.
opolds zeichnet der Verfasser mit den Worten: »Wel-
in der Darstellung des sächsischen Prinzenraubs
chen Schaden verursachten nicht die vielen Kriege
Teutschland. Was für herrliche Länder rissen die Fran-
oder auch der Darstellung der Reformation, der
zosen ab. Was für einen unersetzlichen Verlust erlitt es Bauernkriege und der Münsteraner Wiedertäufer
an Geld und Menschen. Was für unbeschreibliche im fünften und auch sechsten Band. Hier geht es
Drangsale mußte es von der übermüthigen Nation ertra- Zahnjedoch wenigerum eine lückenlose Darstel-
gen. In physischer und moralischer Hinsicht verlor das lung der Geschichte als um die Veranschauli-
arme gepreßte Vaterland sehr viel. Durch des Kaisers chung historischer Situationen, die durch zahlrei-
große Unduldsamkeit wurden die Religionsstreitigkei- che erzählerische Spannungsmomente den ju-
ten verlängert, der Religionshaß genährt. [ ... ] Was gendlichen Lesern die zu lernenden Fakten be-
Teutschland während dieser langen Regierung rück-
sonders nahebringen und tiefer einprägen sollen.
sichtlich der Kultur des Bodens, Verbesserung der Ma-
nufacturen, Ausbreitung des Handels, der Künste und
Zahn bedient sich hierbei häufig literarischer Vor-
Wissenschaften, Ausbildung des Verstandes und größe- bilder, die er nicht selten sogar kopiert. So macht
re Verfeinerung der Sitten gewann, wiegtbeyweitem die Zahn Anleihen bei den Schlözer-Schriften über
Nachtheile nicht auf, die auf so ferne Zeiten hin die Münsteraner Wiedertäufer ( 1784), über Tho-
schreckliche Wirkungen hervorbrachten.« (S. 317) mas Münzer (1786) und über Kunz von Kaufun-
Die Kupfertafeln der Bände 1-9 sind mit sehr we- gen (1788) und bei Johann Adolph Liebner (D.
nigen Ausnahmen (3 Tafeln sind unsigniert) nach Vor- Martin Luthers Reformationsgeschichte für die
lagen vonJohann Michael Mettenleiter(l765-1853) ge- Jugend, 1785), deren historische Einschätzungen
stochen worden, der von seinen Zeitgenossen auch der
und Aussagen er - bei Liebner mit geringen Ab-
»bayrische Chodowiecki« genannt wurde. Mettenleiter
hat zumeist wichtige historische Situationen von großer strichen, was die Ursachen für den Dreißigjähri-
Dramatik in seinen Zeichnungen festgehalten, z. B. die gen Krieg anlangt - ebenfalls weitgehend über-
Verbrennung der päpstlichen Bulle durch Luther, die nimmt. Mit Schlözer teilt er auch das Bewußtsein
Vertreibung Münzers vom Weimarer Schlosse, die Ge- der Notwendigkeit der Nationalerziehung und
fangennahme des Christoph Columbus, die Flucht Kö- besonders der Unterweisung in vaterländischer
nig Wenzels aus seinem Prager Gefängnis usw. Häufig Geschichte.
sindjedoch auch Verhandlungen, Friedensschlüsseund Entsprechend ist der nationale und patrioti-
-vor allem in den ersten Bänden- Schlachtszenen dar- sche Gedanke in Zahns Werk besonders stark
gestellt. Die Tafeln sind durchweg sehr realistisch und
ausgeprägt. Er nimmt seinen Ausgang in der Be-
mit großer Präzision ausgeführt. Hervorzuheben ist die
individuelle Gestaltung von Personen und ihrer Klei- schreibung des aufrechten Charakters der Vor-
dung, von Schauplätzen und Interieurs und die liebevol- fahren: »Gehen wir in die fernsten Zeiten der Ge-
le Ausführung manchmal auch kleiner Details, die den schichte unserer Vorfahren zurück, so erscheinen
Tafeln nicht nur Unmittelbarkeit verleihen, sondern sie wegen ihrer beyspiellosen Rechtschaffenheit
auch das historische Geschehen gut veranschaulichen und mancher andern häuslichen Tugenden als
helfen. das gebildetste Volk seines Zeitalters.« (Bd. 1,
S. 4) Als »eigenthümliche Hauptzüge des teut-
Das Historische Bilderbuch- es erschien oh- schen Charakters« werden von Zahn »Treue, Be-
ne Illustrationen gleichfalls als Geschichte der triebsamkeit« sowie »standhaftes Ausharren in
Deutschen für die Jugend- liefert einen umfang- den größten Beschwerlichkeiten, vereint mit ei-
reichen Überblick über die gesamte deutsche Ge- nem unauslöschlichen Triebe nach Freyheit« be-
1199 Sachschriften 1200

nannt. Diesen Charaktereigenschaften »hat man tionen an Geisteskultur nachstehen mußten.«


die unschätzbare Erfindung der Buchdrucker- (Bd. 3, S. 325 f.)
kunst, so wie die Entdeckung des Schießpulvers Die Veredelung des Nationalcharakters ist
zu verdanken. Sie stifteten das mächtigste und nach Zahns Auffassung nur möglich, wenn die
blühendste Handlungsbündniß, das ihnen über dem Charakter eigenen positiven Werte entwik-
drittehalbhundert Jahre das baare Geld des größ- kelt und gefördert, die negativen Eigenschaften
ten Theils von Europa lieferte. Und ob sie gleich jedoch im Zuge zunehmender Bildung und Auf-
die christliche Religion später annahmen als viele klärung überwunden werden. D. h. gleichzeitig,
andere Völker; so waren sie dennoch die ersten, daß Zahn die Nachahmung ausländischer Sitten
welche das alte wahre Christenthum mit möglich- und Gebräuche- so z. B. die der Römer, Franzo-
ster Annäherung an dessen erste reine Grundsät- sen und Engländer- entschieden ablehnt, weil sie
ze, fünfzehnhundert Jahre nach seinem Anfange nicht in erster Linie zu einer Verfeinerung der Sit-
wieder herstellten, und aufhörten dem römischen ten führt, sondern zu einer Aufgabe der nationa-
Bischof mit blindem Gehorsam zu huldigen.« len Charaktereigenschaften und zur Aneignung
(Bd. I, S. 5) auch der negativen Seiten anderer Völker. Der na-
Zahns hauptsächliches Anliegen - beson- tionale Charakter kann sich nach Zahns Ansicht
ders in den ersten Bänden- ist nicht das einfache daher nur in dem Ausmaß positiv entfalten, wie
Vorführen der Geschichte, sondern das Lernen Bildung und Erziehung zunehmen und Früchte
aus ihr. Dieses Lernen ist jedoch eingeschränkt; tragen. Der Beschäftigung mit der Geschichte
es bezieht sich nicht auf mögliche historische Ge- fällt dabei die Aufgabe zu, in der geschichtlichen
setzmäßigkeiten, sondern auf die Entwicklung Betrachtung Positives vom Negativen zu unter-
des Nationalcharakters. Zahn wiii überprüfen, scheiden, deren Ursachen zu ergründen und so
»was für Eigenschaften wirvon unsern Vorvätern die guten Eigenschaften aufzunehmen und zu
angenommen, welche Fehler wir vermieden, wel- entwickeln. 0. B.
che Tugenden wir uns zu eigen gemacht haben,
[ ... ] um wie viel besser oder schlimmer wir gewor-
den sind« (Vorrede I. Bd., S. IV).
Zahn lobt an den Deutschen »Treue und
Redlichkeit, Offenheit und Freymüthigkeit, 1798-1809
Keuschheit, Gastfreundschaft und vorzüglich
auch Tapferkeit«, »Biederkeit und Treue« (Bd.l, Gerhard Ulrich Anton Vieth (J 763-1836):
S. I 0 I); an negativen Charaktereigenschaften Physikalischer Kindeifreund. 10 Bände.
nennt er »einen außerordentlichenJachzorn, eine Leipzig 1798-1808
eben so große Sucht nach Streit und Raub, eine
ziemliche Dosis Trägheit, und endlich eine nicht DerPhysikalische Kindeifreund, vom Verleger als
geringe Neigung zum Spiel und Trunk« (ebd.). Nachfolger des Neuen Kindeifreunds von Engel-
Die Verstädterung habe aber bald eine Verweich- hardt und Merkel konzipiert (Bd. I, Vorrede
lichung nach sich gezogen, ein Aufgehen in der S. IV), richtet sich an Kinder von zehn bis fünf-
»gemächlichen und üppigen Lebensart der Rö- zehn Jahren. Auch wenn Vieth sich häufig an die
mer« (Bd. I, S. 81 f.), wenngleich dadurch auch »jungen Leser und Leserinnen« (vgl. z. B. Bd. I,
ebenso eine »Verfeinerung der Sitten« eingetre- S. 78) wendet, also auch Mädchen erreichen will,
ten sei. In bezugauf das Mittelalter stellt Zahn als scheinen vor allem Jungen angesprochen zu sein.
gemeinsames Merkmal aller Deutschen Unwis- Aufgabe der Mädchen sei es vor allem, sich um
senheit und Unaufgeklärtheit fest: »Noch immer die Praxis zu kümmern, weniger um die Theorie
vertrat blinder Köhlerglaubebey ihnen die Stelle (vgl. Bd. I, S. 209).
der reinen Christus-Religion. Überall fand der Der Physikalische Kindeifreund will den Le-
Aberglaube einen Altar errichtet. Selbst der Vor- sern auf lehrreiche und zugleich unterhaltende
nehmste war nicht frey davon.« (Bd. 3, S. 325) Als Art nützlich werden (Bd. I, Vorrede S. IV), er will
Ursache dafür benennt Zahn den »elenden Un- ihnen »schmackhafte und gesunde Kost« (ebd.,
terricht, welche die teutsche Jugend in jenen Zei- S. VI) sein und ihr» Nachdenken« und ihre »Auf-
ten genoß. Karl der Große hatte zwar hin und wie- merksamkeit« »besonders an Wahrheiten der
der in Teutschland Dom- und Klosterschulen an- Natur-und Größenlehre« üben (ebd., S. VII). Die
gelegt; allein da den Mönchen und Domherrn die Wahl seines Stoffes begründet Vieth mit der The-
Pflegung ihrer Leiber näher am Herzen lag, als ihr se, »daß physikalische Kenntnisse zu den nütz-
Lehr- und Aufseheramt, und die Prediger- aus lichsten und angenehmsten gehören, welche sich
Besorgniß, die Laien möchten etwa das Licht der der Mensch erwerben, und nicht früh genug er-
Aufklärung nicht wol vertragen können - ihre werben kann« (ebd.). Deshalb will er »Materien
Herde mit Vorbedacht im Finstern fortwandern aus der Natur, dem gemeinen Leben, der Sphäre
ließen; so war es freylich kein Wunder, wenn der Kinder, faßlich und sinnlich erklären, und in
eben die Teutschen [ ... ]vielen europäischen Na- kleinen Portionen in Form von Gesprächen, Er-
1201 Vieth, Physikalischer Kinderfreund, 1798-1809 1202

zählungen, Kunststücken, Briefen vortragen« der Statik, Hydrostatik und Pneumatik abgehandelt wie
(ebd., S. V). z. B. » Follis hydrostaticus und anatomischer Heber«
Daß die Absicht der unterhaltenden Beleh- (S.21 ff.), »Bianchards Luftschiff« (S. 107ff.) oder
rung und die sich daraus ergebende besondere »Berechnungen über die Aerostaten« (S. 163ff.). Die
Pneumatik bildet auch den hauptsächlichen Gegen-
Präsentation des Stoffes weniger auf die pädago-
stand des vierten Bandes. Neben Abschnitten zur Luft-
gische Intention Vieths als auf die Verkaufsinter- pumpe (S. 29 ff.), zu verschiedenen Dampfmaschinen
essen seines Verlegers zurückgehen, wird schon in (S. 135 ff.) oderzum Dampf(S. 188 ff.) finden sich auch
den Vorreden deutlich. So betont Vieth, er sei erst solche über künstliche und natürliche Kälte und Eisbil-
Willens gewesen, »der Ordnung des Systems zu dung, die Verteidigung eines »philosophischen Maykä-
folgen, ohne jedoch die systematische Form se- fers« gegen eine »Empfindungsunfähigkeitsanschuldi-
hen zu lassen; allein dem Herrn Verleger schien es gung« oder über das Leben großer Physiker (»Galiläus
besser zu seyn, den Gerichten mehr Abwechslung Galiläi«, S. 20ff.).
zu geben« (Bd. I, Vorrede S. V f. ). In der Vorrede Der fünfte Band beschäftigt sich mit dem Eis, dem
des dritten Bandes gibt er dann der Belehrung ein- Feuer, der Hitze, Verbrennungen und Leuchtinsekten
und in der zweiten Hälfte mit der Elektrizität (S. 165 ff.).
deutig Vorrang vor der Unterhaltung: »Aller-
Vieth stellt hier so unterschiedliche Dinge vor wie
dings war es mein Zweck, mehr oder wenigstens Brenngläser und -spiegel, Blasebälge, Thermolampen,
eben so sehr für die Belehrung als für Unterhal- Lichtsauger, Leuchtkäfer, Meeresleuchten, Elektrisier-
tung zu sorgen. Es giebt der Bücher für kleine und maschinen, Elektrophoren, Batterien, elektrische Lam-
große Kinder, so viele, die unterhalten, ohne son- pen, sowie das Schmelzen, Verkalken und Reduzieren
derlich zu belehren, daß man wohl einmal eines der Metalle durch Elektrizität u. a.
hingehen lassen könnte, welches belehrte ohne Der sechste Band handelt von Optik und Licht. Er
sonderlich zu unterhalten.« (S. IVf.) Wenn Vieth enthält Abschnitte zum Sehwinkel, zur Entfernungsein-
gleichwohl in seinem Werk der Unterhaltung ei- schätzung, zu verschiedenen optischen Experimenten,
nen gebührenden Platz einräumt, dann deshalb, zur Lichtmessung, verschiedenen photometrischen Ver-
suchen, zur Camera obscura, zur Reflexion des Lichts,
weil er mit der Tatsache konfrontiert ist, »daß Be-
zur Brennweite und zu Spiegeln. Den Schluß des Ban-
lehrung oft den merkantilischen Werth eines des bildet eine Übersicht über die verschiedenen Far-
Buchs vermindert, wie ihn Unterhaltung erhöht« benlehren von Descartes, Newton und Euler (S. 283 ff. ).
(ebd., S. V). Die Lehre von der Optik wird im siebten Band fortge-
Dem will er Rechnung tragen »erstlich da- setzt. Behandelt werden u. a. die Brechung des Lichts,
durch, daß ich die didaktischen Stücke, welche noch einmal die Camera obscura, die Camera lucida,
meistens jedes Bandes erste Hälfte ausmachen, in das Auge, Augenkrankheiten, Augengläser, die Scho-
Gesprächsform einkleidete, um ihnen das Trock- nung der Augen, die Laterna magica, verschiedene Mi-
ne zu benehmen und dem jungen Leserbey jeder kroskope, verschiedene Fernrohre sowie deren Erfin-
Antwort einen Ruhepunct zu geben; zweitens da- dung.
durch, daß ich die zweyte Hälfte jedes Theils mit Im Mittelpunkt des achten Bandes steht die Lehre
von der Akustik mit Abschnitten zu den Sinnen allge-
historischen Stücken anfüllte, die freylich für mein, zum Schall und zum Ton und deren Wirkung auf
manche Leser die lesbarsten sind, für den Verfas- die Nerven, zur Fortpflanzung des Schalles und seiner
ser aber den mindesten subjectiven Werth haben, Geschwindigkeit, Reichweite und Stärke, zum Ohr und
indem er da ganz bequem die Mode mitmacht, seiner Funktionsweise, zum Echo ( S. 117-165) und ver-
und nicht viel mehr thun kann, als abschreiben«. schiedenen akustischen Erscheinungen, zu akustischen
(ebd.) Instrumenten, zu Tönen, Schwingungsgesetzen und
Tonverhältnissen sowie zur Temperatur der Töne.
Der Physikalische Kinderfreund besteht aus zehn Der neunte und zehnte Band mit dem Nebentitel
Bänden. Der erste Band umfaßt hauptsächlich Mate- Astronomische Unterhaltungen for die Jugend nebst
rien aus der Lehre von der Kraft und der Bewegung wie Planisphären zur Astrognosie beschäftigen sich aus-
z.B. »Wie fällt ein Stein?« (S. 20ff.) oder »Einige Er- schließend mit der Astronomie. Der neunte Band be-
fahrungen über Trägheit und Mittheilung der Bewe- schäftigt sich mit der Erde und dem Himmel, den Welt-
gung« (S. 232 ff.), enthält aber auch Abschnitte, die sich gegenden, dem Äquator und den Deklinationskreisen,
nicht mit physikalischen Themen beschäftigen, wie z.B. behandelt die Grundlagen der sphärischen Astronomie
zur Gespensterfurcht (»Der in ein Fenster verwandelte und astronomische Werkzeuge und deren Anwendung,
Mönch«, S. 136), zur Tierquälerei (»Gänsefreund- entwickelt und erläutert die notwendigen Fachtermini
schaft«, S. 154 ff.) oder zu Wolfskindem (S. 172 ff). und gibt sodann eine Übersicht über die astronomi-
Der zweite Band beschäftigt sich mit der "Kohä- schen Ortsbestimmungen am Himmel. Beschlossen
sion des Wassers, mit dem absoluten und spezifischen wird der Band mit einer Darstellung der Einrichtung
Gewicht, den Wolken, der Luft und verschiedenen In- und des Gebrauchs der Planisphären mit Horizonten.
strumenten ihrer Messung. Auch hier finden sich einzel- Der zehnte Band schließlich handelt von der Ku-
ne Abschnitte, die mit dem angesprochenen Themen- gelgestalt und der Drehung der Erde, der geographi-
komplex wenig zu tun haben, z. B. » Selbstentzündun- schen Ortsbestimmung, Mond- und Sonnenfinsternis-
gen in Thieren und Menschen« (S. 156ff.), »Bienenlie- sen, Gradmessungen, den alten Weltsystemen, den
be« (S. 166f.) oder »Ueberdie Verdaulichkeit von Spei- Keplerschen Gesetzen, den Entfernungen von Mond
sen« (S. 213ff.). und Sonne, von Sonnen- und Mondfinsternissen, von
Im dritten Band werden Themen aus dem Bereich Sonnenflecken und der Bewohnbarkeit der Sonne. Den
1203 Sachschriften 1204

Abschluß des Werkes bildet eine Übersicht des Plane- Spätestens hier tritt das Unterhaltende völlig hin-
tensystems. ter das Belehrende zurück. Ab dem achten Band
wird dann der übliche Kinderfreundtypus ganz
Ist der Physikalische Kinderfreund auch als aufgegeben, die Bände haben weitgehend Lehr-
Nachfolger des Neuen Kinderfreunds von Engel- buchcharakterund sollen z.T. auch mit Hilfe ei-
hardt und Merke! gedacht, sind die Unterschiede, nes Lehrers studiert werden. Wird in den ersten
die sich nicht allein aus der Themenstellung her Bänden dem Interesse und dem Abwechslungs-
begründen lassen, doch so zahlreich, daß man bedürfnis der Kinder eindeutig der Vorrang vor
vermuten darf, daß es wenigerum das Aufgreifen systematischen und sachlogischen Erwägungen
inhaltlicher wie formaler Strukturen des ebenfalls eingeräumt, so steht in den letzten Bänden deut-
bei Barth verlegten Werkes geht, sondern um eine lich die systematische Belehrung im Vorder-
Darstellung, die- zumindest in den ersten Teilen grund. Auch verzichtet Vieth hier weitgehend auf
- dem verbreiteten Publikumsgeschmack entge- eine kindgemäße Einkleidung bei der Behand-
genkommen soll. lung der verschiedenen Gegenstände.
So werden die den Handlungsrahmen ab- Ob diese Änderung der didaktischen Metho-
steckenden Gespräche nicht nur in eine ganz an- de lediglich auf Vieths zunehmenden Unwillen
dere Familie verlegt, sondern die Familie ist auch gegenüber der unterhaltenden Stoffvermittlung
weitgehend entindividualisiert. Die Zeichnung zurückgeht, oder Ausdruck eines geänderten
individueller Charaktere fehlt völlig. In der Dar- Adressatenbezugs ist- immerhin liegen zwischen
stellung der Kinder werden lediglich solche Cha- dem Erscheinen des ersten und des zehnten Ban-
rakterzüge und Verhaltensweisen verdeutlicht, des elf Jahre, die früheren Leser sind älter gewor-
die sie zur Übernahme ihrerspäteren gesellschaft- den und haben dazugelernt, die behandelten Ge-
lichen Funktion als Mann oder Frau befähigen: genstände sind schwieriger und komplexer -,
Der zehnjährige Wilhelm ist gescheit und wißbe- kann nicht eindeutig entschieden werden. Für die
gierig, nachbohrend, eifrig lernend und strebsam, zweite These spricht jedoch eine Stelle im 1. Band,
ein aufmerksamer Beobachter der Natur und in der sich Vieth mit Erziehungs- und Unterrichts-
Technik, sachlich, ernst, bescheiden und seinem methoden auseinandersetzt: »Er [der Vater, d.
Vater wie der Natur gegenüber dankbar. Nahezu Red.] wußte aus Erfahrung, daß dieser gelegentli-
alle Gespräche werden zwischen ihm und dem che Unterricht im Augenblick der Veranlassung,
Vater geführt. Seine ältere Schwester Carotine wo die Neugierde des Lehrlings ganz auf den Ge-
wird nur dort in das Gespräch aktiv miteinbezo- genstand gespannt ist, der noch in der Natur vor
gen, wo es um Gegenstände geht, die zu wissen ei- seinen Augen liegt, nützlicher, lebendiger und un-
ner Frau nützlich sein können. So erklärt ihr der terhaltender für das jugendliche Alter sey, und
Vater z. B. die Funktionsweise eines Spinnrads mit mehr Vergnügen gegeben und empfangen
(Bd. 1, S. 203 ff. ). Carotine ist ordentlich, sauber, werde, als ein wissenschaftlicher und gelehrter
hausfraulich, folgt den Gesprächen aufmerksam, Unterricht nach systematischer Ordnung. Nicht,
ohne jedoch allzuoft einzugreifen, und ist fast als ob er diesen für unnöthig gehalten hätte; im
ständig mit Handarbeiten beschäftigt. Ihre zu- Gegenteil sagte er zu seinem zehnjährigen Wil-
künftige Bestimmung wird deutlich, wenn der Va- helm: >wenn du einige Jahre älter bist, so wirst du
ter das Gespräch über das Spinnrad mit den Wor- aus Lehrbüchern und durch mündliche Unterwei-
ten beendet: »Nun genug von der Theorie; fahre sung das Alles ordentlicher und gründlicher ler-
jetzt in deiner Praxis fort, die für die Haushaltung nen, wenn du, welches bey allem Lernen die
vorthei1hafter seyn wird als jene.« (Bd. 1, S. 209) Hauptbedingung ist, eignes Nachdenken und eig-
Die übrigen Personen, die ohnehin nur dramatur- nen Fleiß damit verbindest. [ ... ]< « (Bd. 1, S. 17 f. ).
gische Funktion haben, werden allenfalls ihrem Besonders in den ersten Bänden zeichnen
ungefähren Alter nach beschrieben. Auch der Va- sich die »didaktischen Stücke« durch eine ab-
ter wird nicht näher charakterisiert, er tritt als rei- wechslungsreiche, unterhaltsame, z. T. sogar
ner Wissensvermittler auf, seltener als Vermittler kurzweilige Art der Darstellung aus. Neben den
von moralischen, staatsbürgerlichen usw. Lehren. üblichen Gesprächen, die der Vermittlung von
Häufig tritt der Autor selbst an diese Stelle, so daß Fachwissen dienen, finden sich Anekdoten, Dar-
auch in den »didaktischen Stücken« bisweilen stellungen von Versuchen, Briefe, historische Bio-
die dialogische Form ganz aufgegeben wird. graphien, kurze Übersetzungstexte, eingestreute
Durch die Trennung der einzelnen Bände in Fragen des Verfassers zu im Text erwähnten Na-
»didaktische Stücke« und »historische Erzählun- men, Bauwerken usw., historische Abhandlun-
gen« erfolgt die Stoffvermittlung auch nicht gen über Erfindungen oder Wissenschaftsge-
durchgängig in der sonst üblichen Darstellungs- schichte, Gesundheitsregeln, lexikalische Worter-
weise der »Kinderfreunde«. Im siebten Band klärungen usw. Die »historischen Stücke« brin-
wird der Text nur noch in einzelne Fragen aufge- gen Anekdoten, erzählen von Kuriositäten, deren
löst; richtige Gespräche wie in den vorhergehen- Wahrheitsgehalt oft schlecht nachprüfbar ist, lie-
den Bänden sind nur noch ansatzweise zu finden. fern systematische Verzeichnisse, stellen Spiel-
1205 Kirsten, Seelenlehre, 1800 1206

werke vor usw. Durch diese- in den ersten Bän- zur Erholung dienen«, Bd. 1, S. 99) weisen über
den -nie langweilige, leichte, häufig sogar amü- das rein sachlich Belehrende hinaus.
sante Art der Präsentation naturwissenschaftli- Die moralischen, staatsbürgerlichen usw.
chen Faktenwissens gelingt es Vieth, »sowohl in Belehrungen sind jedoch nicht eingebettet in eine
Absicht der Materie, als der Zubereitung, Moral- oder Tugendlehre, eine bestimmte Staats-
schmackhafte und besonders gesunde Kost« auffassung o. ä., sondern stehen recht unverbun-
»aufzutischen« (Bd. 1, Vorrede S. VI). den nebeneinander. Sie werdenjeweils in solchen
Steht auch die sachliche Unterweisung ein- Textsituationen entwickelt, wo der Sachunter-
richt darüberhinausgehende Belehrungen sinn-
deutig im Vordergrund, so versäumt Vieth doch
voll oder notwendig erscheinen läßt, so werden
nicht die moralische Belehrung. So endet z. B. ei-
ne Erzählung »Kindliche Liebe zweyer Ratzen«, die Ausführungen zur Tierquälerei z. B. im Zu-
sammenhang mit der Anlegung einer Insekten-
die die Kinder Dankbarkeit gegen ihre Eltern leh-
sammlung gemacht. Die Belehrungen ergeben
ren soll, mit den Worten: »denkt an die guten Rat-
sich immer schlüssig aus dem Sachzusammen-
zen, die ihre alte blinde Mutter fütterten.« (Bd. 1,
hang und wirken daher weder aufgesetzt noch zu-
S. 172) An anderer Stelle, die mit dem Spruch Sa-
dringlich moralisierend. 0. B.
lomos überschrieben ist »Der Gerechte erbarmt
sich seines Viehes; aber das Herz des Gottlosen ist
unbarmherzig« (Bd. 4, S. 89), wendet sich Vieth
gegen die Tierquälerei (vgl. ebd., S. 89 u. 92). 1800
Auch staatsbürgerliche Belehrungen läßt Vieth
einfließen, z. B. in einem Gespräch über Kriege: Johann Friedrich Ernst Kirsten
»Möchten Pulver und Blei doch nur immer dazu (1768-1820):
gebraucht werden, sich lustig zu machen! sagte Seelenlehre for die Jugend nach den
Wilhelms Vater; möchten doch die Kugeln nur Grundsätzen der Kantischen Philosophie, in
immer Scheiben und hölzerne Vögel und nicht dialogischer Form.
Menschenherzen durchbohren! - Ich weiß auch Gotha 1800
nicht, wie man Soldat seyn und Krieg führen
kann! riefWilhelm aus.- Übereile dich nicht, Wil-
helm! ein Soldat ist, aus dem rechten Gesichts- Bezüglich des Adressaten gibt bereits das Titel-
blatt nähere Auskunft: »Zum Gebrauch für die
punkt betrachtet, auch ein nützliches Glied der
menschlichen Gesellschaft; und auch der Krieg, höhem Klassen in Gymnasien und Schulen«. In
bey allen seinen Schrecknissen, hat sein Gutes, der Vorrede heißt es, daß »diese Seelenlehre als
ein Lehrbuch in der Philosophie in den höhem
wiewohl ich ihn in den meisten Fällen nicht ver-
theidigen möchte.« (Bd. 1, S. 45) Mit der Darstel- Klassen auf Schulen gebraucht werden könne«
lung von Wolfskindem will Vieth seinen jungen (S. IV). Hierbei solle der »philosophische Unter-
Lesern die Einsicht vermitteln, daß »nur durch richt auf Schulen« eine »Vorbereitung zum aka-
demischen Unterricht« darstellen (S. VII). Neben
Gesellschaft [ ... ] der Mensch eigentlich erst ein
Mensch« wird (Bd. 1, S. 172), daß der Mensch ein den Jugendlichen sind aber auch Erwachsene an-
gesellschaftliches Wesen und der Gesellschaft gesprochen. Dies gilt zunächst für den Anhang,
deshalb verpflichtet sei. der für Leser gedacht ist, »die sich bloß von dem
unterrichten wollen, was die kritische Philosophie
Die Kinder sollen durch den Physikalischen lehrt« (Titelblatt). Die Vorrede stellt jedoch klar,
Kinderfreund auch zu philosophischen Erkennt- daß sich nicht nur der Anhang, sondern das ge-
nissen geführt werden, insbesondere sollen sie die samte Werk auch an Erwachsene wendet. Kirsten
Grenzen aller wissenschaftlichen Forschung ken- habe zu »der großen Menge von erläuternden
nenlernen: »Die Frage kann ich dir nicht befrie- Schriften über die Kantische Philosophie« eine
digend beantworten, mein Sohn! Du mußt dich weitere hinzufügen wollen, die »Geschäftsmän-
hier, wie bey so vielen an dem Erscheinungen, der nem und Ungelehrten, die die Philosophie nicht
so wahren Stelle aus einem Gedichte des großen zu ihrer Hauptbeschäftigung machen, eine
Hallers erinnern, der den Naturerscheinungen so Kenntniß von dieser Philosophie verschaffen
eifrig nachspürte, und dann im Gefühl der Be- könnte« (S. II). Kirsten geht es um eine Populari-
schränktheit menschlicher Erkenntnisse ausrief: sierung und Verbreiterung der wichtigsten Resul-
Ins Innre der Natur dringt kein erschaffner tate des Kantischen Kritizismus: Er beabsichtige,
Geist.« (Bd. 1, S. 185) Auch die Ermahnungen, »die reine kritische Philosophie, in ihren Haupt-
sich nie dem Laster der Trunksucht hinzugeben, grundsätzen, durch eine leichte Form der Darstel-
»welches den Menschen weit unter das Vieh er- lung, allgemein verständlich zu machen« (S. I).
niedrigt« (Bd. 5, S. 73), sowie die Forderungen Hierbei will Kirsten dem Kritizismus nicht etwa
nach gesunder Lebensweise und besonders nach neue Anhänger verschaffen: Er will nicht über-
körperlicher Betätigung (»Übungen des Körpers zeugen, sondern bloß informieren und die
und des Geistes müssen einander wechselseitig » Hauptresultate dieser Philosophie« bekannt
1207 Sachschriften 1208

machen. Kirstens Werk soll den Zeitgenossen ei- Antworten, die vielleichtbeyeinem weniger im Denken
ne bessere Teilnahme am Streit der Gelehrten geübten, erst durch mehrere Zwischenfragen erfolgen
über die kritische Philosophie ermöglichen (vgl. werden« (S. VIII).
S. li). Kirstens eigener philosophischer Stand- Die Einleitung (S. 1-24) geht von dem Verhältnis
punkt bleibt im Unklaren, er vermerkt lediglich, von Körper und Seele aus, entwickelt sodann die ver-
daß er der »scharfsinnige[n] Metakritik [ ... ]viele schiedenen Seelenkräfte, die bewegende Kraft im Kör-
per, die Empfindungskraft, die Denkkraft und die Be-
Belehrung verdanke« (ebd.), was auf eine gemä-
gehrungskraft, um schließlich die Seele als die Vereini-
ßigte Zwischenposition schließen läßt. gung dieser Kräfte zu bestimmen. Dem ersten Kapitel
Mit Bezug auf den schulischen Gebrauch »Von der Sinnlichkeit und den Empfindungen«
verfolgt Kirsten die Absicht, eine »Anleitung zum (S. 25-42) entspricht in der Kritik der reinen Vernunft
Denken« und zum »Gebrauch des Verstandes« der Abschnitt der transzendentalen Ästhetik. Es ist ein-
zu liefern, die zugleich eine »Vorbereitung zum geteilt in die zwei Abschnitte »Vom Raume« (S. 25-36)
akademischen Unterricht« sein soll (S. VII). In und »Von der Zeit« (S. 37-42). In ihnen geht es vor-
der Vorrede setzt Kirsten sich mit der jüngsten nehmlich um den Nachweis des transzendentalen Cha-
» Meynung der Zeit« auseinander, die dem Philo- rakters von Raum und Zeit. Hierbei geht es nicht um die
philosophischen Beweise, sondern um das Aufzeigen
sophieunterricht auf Schulen nicht günstig geson-
dessen, was es überhaupt heißt, daß Raum und Zeit
nen sei. Die Philosophie verdränge alles positive nicht Eigenschaften der Dinge, sondern subjektive An-
Wissen und verwirre die Köpfe, was besonders schauungsformen darstellen. Im Zeit-Abschnitt wird
auf den Schulen »schädliche Wirkungen« zeige, auf die Frage des Dinges an sich eingegangen (S. 39 f.)
wo doch »eine gründliche Kenntniß der Spra- und der Kantische Begriff der Sinnlichkeit als das Ver-
chen erworben, und ein fester Grund zu den Wis- mögen eingeführt, »wodurch alle Empfindungen durch
senschaften gelegt werden soll« (S. IV). Solche die Sinne die gemeinschaftliche Form des Raums und
negativen Auswirkungen können für Kirsten nur der Zeit erhalten« (S. 41). Schließlich wird noch zwi-
die Folgen eines falschen Philosophieverständ- schen äußerem und innerem Sinn unterschieden
(S.41 f.).
nisses sein. Die Philosophie sei nicht die Königin
und Beherrscherin aller Wissenschaften in dem Das zweite Kapitel »Vom Verstande« (S. 43-114)
enthält zunächst drei Abschnitte, die außerhalb des Ge-
Sinne, daß sie alles positive Wissen aus sich selbst
genstandsbereiches der Kritik der reinen Vernunft lie-
schöpfe und die positiven Wissenschaften des- gen. Der erste handelt vom Verstand als »dem Vermö-
halb verdränge oder gar überflüssig mache gen der Erfahrungsbegriffe« (S. 43-54) und beschäftigt
(S. VI). Die Philosophie sei vielmehr »weit ent- sich mit dem Bildung empirischer Allgemeinbegriffe
fernt, eine solche Verachtung der positiven Wis- durch Trennung und Verbindung von Begriffsmerkma-
senschaften zu begünstigen, daß vielmehr eine len. Der zweite Abschnitt» Vom Verstande als dem Ver-
richtige Kenntniß derselben die Einsicht hervor- mögen zu urtheilen« (S. 54-60) gibt eine knappe Ur-
bringt, daß allein die positiven historischen Wis- teilslehre, hat aber nicht- wie der Urteils-Abschnitt in
senschaften das eigentliche Feld der Gelehrsam- der Kritik der reinen Vernunft- die Funktion, als Leitfa-
den der Entdeckung der Kategorien zu dienen. Hieran
keit und Nützlichkeit ausmachen. Denn die wah-
schließt sich ein Abschnitt über das Gedächtnis an
re Philosophie zeigt, daß nur allein in empirischen (S. 60-63), wo der Unterschied zwischen Wort- und
Kenntnissen die Wahrheit zu finden [ ... ] sey.« Sachgedächtnis, die Erinnerungskraft, die Einbildungs-
Mit Rücksicht auf den ungelehrten Leser hat kraft und die Phantasie angesprochen werden.
Kirsten es vermieden, dem Werk die Gestalt eines Der vierte Abschnitt lautet »Vom Verstande, als
strengen sytematischen Lehrbuches zu geben, in dem Vermögen der sogenannten Kategorien, oder der
dem ein »künstliches Gebäude von Begriffen« reinen Begriffe, die unser Gemüth in die Erfahrung
aufgetürmt wird (S. III). Er habe die dialogische überträgt« (S. 64--11 0). Er macht das eigentliche Zen-
Form gewählt, weil er hierdurch größere Deut- trum des Verstandes-Kapitels aus und ist selbst noch
lichkeit zu erreichen gehofft habe (S. VII). Sie sei einmal in 9 Unterabschnitte eingeteilt; mit ihm ist zu-
»größtenteils sokratisch, nur mit dem Unterschie- gleich wieder der Boden der »transzendentalen Logik«
de, daß ich sie [ ... ], so viel als es möglich war, ab- betreten. Zunächst geht es um Kants Synthesis1ehre:
Der erste Unterabschnitt (S. 66-72) zeigt auf, daß die
kürzte« (ebd.). Ihm ging es lediglich darum, daß Synthetisierung der mannigfaltigen Eindrücke zu einem
Skelett eines sokratischen Dialoges zu entwerfen, Objekt, einem Ding, eine transzendentale Leistung des
das der Lehrer dann auszufüllen habe. erkennenden Subjekts ist und zurückgeht auf die »ur-
sprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption«,
Das Werk ist eingekleidet in eine Unterhaltung wie es bei Kant heißt. Kirsten popularisiert diesen Sach-
zwischen dem Lehrer Hegio und seinem Schüler Py- verhalt folgendermaßen: »Das Merkmal eines Dinges
thias. Von einer Rahmenhandlung kann hierbei aller- finden wir in keiner Wahrnehmung, da nun aber außer
dings nicht gesprochen werden; der griechisch-antike uns lauter Dinge sind, so muß unser Gemüth diese Din-
Hintergrund wird nur durch äußerst sparsame Hinwei- ge geschaffen haben, so wie es Raum und Zeit außer uns
se angedeutet und ist überwiegend durch die griechi- hervorbringt.« (S. 69) Eine solche »transzendentale De-
schen Namen präsent. Es ist nicht zu übersehen, daß es duktion« führt Kirsten nun für jeden weiteren »reinen
sich um eine Nachahmung der platonischen Dialoge Verstandesbegriff« durch: »Jetzt haben wir eingesehen,
handelt. Der Schüler Pythias ist bereits »nicht ganz un- daß das Merkmal, Ding, auch ein Produkt unsers Ge-
geübt im Denken und giebt auf die vorgelegten Fragen müths ist. Es lassen sich vielleicht noch mehrere Merk-
1209 Kirsten, See1enlehre, 1799 1210

malebeyden Dingen entdecken, die sie von unserm Ge- Iigen, nützlichen oder schädlichen Folgen, sondern al-
müthe erhalten.« (S. 71 f.) Die folgenden Unterab- lein um die »inneren Absichten«, aus denen sie erfolgt
schnitte behandeln nun nach und nach die reinen Ver- seien (S. 147). Sodann wird das allgemeine Gesetz ge-
standesbegriffe, wie sie in der Kautischen Tafel der Ka- sucht, mit der die Absichten übereinstimmen müssen,
tegorien verzeichnet sind. Hierbei wird jeweils zunächst um moralisch zu sein: Dieser »höchste Endzweckbey
deren logische Bedeutung erklärt, dann aufgezeigt, daß allen deinen Handlungen« schließlich ist die Unterwer-
sie nicht Eigenschaften der Dinge sind, sondern diesen fung unter den kategorischen Imperativ (S. 158). Auf
vom Gemüt beigelegt werden. So werden zunächst Ein- diese Weise wird der ethische Utilitarismus und Eudä-
heit, Vielheit, Allheit (S. 72 ff.), dann Realität, Negation monismus zugunsten einer streng formalistischen Ethik
und Limitation (S. 77 ff.), Substanz und Akzidenz zurückgewiesen. Der vierte und letzte Abschnitt des
(S. 84 ff.), Ursache und Wirkung (S. 89 ff.), Gemein- Vernunftkapitels ist überschrieben »Von der Willkühr
schaft bzw. Wechselwirkung (S. 92 ff. ), schließlich und der Vereinigung der Freyheit mit der Natur-
Möglichkeit und Unmöglichkeit (S. 93 ff.), Existenz (S. nothwendigkeit« (S. 160-166). Zunächst wird die Will-
98 ff.) und Notwendigkeit und Zufall (S. 104ff.) be- kür als das Vermögen bestimmt, zwischen dem Guten
handelt. und dem Bösen zu wählen (S. 161). Sodann wird der
Der fünfte und letzte Abschnitt des Verstandes- Doppelcharakter der menschlichen Handlungen erör-
Kapitels (S. II 0-114), der irrtümlich als 4. Abschnitt ge- tert: Als Erscheinung der Natur stehen sie unter Natur-
zählt ist, lautet »Von der Anwendung der reinen Ver- gesetzen und dem Gesetz der Kausalität. »Aber die
standesbegriffe« und entsprechen inhaltlich den Para- Form der Handlung, die Beziehung, in welcher die
graphen 22 bis 24 der Kritik der reinen Vernunft in der Form der Handlung auf unsere Grundsätze steht, ist das
zweiten Auflage von 1787. Hier wird zunächst noch ein- Werk unserer Willkühr«(S. 163). Kirsten knüpft hier an
mal zwischen Erfahrungsbegriffen und reinen Ver- Kants Auflösung der dritten Antinomie von Kausalität
standesbegriffen unterschieden. Die letzteren stellen an und Freiheit an und sucht diese auf das Feld der prakti-
sich keine Gegenstände dar; sie »[enthalten] nur die schen Vernunft zu übertragen: »[ ... ] die praktische Ver-
Formen [ ... ], unter welchen sich Gegenstände in der nunft befiehlt nicht Handlungen, sondern nur eine Ge-
Wahrnehmung vorstellen lassen« (S. II I). Damit sind sinnung bey unsem Handlungen. Die Gesinnungen
zugleich die Grenzen ihrer Anwendung bezeichnet: sie aberbeyeiner Handlung steht mit der Handlung selbst,
lassen sich nur auf Erfahrungsgegenstände beziehen. in wie fern sie in der Erscheinung vorkömmt, in keiner
Ihre Anwendung aufbloß denkbare Gegenstände blei- Verbindung.« (S. 165) Somit wird die Kantische Moral-
be ein bloßes GedankenspieL lehre nicht nur als eine formalistische, sondern auch als
Das dritte Kapitel handelt »Von der Vernunft« reine Gesinnungsethik charakterisiert.
(S. 115-166). Sein erster Abschnitt beschäftigt sich mit Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem »Be-
derVernunftals dem »Vermögen zu schließen« (S.I15- gehrungsvermögen« (S. 167-206). Damit ist das Feld
133) und gibt eine Schlußlehre im Anschluß an die Ab- der Lehre der reinen theoretischen und praktischen Ver-
schnitte II A und B der Einleitung zur Transzendentalen nunft verlassen, auf dem allein der Kantische Kritizis-
Dialektik(B 355-B 361). Der zweite Abschnitt handelt mus sich entfaltet, und das Gebiet der empirischen Psy-
»Von der Vernunft, als einem Vermögen der Seele zu chologie betreten, das nicht mehr zum Thema der drei
Ideen« (S. 133-141) und entspricht inhaltlich weitge- Kritiken Kants gehört. Hier werden zunächst die Begrif-
hend dem II. Abschnitt »Von den transzendentalen fe Begierde, Instinkt, Trieb, Neigung und Leidenschaft
Ideen« des ersten Buchs der transzendentalen Dialek- erörtert (S. 167-175). Sodann gehtjeweils ein Abschnitt
tik. Zunächst werden die Ideen als Begriffe bestimmt, zur Liebe, zur Eifersucht, zum Haß, zur Rachsucht, zum
denen kein Gegenstand in der Erfahrung entspricht, die Zorn, zu Stolz, Hochmut und Hoffart, schließlich zur
also transzendent sind. Dann werden sie als transzen- Eitelkeit.
dentale Begriffe der Vernunft hergeleitet. Deren Entste- Das Schlußkapitel handelt »Vom Sitze der Seele
hung wird wie folgt beschrieben: Die Vernunft »fügt zu und ihrer Verbindung mit dem Körper« (S. 207-216).
den Begriffen des Verstandes das Merkmal des unbe- Hier wird zunächst entwickelt, daß von der Seele keine
dingten, des unbeschränkten, und macht sie dadurch zu gesicherte Erkenntnis zu erlangen sei, »weil unser Er-
Ideen« (S. 140). Auf das »System der transzendentalen kenntnißvermögen nur auf die Erfahrung einge-
Ideen« wird nicht eingegangen; als Beispiel wird ledig- schränkt ist, und ein Geist den Gesetzen der Erfahrung
lich die Idee Gott und ihr Gegenteil, der Teufel, ange- wiederspricht« (S. 212). Dennoch könne nach aller Er-
sprochen. Am Ende des Abschnittes wird auf den Ge- fahrung das Gehirn als der » Theil des Körpers« be-
brauch der Ideen eingegangen: »Ihr Gebrauch besteht stimmt werden, »der den größten Antheil an den Wir-
in ihrer Anwendung auf Erfahrungskenntnisse. Die kungen der Seele hat« (S. 215).
Vernunft giebt nemlich durch ihre Ideen dem Verstande Der Anhang (neue Paginierung: S. 3-23) faßt in
eine Regel, nach welcher er die Erfahrungskenntnisse 39 kurzen Paragraphen die Hauptgrundsätze des Kanti-
ordnet. Der Gebrauch der Ideen in der Erfahrung ist ein schen Kritizismus zusammen, wobei inhaltlich eine
regulativer Gebrauch [ ... ]« (S. 141 ). Hiermit sind The- weitgehende Übereinstimmung mit den vorangegange-
sen aus dem Anhang zur transzendentalen Dialektik (B nen Dialogen besteht. Lediglichdie im vierten Kapitel
670ff.) übernommen. dargelegte Affektenlehre wird hier ausgelassen. Zudem
wird die Stellung des Kritizismus zwischen dem »Leib-
Der dritte Abschnitt lautet »Von der Vernunft als nitzianismus«, dem» Realismus« und dem» Idealismus
dem Vermögen zur Sittlichkeit, der praktischen Ver- und Fichtianismus« deutlicher bestimmt (S. 5 f.)
nunft, oder dem Willen« (S. 141-160). Mit ihm ist der
Bereich der Kritik der reinen Vemurift verlassen. Es
geht zunächst um die Unterscheidung von guten und Der Überblick über das Werk macht deut-
bösen Handlungen. Bei der moralischen Beurteilung lich, daß Kirsten nicht bloß eine Erläuterung des
der Handlungen gehe es nicht um die vor- oder nachtei- Kantischen Kritizismus liefern will, sondern zu-
1211 Sachschriften 1212

gleich auch ein Lehrbuch, das den traditionellen ich nur nöthig, die Begriffe so zu nehmen, und zu
Themenkanon einer Seelenlehre oder Psycholo- entwickeln wie sie der Sprachgebrauch bestimmt
gie abdeckt. Hieraus erklärt sich die Aufnahme hatte, um zu meinem Zwecke zu gelangen.«
von Themen, die von dem kritischen Neuansatz (S. III) E.
Kants nicht unmittelbar berührt werden und auch
nicht zum Gegenstand der Kritiken gehören. Dies
gilt insbesondere für die im vierten Kapitel vorge-
tragene Affektenlehre. Wenn Kirsten damit auf 1800/01
der einen Seite den Gegenstandsbereich der drei
Kritiken überschreitet, so beschränkt er sich auf
Kar/ Philipp Funke (1752-1807):
der anderen Seite darauf, nur die wichtigsten Lehrbuch zum Unterricht der Töchter
»Hauptresultate« der kritischen Lehren Kants vornämlich aus mitlern Ständen. 2 Bände.
vorzutragen. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Berlin 1800/01
Kritik der reinen Vernunft, ihre Lehre von Raum
und Zeit sowie deren Verstandeslehre. Bei der Funkes enzyklopädisches Lehrbuch wendet sich
Verstandeslehre beschränkt Kirsten sich auf eine an junge Mädchen aus den mittleren Ständen -
äußerst vereinfachte Wiedergabe der »transzen- d. h. die Töchter der wohlhabenden Bürger, der
dentalen Deduktion der reinen Verstandesbegrif- Künstler, Kaufleute und Gelehrten (s. S. XI)- im
fe«, des Nachweises also ihres subjektiven Ur- Alter von zwölf bis vierzehn oder fünfzehn Jah-
sprungs im menschlichen Gemüt. Während Kant ren. Im ersten Teil ist es für den Gebrauch der
diese Deduktion pauschal für alle Kategorien städtischen Töchterschulen bestimmt; der zweite
vornimmt, macht Kirsten aus der Deduktion zu- Teil, der den Nebentitel trägt »Anweisung für
gleich eine ausführliche Kategorienlehre. Alle Töchter mitlern Standes, sich ihrem künftigen Be-
weiteren Abschnitte der transzendentalen Analy- rufe gemäß, würdig zu bilden«, dient »in Fami-
tik bleiben dagegen von ihm unberücksichtigt. lien zum Privatgebrauch« (S. XV).
Die Kantische Vernunftlehre wird gleichfalls nur Die Enzyklopädie ist Bestandteil einer auf
in ihrem Ansatz erläutert. Während aber das Sy- mehrere Bände konzipierten Lehrbuchsammlung
stem der Kategorien ausführlich dargelegt wird, zum Gebrauch an Töchterschulen, deren Umrisse
bleibt das System der Ideen ganz und gar uner- Funke in der Vorrede des ersten Bandes entwik-
wähnt. Bemerkenswert ist zudem, daß die Resul- kelt: »In der ersten, oder Elementarklasse, wird
tate der transzendentalen Dialektik, die umfas- alles das gelehrt, was in Knabenschulen gelehrt zu
sende Kritik nämlich der abendländischen Meta- werden pflegt, und man bedarf dazu keines be-
physik, gar keinen Eingang in Kirstens Werk fin- sonderen Buchs« (S. XIII); für die zweite Klasse
den. Die kritische Bestimmung der Grenzen ist ein »zweckdienliches Lesebuch für Töchter-
menschlicher Erkenntnis wird im Schlußkapitel schulen« (ebd.) geplant; fürdie dritte Klasse wird
nur mit Bezug auf die Seele vorgenommen, nicht ein zweiteiliges Lesebuch für richtig erachtet,
aber hinsichtlich der weiteren Themen der Meta- »dessen Auszug« mit dem vorliegenden Werk
physik, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Ge- »den Schülerinnen als Leitfaden in die Hände ge-
genüber der Erkenntnislehre steht die Kantische geben wird«. Im ersten Teil wird versucht, »alle
Ethik bei Kirsten ganz am Rande; ihr wird nicht wissenschaftlichen Gegenstände in Beziehung
einmal ein Hauptkapitel gewidmet. Auf die Kritik auf diebesondern Verhältnisse und die zukünfti-
der Urteilskraft wird überhaupt kein Bezug ge- ge Bestimmung der Töchter vorzutragen und in
nommen. eben dieser Rücksicht weder zuviel, noch zu we-
Kirsten übernimmt nicht die von Kant ge- nig davon zu geben« (S. Xlllf.). Der zweite Teil
führten strengen Beweise für den transzendenta- enthält »eine Übersicht derjenigen Kenntnisse
len Charakter von Raum und Zeit wie der reinen und Fertigkeiten [ ... ], welche ein Mädchen aus
Verstandesbegriffe. Was an »Beweisen« geliefert dem gebildeten Bürgerstande theils als - im
wird, hat eher den Charakter von Veranschauli- Nothfall zu gebrauchende- Hülfsmittel eines an-
chungen und Plausibilitätsnachweisen. Bezüge ständig zu gewinnenden Unterhalts; theils als
zur und Auseinandersetzungen mit der philoso- nützliche Eigenschaften einer guten Hausfrau
phischen Tradition sind ganz weggelassen; zur sich erwerben muß. Ferner, eine ausführliche Be-
Veranschaulichung herangezogen sind bekannte lehrung über die dreyfachen Pflichten des Wei-
Tatsachen des Gemütes. Weil das Werk nicht nur bes: als Gattin, Hauswirthin und Mutter.«
in der Schule, sondern auch bei ))Geschäftsmän- (S. XIV) - Schließlich soll eine Chresthomathie
nern« Beifall finden solle, habe er »bey diesem oder »kleine Frauenzimmer-Bibliothek« erschei-
Versuche die systematische Form zu vermeiden nen mit einer Sammlung »der auserlesensten Stel-
gesucht, und die Beweise, die gegeben werden len aus den besten alten und neuen Schriften, zur
mußten, auf Thatsachen im Gemüthe gegründet, Bildung des Herzens, des Verstandes und des Ge-
oder sie aus einer Zergliederung bekannter und schmacks junger Frauenzimmer« (S. XV).
nicht widersprochenerBegriffe geführt. Oft hatte Die Notwendigkeit eines Lehrbuchs zum
1213 Funke, Lehrbuch, 1800/0l 1214

Unterricht für Töchter aus mittleren Ständen lei- zweite Abschnitt »Von Erlernung der deutschen Spra-
tet Funke aus zwei Umständen ab: l) Es sei Zeit, che« (S. 63-193) enthält neben einer Kurzgrammatik 38
»aus unserem Schlummer [zu] erwachen, und mit »Aufsätze zur Uebung in der deutschen Sprache, in der
Ernst an eine der Bestimmung des weiblichen Ge- Rechtschreibung und im Stil«. Da nach Funkes Mei-
nung »das Frauenzimmer«, das sich im Sprachunter-
schlechts angemeßne Ausbildung seiner Fähig- richt vornehmlich an Grammatikregeln geschult hat,
keiten und Kräfte [zu] denken« (S. X). Funke be- »leicht einen Anstrich von Pedanterie erhält« (S. 63),
grüßt daher das Aufkommen der Töchterschulen, empfiehlt er die sprachliche Schulung anhand von Auf-
auch wenn er keine Möglichkeit und Notwendig- sätzen, in die vom Lehrer ))absichtlich solche Fehler
keit sieht, die Kosten dafür dem »schon so sehr hineingelegt werden«, bei deren Korrektur die Schüle-
belasteten Staat [ ... ] zuzumuthen « (S. X). Als rinnen die grammatischen und stilistischen Hauptre-
Modell propagiert er die aus Privatmitteln errich- geln leicht erlernen können. Die Aufsätze haben kleine
tete dreiklassige Töchterschule der Stadt Hamm, Begebenheiten, Beschreibungen von Natur- und Kunst-
in der unter Aufsicht einer »Frau von unbeschol- produkten, Briefe, Verzeichnisse von Wirtschaftssa-
chen, Rechnungen und dergleichen zum Gegenstand.
tenem Ruf und von gebildetem Verstande« junge
Auch hier folgt ein Lösungsteil mit Fehlerkorrektur.
Mädchen von weiblichen Lehrkräften in haus-
Der Abschnitt )) Erdbeschreibung und Geschich-
wirtschaftlichen Disziplinen und von nebenamt- te« (S. 194-253) ist der einzige, bei dem Funke die ))Be-
lich tätigen Lehrern der Stadt- und Bürgerschulen ziehung auf die besonderen Verhältnisse [ ... ]der Töch-
in Schreiben, Rechnen, der deutschen Sprache ter« (S. XIII) nicht notwendig scheint, auch wenn ))eine
usw. unterrichtet würden (S. XI). solche Ausführlichkeit, deren die Söhne bedürfen, je-
2) Die besondere Bedeutung der Erziehung nen unnütz« (S. 194) sei. In der Beschreibung Deutsch-
der Töchter »aus mitlern Ständen« ergibt sich für lands wird ein besonderes Gewicht auf die Reformation
Funke aus der Tatsache, daß sich zwar die Söhne gelegt sowie auf die politische Gliederung des Deut-
aus den mittleren Ständen mit den Wissenschaf- schen Reiches. Andere europäische Länder werden
ten, Künsten und »edlem Gewerben« beschäfti- knapp unter geographischen und historischen Aspekten
abgehandelt, die übrigen Erdteile sind nur sehr kurz be-
gen könnten, für die Töchter aber die Lehranstal- schrieben, gefolgt von einer Erklärung wichtiger geo-
ten nicht zugänglich seien, wodurch sie, »wenn graphischer Grundbegriffe.
nicht ein guter häuslicher Unterricht ihnen zu Die ))Kenntniß der vornehmsten Natur- und
Hülfe kommt, oder wenn nicht eigne zweckmäßi- Kunstproducte, oder das Gemeinnützigste aus der Na-
ge Schulen für sie da sind, nothwendig hinter den turgeschichte« (S. 253-278) konzentriert sich auf solche
Söhnen in der Aufklärung des Verstandes weitzu- Gegenstände, die einer Hausfrau und Wirtschafterin zu
rückbleiben müssen. Diese ungleiche Kultur des kennen nützlich sind. Tierreich, Gewächse und Minera-
männlichen und weiblichen Geschlechts im Mit- lien werden unter dem Gesichtspunkt ihrer Verwertbar-
telstande kann keinen andem, als nachtheiligen keit für das tägliche Leben abgehandelt (Nahrung, Klei-
Einfluß auf die Ehen desselben haben, und die dung, Wohnung, Krankheit, Bequemlichkeit und Ver-
gnügen). Die)) Erklärung merkwürdiger Erscheinungen
Schuld der mißvergnügten Ehen wird hier, in der
in der Natur, oder das Wissenswürdigste aus der Natur-
Regel, den Frauen beizumessen sein.« (S. 4) lehre« (S. 279-293) zielt auf die Beseitigung vor ))Unnö-
Durch ihre Unwissenheit sei die Frau zu einer thiger Furcht und schädlichem Aberglauben« (S. 179),
traurigen Gesellschafterin ihres Gatten und zu ei- indem sie die Ursachen für Gewitter, Irrlichter, Nebel
ner ungeschickten Haushälterin vorherbestimmt usw. beschreibt. Daran angeschlossen ist eine kurze
Dies sei ein besonderes Problem gerade der mitt- Lehre von den Weltkörpern.
leren Stände, da in den höheren Ständen Töchter Der Abschnitt ))VOn dem Menschen« (S. 293-316)
und Söhne »mehrentheils gleich sorgfältig erzo- beschäftigt sich mit dem menschlichen Körperbau, mit
gen« würden, in den niederen Ständen die Erzie- der Diagnose und Behandlung von Krankheiten, mit
hung beider Geschlechter aber »gleich mangel- der Behandlung von Unglücksfällen wie Verbrennun-
haft« sei (ebd.), weshalb diese Widersprüche in gen, Vergiftungen usw., sowie mit den Sinneswerkzeu-
gen und dem rechten Gebrauch der Sinne. In der Sitten-
den anderen Schichten nicht vorhanden seien. lehre (S. 316-321) werden die wichtigsten)) Pflichtenge-
Die Unterrichtung der Mädchen aus mittle- gensich selbst« (Sorge für die Gesundheit und den Le-
ren Ständen erfordert nach Funkes Auffassung benserhalt;.Ausbildung des Verstandes durch gemein-
auch ein gesondertes Lehrbuch, da zwar einige nützige Kenntnisse; frühe Gewöhnung zu häuslichen
Elementarkenntnisse wie Lesen, Schreiben und Tugenden; Erwerb nützlicher Geschicklichkeiten und
Rechnen im Gemeinschaftsunterricht vermittelt Erhaltung eines guten Namens) und gegen andere ver-
werden könnten, andere Unterrichtsgegenstände mittelt (Gerechtigkeit und Menschenliebe). Der letzte
wie etwa die Morallehre aber einer gewissen Mo- Abschnitt (S. 321-326) enthält Benimm- und Anstands-
difizierung bedürften bzw. nur für den Unterricht regeln sowie Regeln der Lebensklugheit.
für Mädchen sinnvoll seien. Der 2. Teil des Lehrbuchs besteht aus einer Unter-
weisung in den ))nützlichen Künsten und Geschicklich-
Der 1. Teil ist in acht Abschnitte gegliedert. Erbe- keiten, die ein Mädchen mittleren Standes erlernen
ginnt mit 21 » Rechnungsaufgaben für geübtere Schüle- soll« (S. 1-164) und einem kurzen Anhang ))Schilde-
rinnen«. Die Übungen sind z.T. in moralische Beispiel- rung einiger musterhafter Frauen, aus dem wirklichen
geschichten oder praktische Ratschläge für die Haus- Leben genommen und zur Nachahmung aufgestellt«
wirtschaft eingekleidet; es folgt ein LösungsteiL Der (S. 165-191 ). Ausführlich beschreibt Funke die »prakti-
1215 Sachschriften 1216

sehen Kenntnisse, nützlichen Fertigkeiten und Pflich- der Zanksucht u. a. Zu den )) Pflichten der Hausfrau«
ten der zu ihrer Bestimmung sich unmittelbar vorberei- zählt er das sparsame Wirtschaften, die Vorratshaltung,
tenden reifem weiblichen Jugend« (Vorrede Bd. 2), u. a. die Aufsicht über die Küche, den gesamten Haushalt
Spinnen, Stricken (allein dieser Teil umfaßt mehr als 20 und das Gesinde. Die Regeln für das Verhalten der
Seiten), Nähen, Sticken, Zeichnen und Malen als not- Hausfrau gegenüber den Bediensteten laufen in der
wendige Voraussetzungen für das Sticken, Lebensmit- Forderung zusammen: ))Siehe deine Dienstboten wie
telkunde, Kochen, Backen, Besorgen der Wäsche, Ver- deine Mitmenschen an« (S. 135). Der Abschnitt
fertigung von Seife und Kerzen. In dem Abschnitt über ))Pflichten der Mutter« enthält Anweisungen zur Säug-
die ))Pflichten der Gattin«, die in dem Bestreben mün- lingspflege und zur Pflege des kranken Kindes.
den sollen, ))die Liebe ihres Gatten mehr und mehr zu Im Anhang werden vier Frauen aus den mittleren
gewinnen und zu erhalten« (S. I 09), warnt der Verfasser Ständen, die ihre Ptlichten als Gattinnen, Hausfrauen
vor den größten Fehlern gegenüber dem Ehemanne: vor und Mütter auf vorbildliche Weise nachkommen, als
dem Versuch, ihn durch steten Druck an sich zu binden, Beispiele weiblicher Tugendgröße geschildert. 0. B.
der Herrschsucht, der Vernachlässigung des Äußeren,
Autorenbiographien

Johann Christoph Adelung (1732-1806): Sprachfor- Johann Baibach (1757-1820): Katechet bei St. Peter in
scher, Lexikograph, Journalist und Übersetzer; geb. in Nümberg und Prediger des Hospitals zum Heiligen
Spantekow bei Anklarn (Pommern), gest. in Dresden. Geist in Nürnberg. Schriftstellerisch vor allem als Über-
Nach dem Studium in Halle Gymnasiallehrer in Erfurt, setzer englisch- und französischsprachiger Reiselitera-
dann Bibliothekar in Gotha. Seit 1763 freier Schriftstel- tur tätig. 1784 Herausgeber von Lady Montagues neu-
ler und Redakteur in Leipzig, u. a. Herausgeber des ere Briefe an verschiedene ihrer Freunde, nebst Popens
Leipziger Wochenblatts für Kinder (1772-1774) und Briefe an diese Dame. Weitere Schriften: Arthur Phif-
Redakteur der Leipziger Gelehrten Zeitung (1775-86). lips Reise nach Neu-Süd- Wales und der Botany-Bay
Seit 1787 Oberbibliothekar an der Kurfürstlichen Bi- ( 1791 ), Die Periode des Jünglings ist die glücklichste des
bliothek in Dresden. Bekannt vor allem sein Versuch ei- Menschenalters (1778) und Teutsche Chrestomathie
nes vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs zum Übersetzen in das Englische ( 1782).
der hochdeutschen Mundart mit beständiger Verglei- Siehe Sp. 1267
chung der oberdeutschen ( 1774-86) mit etymologi-
schen, sprachhistorischen und semantischen Erläute-
rungen.
Fran~ois Raratier ( 1682-1 7 51): Prediger und Erzieher;
Siehe Sp. 870, 991
geb. in Romans in der Unter-Dauphine, gest. in Halle;
verließ Frankreich mit den Hugenotten und besuchte in
Christian Carl Andre (1763-1831): Schriftsteller, Pu- Lausanne die Schule; kam 1699 nach Berlin und wurde
blizist und Ökonom. Geb. in Hildburghausen, gest. in 1718 Feldprediger, 1719 Prediger in Wilhelmsdorf, an-
Stuttgart. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft, schließend in Schwobach; erhielt 17 3 5 von Friedrich
der Pädagogik und Musik Tätigkeit als Sekretär und Rat Wilhelm I. den Auftrag, Prädikator (Prediger) an der
im Fürstentum Waldeck. 1782 Gründung eines Erzie- französischen Kirche zu Halle und Oberaufseher über
hungsinstitutes in Arolsen nach dem Muster des Salz- alle französischen Kirchen im Magdeburgischen zu
mannseben Instituts in Schnepfenthal. Ab 1785 selbst werden; Baratier erzog und unterrichtete seinen Sohn
Lehrer in Schnepfenthai und ab 1790 Leiter eines Mäd- Philipp selbst, der als Wunderkind berühmt wurde; er
cheninstituts in Gotha, ab 1794 in gleicher Funktion in erläuterte seine Methode in der Schrift Merkwürdige
Eisenach. Gemeinsam mit R. Z. Becker 1791 Gründung Nachricht von einem sehr frühzeitig gelehrten Kinde
des Allgemeinen Reichsanzeigers. 1798 vorübergehend undjetzt vierzehnjährigen Magistro (1735).
Direktor der evangelischen Schule in Brünn; dort auch Siehe Sp. 654
Tätigkeit als Sekretär der kaiserlich-mährischen Gesell-
schaft zur Förderung des Ackerbaus; 1812 fürstlich
Salmscher Wirtschaftsrat und 1817 Assessor des Geor-
Johann Bernhard Basedow (1724-1790): Pädagoge,
gicons zu Kaszthely in Ungarn. 1822 Übersiedlung nach
Stuttgart und dort Tätigkeit als Sekretär bei der Zentral- Theologe und Publizist; geb. in Hamburg; Besuch des
stelle des landwirtschaftlichen Vereins für Ausbreitung Gymnasiums in Harnburg (Lehreru. a. S. Reimarus und
gemeinnütziger Kenntnisse und als Redakteur der M. Richey); 1746 Studium der Theologie in Leipzig,
Landwirtschaftlichen Zeitschrift in Stuttgart. 1747 Rückkehr nach Hamburg, Selbststudium; 1749
Siehe Sp. 338 Hauslehrer der Familie Quaalen in Borghorst (Hol-
stein); 1752 Magisterexamen in Kiel; 1753 Professor
der Moral und der schönen Wissenschaften an der Rit-
Carl Friedrich Bahrdt (1741-1792): Theologe, Pädago- terakademie in Soröe (Dänemark), theologische Vorle-
ge und Schriftsteller; mit 16 Jahren Studium der Theolo- sungen; 17 61 Tätigkeit am Gymnasium in Altona, dort
gie in Leipzig, vier Jahre später Doktor der Philosophie theologische Auseinandersetzungen mit der Orthodo-
und mit 25 Jahren außerordentlicher Professor der xie; 1768 Begründung des Philanthropinismus durch
geistlichen Philologie. Professor der biblischen Altertü- seine Schrift Vorstellung an Menschenfreunde und ver-
mer in Erfurt, Prediger und Professor der Theologie in mögende Männer über Schulen, Studien und ihren Ein-
Gießen (auf Empfehlung Semlers und mit Hilfe eines fluß in die öffentliche Wohlfahrt, 1770 Veröffentlichung
Gutachtens von Ernesti), Direktor des Philanthropins des Methodenbuchs für Väter und Mütter der Familien
in Marschiins in Graubünden (auf Empfehlung Base- und Völker sowie des Elementarbuchs für die Jugend,
dows), Superintendent in Dürkheim und Leiterder Phil- das 1774 völlig überarbeitet als vierhändiges Elementar-
anthropins zu Heidesheim; 1778 Suspendierung von al- werk erscheint; 1771 Berufung durch Fürst Leopold
len geistlichen Ämtern durch ein Reichshofratsconclu- Friedrich Franz von Anhalt-Dessau zur Gründung einer
sum wegen seiner Übersetzung des Neuen Testaments; Musterschule nach Dessau; 1774 Eröffnung des Philan-
Zuflucht in Preußen, wo er unter dem Schutze des Mini- thropins in Dessau, zu dessen Mitarbeitern u. a. Salz-
sters Zedlitz in Halle als Schriftsteller und Privatdozent mann, Campe, Wolke und Trapp gehören; 1778 Ent-
lebte. Gründung der Deutschen Union, einer Freimau- bindung von der Leitung des Philanthropins; 17 80 Auf-
rerloge; ein Jahr Festungshaft in Magdeburg aufgrund gabe der Lehrtätigkeit; Reisetätigkeit, zeitweilig Unter-
seines gegen das Wöllner-Edikt gerichteten Lustspiels; richt in Magdeburg, vor allem jedoch publizistisch tätig;
lebte bis zu seinem Tode in der Nähe von Halle. Verfas- Verfasser bedeutender pädagogischer Werke und
ser von religiösen und pädagogischen Schriften. Schriften für Kinder und Jugendliche.
Siehe Sp. 786 Siehe Sp. 693,821,882,961,969,984
1219 Autorenbiographien 1220

Joseph Anton Ignaz Edler von Baumeister (I 750 - den er 1802 wieder verläßt, entfaltet er Aktivitäten im
1819): Schriftsteller und Erzieher der Österreichischen Industrie- und Verlagswesen: 1790 Gründung des Wei-
kaiserlichen Prinzen Ludwig und Rudolph; geb. und marsehen Landesindustriecomptoirs. Er entwickelt sich
gest. in Wien; Studium der Rechte, später als Jugend- zu einem der angesehensten Buchhändler und Verleger
schriftsteller tätig; erhielt 1782 das Privileg zur Errich- seiner Zeit. Herausgeber zahlreicher bedeutender Zeit-
tung einer Druckerei; 1792 von Kaiser Franz I. mit der schriften.
Erziehung seiner jüngeren Brüder beauftragt; 1808 zum Siehe Sp. 338, 391
k. k. Regierungsrat ernannt.
Siehe Sp. 1153
Bemhard Heinrich Blasehe (1766-1832): Pädagoge;
geb. in Jena, dort ab 1783 Studium der Theologie;
Rudolph Zacharias Becker (1752-1822): Volksschrift- 1796-1810 Lehrer an der Salzmannsehen Erziehungs-
steller, Publizist und Verleger. Geb. in Erfurt, gest. in anstalt in Schnepfenthal, Unterricht in Handarbeiten;
Gotha. Studierte von 1770-73 nach dem Besuch des im Zusammenhang damit entstehen Der Papparbeiter
Ratsgymnasiums in Erfurt zunächst in Erfurt, dann in ( 1797), Der technologische Jugendfreund ( 1804 ff.) und
Jena vor allem Theologie und Schulwissenschaften; die Werkstätte der Kinder(I800-02); danach in Unter-
nach Abbruch des Studiums bis 1782 Hofmeister bei der Wirbachbei Saalfeld tätig; 1820 Umzug nach Walters-
Familie von Dacheröden in Klettenberg (Harzvorland). hausen bei Gotha; dort ausschließlich philosophische
Verfasser der von der Berliner Akademie preisgekrön- Studien, von Schelling beeinflußt; Verfasser von päda-
ten Schrift: Kann irgend eine Art von Täuschung dem gogischen (Handbuch der Erziehungswissenschaft,
Volke zuträglich sein[ . .. ](1780, dt. 1781); ging sodann 1822-23) und philosophischen Schriften (u. a. Philoso-
als Lehrer und Journalist an das Dessauer Philanthro- phie der Offenbarung, 1829); starb als Schwarzburg-ru-
pin, wo er die Dessische Zeitung fiir die Jugend und ihre dolfstädtischer Educationsrath in Waltershausen.
Freunde herausgab; projektierte gemeinsam mit Salz- Siehe Sp. 1189
mann die Gründung der Erziehungsanstalt Schnepfen-
thai, zog sichjedoch von diesem Vorhaben zurück; sie-
delte 1784 nach Gotha um und begründete hier die Johann Jakob Bodmer ( 1698-1783): Schweizer Histori-
Deutsche Zeitung. Berühmt wurde er vor allem durch ker, Literaturkritikerund Schriftsteller; geb. in Greifen-
sein Volksschriftensystem, in dessen Mittelpunkt das see bei Zürich, gest. auf Gut Schönenberg bei Zürich;
Noth- und Hülfsbüchlein fiir Bauersleute (1788) steht, kaufmännische Ausbildung; Studium der Theologie,
mit dem er zu einer der Schlüsselfiguren der Volksauf- später Professor für schweizerische Geschichte und Po-
klärung wurde. Bedeutsam ist auch seine publizistische litik am Zürcher Gymnasium; als überzeugter Republi-
Leistung- u. a. rief er mit dem Reichs-Anzeiger(gegrün- kaner seit 1737 Mitglied des Großen Raths von Zürich;
det 1791 u. d. T. Der Anzeiger) das erste deutsche Anzei- Lehrer, Fördererund Freund u. a. von Klopstock, Wie-
genblatt ins Leben - sowie seine verlagsbuchhändleri- land, Lavater und Pestalozzi; nimmt zusammen mit
sche Tätigkeit, die ganz im Dienste der Volksaufklärung Breitinger Stellung zu grundsätzlichen Fragen der Poe-
stand. Sein Mildheimisches Liederbuch ( 1799) erlangte tik, v. a. in Auseinandersetzung mit Gottsched, dessen
in seiner 1815 erweiterten und auf den bürgerlichen Lie- Eintreten für die klassischen Normen der französischen
derfreund abgestimmten Fassung bis weit in das 19. Literatur als pedantisch kritisiert wird; dabei beeinflußt
Jahrhundert hinein große Beliebtheit. von der englischen Literatur und deren Erhebung der
Siehe Sp. 293 Phantasie, der Einbildungskraft, des Wunderbaren und
der Nachahmung der Natur zu den wesentlichen Ele-
menten der Dichtkunst; zusammen mit Breitinger Her-
Johann Lorenz Benzier (1747-1817): Redakteur, Bi- ausgabe der Discourse der Mahlern ( 1721-23); wichtige
bliothekar und Schriftsteller; geb. in Lemgo, gest. in Arbeiten zur mittelhochdeutschen Dichtung, u. a. Her-
Wernigerode; 1767 Studium an der Universität Leipzig, ausgabe des Nibelungenlieds; eigene Dichtungen (Dra-
wo er v.a. bei Geliert hörte; Freundschaft mit Gleim, men, Gedichte, Epen mit biblischer Thematik) mit nur
Briefwechsel u. a. mit Herder, Lessing, Wieland, Klop- sehr geringem Erfolg; als Verehrer Rousseaus und sei-
stock, Voß und Claudius; kurzfristige Unterrichtstätig- ner Erziehungsideen Verfasser mehrerer Schriften für
keit am Philanthropin in Dessau, sodann leitender Re- den Schulgebrauch, v. a. zur Schweizer Geschichte;
dakteur der Helwingschen Buchhandlung in Detmold, Hauptwerke: Von dem Eirifluß und Gebrauche der Ein-
Postmeister in Lemgo und schließlich seit 1783 als Bi- bildungskraft ( 1727), Critische Abhandlung von dem
bliothekar des Grafen Chr. Fr. zu Stolberg in Werni- Wunderbaren in der Poesie (1740), Critische Betrach-
gerode tätig. Übersetzer bedeutender Werke aus dem tungen über die Poetischen Gemählde der Dichter
Griechischen, Italienischen, Französischen und Engli- (1741).
schen, Verfasser der Fabeln fiir Kinder (Lemgo 1770) Siehe Sp. 119,958
und Herausgeber des Niedersächsischen Wochenblattes
fzir Kinder(Hannover 1774-1776).
Siehe Sp. 124 Christian Gottfried Böckh (1732-1792): geb. in Mem-
mingen, gest. in Nördlingen; Sohn eines Predigers; be-
suchte das Gymnasium in Nördlingen, anschließend
Friedrich Johann Justin Hertuch (1747-1822): Schrift- Studium in Jena; zunächst Hofmeister, sodann Pfarrer
steller und Verleger in Weimar. Geboren in Weimar. in Waldhausen, 1762 Rektor in Eßlingen, 1772 Diakon
Nach dem Studium der Rechte und der Theologie zu- in Nörd1ingen. Verfasser zahlreicher Schriften für Kin-
nächst Hauslehrer bei dem Freiherrn Bachoffvon Echt. der und Jugendliche und Herausgeber der Allgemeinen
Spanisch-Studien, Übersetzung u. a. von Cervantes' Bibliothek fiir das Schul- und Erziehungswesen in
»Don Quijote«. Ab 1775 herzoglicher Beamter in Wei- Deutschland ( 1773-1786).
mar, seit 1786 Legationsrat. Neben seinem Staatsdienst, Siehe Sp. 108
1221 Autorenbiographien 1222

Anton Friedrich Büsehing (1724-1793): luth. Theologe in die Schweiz; 1786 Berufung zum braunschweigisch-
und Geograph; geb. in Stadthagen (Schaumburg-Lip- lüneburgischen Schulrat durch Herzog Kar! Wilhelm
pe), gest. in Berlin. Nach dem Studium der Theologie von Braunschweig; Mitglied des Schuldirektoriums,
1744-1747 in Halle warB. Hauslehrerbeim Grafen Ly- dem auch Trapp und Stuve angehörten und das 1790
nar, den er nach Petersburg begleitete. Nach der Rück- wieder aufgelöst wurde; 1787 Übernahme der Schul-
kehr 1750 begann er seine Große Erdbeschreibung, von buchhandlung des Waisenhauses, die er als ))Braun-
der er Teil 1-11 (Hamburg 17 54-1792, 8 Auflagen, in schweigische Schulbuchhandlung« weiterführte und
mehrere Sprachen übersetzt und von Sprengel, Wahl, 1808 seinem Schwiegersohn Vieweg übergab; 1787 Be-
Hartmann und Ebeling fortgesetzt) selbst verfaßte. 1754 rufung zum Canonicus des Cyrianus-Stiftes, dessen De-
wurde B. ao. Prof. der Philosophie und Adjunkt der chant er 1805 wurde; 1789 Reise in das revolutionäre
Theologischen Fakultät, 1759 o. Prof. der Philosophie Paris in Begleitung Wilhelm v. Humboldts; Ehrenbür-
in Göttingen. Ab 1761 war er Pfarrer der lutherischen gerbrief der Französischen Republik; intensive Be-
Gemeinde in Petersburg, 1766 ging er nach Berlin als schäftigung mit Sprachforschung; Herausgabe mehre-
Oberkonsistorialrat und Direktor des Gymnasiums zum rer Lexika; 1802 Reise nach England und Frankreich;
Grauen Kloster. B. gilt als Begründer einer wissen- 1807 als Deputierter des Königreichs Westfalen in Kas-
schaftlichen politisch-statistischen Geographie. Als sel; zunehmende Krankheit; 1805, 1810, und 1814 ver-
aufgeklärter Theologe trat er u. a. als Gegner des Wöll- schiedene Badereisen u. a. nach Karlsbad, wo er mit
nerschen Religionsedikts hervor. Goethe zusammentraf.
Büschings insgesamt über hundert Schriften behandeln Siehe Sp. 196, 215, 323, 367, 561, 593, 625, 638, 791,
größtenteils geographische, daneben theologische, hi- 854,1050,1093
storische, naturgeschichtliche, pädagogische und ande-
re Themen. In seinem Gesamtwerk finden sich einige
De La Chetardye (Lebensdaten nicht ermittelt): Fran-
naturkundliche Jugendschriften, ferner Grundsätze der
zösischer Schriftsteller. Starb zu Beginn des 18. Jahr-
allgemeinen Haushaltungswissenschaft, zum Nutzen
hunderts. Verfaßte Instructions pour unjeune seigneur,
der Jugend entworfen, 1776.
ou /'idee d'un galant homme(Paris 1700) sowie ein Jahr
Siehe Sp. I 007
später Instructions pour une jeune princesse, ou idee
d'une honnete femme.
Johann Albrecht Burk (1747-1783): Vikar in Lustnau Siehe Sp. 506
bei Tübingen und Pfarrer zu Grafenberg im Württem-
bergischen; geb. 1747 in Bolheim als Sohn des Schrift-
stellers und praktischen Theologen Phitipp David Burk Georg Carl Claudius (1757-1815): Schriftsteller und
( 1714-1770), der als Schüler von Johann Albrecht Ben- Privatgelehrter. Geb. in Zschoppau, gest. in Leipzig.
gel ( 1687-17 52) zu den Mitbegründern des württember- Nach dem Studium Niederlassung in Leipzig. Dort als
gischen Pietismus gehörte; neben einer Biographie sei- belletristischer Schriftsteller und vor allem als Kinder-
nes Vaters Leben Philipp David Burk's, Tübingen 1771, buchautor tätig. Zahlreiche Schriften erschienen unter
Verfasser religiöser Schriften für Erwachsene und Kin- dem bisweilen von ihm verwendeten Pseudonym
der, die in der Tradition Bengels stehen, u. a. Taschen- )) Franz Ehrenberg«. 1782-84 erschien sein Kinderthea-
büch/einfor Hausväter und Hausmütter,for ihre Kinder ter in 2 Teilen, 1789-92 Der Laubthaler ebenfalls in 2
und for Dienstboten auf dem Lande, Tübingen 1773. Teilen, 1780-1802 Unterhaltungen, 1792-99 Justus
Siehe Sp. 719 Grafvon Ortenburg. Herausgeber des Taschenbuchsfor
Frauenzimmer ( 1786-1816).
Siehe Sp. 279,374
Gottlob Wilhelm Burmann (1737-1805): Schriftsteller;
geb. in Lauban/Oberlausitz, gest. in Berlin. Seit 1758
Studium der Rechte in Frankfurt; später als Literat in Anselm Desing (1699-1773): geb. in Amberg; Benedik-
Berlin tätig, wo er zeitweilig die Spenersche Zeitung re- tiner des Stiftes Ensdorf in der Oberpfa1z, seit 1718 dem
digierte. Verfasser von Fabeln, Erzählungen, Liedern Orden zugehörig, wurde zuletzt Abt des Klosters, blieb
und Sinngedichten. Herausgeber der Wochenschrift es bis zu seinem Tod; Lehrer und Gelehrter; setzte sich
Für Litteratur und Herz (1775). in seinen Schriften u.a. mit dem Naturrecht (H. Gro-
Siehe Sp. 187 tius)und der Wolffschen Philosophie auseinander; Ver-
fasser mehrerer geographischer, historischer und latei-
Joachim Heinrich Campe (1746-1818): Geb. in Deen- nischer Schulschriften.
sen bei Stadtaidendorf im Braunschweigischen; Besuch Siehe Sp. 951
der Klosterschule in Holzminden; ab 1765 Studium der
Theologie in Helmstedt; ab 1769 Hauslehrer in der Fa- Johann Jacob Ebert (1737-1805): Gelehrter und
milie v. Humboldt in Berlin; 1773 Übernahme einer Schriftsteller; geb. in Breslau; 17 56 Studium in Leipzig,
Feldpredigerstelle in Potsdam; ab 1775 erneut im Haus 1760 Magister, Lehrtätigkeit; 1768 Hofmeister bei den
Humboldt als Erzieher der beiden Söhne Alexander Kindem des russischen Ministers Teplof in Sankt Pe-
und Wilhelm; 1776 Berufung zum)) Edukationsrat« an tersburg; 1769 Professor der Mathematik in Witten-
das Dessauer Philanthropin durch Basedow; Mitkura- berg, mathematische und philosophische Vorlesungen,
tor und Leiter des Erziehungsinstituts nach Basedows Leitung des pädagog. Seminars; Verfasser mehrerer
Rücktritt; I 777 Abschied vom Dessauer Institut auf- mathematischer und philosophischer Lehrbücher, von
grund interner Auseinandersetzungen; anschließend in Romanen und Erzählungen sowie belletristischen Zeit-
Hamburg, wo er die Erziehung von 12 Kindem über- schriften und Wochenschriften für Jugendliche (Fidi-
nimmt und sich publizistischen Tätigkeiten widmet; bus, Tapeten, Sammlung kleiner Romane und morali-
1783 zieht er sich mit nur noch 4 Zöglingen nach Trittau, scher Erzählungen).
einem Dorfnördlich von Hamburg, zurück; 1785 Reise SieheSp.463, 1010
1223 Autorenbiographien 1224

Karl von Eckartshausen (1752-1803): Hofrat, Bücher- Saint-Evremond, Charles de Marguetel de Saint-Denis
zensor, Schrifsteller; geb. auf Schloß Haimhausen als ( 161 0-1703): Französischer Schriftsteller. Sohn aus al-
uneheliches Kind des Grafen Karl von Haimhausen, tem normannischen Adelsgeschlecht Geb. bei Cou-
gest. in München; Studium der Philosophie, Physik und tances. Nach absolviertem Jurastudium seit 1629 Offi-
Rechtswissenschaften in Ingolstadt, ab 1776 Hofrat, als zier in französischen Diensten. Nach Kritik an Mazarin,
welcher er sich dem Gerichtswesen widmete, später dem Nachfolger Richelieus, infolge drohender Verhaf-
Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaf- tung 1662 Emigration nach London, wo er- abgesehen
ten, Bücherzensor und Geheimer Hausarchivar. Zu- von einem 6monatigen Aufenthalt im Haag- bis zu sei-
nächst Mitglied des bayerischen Illuminatenordens, nem Tode lebte.
spielte er seit 1784 eine entscheidende Rolle bei der Ver- Siehe Sp. 506
folgung der Illuminaten; verstand sich als Vertreter ei-
ner neuen oder »wahren« Aufklärung; nahm zwar
Johann Ludwig Ewald (1747-1822): Erzieher, Prediger,
Ideen der Aufklärung auf, war aber zugleich stark anti-
Kirchen- und Ministerialrat; geb. in Dreieichenhain bei
aufklärerisch und politisch konservativ eingestellt. Sei-
Offenbach, gest. in Karlsruhe. Studium der reformier-
ne Hinwendung zu christlicher Theosophie, zu Magie
ten Theologie in Marburg, Lehrer und Erzieher der jün-
und Okkultismus (seit 1788) macht ihn zum Träger vor-
geren Prinzen von Hessen-Philipsthal, Hofprediger,
romantischer Ideen. Verfasser von Arbeiten aus dem
Konsistorialrat und Superintendent in Detmold. Weite-
Bereich des Gerichtswesens, politischen Reden, Roma-
re Stationen seines Lebens waren Marburg (Professor
nen und Schauspielen, moralischen Erzählungen sowie
der Philosophie am dortigen Lyzeum), Heidelberg (Pro-
erbaulichen und mystisch-religiösen Schriften.
fessor der Moral, Kirchenrat und Direktor des Epho-
Siehe Sp. 412
rats) und Kalrsruhe (Kirchen- und Ministerialrat). Ver-
fasser einer Vielzahl von Schriften, und zwar überwie-
gend zu theologischen, moralischen und pädagogischen
Johann Jakob Engel (1741-1802): Engel, Sohn eines
Themen. Daneben äußerte er sich auch zu philosophi-
Predigers, erhielt seine Ausbildung zunächstin seinem
schen und politischen Fragen, z. B. zur französischen
Geburtsort Parchim und wurde anschließend von sei-
nem Onkel, einem Professor der Philosophie, auf den Revolution, der er ablehnend gegenüberstand. - Be-
Besuch der Universität vorbereitet. 1757 Studium der schäftigung mit Kant, Herder und Fichte. Besuch bei
Pestalozzi in der Schweiz (1804), dessen Pädagogik er
Theologie in Rostock, wechselte im Jahre 1762 auf die
neugegründete Universität in Bützow über; widmete später in öffentlichen Vorlesungen für Mütter und Leh-
sich philosophischen, mathematischen und physikali- rerinnen zu verbreiten suchte.
Siehe Sp. 659
schen Wissenschaften und promovierte zum Dr. phil.
1765 ging er nach Leipzig, wo er von Privatunterricht,
öffentlichen Vorlesungen und schriftstellerischen Ar- Johann Ernst Ehregott Fabri (1755-1825): Geograph;
beiten lebte. In dieser Zeit entstanden verschiedene geb. in Öls (Schlesien), gest. in Erlangen; 1776 Studium
Schauspiele, u. a. Der dankbare Sohn (1770) und Der der Theologie in Halle, 1781-86 Privatdozent u. a. für
Edelknabe ( 1772) sowie Übersetzungen philosophi- Geographie; geographische Studien in Göttingen und
scher Werke. Während seiner Leipziger Zeit hielt Engel Berlin; 1786 unbesoldeter außerordentlicher Professor
freundschaftlichen und literarischen Kontakt mit Chri- der Geographie und Statistik in Jena; 1794-1804 Lei-
stian Felix Weiße und mit Garve. 1776 nahm er eine tung der Realzeitung in Erlangen, dort unbesoldeter au-
Professur am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin ßerordentlicher, später ordentlicher Professor, ab 1815
an. 1787-1790 Oberdirektor des Hof- und National- besoldeter Professor.
theaters zu Berlin. Später privatisierend. Siehe Sp. I057
Siehe Sp. 113
Jakob Friedrich Feddersen ( 1736-1788): Evangelischer
Theologe und Pädagoge; geb. in Schleswig, gest. in Al-
Magdalene Philippine Engelhard (1756-1831): deut-
tona; Theologiestudium in Jena, ab 1760 Cabinetspre-
sche Lyrikerin. Geb. in Nümberg, gest. in Blankenburg
diger des Herzogs von Holstein-Augustenburg, 1765
(Harz). Tochter des Göttinger Historikers Johann Chri-
Pfarrer der ev.-luth. Gemeinden zu Ballenstädt, Bern-
stoph Gatterer, verheiratet mit dem Kriegssekretär Jo-
burg und Harzrode, zugleich Hofprediger der Fürstin
hann Philipp Engelhard. Ab 1776 Veröffentlichung von
von Anhalt. 1769 wurde F. dritter Prediger an der Jo-
zumeist empfindsamen Gedichten in den Vossischen
hanneskirche zu Magdeburg, 1777 Domprediger und
und Göttinger Musenalmanachen (unter verschiedenen
1785 Hofprediger zu Braunschweig. 1788 Ernennung
Decknamen). Werke: Gedichte(l778, mit Kupfern von
zum dänischen Konsistorialrat und gleichzeitig Probst
Chodowiecki); Zweite Sammlung 1782, Dritte Samm-
der Kirchen und Inspektor der Schulen zu Altona, Herr-
lung (auch unter dem Titel Neue Gedichte) 1821, Beran-
gers Lieder ( 1830). schaft Pinneberg, sowie Gymnasiarch des Christianums
und Ephorus des königlichen Pädagogiums zu Altona.-
Siehe Sp. 348
Verfasser zahlreicher religiös-moralischer Schriften für
Kinder. »Seine Lehre Jesu fiir Kinder und seine Lehr-
Johann Heinrich Martin Ernesti (1755-1836): Pädago- reichen Erzählungen aus der biblischen Geschichte in
ge und ordentlicher Professor. Geb. in Millwitz bei Kro- wiederholten Auflagen fanden besonders zu seiner Zeit
nach, gest. in Koburg. Seit 1784 erst außerordentlicher, die größte Anerkennung« (J. Franck; ADB).
dann ordentlicher Professor in Koburg. Dort auch Tä- Siehe Sp. 732
tigkeit als Consistorialrat. Verfasser zahlreicher Schul-
bücher sowie Kinder- und Jugendschriften. Johann Georg Heinrich Feder (1740-1821): geb. in
Siehe Sp. 571 Schamweisach b. Bayreuth, gest. in Hannover; 1757
1225 Autorenbiographien 1226

Studium der Philosophie und Pädagogik in Erlangen; mit seiner Cousine Justina Elisabeth Nicolai geschlosse-
1765 Professor für Metaphysik, hebräische Sprache nen Ehe gehen drei Söhne und vier Töchter hervor, von
und Logik in Coburg; als Folge seines Buches Grundriß denen Georg Forster der Erstgeborene ist. Gemeinsam
der philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen mit seinem Sohn Georg 1765 Antritt zu einer einjähri-
Geschichte, 1767-69 folgte er 1768 einem Ruf als Pro- gen Reise nach Petersburg und weiter nach Saratov mit
fessor der Philosophie der Universität Göttingen; 1797- dem Auftrag zur Erforschung der ökonomischen, sozia-
1811 Direktor des Georgianums in Hannover; Verfas- len und politischen Lage der Siedler entlang der Wolga;
ser des Werkes: Der neue Emil oder von der Erziehung 1766 Übersiedlung mit seiner Familie nach England in
nach bewährten Grundsätzen, 1768-71. die Grafschaft Lancashire, wo er als Sprach- und Natur-
Siehe Sp. 1014 kundelehrer tätig ist; ab 1770 in London. Von 1772 bis
1775 nehmen Reinhold und Georg Forster an der zwei-
Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788): Theologe und ten Weltreise von Cook an Bord der »Sloop Resolu-
Pädagoge; geb. in Großglogau/Schlesien, gest. in Preß- tion« teil, der ersten Erdumseglung in östlicher Rich-
burg; Theologiestudium in Breslau; 1746 Mitglied des tung und der zugleich ersten südlichen Polarfahrt. Nach
Augustiner-Chorherrenstifts zu Sagan, 1758 Abt und der 1776- von Georg Forster verfaßten- A voyage
Erzpriester; begann hier sein Reformwerk zur Verbesse- round the world erscheint Reinhold Forsters Observa-
rung des Schulwesens; besuchte 1762 die Heckersehe tion on physical georgraphy, natural history and ethic
Realschule in Berlin, die als Vorbild für das niedere philosophy. Aufgrund der materiell elenden Situation
Schulwesen galt, und führte die Methoden Heckers und seiner Familie und nach Intervention des preußischen
Hähns im Stift zu Saganein; verfaßte 1765 im Auftrag Staates Übersiedlung der Familie Forster nach Halle,
Friedrichs von Preußen das General-Land-Schul-Regle- wo Reinhold Forster an der Universität eine Professur
ment fiir die Römisch-Katholischen; 1774 Berufung für Naturgeschichte und Mineralogie erhält. In dieser
nach Wien durch Maria Theresia mit Genehmigung des Stellung blieb R. Forster bis zu seinem Tode.
Königs als Direktor des gesamten Österreichischen Siehe Sp. 1169
Schulwesens; Verfasser einer Allgemeinen Schulord-
nung fiir die deutschen Normal-, Haupt- und Trivial-
David Friedländer (1750-1834): Kaufmann und
schulen in sämtlichen königlichen Erb/ändern; 1778
Schriftsteller; geb. in Königsberg, gest. in Berlin; kam
Verzicht auf die Abtei zu Sagan; er erhielt von Maria
1771 nach Berlin, wo er Mitglied der jüdischen Gemein-
Theresia die Probstei Preßburg; Verfasservon Schriften de wurde und dem Verein hebräischer Literaturfreunde
zur Reform und Organisation des Schulwesens, von beitrat, der auf seine Anregung hin in eine »Gesellschaft
Lehr- und Methodenbüchern zum Religions- und Sach-
zur Beförderung des Edlen und Guten« erweitert wur-
unterricht, die 177417 5 als sogenannte Wien er Bücher
de. Enge Freundschaft mit Moses Mendelsohn. Er
erschienen.
machte die Idyllen Geßners dem hebräisch lesenden Pu-
Siehe Sp. 707,740
blikum zugänglich und gab eine deutsche Übersetzung
von Jesajas und Hiob heraus. Wurde nach Mendel-
Sarah Fielding (1710-1768): Tochter von Edmund sohns Tod zum geistigen Oberhaupt der deutschen Ju-
Fielding, eines Obersten, der aus der landbesitzenden den. Sein Hauptziel war die soziale Gleichstellung der
gentrystammte, und von Sarah, deren Vater, Sir Henry Juden, die er in zahlreichen Schriften forderte. Auf ihn
Gould, königlicher Richter war; Schwester von Henry ging das Edikt über die bürgerliche Gleichstellung der
Fielding. Außer der Hofmeisterinn (1761), ihrem einzi- Juden vom 11. 3. 1812 zurück. Gründete 177 5 in Berlin
gen Buch für Kinder, schrieb sie u. a. vier Romane, de- eine Freischule für jüdische Kinder.
ren erster- The Adventures of David Simple (1744, dt. Siehe Sp. 862
Übersetzung 1746)- zugleich ihr bekanntester war.
Siehe Sp. 512
Karl Philipp Funke (1752-1807): Pädagoge und Schul-
James Fordyce ( 1720-1796): presbyterianischer Kan- mann, Philanthrop; geb. in Görtzschke bei Branden-
zelprediger und Schriftsteller; geb. Aberdeen, gest. burg, gest. in Altona; 1770 Studium der Theologie in
Christchurch (Hampshire). 1743-1760 Prediger in Halle, gleichzeitig Unterricht an den Franckeschen An-
Abderdeen, ab 1760 in London, 1782 Niederlegung sei- stalten; 1776 Inspektor an der Friedrichschule in Bres-
nes Amtes. Freundschaft mit Johnson, Doktorwürde lau; 1781 Konrektor der Gelehrtenschule in Dessau,
der Universität Glasgow. Seine Predigten waren be- 1785 Inspektor des dortigen Schullehrseminars; 1804
rühmt und erfreuten sich einer großen Zuhörerschaft. Edukationsrat; Verfasser von Elementar-, Lese- und
Zahlreiche Predigten wurden veröffentlicht. Verfasser Anschauungsbüchern, Nachschlagewerken und v. a.
u. a. von The Character and Conduct of the Fernale Sex naturgeschichtlichen Sachbüchern.
(1776) und der Adresses to Young Men (1777). Siehe Sp. 929, 1212
Siehe Sp. 528
Friedrich Gedike ( 17 54-1803): Pädagoge und Verfasser
Johann Reinhold Forster (1729-1798): Naturforscher von Schulschriften. Geb. in Boberow bei Lenzen (Prig-
und Geograph. Geb. in Dirschau, gest. in Halle; ab 1743 nitz), gest. in Berlin. Studium der Theologie und alten
auf der Schule in Marlenwerder und von 17 45-1748 Be- Sprachen an der Universität in Frankfurt/Oder. 1775 in
such des Joachimsthaler Gymnasiums in Berlin; von Berlin als Privatlehrer. Seit 1776 als Subrektor am Fried-
1748 bis 1751 Studium der Theologie und fremden richswerderschen Gymnasium in Berlin, ab 1779 des-
Sprachen an der Universität in Halle; nach Abschluß sen Direktor. AufVeranlassung des preußischen Mini-
seines Studiums von 1751-53 zunächst Predigerkandi- sters von Zedlitz 1784 Oberkonsistorialrat und 1787
dat in Danzig und ab 1753 Inhaber einer Patronatspfar- Oberschulrat beim neugegründeten Oberschulkolle-
re in Nassenhuben, südlich von Danzig. Aus der 1754 gium. 1793 Direktor des Vereinigten Berlinisch-Köllni-
1227 Autorenbiographien 1228

sehen Gymnasiums (Zum Grauen Kloster) und Leiter mung des Mannigfaltigen nach zeitlosen, von der Ver-
des philologisch-pädagogischen Seminars für Lehr- nunft geleiteten Gesetzen der Natur; fordert Reform
amtskandidaten der Höheren Schulen, das 1787 von der deutschen Literatur und besonders des Dramas
ihm begründet worden war. Im Auftrag Friedrich Wil- nach den Vorbildern von Ra eine und Corneille im Sinne
helms II. 1789 verschiedene Inspektionsreisen an Schu- des französischen Klassizismus; heftige literarische
len und Universitäten, u. a. Schnepfenthal, I 802 in die Kontroversen mit den ZürchernBodmerund Breitinger
preußischen Ostprovinzen. 1779 erschien sein grund- über das Wunderbare in der Kunst; auch von Klop-
sätzliches pädagogisches Werk Aristoteles und Basedow stock, Herder und Lessing scharf bekämpft; wichtige
oder Fragmente über Erziehung und Schulwesen bei den Arbeiten für das Theater; auch als Übersetzer tätig
Alten und Neueren, in dem er sich als Anhänger des (Bayle, Fontenelle, Racine); Verfasser verschiedener
Philanthropismus erweist. Mitglied in verschiedenen Schriften für den Schulgebrauch.
Berliner Gesellschaften, im Montagsklub, der Mitt- Siehe Sp. 8 I 3
wochsgesellschaft und in der Loge zu den Drei Weltku-
geln. I 783-91 gemeinsam mit J. E. Biester Herausgeber
der Berliner Monatsschrift und I 800 Gründer der Anna- Johann Gottfried Grober ( 177 4-1851): Lexikograph
len des Preußischen Schul- und Kirchenwesens. Beiträ- und Literaturhistoriker. Geh. in Naumburg/Saale, gest.
ger für Campes Allgemeine Revision und die Dessauer in Halle/Saale. Nach dem Studium der Philosophie,
Pädagogischen Unterhandlungen der Philanthropisten, Philologie, der Literatur und allgemeinen Geschichte
von denen er sich später entfernte. Zwischen 1789 und an der Universität Leipzig bereits 1793 Magister. Zu-
I 795 Erscheinen der Gesammleten Schulschriften (2 nächst ausgedehnte literarische Arbeit auf popularphi-
Bde.). Verfasser zahlreicher Lesebücher für alte und losophischem und pädagogischem Gebiet. Verfasser
neue Sprachen sowie von Schulprogrammen wie Lu- zahlreicher Unterhaltungsromane und Jugendschrif-
thers Pädagogik ( 1790) und Über den Begriff einer ge- ten, Übersetzerwissenschaftlicher Literatur. 1803 Habi-
lehrten Schule ( 1802). litation in Jena für Philosophie und Ästhetik. I 805
Siehe Sp. 904 Übersiedlung nach Weimar; dort im Kreise von Wie-
land, dessen autorisierter Herausgeber und Interpret er
wurde. Mitarbeiter bei der Allgemeinen Litteraturzei-
Johann Gottfried Gellins (1732-1781): Philologe und tung sowie an Brockhaus' Konversationslexikon. 1811
Übersetzer; geb. in Dresden; Studium der Theologie in Berufung zum ordentlichen Professor für historische
Leipzig. Anfertigung von ca. 50 Übersetzungen aus dem Hilfswissenschaften in Wittenberg. Von 1817 bis 1821
Englischen. erster Rektor der Universität Halle/Wittenberg. Anstel-
Siehe Sp. 521 le des 1816 verstorbenen Hufeland gemeinsam mit J.
S. Ersch Herausgeber der Allgemeinen Enzyklopädie
der Wissenschaften und Künste. Nach dem Tode Erschs
Jakob Glatz (1776-1831): Pfarrer und Pädagoge und
(1828) alleiniger Herausgeber der Bände 28-54 der er-
Schriftsteller. Geh. in Poprad/Ungam. Gest. in Preß-
sten Sektion. Verfaßte das Wörterbuch zum Behuf der
burg. Nach abgeschlossenem Theologiestudium an der
Asthetik (1810) und das Wörterbuch der altc/assischen
Universität Jena seit 1797 Tätigkeit an der Salzmann-
Mythologie(3 Bde. 1810-14).
scben Erziehungsanstalt in Schnepfenthal. 1803 Über-
Siehe Sp. 676
siedlung nach Wien und Anstellung als Lehrer an die
Schule der evangelischen Gemeinden. Seit 1805 auch
Pfarrer der Gemeinde der Augsburgischen Konfession Christoph Wilhelm Günther (I 75 5-1826): Waisenhaus-
in Wien sowie geistlicher Rat in evangelischen Konsi- direktor in Weimar.
storium. 1816 Niederlegung seines Predigeramtes aus Siehe Nachtrag Sp. 1252
gesundheitlichen Gründen. 1824 Verlegung seines
Wohnsitzes nach Preßburg unter Beibehaltung seiner
Tätigkeit im Konsistorium. Verfasser zahlreicher päda- Johann Christoph Friedrich Gutsmuths (1759-1839):
gogischer und homiletischer Schriften. Philanthropischer Pädagoge. Geb. in Quedlinburg,
Siehe Sp. 469 gest. in Ibenheim (Kreis Gotha). 1779-1782 Studium
der Theologie in Halle; Besuch der pädagogischen Vor-
lesungen Trapps, Beschäftigung mit Naturwissenschaf-
Johann Christoph Gottsched (1700-1766): Literatur- ten, Mathematik, neueren Sprachen und Geschichte.
theoretiker, -kritiker und Schrifsteller; geb. in Juditten Nach dem Studium zunächst Hauslehrer und Erzieher
(heute zu Königsberg), gest. in Leipzig; 1714 Studium des späteren Geographen C. Ritter; ab I 785 bis kurz vor
zunächst der Theologie, dann auch der Mathematik, al- seinem Tode Lehrer an der Salzmannsehen Erziehungs-
ten und orientalischen Sprachen, der Dicht- und Rede- anstalt in Schnepfenthai; Gutsmuths war Salzmann zu-
kunst in Königsberg; 1722 Promotion, I 723 Magister dem durch die Heirat von dessen Nichte verwandt-
legens; 1724 Flucht vor den Werbern Friedrich Wil- schaftlich verbunden. Er setzte sich praktisch wie theo-
helms I. nach Leipzig, dort Privatdozent; I 730 Profes- retisch für die Förderung einer naturgemäßen, dem
sor der Poesie, 1734 Professor der Logik und Metaphy- kindlichen Vermögen adäquaten Erziehung des Kör-
sik; Anhänger der Wolffschen Philosophie; Herausga- pers und Geistes ein und wirkte aufverschiedenen Ge-
be moralischer Wochenschriften (Die vernünftigen Tad- bieten - Leibesübungen, Spieltheorie, Geographie -
lerinnen 1725/26. Der Biedermann; 1727ff.); wichtig- pädagogisch bahnbrechend. Er war Verfasser bzw. Her-
ste Schrift: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die ausgeber zahlreicher zumeist methodischer Schriften,
Deutschen ( 1730), in der er ein »poetologisches Regel- u.a. Gymnastik for die Jugend (1793); Mechanische
system« entwirft, das er aus den Grundsätzen der Wolff- Nebenbeschäftigungenfor Jünglinge undjunge Männer
schen Philosophie ableitet; das Schöne wird begriffen (1801), Spielalmanach for die Jugend (1802/03); Kur-
als vollkommene Ordnung, als Übereinstim- zer Abriß der Erdbeschreibung, als Leitfaden und Me-
1229 Autorenbiographien 1230

morierbuch fiir die Schulen ( 1819); Hrsg.: Zusammen- te, später Ausbildung zum Geistlichen; 1760 ordiniert,
künfte am Atlas ( 1785) sowie verschiedene Zeitschrif- anschließend Vikar bei seinem Onkel in N eftenbach bei
ten. Winterthur; nach 7 Jahren Übersiedlung in die Nähe
Siehe Sp. 455, 1114 Zürichs, später nach Zürich selbst; in der Wartezeit auf
eine Pfarrstelle Abfassung von Erbauungsliteratur im
Johann Friedrich Hähn ( 171 0-1789): Evangelischer Stile Bodmers, u. a. Geschichte der drei letzten Lebens-
Theologe und Pädagoge. Geb. in Bayreuth, gest. in Au- jahre Jesu (Zürich 1768, mit wiederholten Neuaufla-
rich. Nach Theologiestudium an der UniversitätJena ab gen), Jugendgeschichte Jesu (Zürich 1773) und - zum
1736 Tätigkeit als Lehrer und Erzieher in Klosterberge Gebrauch im Religionsunterricht- Kurzer Inbegriff der
bei Magedburg. Dort 1738 Eintritt in den Konvent des biblischen Gesichte und Lehre(anonym, 1774, vier Neu-
Klosters und Anstellung als Scholasticus. Gleichzeitig auflagen); 1772 Beteiligung an der Zürcher Bibelüber-
Inspektor der dortigen Armenschule. 17 49 Berufung setzung; 1777 Diakon der Frauenmünstergemeinde in
durch Friedrich II. als Feldprediger zum Regiment Zürich; Arbeit für den Vorstand der Ascetischen Gesell-
Gens d' Armes nach Berlin. 17 53 Ernennung zum Pastor schaft; 1795 Antistes in Zürich (Vorzug vor Lavater);
adiunctus an der Dreifaltigkeitskirche und Inspektor zahlreiche religiöse Schriften, besonders Predigten; vor
der Heckersehen Realschule. Ausarbeitung der Litteral- allem Arbeit für die Bibelverbreitung, Leitung einer Bi-
oderTabellarmethode. Von 1759-1762 Oberdompredi- belgesellschaft in Zürich; gleichzeitige Übersendung
ger in Stendal und Generalsuperintendent der Altmark des Doktordiploms der Universitäten Jena, Tübingen
und Prignitz. I 762 Wahl zum Abt von Klosterberge und und Kopenhagen.
damit gleichzeitig Generalsuperintendent und Konsi- Siehe Sp. 723
storialrat des Herzogtums Magedeburg. 1771 Berufung
als Generalsuperintendent nach Ostfriesland. Verfasser
Johann Heinrich Gottlieb Heusinger (1766-1837): Pä-
von mehreren Lehrbüchern für den Schulgebrauch.
dagoge und Philosoph. Geb. in Römhild bei Meinin-
Siehe Sp. 892
gen. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie
an der Universität Jena von 1787-89 Haus- und Privat-
Johann David Hahnemann (1753-1801): geb. in Dres- lehrer. Ab 1795 Philosophiedozent in Jena. 1797 Über-
den; dort als kaiserlich-königlicher Notar angestellt; siedlung an das von Chr. C. Andre geleitete Erziehungs-
Verfasser einer englischen Sprachlehre. Nach Kayser institut in Eisenach. 1798 in Dresden wieder als Privat-
und Wegehaupt (1979) Verfasser des Mythologischen lehrer und vorübergehend als Buchauktionator. 1807
Lesebuchs (Leipzig 1785/86) von Scheppach. Lehrer am Cadettencorps und der Militärakademie.
Siehe Sp. 1122 Autor verschiedener pädagogischer Schriften und zahl-
reicher philosophischer Texte.
Johann Gottfried Herder ( 17 44-1803): Evangelischer Siehe Sp. 650
Theologe, Philosoph, Kunst- und Literaturhistoriker,
Dichter und Pädagoge. Geb. in Mohrungen (Ostpreu-
ßen), gest. in Weimar. Studium der Theologie und Phi- Isaak Iselin ( 1728-1782): Pädagogischer Schriftsteller
losophie. Schüler von Kant. 1764 Anstellung an der und Ratsschreiber; geb. und gest. in Basel; 1747 Stu-
Domschule in Riga als Lehrer und Prediger. Erste litera- dium der Rechte in Göttingen; kehrte anschließend
turkritische Arbeiten Über die neuere deutsche Littera- nach Basel zurück, wo er 1756 eine Stelle als Ratsschrei-
tur. Fragmente (1 766/67) und Kritische Wälder(I769). ber antrat, die er bis zu seinem Tode innehatte. Iselin
1769 Reise nach Frankreich und Paris zu Diderot und verfaßte zahlreiche Schriften zur Erziehung im Sinne
den Enzyklopädisten. Bekanntschaft mit Lessing, Clau- der Aufklärung und des Philanthropismus und vertrat
dius, Bode und Reimarus sowie mit Goethe in Straß- Basedows Pädagogik in der Schweiz. Von Bedeutung ist
burg. 1770 Abhandlung Über den Ursprung der Spra- hierbei die von ihm herausgegebene Schrift Philanthro-
che. 1771 Stelle als Konsistorialrat in Bückeburg und pische Aussichten redlicher Jünglinge, ihren denkenden
Aufnahme einer Rezensententätigkeit für Nicolais All- und fohlenden Mitmenschen übergeben ( 177 5); gründe-
gemeine Deutsche Bibliothek. 1773 Publikation der bei- te die »Helvetische Gesellschaft« und 1771 die »Gesell-
den Aufsätze Shakespeare und Auszug aus einem Brief- schaft des Guten und Gemeinnützigen« und gab die
wechsel über Ossian und die Lieder alter Völker. 1773 Ephemeriden der Menschheit, oder Bibliothek der Sit-
Heirat mit Carotine Flachsland. 177 4 Preiskrönung der tenlehre und Politik ( 1776-1781) heraus.
Schrift Ursachen des gesunknen Geschmacks bei ver- Siehe Sp. 93
schiedenen Völkern durch die Berliner Akademie. Als
Hofprediger und Generalsuperintendent ab 1776 in
Weimar. Veröffentlichungen in Wielands Teutschem Johann Friedrich Ernst Kirsten (1768-1820): Studium
in Jena, anschließend Adjunkt der Philosophischen Fa-
Merkur. Zwischen 1784 und 1791 Abfassung der Ideen
zu einer Philosophie der Menschheit (4 Bände), worin er kultät; Mitherausgeber des Journals fiir Menschen-
kenntnis, Menschenerziehung und Staatenwohl; Errich-
die zentralen Kategorien seiner Geschichtsphilosophie
tung eines Erziehungsinstitutes in Jena; anschließend
entwickelt. Anhänger der Französischen Revolution
Berufung zum Diakon in Crannichfeld; seit 1809 Prar-
von 1789, dadurch Entfremdung von Goethe und dem
rer zu Eischieben im Gothaischen.
Weimarer Hof.
Siehe Sp. 329, 888 Siehe Sp. 1206

Johann Jakob Heß (1741-1828): Antistes in Zürich; Georg Sirnon Klügel ( 1739-1812): Mathematiker und
geb. und gest. in Zürich; 17 55 Eintritt in das sogenannte Physiker, Lehrbuchautor. Geb. in Hamburg, gest. in
obere Collegium der Stadt; zuerst Studium der Alter- Halle. Seit 1760 Theologie- und Mathematikstudium an
tumswissenschaften, schönen Literatur und Geschich- der Universität Göttingen. 1767 Berufungzum ordentli-
1231 Autorenbiographien 1232

chen Professor für Mathematik nach Helmstedt. 1788 Roche. Pflegte regen Kontakt mit Merck, Goethe, Lava-
Wechsel in gleicher Eigenschaft an die Universität Hal- ter, Basedow, Heinse und Wieland. Erlangte sofort mit
le, wo er zusätzlich auch Physik unterrichtete. Zwischen ihrem ersten Roman Geschichte des Fräulein von Stern-
1803 und 1808 erschien sein Hauptwerk Mathemati- heim ( 1771) literarischen Ruhm. Seit 1780 - nach dem
sches Wörterbuch. Sturz ihres Mannes als Kanzler- betrieb sie die Schrift-
Siehe Sp. 1169 stellerei berufsmäßig und verfaßte vor allem moralisch-
belehrende und unterhaltende Schriften für Frauen,
z. T. auch für die weibliche Jugend. Hrsg.: Pomonafiir
Adolph Freiherr Knigge ( 1752-1796): Schriftsteller. Teutschlands Töchter (1783-84).
Geb. in Bredenbeck bei Hannover, gest. in Bremen. Er- Siehe Sp. 606
ziehung durch die Brüder Johann Adolf und Johann
Heinrich Schlegel. Seit 1769 Studiumder Rechtswissen-
schaften und Kameralistik an der Universität Göttin- Johann Kaspar Lavater (1741-1801): Geh. und gest. in
gen. 1772 Anstellung zum Hofjunker und Assessor bei Zürich; ab 17 54 im Collegium Humanitatis des Caro-
Landgrafen Friedrich I I. von Kassel und 1774 Direktor linum Schüler Bodmers und Breitingers; 1762 als Pfar-
der hessischen Tabaksfabrik. 1775 Abschied aus diesen rer ordiniert; 1763/64 Reise durch Deutschland; 1764
Ämtern. Reisen in das Rheinland, Elsaß, nach Lothrin- Gefängnisprediger, 1769 Diakon an der Waisenhaus-
gen und Obersachsen. 1776 Verleihung des Kammer- kirche in Zürich, wo er 177 5 zum Pfarrer befördert wird;
herrntitel durch Herzog Carl Augustvon Sachsen-Wei- ab 1772 freundschaftliche Beziehungen zu Herder, ab
mar. 1777-1780 am Hofe zu Hanau-Philippsthal und 1773 zu Goethe; Beeinflussung durch den Sturm und
Direktor des dortigen Liebhabertheaters. 1780 Über- Drang; 1775-1778 Herausgabe der Physiognomischen
siedlung nach Frankfurt am Main, dort Mitglied und Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und
Organisator des radikalaufklärerischen Illuminatenor- der Menschenliebe; 1778 Wahl zum Diakon der St. Pe-
dens Adam Weishaupts (Austritt 1784). Ab 1783 in Hei- terskirche in Zürich, nach neun Jahren Beförderung
delberg als freier Schriftsteller und Theaterautor, ab zum Pfarrer bei St. Peter und Eintritt in das Züricher
1787 in Hannover zur Regelung seiner Vermögensum- Consistorium; um 1782 Entfremdung von Herder und
stände. 1790 Anstellung in Bremen als Oberhauptmann Goethe; Beeinflussung durch die Glaubensphilosophie
und Scholarch. In dieser Funktion Aufsicht über die F. H. Jacobis; Beschäftigung mit Magie und Magnetis-
Domschule und die Domkirche. Verfasser zahlreicher mus, verstärkter Wunderglaube; 1798/99 Auftreten ge-
unterhaltender sowie die Französische Revolution un- gen die französische Okkupation, Verhaftung und De-
terstützender Programmschriften. portation nach Basel, Verwundung durch einen franzö-
Siehe Sp. 676 sischen Soldaten.
Siehe Sp. 406,597,723,762,774
Joseph Ritter von Kurzböck ( 1736-1792): Buchhändler
und Schriftsteller in Wien; erhielt 1770 ein eigenes Privi- Jeanne-Marie LePrince de Beaumont ( 1711-1780): Er-
leg für orientalische und illyrische Drucke; verlegte den zieherin und Jugendschriftstellerin; geh. in Rouen, gest.
Schauplatz der Natur und Künste, in vier Sprachen, in Chavanod bei Annecy; lebte nach gescheiterter Ehe
Wien 1774-83. ab 1746 in England und kehrte nach neuerlicher Heirat
Siehe Sp. 997 1762 mit ihrer Familie nach Frankreich zurück, wo sie
seit 1768 auf ihrem Gut Chavanod in Savoyen lebte.
Verfasserin zahlreicher moralischer Erziehungsschrif-
Friedrich Carl Lang (1766-1822): Verleger; geh. in ten, z. T. historischer und religiöser Thematik sowie Ro-
Heilbronn; 1785 Studium der Rechte in Erlangen, an- mane. Als Hauptwerk gilt das Magasin des enfans, das
schließend in Göttingen; 1788 Kanzleiadvokat in Heil- sie 17 56 in London veröffentlichte und das in vielen
bronn; 1797 Gründung des Schwäbischen Industrie- Übersetzungen und Auflagen verbreitet wurde.
kontors, das wenig später in Konkurs ging; 1799 unter Siehe Sp. 494, 953
dem Pseudonym »August Lindemann« als Verleger in
Hamburg-Altona tätig; anschließend in Berlin, wo er
sich das Pseudonym »K. A. Hirschmann« zulegte; ab Gotthold Ephraim Lessing ( 1729-1781): freier Schrift-
180 I für den Verleger Oehmigke tätig; Zusammenarbeit steller, Kritiker und Journalist. Geh. in Kamenz/Sach-
mit dem Leipzig er Verleger Tauchnitz; 1810 Gründung sen; Besuch der Fürstenschule in Meißen. Ab 1746 Stu-
einer Erziehungsanstalt in Tharant bei Dresden; Illu- dium in Leipzig, besondere Neigung zum Theater;
strator, Herausgeberund Bearbeitervornehmlich natur- Freundschaft mit Christian Felix Weiße. Ab 1748 freier
wissenschaftlicher Jugendschriften. Schriftsteller und Journalist in Berlin; 1760-65 Sekretär
Siehe Sp. 429 des Grafen von Tauentzien in Breslau. 1767 Dramaturg
und Kritiker des Nationaltheaters in Hamburg. Ab 1770
Leiter der Herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel.
Marie Sophie von La Roche (1731-1807): geh. in Kauf- Siehe Sp. 74
beuren, gest. in Offenbach/Main; Tochter des einem
Augsburger Patrizierhause entstammenden Arztes Gu-
August Jacob Liebeskind (gest. 1793): Prediger zu Oss-
termann von Gutershofen; Mutter von Maximiliane
mannstädt/Fürstentum Weimar; übersetzte zu Wie-
Brentano, Großmutter der Geschwister Clemens und
lands Lucian einige Stücke und veröffentlichte mehrere
Bettina Brentano. Nach einer gescheiterten Verlobung
Aufsätze im Teutschen Merkur.
mit dem katholischen Arzt Bianconi und einer »emp-
Siehe Sp. 329
findsamen Seelenfreundschaft« mit Ch. M. Wieland,
1754 Heirat mit dem späteren kurfürstlichen Triefi-
schen Geheimen Rat und Kanzler Georg Michael La Johann Adolph Liebner (175 ?-1808): Magister und Er-
1233 Autorenbiographien 1234

zieh er; verfaßte zwei Werke über Luther und eine weite- ser Schriften auch für die Jugend wie Die merkwürdigen
re Schrift mit dem Titel Der reinliche Jüngling wie er Erzählungen aus der Bibel mit angehängten nützlichen
seyn soll, oder Unterricht über die Reinlichkeit, in Brie- Tugend- und Klugheitslehren, ganz fiir die Fasung der
fen fiir junge Leute (Leipzig 1805). Jugend eingerichtet (Nürnberg 1784-85, 2 Teile). Ver-
Siehe Sp. 782, 1116 fasser von Jugendgeschichte zweyer Liebenden zur Be-
herzigung junger Leute, besonders studierender Jünglin-
ge (Kempten 1786, 2 Teile) und Ehestandsbegebenhei-
Johann Andreas Löhr (1764-1823): Theologe und Kin- ten. Fortsetzung der Jugendgeschichten zweyer Lieben-
derschriftsteller; geb. in Halberstadt, gest. in Zwenkau den (Kempten 1786). Vermutlich wegen der Autoren-
bei Leipzig; von 1781-1785 Studium der Medizin und schaft an diesen beiden Schriften kurzzeitig Amtsent-
Theologie in Halle, anschließend Hauslehrer in Gatter- hebung von der Pfarrstelle.
städt bei Querfurt; ab 1787 Pfarrer in Dehlitz bei Halle, Siehe Sp. 1438
1793 Prediger zu Altenburg; von 1813 bis zu seinem Tod
übte er das Oberpfarramt in Zwenkau bei Leipzig aus.
Löhr war als Kinder- und Jugendschriftsteller äußerst Georg Heinrich Martini ( 1722-1794): Pädagoge und
produktiv. Merget führt aus ( 1882, S. 56): »Er gehört zu Übersetzer; geb. in Tanneberg bei Annaberg in Meißen,
denen, die außer eigenen Produktionen, namentlich für gest. in Leipzig; Studium in Annaberg und Leipzig;
kleine Kinder, auch Bearbeitungen von geographi- 17 51 Magister und Privatdozent; 17 60 Rektor der Schu-
schem, ethnographischem und geschichtlichem Stoff le zu Annaberg, 1763 Rektor und Professor der Bered-
für die Jugend lieferten.« Die Mehrzahl seiner Werke samkeit am poetischen Gymnasium zu Regensburg,
erschien nach 1800. Einige gab er unter den Pseudony- 1775 Rektor der Niklasschule zu Leipzig; mehrere
men »J. K. Müller«, »K. Fr. Schmidt« und »Philadel- Übersetzungen aus dem Englischen und Französischen,
phus Alethes« heraus. Verfasser von Lehrbüchern und pädagogischen Schrif-
Siehe Sp. 475,921 ten, bekannt vor allem seine Bearbeitung von Ernestis
Archaeologia literaria (Leipzig 1790).
Siehe Sp. 953
Kaspar Friedrich Lossius (1753-1817): Diakon, Päda-
goge und Schriftsteller; geb. und gest. in Erfurt; Bruder
von Rudolph Christoph Lossius; ab 1770 Studium der Jean-Henri Maubert de Gouvest (1721-1767): Offizier,
Theologie in Erfurt, 1773-7 4 in Jena; anschließend Erzieher und Schriftsteller. Geb. in Rouen, gest. in Alto-
Lehrer an der Erfurter Barfüßerschule, ab 1779 an der na. Mit 19 Jahren vorübergehend Kapuzinermönch.
Predigerschule; weitere Berufsvorbereitungen durch Entzog sich 17 45 durch Flucht nach den Niederlanden
Predigtübungen unter Anleitung von Chr. G. Salzmann, dem Gelübde. Reise durch Deutschland und Polen, wo
der ab 1772 Pfarrer an der Andreaskirche ist; nach Salz- er in den Dienst des polnischen Königs, Friedrich Au-
manns Berufung an das Dessauer Philanthropin 1781 gust III. (1696-1763), tritt. Auf polnischer Seite Teil-
Erhalt des Diakonats an der Andreaskirche; 1784 Hei- nehmer an der Schlacht von Kesseldorf gegen die preu-
rat der Schwester des Gothaer Buchhändlers Perthes; ßische Armee unter Friedrich II. Anschließend Tätig-
1785 Diakon an der Predigerkirche zu Erfurt; Ende der keit als Erzieher des Sohnes seines Generals und Berater
90er Jahre Ernennung zum Mitglied der Erfurter Aka- des sächsischen Premierministers Graf von Brühl
demie gemeinnütziger Wissenschaften; 1804 bis 1812 (1700-1763). Verhaftung und Verbannung auf die Fe-
Herausgabe der Moralischen Bilderbibel, deren Erschei- stung Königstein. Auf Intervention des päpstlichen
nen bereits im Vorberichtzum 3. Teil von Gumalund Li- Nuntius seit 1752 wieder in Freiheit und Zwangsver-
na ( 1795) angekündigt wird; 1810 Eintritt in die Ober- schleppung nach Rom unter die Obhut des Kapuziner-
schuldirektionals Oberschulrat; anschließend Leitung ordens. Seit 1753 nach erneuter Flucht über Frankreich
einer höheren Töchterschule. Beginn mit schriftstellerischer Arbeit in Lausanne. Kon-
Siehe Sp. 801 vertierung zu den Reformierten. Ab 1755 in England.
Nach 1757 zunächst Sekretär August I II., dann am Ho-
fe des Herzogs von Württemberg und Leiter einer fran-
Rudolph Christoph Lossius (1760-1819): Evangeli- zösischen Schauspielergruppe in Frankfurt/M. 1764 er-
scher Pfarrer. Geburtsort vermutlich Liebstedt. Bruder neute Festnahme und dreijährige Kerkerhaft in Den
des ErfurterTheologieprofessors Johann Christian Los- Haag. Auf der Flucht 1767 Tod in Altona.
sius. Seit 1789 Nachmittagsprediger an der Thomaskir- Siehe Sp. 506
che und Rektor der Thomasschule in Erfurt; später In-
haber einer Pfarrstelle in Schwerborn bei Erfurt. An-
hänger des Philanthropismus; Verfasser verschiedener, Johann Heinrich Ludwig Meierotto ( 17 42-1800): Geb.
zumeist religiöser Kinderschriften, u. a. Die ältesten Ge- in Stargard/Pommem, gest. in Berlin; 17 60 Besuch des
schichten der Bibel fiir Kinder in Erzählungen auf Spa- Joachimsthalschen Gymnasiums zu Berlin; 1762 Theo-
ziergängen (1784, 2. Th. 1787), Die neuesten Geschich- logiestudium in Frankfurt/Oder; ab 1765 Privatlehrer
ten der Bibel, oder das Leben Jesu, in Erzählungen fiir bei einem Berliner Bankier; 1771 Berufung zum Profes-
Kinder (I. Th. 1789), Meister Liebreich, Ein nützliches sor der Beredsamkeit am Joachimsthalschen Gymna-
Lesebuch fiir Volksschulen und bürgerliche Familien. sium, dessen Rektor er 177 5 wird; ab 1786 Mitglied der
Siehe Sp. 358, 770 Akademie der Wissenschaften, 1790 auch der Akade-
mie der Künste und der mechanischen Wissenschaften.
Siehe Sp. 865
Johannes Ludwig (1750-1801): Theologe und Schrift-
steller. Geb. in Ulm. Seit 1788 Diakon in Altheim und
Pfarrer in Zähringen bei Ulm. Seit 1795 Inhaber einer Johann Heinrich Meil (1729-1803): Kupferstecher,
Pfarrstelle in Rietheim/Ulm. Autor zahlreicher religiö- Medailleur, Zeichner, Maler und Bildhauer; geb. in
1235 Autorenbiographien 1236

Gotha, gest. in Berlin; von seinem Stiefvater Joh. Jer. aParis, unerwarteten Erfolg geerntet hatte. Doch war er
Martini nach Bayreuth gebracht, dort ohne Unterricht mit seinen nachfolgenden Stücken weit weniger glück-
erste Versuche im Zeichnen, Bossieren und Modellie- lich. Als Folge seiner Spielleidenschaft verlor Moissy
ren; spätertätig in Altenburg (Steinarbeiten); 17 47 nach sein gesamtes elterliches Erbteil und war gezwungen,
Leipzig, Miniatur- und Pastellporträts, Zeichenlehrer, sich als Lehrer in Rußland seinen Lebensunterhalt zu
Besuch der archäologischen Vorlesungen von Professor verdienen. Lebte bis zu seinem Tode in Paris. Neben ei-
Christ, aus dessen Sammlung er eine große Anzahl von ner Reihe nicht sehr bedeutsamer Komödien, mit denen
Gemmen radiert; 1774 nach Berlin berufen, dort vor- er auch auf den öffentlichen Theatern keine nennens-
nehmlich als Kupferstecher und Medailleur tätig; Ölge- werten Erfolge errang, schrieb er 1769 Les Jeux de Ia
mälde mit mythologischen und allegorischen Darstel- petite Thalie ou Nouveaux petits Drames dialogues sur
lungen, Radierungen, Titel- und Almanachkupfer, 112 des proverbes, denen 1770 zwei weitere Bände unter
Blätter zu Gellerts Fabeln, Kopien nach Chodowiecki dem Titel Ecole dramatique de l'Homme, suitedes Jeux
zu Lafontaines Fabeln, Blätter zu Bürgers Gedichten de Ia petite Thalie folgten.
und zum Seilersehen Bibelwerk, Satiren auf die franzö- Siehe Sp. 102
sische Revolution, historische Szenen und Darstellung
von Völkertrachten; Senatsmitglied der Königl. Preuß.
Akademie der freien Künste und mechanischen Wis- Karl Philipp Moritz (1756-1793): Geb. in Hameln,
senschaften (Thieme-Becker: 1783, ADB, Nagler, Mül- gest. in Berlin; 1768 Hutmacherlehre in Braunschweig;
leru. a.: 1798), zuletzt (Thieme-Becker: ab 1786) Rektor 1771 Besuch des Gymnasiums in Hannover; ab 1776
der Akademie, Vorsteher der Anatomischen Zeichen- Wanderschaft und Anschluß an eine Schauspieltruppe;
klasse. Theologiestudium in Erfurt und Wittenberg; 1778 in
Siehe Sp. 1167 Dessau am Basedowschen Philanthropin; anschlie-
ßend Informator am Potsdamer Militär-Waisenhaus;
Anstellung an der unteren Schule des Berlinischen
August Gottlieb Meißner (1753-1807): Schriftsteller, Gymnasiums, das unter A. F. Büschings Leitung stand;
Universitätsprofessor und Gymnasialdirektor. Geb. in 1784 Wechsel an das Gymnasiumzum Grauen Kloster;
Bautzen, gest. in Fulda. Von 1764 bis 1772 Besuch der nebenher schriftstellerische und publizistische Tätig-
Schule in Löbau. 1773-1776 Studium der Rechte in keit; 1786-88 Italienreise und Zusammentreffen mit
Leipzig und Wittenberg, Beginn schriftstellerischer Tä- Goethe; Rückkehr über Weimar nach Berlin; ab 1789
tigkeit. Anstellung in Dresden als »Geheimer Canzel- Professor der Theorie der schönen Künste an der Aka-
list«, zuerst im Geheimen Konsilium, dann im Gehei- demie der Künste; 1791 Mitglied der Akademie der
men Archiv. Von 1785-1805 Professurfür Ästhetik und Wissenschaften; Verfasser des Anton Reiserund ande-
klassische Literatur an der Universität Prag. Darauf Be- rer Romane sowie zahlreicher psychologischer und äs-
rufung nach Fulda, wo er als »fürstlich Nassauischer thetischer Schriften.
wirklicher Consistorialrath« und als Direktor des Gym- Siehe Sp. 567,895, 1130
nasiums starb. Schriftstellerischen Ruf und eine große
Beliebtheit beim Publikum erwarb er sich als Verfasser
von Romanen (Alcibiades, 1781-88, Bianca Capello, Johann Karl August Musäus (1735-1787): Pädagoge
1785), Schauspielen, Reisebeschreibungen und Anek- und Schriftsteller; geb. in Jena als Sohn eines Landrich-
doten sowie durch zahlreiche Beiträge in Zeitschriften ters, gest. in Weimar; 1754 Studium der Theologie an
und Almanachen. In Dresden gab er gemeinsam mit K. der UniversitätJena; lebte einigeJahreals Kandidat des
Ch. Canzler die Quartalschrift Für ältere Litteratur und Predigeramtes in Eisenach. Seine Bewerbung für das
neuere Leetüre heraus, in Prag die Zeitschrift Apollo. Pfarramt in Farnrode bei Eisenach wurde abgelehnt, da
Seine Werke erschienen in 56 Bänden, von G. Kuffner seine Lebensweise den Bauern als zu freizügig erschien.
herausgegeben, 1811/12 in Wien. Seit 1763 Pagenhofmeister in Weimar, 1769 Professor
Siehe Sp. 418 am dortigen Gymnasium. Musäus war Mitarbeiter an
der Allgemeinen Deutschen Bibliothek von Nicolai;
anonym erschien 1760-62 Grandison der Zweite oder
Johann Peter Miller ( 1725-1789): evangelischer Theo- Geschichte des Herrn von N. Zwischen 1782 und 1786
loge und Pädagoge; geb. in Leipheim bei Ulm; 1745 Publikation der Volksmärchen der Deutschen.
Studium der Theologie an der Universität Helmstedt; Siehe Sp. 379
1747 Hauslehrer in Göttingen; 1751 Erwerbung des
Magistergrades; 1751 Rektor an der Schule zu Helm-
stedt; 1756 Leitung des Gymnasiums zu Halle; 1766 Johann Friedrich Achat Nitsch (1754-1794): Adjunct
Professor der Theologie an der Universität Göttingen, und Pfarrer zu Bibra. Geb. in Glaucha; Studium in
auch pädagogische Vorlesungen; Verfasser von theolo- Leipzig; anschließend Bibliothekar bei dem Grafen von
gischen und pädagogischen Schriften (u. a. Grundsätze Schönburg und Glaucha, dann Hauslehrer in Dresden.
einer weisen Erziehungskunst, 1769) sowie von Büchern Ab 1782 Pfarrerin Ober-und Niederwündsch bei Quer-
für Kinder und Jugendliche, bekannt vor allem die Hi- furt, ab 1793 in Bibra. Verfasser verschiedener Schul-
storischmoralischen Schilderungen zur Bildung eines ed- schriften, Hand- und Lehrbücher sowie von Wörterbü-
len Herzens der Jugend (1753-1764). chern.
Siehe Sp. 481,681 Siehe Sp. 255

Alexandre Guilleaume Mouslier de Moissy ( 1712 - Johann Friedrich Oest (1755-1815): Erzieher. Geb. im
1777): Schriftsteller; gest. in Paris; begann seine schrift- damals dänischen Neukirchen. Ab 1773 Theologiestu-
stellerische Laufbahn im Alter von 38 Jahren, nachdem dium ohne Abschlußprüfung. Danach Tätigkeit als Er-
er 17 50 mit seiner ersten Komödie, Le Provincial zieher und ab 1779 Hofmeister auf Schloß Damp in
1237 Autorenbiographien 1238

Holstein. Seit 1788 Hofmeister bei dem Grafen Revent- Georg Christian Raff ( 1748-1788): geb. in Stuttgart,
Iow auf Schloß Brahetrolleburg auf der dänischen Insel gest. in Göttingen; bedeutender Pädagoge und Jugend-
Fünen. 1793 Heirat und Übersiedlung nach Glücksburg schriftsteller des Philautropismus; besuchte das Gym-
an ein von seiner Frau errichtetes Erziehungsinstitut nasium zu Ulm, bezog die Universität Göttingen, wo er
1795 Berufung auf den Direktorenposten eines von Re- vorzugsweise pädagogische Studien trieb; lehrte am
ventlow gegründeten Schulmeisterseminars, dem als Waisenhaus in Göttingen Geographie und Naturge-
Versuchsschule auch eine Erziehungsanstalt ange- schichte; ab 1775 Privatdozent und Konrektor am Ly-
schlossen war. Neben seinen Sexualerziehungsschriften ceum in Göttingen bis zu seinem Tod; entwickelte eine
ist Oest nur noch mit einem Aufsatz Ȇber Eintheilung Methodik des Sachunterrichts- besonders in der Natur-
der Schulen in Klassen, vorzüglich in Beziehung auf geschichte- durch Bestrebungen zur Begründung einer
Landschulen« (1795) publizistisch in Erscheinung ge- dem jugendlichen Anschauungs- und Fassungsvermö-
treten. gen augepaßten Stoffvermittlung in dialogischer Form.
Siehe Sp. 612 Bedeutendstes Werk: Naturgeschichtefor Kinder, Göt-
tingen 1778.
Siehe Sp. 1014, I 021
Christian Adolf Overbeck (1755-1821): Jurist, Pädago-
ge, Liederdichter; geb. in Lübeck; besuchte hier das
Karl Georg von Raumer (1753-1833): Preußischer
Gymnasium und studierte anschließend in Göttingen
Staatsbeamterund Schriftsteller. Geb. in Dessau. Nach
Jura, Philosophie, Geschichte und Naturwissenschaf-
dem Besuch des Gröningschen Collegiums in Stargard
ten. Leitete sodann eine Erziehungsanstalt in Bremen,
Studium der Rechtswissenschaft in Leipzig von
wurde 1779 Obergerichtsprokurator in Lübeck und
1771-75. 1785 Kammergerichtsrat, 1797 Geheimer Le-
1792 Syndikus des Domkapitels. 1800 Berufung in den
gationsrat, 1803 GeheimerOberjustizrat Seit 1810 Mit-
Lübecker Senat; befaßte sich insbesondere mit dem
glied der Genera1ordenskommission, seit 1811 Vortra-
Schul- und Armenwesen und führte diplomatische Ver-
gender Rat beim Staatskanzleramt. 1818 Beförderung
handlungen mit Dänemark und Rußland. Nach Been-
zum Staatsrat und seit 1819 Präsident des Oberzensur-
digung der französischen Besetzung wurde Overbeck
kollegiums. 1822 Direktor im Ministerium des Königli-
1814 Bürgermeister von Lübeck. Neben Übersetzungen
chen Hauses und in dieser Funktion unter Hardenberg
von Reiseliteratur trat Overbeck insbesondere mit sei-
verantwortlich für Angelegenheiten des Königshauses,
nen Liedern und Gedichten hervor.
des Deutschen Bundes sowie die katholische Kirche.
Siehe Sp. 269
Sein Versuch über die Mittel wider den Kindesmord er-
schien 1782.
Siehe Sp. 1268
Johann Georg Friedrich Pabst (1754-1821): geb. in
Ludwigstadt im bayreuthischen Lauenstein als Sohn ei-
nes Handwerkers, der Bürgermeister des Örtchens war. Karl Christoph Reiche (Lebensdaten nicht ermittelt):
Auf Empfehlung des Ludwigstädter Rektors Alumnus Historiker, Prediger und Buchhändler; seit 1767 Magi-
am Gymnasium in Hof (1766-1774); später Studium ster legens in Göttingen; später Prediger in Garz (Nähe
der Philosophie, Geschichte und Theologie in Leipzig Havelberg); nach seiner Absetzung Direktor der Ge-
und Erlangen; Erwerb des Doktors der Philosophie. lehrten-Buchhandlung in Dessau; 1788 Reise nach
Drei Jahre lang Erzieher der beiden Reichsgrafen zu Ca- Nordamerika (Philadelphia). Verfasser hauptsächlich
steii-Remlingen. Seit 1782 außerordentlicher, seit 1790 religiöser Schriften mit z. T. freigeistigen Auffassungen;
ordentlicher Professor der Philosophie an der Universi- sechsbändige Allgemeine synchronistische Weltgeschich-
tät Erlangen, wo er Philosophie, Theologie und Ge- te (1777-1781); keine weiteren Kinder- und Jugend-
schichte lehrte. Seit 1790 Prodechant und Pfarrer in schriften; in Amerika Herausgabe einer deutschen Zeit-
ZirndorfI Ansbach. Verfasser u. a. von Schriften zur schrift; gestorben in Amerika zwischen 1790 und 1799
Kirchengeschichte, aber auch eines historischen Wer- >>im äußersten Elende« (Meusel, Bd. XI, S. 111 f.).
kes Leben und Schicksale Friedrichs /I for Jünglinge (2 Siehe Sp. I027
Bde., 1788-1879).
Siehe Sp. 283, 1157
Justos Gottfried Reinhardt ( 17 59-1841): Oberlehrer an
der Mädchenschule zu Mühlhausen; Verfasser von
Schulbüchern, z. B. Elementarbüchlein der deutschen
Gottlieb Konrad Pfeffel ( 1736-1809): Schriftsteller Sprache for Knaben und Mädchen ( 1797); Der kleine
und Erzieher; geb. in Colmar; ab 1751 Studium der Westphale, oder geographisches Lehrbuch über das Kö-
Rechtswissenschaften an der Universität Halle; wegen nigreich Westphalen. Zum Unterricht in Bürgerschulen
eines Augenleidens, das später zurvollständigen Erblin- (1808).
dung führte, 1753 frühzeitiger Abbruch des Studiums; Siehe Sp. 908
mit Erlaubnis Ludwig XV. 1773 Eröffnung der » Ecole
militaire« für die Erziehung und Ausbildung des jungen
protestantischen Adels. Mit der französischen Revolu- Friedrich Gabriet Resewitz ( 1725-1806): Evangelischer
tion löste sich die Institution auf. 1788 Ehrenmitglied Theologe und Pädagoge; geb. in Berlin. 1747 Theolo-
der Berliner Akademie der Künste; 1803 Ernennung giestudium an der Universität Halle; 1750 Reisepredi-
zum Präsidenten des evangelischen Konsistoriums zu ger des Fürsten von Zerbst; 17 55 Gründung einer litera-
Colmar. Neben Übersetzungen zumeist französischer rischen Gesellschaft in Berlin, zu der u. a. Nicolai und
Stücke Verfasser von Gedichten, Kirchenliedern, Er- Moses Mendelsohn zählten. Durch die Äbtissin des
zählungen, Fabeln und Schauspielen. Quedlinburger Stifts, Anna Amalia von Preußen, der
SieheSp. 98 Schwester Friedrichs des Großen, 1757 Berufung als
1239 Autorenbiographien 1240

Prediger nach Quedlinburg und Inspektor ans dortige dersee und ab 1786 des Erbprinzen Friedrich von An-
Gymnasium; 1767 Anstellung als zweiter Prediger an halt-Dessau; wurde 1803 in den Adelsstand erhoben
der St. Petrikirche zu Kopenhagen, wo er sich besonders und 1808 zum Ehrenmitglied der Akademie der nützli-
mit dem Problem der Armut befaßte und von hier aus chen Wissenschaften ernannt. 181 7 beauftragte ihn der
seine ersten pädagogischen Reformen durchführte; Herzog Leopold Friedrich mit der Vereinigung ver-
1771 Gründung einer Realschule für Waisen- und Bür- schiedener herzoglicher Büchersammlungen zu einer
gerkinder; 1775 Ernennung zum Abt des Klosters Berge öffentlichen Bibliothek. Verfasser zahlreicher Überset-
und Generalsuperintendenten des Herzogtums Magde- zungen aus dem Lateinischen. Für Kinder erschienen
burg durch den Minister von Zedlitz, der in Berge eine 1776 der Briefwechsel einiger Kinder und die Kinder-
Musterschule der Aufklärung errichten wollte. Da er schauspiele.
nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnte, wurde er Siehe Sp. 156, 159
1797 als Vorsteher der Schule entlassen und 1805 der
Verwaltung des Klostergutes enthoben; Mitarbeiter der
Berliner Literaturbriefe, an Campes Revisionswerk und Johann Heinrich Röding (1732-1800): Schriftsteller
Verfasser zahlreicher Erziehungsschriften. und Pädagoge; stammte aus einer Hamburger Mittel-
Siehe Sp. 745 standsfamilie; ohne höhere Schul- oder Universitätsbil-
dung angestellt als Volksschullehrer an der Kirchen-
schuleSt. Jacobi zu Hamburg. Ab 1770 erschienen zahl-
Samuel Richardson ( 1689-17 61): Drucker und Schrift- reiche Publikationen, Gelegenheitscarmina (auch in
steiler; geb. in Mackworth bei Derby, gest. in Parson's plattdeutscher Sprache), vermischte Gedichte, An-
Green bei London; Sohn eines verarmten Tischlers; dachtsbücher, vielbändige Zeitschriften für die Jugend
nach geringer Schulbildung 1706 Lehre bei einem Lon- (Hamburgisches Wochenblatt fiir Kinder, insges. 6
doner Drucker, dessen Tochter er I 721 heiratete. Eröff- Bändchen, 177 5-1777), geistliche Gesänge, moralische
nung einer eigenen Druckerei im selben Jahr. Als erstes Rätsel und Kinderschauspiele, so Der schuldige Knabe,
Werk veröffentlichte er 1739 die Fabellese Aesop's ein Spiel fiir Kinder, Harnburg 1777; Die Mädchen-
fahles, die 1757 in deutscher Übersetzung und Bearbei- schule, ein Spiel fiir kleine Schönen, Harnburg 1777;
tung von G. E. Lessing erschien; Verfasser der Briefro- Der großmüthige Bauerknabe, ein Spiel fiir Kinder,
mane Pamela ( 1741 ), Clarissa (17 4 7 I 48) und The histo- Harnburg 1777; Kleine Spiele und Gespräche fiir Kin-
ry of Sir Char/es Grandison (1753-1755). der, Harnburg 1777.
Siehe Sp. 84 Siehe Sp. 193

Friedrich Eberhard von Rochow ( 17 34-1805): Gutsherr Johann Daniel Rumpf ( 1766-1839): Geb. in Assenheim
und Domkapitular, Pädagoge und Schriftsteller; geb. in (Wetterau), gest. in Berlin; Studium der Rechte in Gie-
Berlin, gest. in Reckahn; nach der Hofmeistererziehung ßen; Advokat in Rödelheim; anschließend Steuerbe-
im Hause seines Vaters, des kurmärkischen Kammer- amter und Sekretär der Regierung in Berlin; 1822 Er-
präsidenten und Königlichen Staatsministers Friedrich nennung zum Hofrat. Herausgeber der ersten Bände der
Wilhelm von Rochow, 1747-49 Studium an der Ritter- Neuen Bilder Gal/erie fiir junge Söhne und Töchter
akademie in Brandenburg; 1751 oder Anfang 1752 Ein- (Berlin 1794-1812).
tritt in die Armee, Offizierslaufbahn; Teilnahme am Sie- Siehe Sp. 429
benjährigen Krieg, 1756 Verwundung in der Schlacht
bei Lobositz, Genesungsaufenthalt in Leipzig; dort
Freundschaft mit Geliert und Einführung in den Leipzi- Shaikh Muslib AI-Din Sadi (ca. 1193-1292): persi-
ger Gelehrtenkreis; 1758 schwere Handverletzung bei scher Dichter. Geb. und gest. in Shiraz. Studium an der
einem Duell und Abschied von der Armee, Rückkehr berühmten Nizamiya-Universität in Bagdad, später bei
auf die Güter seines Vaters; 1760 Übernahme der väter- Shaikh Add al-Kadir al-Djili, unter dessen Anleitung er
lichen Güter in der Mark zur freien und eigenen Verwal- die Mystik der Sufis studierte und Pilgerreisen nach
tung; 1762 Ernennung zum Domherrn und Propst des Mekka unternahm. Die ersten dreißig Jahre seines Le-
Pfortenstiftes zu Halberstadt, gleichzeitig Aufnahme in bens verwandte Sadi auf das Studium, die zweiten drei-
den Johanniterorden; Durchführung von agrarpoliti- ßig auf Reisen und dichterisches Schaffen; weitere drei-
schen und sozialen Reformen auf seinen Gütern Rek- ßig Jahre lebte er in frommer Abgeschiedenheit, mit der
kahn, Krahne und Gettin, v. a. jedoch Schulreformen; Vollendung und Ordnung seiner Gedichte beschäftigt.
Schaffung von Musterschulen zur Beförderung der Den Rest seines Lebens widmete sich Sadi der Mystik.
Volksaufklärung, der intellektuellen und religiös-sittli- Unter seinen Werken sind der 1257 verfaßte Bustan
chen Bildung; Kontakt mit Basedow, Bahrdt, Campe (Garten) und der 1258 geschriebene Gulistan (Rosen-
und Salzmann; 1772 Veröffentlichung seines Versuchs garten) die bekanntesten. Bustan stellt eine Gedicht-
eines Schulbuches fiir die Kinder der Landleute oder sammlung über ethische Themen dar, Gulistan ist eine
zum Gebrauch in Doifschulen; Verfasser zahlreicher Sammlung von belehrenden, reichlich mit Versen
pädagogischer Schriften und Lehrbücher, u. a. Catechis- durchsetzten Prosaerzählungen. Von beiden Werken
mus der gesunden Vernunft ( 1786), Handbuch in kate- existieren zahlreiche orientalische Drucke und europä-
chetischer Form fiir Lehrer, die aufklären wollen und ische Textausgaben. Sadi, der u. a. auch drei Gedicht-
düifen (17 83 ), Geschichte meiner Schulen ( 179 5). sammlungen Taiyibat (Scherze), Hazliyat (Späße) und
Siehe Sp. 835 Klubthiyat (Zoten) verfaßte, gilt als der erste persische
Dichter, der in seinem Werk mystische mit didaktischen
Tendenzen vereinigt hat. Er wird als Moralist angese-
August von Rode (1751-1837): Erzieher und Schrift- hen und aufgrund seines dichterischen Schaffens mit
steller; 1768-1771 Studium der Rechte in Halle und Horaz, Rabelais und Lafontaine verglichen.
Leipzig; Erzieher des späteren Grafen Franz von Wal- Siehe Sp. 131
1241 Autorenbiographien 1242

Christian Gotthilf Salzmann ( 1744-1811): Evangeli- rer geistlicher Lieder, von Gedichten, Fabeln und Er-
scher Pfarrer, Liturg und Religionslehrer am Dessauer zählungen; Hrsg. von Predigten, Lehrbüchern und
Philanthropin, Gründer einer Erziehungsanstalt in Übersetzungen.
Schnepfenthal, Verfasser zahlreicher pädagogischer Siehe Sp. 953
und populärer Schriften. Geb. in Sömmerda, gest. in
Schnepfenthal. Nach dem Besuch des Gymnasiums in
Langensalza von 1761-64 Studium der Theologie an August Ludwig von Schlözer (1735-1809): Historiker
der Universität Jena. 1768 Antritt einer ersten Pfarrstel- und Publizist; geb. in Jaggstadt (Württemberg), gest. in
le in Rohrborn nahe Erfurt. Hier Vermählung mit der 14 Göttingen; 1751-54 Studium der Theologie in Witten-
Jahre alten Pfarrerstochter Sophie Magdalene Schnell. berg, Promotion; 1754 Studium der Philologie in Göt-
1772 Wechsel in die Pfarrstelle an der St.-Andreas-Kir- tingen, u.a. bei J. D. Michaelis (Orientalistik); 1755
che zu Erfurt. AufVermittlung von C. F. Weiße in Leip- Hauslehrer in Stockholm; 1756/57 Deutschlehrer in
zig Veröffentlichung seines ersten Kinderbuches, der Upsala, Studium des Altnordischen und Gotischen, an-
Unterhaltung for Kinder und Kinderfreunde (1778). schließend kaufmännische Stellung und journalistische
1781 Antritt einer Stelle als Liturg und Religionslehrer Nebentätigkeit; 1758 kurzzeitig Hauslehrer in Lübeck,
am Dessauer Philanthropin. 1783 pädagogische Orien- danach erneutes Studium in Göttingen (Medizin, Na-
tierungsreise zur beabsichtigten Gründung einer eige- turwissenschaften, Rechts- und Staatswissenschaften);
nen Erziehungsanstalt, die schließlich im Juli 1785 in 1761 Reise nach Rußland, Hauslehrer in Petersburg,
Schnepfenthai erfolgte. Als Plattform zur Verarbeitung anschließend Lehrer an einer Erziehungsanstalt für ade-
seiner pädagogischen Ideen diente vor allem Der Bote lige Kinder, Studium des Russischen; 1765 Mitglied der
aus Thüringen, der seit 1788 erschien und in dem zur Po- Petersburger Akademie; Ernennung zum Professor für
pularisierung seiner Ansichten 1794 der Erziehungsro- russische Geschichte durch Katharina II.; 1767 Rück-
man Conrad Kiefer oder Anweisung zu einer vernünfti- kehr nach Deutschland, 1769 ordentlicher Professor an
gen Erziehung der Kinder publiziert wurde ( 1796 Buch- der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen
ausgabe). Weitere Hauptwerke: Carl von Carlsberg (Geschichte, Politik und Statistik); 1802 in den Adels-
oder über das menschliche Elend« (Bd. 1-6, 1783-88), stand gehoben; begründete mit dem Briefwechsel, meist
Ueber die wirksamsten Mittel Kindem Religion beyzu- historischen und politischen Inhalts (1776-82) und dem
bringen (1780), Moralische Elementarbuch (Bd. 1-2, Staatsanzeiger die politische Publizistik in Deutsch-
1782-83, neue verb. Aufl. 1785-87) sowie Reisen der land; legte als erster Fachhistoriker einem universalhi-
Salzmannsehen Zöglinge (Bd. 1-6, 1784-93). storischen Lehrbuch (Vorstellung seiner Universalhisto-
Siehe Sp. 574, 750, 937 rie, 1772/73) den Entwicklungsgedanken zugrunde;
bedeutende Schriften zur nordischen und besonders
russischen Geschichte (Erstausgabe der Nestorchronik);
Christian Friedrich Sander ( 17 56-1819; auf einigen Verfasser mehrerer Schriften für Kinder und Jugendli-
Schriften auch Levinus Christian Sander genannt): che.
Schriftsteller, Lehrer am Philanthropin in Dessau und SieheSp.I033, 1094,1135
Professor für Pädagogik und deutsche Sprache am
Schullehrerseminar in Kopenhagen. Beiträge in den Johann Georg Schlosser (1739-1799): Geb. in Frank-
Pädagogischen Unterhandlungen des Philanthropins furt/Main; Studium der Rechte in Gießen, Jena und
und anderen pädagogischen Zeitschriften; verfaßte das Altdorf; 1762 Promotion, anschließend als Advokat in
Lustspiel Der kleine Herzog(l781); das Schauspiel Pu- Frankfurt; 1766-69 Geheimsekretär und Erzieher bei
sillana (1783) sowie Prosaische Dichtungen (1783). Prinz Friedrich Eugen von Württemberg; seit 1766
Siehe Sp. 277, 290, 299 Freundschaft mit Goethe, dessen Schwester Comelia er
1773 heiratet; zusammen mit J. H. Merck an der Her-
ausgabe der Frankfurter Gelehrten Anzeigen beteiligt;
Georg August Scheppach (geb. 1765): geb. zu Neustadt- ab 1773 als Hof- und Regierungsrat im Dienst von
Dresden; sächsischer Hofküchenschreiber in Dresden; Markgraf Kar! Friedrich von Baden in Karlsruhe und
Verfasser regionalgeschichtlicher und geographischer Emmendingen; ab 1783 Mitglied des Illuminatenor-
Schriften für Erwachsene und Herausgeber des dens; 1794 Austritt aus den markgräflichen Diensten,
Dresdner Adressen-Cafender auf die Jahre 1809-14 Rückzug nach Eutin in Norddeutschland; 1798 Beru-
und 1816-23. Nach Ersch (Bd. 2, 1793, Nr. 2775) und fung zum Syndikus der Stadt Frankfurt/Main, wo er
Dom (Meil-Bibliographie, Berlin 1928) Verfasser des 1799 einen plötzlichen Tod findet. Verfasserzahlreicher
Mythologischen Lesebuchs (1785/86). Die Vorrede des politischer, rechtswissenschaftlicher, moralischer, phi-
I. Bandes ist mit den Initialen G. A. S. unterzeichnet.
losophischer und geschichtlicher Schriften.
Siehe Sp. 1122 Siehe Sp. 535, 735

Johann Adolf Schlegel (1721-1793): Theologe und Mattbias von Schönberg (1734-1792): Katholischer
Schriftsteller; geb. in Meißen, gest. in Hannover; Bru- Geistlicher und Doktor der Theologie. Bis zur Aufbe-
der von Joh. Elias Schlegel, Vater von August Wilhelm bung des Ordens 1773 Jesuit. Anschließend Tätigkeit in
und Friedrich Schlegel; Studium der Theologie in Leip- München als Geistlicher, Schriftstellerund Direktor der
zig, später Diakon und Prediger an der ))Pforta«, der al- ))Bibliothek des goldenen Almosens«, einer Anstalt zur
ten sächsischen Landesschule; 17 54 Pastor und Profes- Verbreitung von Schul- und Gebetbüchern an Stadt-
sor der Theologie am Gymnasium in Zerbst; Ableh- und Landschulen sowie Pfarreien und Klöstern. Autor
nung eines Rufs an die Universität Göttingen; 1759 Pa- zahlreicher Volks- und Erbauungsschriften wie Lehrrei-
stor an der Marktkirche in Hannover, 1775 Consisto- che Gedanken mit kleinen Begebenheiten zur Bildung
rialrat, 1782 Generalsuperintendent; Verfasser mehre- eines edlen Herzens in der Jugend (1771). Verfasser
1243 Autorenbiographien 1244

polemischer Schriften gegen die Aufklärung, u. a. gegen Georg Friedrich Seiler (1733-1807): Erlanger Theolo-
die 1776 erschienene Moral für die Jugend von Sutor. ge; geb. in Kreußen/Bayreuth, gest. in Erlangen; 17 54
Siehe Sp. 542 Studium der Philosophie, Theologie, der orientalischen
Sprachen, der Mathematik, Naturwissenschaften und
Geschichte an der Universität Erlangen; 17 59 Hausleh-
Johann Mathias Schröckh (1733-1806): Historiker und rer in Tübingen, dort Fortsetzung des Studiums; 1761
Schriftsteller; geb. in Wien, gest. in Wittenberg; ent- Diakon in Neustadt an der Heyde (Coburg), dann Ver-
stammte einer protestantischen Kaufmannsfamilie; zu- walter eines Predigtamtes in Coburg; 1770 4. ordentli-
nächst Besuch des lutherischen Gymnasiums in Preß- cher Professor der Theologie in Erlangen; 1771 Promo-
burg, ab 1751 Studium in Göttingen. Nachdem sich sei- tionzum Dr. theol.; 1772 Erhaltder3. ordentlichen Pro-
ne Absicht, ein geistliches Amt zu bekleiden, zerschla- fessur der Theologie und Universitätsprediger; Ableh-
gen hatte, ging er nach Leipzig, wo er Rezensionen ver- nung von Berufungen nach Göttingen, Leipzig, Lübeck,
faßte. Hier ergab sich enger Kontakt zu Ernesti und Chr. Harnburg u. a.; 1773 Geheimer Kirchenrat; 177 5 Kon-
F. Weiße. Folgte sodann einem Ruf an die Universität sistorialrat in Bayreuth, Dezernent für das gesamte
zu Wittenberg als Professor für Dichtkunst, Altphilolo- Schulwesen des Fürstentums Bayreuth; 1779 2., 1788 1.
gie und Kirchengeschichte. Verfasser zweier Ge- ordentliche ProfessurderTheologie in Erlangen, Super-
schichtswerke für die Jugend: Lehrbuch der allgemeinen intendent und 1. Prediger der Stadtkirche sowie Scho-
Weltgeschichte zum Gebrauche bey dem ersten Unter- larch des Gymnasiums; Verfasser zahlreicher Schul-
richt der Jugend (1774); Allgemeine Weltgeschichte für und Volksschriften religiösen Inhalts, v. a. jedoch theo-
Kinder (1779-1784). logischer Schriften.
Siehe Sp. I 039 Siehe Sp. 712, 898

Christian Gottfried Schütz (1747-1832): Philologe in Johann Salomo Semler (1725-1791): Theologe in Hal-
Halle und Jena; geb. in Dederstädt (Grafschaft Mans- le; geb. in Saalfeld (Thüringen), gest. in Halle; 1744 Stu-
feld), gest. in Halle; Studium der Theologie in Halle, dium der Theologie und orientalischen Sprachen in
auch der Philologie, Geschichte und der alten Spra- Halle; 17 50 Magister der Philosophie; außerordentli-
chen, 1768 Magister, anschließend Lehrer der Mathe- cher Professor am Gymnasium in Koburg, tatsächlich
matik an der Brandenburger Ritterakademie; 1769 In- aber mit der Redaktion der Koburger Zeitung betraut;
spektor des Theologischen Seminars in Halle, 1773 au- 1751 Professor der Geschichte und Poesie in Altdorf,
ßerordentlicher, 1777 ordentlicher Professor am Erzie- dort 17 53 Promotion zum Dr. theol.; 17 52 Rückkehr
hungsinstitut des Seminars; 1779 Professor der Bered- nach Halle, Professor der Theologie; nach dem Tod sei-
samkeit in Jena; 1784 gemeinsam mit Stroth, Wieland, nes Lehrers Baumgarten (1757) Repräsentant der auf-
Hufeland und Bertuch Gründung der Allgemeinen Lit- klärerischen deutschen Theologie; begründete die hi-
teratur-Zeitung, die wesentlich zur Popularisierung der storisch-kritische Bibelexegese: der Inhalt der bibli-
Kantischen Philosophie beiträgt; lange Mittelpunkt des schen Bücher solle »localisirt« und »temporalisirt«
geistlichen Lebens in Jena; 1804 Prof. der Beredsamkeit werden, um den moralischen Gehalt herausschälen zu
in Halle, Direktor des philologischen Seminars; Haupt- können; später Übergang zur Orthodoxie und- im Ge-
werk: Ausgabe der rhetorischen Werke Ciceros gensatz zur theologischen Fakultät in Halle- Unterstüt-
(1804-08). zung des Wöllnerschen Religionsedikts von 1788; wis-
Siehe Sp. I 057 senschaftlich vereinsamt, im Alter Studien zur Alchi-
mie; Verfasservon mehr als 250 Schriften zur Theologie
und Kirchengeschichte.
Johann Gottlieb Schummel ( 17 48-1813): Geb. in Sei- Siehe Sp. I 057
tendorfbei Hirschberg als Sohn eines Dorfschullehrers;
1760-67 Besuch des Gymnasiums in Hirschberg; 1767- David Christoph Seybold (1747-1804): Pädagoge und
69 Theologiestudium in Halle, 1770 Hauslehrertätigkeit Altphilologe; geb. in Brackenheim; 177 4 Rektor am
in Acken/Eibe; literarisches Debut mit den Empfindsa-
Gymnasium in Speyer; 1779 Rektor in Grünstadt,
men Reisen durch Deutschland ( 1770-72) in der Nach-
1779-92 Rektor in Buchsweil er/Elsaß; 1796 Professor
folge L. Sternes; 1771 Präzeptor bei dem Kloster » Un-
der alten Literatur in Tübingen; Verfasser von histori-
sere Lieben Frauen« in Magdeburg; 1779 Professor für
schen und geographischen Lehrbüchern und Erzie-
Historie an der Ritterakademie in Liegnitz; 1788 Pro-
hungsschriften sowie Übersetzungen aus dem Lateini-
rektor am Elisabeth-Gymnasium in Breslau; 1808 Wahl schen und Griechischen.
zum Rektor, die 1810 aus politischen Gründen zurück- Siehe Sp. 850, I 046
genommen wird.
SieheSp.l31, 161,166
Johann Christian Siede (1765-1806): Pädagogischer
und Unterhaltungsschriftsteller. Geb. in Magdeburg,
Georg Heinrich Seiferheld (1757-1818): Physiker und gest. in Berlin als Fürstlich Anhalt-Köthenscher Ge-
Jurist; geb. in Haberschlacht (Württemberg); Senator schäftsträger und Geheimer Rat. Vorwiegend Verfasser
der Reichsstadt Halle in Schwaben, seit 1790 auch Hes- von Unterhaltungsromanen wie Emilie oder verrathene
sen-Darmstädtischer Hofrat (ehedem Ratsadvokat), Geheimnisse ( 1789), Der Weltmann und die Dame von
königlich württembergischer Bücherfiscal und Profes- feinem und großem Ton ( 1790) und Die schöne Diana,
sor der Physik am Gymnasium zu Schwäbisch Hall, Berlins erstes öffentliches Mädchen ( 1794-96). Auch als
Mitglied des Oberamtsgerichts und des Waisengerichts; Übersetzer tätig wie Die Kunst sinnreich zu quälen
Verfasser verschiedener physikalischer Schriften. (1792).
Siehe Sp. 1140 Siehe Sp. 1528
1245 Autorenbiographien 1246

Friedrich Spach (gest. 1794): Buchhandlungsdiener in chenrates. Autor zahlreicher Schriften zur Philologie,
Stuttgart, dann Schauspieler, seit 1790 Buchhändler in Kirchengeschichte und neutestamentlichen Exegese so-
Straßburg. Geb. in Buchsweiler im Elsaß, Geburtsda- wie zur aufklärerischen Pädagogik wie Freimüthige Un-
tum unbekannt. Pseudonym Friedrich Walther. Her- tersuchungen, die Offenbarung Johannis betreffend
ausgeber des Weltboten, einer politischen Zeitung; Ver- (1771) und Bezeugnisse der Wahrheit von der öffentli-
fasser von Schauspielen, des Buches Mädchen und Wei- chen Untersuchung des Philanthropinums zu Dessau
ber, eine Reihe von Beobachtungen, Skizzen, Erzählun- (Gotha 1776). Herausgeber der Kirchengeschichte des
gen und Fragmenten ( 1791) und einer weiteren Jugend- Eusebius Pamphili und der Vita Constantini sowie einer
schrift Für Jünglinge; Fragmente aus der Brieftasche ei- lateinischen und griechischen Chrestomathie.
nes Weltbürgers ( 1791 ). Siehe Sp. 206
Siehe Sp. 613
Christoph Christian Sturm ( 17 40-1786): Evangelischer
Christian Gottlieb Steinheck (1766-1831): Theologe, Prediger und Verfasser zahlreicher religiöser Schriften
Pädagoge, Volksschriftsteller, geb. in Tieschnitz bei Ge- für Kinder und Jugendliche; geb. in Augsburg als Sohn
rad, gest. in Neustadt an der Orla. Verfasser zahlreicher eines Notars; gest. in Harnburg; Studium der Theologie
volkspädagogischer Schriften (Volks- und Hausbücher, in Jena, 17 61 Magister der Philosophie; zwischen 17 63
Kalender und Zeitschriften), mit denen er sich an den und 1765 Lehrer am Pädagogium in Halle, anschlie-
gemeinen Bürger, den Bauern und die Jugend wendet. ßend Konrektor in Sorau in der Niederlausitz. Ab 1767
Herausgeber des Magazins fiir Freunde des deutschen Prediger in Halle, 1769 in gleicher Stellung an der Heili-
Vaterlandes. Monatsschrift fiir den Bürger und Land- gen Geistkirche zu Magdeburg; 177 8 Hauptpastor an
mann ( 1803 ), des Deutschen Patrioten ( 1802-1805) (zu- der Sankt Petrikirche in Hamburg; verfaßte überwie-
sammen mit E. Bornschein) und der Neuen Jugendzei- gend religiöse Erbauungsbücher und Predigten: Gebete
tung ( 1806); stand in enger Verbindung mit Salzmanns und Lieder fiir Kinder ( 1771 ), Predigten fiir Kinder
Erziehungsanstalt in Schnepfenthal. ( 1771); stand in engem Kontakt mit dem evangelischen
Siehe Sp. 1176, 1184 Pädagogen und Theologen Jakob Friedrich Feddersen
( 1736-1788).
Christian Gottlieb Steinberg (1738-1781): Prediger Siehe Sp. 743
und Schriftsteller; geb. und gest. in Breslau; Studium in
Breslau und Halle; seit 1772 Prediger in Breslau. Verfas- Johann Georg Solzer ( 1720-1779): Geb. in Winterthur,
ser verschiedener, vor allem religiöser und moralisch- gest. in Berlin; Studium der Theologie in Zürich; Schü-
pädagogischer Schriften. ler u. a. von Bodmer und Breitinger; 1741 Vikar in
Siehe Sp. 548 Maschwanden; I 743 Hofmeister in Magdeburg; ab
17 47 Professor der Mathematik am Joachimsthalschen
Johann Siegmund Stoy ( 17 45-1808): Theologe und Gymnasium zu Berlin; ab 1750 Mitglied der Königli-
Pädagoge; geb. in Nürnberg, Studium der Theologie in chen Akademie der Wissenschaften, ab 177 5 Direktor
Leipzig, evangelischer Pfarrer in Henfenfeld bei Nürn- ihrer philosophischen Klasse; ab 1763 Professor an der
berg. 1782 Gründung einer Erziehungsanstalt, deren Ritterakademie (Ecole militaire) zu Berlin. Sein Haupt-
Direktor er war; Verfasser verschiedener pädagogischer werk ist die Allgemeine Theorie der schönen Künste
Schriften überwiegend religiös-moralischen Inhalts. (1771-74, dann 1792-94, mit Zusätzen von Blanken-
Siehe Sp. I 099 burg 1796-98, mit Nachträgen von Dyk und Schütz
1792-1808). Weitere Werke: Versuch einiger morali-
scher Betrachtungen über die Werke der Natur (1741),
Johann Baptist Strobl (1743-1805): Buchhändler, Ver- Versuch einiger vernünftigen Gedanken von der Aufer-
leger, Schriftsteller und Titularprofessor; geb. in Schro- ziehung und Unterweisung der Kinder (1745), Kurzer
benhausen, gest. in München. Veröffentlichte 1771 Begriff aller Wissenschaften (1745). Seine Vorlesungen
Briefe zum Gebrauch junger Leute, 177 4 Des Herrn Ab- und Abhandlungen erschienen als Vermischte philoso-
tes Fleury acht Abhandlungen über die Kirchengeschich- phische Schriften (2 Bde., 1773-81 ).
te (Übersetzung aus dem Franz.), 1778 Reden von den Siehe Sp. 865
J1lichten und Absichten eines Realschullehrers, 1779
Sammlung der Bayrischen Landständischen Freyheits-
briefe und sogenannter Handvesten. 1785 erschien Ue- Graf Carl Gustav von Tessin ( 1695-1770): Schwedi-
ber Publicität und Pasquille, 1778 Unglücksgeschichten scher Staatsmann und Kunstförderer. Geb. in Stock-
zur Warnung fiir die unerfahrene Jugend, in rührenden holm, gest. in Akerö. Sohn des aus einer alten pommer-
Beispielen und 1794 Folgen unrichtiger und verwahr- sehen Patrizierfamilie stammenden und seit Mitte des
loster Erziehung. 17. Jahrhunderts in Schweden ansässigen Architekten
Siehe Sp. 446 Nieodemus Tessin d. J. Vom Vater zum Architekten be-
stimmt. 1714 Antritt zu einer mehrjährigen Studienreise
(bis 1719) durch Italien, Deutschland, Österreich und
Friedrich Andreas Stroth (1750-1785): Theologe und Frankreich.l718 Ernennung zum Hofintendanten und
Pädagoge. Geb. in Tribsees/Pommern, gest. in Lauch- nach dem Tode des Vaters (1728) Oberintendant und
städt während einer Reise in seine Heimat. Nach dem Leiter des Schloßneubaus in Stockholm. 1725 für ein
Studium der Theologie und Philologie 1773 als Nach- Jahr schwedischer Gesandter in Wien, in gleicher Funk-
folger Johann Jakob Rambachs Rektor des Quedling- tion von 1739 bis 1742 in Paris. Als Führerder Partei der
burger Gymnasiums. Auf Berufung durch Herzog Ernst }} Hüte«, die auf dem Reichstag von 1738/39 die parla-
I I. ( 1772-1804) 1779 Wechsel in das Rektoratsamt des mentarisch-politische Macht übernahm, die Gewalt des
Gymnasiums in Gotha. Verleihung des Titels eines Kir- Königtums weitgehend zurückdrängte und die feudalen
1247 Autorenbiographien 1248

Privilegien abschaffte, maßgeblicher Einfluß auf die schweig, wo er als Professor und ordentliches Mitglied
schwedische Politik und als Kanzleipräsident faktisch in das Schuldirektorium eintrat. Nach der Auflösung
Inhaber aller politischen Macht. Von 17 49-56 Erzieher dieser neugeschaffenen Schulbehörde durch den Her-
des 1746 geborenen Thronfolgers und Kronprinzen Gu- zog von Braunschweig im Jahre 1790 Umsiedlung nach
stav, des Sohnes von König Adolf Frederik und Königin Wolfenbüttel. 1780 veröffentlichte Trapp sein Haupt-
Louisa Ulrika, einer Schwester Friedrichs des Großen. werk Versuch einer Pädagogik, die bedeutendste theo-
1735 auf Initiative Tessins Gründung der Königlichen retische Schrift des Philanthropismus. Während seiner
Zeichenakademie, 1739 der Akademie der Wissen- Zeit in Halle entstanden ferner Ueber das Hallische Er-
schaften sowie 1753 der Akademie für Literatur und ziehungsinstitut (1782) und jugendschriftstellerische
Wissenschaft (Vitterhetsakademien). Ab 1754 schrift- Arbeiten wie das Gesangbuch fiir die Jugend, das Wo-
stellerische Tätigkeit in Akerö, wo die Briefe an einen chenblatt fiir die Jugend ( 1781-82) sowie das Tägliche
jungen Prinzen von einem alten Manne entstehen sowie Handbuch fiir die Jugend ( 1784). Vor allem für die All-
ein später in 29 Bänden gedrucktes Tagebuch Tessins, gemeine Deutsche Bibliothek verfaßte Trapp zahlreiche
das Akerö-Tagebuch. Jugendbuchkritiken. Das Braunschweigische Journal
Siehe Sp. 490 philosophischen, philologischen und pädagogischen In-
halts, das Trapp gemeinsam mit Campe, Heusingerund
Stuve 1788 begonnen hatte, gab er 1790-91 allein her-
aus. Die Neue Sammlung von Reisebeschreibungen zur
Friedrich Ludwig Textor (1765-1822): Theologe und
Fortsetzung der Campischen erschien 1794-180 I.
Schriftsteller, geb. in Umstadt, gest. in Romrod. Zu-
Siehe Sp. 553
nächst Pfarrassistent in seiner Geburtsstadt Umstadt.
Danach Tätigkeit als Feldprediger eines Hessisch-
Darmstädtischen Regiments in Gießen und schließlich
Prediger in Romrod bei Alsfeld im Darmstädtischen. Abraham Trembley ( 171 0-1784): Schweizer Naturwis-
Mitarbeiter des zwischen 1765-1770 von Christoph senschaftler; geh. in Genf; Studium am Kolleg in Genf,
Christian Sturm in Halle herausgegebenen Homileti- besonders Mathematik; danach Reisen; aufgenommen
schen Journals, in welchem Nachrichten und Urtheil von vom Grafen von Bentinck, englischer Gesandter in Den
den neuesten Predigten [ . . .}. Veröffentlichte 1793 Le- Haag, Erzieher dessen Kinder; bedeutende naturwis-
ben, Abentheuer und Heldentod Paul Roderichs des De- senschaftliche Studien: Memoires pour servir a l'histoire
mokraten, eine Gelegenheitsgeschichte aus dem gegen- d'un genrede Polypes d'eau douce, a bras enforme de
wärtigen Krieg, von seinem christlichen Vetter beschrie- cornes (Leyden 1744, Nachdr. Paris im gleichen Jahr,
ben. 1798 erschien sein Vermächtnis an Theone, in mo- dt. 1791); folgt seinem Herrn nachLondon; Korrespon-
ralischen Aussichten über wichtige Gegenstände unsrer dent der französischen Akademie der Wissenschaften;
Ruhe. 17 57 Rückkehrnach Genf, Mitglied des Großen Rates.
Siehe Sp. 386 Siehe Sp. 1017

Karl Traugott Thieme ( 17 45-1802): Pädagoge. Geb. in Michael Trockenbrot (1756-1793): Schriftsteller; geb.
Kanitz bei Oschatz. Katechet in Leipzig, dann Rektor in in Nürnberg; studierte in Nürnberg, dann in Altdorf;
Lübben; ab 1784 Tätigkeit am Gymnasium in Merse- Rückkehr nach Nürnberg und schriftstellerische Tätig-
burg, ab 1790 in Löbau (Lausitz). Verfasser von beleh- keit; v.a. historische Werke, u. a. zur Nürnberger Stadt-
renden Schriften für Kinder und Jugendliche sowie geschichte, eine europäische Staatengeschichte und ei-
mehrerer pädagogischer Werke, u.a. Gutmann, oder ne Geschichte Frankreichs; auch als Übersetzer tätig,
der sächsische Kinderfreund, ein Lesebuch for Bürger- u.a. Voltaire's Leben (1797); »übernahm sich im
und Landschulen ( 1794, frz. Ausgabe 1798); Der alte Trunk, und starb im größten Elende« (Meusel, Bd. XIV,
Erdmann, ein Hausspiegel for Aeltem. Erzieher und s. 160).
Lehrer und die es zu werden gedenken (1802). Siehe Sp. I 081
Siehe Sp. 667, 912

Friederike Helene Unger (1741-1813): geborene von


Ernst Christian Trapp ( 1745-1818): Pädagoge und füh- Rothenburg, wohnhaft in Berlin, Romanautorin, Über-
render Vertreter des Philanthropismus. Geb. in Drage setzerin und Verlegerin; verheiratet mit Friedrich Gott-
bei Itzehoe, gest. in Wolfenbüttel. Nach dem Studium lieb Unger, einem Holzschneider, Buchdrucker, Schrift-
der Theologie und Pädagogik an der Göttinger Univer- steller und Verleger, der sich gegen das preußische Zen-
sität ab 1768 Schulrektor in Segeberg, ab 1772 in Itze- sur- und Religionsedikt engagierte, als Buchhändler ei-
hoe. 1776 Wechsel als Subrektor an das Gymnasium in ne freisinnige Richtung vertrat und als Verleger auch nä-
Altona, von wo aus er 1777 als Lehrer an das Basedow- heren Kontakt zu Schiller und Goethe hatte, deren
sche Philanthropin in Dessau ging. Der dem Philanthro- Schriften erz. T. verlegte. Spielte eine wichtige Rolle im
pismus gegenüber aufgeschlossene preußische Minister geistigen Leben Berlins. Nach dem Tode ihres Mannes
von Zedlitz berief Trapp 1779 an die Universität in Hal- (1804) führte sie das große Unternehmen ihres Mannes
le, wo ihm eine Professur für Pädagogik sowie die Lei- selbständig weiter; ihre schriftstellerische Tätigkeit trat
tung des beim theologischen Seminar gegründeten Er- dabei stärker in den Hintergrund. Neben zahlreichen
ziehungsinstituts übertragen wurde. Legte 1783 seine Romanen und Übersetzungen aus dem Französischen
Professur nieder und übernahm als Leiter die von Cam- (u. a. von Moli<!re und Rousseau) verfaßte F. H. Unger
pe auf dem Hammerdeich bei Harnburg begründete Er- Das neuesie Berliner Kochbuch (Bd. 1-2, 1785 und
ziehungsanstalt. 1786 folgte er Campe nach Braun- 1789), das Vaterländische Lesebuch for Land- und
1249 Autorenbiographien 1250

Soldatenschulen (1799) und einen Naturkalender zur Johann Peter Voit (1747-1811): Pädagoge und Theolo-
Unterhaltung der heranwachsenden Jugend ( 1789). Als ge; geb. in Schweinfurt; studiertevon 1768-1771 an der
ihr bekanntestes Werk gilt Julchen Grünthai ( 1784). Universität Jena Theologie, Philologie und Naturwis-
Siehe Sp. 305 senschaften; zunächst Hauslehrer in Wien, ab 1774
beim Grafen von Casteii-Remmlingen in Castell; ging
1779 als Lehrer an die lateinische Schule in Schwein-
furt, 1782 Ernennung zum Professor der Metaphysik,
Christian Friedrich Rudolf Vetterlein (1759-1842): 1787 zum Professor der Praktischen Philosophie, ab
geb. zu Warmsdorf, einem Schloß im Anhaltischen; seit 1797 Inspektor des Gymnasiums und aller übrigen
1781 Rektor der lateinischen Stadtschule zu Cöthen. Schulen in Schweinfurt, Oberpfarrer und Professor der
Verfasser zahlreicher pädagogischer und fachwissen- Theologie. Verfasser von Werken in griechischer und la-
schaftlicher Schriften in lateinischer und deutscher teinischer Sprache von Schriften zur Verbesserung des
Sprache, die sich mit didaktisch-methodischen Fragen, Schulwesens. Er veröffentlichte zahlreiche Lehr- und
dem Griechischunterricht, dem Studium der Geschich- Lesebücher mit religiöser, moralischer, naturwissen-
te und den schönen Wissenschaften beschäftigen. Über- schaftlicher und historischer Thematik. ABC- und
setzer von Lord Bolingbrokes Briefen über das Studium Buchstabierbüchlein ( 1780); Unterhaltungen for junge
und den Nutzen der Geschichte; Herausgeber der Erklä- Leute aus der Naturgeschichte, dem gemeinen Leben
renden Anmerkungen zu einigen Klopslockischen Oden. und der Kunst ( 1786-90); Faßliche Beschreibung der
Siehe Sp. 926 gemeinnützlichsten Künste und Handwerke for junge
Leute ( 1788/90); Zeitvertreib for junge Leute zur Be-
schäftigung in arbeitsfreien Stunden (1793).
Siehe Sp. 421,997, 1161
Gerhard Ulrich Anton Vieth (1763-1836): Pädagoge
und Schulmann; geb. in Hooksiel bei Jever, gest. in Des-
sau; 1781 Studium der Rechte, der Cameral-, Hand- Georg Peter Weimar (1734-1800): Musiker und Kom-
lungswissenschaft, Mathematik, Physik und Leibesü- ponist; geb. in Stotternheim/Sachsen-Weimar, gest. in
bungen; 1783 Fortsetzung des Studiums in Leipzig; Erfurt; besuchte ab 1752 das Gymnasium Erfurt und
1786 Lehrer für Mathematik und Französisch an der wurde 1758 Kammermusikus und Hofkantor in Zerbst.
Herzoglichen Hauptschule zu Dessau, zugleich Unter- 1763 folgte er einem Ruf als Kantor an die Kaufmanns-
richt in Physik, bürgerlicher Rechenkunst, Latein, Geo- kirche Erfurt, wo er 1774 zum Musikdirektor ernannt
graphie und Naturgeschichte und Privatlehrer für Geo- wurde und 1776 den Titel eines Musikmeisters erhielt.
metrie und Fechten; beteiligt sich an den gymnastischen Trat als Komponist insbesondere geistlicher Chorge-
Übungen des Dessauer Philanthropins; 1799 Leiter der sänge hervor.
Schule und Inspektor für die Schulen der Stadt; 1819 Siehe Sp. 358
Schulrat; stand dem Philanthropismus nahe, besonders
dessen Betonung der Notwendigkeit von Leibes-
übungen; Verfasser verschiedener Sachbücher für Kin- Christian Felix Weiße (1726-1804): Kreissteuerein-
der und Jugendliche; wichtigstes Werk: Versuch einer nehmer, Schriftsteller und Übersetzer; geb. in Anna-
Enzyklopädie der Leibesübungen ( 1794-1818), das lan- berg/Erzgebirge, gest. in Leipzig; entstammte einer Ge-
ge Zeit neben Gutsmuths Gymnastikfor die Jugend und lehrtenfamilie; nach dem Besuch des Gymnasiums ab
Jahns Deutscher Turnkunst als bedeutendstes Werk der 1745 Studium der Theologie und der alten Sprachen in
Turnliteratur galt. Leipzig; kurze Freundschaft mit G. E. Lessing; erhielt
Siehe Sp. 1200 1750 eine Anstellung als Hofmeister bei einem jungen
Grafen, mit dem er 1759 eine Reise nach Paris unter-
nahm; 17 62 wurde er Kreissteuereinnehmer in Leipzig.
Weiße machte sich zunächst als Dramatiker einen Na-
Peter Villaurne (1746-1825): Prediger, Erzieher und men, sodann als Herausgeber der Bibliothek der schö-
Schriftsteller. Geb. in Berlin, gest. in Fuirendahl/Däne- nen Wissenschaften und der freyen Künste
mark; entstammt einer Berliner Hugenottenfamilie; (1759-1765), die von 1765 bis etwa 1788 als Neue Bi-
nach dem Theologiestudium Geistlicher der franzö- bliothek fortgesetzt wurde. Er wandte sich Mitte der
sisch-reformierten Gemeinde zu Schwerdt (Oder); an- siebziger Jahre der Kinderliteratur und Übersetzertätig-
schließend Prediger in Halberstadt, wo er 1777 eine keit zu. Besondere Popularität erlangte die Wochen-
))Erziehungsanstalt für Frauenzimmer aus gesitteten schrift Der Kinderfreund (1776-1782), der sich der
Ständen und vom Adel« eröffnet; 1787 Professor der Briefwechsel der Familie des Kinderfreundes
Moral und der schönen Wissenschaften am Joachims- (1784-1792) anschloß. Weitere Werke: Lieder for Kin-
thalerGymnasiumzu Berlin als NachfolgervonJ.J. En- der ( 1766), Neues ABC-Buch nebst einigen kleinen Ue-
gel; Eintreten gegen das preußische Religionsedikt von bungen und Unterhaltungen for Kinder (1772); dane-
1788; Sympathie mit der Französischen Revolution und ben Veröffentlichung zahlreicher Einzelausgaben mit
zunehmende republikanische Tendenzen, die zu Kon- Beiträgen aus dem Kinderfreund.
flikten mit dem Ministerium Woellner führen; 1793 SieheSp.86, 137,174,830
Aufgabe der Professur und Auswanderung nach Däne-
mark; Erzieherische Tätigkeiten auf verschiedenen Gü-
tern des Grafen L. v. Reventlow, u. a. Gründung von Johann Adam Wening (1735-1800): Pfarrer und Päda-
Philanthropinen und Industrieschulen; ab 1819 Predi- goge. Geb. in Dachau (bisweilen wird auch 1748 als Ge-
ger an der deutsch-reformierten Kirche in Kopenhagen. burtsjahr angegeben). Kanonikus am Kurfürstlichen
Siehe Sp. 1086, 1143, 1179 Chorstift in Alten-Oetting und Vikar in Eggenfelden.
1251 Autorenbiographien 1252

Zeitweilig als Professor in Straubing. 1791192 erschien Campe bis 1778 leiteten. Von 1778 bis 1784 stand er
Leben, Reisen und Schicksale Georg Schweigharts, ei- dem Institut allein vor. Begleitete einen seiner Schüler,
nes Schlossers, ein Büchlein for Meister, Gesellen und den Grafen E. von Manteufel, über Dänemark und
Lehrjungen (1. Bdch. von A. W. C.), 2. und 3. Bdch. Schweden nach St. Petersburg, wo er auf Veranlassung
Salzburg 1792. von Katharina li. siebzehn Jahre als Methodenlehrer
Siehe Sp. 318 am Kaiserlichen Erziehungshaus und als Privatlehrer
bei zahlreichen russischen Familien tätig war. 1801
Johann Karl Wezel (1747-1819): Geb. in Sondershau- Rückkehr nach Jever, lebte dort einige Jahre als kaiser-
sen; ab 1765 als Studentin Leipzig, wo er im HauseGel- lich-russischer Hofrat und befaßte sich besonders mit
lerts wohnte; 1769 Hofmeisterstelle auf dem Gut Tratt- der Behandlung Taubstummer. 1813 Umsiedlung nach
lau und in Bautzen/Oberlausitz; 1773 Beginn der Dresden, wo er 1814 die Berliner Deutsche Gesellschaft
schriftstellerischen Tätigkeit, die ihn in einem Zeitraum gründete.
von ca. 14 Jahren 8 Romane, 6 Erzählungen, mehrere Siehe Sp. 878, 1126
Lustspielbände und zahlreiche kritische Schriften ver-
öffentlichen ließ; 1775/76 in Leipzig, 1776/77 Hofmei- Johann Friedrich August Zahn: keine Daten ermittelt.
sterstelle in Berlin, danach als freier Schriftsteller in Siehe Sp. 1192
Leipzig; 1778 Verbindung mit dem Dessauer Philan-
thropin, die durch Vermittlung C. F. Weißes und Zolli-
Christian Gottlieb Zimmermann ( 17 66-1841): Pädago-
kofers zustande kam; Abfassung von Beiträgen für die
ge und Mathematiker; geh. in Königsberg, gest. in Ber-
Pädagogischen Unterhandlungen; ab 1781 wieder in
lin. Nach dem Studium an der Universität Königsberg
Leipzig, 1782 Reise nach Wien; ab 1786 Versiegen der
(u. a. bei Immanuel Kant) Anstellung als Lehrer in sei-
schriftstellerischen Tätigkeit, angeblicher Ausbruch ei-
ner Vaterstadt. Danach Hauslehrerstelle in Berlin und
ner Geisteskrankheit; Rückzug nach Sondershausen,
ab 1795 als Lehrer am Werdersehen Gymnasium in Ber-
wo er bis zu seinem Tod verweilte.
lin. Von 1821-1837 dessen Direktor. Zwischen 1804
Siehe Sp. 238
und 1819 daneben Dozent an der Bauakademie, zwi-
schen 1816 und 1832 Unterricht an der Artillerieschule.
Friedrich Philipp Wilmsen ( 1770-1831): Theologe und Autor zahlreicher schulischer Lehrbücher.
Pädagoge; geh. in Magdeburg, gest. in Berlin; Sohn ei- Siehe Sp. 892
nes Predigers an der dortigen deutschreformierten Kir-
che. Nach der Versetzung des Vaters an die Parochial-
Joseph lgnaz Zimmermann (1737-1797): Schulmann
kirche in Berlin trat er in das Gymnasium zum Grauen
Kloster ein, wo Karl Philipp Moritz einer seiner Lehrer und Schriftsteller; geh. in Schenkon am Sempachersee,
gest. in Merischwanden; Sohn wohlhabender Landleu-
war. Nach dessen Wechsel ans Joachimsthalsche Gym-
te; zunächst Schüler am Luzerner Jesuitencollegium,
nasium folgte er ihm und kam hier in Kontakt mit Jo-
1755 Beitritt zum Jesuitenorden, 1765 Priesterweihe in
hann Jakob Engel. 1787 Aufnahme des Theologiestu-
diums in Frankfurt/Oder und Halle. Intensive Lektüre Eichstädt und 1766 Professor der Rhetorik am Ober-
der Schriften Gellerts, Lavaters, Klopstacks und Her- gymnasium zu Solothurn. Nach kurzfristiger pädagogi-
ders. Von 1790-1796 Lehrer an der Hartungsehen Pri- scher Tätigkeit in München Rückkehr nach Solothurn,
vatschule in Berlin. Unternahm eine Bildungsreise, die wo er zwischen 1770 und 1773 unterrichtete. Sodann
ihn 1796/97 in die Schweiz führte, wo er Lavater ken- folgte er einem Ruf an das Gymnasium von Luzern als
nenlernte; übernahm 1797 nach dem Tod seines Vaters Professor der ersten Rhetorikklasse.l77 4-1796 zu-
dessen Pfarrstelle in Berlin. 1810 Gründung einer Mäd- gleich Präses der Congregatio de bona morte; hatte bis
chenschule »Luisenstiftung«, in der er ab 1811 selbst 1785 die Predigten für die Studenten zu halten. Verfas-
lehrte. ser zahlreicher moralisch-religiöser Schriften für Mäd-
Siehe Sp. 944 chen und Knaben sowie von Schuldramen.
Siehe Sp. 115
Christian Heinrich Wolke (1741-1825): Schriftsteller
und Pädagoge des Philantropismus; geh. in Jever, gest. Nachtrag:
in Berlin; studierte an der Universität Göttingen zu- Chr. Wilhelm Günther (1755-1826): geh. in Cospeda
nächst Jura, anschließend Mathematik und Physik; ab bei Jena; Besuch des Gymnasiums in Weimar und der
1766 Mathematiklehrer am Kloster Gerade, setze je- Universität Jena; 1781 Hilfsprediger in Weimar; 1790
doch noch im gleichenJahrsein Studium in Leipzig fort, Pfarrerin Mattstädt bei Apolda; 1801 Oberkonsistorial-
wo er u. a. Geliert hörte. Ab 1770 Mitarbeiter am Ele- rat und Hofprediger in Weimar und Direktor der Wai-
mentarwerk Basedows, dessen Tochter er erzog. 1773 senanstalt des Großherzogtums. Enge Verbindung mit
gemeinsam mit Basedow Gründung des Philanthropins J. G. Herder.
in Dessau, das sie unter zeitweiser Mitarbeit von J. H. Siehe Sp. 354
Bibliographischer Teil
Bibliographie von Kinder- und Jugendbüchern
1750-1800
AAabc Angeb.: I. Entwurf der Kunst zu Lesen, Zum vorberei-
tenden Unterrichte der Lehrer der Leseschulen in den
1 AAabc [usw.]- Stargard o. J.: Hendeß. 8 ungez. BI., kurmainzischen Landen. 2 ungez. BI., 31 S. 2. Anleitung
davon enth. die letzteS. e. Taf. in Holzschnitt. 8° zu dem Gebrauche des neuen, für die kurmainzische
Schuljugend bestimmten ABC-Buches. 2 ungez. BI.,
Titelblatt und Tafel in Rot-Schwarz-Druck, unsigniert.
54 s.
ABC-Buch und Fibel für den Erstleseunterricht. Das
Im ABC-Buch von W. C. Rücker gestochene Titelvi-
Werk beginnt mit dem ABC- Teil. Es folgen: das Vater-
gnette; in den angebundenen Titeln omamentale Titel-
unser, das Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote, das
vignetten.
Benedikte, das Gratias, Taufe und Abendmahl, Mor-
gen- und Abendsegen, ein kurzer Auszug aus dem Jo- ABC-Buch nach der Tabellarmethode von Hähn mit
hannes-Evangelium, schließlich die arabischen Zahlen. ausführlichem Methodenteilfür den Unterricht an Schu-
Das Werk endet mit einem Holzschnitt in Zweifarben- len im Raum Mainz; der ABC-Teil enthält in Druck
druck. und Schreibschrift das große und kleine Alphabet nach
ihrer Herleitung angeordnet, das Alphabet in tabellari-
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
scher Form und Tabellen zu den Grundrechenarten;
Einteilung in sechs Wortgruppen nach den unterschiedli-
Abcbuch, für die Volksschulen des russischen Reichs chen Vakat-Konsonantenverbindungen mit religiösen
Leseübungen. Der Methodenteil soll den Lehrern als
2 Abcbuch, für die Volksschulen des russischen Leitfaden im Unterricht dienen; er schlägt einen stufen-
Reichs, herausgegeben auf den allerhöchsten Befel der weisen, nach der Buchstabiermethode vorgehenden Un-
regierenden Kaiserinn, Katharina der Zweiten.- St. Pe- terricht in katechetischer Frage- und Antwortform vor.
tersburg 1785. 32 S. 8° UB d. TU Braunschweig
Omamentale Titelvignette
ABC-Buch in Paragraphen zum Gebrauch an russischen ABC oder Lesebüchlein. Für deutsche, Iatein- und fran-
Volksschulen; beginnt mit dem deutschen und lateini- zösische, wie auch geschriebene Schriften. Siehe: Lava-
schen Alphabet, einsilbigen Vokal-Konsonantenverbin- ter, Johann Caspar.
dungen, die nach ihrer Lautähnlichkeit angeordnet sind,
Gebeten und Sittensprüche in Silbentrennung; es folgen
Fabeln mit abschließender Sittenlehre, römische und ABC oder Lesebüchlein. Zum Gebrauch der Schulen
arabische Zahlen und das kleine Einmaleins. Alphabet der Stadt und Landschaft Zürich. Siehe: Lavater, Jo-
und Texte sind in verschiedenen Ausführungen abge- hann Caspar.
druckt (Fraktur/Kurrent).
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
ABC oder Namenbüchlein

ABC-Buch mit kurzen Lese-Uebungen 5 ABC oder Namenbüchlein, zum gebrauche der Schu-
len in den kaiserl. königl. Staaten. - Roveredo 1790:
3 ABC-Buch mit kurzen Lese-Uebungen für die Stadt- Marchesani. 112 S. 8°
und Dorfschulen von Frankfurt am Mayn.- (Frankfurt [Nebent.:] ABC ovvero Iibretto de' nomi per uso delle
a. M. :) Jäger 1799. 94 S. mit 24 Kupferill. i. T. 8° scuole negl' imp. reg. domini.
Die Kupfersind unsigniert. Omamentale Titelvignette und Randleiste auf Haupt-
und Nebentitelblatt.
Fibel für Stadt- und Dorfschulen, die lt. Vorwort auf
Betreiben der »Obrigkeit« von zwei Lehrern zum Ge- Deutsch-italienisches ABC-Buch und Fibel. Enthält
brauch an Frankfurter Schulen erstellt worden ist; sie ABC-Tafeln, Silben- und Worttafeln, das Vaterunser,
enthält neben dem ABC- Teil und Leselernstücken kleine das Ave Maria, das Glaubensbekenntnis, kurze Sitten-
Erzählungen, Gedichte und Sprichwörter; am Ende be- lehren, 9 Beispielgeschichten, Gedichte und Gebete, wo-
findet sich ein illustrierter ABC- Teil mit Motiven aus bei die Stücke in verschiedenen Schrifttypen gesetzt
dem Pflanzen- und Tierreich. sind. Eine Zahlentafel beendet die Fibel, an die noch
der kleine (katholische) Katechismus gehängt ist.
Staat!. B. Regensburg
UB Oldenburg

ABC Buchstabir- und Lese-Buch


Abc oder Namenbüchlein
4 ABC Buchstabir-und Lesebuch zum Gebrauche der
kleinen Schuljugend in den kurmainzischen Landen 6 Abc oder Namenbüchlein, Zum Gebrauche der
herausgegeben von der kurfürstl. Schullehrer-Akade- Schulen, nach dem Wiener Exemplar. - Koblenz: Hu-
mie.- Mainz 1772: Wailandt. 32 S. 8° ber 1778. 48 S. 8°
1257 Bibliographie 1258

Ornamentale Titelvignette Abendzeitvertreib


ABC-Buch mit Leselernteil zum Gebrauch an öffentli-
9 Abendzeitvertreib für die lieben kleinen Kinder. Dem
chen Schulen; enthält das deutsche und das lateinische
Alter vom sechsten bis zum neunten Jahre bestimmt.
Alphabet in Druck- und Kurrentschrift, ein- und mehr-
(Von Cs. Cl. Ch.)- Leipzig: Böhme 1795. 192 S., 2 Kup-
silbige Wörter in Silbentrennung, die Hauptstücke des
fertaf. 8°
Katechismus, Gebete, kurze Sittenlehren, Beispielerzäh-
lungen und Gedichte, sowie arabische und römische Frontispiz und I Tafel von J.F.A. Clar.
Zahlen. Den Schluß bilden ein Passus in katechetischer
Abendliche Unterhaltungen zwischen einem Vater, einer
Frage- und Antwortform zum Gebrauch der vorange-
Mutter und ihren vier Kindern; nebst Belehrungen über
stellten Buchstabentafel und zur Lautlehre sowie die
verschiedene Dinge werden Geschichten erzählt; zentral
Darstellung der Interpunktionszeichen.
ist der Kampf gegen Furcht und Aberglaube; enthält ei-
StB Mainz ne Liedeinlage mit Noten; Verf. lt. Vorr.: Cs. Cl. Ch.
StUß Frankfurt
Ein A, 8, C, Spiel
Die Abentheuer der sechs Prinzeßinnen
7 Ein A, B, C, Spiel mit Kupfern, nebst einem Lesebu-
che für Kinder.- Berlin: Decker 1776. 94 S., 2 Kupfer- 10 Die Abentheuer der sechs Prinzeßinnen von Baby-
taf. auf Faltbl. 8° Ion und ihre Belohnung im Tempel der Tugend. Ein
Ornamentale Titelvignette; I Tafel enthält 28 Abbildun- Neujahrsgeschenk für junges Frauenzimmer adeliehen
gen, I Buchstaben, beide sind nicht signiert. und bürgerlichen Standes. Aus dem Englischen über-
setzt (von Albrecht Wittenberg). - Hamburg: Übers.
Lernspiele in Verbindung mit einem Lesebuch for Kin- 1787.4 ungez. BI., XIV S., S. 15-183. 8°
der im ersten Schu/alter. Zunächst werden die Spielre-
geln for das ABC- und das Buchstabierspie/ nebst An- Sammlung von Feenmärchen mit moralisch belehrender
weisungen zu Leseübungen und Trennungsregeln gege- Absicht, die an Frauen und Mädchen fortgeschrittene-
ben. Das folgende Lesebuch hat zugleich moralisch be- ren Alters gerichtet ist. Die aus dem Englischen über-
lehrenden wie religiös erbaulichen Charakter. Der erste setzten Märchen sind durch eine Rahmenhandlung zu-
Teil enthält 28 Fabeln und Erzählungen mit z. T. länge- sammengebunden. Der Übersetzer widmet das Werk in
ren Lehren und Erläuterungen, die sich auf die 28 Ab- ironischer Weise dem Leipziger Verleger Weygand, der
bildungen der beigefUgten Kupfertafel (Faltblatt 32 x sich die Übersetzungsprivilegien for Sachsen gesichert
19) beziehen. Es folgen »Religionslehrenfor Kinder« in habe, obwohl Wittenberg seine Übersetzung schon
4 Gesprächen, »Lebensregeln for Kinder« und verschie- längst öffentlich angekündigt hatte.
dene Gebete. Es schließen sich das geschriebene ABC in Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
Sütterlin- und in lateinischer Schrift sowie Denksprüche
und 2 Erzählungen in lateinischer Schrift an.
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt Der Abschied. Siehe: Weiße, Christian Felix.

A, B, C, Syllabir- und Lesebuch Abwechslungen für Kinder zu einer angenehmen und


nüzlichen Selbstbeschäftigung. Siehe: Gürnth, Georg
8 A, B, C, Syllabir-und Lesebuch zum Gebrauche der Samuel.
kleinen Schuljugend in den kurmainzischen Landen.
Herausgegeben auf Kosten des Wittwen- und Waisen-
Acerra philologica
Instituts der kurfürstlichen Schullehrer. - Mainz 1796:
Wirth. 128 S. 8°
11 Acerra philologica. Ein neues Lesebuch für die
ABC- und Lesebuch mit angehängtem biblischen Lehr- (Bdch. I: mittlere) Jugend. Bdch. [I.] 2. - Hamburg:
buch. Lt. Vorbemerkung des Kurforsten Friedrich Kar/ Hoffmann 1785/88. 8°
Joseph handelt es sich um eine »Umarbeitung« des
[I.] Erstes Hundert. (Vorr.: C. R. L.) 1785. VIII, 304 S.
Mainzer ABC Buchstabir- und Lesebuchs von 1772,
2. 1788. X, 323 S.
das vergriffen ist. Das vor/. Werk richtet sich nach
»Bassedovs Methode« und hat mit der vorangegange- Unsignierte Titelvignette in Kupferstich in Bdch. I, in
nen Fibel wenig mehr zu tun. Es enthält nach den Bdch. 2 gestochen von H. W. Hoppe.
Buchstabentafeln zunächst Leseübungsstücke. Dann
An die fortgeschrittenere Jugend gerichtete Sammlung
folgen das Vaterunser, das Ave Maria, Sittensprüche,
von 100 Anekdoten, »interessanten Nachrichten«, Er-
Denksprüche und Gebete. Hieran schließen sich 13
zählungen und Aufsätzen, die bis auf wenige Ausnah-
»lehrreiche Erzählungen zur Leseübung« sowie einzelne
men Gestalten und Ereignisse der Antike betreffen. Lt.
Gebete und Gedichte an. Der lateinische Text des Stu-
Vorrede handelt es sich um eine freie Nachahmung der
fengebetes wie ein Abschnitt über die Rechenkunst be-
Acerra philologica, die ein »sehr verdienter Schul-
schließen das Lesebuch. Angehängt ist ein Lehrbuch der
mann« schon »früh im vorigen Jahrhundert« herausge-
biblischen Geschichte, wovon im vor/. Expl. nur die erste
geben hat. Die Texte sind neu ver:faßt, in der Sprache
Abteilung, »Die Religionsgeschichte des alten Testa-
»faßlich und deutlich« und »den jugendlichen Fähigkei-
ments«, enthalten ist.
ten angemessen«. Die Vorrede ist mit »C. R. L.« unter-
UB Oldenburg zeichnet. Der 2. Band stammt von einem anderen Ver-
1259 Bibliographie 1260

fasser. Er schränkt sich strenger auf die Halte Geschich- 16 Dass. 3. verm. und verb. Aufl. - Leipzig: Hertel
te« und HFabellehre« ein. Er enthält 50 Stücke. 1777. XVS., I ungez. S., 457 [richtig: 477] S., 2 ungez. S.,
62 Kupfertaf. auf Faltbl., davon 6 kolor. Ktn. 8°
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt (Bdch. I); Dt.
StaatsB Berlin (Bdch. 2) Unsignierte Titelvignette in Kupferstich; 4 Tafeln sind
von Hönnig gestochen, die übrigenunsigniert; es fehlen
12 Dass. u. d. T.: Acerra philologica. Ein neues Lese- offensichtlich 7 oder 8 Kupfer in diesem Exemplar.
buch für die Jugend. Bdch. I. - Ebd. 1788. 304, VIII
S. 8o Vermehrte und verbesserte Ausgabe der 2. Auflage
1774; enthält zusätzlich eine Anleitung zum Landkar-
Titelvignette, gestochen von Hoppe. tengebrauch von einem ungenannten Veifasser.
Dt. StaatsB Berlin UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.

17 Kurzer Begriff menschlicher Fertigkeiten und


Kenntnisse so fern sie auf Erwerbung des Unterhalts,
Achthundert neue noch nie gedruckte Räthsel
auf Vergnügen, auf Wissenschaft, und auf Regierung
der Gesellschaft abzielen. In vier Theilen. Für Real-
13 Achthundert neue noch nie gedruckte Räthsel von
schulen und das bürgerliche Leben, von dem Verfasser
einem Kinderfreunde; Weihnachtsgeschenk für Kin-
der Unterweisung in Künsten und Wissenschaften [d. i.
der.- Flensburg und Leipzig: Korten 1791. 192 S. 8°
Johann Christoph Adelung]. Th. 1-4.- Leipzig: Hertel
2 Teile; Teil/: 800 Rätsel und Scherzfragen: Tei/2 ent- I 778-81. 8°
hält die Antworten. Verbindung von Unterhaltung und
I. Welcher die Landwirthschaft nebst dem Bergbaue,
Wissensvermittlung. Die Auflösungen enthalten z. T.
und die erste Hälfte der Handwerke enthält. 1778. I 0
weiteiführende Erläuterungen, z. B. Nr. 796 zur Hy-
ungez. BI., I 08, 528 S.
draulik.
2. Welcher die letzte Hälfte der Handwerke und Hand-
Kinderbuchsamml. Dr. Strobach, Bielefeld arbeiten enthält. 1779.6 ungez. BI., 540 S.
3. Welcher die Handlung und die Künste des Vergnü-
gens enthält. 1780.4 ungez. BI., 494 S. [richtig: 514
S., da die Seitenzahlen 238-257 zweimal vergeben
Adelung, Johann Christoph (1732-1806): Sprachfor- sind]
scher, Lexikograph, Journalist und Übersetzer. Siehe 4. Welcher die höhem Wissenschaften und die Regie-
Sp. 1217 rungskunst enthält. 1781. 6 ungez. BI., 600 S., 6 un-
gez. BI.
14 Unterweisung in den vornehmsten Künsten und
Enzyklopädisches Lehrbuch mit den Schwerpunkten
Wissenschaften, zum Nutzen der niedem Schulen. [Von
Landwirtschaft, Bergbau, Handwerk, Handel, Künste
Johann Christoph Adelung.] Mit Kupfern.- Frankfurt
des Vergnügens, höhere Wissenschaften und Regie-
und Leipzig: Hertel1771. XVI, 512 S.,41 Kupfertaf. auf
rungskunst. Für den Gebrauch an Realschulen und als
Faltbl., davon 6 kolor. Ktn. 8°
Handbuch für die unteren Volksschichten gedacht.
Die Kupfertafeln sind unsigniert; in diesem Exemplar
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
fehlen offensichtlich 2 Kupfer.
Umfassendes enzyklopädisches Lehrbuch zum Ge-
Auszug aus der Deutschen Sprachlehre für Schulen,
brauch an niederen Schulen; insbesondere als Leitfaden
1781
für Lehrer gedacht; enthält Abschnitte zur Naturlehre
und -geschichte, zu den schönen Künsten und freien 18 Auszug aus der Deutschen Sprachlehre für Schulen.
Wissenschaften, zur Geschichte, zur Mythologie, zur Von Johann Christoph Adelung. 2. verb. Aufl.- Berlin:
Kenntnis der alten Schriftsteller, zu den neuen bürgerli- Voss 1794. 4 ungez. BI., 200 S. 8°
chen Wissenschaften u. a. - Ausführliche Beschreibung
siehe Sj!. 991 Deutsche Grammatik für den Schulgebrauch. Kurzfas-
sung der 1781 erschienenen Deutschen Sprachlehre für
StB Bielefeld Schulen, die Hb/oß die nothwendigsten und wichtigsten
Resultate« enthält und deshalb Hin zweifelhaften Fällen
15 Dass. 2. verm. und verb. Aufl. - Leipzig: Hertel auch keine Gründe und Beweise« liefert.EA lt. Ky.
1774. XVI, 527 S., I ungez. S., 65 Kupfertaf., davon 4
HAB Wolfenbüttel
kolor. Ktn. aufFaltbl. 8°
4 Kupfertafeln sind von J. L. Hönnig gestochen, die er-
19 Johann Christoph Adelungs Deutsche Sprachlehre.
ste Karte ist von Joseph Marianus signiert, alle anderen
Kupfer sind nicht signiert. Zum Gebrauche der Schulen in den König!. Preuß. Lan-
den.- Berlin: Voß 1781. 16 ungez. BI., 626 S., 3 ungez.
Ergänzte Überarbeitung der Erstausgabe 1771; Erwei- BI. 8
terungen und Korrekturen in den Kapiteln zur Naturge-
schichte und zu den Schiffen und der Schiffahrt; völlige Deutsche Grammatik zum Gebrauch der höheren Klas-
Neubearbeitung des Kapitels zum Berg- und Hütten- sen an Gymnasien und höheren Schulen; angeregt
bau; reichere Kupferillustrierung (Tiere und Götterge- durch den preußischen Staatsminister von Zedlitz; will
stalten). das H Wesen der Sprache in ihr selbst aufsuchen«, geht
von einem historischen Sprachverständnis aus; enthält
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. neben einer Einleitung zur deutschen Sprache und
1261 Bibliographie 1262

Sprachlehre zwei Teile von der »Fertigkeit richtig zu re- Allgemeine Sitten-Regien
den« und von der »Fertigkeit richtig zu schreiben«. -
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 870 23 Allgemeine Sitten-Regien. Aus den neu- und besten
moralischen Schriftstelleren zusammen getragen. - Zü-
StB Bielefeld
rich 1757: Bürgkli. 24 S. go
20 Dass. u. d. T.: Johann Christoph Adelungs Deut- Ornamentale Titelvignette
sche Sprachlehre für Schulen, 2. verm. und verb. Aufl.-
Berlin 1792. 8 ungez. BI., 519 S. go Sammlung von 115 Sittensprüchen und moralischen Be-
trachtungen unterschiedlicher Herkunft, die der sittli-
Veränderte Neuauflage der Ausgabe von 1781; Xnde- chen Erziehung der Jugend dienen sollen. Die Jugendli-
rungen im etymologischen Teil und Neuanordnung der chen werden direkt angeredet. Als Anhang werden
Lehre von der »Zusammensetzung der Wörter«; mehre- »Sinn- und Sittensprüche aus Brockes Gedichten« gebo-
re Zusätze; fortgelassen wurden die ausfUhrliehe Vorre- ten.
de der Erstausgabe sowie der Abschnitt über den Ur-
sprung der Sprachen und die erste Bildung der Wörter. ZentralB Zürich

HAB Wolfenbüttel
Das Allgemeine von Gott, dem Menschen und der Welt
siehe: Leipziger Wochenblatt für Kinder.
24 Das Allgemeine von Gott, dem Menschen und der
Welt in kurzgefaßten Tabellen also vorgesteilet daß die
Die ältesten Geschichten der Bibel für Kinder in Erzäh- Vielheit Ordnung und Verschiedenheit derer vornehm-
lungen auf Spaziergängen. Siehe: Lossius, Rudolph sten uns vorkommenden Sachen beysammen können
Christoph. übersehen werden. 4. Aufl. - Berlin: Buchladen der
Real-Schule 1770. I 04 S. go
Aesop (6. vorchristl. Jh.): Griechischer Fabeldichter. Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt.
Enzyklopädisches Lehrbuch in tabellarischer Form; blo-
21 La Vie et Ies fahles d'Esope, avec des reflections mo-
ße Aufzählung der behandelten Gegenstände ohne wei-
rales, en Francois & en Allemand, aux quelles on a joint
tergehende Erklärung und Erläuterung; enthält Ab-
Ies plus beaux traits demorale choisis des anciens philo-
schnitte über Gott, den Menschen, die Welt und den
sophes, dont on trouvera Ia Iiste sur Ia page suivan-
Sternenhimmel; ausfohrlicher sind die Abschnitte über
te.[Franz. und deutsch.]- Strasbourg: König 17 58. 3 un-
die Naturgeschichte und die Künste und Handwerke.
gez. BI., 455 S., I ungez. S. go
Erstausgabedatum nicht zu ermitteln; 2. Aufl. lt. GK
Titelblatt in Rot-Schwarz-Druck; Frontispiz in Kupfer- 1759.
stich von J. Striedbeck; vor Textbeginn und am Ende
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
des Buches eine Seite mit einer unsignierten Holz-
schnittdarstellung Äsops.
Zweisprachige Sammlung äsopischer Fabeln; enthält ei- Amaliens Erholungsstunden
ne ausfUhrliehe Lebensbeschreibung Äsops, 117 Fabeln
und einen Anhang mit sechs antiken philosophischen 25 Amaliens Erholungsstunden. Teutschlands Töch-
Texten; jeder Fabel ist ein Epimythion beigefogt, das tern geweiht von Marianne Ehrmann. Bdch. 1-4.- Tü-
die Lehre zunächst in Prosa, sodann in Versen formu- bingen: Cotta 1791. 8 o
liert. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 67
I. 2 ungez. BI., 286 S., I Notenfaltbl.
Samml. Theodor Brüggemann, Köln 2. 288 s.
3. 261 S., I ungez. S., I Notenfaltbl.
4. 272S., I Notenfaltbl.
Ahorner, Joseph Georg Franz (1764-1805)
Gestochenes Frontispiz in Bdch. I und 3 und Titelvi-
22 Briefe an Karolinchen. Eine Erziehungsschrift von gnette in Bdch. 2 von und nach A. L. d' Argent, in Bdch.
Joseph [Georg Franz] Ahorner. Bdch. [1.]2.- Augsburg: I und 4 gestochen von ihm.
Wolff 1786/87. go Monatsschrift for Frauen, die auch von jungen Mäd-
[1.]1786. 192 S. chen gelesen wurde; steht in der Tradition der Morali-
2. 1787. 168 s. schen Wochenschriften; Verbindung von Unterhaltung
und Belehrung, um »die bittersten Wahrheiten schä-
Titelvignette in Kupferstich in Bdch. I und 2 von Klau- kernd vorzutragen«; umfaßt moralische Beispielerzäh-
ber nach Schmon. lungen, szenische Dialoge, Schauspiele, Liebesgeschich-
Briefsammlung for Mädchen von 7 bis 8 Jahren, will ten, Romanfragmente, historische und Charakterschil-
Sitten- und Lebensregeln vermitteln; enthält »freund- derungen, Gedichte, Aphorismen und Reisebeschreibun-
schaftliche Briefe«, die »bald tändelnd, bald ernsthaft, gen.
und hie und da blos freundschaftlich« seien. UStB Köln
KreisB Dillingen

Des Amtmanns Tochter von Lüde. Siehe: Hoche, Jo-


Albertine. Siehe: Schulz, Joachim Christoph Friedrich. hann Gottfried.
1263 Bibliographie 1264

Andre, Christian Carl (1763-1831): Pädagoge. Siehe [2.]Dritter Theil welcher America und Australien ent-
Sp.l217 hält. 1791. XXIV, 604 S., 14 ungez. BI. [Nebent. :] An-
dre: Erstes geographisches Lehrbuch für die Jugend,
26 Lustige Kinderbibliothek, ein Abendgeschenk für zum Gebrauch der Lehrer. Abth. 4.
solche Kinder, welche am Tage fleißig und gut waren.
(Von Chr[istian] C[arl] Andre.) Bdch. 1.2.- Marburg: Geographisches Lehrbuch über die außereuropäischen
Neue akadem. Buchhandl. 1787/89. 8° Kontinente in zwei Bänden; offizielle Fortsetzung von
Ra.ffs Geographie für Kinder (1 776), die nur Europa
I. 1787. 2 ungez. BI., 254 [richtig: 284], XVI S., I ungez. behandelt hat und mit der zusammen es ein vollständi-
BI. ges Geographiewerk bilden soll; Plan und Anordnung
2. 1789.2ungez.BI.,IV,316S. des 1. Bandes, d. i. ;;Zweyter Theil«, stammen lt. Vor-
Zweihändiges Unterhaltungswerk fiir Kinder ab 12 Jah- rede noch von Raff selbst; gleichfalls noch von Raff sind
ren, das fiir die abendlichen Erholungsstunden gedacht die ersten vier Bögen, die aber dahingehend umgeän-
ist. Es enthält zum einen die erste deutschsprachige Ju- dert sind, daß ;;alle Kinderfloskeln und unnöthige Wie-
gendbearbeitung des Don Quijote, deren Ausgangs- derholungen wegblieben«; er ist trotz des gegenteilig
punkt die Übersetzung von F. J. Bertuch ist, zum ande- lautenden Titels ;ifür die Jugend« gedacht, Bd 2, d. i.
ren eine Reisebeschreibung des Lucian mit gelehrten »Dritter Theil«, ist an ältere Jugendliche gerichtet, in
Anmerkungen. - Ausfiihrliche Beschreibung der Jugend- ;;männlicherem Ton« abgefaßt und stärker auf politi-
bearbeitung des Don Quijote siehe Sp. 338 sche und historische Verhältnisse ausgerichtet; als Leh-
rerhandbuch gedacht, das der reifere Schüler nur ;;zur
StB Mainz Wiederholung und Erinnerung« lesen soll. Beide Bände
sind auch u. d. T. Christian Kar! Andres Erstes geogra-
27 Felsenburg, ein sittlich unterhaltendes Lesebuch. phisches Lehrbuch für die Jugend erschienen.
(Von Christian Carl Andre.) Th. 1-3.- Gotha: Ettinger
1788/89.8° Lipp. LB Detmold ( 1); UB d. TU Braunschweig (2)

1. 1788. 8 ungez. BI., 254 S. Reisen der Salzmannischen Zöglinge. Siehe: Salzmann,
2. 1789.3ungez.Bl.,275S. Christian Gotthilf.
3. 1789.44 ungez. BI., 100 [richtig: 200] S.
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich in Th. 1, in Th. Anfangsgründe zu der Erdkunde
3 von G. A. Liebe.
Jugendbearbeitung des Romans Wunderliche Fata eini- 30 Anfangsgründe zu der Erdkunde für die unterteste
ger See-Fahrer, absonderlich Alberti Julii, eines gebore- Klasse von Schülern. - Mainz: St. Rochus Hospital
nen Sachsen, auf der Insel Felsenburg (1731-43) von 1786. 84 S., 11 Ktn. auf Doppels. 8°
Johann Gottfried Schnabel; will das Original als Lektü- Ornamentale Titelvignette; Karten von M. A. Lotter.
re fiir Schüler und Erwachsene - »besonders im Mittel-
stande« - verdrängen, da es »keinen Nutzen, keine Be- Kurzgefaßtes geographisches Schullehrbuch fiir die er-
lehrung, nicht einmal eine geschmackvolle Unterhal- sten Klassen; behandelt Europa, Afrika, Asien und
tung« verschaffe; im Gewand der Abenteuererzählung Amerika; mit einer Abbildung der zwei Hemisphären
soll das Werk zwar auch unterhalten, jedoch vornehm- des Globus.
lich »nützliche Kenntnisse« vermitteln. StB Mainz
Nieders. Staats- u. UB Göttingen; Freies Dt. Hochstift
Frankfurt; UB Marburg
Angenehme Beschäftigungen für kleine Kinder zur Bil-
28 Der Mädchenfreund. [Von Christian Carl Andre.] dung des Herzens und Verstandes. Siehe: Michaelsen,
Bdch. 1.2.- Leipzig: Crusius 1789/91. 8° Ludolph Christian.
I. 1789.144S., 1 Notenfaltbl.
2. 1791. 132 S., 5 Notenfaltbl.
Angenehme Beschäftigungen zur vernünftigen Unterhal-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich in beiden Tei- tung
len.
Lesebuch fiir Mädchen in der Tradition der Dessauer 31 Angenehme Beschäftigungen zur vernünftigen Un-
Pädagogischen Unterhandlungen; will zur nützlichen terhaltung im Hause und in Gesellschaften oder Etwas
und angenehmen Unterhaltung beitragen und wendet das die Sinne reizt und auch das Herz rührt.- Berlin und
sich an »Kinder vermischten Alters ( .. .), um ihnen eine Stralsund: Lange 1789. 134 S. 8°
der wesentlichsten Eigenschaften eines Familienbuches Spiel- und Beschäftigungsbuch fiir Kinder; enthält An-
dadurch zu geben, daß wenigstens jede Tochter im Hau- dachtsübungen, Beispielgeschichten, Gedichte, Lieder,
se etwas fiir sich darin finde«. Fabeln, Rätsel, Spielanleitungen sowie Interpunktions-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. regeln, das kleine Einmaleins und Münztabellen.
UBJena
29 Georg Christian Raffs Geographie für Kinder.
Nach des Verfassers Tode fortgesetzt von Christian Carl
Andre.[I.2.]-Göttingen: Dieterich 1790/91.8°
Angenehme Bilder-Lust
[I.] Zweyter Theil welcher Asia und Africa enthält.
1790. XVI, 354 S., 9 ungez. BI. 32 Angenehme Bilder-Lust, Der Lieben Jugend zur Er-
1265 Bibliographie 1266

götzung also eingerichtet. - Nürnberg: Monath [um muntern, oder wenigstens auf eine unschädliche Art -
1760]. 25 kolor. Kupfertaf. (einschließ!. Titelblatt) mit unterhalten«; sind z. T. in » JYeffels Manier« abgefaßt,
Text. quer-8° z. T. Bearbeitungen der Hochets Moraux von Monget;
die Schauspiele seien so eingerichtet, »daß sie auch auf
Bilderbuch in großem Querformat, das mit wenigen
einem Kindertheater Wirkung thun mögten«.
leuchtenden Farben etwas nachlässig koloriert ist. Es
zeigt Szenen aus dem Familien-, Handwerker und Bür- Zentra!B Zürich
gerleben und schließt auch Vergnügungen wie Gaukler
und Seiltänzer, Ochsen- und Bärenhetzen und Komö- 36 Moralische Erzählungen und kleine Romane für
dien ein. Jede Tafel enthält in einem Feld unter dem Kinder jeden Standes von J[ohann] M[ichael] Armbru-
Bild einen gestochenen Text zum dargestellten Thema, ster.- Bregenz: Typographische Gesellschaft 1787. 5
der aus zwei nebeneinander angeordneten Sechszeilern ungez. BI., 67 S. 8°
in Knittelversen besteht.
Gestochenes Frontispiz von und nach J. R. Schellen-
StB Nürnberg berg; unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Sammlung von 15 »sittlichen Erzählungen« fiir jüngere
Anleitung zur Sittsamkeit Kinder. Einige Erzählungen haben »eine Tinktur des
Abentheuerlichen«; die meisten spielen in Schwaben. Zu
33 Anleitung zur Sittsamkeit. zum Gebrauche für Schü- den Vorlagen, denen die Geschichten entnommen sind,
ler in denk. k. Staaten.- lnnsbruck: Deutsche Schulan- gehört Mongels Hochets moraux. Das Werk ist der
stalt 1775. 40. S. 8° Tochter Lavaters, Anna Luisa, gewidmet.

Ornamentale Titelvignette Staat!. B. Passau

Anstandsregeln in Paragraphen zum Gebrauch fiir 37 Auswahl der vorzüglichsten Kinder-Lieder, nebst
Schüler und Lehrer; will zu »sittsamen« Gesinnungen einem Zuruf und Anhange von Lebensregeln. [Von Jo-
und Handlungen anleiten, gleichzeitig soll das Buch als hann Michael Armbruster.] - Augsburg: Stage 1790.
Leseübung dienen; behandelt gute und schlechte Cha- 136 S. 8°
raktereigenschaften und bietet Höflichkeitslehren fiir
Ornamentale Titelvignette
den gesellschaftichen Umgang.
Sammlung von Kinderliedern, »welche den Umständen
Leopold-Sophien-B. Überlingen
der Denkungsart, den Begriffen und Bedürfnissen der
Land-Jugend« entsprechen sollen; im Anhang eine kur-
Anweisung der Lieben Jugend ze Sittenlehre zu den IJlichten gegen Gott, gegen andere
und gegen sich selbst.
34 Anweisung der Lieben Jugend in den Schulen, Zu StaatsB. Preuß. Kulturbes. Berlin
einem Christlich-sittlichen auch äusserlich wohlanstän-
digen und höflichen Betragen. - Zürich: Ziegler 1774. 38 Neue Erzählungen und Lieder für Kinder. Rosen-
32 S. 8° blätter. Von J(ohann) M(ichael) Armbruster.- Nürn-
Kurzgefaßte Sittenlehre vornehmlich fiir den Schulge- berg: Schneider und Weigel [1791]. 6 ungez. BI., 122 S.,
brauch. Behandelt werden in drei Abschnitten die IJlich- 1 ungez. BI., 22 Kupferill. i. T. 8°
ten gegen Gott, gegen sich selbst und gegen die Mitmen- Unsignierte Titelvignette; 5 Vignetten sind von J. Ch.
schen. In einem vierten Abschnitt wird unter dem Titel Pemsel gestochen, laut Vorrede stammen einige Kupfer
»Von der äusserlichen Wohlanständigkeit und Höflich- von A. W. Küfner.
keit« eine knappe Verhaltenslehre gegeben. Die IJlich-
ten werden ohne weitere Erklärungen tabellarisch aufge- ll/ustrierte Sammlung moralischer Beispielgeschichten
fiihrt, wobei teilweise auf Bibelstellen verwiesen wird. aus dem Französischen und Lieder fiir Mädchen und
Vgl. Anny Angst (1947, S. 118). Jungen; auch zum Gebrauch fiir Lehrer bestimmt; be-
handelt Tugenden und Untugenden aus dem kindlichen
ZentralB Zürich Lebensbereich.
StB Nürnberg
Armbruster, Johann Michael (1761-1814): Volks- und
Jugendschriftsteller. Gemälde aus der Kinder-Welt, 1794

Angenehme und Lehrreiche Erzählungen, Lieder und 39 Gemälde aus der Kinder-Welt. Zur Belehrung und
Unterhaltung. (Von J[ohann] M[ichael] Armbruster.) 2.
kleine Schauspiele, 1786
Aufl.- St. Gallen: Huber 1802. 2 ungez. BI., I 08 S. 8°
35 Angenehme und Lehrreiche Erzählungen, Lieder Ornamentale Titelvignette
und kleine Schauspiele für Kinder, zur Bildung eines
Sammlung von 24 moralischen Beispielgeschichten ver-
edeln Herzens. (Von Johann Michael Armbruster.)
einzelt in Versen, überwiegend aber in Prosa. Es han-
Aechte, durchaus umgearb. und verrn. Ausg.- Zürich:
delt sich um eine Zusammenstellung von Stücken aus
Bürkli 1789. 167 S., I ungez. S. 8°
verschiedenen Werken Armbrusters zu einer billigen,
EA. lt. Vo". I 786. - Unterhaltendes Lesebuch fiir die »wohlfeilen« Ausgabe, die besonders an Kinder »min-
»frühere Jugend«; die Erzählungen wollen »belehren, der begütet(er)« Eltern gerichtet ist. Die Vo"ede zitiert
ermahnen, zur Nachahmung gewisser Tugenden und eine Leseanweisung Lavaters. Das Werk ist lt. Vo".
zur Verabscheuung gewisser Rohheiten und Laster er- erstmals 1794 erschienen.
1267 Bibliographie 1268

UB Oldenburg exhibited in the Life of Sarah Meanwell; will» Eindruk


al# das Herz von jungen Lesern machen«; schildert die
40 Joh[ann] Caspar Lavater's Regeln für Kinder, durch Entwicklung der Rosine Meyerin von der Kindheit bis
Beyspiele erläutert von Johann Michael Armbruster. zur Heirat.
Zum Gebrauch in Schulen und beym Privatunterricht.-
StB Nürnberg
St. Gallen: Huber 1794. 4 ungez. BI., 303 S. 8°
In der ersten Abteilung Abruck von Lavaters Regeln für
Kinder unter Wegfassung der angehängten Sprüche; in Balthasar, Josef Anton Felix von (1737-1810): Schwei-
der zweiten Abteilung eine Sammlung von Beispielge- zerischer Staatsmann und Historiker.
schichten, die jeweils den 34 Regeln Lavaters zugeord-
net sind. Neben den insgesamt 67 Erzählungen finden 43 Historische und moralische Erklärungen der Bilder
sich 2 Lieder von C. F. Weiße, eine Fabel von Bertuch und Gemählde auf der Kapell-Brücke der Stadt Lucern.
und ein Wechselgesang. Die Erzählungen stammen zum [Von Josef Anton Felix von Balthasar.]- Zürich: Orell,
überwiegenden Teil von Armbruster selbst und von Salz- Geßner, Füeßli 1775.83 S. 8°
mann; daneben sind aber als Autoren auch Böckh,
Campe, Moritz und Stoy vertreten. Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen Historisches Lesebuch for die männliche Jugend der
Stadt Luzern; beschreibt acht Historienbilder auf der
Luzerner Kapeilbrücke mit dem Ziel der Unterweisung
Aurel Augustins Jugendgeschichte aus seinen Bekent- in vaterländischer Geschichte und der Aufklärung über
nissen gezogen. Siehe: Stickt, Franz Xaver. den Ursprung des eidgenössischen Bundes, die Regie-
rungsfarm und die wichtigsten Begebenheiten des Lan-
des; soll der Erziehung der Jugend zu patriotischen, tu-
gendhaften und pflichtbewußten Eidgenossen dienen.
Auswahl der vorzüglichsten Kinder-Lieder ... Siehe:
Armbruster, Johann Michael. UB Heidelberg

Auszug aus dem Lehr-Buche darin ein kurzgefaßter Un- Baratier, Francois ( 1682-1751): Reformierter Prediger,
terricht aus verschiedenen Wissenschaften gegeben wird. Selbsterzieher seines Sohnes Jean-Philippe Baratier
Siehe: Reccard, Gotthilf Christian. ( 1721-1740), der als Wunderkind berühmt wurde. Sie-
he Sp.l218

Bahrdt, Carl Friedrich(l7 41-1792): Theologe, Pädago- 44 Sittliche Gemälde guter und böser Kinder, oder Un-
ge und Schriftsteller. Siehe Sp. 1217 terhaltungen des Vater [Francois] Baratier mit seinem
Sohn Philipp, nebst einer kurzen Lebensgeschichte die-
41 Katechismus der natürlichen Religion, als Grundla- ses berühmten Wunderkindes, und einigen Auszügen
ge eines jeden Unterrichts in der Moral und Religion, aus dem Tagebuch eines siebenjährigen Knaben.
zum Gebrauche für Eltern, Prediger, Lehrerund Zöglin- [Übers. aus dem Franz. von Johann Balbach.] 2., verb.
ge von Carl Friedrich Bahrdt.- Halle: Francke und Bi- Aufl.- Nürnberg: Schneider und Weigell796. XXVIII,
spink 1790. 204 S. 8° 72 S., 5 Kupfertaf. 8°
Katechismus in Frage-Antwort-Form, der Kinder in die Die Kupfer sind unsigniert.
natürliche Religion oder Vernunftreligion (unter völliger
Biographisches Werk zur moralischen Belehrung; ent-
Aussparung der positiven Religion) einfUhren soll; in sei-
hält die Lebensgeschichte des Wunderkindes Jean-Phi-
nem ersten Teil eine Einfohrung in theologische und er-
lippe Boratier »zum Gebrauch for Eltern und Lehrer«,
kenntnistheoretische Grundfragen, in seinem 2. Teil eine
30 moralische Beispielerzählungen, die for den dreijäh-
Staatsbürgerkunde und Tugend/ehre. - Ausfohrliche
rigen Boratier verfaßt worden sind, und Auszüge aus
Beschreibung siehe Sp. 786
dem Tagebuch des siebenjährigen K. G. von Raumer.
UStB Köln - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 654
UB d. TU Braunschweig
Balbach, Johann (1757-1820): Religionslehrer und
Schriftsteller in Nürnberg. Siehe Sp.l218
Barbault, Anna Laetitia ( 1743-1825): Schriftstellerin.
42 Lebensgeschichte der Rosine Meyerin oder die
45 Das geöffnete Schreibepult zum Unterricht und
glüklichen Folgen eines guten Verhaltens. Ein Lehr-
Vergnügen junger Personen. Aus dem Englischen
buch für Mädchen und Jünglinge, zur Beförderung ei-
(Bdch. 1: der [Anna Laetitia] Barbault [später Aikin])
ner würdigen Ausbildung ihres Geistes und Herzens.
übersetzt [von Christian Felix Weiße]. Bdch. [1.]4. -
[Von Johann Balbach.] Mit Kupfern. - Nürnberg:
Leipzig: Gräff 17[95]/98. 8°
Schneider und Weigel [1793]. 8 ungez. BI., 192 S., 3
Kupfertaf. 8° [1.] Mit Kupfern und Vignetten. Hälfte 1. Ein Weib-
nachtsgeschenk für die Jugend. Viertes Jahr. [1795.]
Frontispiz und 2 weitere Tafeln sind unsigniert.
VIII, 168 S., 3 Kupfertaf., 2 Kupferill. i. T.
Deutsche Bearbeitung des englischen Romans The hap- 4. [U. d. T.:] DerBesuch voneiner WocheoderWinke
py effects of a docile disposition and orderly conduct, zum nützlichen Gebrauch der Zeit, in Erzählungen
1269 Bibliographie 1270

und Unterhaltungen aus der Natur- und Sitten-Ge- »philanthropische Edukations-Institut in Dessau« ver-
schichte für die Jugend. Mit Kupfern. Bdch. I. Ein anstaltet worden, »das mir eines solchen Lehrbuchs ...
Weihnachtsgeschenk für die Jugend. Siebentes zu bedürfen schien«. Das Werk bekommt mit dieser
Jahr. 1798. 204 S., 3 Kupfertaf. Auflage zusätzlich die Bestimmung, ein Lehrbuch der
»Sittenlehre des Menschen« fiir die Jugend zu sein: Es
Frontispiz in beiden Bänden; alle Kupfer stammen von
soll »im gehörigen Alter auch der Jugend dienen auf
H.W.Hoppe.
Gymnasien oder Universitäten, wenn es nach dem Ra-
T.1: Unterhaltendes Lesebuch fiir Kinder verschiedenen the der Lehrer gebraucht wird. ( . . .) Zu Vorlesungen
Alters, das insgesamt 16 Stücke enthält. Unter ihnen soll es also gleichfalls dienen, und besonders im philan-
sind 2 Kinderschauspiele, mehrere moralisch-belehrende thropischen Edukationsinstitute . .. « Das Werk hat in
Stücke und zahlreiche naturkundliche Beschreibungen, seiner ersten Auflage noch keinen jugendspezifischen
die in eine Rahmenhandlung eingebettet sind. T. 4: Adressatenbezug; in der Vorrede ist lediglich von »aca-
Lehrreiche Unterhaltungen über Fragen der Moral und demischen Vorlesungen« die Rede, zu denen das Buch
der Naturgeschichte, die in eine durchgehende Hand- benutzt werden könne.
lung eingekleidet sind. Die Familie Clement unternimmt
UStBKöln
eine einwöchige Reise auf das Landgut der verwitweten
Tante, die in Einsamkeit und Ausübung der Tugend
lebt. Die an Luxus gewöhnten Stadtkinder lernen die 48 Johann Bemhard Basedows Methodischer Unter-
Vorteile des Landlebens schätzen, die Natur betrachten richt.[l.2.]- Altona: Iversen 1764. 8°
und in ihrer Schönheit genießen, sowie die schlichte Sitt- [I.] U. d. T.: Methodischer Unterrichtder Jugendinder
lichkeit der Landbewohner bewundern. Das vor/. Werk Religion und Sittenlehre der Vernunft nach dem in
findet seine Fortsetzung in einem 1799 erschienenen der Philalethie angegebenen Plane. LXII, 272 S.
zweiten Band. Es ist aufgenommen in die Reihe Das ge- [2.] U. d. T.: Methodischer Unterricht in der überzeu-
öffnete Schreibpult zum Unterrichte und Vergnügen genden Erkenntniß der biblischen Religion zur fort-
junger Personen, die /t. Ky in 9 Teilen 1795-1803 er- gesetzten Ausführung des in der Philalethie angege-
schien, und wovon es das 4. und 5. Bändchen darstellt. benen Plans. XXXII, 224 S. [Nebst:] Grundriß der
UB d. TU Braunschweig (Bdch. I); Inst. f. Jugendbuch- Religion, welche durch Nachdenken und Bibelfor-
forschung Frankfurt (Bdch. 2) schen erkannt wird, in Fragen und Antworten nebst
einigen Zusätzen. 144 S.

Basedow, Johann Bemhard ( 1724-1790): Theologe, Gestochene Titelvignette in beiden Teilen, signiert mit
Pädagoge und Erziehungsschriftsteller. Siehe Sp.l218 »Fr. SC.«
Dreiteiliges religionsunterrichtliches Lehrwerk auf der
46 Neue Lehrart und Uebung in der Regelmäßigkeit Grundlage der in der Philalethie ( 1764) entwickelten
der Teutschen Sprache von Johann Bemhard Basedow. Grundsätze; vornehmlich gedacht fiir »Kinder und
- Kopenhagen: Ackermann 1759. 10 ungez. BI., 180 Jünglinge« sowie Personen »männlichen Alters«, die
S. 8o durch »Unwissenheit und Zweifel« geprägt sind. Der er-
Grammatisches Lehrbuch vornehmlich fiir den Schulge- ste Teil enthält zwei Hauptstücke »von dem Menschen
brauch, das dazu dienen soll, »die Regelmäßigkeilen und der Welt« und zur natürlichen Religion; der zweite
der teutschen Sprache erkennen und ausüben zu ler- Teil drei Hauptstücke zum Alten und Neuen Testament,
nen«. Vornehmlich als Handbuch fiir Lehrer gedacht, von der Gottheit und von den »göttlichen Rathschlüs-
die es bei ihrem Unterricht der »teutschen Sprachlehre« sen« sowie einige Zusätze; der dritte Teil einen Auszug
zugrunde legen sollen; es solljedoch auch in die Hände der beiden ersten Teile in Frage- und Antwortform sowie
der Schüler geraten, denn es enthält einen Anhang von verschiedene Zusätze, vor allem Gebete. - Ausfiihrliche
60 Seiten mit grammatikalischen Übungstexten. Lt. Beschreibung siehe Sp. 693
Vorr. sind große Teile der» Materialien« aus anderen Nieders. Staats-u. UB Göttingen; HAB Wolfenbüttel
Sprachlehren übernommen.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen 49 Vorbereitung der Jugend zur Moralität und natürli-
chen Religion von Johann Bemhard Basedow.- Berlin
Practische Philosophie für alle Stände, 1758 und Altona 1766. XVI, 126 S. 8°
Sittenlehre in katechetischer Frage- und Antwortform;
47 Johann Bemhard Basedows Practische Philosophie gedacht fiir den ersten Unterricht in der Religion; be-
für alle Stände. Ein weltbürgerliches Buch ohne Anstoß handelt die Anfangsgründe der natürlichen Religion, die
für irgend eine Nation, Regierungsform und Kirche. 2. J1fichten gegen Gott, sich selbst und andere, die Stan-
verb. Aufl. Th. 1.2.-Dessau; Leipzig: Crusius 1777.8° despflichten und den Ursprung der herrschenden Vorur-
I. XVI S., I ungez. BI., 468 S. teile durch Sprichwörter.
2. 384 S., 15 ungez. BI. Nieders. Staats- u. UB Göttingen
In Th. I Frontispiz in Kupferstich von und nach D. Cho-
dowiecki und omamentale Titelvignette. 50 Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der
gesitteten Bürger von Johann Bemhard Basedow.- Al-
Zweite Auflage des erstmals 1758 erschienenen Werks,
tona (1768): Spieringk; Halle: Curte in Comm. XXIV,
das ein umfassendes systematisches Lehrbuch der Sit-
184S.8°
tenlehre darstellt und das als »Hülfsmittel« und
»Rathgeber« bei allen Vorfällen des täglichen Lebens Ständische Sittenlehre in Paragraphen; gedacht zum
dienen soll. Die neue Auflage ist mit Rücksicht auf das Unterricht der erwachsenen Jugend; umfaßt in vier Ab-
1271 Bibliographie 1272

Ieilungen Betrachtungen über »die Seele, das Leben LB Oldenburg; HAB Wolfenbüttel; Sächs. LB Dresden
und den Tod«, ;;über Gott und seine Eigenschaften«,
die »Sittenlehre aus natürlicher Erkenntniß Gottes und 54 Des Elementarwerks Erster- Vierter Band. Ein ge-
der Welt« sowie Verstandesübungen. ordneter Vorrathaller nöthigen Erkenntniß. Zum Un-
Lipp. LB Detmold terrichte der Jugend, von Anfang, bis ins academische
Alter, Zur Belehrung der Eltern, Schullehrer und Hof-
meister, Zum Nutzen eines jeden Lesers, die Erkenntniß
51 Des Elementarbuchs für die Jugend und für ihre zu vervollkommnen. In Verbindung mit einer Samm-
Lehrer und Freunde (Stück 2.3: Des Elementarbuchs lung von Kupferstichen, und mit französischer und la-
für die Jugend, ihre Eltern und Freunde) in gesitteten teinischer Uebersetzung dieses Werks. (Von Johann
Ständen Erstes- Drittes Stück von Joh[ann] Bernh[ard] Bernhard Basedow.)- Dessau (Bd I: und Leipzig: Cru-
Basedow. Mit dem Zubehör des Methodenbuches und sius; 0.0.: Bey dem Verf. und seinen Freunden) 1774.
der Kupfersammlung. (Stück 2.3: Mit dem dazugehöri- go
gen Methodenbuche und mit der Kupfersammlung.)-
Altona und Bremen: Bey dem Verf., seinen Freunden I. 8 ungez. BI., XVIII S., 5 ungez. BI., 48, 432 S., I un-
und in Buchläden 1770. 8° gez.Bl.
2. 509 S., I ungez. S.
I. XVI, 384 S. 3. 416 S., I ungez. BI.
2. XVI, 380 S. 4. 256S.
3. !52 s.
Weitgehend umgearbeitete und erweiterte Neufassung
Enzyklopädisches Lehrbuch in drei Teilen, das in me- des Elementarbuches, gedacht zur Unterweisung der
thodischer Anordnung for Kinder und Jugendliche bis Jugend ;;sowohl in den öffentlichen Anstalten als in den
zu 15 Jahren sowie for Eltern und Erzieher in Familien«. - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 969
größtmöglicher Vollständigkeit ein Gesamtbild von der
Welt und vom Menschen »von den allerersten Erkennt- UStB Köln; Freies Dt. Hochstift Frankfurt
nissen eines Kindes angefangen« bis zur Höhe der Uni-
versitätsstudien vermitteln will. Wird gemeinsam mit 55 Kupfersammlung zu J[ohann] B[ernhard] Basedows
dem Methodenbuch für Väter und Mütter als didak- Elementarwerke für die Jugend und ihre Freunde. Lfg I
tisch-methodischem Kommentar und dem dazugehöri- in 53 Taf. [nicht enthalten in diesen Ex.!] Lfg 2 in 47 Taf.
gen Kupferwerk zur elementansehen Bibliothek gerech- von 50-96. Nebst dem Methodenbuche und dem Ele-
net. - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 961 mentarwerke in 10 Büchern.- Leipzig: Crusius; 0. 0.:
Bey dem Verf. und seinen Freunden; Berlin und Dessau
Lipp. LB Detmold; HAB Wolfenbüttel 1774. 2 ungez. BI., Taf. 50-96. quer-8°

52 Kupfertafeln zum Elementarbuche, für die Jugend, Titelblatt und Text deutsch, franz. und lat.
ihre Eltern und Freunde in gesitteten Ständen. Bd I in 32 Tafeln sind von D. Chodowiecki gezeichnet, davon 3
53 Taf. Nebst dem Zubehör des Elementarbuches und auch von ihm gestochen; die weiteren Stecher: D. Her-
Methodenbuches. - Altona und Bremen: Bey dem ger (4), Schleuen (10), J. R. Schellenberg (I), Bock (2),
Verf., seinen Freunden, und in den vornehmsten Buch- davon I von C. W. Bock, F. C. Krüger (6), J. A. v. Hoß-
läden 1770. 15 S., Taf. 1-49. quer-8 trup (Schrifttafel), G. G. Endner (I), P. Haas (3), J. D.
Die Nr. 10 erscheint mit 2, die Nr. 21 mit 4 Tafeln; I Philipp (2); I Tafel ist mit »J. F. Berger sc.« signiert; II
Karte ist koloriert. Die Zeichner: Daniel Chodowiecki Tafeln sind unsigniert, davon wird die Tafel94 D. Cho-
mit 35 Tafeln, wovon er auch 5 gestochen hat, J. R. dowiecki zugeschrieben (Engelmann 117).
Schellenberg, der 4 Tafeln gezeichnet und gestochen Samml. Theodor Brüggemann, Köln; StUß Frankfurt
hat, C. H. Wolke (3 Tafeln), H. F. Schlegel (5), J. Bang
(I). Die Stecher neben den o. a.: die Brüder Schleuen 56 Examen in der allernatürlichsten Religion und an-
(9),J. F. Schuster(12), D. Berger(3) und Gottfried Cho- dem practischen Lehren von Bürgerpflicht, Toleranz
dowiecki (6); 5 Karten sind unsigniert. und Tugend imgleichen von Vernunft und ihrer Gottes-
Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 984 kenntniß. [Von Johann Bernhard Basedow.]- Leipzig:
Crusius 1784. 344 S. go
Freies Dt. Hochstift Frankfurt; HAB Wolfenbüttel;
StUß Frankfurt Lehrbuch der Rechts- und Sittenlehre, der Logik und
der natürlichen Religion. Adressiert an ;;studirende
Jünglinge«, die ins Leben treten. Verfaßt in der
53 J[ohann] B[ernhard] Basedows Kleines Buch für
;;Schreibart des Examens«, d. h. in Frage- und Ant-
Kinder aller Stände. Zur elementansehen Bibliothek ge-
wortform. Enthält zudem Texte von Penson und Block-
hörig. Mit drey Kupfertaf. [fehlen in diesen Ex.!] Stück
mann über die natürliche Religion.
I.- 0.0.: Bey Freunden d. Verf. und Leipzig: Fritsch in
Comm. 1771. 77 S. 8° Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Lesebuch for Kinder der »arbeitsamen Stände« der
57 Unerwartlich grosse Verbesserung in der Kunst, Le-
Handwerker und Landsleute. Es enthält einen ABC-
sen zu lehren. Nebst einem Buchstabir-Büchlein. Von
Teil, Leselernstücke und Stücke zur Vermittlung erster
Kenntnisse aus der Religions/ehre. Ihm ist ein Metho- J[ohann] B[ernhard] Basedow.- Leipzig und Hamburg:
Crusius und Bohn 1785. 72 S. go
denbuch beigefogt, in dem allgemeine Erziehungsanwei-
sungen, Leselernspiele und Gebrauchsanweisungen for Dreiteiliges Werk for den ersten Leseunterricht. Der er-
das Lesebuch gegeben werden. - Ausfiihrliche Beschrei- ste und besonders der zweite Teil (;;Gottlieb Kinder-
bung siehe Sp.821 freunds Leseschule«) liefern methodische Hinweise for
1273 Bibliographie 1274

Eltern und Erzieher zum Lesen/ehren. Der dritte Teil buch für Bürger und Landleute, wie auch für Stadt- und
besteht aus einem ABC- und Lesebuch for Kinder, das Landschulen von einem katholischen Landgeistlichen
zu bürgerlichen Tugenden erziehen soll. - AusfUhrliehe eingerichtet. Neue, verb. Aufl.- Frankfurt und Leipzig
Beschreibung siehe Sp. 882 1794. X, 486 S. 8°
Hess. LB Wiesbaden Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Kompendiöses Lesebuch mit praktischer Ausrichtung;
58 Neues Werkzeug zum Lesenlehren, zur Gotteser-
gedacht for den Unterricht an katholischen Schulen und
kenntniß und zur nothwendigsten Sprachrichtigkeit von
for die katholische Stadt- und Landbevölkerung; enthält
Joh[ann] Bemh[ard] Basedow und einer für die Aufklä-
Sittenlehren for Kinder und Erwachsene, überwiegend
rung arbeitenden Gesellschaft. Geschenk an Bürger-
schulen.- Leipzig: Crusius 1786. 144 S., davon sind die Sachtexte aus dem Bereich der Landwirtschaft, eine Ge-
Seiten 25-32 zweimal, als a und b, vorhanden. 8° schichte Deutschlands sowie Rechtsbelehrungen; Nach-
druck des Allgemeinen Lesebuchs für den Bürger und
Sog. neue Auflage der Unerwartlich grossen Verbesse- Landmann ... (1790) von Georg Friedrich Seiler unter
rung in der Kunst, lesen zu lehren ... ( 1785). Enthält Wegfassung des ersten Kapitels, das eine Erdbeschrei-
neben einem ausfohrlicheren methodischen Teil for El- bung enthält. (Vgl. Seiler, Allgemeines Lesebuch ... ,
tern und Erzieher »Memorialverse wegen des Lesens«, Erlangen 1790.)
zusätzliche kurze Lesestücke sowie »Leseübungen, wel-
Pfälz. LB SpeyerBaumann, Ludwig Adolph (1724 od.
che ihre besondere Absicht auf Sprachlehre haben« (z.
T. in katechetischer Form). Die bedeutsamste Änderung 34-1802): Pädagoge und Schriftsteller in Neustadt/
gegenüber der Vorlage besteht in der Aufnahme von Ab- Brandenburg.
schnitten zur Religion, die in recht anspruchsvoller Spra-
62 Kurzer Entwurf der Staatsverfassung aller europä-
che und z. T. katechetischer Form gehalten sind.
ischen Reiche, zum Gebrauch der Jugend auf Schulen,
Hess. LB Wiesbaden; HAB Wolfenbüttel von L[udwig] A[dolph] Baumann.- Brandenburg: Hal-
le 1761. 2 ungez. BI., 200 S., I ungez. BI. 8°
59 Neues Werkzeug zur gemäßigten Aufklärung der
Gestochene Titelvignette, signiert mit » U «.
Schüler durch die Lehrer des Mittelstandes von
Joh[ann] Bemh[ard] Basedow und einer für die Aufklä- Auszug aus der Staatswissenschaft »zum Gebrauch der
rung arbeitenden Gesellschaft. Geschenk an Bürger- Jugend auf Schulen«; in Paragraphen abgefaßter »Leit-
schulen. Stück 1.2. - Leipzig: Crusius 1786. XVI, 96 faden«; behandelt alle europäischen Länder; enthält ei-
S. 8o nen 1OOseitigen Teil über Deutschland mit der Beschrei-
Sittenlehre zum Gebrauch der »Jugend des Mittelstan- bung von 56 Fürstentümern; behandelt in den einzelnen
des, das ist, der unstudirenden Bürger«; will »nicht Abschnitten jeweils Geschichte, Staatsrecht, Staatsge-
( .. .) bloß ein Schulbuch« sein, sondern » ein Jeder, schäfte, Religion, Wissenschaft, Justiz, Industrie und
dem an Aufklärung seiner selbst oder Andrer viel gele- Handel.
gen ist, lieset es (so denken wir) mit Nutzen und Vergnü- HAB Wolfenbüttel
gen«; behandelt die Ständeordnung und die Standes-
pflichten, die bürgerliche Sittenlehre und will vermittelst 63 Kurzer Entwurf einer Historie der Gelehrsamkeit
Sprichwörtern und Sentenzen zur Aufklärung beitragen. zum Gebrauch der Jugend auf Schulen, von L[udwig]
UBKiel A[dolph] Baumann.- Brandenburg und Leipzig: Halle
1762.4 ungez. BI. 160 S. 8°
siehe: Pädagogische Unterhandlungen. Omamentale Titelvignette
In Paragraphen abgefaßtes Schullehrbuch über die Ge-
schichte der Künste und der Wissenschaften; behandelt
Bauer, Carl Ludwig (1730--1799): Rektor in Lauban
for jeden historischen Abschnitt jeweils die Schulen und
und Hirschberg.
Bibliotheken, Philologie, Grammatik und Kritik, Histo-
rie und Geographie, die unfreien undfreien Künste, Re-
60 Anleitung zum richtigen und guten Ausdrucke der
de- und Dichtkunst, schließlich die ;; Weltweisheit« und
Lateinischen Sprache, zum Gebrauche der Lehrer und
die Einzelwissenschaften; endet mit einem Abschnitt
Lernenden in öffentlichen Schulen und zum besonde-
über das 17. und 18. Jahrhundert.
ren Unterrichte herausgegeben von Carl Ludwig Bauer.
3. verb. Aufl.- Breslau: Korn 1798. 14 ungez. BI., 429 StB Trier
S. 8o
64 Kurzgefaßte Geschichte der Kuhrmark Branden-
Lateinische Sprachlehre zum Gebrauch an öffentlichen
burg, zum Gebrauch der Jugend auf Schulen, von Lud-
Schulen,for »Anfänger, geübte und ganz fähige«; auch
wig Adolph Baumann.- Brandenburg: Halle 1773. 2
als Leitfaden for Lehrer gedacht; umfassende Darstel-
ungez. BI., 193 S. 8°
lung mit Ausnahme der als ;;unnütz, ja schädlich«
erachteten Syntax Ornata. EA 1775 lt. Ky. Omamentale Titelvignette
HAB Wolfenbüttel Historisches Lehrbuch for den Gebrauch an Schulen;
behandelt die Geschichte Brandenburgs von den Senno-
nen und Langobarden bis zum Jahre 1769 unter beson-
Der Bauernfreund derer Berücksichtigung der neuesten Geschichte.

61 Der Bauemfreund, ein allgemein nützliches Lese-


1275 Bibliographie 1276

StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin; UB d. TU Braun- Bayrer, Leonhard (1749-1802): Exjesuit, Domprediger
schweig zu Augsburg.

65 Entwurf der Naturlehre und Naturgeschichte, zum 68 Lebensregeln für die Jugend. Von einem Jugend-
Gebrauch der Schulen von L[udwig] A[dolph] Bau- freunde [d.i. Leonhard Bayrer]. Bdch. [1] - 4. - Augs-
mann.- Brandenburg: Halle 1785.4 ungez. BI., 518 S., burg: Veith 1792-94.8°
1 ungez. BI. 8°
[1.] Von der wahren Gottesliebe. 1792. 7 ungez. BI.,
Ornamentale Titelvignette 314 s.
2. Von der aufrichtigen Nächstenliebe. 1793. 2 ungez.
Naturkundliches in Paragraphen abgefaßtes Lehrbuch;
Bl.,267 S.
gibt im ersten Teil die Lehre von den Körpern und den
3. Von der geistlichen Vorsicht. 1794. 2 ungez. BI.,
Elementen, im zweiten Teil eine Darstellung des f1lan-
234 S.
zen- und des Tierreiches; liefert Experimentieranweisun-
4. Von der politischen Vorsicht. 1794. 2 ungez.BI.,
gen, die ohne kostbare Instrumente auszufUhren sind;
ist for »öffentliche Schulen« gedacht; hat aus Kosten- !52 s.
gründen auf Kupferstiche verzichtet. In allen Bändchen Titelvignette, gestochen von A.
Schön.
Senckenberg. B. Frankfurt
Lebensregeln zum »geistlichen, und leiblichen, zeitli-
66 Physikalisch-Naturhistorisches Spiel- und Lese- chen, und ewigen Wohlseyn« for »gute Jünglinge auf
buch für Kinder. [Von Ludwig Adolph Baumann.] Her- Universitäten, Lyzäen, Gymnasien, Kadetenschulen«;
ausgegeben von Erduin Julius Koch. Mit zwei und sie- gedacht zum »Vergnügen« und zur »Erbauung«; streng
benzig dazu gehörigen Charten [fehlen in diesem Ex.!]- katholisch ausgerichtet. Die einzelnen Bände sind je-
Berlin: Franke 1793. VIII, 73 S. 8° weils in Paragraphen eingeteilt und enthalten neben
theoretischen Erörterungen verdeutlichende Beispiele
Naturkundliches Lehrbuch for Kinder mit beigefUgtem
aus der Kirchen- und Heiligengeschichte, aus der Bibel
Kartenspiel; das Lehrbuch stellt eine Kurzfassung von
sowie aus verschiedenen (z. T. Jugend-)Schriften. Der
Baumanns Entwurf der Naturlehre und Naturgeschich-
erste Band behandelt die »wahre Gottesliebe« und lie-
te (1 785) dar; das beigefUgte Kartenspiel besteht lt.
fert detaillierte Anleitungen zur frommen Gottesvereh-
Vorr. von Koch aus 72 Karten, die Fragen aus dem Be-
rung. Die f1lichten gegen den Nächsten sind Gegen-
reich des Lehrbuches enthalten; gleichzeitig soll Spiel-
geld ausgegeben werden. stand des zweiten Bandes. Im dritten Band wird die
»geistliche Vorsicht« abgehandelt, der vierte Band erör-
Päd. Zentralbücherei NRW Dortmund tert Regeln des gesellschaftlichen Umgangs.
Staats- u. StB Augsburg (Bdch. 1.2.4.) DiözesanE Köln
Baumeister, Joseph Edler von (1750-1819): Schriftstel- (Bdch. 1.2.); UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. (Bdch.
ler und Erzieher. Siehe Sp. 1219 3)
67 Die Welt in Bildern vorzüglich zum Vergnügen und
Unterricht. Herausgegeben von Joseph Edlen von Bau-
meister. Bd 1-4.- Wien: Baumeister 1788-91. 4 o Hecker, Rudolph Zacharias (1752-1822): Volksschrift-
steller, Publizist und Verleger. Siehe Sp.l219
I. Mit 51 Kupfertaf. 1788. 4 ungez. BI., 190 S., I ungez.
BI. 69 Noth- und Hülfs-Büchlein für Bauersleute. oder
2. Mit49 Kupfertaf. 1789. 140 S., I ungez. BI. lehrreiche Freuden- und Trauer-Geschichte des Dorfs
3. Mit50Kupfertaf.l790.162 S., I ungez.BI. Mildheim. [Von Rudolph Zacharias Becker.] Th. [!.]
4. Mit 24 Kupfertaf. 1791. 2 ungez. BI., 74 S., I ungez. Anderer Th. - Gotha: [Verf.]; Leipzig: Göschen
BI. 1788/98.8°
Entwerfende Künstler: J. Sollerer (121 Tafeln und I [I.] Für junge und alte beschrieben. 1788. 445 S., zahlr.
Vignette), J. Lachenbauer (16 Tafeln in Bd I und 1 Vi- Holzschnittill. i. T.
gnette), F. Schulz (8 Tafeln in Bd 3),1. Soerer(l Tafel in Anderer Th. [U. d. T. :] Noth-und Hülfs-Büchlein oder
Bd 4); ausführende Künstler: N. Mansfeld (33 Tafeln lehrreiche Freuden- und Trauer-Ge-
und Titelvignette in Bd 1), J. G. Mausfeld (10 Tafeln schichte der Einwohner zu Mildheim.
und 2 Kupferillustrationen); mit »Mansfeld«, »Md« 1798. 384 S., 1 Faltbl., zahlr. Holzschnitt-
und »M« als Stechersind 92 Tafeln und die Titelvignet- ill. i. T.
ten in Bd 2, 3 und 4 signiert, mit »J. N. (oder »J. M.«)
Mansfeld« 2 Tafeln; weitere Stecher: F. Aßner(21) und In beiden Teilen Titelvignette in Holzschnitt, ebenso
J. M. Eberspach (8 Tafeln); unsigniert sind 18 Tafeln wie die Illustrationen im Text von M. Seltsam.
und 1 Vignette, nicht mehr verifizierbare Signaturen bei Aufklärende Volksschrift, richtet sich zwar vornehmlich
2 Tafeln. an die erwachsene Landbevölkerung, ist aber auch in
besonderem Maße zur Lektüre der Kinder des Land-
Enzyklopädisches Bilderlehrbuch; besteht aus Kupferta-
volks bestimmt. Will »dem Landmanne ein System von
feln und zugehörigen Erläuterungen und Worterklärun-
Kenntnissen und Gesinnungen, welches ihn als Mensch,
gen; vorliegende Bände 1-4 behandeln das Tier-,
als Landmann und als Staatsbürger glücklich machen
f1lanzen- und Mineralreich. - AusfUhrliehe Beschrei-
müßte« vermitteln. Eingebettet in eine »Freuden- und
bung siehe Sp. 1153
Trauergeschichte des Doifes Mildheim« bietet das Werk
LB Coburg (Bd 1-3); UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. eine Fülle von praktischem Eifahrungssto.ff und morali-
(Bd2-4) schen, physikalischen, ökonomischen, medizinischen
1277 Bibliographie 1278

und anderen Kenntnissen, die im Zusammenhang mit Ornamentale Titelvignette


den täglichen Beschäftigungen, Bedürfnissen und Le-
Schauspiel for Kinder; will zur nützlichen Unterhaltung
bensvorfällen der Landbevölkerung behandelt werden.
beitragen und soll vornehmlich am Geburtstag der El-
Das Werk wurde ein buchhändlerischer Riesenerfolg
und löste eine ganze Welle von »Noth- und Hü!fsbü- tern aufgeführt werden; beigefUgt ist ein Notenblatt des
zu singenden Rondos.
chem« aus. Eine ausfUhrliehe Analyse liefert Siegert
( 1978). Ein kommentierter Nachdruck des ersten Teils Nieders. Staats- u. UB Göttingen
erschien 1980.
Freies Dt. Hochstift Frankfurt; StB Mainz
Belehrung, Beispiel, Ermunterung. Ein Lesebuch für
70 Dass. u. d. T.: Noth-und Hülfs-Büchlein oder lehr- preußische Soldatenschulen. Siehe: Michaelis, Johann
reiche Freuden- und Trauer-Geschichte der Einwohner Friedrich.
von Mildheim.[Von Rudolph Zacharias Becker.] 2.
rechtmäßige Autl. für katholische Leser. - Gotha und
Wirzburg 1791. 428 S., 2 ungez. BI., zahlr. Holzschnitt- Bellegarde, Jean Baptiste Morvan de (I 648-1734): Ver-
ill. i. T. 8° fasser religiöser und historischer Schriften und Überset-
zer lateinischer Klassiker.
Titelblatt in Rot-Schwarz-Druck; unsignierte Titelvi-
gnette in Holzschnitt (Rot-Druck); die Holzschnitte im
73 Aesopus, des Phrygiers, Leben und Fabeln, nebst
Text sind nicht signiert.
den Fabeln des Philelphus. Neue Uebersetzung. Mit
Lipp. LB Detmold moralischen und historischen Anmerkungen des Abts
[Jean Baptiste Morvan de] Bellegarde. Dieserneuen Ue-
71 Mildheimisches Lieder-Buch von 518 lustigen und bersetzung sind die Fabeln des Gabrias, des Avienus,
ernsthaften Gesängen über alle Dinge in der Welt und und die Mährehen des Aesopus beygefüget.- Kopenha-
alle Umstände des menschlichen Lebens, die man be- gen und Leipzig: Roth 1754. 5 ungez. BI., 538 S., 5 un-
singen kann. Gesammelt für Freunde erlaubter Fröh- gez. BI., 60 Kupfertaf., davon enthalten 59 117 Abb. 8°
lichkeit und ächter Tugend, die den Kopf nicht hängt
Frontispiz, gestochen von G. P. Busch; die übrigen 59
von Rudolph Zacharias Becker.- Gotha: Verf. 1799.
Tafeln sind unsigniert.
XIV S., I ungez. BI., 331 S., I ungez. S. 8°
Sammlung äsopischer Fabeln, denen umfassende mora-
[Nebst:] Melodien zum Mildheimischen Liederbuche.
lische, politische, bzw. historische Anmerkungen beige-
Erste Violine. Zweyte Violine. Baß.- Gotha: Verf. 1799.
fUgt sind, durch die der Leser »schöne Unterweisungen
quer-kl. 8°
über alle Pflichten des bürgerlichen Lebens schöpfen«
Erste Violine. 263 S.
soll.
Zweyte Violine. 185 S.
Baß. 180 S. Staats- u. UB Harnburg
Jeder Teil des Melodienbandes ist mit einem Papierum-
74 Dass. u. d. T.: Aesopus des Phrygiers Leben und Fa-
schlag versehen, der mit Holzschnittvignetten verziert
beln, nebst den Fabeln des Philelphus. Mit des Abts
ist.
[Jean Baptiste Morvan] von Bellegarde moralischen
Liederbuch vorzüglich zum Schulgebrauch; behandelt und historischen Anmerkungen; welchen die Fabeln
die einzelnen Bereiche des Noth-und Hülfsbüchleins in des Gabriasund Avianus und die Mährehen des Aeso-
systematischer Folge. pus beygefüget worden. Neue sehr verbesserte Ueber-
setzung aus dem Französischen - Kopenhagen und
UBBonn
Leipzig: Proft 1781. XXIV, 576 S., 60 Kupfertaf., da-
von enthalten 59 117 Abb. 8°
siehe: Dessauische Zeitung für die Jugend und ihre
Freunde. Unsigniertes Frontispiz; ornamentale Titelvignette; die
59 übrigen Tafeln sind unsigniert.
siehe: Deutsche Zeitung.
UB d. TU Braunschweig

Begrif einer allgemeinen Weltgeschichte .•. Siehe: Ver-


net, Jean Jacques. Benkowitz, Kar! Friedrich ( 17 64-1807)

75 Der neue Westphälische Robinson oder der seltsa-


Behnke,J.G. me Mann in Wesel. Vom Verfasser des Robert, der ein-
same Bewohnereiner Insel im Südmeer[d. i. Kar! Fried-
siehe: Der Berlinische Kinderfreund. rich Benkowitz]. Th. 1.2.- Halle: Hendel1799. 8°
I. 347 s.
2. 422S.
Beiget, Johann Georg (geb. 1755): Magister der Philo-
logie und Pfarrer in Geckenheim in Franken. Unsignierte gestochene Titelvignette in Th. I, in Th. 2
Titelvignette mit nicht verifizierbarer Signatur.
72 Das Rondo. Ein Lustspiel für Kinder in einem Auf- Robinsonade; schildert die »merkwürdige zum Theil
zuge von Johann Georg BeigeL-Leipzig: Crusius 1781. wunderbare Lebensgeschichte« eines geheimnisvollen al-
48 S., I Notenfaltbl. 8° ten Mannes aus Wesel; geht angeblich auf Aufzeichnun-
1279 Bibliographie 1280

gen zurück, die Jahre nach seinem Tode gefunden wur- Berlinisches neu eingerichtetes ABC Buchstabir- und
den. Lesebüchlein. Siehe: Hähn, Johann Friedrich.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Bemet, Friedrich (17 49-1789): Entstammt angesehe-
ner Bürgersfamilie aus St. Gallen; verfaßte weiteres Ge-
Benzler, Johann Lorenz (1747-1817): Redakteur, Bi-
schichtswerk über die Schweiz.
bliothekar und Schriftsteller. Siehe Sp. 1219
79 Kurze Geschichte der Stadt und Republick St. Gal-
76 Fabeln für Kinder aus den besten Dichtern. [Von Jo-
len. Zum Gebrauch der Jugend. [Von Friedrich Bernet
hann Lorenz Benzler.]- Lemgo: Meyer 1771. 8 ungez.
und Caspar Wetter.]- St. Gallen: Reutiner 1781. VIII,
BI., 380 S., 2 ungez. BI. 8°
270 S., I ungez. BI. 8°
Ornamentale Titelvignette
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Fabellese, die Kindem »frühzeitig Geschmack an den
Geschichtsbuch for junge Bürger der Stadt St. Gallen;
schönen Wissenschaften, und besonders an der Poesie
beschreibt die geschichtliche Entwicklung St. Gallens
beyzubringen« sucht und sie mit den »nützlichsten
von den Ureinwohnern der St. Galler Gegend im 3.
Wahrheiten« bekannt machen will, wobei Lehrer als
Jahrhundert n. Ch. bis zur zeitgenössischen Gegenwart.
Mittler vorgesehen sind; als Adressaten ist an verschie-
dene Altersstufen gedacht, woraus sich die Einteilung Dt. StaatsB Berlin
des Werkes in drei Bücher ergibt; am Schluß Abdruck
einiger Idyllen.
Bernhard, Ferdinand: Subrektor am Friedrichwerder-
LBCoburg
schen Gymnasium in Berlin.
siehe: Niedersächsisches Wochenblatt für Kinder.
80 Ferdinand Bernhards Catechetischer Unterricht in
der Religion zum Gebrauch seiner Kinder und Catechu-
menen.- Helmstädt: Kühnlin 1783.32 S. 8°
Bergmann, Josef (1736-1803): Jesuit, anschließend
Professor für Physik und Naturgeschichte an der Uni- Ornamentale Titelvignette
versität zu Mainz.
Katechetisches Lehrbuch der evangelisch-lutherischen
Religion in Frage- und Antwortform; vom Verfasser for
77 Kurzer Unterricht in der Naturwissenschaft für Kin-
die eigenen Kinder »zur Grundlagebey dem ersten Reli-
der in den Realschulen. [Von Josef Bergmann.]2. Aufl.
gions- Unterrichte« und als »Leitfaden bei der jährlichen
- Mainz: St. Rochus Hospitall784. 163 S., 5 ungez. S.,
Religions-Unterweisung« der Katechumen gedacht; ent-
9, z. T. kolor. Kupfertaf. auf Faltbl. 8°
hält einen kurzen Abriß der christlichen Religion und be-
Ornamentale Titelvignette; die Kupfertafeln sind un- handelt die wesentlichen Stücke des lutherischen Kate-
signiert. chismus.
Naturkundliches Lehrbuch in Frage-Antwort-Form; soll HAB Wolfenbüttel
»zum Unterrichte der Kinder dienen, welche zum bür-
gerlichen Stande auferzogen werden«; enthält deshalb
nur »die nöthigesten und nützlichsten Kenntnisse«; be- Bernstein, Johann Heinrich Tobias (geb. 1752): Pfarrer
handelt in 11 Kapiteln folgende Gegenstände: Körper, zu Dorna bei Gera.
Weltgebäude, die vier Elemente, Licht und Farbe, das
Mineral-, 11lanzen- und Tierreich. EA lt. Ky 1783. 81 Ostindianische Erdbeschreibung zum Gebrauch der
StB Mainz Jugend, von Joh[ann] Heinr[ich] Tob[ias] Bernstein.
Enthält alle ostindianischen Inseln.- Gera: Roth 1783.
XXVIII S., S. XIII-XVI, 287 S., I ungez. S. 8°
Der Berlinische Kinderfreund Ornamentale Titelvignette
Geographisches Lehrbuch for Kinder; enthält eine Be-
78 Der Berlinische Kinderfreund. Eine Zeitschrift, her-
schreibung der ostindischen Inselwelt von Ceylon, Su-
ausgegeben von J. G. Behnke. Bd 2, Stück 1-13.- Berlin
matra, Java über die philippinischen Inseln bis hin zu
1796. 208 S. 8°
Formosa, Madagaskar und den Malediven; beschreibt
Zweiter Band einer moralischen Wochenschriftfor Kin- auch die 11lanzen- und Tierwelt sowie die Menschen der
der, der 13 undatierte wöchentliche Lieferungen enthält. Inseln; weist im ausfohrlichen Vorwort auf die Einheit
Die Stücke sind jeweils am »Sonnabend in allen Buch- der Menschheit hin.
handlungen ... for 6 f1. ausgegebem< worden. Lt. Ver-
Nieders. Staats- und UB Göttingen
lagsanzeige enthält der 1. Bd der Wochenschrift 26 Lie-
ferungen, so daß deren gesamte Erscheinungsdauer ei-
nen Zeitraum von knapp 10 Monaten umfaßt. Die Zeit-
Berquin, Arnaud ( 17 49-1791): Kinderschriftsteller und
schrift enthält Anekdoten aus der Historie und der Na-
turgeschichte, moralische Beispielgeschichten, Fabeln Redakteur.
und scherzhafte Gedichte. So findet sich auch eine »Pa-
rodie auf Gellerts Greis« (S. 126). 82 [Arnaud] Berquins Kinderfreund. Aus dem Franzö-
sischen. Th. [1.]2.- Pirna: Arnold (Th. 2: Arnold und
lnst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt Pinther) 1798/1800. 8°
1281 Bibliographie 1282

[ 1.] 1798. !56 s. ner kurzen wissenschaftlichen, und populären Erklä-


2. 1800. 168 s. rung begleitet). I (Bd2-12: Porte-Feuille-Bd2-11: des
Enfans -: Melange interessant d'Animaux, Plantes,
Auszugsweise Rückübersetzung des L'Ami des Enfants
Fleurs, Fruits, Mineraux, Costumes, Antiquites et aut-
( 1782-1 783) von Arnaud Berquin (1 749-1 791); enthält
res Objets instructifs et amusants pour Ia Jeunesse; cho-
Beispielgeschichten und -erzählungen, Dialoge, kurze
isis et graves sur les meilleurs originaux, avec de courtes
Schauspiele und Briefe zur moralischen Belehrung und
Explications - Bd 2-11 : scientifiques et proportionnees
zur Unterhaltung for Kinder; behandelt Tugenden und
Untugenden aus dem kindlichen Lebens- und Erfah- aI'entendement d'un Enfant.) von- Bd 1-5: F[riedrich
Johann] J[ustin] Bertuch - Bd 6-8: Carl Bertuch -
rungsbereich.
Bd9-12: par Mr. Bertuch [Nebentitelblatt]. Bd 1-12.-
UB Oldenburg Weimar: Industrie-Comptoir (Bd6-12: Landes-Indu-
strie-Comptoir) 1792-1830. 8°
I. 1792. 4 ungez. BI., 100 kolor. Kupfertaf. mit je 1
Bertuch, Friedrich Johann Justin ( 17 47-1822): Schrift- Textbl.[deutsch/franz.], 3 ungez. BI.
steiler und Verleger. Siehe Sp. 1219 2. 1796. 100 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl.
[deutsch/franz.], 3 ungez. BI.
83 Wiegenliederchen. (Von Friedrich Johann Justin 3. 1798. 100 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl.
Bertuch.]- Altenburg: Richter 1772.38 S. kl. 8° [deutsch/franz.], 4 ungez. BI.
4. 1802. 100 kolor. Kupfertaf. mit je 2 Textbl.
Gestochene Titelvignette und 3 Vignetten im Text, un- [deutsch/franz./engl./ital.], 4 ungez. BI.
signiert. 5. 1805. 100 kolor. Kupfertaf. mit je 2 Textbl.
Sammlung von 10 Kinderliedern; beginnt mit einem [deutsch/franz./ engl./ital.], 4 ungez. BI.
Widmungsgedicht »Pasithea an die kleine Gräfin Caro- 6. 1807. 100 kolor. Kupfertaf. mit je 2 Textbl.
line«, offenbar ein Kind aus dem Umkreis der Familie [deutsch/franz./engl./ital.], 4 ungez. BI.
des Freiherrn Bachoff von Echt, wo Bertuch zur Entste- 7. 1810. 100 kolor. Kupfertaf. mit je 2 Textbl.
hungszeit der Liedersammlung Hauslehrer war. [deutsch/franz./engl./ital.], ab Taf. 21 mit je I
Textbl. [deutsch/franz.], 4 ungez. BI.
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin 8. 1813. 100 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl.
[deutsch/franz.], 4 ungez. BI.
84 Bilderbuch für Kinder enthaltend eine angenehme 9. 1816. 100 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl.
Sammlung von Thieren, Pflanzen, Blumen, Früchten, [deutsch/franz.], 5 ungez. BI.
Insecten, Trachten, und allerhand andem unterrichten- 10. 1821. 100 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl.
den Gegenständen aus dem Reiche der Natur, der Kün- [deutsch/franz.], 4 ungez. BI.
ste und Wissenschaften; alle nach den besten Origina- II. 1824. I 00 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl.
len gewählt, gestochen, und mit einer kurzen wissen- [deutsch/franz.], wobei es zu den Tafeln 9 und 10,
schaftlichen, und den Verstandes-Kräften eines Kindes 63 und 64, 88 und 89 jeweils nur I Textblatt gibt; 3
angemessenen Erklärung begleitet. (Von F[riedrich Jo- ungez.BI.
hann] J[ustin] Bertuch.) Bd I.- Weimar und Gotha: In 12. 1830. 86kolor. Kupfertaf. mit je I Textbl. [deutsch/
der Expedition des Journals des Luxus und der Moden franz.]
und Ettinger in Comm. ( 1790). 4 ungez. BI. I 00 kolor.
Kupfertaf. mit je I Textbl. [deutsch/franz.], 3 ungez. BI. 25 Tafeln in Bd I und 2 stammen von J. C. W. Waitz; 12
8o in Bd I und 2 von C. Westermayr; 8 von J.C. E. Müller
in Bd I und 3-6; 4von W.A. Müllerin Bd II und 12; 13
14 Tafeln stammen von J. C. W. Waitz, 6 von C. Wester- von G. Starck, der davon 7 gezeichnet hat, in Bd I, 2, 4
mayr,3 vonJ. C. E. Müllerund4von G. Starck; dieübri- und 5; 16von C. Graf in Bd2,3,4und II ;6vonC. Hor-
gen sind unsigniert. ny,derdavon3 gezeichnet hat, in Bd3, 4und 5; 5von H.
Erster Band der ersten Ausgabe des umfassenden Bil- Westermayr in Bd 3, 4 und 8; 2 von L. F. Kaiser in Bd 3
derbuches mit ca. 1100 Tafeln. die nicht nur die im Titel und 4; 6 von J. B. Hoessel in Bd 4 und 5; 34 von T. Goetz
vermerkterz Gegenstände illustrieren, sondern darüber in Bd 5-11; 6von L. Hessin Bd 5, 6 und 10; 2 von C. Er-
hinaus Kuriosa wie die sieben Weltwunder, Kulturge- merinBd6; 8 von H. Hessen in Bd 10 und 11; I vonJ. F.
schichtliches wie einen spanischen Stierkampf oder ein Schröter in Bd 8 ; 3 von A. N euss in Bd 10; 11 von Böge-
englisches J1erderennen, mikroskopische Ansichten von hold in Bd 9-12; 2 von G. Ph. Metzerothin Bd 12; I von
Tieren und diversen Gegenständen u. ä. in sorgfältigster A. Weise in Bd 3; I von Ebner in Bd 5; der größte Teil
Ausfohrung bringen. Das Werk machte den Begriff des der Kupfertafeln ist unsigniert, bei einigen ist die Signa-
Bilderbuchs gebräuchlich. Über seinen Stellenwert äu- tur nicht verifizierbar.
ßert sich Bertuch zu Eingang: »Ein Bilderbuch istfor ei- Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
ne Kinderstube ein eben so wesentliches und noch un-
entbehrlicheres Meuble als die Wiege, die Puppe oder
das Steckenpferd.« - AusfUhrliehe Beschreibung siehe
86 Dass. u. d. T.: Bilderbuch zum Nutzen und Vergnü-
Sp.391
gen der Jugend, enthaltend eine angenehme Sammlung
Samml. Theodor Brüggemann, Köln von Thieren, Pflanzen, Blumen, Früchten, Mineralien,
Trachten [usw. wie Nr. 84]. I Porte-Feuille instructif et
85 Dass. u. d. T.: (Bd 9-12: Bertuch's) Bilderbuch (Bd amusant pourlajeunesse. [usw. wie Nr. 85 ... ], avec de
1-11: für Kinder) enthaltend eine angenehme Samm- courtes explications scientifiques et proportionnees a
lung von Thieren, Pflanzen, Blumen, Früchten, Minera- J'entendement de Ia Jeunesse. Zusammen getragen von
lien, Trachten [usw. wie Nr. 84 ...] (Bd 12: und mit ei- - Bd9.10: F[riedrich Johann] J[ustin] Bertuch -
1283 Bibliographie 1284

Bd 15.16: Carl Bertuch. (Bd9.10: 2.Ausg.) Bd9.10. Handbuch für Kinder und Kinderlehrer über den Kate-
15.16- Wien: B. Ph. Bauero. J. 8° chismus Lutheri, 1785-87
9. 50 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl. [deutsch/ 89 Handbuch für Kinder und Kinderlehrer über den
franz.] Katechismus Lutheri von Johann Rudolph Gottlieb
I 0. 50 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl. [deutsch/ Beyer. 2. Ausg. (Bd2: Aufl.) Bd l. 2. Anhang.-Leipzig:
franz.] Crusius 1787.8°
15. 50 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl. [deutsch/
I. XIV, 594 S.
franz.]
2. VIII, 576 S.
16. 50 kolor. Kupfertaf. mit je Textbl. [deutsch/
Anhang zu dem Handbuche für Kinder und Kinderleh-
franz.]
rer. Bdch. 7. 6 ungez. BI., 232 S., 2 ungez. BI.
Die Tafeln sind handkoloriert und stammen in Bd 9 von
Omamentale Titelvignette in Bd I und 2.
Jacob Xaver Schmuzer, in Bd 10 von Joseph Jacob
Schmuzer, in den Bänden 15 und 16 sind sie unsigniert. Evangelisch-lutherisches Katechismuslehrbuch in Frage-
und Antwortform; zum Gebrauch fiir »ungelehrte und
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
ungeübte Katecheten«, insbesondere Prediger und
Landschullehrer zur besseren Kenntnis der christlichen
Beschäftigungen für junge Leute Lehren und als Leitfaden zur Erlernung der katecheti-
schen Unterrichtsform, fiir 11 bis 12jährige Kinder zur
87 Johann Heinrich Röding, Beschäftigungen für jun- Vorbereitung auf die Konfirmation und »Erwachsene,
ge Leute zum Nutzen, zur Lehre und zum Vergnügen. mit denen doch auch zuweilen katechisiert wird«. Das
[1.2.]- Hamburg: Matthiessen 1790. 8° Werk enthält eine unifassende Auslegung des lutheri-
schen Katechismus mit lebenspraktischer Ausrichtung
[1.] 200 S.,3ungez.Bl. und im Anhang Katechisationsmodelle fiir Festtage so-
[2.] S. 201-392,7 ungez. BI. wie eine Auslegung der christlichen Haustafel des Neu-
Gestochene Titelvignette in beiden Bänden von T. A. en Testaments. EA in 6 Teilen + Anhang lt. Ky.
Pingeling nach J. F. H. Wehrs. HAB Wolfenbüttel
» Leseblatt fiir die Jugend« in wöchentlichen Lieferun-
gen; enthält belehrende (Aufsätze zur Religion, zur Na- 90 Auszug aus dem Handbuch für Kinder und Kinder-
turgeschichte, zur Mythologie, Geographie, Geschichte lehrer über den Katechismus Lutheri von Joh[ann] Ru-
usw.) und unterhaltende Texte (Fabeln, Gedichte, Brie- dolph Gottlieb Beyer.- Leipzig: Crusius 1789.4 ungez.
fe, Gespräche, Sinngedichte, Rätsel u. a.). Adressaten BI., 344 S. 8°
sind Kinder aus gesitteten Ständen. Omamentale Titelvignette
Bayer. StaatsB München Katechismuslehrbuch fiir den evangelischen Religions-
unterricht; gedacht als Leitfadenfiir Lehrer, die »schon
Beseke, Christian Wilhelm (1707-1787): Erster Predi- einige Fertigkeit« besitzen, »die vorliegenden Säzze in
ger zu Berg (Magdeburg); königlich preußischer Kir- Fragen zu verwandeln«. Zusammenfassung des Hand-
chen- und Schulinspektor des ersten Distrikts des Je- buches für Kinder und Kinderlehrer, das die wesentli-
richauischen Kreises. chen Stücke mit Verzicht auf die Frage- und Antwort-
form »in einem gewissen Zusammenhange, mit einer
88 Die Religion der Jugend nach den verschiedenen ziemlichen Deutlichkeit und mit den nöthigsten Erläute-
Stufen ihres Verstandes in den deutlichsten Sprüchen rungen« auszugsweise wiedergibt.
der heiligen Schrift und in den ausgesuchtesten Versen HAB Wolfenbüttel
zusammen getragen und im ein und funfzigsten Jahre
des Predigtamts herausgegeben von Christian Wilhelm
Beseke. - Halle: Buchhandl. des Waisenhauses in Bibliothek für Jünglinge
Comm. 1786. XVI, 159 S., I ungez. S. 8°
Tabellarische Sammlung thematisch geordneter bibli- 91 Bibliothek für Jünglinge, oder gesammelte Sitten-
scher Sprüche als Leitfaden fiir Lehrer im Religionsun- lehren für alle Scenen des Lebens. Nach der vierten eng-
terricht in der Absicht, »die Jugend so in der Anweisung lischen Ausgabe übersetzt [von Johann Gottfried Gel-
zu ihrer Wohlfahrt zu unterrichten, daß sie verstehen lius].- Leipzig: Weidmann und Reich 1763. 6 ungez.
können, was sie lernen: um dadurch das Lernen heil- BI., 464 S. 8°
sam, lieblich und angenehm zu machen«, und um zur Frontispiz in Kupferstich von Crusius.
»Aufklärung des Verstandes und Besserung des Ge-
müths der Jugend« beizutragen. Im Anhang finden sich Sittenlehre zum »Unterricht« und zum »Vergnügen« fiir
Gebete und ein Nachweis der Sprüche auf verschiedene die erwachsene männliche Jugend »bey ihrem Eintritte
Festtage und Jahreszeiten. Zur Ergänzung des Spruch- in die Welt«; enthält moralische Betrachtungen und
buches empfiehlt der Verfasser Seilers Religion der Un- Grundsätze mit Beispielen, vornehmlich aus dem klassi-
mündigen (I 772). schen Altertum, zur sittlich-religiösen Bildung Jugendli-
cher. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 521
HAB Wolfenbüttel
Nieders. Staats- u. UB Göttingen

Beyer, Johann Rudolph Gottlieb (geb. 1756): Pfarrer zu


Groß-Sömmerda im Erfurtischen.
1285 Bibliographie 1286

Bibliothek für Mädchen Biblische Erzählungen

92 Bibliothek für Mädchen, nach den Stuffen des Al- 94 Biblische Erzählungen für die Jugend. Altes und
ters eingerichtet. [Mutmaßl. Verf.: Karl von Eckarts- Neues Testament. [Hrsg. von der Ascetischen Gesell-
hausen oder Vincenz Pali von Pallhausen.] [l-3].- schaft unter Mitarb. von Johann Jakob Hess und Jo-
München: Lentner 1791.8° hann Caspar Lavater.]- Zürich: Orell, Geßner, Füeßli
1774. XIV S., I ungez. BI., 552 S. 8°
[l.] Lesebüchlein mit moralischen Erzählungen, für
Mädchen der ersten Klasse, welche eben lesen ler- Titelvignette in Kupferstich von S. Geßner.
nen. 3 ungez. BI., 80 S.
Sammetausgabe der 1772 bwz. 1774 erschienenen Bi-
[2.] Lesebüchlein mit moralischen Erzählungen und ei-
blischen Erzählungen für die Jugend. Altes bzw. Neues
nigen Vorbereitungskenntnissen zur Hauswirtb-
Testament in leichter Überarbeitung und ohne die dort
schaft für Mädchen vom mitdem Alter. 2 ungez. BI.,
zugefiigten Reimsprüche von Lavater. - AusfUhrliehe
138 s.
Beschreibung siehe Sp. 723
[3.] Handbuch für Mädchen von reiferm Alter; mit mo-
ralischen Erzählungen und ökonomischen Kennt- UB Marburg; UB Heidelberg
nissen. Nebst einer Melodie. 3 ungez. BI., 240 S., 2
ungez. BI.
Bienrod, Clamer Heinrich Friedrich
Die Haupttitelblätter enthalten je eine ornamentale Ti-
telvignette, die Stücktitelblätter unsignierte Titelvignet- 95 Donatus oder Anweisung zur Lateinischen Sprache
ten in Kupferstich. in Frage und Antwort abgefasset. (Von Clamer Heinrich
Moralisch-unterhaltendes Lesebuch vermischten Inhalts Friedrich Bienrod.)- Wernigerode: Struck 1753. 3 un-
mit einer Fülle verschiedener literarischer Formen (Bei- gez. BI., 255 S., l ungez. S. 8°
spie/geschichten, Fabeln, Lieder, Gedichte, szenische Ornamentale Titelvignette
Dialoge, Sachtexte); gegliedert nach Altersstufen in 3
Bände for Mädchen von etwa sechs bis fonfzehn Jah- Lateinische Sprachlehre for den Gebrauch an christli-
ren. Zahlreiche Texte sind entnommen aus Campes chen Schulen; will Regeln der lateinischen Sprache auf
Kleiner Kinderbibliothek. Kayser und Holzmann-Bo- »ordentliche, kurtze und deutliche Art vortragen«; kate-
hatta geben als Verfasser Kar! von Eckortshausen oder chetische Frage- und Antwortform.
Vincenz von Palthausen an, Meusel Kar! von Eckarts- HAB Wolfenbüttel
hausen. Da Palthausen nur Schriften zu politisch-histo-
rischen Themen verfaßt hat, Eckortshausens Werk da-
gegen ein weites Spektrum literarischer Produktion ab- Bild einer guten Mutter
deckt, scheint dieser mit ziemlicher Sicherheit der Ver-
fasser zu sein, um so mehr, als die meisten seiner zwi- 96 Bild einer guten Mutter, Ein Vatergeschenke für sei-
schen 1786 und 1794 erschienenen Schriften bei Lentner ne Töchter.- Augsburg: Wolff 1789.45 S. 8°
in München herausgekommen sind. Faivre (1969, S.
Gestochene Titelvignette, signiert mit »Jacob«.
706) kommt zu einem ähnlichen Schluß. Auch der Kata-
log der Ausstellung »Europäische Kinderbücher vom Elterlicher Rat for junge Mädchen und junge Frauen;
15. bis zum 19. Jahrhundert« in der Österreichischen Verbindung von Philanthropismus und katholischer
Nationalbibliothek (17.5.-14.9.1979) weist die Biblio- Frömmigkeit.
thekfor Mädchen unter Nr. 80 als ein Werk von E. aus.
StaatsB Bamberg
- AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 412
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Bilderbuch oder Sammlung von einigen merkwürdigen
Gegenden
Biblische Erzählungen
97 Bilderbuch oder Sammlung von einigen merkwürdi-
93 Biblische Erzählungen für die Jugend. Altes Testa- gen Gegenden, Naturseltenheiten und andern interes-
santen Sachen von Menschen und Thieren, größten-
ment. [Hrsg. von der Ascetischen Gesellschaft unter
Mitarb. von Johann Jakob Hess und Johann Caspar La- theils aus neuern Reisebeschreibungen gezogen, und
vater.] - Zürich: Orell, Geßner, Füeßli 1772. XV S., l welche der Wißbegierde und Erinnerungskraft der Ju-
ungez. S., 655 S., l ungez. S. 8° gend angemessen sind. [Franz. und deutsch.] - 0. 0.
1797. 4 S., 38 ungez. BI., davon 3 Faltbl. mit 68 Kupfern.
Titelvignette in Kupferstich von S. Geßner. quer-4°
Historienbibelfor Kinder, »bey denen sich der Verstand Von den Kupfern sind 24 unsigniert; 30 stammen von
schon merklich zu äussern anfängt«; behandelt das Alte F. G. Lardy, 2 von J. R. Schellenberg, 3 sind von T. D.
Testament in 141 Erzählungen mit angehängten Reim- Wochergezeichnetund3vonJ. Nußbiegel, I vonM.G.
sprüchen Lavaters; liefert unter Betonung des Lehrrei- Eichler, I von F. X. Wexelberg, I von Heidegger gesto-
chen »beynahe eine vollständige Kindermoral«, will zu- chen; I Kupferistmit »D« signiert.
gleich zu guter Sprache und Schreibart gewöhnen. In
Dargestellt sind in bunter Mischung verschiedene Trach-
der Bearbeitung von Johann Jakob Heß herausgegeben
ten und Völker, asiatische Gottheiten, Landschaften
von der Ascetischen Gesellschaft; weitere Mitarbeiter:
und Versteinerungen, Tiere etc. Das ohne Verlags- und
Lavater, Tob/er und Herder.
Ortsangabe erschienene Werk enthält außer einem
UBGießen deutsch-französischen Inhaltsverzeichnis keinen Text.
1287 Bibliographie 1288

Es wurde offensichtlich aus Bildern und bereits vorhan- Die Kupfer bestehen aus technischen Zeichnungen und
denen Kupferplatten zusammengestellt. sind unsigniert.
StUB Frankfurt Umfassende Anleitung zum Werken mit Pappe: gedacht
als Leitfaden fiir Eltern und Erzieher zur angenehmen
und nützlichen Beschäftigung »in Nebenstunden fiir die
Bildergalerie Jugend aus allerley Ständen«. - Ausfiihrliche Beschrei-
bung siehe Sp.ll89
98 Bildergalerie, welche vierundzwanzig Vorstellun- Staat!. B. Regensburg
gen von verschiedenen Kinder- und andem Spielen,
Uebungen und Beschäftigungen, so wie auch einen er- 101 Werkstätte der Kinder. Ein Handbuch für Eltern
klärenden Text enthält zum Zeitvertreib für Kinder. - und Erzieher, zu zweckmäßiger Beschäftigung ihrer
Nümberg: Trautner[um 1780-90]. Kupfertitel, 6 ungez. Kinder und Zöglinge von Bemhard Heinrich Blasche.
BI., 24 Kupfertaf. quer-8° Mit Kupfertaf. Th. 1-4.- Gotha: Perthes 1800-02. 8°
3 Tafeln sind von J. G. Trautner signiert. I. Mit zwey Kupfertaf. 1800. XX, 251 S.
Die Themen des Bilderbuchs reichen von verschiedenen 2. Mit einer Kupfertaf. 1801. XIV S., 3 ungez. BI.,
Kinderspielen über mehr sportliche Tätigkeiten (Reiten, 250 S., I ungez. BI.
Fechten) bis zu Spielen der Erwachsenen und kriegeri- 3. Miteiner Kupfertaf. 1802. 6ungez. BI., VIII,264 S.
schen Aktionen. Eine Dorfkirchweih, Seiltänzer und ein 4. Mit zwey Kupfertaf. 1802. XVIII, 242 S.
Hochzeitsschmaus beschließen die Reihe der Bilder, die Insgesamt 6 unsignierte Kupfertafeln auf Faltblättem.
mit einem Vierzeiler zum jeweiligen Thema versehen
sind. Ausführliche sachliche Erläuterungen finden sich Handbuch zur Einfiihrung in alle handwerklichen Fer-
auf den dem Bildteil vorgeschalteten Blättern. Das tigkeiten sowie zu »Naturbeschäftigungen«; will Kinder
Buch, das Kindern zum Zeitvertreib dienen soll, ver- zu mechanischen Beschäftigungen anhalten, die »die
zichtet fast ganz auf Moral und Belehrung. körperlichen Anlagen und Kräfte entwickeln« und
»auch zur Ausbildung der Seelenkräfte viel beytragen
StB Nümberg können«; gleichzeitig als Vorbereitung auf den Beruf
und das bürgerliche Leben gedacht; enthält eine Abtei-
lung zu »Naturbeschäftigungen« und eine zweite zu
Biographien für die Jugend. Siehe: Wagenseil, Chri- »Kunstbeschäftigungen«.
stian Jakob.
Staat!. B. Regensburg; LB Coburg; UB d. TU Braun-
schweig

Bischoff, Karl August: Lehrer an der Armen- und Wai-


senschule in Hof-Mark Fürth.
Die Blaue Bibliothek aller Nationen
99 Kar! August Bischoffs kurzer Lehrbegriff in kosmo-
logisch- und anthropologischen Wissenschaften für er- 102 Die Blaue Bibliothek aller Nationen. [Hrsg. von
wachsene Kinder. Mit drey Kupfertaf. und einer Tab.- FriedrichJohannJustin Bertuch.] Bd 1-10. -Gotha: Et-
Frankfurt und Leipzig: Bauer und Mann 1791. 7 ungez. tinger (Bd I 0: Weimar: Industrie-Comptoir) 1790-96.
BI., 143 S., I ungez. S. 8° 8o
Omamentale Titelvignette; die Kupfertafeln sind von I. 1790. 7 ungez. BI., XXX, 304 S., I ungez. S. [Enth. :]
G. Vogel nach Bisehoff gestochen. Ammen-Mährchen von Charles Perrault. Feen-
Naturkundliches Lehrbuch fiir >>erwachsene Kinder«, Mährchen der Frau von Lintot. Königin Grille. Ein
das zudem noch der »Erklärung und Zurechtweisung Feen-MährchenvonJ.J. Rousseau.
von Eltern oder Lehrern« bedarf; ist im ersten Teil Na- 2. 1790. X, 512 S., I ungez. BI. [Enth.:] Feen-Mähr-
turlehre und -geschichte, gibt im zweiten Teil eine »Leh- chen des Grafen Anton Hamilton.
re von der Känntniß des Menschen«, wo nicht nur der 3. 1790. IV, 340 S., I ungez. BI. [Nebent.:] Aulnoy,
Körperbau. sondern auch die Triebe des Menschen ab- Gräfin von: Feen-Mährchen. Bd I.
gehandelt werden und auf seine Stellung in der Schöp- 4. 1790. 3 ungez. BI., 372 S. [Nebent. :] Aulnoy, Gräfin
fung eingegangen wird; eine Beschreibung des »Ge- von: Feen-Mährchen. Bd 2.
schlechtstriebes« und seiner »Maschinen« wird aller- 5. 1790, X, 440 S., I ungez. BI. [Enth. :] Arabische
dings auf später verschoben. Mährchen. Fortsetzung der ächten Tausend und Ei-
nen Nacht. Th. I.
Bayer. StaatsB München 6. 1790. 492 S., I ungez. BI. [Enth. :] Fortsetzung der
ächten Tausend und Einen Nacht. Th. 2.
7. 1791.3 ungez. BI., 474 S., 2 ungez. BI. [Enth.:] Fort-
Blasche, Bemhard Heinrich ( 1766-1832): Pädagoge, setzung der ächten Tausend und einen Nacht. Th. 3.
zeitweilig Lehrer in Schnepfenthal. Siehe Sp. 1220 8. 1791. 504 S., 2 ungez. BI. [Enth.:] Fortsetzung der
ächten Tausend und Einen Nacht. Th. 4.
100 Der Papparbeiter, oder Anleitung in Pappe zu ar- 9. 1791.4 ungez. BI., 368 S. [Nebent. :] Aulnoy, Gräfin
beiten. Vorzüglich Erziehern gewidmet, von Bemhard von: Feen-Mährchen. Bd3.
Heinrich Blasche. Mit Kupfern. - Schnepfenthal: I 0. 1796. 2 ungez. BI., 318 S., 3 ungez. BI. [Nebent. :]
Buchhandl. der Erziehungsanstalt 1797. XVI S., 2 un- Aulnoy, Gräfin von: Feen-Mährchen. Aus dem
gez. BI., 248 S., 7 ungez. BI., I Faltbl. mit Kupferabb. 8° Franz. Mit einem Kupfer [fehlt in diesem Ex.] Th. 4.
1289 Bibliographie 1290

Gestochene Titelvignette in allen Bänden, in Bd 3, 4, 9 zur Beschäftigung mit der schweizerischen Geschichte;
und 10 auch beim Nebentitel, nach J. W. Meil von hauptsächlich fiir Kinder der oberen Gesellschaftsschich-
J. F. G. Unger (Bd I) und M. Seltsam (Bd3-IO); Fronti- ten bestimmt.- AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 958
spizin Bd I vonA. W. Küfner,in Bd2,5-7vonJ. H. Lips
UB Heidelberg
und in Bd 8 von C. Westermayr gestochen.
Sammlung von orientalischen und Feenmärchen; ge- 106 Sittliche und gefühlreiche Erzählungen. Für die
dacht als »fortlaufendes periodisches Werk«, dessen Real-Schulen. [Von Johann Jakob Bodmer.] - Zürich
Hauptzweck darin bestehe, »gute amüsante Lektüre zur 1773: Bürgkli. ll2 S. 8°
Unterhaltung und Nahrung des Geistes, und Ausbil-
Omamentale Titelvignette
dung des Geschmacks zu liefern«, wobei esfiir jedes Al-
ter und jeden Stand- »Vom Kinde an bis hinauf zum Sammlung von 100 moralischen Erzählungen und An-
Greise« - bestimmt ist. ekdoten fiir den Schulgebrauch. Im Mittelpunkt der Er-
zählungen, die ihren Stoff von antiken und zeitgenössi-
Lipp. LB Detmold (Bd I); UB Jena (Bd2); StaatsB
schen Schriftstellern sowie aus der Bibel entlehnen, steht
Preuß. Kulturbes. Berlin (Bd3.4.9.10); LB Oldenburg
das Lob der einfachen und natürlichen Lebensweise, die
(Bd5-8)
Tugend als Inbegriff menschlicher Vollkommenheit.
Würde und Treue sowie Liebe und Freundschaft. -Aus-
fiihrliche Beschreibung siehe Sp.JJ9
Die blaue Bibliothek für Kinder
ZentralB Zürich
103 Die blaue Bibliothek für Kinder. [Hrsg. von Fried-
rich Johann Justin Bertuch.] Bdch. 1-4.- Weimar: In- 107 Geschichte der Stadt Zürich. Für die Real-Schu-
dustrie-Comptoir 1802. kl. 8° len. [VonJohannJakob Bodmer.] [Nebst:] Unterredung
von den Geschichten der Stadt Zürich. -Zürich 1774:
I. I. Schönehen Goldhaar und Allbeliebt. II. Prinz
Bürgkli. 50, 16 S. 8°
Einbein oder König Offenherz. IV, 168 S.
2. I. Graziose und Perzinet. II. Prinzessin Sentita. 184 Omamentale Titelvignette
s. Geraffte Darstellung der Stadtgeschichte Zürichs; ent-
3. I. Finette Aschenbrödel. II. Königin Grille. 186 S. hält im Anschluß eine Unterredung zwischen einem Leh-
4. I. Nadirund Nadine. II. Prinzessin Lolaide. 233 S.
rer und einem Schüler zur Wiederholung des Stoffes;
In Bdch. 1-3 gestochene Titelvignette von Kaiser. will Liebe zum Vaterland einpflanzen.
Märchensammlung als Auszug aus der Blaue(n) Biblio- Dt. StaatsB Berlin
thek aller Nationen in einer Bearbeitungfiir Kinder.
UBJena
Böckh, Christian Gottfried (1732-1792): Pfarrer und
104 Dass. u. d. T.: Kinder-Moral in Feen-Mährchen. Pädagoge. Siehe Sp.l220
Bdch. 2-4. - Weimar: L[andes] Industr[ie] Comptoir
1808. kl. 8° siehe: Chronik für die Jugend.
(Bl[aue] Bibl[iothek] flür] Kind[ er]. B. 2-4.) siehe: Kinderzeitung.
2. [Enth. :] Graziose und Perzinet. Abentheuer der Prin- siehe: Nürnbergischer Kinder-Almanach.
zessin Sentita, auch Sinnreich genannt. 184 S.
3. [Enth. :] Finette Aschenbrödel. Königin Grille. IV, siehe: Wochenschrift zum Besten der Erziehung der Ju-
186 s. gend.
4. [Enth. :] Nadir und Nadine. Prinzessin Lolaide.
233 s.
Für Kinder bearbeitete Auszüge aus der Blaue(n) Bi- Bogatzky, Carl Heinrich von ( 1690-177 4): Privatisie-
bliothek aller Nationen; will den »Nutzen zweckmäßi- render Edelmann und Kammerjunker zu Halle.
ger Mährchen, als Leetüre fiir Kinder« deutlich ma-
chen; enthält Märchen von Perrault, Mme. d'Aulnoy 108 Christliche Haus-Schule, in welcher Der (Th. 2:
und das einzige Märchen von Rousseau. der) kleine Catechismus Lutheri I. Einfältig und deut-
lich erkläret, 2. Von falscher Deutung gerettet, 3. Zur Er-
UB d. TU Braunschweig bauung aller Hausgenossen angewendet, und 4. In Frag
u. (Th. 2: und) Antwort wiederholet wird, Zur (Th. 2:
zur) allgemeinen Erbauung und Besserung des Haus-
Bodmer, Johann Jakob (1698-1783): Schweizer Histo- standes herausgegeben von Carl Heinrich von Bogatz-
riker, Literaturkritiker und Schriftsteller. Siehe Sp. 1220 ky. Th. 1.2.- Halle: Waysenhaus 1755. 8°
I. Nebst einem Vorbericht von der Nothwendigkeit,
105 Historische Erzählungen, die Denkungsart und
Beschaffenheit, Möglichkeit und Nutzbarkeit der
Sitten der Alten zu entdecken. [Von Johann Jakob Bod-
Christlichen Haus-Schule. 28 ungez. BI., 1448 S.
mer.]- Zürich: Orell, Geßner 1769. XXIV, 262 S. 8°
2. Nebst der Erklärung des Anhangs des Catechismi
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. auch des Trau- und Taufbüchleins wie auch einigen
Gebeten und nöthigem Register. 4 ungez. BI.,
Sammlung von 97 kurzen, meist anekdotischen Erzäh-
1184 S., 28 ungez. BI.
lungen aus der mittelalterlichen und neueren Geschichte
der Schweiz; gedacht als »Vorübung und Vorbereitung« Titelblätter im Rot-Schwarz-Druck.
1291 Bibliographie 1292

Religiöses Hausbuch, das sich zwar direkt nur an ten. von Heinrich Braun. -Augsburg: Lotter 1762. 4un-
»Hausväter« und »Hausmütter« wendet, im wesentli- gez. BI., 74 S., 7 ungez. BI. go
chen aber for den christlichen Religionsunterricht der
Ornamentale Titelvignette
Kinder und des Gesindes durch die Eltern gedacht ist.
Die Verwendung des Werkes for den Selbstunterricht Mythologisches Lehrbuch in Paragraphen und Abschnit-
der Eltern wird dabei nicht ausgeschlossen. Das Werk ten; for »Liebhaber poetischer Schriften« zur »gründli-
enthält eine ausfUhrliehe Erläuterung des Kleinen Kate- chen Erkenntnis« und for die studierende Jugend; das
chismus. Ein dreihundertseiliger Anhang enthält zu- Werk ist in drei »Hauptstücke« eingeteilt, getrennt nach
nächst Tagesgebete und eine »Haustafel etlicher Sprü- Göttern, Göttinnen, Halbgöttern und Heroen; 2. verb.
che«, sodann eine umfassende christliche lJlichtenlehre, u. verm. A"!/l. 1776 unter dem Titel: Einleitung in die
schließlich einen weiteren Anhang »nöthiger Gebete Götterlehre der alten Griechen und Römer.
gläubiger Christen«.
Bayer. StaatsB München
HAB Wolfenbüttel
112 Dass. u. d. T.: Heinrich Brauns Einleitung in die
Götterlehre der alten Griechen und Römer. Zum Ge-
Boysen, Friedrich Eberhard ( 1720-1800): Protestanti- brauche der Schulen. Mit Kupfern. 2. verb. und verm.
scher Geistlicher und Lehrer in Magdeburg und Qued- Aufl.- Ebd. 1776. 4 ungez. BI., 237 S., I 0 ungez. BI., 8
linburg. Kupfertaf. 8°
Frontispiz und 7 Tafeln von J. M. Will.
109 Elementarbuch für Kinder in deutschen Schulen.
[Von Friedrich Eberhard Boysen.] - Blankenburg: Lehrbuch zur Mythologie in Paragraphen und Abschnit-
Reußner [ca. 1775]. 8 ungez. BI., 239 S. 8° ten for die männliche Jugend an Bürger- Mittel- und
Realschulen; Behandlung der männlichen und weibli-
Ornamentale Titelvignette chen Gottheiten, der Halbgötter und Heroen in drei
Enzyklopädie for »Deutsche Schulen« und den Privat- »Hauptstücken«, soll als Anleitung zum Studium der
unterricht durch >>Hausväter«; enthält den gesamten antiken Schriften dienen und nützliches Wissen zum
Wissensstoff for die ersten drei Unterrichtsjahre; ver- Verständnis der Völker- und Religionsgeschichte, der
steht sich als billiges und brauchbares Gegenstück zu schönen Wissenschaften und freien Künste vermitteln;
Basedows Elementarbuch; beginnt mit einem ABC-Teil das Werk enthält im Gegensatz zur 1. Auflage zahlrei-
und Beispielgeschichten und Fabeln als Lesestücken; che Kupfertafeln. 1. Alijl. 1762 unter dem Titel: Kurze
darauf folgen ein »Unterricht von der heiligen Schrift«, Mythologie, zum Nutzen der studierenden Jugend und
der kleine Katechismus Luthers, die christliche Glau- allen Liebhabern der schönen Wissenschaften.
bens- und Sittenlehre, Abschnitte zum Rechnen, zur StB Trier
Kosmographie, zur Geographie und schließlich zur Uni-
versalhistorie.
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
Breitenbauch, Georg August von (1731-1817): Weima-
rischer Kammerrat.

Brandenborgiseh-Preußische Regenten-Tafel ... Siehe: 113 Vorstellung der Schauplätze berühmter Begeben-
Michaelis, Johann Friedrich. heiten aus der Geschichte der vornehmsten Völker des
Alterthorns in fünf und zwanzig [richtig: 23] Kupfern
nebst deren Beschreibung für die Jugend entworfen von
Brandmüller, Tobias (geb. 1748): Lehrer am Gymna- Georg August von Breitenbauch. - Leipzig: Böttger in
sium zu Augsburg. Comm. 1794. 3 ungez. BI., 176 S., I ungez. S. 8°
[Nebst:] Abbildungen verschiedener Landschaften und
110 Abriß der Römischen Geschichte vom Romulus Städte des Alterthums. Eine Beylage zu der Vorstellung
bis zum Untergang des Abendländischen Kayserthums der Schauplätze berühmter Begebenheiten. [1]-4. -
in vier Büchern, entworfen von Tobias Brandmüllern.- Leipzig: Böttcher in Comm. 1795-97. 8°
Frankfurt a. M.: Garbe 1778. 190 S. 8°
[!.] Die Abbildungen bestehen in 5 Kupfern. 1795. 2
Ornamentale Titelvignette ungez. BI., 39 S.
Darstellung der römischen Geschichte in Auszügen; ver- 2. Die Abbildungen bestehen in vier Kupfern. 1795.
faßt in »unterhaltender Schreibart«, die die »Aufmerk- VI, 42 S., 1 ungez. BI.
samkeit junger Leser beschäftigen« soll; flüssiger, z. T. 3. Die Abbildungen bestehen in zwey Kupfern. 1796.
lebhafter Erzählstil mit auf den Seitenrändern notierten IV, 27 S., I ungez. S.
Jahreszahlen. 4. Die Abbildungen bestehen in drey Kupfern. 1797.
35S.
StB Trier
Die Kupfer sind nicht signiert.
Sammlung von 23 Abbildungen antiker Landschaften
Braun, Heinrich (1732-1792): Professor der Dicht- und Städte mit zugehörigen historischen Darstellungen;
kunst und Rhetorik. die 4 Beilagen stellen Nachlieferungen dar, die insge-
samt 14 Kupfertafeln samt Text beifiigen, so daß das
111 Kurze Mythologie, zum Nutzen der studierenden Werk insgesamt aus 37 Abbildungen besteht; behandelt
Jugend und allen Liebhabern der schönen Wissenschaf- werden Landschaften und Städte aus Mesopotamien,
1293 Bibliographie 1294

Palästina, Ägypten, Griechenland, Kleinasien und Ita- Briefe rür Kinder


lien; die Abbildungen sollen die Einbildungskraft der
Jugend beim Unterricht stärker anregen, als Karten es 117 Briefe für Kinder.- Rostock und Leipzig: Koppe
vermögen. 1785. 117 S. 8°
StB Trier; UB Oldenburg Ornamentale Titelvignette
Sammlung von 15 Briefen zwischen den Knaben Kar/
und Friedrich, in denen sich diese Rätsel aufgeben, Ge-
Breithaupt, Johann Wilhelm Wolfgang (1738-1818):
dichte, Lieder, Erzählungen und ein Schauspiel mittei-
Pastor in Braunschweig.
len; will unterhalten und moralisch belehren.
114 Joan Wilhelm Wolfgang Breithaupts Unterricht in UBRostock
der Religion nach den Grundsätzen des wahren Chri-
stentums. - Braunschweig: Fürst!. Waisenhausbuch-
handl. 1779.4 ungez. BI., 134 S., I ungez. BI. 8° Briefe für Kinder. Eine Sammlung durchgehends zweck-
Ornamentale Titelvignette mäßig belehrenden Inhalts. Siehe: Raabe, August.

Religiöses Lehrbuch für Kinder, das sich an Luthers


Kleinen Katechismus anschließt, diesen aber in einigen
Briefe für Knaben von einer kleinen Sittenakademie.
Punkten ändert: Zum einen sind die fünf Hauptstücke
Siehe: Zimmermann, Josef Ignatius.
in eine neue Ordnung gebracht, zum anderen sind »die
Erläuterungen der Wahrheiten unsem Zeiten anpassen-
der vorgetragen«; schließlich ist die Frage-Antwort-
Form zugunsten eines durchgehenden, in Paragraphen Briefe von Kindem an Kinder
eingeteilten Textes aufgegeben, weil jene nur das Ge-
dächtnis übt, nicht aber den Verstand aufklärt. 118 Briefe von Kindern an Kinder. Als eine Beylage zu
dem Leipziger Wochenblatte für Kinder. Samml. I. -
HAB Wolfenbüttel Leipzig: Erzgebirg. Waisenhaus zu Werdau, Crusius
1773. 2 ungez. BI., 60S. 8°
115 Jo[hann] Wilhelm Wolfgang Breithaupts Erbau-
ungsbuch zu einer würdigen Vorbereitung auf die Feier Ornamentale Titelvignette
des heiligen Abendmals. - Braunschweig: Meyer 1784. Briefsammlung, die vierteljährlich dem Leipziger Wo-
6 ungez. BI., 245 S. 8° chenblatt für Kinder beigefügt wurde; durch den Ver-
Andachts- und Erbauungsbuch zur Vorbereitung auf kauf der Briefe wurde das Waisenhaus zu Werdau un-
das erste Abendmahl. Es wendet sich an Erwachsene terstützt; enthält Briefe »einige(r) gutherzige(r) Kinder«,
wie an Jugendliche. Es enthält im ersten Teil fünf Be- die das Waisenhaus finanziell unterstützen wollen, um
trachtungen zu verschiedenen Themen, im zweiten Teil so ein Beispiel für ))die überall hervorleuchtenden wohl-
Gebete und Lieder, im dritten Teil schließlich vier» Vor- thätigen, menscherifreundlichen Gesinnungen« zu ge-
bereitungsreden«. ben, »die an jungen Gemüthem desto schätzbarer sind,
je mehr sie von allen unlautem Nebenabsichten frey
HAB Wolfenbüttel sind«.
UB Berlin
Breitinger, Johann Jakob (1701-1776): Professor der
alten Sprachen am Gymnasium in Zürich, Theoretiker
der Dichtkunst, Kritiker. Briefe zum Gebrauch junger Leute. Siehe: Strobl, Jo-
hann Baptist.
116 Catechetische Anweisung zu den Anfangsgründen
des richtigen Denkens. Für die Real-Schulen. [Von Jo-
hannJakob Breitinger.]-Zürich 1773: Bürgkli. 43 S. 8° Briefwechsel der Familie des Kinderfreundes
Ornamentale Titelvignette
119 Briefwechsel der Familie des Kinderfreundes.
Kinderlogik vornehmlich für den Schulgebrauch. Be- [Von Christian Felix Weiße.] Th. [1]-12.- Leipzig: Cru·
handelt werden die Sinne, das Denken, die Begriffe und sius 1784-92. 8°
ihre unterschiedlichen Grade an Klarheit und Deutlich-
keit (Kp. 1). Sodann wird über Aufmerksamkeit, Re- [I.] 1784. 14 ungez. BI., 320 S., 3 Kupfertaf., 3 Notenbl.
jlektion, Abstraktion und Begriffsbestimmung bzw. De- 2. 1784. 9 ungez. BI., 320 S., 2 Kupfertaf., 7 Notenbl.
finition gesprochen (Kp. 2). Der nächste Abschnitt be- 3. 1785.21 ungez. Bl.,332 S.,3 Kupfertaf.,3 Notenbl.
faßt sich mit der Mitteilung der Begriffe durch Beschrei- 4. 1785.8 ungez. BI., 310 S., 3 Kupfertaf., 2 Notenbl.
bung und Erklärung (Kp. 3), während der letzte Absatz 5. 1786. 8 ungez. BI., 318 S., 3 Kupfertaf., 2 Notenbl.
eine Urteilslehre enthält. Die Schrift ist in katechetischer 6. 1786.8 ungez. Bl.,318 S.,3 Kupfertaf.,2 Notenbl.
Frage-Antwort-Form abgefaßt. 7. 1787.7 ungez. B1.,284S., 3 Kupfertaf., 2 Notenbl.
8. 1788.8 ungez. Bl.,374S.,3 Kupfertaf.,4 Notenbl.
Zentra!B Zürich 9. 1789. 6 ungez. BI., 324 S., 3 Kupfertaf., 8 Notenbl.,
davon 6 aufFaltbl.
I 0. 1790. 7 ungez. BI., 354 S., 3 Kupfertaf., 2 Notenbl.
Briefe an einen jungen Prinzen von einem alten Manne. II. 1791. 6ungez. BI., 324 S.,3 Kupfertaf.,4 Notenbl.
Siehe: Tessin, Charles Gustave Comte de. 12. 1792.8 ungez. BI., 355 S., 3 Kupfertaf.,4 Notenbl.
1295 Bibliographie 1296

In jedem Teil Titelvignette in Kupferstich, in Th. 3 zu- Briefwechsel der Familie von Bemheim. Siehe: Fröm-
sätzlich 2 Vignetten beim Widmungsgedicht; in Th. I michen, Sophie
nach D. Chodowiecki, in Th. 2 von J. C. Nahholz nach
Chodowiecki, in Th. 3 und 4 von Crusius nach Mechau,
in Th. 5 von und nach G. L. Crusius, in Th. 7 von J. G. Briefwechsel einiger Kinder. Siehe: Rode, August von.
Penzel nach Mechau, in Th. 9, 10, II und 12 von und
nach Penzel, in Th. 6 und 8 unsigniert; I Vignette in
Th. 3 von G. G. Endner nach A. F. Oeser, die andere Briefwechsel grosser junger Herren und Fräuleins
ist von Endner gestochen; 2 Tafeln stammen von Cho-
dowiecki, 2 von Penzel nach Chodowiecki, 2 sind von 121 Briefwechsel grosser junger Herren und Fräuleins.
Penzel gestochen und II weitere von ihm nach eigenen Bdch. I.- Wien: Gerold 1781. 4 ungez. BI., 16 S. 8°
Entwürfen gestochen, I von Penzel nach Reinhart, 3
von Crusius nach J. W. Mechau, 4 von Endner nach Me- Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
chau, I von E. G. Krüger nach Mechau, I von J. G. Sammlung von Briefen für Kinder fortgeschritteneren
Schuman nach Mechau und I von und nach Mechau, I Alters, die zur Ausbildung eines guten Briefstils dienen
von G. L. Crusius nach J. D. Schubert, 4 von Crusius soll; die Musterbriefe befassen sich alle mit »jugendli-
(davon I: G. L. Crusius) nach Reinhart; I Tafel ist on- chen Angelegenheiten«; es handelt sich um Briefe, die
signiert. zwischen Kindem und Erwachsenen sowie zwischen
Fortsetzung des Kinderfreunds. »Weiße ließ ( .. .) die Kindem selbst gewechselt worden sind; unter ihnen fin-
Familie, welche sich bisher im häuslichen Zirkel unter- det sich der Brief eines Mädchens an C. F. Weiße, den
halten hatte, getrennt werden und kleidete demnach die Autor des Kinderfreundes.
weitere Belehrung, welche er für die reifere Jugend Bayer. StaatsB München
( .. .) erteilen wollte, in einen Briefwechsel jener Familie
ein. Er ließ die Kinder in mancherlei Situationen kom-
men, ihr Verhalten unter denselben nach ihren verschie- Brüel, Jean Antoine ( 17 45-1817): Pädagoge.
denen Charakteren, welche sich immer mehr entwickel-
ten, verbesserten und befestigten, selbst beschreiben, 122 Bibliothek für Kinder. Aus dem Französischen des
und ihre Belehrung und Erziehung durch Briefe ihrer El- J[ean] A(ntoine] Brüel ins Deutsche übersetzt. Th. 1-3.-
tern und Hausfreunde fortgesetzt werden. Es entstand Dreßden: Hilscher 1782. 8 o
eine zusammenhängende Geschichte, eine Reihe von
Begebenheiten, ein Roman für die Jugend.« (Weiße, I. 165 S., 8 ungez. BI.
Selbstbiographie, 1806) Vgl. auch Beschreibung des 2. 178 S., 3 ungez. BI.
Kinderfreunds Sp. 137 3. 136S.,4ungez. BI.

UStB Köln; Freies Dt. Hochstift Frankfurt In Th. I Titelvignette in Kupferstich von Hafe, in Th. 2
und 3 omamentale Titelvignetten.
Sammlung von moralischen Beispielerzählungen, histo-
Briefwechsel der Familie des neuen Kinderfreundes
rischen Anekdoten, Fabeln und Sinnsprüchen »aus den
Werken der besten alten und neuem Schriftsteller gezo-
120 Briefwechsel der Familie des neuen Kinderfreun-
gen«; gedacht zum ))moralischen Unterricht« von »jun-
des, von K.J:arl] A(ugust] Engelhardt. Th. 1-6.- Leipzig:
gen Leser(n) und Leserinnen«, um ihnen ))die Liebe zur
Barth (Th. 4-6: Dresden: Verf. und Leipzig: Barth)
Tugend« und den ))Abscheu vonn Laster« einzuprägen.
1799-1802.8°
Dt. StaatsB Berlin
I. 1799. I ungez. BI., XIV S., I ungez. BI., 182 S., I No-
tenfaltbl.
2. 1799. 188 S., 4 ungez. BI.
Bruns, Paul Jakob (1743-1814): Professor und Biblio-
3. 1801.190S., I Notenfaltbl.
thekar an der Universität He1mstedt.
4. 1802. 199 S., I ungez. S., I Notenfaltbl.
5. 1802. 195 S., I ungez. S.
123 Geographisches Handbuch in Hinsicht auf Indu-
6. 1802. 17 8 s.
strie und Handlung von Paul Jakob Bruns.- Leipzig:
In Th. I Titelvignette in Kupferstich mit nicht verifizier- Crusius 1788.4 ungez. BI., 262 S., 13 ungez. BI. 8°
barer Signatur, in Th. 2 und 3 von J. A. Damstedt gesto- In: Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina. Lfg 3.
chen und in Th. 6 von J. G. A. Frenzel nach Damstedt;
in Th. I Frontispiz von Schmid nach J. D. Schubert, in In Paragraphen eingeteiltes geographisches Lehrbuch;
Th. 2 unsigniertes Frontispiz und in Th. 6 von Frenzel behandelt zunächst Nord- und Südamerika, sodann Eu-
nach Damstedt. ropa, Asien und Afrika; für )wngehende Kazifleute« be-
stimmt; beschränkt sich auf ))die dem Kaufmann wis-
Briefwechsel in der Nachfolge Weißes; wendet sich an senswürdigen Gegenstände«.
die »schon etwas verständigere Jugend« aller Stände,
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin; Nieders. Staats- u.
um bei dieser »Moralität, nützliche Kenntnisse, gefälli-
UB Göttingen; HAB Wolfenbüttel
ge Unterhaltung« zu verbreiten und ihr das »Muster ei-
nes leichten und gefälligen Briefstils zu geben«; will
»der Jugend die wichtige Wahrheit ans Herz ( .. .) le-
Das Buch der Weisheit
gen: es sei ein groser Unterschied, in dem älterliehen
Hause und ausser demselben sich zu befinden.«
124 Das Buch der Weisheit und der Tugend, zum Ge-
Sächs. LB Dresden schenk der Alten an Ihre liebe Jugend. Nebst einem kur-
1297 Bibliographie 1298

zen Anhange Moralischer Gedanken über Zeit, Tod 128 Gebetbüchlein in Versen für Kinder zum christli-
und Ewigkeit ec. 3. und verm. Aufl.- Straßburg: König chen und andächtigen Privat-Gebrauch aus guten und
1770. 5 ungez. BI., 300 S. 8° neuen Lieder-Dichtem gesammelt. [Von Johann Alb-
recht Burk.]- Tübingen: Fues 1773. XXXX S., 2 ungez.
Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich.
BI., 100,28 S., 4 ungez. BI. 8°
Sittenlehre mit barocken Zügen; gedacht for die männ-
Darin: Burk: Des Gebetbüchleins für Kinder neunte,
liche und weibliche Jugend und for Erwachsene; enthält
zehende, eilfte und zwölfte Abtheilung: enthaltend Ge-
Betrachtungen, Ermahnungen und Lehren zu einer Le-
bete und Lieder für junge Leute, welche zur Confirma-
bensfohrung in Gottesfurcht und Todeserwartung; im
tion zubereitet werden oder zur Beicht und heiligen
Anhang Texte philosophischen und moralischen Inhalts.
Abendmahl gehen wollen.
EA lt. Ky 1770.
Omamentale Titelvignette
Bayer. StaatsB München
Evangelisches Gebet- und Liederbuch pietistischer Prä-
gung zum Gebrauch im Privatunterricht und zur häusli-
chen Andacht; gedachtfor Kinder bis zum 13. Lebens-
Buchstabier-Büchlein jahr (Abschn. 1-8) und for Jugendliche zur Vorberei-
tung auf Konfirmation, Beichte und Abendmahl
125 Buchstabier-Büchlein.- (Braunschweig: Waysen- (Abschn. 9-12); enthält Gebete und Lieder zu bestimm-
haus [1759].) 8 ungez. BI. 8° ten Anlässen sowie einen ausfUhrliehen Methodenteil
ABC-Buch for den Erstleseunterricht, beginnt mit den zur Gebetserziehung, der sich an Eltern und Lehrer wen-
Buchstaben in der Reihenfolge ihrer Herleitung; es fol- det. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 719
gen das deutsche und lateinische Alphabet, Vokale, Staats- u. StB Augsburg
Diphtonge, Konsonanten, arabische und römische Zah-
len, einsilbige Wörter von zwei bis neun Buchstaben und 129 Dass. u. d. T.: Gebet- und Lieder-Buch zum Privat-
zweisilbige Wörter, die zu zusammenhängenden, der Bi- Gebrauch für Kinder und junge Christen reiferen Al-
bel entnommenen Texten übergehen. ters. Aus den besten Schriftstellern und Dichtem gesam-
StB Braunschweig melt von Johann Albrecht Burk. Th. 1.2.- Tübingen:
Berger 1775. LXII, 274 S. 8°
1. Gebete und Reimen für Kinder vom zartesten Alter
an bis in das vierzehende Jahr.
Büsching, Anton Friedrich ( 1724-1793): Pädagoge und 2. Gebete und Lieder für junge Christen vom vierze-
Gelehrter. Siehe Sp.l221 henden Jahre an bis in das mannbare Alter.
Nützliches Lehrbuch für die Jugend, 1772 EA 1773. - Evangelisches Gebet- und Liederbuch in 2
Teilen zum Gebrauch im Privatunterricht und zur häus-
126 A[nton] F[riedrich] Büschings nützliches Lehrbuch lichen Erbauung; gedacht for Kinder bis zum 14. Le-
für die Jugend. Aus dem Lateinischen übersetzt. 2. bensjahr und for Heranwachsende ab 14 Jahren. Die
verm. Aufl. (Th. 2: 2. Aufl.) Th. 1.2.- Frankfurt a. M.: Ausgabe ist inhaltlich - bis auf einige Zusätze - iden-
Keßler 1775.314 S., 6 ungez. BI. 8° tisch mit der 1. Auflage. Im 2. Teil sind die Texte ver-
Ornamentale Titelvignette in beiden Teilen. mehrt worden, und am Ende des 1. Teils findet sich ein
»Anhang einiger Reimen und kleinen Lieder for Kin-
Enzyklopädisches Lehrbuch; enthält Abschnitte über der«, der nicht nur als Anleitung zum Beten, sondern
Naturlehre und -geschichte, Religion, Moral, Diätetik, auch »der zarten Jugend zum Vergnügen, oder wo/
Ackerbau und Geographie; endet mit historischen Bio- auch zu Les- Uebungen for kleine Kinder« dienen soll.
graphien; deutsche Übersetzung der lateinischen Origi-
nalfassung von 1767/68. EA lt. Ky. Staats- u. StB Augsburg
LBCoburg

127 Unterricht in der Naturgeschichte, für diejenigen, Burmann, Gottlob Wilhelm ( 1737-1805): Schriftsteller.
welche noch wenig oder gar nichts von derselben wis- Siehe Sp. 1221
sen, ertheilt von Anton Friedrich Büsching. - Berlin:
Voß 1775. 229 S., 1 ungez. S. 8° 130 Fabeln und Erzählungen in vier Büchern von
G[ottlob] Wiilhelm] Burmann.- Berlin: Vieweg 1773. 6
Ornamentale Titelvignette ungez. BI., 170 S., 2 ungez. BI. 8°
Naturgeschichtliches Lehrbuch for Anfänger; enthält ne-
Kupfertitel mit Bordüre und Vignette von D. Berger.
ben der Darstellung der drei Naturreiche Abhandlungen
über den Himmel, die Erde und die Luft. - AusfUhrliehe Fabelsammlung; nicht speziell an Kinder adressiert, ge-
Beschreibung siehe Sp. 1007 hört aber - wie die Fabeln Gellerts - mit ihren Themen
vorwiegend aus dem Umkreis des bürgerlichen Lebens
UB Marburg zu der im 18. Jahrhundert allgemein Kindem und Ju-
gendlichen empfohlenen didaktisch-moralischen Poesie.
Darüber hinaus richten sich einige Texte mit ihrem In-
halt und ihrer Moral offensichtlich auch an Kinder (z. B.
Burk, Johann Albrecht (1747-1783): Pfarrer im Würt-
»Das Mädchen und die Mama«).
tembergischen und Verfasser religiöser Schriften. Siehe
Sp.l221 UB d. TU Braunschweig
1299 Bibliographie 1300

131 Kleine Lieder für kleine Mädchen, und Jünglinge. Sammlung von Feenmärchen in insgesamt neun Bän-
von Gottlob Wilhelm Burmann. - Berlin: Decker 1777. den; T. 7 enthält 22, T. 8 I4 Märchen u. a. von Perrauft
XVI. 156 S., 2 ungez. BI. 8° und Mme. d'Aulnoy.
Kupfertitel von und nach C. L. Stahlbaum. UB d. TU Braunschweig
Zweiteilige Liedersammlung for Mädchen (42 Lieder)
und Knaben (33 Lieder); will »deutschen Kindern Reli-
gion und Tugend liebenswürdig ( . . .) machen«. Die Cailliere, Jacques de (gest. 1662): Edelmann und Gou-
Texte tragen sowohl von der Aufklärung geprägte als verneur von Cherbourg.
auch bereits empfindsame Züge; die Themen haben die
Vorbereitung der Jugend arif das Erwachsenenleben 135 La Veritable Politique des Personnes de Qualite:
zum Ziel. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 187 oder die wahre Aufführungs-Klugheit der Personen von
Herkommen, aus dem Französischen des [Jacques] von
UStB Köln; StUß Frankfurt Cailleres [Cailliere] ins Englische. Zum Gebrauche de-
rer, welche die englische Sprache lernen, übersetzet,
132 Neu Jahrsgeschenk für die Herzen der Kinder. und mit Aceenten der Aussprache versehen: von Philip
[Von Gottlob Wilhelm Burmann.]- Berlin 1780: Dek- Pepin. - Göttingen: Vandenhoeck 177 5. 8 ungez. BI.,
ker. VIII, 76 S. 8° 116 S., 2 ungez. BI. 8°
Ornamentale Titelvignette Sittenschrift in englischer Sprache; enthält Klugheits-
Sammlung von 76 Gedichten for Kinder, gedacht zur und Anstandsregeln; wird insbesondere Erziehern als
angenehmen und nützlichen Unterhaltung; will jedes ein »Lehrgebäude« empfohlen, »das nützliche Lehren
»lehrbegierige(s) Kind« dazu anhalten, sich mit weiter- enthält, die Gesinnungen der Jugend zu veifeinem und
fUhrenden Fragen an Eltern und Lehrer zu wenden; be- zu veredeln, auch derselben die Würde der menschlichen
handelt als Hauptthemen die der Frömmigkeit, des Pa- Natur, und die sittlichen nzichten gegen sich und ande-
triotismus, des nzichtgefohls, der Menschenliebe und re vor Augen zu stellen«; auch for den Englischunter-
des Gehorsams, die dem Fassungsvermögen der Kinder richt bestimmt.
entsprechend abgefaßt sein sollen. HAB Wolfenbüttel
UStB Köln

Campe, Joachim Heinrich (1746-1818): Geistlicher,


Burney, Frauces (1752-1840): Englische Schriftstelle- Pädagoge, Kinderbuchautor, Publizist, Verleger und
rin. Sprachforscher. Siehe Sp.l221

133 Evelina oder eines jungen Frauenzimmers Eintritt 136 Sittenbüchlein für Kinder aus gesitteten Ständen,
in die Welt. [Von Frances Bumey, später: d' Arbley.] Aus von J[oachim] H[einrich] Campe. - Dessau; Leipzig:
dem Englischen [von Christian Felix Weiße]. Th. 1-3.- Crusius 1777. 140 S., 2 ungez. BI. 8°
Leipzig: Schwickert 1779. VIII, 880 S. 8°
Omamentale Titelvignette; Frontispiz in Kupferstich
Unsignierte gestochene Titelvignette in Th. I. von C. L. Crusius.
Empfindsamer Briefroman in der Nachfolge Richard- Elementare Sittenlehre for Kinder des gehobenen städti-
sons über »alle die kleinen Zufälle«, die einem tugend- schen Bürgertums, die in die Form des väterlichen Rates
haften jungen Mädchen, das mit I7 Jahren zum ersten- eingekleidet ist; Umarbeitung von J. G. Schlossers Kate-
mal »in der großen und geschäftigen Welt« auftritt, auf- chismus der Sittenlehre für das Landvolk von 177I, des-
grund ihrer »Unwissenheit der gesellschaftlichen Ge- sen Inhalte weitgehend übernommen werden. - Aus-
bräuche« zustoßen (S. III). Keine spezielle Mädchenli- fUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 561
teratur, wenngleich in der Vorrede in besonderer Weise
der »jungen Frauenzimmer« und »Kostjungfern« ge- UBMünster
dacht wird, denen als leidenschaftlichen Romanleserin-
nen ein Roman geboten werden soll, den sie »wo nicht 137 Dass. 2. verb. Aufl. - Dessau: Philanthrop. Buch-
mit Nutzen, doch wenigstens ohne Schaden« lesen kön- hand!. und Leipzig: Crusius in Comm. 1780.
nen (S. IV). Illustration wie Erstausgabe.
Dt. StaatsB Berlin; Sächs. LB Dresden Bad. LB Karlsruhe; StUß Frankfurt

Das Cabinet der Feen 138 Dass. Frankfurt und Leipzig 1785. 139 S., 3 ungez.
S.8°
134 Das Cabinet der Feen. Oder gesammlete Feen- Omamentale Titelvignette
Mährchen in neun Theilen. (Th. 8: Aus dem Französi-
schen übersetzt [von Friedrich lmmanuel Bierling].) Mit StB Wuppertal
Kupfern. Th. 7.8.- Nümberg: Raspe 1764/65.8°
139 Dass. u. d. T.: Sittenbüchlein für Kinder. Zur allge-
7. 1754.341 S., 8 Kupfertaf. meinen Schul-encyklopädie gehörig. Von Joachim
8. 1765.334 S., 5 Kupfertaf. Heinrich Campe'n. 6. rechtmäßige und verb. Aufl. -
Frontispiz in beiden Teilen, in Th. 8 von A. Nunzer ge- Braunschweig: Schul-buchhandl. 1796. 146 S., 5 ungez.
BI. 8o
stochen; die übrigen Tafeln sind unsigniert; omamenta-
le Titelvignette in Th. 7 und 8. StB Wuppertal
1301 Bibliographie 1302

140 Kleine Kinderbibliothek, herausgegeben von J[oa- chen der ersten Auflage enthält. 1783. 364 S., 2 ungez.
chim] H[einrich] Campe. Bdch. [1]-6.[9}-12. - Harn- BI.
burg: Herold 1778-84. 8° 6.Sechster Theil, welcher das eilfte und zwölfte Bänd-
chen der ersten Auflage enthält. 1784. 360 S.
[I. u. d. T.:] Campe: Harnburgscher Kinderalmanach
auf das Jahr 1779, oder Weihnachtsgeschenk für In allen Teilen omamentale Titelvignette.
Kinder, in angenehmen und lehrreichen Unterhal-
Zweite, »wohlfeile« Auflage in Oktav. Das Werk ist um
tungen, die ihrer Fähigkeit angemessen sind. (Er-
einige Stücke gekürzt und stellenweise verbessert (Vorre-
schien Michaelis 1778.) 164 S., 2 ungez. BI.
de zur 2. Aufl.) Außerdem sind die jeweils zu einem Teil
2. 3. Aufl. 1783. 2 ungez. BI., VIII, 192 S.
zusammengezogenen Bändchen aufgelöst und neu an-
3. 1780 [erschien Michaelis 1779]. 4 ungez. BI., 160 S.,
geordnet.
3 ungez. BI. [N ebent.:] Campe: Harnburgscher Kin-
deralmanach auf das Jahr 1780, oder Weihnachts- B. des Gutenberg-Museums Mainz
geschenk für Kinder, in angenehmen und lehrrei-
chen Unterhandlungen, die ihrer Fähigkeit ange- 142 Dass. u. d. T.: Kleine Kinderbibliothek. Herausge-
messen sind. geben von Joachim Heinrich Campe. Mit [je] einem
4. 1780. 186 S., 2 ungez. BI. Kupfer. 10. rechtmäßige Ausg. Bdch. 1-6. - Braun-
5. 1780. 168 S., 2 ungez. BI. [Nebst: Campe:] Harn- schweig: Schulbuchhandl. 1805. 8°
burgseher Kinderalmanach für das Jahr 1781, oder
Weihnachtsgeschenk für kleine Kinder in angeneh- I. XII, 224 S.
men und lehrreichen Unterhaltungen die ihrer Fä- 2. VIII, 255 S.
higkeit angemessen sind. 9 ungez. BI. 3. VIII, 280 S.
6. 1781.192S. 4. VIII, 268 S.
[9. u. d. T.:] Campe: Harnburgscher Kinderalmanach 5. IV,260S.
auf das Jahr 1783, oder Weihnachtsgeschenk für 6. VIII, 268 S.
Kinder, in angenehmen und lehrreichen Unterhal- In allen Bändchen unsigniertes Frontispiz in Kupfer-
tungen, Die ihrer Fähigkeit angemessen sind. (Er- stich.
schienMichaelis 1782.) 174S., I ungez.Bl.
I 0. 1784 [erschien Michaelis 1783]. 188 S., 2 ungez. BI. In der vor/. Auflage erscheint die Almanachfolge in
[Nebst:] Campe: Harnburgscher Kinderalmanach gänzlich veränderter Gestalt. Campe hat sie zunächst
auf das Jahr 1784, oder Weihnachtsgeschenk für um gut »ein Sechstel« gekürzt. Zudem hat er das Werk
Kinder, in angenehmen und lehrreichen Unterhal- gänzlich umgestellt.
tungen, Die ihrer Fähigkeit angemessen sind. 9 un- UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
gez. BI.
II. [ 1784.] 192 S., 2 ungez. BI. [Titelbl. fehlt in diesem 143 Neue Methode, Kinder auf eine leichte und ange-
Ex.!] nehme Weise Lesen zu lehren, nebst einem dazu gehöri-
12. 1785 (erschien Michaelis 1784). 172 S., 2 ungez. BI. gen Buchstaben- und Silbenspiele in sechs und zwanzig
[Nebent.:] Campe: Harnburgscher Kinderalma- Charten [fehlt in diesem Ex.!], und einer Vorrede, wel-
nach auf das Jahr 1785, oder Weihnachtsgeschenk che jeder lesen muß, der dieses Büchelchen gebrauchen
für Kinder, in angenehmen und lehrreichen Unter- will, von J[oachim] H[einrich] Campe. - Altona: Eck-
haltungen, Die ihrer Fähigkeit angemessen sind. hardt 1778. 176 S., 44 Holzschnittill. i. T. 8°
In Bdch. 3 unsignierte Titelvignette in Kupferstich, in Die Illustrationen sind unsigniert.
den übrigen omamentale Titelvignetten.
Mit einer methodischen Einleitung sowie Buchstaben-
12-teilige Folge von Kinderalmanachen, die in halbjähr- und Silbenspielen versehenes Bilder-ABC-Buch für 5-
lichem Turnus zu Weihnachten und zu Ostern erschie- bis 6jährige Kinder. Es enthält neben den Alphabet-
nen sind und Gedichte, Lieder, Fabeln, Erzählungen, und Silbentafeln illustrierte Buchstabenfabeln, einige
Schauspiele u. dgl. m. enthalten. Sie ist an Kinder vom Lesestücke und ein Gespräch über Religion und Sitten-
7. bis zum 12. Lebensjahr gerichtet.- Ausführliche Be- lehre. Es hat 1806 eine Neuauflage erfahren, bei der es
schreibung siehe Sp. 196 gänzlich umgearbeitet wurde und den Titel Neues Abe-
HAB Wolfenbüttel ze- und Lesebuch erhielt. - Ausführliche Beschreibung
siehe Sp. 854
141 Dass. 2. Aufl. Th. 1-6. - Hamburg: Herold Lipp. LB Detmold
1782-84.8°
I. Erster Theil, welcher das erste und zweite Bändchen 144 Robinson der Jüngere, zur angenehmen und nüzli-
derersten Auflageenthält 1782.8 ungez. BI., 327 S. chen Unterhaltung für Kinder. Th. 1.2 von J[oachim]
2. Zweiter Theil, welcher das dritte und vierte Bänd- H[einrich] Campe. - Hamburg: Verf. und Bohn in
Comm. 1779/80. kl. 8°
chen der ersten Auflage enthält. 1782. 3 ungez. BI.,
318 S. I. 1779. 15 ungez. BI., 288 S., 2 Kupfertaf.
3. Dritter Theil, welcher das fünfte und sechste Bänd- 2. 1780.366 s.
chen der ersten Auflage enthält. 1782. 3 ungez. BI.,
In Th. I Frontispiz von D. Chodowiecki nach C. H.
354S.
Kniep und I Tafel von und nach A. Stöttrup.
4. Vierter Theil, welcher das siebente und achte Bänd-
chen der ersten Auflage enthält. 1783. 4 ungez. BI., Robinson-Nachdichtung für Kinder vom 6. bis ca. 10.
344S. Lebensjahr, die von Rousseaus Beurteilung des Romans
5. Fünfter Theil, welcher das neunte und zehnte Bänd- im Emile beeinflußt ist. Der Inselaufenthalt steht im
1303 Bibliographie 1304

Mittelpunkt, die Vor- und Nachgeschichte nehmen nur 149 Dass. u. d. T.: Joachim Heinrich Campes Robin-
geringen Raum ein. Die Abweichungen vom Defoeschen son der Jüngere. Mit einem Kupfer. (Th. 2: Mit Kup-
Original sind beträchtlich. Die Robinson-Erzählung ist fern.) Ausg. der letzten Hand. Th. 1.2.- Wien: Bauer
in Gesprächsform eingekleidet, die sich zu einer Rah- 1809. XVIII S., S. 19-523. 8°
menhandlung ausweitet. - Ausfiihrliche Beschreibung
siehe Sp. 215 Unsigniertes Frontispiz in Th. I; vonJ. Webergestoche-
nes Frontispiz in Th. 2; keine weiteren Kupfer vorhan-
Staats- u. UB Harnburg den.
Nachdruck des Romans, der sich auf dessen Abdruck
145 Dass. Verb. und verm. Aufl.- Hamburg: Verf. und
im Rahmen der ersten Gesamtausgabe von 1807 (Bdch.
Bohn in Comm. 1780. 8°
10, 11) bezieht. Das Frontispiz zum 2. Teil stellt Robin-
I. 24,231 S., 2 Kupfertaf. sons Abschied von der Insel dar; es entspricht dem des
2. 288S. 11. Bändchens der ersten Gesamtausgabe.
Illustration wie Erstausgabe. UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Zweite rechtmäßige Auflage des zweiteiligen Romans,
150 Dass. u. d. T.: Robinson der jüngere. Ein Lesebuch
die von der ersten nur geringfiigig abweicht. In der Vor-
rede polemisiert Campe gegen einen bereits in Frank- für Kinder von Joachim Heinrich Campe. Mit einem
furt/Main erschienenen Raubdruck. Der Vorbericht zur Kupfer. II. rechtmäßige Aufl.- Braunschweig: Schul-
ersten Auflage ist um die Passagen gekürzt, die auf de- buchhandl. 1812.524 S. 8°
ren besondere Druckumstände eingeht. Frontispiz von Faratien l'aine nach F. L. Catel.
UB d. TU Braunschweig Das Werk enthält neben dem» Vorbericht« eine» Vorre-
de zur siebenten bis elften Ausgabe«. Campe habe sich
146 Dass. u. d. T.: Robinson der Jüngere, zur angeneh- bei allen Neuauflagen »jedesmahl bestrebt, die Sprache
men und nützlichen Unterhaltung für Kinder, von J[oa- dieses so sehr begünstigten Kinderbuchs von jeder auch
chim] H[einrich] Campe. Th. [1.]2. - Frankfurt und noch so geringfiigigen, Unrichtigkeit zu säubern, um es
Leipzig 1781.8° in diesem Betrachte nunmehr so rein und fehlerlos zu
liefern, als meine jetzigen Einsichten und der Grad der
[I.] II ungez. BI., 198 S.
Ausbildung unserer, in manchem Punkte noch immer
2. 254S.
nicht geregelten Sprache, es mir gestatteten«.
In Th. I unsigniertes Frontispiz und Titelvignette in
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Kupferstich; in Th. 2 ornamentale Titelvignette.
Unrechtmäßiger Nachdruck des zweiteiligen Romans. 151 Joachimi Henrici Campe Robinson Secundus. Ti-
Diesem muß bereits 1780 ein Franlifurter Raubdruck ronum causa latinitate donatus a Philippo Julio Lieber-
vorausgegangen sein; gegen einen solchen polemisiert kühnio, nunc denuo recensitus et copisiori indice in-
Campe in seiner Vorrede zur zweiten rechtmäßgen Aus- structus Ludevico Friderico Gedike. - Züllichoviae:
gabe von 1 780. Fromman 1789. 6 ungez. BI., 370 S. 8°
UB d. TU Braunschweig Lateinische Übersetzung des Campischen Robinson von
Philipp Julius Lieberkühn mit einer Vorrede von Gedike.
147 Dass. u. d. T.: Robinson der Jüngere, zur angeneh-
UStB Köln
men und nüzlichen Unterhaltung für Kinder, von J[oa-
chim] H[einrich] Campe. 3. rechtmäßige Aufl.- Wolfen-
büttel: Schul-Buchhandl. 1786. 9 ungez. BI., 526 S. 8° 152 Robinson des Jüngern wunderbare und merkwür-
dige Schicksale zu Wasser und zu Lande. Für den Bür-
In der »Vorrede zur dritten Auflage« setzt Campe seine gerund Landmann. (Nach [Joachim Heinrich] Campe.)
Polemik gegen die Raubdrucker fort und empfiehlt den Mitvielen Bildern. Neue Aufl.-0. 0. u.J. IV, 238 S. 8°
Kauf dieser »correcten, von dem Verfasser selbst mit
der größten Sorgfalt nachgesehenen, auch zugleich Frontispiz, Titelvignette und II Vignetten im Text, alle
wohlfeilen Ausgabe, die eine ehrliche Buchhandlung in Holzschnitt und unsigniert.
darbietet«. Anonyme Bearbeitung von Campes Robinson der Jün-
HAB Wolfenbüttel gere (1 779/80) fiir erwachsene » leselustige Mitbürger«,
»vorzüglich fiir den Bürger und Landmann«; weggelas-
sen sind »die mit dem Ganzen verwebten Gespräche«;
148 Dass. u. d. T.: Robinson der Jüngere zur angeneh-
men und nützlichen Unterhaltung für Kinder. Von J[oa- soll die »antiken deutschen Volksbücher, im Tone und
im Geschmacke der schönen Melusine, des Eulenspie-
chim] H[einrich] Campe. Th. [1.]2.- Tübingen: Balz und
gels, u. a. m. verdrängen, die noch immer in Menge ver-
Schramm 1789. 8°
trödelt werden«; enthält 13 Holzschnitte und ist fiir den
[I.] 9 ungez. BI., 198 S. »geringen Preis« von »10 guten Groschen« zu haben;
2. 254S. fiir den Verkauf durch Hausierer gedacht. Kayser da-
tiert eine neue Aufl. 1815 und 1829, Erstausgabe o. J.
In Th. I unsigniertes Frontispiz und Titelvignette in
Kupferstich. UB d. TU Braunschweig
Tübinger Nachdruck des zweiteiligen Romans mit kai-
serlichem Privileg. 153 Kleine Selenlehre für Kinder. Von J[oachim]
H[einrich] Campe. Nebst vier Kupfertafeln in Quart.-
UB d. TU Braunschweig Hamburg: Bohn 1780. 314 S. 8°
1305 Bibliographie 1306

Die doppelseitigen Tafeln enthalten 16 Abbildungen Rath fiir seinen Sohn, als dieser im Begrif war ins ge-
von und nach J. A. Rosmaesler. schäftige Leben zu treten« und »//. Theophrons guter
Rath, seines Sohnes künftigen Umgang mit Menschen
Lehrbuch über die menschliche Seele, deren Vermögen,
betreffend«, sie stellen das Kernstück des Theophron
Instinkte und Leidenschaften, das in Gesprächsform ab-
dar, wie er in endgültiger Gestalt seit der 3., völlig über-
gejaßt ist und exemplarisch verschiedene Unterrichtsme-
arbeiteten Auflage von 1790 erscheint. -Der 2. Teil ent-
thoden, insbesondere die der sokratischen Unterredung,
hält einen bearbeiteten Auszug der Briefe des Grafen
demonstrieren will; an Kinder vom 8. bis 10. Lebensjahr
Chesterfield an seinen Sohn, seit I 794 gesondert veröf-
gerichtet und als Vorbereitung zum Religionsunterricht
fentlicht unter dem Titel Klugheitsregeln für Jünglinge.
gedacht. - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 1050
- AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 59
Bayer. StaatsB München; HAB Wolfenbüttel
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. ; StB Tri er; HAB Wol-
fenbüttel
154 Dass. Mit 4 Kupfertafeln. - 0. 0. 1786. XVI, 215
S.8° 158 Dass. u. d. T.: Theophron oder Der Erfahrne
Unsignierte gestochene Titelvignette; die unsignierten Rathgeber für Die Unerfahme Jugend von Joachim
Kupfertafeln enthalten 16 Abbildungen. Heinrich Campe. Zur allgemeinen Schulencyclopädie
gehörig. 3. gänzlich umgearb. Ausg. - Braunschweig:
StUß Frankfurt Schulbuchhandl. 1790. 543 S., 1 ungez. S. 8°
155 Die Entdekkung von Amerika, ein angenehmes Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich.
und nüzliches Lesebuch für Kinder und junge Leute Völlige Neubearbeitung der 1. Auflage von 1783. Die
von J[oachim] H[einrich] Campe. Th. 1-3.- Hamburg: Briefe des Grafen Chesterfield sindfortgelassen und da-
Bohn 1781/82.8° for die beiden Hauptabschnitte des früheren 1. Teiles er-
l. (Kolumbus.) 1781.23 ungez. BI., 392 S. weitert und stärker systematisiert worden. Das Buch
2. (Kortes.) 1782. 5 ungez. BI., 376 S., 1 Faltkt. enthält nun im 1. Teil »Erfahrungen und Vorschrif-
3. (Pizarro.) 1782.358 S., I Faltkt. ten ... zu einer glücklichen Einrichtung des geschäfti-
gen Berufslebens . . .«und im 2. Teil einen anthropolo-
Die Faltkarten sind von T. A. Pingeling gestochen. gischen Grundriß und - darauf aufbauend- Ratschläge
Historische Abenteuererzählung über die Entdeckungs- for den Umgang mit Menschen. - Ausfohrliche Be-
fahrten und Eroberungszüge von Kolumbus, Korfes und schreibung siehe Sp. 638
Pizarro for Kinder etwa vom 8. bis 10. Jahr. In Campes UStBKöln
Lektüreplan folgt das Werk auf den Robinson. Es ist
wie der Robinson in Gesprächsform eingekleidet, die al- 159 Dass. u. d. T.: Theophron, oder der erfahme
lerdings mehr und mehr zurücktritt. Mit Korfes und Pi- Rathgeber für die unerfahrne Jugend, von J[oachim]
zarro .fUhrt Campe erstmals negative Helden ein, an de- H[einrich] Campe. Ein Vermächtniß für seine gewese-
nen die Kinder die Folgen des Lasters und der Leiden- nen Pflegesöhne, und für alle erwachsnere junge Leute,
schaften studieren sollen. welche Gebrauch davon machen wollen. Th. I. - Wien
HAB Wolfenbüttel (Th. 1.2); UB d. TU Braunschweig 1792: von Trattner. 7 ungez. BI., 320 S. 8°
(Th. 3) Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich.

156 Dass. Th. [1]-3.- Tübingen: Schramm und Balz Nachdruck der 1. oder 2. Auflage des Theophron, of-
(Th. 2.: Schramm und Frank) 1782-88. 8° fensichtlich unautorisiert, weil er noch nach der von
Campe for sehr wichtig gehaltenen Umarbeitung von
[I. u. d. T. :] Kolumbus oder die Entdekkung von West- 1790 erschien.
indien. 1782. 7 ungez. BI., 312 S., I Faltkt.
2. (Kortes.) 1782.291 S., I Faltkt. UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
3. (Pizarro.) 1788. 272 S., I Faltkt.
160 Dass. u. d. T.: Theophron, oder der Erfahme
Ornamentale Titelvignette in Th. 1-3; die Karten sind Rathgeber für die katholische Jugend eingerichtet von
nicht signiert. J[oachim] H[einrich] Campe. Ein Vermächtniß fürseine
Tübinger Nachdruck mit kaiserlichem Privileg. gewesenen Pflegesöhne, und für alle erwachsnere junge
Leute, welche Gebrauch davon machen wollen. Neu-
UStB Köln; HAB Wolfenbüttel este Aufl. Th. 1.2.- Frankfurt und Leipzig 1802. 8°

157 Theophron, oder der erfahrne Rathgeber für die I. 196 s.


unerfahrne Jugend, von J[oachim] H[einrich] Campe. 2. 140S.
Ein Vermächtniß für seine gewesenen Pflegesöhne, und Nachdruck der 1. oder 2. Auflage des Theophron, of-
für alle erwachsnere junge Leute, welche Gebrauch da- fensichtlich unautorisiert, weil er noch Jahre nach der
von machen wollen. Th. 1.2.- Hamburg: Bohn 1783.8° völligen Neubearbeitung von 1 790, auf die Campe gro-
I. 7 ungez. BI., VIII, 270 S. ßen Wert legte, erschien. Der Zusatz im Titel ist wahr-
2. 192 s. scheinlich vom Nachdrucker eingefogt worden; Verän-
derungen im Text, wie man sie aufgrund des neuen TI-
Gestochenes Frontispiz in Th. I von und nach E. S. Hen- tels erwarten könnte, gibt es nicht.
ne.
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Väterlicher Rat for Jünglinge des Bürgerstands. Der 1.
Teil enthält zwei Hauptabschnitte: »I. Theophrons guter 161 Geographisches Kartenspiel; ein Weihnachtsge-
1307 Bibliographie 1308

schenk für Kinder und junge Leute, von J[oachim] 7. Siebenter Theil, welcher das dreizehnte Bändchen
H[einrich] Campe. Nebst dreyhundert geografischen der ersten Auflage enthält. 1785. 23 ungez. BI.,
Spielkärtchen und einem Umriß von Deutschland [feh- 294 s.
len in diesem Ex.!]- Hamburg: Bohn 1784. 16 S. 8° 8. 1786.9 ungez. BI., 380 S.
9. 1787. XXXII, 318 S., 3 ungez. BI.
Geographisches Kartenspiel for Mädchen und Jungen
I 0. 1788.3 ungez. BI., 352 S.
ab acht Jahren zur Ergänzung und als Wiederholung
11. 1788. 3 ungez. BI., 344 S.
des Geographieunterrichts; enthält die Städte, Kreise
12. 1789.3 ungez. BI., 324 S.
und Flüsse in Deutschland. - AusfUhrliehe Beschreibung
13. 1789.6ungez.Bl.,364S.
siehe Sp.J093
14. 1790.372S.
StB Braunschweig 15. 1791.312S.
16. 1792. VI, 304 S.
Sammlung interessanter und durchgängig zweckmäßig 17. 1792. 2 ungez. BI., 294 S.
abgefaßter Reisebeschreibungen für die Jugend, 18. 1793. VIII, 342 S., 1 Faltkt.
1785-93
In allen Teilen ornamentale Titelvignette; In Th. 12 und
162 Sammlung interessanter und durchgängig zweck- 16 unsigniertes Frontispiz in Kupferstich, auch die Kar-
mäßig abgefaßter Reisebeschreibungen für die Jugend te in Th.18 ist nicht signiert.
von J[oachim H[einrich] Campe. Th. 1.3.- Th. I: Harn-
Ausgabe allein mit dem Reihentitel Kleine Kinder-
burg: Herold- Th. 3: Braunschweig: Schulbuchhandl.
bibliothek und ohne ein besonderes Titelblatt zu den
1785/87.8°
Reisebeschreibungen. Die Sammlung ist an Kinder vom
1. 1785.23 ungez. BI., 294 S. 10. Lebensjahr an gerichtet und enthält im einzelnen
3. 1787. XXXII, 318 S., 3 ungez. BI. folgende Stücke: Teil 1: Jacob Heemskerks und Wil-
helm Barenz nördliche Entdeckungsreise und merkwür-
Separatausgabe der ersten Sammlung von Reisebe-
dige Schicksale; Merkwürdige Abentheuer vier russi-
schreibungen. Der erste Teil der Sammlung erschien in
scher Matrosen auf Spitzbergen; Vasco da Gamas Rei-
Harnburg bei Herold, der zweite Teil in der Schulbuch-
se nach Ostindien; Des Herausgebers kleine Reise von
handlung Woifenbüttel und sämtlichefolgenden Teile in
Trittow nach Wismar und von da nach Schwerin, in
der Braunschweigischen Schulbuchhandlung. Neben der
Separatausgabe erschien die Sammlung gleichzeitig Briefen an seine Kinder. Teil 2: Reise des Herausgebers
auch als Fortsetzung der Kleinen Kinderbibliothek von Harnburg bis in die Schweiz, im Jahr 1785. Teil 3:
Beschreibung einer Reise um die Erdkugel, angestellt
UB Kiel (Th. I); Diözesan-B. Köln (Th. 1); UStB Köln von dem englischen Commodore Byron im Jahr 1764
(Th. 3) und vollendet im Jahr 1766; Beschreibung einer Reise
um die Erdkugel, angestellt vom britischen Schifskapi-
163 Dass. Th. 1-6.- Th. I: Hamburg: Herold- Th. 2: tain Samue/ Wallis in dem Jahre 1766 und vollendet im
Wolfenbüttel: Schulbuchhandl. - Th. 3-6: Braun- Jahre 1768; Beschreibung einer Reise um die Erdkugel,
schweig: Schulbuchhandl. 1785-89.8° angestellt von dem britischen Schifskapitain Philipp Car-
[Nebent. :] Campe: Kleine Kinderbibliothek. Th. 7-12. teret, in dem Jahre 1766 und vollendet im Jahre 1769.
Tei/4: Traurige Schiksale der Madame Godin des Odo-
1. 1785. 24ungez. BI., 294 S. [Nebent. :] Campe: Kleine nais auf einer Reise von Riobamba unweit Quito in Pe-
Kinderbibliothek. 2. Aufl. Th. 7, welcher das drei- ru durch das Amazonenland; Das Interessanteste aus
zehnte Bändchen der ersten Auflage enthält. Johann Carvers Reisen, durch die inneren Gegenden
2. 1786. 9 ungez. BI., 380 S., I ungez. BI. von Nordamerika. Teil 5: Wilhelm Jsbrand Bonteku's
3. 1787. XXXII,318 S.,3 ungez. BI., I Faltkt. merkwürdige Abentheuer auf einer Reise aus Holland
4. 1788. 3 ungez. BI., 352 S. nach Ostindien; Beschreibung einer Reise um die Erd-
5. 1788.4 ungez. BI., 344 S. kugel, angestellt von dem englischen Schifscapitain
6. 1789.4 ungez. BI., 324 S., I Kupfertaf. Cook, und den Gelehrten Bank und Solander in den
In Th. I ornamentale Titelvignette auf dem Nebentitel- Jahren 1768-1771. Teil 6: Beschluß der Beschrei-
blatt, ebenso in Th. 3-6; die Faltkarte in Th. 3 ist von T. bung . .. Teil 7: P. Brydone's Reise durch Sicilien und
A. Pingeling gestochen, die Tafel in Th. 6 ist unsigniert. Malta, im Jahr 1770. Teil 8: Reise des Herausgebers
von Braunschweig nach Paris im Heumonat 1789. Teil
Ausgabe mit dem Reihentitel Kleine Kinderbibliothek 9: (Kapitain Wilson's Schiffbruch bei den Pelju-lnseln-
Die Reihenzählung knüpft an die zweite Auflage der Al- einschließlich der Geschichte des Prinzen Libu). TeillO:
manachfolge (1 782-84) an: In dieser großformatigen, Le Vaillants Reise in das innere von Afrika, vom Vorge-
billigeren Ausgabe bestand die Kleine Kinderbibliothek birge der guten Hofnung aus in den Jahren 1780-1785.
aus 6 Bänden, so daß die sich anschließenden Reisebe- Teil 11: Le Vai/lants Reise in das Innere von Afrika
schreibungen Band 7 bis 18 ausmachen. (Beschluß). Teil 12: Herrn von Lesseps Reise durch
Lipp. LB Detmold (Th. 1.2); Samml. Theodor Brügge- Kamtschatka und Sibirien, im Jahr 1788. In den späte-
mann, Köln (Th. 3-6) ren Gesamtausgaben hat Campe die Anordnung der
einzelnen Stücke geringfiigig verändert: So sind die Rei-
se der Madame Godin und die des Bonteku aus Teil 4
164 Dass. u. d. T.: Kleine Kinderbibliothek, herausge- bzw. Teil 5 in den ersten Teil vorgezogen (3. Gesamt-
geben von J[oachim] H[einrich] Campe. (Th. 7: 2. Aufl.) ausgabe von 1830). - Siehe Sp. 323 und 367
Th. 7-18.- Th. 7: Hamburg: Herold- Th. 8:Wolfenbüt-
tel: Schulbuchhandl.- Th. 9-15: Braunschweig: Schul- B. des Gutenberg-Museums Mainz
buchhandl.- Th. 16-18: Braunschweig: Schul-buch-
hand!. 1785-93. 8°
1309 Bibliographie 1310

165 Dass. Th. 5. - Braunschweig: Schulbuchhandl. Zweite Auflage der ersten Sammlung von Reisebeschrei-
17SS. 4 ungez. BI., 344 S. kl. so bungen. Die Verbesserungen, so bemerkt Campe im
[Nebent. :] Campe: Kleine Kinderbibliothek. Bdch. 17. Vorbericht, »bestehen theils in Auslassungen minder un-
terhaltender und minder lehrreicher Stellen, theils in
Ornamentale Titelvignette auf dem Nebentitelblatt
sorgfältiger Berichtigung der Sprache und der Schreib-
Fünfter Teil aus einer kleinformatigen Ausgabe der art«. Die vor/. Ausgabe fUhrt den Reihentitel Kleine
Sammlung, die den Reihentitel Kleine Kinderbiblio- Kinderbibliothek und weist die großformatige Reihen-
thek trägt. Die Reihenzählung knüpft hier an die erste, zählung auf, in der die Teile 1 bis 6 von der Almanach-
ebenfalls kleinformatige Ausgabe der Almanachfolge folge, die Teile 7 bis 18 von den Reisebeschreibungen
Kleine Kinderbibliothek an, die 12 Bände besaß. Die eingenommen werden. In der Anordnung der Stücke
kleinformatige Reihennummerierung beläuft sich auf hat Campe eine Anderung vorgenommen: Die Reise der
insgesamt 24 Bände, wovon die Reisebeschreibungen Frau Godin, die in der ersten Ausgabe in Teil 4 plaziert
Band 13 bis 24 einnehmen. Die Ausgabe in Klein-Ok- war, ist in den ersten Teil vorgezogen.
tav wurde bis Band 13 generell als die erste Ausgabe der
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; Freies Dt. Hochstift
Kleinen Kinderbibliothek ausgegeben, die großformati-
Frankfurt
ge bis Teil 7 als »zweyte Auflage« bezeichnet.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. Fortsetzung der Campischen Reisebeschreibung für die
Jugend. Siehe: Trapp, Ernst Christian.
166 Dass. Th. 1-12.- Th. 1-S: 0. 0. 17S6-90- Th.
9-12: Reutlingen 1792/93: Grözinger. so 168 ABC instructif pour appendre aux enfans les ele-
I. 17S6. S ungez. BI., 296 S. mens de Ia Iangue francoise. Avec une preface de [Joa-
2. 17S7. 32S s. chim Heinrich] Campe.- Bronsvic: Librairie des ecoles
3. 17S7. XXIV, 26S S. 17S9. 62 s. so
4. 17SS. 2S7 s. Französisches ABC-Buchfor deutsche Kinder. Die Ma-
5. 17SS. 277 s. terialien hierzu hat Campe »aus unsern besten hierher
6. 17S9. 270 s. gehörigen deutschen Kinderbüchern« genommen und
7. 1790. 4 ungez. BI., 2S4 S. ins Französische übersetzen lassen. Das Werk enthält
s. 1790.316 s. nach den Buchstabentafeln Fragen und Antworten, 11
9. 1792.260S. kurze Beispielgeschichten, sachlich belehrende Abschnit-
I 0. 1792. 255 S. te über den Menschen, die Gesundheit, die Tiere und
II. 1793.223 S. J1lanzen etc., schließlich Zahlentabellen und eine ele-
12. 1793. 2S7 S., I Faltkt. mantare Mathematik. Die Vorrede entwirft eine neue
In Th. 6 unsigniertes Frontispiz in Kupferstich. Methode des Sprachunterrichts.

Süddeutscher Nachdruck der ersten Sammlung von Rei- HAB Wolfenbüttel


sebeschreibungen. Die ersten beiden Teile sind gegen-
über den norddeutschen Ausgaben um jeweils ein Jahr 169 Vaeterlicher Rath für meine Tochter. Ein Gegen-
verspätet; von dritten Band an erscheint der Nachdruck stück zum Theophron. Der erwachsenem weiblichen
parallel mit den Ausgaben in Braunschweig. Jugend gewidmet von Joachim Heinrich Campe. -
Braunschweig: Schulbuchhandl. 17S9. XLIV, 510 S. so
HAB Wolfenbüttel
Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich und gestochenes
167 Dass. u. d. T.: Erste Sammlung merkwürdiger Rei- Titelblatt.
sebeschreibungen für die Jugend von Joachim Heinrich Väterlicher Rat for junge Mädchen aus dem Bürger-
Campe. Mit Kupfern. (Th. 2-12: Mit [je] einem Kup- stande. Der 1. Teil sieht die besondere Bestimmung der
fer.) Neue und verb. Ausg. Th 1-12.- Braunschweig: Frauen in ihrer Aufgabe, »beglückende Gatinnen, bil-
Schulbuchhandl. ISOS-07. so dende Mütter und weise Vorsteherinnen des innern
[Nebent. :] Campe: Kleine Kinderbibliothek. Bdch. Hauswesens zu werden« (S. 14f) Der 2. Teil ist nahezu
7-IS. identisch mit dem 2. Abschnitt des Theopron von 1790
I. Mit Kupfern[! Kupfervorh.!]IS05.264S. und gibt einen anthropologischen Grundriß und - dar-
2. !SOS. 242 s. auf aufbauend- Ratschläge for den Umgang mit Men-
3. IS05.310S. schen. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 625
4. IS05.300S. UStB Köln; UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; HAB
5. IS06.312S. Wolfenbüttel
6. IS07.299S.
7. 1S07. 332 S., I Faltkt. 170 Dass. Ausg. der letzten Hand, in der Reihe die sie-
S. 1S07.322S. bente.- Ebd. IS09. XXII S., I ungez. BI., 70S S. so
9. IS07.292S.
10. IS07.276S. UStB Köln
II. IS07. 252 S.
12. IS07.311 S., I Faltkt. 171 Reise von Braunschweig nach Paris im Heumonat
17 S9 von J[oachim) H[ einrieb) Campe.- Braunschweig:
In allen Bändchen Frontispiz, in Bdch. 2 und 12 von J.
Schulbuchhandl. 1790.372 S. so
P. Veith gestochen, in Bdch. 3 und 5 von J. Gerstner, in
Bdch. 7 und 9 von F. A. Brückner; die Karte in Bdch. 7 Anm.: Enthält aufS. I unten den Vermerk: Camp. Rei-
ist von Pinge1ing gestochen. seb. Ster Th.
1311 Bibliographie 1312

Separatausgabe der Reisebeschreibung, die im gleichen 3. 1802.271 s.


Jahr auch als 8. Teil der ersten Sammlung von Reisebe- 4. 1803. VI,322S.
schreibungen ausgeliefert wurde. 5. 1803.404S.
6. 1804.288 S., I ungez.Bl.
HAB Wolfenbüttel
In jedem Teil Frontispiz; in Th. I von Rosmaesler nach
172 Versuch eines Leitfadens beim christlichen Reli- Helt; in Th. 2 von J. Blaschke nach F. L. Catel; in Th. 3
gions-unterrichte für die sorgfältiger gebildete Jugend. nach Catel; in Th. 4 und 5 unsigniert und in Th. 6 von C.
Künftig für die allgemeine Schul-encyclopädie be- W. Schenck gestochen.
stimmt, jetzt zur Prüfung und Verbesserung vorgelegt Erstausgabe der zweiten Sammlung von Reisebeschrei-
von Joachim Heinrich Campe.- Braunschweig: Schul- bungen for die Jugend, die insgesamt aus sieben Teilen
buchhandl. 1791. XII, 127 S., I ungez. S. 8° besteht. In der Vorrede heißt es: »Ich habe übrigens den
Religionsunterrichtliches Werk for die »gebildete Ju- Plan zu diesen neuen Reisebeschreibungen da wieder
gend« vom I 2. Lebensjahr an. Es ist for den ersten von aufgenommen, wo ich ihn mit dem zwölften Bändchen
drei Kursen gedacht und will die »einfachsten und we- meiner frühem Sammlung fallen ließ. Ebenderselbe
sentlichsten Grundlagen der christlichen Religion« dar- Zweck - nach und nach eine ganze Erdbeschreibung in
legen. Es geht von einer weitgehenden Übereinstim- lauter Reisegeschichten zu liefern - ebendieselbe Ver-
mung von natürlicher und geoffenbarter Religion aus. - fahrungsart, ebenderselbe gute Wille euch zu belehren
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 791 und zu vergnügen ... « Der erste Band enthält vier
Stücke: I. Geschichte eines Sch!fjbruchs an der Küste
StB Braunschweig von Arrakan in Ostindien . .. ; 1/. Geschichte des
Schiffsbruchs und der unglücklichen Gefangenschaft ei-
173 Klugheitsiehren für Jünglinge. Aus des Grafen von ner jungen Gräfin von Burke, im Jahre 1719; III.
Chesterneid Briefen an seinen Sohn in einen zweckmä- Schreiben aus Algier, von einem der ehemaligen l'flege-
ßigen Auszug, mit nöthigen Abänderungen, gebracht söhne des Herausgebers; IV. Samuel Turners Gesand-
von J[oachim] H[einrich] Campe. 2. besondere Aufl. - schaftsreise an den Hof des Teschu Lama in Tibet. Der
Braunschweig: Schulbuchhandl. 1793. VIII, 152 S. 8° zweite Band setzt die Beschreibung der Gesandschafts-
Klugheits- und Verhaltensregeln for Jünglinge, »welche reise fort und enthält zudem die »Reise eines Deutschen
im Begriffe stehen in die Welt zu treten«. Überarbeitete, nach dem See Oneida in Nordamerika«. Der dritte
z. T. (nach eigenen Angaben Campes) stark veränderte Band enthält drei Teile: I. Geschichte eines Schiff-
Fassung von Teilen der Briefe des Grafen Chesterneid bruchs, welchen der Englische Fähnrich Prentjes in dem
an seinen Sohn, ursprünglich- in der 1. und 2. Auflage Nordamerikanischen Meerbusen St. Laurenz im Jahre
- veröffentlicht als 2. Teil des Theophron. Auswahl der 1780 erlitt; 1/. Hug Boyd's Gesandschaftsreise nach
»besten und gemeinnützigsten Lebensregeln«, Auslas- Candy auf Ceylon; III. Reise in das Land der Kaffern.
sung u. a. der Vorschriften, die auf einer »zu leichtsinni- Ein kurzer Auszug aus J. Barrow's Reisen durch das In-
gen Sittenlehre« gründen (S. Vll). nere des südlichen Afrika. Das vierte und fonfte Bänd-
chen enthalten die »Reise durch England und Frank-
UBJena reich, in Briefen an einen jungen Freund in Deutsch-
land, vom Herausgeber«. Der sechste Band beinhaltet
174 Dass .... in einen zwekmäßigen Auszug, ... - die »Rückreise von Paris nach Braunschweig« und
Frankfurt und Leipzig 1794. VIII S., S. 9-149. 8° »Reise in das Land der Buschmänner. Ein Auszug aus
HAB Wolfenbüttel Barrow's Reisen durch das Innere des südlichen Afri-
ka«. Der siebte und letzte Band enthält die »Reise von
Braunschweig nach Karlsbad und durch Böhmen, in
175 Historisches Bilderbüchlein oder die allgemeine
Briefen von Eduard und Kar!«.- Sie wurde 18I2-1817
Weltgeschichte in Bildern und Versen von Joachim
neu aufgelegt und 1821 als Bändchen 31-37 in die erste
Heinrich Campe. Bdch. I.- Braunschweig: Schulbuch-
Gesamtausgabe der Kinder- und Jugendschriften Cam-
hand!. 180 I. 8 ungez. BI., 227 S., 17 Kupfertaf. kl. 8°
pes aufgenommen.
Frontispiz und 15 weitere Tafeln sind gezeichnet von F.
UStB Köln
L. Catel, gestochen unter Direktion von A. J. Hulk und
gedruckt von P. C. N. Dufour; I Tafel ist unsigniert.
Unterhaltendes Bildergeschichtsbuch in Versform zu 177 Reise durch England und Frankreich in Briefen an
Personen und Ereignissen der Biblischen, Griechischen einen jungen Freund in Deutschland von Joachim
und Römischen Geschichte mit aktuellen zeitkritischen Heinrich Campe. Th. [1.]2.- Braunschweig: Schulbuch-
Bezügen; ursprünglich als Begfeittext zu einer Latema hand!. 1803. 8 o
Magica gedacht; mit I 7 den Text illustrierenden Kup- [I.] Mit Kupfern. VI, 322 S.
fern. 2. Miteinem Kupfer[fehltindiesem Ex. !]404 S.
UB d. TU Braunschweig In Th. 1 unsigniertes Frontispiz.
Separatausgabe der Reisebeschreibung, die noch im
176 Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gleichen Jahr als 4. und 5. Bändchen in die Neue
gen für die Jugend von Joachim Heinrich Campe. Mit
Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibungen für die
[je] einem Kupfer. Th. 1-6.- Braunschweig: Schulbuch-
hand!. 1802-04.8° Jugend (7 Bde) aufgenommen wurde.

I. 1802. 279 S., I ungez. S. StUß Frankfurt.


2. 1802.302S. N eues ABC- und Lesebuch, 1807
1313 Bibliographie 1314

178 Sämmtliche Kinder- und Jugendschriften von Joa- 18. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
chim Heinrich Campe. 4. Gesammtausg. der letzten gen. Th. 2. Mit einem Kupfer. 1807. S. 3-342.
Hand. Bdch. I. Abeze- und Lesebuch. Mit vier und 19. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
zwanzig illum. Kupfern (I Tafel fehlt in diesem Ex.!) In gen. Th.3. Miteinem Kupfer. 1807.S. 3-310.
der Reihe die 6. Orig. Aufl.- Braunschweig: Schulbuch- 20. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
handl. 1831. XIV. 200 S. 8° gen. Th. 4. Mit einem Kupfer. 1807. S. 3-300.
21. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
Frontispiz mit nicht verifizierbarer Signatur und 22 Ta-
feln, von denen 5 von W. Amdt nach G. Junge gesto- gen. Th. 5. Miteinem Kupfer. 1807. S. 3-312.
22. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
chen sind; die übrigen Kupfer sind nicht signiert, stam-
men vermutlich jedoch von denselben Künstlern. gen. Th. 6. Mit einem Kupfer [richtig: 2 Kupfern,
davon I Faltkt]. 1807. S. 3-299.
Neubearbeitung von Neue Methode, Kinder auf eine 23. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
leichte und angenehme Weise Lesen zu lehren ... von gen. Th. 7. Mit einem Kupfer. 1807. S. 3-332.
1778, in der das Werk einer weitgehenden Veränderung 24. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
unterzogen wird. Lt. Hamberger/Meusel ist die Neube- gen. Th. 8. Mit einem Kupfer. 1807. S. 3-322.
arbeitung bereits 1806 in Braunschweig unter dem Titel 25. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
Neues ABC- und Lesebuch, mit 14 ausgemahlten Kup- gen. Th. 9. Mit einem Kupfer. 1807. S. 3-292.
fern erschienen. Lt. Kayser ist das Werk erstmals 1807 26. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
unter dem Titel Neues ABC- und Lesebuch, mit vielen gen. Th.10. Miteinem Kupfer.l807.S.3-276.
schönen Bildern erschienen. - Zum vor/. Werk vgl. die 27. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
ausfohrliche Beschreibung der Neuen Methode ... von gen. Th. II. Mit einem Kupfer. 1807. S. 3-252.
1778 auf Sp. 854 28. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
Freies Dt. Hochstift Frankfurt; UStB Köln, Erziehungs- gen. Th. 12. Mit einem Kupfer [richtig: 2 Kupfern,
davon 1 Faltkt]. 1807. S. 3-311.
wiss. Abt.
29. Väterlicher Rath für meine Tochter. Mit einem
Kupfer. 1809. XXII S., 1 ungez. BI., 708 S.
179 Sämmtliche Kinder- und Jugendschriften von Joa- 30. Leitfaden beim christlichen Religionsunterrichte.
chim Heinrich Campe. Ausgabe der letzten Hand. 1809.167S.
Bdch. 1-30. - Braunschweig: Schulbuchhandl.
1807-09. kJ. 8° In Bdch. I Frontispiz von C. G. Grape nach G. Junge so-
wie 6 Tafeln von W. Amdt nach Junge, die übrigen 17
I. Abeze- und Lesebuch. Mit vier und zwanzig Kup- Tafeln sind nicht signiert, alle Kupfer sind koloriert; in
fern. 1807. 300 S., 3 ungez. BI. [Nebent.:] Campe: den Bändchen 2-7 unsignierte Frontispizi; in Bdch. 8
Neues Abeze- und Lesebuch mit vielen schönen unsigniertes Frontispiz und 16 Abbildungen auf 4 Falt-
Bildern. tafeln; in Bdch. 9 Frontispiz, gestochen von Amdt; in
2. Kinderbibliothek. Th. I. Mit einem Kupfer. 1807. Bdch. I 0 Frontispiz nach D. Chodowiecki und eine Ta-
XII,228S. fel von J. J. Coiny; in Bdch. II Frontispiz und ein Kup-
3. Kinderbibliothek. Th. 2. Mit einem Kupfer. 1807. fervon Hulknach F. L. Catel, eins von C. Tardieu l'aine
VIII,255S. nach Catel, eins von Coiny und ein unsigniertes; in
4. Kinderbibliothek. Th. 3. Mit einem Kupfer. 1807. Bdch. 12 unsigniertes Frontispiz und Faltkarte; in
VIII,280S. Bdch. 13 unsigniertes Frontispiz und Faltkarte, von C.
5. Kinderbibliothek. Th. 4. Mit einem Kupfer. 1807. F. Vondertour gestochen; in Bdch. 14 unsigniertes
VIII,268S. Frontispiz und Faltkarte; in Bdch. 15 Frontispiz von C.
6. Kinderbibliothek. Th. 5. Mit einem Kupfer. 1807. Frosch nach Geissler, in Bdch. 16 Frontispiz und 16
IV,260S. Kupfer, gezeichnet von Catel, gestochen unter Direk-
7. Kinderbibliothek. Th. 6. Mit einem Kupfer. 1807. tion von Hulk und gedruckt von Dufour, eine Tafel ist
VIII,268S. unsigniert; in den Bändchen 17-28 Frontispizi: in
8. Seelenlehre für Kinder. Mit fünf Kupfern. 1807. Bdch. 17, 20, 22,24 (koloriert), 26 und 27 unsigniert, in
XXIV, 191 S. Bdch. 18 und 28 von J. P. Veith, in Bdch. 19 und 21 von
9. Sittenbüchlein für Kinder. Mit einem Kupfer. 1807. J. Gerstner und in Bdch. 23 und 25 von F. A. Brückner
2 ungez. BI., 223 S. gestochen, in Bdch. 22 eine Faltkarte, von T. A. Pinge-
10. Robinson der Jüngere. Th. I. Mit (2) Kupfern. ling gestochen und in Bdch. 28 eine unsignierte Faltkar-
1807.232S. te; in Bdch. 29 koloriertes unsigniertes Frontispiz; in
II. Robinson der Jüngere. Th. 2. Mit (5) Kupfern. Bdch. 30 keine Illustrationen.
1807. s. 233-523.
12. Entdeckung von Amerika. Th. I. Mit (2) Kupfern. Erste Gesamtausgabe der Kinder- und Jugendschriften.
1807.XIVS.,S.I5-328. Lt. Kayser besteht diese Ausgabe aus insgesamt 38
13. Entdeckung von Amerika. Th. 2. Mit (2) Kupfern. Bänden, von denen die letzten erst 1822 erschienen
1807.302S. sind. Kayser läßt zudem die Ausgabe 1806 beginnen.
14. Entdeckung von Amerika. Th. 3. Mit (2) Kupfern. Der erste Band des vor/. Expl. enthält auf beiden Titel-
1807.271 s. blättern die Jahreszah/1807; allerdings ist die Vorrede
15. Klugheitslehren. Mit einem Kupfer. 1807. VIII, auf den »29sten des Sommermondes 1806« datiert. Die
213S. in Teil 2-7 abgedruckte Kleine Kinderbibliothek ist bis
16. Historisches Bilderbüchlein oder Weltgeschichte. in den Satzspiegel hinein identisch mit deren 10. Aufla-
Mitachtzehn Kupfern. 1807.7 ungez. Bl.,227 S. ge von 1805-1807 (Bdchen 1-6). Die Kupfer sind nach
17. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- derselben Vorlage neu gestochen. Die Seelenlehre in
gen. Th. I. Miteinem Kupfer. 1807. S.3-264. Bd. 8 wird in der veränderten Gestalt, die sie von der
1315 Bibliographie 1316

dritten Auflage von 1791 erhalten hat, wiedergegeben; 1. Abeze- und Lesebuch. Mit vier und zwanzig illumi-
die Kupfer sind nach den alten Vorlagen neu gestochen. nirten Kupfern. XIV, 200 S.
Dem Sittenbüchlein in Bd. 9 ist ein neues Frontispiz bei- 2. Kinderbibliothek. Th. 1. VIII, 176 S.
gegeben. Der Robinson (Bd. 10-11) ist in dieser Ausga- 3. Kinderbibliothek. Th. 2. VI, 198 S.
be reichhaltiger illustriert: Neben dem alten, nach Cho- 4. Kinderbibliothek. Th. 3. IV, 208 S.
dowiecki gestochenen Frontispiz und einem weiteren al- 5. Kinderbibliothek. Th. 4. VI, 209 S.
ten Kupfer finden sich noch 5 weitere ganzseifige Kup- 6. Kinderbibliothek. Th. 5. IV, 196 S.
fer. Die Entdeckung von Amerika (Bd. 12-14) und die 7. Kinderbibliothek. Th. 6. IV, 208 S.
Klugheitsiehren weisen pro Band ein neues Frontispiz 8. Seelenlehre für Kinder. Nebst siebzehn Kupfertaf.
auf Die in Teil 17-28 abgedruckte Erste Sammlung XVI, 184S.
merkwürdiger Reisebeschreibungen ist bis in den Satz- 9. Sittenbüchlein für Kinder. VI, 162 S.
spiegel hinein identisch mit dem Abdruck der Sammlung 10. Robinson der Jüngere. Th. 1. XIV, 164 S.
im Rahmen der 10. Auflage der Kleinen Kinderbiblio- 11. Robinson der Jüngere. Th. 2. 222 S.
thek von 1805-1807 (Bdchen 7-18). Auch die Abbildun- 12. Die Entdeckung von Amerika. Mit (Th. 1.2: drei)
gen stimmen vollends überein. Der Leitfaden ... im 30. Karten. Th. 1. IX S., 1 ungez. S., 238 S.
Bd weist ein spezielles Vorwort for diese Ausgabe auf, in 13. Die Entdeckung von Amerika Th. 2. 224 S.
dem Campe bemerkt, daß er bei jeder neuen Auflage 14. Die Entdeckung von Amerika. Th. 3. 200 S.
dieses Werkes »auf den jedesmahligen Grad der öffent- 15. Geschichtliches Bilderbüchlein oder die älteste
lichen Aufklärung meines Zeitalters Rücksicht zu neh- Weltgeschichte in Bildern und Versen. Mit acht-
men beflissen gewesen« sei. Die fehlenden acht Bände zehn Kupfern. 192 S.
enthalten, so darf geschlossen werden, zum einen den 16. Klugheitsiehren für Jünglinge. VI, 154 S.
Theophron, zum anderen die siebenbändige zweite 17. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
Sammlung von Reisebeschreibungen. Lt. Hamberger/ gen. Th. 1. X, 278 S.
Meusel sind hierbei die Bände 31-37 1821, der Band 18. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
38 1822 erschienen. gen. Th. 2. 254 S.
19. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
HAB Wolfenbüttel
gen. Th. 3. IV, 226 S.
20. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
180 Sämmtliche Kinder- und Jugendschriften von Joa- gen. Th. 4. 2 ungez. Bl., 218 S.
chim Heinrich Campe. Neue Gesammtausg. der letzten 21. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
Hand. Bdch. 17-24. 26-28. - Braunschweig: Schul- gen. Th. 5. II, 185 S.
buchhandl. 1829.8° 22. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gen. Th. 6. Mit einer Karte. IV S., I ungez. Bl., 222 S.
17. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- 23. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gen. Th. 1. 264 S. gen. Th. 7. VI, 243 S.
18. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- 24. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gen. Th. 2. 336 S. gen. Th. 8. 242 S.
19. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- 25. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gen. Th. 3. 310 S. gen. Th. 9. IV, 110 [richtig: 21 0] S.
20. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- 26. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gen. Th. 4. 300 S. gen. Th. 10. IV, 202 S.
21. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- 27. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gen. Th. 5. 312S. gen. Th. 11. 186 S.
22. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- 28. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
gen. Th. 6. Mit einer Karte. 287 S. gen. Th. 12. Mit einer Karte. VIII S., 1 ungez. Bl.,
23. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- 228S.
gen. Th. 7. 312S. 29. Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
24. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- gen. Th. 1. VI, 192 S.
gen. Th. 8. 312 S. 30. Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
26. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- gen. Th. 2. II, 208 S.
gen. Th. 10. 264 S. 31. Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
27. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- gen. Th. 3. VI, 182 S.
gen. Th. 11. 239 S. 32. Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
28. Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun- gen. Th. 4. VIII, 240 S.
gen. Th. 12. Mit einer Karte. 288 S. 33. Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
Zweite rechtmäßige Gesamtausgabe der Kinder- und gen. Th. 5. 252 S.
Jugendschriften, die lt. Kayser insgesamt aus 38 Bän- 34. Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
den besteht. Die Plazierung der hier vor/. ersten Samm- gen. Th. 6. IV, 188 S.
lung von Reisebeschreibungen ist in den ersten drei Ge- 35. Neue Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibun-
samtausgaben übereinstimmend: Sie ist jeweils in Bd gen. Th. 7. 222 S.
17-28 abgedruckt. 36. Väterlicher Rath fürmeine Tochter. XII, 416 S.
37. Theophron, oder der erfahme Rathgeber für die un-
KreisB Eutin erfahrne Jugend. XIII S., 3 ungez. S., 419 S.
181 Sämmtliche Kinder- und Jugendschriften von Joa-
chim Heinrich Campe. Neue Gesammtausg. der letzten Im ersten Bändchen Frontispiz, von Hofman gesto-
Hand. Bdch. 1-37.- Braunschweig: Schulbuchhandl. chen; 6 der weiteren 23 Tafeln sind von W. Arndt nach
1830.8° G. Junge gestochen, die übrigen sind unsigniert; alle
1317 Bibliographie 1318

Kupfer sind koloriert; in Bdch. S Frontispiz, von J. Jung Catechetische Anleitung zu den gesellschaftlichen
gestochen; von den 4 doppelseitigen Tafeln, die jeweils Pflichten
4 Abbildungen enthalten, sind 2 von Hofmann und I
von Burkhart gestochen, I ist unsigniert; in Bdch. 12 be- 184 Catechetische Anleitung zu den gesellschaftlichen
findet sich eine unsignierte Faltkarte, in Bdch. 13 eine Pflichten. Für die Real-Schulen.- Zürich 17S3: Bürgkli.
von C. F. Vonderfourgestochene Faltkarte und in Bdch. 40 s. so
14 eine unsignierte; in Bdch. 16 Frontispiz und 16 weite-
re Tafeln, gezeichnet von Catel, gestochen unter Direk- Omamentale Titelvignette
tion von Hulk und gedruckt von Dufour; eine Tafel ist Sittenschrift in katechetischer Frage-Antworiform vor-
unsigniert; in Bdch. 22 eine Faltkarte, gestochen von nehmlich for den Schulgebrauch. Behandelt wird der
Pingeling und in Bdch. 2S eine unsignierte Faltkarte. Abschnitt aus der ethischen J1lichtenlehre, der sich mit
Dritte rechtmäßige Gesamtausgabe der Kinder- und Ju- den J1lichten gegen andere und die Gesellschaft be-
gendschriften in 37 Bänden. Gegenüber der ersten Ge- schäftigt. Es geht um die J1lichten der Eltern und Kin-
samtausgabe von 1807-1822 haben sichfolgende .-fnde- der, die J1lichten gegen Geschwister, Hausgenossen und
rungen ergeben: Die Klugheitsiehren und das Histori- das Gesinde, um die J1lichten gegen die Obrigkeit, um
sche Bilderbüchlein sind in der Reihenfolge vertauscht. die der Schüler und Lehrer, um die der einzelnen Stän-
Der Väterliche Rath ist hinter die zweite Sammlung der de, des Landmanns, der Handelsschaft und der Hand-
Reisebeschreibungen gestellt, erscheint also nicht mehr werker. Am Ende steht eine kurze Lehre über die Aufga-
in Bd. 29, sondern in Bd. 36. Schließlich ist der Leitfa- ben und J1lichten des Staates.
den beim christlichen Religionsunterricht ganz wegge- ZentraiB Zürich
lassen worden; er machte in der ersten Gesamtausgabe
das 30. Bändchen aus und scheint noch in der zweiten,
38bändigen Gesamtausgabe von 1829 enthalten zu sein.
Catechetische Anweisung zu den Anfangsgründen des
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. (Bdch. richtigen Denkens. Siehe: Breitinger, Johann Jakob.
S.I2-14.16-20.23.25-35); Samml. Theodor Brügge-
mann, Köln (Bdch. 1-37)

siehe: Pädagogische Unterhandlungen. Cato, Dionysos (3. Jh.): Spätrömischer Didaktiker.

185 Dionysii Catonis Disticha Moralia Welchen noch


beygefüget sind Symposii Aenigmata und Ioan. Oweni
Epigrammata. Der Schuljugend zum besten zur ersten
Campe's Sitten- und Lebensregeln Uebung der Poesie also zusammengetragen und durch-
gehends mit Teutschen Versen erkläret von Leonhard
182 Campe's Sitten- und Lebensregeln für Knaben und Christoph Rühlen.-Manheim: Schwan 1766.110S. so
Mädchen.- Frankfurt und Leipzig 1796. 47 S. so
Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich.
Sammlung von 61 Sittensprüchen, Klugheits- und Ver-
haltensregeln aus Werken Campes, denen jeweils ein Lateinisch-deutsche Ausgabe der Disticha de moribus
oder zwei Textstellen aus dem Prediger Sa/omo und den ad filium, die dem spätrömischen Didaktiker Dionysos
Sprüchen Salomos beigefügt sind. Im Anhang werden Cato zugeschrieben werden. Die Sammlung enthält 4
insges. 54 ein- bis zweizeitige »Weisheits- oder Denk- Bücher mit insgesamt 144 Distichen. Rühlen legt die
sprüche« sowie »Das goldene ABC« geliefert; bei letzte- Distichen »der studierenden Jugend von neuem für die
rem handelt es sich um gereimte Vierzeiler religiösen Augen { .. .}, zu dem Ende, daß sie nicht allein dabei
und moralischen Inhalts, deren Initialien in der Aufein- die Regeln der Lateinischen Poesie desto besser fassen,
anderfolge ein ABC bilden. und in derselben Uebung die Verse anwenden, sondern
auch zugleich zur Besserung der Sitten einige Anleitung
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt haben können«. Auf der oberen Seitenhä!fte findet sich
jeweils der lateinische Text, auf der unteren eine dreifa-
che deutsche Übersetzung, die in drei unterschiedlichen
Versmaßen abgefaßt ist (Jambus, Trochäus, Daktylus).
Die Vorrede mit der Anrede an den Sohn hat Rühlen
Casteli-Remlingen, Charlotte Henriette Gräfin von
weggelassen. Im Anhang liefert Rühlen lateinische Rät-
( 1729-1797)
sel und lateinische Epigramme des englischen Dichters
John Owen wie schließlich einzelne Gebete, von denen
183 Fabeln, Erzählungen und andre Gedichte von ei-
jeweils auch die deutsche Übersetzung beigefügt ist. Das
ner Dame von Stand [d. i. Charlotte Henriette Gräfin
vor/. Expl. ist ein Nachdruck der erstmals 1736 in
von Castell-Remlingen]. Herausgegeben von Johann
Braunschweig bei Renger erschienenen Ausgabe, die bei
Ferdinand Schletz. - Frankfurt und Leipzig: Stahel
Wegehaupt (1979; Nr. 402) verzeichnet ist. Das Werk
1792. 122 S., 2 ungez. BI. so
hat lt. Wegehaupt 1745 und 1754 weitere Auflagen er-
Omamentale Titelvignette lebt.
Sammlung von Fabeln und Gedichten zur unterhalten- UB Oldenburg
den Lektüre für Kinder und Erwachsene; im Anhang
Dialoge, eine Idylle, eine Allegorie, Rätsel und ein »Re-
cept, einen Roman zu verfertigen«.
Cervantes Saavedra, Miguel de (1547-1616): Spani-
UB Würzburg scher Dichter.
1319 Bibliographie 1320

186 Des berühmten Ritters Don Quixote von Mancha Vierteljahrsschrift für Jugendliche, bei denen sie »Nut-
Lustige und sinnreiche Geschichte abgefasset von Mi- zen und Vergnügen« stiften möchte, d. h. sie will »nicht
guel [de] Cervantes Saavedra. 2. Aufl. Th. 2.- Leipzig: nur die Neugierde auf einige Augenblicke amüsiren,
Fritsch 1753. 3 ungez. BI., 826 S. 8° sondern zur Aufklärung des Verstandes, Reizung des
Nachdenkens, Erweiterung der Kenntnisse, und Bil-
Omamentale Titelvignette
dung des Herzens und der Sitten« beitragen; enthält
Erstmals I 734 in Leipzig erschienene Übersetzung bei- moralisch-religiöse Betrachtungen, Gedichte, Fabeln
der Bücher des Romans; Vorlage ist eine französische und Beispielerzählungen sowie historische Anekdoten
Übertragung von I677/79. und Abhandlungen und Texte zu Geographie und Na-
StUß Frankfurt
turgeschichte.
Bayer. StaatsB München
187 Dass. Neue verb. und mit Kupferstichen gezierte
Aufl. Th. (1.)3.4.- Ebd. 1767. 8°
[I.) 19 ungez. BI., 360 S., 7 Kupfertaf. Claudius, Georg Carl (1757-1815): Kinderschriftstel-
3. 2 ungez. BI., 352 S., 8 Kupfertaf. ler. Siehe Sp. 1222
4. 3 ungez. BI., 440 S., I 0 Kupfertaf.
189 Kleine Unterhaltungen (Th. 2: von G[eorg] C[arl)
In Th. I Frontispiz von und nach C. F. Boetius, die übri- Claudius). Th. [1.]2.- Leipzig: Böhme 1780/83. 8°
gen 6 Tafeln sind nicht signiert; in Th. 3 ist je I Tafel von
J. M. Stock und J. F. Bause gestochen, 5 sind unsigniert, [1.] Ein Weihnachtsgeschenk für Kinder. 1780. XVI,
bei I Tafel ist die Signatur nicht mehr verifizierbar; in . 142 S., I ungez. BI.
Th. 4 ist I Tafel von Stock gestochen, 8 unsigniert und 2. 1783. 8 ungez. BI., 286 S., I ungez.Bl.
bei I die Signatur nicht mehr verifizierbar. In Th. I Titelvignette von und nach G. F. J. Frentzel, in
Dritte Auflage der erstmals I 734 erschienenen Überset- Th. 2 von J. A. Rosmaesler gestochen.
zung beider Bücher des Romans. Die Vo"ede des deut- Unterhaltende und moralisch-belehrende Schrift für
schen Übersetzers kennzeichnet den Roman als geeigne- Kinder vornehmlich aus den »sächsischen Landen«;
te Jugendlektüre. enthält Beispielgeschichten, Fabeln, Briefe, Dialoge und
StUß Frankfurt Schauspiele sowie einen kurzen Abriß zur Erdbeschrei-
bung.
StBMünchen
Chrestomathie oder SamJung auserlesener Stellen in
190 Lieder für Kinder, mit neuen sehr leichten Melo-
deutscher und lateinischer Sprache zum Gebrauche der
dien. (Hrsg. von Georg Carl Claudius.)- Frankfurt a.
dritten Schule im Hochstifte Münster. Siehe: Zumkley,
M.: Brönner 1780. 2 ungez. BI., 41 S., 3 ungez. S.
Caspar.
quer-8°
Ornamentale Titelvignette
Christliche Tugend-Lehre, in Frag und Antwort. Siehe: Liederbuch für Kinder mit beigefügten Noten; neben
Tobler, Johann. den Melodien stammen vier Texte von Claudius, die üb-
rigen von Weiße, Overbeck, Burmann, Hagedom und
Göcking.
Schlesw.-Holst. LB Kiel
Chronik für die Jugend
191 Kinder-Theater. Herausgegeben von G[eorg]
188 Chronik für die Jugend auf das Jahr 1785-88.
[Hrsg. von Christian Gottfried Böckh.] Jg 1-4.- Augs- C[arl] Claudius.- Frankfurt und Leipzig: Brönner 1782.
7 ungez. BI., 135 S. 8°
burg: Stage 1785-88. 8°
I. 3. Vierteljahr. 1785. 2 ungez. BI., 204 S. Titelvignette in Kupferstich mit nicht verifizierbarer
Signatur.
4. Vierteljahr. 1785.2 ungez. BI., 196S.,4ungez. BI.
2. I. Vierteljahr. 1786. 2 ungez. BI., 204 S. Schauspiele für Kinder; gedacht für die Erholungsstun-
2. Vierteljahr. 1786. 2 ungez. BI., S. 205-408, Beylage den, in denen sie »nie müßig und unbeschäftigt bleiben«
6zum I.JgS. 81-94. sollten; sollen» Vergnügen« bereiten und auf die Herzen
3. Vierteljahr. 1786.2 ungez. BI., S.409-612. der Kinder »Eindrück machen«; die Sammlung umfaßt
4. Vierteljahr. 1786. 2 ungez. BI., S. 613-816,4 ungez. ein Schauspiel, zwei Lustspiele, ein »gesellschaftliches
BI. Spiel« und eine Geburtstagsszene. - Ausführliche Be-
3. I. Vierteljahr. 1787. 2 ungez. BI., 204 S. schreibung siehe Sp. 279
2. Vierteljahr. 1787. 2 ungez. BI., S. 205-408.
Freies Dt. Hochstift Frankfurt; Dt. StaatsB Berlin; UB
3. Vierteljahr. 1787.2 ungez. BI., S. 409-612.
Jena
4. Vierteljahr. 1787. 2 ungez. BI., S. 613-806, 5 ungez.
BI.
192 Ludwig Helmann, eine Geschichte zur Beherzi-
4. I. Vierteljahr. 1788.4 ungez. BI., 200 S.
gung für die Jugend. Bei der Gelegenheit als sich einige
2. Vierteljahr. 1788.2 urigez. BI., S. 201-404.
Knaben in Leipzig heimlich verschworen hatten nach
Auf allen Vierteljahrsheften Titelvignetten in Holz- Amerika zu gehen zur Warnung aufgesetzt. [Von Georg
schnitt. Carl Claudius.]- Leipzig: Schneider 1788.63 S. 8°
1321 Bibliographie 1322

Unterhaltende Beispielerzählung zur Warnung vor schenbuchs für Frauenzimmer [d. i. Georg Carl Clau-
»Robinsonaden« als kindlicher und jugendlicher Buch- dius].- Leipzig: Kleefeld 1798. XVI, 304 S. 8°
lektüre. Gewarnt wird insbesondere vor jeglicher Nach-
ahmung der rohinsansehen Romanhelden. - AusfUhrli- Titelvignette in Kupferstich von Hoppe.
ehe Beschreibung siehe Sp. 374 Spiel- und Beschäftigungsbuch for »gute und fleißige
Kinder«; gedacht als Anleitung zur nützlichen und an-
Städt. Wessenberg-B. Konstanz
genehmen Unterhaltung in den Erholungsstunden. In
den Spielen sei »auf ihren Verstand, ihr Herz, auf die
193 Kleine Beschäftigungen für Kinder von G[eorg]
Bildung des gesellschaftlichen Tones und Umgangs vor-
C[arl] Claudius,- Leipzig: Verf. und Böhme in Comm.
züglich Rücksicht genommen worden«. Einkleidung der
1791. 3 ungez. BI., 135 S. 8°
Spielregeln in eine Rahmenhandlung.
Frontispiz in Kupferstich mit verschlüsselter Signatur;
Sächs. LB Dresden
Titelvignette von und nach J. G. Penzel.
Sammlung moralischer Beispielgeschichten for Kinder; 197 Kinderalmanach auf das Jahr 1800 von G[eorg]
will zum »Wohlgefallen« beitragen und zum »Nachden- C[arl] Claudius. - Leipzig: Magazin für Litteratur
ken« anregen mit dem Ziel der Selbstprüfung, »ob die [1799]. 25 ungez. BI. kl. 8o
Unart, ob die Tugend, die ihr in diesen kleinen Ge-
Titelvignette in Kupferstich von und nach Hoppe.
schichtchen findet, an euch zu finden sei«.
Jahreskalender for Kinder, in dem sie in drei Spalten ih-
UBMannheim
re » Wissenschaftliche(n) Fortschritte« und ihr » Morali-
sches Betragen« an jedem Tag verzeichnen und Buch
194 Neue Unterhaltungen für Kinder. Von Georg Carl
über ihre Einnahmen und Ausgaben fUhren sollen.
Claudius. Th. [1.]2.- Hamburg: Hoffmann [1793/um
1795]. 8° StB München
[I. 1793.]166 S., 1 ungez. BI.
198 Neue Kinderspiele von G[eorg] C[arl] Claudius.-
2. [Um 1795.]188 S., I ungez. BI.
Leipzig: Böhme 1799. XIV, 358 S., I Notenbl. 8°
Frontispiz und Titelvignette in Kupferstich, in Th. I von
Titelvignette in Kupferstich von und nach Hoppe.
und nach W. Arndt, in Th. 2 von und nach F. J. Tromlitz.
Unterhaltendes Lesebuch zum Nutzen und Vergnügen Kleine Schauspiele und Dialoge for Kinder, die in den
der Kinder; enthält vornehmlich historische Anektoten Erholungsstunden, welche »keine Lehrstunden werden
und Beispielerzählungen, darüber hinaus ein Schau- sollen«, mit Hilfe eines Puppentheaters von den Kindern
spiel, Gesundheitslehren und einen längeren Briefwech- aufgefohrt werden können; enthält sodann Gesell-
schafts- und Bewegungsspie/e, z. T. eingebettet in eine
sel, der die Kinder zu »guten Gesellschaftern« machen
soll, indem er sie sie unterrichte, »was die Welt von euch Rahmenhandlung.
verlangt. und was ihr dagegen fordern könnt«. Staat!. B. Regensburg
Staat!. B. Regensburg (Th. I); Nieders. Staats- und UB
Göttingen (Th. 2) 199 Erste Bildung der Kinder für den geselligen Um-
gang. (Von G[eorg] C[arl] Claudius.) Abth. 2.- Leipzig:
Kleine Kinderwelt, 1796 Magazin für Litteratur 1800. IV, 140 S., 3 Kupfertaf. kl.
8o
195 Kleine Kinderwelt, oder Neues Lesebuch zur er-
sten Bildung des gesunden Menschenverstandes für das Kupfertafeln von und nach Hoppe.
Alter von fünf bis acht Jahren. (Von Georg Carl Clau- Sammlung moralischer Beispielerzählungen und Anek-
dius.) (Bdch. I: 2. viel verb. Aufl.) Bdch. 1.2.- Leipzig: doten for Kinder; will auf »die f1lichten des geselligen
Schiegg 1800/0 I. 8° Lebens und Umgangs« aufmerksam machen und die
I. 180l.XIVS., 1 ungez.Bl., 168S.,2ungez.Bl.
Kinder auf das spätere Leben vorbereiten; enthält Bei-
2. 1800. 205 S., I ungez. S. spiele for den Umgang mit Bedienten, mahnt zur Be-
scheidenheit und warnt vor Standesdünkel, übertriebe-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich in Bdch. I ; in ner Höflichkeit und vorlautem Verhalten.
Bdch. 2 Titelvignette von H. W. Hoppe.
StBMünchen
Sammlung moralischer Beispielgeschichten; zielt ab auf
» Weckung, Richtung, Schärfung, des Erkenntnijlvermö- Fibel oder ABC-Buch, 1802
gens« durch »Darstellungen von Kindercharakteren in
ihren so mannichfaltigen Aeußerungen und Ansichten, 200 Neues A, B, C, Buch für den ersten häuslichen Un-
Handlungen, Sitten und Gewohnheiten«. Behandelt terricht nebst einem Lesebuche zur Erleichterung des
werden Tugenden und Laster wie Näscherei, Ungehor- Lesenlemens. Herausgegeben von G[eorg] C[arl] Clau-
sam, F7atterhaftigkeit, Adelsstolz, Großsprecherei, Vor- dius. Mit 13 illum. Kupfern. Neue verb. Aufl.- Leipzig:
witz, Faulheit, Reinlichkeit. Unbedachtsamkeit, Furcht- Schiegg(l807). 158 S. 8°
samkeit, Aberglaube, Elternliebe und Ordnungsliebe. In diesem Exemplar sind 6 Kupfertafeln vorhanden, da-
Samml. Theodor Brüggemann, Köln von 5 von Hoppe und I unsignierte.
Lesebuch mit ABC-Teil als Leitfaden for Lehrer; laut
196 Nützliche und angenehme Zeitverkürzungen für Vorrede Xnderung der Buchstabentafeln zugunsren »der
Kinder durch praktische Darstellungen erleichtert von neuern vernünftigem und viel leichtern« Methode, da
Franz Ehrenberg, dem Herausgeber des Leipziger Ta- die Tafeln der ersten Auflage »dem alten Wahne zum
1323 Bibliographie 1324

Vorschub, und Martersäulenfor die armen Kleinen wer- 204 Dass.- Nürnberg: Endter 1777. 23 ungez. BI., 604
den konnten«. Geht nach der Methode Stephanis vor. S. mit !51 Holzschnittill. i. T., !50 ungez. BI. so
UB d. TU Braunschweig Illustration wie Ausgabe 1760 Uedoch ohne die Holz-
schnittleisten und die Illustration zur Einleitung); zu-
201 Sechzig kleine Geschichten für Kinder, die gern le- sätzlich unsignierte Titelvignette in Holzschnitt.
sen lernen und sich selbst üben wollen. Von G[eorg]
StB München
C[arl] Claudius. Th. [1.]2. - Hamburg: Hoffmann
!S02/03.S 0
205 Joann[i] Arnos Comenii Orbis Pictus. Die Welt in
[I.] IS02. XXXI S., I ungez. S., 252 S. Bildern, in zwey und achtzig Abschnitte zum Gebrauch
2. [U. d. T. :] Sechzig kleine Geschichten und unterhal- der kleinsten studirenden Jugend in den kaiserl. königl.
tende Gespräche für Kinder, die lesen können, und Staaten zusammengezogen.- Wien 17SO: von Trattner.
nun auch denken lernen wollen. Mit vier Kupfern. 167 S. mit S2 Holzschnittill. i. T. so
IS03. VIII, 276 S., 2 ungez. BI.
Ornamentale Titelvignette; die Holzschnitte im Text
In Th. 2 Frontispiz und I Kupfertafel von G. C. Schule, sind unsigniert.
2 Tafeln von G. Boettger sen.
Nach Pilz die 124. Ausgabe des Orbis Sensualium Pic-
Sammlung von Beispielgeschichten in einer Rahmen- tus; in dieser Fassung erstmals 1776 bei Trattner in
handlung; gedacht als »erstes Lesebuchfor Kinder«. Wien (als 115. Ausgabe) erschienen; danach bis 1797
noch neunmal mit lateinisch-deutschem Text und 1778/
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
79 zweimal in lateinisch-böhmischer Sprache aufgelegt.
Nach der auf der Rückseite des Titelblatts gedruckten
202 Karls und Emiliens vergnügte Spielstunden. Oder:
»Erinnerung« handelt es sich um eine Auswahl aus der
neue Kinderspiele für eine gesellige, muntere und lehr-
Nürnberger Ausgabe von 1756, und zwar wurden »nur
reiche Unterhaltung von G[eorg] C[arl] Claudius. Ein
diejenigen Abschnitte aus des Comenius Werke gezo-
Geschenk auf IS04. Dem Alter von 8 bis 14 Jahren ge-
gen, welche in dem Gebrauche, forderist bey Kindern,
widmet.- Leipzig: Hinrichs IS04. 3 ungez. BI., 240S. so
allgemeiner sind«. Bearbeiter ist der Wiener Piaristen-
Frontispiz in Kupferstich von J. C. Weinrauch. pater Gratianus Marx (1 721-1810), der von 1761 bis
1770 und 1774-78 Rektor der Savoyischen Ritter-Aka-
2. Teil eines laut Kayser dreibändigen Spiel- und Be-
demie in Wien war, ferner seit 1776 auch Rektor des
schäftigungsbuches; gedacht for Kinder von 8-14 Jah-
Col/egianum Theresianum. In Instruktionen an die
ren; stellt in Anlehnung an Schummel und eingebettet in
Lehrer der 1. Lateinklasse wurde angeordnet, daß der
eine Rahmenhandlung das »Sprichwörterspiel« vor; gibt
genannte Orbis Pictus kurz nach Anfang des Schuljah-
zahlreiche Beispiele, u. a. zwei Schauspiele von Jauffret.
res den Knaben in die Hände gegeben werden solle. (Li-
Staat!. B. Regensburg; UB d. TU Braunschweig teraturnachweis bei Pilz, S. 223.) Auf diese Weise fand
das Buch in den habsburgischen Ländern weite Verbrei-
Siehe: Neues Wochenblatt für Kinder und Kinder- tung. Laut Aufdruck wurde es von 1776 bis 1797 unver-
freunde. ändert »ungebunden das Stück for 30 Kreuzer« ver-
kauft. Inhaltlich folgt die vorliegende Ausgabe in der
Reihenfolge der behandelten Gegenstände der Original-
fassung, läßt aber den am Arifang stehenden Abschnitt
Comenius, Johann Amos (1592-1670): Bischof der »Gott« aus und beginnt mit »Mundus - Die Welt«.
böhmisch-mähfischen Brüder, Pädagoge. Auch die »Seele« ist ausgelassen, ferner alles zu den
Themen Schrift und Buch, Astronomie und Geographie,
203 Joh[ann] Arnos Comenii Orbis Sensualium Pictus Sittenlehre, Spiel, Militärwesen und Krieg sowie Reli-
quadrilinguis emendatus. Hoc est: Omnium fundamen- gionen. Der Entwurf des Comenius, der die ganze be-
talium in mundo Rerum, & vita Actionum, Pictura & lebte und unbelebte Welt einschließlich sozialer Ordnun-
Nomenclatura, Germanica, Latina, Italica, & Gallica. gen und der Sphären des Geistigen und Religiösen um-
Cum Titulorum Indicibus atque Vocabulorum Dictio- faßt, ist also reduziert auf den Bereich des Gegenständ-
nariolis Accurante Carolo Coutelle.- Noribergae: J. A. lichen und Lebenspraktischen. Die Wiener Ausgabe
Endter 1760. 23 ungez. BI., 604 S. mit !54 Holzschnittill. »zum Gebrauche der kleinsten studierenden Jugend«
i. T., !52 ungez. BI. so stellt somit ein elementarisches Sach- und Sprachlehr-
buch for den gymnasialen Schularifänger dar, der auf
Zu jeder der !51 Nummern gibt es I Holzschnitt, dazu I dieser Stufe noch nicht in höheres Wissen und übergrei-
zur Einleitung und 2weitere Holzschnittleisten; 2 sind fende Zusammenhänge eingefohrt werden muß.
von Spörl und 2 von Abraham von Wert signiert.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Orbis Pictus in vier Sprachen (Lateinisch, Deutsch,
Französisch, Italienisch); gedacht als »Hülfsmittel for 206 Dass. - Ebd. 17 SI.
die Schulen«; will »die Gemüther herbey locken, daß sie
sich in der Schule keine Marter, sondern eitel Wollust, Illustration wie Ausgabe 17SO.
einbilden«; in systematischer Anordnung wird den Schü- UB d. TU Braunschweig
lern vermittelst der Einheit von Anschauung und Spra-
che »ein kurzer Begriff der ganzen Welt und der ganzen
Sprache, voller Figuren oder Bildungen, Benamungen,
und der Dinge Beschreibungen« dargeboten.
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
1325 Bibliographie 1326

Conrad, Christoph Friedrich (geb. 1743): Königlicher die Bilder und deren Bedeutung mit einem sanftmüthi-
Hofprediger in Berlin. gen Wesen erkläret und ausgeleget werden« (S. 5). Dem
Vorbericht folgt ein »Schlüssel zu diesen Biblischen Fi-
207 Geschichte der Menschheit und der Religion in Er- gur-Sprüchen« (S. 7-32), der den Wortlaut der Texte
zählungen zur Unterweisung der Jugend. [Von Chri- enthält, während aufS. 1-128 die Sprüche, die überwie-
stoph Friedrich Conrad.]- Berlin und Stralsund: Lange gend aus dem Alten Testament genommen sind, in Re-
1776. 6 ungez. BI., 30S S. so bus-Form wiedergegeben sind. Über die Geschichte der
biblischen Figur-Spruch-Bücher vgl. Knoke (1898); fer-
Ornamentale Titelvignette
ner das Nachwort von H. Göbels im Reprint einer Aus-
Historienbibel for den Gebrauch an niedrigen Schulen gabe der Cürieusen Bilder-Bibel von 1806 innerhalb der
und zur privaten Unterweisung, zum Lehrer- und El- Sammlung Die bibliophilen Taschenbücher (Dortmund
ternvortrag bestimmt; enthält 50 biblische Erzählungen 1979).
aus dem Alten Testament und 37 Erzählungen aus dem
Staats- u. StB Augsburg
Neuen Testament sowie eine Nachricht »von der Zerstö-
rung Jerusalems und Ende des jüdischen Staats«; mit
210 Dass. u. d. T.: Cürieuse Bilder-Bibel oder die vor-
beigefUgten - meist sittlichen - Belehrungen, die ver-
nehmsten Sprüche heiliger Schrifft in Figuren vorge-
schiedenen Bibelstellen entnommen sind.
stellt wodurch dieselben der zarten Jugend auf eine an-
Hess. Landes- u. HochschuiB Darmstadt genehme u: ergötzende Art bekannt gemacht werden
können.- Nürnberg: Raspein Komm. o. J. 12S S. [wo-
von die Seiten 15 und 16 nicht vorhanden sind] mit zahl-
Conseils d'un ami a un jeune Homme qui entre dans le reichen kolor. Holzschnittill. i. T. so
monde. Siehe: Grabiensky, J.
Bayer. StaatsB München

Curas, Hilmar: Pädagoge, Professor am Joachimsthali-


schen Gymnasium in Berlin. Curieuser Bilder-Catechismus

208 Einleitung zur Universalhistorie [von Hilmar Cu- 211 Curieuser Bilder-Catechismus mit zierlichen Figu-
ras] zum Gebrauchebey dem ersten Unterrichte der Ju- ren, durch dessen Gebrauch die Kinder von ihrer zarte-
gend ganz neu umgearbeitet, berichtigt und zum Ge- sten Jugend an auf eine angenehme Weise zur Erkennt-
brauch der Schulen bequemer gemacht von Johann nis der Evangelischen Warheiten können angeführet
Matthias Schröckh nebst einem Anhange der Sächsi- werden. - Nürnberg: Raspe 1773. 12S S. mit zahlr.
schen und Brandenburgischen Geschichte.- Berlin und Holzschnittill. i. T. so
Stettin: Nicolai 1774.7 ungez. BI., 52S S., 4 ungez. BI. so
Ornamentale Titelvignette
[Nebent.:] Schröckh: Lehrbuch der allgemeinen Welt-
geschichte. Das Buch enthält nach dem »Eingang des Catechismi«
fonf Hauptstücke: »Von den heiligen zehen Geboten«,
Lehrbuch for den historischen Anfangsunterricht 10 bis
»Von dem christlichen Glauben«, »Vom Gebeth«, »Von
15jähriger Schüler; behandelt die Weltgeschichte seit
der heiligen Taufe«, »Vom heiligen Abendmahl«, ab-
der Erschaffung des Menschen bis zum Jahre 1773; im
schließend »Von dem Amt der Schlüssel«. Der Kate-
Anhang zwei Abrisse der sächsischen und brandenburgi-
chismus bedient sich durchgehend der Rebus-Form, wo-
schen Geschichte.
bei bestimmte Begriffe in den Texten durch kleine, in
StB Trier Holzschnitt ausgefohrte Bilder ersetzt sind. Diese vor-
nehmlich mit Mitteln der tradierten Emblematik arbei-
tende Methode wurde in der Kinder- und Jugendlitera-
Curieuse Bilder-Bibel tur seit dem 17. Jahrhundert besonders bei biblischen Fi-
gur-Spruch-Büchern angewandt.
209 Curieuse Bilder-Bibel oder die vornehmsten Sprü-
StB Nürnberg; UB Leipzig
che heiliger Schrifft in Figuren vorgestellt wodurch der
zarten Jugend dieselben spielend in das Gedächtniß ge-
bracht und zugleich die vornehmsten Dinge in der Welt
nach ihrer Gestalt und Ansehen auf eine angenehme Curio, Johann Carl Daniel ( 17 45-1SI5): Schulmann in
und ergötzende Art bekannt gemacht werden. - Nürn- Harnburg (Leiter eines eigenen Lehr- und Erziehungsin-
berg: Raspein Comm. 1756. 32,12S S. mit zahlreichen stituts); Verfasser historischer und religiöser Schulbü-
Holzschnittill. i. T. so cher.
Frontispiz in Kupferstich, gestochen von J. C. Dehne.
212 Der Kinderfreund. Ein Lesebuch für Stadtschulen
Das Buch beginnt mit einem Vorbericht, in dem auf die von Joh[ann] Carl Dan[iel] Curio.- Braunschweig 17S2.
Tradition der Bilderschrift seit den Ägyptern hingewie- 9S S., I ungez. BI. so
sen und der Hoffnung Ausdruck gegeben wird, die Kin-
der würden »davon ihre Lust haben« (S. 4). Man ist der Ornamentale Titelvignette
Meinung, die Kinder würden »aus einem solchen Büch- Lesebuch zum Gebrauch in Stadtschulen in Anlehnung
lein innerhalb vier Wochen mehr Nutzen und Lust zu an Rochows Kinderfreund, gedacht »zur Erleichterung
Betrachtung der darinnen befindlichen schönen aus hei- des Unterrichts und zur Beförderung der Tugend und
liger Schri.fft gezogenen Sprüche haben, als aus einem Religion«; enthält überwiegend moralische Beispieler-
großen Buche in einem halben Jahre, zumal wann ihnen zählungen, eine Einfohrung in die Religion, Kinderlie-
1327 Bibliographie 1328

der und kurze Abhandlungen zur Naturkunde und zum sohn Heinrich Sandford von einem Landgeistlichen er-
Berufsleben. zogen wird und schließlich lernt, ;;alle Menschen als sei-
ne Brüder und als seines Gleichen anzusehen«.- Einge-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
flochten in die fortlaufende Erzählung sind mehrere
;;den Fähigkeiten junger Kinder angemessene« morali-
sche und sachliche Texte. Der Roman ist zum großen
Damm, Christian Tobias ( 1699-1778): Rektor am Böh- Teil in Dialogform gehalten. - Campe hat aus seiner
mischen Gymnasium in Berlin. Übersetzung des ersten Teils ein längeres Gespräch über
die Grundsätze der Erziehung und den wahren Geist des
213 Einleitung in die Götterlehre und Fabel-Geschich- Christentums fortgelassen, vermutlich weil es ihm nicht
te der ältesten Griechischen und Römischen Welt. kindgemäß erschien.
Nebst einem Anhange und nöthigen Kupfern. Durch
Christian Tobias Damm.- Berlin: Wever 1763. 3 ungez. StUB Frankfurt
BI., 286 S., 24 Kupfertaf. 8°
216 Dass. Bdch. 1.2.- Frankfurt und Leipzig 1789. 8°
Frontispiz, von C. B. Glaßbach gestochen; die weiteren
23 Kupfertafeln sind unsigniert. I. XVI, 222 S.
2. 252 s.
Lehrbuch zur antiken Mythologie in Paragraphen als
Anleitung for die heranwachsende Jugend im Unterricht StudienB Dillingen
an öffentlichen Schulen und zur außerschulischen Lek-
türe; das Werk behandelt Entstehung und Bedeutung
der Haupt- und Halbgötter, Allegorien und einiger Hel- Carl Delile, ein Handbuch f"ür junge Knaben. Siehe:
densagen in Anlehnung an Homer und ihre Darstellung Sulzer, Johann Rudolf.
in der bildenden Kunst.
Staats- u. StB Augsburg Das Denkmal in Arkardien. Siehe: Weiße, Christian
Felix.

Dassel, Christian Conrad Jakob (1768-1845): Lehrer,


Prediger und Hauptpastor in Stadthagen. Desbillons, Francois-Joseph ( 1711-1789): Französi-
scher Humanist.
214 Merkwürdige Reisen der Gutmannsehen Familie.
Ein Weihnachtsgeschenk für die Jugend. Von 217 [Francois-Joseph] Desbillons Fabeln, ein teutsches
Chr[istian] Conr[ad]Jakob Dassel. Th. 1-4.- Hannover Lese- oder lateinisches Uebungsbuch für junge Anfän-
Hahn 1797-1805. kl. 8° ger, in Hinsicht auf ihre Bildung ausgewählt, und von
[Albert Xaver] Weinzierl mit einer Vorrede begleitet.-
I. 3., verb. Aufl. 1805. XII, 244 S. München: Lindauer 1792. XXXIV, 224 S., 4 ungez. BI.
2. 2., verb. Aufl. 1800. 2 ungez. BI., 266 S. 8"
3. 1797.2 ungez. BI., 268 S.
4. 1797. 2 ungez. BI., 268 S. Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
EA. lt. Wegehaupt (1979) 1795-97 (Ky 1795).- Reise- Auswahl von 192 Fabeln aus Desbillons Fabulae Aeso-
beschreibung; gedacht als »Lesebuchfor Kinder«. Das picae (1754-1757), ins Deutsche übersetzt und in Prosa
Werk soll ;;zu keiner Hauptsache der Verstandesbildung gehalten; der Übersetzer bleibt ungenannt; Vorrede
gemacht werden«, sondern soll ;;fiir eine Nebenstunde, stammt von Albert Xaver Weinzierl; an ;;Jünglinge«
die den Beinamen gemeinnützige fUhren könnte« be- adressiert; soll als ;;getreue Uebersetzung« bei der Lek-
nutzt werden. türe des lateinischen Originals als Hilfe herangezogen
werden.
Dt. StaatsB Berlin (Th. 1-4); StB Braunschweig (Th.
1.2) UB d. TU Braunschweig

Desing, Anselmus (1699-1773): Benediktiner, Abt zu


Day, Thomas(1748-1789): Jurist, Politikerund Schrift-
Ensdorf. Siehe Sp. 1222
steller.
218 Hinlängliche Schul-Geographie für Junge Leute,
215 Geschichte Sandford's und Merton's für Kinder
erzählt. Aus dem Englischen (des Thomas Day). (Bdch. Auf Eine solche Art vorgetragen, Daß die Studierende
I.: Hrsg. vonJ[oachim] H[einrich] Campe.) Bdch. 1-3.- Jugend Bey öfterm Gebrauche Damit mehr ergötzet, als
beladen werde. Verfasset von Anselmus Desing. 3.
Braunschweig: Schulbuchhandl. 1788/91. kl. 8°
verm. und verb. Aufl.- Salzburg: Mayr 1761.4 ungez.
I. 1788. Xliii, 204 S. BI., 442 S., 27 ungez. BI., 5 Faltktn. 8°
2. 1788. 272 s.
Geographisches Lehrbuch for die männliche Jugend
3. 1791.348S.
zum Gebrauch im Schulunterricht; Abhandlung geogra-
In Bdch. I und 2 unsigniertes Frontispiz in Kupferstich. phischer, historischer, staatskundlicher und naturwissen-
schaftlicher Themen in Dialogen (Frage- mehrere Ant-
Roman for - vornehmlich ;;sehr junge« - Kinder; will
worten). EA lt. Heins. 1750. - AusfUhrliehe Beschrei-
die ;;Herzen der Kinder bilden und interesiren«. Erzählt
bung siehe Sp. 951
wird die frühe Erziehung des adelstolzen kleinen Jun-
kers Thomas Merton, der zusammen mit dem Pächters- Bayer. StaatsB München
1329 Bibliographie 1330

Dessauische Zeitung 5. 1788. 428 s.


6. 1789.460 s.
219 Dessauische Zeitung für die Jugend und ihre 1790. 843 Sp.
Freunde. [Hrsg. von Rudolf Zacharias Becker.] 1791. 905 Sp. [Stück 49 fehlt im vorl. Ex.]
1782/83.- 0. 0. 1782/83. 8° 1792. 880 Sp.
1794. 924 Sp.
1782. I. Vierteljahr (Juli-Sept.) Mit einem vierfachen
1795. 880 Sp.
Register. 2 ungez. BI., 7 S., I ungez. S., 96 S., 4 un-
gez. BI. Anm.: Die Wochenhefte enthalten häufig eine » Beyla-
2. Vierteljahr (Sept.-Dez.) Mit einem vierfachen ge zu der deutschen Zeitung (für die Jugend und ihre
Register. 2 ungez. BI., S. I 01-208. Freunde)«, zusätzlich ist vielen Heften der Jahrgänge
1783. I. Vierteljahr. Mit einem vierfachen Register. 2 1789/90 ein »Intelligenz-Blatt zur Deutschen Zeitung«
ungez. BI., 96 S., 2 ungez. BI. beigefügt.
2. Vierteljahr. Mit einem vierfachen Register. 2
Wochenschrift for »junge Leute beyderley Geschlechts
ungez. BI., S. 97-208.
von reifem Alter, nicht for eigentliche Kinder« sowie for
3. Vierteljahr. Mit einem vierfachen Register. 2
»Erwachsene, welche keine Gelehrte oder Staatsmänner
ungez. BI., S. 209-312.
von Profeßion sind«; berichtet über in- und ausländische
4. Vierteljahr. Mit einem vierfachen Register. 2
Begebenheiten mit dem Ziel, »daß man nützliche
ungez. BI., S. 313-416.
Kenntnisse, Lehren der Weisheit und Beweggründe zur
Omamentale Titelvignette bei den Vierteljahrsheften, Tugend daraus schöpfen könne«. - AusfUhrliehe Be-
die gleiche jeweils am Beginn der einzelnen Stücke. schreibung der Jahrgänge 1784-1787 siehe Sp. 293
Jugendzeitschrift in der Tradition der moralischen Wo- StUB Frankfurt (Bd 1.2); GymnasialB Speyer (Bd 3.4);
chenschriften. Neben der Wissensvermittlung veifolgt sie StB Mainz (Bd 5.6. Jg 1790/91 ); Univ.- u. LB Sachsen-
vor allem das Ziel, durch das Vorbild guter und das ab- Anhalt, Halle (Jg 1792); Dt. StaatsB Berlin (Jg 1794/95)
schreckende Beispiel schlechter Handlungen und deren
»Verhältnis zur Menschenglückse/igkeit« erziehend zu
wirken. Die Zeitung behandelt in zahlreichen Kurzbei- Deutsches ABC. Siehe: Günther, Kar! Ehrenfried.
trägen politische und kulturelle Themen, meldet Nach-
richten und enthält darüberhinaus eine Fülle eingesand-
ter Briefe. - Vgl. auch Beschreibung der Deutschen Zei- Deutsches Lesebuch für die Jugend. Siehe: Splittegarb,
tung, Sp. 293 Carl Friedrich.
UB Leipzig
Deutschland oder der reisende Kaufmann. Siehe: Mey-
nier, Johann Heinrich.
Deutliches Rechenbuch für Kinder

220 Deutliches Rechenbuch für Kinder, auch fürdieje-


nigen faßlich, welche für sich, und ohne alle andere per- Die, cur hic! oder lateinische Fibel ... Siehe: Günther,
sönliche Unterweisung rechnen lernen wollen, beson- Karl Ehrenfried.
ders aber für die Jugend auf dem Lande.- Lübeck: Do-
natius 1787. 4 ungez. BI., 182 S. 8°
Dodd, William (1729-1777): Prediger, Kaplan in Lon-
Mathematisches Lehrbuch besonders for Landkinder; don.
der Unterricht ist eingekleidet in eine Unterhaltung zwi-
schen einem Vater und seinem Sohn Heinrich; es will 222 Predigten für Jünglinge von Wilhelm Dodd. Aus
den Stoff Kindem »so faßlich und so leicht« wie mög- dem Englischen übersetzt vonJ[ohann] C[aspar] Velthu-
lich vortragen; es bietet neben den Grundrechenarten sen. Bd 2.- Lemgo: Meyer 1773.456 S. 8°
auch Thara-, Rabatt- und Rentenrechnung und etwas
über Wechselberechnung. Lt. Kayser handelt es sich um eine dreiteilige Predig-
sammlung for Jünglinge, die 1772-1774 erschienen ist.
Bayer. StaatsB München Der vor/. zweite Band enthält die 9. bis 13. Predigt, die
folgende Themen haben: Spott, Vergnügen, Unkeusch-
heit, Unmäßigkeit und Spiel.
Deutsche Zeitung
HAB Wolfenbüttel
221 Deutsche Zeitung (Bd 1-4: fürdie Jugend und ihre
Freunde) oder Moralische Schilderungen der Men-
Doddridge, Philipp ( 1702-1 751): Englischer Theologe.
schen, Sitten und Staaten unsrer Zeit. (Bd 6ff: Mit be-
sonderer Rücksicht auf Deutschland.) (Hrsg. von
223 Phitipp Doddridge Reden an die Jugend, Ihrer
Rud[olph] Zachar[ias] Becker.) Bd 1-6 (1784-89). Jg
Würdigkeit halber, und in Hofnung vieler Erbauung,
1790-92. 1794/95.- 0. 0. (Jg 1790ff: Gotha: Selbst-
aus derengländischen Sprache übersetzet von Friedrich
ver!.) 1784-95. 8°
Eberhard Rambach.- Magdeburg und Leipzig: Seidel
I. 1784. 212 s. und Scheidhauer 1752. 8 ungez. BI., 464 S. 8°
2. 1785. s. 211 [!}-426.
Omamentale Titelvignette
3. 1786. 3 ungez. BI., 422 S.
4. 1787.434S. Predigtsammlung for Kinder und Eltern; enthält zwölf,
1331 Bibliographie 1332

jeweils in »Vorbereitung«, »Abhandlung« und »Schll(/1- 226 Lehren für Jünglinge zur weisen und glüklichen
anwendung« gegliederte Kapitel, denen stets ein Bibel- Führung ihres Lebens. Von Christian Friedrich Dotzau-
text vorangestellt ist. Die Reden eins bis sieben wenden er.-Koburg:Abl[richtig:Ahl]1790.104S. so
sich insbesondere an die Jugend, die Reden acht bis
Christliche Lebensregeln for junge Männer »aus gesitte-
zwölf an die Eltern und stellen Betrachtungen über eine
tem Stande«, die vor dem Eintritt ins Berufsleben ste-
»gottselige(r) Erziehung der Kinder« an.
hen; die »Schilderungen« und »Charakterzeichnungen«
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; HAB Wolfenbüttel sollen »den jungen Mann aufmerksam auf sich selbst
und andere machen« und ihn »zum reifem Nachdenken
über den wichtigsten Gegenstand des Lebens«, die Reli-
Dörrien, Daniel Ludolf gion, bewegen. Enthält Abschnitte zur Bedeutung der
Religion, zu den Mitteln ihrer Bewahrung und des
224 Exempelbuch zum Hannöverischen Landeskate- Kampfes gegen aufkommende Zweifel, zum gesell-
chismus mit Fragen, kurzen Anreden und Liederversen schaftlichen Umgang und der Wahl der Freunde sowie
begleitet für Kinder und Kinderlehrer, herausgegeben zum Leiden.
(H. I: und bearbeitet) von Daniel LudolfDörrien (H. 2-
HAB Wolfenbüttel; Bayer. StaatsB München
4: von D. L. D.) H. 1-4.- Hannover.: Hahn 179S-IS02.
so
1. 2. verb. Aufl. IS02. XX, 122 S. Dramatische Kinderspiele. Siehe: Pfeffel, Gottlieb Kon-
2. 179S. 203 S., I ungez. S. rad.
3. 1799.252 s.
4. 1SO 1. 260 S., 1 ungez. BI.
Religiöses Lesebuch in vier Lieferungen for den kateche- Dramatische Unterhaltungen zur Belehrung und zum
tischen Religionsunterricht; enthält zu einzelnen Lehren Vergnügen junger Personen. Siehe: Pinchard,- (Mrs.)
des Hannoverischen Landeskatechismus jeweils eine
Beispielgeschichte, eine Anzahl von Fragen, eine kurze
Betrachtung und Anrede und einige Verse. Es will den Dramen zur Belehrung
Religionsunterricht »angenehm und eindringlich« ma-
chen, was »durch lehrreiche, unterhaltende und erläu- 227 Dramen zur Belehrung junger Frauenzimmer,
ternde Geschichten und Erzählungen, durch Hinweise nach ihrer ersten Erziehung, von einer englischen Da-
auf Exempel geschehen (könne), welche nicht bloß den me. [Aus dem Eng!. übers. von Christian Felix Weiße.]
Verstand, sondern auch die Einbildungskraft beschäffti- Th. 1. 2.- Leipzig. Weidmann und Reich 17S7. so
gen, die praktische Vemurift üben ... « Lt. Kayser ist 1. XX, 352 S.
die erste Ausgabe des ersten Heftes 1798 erschienen. 2. 343 s.
HAB Wolfenbüttel Sammlung von sechs Theaterstücken zur Unterhaltung
und moralischen Belehrung »junger deutscher Frauen-
zimmer von einem gewissen Stande«; die Absicht der
Dommerich, Johann Christoph (1723-1767): Rektor englischen Autorin gehe »auf die jungen Frauenzimmer
der herzoglichen Schule zu Wolfenbüttel; Subprior des ( .. .), die in die Welt eintreten und sich auf die Verhält-
Klosters Ridagshausen, ab 1759 ordentlicher Professor nisse, vorbereiten sollen«; die ersten beiden Stücke sol-
der Logik und Metaphysik an der Universität Helm- len das Mißtrauen gegenüber Stiefmüttern abbauen,
stedt. Stück 3 und 4 die forehierliehen Folgen eines »zerstreu-
te(n) Leben(s)« aufzeigen, das fonfte Stück behandelt
225 Theologisches Compendium zum Gebrauch der die »Thorheit und das Hassenswerthe des Stolzes« und
Schulen verfertiget von Johann Christoph Dommerich. Stück 6 stellt eine gut- und eine schlechterzogene Toch-
- Halleund Helmstedt: Hemmerde 1759. 26ungez. BI., ter vor.
21SS.8°
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Ornamentale Titelvignette
In Paragraphen abgefaßtes theologisches Lehrbuch for
höhere Schulklassen, das zwischen dem Katechismus Drey Bücher Fabeln für allerley Leser. Siehe: Meinek-
und den akademischen Lehrbüchern steht und »Haupt- ke, Johann Heinrich Friedrich.
wahrheiten« der Religion samt »deutlichen Beweisen«
enthält. Die ausfUhrliehe Vorrede legt dar, welche Ei-
genschaften ein theologisches Kompendium for den Dreyhundert neue Räthsel
Schulgebrauch besitzen muß.
HAB Wolfenbüttel 228 Dreyhundert neue Räthsel für Gesellschaften bey-
derley Geschlechts. Zur angenehmen Unterhaltung. -
Frankfurt und Leipzig 17Sl. S2 S. so
Dortgens Reise von Göttingen nach Franken und wieder Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
zurück. Siehe: Schlözer, August Ludwig von.
Sammlung von 300 Rätseln und Scherzfragen mit Lö-
sungsteil im Register.
Dotzauer, Christian Friedrich ( 17 64-1794): Diakon zu UB Erlangen-Nürnberg, Erlangen
Sommerfeld (Fürstentum Hildburghausen).
1333 Bibliographie 1334

Ducray-Duminil, Fran~is Guillaume (1761-ISI9): Re- Provinz. Verfasset Von einem PriestererwehnterGesell-
dakteur in Paris. schaft [d. i. Max. Dufresne]. Wercklein 4, von denen Kö-
nigreichen und anderen Landschaften der Welt.- Augs-
229 Lalotte und Fanfan oder die Begebenheiten zweyer purg und Insprugg: Wolff 1750. S ungez. BI., 235 S., 22
auf eine wüste Insel ausgesetsten (Th. 3.4: ausgesetzten) ungez.S. so
Kinder. Eine Robinsonade. [Von Frans:ois Guillaume
UStB Köln
Ducray-Duminil.] Nach dem Englischen [vielmehr
Franz. von Fr. Schmit]. Th. 1-4.- Wien und Prag: Haas
IS02.S 0 Du Puy La Chapelle, N.: Französischer Schriftsteller
im frühen IS. Jahrhundert.
1.2. 3 ungez. BI., 236 S.
3.4. 253 s. Die Pflichten eines in die Welt trettenden Jünglings,
In Theil 1.2 unsigniertes gestochenes Frontispiz und Ti- 1760
telvignette, in Th. 3.4 von L. Maillard erfundenes und 232 Die Pflichten eines in die Welt trettenden Jünglings
von S. Mansfeld gestochenes Frontispiz, unsignierte Ti- vorgetragen von einem zärtlichen Vater. Aus dem Fran-
telvignette. zösischen des [N.] Du Puy [La Chapelle]. 2. Aufl. -
EA. 1789/90 (lt. Wegehaupt). Augsburg: Klett 176S. 16 ungez. BI., 464 S. so
UStB Köln Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Erste französische Ausgabe lt. Vorr. 1697; deutsche
Übersetzung erstmals 1760 (Vorr.) - Väterlicher Rat für
Dufresne, Max. Jünglinge, »welche schon gebildet, und deren Neigun-
gen von der zärtesten Jugend an, durch die sorgfältigste
230 Historischer (Wercklein 5: Geographischer) An- Erziehung, dergestalt geordnet worden sind. daß, wenn
fang [lat. und deutsch], Oder Kurtze und leichte Weise, sie im Begriff stehen, in die Welt zu fretten, sie daselbst
die Catholische Jugend in der Historie zu unterrichten, mit Ehren erscheinen, den Reizungen der Laster wider-
Für die Schulen der Gesellschaft Jesu in der Ober-Teut- stehen, und in Erfüllung ihrer f1/ichten ihr einziges Ver-
schen Provintz. Verfasset Von einem Priestererwehnter gnügen finden mögen«.
Gesellschaft [d. i. Max. Dufresne]. Wercklein 1-6. - Bayer. StaatsB München
Augspurg: Wolff 1735-43. so
I. Von den Biblischen Geschichten. 1741. S ungez. Die Pflichten eines jungen Frauenzimmers, 1769
BI., 209 S., 5 ungez. S. 233 Die Pflichten eines jungen Frauenzimmers wie es
[2.] Anderes Wercklein. Von den vier grossen Monar- sich fromm und wohlanständig in der Welt aufführen
chien. 1743. S ungez. BI., IS7 S., 3 ungez. S. solle vorgetragen von einem zärtlichen Vater. Aus dem
3. Fortsetzung der Römischen Monarchie. 1740. S un- Französischen des [N.] Du Puy [La Chapelle]. 2. Aufl.-
gez. BI., 297 S., 7 ungez. S. Augsburg: Klett 1771.6 ungez. BI., 404 S. so
4. Von denen Königreichen und anderen Landschaf-
ten der Welt. 4. Aufl. 1737. S ungez. BI., 235 S., 25 Titelvignette in Kupferstich, signiert mit ))K. W.«
ungez.S. EA. (Übersetzung) lt. Ky.; im Buch Vorrede zur 3. Aufl.
5. [U. d. T. :] Geographischer Anfang, - · Nebst ei- ohne Datierung. - Väterlicher Rat für junge Mädchen;
nem Anhange von der Wapen-Kunst. 1736. S un- enthält religiöse und moralische Ermahnungen in Hin-
gez. BI., 197 S., 3 Kupfertaf., davon 2 auf Faltbl. blick auf ihre f1/ichten als künftige Gattin, Mutter und
Nebst: Appendix De arte Scutaria sive Heraldica. Hausfrau.
Anhang Von der Heraldischen oder Wapen-Kunst.
31 S., 5 Kupfertaf., davon I aufFaltbl. Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt; Fürsti.-Wald-
6. Kurtzer Begriff der Kirchen-Historie. 3. Aufl. 1735. burg-Zeil'sches Archiv, Schloß Zeil
7 ungez. BI., 279 S., 13 ungez. S.
Ebeling, M. Fr. (1756-17S5): Lehrer an der Domschu-
Die Kupfertafeln sind nicht signiert.
le zu Halberstadt.
Umfangreiches Schulgeschichtsbuch in lateinischer und
deutscher Sprache und in Frage-Antwort-Form; hat 234 Römische Kaiser-Geschichte. Ein Lesebuch für
»viel denckwürdigste Sachen woh/bedächtlich ausgelas- Kinder von 7 bis 15 Jahren. Von H. M. F. [richtig: M.
sen«. um die Schuljugend nicht mit Stoff zu übeifrach- Fr.] Ebeling. Eine Fortsetzung der Geschichte Roms für
ten; verzichtet azifQuellenangaben; behandelt in den er- Kinder von gleichem Alter.- Leipzig: Weygand 17S5.
sten drei Bänden die biblische und antike Geschichte, in 327 s. so
Bd 4 zunächst Deutschland, sodann die europäischen
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Monarchien und Republiken und in einem kurzen,
30seitigen Schlußkapitel die außereuropäischen Konti- Darstellung der römischen Geschichte von Augustus an
nente; EA 1726/27 (Holzmann-Bohatta). bis ins 15. Jahrhundert unter Einschluß der Konstanti-
nopels; Fortsetzung von Kar/ Christoph Reiches ge-
UStB Köln
schichtlichem Lesebuch von 1778, dessen Konzeption
übernommen wird; unterhaltendes Lesebuch für die Er-
231 Dass. u. d. T.: Historischer Anfang [lat. und
holungsstunden mit eingefügten moralischen Belehrun-
deutsch], Oder Kurze und leichte Weise, die Catholi-
gen.
sche Jugend in der Historie zu unterrichten, Für die
Schulen der Gesellschaft Jesu in der Ober-Teutschen UB Leipzig
1335 Bibliographie 1336

Ebert, Johann Jacob (1737-1805): Gelehrter und 239 Unterweisung in den Anfangsgründen der vor-
Schriftsteller in Wittenberg. Siehe Sp. 1222 nehmsten Theile der practischen Philosophie zum Ge-
brauch der Schulen herausgegeben von Johann Jacob
235 Kurze Unterweisung in den Anfangsgründen der Ebert.- Leipzig: Hertel1784. 8 ungez. BI., 328 S. 8°
Naturlehre zum Gebrauch der Schulen herausgegeben Ornamentale Titelvignette
vonJohannJacob Ebert. Mit Kupfern.- Leipzig: Hertel
1775. XX, 264 S., 4 Kupfertaf. 8° »Systematische Vorlesungen über die moralische Wis-
senschaft«, die in 3 Abschnitten von den »allgemeinen
Ornamentale Titelvignette; die Kupfer sind nicht si- Gründen der praktischen Philosophie«, von den »natür-
gniert. lichen Gesetzen und J1lichten«, schließlich von den »Re-
Naturkundliches Lehrbuch for den >)ersten Anfänger« geln der Klugheit« handeln; in Paragraphen eingeteiltes
und for den Gebrauch auf »niedem Schulen«; in Para- Lehrbuch.
graphen abgefaßt; behandelt in 15 Kapiteln u. a. fol- Bayer. StaatsB München
gende Themen: Körper, Bewegung, Schwere, Licht, die
vier Elemente, magnetische und elektrische Materie, Er- Nebenstunden eines Vaters, 1790
de und Weltkörper; in der Vorr. wird die zunehmende
Menge von Lehrbüchern in allen Wissenschaften aus- 240 Nebenstunden eines Vaters dem Unterrichte seiner
drücklich begrüßt. Tochter gewidmet, von Johann Jacob Ebert. Neue,
verm. und verb. Aufl.- Leipzig: Weidmann 1795. 5 un-
UBMünster gez. BI., 292 S. 8°
Väterlicher Rat for Mädchen aus dem gehobenen Bür-
236 Johann Jacob Ebert Natürliche Geschichte, aus gertum; liefert einen Abriß dessen, was eine Frau zur
seiner näheren Unterweisung in den philosophischen Erreichung eines glücklichen Lebens als Gattin, Mutter
und mathematischen Wissenschaften, herausgegeben und Hausfrau zu beachten hat, und soll Mädchen das
und mit einer Vorrede begleitet von Heinrich Sander.- Nachdenken über ihre »frauliche Bestimmung« erleich-
Carlsruhe: Macklott 1776.64 S. 8° tern. EA lt. Ky.
Ornamentale Titelvignette Nieders. LB Hannover
Naturkundliches Lehrbuch, in Paragraphen abgefaßt;
behandelt das Tier-, J11anzen- und Mineralreich; geson- 241 Fabeln und Erzählungen für Kinder und junge
derte Publikation des Abschnittes »Natürliche Geschich- Leute beyderley Geschlechts. Von Johann Jacob Ebert.
te« aus J. J. Eberts Lehrbuch Unterweisung in den phi- -Leipzig: Seeger 1798. VIII, 261 S. 8°
losophischen und mathematischen Wissenschaften Frontispiz und Titelvignette in Kupferstich von und
(1 773); lt. Vorrede von Sander sowohl an »junge Stu- nach W. Jury.
dierende« wie an Schüler gerichtet, »die Künste und
Handwerke treiben werden«; adressiert auch an künfti- Zweiteilige Sammlung mit 43 Fabeln und Beispielerzäh-
ge Lehrer der »Landschulen«. lungen fiir Mädchen und Knaben; Teil 1. wendet sich
an die »kleinere Jugend«, Teil 2. ist auchfor »erwach-
UStB Köln sene Personen« bestimmt; sämtliche Texte sind in Prosa
abgefaßt und enthalten eine am Schluß als Lehre for-
237 Naturlehre für die Jugend. Herausgegeben von Jo- mulierte lebenspraktische Moral. - Ausfohrliche Be-
hann Jacob Ebert. Mit(48) Kupfern. Bd 1-3.- Leipzig: schreibung siehe Sp. 463
Weidmann und Reich 1776-78. 8° Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
I. 1776.XXVI,384S., Taf. Nr.l-22.
2. 1777. XXII, 342 S., Taf. Nr. 23-34.
Eckartshausen, Karl von (1752-1803): Hofrat, Jurist
3. 1778. 8 ungez. BI., 368 S., Taf. Nr. 35-48.
und Schriftsteller. Siehe Sp. 1223
Ornamentale Titelvignette in allen Bänden; in Bd
Frontispiz von C. L. Crusius nach J. W. Mechau; die 242 Ein Bändchen Erzählungen zur Bildung junger
Kupfertafeln (z. T. auf Faltb1ättern) sind nicht signiert. Leute, die sich richterlichen Geschäften weihen aus all-
täglichen Handlungen gezogen von Kar! von Ekarts-
Umfangreiche Naturlehre und Naturgeschichte in Brief-
hausen.- München: Strobl 1782. 126 S. 8°
form for Kinder von zehn bis zwölf Jahren; soll Eltern
und Hofmeistem ein Mittel sein, Kindem einen » Vorge- Frontispiz, gestochen von G. M. Weißenhahn; orna-
schmack« von diesen Wissenschaften zu vermitteln; rei- mentale Titelvignette.
che Kupferillustrierung. - Ausfohrliche Beschreibung
Sammlung von 9 längeren Erzählungen, die sich mit
siehe Sp. 1010
menschlichen Veifehlungen befassen; wendet sich an
UStB Köln (Bd 1.2); Nieders. Staats· u. UB Göttingen bayerische Jünglinge, die sich auf das Richteramt vorbe-
(Bd I. 2); StUß Frankfurt (Bd 3) reiten; will diesen deutlich machen, »wie sehr Menschen
unsrer Hülfe bedöifen und unsers Mitleidens würdig
sind«. - 1. Teil eines vierbändigen Werkes (lt. Ky 1782-
238 Dass. Neue, verm. und verb. Aufl. Bd 3. - Ebd.
85).
1787. XVI, 516 S., 16 kolor. Kupfertaf. 8°
Bayer. StaatsB München
Im Gegensatz zur Erstausgabe eine zusätzliche Kupfer-
tafel, gestochen von J. S. Capieux.
243 Die beleidigten Rechte der Menschheit, oder Rich-
UBLeipzig tergeschichten aus unserm Jahrhundert, zur Bildung
1337 Bibliographie 1338

junger Leute, die sich richterlichen Geschäften weihen, wort-Form abgefaßt und enden jeweils mit Versen aus
von Kar! von Ekartshausen. Bdch. 2.- München: Strobl dem Braunschweigischen Gesangbuch.
1783.144S.8°
HAB Wolfenbüttel
Frontispiz, gestochen von Weißenhahn.
Sammlung von 9 Beispielerzählungen aus dem Bereich
der Rechtsprechung, die angeblich auf Gerichtsakten zu- Ehrenberg, Franz: siehe: Claudius, Georg Carl.
rückgehen; gedacht for angehende Richter. Siehe auch
Nr. 242.
Ehrenreich, Joseph Anton von: Ordentlicher Professor
Bayer. StaatsB München bei der Akademie zu Stuttgart, Sprachlehrer.
244 Ueber Religion, Freydenkerey und Aufklärung, ei- siehe: H:nelon, Francois de Salignac de Ia Mothe: Les
ne Schrift zu den Schriften unsrer Zeiten, der Jugend ge- Avantures de Telemaque.
weiht. Von Kar! von Eckartshausen.- München: Strobl
1786. 191 S. 8°
Frontispiz und Titelvignette, von Weißenhahn gesto- Ehrmann, Marianne (1735-1795): Gouvernante, dann
chen. Schauspietenn (unter dem Namen Sternheim), später
Sittenschrift for die erwachsene männliche Jugend; ent- Schriftstellerin.
wickelt das Verhältnis von Religion und Philosophie,
Tugend und Moral in Hinblick auf eine Definition des siehe: Amaliens Erholungsstunden.
Aufklärungsbegriffes, verbunden mit kritischen Stellung-
nahmen zu den bestehenden Verhältnissen.
Ekkard, Friedrich ( 17 44-1819): Privatdozent in Göttin-
Nieders. Staats- u. UB Göttingen gen, anschließend Bibliothekar in Kopenhagen.
siehe: Bibliothek für Mädchen, nach den Stuffen des 247 Etwas aus teutscher Geschichte mit sechs Kupfern
Alters eingerichtet. von Rode gezeichnet. Von Friedrich Ekkard.- Frank-
furt und Leipzig: Weigel und Schneider 1784.32 S. 8°
Anm.: Auch enthalten in: Nürnbergischer Kinder-Al-
Eckhardt, Johann Georg (geb. 1754): Schulmeister und
manach. 1784.
Organist zu Großhennersdorf (Berlausitz).
Ornamentale Titelvignette und 6 Kupfertafeln von C. B.
245 Schulbuch für Kinder, besonders in Dorfschulen, Rode.
die bereits lesen können, zur zweckmässigen Bildung ih-
Kurzer Geschiehtsahriß ohne chronologische Folge; be-
res Verstandes und Herzens, durch fernere Uebung im
handelt Herrmann den Cherusker, die Goten und Fran-
Lesen und Denken. Von Johann Georg Eckhardt. -
ken und schließt mit einer Würdigung Maria Theresias
Görliz: Unger 1796. VIII, V S., S. 14-318. 8°
und Josephs li.
Schulenzyklopädie; faßt den gesamten Wissensstoff zu-
UB Tübingen; Dt. StaatsB Berlin
sammen, über den die Kinder von DorfSchulen veifügen
müssen; enthält eine kurze »Biblische und Religionsge-
248 Kleine Sammlung nützlicher Kenntnisse für Kin-
schichte«, eine Lebensgeschichte Luthers, eine Beschrei-
der und Kinderfreunde von Friedrich Ekkard.- Frank-
bung der biblischen Bücher und der Religionsgebräuche,
furt und Leipzig: Weigel und Schneider 1784. S. 5-144.
einen Absatz über Naturlehre und Naturgeschichte, ei- 8o
nen über Geographie und Geschichte, christliche Le-
bens- und Sittenregeln for Kinder, schließlich ein Anm.: Auch enthalten in: Nürnbergischer Kinder-Al-
Fremdwortverzeichnis und eine Währungstabel/e. manach. 1784.
UB d. TU Braunschweig Natur- und völkerkundliches Lehrbuch .filr Kinder sowie
for »Kinderfreunde oder Lehrer ( .. .) als Leitfaden ih-
res Unterrichts« zur Vermittlung »der gemeinnüzzigsten
Edelmuthin Niedrigkeit. Siehe: Weiße, Christian Felix. Grundkenntnisse«; eine 2. Abteilung wendet sich nur an
Erwachsene und enthält methodische Überlegungen
zum Schulunterricht, Abhandlungen über Höflichkeit,
Eggers, Bernhard Friedrich: Superintendent der Harz- Heilkunde und das Reisen und schließt mit dem Lied ei-
burger Inspektion und Pastor zu Harlinderode. nes Knaben.
UB Tübingen
246 Bernhard Friedrich Eggers Unterricht von den
Feiertagen der evangelischen Kirche zum Gebrauch bei 249 Allgemeine Uebersicht der Erd- und Naturkunde
der Jugend.- Goslar: Kireher 1784. 158 S., I ungez. BI. für Kinder und Kinderfreunde mit Kupfern Rosenblät-
8o ter. (Aus dem Franz. des D. Hollandre neu bearb. von
Ornamentale Titelvignette Fr[iedrich] Ekkard.)- Nürnberg: Schneider 1792.9 un-
gez. BI., 184 S. 8°
Religiöses Lehrbuch for die Jugend, das den Zweck und
Sinn, wie die Art der Stiftung kirchlicher Feiertage dar- Unsigniertes Frontispiz und Titelvignette.
legen will. Die Kapitel sind in katechetischer Frage-Ant- Naturkundliches Lehrbuch for Kinder von 12-14, in
1339 Bibliographie 1340

einzelnen Kapiteln für solche von 8-10 Jahren; handelt Ursprünglich »Lustspiel für Kinder« genannt. Dramati-
im ersten Teil von Mineralien, Gewässern, der Erde, der sierung eines anekdotischen Vorfalls: Ein Fürst wird
Witterung und der Zeitrechnung sowie vom f1lanzen- durch einen Zufall auf die herzliche Güte und tugend-
reich; der zweite Teil beschäftigt sich zunächst mit den hafte Reinheit seines neuen Pagen aufmerksam, dessen
Säugetieren und dem Menschen und gibt dann eine kindliche Unschuld ihn rührt. Er hilftder Mutter des Pa-
Darstellung einzelner Tierarten; die Kupfer sind lt. Vor- gen aus ihrer unverschuldeten Armut und übernimmt die
rede nach Buffons Histoire Naturelle entworfen; eine Erziehung des Knaben. - Ausführliche Beschreibung
zweite Vorrede stammt von dem holländischen Natur- siehe Sp. 113
forscher Hol/andre.
Bayer. StaatsB München
StB Nürnberg
253 Dass. u. d. T.: Der Edelknabe. Ein Lustspiel für
siehe: Nürnbergischer Kinder-Almanach. Kinder in einem Aufzuge von J[ ohann] J[ akob] Engel. 2.
Aufl.- Leipzig: Dyck 1776. 64 S. 8°

Elementarbuch für Kinder in deutschen Schulen. Siehe: Titelvignette in Kupferstich von C. G. Geyser nach J. W.
Boysen, Friedrich Eberhard. Mechau.
HAB Wolfenbüttel

Elisa oder das Weib wie es seyn sollte. Siehe: Wobeser, 254 Fürstenspiegel. [Von Johann Jakob Engel.]- Ber-
Wilhelmine Karoline von. lin: Unger 1798. VI S., 1 ungez. BI., 308 S., I ungez.
BJ. 8o

Elisa's des Weibes wie es seyn sollte Vermächtniß Morallehrefür junge Prinzen »und besonders solche, die
zum Regieren bestimmt sind«; entwirft das Idealbild ei-
250 Elisa's des Weibes wie es seyn sollte Vermächtniß nes aufgeklärten sparsamen und auf das Wohl seines
für ihre Tochter Henriette. 2. Aufl mit 1 Kupfer.- Leip- Volkes bedachten Fürsten. In unausgesprochener Ableh-
zig, Elberfeld: Büsehier 1802. VIII, 224 S. 8° nung der französischen Revolution werden Duodezabso-
lutismus und adelige Willkür kritisiert und Menschen-
Unsigniertes Frontispiz würde und »Denkfreiheit« gefordert.
Elterlicher Rat für junge Mädchen; will gleichermaßen UStBKöln
belehren und unterhalten und Deutschlands Töchter
durch »Maximen und Vorschriften der Weisheit und
Tugend« auf ihre künftigen f1lichten als Gattin, Mutter Engelhard, Magdalene Philippine (1756-1831): Deut-
und Erzieherin vorbereiten. sche Lyrikerin. Siehe Sp. 1223
UB Heidelberg 255 Neujahrs-Geschenk für liebe Kinder, von [Mag-
dalene] Philippine Engelhard, geborene Gatterer. -
Göttingen: Dieterich 1787. VIII, 84 S. 8°
Emiliens Unterredungen mit ihrer Mutter. Siehe: Epi-
nay, Louise Florence Petronelle Tardieu d' Eselavelies Titelvignette von J. H. Meil und weitere 5 Vignetten im
Marquise d'. Text, in Kupferstich.
Sammlung von 40 Liedern, Gedichten und Gebeten für
kleine Kinder, besonders Mädchen. Unter häufiger Ver-
Engel, Johann Jakob (1741-1802): Professor am Joa-
wendung von Beispiel- und Abschreckgeschichten will
chimsthalschen Gymnasium und Oberdirektor des
die Autorin die Kinder zu Gehorsam, Gottgläubigkeit
Ober- und Nationaltheaters in Berlin. Siehe Sp. 1223
und Liebe zu den Eltern erziehen. - Ausführliche Be-
schreibung siehe Spalte 348
Der dankbare Sohn, 1770
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
251 Der dankbare Sohn, ein ländliches Lustspiel in ei-
nem Aufzuge von J[ohann] J[akob] Engel. 3. Aufl. -
Leipzig: Dyk 1786.48 S. 8° Engelhardt, Karl August ( 1769-1834): Privatisierender
Ländliches Lustspiel mit rührendem Charakter, drama- Gelehrter in Dresden.
tisiert wird eine Episode aus dem Siebenjährigen Krieg.
Im Mittelpunkt steht die Liebe eines aus bäuerlichen 256 Historische Gemälde der Jugend gewidmet von
Verhältnissen zum Rittmeister aufgestiegenen Sohnes K{arl] A[ugust] Engelhardt. Bd 1.2.- Dresden: Gerlach
(1796]/97. 8°
zu seinen Eltern. Seitenstück zu Lessings Minna von
Bamhelm. Das Stück hatte großen Erfolg und gehörte 1. Kunz von Kauffungen, oder der sächsische Prinzen-
schnell zum Repertoire der großen Theatergruppen. EA raub, und die Gefangennehmung Johann Friedrichs
lt. Ky. bey Mühlberg. Mit einem Kupfer. [1796.] 8 ungez.
BI., 224 S. [Nebent. :] Engelhardt: Denkwürdigkei-
HAB Wolfenbüttel
ten aus der sächsischen Geschichte, der vaterländi-
252 Der Edelknabe. Ein Lustspiel in einem Aufzuge schen Jugend gewidmet. Bd I.
2. Johann Friedrich der Mittlere, von Bösewichtern
von J[ohann] J[akob] Engel. - Frankfurt und Leipzig
verblendet, in Gotha belagert, und bis an sein Ende
1775. 63 S. 8°
gefangen. Mit einem Kupfer. 1797. 7 ungez. BI.,
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. 232 S.
1341 Bibliographie 1342

Frontispiz in Bd I, gestochen von J. A. Darnstedt. In schreibung des Charakters, der Verdienste und Fehler
Band 2 eine Kupfertafel von Darnstedt nach C. M. der einzelnen Führer; als Leitfaden for Lehrer und zur
Berggold. Vorbereitung und Wiederholung for Schüler gedacht.
Erster und zweiter Band eines lt. Kayser 1796-99 er- Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel
schienenen vierbändigen Werkes mit Erzählungen über
»denkwürdige« und »anziehende« Ereignisse aus der 260 Völkergeschichte des Alterthums vornehmlich für
sächsischen Geschichte: die Erzählungen sollen die Lek- die Jugend von Johann Heinrich Martin Ernesti. H. I.
türe der Ritterromane verdrängen; sie wollen aber in der Die Aegypter.- Koburg: Ahl\783. 87 S. 8°
gleichen Weise unterhaltsam und abenteuerlich sein und
Kurzgefaßter Überblick über die Geschichte und Kultur
zugleich die »jungen Herzen durch Beispiele for Tugend
der Ägypter im Altertum; mit einem knappen Ausblick
und Vaterlandsliebe empfänglich . .. machen«.
»bis auf die neuesten Zeiten«; for den Schulgebrauch
UB d. TU Braunschweig und den Privatunterricht gedacht; lt. Kayser sind keine
weiteren Hefte der» Völkergeschichte« erschienen.
siehe: Briefwechsel der Familie des neuen Kinderfreun-
LBCoburg
des.
siehe: Neuer Kinderfreund. 261 Praktisches Handbuch der Beredsamkeit und
Dichtkunst für die Jugend, von Johann Heinrich Martin
Ernesti. - Nürnberg: Feißecker 1784. 6 ungez. BI.,
Entlan1er Aberglaube. Siehe: Textor, Friedrich Lud- 452 S. 8°
wig.
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.

Epinay, Louise Florence Petronelle Tardieu d'Esclavel- Anthologie for Jugendliche »Zur Uebung in der Prose«
les Marquise d'( 1726-1781): Schriftstellerin. (1. Abschn.) und »Zur Uebung in der Poesie« (2.
Abschn.); enthält Texte der Antike und zeitgenössischer
257 Emiliens Unterredungen mit ihrer Mutter. Aus Autoren u. a. Erzählungen und Anekdoten, Fabeln und
dem Französischen [der Marquise Louise Florence Pe- Lehrgedichte.
tronelle Tardieu d'Esclavelles d'Epinay] übersetzt [von Staats-u. StB Augsburg
Georg Joachim Zollikofer].- Leipzig: Crusius 1775. 4
ungez. BI., 300 S. 8° Lehren der Höflichkeit, des Wohlstandes und der Ge-
Frontispiz in Kupferstich nach J. W. Mechau, als Ste- sundheit, 1788
cher signiert Crusius; unsignierte Titelvignette. 262 Lehren der Höflichkeit, des Wohlstandes und der
Belehrende Unterhaltung in 12 Abschnitten zwischen Gesundheit. Ein nützliches Handbüchlein für die Ju-
Mutter und Tochter über Fragen der Moral und der gend. Von Joh[ann] Heinrich Martin Ernesti. - Augs-
weiblichen Erziehung, über Klugheits- und Anstandsre- burg: Bolling 1810.88 S. 8°
geln; vereinzelt werden Beispielgeschichten verlesen; in Besteht aus 2 Teilen. Teil I: enthält Anstandsregeln
der 11. Unterhaltung wird ein Feenmärchen von » Prin- zum Umgang in der Gesellschaft und Regeln zur Hygie-
zessin Regentine« erzählt. ne. Teil 2: »Diättafel oder Lehren der Gesundheit«,
Staats- u. StB Augsburg »Von den Affekten«; kürzere Artikel, in denen zunächst
eine Regel aufgestellt wird, der eine Erläuterung folgt.
EA lt. Ky, als neue Aufl. der kleinen SittentafeL
Ernesti, Johann Heinrich Martin (1755-1836): Profes- Kinderbuchsammlung Dr. Strobach, Sielefeld
sor am akademischen Gymnasium in Coburg. Siehe
Sp. 1223 263 Vorübungen in der Muttersprache von Johann
Heinrich Martin Ernesti. - Koburg: Ahl 1788. 8 ungez.
258 Kleine Moral für Kinder. Verfaßt von Johann 81.,200 S. 8°
Heinrich Martin Ernesti.-Coburg: Ahl\782. 102 S. 8°
Lehrbuch fiir den Unterricht in der deutschen Sprache;
Ornamentale Titelvignette lt. Vorr. neue Fassung der Unterweisung in den schö-
Sittenlehre for den moralischen Anfangsunterricht in der nen Wissenschaften; es soll »mit Hülfe des Lehrers die
Form eines Anweisungskataloges mit untermengten Aufmerksamkeit und das Nachdenken erwekken, Geist
Sprichwörtern und Sentenzen. Behandelt werden die und Herz so nützlich, als angenehm beschäftigen, den
J1lichten gegen sich selbst, gegen andere und gegen guten Geschmack ( .. .) allmählig beybringen, und zur
Gott. - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 571 Kenntniß der Richtigkeit, Schönheit und Stärke der
Muttersprache einleiten«; enthält Stücke klassischer
Dt. StaatsB Berlin und zeitgenössischer Schriftsteller.
259 Kurze römische Geschichte, vornehmlich für die LBCoburg
Jugend, von Johann Heinrich Martin Ernesti. - Ko-
burg: Ahl 1782. 48 S. 8°
Eschke, Ernst Adolph (1766-1811): Schuldirektor in
Ornamentale Titelvignette
Nieder-Schönhausen bei Berlin.
Kurzgefaßte Geschichte der römischen Herrscher von
der Gründung der Stadt Rom bis auf Romulus Augustu- 264 Anekdoten aus dem Thierreiche. Lehrreich für das
lus; chronologische Anordnung mit jeweiliger Kurzbe- Menschengeschlecht. (Von Ernst Adolph Eschke.) Mit
1343 Bibliographie 1344

einem Kupferstiche. - Berlin: Vieweg 1798. VIII, 132 (1.) VIII, 268 S., Kupfertitel, 2 Kupfertaf., 8 Noten-
S. 8o faltbl.
2. 2 ungez. BI., 215 S., Kupfertitel, 3 Kupfertaf.
Anm.: Erscheinungsort und -jahr lt. Kayser und Hein-
sius, in diesem Exemplar überklebt! lnjedem Band Frontispiz und Kupfertitel sowie I Tafel
in Bdch. I und 2 Tafeln in Bdch. 2 von J. G. Penzel.
Frontispiz von L. Schmidt nach Veithart.
Moralische Abhandlung (in Form von »Vorlesungen«),
Das Werk enthält 22 kürzere Erzählungen von Tieren,
durch die junge Mädchen und bereits verheiratete Frau-
die durch ihr Verhalten zumeist die Menschen beschä-
en auf ihren Beruf als Gattin, Mutter und Hausfrau vor-
men und so zur Inkorporation moralischer Werte ge-
bereitet bzw. besser damit vertraut gemacht werden sol-
macht werden. Verf. beruft sich auf eine These Herders,
len. Ausgegangen wird in Anlehnung an Rousseau von
nach der zu allen menschlichen Tugenden sich ein Ana-
dem weiblichen » Geschlechtscharakter«; außerdem Ein-
logon in der Tierwelt finde (Titelblatt). Die Anekdoten
fluß von Neuhumanismus und Klassik. - AusfUhrliehe
sind ursprünglich »zum Besten meiner taubstummen
Beschreibung siehe Sp. 659
Zöglinge« geschrieben und zuvor schon an verschiede-
nen Stellen publiziert worden. UB Bremen; HAB Wolfenbüttel
UB d. TU Braunschweig
268 Der gute Jüngling, gute Gatte und Vater, oder Mit-
tel, um es zu werden. Ein Gegenstück zu der Kunst ein
gutes Mädchen zu werden. Von Johann Ludwig Ewald.
Euphemion Mit Kupfern von Jury. Bd 1.2. - Frankfurt a. M.: WH-
manns 1804. 8°
265 Euphemion oder der nach guten und nachah-
mungswürdigen Mustern sich bildende Jüngling. Zu ei- I. XXIV,415 S.,4Kupfertaf.
ner angenehmen und lehrreichen Unterhaltung für die 2. XVI, 332 [richtig: 432] S., 4 Kupfertaf.
Jugend.- Berlin: Hesse 1785. VIII, 128 S. 8° Je Band Frontispiz und 3 weitere Kupfertafeln von
Sittenschrift for Jünglinge; enthält »gute, und nachah- W. Jury.
menswürdige Muster, theils aus der heiligen Schrift, Moralische Abhandlung in insgesamt 20 » Vorlesun-
theils aus lehrreichen Lebens-Beschreibungen neuerer gen«; gedacht als Seitenstück zu Die Kunst ein gutes
Zeiten«; will in insgesamt 30 Beispielen gute Gesinnun- Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu
gen erhalten, stärken undfestigen. werden (1798); will »bescheidenen, for Wahrheit offe-
Bayer. StaatsB München nen Jünglingen« Erfahrungen mitteilen und Ratgeber
sein.
UStB Köln
Evelina oder eines jungen Frauenzimmers Eintritt in die
Welt. Siehe: Burney, Frances.
Exempel-Bibel zur Bildung des Herzens junger Leute
und Kinder. Siehe: Klemm, Jakob Friedrich.
Ewald, Johann Ludwig (1747-1822): Lehrer, Erzieher
und Prediger im Hessischen. Siehe Sp. 1224
Fabeln aus dem Alterthorne in vier Büchern. Siehe:
266 Lesebuch für die Landschulen auch zum Gebrau- Reupsch, Johann Friedrich Lebrecht.
che der Landleute in ihren Häusern von J[ohann] L[ud-
wig] Ewald. Tb. [1]-3.- Lemgo und Duisburg a. Rh.:
Meyerl788/93.8° Fabeln der helvetischen Gesellschaft gewidmet. Siehe:
[I.] 1788. 384 s. Pfeffel, Gottlieb Konrad.
2. 1788. S. 385-702, I ungez. BI.
3. 1793.374S.
Fabeln für Kinder aus den besten Dichtern. Siehe:
Lesebuch for Kinder und die erwachsene Landbevölke- Benzler, Johann Lorenz.
rung zur religiösen und sachlichen Belehrung; gedacht
zum Gebrauch in öffentlichen Schulen und zur häusli-
chen Lektüre; T. 1. und 2. enthalten biblische Erzählun-
gen aus dem Alten und dem Neuen Testament, Sitten- Fabeln und Erzählungen
lehren for Kinder und die Erklärung einiger Sprichwör-
ter, »die unwahr sind, oder mißverstanden werden«. T. 269 Fabeln und Erzählungen zum Gebrauch für Kin-
3. will ein Ratgeber for Landwirte sein. der. - Riga: Hartknoch 1780. 120 S., S. XXXVII-
XLIV. 8°
Lipp. LB Detmold
Titelvignette in Kupferstich von D. Bergernach C. Ma-
267 Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, rillier.
Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für er- Sammlung versifizierter Fabeln in der Tradition Äsops,
wachsene Töchter, Gattinnen und Mütter von J[ohann] deren Zweck nicht »blos das Vergnügen wäre;/der Fa-
L[udwig] Ewald. Mit Kupfern von J. Penzel und Musik bel Zucker deckt oft eine bittre Lehre«; vorliegendes Ex-
von F. Fraenzl. Bdch. (I.) 2.- Bremen: Wilmans 1798. emplar enthält am Schluß ein Inhaltsverzeichnis, das of-
8o fensichtlich nicht zu diesem Werk gehört; es fUhrt in iro-
1345 Bibliographie 1346

nisierender Weise die »Mittel« auf. die man anwenden und Lehren Jesu mit praktischen Anweisungen zur Ge-
müsse, um Kinder zum Laster zu verfiihren. staltung des eigenen Lebens. EA lt. Ky. - Ausfiihrliche
Beschreibung siehe Sp. 732
StUß Frankfurt
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.

272 Dass. 5. verm. und verb. Aufl.- Halle: Hemmerde


Fabri, Johann Ernst Ehregott (1755-1825): Professor 1787. 5 ungez. BI., !53 S., 3 ungez. S. 8°
der Geographie und Statistik an der Universität Jena,
anschließend Universität Erlangen. Siehe Sp.l224 Frontispiz in Kupferstich von D. Beye! nach C. Dolci;
omamentale Titelvignette.
Geographisches Lehrbuch. In: Schütz, Christian Gott-
fried: Neu es Elementarwerk für die niedem Klassen la- Die vor/. Ausgabe enthält den Vorbericht zur dritten
teinischer Schulen und Gymnasien. Auflage (datiert 3. 7.1778) und zur fiinften Ausgabe. In
ihnen wehrt sich Feddersen gegen die grassierende Her-
absetzung Jesu zu einem bloßen Weisen und Mensch-
heitslehrer, sei er doch in Wahrheit Gottes Sohn und Er-
Fabricius, Johann Christoph (1743-1808): Naturfor- löser.
scher und Professor in Kopenhagen, später in Kiel.
HAB Wolfenbüttel
siehe: Sander, Heinrich: Oeconomische Naturge-
schichte für den deutschen Landmann und die Jugend 273 Dass. u. d. T.: Das Leben Jesu für Kinder. Von Ja-
in den mittleren Schulen. kob Friedrich Feddersen. Für katholische Kinder und
Schulen eingerichtet von einem Kinderfreunde [d. i.
P. W. Hüffer]. - Münster: Aschendorf 1790. 4 ungez.
BI., 160 S. 8°
Faust, Bernhard Christoph (1755-1842): Gräflich
Schaumburg-Lippischer Leibarzt in Bückeburg. Omamentale Titelvignette
Christusvita; Bearbeitung des Leben Jesu für Kinder
270 Gesundheits-Katechismus zum Gebrauche in den (1775) von J. F. Feddersen als Lehrbuch fiir katholische
Schulen und beym häuslichen Unterrichte. von Bem- Schulen von P. W. Hüffer. Dem Originaltext sind zu-
hard Christoph Faust. Mit 4 Holzschnitten. 8, verb. und sätzliche Gleichnisse, Unterweisungen in der katholi-
verm. Aufl. - Leipzig: Kummer 1800. 139 S., ungez. schen Beichte und das heilige Abendmahl sowie ein Ka-
S. 8o pitel über die ;;Sünde einer unwürdigen Kommunion«
Frontispiz in Holzschnitt, unsigniert. beigefogt.

Volksgesundheitslehre fiir den schulischen und Hausge- UStBKöln


brauch; zielt ab auf eine positive Gesamteinstellung zur 274 Lehrreiche Erzählungen aus der biblischen Ge-
Gesundheit, will Gesundheit und Leistungsfähigkeit schichte für Kinder. Von Jakob Friedrich Feddersen.
durch freie Entfaltung und bewußte f1lege der zweck-
Eine Fortsetzung des Leben Jesu für Kinder. - Halle i.
mäßigen Körpereinrichtungen erhöhen; begreift Ge- Magdeburg.: Hemmerde 1776. 8 ungez. BI., 222 S., I
sundheit als Handeln und verantwortungsvolles Tun, ungez. BI. 8o
will zur Selbsttätigkeit und Selbstverantwortung erzie-
hen. Katechetische Frage- und Antwortform (448 Fra- Historienbibel fiir Kinder; gedacht als religiös-morali-
gen und Antworten); drei kurze Anhänge zur » Vervoll- sche Beispielsammlung in Fortsetzung des Leben Jesu
kommnung der Gesundheit«, von den Zähnen und zur für Kinder (I 775); enthält biblische Erzählungen aus
Ordnung und den Perioden des menschlichen Lebens. dem AT und NT in chronologischer Folge, denen aus-
Eines der ersten und erfolgreichsten hygienischen Schul- fiihrliche Sittenlehren beigefUgt sind.
bücher; E."A 1794, 9 Aufl. bis 1802; 1826 unter Leitung Bayer. StaatsB München
von Dr. Bernigau verm. und verb. Ausg. von J. G. Rein-
hardt, 11. Aufl. 1830; 1794 auch als Gesundheits-Ka- 275 Beyspiele der Weisheit und Tugend aus der Ge-
techismus in zusammenhängender Rede und in Fragen schichte, mit Erinnerungen für Kinder. Von Jakob
erschienen. Friedrich Feddersen. Samml. 1.2.- Halle: Hemmerde
B. d. Dt. Sporthochschule Köln 1777/80.8°
I. 1777. 4 ungez. BI., 200 S. [Titelblatt fehlte im vor!.
Ex.!]
2. 1780.6 ungez. BI., !55 S.
Feddersen, Jakob Friedrich (1736-1788): Evangeli-
scher Theologe und Pädagoge in Braunschweig und Al- Omamentale Titelvignette in Sammlung 2.
tona. Siehe Sp. 1224
Sittenschrift in zwei Teilen fiir ;;alle und jede Kinder, sie
mögen vornehme oder geringe, reiche oder arme A.itern
Das Leben Jesu für Kinder, 1775
haben« (1. Samml.),fiir ;;Kinder vom reifem Alter« (2.
271 Das Leben Jesu für Kinder. Von Jakob Friedrich Samml.), und als Anleitung und Unterrichtshilfe für Er-
Feddersen. 2. sehr verb. Aufl. - Halle i. Magdeburg.: zieher und Lehrer. Enthält moralische Beispielerzählun-
Hemmerde 1777. VIII, !56 S., 3 ungez. BI. 8° gen und Anekdoten aus dem Leben bekannter Persön-
lichkeiten, die thematisch geordnet sind, Erläuterungen,
Christusvita; gedacht als grundlegendes, religiös-morali-
Ermahnungen, Entschlüsse und Gebete.
sches Exempelbuch zur ersten Lektüre fiir Kinder unter
der Aufsicht von Eltern und Erziehern; enthält Leben Bayer. StaatsB München
1347 Bibliographie 1348

276 Biblisches Lesebuch für Kinder von reiferm Alter, ten »Grundsätze und JY!ichten, die insgesamt in dem
darinn die Psalmen die Sprüche und der Prediger Salo- Gebote der Nächstenliebe enthalten sind«.
mons, das Buch Jesus Sirach und einzelne lehrreiche
UBBonn
Stellen des alten Testaments zu ihrer Erbauung ange-
wandt sind von Jakob Friedrich Feddersen.- Leipzig:
Katholischer Katechismus, 1771
Breitkopf 1782. 8 ungez. BI., 340 S., I ungez. BI. 8°
280 Katholischer Katechismus zum Gebrauche der
Schriftenauslegung zur sittlich-religiösen Belehrung Ju-
Schlesischen und anderen Schulen Deutschlands nach
gendlicher; enthält in starker Bearbeitung eine Auswahl
der Fähigkeit der Jugend in drey Klassen eingetheilt.
von Bibeltexten, die in Hinblick auf »Jahre, Kentnisse
Herausgegeben von Johann lgnatz von Felbiger. -
und Umstände« der Leser vorgenommen wurde, wobei
Münster i. W.: Aschendorff 1775. 383 S. 8°
die »Belehrungen des alten Testaments, durch die Auf-
klärungen des neuen Testaments« erfolgen; neben Erin- Ornamentale Titelvignette
nerungen, Gebeten, Bitten und Ermahnungen ist den
Lehrbuch zum Katechismusunterricht; gedacht als Leit-
Texten eine umfassende Sittenlehre beigefügt, die so-
faden für Lehrer und Geistliche zur Unterweisung der
wohl die Erziehung zur Frömmigkeit anstrebt, als auch
ersten drei Klassen in katholischen Stadt- und Land-
eine profane Moral enthält, in der ein Leben vor allem
schulen; enthält drei Katechismen, die- auf der Grund-
in Arbeitsamkeil und Menschenliebe behandelt wird.
lage des Römischen und des Canisischen Katechismus-
UBTübingen nach Fähigkeit und Wissensstand jeder Klasse abgefaßt
sind, sowie einen ausführlichen Methodenteilfür Reli-
277 Sittensprüche des Buchs Jesus Sirach für Kinder gionslehrer und Katecheten. EA lt. Ky. - Ausführliche
und junge Leute aus allen Ständen mit Bildern, welche Beschreibung siehe Sp. 707
die vornehmsten Wörter ausdrucken. Neu übersetzt von
HAB Wolfenbüttel
Jakob Friedrich Feddersen. - Nürnberg: Weigel und
Schneider [1786]. 30 S., 28 kolor. Kupfertaf., dazwi-
Kern der Geschichte des alten und neuen Testamentes,
schen 8 ungez. BI. 8°
1777
Die Tafeln enthalten Text und Abbildungen und sind
281 Kern der Geschichte des alten und neuen Testam-
unsigniert; ornamentale Titelvignette.
mentes mit beygesetzten kurzen Sittenlehren. Herausge-
Lt. Doderer/Müller EA. 1784, lt. Kayser 1786. - Reli- geben von Johann lgnaz von Felbiger, zum Gebrauche
giöse Spruchsammlung »für die Jahre, Kenntnisse und der deutschen Schulen. [Darin:] Schönberg, Mathias
Umstände junger Leute belehrend eingerichtet«; wendet von: Wie man die Unschuld wider alle Sünden bewah-
sich an »Menschen aus allen Ständen und Lebensal- ren solle, oder die beste Kunst, sich von Sünden zu ent-
tern«; die Kupfer sind für Kinder bestimmt, um diese halten.- Köln: Fabricius ( 1782). 4 ungez. BI., 1 Faltbl.,
zum Nachdenken zu gewöhnen, »wenn sie sich auf die XXX, 252, 5 S., 9 ungez. S. kl. 8°
Wörter, deren Stelle die Figuren vertreten, besinnen
Historienbibel für die Jugend, ihre Lehrer und Eltern;
müssen«; will die Veranlassung zum Bibelstudium ge-
gedacht als Lesebuch im katholischen Religionsunter-
ben.
richt und als religiöses Hausbuch; enthält kurzgefaßte
StUß Frankfurt Erzählungen aus dem alten und dem neuen Testament,
versehen mit Nutzanwendungen for einen christlichen
278 Kleines Biblisches Sittenbuch für Kinder von rei- Lebenswandel und im Anhang eine kurze Sittenlehre
ferm Alter, darinn Salomons Büchern zu ihrer Erbau- von Mathias von Schönberg »Wie man die Unschuld
ung angewandt sind von Jakob Friedrich Feddersen.- wider alle Sünden bewahren solle, oder die beste Kunst,
Altona 1789.128 S. 8° sich von Sünden zu enthalten«. EA lt. Ky. - Ausführli-
che Beschreibung siehe Sp. 740
Eine Auswahl aus den Sprüchen Salomons in 30 Kapi-
teln, denen der Verf. jeweils Erläuterungen und Gebete StB Aachen
hinzugefügt hat; ein Schlußabschnitt bringt sittliche
Lehren des Predigers Salomon, die Lebensführung be-
treffend.
LBCoburg
Feiner, Ignaz Andreas Anton (geb. 1754): Professor der
Rhetorik am akademischen Gymnasium in Freiburg.

282 Kleine rednerische Aufsätze von Jünglingen. Ver-


Felbiger, Johann lgnaz von (1724-1788): Theologe und anstaltet vom Verfasser der Aphorismen zum Denken
Pädagoge; Abt zu Sagan, anschließend Direktor des ge- und Handeln ([d. i. lgnaz Andreas Anton] Feiner).- Ba-
samten Österreichischen Schulwesens. Siehe Sp. 1225 sel: Schweighauser 1790. XII, 240 S. 8°
Ornamentale Titelvignette
279 Anhang Christlicher Grundsätze und Lebensre-
geln, zum Unterrichte der Jugend, herausgegeben von Sammlung von Reden für Jünglinge, die lt. Titel und
Johann Ignatz von Felbiger.- Samberg und Würzburg: Vorrede von Jugendlichen selbst verfaßt sind; sie sollen
Göbhardt 1767. 3 ungez. BI., 91 S., 3 ungez. S. 8° als Muster der rhetorischen Ausbildung dienen; die The-
men stammen aus den Bereichen der Gesellschaft, der
Lehrbuch zur christlichen Sittenlehre; gedacht für den
Moral, der Wissenschaft und den Künsten.
Religionsunterricht an katholischen Schulen; behandelt
unter Beifügung von Bibelauszügen in kurzen Abschnit- UB Erlangen-Nümberg, Erlangen
1349 Bibliographie 1350

Fenelon, Francois de Salignac de Ia Mothe ( 1651- L[udwig] K{öhler).- Ulm, Frankfurt und Leipzig: Woh-
1715): Französischer Theologe, Prinzenerzieher, politi- ler 1783. 8, 605 S., 9 ungez. S., 64 S. 8°
scher und pädagogischer Schriftsteller.
Unsigniertes Frontispiz; Faltkarte von Rousse; zu je-
dem der 24 Kapitel (außerzum 4.) eine unsignierte Kup-
Les Avantures de Telemaque (von Ehrenreich), 1732
fertafeL
283 Les Avantures de Telemaque, Fils d'Ulysse, Com-
Neue Ausgabe, die sich an »die Herren Sprachmeister«
posees par feu Messire Francais de Salignac, de Ia Mot-
und »die jungen Leute« wendet, »die sich der Erlernung
te Fenelon. Avec figures. Nouv. Ed., revue, corrigee et
der heutiges Tags so unentbehrlichen französischen
enrichie de belles remarques allemandes, par Joseph
Sprache und den schönen Wissenschaften widmen«;
Antoine d'Ehrenreich. (T. I. 2.)- 0. 0. :Wohier 1751.
8o enthält zwei alphabetische Register: eines in französi-
scher Sprache zur Grammatik und ein umfangreiches
( 1.) 5 ungez. BI., 344 S. deutsches Register mit Erläuterungen zu Mythologie,
(2.) 294 S., 23 ungez. BI. Geographie und Geschichte; in der Vorrede Ausfiihrun-
gen zu Fimelon und zur Entstehungsgeschichte des Wer-
Frontispiz, gestochen von J. A. Friedrich sen. und oma-
kes.
mentale Titelvignette; Titelblatt in Rot-Schwarz-Druck.
UStB Köln
Französischsprachige Ausgabe zum »Nuzen und Vor-
theil« der Jugend; bestimmt for den Französischunter- 286 Dass. u. d. T.: Les Avantures de Telemaque, Fils
richt und zur moralischen Belehrung; enthält zahlreiche d'Ulysse, par feu Messire Francais de Salignac, de Ia
Annotationen zu Vokabeln und Grammatik sowie ein Motte Fenelon, &c. &c. oder wunderbare Begebenhei-
alphabetisches Register mit historischen und mythologi- ten Telemachs, warinnenzum Nutzender Jugenddurch
schen Erläuterungen. deutsche Anmerkungen schwere Wörter, Redensarten
UStB Köln und Constructionen, Gallicismen, Antiquitäten, My-
thologie, Historie und Geographie deutlich erklärt und
284 Dass. u. d. T.: Les Avantures de Telemaque, Fils erläutert werden. Zuerst von Joseph Anton von Ehren-
d'Ulysse, par feu Messire Francais de Salignac, de Ia reich, jetzo aber mit vielem Fleiß übersehen, auch um
Motte Fenelon, &c. &c. Nouv. Ed., revue, corrigee & en- vieles verbessert und vermehrt ans Licht gestellt von Jo-
richie de bell es remarques allemandes & de figures; hann Ludwig Köhler.- Ulm: Wohler 1798. 8, 605 S., 9
oder deutliche und zum Nutzen der Jugend recht einge- ungez. S., 64 S. 8°
richtete Wunderbare Begebenheiten Telemachs, warin- Frontispiz in Kupferstich mit nicht verifizierbarer Sig-
nen durch deutsche Anmerkungen die einzelne Wörter, natur.
Redensarten, schwere Constructionen, Gallicismi, An-
tiquitäten, Mythologie, Historie und Geographie deut- HAB Wolfenbüttel
lich erklärt und erläutert werden. Nebst [26] schönen
Kupfern und accuraten Landearte von Joseph Anton Die Begebenheiten des Prinzen von Ithaca (Neukirch),
[von) Ehrenreich, anjetzo aber mit vielem Fleiß überse- 1727/39
hen, auch um viel verbesserter und vermehrter an das 287 Die Begebenheiten des Prinzen von Ithaca, Oder
Licht gestellt von J[ohann] L[udwig] K{öhler].(T. I. 2.)- Der seinen Vater Ulysses suchende Telemach. Aus dem
Ulm, Frankfurt und Leipzig: Wohler 1769. 8° Französischen des [Francois de Salignac de Ia Mothe]
(I.) 14,344S. von Fenelon I in deutsche Verse gebracht, und mit den
(2.) 303, 62 S. darzugehörigen Anmerkungen erläutert, von Benjamin
Neukirch. 3. und verb. Aufl., durchaus mit vielen [25)
Frontispiz im ersten Teil, gestochen von J. A. Friedrich Kupfern gezieret. Th. 1-3.- Nürnberg: Endter und En-
sen. und im zweiten Teil, unsigniert; die übrigen 24 gelbrecht 1751. 8°
Kupfertafeln sind nicht signiert; Titelblatt in Rot-
Schwarz-Druck; die Karte fehlt im Exemplar der Erzie- I. 7 ungez. BI., 448 S., 16 ungez. BI.
hungswissenschaftlichen Abteilung der UStB Köln. 2. 352 S.
3. 224 S., 7 ungez. BI.
Um zahlreiche Anmerkungen zur Grammatik und Vo-
kabelübersetzungen vermehrte Azljlage; enthält zusätz- Frontispiz von G. Lichtenstegemach J. C. Sperling; von
lich zwei Register. den übrigen 24 Tafeln sind 2 von A. Nunzer gestochen,
die übrigen sind unsigniert; Titelblätter in Rot-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; Freies Dt. Hochstift Schwarz-Druck.
Frankfurt
EA I 727/39. -In Alexandriner gesetzte deutsche Bear-
285 Dass. u. d. T.: Les Avantures de Telemaque, Fils beitung des Telemachromans; Einteilung in drei Teile,
d'Uiysse, par feu Messire Francais de Salignac, de Ia die mit zahlreichen moralischen, religiösen und politi-
Motte Fenelon, &c. &c. oder wunderbare Begebenhei- schen Anmerkungen versehen sind; T. 1 und T. 3 um-
ten Telemachs, warinnen zum Nutzen der Jugend durch fassen je 7, T. 2 enthält 10 Bücher. Jedem Teil ist ein
deutsche Anmerkungen schwere Wörter, Redensarten alphabetisches Register beigefiigt.
und Constructionen, Gallicismen, Antiquitäten, My- StB Trier
thologie, Historie und Geographie deutlich erklärt und
erläutert werden. Mit [24) Kupfern und einer accuraten 288 Dass. u. d. T.: Die Begebenheiten des Prinzen von
Landkarte. Zuerst von Joseph Anton von Ehrenreich, Ithaca, Oder der seinen Vater Ulysses suchende Tele-
jetzo aber mit vielem Fleiß übersehen, auch um viel ver- mach, aus dem Französischen des [Francois de Salignac
besserter und vermehrter ans Licht gestellt von J[ohann) de Ia Mothe] von Fenelon, in deutsche Verse gebracht,
1351 Bibliographie 1352

und mit den darzu gehörigen Anmerkungen erläutert, einige asiatische und nordafrikanische Länder behan-
von Benjamin Neukirch. 4. und verb. Aufl., durchaus delt; eingeschoben sind Abschnitte über Luther, Zwingli,
mit vielen [24] Kupfern gezieret. Th. 1-3.- Nürnberg: Calvin und Mahomed;jedem Abschnitt sind Fragen zur
Schwarzkopf 1762. go Wiederholung des Stoffes angehängt.
I. 8 ungez. BI., 448 S., 16 ungez. BI. UB d. TU Braunschweig
2. 352 s.
3. 224 S., 7 ungez. BI.
Die Kupfertafeln sind außer 2, die A. Nunzer gestochen Flurl, Mattbias von: Kurfürstlich pfalzbayrischer wirk-
hat, unsigniert; erstes Titelblatt in Rot-Schwarz-Druck. licher Berg- und Münzrat, Inspektor der Porzellanfa-
brik zu Nymphenburg.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
siehe: Kinderakademie, eine Monatschrift zur Aufklä-
rung des Verstandes und Bildung des Herzens der Ju-
Die Feuersbrunst, oder Gute Freunde in der Noth das gend.
größte Glück. Siehe: Weiße, Christian Felix.

Förster, Johann Christian (1754-1800): Domprediger


Fiedler, Friedrich Samuel: Kantor in Baruth im Kur- und Schulinspektor in Naumburg.
kreis.
292 Lehrbuch der Christlichen Religion nach Anlei-
289 Moralische Briefe für Kinder, besonders fürMäd- tung des Katechismus Lutheri entworfen von Johann
chen, in Schulen zu gebrauchen. Von Friedrich Samuel Christian Förster. 3. Aufl.- Weißenfels und Leipzig:Se-
Fiedler.- Wittenberg: Kühne in Comm. ( 1789). X S., S. verin 1790. IV, 295 S., 5 ungez. S. 8°
11-102.8° Unifangreiches Religionslehrbuch, das »in manchen
Sammlung von 42 Briefen fiir den Unterricht an Mäd- Schulen gebraucht wird« (Vorr.) Enthält eine Einleitung
chenschulen; soll sie »zu gesitteten, Gott und Menschen mit einer kurzen Geschichte der geoffenbarten Religion
wohlgefälligen Geschöpfen« bilden, zur »Besserung des und trägt dann die Hauptlehren des Christentums vor.
Verstandes« und der Sitten beitragen und Muster fiir Die zweite Hauptabteilung handelt von den »Besse-
die Abfassung von Briefen sein. rungsmitteln«, den Gebeten und Sakramenten. An-
schließend wird die christliche Sittenlehre geboten. För-
Bayer. StaatsB München ster bezeichnet das Werk als »Lehrbuch über den Kate-
chismus Lutheri«. Lt. Vo". ist es erstmals 1786 und
1788 in der zweiten Auflage erschienen.
Fielding, Sarah (1710-1768): Englische Romanschrift-
stellerin. Siehe Sp. I 225 HAB Wolfenbüttel

290 Die Hofmeisterinn, oder die kleine Akademie für


das Frauenzimmer, zum Vergnügen und Unterrichte Folgen unrichtiger und verwahrloßter Erziehung. Siehe:
junger Personen dieses Geschlechts bey ihrer Erzie- Strobl, Johann Baptist.
hung. Aus dem Englischen [Sarah Fieldings].- Leipzig:
Weidmann I 761.7 ungez. BI., 255 S. go
Frontispiz in Kupferstich von G. L. Crusius; ornamen- Fordyce, James ( 1720-I 796): Presbyterianischer Predi-
tale Titelvignette. ger und Schriftsteller. Siehe Sp. 1225

Leh"eiche Unte"edungen, die aufgrund der Selbstän- 293 Predigten für junge Frauenzimmer von Jacob
digkeit der Handlung ebenso gut als Kinde"oman be- Fordyce aus dem Englischen [von Christian Felix Wei-
zeichnet werden können; wendet sich an jüngere Mäd- ße]. Bd 1.2.- Leipzig: Weidmann und Reich I 767. go
chen bis zum 14. Lebensjahr; mit zahlreichen eingefiig-
ten Geschichten (u. a. zwei Märchen und eine morali- I. 13 ungez. BI., 452 S.
sche Erzählung). - Ausfiihrliche Beschreibung siehe 2. 3 ungez. BI., 458 S.
Sp.512 Unsignierte Titelvignette in Kupferstich in beiden Tei-
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle len.
Moralisch-belehrende Schrift fiir junge, noch nicht ver-
heiratete Frauenzimmer »von der feinem Lebensart« in
Fischer, Heinrich Ludwig (I 762-1831): Lehrer in Han- Form von vierzehn Predigten, die jeweils von einer Bibel-
nover und Köthen. stelle ausgehen und Themen wie Schamhaftigkeit, weib-
liche Tugend, Häuslichkeit, Verstandesbildung, Fröm-
291 Geschichtsbüchlein für Kinder und Volksschulen migkeit und Sanftmut abhandeln. Darstellung eines
als Vorkenntniß zur allgemeinen Welthistorie in Vortrag Frauenbildes, das geprägt ist von dem Rationalismus
und Fragen gefaßt. [Von Heinrich Ludwig Fischer.] - der Frühaujklärung, daneben aber bereits Züge einer
Harnburg: Bachmann und Gundermann 1792. VIII S., rokokohaft gefärbten Empfindsamkeit trägt. - Ausfiihr-
2 ungez. BI., 324 S. 8° liche Beschreibung siehe Sp. 528
Geschichtliches Lehrbuch fiir den Anfangsunterricht; StB Hannover
enthält 28 Abschnitte zur Geschichte einzelner Länder
und Nationen; neben den europäischen Staaten werden
1353 Bibliographie 1354

FOI'Ster, Johann Reinhold ( 1729-1798): Naturforscher kraft der Kinder passen«; behandelt in vier Hauptstük-
und Geograph. Siehe Sp. 1225 ken den Menschen im Verhältnis zu sich selbst, zu ande-
ren und zu Gott.
294 Abbildungen merkwürdigerThiere, nebsteiner Be-
ZentralB Zürich
schreibung ihrer Lebensart, (2. Geschenk: Abbildungen
merkwürdiger Völker und Thiere, nebst einer Beschrei-
bung ihrer Lebensart,- 3. Geschenk: Beschreibungen
Franklin, Benjamin ( 1706-1790): Amerikanischer Poli-
zu den Abbildungen merkwürdiger Völker und Thiere
tiker, Naturwissenschaftler und Schriftsteller.
des Erdbodens. Zur Beförderung der Kenntnisse, zur
Bildung des Herzens und Vervollkommnung überhaupt
296 Benjamin Franklin's Jugendjahre, von ihm selbst
für die Jugend entworfen- 4. Geschenk: Abbildungen
für seinen Sohn beschrieben und übersetzt von Gott-
von Menschen und Thieren, Fischen, Vögeln und Am-
fried August Bürger.- Berlin: Rottmann 1792. 214 S. 8°
phibien; nebst Beschreibung ihrer Lebensart.- Bdch. 5 :
Abbildungen einiger Nationen, und einiger merkwürdi- Erster Teil einer Autobiographie, der sich insbesondere
ger Thiere nebst Beschreibung ihrer Lebensart) von Jo- an den Sohn William wendet, aber auch allgemein zum
hann Reinhold Forsterund Georg Sirnon Klügel (4. Ge- »Nutzen« der »Nachkommen« bestimmt ist; behandelt
schenk ohne Verfasserangabe). I. - 4. Geschenk für Kindheit und Jugend Benjamin Frank/ins bis zu seiner
Kinder. Bdch.5.- Halle: Dreyssig (1.- 3. Geschenk: Heirat 1730.
u. a. - 3. 4. Geschenk. Bdch. 5: Dreyßig) [1792-ca.
Dt. StaatsB Berlin; Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
1800). 8°
I. [1792.)2 ungez. BI., 72 S., 6 kolor. Kupfertaf. auf
Faltbl. [Nebent. :] Klügel: Naturhistorisches A.B.C. Franz, Johann Georg Friedrich (1737-1789): Außeror-
Buch, oder Abbildungen merkwürdiger Thiere, dentlicher Professor der Arzeneigelehrsamkeit zu Leip-
nebst einer Beschreibung ihrer Lebensart.!. Ge- zig.
schenk für fleißige und folgsame Kinder. - Halle: siehe: Wochenblatt zum Bestender Kinder.
Dreißig.
2. (1793.) 3 ungez. BI., 104 S., 4 kolor. Kupfertaf. auf
Faltbl. Französisches ABC und Lesebuch
3. [1794.] 152 S., 9 kolor. Kupfertaf., davon I auf
Faltbl.[Nebent.:] Forster: Karakter, Sitten und Reli- 297 Französisches ABC und Lesebuch für die ersten
gion einiger merkwürdigen Völker.- Halle: Dreisig. Anfänger auf eine leichte Art in Kupfern sinnlich vorge-
4. [Nach 1798.]80 S., 4 kolor. Kupfertaf. aufFaltbl. stellt.- Nümberg: Schneider und Weige1 [1785]. 48 S.
5. [Ca. 1800.]85 S., I ungez. S., 6 kolor. Kupfertaf. auf mit 8 Kupferill. i. T. 8°
Faltbl.
4 Kupfer sind von C. W. Bock nach J. G. Penzel gesto-
Die ersten beiden Tafeln im ersten Geschenk sind von chen, I von und nach C. W. Bock, I von J. C. Bock nach
Eberhard gestochen, 2 Tafeln im vierten Geschenk Penzel; 1 Kupfer ist unsigniert und bei I ist die Signatur
stammen von Osterloh, alle übrigen sind nicht signiert; nicht mehr verifizierbar.
in Geschenk 3, 4 und in Bdch. 5 ist ein gefaltetes Fronti-
spiz vorhanden; omamentale Titelvignette in Geschenk Lehrbuch für den ersten Französischunterricht, gedacht
I (beim Nebentitel), 3 (Nebentitel}, 4 und unsignierte als Leitfaden für Lehrer; enthält eine Anleitung zum
Titelvignette in Bdch. 5. Gebrauch, Buchstabentafeln, die Grundrechenarten,
Gebete und kurze Geschichten.
Naturkundliches und anthropologisch-völkerkundliches
Anschauungsbuch, das Abbildungen von Tieren und StB Nümberg
Menschen mit dazugehörigen Beschreibungen bietet. Es
ist an Kinder im ersten Schulalter, in seinen anthropolo-
gischen Teilen an ältere Kinder und auch an Erwachse- Johannes Freudenreichs und Anna Maria Albrechtin er-
ne gerichtet. Die beiden letzten Bände sind von Klügel ste Jugendjahre. Siehe: Ludwig, Johannes.
nach Forsters Tod fortgesetzt worden. - Ausführliche
Beschreibung siehe Sp. 1169
Der Freund der Jugend
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
298 Der Freund der Jugend in kleinen moralischen
Aufsätzen. Aus dem Englischen- Leipzig: Weidmann
Fragen an Kinder und Reich 1775. 2 ungez. BI., 252 S. 8°
Omamentale Titelvignette
295 Fragen an Kinder. Eine Einleitungzum Unterricht
in der Religion. Von der Ascetischen Gesellschaft in Zü- Sittenschrift für die männliche Jugend; enthält eine
rich (unter Mitarb. von [Ulrich]lrminger [von Henggart Sammlung moralischer Betrachtungen zu Freundschaft,
u. a.])- Zürich: Geßner ( 1775). XVIII S., S. 19-221, 2 Menschenliebe, Glückseligkeit, Erziehung, zu Spiel-
ungez.S.8° sucht, Stolz und Geiz mit z. T. lebenspraktischer Aus-
richtung.
EA. lt. Vorr. 1772. - Lehrbuch für Eltern und Lehrer
als Vorbereitung zum Religions- und Katechismusunter- UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; Bayer. StaatsB Mün-
richt; bestimmt für die Unterweisung »minderjährige(r) chen; LB Oldenburg
Kinder« ; enthält Fragen, »die keinen andem ordentli-
chen Unterricht voraussetzen; die gerade zur Fassungs-
1355 Bibliographie 1356

Die Freunde, oder Das Vogelschießen. Siehe: Weiße, teilung; sucht die christlichen Wahrheiten nicht auf die
Christian Felix. »Beweistümer der Vemunffi« zu gründen; als Lehrbuch
fiir alle Altersstufen bzw. Klassen gedacht; die Jüngsten
sollen nur das Großgedruckte bzw. Unterstrichene lesen
Freville, Anne Fram;ois Joachim (1749-1832) und das Werk zugleich zum Lesenlernen benutzen.
UB d. TU Braunschweig
299 Lebensbeschreibung merkwürdiger Kinder oder
Muster der Nachahmung für das jugendliche Alter. Aus
dem Französischen des [Anne Frans:ois Joachim]
Fritzchens Reise nach Dessau. Siehe: Schummel, Jo-
(Bdch.2-5: von) Freville. Bdch.l-5.- Leipzig: Linke
hann Gottlieb.
(Bdch.2-5: Lincke) 1799.8°
I. 2 ungez. BI., 222 S.
2. 2 ungez. BI., 132 S. Fröbing, Johann Christoph ( 17 46-1805): Lehrer, Pfar-
3. 2 ungez. BI., 196 S. rer und Schriftsteller im Norddeutschen.
4. 138 s.
5. 138 S. [Nebent. :] Vermischte Züge kindlicher Liebe 302 Die Bürgerschule, ein Lesebuch für die Bürger-
und andere Tugenden an Kindern. 1800. und Landjugend. Von Johann Christoph Fröbing. Bd
Fünfbändige Sammlung moralischer Biographien fiir 1-4.- Hannover: Helwing (Bd 2: Gedrucktbey Pock-
Jugendliche; enthält Schilderungen nachahmenswerter wiu) 1789-1800.8°
kindlicher Handlungen, wobei es sich z. T. um berühmte 1. Mit (6) illum. und (4) schwarzen Kupfern. 2. durch-
Gestalten der Geschichte handelt; der erste Band be- gehends verb. und verm. Aufl. 1792. 4 ungez. BI.,
handelt nach einer »Einleitung über die Erziehung der 476 s.
Kinder« Gestalten aus der römischen Antike und der 2. Mit zwey illum. Charten. 1789. 4 ungez. BI., IV S., 2
Renaissance; der zweite stellt Kinder aus dem 17. und ungez. BI., 531 S., 7 ungez. BI.
frühen 18. Jh. vor, der dritte schildert Kinder aus der 3. 1793.500 s.
zweiten Hälfte des 18. Jh .. der vierte enthält die Lebens- 4. 1800.480 s.
geschichte des kleinen »Emilius« (1786-1793), eines
Kindes, das an einer unheilbaren Krankheit litt; der 5. Die 6 kolorierten Kupfer in Bd I sind unsigniert, 2
Teil gibt zunächst Exempel »kindlicher Liebe« und an- schwarze Kupferstammen von J. L. Stahl, ebenso I Kar-
derer Tugenden und bringt abschließend Anekdoten aus te in Bd 2; omamentale Titelvignette in Bd 2.
der Kindheit berühmter Gelehrter und Künstler. u. a. Enzyklöpädisches Lesebuch mit Illustrationen; wurde
Montaigne und Descartes. als Lehrbuch an Landschulen im Kreis Hannover einge-
Staat!. B. Regensburg (Bdch. 1.2.5); StB München fiihrt; will den Kindem »ein Mittel zur Frömmigkeit an
(Bdch. 3.4); UB d. TU Braunschweig (Bdch. 3) die Hand« geben; Bd I behandelt die Naturgeschichte
und Naturlehre, Bd 2 enthält eine Geographie. Beide
Bände wollen »Gott als Schöpfer und Erhalter der Er-
Die Friedensfeyer, oder die unvermuthete Wiederkunft. de«, Bd3, der die Weltgeschichte behandelt, »Gott als
Siehe: Weiße, Christian Felix. Regierer der Schicksale der Völker« zeigen; Bd 4 enthält
biblische Erzählungen aus dem Alten und dem Neuen
Testament, damit die Kinder »durch diesefromme Wiß-
begierde wahrhaftig bessere Menschen werden«. EA
Friedländer, David (1750-1834): Kaufmann und
1788-99 (richtig 1800) lt. Ky.
Schriftsteller. Siehe Sp. 1226
Nieders. LB Hannover (Bd 1-4); UB d. TU Braun-
300 Lesebuch für Jüdische Kinder. Zum Besten der jü- schweig (Bd 1-3)
dischen Freyschule. [Von David Friedländer.]- Berlin:
Voß in Comm. 1779. 46 S. 8°
Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt. Frömmichen, Sophie (geh. 1767): Lehrerin und Vorste-
herin einer Töchterschule in Heiligenstadt
Lesebuch mit ABC-Teil zum Unterricht an jüdischen
Schulen; enthält einen kurzen Leselernteil und Texte re- 303 Briefwechsel der Familie von Bemheim. Eine Fort-
ligiös-moralischen Inhalts, z. T. dem Talmud entnom- seuung der Geschichte derselben. Zur Bildung der Ju-
men, überwiegend in der Tradition des jüdischen Glau- gend im Briefstyl. [Von Sophie Frömmichen.]- Braun-
bens. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 862 schweig: Schulbuchhandl. 1799. 246 S. 8°
StB Nümberg Roman - z. T. in Briefen und Dialogen - »fiir heran-
wachsende junge Menschen«; beschreibt in Fortsetzung
der Geschichte der Familie von Bemheim (1795, Ky)
Frieß, Henrich Sirnon das Leben miteinander befreundeter und durch Heirat
verwandter Familien; die Briefe und Unterredungen ent-
301 Milch und Honig für Kinder und Junge Leute auf- halten Ausfiihrungen zur Empfindsamkeit, zur Erzie-
gesezet von Henrich Sirnon Frieß. T. 1. Anderer T. - hung, zur Vorbereitung auf den Ehestand, zu den
Rheda: Hochgräfl Armen- und Waisen-Casse 1767. J11ichten der Eheleute und zur Frage einer standesge-
144 S. 8° mäßen Lebensfiihrung.
Katechetisches Lehrbuch der christlichen Religion in StB Braunschweig
Frage- und Antwort; zwei Teile ohne weitere Kapitelein-
1357 Bibliographie 1358

Für deutsche Mädchen Kommentare und Bibelauszüge beigefogt. Sodann fol-


gen ein Kapitel über die »Einrichtung der teutschen
304 Für deutsche Mädchen. Eine Wochenschrift. Schulen«, und ein Bericht von der »öffentlichen Confir-
[Hrsg. von Paul Friedrich Achat Nitsch.] Th. 1.2.- Dres- mation und Einsegnung der Kinder auf der Friedrichs-
den: Harpeter 1781/82.8° stadt«. EA 1739 (Georgi).
I. 1781. 2 ungez. BI., 3 79 S., I ungez. S. HAB Wolfenbüttel
2. 1782. 2 ungez. BI., 379 S., I ungez. S.
Ornamentale Titelvignetten
Funk, Gottfried Benedikt (geb. 1734): Rektor der Dom-
Wochenschrift for junge Mädchen ab etwa 12 Jahren schule und preußischer Consistorialrat in Magdeburg.
mit dem Hauptthema Liebe, Gattenwahl und richtiges
Verhalten in der Ehe. Enthält Erzählungen, Briefe, Lie- 307 Kleine Beschäftigungen für Kinder. (Von G[ott-
der, Gedichte, moralisch-belehrende Stücke und Refle- fried] B[enedikt] Funk.) 2. Ausg. - Magdeburg und
xionen und Betrachtungen. - Ausfohrliche Beschreibung Leipzig: Scheidhauer 1772. 24, 243 S., 5 ungez. S. 8°
siehe Sp. 255
Ornamentale Titelvignette
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
EA 1766 (Ky). - Unterhaltendes Lesebuch, »womit
Kinder sich Selbst beschäfftigen können«; enthält- z. T.
Für Jünglinge. Fragmente aus der Brieftasche eines in stark bearbeiteter Form - Fabeln, Lieder, Gedichte,
Weltbürgers. Siehe: Spach, Friedrich. Dialoge und Beispielgeschichten u. a. von Geliert, Gess-
ner, Hagedorn, Gleim und Weiße.
UB d. TU Braunschweig
Für Jünglinge jeden Standes

305 Für Jünglinge jeden Standes. Traurige Wahrheiten


Funke, Carl Phitipp (17 52-1807): Pädagoge und
im Romangewande. Ein Pendant zu dem Buche: »Für
Schulmann, Philanthrop. Siehe Sp. 1226
Töchter edler Herkunft«.- Altenburg: Richter 1790. 4
ungez. BI., 416 S. 8°
Leitfaden zum Schul-Unterrichte, 1793
Sexuelle Schrift, die in der Einkleidung eines Briefro-
308 Leitfaden zum Schul-Unterrichte nach [Carl Phi-
mans sowie in eingefogten Erzählungen, Auszügen aus
lipp] Funke's technologischer Naturgeschichte. Zur all-
Reisetagebüchern und in ausfohrlicher Übernahme gan-
gemeinen Schul-encyclopädie gehörig. 2., verb. Aufl.
zer Passagen aus vorbildhaften anderen sexuellen
1.2.- Braunschweig: Schul-buchhandl. 1799. 8°
Schriften alle Bereiche der kindlichen und jugendlichen
Sexualität berührt. Das Hauptanliegen besteht in der I. VIII S., 3 ungez. BI., 53 S. [Nebent. :] Funke: Stoff zu
nachhaltigen Warnung vor den vermeintlich schreckli- Unterhaltungen mit Kindern über Gegenstände der
chen und zumeist tödlichen Folgen der Masturbation bei Natur. Nebsteiner Kupfertaf.
Jugendlichen und auch Erwachsenen. - Ausfohrliche 2. !50S.
Beschreibung siehe Sp. 401
Die Kupfertafel ist nicht signiert.
Württemberg. LB Stuttgart
Leitfaden zum naturgeschichtlichen Unterricht for Kin-
der ( 1. Leitfaden) bzw. die »dem Jünglingsalter sich nä-
Für Töchter edler Herkunft. Siehe: Hermes, Johann Ti- hernde Jugend« (2. Leitfaden); Auszug aus der Natur-
motheus. geschichte und Technologie für Lehrer in Schulen und
für Liebhaber dieser Wissenschaften for den Lehrerge-
brauch; 2. Leitfaden in Stichwortform. EA lt. Ky.
Fürstenspiegel. Siehe: Engel, Johann Jakob. Staat!. B. Regensburg

Fuhrmann, George Gottlieb (geb. 1702): Theologe. 309 Neues Elementarbuch zum Gebrauche bei dem
Privat-Unterrichte. Herausgegeben von C[arl] P[hilipp]
Funke. Th. I, Hälfte 1.2. Th. 3, Hälfte I.- Berlin: Voss
306 Die Ordnung des Heils und der Seligkeit, samt der
1797/1804.8°
Erklärung des kleinen Catechismi Lutheri herausgege-
ben von George Gottlieb Fuhrmann. I 0. Aufl. - Halle: I, I. Welche die Buchstabenkenntniß, das Lesenler-
Bauer 1750. 2 ungez. BI., 260 S. 8° nen und Vorbereitung zum Rechnen begreift. Mit
Evangelisches Unterrichtswerk in katechetischer Frage- vierunddreißigVignetten.l797.XVI, 180 S.
[Nebent. :] Funke: Neue Bilder-Fibel zum Privat-
und Antwortform zum Gebrauch for Schüler und Lehrer
Gebrauch in Familien.
im Religionsunterricht; behandelt die Heilsordnung in
I, 2. Welche noch einige angenehme und nützliche Le-
dreifacher Form, wobei »die beyden erstem den Lernen-
seübungen enthält. Mit acht Vignetten auf vier
den, und die letztere den Lehrenden zum Besten aufge-
Kupfertaf. 1797. VII S., I ungez. S., 300 S.
setzt worden. Die erstere braucht man bey den kleine-
[Nebent. :] Funke: Neue Bilder-Fibel zum Privat-
sten Kindern, die andere bey denen, welche fähiger
Gebrauch in Familien. Th. 2.
sind, und die dritte zur Erläuterung der beyden ersten.«
3, I. Vorbereitung zur Naturgeschichte. Mit sechs und
Das Werk enthält ferner Lieder und Gebete, befaßt sich
zwanzig Kupfertaf. 1804. VIII, 198 S.
mit dem »täglichen Wandel eines wahren Christen« und
erklärt den lutherischen Katechismus. Den Texten sind Die Kupfer sind koloriert und stammen in Th. I von W.
1359 Bibliographie 1360

Jury; in Th. 3, Hälfte I sind die Tafeln von Lud. Schmidt Enzyklopädisches Lehrbuchfiir 12-15jährige Mädchen;
(6) und J. S. L. Halle (2) gestochen; die übrigen Kupfer enthält im ersten Teil Rechenübungen, Sprachlehre,
sind nicht signiert. Aufsatzübungen, den Grundriß einiger Wissenschaften
sowie eine Sittenlehre und Klugheitsregeln; beschreibt
Erster und dritter Teil (T. 1.1.; T. 1.2.; T.3.1.) eines lt.
im zweiten Teil Kenntnisse und Fertigkeiten einer guten
Kayser sechsbändigen enzyklopädischen Werkesfiir den
Hausfrau; Teil1 istfiir den Unterricht an einer Töchter-
Privatunterricht; Der erste Teil besteht aus einem illu-
schule, Teil 2 fiir den Privatgebrauch bestimmt. - Aus-
strierten Elementarlesebuch fiir Kinder ab dem 7. Le-
fiihrliche Beschreibung siehe Sp. 1212
bensjahr (T. 1.1.) und fiir die »Jugend der gebildetem
Stände« (T.1.2.); T. 1.2. ist zur »fernem Übung im Le- Staat!. B. Regensburg (Bd I); Leop.-Soph.-B. Überlin-
sen« bestimmt und soll zur »Bildung des Herzens« bei- gen (Bd2)
tragen; enthält Märchen, Reisebeschreibungen und Tex-
te über den Aberglauben. Die erste Hälfte des dritten
Teils ist gedacht als » Vorbereitung zu einem ausfiihrli- Funke, Conrad Paul ( 1773-1825): Pseudonym für
chem Unterrichte in der Naturgeschichte«; enthält aus- Heinrich Ludwig de Marees; Konrektor und Schulleiter
fiihrliche Tabellen nach J. Fr. Blumenbachs Handbuch in Dessau.
der Naturgeschichte ( 1779/80).
Dt. StaatsB Berlin (Th. I, 1): UB d. TU Braunschweig 313 Neue Kinderklapper. Von Conrad Paul Funke [d.
(Th. I, I und I, 2); LB Coburg (Th. I, 2 und 3, I) i. Heinrich Ludwig de Marees].- Leipzig und Borna:
Bornschein (1800). IV S., I ungez. BI., 150 S. 8°
310 Dass. [Th. l]u. d. T.: Neue Bilder-Fibel zum Privat- Unterhaltendes Lesebuch in Anlehnung an Musäus; ge-
gebrauch in Familien. Herausgegeben von C[arl] P[hi- dacht fiir Kinder von 4-8 Jahren und Lehrer, denen
lipp] Funke. Mit vier und dreißig Vignetten. 3., verb. »die Erklärung des Ganzen überlassen« bleiben soll;
Ausg. Mit einem Anhange zur Unterhaltung über die will »Nutzen« stiften und enthält moralische Erzählun-
Vignetten. - Berlin: Voss 1803. XVI, 218 S. 8o gen, Tiergeschichten, Zauberkunststücke, unterhaltende
Die Kupferillustrationen sind koloriert und stammen Geschichten, Sprichwörter, Rätsel und Fabeln, die den
vermutlich alle von W. Jury; bei 4 Vignetten ist die Si- Werken verschiedener Autoren entlehnt sind.
gnatur nicht mehr verifizierbar. Staat!. B. Regensburg
EA 1797 als 1. Teil des Neuen Elementarbuchs zum
Gebrauche bei dem Privat-Unterrichte. Gedachtfiir den
häuslichen Anfangsunterricht fiir Kinder ab dem 7. Le- Gallerie der Menschen. Siehe: Seidel, Carl August
bensjahr; enthält einen Methodenteil, einen ABC- Teil Gottlieb.
mit 34 Kupfertafeln von W. Jury, im Leselernteil Tier-
und Spukgeschichten, Briefe in Currentschrift und Rät-
sel, zusätzlich - noch nicht in der 1. Aufl. - als Unter- Gaspari, Adam Christian (1752-1830): Professor für
richtshilfe fiir die Eltern »Materialien zur Unterhaltung Geographie und Geschichte in Jena, Oldenburg und
über den Text zu den Vignetten«. - Ausfiihrliche Be- Dorpat.
schreibung siehe Spalte 929
314 A[dam] C[hristian] Gaspari. Neuer methodischer
UB d. TU Braunschweig Schul-Atlas entworfen von F. L. Güssefeld. Cursus 1.2.
-Weimar: Industrie-Comptoir 1792/1803. quer-8°
311 Nützliche Unterhaltungen für die gebildete Ju-
gend. Von C[arl] P[hilipp] Funke. Bd I. Mit fünf Kup- I. 1792. 2 ungez. BI., 15 Ktn.
fern und einer Karte [fehlen in diesem Ex.!]- Berlin: 2. 4., berichtigte Ausg. 1803.2 ungez. BI., 34 Ktn.
Voss 1798. 2 ungez. BI., 405 S., I ungez. S. 8° Stecher in Cursus 1: G. F.J. Frentzel (4), J. C. Müller
Belehrende Schrift vermischten Inhalts in vier Teilen fiir (5), C. Westermayr (5), Baumgarten (!); in Cursus 2
die »schon gebildete Jugend«, die zugleich auch unter- sind keine Stecher vermerkt.
halten will. Der erste Teil handelt von technischen Erfin- Schulatlas; enthält im ersten »Cursus« 15, im zweiten
dungen, der zweite von »Ruinen und Denkmählern der 34 gestochene und kolorierte Landkarten, die die euro-
Vorzeit« Ägyptens, der dritte Teilliefert eine Reisebe- päischen Länder, die deutschen Kreise und die außereu-
schreibung »Des Russischen Gesandten Ysbrant /des ropäischen Kontinente abbilden; die Karten markieren
Gesandtschaftsreise nach China in den J. 1692 bis die Rohstoffvorkommen wie die Anbaugebiete landwirt-
1695. Ein Seitenstück zu des Eng!. Gesandten Lord schaftlicher Produkte.
Macartney's Reise nach eben diesem Lande.«; im vier-
ten Teil erzählt der Veifasser von Träumen und deren StB Mainz
tatsächlicher Eifüllung. Lt. Kayser ist nur ein Band er-
schienen.
Gebetbüchlein in Versen f"tir Kinder ... Siehe: Burk, Jo-
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle hann Albrecht
312 Lehrbuch zum Unterricht der Töchter vornämlich
in mitlern Ständen. Herausgegeben von C[arl] P[hilipp]
Funke. Bd 1.2.- Berlin: Voss 1800/01.8° Gebete und Lieder f"tir Kinder

I. 1800. XVI, 326 S. 315 Gebete und Lieder für Kinder, entworfen von einer
2. 1801.3 ungez. BI., 191 S. [Nebent.:] Funke: Anwei- zärtlichen Mutter. (Vorr.: L. C. B.)- Kiel und Lübeck:
sung für Töchter mitlern Standes. Iversen 1781. 116 S. go
1361 Bibliographie 1362

Omamentale Titelvignette über das Leyden unsers Herrn Jesu Christi, eine Besu-
chung des Allerheiligsten Altars-Sacrament« sowie eine
Sammlung von Gebeten, Betrachtungen und Liedern
Unterweisung in den f1lichten des Standes behandeln.
for Kinder. Das Werk enthält drei Abteilungen: Gebete
am Morgen, Gebete am Abend und Lieder. Bei den Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Morgen- und Abendgebeten folgt auf eine Gebetsstro-
phe jeweils eine längere religiöse Betrachtung. Das Vor-
wort gibt »mütterliche Ermahnungen« zur Tugend; es
ist mit »L. C.B.« unterzeichnet. Geliert, Christian Fürchtegott ( 1719-1769): Schriftstel-
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt ler, Pädagoge und Theologe.

Fabeln und Erzählungen, 1746


Der Geburthstag. Siehe: Weiße, Christian Felix. 319 Fabeln und Erzählungen von C[hristian] F[ürchte-
gott] Gellert. Th. 1.2.- Leipzig: Fritsch 1767. 8°

Gedenk- und Sittensprüche I. XXXVI, 83 S.


2. VI S., 1 ungez. BI., 80 S.
316 Gedenk- und Sittensprüche als eine Zugabe zu In Th. 1 Titelvignette in Kupferstich von und nach J. W.
Campens Sittenbüchlein. Ein Weihnachtsgeschenk für Meil.
die Jugend.- Berlin und Stettin: Nicolai[1783]. 79 S. 8°
EA 1746 (Ky). - Fabelsammlung for erwachsene und
Omamentale Titelvignette jugendliche Leser; enthält versifizierte Fabeln, denen
z. T. umfangreiche Epimythien beigefUgt sind; im Vor-
Sammlung von Sittensprüchen aus verschiedenen Quel-
len, die »nach Campens tabellarischer Vorstellung des spann eine ausfUhrliehe theoretische Abhandlung über
Inhalts seines Sittenbüchleins« angeordnet sind. Aus die Fabeltradition.
Campes Sittenbüchlein von 1777 sind nur die Gliede- UStB Köln
rung und die Überschriften genommen. Im Anhang sind
Grundsätze der »Tugend- und Klugheits/ehre« abge- Briefe für junge Leute, 1779
druckt, die lt. Vorrede von Resewitz stammen.
320 Briefe für junge Leute, nebst einer Praktischen Ab-
Bad. LB Karlsruhe; UB d. TU Braunschweig; UB 01- handlung von dem guten Geschmacke in Briefen, von
denburg C[hristian] F[ürchtegott] Geliert. - Frankfurt und Leip-
zig 1780. X S., S. 11-230. 8°
Omamentale Titelvignette
Gedike, Friedrich ( 17 54-1803): Oberschulrat im Ober-
schulkollegium in Berlin; Pädagoge und Verfasser von Briefsammlung; gedacht als Briefsteller for »junge Leu-
Schulschriften. Siehe Sp. 1226 te, und insanderheil das Frauenzimmer« um diese »zu
einer natürlichen Schreibart zu ermuntern«; enthält zu-
317 Kinderbuch zur ersten Übung im Lesen ohne ABC nächst eine »Praktische Abhandlung von dem guten Ge-
und Buchstabiren. Herausgegeben von Friedrich Gedi- schmacke in Briefen«, der sich 73 Briefe anschließen,
ke.- Berlin: Unger 1791. X S., S. 3-154. 8° die als Muster gedacht sind. EA lt. Ky.
Titelblatt und Leselernteil bis S. 73 im Rot-Schwarz- Hess. LB Wiesbaden
Druck.
Lesebuch for den Anfangsunterricht, vornehmlich for
den häuslichen Gebrauch und die Hofmeistererziehung
bestimmt; lehrt das Lesen nach einer analytischen Me- Geliert
thode; enthält neben ausfUhrliehen Vorübungen kurze
lehrreiche Sätze aus der Naturgeschichte sowie »Sprich- 321 Geliert. Ein Lesebuch für Kinder in Familienge-
wörter und kurze lehrreiche und angenehme Erzählun- sprächen zur Bildung Edler Seelen.- Rostock und Leip-
gen in Prose und in Versen<<. - AusfUhrliehe Beschrei- zig: Koppe 1785. VIII, 383 S. 8°
bung siehe Sp. 904 Titelvignette in Kupferstich, signiert mit »S«.
HAB Wolfenbüttel; Württemberg. LB Stuttgart Moralische Biographie in Gesprächsform; gedacht for
Kinder zwischen vier und vierzehn Jahren; Gellerts Le-
ben soll ein Beispiel for Frömmigkeit und Tugend ge-
Geistliche Einöde ben, darüber hinaus der sachlichen und lebensprakti-
schen Belehrung dienen. - AusfUhrliehe Beschreibung
318 Geistliche Einöde für Junge Kost-Töchter, Welche siehe Sp. 601
in Klöstern erzogen werden, Auf acht Tage eingerichtet
von einem Priester der Gesellschaft Jesu, aus den Frant- UB Rostock
zösischen ins Deutsche übersetzet.- Augsburg: Rieger
1762. 256 S., 4 ungez. BI. kl. 8°
Omamentale Titelvignette
Genealogisch-historisches Lesebuch flir die Jugend zur
Enthält »geistliche Uebungen« for junge Klösterschüle- Kenntniß der Europäischen Regenten, ihrer Häuser und
rinnen in täglich zwei Betrachtungen, die »Erwägung Länder. Siehe: Walch, Albrecht Georg.
1363 Bibliographie 1364

Genlis, Stephanie-Felicite du Crest de Saint-Aubin, her« bringen und ;;eine Liebe zum Land/eben« wecken.
Comtesse de ( 17 46-1830): Französische Schriftstellerin Jeder Band wird mit umfassenden Anmerkungen zu ver-
und Prinzenerzieherin. schiedenen Wissensgebieten beschlossen, damit der
;;Geschmack für Wissenschaften und Künste« geschult
322 Der Frau Gräfinn [Stephanie-Felicite] von Genlis werde. Der Übersetzer Weiße merkt an, daß er die er-
Erziehungstheater für junge Frauenzimmer. Aus dem sten zwei Bände des Originals in drei eingeteilt habe.
Französischen [von Christian Felix Weiße]. Bd 1-4. - Vgl. Genlis, Ländliche Unterhaltungen. Regensburg
Leipzig: Crusius 1780-82. 8° 1794.
I. 1780. XVI, 498 S., I ungez. BI. Nieders. Staats- u. UB Göttingen
2. 1780. 453 S.
3. 1781.434S. 325 Ländliche Unterhaltungen, oder Zaubereyen der
4. 1782. 4 ungez. BI., 408 S. Kunst und der Natur, zur Belehrung für Kinder. Aus
dem Französischen [der Gräfin Stephanie-Felicite de
24 in Aufzüge und Auftritte gegliederte »Schauspiele Genlis].- Regensburg: Montag und Weiß 1794. VIII,
und Lustspiele« moralisch belehrenden und überwie- 542 S. 8°
gend rührenden Inhalts; aus den auftretenden Personen
läßt sich schließen, daß sich die ersten beiden Bände an Titelvignette in Kupferstich von Osterloh nach Küssner.
junge Mädchen, der dritte Band an junge Männer und Moralische Erzählungen für Kinder ;;von reiferem Al-
der vierte Band an junge Leute beiderlei Geschlechts ter«; die Erzählungen sind eingebettet in eine Rahmen-
richtet; die Schauspiele der ersten drei Bände spielen handlung, die mehrere abendliche Gesellschaften schil-
vornehmlich in der Welt des Adels, Band vier im Bür- dert, in der die Erzählungen vorgetragen werden; das
gertum. Werk enthält die größeren Erzählungen ;;Eugenie und
HofB Fürst Thurn und Taxis, Regensburg (Bd 1.3); UB Lorenzo, oder das Ballkleid« und ;;A/phons und Dalin-
Münster (Bd2); Hess. Landes- u. Hochschu!B Darm- de oder die Zaubereyen der Kunst und Natur«; die Er-
stadt (Bd4) zählungen sollen der moralischen Unterweisung dienen
und zugleich auch Kenntnisse der Natur vermitteln;
323 Adelheid und Theodor oder Briefe über die Erzie- dem Text sind 78 erklärende Anmerkungen beigefügt;
hung. In drei Theilen. Aus dem Französischen der Grä- es handelt sich lt. Vorrede um eine Übersetzung von Les
fin [Stephanie-Felicite] von Genlis übersezt von Peter veillees du Chateau. Der Beginn der Rahmenhandlung
Adolf Winkopp, mit einer Vorrede und berichtigenden stimmt mit dem ersten Teil der Übersetzung von 1784
und erläuternden Anmerkungen von [Joachim Hein- überein, während die Erzählungen mit denen des zwei-
rich] Campe. Deutschlands ädelsten Müttern gewid- ten Teils ( 1785) identisch sind.
met. Th. 1-3.- Gera: Bekmann 1783/84. 8° StaatsB Bamberg
I. 1783.9 ungez. BI., 422 S.
2. 1784. 2 ungez. BI., 394 S.
3. 1784.412 s. Geographische Belustigung der Jugend
In Th. I gestochenes Frontispiz von E. G. Krüger nach
326 Geographische Belustigung der Jugend. Oder: Er-
J. E. Schenau.
leichterte Uebung in den Anfangs-Gründen der Erd-Be-
Briefroman, vornehmlich zur unterhaltenden und beleh- schreibung. Nach einer ganz neuen Methode, vermit-
renden Lektüre der Eltern gedacht, denen er »Erzie- telst 22 illuminirter Probir-Charten eingerichtet und
hungsgrundsätze, deren viele wirklich vortrefflich sind« durch Fragen und Antworten erläutert. - Amsterdam:
vermitteln will; die ausführliche Vorrede Campes enthält Sepp 1767. 2 ungez. BI., 162 S., 9 ungez. BI. 8°
seine Beurteilung des Werkes sowie Hinweise für die El-
Die kolorierten gestochenen Faltkarten stammen von C.
tern zum besseren Verständnis.
Sepp.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Geographisches Übungsbuch; enthält 22 Landkarten
mit dazugehörigem Text, der in Frage-Antwortform ab-
324 Der Frau Gräfin [Stephanie-Felicite] von Genlis geJaßt ist; soll vornehmlich zum Auswendiglernen von
Abendstunden auf dem Lande oder moralische Erzäh- Länder-, Städte-, Flüsse-, Seen- und Gebirgsnamen
lungen für die Jugend. [Übers. von Christian Felix Wei- dienen; behandelt zunächst ausführlich den Globus und
ße.] Th. [I)- 4.- Leipzig: Crusius 1784-86. 8° Europa, um dann nur kurz auf die anderen Weltteile
[I.) 1784. 8 ungez. BI., 358 S. einzugehen; auch als Taschenatlas gedacht.
2. 1785.478 s. UB Leipzig
3. 1785.398 S.
4. 1786. 2 ungez. BI., 451 S.
Ornamentale Titelvignette in allen Teilen. Germershausen, Christian Friedrich ( 1725-181 0): Pre-
Moralische Erzählungen für Kinder von zehn bis zwölf diger in Schalach bei Treuenbrietzen.
Jahren, »die auf dem Lande zu wohnen bestimmt
sind«. Die Erzählungen sind in eine Rahmenhandlung 327 Die Hausmutter in allen ihren Geschäfften. (Von
eingebettet. Das Werk habe »Moral in Handlung« ge- Christian Friedrich Germershausen.) 3. und verm. Aufl.
bracht, um ;;den Verstand aufzuklären, und die Seele (Bd5: 3. verm. Aufl.) Bd 1-5.- Leipzig: Junius (Bd4:
zu erheben«; es will den Kindern ;;den einfachen und Feind) 1791-94.8°
tugendhaften Geschmack einflößen«, ;;sie der Natur nä- I. 1791 XVI, 780 S.
1365 Bibliographie 1366

2. 1791. XVI, 892 S. Geschichtsbüchlein für Kinder und Volksschulen ...


3. 1792. XVI, 832 S. Siehe: Fischer, Heinrich Ludwig.
4. 1794. 4 ungez. BI., 881 S., 7 ungez. S.
5. 1793. 7 ungez. BI., 880 S., II ungez. BI.
Omamentale Titelvignette in allen Teilen. Die Geschwisterliebe. Siehe: Weiße, Christian Felix.
EA /t. Ky 1777-1781. - Hauswirtschafts/ehre; gedacht
als »gemeinnütziges Handbuch« for den Mittelstand; Geßner, Georg (1765-1843): Protestantischer Geistli-
wendet sich an »junge, uneifahrene, oder versäumte Le- cher und Pädagoge aus Zürich; Schwiegersohn Lava-
serinnen«; Bd 1-4 ist for Töchter ab dem 12. Lebens- ters, 1791-95 am Züricher Waisenhaus, 1799 Gründung
jahr bestimmt, Bd 5 »mehr ./Ur Mütter und mannbare einer Privat-Töchterschule und einer Volksschule.
Töchter ( .. .), welche sich den Zeiten ihre(s) Braut- und
Hausmuterstandes bereits genähert haben«; umfaßt die 329 Zwölf Christliche Lieder für die lieben Kinder im
gesamte Hauswirtschaft, enthält sodann Regeln zum Zürchersehen Waisenhause. Von Georg Geßner. - 0.
Umgang mit dem Gesinde, zum Verhalten bei Schwan- 0. 1795. 36 S. kJ. 8°
gerschaft, zur Kindtaufe und Säuglingspflege und zur
Ausrichtung von Festen. Der 2. Teil des 5. Bandes ent- Sammlung von 12 religiösen Liedern ./Ur die Kinder des
hält eine Abhandlung zur Mädchenerziehung. Züricher Waisenhauses. Enthalten sind Lieder zu Got-
tes Lob, Gedenken und Dank, zu allgemeinen Fürbit-
Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel ten, jeweils ein Morgen-, Abend- und Arbeitslied, zwei
Lieder über das Jesuskind und drei Lieder der Waisen-
kinder, die im Ton einfach und schlicht gehalten sind.
Geschichte der Deutschen für die Jugend. Siehe: Truk- Vgl. Anny Angst (1947, S. 55 f).
kenbrot, Michael.
Zentra!B Zürich

Geschichte der Menschheit und der Religion in Erzäh-


lungen zur Unterweisung der Jugend. Siehe: Conrad, Gierig, Gottlieb Erdmann: Professor der Theologie und
Christoph Friedrich. Philosophie am Gymnasium in Dortmund.

330 Cosmologisches Lehrbuch für die Jugend von


Geschichte der Stadt Zürich. Siehe: Bodmer, Johann Gottlieb Erdmann Gierig.- Leipzig: Schwickert 1787. 4
Jakob. ungez. BI., 184 S., I ungez. BI. 8°
Naturgeschichtliches Lehrbuch for den Unterricht von
Jugendlichen und zum Selbststudium ./Ur »wißbegierige
Die Geschichte Roms. Siehe: Reiche, Karl Christoph. Personen«; behandelt das Weltall, die Erde, das Pflan-
zen- und Tierreich sowie den Menschen (einseht. Ras-
senkunde); will die »Anzahl derjenigen Bücher ( .. .)
Geschichte von Baiern, für die Jugend und das Volk. vermehren, welche aufwenigen Bogen die weise Einrich-
Siehe: Westenrieder, Lorenz. tung der Welt darstellen«; erklärt die Vollkommenheit
der Schöpfung aus der Vollkommenheit Gottes.
Geschichte von Griechenland UB Heidelberg

328 Geschichte von Griechenland, darin enthalten: Ei-


ne kurzgefaßte Erdbeschreibung dieses Landes; Eine Glatz, Jakob (1776-1831): Theologe, Pädagoge und
hinlängliche Erzehlung von dessen verschiedenen Kö- Schriftsteller. Siehe Sp. 1227
nigreichen und Staaten; Eine nähere Nachricht von der
Religion, den Gesetzen, Feyerlichkeiten, Sitten und Ge- 331 Familiengemählde und Erzählungen für die Ju-
wohnheiten der Griechen; von einem ungenanten Ver- gend von Jakob Glatz. Bdch.l.2.-Gotha: Perthes 1799.
fasserzum Dienst der Schulen in Englischer Sprache ge- 8o
schrieben, nun aber, zu gleichem Zweck, aus derselben
in die deutsche Sprache übersetzt, und mit einer Vorre- I. Mit einem Titelkupfer. XII, 179 S.
de des Herrn (Friedrich Eberhard) Rambach herausge- 2. Mit einem Titelkupfer. 5 ungez. BI., 181 S., I ungez.
geben, von Carl Heinrich Theune, dem Sohne. - Breß- s.
lau: Meyer 1769. 8 ungez. BI., 238 S. 8° Frontispiz in beiden Bändchen von und nach J. C. Wein-
rauch.
Abriß der griechischen Geschichte for Schulkinder im
Alter von 8-12 Jahren; gibt zunächst eine geographische Unterhaltendes Lesebuch mit Erzählungen, moralischen
Beschreibung des antiken Griechenlands, sodann die Beispielgeschichten, Liedern, Gedichten und Charaden;
Geschichte der einzelnen Königreiche, schließlich einen will »etwas zur Veredlung der jugendlichen Seele« bei-
Überblick über Religion, Gesetze, Kultur, Erziehung, tragen. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 469
Künste und Wissenschaften; in Frage-Antwort-Form
abgefaßt; soll den »jungen Leuten« das Wissen vermit- UB Leipzig
teln, das sie brauchen, »wenn sie in den griechischen
und lateinischen Schriftstellern fortkommen wollen«. 332 Der zufriedne Jakob und sein Sohn. Von J(akob)
Glatz. Mit einem Kupfer. - Leipzig: Fleischer 1799.
StB Tri er XII, 296 S. 8°
1367 Bibliographie 1368

Frontispiz von und nach Weinrauch. 2. s. 49-102.


Roman fiir »Jünglinge«, dessen »zweyte Hälfte schon 3. 40 s.
mehr gebildete Leute« erfordere; soll »kein ästhetisches Zusätzliche Anweisung zum Gebrauch »Zum Vorlesen
Kunstwerk« sein, will »in einem einfachen Gewande in den Schulen«.
( . . .) dem Leser einige Wahrheiten ans Herz legen, auf
seine Gesinnung wirken und gute Vorsätze, Sinn fiir HAB Wolfenbüttel; Freies Dt. Hochstift Frankfurt
Redlichkeit, 1hätigkeit, reinere Religiosität ( .. .) her-
337 Die Goldnen Sprüche des Pythagoras. (Zum Vorle-
vorbringen«. Kap. 1-3 behandeln das Leben Jakobs,
sen in den Schulen.) [Bearb. von Johann Wilhelm Lud-
der Hauptteil befaßt sich mit dem Werdegang seines
Sohnes von der Kindheit bis zum Tod. Der Roman will wig Gleim.]- Halberstadt 1775. 16 S. 8°
zeigen, daß auch »in den niedem Ständen ( . . .) trejjli- Spruchsammlung aus dem Pythagoras geschöpft; ge-
che Worte gehört, große Tugenden gefunden werden« dacht >>Zum Vorlesen in den Schulen«.
können.
HAB Wolfenbüttel
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Fabeln von Hagedorn, Gleim und Lichtwer. Siehe: Ha-
Das rothe Buch, 1800/0 I gedorn, Friedrich von.
333 Das rothe Buch oder Unterhaltungen für Knaben
und Mädchen. Ein Lesebuch, mit Rücksicht auf das Al-
ter der Leser bearbeitet von Jakob Glatz. Bdch. 3, für Glover, Richard (1712-1785): Englischer Dichter.
Kinder von I 0 bis 11 Jahren. - Reutlingen: Mäcken
1801. 196 S. 8° 338 R[ichard] Glovers Leonidas, Ein Heldengedicht.
(Neue auserlesene Bibliothek der vorzüglichsten päda- Aus dem Englischen übersetzt von J[ohann) A[rnold]
gogischen Schriftsteller Deutschlands. Th. I, 3.) Ebert. Der Eydsgenößischen Jugend zugeeignet von
Heinrich Füeßli.-Zürich: Füeßli 1766. XXX,218 S. 8°
Unterhaltendes Lesebuchfiir Kinder von 10-11 Jahren;
enthält in Briefe und Dialoge eingebettete Erzählungen Prosa- Übersetzung des 173 7 erschienenen epischen
und Anekdoten und am Schluß ein Schauspiel, das »am Poems in Blankversen; behandelt in 9 Büchern den hel-
ersten Tag des neunzehnten Jahrhunderts in Schnepfen- denhaften Kampf des Spartaner-Königs Leonidas ge-
thai von dasigen Zöglingen zu ihrer Belustigung aufge- gen die Perser auf den 1hermopy/en 480 v. Chr.; der
fiihrt worden« sei. EA lt. Ky. eidgenössischen Jugend von Heinrich Füeßli als Lektüre
zugeeignet; die Vorrede bezeichnet das Poem als »politi-
UStB Köln sche Schrift fiir Republikaner«, die die antimonarchi-
sche Gesinnung stärke, und erinnert an ähnlich hero-
334 Unterhaltungsbuch der kleinen Familie von Grün- ische Episoden aus der schweizerischen Geschichte.
thai oder Erzählungen für die zartere Jugend. Auch als
Lesebuch in den Lehrstunden zu gebrauchen. Von Ja- HAB Wolfenbüttel
kob Glatz. Bdch. 1.2.- Reutlingen: Mäcken 1801.8°
I. X S., S. 11-183.
Göz, Christian Gottlieb (1746-1803): Pfarrer in Plie-
2. 192 s.
ningen bei Stuttgart.
Lesebuch, das unterhalten soll, aber auch als Lese-
übung zum Gebrauch »in den Lehrstunden« bestimmt 339 Belustigung für die Jugend in Fabeln und Erzäh-
ist; T. 1 wendet sich an »die zartere Jugend, die schon lungen von Christian Gottlieb Göz.- Tübingen: Cotta
etwas im Zusammenhang denken kann«, T. 2 ist fiir 1778. 12 ungez. BI., 283 S. 8°
»etwas ältere Leser« bestimmt; enthält Gedichte, Dialo-
Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich.
ge und längere Erzählungen.
Sammlung von 133 Fabeln und Erzählungenfiir Kinder
Bayer. StaatsB München
und junge Leute von »reifferem Alter«; enthält haupt-
sächlich eigene Texte, aber auch Anlehnungen an anti-
ke, alte deutsche und zeitgenössische französische Tex-
Gleim, Johann Wilhelm Ludwig (1719-1803): Haus- te, die die Resultate guter und schlechter Handlungen
lehrer, Jurist, Dichter der Anakreontik. vor Augenfiihren und der Kinder »Herz und ihren Ver-
stand gleichsam spielerisch mit interessanten Wahrhei-
335 Halladat oder Das rothe Buch. [Von johann Wil- ten« bereichern sollen.
helm Ludwig Gleim.] Th. [1.]2.- Harnburg 1774: Bode.
93 S. 8° Württemberg. LB Stuttgart
Lyriksammlung; enthält moralisch-religiöse Lebensleh-
ren und Betrachtungen unter häufiger Verwendung ori-
Goeze, Johann August Ephraim (1731-1793): Pastor in
entalischer Begriffe.
Quedlinburg; Verfasser von naturkundlichen Schriften.
HAB Wolfenbüttel; Freies Dt. Hochstift Frankfurt
340 Zeitvertreib und Unterricht für Kindervom dritten
336 Dass. u. d. T.: Halladat oder Das rothe Buch. (Zum bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. [Von Johann
Vorlesen in den Schulen.) [Von Johann Wilhelm Lud- August Ephraim Goeze.] - Leipzig: Weidmann und
wig Gleim.] Th. [1]-3.- 0.0. 1774.8° Reich 1783. 8 ungez. BI., 254 S. 8°
[1.] 48 s. Titelvignette, gestochen von M. M. Thoenert.
1369 Bibliographie 1370

Sammlung von Beispielgeschichtenfiir Kinder von 3-10 rung, die sich vornehmlich auf naturkundliche und land-
Jahren, die in Dialoge eingebettet sind; will durch Bei- wirtschaftliche Themen bezieht.
spiele, die »besondem Eindruck auf ihre Sinne, Empfin-
UBJena
dungen und Herz« machen, Kinder von »gewisse(n) üb-
le(n) unanständige(n) Gewohnheiten« abbringen und sie
über den Aberglauben aufklären. Letzteres gilt insbe-
Goldener Spiegel f"ür Kinder. Siehe: Stoy, Johann Sig·
sondere fiir »Kinder in kleinen Städten ( . . .), welche
mund
das Unglück haben, noch in den gewöhnlichen Vorur-
rheilen erzogen zu werden«.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; Dt. StaatsB Berlin Die Goldneo Sprüche des Pythagoras. Siehe: Gleim, Jo-
hann Wilhelm Ludwig.
341 Eine kleine Reisebeschreibung zum Vergnügen der
Jugend. Von Johann August Ephraim Goeze.- Leipzig:
Gottsched, Johann Christoph (1700-1766): Literatur-
Weidmann und Reich 1784. 128 S. 8°
theoretiker, -kritiker und Schriftsteller. Siehe Sp. 1227
Beschreibung einer etwa 14tägigen Reise in die Mark
Brandenburg, u. a. auch Schilderung eines Besuchs in Kern der Deutschen Sprachkunst, 1753
Reckhan, »wo der Herr von Rochow, dieser thätige
344 Kern der Deutschen Sprachkunst, aus der ausführ-
Menschenfreund, das sandige Land sowohl, als die See-
lichen Sprachkunst [Johann Christophi Gottscheds,
len der Menschen, bey Aeltem und Kindern, so schön
zum Gebrauche der Jugend, von ihm selbst ins Kurze
verbessert hat«; eingebettet in eine Rahmenhandlung-
gezogen. 2. verb. Aufl.- Leipzig: Breitkopf 1754. S un-
ein Vater schildert an 15 Abenden seinen Kindem die
gez. BI., 252 S., 2 ungez. BI. so
Reise - werden geographische, naturkundliche und mo-
ralische Themen behandelt. Omamentale Titelvignette
Dt. StaatsB Berlin Hand- und Schulbuch der deutschen Grammatik; »zum
Gebrauche der Jugend« aus der Grundlegung einer
342 Die Harzgegend, oder eine kleine Reise von drey Deutschen Sprachkunst (1 748) »ins Kurze gezogen«;
Tagen, zum Unterricht und Vergnügen der Jugend. Von will der Förderung des muttersprachlichen Unterrichts
J[ohann] A[ugust] E[phraim) Goeze. [1]-6. - Leipzig: dienen; enthält vier Abschnitte zur Orthographie, Ety-
Weidmann und Reich 1785-88. 8° mologie, Syntax und Prosodie. Lt. »Nacherinnerung«
ist die zweite Auflage »der ersten in allen Stücken
[I.] 1785. 6 ungez. BI., 172 S. gleich«; lediglich »Kleinigkeiten« seien verbessert wor-
2. [U. d. T.:) Zwote kleine Harzreise zum Unterricht den. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 813
und Vergnügen der Jugend. 1786.4 ungez. BI., 327 S.
3. [U. d. T.:) Dritte kleine Harzreise zum Unterricht und HAB Wolfenbüttel
Vergnügen der Jugend. 1786.4 ungez. BI., 272 S.
4. [U. d. T.:] Vierte Harzreise zum Unterricht und Ver- 345 Dass. 4. verb. Aufl.- Ebd. 1762.
gnügen der Jugend. 1786. XII, 218 S. Vor/. Ausgabe enthält einen Bericht über die 2. bis 4.
5. [U. d. T. :] Fünfte Reise ins Thüringische zum Unter- Auflage, die zwar jeweils »übersehen und verbessert
richt und Vergnügen der Jugend. 1787. XII, 460 S., I worden« sind, sich aber nur in Kleinigkeiten von der
Kupfertaf. Erstausgabe 1753 unterscheiden.
6. [U. d. T.:] Sechste Harzreise zum Nutzen und Ver-
gnügen der Jugend. 1788.7 ungez. BI., 352 S. Bayer. StaatsB München
Eine Kupfertafel im fünften Teil ist mit »T. sc.« signiert. 346 Dass. 5. verb. Aufl.- Ebd. 1766.
Reisebeschreibung verschiedener Reisen in den Harz 1m Wesentlichen mit der 4. Auflage identisch; wegen ei-
und den Thüringer Wald, die der Verfasser vorgibt, nes unrechtmäßigen Wiener Nachdrucks als »verbesser-
selbst unternommen zu haben; will »nützlich und ange- te« Al{/lage herausgegeben, wodurch die vorherigen
nehm« zugleich sein; eingebettet in eine Unterhaltung Ausgaben und der Nachdruck »unvollständig, und min-
zwischen einem Vater und seinen Kindern, die häufig der schätzbar geworden« seien.
durch Fragen und Belehrungen unterbrochen wird, wer-
den geographische und naturkundliche Themen behan- Samml. Theodor Brüggemann, Köln
delt, Produkte und Berufe vorgestellt sowie moralische
Belehrung dargeboten. Vorübungen der Beredsamkeit, 1754
UB Leipzig 347 Vorübungen der Beredsamkeit, zum Gebrauch der
Gymnasien und größem Schulen, aufgesetzet von
Joh[ann) Christ( oph)Gottscheden. 2. verb. Aufl.- Leip-
343 Eine pure Dorfreise zum Unterricht und Vergnü-
zig: Breitkopf 1756. !Oungez. Bl.,23S S., I ungez. BI. so
gen der Jugend von J[ohann) A[ugust] E[phraim) Goeze.
-Leipzig: Weidmann 1788. 5 ungez. BI., 398 S. 8° Omamentale Titelvignette
Beschreibung einer Reise durch Dörfer des Erzherzog- Vorbereitung zur Rhetorik fiir Schüler der oberen Klas-
tums Magdeburg; Einkleidung in Rahmenhandlung; sen der Gymnasien und Schulen; knüpft an Theons Pro-
die Hauptintention besteht in der Gegenüberstellung von gymnasmata und Aphtonius an, verwirft die Rhetoriken
Stadt- und Land/eben, wobei die unverfälschte Sittlich- Weises, Hübners und Uhses; willjunge Leute »nicht zu
keit der Landbevölkerung insbesondere hervorgehoben Rednern« machen, »wohl aber zur Beredsamkeit« erzie-
wird; Verbindung von moralischer und sachlicher Be/eh- hen; enthält neben allgemeinen Vorübungen Abschnitte
1371 Bibliographie 1372

zu Fabeln, Erzählungen und Beschreibungen, zum Lob, besseren Behalt der mündlichen Anweisung zur Höf-
Verwerfen und zum Vergleich, zur Ethopöie, Bestäti- lichkeit in 15 Capitel abgefaßt, und in den Druck beför-
gung der Widerlegung (in diesem Abschnitt ausfUhrliehe dert. [Von Andreas Christoph Graf.]- Frankfurt und
Darstellung des Gottschedschen Faustbildes), zur Ant- Leipzig 1766. 47 S. 8°
wort, zu Chrieen, Briefen und zum guten Vortrag. EA lt.
Sammlung von Höflichkeitsregeln for männliche Ju-
Vorr.
gendliche; behandelt in paarweise gereimten Zweizeilern
UStB Köln in insgesamt 15 Kapiteln von unterschiedlicher Länge
Vorschriften for ein höfliches Benehmen in Schule und
348 Vorübungen der lateinischen und deutschen Elternhaus. Die Erstausgabe erschien lt. Kayser 1741 u.
Dichtkunst, Zum Gebrauche der Schulen entworfen d. T.: Der höfliche Schüler. lt. Wegehaupt (1979, Nr.
von Joh[ann] Christoph Gottscheden.- Leipzig: Breit- 812) 1735 in Augsburg.
kopf 1756. 8 ungez. BI., 240 S. 8°
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
Omamentale Titelvignette
352 Dass. u. d. T.: Der höfliche Schüler. Neueste Aufl.
Lehrbuch zu den Grundregeln der Vers- und Dichtkunst
für die katholischen Schulen. [Von Andreas Christoph
for 12 - 15jährige Schüler; behandelt sowohl die lateini-
Graf.]- 0. 0. 1773. 39 ungez. BI. 8°
sche wie die deutsche Verskunst, um den Streit über die
Gültigkeit der einen oder anderen zu schlichten; polemi- Frontispiz, gestochen von J. H. Wicker.
siert gegen die Auffassung, Versemachen sei Dicht-
UB Heidelberg
kunst; enthält Abschnitte zur Tonmessung, zu den ver-
schiedenen Versarten und eine kleine Stillehre; im An-
hang abgedruckt: Huttens De arte versificatoria car- Grammatica germanica
men.
UStB Köln; HAB Wolfenbüttel 353 Grammatica germanica, ex Gottschedianis libris
collecta. - Francofurti & Lipsiae: Crätz 1774. 203 S., I
349 Erste Gründe der Vemunftslehre, aus den ersten ungez. S. 8°
Gründen der ganzen Weltweisheit, zum Gebrauche der Omamentale Titelvignette
Gymnasien und größem Schulen, auf Begehren, noch-
mals übersehen und besonders ans Licht gestellet, von Lehrbuch der deutschen Sprache for Ausländer; offen-
Joh[ann) Christoph Gottscheden.- Leipzig: Breitkopf sichtlich zum Gebrauch im Königreich Polen bestimmt;
1766.2 ungez. BI., 188 S. 8° enthält neben einer kurzgefaßten Grammatik (stark be-
arbeitete Auszüge aus Gottscheds Kern der deutschen
Kinderlogik zum Gebrauch der Schuljugend in den hö- Sprachkunst) ein kleines nach Sachgruppen geordnetes
heren Klassen des Gymnasiums; will »jungen Leuten deutsch-lateinisches Glossar, eine Sammlung deutscher
die Erkenntniß der Wahrheit, und die Fertigkeit wohl Redewendungen mit lateinischer Übersetzung sowie vier
und richtig zu denken« erleichtern. Gespräche - ebenfalls deutsch-lateinisch - zu Themen
StB Tri er aus dem Alltag; es folgen verschiedene deutschsprachige
Anekdoten aus der polnischen Geschichte (mit lateini-
scher Übersetzung), zwei Stücke aus Gottscheds Aus-
führlicher Redekunst (deutsch-lateinisch) sowie sieben
Grabiensky, J.
Lebensbeschreibungen berühmter Männer der polni-
schen Geschichte (in deutscher Sprache). Den Abschluß
350 Conseils d'un ami a un jeune Homme qui entre
bildet Johann Georg Hagers Kleine Geographie von
dans Je monde. 2. Ed., revue & corrigee avec Ia traduc- dem Königreiche Pohlen.
tion allemande. I Freundschaftliche Erinnerungen an
einen jungen Menschen der jetzt in die grosse Welt Privatbesitz
kommt. [Von J. Grabiensky.]- Berlin: Neaulme & Jas-
perd 1760. 87 S. 8°
Der Greis an den Jüngling. Siehe: Niemeyer, Georg
Zweisprachiger freundschaftlicher Ratfor Jünglinge, die Friedrich.
in die Welt hinaustreten; enthält in elf Artikeln die
Grundsätze der Religion, Tugend und des gesellschaftli-
chen Umgangs. Grolmann, Friedrich Ludwig Adolf: Regierungs- und
Konsistorialdirektor in Gießen.
HAB Wolfenbüttel
354 Geist des Seneca. Ein Buch für Jedermann, beson-
ders für die Jugend. Von [Friedrich Ludwig] A[dolf]
Graf, Andreas Christoph (1701-1776): Lehrer am Grolmann.Lfg 1.-Giesen:Stamm 1799.XVI, 152 S.8°
Gymnasium St. Anna in Augsburg.
Sittenschrift for alle Volksschichten, besonders aber for
Jugendliche. Bringt eine thematisch geordnete Auswahl
351 Der höfliche Musensohn, Wie er sich in und nach
aus den Schriften Senecas. Es handelt sich dabei im we-
der Schule, zu Hause, über Tische, in der Kirche, bei
sentlichen um eine Übertragung und Bearbeitung der
dem Besuch und in Gesellschaft wie auch in den Re-
vermutlich von J. Gerz herausgegebenen Schrift Seneca
kreations-Stunden, bei dem Spazierengehen, Reiten
christianus, id est, flores christiani ex L. Ann. Senecae
oder Fahren, in Ansehung des Wohlstandes und der
epistolis collecti (Trier 1769, Augsburg 1782).
Höflichkeit, nach seinen Umständen zu beobachten ha-
be. Der studirenden Jugend zu Gefallen, und zum LBCoburg
1373 Bibliographie 1374

Der große Katechismus Grundsätze einer wohlgesitteten Lebensart

355 Der große Katechismus mit Fragen und Antworten 358 Grundsätze einer wohlgesitteten Lebensart für die
samt der vollständigen Einleitung in die Kenntniß der Jugend in allen Ständen. Nebst einem Anhange: Des rö-
Gründe der Religion und den beweisenden Stellen zum mischen Redners und Dichters Muretus Lehren von
Gebrauche in den kaiserl. königl. Staaten. Neueste den Sitten an seinen Sohn. - Augsburg: Merz 1793.
Aufl.- Koblenz: Labharto.J. 7 ungez. Bl.,200, 72 S. 8° 85 S., I ungez. S. 8°
Katholischer Katechismus in Frage- und Antwortform; Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
gedacht als einheitliches Lehrbuch im kath. Religions-
Sittenlehre for die männliche Jugend aller Stände. Ent-
unterricht an Österreichischen Schulen mit dem Ziel
hält Lehren zur Religion, Vernunft und Tugend sowie
»Unglauben und Irrthum« entgegenzuwirken; enthält
Ausfohrungen zu den menschlichen Charakteren, zum
den großen Katechismus, dem Kommentare und ent-
allgemeinen Umgang und zum gesitteten Benehmen.
sprechende Bibelstellen beigefUgt sind. EA vermutlich
Den Schluß des Bandes bilden Denksprüche und eine
1777 (Vorr.)
Übertragung des Muretus' Strophen von den Sitten an
UB d. TU Braunschweig seinen Sohn. In einer »Anrede an die Väter« entwickelt
der Verfasser das Ideal einer vorbildlichen Erziehung.
UB d. TU Braunschweig
Der große Katechismus

356 Der große Katechismus mit Fragen und Antworten


zu dem öffentlichen als Privat-Unterrichte der Jugend Günther, Christoph Wilhelm (1755-1826): Waisen-
in den kaiserl. königl. Staaten, auch für unsere Stadt- hausdirektorin Weimar. Siehe Sp.l252
schulen gewiedmet. Neueste Aufl.- Augsburg: Wolff
1798. 152 S. 8° 359 Kindermährehen aus mündlichen Erzählungen ge-
sammlet. [Von Christoph Wilhelm Günther.]- Erfurt:
Omamentale Titelvignette Keyser 1787. XX, 186 S., 1 ungez. BI. 8°
Katechismuslehrbuch in Frage - und Antwortform zum Märchensammlung zur Unterhaltung for Kinder; um-
Gebrauch an öffentlichen Schulen und zum Privatunter- faßt vier längere Märchen, die in einzelne Abschnitte
richt; enthält den großen Katechismus der römisch -ka- unterteilt sind, damit »die Mutter drey bis vier Abende
tholischen Kirche. daran erzählen kann«. - AusfUhrliehe Beschreibung sie-
VB d. TU Braunschweig he Sp.354
Nieders. Staats- und UB Göttingen

Der großmüthige Bauernknabe. Siehe: Röding, Johann


Heinrich. Günther, Karl Ehrenfried (1757-1826): Lehrer und
Konrektor im schlesischen Oels.

360 Deutsches ABC. [Von Kar! Ehrenfried Günther.]


Grober, Johann Gottfried (1774-1851): Geschichts-
T. 1.2. [Nebst:] Anweisung.- Züllichau und Freystadt:
professor in Halle. Siehe Sp. 1228
Frommann 1790. 8°
357 Neuer astronomischer Kinderfreund enthaltend 1. Deutsches ABC, oder dreissig Uebungen des allerer-
das Wissenswürdigste und Interessanteste aus der gan- sten Lesens, Denkens, Zälens, Schreibens, für die un-
zen Sternkunde von J[ohann] G[ottfried] Grober. Mit terste Klasse der Bürgerschulen und den häuslichen
Kupfern.- Leipzig: Barth 1800. XX, 404 S., 2 Kupfer- Unterricht. Erster Teil zu dem noch ein zweiter und
taf. auf Faltbl. 8° ein Gebrauchsbuch gehört. 30 S.
2. Deutsches ABC, oder hundert und zwölf Uebungen
Omamentale Titelvignette; die Falttafeln enthalten
des ersten Lesens, Denkens, Verstehensund Verhal-
astronomische Zeichnungen und sind nicht signiert.
tens, zur Grundlage alles gemeinnützigen Unter-
Belehrende und unterhaltende Schrift zur Astronomie richts, für die unterste Klasse der Bürgerschulen und
for Kinder; will »in rechtfaßlichem Ton« zur» Kenntniß den häuslichen Unterricht. 56 S., 3 ungez. BI.
und Liebe Gottes vermittels der Erkenntniß seiner Na- [Nebst.:I Anweisung zum Gebrauch des aus zwey Thei-
tur« leiten, den Glauben befestigen und das Herz ver- len bestehenden deutschen ABC für Lehrer
edeln; eingekleidet in einen Dialog eines verwitweten der untern Klasse in den Bürgerschulen. 94 S.
Landpredigers mit seinen Kindern, aufgelockert durch
ABC-Buch for den Anfangsunterricht an Bürgerschulen
Lieder, Darstellungen von Versuchen, Textstellen aus
und die häusliche Unterweisung; T. 1. beginnt mit
philosophischen Werken (Kant) und fiktive Disputatio-
Buchstabentafeln, Wörtern und Sätzen in unterschiedli-
nen großer Gelehrter über die Gestalt der Erde; ein-
chem Schriftbild, Rätseln, Reimen, Sprichwörtern und
gangs Schilderung der Familie des Kinderfreunds im
kurzen Texten; Teil 2 enthält moralische und religiöse
empfindsamen Stil.
Texte, Erziehungslehren und einen Anhang »for lernbe-
Staatl. B. Regensburg ginge Kinder« mit dem lateinischen Alphabet, lateini-
schen Vokabeln und drei Buchstabentafeln.
Siehe: Adolph Freiherr von Knigge, über den Umgang
mit Menschen. StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
1375 Bibliographie 1376

361 Die, cur hic! oder lateinische Fibel, zur allerersten Gute Kinder der Aeltern größter Reichtum. Siehe: Wei-
Uebung des Lesens, Uebersezens, Sprechens und ße, Christian Felix.
Schreibens der lateinischen Sprache, für di unterste
Klasse der Gelehrtenschulen und den häuslichen Un- Ein gutes Herz macht manchen Fehler gut. Siehe: Wei-
terricht. [Von Karl Ehrenfried Günther.] Nebst einer ße, Christian Felix.
Anweisung zum Gebrauche.- Züllichau und Freystadt:
Frommann 1790. 20 S., I ungez. S., 9 S. 8° Gutsmuths, Johann Christoph Friedrich ( 17 59-1839):
Nebst: Anweisung, wie das lateinische ABC betitelt: Philanthropischer Pädagoge. Siehe Sp. 1228
Die, cur hic! zu gebrauchen sey, für Lehrer der untern
Klassen in den Gelehrtenschulen. 40 S. 364 Zusammenkünfte am Atlas zur Kenntniß der Län-
der, Völker und ihrer Sitten herausgegeben für die Ju-
Lateinisches ABC-Buch zum Gebrauch for Knaben ab gend [von Johann Christoph Friedrich Gutsmuths]. Th.
12 Jahren sowohl im öffentlichen Unterricht (Gelehrten- I.- Gotha: Ettinger 1785. 8 ungez. BI., 216 S. 8°
schulen) als auch bei der Privaterziehung; die Schüler
sollen »auf eine natürliche, wirklich elementarische Wei- Titelvignette in Kupferstich von A. Schlüter.
se lesen, verstehen, übersetzen und sprechen lernen«; Geographisches Lesebuch für Kinder und Jugendliche;
enthält Buchstabentafeln, Fragen und Antworten, Vo- behandelt in Unterhaltungen zwischen einem Vater und
kabeln, kurze Texte und Fabeln sowie eine umfassende seinen Kindem am Beispiel Spaniens, Englands und der
Anweisung zum Gebrauch des Buches. Schweiz geographische, historische, völker- und natur-
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin kundliche sowie auch moralische Themen. Das Werk er-
schien 1796 unter einem neuen Titel und mit einem
zweiten Teil. - Ausführliche Beschreibung siehe
Sp.1114
Gürnth, Georg Samuel (gest. 1803): Senior zu Creutz-
UB Heidelberg
burg in Schlesien, vorher Pastor in Brieg.
365 Gymnastik für die Jugend. Enthaltend eine Prakti-
362 Abwechslungen für Kinder zu einer angenehmen
sche Anweisung zu Leibesübungen. Ein Beytrag zur
und nüzlichen (Bdch. 4.5.7: nützlichen) Selbstbeschäf-
nöthigsten Verbesserung der körperlichen Erziehung.
tigung. Von einem Kinderfreunde [d. i. Georg Samuel
Von [Johann Christoph Friedrich] Gutsmuths. -
Gürnth]. Bdch. [1]-7.- Breslau und Hirschberg: Korn
Schnepfenthal: Buchhandl. der Erziehungsanstalt
1782-90.8°
1793. XVIII S., 9 ungez. BI., 663 S., I ungez. S., 11 Kup-
[I.] 1782.3ungez.BI., 176 S. fertaf., davon 1 aufFaltbl. 8°
2. 1784. XII, 186 S.
Frontispiz und 9 Kupfertafeln von C. Westermayr nach
3. 1785. VIII, 148 S.
J. H. Lips; Das Faltkupfer ist von J. F. C. Stoelzel gesto-
4. 1786. 7 ungez. BI., 196 S.
chen.
5. 1787.4ungez.BI.,211 S.
.6. 1788. IV, 184 S. Lehrbuch für die Leibeserziehung, um einer zunehmen-
7. 1790. XII, 258 S. den» Weichlichkeit« vorzubeugen; enthält drei Abteilun-
gen, in denen Sinn und Nutzen der Gymnastik erläutert,
In allen Bändchen ornamentale Titelvignette; Fronti-
gymnastische Übungen und Übungen der Sinne vorge-
spiz in Bdch. 2-7; in Bdch. 2 gestochen von J. D. Philip-
stellt werden.
pin, in Bdch. 3 von und nach G. F. J. Frentzel, in Bdch. 4
und 5 von Frentzel nach J.C. Richter, in Bdch.6 von B. d. Dt. Sporthochschule Köln
und nach Richter und in Bdch. 7 gestochen von Frent-
zel. 366 Spiele zur Uebung und Erholung des Körpers und
Geistes, für die Jugend, ihre Erzieher und alle Freunde
Unterhaltendes Lesebuch; bestimmt zur selbständigen
unschuldiger Jugendfreuden. Gesammelt und praktisch
Lektüre von Kindern, >>Welche keine gelehrte Erziehung
bearbeitet von [Johann Christoph Friedrich] Guts-
genießen, die aber dennoch Trieb zu lesen haben«; ent-
hält moralische Beispielgeschichten und -erzählungen, muths. Mit einem Titelkupfer und sechzehn kleinen Ris-
sen. - Schnepfenthal: Buchhandl. der Erziehungsan-
Lieder, Gedichte, Briefe, Unterredungen, Fabeln, Kin-
stalt 1796. 4 ungez. BI., XVI, 492 S., 2 ungez. BI., 5 Kup-
derschauspiele und Rätsel.
fertaf. 8°
Sächs. LB Dresden
Frontispiz von C. F. Stoelzel nach J. H. Ramberg; 4 un-
signierte Kupfertafeln mit Abbildungen von Sportanla-
363 Lesearchiv für die Jugend. Auch für erwachsene
Personen zur Unterhaltung. [Von Georg Samuel gen und -geräten.
Gürnth.]- Breslau und Hirschberg: Korn 1787. 4 ungez. Erstes systematisches Spielbuch für Kinder und Jugend-
BJ., 184 S. 8° liche, »aber es ist nichtfür die Jugend geschrieben, son-
dern für ihre Eltern, Erzieher und Freunde«. Enthält
Ornamentale Titelvignette
106 Spiele mit genauer Spielanleitung und Beschrei-
Unterhaltendes Lesebuch for Kinder, die »das reifere bung des pädagogischen Nutzens. Mit bedeutender Ein-
Alter erreicht« haben, auch zur Unterhaltung for Er- leitung »Über den Begriff des Spiels und über den mo-
wachsene bestimmt; enthält elterliche Lehren und Ver- ralischen, politischen und pädagogischen Werth der
mächtnisse, Erzählungen, Fabeln, Gedichte, Denksprü- Spiele; über ihre Wahl, Eigenschaften und Classifica-
che und Rätsel. tion«. - Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 455
StudienB Dillingen B. d. Dt. Sporthochschule Köln; HAB Wolfenbüttel
1377 Bibliographie 1378

367 Kleines Lehrbuch der Schwimmkunst zum Selbst- Wilhelm Ludwig] Gleim und [Magnus Gottfried] Licht-
unterricht; enthaltend eine vollständige praktische An- wer. Mit Kupfern vonJ[ohann] R(od[olf]) Schellenberg.
weisung zu allen Arten des Schwimmens nach den - Wintertbur: Steiner 1777. 6 ungez. BI., 80 S., 21 Kup-
Grundsätzen der neuen Italienischen Schule des [Oron- fertaf. 8°
zio de] Bernardi und der älteren Deutschen, bearbeitet
Frontispiz und 20 weitere Tafeln von Schellenberg.
von J[ohann] C[hristoph] F[riedrich] Gutsmuths.- Wei-
mar: Industrie-Comptoir 1798. XVI, 124 S., 3 ungez. Fabelsammlung, D. Chodowiecki gewidmet, mit einer
BI. 8o handschriftlichen Zueignung von Schellenberg; enthält
20 Fabeln, davon 11 von Hagedorn, 5 von Lichtwer und
Lehrbuch zur Erlemung des Schwimmens, das »ein
4 von Gleim.
Hauptstück der Erziehung« sein müsse; enthält in z. T.
historischem Rückblick methodische und praktische An- UB Heidelberg
weisungen zur Schwimmkunst. Halladat oder Das rothe Buch. Siehe: Gleim, Johann
Wilhelm Ludwig.
B. d. Dt. Sporthochschule Köln

Reisen der Salzmannischen Zöglinge. Siehe: Salzmann,


Christian Gotthilf.
Hamburgisches Wochenblatt

370 Hamburgisches Wochenblatt für Kinder, von Jo-


Hähn, Johann Friedrich ( 171 0--1789): Generalsuperin- hann Hinrieb Röding. Bdch. 1-4. - Hamburg: Reuß
tendent und Konsistorialrat in Aurich. Siehe Sp. 1229 1775-77.8°

368 Berlinisches neu eingerichtetes ABC Buchstabier- l. 177 5. I ungez. BI., 204 S.
und Lesebüchlein. [Von Johann Friedrich Hähn.] Um- 2. 1776. 3 ungez. BI., 200 S.
gearbeitet von Christian Zimmermann.- Berlin: Buch- 3. 1776. 3 ungez. BI., 202 S.
hand!. der Kgl. Realschule 1790. IV, 92 S. 8° 4. 1777. 3 ungez. BI., 202 S.

[Nebst:] Bilder-Buch zum Berlinischen neu eingerichte- In allen Bändchen Titelvignette in Kupferstich von T. A.
ten A. B. C. Buchstabier- und Lesebüchlein, enthält Pingeling nach J. F. H. Wehrs.
neun und zwanzig Abbildungen verschiedner Thiere, Moralische Wochenschrift for Kinder, die auch unter-
und zwölf Kupferstiche zu den in diesem Buche vor- halten will; enthält »fast lauter ernsthafte und unter-
kommenden Geschichten. 1791. 2 Kupfertaf., I ungez. richtende Aufsätze«, sodann Beispielgeschichten, Briefe,
BI., 6 Kupfertaf. 8° szenische Dialoge, Fabeln, Gedichte und Rätsel ver-
Unsignierte Titelvignette im Textteil; die ersten beiden schiedener Autoren sowie »brauchbare Stücke aus
Tafeln des Illustrationsbandes sind nicht signiert, stam- Schriften ( .. .), die nach ihrem ganzen Inhalt Kindem
men jedoch auch von J. C. Darchow, dem Stecher der zum Lesen nicht vorgelegt werden können«.
übrigen Kupfer. Staats- u. UB Harnburg (Bdch. 1.2); LB Oldenburg
ABC- und Lesebuchfor Stadt- und Landschulen; »nicht (Bdch. 3.4)
bloß for die kleinsten Lehrlinge bestimmt, sondern kann
auch den größem nützlich seyn«; lehrt das Lesen nach
der Litteralmethode; enthält neben Übungen im Lesen
einzelner Buchstaben, Silben und Wörter Sprichwörter, Hammerdörfer, Kar!
Sprüche aus der Bibel und »kleine, wahre Geschichten«,
eine Liste geographischer Namen, ein Abkürzungsver- 371 Ein geographisch-historisches Lesebuch zum Nut-
zeichnis, eine Einfohrung in die Rechen/ehre, eine Kurz- zen der Jugend und ihrer Erzieher von K{arl] Hammer-
grammatik sowie den Kleinen Katechismus Luthers und dörfer und C[hristian] Tiraugott] Kosche. Bd 1-5. -
eine kleine Sammlung von Liedern meist religiösen In- Leipzig: Weidmann und Reich (Bd 5: Weidmann)
halts. Die Erstausgabe des Werks erschien 1785 als er- 1784-88.8°
ster Band des dreiteiligen Neu eingerichteten Berlini- l. Europa. West- und Süd-Europa. 1784. X, I 020 S.
schen Schulbuchs. Zur Zimmermannsehen Bearbeitung 2. Europa. Nord- und Ost-Europa. Abth. l. 1785. X,
gehört das Bilder-Buch zum Berlinischen neu einge- 628 S. Abth. 2. 1785.609 S., 1 ungez. S.
richteten A. B. C. Buchstabier-und Lesebüchlein (1791) 3. Asia. Als eine Fortsetzung von Europa. 1786. XII,
mit 29 Tierabbildungen und zwölf weiteren Kupfersti- 812 s.
chen von Darchow zu Themen aus den Lesestücken. Die 4. Afrika. Als eine Fortsetzung von Europa. 1787.
Illustrationen Darchows sind in einfachster Technik XXII,944 S.
ausgefohrt und werden in einer kleinen Vorbemerkung 5. Amerika. Als eine Fortsetzung von Europa. Abth. I.
selbst als »freylich nur ganz simpel« bezeichnet. - Aus- Nord-Amerika. 1788. XIV, 778 S. Abth. 2. Süd-
fUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 892 Amerika. 1788. 694 S.
Erzbischöfl. Akadem. B. Paderborn Geographisch-historische Beschreibung aller Länder
und Weltteile vomehmlichfor den Unterricht; behandelt
in Bd 1 Süd- und Westeuropa; in Bd2, in zwei Abteilun-
Hagedorn, Friedrich von (1708-1754): Jurist, Lyriker, gen aufgeteilt, Nord- und Osteuropa. Bd 3 befaßt sich
Fabel dichter. mit dem asiatischen Kontinent, Bd 4 mit Afrika, Bd 5 in
zwei Abteilungen mit Nord- und mit Südamerika. Die
369 Fabeln von [Friedrich von] Hagedorn, [Johann einzelnen Länderartikel beginnen zumeist mit einer geo-
1379 Bibliographie 1380

graphischen Beschreibung. gehen zu Landwirtschaft, von Amold, gestochen von Capieux. Frühling, Som-
Handel. Industrie. Kultur, Künsten und Wissenschaften mer, Herbst, Winter. - Leipzig: Leo 1798-1800. 47
über, behandeln sodann die politischen Verhältnisse und Kupfertaf., davon 43 kolor. 8°
die Geschichte der Staatsveränderungen. In den Vor-
Frühling. 1798. April. 2 ungez. BI., 105 S. May. 76 S.
worten der späteren Bände werdenjeweils neueste politi-
sche Ereignisse aus den Ländern nachgetragen, die Juny. 4 ungez. BI., 61 S.
schon behandelt wurden. Sommer. July. 1799. 61 S. August. 1800. 53 S. Septem-
ber. 1800. 48 S.
StaatsB Samberg (Bd I); UB Heide1berg (Bd 5); StB Herbst. October, November, December. 1800. I 04 S.
Tri er (Bd 1-4) Winter. 1800. 2 ungez. BI., I 04 S.
Frontispiz zum Frühling-Heft von G. Boettger sen. nach
H. V. F. Schnorr von Karolsfeld sowie zum Herbst- und
Handbuch für Kinder Winter-Heft, gestochen von Boettger; die weiteren
Kupfer sind von J. S. Capieux nach J. S. Amold (Am-
372 Handbuch für Kinder von reiferem Alter, zur Bil- hold) gestochen.
dung des Verstandes und Herzens.- Nürnberg: G. P. Erzählende und belehrende Darstellung über die Jahres-
Monath 1776. 4 ungez. BI., 280 S. 8° zeiten; behandelt das Kalender- und Kirchenjahr, ver-
Omamentale Titelvignette schiedene Volks- und Kirchenbräuche, das Wetter,
Bauernregeln und Naturerscheinungen, die Arbeit des
Lesebuch for den Haus- und Schulgebrauch; enthält Landmannes, Gärtners und Försters sowie die in der
kurze Sachtexte zur Physik und Naturgeschichte, Anek- Jahreszeit vorkommenden f1lanzen, Vögel und Fische;
doten, Fabeln, Idyllen, Lieder, Gedichte, moralische soll der »angenehmen Belustigung der Kinder« dienen;
Beispielgeschichten und moralische Abhandlungen un- reiche Kupferillustrierung.
terschiedlicher Herkunft, die auf die sittliche Bildung
der Kinder abzielen. Der Autor bemüht sich um eine Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt (Frühling-
Anpassung an das kindliche Fassungsvermögen, hat Winter); UB d. TU Braunschweig (Frühling)
aber auch schwierige Texte aufgenommen, die die Kin-
der mit der Dichtungssprache bekannt machen sollen.
Ludwig Helmann ... Siehe: Claudius, Georg Carl.
Städt. B. Ballenstedt

Henke, Heinrich Philipp Conrad ( 17 52-1809): Profes-


sor der Theologie in Helmstedt.
Hausius, Carl Gottlob (1754-1825): Pfarrer, Pädagoge
und Schriftsteller. 376 Auswahl Biblischer Erzählungen für die erste Ju-
gend. von Heinrich Phitipp Conrad Henke.- Leipzig:
Neues A, B, C und Lese-Buch, 1790 Crusius 1788. 4 ungez. BI., 119 S. 8°
373 Neues A, B, C und Lese-Buch, in Bildern mit Er- In: Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina. Lfg 2.
klärungen aus der Naturgeschichte. [Von Carl Gottlob Historienbibel for kleine Kinder, vornehmlich zum Vor-
Hausius.] 2. verb. Aufl. - Leipzig: Voß und Leo 1793. lesen gedacht; enthält im ersten Abschnitt 2 I Gleichnis-
190 S., 20 kolor. Kupfertaf. auf Faltbl. 8° reden Jesu mit angehängten Sittenlehren sowie Denk-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich; die Kupferta- sprüche »in Gleichnissen aus der täglichen Erfahrung«;
feln sind ebenfalls nicht signiert. im zweiten Abschnitt 14 Erzählungen aus der Geschich-
te Jesu - ausgelassen sind die Wundergeschichten, die
EA 1 790. - Illustriertes ABC- und Lesebuch for den for Kinder »eben so nachtheilig werden können, als Ge-
Anfangsunterricht; geht nach der Buchstabiermethode spensterhistorien«- sowie 10 Erzählungen aus dem Al-
vor, wodurch die Kinder »zur Aufmerksamkeit angehal- ten Testament(]. Mose, 1. u. 2. Samuel, 1. Königeund
ten und zu einigem Nachdenken angewöhnt« werden Hiob).
sollen; enthält Sittensprüche als Leseübungen, die
Grundrechenarten und die Beschreibung der 20 Kupfer- HAB Wolfenbüttel; StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin;
tafeln mit naturkundlichen Darstellungen. Der Lehrer Nieders. Staats- u. UB Göttingen
soll sie »theils zur Leseübung brauchen, theils als Anlei-
tung zu Erzählungenfor die wißbegierige Neugierde der 377 Geschichte der Jüdischen und Christlichen Reli-
Kinder nutzen«. gion für den ersten Unterricht, von Heinrich Philipp
Conrad Henke.- Leipzig: Crusius 1788. 4 ungez. BI.,
StUß Frankfurt !50S., I ungez. BI. 8°
In: Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina. Lfg 3.
374 Dass. 5. verb. Aufl.- Leipzig: Voß 1797. 214 S., I
ungez. BI., 20 kolor. Kupfertaf. 8° Religionsgeschichtliches Lehrbuch zum Unterricht evan-
gelischer Kinder durch »wohlunterrichtete Jugendleh-
Unsignierte Titelvignette; 8 Kupfertafeln von und nach rer«; enthält die »Geschichte der in der heiligen Schrift
J. S. Capieux, die übrigen sind nicht signiert. geoffenbarten Religion«; mit vier Abschnitten zur jüdi-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. schen Religionsgeschichte und vier Abschnitten zur
christlichen Religionsgeschichte von der Stiftung des
375 Die Vier Jahreszeiten in bildlicher und erzählender Christentums bis zu den neuesten Zeiten.
Darstellung für Kinder. (Von Carl Gottlob Hausius.) HAB Wolfenbüttel; StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin;
Mit illuminirten Kupfern, nach der Natur gezeichnet Nieders. Staats- u. UB Göttingen
1381 Bibliographie 1382

Henrici, Johann Karl Friedrich Samml. Theodor Brüggemann, Köln

378 Die kleinen Rechner. Zum Nutzen und Vergnügen siehe: Liebeskind, August Jacob: Palmblätter.
für wißbegierige Kinder. Die vier Rechnungsarten mit
einzelner und verschiedener Benennung und die An-
fangsgründe der Bruchrechnung. [Von Johann Karl Hermes, Johann Timotheus (1738-1821): Pastor und
Friedrich Henrici.]- Berlin: Dieterich 1799. XIV S., I Professor am Realgymnasium in Breslau.
ungez. BI., 110 S., 2 ungez. BI. 8°
Kolorierte Titelvignette, gestochen von F. W. Bollinger. 382 FürTöchteredler Herkunft. Eine Geschichte. [Von
Johann Timotheus Hermes.] Th. [1]-3.- Leipzig: Jaco-
Lehrbuch der vier Grundrechenarten fiir den Privatun- bäerl787.80
terricht und den häuslichen Gebrauch kleiner Jungen
und Mädchen; dient gleichzeitig als Leitfaden fiir Leh- [1.] 310 s.
rer, »die privatim diese Wissenschaft lehren wollen«; 2. 294 s.
vermittelt >>die Anfangsgründe der Rechenkunst ( . . .) in 3. 327 S., I ungez. S.
einer faßlichen Sprache, und in dem, den Kindern so Empfindsam-didaktischer Briefroman, der die Ge-
angenehmen, Gesprächston«; in 15 Unterredungen ei- schichte einer weiblichen Hauptfigur und ihrer Mitschü-
nes Privatlehrers mit seinen drei Zöglingen eingekleidet. lerinnen erzählt, die in einer französischen Pensionsan-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. stalt in Berlin zur Unzucht mit sich selbst verfUhrt wor-
den sind; Hauptgewicht der Schilderung liegt auf den
Folgen der Unzucht und der Reue der Mädchen; Ein-
Herder, Johann Gottfried von (1744-1803): Evangeli- schub von langen moralischen Reflexionen; wendet sich
scher Theologe, Philosoph, Kunst- und Literaturhistori- an ein gemischtes Publikum, vorrangig weibliche Leser,
ker, Dichter und Pädagoge. Siehe Sp. 1229 wobei ausdrücklich auch an junge Mädchen gedacht ist;
als Gegenstück hierzu entstand Für Jünglinge jedes
379 Buchstaben- und Lesebuch. (Von J[ohann] G[ott- Standes (1 790).
fried von] Herder.)- (Weimar) 1787. 10 ungez. BI. 8°
UStB Köln
ABC-Buchfiir Schulanfänger; soll den Katechismus als
gewöhnliches ABC-Buch ablösen und das Lesen vor al-
lem an Wörtern lehren, »die im gemeinen Leben und
auch im Schreiben am meisten vorkommen« und Kin- Die Hesperiden
dern verständlich sind. - AusfUhrliehe Beschreibung sie-
he Sp.888 383 Die Hesperiden. Ein Magazin für jugendliche Un-
terhaltung. (Bd 1: Bearbeitet von [Christian Felix] Weis-
ZentraiB d. Dt. Klassik Weimar se, [David Christophi Seybold, [Johann Ferdinand]
Schlez, und andern, und herausgegeben von I[mrna-
Luthers Katechismus, 1798 nuel] D[avid] Mauchard- Bd 3: In Verbindungmit meh-
380 Luthers Katechismus, mit einer katechetischen Er- rern Jugendfreunden herausgegeben von J. D. Mau-
klärung zum Gebrauch der Schulen; von Johann Gott- chart.) Bd 1. [3.]- Schnepfenthai: Buchhandl. der Erzie-
fried [von] Herder. -Jena: Göpfert o. J. 26, VIII, 258 hungsanstalt 1798-1805. 8°
[richtig: 158] S. 8° I. 1800. Stück I. 1798. 4 ungez. BI., 224 S. Stück 2.
Jenaer Nachdruck des Herdersehen Katechismus mit 1798. 181 S., I ungez. S. Stück 3. 1798. 176 S., 1 Kup-
fiirstlich-sächsischem Privileg. Der vor!. Ausgabe sind fertaf. auf Faltbl. Stück 4. 1799. 168 S., I Kupfertaf.
vorgebunden die 6 Hauptstücke der christlichen Lehre, aufFaltbl.
tägliche Gebete und der »Katechismus mit Luthers Er- [3.] Stück 9. Mit einer Kupfertafel und einer Tab. 1804.
klärung«. Der Herdersehe Katechismus beginnt mit ei- 157 S., 1 ungez. S. Stück 10. Mit einer Kupfertaf.
ner methodischen Einleitung. Dann folgt die Erläute- 1805. 144 s.
rung der Hauptstücke. Zum Abschluß werden insgesamt [Fortsetzung:] Neue Hesperiden. Ein Magazin für ju-
12 Lebensregeln und eine Tafel mit dem Einmaleins ge- gendliche Unterhaltung. In Verbindung mit mehrern
boten. Er ist erstmals 1 798 in Weimar und Halle er- Jugendfreunden herausgegeben von I[rnmanuel]
schienen. Die Hoffnung Herders auf eine Einfiihrung D[avid] Mauchart. Mit einer illuminirten Kupfertaf.
des Katechismus in Preußen zerschlugen sich allerdings. Stück3.-Gotha: Perthes 1806.140 S. 8°
In einem Brief Herders an Gleim vom 16. 3. 1798 heißt
es: »Mein Katechismus wird in Preußen nicht eingefiihrt Die Kupfertafel in Bd I, Stück 4 ist von Pronnenberg ge-
werden; dazu sind eure Pröbste zu aufgeklärt; sie sche- stochen.
ren nicht von den Schafen, sondern wollen Wolle von Spiel- und Beschäftigungsbuch fiir Kinder zur Unterhal-
den blanken Steinen.« (Suphan, BdXXX, S. 526) Her- tung in den Erholungsstunden; Einteilung in »Spiel-
ders Katechismus war im Herzogtum Weimar bis 1883 abende«, »Leseabende« und »Zauberabende«, die die
in Gebrauch. »Feyerstunden ( .. .) angenehm und nützlich zugleich«
HAB Wolfenbüttel machen sollen.
Murhardsche B d. Stadt Kassel und LB Kassel (Hes-
381 Dass. u. d. T.: Luthers Catechismus. Mit einer cate- periden); Staats- u. StB Augsburg (Neue Hesperiden)
chetischen Erklärung zum Gebrauch der Schulen; von
Johann Gottfried [von] Herder.- Weimar: Albrecht o. J.
26, VIII, 158 S. 8°
1383 Bibliographie 1384

Hess, Johann Jakob (1741-1828): Antistes in Zürich. Zweymal zwey und funfzig auserlesene biblische Histo-
Siehe Sp. 1229 rien ... und Millers Erbauliche Erzählungen der vor-
nehmsten biblischen Geschichten ... gedacht.
siehe: Biblische Erzählungen für die Jugend.
Bad. LB Karlsruhe

Hesse, Catharina von 388 Joh[ann] Friedrich Heynatz, Anweisung zur Deut-
schen Sprache. Zum Gebrauch beim Unterricht der er-
384 Etwas für meine Deutsche Schwestern, ein Werk in sten Anfänger.- Berlin: Mylius 1785. VIII, 216 S. 8°
fünf Abtheilungen, zur Belehrung für Mädchen, Gatti- Lehrbuch der deutschen Sprache für jüngere Schüler,
nen und Mütter. Geschrieben von der verwittweten auch als Leitfadenfür Lehrer gedacht; enthält Abschnit-
Cath[arina] von Hesse, gebohme Reichsfreyinn von te »Von der Vermeidung des unreinen Deutsch« (mit
Bossi. - Donauwörth: Brunner 1794. 7 ungez. BI., 254 Verzeichnis der Barbarismen und vermeidbaren Fremd-
[richtig: !54] S. 8° wörter),» Von der Vermeidung des ungenauen Deutsch«
Sittenschrift für junge Mädchen ab dem 15. Lebensjahr (mit Verzeichnis von Synonymen) sowie eine Sprachleh-
und junge Frauen in der Absicht, »Herz und Verstand re;für einen Unterricht gedacht, der »bloß gelegentlich,
zu bilden«, vor »allen moralischen Uibeln zu warnen und nur auf die allerentfernteste Art systematisch« ist.
und ( .. .) Mittel anzuzeigen, wie sie denselben entge- HAB Wolfenbüttel
hen und ausweichen können«.
Bayer. StaatsB München
Hiller, Johann Adam (1728-1804): Kantor an der Tho-
masschule und Musikdirektor an beiden Hauptkirchen
Heusinger, Johann Heinrich Gottlieb (1766-1837): in Leipzig.
Pädagoge und Philosoph in Jena und Dresden. Siehe
Sp. 1230 389 Funfzig geistliche Lieder für Kinder, mit clavier-
mäßig eingerichteten Melodien, zum Besten der neuen
385 Gutwills Spatziergänge mit seinem Wilhelm, für Armenschule zu Friedrichstadt bey Dreßden componirt
junge Leser herausgegeben von Johann Heinrich Gott- von Johann Adam Hiller. - Leipzig: Breitkopf in
lieb Heusinger. - Zittau und Leipzig: Schöps 1792. Comm. 1774. 99 S., 1 ungez. S. quer-8°
XXII S., S. 23-116.8° Sammlung von »Gesängen der Freude, der Tugend und
Titelvignette in Kupferstich von und nach J. J. Wagner. der Religion«; wendet sich an »gutgeartete Kinder vor-
nehmen und geringen Standes«, insbesondere an »jene
Lehrgespräche eines Vaters mit seinem Sohn über Ge- im Schooße der Dürftigkeit und des Elends gebohrnen
genstände der Moral und der Religion; eingekleidet in Kinder«; enthält in Text und Noten unter Angabe der
Erzählungen, »welche Pflichten der Gerechtigkeit dar- Tempi Morgen-, Abend- und Festlieder sowie Lieder
stellen«; gedachtfür Kinder von ca. 12 bis 14 Jahren.- »über die vornehmsten Stücke der christlichen Lehre«.
Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 650
UB d. FU Berlin
Leop.-Soph.-B. Überlingen

Historisch-geographische Unterhaltungen
Heynatz, Johann Friedrich ( 17 44-1809): Schulrektor
und a.o. Professor der Eloquenz in Frankfurt/Oder. 390 Historisch-geographische Unterhaltungen oder
Reisen des Herrnxxxdurch alle vier Welttheile. Ein un-
386 Deutsche Sprachlehre zum Gebrauch der Schulen terrichtendes Lesebuch für die Jugend. Mit Landchar-
von Johann Friedrich Heynatz.- Berlin: Mylius 1770. 2 ten [fehlen in diesem Ex.!] Aus dem Französischen. Th.
ungez. BI., 160 S. 8° 1.2.- Braunschweig: Schulbuchhandl. 1790. 8°
Omamentale Titelvignette I. VIII, 298 S. [davon S. I und 2 in der röm. Pag. enthal-
Sprachlehrbuch für den Schulgebrauch in fünf Teilen. ten]
Behandelt werden die Aussprache, die Orthographie, 2. 2 ungez. BI., 248 S.
die Etymologie, die Syntax und die Prosodie. Das vor/. Reisebeschreibung für die Jugend, gedacht als »ein an-
Lehrbuch ist lt. Vorrede ein Auszug aus einem größeren genehm unterhaltendes und zugleich lehrreiches Lese-
Werk, an dem der Verfasser noch arbeitet. buch« zum Gebrauch »von solchen Lehrlingen, die ihren
HAB Wolfenbüttel ersten Gang in der Erdbeschreibung vollendet haben«
und für »junge Frauenzimmer«; behandelt Europa,
387 Johann Friedrich Heynatz auserlesene Erzählun- Afrika, Asien und Amerika und will die »Geschichte,
gen aus der biblischen Geschichte. - Frankfurt a. d. Verfassung und natürliche Beschaffenheit der verschie-
Oder: Strauß 1776. 4 ungez. BI., 142 S., I ungez. BI. 8° denen Länder unserer Erde« vermitteln »und ein treues
Gemählde von den Sitten und Gewohnheiten der Völ-
Omamentale Titelvignette ker, welche sie bewohnen« darbieten.
Historienbibel für den Privatunterricht; enthält 39 bibli- StB Braunschweig
sche Erzählungen aus dem Alten und Neuen Testament
mit beigefügten Sittenlehren, jedoch ohne »eingemischte
Moralen«; Verfasser sucht in der Darstellung alles An- Historisch-Statistisch-Moralisches Lesebuch ... Siehe:
stößige zu vermeiden; als Verbesserung von Hübners Mangelsdorf, Kar! Ehregott.
1385 Bibliographie 1386

Historische Aufsätze Elementares Lehrbuch der Geschichte in der Form eines


Kalenders, das der Jugend »das vornehmste aus der
391 Historische Aufsätze für die Jugend, aus den be- Geschichte« als in einem Jahr zu lernenden Stoff dar-
rühmtesten Schriftstellern ausgezogen. Aus dem Engli- bieten will, wobei pro Woche 5-6 Stunden zugrunde ge-
schen.- Leipzig: Junius 1773. 581 S., 3 ungez. S. 8° legt werden; durchgehende Darstellung mit zahlreichen
Tabellen und mehreren Abschnitten zu jedem Kalender-
Ornamentale Titelvignette
tag. Behandelt werden die biblische Geschichte, die der
»Auswahl der schönsten Stellen, die in den angesehen- antiken Reiche, die des römisch-deutschen Kaisertums
sten historischen Werken alter und neuer Zeit zu finden bis ins 18. Jh. und die der anderen europäischen Länder
sind.« Sie ist an fortgeschrittene Jugendliche gerichtet und Amerikas.
mit der Absicht, ihnen nicht nur »edle und gerechte Ge-
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
sinnungen einzuflößen«, sondern auch um sie auf den
Eintritt in das »öffentliche Leben« vorzubereiten. Das
Werk enthält 60 Auszüge aus historischen Darstellun- Historisches Bilderbuch
gen aus Antike und Neuzeit, wobei gegen Ende auch
politische und moralische Abhandlungen auftauchen, so 394 Historisches Bilderbuch für die Jugend enthaltend
etwa über Tyrannei, Patriotismus und den Einfluß des Vaterlandsgeschichte. [Verf. der Bände 1-9: Johann
Fortgangs der Wissenschaften auf die Sitten der Men- Friedrich August Zahn.] Bdch. 1-10.12.- Leipzig: Cru-
schen. Unter den Texten befindet sich eine von Robert- sius (Bdch. 9.10.12: Vogel) 1797-1816. 8°
son stammende Darstellung der Verschwörung des Fies-
co zu Genua (S. 88 ff). I. Mit 21 Kupfern. 1797. VIII S., 4 ungez. BI., 320 S., 1
ungez. BI.
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt 2. Mit 24 Kupfern. 1798. XII, 240 S.
3. Mit 18 Kupfern. 1798. VIII, 344 S.
4. Mit(14) Kupfern. 1799. VIII,240 S., 1 ungez. BI.
Historische Erdbeschreibung 5. Mit(18)Kupfern.1801.2ungez.Bl.,359 S.
6. Mit (I 0) Kupfern. 1802. 5 ungez. BI., 336 S.
392 Historische Erdbeschreibung zum Gebrauche der 7. Mit (12) Kupfern. 1802. 8 ungez. BI., 410 S., 2 un-
Jugend. - München: Fritz 1770. 8 ungez. BI., 581 S., 41 gez.Bl.
ungez. S. 8° 8. Mit (12) Kupfern. 1805. 12 ungez. BI., 466 [richtig:
498] S. [Nebent. :] Geschichte der Teutschen für die
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. Jugend.
Lehrbuch zu Geographie und Geschichte in katecheti- 9. Mit (12) Kupfern. 1809. 7 ungez. BI., 430 S., I un-
scher Frage-Antwort-Form for die männliche Jugend gez.Bl.
zur Bildung von »Herz und Verstand«, angehende Wis- 10. Mit (8) Kupfern. 1811.7 ungez. BI., 327 S.
senschaftler und Erwachsene; enthält in der Vorrede ei- 12. Mit(7) Kupfern. 1816. XVI, 322 S. [Taf. Nr. 5 fehlt
nen Methodenteil zum Unterricht an öffentlichen Schu- in diesem Ex.!] [Nebent.:] Geschichte der Teut-
len; behandelt die Erdbeschreibungen Europas (mit schen für die Jugend.
Schwerpunkt auf Deutschland), Asiens, Afrikas, Ameri- Außer 2 Kupfern, die von K. A. Schwerdgeburth ge-
kas und unbekannter Länder (96 Abschn.), eine Sphä- zeichnet sind und 20 unsignierten sind alle Kupfer von
renlehre ( 14 Abschn.) und eine » Erdbeschreibung der äl- J. M. Mettenleiter erfunden und gezeichnet, bzw. nur
teren Zeiten« ( 18 Abschn.) gezeichnet. Die Stecher sind: G. Boettger sen. (18 Kup-
StUß Frankfurt fer in Bdch. 1-3), C. Westermayr ( 17 Kupfer in Bdch. I
und 2), C. H. Grünler(10 Kupfer in Bdch. 1-3).
Umfassendes, jedoch fragmentarisches Werk zur deut-
Historische Erzählungen, die Denkungsart und Sitten schen Geschichte; umfaßt den Zeitraum vom römischen
der Alten zu entdecken. Siehe: Bodmer, Johann Jakob. Krieg gegen die Kimbern und Teutonen (113-101
v. u. Z.) bis zur Zeit der Österreichischen Großmachtbil-
dung (1 705 Tod Kaiser Leopolds 1.); eingeteilt in drei
Abschnitte zur alten, mittleren und neueren Geschichte;
Historische und moralische Erklärungen der Bilder und will »bey der immer mehr überhand nehmenden Cosmo-
Gemählde auf der KapeU-Brücke der Stadt Lucern. Sie- polomanie« einen Beitrag zur patriotischen Erziehung
he: Balthasar, Josef Anton Felix von. der Jugend leisten; reiche Kupferillustrierung. - Aus-
Historischer Anfang, Oder Kurtze und leichte Weise, fUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 1192
die Catholische Jugend in der Historie zu unterrichten.
Siehe: Dufresne, Max. Murhardsche B. d. Stadt Kassel und LB Kassel (Bdch.
1-7); UB d. TU Braunschweig (Bdch. 3); StB Wupper-
tal (Bdch. 8); UB Düsseldorf(Bdch. 9.10.12)

Historischer Calender
Historisches, physikalisches, und moralisches Magazin
393 Historischer Calender für die Jugend zu einer
höchstleichten Erlernung der Geschichte aufs Jahr 395 Historisches, physikalisches, und moralisches Ma-
Christi 1778. - Hamburg: Brandt 1778. 5 ungez. BI., gazin für Kinder beyder1ey Geschlechts. Th. 1. - Heil-
154S.kl.8° bronn 1781. 364 S. 8°
Ornamentale Titelvignette Omamentale Titelvignette
1387 Bibliographie 1388

Unterhaltendes Lesebuch »für Kinder beyderley Ge- EA 1782 (Ky). -Sammlung von 67 Fabeln des Augs-
schlechts«: enthält Beispielgeschichten und -erzählun- burger Sängers Daniel Holzmann (16. Jahrh.) in star-
gen. Reisebeschreibungen, Anekdoten, Dialoge, Gedich- ker Bearbeitung; Umsetzung der versifizierten Fabeln in
te und moralische Abhandlungen und Betrachtungen. Prosa; im Vorbericht ausführliche Darlegungen des Be-
arbeiters über Auffindung und Herkunft der Fabeln,
Fürst!. Fürstenberg. HofB Donaueschingen
über Entstehungsgeschichte des Werks und Kriterien
der Bearbeitung.
Hoche, Johann Gottfried (1765-1836): Hofmeister zu StB Soest
Halden (Minden), vorher Senior des Königlichen Theo-
logischen Seminars zu Halle.
Horstig, Karl Gottlieb: Konsistorialrat, Superinten-
396 Des Amtmanns Tochter von Lüde. Eine Wertheria- dent und Oberpfarrer der evangelisch-lutherischen
de für Aeltern, Jünglinge und Mädchen. [Von Johann Stadtkirche zu Bückeburg.
Gottfried Hoche.]- Bremen: Wilmans [1797]. 272 S. 8°
Empfindsam-didaktischer Abschreckroman über die 398 Kinder-Lieder und Melodien von [Kar! Gottlieb]
Dreierbeziehung zwischen zwei Schwestern und ihrem Horstig. - Leipzig: Breitkopf & Härte! ( 1798). 63 S., I
jungen Hauslehrer, der beide Mädchen liebt, sich als ty- ungez. BI. 8°
pisch empfindsam-schwankender Charakter nicht ent- Titelvignette in Kupferstich von W. Böhm nach H. V. F.
scheiden kann und beiden ewige Liebe schwört. Als sein Schnorr von Karolsfeld.
Doppelspiel herauskommt, ertränkt sich Elise in einem
Fluß, Walder, der Hauslehrer, erschießt sich vor den Liedersammlung zum Vorsingenfür Eltern und Kinder-
Augen Marianes, die ihrerseits wahnsinnig wird, die wärterinnen; gedacht für den ersten Unterricht in der
Mutter stirbt vor Gram. - Diese eigentliche Geschichte Tonkunstfür Kinder ab dem 2. Lebensjahr, wenn diese
wird erst im 2. Teil des Buches erzählt (S. 135-253), bereits anfingen, »Melodien nachzulallen, ehe ihre Zun-
und zwar erzählt sie der verzweifelte Vater einem teil- ge sich noch zum Sprechen bequemt«; enthält 20 Lieder
nehmenden jungen Manne, der den Vater und die in Text und Noten unter Angabe der Tempi.
wahnsinnig gewordene Tochter kennengelernt hat und Samml. Dr. Hauswedell, Harnburg
sich ihnen voller Mitgefühl zuwendet ( = Thema des 1.
Teils).
UBJena Hübner, Johann ( 1668-1731): Rektor in Merseburg
und Hamburg.

Höchstnöthige Belehrung und Warnung für junge Mäd- 399 Zweymal zwey und funfzig auserlesene Biblische
chen zur frühen Bewahrung ihrer Unschuld. Siehe: Historien aus dem Alten und Neuen Testamente, der Ju-
Oest, Johann Friedrich. gend zum Besten abgefasset von Johann Hübnern;
nebst einer Vorrede E. Ministerii der Stadt Hamburg.
Aufs neue revidirt von Joh[ann] Gottfr[ied] Fleck. -
Leipzig: Gleditsch 177 5. 15 ungez. BI., 408 S., 6 ungez.
Der höfliche Musensohn ... Siehe: Graf, Andreas
BI., 105 Kupfertaf. 8°
Christoph.
Frontispiz und 104 weitere Kupfertafeln sind unsig-
niert.
Der höfliche Schüler. Siehe: Graf, Andreas Christoph. Historienbibel für Kinder, Schulbuch; enthält jeweils 52
Erzählungen aus dem Alten und Neuen Testament in
enger Anlehnung an den Bibeltext mit beigefügten
Der höfliche Schüler oder Regeln zu einem höflichen »deutlichen Fragen«, »nützlichen Lehren« und »gottse-
und artigen Betragen für junge Leute. Siehe: Voit, Jo- ligen Gedanken«; reiche Kupferillustrierung. EA 1714.
hann Peter.
Sammlung. Theodor Brüggemann, Köln

Der Hof in Fabeln. Siehe: Moser, Friedrich Kar! Frei-


herr von. Hüther, Johann Nikolaus (geb. 1745): Rektor des Gym-
nasiums zu Wesel.
siehe: Jugendzeitung und Jahrbuch.
Die Hofmeisterinn ... Siehe: Fielding, Sarah.

Hundert Aesopische und andere auserlesene Fabeln


Holzmann, Daniel (1540-ca. 1620): Bürger, Kürschner
und Poet. 400 Hundert Aesopische und andere auserlesene Fa-
beln nebst beigefügter Moral für die Jugend mit Kup-
397 Fabeln nach Daniel Holzmann herausgegeben von fern.- Nürnberg: Schneiderund Weigel1796. !57 S., 35
A[ugust] G[ottlieb] Meißner. - Carlsruhe: Sehrnieder kolor. Kupferill. i. T., I ungez. S. 8°
1783. 20 ungez. BI., 80, VI S. 8°
Unsignierte Titelvignette, 2 Kupfer sind von Vogel ge-
Titelvignette in Kupferstich, signiert mit »D«. stochen, die übrigen sind unsigniert.
1389 Bibliographie 1390

Bebilderte Sammlung von 101 Fabeln in Vers und Pro- Unterhaltendes, sachlich und moralisch belehrendes Le-
sa, von denen ein großer Teil eine angehängte, kurzge- sebuchfiir Kinder von sieben bis zwölf Jahren zur priva-
haltene Didaxe enthält. Viele Fabeln sind ohne Verfas- ten Lektüre und zum Gebrauch im Schulunterricht; um-
serangabe, einige sind über- bzw. unterschrieben mit: faßt Lieder, Gedichte, Fabeln und Erzählungen, ein
Nach Aesop, B. Waldis, Lafontaine. Gekennzeichnet Märchen und ein Hirtenspiel, denen ein »Kurzer Begriff
sind Fabeln von: Desbillon, Geliert, Gleim, Lessing, der allgemeinen Geschichte« beigefiigt ist, der im Ge-
Lichtwer, Pfeffel, Ramler und Willamov. schichts- und Geographieunterricht auch zur Vermitt-
lung »der wichtigsten moralischen Wahrheiten« beitra-
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
gen soll. Vertreten sind Geliert, Gleim, Weiße, Hage-
dorn, Gessner, Lichtwehr, Haller, Beaumont, Tessin
Inhalt aller Wissenschaften und Kleist. - AusfUhrfiche Beschreibung siehe Sp. 93
UStB Köln
401 Inhalt aller Wissenschaften, zum Gebrauch der
Kinder vom sechsten bis 12ten Jahre. Aus dem Franzö- 404 Ermahnungen eines Eidsgenossen an seinen
sischen übersetzt.- Wien: von Trattner 1778. 78 S., I un- Sohn.
gez. BI. 8° In: Iselin: Vermischte Schriften. Bd 2.- Zürich: Orell,
Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt. Geßner, Füeßli 1770. S. 291-305. 8°

Enzyklopädie fiir Kinder in Frage-Antwort-Form; In beiden Bänden der »vermischten Schriften« gesto-
Nachahmung von Kurzer Inbegrif aller Wißenschaften chene Titelvignette von S. Geßner.
zum nützlichen Gebrauch eines Kindes von drey bis Väterlicher Rat /se/ins an seinen sechzehnjährigen
sechs Jahren (1756) von Jean Palairet. Die Vorrede ist Sohn; im Mittelpunkt stehen Belehrungen über die Auf-
der »Berliner Ausgabe von 1757« entnommen .. Der gaben eines freien Bürgers im demokratischen Staat.
Text ist weitgehend umformuliert, Aufbau und Inhalte
bleiben dieselben. Lediglich der Abschnitt» Von den kai- UStBKöln
serlichen Häusern in Europa« ist von 2 auf 35 Seiten
ausgedehnt, was die Wahl eines älteren Adressatenkrei- 405 Eudoxus, oder von der Liebe.
ses rechtfertigt. In: Iselin: Vermischte Schriften. Bd 2.- Zürich: Orell,
Geßner, Füeßli 1770. S. 233-271. 8°
UB d. TU Braunschweig
Beispielgeschichte mit moralisch-belehrendem Teil über
die Schädlichkeit der Romanlektüre fiir die Jugend;
Interessante und rührende Geschichte des Prinzen Li-Bu wendet sich offensichtlich an Eltern, Jünglinge und
Mädchen. Die beiden Romane, die die beschriebenen
402 Interessante und rührende Geschichte des Prinzen negativen Folgen hervorrufen, sind Richardsons Claris-
Li-Bu, eines Eingehomen der Pelew-Inseln, vom Capi- sa (bei dem Mädchen) und Sir Charles Grandison (bei
tain Wilson nach England gebracht. Nebst einer kurzen dem Jüngling).
Erzählung von diesen Inseln und den Sitten der Ein- UStB Köln
wohner. Aus dem Englischen [von Christian Felix Wei-
ße]. Ein Weihnachtsgeschenk für die Jugend. Erstes
Jahr. Mit Kupfern.- Leipzig: Gräff[l792]. 5 ungez. BI., Jacobi, Johann Friedrich ( 1712-1791): Konsistorialrat
134 S., 2 Kupfertaf. kl. 8° und Generalsuperintendent in Lüneburg.
Frontispiz, gestochen von G. F. J. Frentzel und I Falt-
406 Kurze und zur Erbauung eingerichtete Einleitung
kupfer, gestochen von J. F. A. Clar.
in die Christliche Glaubens- und Sitten-Lehre in Frage
Reisebeschreibung aus dem Englischen; das Original und Antwort gefasset und zum häuslichen Gebrauch
wollte zum »Vergnügen ( .. .), zum Unterrichte und zur herausgegeben von Johann Friedrich Jacobi. - Hanno-
Belehrung der jungen Welt beytragen«; der Übersetzer ver: Richter 1764. 7 ungez. BI., 302 S. 8°
wendet sich »An die deutschen jungen Leser«, von de-
Omamentale Titelvignette
nen er hofft, der Text möge fiir sie »unterhaltend, lehr-
reich und angenehm«, eine »unfehlbare Aufmunterung Religiöses Lehrbuch in katechetischer Frage-Antwort-
zur Nachahmung«, aber auch ein »Anlaß zur Beschä- Form. Es handelt in sieben Hauptstücken von Gott, sei-
mung« sein; enthält die Schilderung der Südseereise nen Werken und Geschöpfen, der Erlösung, der Heili-
Kapitän Wilsons und die Lebensgeschichte des Prinzen gung des ausgesöhnten Sünders, von den Pflichten der
Li-Bu. Christen, den Sakramenten und dem Gebet des Herrn.
Ein Anhang beschäftigt sich mit den Unterschieden der
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
Religion. Gedacht fiir Adelskinder als auch fiir »Kinder
von angesehenen und verständigen Bürgern«.
Iselin, Isaac ( 1728-1782): Ratsschreiber, pädagogi- HAB Wolfenbüttel
scher Schriftsteller. Siehe Sp. 1230
407 Die ersten Lehren der Christlichen Religion nebst
403 Sammlung dem Nutzen und dem Vergnügen der einer Anleitung, wie sie der Jugend ohne mühsames
Jugend geheiliget. [Von Isaac Iselin.]- Basel: Schweig- Auswendiglernen auf eine leichte und erbauliche Art
hauser 1768. XXVI, 185 S. [in diesem Ex. fehlen dieS. beyzubringen, zusammengetragen von Joh[ann] Frie-
1-6, 11-14], 3 ungez. S. 8° der[ich]Jacobi.- Hannover: Richter 1768.88 S. 8°
Omamentale Titelvignette Religionsunterrichtliches Werk fiir Kinder von 7 bis 8
1391 Bibliographie 1392

Jahren in Form von »kurzen, verständlichen, angeneh- unsers und des Ave Maria, verschiedene Gebete und
men und erbaulichen Unterredungen«; es handelt in Fürbitten. fromme Betrachtungen fur die einzelnen Wo-
sechs Hauptstücken von Gott, der Schöpfung. der Erlö- chentage, Denksprüche for jeden Tag des Monats, einen
sung, der Heiligung des Menschen, den E'flichten und Abschnitt »von der guten Auffihrung«. eine Meß-.
Tugenden und den Sakramenten. Die Unterredungen Beicht-, Kommunions- und eine Kreuzwegsandacht. EA
sind in katechetischer Frage und Antwort gehalten, su- lt. Ky.
chen sich aber der Fassungskraft der Kinder anzupas-
Bayer. StaatsB München
sen.
B. Landeskirchenamt Hannover 412 Dass. 4., durchaus verb. sehrverrn., einzig rechtmä-
ßige Ausg., mit vierilluminirten Kupfern.- Ebd. 1795. 3
ungez. BI., 134 S., I ungez. BI. kl. 8°
Jacobi, Johann Heinrich (1762-1816): Magister der
Die Kupfertafeln sind nicht signiert.
Philosophie, Privatlehrer.
Handbuch for katholische Schüler; gegenüber der drit-
408 Deutscher Kinder-Allmanach auf das Jahr 1788. ten Auflage überarbeitete und neugegliederte Ausgabe,
Ein Weihnachtsgeschenk zur angenehmen und lehrrei- vermehrt um eine kurze christliche Sittenlehre und einen
chen Unterhaltung für Kinder und die Jugend. Heraus- Anhang mit Liedern.
gegeben von J[ohann] H[einrich] Jacobi. - Hamburg:
Staats- u. StB Augsburg
Bo'hn 1788.204 S., 2 ungez. BI. 4°
Unterhaltendes Lesebuch for Kinder und Jugendliche; Schöne Geschichten und lehrreiche Erzählungen, 1792
enthält Lieder, Fabeln, Beispielgeschichten, historische
413 Schöne Geschichten und lehrreiche Erzählungen
Anekdoten, Unterredungen sowie sachliche Texte zur
zur Sittenlehre für Kinder. [Von Aegidius Jais.] 3. sehr
Naturkunde.
verrn. und verb. Ausg.-0. 0. [1794].48 ungez. BI. kl. 8°
LBCoburg
Ornamentale Titelvignette
Sammlung moralischer Beispielgeschichten for die häus-
Jais, Aegidius (1750-1822): Katholischer Pfarrer, liche Lektüre und den Schulgebrauch; wendet sich an
Gymnasialprofessor und Jugendschriftsteller. Kinder und an »Eltern, Schullehrer und Kinderfreun-
de«, die an »Feyertagen Nachmittags, oder auch unter
409 Lesebuch für meine Schüler zur Bildung ihres Her- der Wochebey den Lehr- und Arbeitsstunden darüber
zens. Herausgegeben von Aegidius Jais. - Salzburg: ähnliche Gespräche und Beyspiele anfUhren« sollen.
Mayr 1784. 7 ungez. BI., 311 S., 3 ungez. S. 8° Enthält 41 kürzere, vornehmlich im ländlichen Bereich
angesiedelte Geschichten, sowie einen Anhang mit Re-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich, die gleiche im
geln zu Gesundheit und » Wohlanständigkeit<<. EA lt.
))Lesebuch für studierende Jünglinge«.
Ky.
Lesebuch zur »nützlichen und angenehmen« Belehrung
Bayer. StaatsB München
der heranwachsenden männlichen Schuljugend; will ei-
ne »Moral for die Jugend« sein und enthält Erzählun-
414 Dass. 4. sehr verrn. und verb. Ausg. - Salzburg:
gen, Berichte, Gespräche und Gedichte, die in die drei
Mayer 1795.
Themenkreise E'flichten gegen Gott, gegen sich selbst
und gegen andere gegliedert sind. Ornamentale Titelvignette
Erzbischötl. Akadem. B. Paderborn Im Vergleich zur 3. Aufl. Erweiterung um einige Bei-
spie/geschichten und um einen längeren Textteil, in dem
410 Dass. u. d. T.: Lesebuch für studierende Jünglinge eine vorbildliche Dorfschule mit gemeinschaftlichem Un-
zur Bildung ihres Herzens. Von Aegidius Jais. 4. Ausg.- terricht, Schulgesetzen und einem »Sittengericht« be-
Salzburg: Mayer 1813. 8 ungez. BI., 317 S., 3 ungez. schrieben wird.
S. 8o
Staats- u. StB Augsburg
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Bayer. StaatsB München Amulet für Jungfrauen, 1798
415 Amulet für Jungfrauen, oder Gebethund Lehren,
Lehr- und Beth-Büchlein, 1792 die eine tugendhafte Jungfrau öfters wohl zu Herzen
411 Lehr- und Beth-Büchlein für die lieben Kinder, das nehmen soll. Ein Geschenk für Jungfrauen, vom P.
auch wohl Erwachsne brauchen können. Von Aegidius Aegid[ius]Jais. Augsburg: Merz 1826.24 S. 8°
Jais. 3., verb., sehrverrn., und mit einem Titelkupferver- Ornamentale Titelvignette
sehene Ausg. - Salzburg: Mayr 1794. 4 ungez. BI., 126
Sittenschrift for katholische Mädchen. Enthält ein Ge-
S., 5 ungez. BI. kl8°
bet sowie »gute Lehren«. im Mittelpunkt stehen Aus-
Unsigniertes Frontispiz und ornamentale Titelvignette. fohrungen zur Keuschheit und jungfräulichen Reinheit.
Den Schluß des Bändchens bildet eine »Kurzgefaßte
Handbuch for katholische Schüler; dient dem christli-
christliche Sittenlehre. Zum Nachdenken an Sonntagen,
chen und sittlichen Unterricht, gleichzeitig als Buch for
auch vor der Beicht, oder nach der heil. Kommunion
schulische Leseübungen gedacht; enthält Abschnitte zu
dienlich.« EA lt. Ky.
Gott und zu Jesus, zur christlichen Tugend und zum Ge-
bet, Erklärungen des Glaubensbekenntnisses, des Vater- Privatbesitz
1393 Bibliographie 1394

Jann, Franz Xaver (1750-1828) Omamentale Titelvignette in allen Bänden; die Tafel im
Jahrgang 1789 ist unsigniert.
416 Etwas wider die Mode. Gedichte, und Schauspiele
ohne Caressen, und Heurathen, für die studirende Ju- Monatsschrift für Kinder und Jugendliche zwischen 7
gend herausgegeben von Franz Xaver Jann. - Augs- und 16 Jahren; will »auf eine gute und nützliche Art
burg: Rieger 1782.8 ungez. BI., 364 S., 2 ungez. BI. 8° ( .. .) unterhalten«, etwas zur Bildung von Herz und
Verstand beitragen, »was ihnen in ihrem künftigen Le-
Ornamentale Titelvignette ben nützlich seyn kann«; behandelt in Gesprächseinklei-
Sammlung von Gedichten und Schauspielen, die darauf dung moralische, religiöse und sachliche Themen.
abzielt, »da und dort ein gefährliches Buch aus den UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. (1789); UB d. TU
Händen der Jugend« zu verdrängen »und in zarte Her- Braunschweig(1791)
zen gute Sittenlehren« einzuflößen; gedacht als Gegen-
stück zu den modernen Gedichten und Schauspielen, de-
ren schädlicher Einfluß vehement kritisiert wird; umfaßt Jugendgeschichte berühmter Männer. Siehe: Sturm,
Gedichte, die »nach den Grundsätzen der Vernunft, der Christoph Christian.
Religion, und des Evangeliums eingerichtet« seien, und
Schauspiele, die zeigen sollen, »daß man für Theater-
stücke, ohne immer auf Buhlschaften, und Heurathen Jugendzeitung und Jahrbuch
zu veifallen, doch wichtige, und zugleich ergötzende Ge-
genstände wählen könne«. 419 Jugendzeitung und Jahrbuch. Auf das Jahr
Staats- u. StB Augsburg 1782-84. [Von Johann Nikolaus Hüther.]- Wesel: Rö-
der1782-84.80
1782. 408 S.,24ungez. BI., Beylage H. 1.2. 4-12.
Der Jugendbeobachter 1783. 408 S.,24ungez. BI., Beylage H. 1-12.
1784. 408 S.,24ungez. BI., Beylage H. 1-12.
417 Der Jugendbeobachter. (Bdch. I: Zu Fortbildung Reichhaltige ornamentale Titelblattverzierung.
des Geistes, Geschmacks und Herzens erwachsnerer Ju-
gend gewidmete Schriften.) [Bdch. 1-4: Hrsg. von WH- Wochenschrift zur Unterhaltung und Belehrung; ge-
helm Christian Müller].- (Bdch. 5: Hrsg. von Christian dacht für »Jünglinge und auch altere Personen«, aber
Gottlieb Perschke.) Bdch. 1-5.- Hannover 177 6-79. 8o auch »kleine Kinder« seien »nicht gänzlich dabey ( .. .)
vergessen worden«; enthält überwiegend historische und
1. 1776.248 s. geographische Beiträge sowie Nachrichten zu tagespoli-
2. 1777.253 S., 2 ungez. S. tischen Ereignissen.
3. 1777.270 S., 1 ungez. BI.
4. 1779. 270 S., 1 ungez. BI. StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
5. 1779.262 S., 1 ungez. BI.
In Bdch. 1 Titelvignette von Hafe; in Bdch. 2-5 unsi- Julchen Griinthal. Siehe: Unger, Friederike Helene.
gnierte Titelvignette; alle in Kupferstich.
Zeitschrift für »die erwachsnere Jugend«, vornehmlich
für die männliche Jugend zwischen 12 und 16 Jahren, Julie von Rosenfeld. Siehe: Neumann, Johann Jakob
jedoch auchfür »junge Damen« gedacht; dem Jugendli- Nathanael.
chen sollen »Hindernisse weggeräumt, Vorurtheile als
solche ihm bei Zeiten dargestellt werden, der Nachah-
mungstrieb in ihm erwekt, geregt, und aufs Gute, Edle, Dasjunge Modefrauenzimmer. Siehe: Weiße, Christian
undfür seinen Lebenskreis Zwekmässige und Erspriesli- Felix.
che hingelenkt« werden; enthält überwiegend morali-
sche Abhandlungen und Briefe sowie Artikel zu sachli-
chen Themen. Die jungen Spieler, oder: Böse Gesellschaften verder-
ben gute Sitten. Siehe: Weiße, Christian Felix.
UStB Köln (Bdch. 1-4); StaatsB Preuß. Kulturbes. Ber-
lin (Bdch. 5)
Just, Karl Gottlob ( 1734-1792): Advokat, Syndikus
und Bürgermeister in Zittau.
Jugendfreuden
420 Neues Kurzgefaßtes und leichtes Lehr- Lern- und
418 Jugendfreuden. (Hrsg. von Tobias Wahrmann, [d. Lesebuch für die Dorfjugend und zum Gebrauch in
i.] C[arl] A[ugust Gottlieb] Seidel.) Aufs Jahr 1789/91.- Dorfschulen bestimmt von Kar! Gottlob Just. 2. verm.
Weißenfels: Severin 1789/91.8° und verb. Aufl.- Leipzig: Lincke; Chemnitz: Wesset-
1789. 2. Aufl. Bd 1. Januar bis Junius. 8 ungez. BI., 244 höft 1799. 8 ungez. BI., 132 S. 8°
S., 1 Kupfertaf., 1 Notenfaltbl. Bd 2. Julius bis Landschullesebuch in der Nachfolge von Rochows Kin-
Dezember. 120 S. [unvollständig, es fehlen die derfreund (I 776); will zur »Aufklärung der Landkin-
Monate August, Oktober bis Dezember!] der« beitragen und » Vorurtheile, Aberglauben und 1rr-
1791. Bd 1. Januar bis Junius. 246 S., 1 ungez. BI., I thümer des gemeinen Landmannes« abbauen. Enthält
Notenfaltbl. Bd 2. Julius bis December. 238 S., 1 Lese- und Verstandesübungen mit Begriffserklärungen,
ungez. BI. moralische Beispielerzählungen verschiedener Autoren,
1395 Bibliographie 1396

Sittenlehren und Gesundheitsregeln, religiöse Lieder Unsignierte Titelvignette in Kupferstich; Randleiste auf
und Gebete, sowie Tabellen mit Maß- Gewichts- und dem Titelblatt.
Münzeinheiten. - Neben Texten des Verfassers, Beiträ-
Sittenschrift for junge Leute beiderlei Geschlechts, »aus-
ge aus Schriften von Salzmann (Konrad Kiefer), Cam-
gewählte Gedanken über besondere Gegenstände, und
pe und Rochow, Seiler (Allgemeines Lesebuch), Rein-
zwar solche, die man in gesellschaftlichem Leben täg-
hardt (Der Mädchenspiegel), K. Plato und E. A. Jun-
lich, ja stündlich anwenden kann«. Enthält neben Leh-
ker. EA lt. Ky 1798.
ren zur allgemeinen Menschenliebe, zur Bildung eines
Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel guten Herzens, eines guten Geschmacks. u. ä. Erörte-
rungen zu speziellen Themen wie Romanlesen, verlieb-
lern Briefwechsel, Tabakrauchen usw. Den Schluß bil-
Käufler, Johann Friedrich (geb. 1733) den neun Gedichte teilweise religiösen Inhalts.
Päd. Zentralbücherei NR W, Dortmund
421 Sammlung vorzüglich schöner Handlungen zur
Bildung des Herzens in der Jugend. [Von Johann Fried-
Spiegel der Tugend und guten Sitten, 17S7
rich Käufler.]- Altenburg: Richter 1779. 5 ungez. BI.,
IS4S.So 424 Joh[ann] Ephr[aim] Keil. Spiegel der Tugend und
guten Sitten. Für Kinder. Nach Weißens Lehrart. 4.
Ornamentale Titelvignette
durchaus verb. Aufl.- Altona: Eckstorff; Hamburg:
Moralisches Exempelbuch; enthält 38 »lehrreiche Bey- Kratzsch in Comm. IS03. VIII, 276 S. so
spiele schöner Handlungen aus verschiedenen Nationen [Nebent. :] Sittenbildende Anwendung müssiger Stun-
und Ständen«, in denen »Muster der Großmuth, den. Ein Geschenk für liebe Söhne und Töchter, die
Menschenliebe, Mildthätigkeit, Enthaltsamkeit, Gelas- gern hübscheGeschichten lesen.
senheit und Treue« zur Nachahmung for Jugendliche
Gestochene Vignette auf dem Nebentitelblatt
vorgestellt werden. Das Werk besteht aus insgesamt vier
Teilen (1 779, Ky). EA 1787.- Sammlung von Beispielgeschichtenfor Kin-
der, z. T. den Werken Weißes und Rochows entliehen.
Staat!. B. Eichstätt
Sächs. LB Dresden

Katechismus der Christlichen Lehre


Kenntniß lateinischer Buchstaben und Leseübungen
422 Katechismus der Christlichen Lehre. Zum Ge-
brauch in den Evangelischen Kirchen und Schulen der 425 Kenntniß lateinischer Buchstaben und Leseübun-
König!. Braunschw. Lüneb. Churlande. Für den ganzen gen in lateinischen Schriften, wobey auch die Gebethe
Harzdistrict. 2. Auf.- Clausthal: Wendeborn 1791. !SI ec. vorkommen, die der Altardiener dem Priester bey
S., I ungez. S. so der heil. Messe nachzusprechen hat. - München:
(Graff) 1797. 16 ungez. BI. so
Ornamentale Titelvignette
Ornamentale Titelvignette
Katechismus und Religionslehrbuch in Frage-Antwort-
Form. Vorangestellt sind die 5 Hauptstücke der christli- Lateinische Fibel zur Unterweisung in die katholische
chen Lehre. Dann folgen sieben Abschnitte über: Gott Messe; enthält die Buchstaben des lateinischen Alpha-
und die heilige Schrift, Schöpfung und Vorsehung, den bets, römische Zahlen, deutsche Sittensprüche in Silben-
Menschen, die Erlösung des menschlichen Geschlechtes, trennung, eine Erzählung, lateinische Gebete und die
die Heiligung des Menschen, sein künftiger Zustand Liturgie der katholischen Messe.
und über die Pflichten des Christen. Ein achter Ab- UB d. TU Braunschweig
schnitt handelt von den Sakramenten. Sodann werden
eine kurze Religionsgeschichte, Lieder, Verse, Gebete
und Gebetserklärungen geboten. Am Ende des Werks Kenntnisse von natürlichen Dingen
steht eine Einmaleins- Tafel.
HAB Wolfenbüttel 426 Kenntnisse von natürlichen Dingen zum Gebrau-
che der studierenden Jugend in den kaiserl. königl. Staa-
ten.- Wien: Trattner 17S3. 3 ungez. BI., 136 S., 4 Kup-
Katechismus der Christlichen Religion für das Land- fertaf. auf Faltbl. so
volk ... Siehe: Schlosser, Johann Georg. Die Tafeln sind unsigniert.
In Paragraphen abgefaßtes naturkundliches Lehrbuch
Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk. Siehe: for Studierende; enthält im 1. Teil eine kurzgefaßte Na-
Schlosser, Johann Georg. turlehre, im 2. Teil eine ausführlichere Naturgeschichte,
die vom Tier-, Pflanzen- und Mineralreich handelt.
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Keil, Johann Ephraim: Kandidat des Predigeramtes zu-
nächst in Leipzig, später in Merseburg.
Kinderakademie
423 Bildung der Jugend nach der feinem Welt. Von Jo-
hann Ephraim Keil. - Altona: Kaven 17S7. X S., I un- 427 Kinderakademie, eine Monatschrift zur Aufklä-
gez. BI., 50 [richtig: 100] S. so rung des Verstandes und Bildung des Herzens der Ju-
1397 Bibliographie 1398

gend. [Hrsg. von Matthias von Flur! und Vincenz Pali Der Kinderfreund
von Pallhausen.] Th. 1-5.- München: Hrsg. 1784-86.
8o 429 Der Kinderfreund. Ein Wochenblatt. [Von Chri-
I. 1784. Erster Theil, welcher die ersten sechs Monate stian Felix Weiße.] Th. 1-24. - Leipzig: Crusius
enthält. Mit einer Vignette, zwoen Tab. und fünf 1776-82.8°
Kupfern [ = 4 Kupfertaf., davon I auf Faltbl., I No- I. Stück 1-25. 1776. VI, 202 S.,2 Kupfertaf.
tenfaltbl.]292 S., 2 ungez. BI. 2. Stück 26-38. 1776. VI, 190 S., 3 Kupfertaf., I No-
2. 1784. ZweyterTheil, welcherdie letzten sechs Mona- tenbl.
te enthält. Mit einer Vignette, dreyen Kupfern [ = 2 3. Stück 39-51. 1776. VIII, 204 S., 4 Kupfertaf., 2 No-
Kupfertaf., davon I auf Faltbl., I Notenfaltbl.], und tenbl.
einer Tab. 290 S., 2 ungez. BI. 4. 2. verb. Aufl. Stück 52-64. 1777. VI, 184 S., 3 Kup-
3. 1785. Dritter Theil, welcher die ersten sechs Monate fertaf., 1 Notenbl.
enthält. Mit einer Vignette, und fünf Kupfern. 9 un- 5. 2. verb. Aufl. Stück 65-78. 1777. VI, 182 S., 3 Kup-
gez. BI., 290 S., 2 ungez. BI. fertaf., 1 Notenbl.
4. 1785. Vierter Theil, welcher die letzten sechs Monate 6. Stück 79-91. 1777. VI, 199 S., 3 Kupfertaf., 2 No-
enthält. Mit einer Vignette, und dreyen Kupfern [ = I tenbl.
Kupfertaf. auf Faltbl., beschädigt, I Notenfaltbl., I 7. Stück 92-104. 1777. VI, 199 S., 1 ungez. S., 3 Kup-
Kupfertaf. fehlt]. 289 S., 6 ungez. S. fertaf., 1 Notenbl.
5. 1786. Fünfter Theil, welcher die ersten sechs Monate 8. Stück 105-117. 1777. IV [richtig: VI], 198 S., 3 Kup-
enthält. mit einer Vignette, vier Kupfern [ = 3 Kup- fertaf., 1 Notenbl.
fertaf. aufFaltbl., I Kupfertaf. fehlt] undzweyen Lie- 9. Stück 118-130. 1777. VI, 208 S., 3 Kupfertaf., 1
dern. 9 ungez. BI., 290 S., 2 ungez. BI. Notenbl.
In jedem Bändchen Titelvignette in Kupferstich; in Th. 10. Stück 131-143. 1778. VI, 191 S., 3 Kupfertaf., 2
4 von J. M. Mettenleiter, in Th. 3 von M. J. G. Dillis, in Notenbl.
den übrigen unsigniert; 3 Kupfertafeln stammen von 11. Stück 144-156. 1778. VI, 198 S., 3 Kupfertaf., 1
Mettenleiter, I ist von F. X. Jungwierth gestochen, I sig- Notenbl.
niert mit ))V. R.«; die übrigen Kupfer sind unsigniert, 12. Stück 157-169.1778. VI,200S.,3 Kupfertaf.
bzw. die Signaturnichtmehrverifizierbar, da sie beschä- 13. Stück 170-182. 1778. VI,200 S., 3 Kupfertaf.
digt sind. 14. Stück 183-195. 1779. V1,214S.,3 Kupfertaf.
15. Stück 196-208. 1779. V1,208 S., 3 Kupfertaf.
Monatsschrift for bayerische Kinder; enthält z. T. in 16. Stück 209-221. 1779. 2 ungez. BI., VI, 228 S., 3
Gesprächsform moralische Erzählungen und Abhand- Kupfertaf.
lungen. Fabeln, Briefe, Anekdoten, Lieder, Gedichte, 17. Stück 222-234. 1780. 2 ungez. BI., VI, 209 S., 3
Denksprüche und Rätsel sowie sachliche Abhandlungen Kupfertaf.
zu Naturkunde und Naturgeschichte, Geographie und 18. Stück 235-242. 1780. VI, 200 S., 3 Kupfertaf.
insbesondere vaterländischer Geschichte Bayerns. 19. Stück248 [!]-260. 1780. VI, 214S., 2 Kupfertaf.
Bayer. StaatsB München (Th. 1.2); Bischöfl. SeminarS 20. Stück 261-273. 1781. 2 ungez. BI., VI, 196 S., 3
Eichstädt (Th. 3-5) Kupfertaf., 1 Notenbl.
21. Stück 274-287. 1781. VIII, 208 S., 2 Kupfertaf., I
Notenfaltbl.
22. Stück 288-300. 1781. VI, 214 S., 3 Kupfertaf., 1
Kinderbiographie Notenbl.
23. Stück301-313. 1781. VIII, 242 S., 3 Kupfertaf.
428 Kinderbiographie bis an die Jahre ihres Bestim- 24. Stück 314-326. 1782. 2 ungez. BI., VIII, I 08 [rich-
mungsstandes.- Altenburg: Richter 1783. 104 S. 8° tig: 208]S., 3 Kupfertaf., 1 Notenbl.
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. Jeder Teil ist mit einer Titelvignette und außer in Th. 5,
Moralische Biographien for jüngere Kinder. Geschildert 8, 13, 14, 17,20-24 mit einem Frontispiz und in allen
werden drei »Geschichten von solchen Kindern, die sich Bänden mit 2-4 (einschließlich Frontispiz) Tafeln aus-
durch vorzügliche Eigenschaften von Andern ganz be- gestattet. In den ersten elf Bänden sind alle Kupfer un-
sonders ausgezeichnet, und bis zu hohen Ehrenstufen signiert. Ab Th. 12 werden als entwerfende Künstler
geschwungen haben«; die Grundlage der Geschichten aufgeführt: C. L. Crusius (1), der auch 3 Kupfer gesto-
bilden - dichterisch frei ausgeschmückte - Berichte von chen hat, J. A. Rosmaesler (9), der davon 6 und 2 weitere
der Kindheit realer Personen, die später in ihren Beru- Kupfer gestochen hat und J. E. Schenau (9); die Stecher
fen außerordentlich erfolgreich waren. sind außerden o. g.: M. M. Thoenert(l), Krüger (2), G.
A. Liebe (I), G. G. Endner(2), D. Berger(l), C. F. Stoel-
StudienB Dillingen zel (3) und C. G. Rasp (I).
Zeitschrift for Kinder aus dem gesitteten Bürgerstand,
for Jungen und Mädchen von ca. 5 Jahren bis zum Ein-
Das Kinderbuch. Siehe: Vierthaler, Franz Michael. tritt »ins jugendliche Alter«. Weiße greift das Gestal-
tungsprinzip der moralischen Wochenschriften auf und
übernimmt deren Modell einer fiktiven Verfasserschaft
Kinderfreuden oder Schulunterricht in Gesprächen. Sie- (»Mentor«), durch die die Einzelbeiträge (Dialoge, Bei-
he: Reventlow, Friederike Juliane Gräfin von. spie/geschichten, Lieder, Fabeln, Kinderschauspiele
usw.) in den Rahmen eines integrierenden Ganzen ge-
stellt und vereinheitlicht werden. Der Leser nimmt dabei
1399 Bibliographie 1400

teil an den Erlebnissen und Unterhaltungen einer Fami- Kinderzeitung


lie und dem Unterricht (Moral, Religion, Naturge-
schichte, Geschichte, Geographie usw.) ihrer Kinder. - 433 Kinderzeitung. [Hrsg. von Christian Gottfried
Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 137 Böckh.] Bdch. 1-14.- Nümberg: Felßeker 1780-83. go
UStB Köln. Erziehungswiss. Abt. (Th. 1-24); Freies Dt. I. 1780. [3. Quarta1.]4 ungez. BI., 200 S.
Hochstift Frankfurt (Th. 14-17, 19-22, 24); HAB Wol- 2. 1780. (4. Vierteljahr.) 2 ungez. BI., 204 S.
fenbüttel (Th. 3-23); Samml. Theodor Brüggemann 3. 1781. I. Quartal. 4 ungez. BI., 200 S.
(Th.6) 4. 1781. 2. Quartal. 4 ungez. B., 200 S.
5. 1781. 3. Quartal. 4 ungez. BI., 200 S.
430 Dass. 3. verb. Autl. Th. 1-12.- Ebd. 1780-82. 8° 6. 1781.4. Quartal. 4 ungez. BI., 200,XVS.
7. 1782. 1. Quartal. 4 ungez. BI., 200 S.
I. 1780. VI S., S. 7-262,3 Kupfertaf., I Notenbl.
8. 1782.2. Quartal. 4 ungez. BI., 200 S.
2. 1780. VIII, 268 S., I Kupfertaf., 3 Notenbl.
9. 1782.3. Quartal. 4ungez. Bl.,200 S.
3. 1780. VIII, 256 S., 2 Kupfertaf., 3 Notenbl.
10. 1782. 4. Quartal. 4 ungez. BI., 200 S.
4. 1781. VIII, 256 S., 2 Notenbl.
11. 1783. 1. Quartal. 4 ungez. BI., 200 S.
5. 1781. VIII, 247 S., I Kupfertaf., 3 Notenbl.
12. 1783.2. Quartal. 4ungez. BI.,200S.
6. 1781. VIII, 246 S., I ungez. BI., 2 Kupfertaf., I No-
13. 1783.3. Quartal. 4 ungez. BI., 200 S.
tenbl.
14. 1783.4. Quarta1.4ungez. BI., 196 S., 2 ungez. BI.
7. 1781. VIII, 248 S., 2 Kupfertaf.
8. 1781. VIII, 264 S., 2 Kupfertaf. Gestochene Titelvignette in allen Bändchen von und
9. 1781. VIII, 251 S., I Notenbl. nach J. A. Rosmaesler.
I 0. 1782. VIII, 254 S., 2 Kupfertaf., 2 Notenbl.
Wochenschrift zum »Nutzen« und zur Unterhaltung; ge-
II. 1782. VIII,261 S., I Kupfertaf.
dacht für »das ganze jugendliche Alter«; vermittelt mo-
12. 1782. 2 ungez. BI., VI, 284 S., I Kupfertaf.
ralische und sachliche Belehrung in Form von Gesprä-
In jedem Teil Titelvignette; Frontispiz in Th. I; 7 Kup- chen, Briefen, Erzählungen, Fortsetzungsgeschichten,
fer hat Rosmaesler, der davon auch 3 gestochen hat, ge- Gedichten und Nachrichten, wobei der Zeitungscharak-
zeichnet, 2 Schenau; Endner hat 17 Kupfer gestochen. ter durch einige »Neuigkeiten« dokumentiert wird.
Diese Ausgabe faßt je 2 Teile der Erstausgabe in einem LBCoburg
Band zusammen.
Dt. StaatsB Berlin
Kirsch, George Friedrich ( 17 42-1790): Hofprediger in
431 Dass.2.Autl. Th.I7.18.23.24.-Prag:vonSchön- Ebersdorf im Vogtland.
feld 1781182. 8°
434 Exempelbuch für junge Christen. Gesammlet und
17. 1781.102S. herausgegeben von George Friedrich Kirsch.- Leipzig:
18. 178l.IOOS. Böhme 1786. 4 ungez. BI., 206 S. 8°
23. 1782.118S.
24. 1782. 106 s. Omamentale Titelvignette

In allen Teilen seitenverkehrte Wiedergabe der Titelvi- Sammlung moralischer Beispielgeschichten »zum Be-
gnetten der Originalausgabe; in Th. 17 und 23 unsig- sten der Jugend«; enthält Beispiele »früher Frömmig-
niert, in Th. 18 signiert mit »Gn. B.« und in Th. 24 mit keit«, »zärtlicher Kindesliebe«, ;;wahrer Geschwisterlie-
»G. (oder J.) B.« be<< und »edler Menschenliebe« sowie »Briefe zärtlicher
Eltern und Freunde an ihre Kinder und Verwandte«
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. und zum Schluß mehrere Gebete und Lieder.

432 Dass. 4. verb. Autl. Th. 5-8. - Grätz: Kienreich UBJena


1805.8°
5. Stück 118-143. VIII,227 S., 1 Kupfertaf.,3 Notenbl. Kirsten, Johann Friedrich Ernst (1768-1820): Adjunkt
6. Stück 144-169. VIII, 228 S., 2 Kupfertaf., I Notenbl. der philosophischen Fakultät Jena, anschließend Pfar-
7. Stück 170-195. VIII,235S.,2Kupfertaf. rer in Eischleben, im Gothaischen. Siehe Sp. 1230
8. Stück 196-221. VIII, 251 S., 2 Kupfertaf.
In jedem Teil unsignierte Titelvignette; die Tafeln sind 435 Seelenlehre für die Jugend nach den Grundsätzen
auch nicht signiert. der Kantischen Philosophie, in dialogischer Form. Zum
Gebrauch für die höhem Klassen in Gymnasien und
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. Schulen. Nebst einem Anhange für Leser, die sich bloß
von dem unterrichten wollen, was die kritische Philoso-
phie lehrt. Von Joh[ann] Fried[rich] Ernst Kirsten.- Go-
tha: Perthes 1800.4 ungez. BI., VIII, 216,23 S. 8°
Kindermährehen aus mündlichen Erzählungen gesamm-
let. Siehe: Günther, Christoph Wilhelm. Philosophisches Lehrbuch über die Seele und deren Er-
kenntnis- und Begehrungskräfte, das in sokratischer
Unterredung abgefaßt und für die höheren Klassen ge-
dacht ist. Seine Basis bildet der Kantische Kritizismus.
- Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 1206
Kinderspiele und Gespräche. Siehe: Schummel, Johann
Gottlieb. Hess. LB Wiesbaden
1401 Bibliographie 1402

Die kleine Aehrenleserinn. Siehe: Weiße, Christian behandelt den menschlichen Organismus, das Tier-,
Felix. f11anzen- und Mineralreich, die nützlichen, mechani-
schen und schönen Künste, Sprachlehre, Rhetorik
Dichtkunst, Mythologie, Geographie und Geschichte;
Kleine Bilder-Akademie der 2. Teil beinhaltet die Vernunft/ehre, Mathematik,
Physik, Kriegs/ehre, Rechtswissenschaft, Theologie,
436 Kleine Bilder-Akademie für leselustige und lern- Arzneikunst, Kamera/- und Finanzwissenschaft, schließ-
begierige Söhne und Töchter. Mit zwei und dreißig lich die Staatskunst; Lehrbuch ohne bes. Einkleidung.
Kupfertaf.- Berlin: Felisch 1793. VI, 375 S., I ungez. Nieders. Staats- u. UB Göttingen
BJ. 8o
Die Kupfertafeln sind unsigniert.
Kleine Geschichten für Kinder
Enzyklopädisches Bilderlehrbuch fiir Kinder, »die schon
Geschmack fiir Lektüre« gewonnen hätten. Der anony-
me Verf. bemerkt, daß er aus fremden Quellen ge- 439 Kleine Geschichten für Kinder von 6-10 Jahren,
schöpft habe und sein eigenes Verdienst lediglich in die gern etwas lesen was ihnen verständlich, nützlich
»Auswahl und Anordnung der Stücke« bestehe. Es und angenehm ist. (Von J. G. S ... ft.) Th. [1.]2.4-6.-
handelt sich um eine Nachahmung von Stoys Bilder- Leipzig: Reiseher 1792-1801.8°
Akademie, aus der nicht nur die meisten Texte, sondern [I.] MiteinemKupfer.l792. VII1,214S.
auch nahezu sämtliche Abbildungen übernommen sind. 2. [Mit einem Kupfer.] Neue verb. Aufl. 1794. 2 ungez.
Krebs (1929) geht ausfiihrlicher auf das vor/. Werk ein BI.,274S.
(S. 36f). 4. Miteinem Kupfer. 1795.3 ungez. BI., 278 S.
5. [Mit einem Kupfer.]l796. 242 S.
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
6. MiteinemKupfer.l80l.XVIII,358S.
Omamentale Titelvignette, in Th. I, 4-6 gleich, in Th. 2
Der Kleine Catechismus leicht verändert; Frontispiz, in Th. I, 2, 4und 5vonJ. D.
Schubert gezeichnet und von J. J. Wagner (Th. I), J. C.
437 Der Kleine Catechismus des Martin Luthers, nebst Domheim (Th. 2), G. C. Schule (Th. 4), C. Westermayr
den gewöhnlichen Morgen- Tisch- und Abend-Gebä- (Th. 5) gestochen; Frontispiz in Th. 6 von und nach J.
tem. Wobey die Ordnung des Heils in einem Liede, in M. Mettenleiter.
kurzen Sätzen, in Frag und Antwort, und in einer Tabel- Sammlung von Beispielgeschichten und Beispielerzäh-
le, wie auch der Inhalt der Heiligen Schrift in Versen, lungen; behandelt- manchmal kontrastierend- die ver-
hinzugefüget Zum Gebrauch der Jugend. Nebst einem schiedensten Tugenden und Laster; will zugleich unter-
Anhang der sieben Buß-Psalmen, einem geistlichen halten und belehren. Ab dem 4. Teil ist der» Vortraget-
Lied, und das Einmal Eins.- Philadelphia: Klein und was zusammenhängender und daher etwas schwerer zu
Reynolds 1784. III, 138 [vermutlich 140] S. 8° verstehen«; er soll die Kinder »zum Verständniß noch
Evangelischer Katechismus fiir Jugendliche, der zu- schwererer und ernsthafterer Schriften geschickt« ma-
nächst den Kleinen Katechismus Luthers und den »an- chen. Der 6. Teil enthält ein ausfiihrliches alphabeti-
dem Theil« des Katechismus, die »Ordnungs des sches Verzeichnis der behandelten Themen.
Heils«, enthält und hieran eine Reihe von Zugaben an- LB Coburg (Th. I); Staatl. B. Regensburg (Th. 2.4-6)
schließt, u. a. Lieder und ein Goldenes ABC für die Ju-
gend. Im vor/. Expl. fehlt das letzte Blatt.
UB Oldenburg Der kleine Katechismus

440 Der kleine Katechismus für Kinder, zum Buch-


Kleine Encyclopädie stabiren, mit abgesetzten Sylben. Nachjenem in denk.
k. Staaten, zum allgemeinen Gebrauche eingerichtet. -
438 Kleine Encyclopädie, oder Lehrbuch aller Ele- Augsburg: Wolff o. J. 24 S. 8o
mentarkenntnisse, worinnen die Hauptbegriffe von al- Omamentale Titelvignette
len Wissenschaften, von allen nützlichen Künsten, und
von allen Dingen gegeben werden, die auf die bürgerli- Katholischer Katechismus in Frage- und Antwortform
che Gesellschaft einen Einfluß haben. Aus dem Franzö- fiir Kinder im ersten Lesealter zur religiösen Unterwei-
sischen von Johann Samuel Halle. Bd 1.2.- Berlin und sung, aber auch als Lehrbuch zum Lesenlernen gedacht.
Leipzig: Decker 1779/80.8° UB d. TU Braunschweig
I. 1779. 8 ungez. BI., 596 S., 6 ungez. BI.
2. 1780. 4 ungez. BI., 722 S., 9 ungez. BI., 4 Kupfertaf.
aufFaltbl. Der kleine Katechismus
Unsignierte gestochene Titelvignetten; 3 Kupfertafeln
sind unsigniert, I ist von Glaßbach gestochen. 441 Der kleine Katechismus M. Luthers für kleine Kin-
der worinen Frag u. Antworten in artigen Vorstellungen
Lt. Vorbericht zum 2. Teil Übersetzung der Petite Ency- abgebildet sind, nebst Gebeten und Liedern. - Nüm-
clopedie des Abtes Petit; Halle hat Erweiterungen hin- berg: Trautner 1787. Kolor. Kupfertitel, 17 kolor. Kup-
zugefiigt, die den »preussischen Unterthanen« inter- fertaf. auf9 BI., 4 ungez. BI. 8°
essieren könnten; als »Schulbuch« gedacht; der 1. Teil
1403 Bibliographie 1404

I Kupfertafel von und nach J. Kellner, die übrigen Kup- Alphabet, römischen und arabischen Zahlen, sowie
fer stammen vermutlich auch von ihm. Buchstabier- und Sillabierübungen, z. T. in Sprichwör-
tern und Sinnsprüchen, und eine kurze Lautlehre. Bei-
Bilderkatechismus }Ur die erste Schuljugend, der insges.
gefUgt sind 24 Kupfertafeln zur Veranschaulichung ver-
37 kolorierte Abbildungen enthält. Die Frage befindet
sich jeweils über der Abbildung, die Antwort erscheint schiedener Begriffe, die in der Reihenfolge des Alpha-
als Bildunterschrift. Behandelt werden: die 10 Gebote, bets sowohl in deutscher als auch in lateinischer Sprache
vorgestellt werden.
das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, die Taufe,
das Amt der Schlüssel und das Abendmahl. Im Anhang Leop.-Soph.-B. Überlingen
wird eine »Unterhaltung zur Andacht der Schuljugend«
geliefert, die Gebete in Vers und Prosa jeweils }Ur den
Beginn und den Beschluß der Vor- und der Nachmit- Klemm, Jakob Friedrich: Superintendent und Stadt-
tagsschule enthalten. Das Werk wird mit einem Lied pfarrer in Nürtingen/Württemberg.
»Der Fleiß« und mit Denksprüchen beschlossen.
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt 444 Exempel-Bibel zur Bildung des Herzens junger
Leute und Kinder von einem Kinder-Freund [d. i. Jakob
Friedrich Klemm]. 2. Aufl.- Tübingen: Fues (1769).
Der kleine Lateiner oder gemeinnützige Kenntnisse aus 138 S. 8°
der Natur und Kunst ... Siehe: Lederer, Johann Chri- Omamentale Titelvignette
stian
Biblisches Lehrbuch; zeigt anhand von Beispielen aus
der biblischen Geschichte, wie Gott Tugenden belohnt
Kleine Romane für Kinder und Laster bestraft; das Richtmaß geben die zehn Ge-
bote ab; die einzelnen Beispiele werden in tabellarischer
442 Kleine Romane für Kinder. Bdch. 1.2.- Leipzig: Weise aufgezählt, wobei anfänglich auf Bibelstellen ver-
Weygand 1781182.8° wiesen wird; keinerlei erzählerische Ausfohrung, son-
dern bloße Aujlistung. EA lt. Ky 1765.
I. 1781. 196 s.
2. 1782. 208 s. UBTübingen
Gestochene Titelvignette, in beiden Bänden gleich,
nach J. D. Schubert. Klügel, Georg Sirnon (1739-1812): Professor der Ma-
Zweibändige Sammlung kurzer Romane }Ur Jugendli- thematik und Physik in Helmstedt und Halle. Siehe
che. Die 6 Romane sind }Ur die unterhaltsame Lektüre Sp.l230
in den »Erholungsstunden« gedacht. Unter ihnen befin-
den sich ein Feenmärchen und eine Robinsonade. - 445 Die gemeinnützigsten Vemunftkenntnisse, oder
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 259 Anleitung zu einer verständigen und fruchtbaren Be-
trachtung der Welt, von Georg Sirnon Klügel.- Leipzig:
UBRostock Crusius 1789. 4 ungez. BI., 256 S. 8°
In: Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina. Lfg 4.
Kleine Spiele und Gespräche für Kinder. Siehe: Rö- Naturkundliches Lehrbuch mit einem Abschnitt über
ding, Johann Heinrich. den Menschen und seine geistige Natur. Enthält in drei
Hauptteilen eine »Naturgeschichte des Menschen, der
Thiere und der f1lanzen« eine »Naturlehre«, d. h.
Der kleine Zauberer ... Siehe: Österlin, Friedrich Kas- Grundbegriffe der Physik, und die Beschaffenheit des
par. Erdkörpers und des Weltgebäudes, behandelt die geisti-
ge und sittliche Natur des Menschen sowie die ersten
Lehren der natürlichen Religion.
Die kleinen Rechner. Siehe: Henrici, Johann Kar! StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin; Nieders. Staats- u.
Friedrich. UB Göttingen

Abbildungen merkwürdiger Thiere, nebst einer Be-


Ein kleiner Familienzwist, oder Gute Kinder machen
schreibung ihrer Lebensart. Siehe: Forster, Johann
bisweilen auch gute Aeltern. Siehe: Weiße, Christi an
Reinhold.
Felix.

Kleines Schulbuch Knigge, Adolph Freiherr von ( 17 52-1796): Schriftstel-


ler. Siehe Sp. 1231
443 Kleines Schulbuch für Stadt- und Landkinder
nach Basedow'scher Lehrart. - Nümberg: Schneider 446 Adolph Freiherr von Knigge, über den Umgang
und Weigel 1793. 46 S., 24 Kupfertaf. 8° mit Menschen. Im Auszuge für die Jugend mit einer
durchgängigen Beispielsammlung von J[ohann] G[ott-
Unsignierte gestochene Titelvignette; die Tafeln sind fried] Grober. 2. verb. Aufl. Th. I.- Leipzig: Hartknoch
ebenfalls nicht signiert. 1804. XVI, 286 S. 8°
ABC-Buch zum Gebrauch an Stadt- und Landschulen; Anstandslehre }Ur die Jugend. Enthält »Regeln des Um-
enthält Tafeln mit dem deutschen und dem lateinischen gangs mit Kindern, welche zugleich die Hauptregeln der
1405 Bibliographie 1406

Erziehung sind«. Aus dem zuerst 1788 von Knigge ver- Koller, Benedikt Josef Maria von (1769-1798): Verfas-
öffentlichten Über den Umgang mit Menschen enthält ser von Schauspielen, Illuminat.
der Text lediglich auszugsweise Passagen aus dem zwei-
ten Kapitel des ersten Teils; ferner sind Auszüge aus 450 Kinderschauspiele von B[enedikt] J[osef Maria
Knigges Journal aus Urfstädt sowie Über Undank und von] Koller und Fr. K[arl] Sannens. Ein Neujahrsge-
Eigennutz entnommen. Darüberhinaus enthält der Text schenk für gute Kinder.- Wien: Patzowsky 1793 [oder
Partien aus bekannten zeitgenössischen mora/philoso- 1794, nicht mehr verifizierbar]. 2 ungez. BI., I0 I, 117,
phischen und literarischen Werken (Schiller, Geliert, K. 161S.8°
P. Moritz, Ifjland u. a.). Die erste Bearbeitung von Gru-
Frontispiz in Kupferstich nach J. Lange von C. H. Pfeif-
ber erschien 1800/02 in 2 Bdn. - AusfUhrliehe Beschrei-
fer; ornamentale Titelvignette.
bung siehe Sp. 676
Zwei Kinderschauspiele und ein Singspiel (Nr. 451, 452
UB d. TU Braunschweig
und 783) zur moralischen Belehrung und zur Unterhal-
tung, da »ein das Herz treffendes Schauspiel dem zar-
Knigge, Philippine Auguste Amalie Freyinn ten Nachwuchse der Menschheit eben so viel frommen
( 17 45-1841): Schriftstellerin. kann, als pedantisch gelehrte Moral«.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
447 Versuch einer Logic für Frauenzimmer, herausge-
geben von Philippine [Auguste Amalie], Freyinn Knig- 451 Der Invalid, oder der Geburtstag. Ein Singspiel in
ge.- Hannover: Ritscher 1789. X S., S. 11-152. 8° drey Aufzügen. Von B[enedikt] J[osef Maria von] Kol-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. ler.- Wien: Patzowsky 1794. 117 S. 8°

Philosophisches Lehrbuch for Mädchen und junge Frau- Singspiel for Kinder; behandelt Tugenden wie Mitleid,
en; behandelt infonf Hauptstücken die Ideen, die sym- Großmut und Freigiebigkeit und warnt vor schlechten
bolische Erkenntnis, die Lehre von den Definitionen, Eigenschaften wie Boshaftigkeit, Vorwitz und Leicht-
von den Urteilen und von den Schlüssen; ein Anhang sinnigkeit.
bietet einen kurzen Abriß der praktischen Logik. UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
HAB Wolfenbüttel
452 Die kindliche Liebe macht Helden. Ein Lustspiel
in drey Aufzügen. Aus verschiedenen einzelnen Zügen
König, Johann Christoph (1752-1812): Professor der der Campischen Kinderbibliothek zum Gebrauch eines
Metaphysik und Rhetorik an der Universität Altdorf. Liebhabertheaters zusammengesetzt. Von B[enedikt]
J]osef Maria von] Koller. -Wien: Patzowsky 1794. 10 I
448 Deutsche Chrestomathie zur Bildung des Geistes S.8°
und Herzens und zur Uebung im Lateinischen heraus- Lustspiel for Kinder »zum Gebrauch eines Liebhaber-
gegeben von Johann Christoph König. - Nürnberg: theaters«; enthält genaue Angabe der »entlehnten Zü-
Feißecker 1779. 7 ungez. BI., 122 S. 8° ge« aus der Kinderbibliothek Campes.
Lehrbuch zur lateinischen Übersetzung for den Privat- UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
und öffentlichen Unterricht; enthält eine »Sammlung
von guten deutschen Stücken aus den besten for die Ju-
Kosche, Christian Traugott (1754-1789): Magister der
gend geschriebenen Schriften«, die als »Exerzizien zum
Philosophie in Leipzig.
Uebersetzen ins Lateinische« eingerichtet seien, u. a.
aus dem Leipziger Wochenblatt, dem Kinderfreund,
453 Religion und Tugend für Kinder. (Von [Christian
aus Werken Feddersens, Percivals und Schönbergs.
Traugott] Kosche.) - Leipzig: Weidmann und Reich
StadtB Nürnberg 1782. XII, 372 S. 8°
Erbauliches Gebets- und Andachtsbuch in Verbindung
Köster, Henrich Martin Gottfried ( 1734-1802): Pro-
mit einer ausfUhrliehen Sittenlehre for den Privatunter-
rektor in Weilburg und Professor der Geschichte in Gie- richt, gerichtet an »Knaben und Mädchen«, die schon
ßen. »einen Schritt aus der Kindheit ins mehr reifere Alter«
getan haben. Der knapp JOOseitige Abschnitt »Reli-
449 Auszug der Politischen Geschichte von dem Ur- gion« enthält Morgen- und Abendgebete und -betrach-
sprung aller Völcker bis auf die letzte Friedens-Schlüsse tungen und sonstige Gebete zu verschiedenen Anlässen.
fortgesetzt und zum Gebrauch der Jugend verfertiget Weit umfangreicher ist der »Tugend« überschriebene
von Henrich Martin Gottfried Köster.- Franckfurt und Abschnitt: Er stellt eine in einen lebendigen Lehrervor-
Leipzig: Raspe 1764. 8 ungez. BI., 264,25 S. 8° trag eingekleidete Sittenlehre in 28 Kapiteln dar, die
von der »recht verstandenen Christusreligion« ihren
Repertitorium zur Geschichte for die »Jugend auf Schu- Ausgangspunkt nimmt und zahlreiche einzelne l'flichten
len«, das »dem Gedächtniß zu Hülfe« kommen soll; darlegt und vor Lastern warnt. Die Kp. IX bis XI be-
enthält die Daten der Geschichte mit kurzen Erläuterun- schäftigen sich mit den speziellen Tugenden und l'flich-
gen; behandelt die Geschichte der alten Völker, die Ge- ten der Mädchen; im XX. Kp. wird ausfUhrlieh vom
schichte Deutschlands, die der wichtigsten europäischen »Lesen guter Schriftsteller« gehandelt.
Staaten. schließlich die der vornehmsten deutschen Für-
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
stenhäuser; im Anhang genealogische Tabellen.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
1407 Bibliographie 1408

454 Religion und Tugend für Kinder von reiferem Al- vorgestellt, In Frag und Antwort abgefasset, Nebst an-
ter. (Von [Christian Traugott] Kosche.)- Leipzig: Weid- gefügten erbaulichen Lehren, aus schönen Sprüchen
mann und Reich 1783. XII, 172 S. 8° der heiligen Schrift,wie auch denen geistreichen Gesän-
gen erläutert werden. Der lieben Jugend und denen Ein-
Erbauliches Gebets- und Andachtsbuch in Verbindung
fältigen zu heilsamen Nutzen. Mit einer Vorrede und ei-
mit einer Sittenlehre for »Knaben und Mädchen« vom
nem Register ausgefertiget, von Christoph Heinrich
10. bis zum 14. Jahr. Fortsetzung des ein Jahr zuvor er-
Kratzenstein. 4 ungez. BI., 264 S., davon 52 S. Holz-
schienenen Werks for jüngere Kinder, von dem Konzep-
schnitte, 13 Holzschnittill. i. T., 2 ungez. BI.
tion und Anlage weitgehend übernommen sind. Der
Stoff, der gleichermaßen derselbe bleibt, wird hier in Die Holzschnitte sind unsigniert.
größerer Konzentration und StrafJung geboten, unter
Bilderbibel for Kinder mit »auserlesenen und schönen
Hinweglassung der zahlreichen Veranschaulichungen
Bildern, darbeyaber geringen Preiß und Werth«; 1. T.
und Exempel. Der knapp 40seitige Religionsteil enthält
enthält 101 Holzschnitte mit dazu gehörigem Text aus
Morgen-, Abend- und Tischgebete in Prosa. Diefolgen-
dem Alten Testament sowie fonf weitere mit Darstellung
de Sittenlehre, gleichfalls in Form eines Lehrervortrags
der Evangelisten und der Offenbarung des Johannes;
gejaßt, ist um gut die Hälfte kürzer.
jedem Holzschnitt wird ein »süsser Kern aus den Herrn
lnst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt Reimmanns Biblischen Fragen über das Alte und Neue
Testament voraus gesetzt; die Biblischen Historien wer-
455 Encyclopädie zum Nutzen der Jugend und ihrer den so denn in Frag und Antwort gestellet, und mit er-
Erzieher von C[hristian] T[raugott] Kosche. Bd 1.2. - baulichen Lehren, welche mit schönen Sprüchen erläu-
Leipzig: Weidmann 1789/90. 8 o tert werden, vorgetragen. Und weil Gottliebende Seelen
aus denen beweglichen Liedern sonderlich erbauet, er-
I. 1789. XII, 626 S.
wecket und gestärckt werden, so ist beyjeder Historie
2. Fortgesetzt von Gottlieb Samuel Forbiger. 1790.
ein Ver:ß aus einem geistreichen Gesange beygefoget
XXII,608S.
worden.( . . .) bey einer jeglichen Figur (ist) ein kurtzer
Enzyklopädisches Lehrbuch for den Privatunterricht und Denck-Reim vorgetragen worden.« Das Buch hat Quer-
den Unterricht an öffentlichen Schulen; wendet sich an format; den jeweils ganzseifigen Holzschnitten ist der
die männliche Jugend des gehobenen Bürgertums; ent- Text vorangestellt; es gleicht in Hinsicht der Aufma-
hält Beiträge zur Berufswelt, Völkerkunde, Geschichte chung und der Illustrationstechnik dem Poetischen Bil-
und Erziehung, sowie Abschnitte aus der Tugend- und derschatz, betont jedoch im Textteil das Lehrreiche.
Seelen/ehre, Religion und Philosophie. Zweiter Teil der Kinder- und Bilder-Bibel in ähnlicher
Aufmachung mit stärkerer Betonung des Textteils; stellt
UB Heidelberg
die Sonn- und Festtagsevangelien in Frage und Antwort
Ein geographisch-historisches Lesebuch zum Nutzen vor, sodann die Leidens- und Todesgeschichte Jesu; es
der Jugend und ihrer Erzieher. Siehe: Hammerdörfer, folgen Abschnitte zur Erweckung der Buße und zur Zer-
Kar!. störung der Stadt Jerusalem, zur »Ordnung des Heils«
und zur Apostelgeschichte. EA lt. Vorr. 1737/38.
UB d. TU Braunschweig
Kosmologische Unterhaltungen r.ir die Jugend. Siehe:
Wünsch, Christian Ernst.
Krickende, Samuel ( 1736-1797): Prediger in Scheidel-
witz und Tschörplitz bei Brieg/Schlesien.
Kratzenstein, Christoph Heinrich siehe: Wochenblatt zum Besten der Kinder.

456 Kinder- und Bilder-Bibel. (Th. I: 4. Aufl.) Th. [1.]


Anderer Tb.- Erfurth: Sauerländer 1751. quer-8°
Krüger, Johann Gottlob (1715-1759): Professor für
[I.] Kinder- und Bilder-Bibel Oder Auszug derer Bibli- Medizin und Philosophie an der Universität in Helm-
schen Historien, Welche in auserlesenen Figuren stedt.
vorgestellet, Nach einem kurtzen Unterricht von
denen Biblischen Büchern in Frag und Antwort ab- 457 Die ersten Gründe der Naturlehre auf eine leichte
gefasset, Mit angefügten erbaulichen Lehren, aus und angenehme Art zum Gebrauch der Jugend und An-
schönen Sprüchen der heiligen Schrift wie auch de- fänger entworfen von Johann Gottlob Krüger. - Halle
nen geistreichen Gesängen erläutert werden, Nebst und Helmstedt: Hemmerde 1759.7 ungez. BI., 370 S.,
einer Vorrede Job. Laur. Pfeiffers. Der lieben Ju- 15 ungez. BI. 8°
gend und denen Einfältigen zum heilsamen Nut-
Einfohrung in die Naturlehre fur ;;grosse Kinder von
zen. Mit einem Register ausgefertiget von Chri-
beyderley Geschlecht« zum Gebrauch auf Schulen und
stoph Heinrich Kratzenstein. 4 ungez. BI., 215 S.,
Universitäten; handelt von den Körpern, der Bewegung,
davon I 06 S. Holzschnitte, 5 ungez. S.
der Schwere, dem Druck und der Attraction, von den
Anderer Th. Kinder- und Bilder-Bibel. Anderer Theil,
vier Elementen, von Schall und Licht und endet mit ei-
Oder Auszug derer Biblischen Historien, Neues Testa-
nem Ausblick auf die JYianzen- und Tierwelt; Lehrbuch
ments, Worinn die Sonn- und Fest-Tags-Evangelia, die
in Paragraphen; Kurzfassung von Krügers dreiteiliger
Historie des Leidens und Sterbens Jesu Christi, die Hi-
Naturlehre (Halle 1740-49).
storie der Zerstöhrung Jerusalems, die Ordnung des
Heyls, die Apostel-Geschieht, die Lebens-Geschichte HAB Wolfenbüttel
und Episteln der lieben Aposteln mit denen Figuren
1409 Bibliographie 1410

Kühl, Gottlob Timotheus Michael (1757-nach 1802): Geographie für Kinder.- Nürnberg: Bieling 1790. 3 un-
Kandidat des Predigeramtes in Lübeck, Privatier in gez. BI., 514 S., I Faltkt. 8°
Hamburg, dann Philadelphia.
Ornamentale Titelvignette
siehe: Moralische Erzählungen für die Jugend.
Geographisches Lehrbuch über die außereuropäischen
Kontinente als Fortsetzung von Raffs Geographie für
Kinder (1 776); die fiir Raffs Lehrbücher charakteristi-
Kupfer-Sammlung sche Einkleidung ist nicht übernommen, der >>den Dialo-
gen ähnliche Ton« als »überflüssig« angesehen; eine
458 Kupfer-Sammlung besonders zu Funke, Naturge- weitergehende Anpassung an die Kinder wird dem Leh-
schichte und Technologie aber auch zu jedem andern rer überlassen; stützt sich auf »die neuesten und besten
Lehrbuche der Naturgeschichte brauchbar. In vier und geographischen Schriften und Reisebeschreibungen«.
zwanzig Blättern. Zur allgemeinen Schulencyklöpädie
gehörig.- Braunschweig: Schulbuchhandl. [1800]. 2 un- Nieders. Staats- u. UB Göttingen; StB Nürnberg
gez. BI., 90S., 24 kolor. Kupfertaf. quer-8°
9 Tafeln sind von Marechal gezeichnet, davon 5 von Kurze Unterweisung in denen Wissenschaften
C.G. Grapeund 2 vonJ.S. Capieuxgestochen; I weite-
re ist von Capieux und I von L. Sellier gestochen; die 462 Kurze Unterweisung in denen Wissenschaften so-
übrigen sind unsigniert. wohl vor Kinder als auch erwachsene Personen welche
Sammlung von 24 Kupfertafeln mit zugehörigen, zeit- sich selbsten eine Känntniß derselben beyzubringen
weise ausfiihrlichen Beschreibungen. Behandelt werden verlangen.- Stuttgard: Cotta 1768. 2 ungez. BI., 231
das Tierreich (bis Tafel19), J11anzfn (Tafel19, 20, 23) S.8°
und der Mensch (Tqfe/21, 22). K. Ph. Funkes Naturge- Ornamentale Titelvignette
schichte und Technologie erschien in 3 Teilen 1790-92.
Enzyklopädie in Frage-Antwort-Form; Nachdruck von
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt Kurtzer Inbegrif aller Wissenschaften zum Gebrauch
der Kinder von sechs bis zwölf Jahren (I 754) von Jean
Palairet; nur geringfogige sprachliche Veränderungen,
Kurtzer Inbegrif aller Wissenschaften ... Siehe: Palai- Umstellung einiger Kapitel, neue Kapitelzählung; ange-
ret, Jean. fiigt ist ein »Anhang einiger moralischer Fragen«; die
Vorrede stammt vom »Verleger«.
UBTübingen
Kurze Anweisung zur Deutschen Orthographie

459 Kurze Anweisung zur Deutschen Orthographie für Kurzer Auszug der Sittenlehre
Ungelehrte und Schulen, nebst einem orthographischen
Wörterbuche. - Leipzig: Crusius 1797. 4 ungez. BI., 463 Kurzer Auszug der Sittenlehre über die Pf1ichten
397 S. 8° des Menschen zum Gebrauche der adeliehen Jugend
Rechtschreibewörterbuch fiir den Schulgebrauch und fiir der frommen Schulen. - Wien 1768: Kaliwoda. 108
Erwachsene. Es enthält als Einleitung ein kurzes ortho- S.8°
graphisches Lehrbuch: »Kurze Anweisung zur Deut- Sittenlehre zur Unterweisung der adligen Jugend; ge-
schen Orthographie«. dacht als Vorbereitung auf das spätere Leben; vermittelt
HAB Wolfenbüttel die grundlegenden Begriffe der christlichen Ethik, aus
denen ein fiir den Adel verbindlicher J1lichtenkanon ge-
gen Gott, gegen sich selbst und die Gesellschaft entwik-
kelt wird.
Kurze Beschreibung einer Harzreise
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
460 Kurze Beschreibung einer Harzreise des Dessau-
ischen Erziehungsinstituts. - Leipzig: Crusius 1786.
52 S. 8° Kurzer Begriff menschlicher Fertigkeiten und Kenntnis-
se ... Siehe: Adelung, Johann Christoph.
Reisebeschreibung eines 14jährigen Zöglings des Des-
sauischen Philanthropins, die zunächst als Klassenar-
beit aufgegeben, sodann in der Jugendzeitung abge- Kurzer Kinder-Katechismus
druckt und auf vielfachen Wunsch als besondere Ausga-
be herausgegeben worden sei; schildert eine etwa 14tä- 464 Kurzer Kinder-Katechismus über die Geschichte
gige Wanderung durch den Harz. und den wesentlichen Inhalt der Augspurgischen Kon-
StB Braunschweig fession zur Vorbereitung der Jugend auf denjährlich an-
gestellten Gedächtnißtag derselben. Neue und umge-
änd. Ausg.- Nürnberg und Altdorf: Monathund Kuß-
ler 1800.40 S. 8°
Kurze Geographie
Katechetisches Unterrichtswerk fiir die evangelische
461 Kurze Geographie von Asia, Afrika, Amerika und Schuljugend zur Erinnerung an die Übergabe der Augs-
den Südländern. Versuch einer Fortsetzung von Raffs burger Konfession; behandelt in Frage- und Antwort-
1411 Bibliographie 1412

form die Geschichte der Reformation und erläutert die dentlichen Zusammenhang nebst einfältigen Rand-
wesentlichen Inhalte der protestantischen Religion. Fragen, heilsamen Lehren, Erklärungen und auf den
Innhalt gerichteten Gebetern. Auch eingedruckten
StB Nürnberg
Hundert und fünff Kupferstichen. 1739. II ungez.
BI., 1069 S.
3. Aus Hiob, Ruth, Daniel und denen sämtlichen Apo-
Kurzer tabellarischer Begriff des grosen Weltall's
cryphischen Büchern, Nebst angefügter Fortsetzung
der Asmonäisch- und Herodischen Begebenheiten
465 Kurzer tabellarischer Begriff des grosen Weltall's
Bis auf die Geburth des ewigen Königs und Hohen-
insonderheit der drei Naturreiche. Zum ersten Unter-
priesters Jesu, Nach bißherig-erbaulicher Lehrart,
richt, vornehmlich zum Gebrauch für die Jugend. - Tü-
und nebst [66 eingedruckten] Kupffer-Vorstellun-
bingen: Heerbrandt 1786. 320 S., 1 ungez. BI. go
gen. 1742. 8 ungez. BI., 982 S.
Naturkundliches Lehrbuch in tabellarischer Form zum 4. Von der Empfängnis Johannis des Täufers Bis in Je-
Unterricht der Jugend; handelt von der Erde, dem su letzte Lebens- und Marter-Woche; In Einem or-
»Material- oder Mineralreich«, dem JY!anzen- und dem dentlichen Chronologischen Zusammenhang, mit
Tierreich, woran sich ein Abschnitt über den Himmel Randfragen, Erklärung, und heilsamen Lehren,
und die Gestirne anschließt; sieht in der Vorr. Natur- auch auf den Inhalt gerichteten Gebetern, Samt ein-
kenntnis als Voraussetzung der Erkenntnis des Schöp- gedruckten Neun und achtzig [richtig: 90] Kupfersti-
fers; mit einer besonderen Vorrede an die Kinder. chen. 1746. 5 ungez. BI., 800 S.
5. In sich haltend: Den vollständigen Lebenslauf un-
UBTübingen
sers Herrn und Heilands, Jesu Christi, Seine lezte Le-
bens- und Marterwoche, Auferstehung, Himmel-
fahrt und Sitzen zur Rechten Gottes ec. ec. 17 58. 7
Kurzer Unterricht in der Naturwissenschaft für Kinder
ungez. BI., 736 S., 4 ungez. BI., 39 eingedruckte Kup-
in den Realschulen. Siehe: Bergmann, Josef.
fer.
6. Allwo vorkommt: Die Aufrichtung der Christlichen
Kirche durch den Dienst der h. Aposteln; die grös-
Kurzes Lehrbuch der Natur-Geschichte sern Thaten, so diese Männer gethan, als ihre Mei-
ster. Ihre mundliehe und schriftliche Arbeit, Ihre Lei-
466 Kurzes Lehrbuch der Natur-Geschichte für Kin- den und Martertod; und gehet durch das ganze Ge-
der und Kinderfreunde. - Nürnberg: Weigel und schichtbuch der Aposteln und ihre sämtliche Epi-
Schneider 1782.218 S., 12 Kupfertaf. 8° steln hindurch. 1763. XXXIV, 829 S., 2 ungez. S., 40
Ornamentale Titelvignette; die Kupfertafeln sind nicht eingedruckte Kupfer.
signiert. Frontispiz in allen Bänden; zahlreiche Kupferillustra-
Naturkundliches Lehrbuch für Kinder von 8 bis 10 Jah- tionen im Text (siehe oben); In Th. 1-3 sind die Kupfer
ren, wobei einige Kapitel erst für 12- bis 14jährige ver- von Catharina Sperlingin gezeichnet und von Philipp
ständlich sind. Es enthält einzelne Abschnitte zur Erdbe- Gottfried Harder gestochen, in Th. 4 von und nach Har-
schaffenheit, zur Mineral-, JY!anzen- und Tierwelt, ohne der, in Th. 5 hat Jerem. Wachsmuth gezeichnet und ge-
eine Systematik zu zeigen. Am Schluß ist ein Abschnitt stochen, in Th. 6 neben ihm noch andere namentlich
über »Süd-Asiatische Menschen« zur Erklärung der 12 nicht genannte Künstler.
Kupfer beigefügt. Dem Werk sind einzelne Gedichte Illustrierte Historienbibel in sechs Bänden zur »Unter-
und Gebete beigegeben. richtung« und »Erbauung«; bestimmt für »Schul-Die-
StB Nürnberg ner« und »Haus-Präceptoren«,für Lehrer zum Katechi-
sieren und Prediger zur »Erbauung ihrer Gemeinde«,
auch für Eltern zum Vorlesen und Kinder zur eigenen
Kyburz, Abraham (1704-1765): Pfarrer im Kanton Lektüre als »Kurzweil in Ergötzungs- und Feyerstun-
Bern. den«; Band 1-3 behandeln das Alte Testament und die
Apokryphen, Band 4 und 5 das Leben Jesu und Band 6
467 Historien-Kinder-Bet- und Bilder-Bibel, Oder: die Geschichte der Aposteln. Den Erzählungen sind
Das Geheimnis (Th. 6: Geheimniß) der Gottseeligkeit Randfragen, die zum »weiteren Nachforschen« führen
(Th. 5.6: Gottseligkeit) und der Boßheit (Th. 5.6: Bos- sollen, und Sittenlehren beigefügt, z. T. unterbrochen
heit), In Löblichen und sträflichen (Th. 2.4: Löblich- von Gebeten. Jedem Band sind zahlreiche Kupferstiche
und sträflichen- Th. 3: sieben und achtzig löblich- und beigefügt.
sträfflichen- Th. 5: 40 Löblich und sträflichen- Th. 6: Zentra!B Zürich (Th. 1-5); Württemberg. LB Stuttgart
löblich- und sträflichen) Geschichten (Th. 4-6: des (Th. 1-4); Staats- u. StB Augsburg (Th. 5.6)
Neuen Testaments), Vorgestellt (Th. 3: mitgetheilt- Th.
5: entworfen) von Abraham Kyburz (Th. 6: durch glei-
chen Verfasser, und in gleichen erbaulichen Abhand-
De La Chetardye, -: Unterricht für einen jungen
lungen, wie die fünf ersten Theile). Th. 1-6.- Th. 1-4:
Herrn ... In: Maubert de Gouvest, Jean Henri: Die
Augsburg: Pfeffel1737-46; Th. 5: Basel1758: Ecken-
Schule des Edelmanns.
stein; Th. 6: Bern 1763: Brunnerund Haller. 8°
I. In Einem ordentlichen Zusammenhang nebst einfäl-
tigen Rand-Fragen, Auch eingedruckten Hundert La Fite, Marie Elisabeth Bouee de (1737-1794): Erzie-
undzwey Kupferstichen. 1737. 12 ungez. Bl.,830 S. hungsschriftstellerin in der Manier Berquins.
2. Um jene zu üben, und diese zu meiden; In einem or-
1413 Bibliographie 1414

468 Erzählungen für Kinderund Kinderfreunde. Nach 471 Frohe Abende. Ein Geschenk rechtschaffner El-
dem Französischen der Frau [Marie Elisabeth Bouee] tern, Verwandten und Lehrer, für gutgeartete Söhne
de Ia Fite bearbeitet von Johann Michael Armbruster.- und Töchter von [Friedrich] Carl Lang. Mit Kupfern
St. Gallen: Huber 1789. 4 ungez. BI., 123 S., I ungez. und Musik. Bdch. 1-4.- Frankfurt a. M.: Guilhaumann
S. 8o (Bdch. 3.4: Heilbronn: Verf. und Frankfurt a. M.: Guil-
haumann) 1793/94. kl. 8°
Titelvignette in Kupferstich von J. R. Schellenberg.
I. 1793. 3 ungez. BI., 124 S.
Sammlung von Beispielerzählungen aus dem Französi-
2. 1793. II ungez. BI., 156 S.
schen »theils sehr frey übersetzt, theils ganz umgearbei-
3. 1794.150 s.
tet und nationalisirt«; enthält 12 längere Erzählungen,
4. 1794. 132 s.
von denen die letzte »for Kinder von reiferm Alter« be-
stimmt ist; Auszugsweise Bearbeitung von Entretiens, In jedem Bändchen Frontispiz: im ersten von Barenste-
drames et contes moraux a l'usage des enfants (I 781). cher gestochen, im zweiten und dritten unsigniert, im
vierten von und nach A. W. Küfner.
Sächs. LB Dresden
Schauspiele for Kinder; bestimmt for die Erholungs-
stunden von Knaben zwischen 14 und 15 Jahren und
Lalotte und Fanfan ... Siehe: Ducray-Duminil, Fran- Mädchen ab dem 12. Lebensjahr; auchfor »junge Leu-
cois Guillaume. te von noch mindern Jahren« gedacht, »wenn Eltern
oder Lehrer dabey zu Hülfe kommen; enthält >>Der Gu-
te Sohn«, ein historisches Schauspiel, »Der Luflball«,
Lambert, Anne Therese de Marguenat de Courcelles welches »von einer Gesellschaft junger Leute schon ein-
Marquise de (gest. 1733): Schriftstellerin. mal mit Theilnahme und Beyfall aufgefohrt worden«
sei, »Der Tugend Werthund Lohn« und »Armuth und
469 Der Marquisin [Anne Therese de Marguenat de Seelengröße«, beide nach »einer wahren Begebenheit«
Courcelles] von Lambert sämmtliche Schriften zur Bil- bearbeitet.
dung junger Frauenzimmer frey bearbeitet und mit An-
merkungen versehen von Karl Heinrich Heydenreich.- Fürstl. Ysenburg- und Büdingensche B. Büdingen/
Leipzig. Martini 1798. XVI, 278 S. 8° Oberhessen

Frontispiz, nach H. V. F. Schnorr v. Karolsfeld von


G. C. Schule gestochen. Langen, Johann Godschalck
Moralische Abhandlungen zur »Bildung junger Frauen-
472 Vorübungen zu Erweckung der Aufmerksamkeit
zimmer bestimmt«; will »die f1lichten der Frauen auf ei-
und des Nachdenkens bestehend in zwey und dreyßig
ne einfache, herzliche und rührende Weise« darstellen,
moralischen Beyspielen nebst einigen angehängten Ue-
»mit der so nöthigen Hinsicht auf ihre Verhältnisse in
bersetzungen aus Cicerons Werke Von den Pflichten der
der Welt und der Gesellschaft«; enthält Abhandlungen
Jünglinge. Gesammelt von J(ohann) G(odschalck)
über die erste Erziehung, sodann einen mütterlichen
L(angen).- Cölln a. Rh.: Pütz, Langen 1779.88 S. 8°
Rat, handelt über weibliche Charaktereigenschaflen,
über die Freundschaft, den Reichtum und » Ueber das Unsignierte gestochene Titelvignette
menschliche Alter mit vorzüglicher Hinsicht auf das
Sammlung von insgesamt 36 Anekdoten und Beispielge-
weibliche Geschlecht«.
schichten, die einzelne Tugenden, Laster, Vernünftigkei-
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin fen und Torheiten veranschaulichen. Hieran schließen
sich Klugheilsregeln an, sodann eine Übersetzung von
Auszügen aus Ciceros De officii. Den Abschluß des
Des Herrn Hofrath Lanckhavels in Zerbst Kunst- und Werkes bilden 4 Gedichte.
Naturalienkabinet für Fritzen .•• Siehe: Stutz, Johann
Ernst. StB Mainz

La Roche, Marie Sophie von ( 1731-1807): Schriftstel-


Lang, Friedrich Carl (1766-1822): Advokat, Verleger,
lerin. Siehe Sp. 1231
Schriftsteller und Illustrator. Siehe Sp. 1231

470 Funfzig Aesopische Fabeln in Versen und Prosa 473 Rosaliens Briefe an ihre Freundinn Mariane von
St**. Von derVerfasserindes Fräuleins von Sternheim
von [Friedrich] Carl Lang. Meinem lieben Bruder Louis,
[d. i. Marie Sophie von La Roche]. (Hrsg. von [J. J. Chr.]
auch allen wakern deutschen Söhnen zugeeignet. Nebst
B[ode].) Th. 1-3.- Altenburg: Richter 1780/81. 8°
einer Lebensbeschreibung Aesops aus dem Griechi-
schen des Maxim. Planudes. - Erlangen: Palm 1786. I. 1780. VIII, 472 S.
60S. 8° 2. 1780. 502 s.
3. 1781. 360 s.
Der Verfasser widmet die Fabelsammlung seinem Bru-
der (»Zärtlicher Bruder«); enthält eine ausfUhrliehe Le- Unsignierte gestochene Titelvignette in Th. I, ornamen-
bensbeschreibung des Aesop und 50 Fabeln in Prosa tale Titelvignetten in Th. 2 und 3.
und Versform. Am Schluß findet sich je ein Epimythion
Roman, der sich zwar an ein allgemeines Leserpubli-
verallgemeinemden Inhalts in Form von Fragen oder
kum wendet, insbesondere aber Leserinnen vorgelegt
Sprichwörtern.
wird, wobei auch ausdrücklich der »jungen« Leserinnen
Kinderbuchsamml. Dr. Strobach, Bietefeld gedacht wird (Vorrede). Teilvorabdruck in der Iris unter
1415 Bibliographie 1416

dem Titel »Freundschaftliche Frauenzimmerbriefe« und 3. ein bestimmtes Sachwissen (z. B. über den Kauf-
( 1775-76).- Die Haupthandlung stellt die Entwicklung mannsstand, die Heilkunst, die Tätigkeit des Bauern)
eines jungen Mädchens von ihrer Verlobung bis zur Ge- vermittelt werden. Verbindung von philanthropisch-utili-
burt des ersten Kindes dar. Die eindrucksvollere Neben- taristischem Gedankengut und empfindsamer Grund-
handlung (Geschichte der Frau von Guden) ist stärker haltung. - Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 606
empfindsam-leidenschaftlich ausgerichtet.
UStB Köln
UB Münster
478 Dass. u. d. T.: Briefe an Lina als Mädchen. Ein
474 Moralische Erzählungen der Frau VerfaseTin der Buch für junge Frauenzimmer die ihr Herz und ihren
Pomona ([d. i. Marie Sophie] von La Roche). Samml. Verstand bilden wollen von [Marie] Sophie von La Ro-
1.2.- Speier: Ender ( 1783)/84. 8° che. 2., mit einem Anhange verm. Aufl. Bd I.- Leipzig:
I. (1783.)4ungez.BI.,247 S., I ungez.S. Gräff 1788. 266 S., I ungez. BI. 8°
2. 1784. 2 ungez. BI., 636 [richtig: 236] S. Frontispiz, gestochen von G. C. Schule.
Omamentale Titelvignetten Diese Ausgabe ist um einen Anhang mit weiteren Brie-
Sammlung von zweimal fünf moralischen Erzählungen fen und auf Lina bezogene Texte vermehrt.
aus der Pomona. Vorgeführt werden edle und tugend- UB Münster
hafte, meist adelige Personen, die dank ihrer Tugend-
haftigkeit und Seelenreinheit sowie durch weise Vorse- 479 Dass. u. d. T.: Briefe an Lina als Mädchen. Ein
hung und die Hilfe anderer edler Menschen Schicksals- Buch für junge Frauenzimmer die ihr Herz und ihren
schläge und widrige Umstände meistem. Die Erzählun- Verstand bilden wollen von [Marie] Sophie von La Ro-
gen dienen dazu, »Tugend und Rechtschaffenheit zu che. Mit dem wohlgetroffenen Portrait der VerfasseTin
empfehlen, oder Menschen zu belehren, wie sie in den [fehlt im vorliegenden Ex.!] 4. verb. Aufl. Bd I. - Leip-
mannigfaltigen Verhältnissen ihres Lebens klüglich, und zig: Gräff 1807.4 ungez. BI., 264 S. 8°
zur Gründung ihres wahren Wohls handeln können und
sollen«. -Die Ausgabe wurde von Johann Georg Hutter Text identisch mit der zweiten Auflage von 1788.
besorgt. StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
480 Briefe an Lina als Mutter. Ein Buch für junge
475 Dass. u. d. T.: Moralische Erzählungen. Von [Ma- Frauenzimmer die ihr Herz und ihren Verstand bilden
rie] Sophie von La Roche. 2. verb. und verm. Aufl. Bdch. wollen von [Marie] Sophie von La Roche. Mit einem
1.2.- Mannheim: Loeffler 1799. 8° Kupfer. Bd2.- Leipzig: Gräff 1795. XII, 249 S. 8°

I. 3 ungez. BI., 272 S. Frontispiz von und nach J. F. Rosmaesler.


2. 2 ungez. BI., 302 S. Naturgeschichtliches Lehrbuch in 11 Briefen, das einen
Gestochenes Frontispiz in Bdch. I von A. BißeiL nach systematischen Gesichtspunkten gegliederten Über-
blick über die anorganische Natur und das FYlanzen-
Erweiterte Ausgabe der beiden Sammlungen von 1783/ und Tierreich bis hin zu den verschiedenen Menschen-
84. Enthält im ersten Teil sechs, im zweiten Teil acht rassen und dem Bau des menschlichen Körpers gibt.
moralische Erzählungen; will die Liebe »zum wahren Verfaßt mit der Absicht, jungen Mädchen eine zugleich
Schönen und Guten, zu Kenntniß und Vaterland« be- nützliche wie angenehme Lektüre zu liefern. - Ridder-
fördern und »Wahrheit, Treue, Recht und Menschenlie- hoff(J895, S. 104f) erwähnt einen 2. Band, in dem es
be« erneuern helfen. Die Erzählungen zielen ab auf die »um klare Darstellung dessen, was moralisches Gebieth
Identifizierung, das Mitleiden und Mitfreuen des Lesers heisst«, gehe (vgl. auch Assing 1859, S. 376).
mit den vorgestellten edlen und tugendhaften Personen.
UBMünster
StB Tri er
siehe: Pomona für Teutschlands Töchter.
476 Die zwey Schwestern. Eine moralische Erzählung.
Von der VerfasseTin der Geschichte des Fräuleins von
Sternheim und Rosaliens Briefen [d. i. Marie Sophie
von La Roche].- Frankfurt und Leipzig 1784. 78 S. 8° Laukhard, Friedrich Christian (1758-1822): Magister
der Philosophie und Sprachenlehrer an der Universität
Omamentale Titelvignette
Halle, vorher Musketier.
Moralische Erzählung für junge Mädchen.
481 F(riedrich) C(hristian) Laukhards Leben und
UB Würzburg
Schicksale, von ihm selbst beschrieben (Th. 1.2: und zur
Warnung für Eltern und studierende Jünglinge heraus-
477 Briefe an Lina. Von [Marie] Sophie von Ia Roche.-
gegeben. Ein Beitrag zur Charakteristik der Universitä-
Speier: Ender 1785. 3 ungez. BI., 284 S. 8°
ten in Deutschland). Th. 1-5.-Halle: Michaelis und Bi-
Omamentale Titelvignette spink (Th. 3-5: Leipzig: Reiseher in Comm.)
1792-1802.8°
Elterlicher (bzw. freundschaftlicher) Rat für junge Mäd-
chen aus dem Bürgerstand, in dem dem Mädchen für I. Mit einem Titelkupfer. 1792. XVI, 396 S.
ihre zukünftigen Aufgaben als erwachsene Frau 1. be- 2. 1792. 512 S., I ungez. BI.
stimmte Tugenden, 2. Kenntnisse und Regeln (for Klei- 3. Welcher die Begebenheiten, Erfahrungen und Be-
dung, Haushalt und gesellschaftliche Umgangsformen) merkungen während des Feldzugs gegen Frankreich
1417 Bibliographie 1418

von Anfang bis zur Blokade von Landau enthält. Lipp. LB Detmold; Freies Dt. Hochstift Frankfurt;
Nebst dem Bildnisse des Verfassers. 1796. XVI, Zentra!B Zürich
528 S. [Nebent. :] Laukhard: Begebenheiten, Erfah-
rungen und Bemerkungen während des Feldzugs ge- 484 Dass. u. d. T.: Johann Caspar Lavaters Christliches
gen Frankreich. Th. I von Anfang desselben bis zur Handbüchlein für Kinder, nebst Gebetern und Lieder.-
Blokadevon Landau. Frankfurt und Leipzig 1779. II ungez. BI., 218 S. 8o
4. Abth. I, welche die Fortsetzung von dessen Begeben-
Omamentale Titelvignette
heiten, Erfahrungen und Bemerkungen während des
Feldzugs gegen Frankreich enthält. 1797. 2 ungez. UB Bonn; StB Mainz
BI., 508 S., I ungez. BI. [Nebent.:] Laukhard: Bege-
benheiten, Erfahrungen und Bemerkungen während 485 Dass. u. d. T.: Johann Caspar Lavaters Christliches
des Feldzugs gegen Frankreich. Th. 2, Abth. I. Handbüchlein für Kinder, nebst Gebetern und Lieder.-
Abth. 2, welche die Fortsetzung von dessen Begeben- Frankfurt und Leipzig 1779. 12 ungez. BI., 218 S. 8°
heiten, Erfahrungen und Bemerkungen während des (Schulbibliothek oder Sammlung einiger guten Lehrbü-
Feldzugs gegen Frankreich enthält. 1797. 2 ungez. cher für die Jugend aller Stände. Th. 2.)
BI., 362 S. [Nebent.:] Laukhard: Begebenheiten, Er-
fahrungen und Bemerkungen während des Feldzugs Omamentale Titelvignette
gegen Frankreich. Th. 2, Abth. 2. StB Mainz
5. Welcherdessen Begebenheiten und Erfahrungen bis
gegen das Ende des Jahres 1802 enthält. 1802. VIII, 486 Dass. u. d. T.: Christliches Handbüchlein oder aus-
318 s. erlesene Stellen der heiligen Schrift, mit Versen beglei-
In Th. I Frontispiz von G. A. Liebe nach H. V. F. tet, nebst Morgen und Abend-Gebethem auf alle Tage
Schnorr von Karolsfeld; in Th. 3 Frontispiz von J.G. der Woche. Von Johann Kaspar Lavater. 4. Aufl.- Zü-
Schmidt nach C. A. Senff. rich 1794: Bürkli. 223 S. 8°

Laukhard hat seine Autobiographie, die »einen nicht Zentra!B Zürich


unebnen Beitrag zur praktischen Pädagogik« darstellen
will, ausdrücklich sowohl an Erwachsene wie an ältere 487 ABC oder Lesebüchlein. Zum Gebrauch der Schu-
Jugendliche gerichtet: »Ich schrieb vorzüglich fiir die len der Stadt und Landschaft Zürich. [Von Johann Cas-
akademische Jugend.« (l/, S. 508) Hieraus erkläre sich par Lavater.]- Zürich 1772: Bürgkli. 48 S., davon S. 38-
Anlage, Ausfiihrung und der »burschikose« Ton. Das 48 doppelt. 8°
Werk will unterhalten, eine »angenehme Lektüre dar- Anm.: Die Seiten 38-48 sind zweimal vorhanden, das
bieten«, aber auch der moralischen Belehrung dienen. zweite Mal mit dem Zwischentitel: Kleines Geschenke
»Wenn nun ein Erzieher, ein Vater, oder auch ein Jüng- für gute Kinder.
ling meine Begebenheiten liest; muß er da nicht manche
Regel fiir sich und seinen Zögling abstrahiren?« (/, Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt.
S. XII) ABC-Buch.fiir die Züricher Stadt- und Landschulen. Es
Lipp. LB Detmold (Th. 1.2); Bayer. StaatsB München enthält zunächst Buchstaben-, Alphabets- und Silbenta-
(Th. 3-5) feln, sodann männliche und weibliche Vornamen, bür-
gerliche Nachnamen, die Namen der Jahreszeiten und
Monate, die von Ländern, Städten, Tieren, .fflanzen
und Früchten. Hieran schließen sich Wörter des alltägli-
Lavater, Johann Caspar ( 17 41-180 I): Evangelischer chen Lebens, Berufs- und Amtsbezeichnungen sowie Be-
Geistlicher und Schriftsteller in Zürich. Siehe Sp. 1232 griffe aus der Züricher Heimatkunde an. Hierauffolgen
Lesestücke: das Vaterunser, die Zehn Gebote und ein-
482 Moralisches Neu-Jahrs-Geschenk. [Von Johann zelne Gebete. Den Schluß bilden auserlesene Stellen der
Caspar Lavater.)- Zürich 1769: Bürgkli. 22 S. 8° Heiligen Schrift sowie biblische Sprüche. Der Schlußteil
mit den Gebeten und Bibelstellen wurde auch separat
Sammlung von 15 Gedichten, die überwiegend in Ale-
unter dem Titel ;; Kleines Geschenke .fiir gute Kinder«
xandrinern abgefaßt sind und sich an ;;Jünglinge« wen-
ausgegeben. Diese Separatausgabe ist im vorl. Exem-
den. Sie befaßt sich thematisch mit der Tugend, den
plar angebunden.
Vorzügen eines tugendhaften Lebens und den Gefahren
von Wollust und Laster. Die Gedichte sind noch ganz ZentralB Zürich
von einem aufklärerischen Tugendpathos getragen. Im
Anhang werden 11 ;;Projecte« geboten, kurze Prosaent- 488 Lieder zum Gebrauche des Waysenhauses zu Zü-
würfe zu einzelnen pädagogischen und literarischen Fra- rich. Von Johann Caspar Lavater.- Zürich 1772: Zieg-
gen. ler. 88 S. 8°
Zentra!B Zürich Sammlung von 18 religiösen Liedern mit vierstimmigem
Chorsatz.fiir die Kinder des Züricher Waisenhauses, an
483 Christliches Handbüchlein für Kinder. Von Jo- dem Lavater von 1769-78 als Vikar und Pfarrer tätig
hann Caspar Lavater.- Zürich 1771 : Bürgkli. 22 ungez. war. Es handelt sich um Morgen- und Abendlieder, Lie-
BI., 456 S., 2 ungez. BI. kl. 8° der zu verschiedenen Anlässen des Jahres, jiir den Un-
terricht und .fiir Krankheit und Tod. Die Lieder haben
Religiöses Hausbuch .fiir Kinder fortgeschrittenen Al-
etwa 8 bis 13 Strophen, die überwiegend Vierzeiler mit
ters, das biblische Erzählungen, Betrachtungen, Sprüche
vier Hebungen sind.
und Gebete enthält. Die Vorrede entwirft eine empfind-
same Gefiihlsreligiösität. UB Bonn; Zentra!B Zürich
1419 Bibliographie 1420

489 Christliche Liederder Vaterländischen Jugend, be- 494 Reimen zu den Biblischen Geschichten des Alten
sonders auf der Landschaft, gewiedmet von Johann und Neuen Testamentes. Für die Jugend von Johann
Caspar Lavater. - Zürich: Ziegler 1774. 2 ungez. BI., Caspar Lavater. - Zürich: Orell, Geßner, Füßli 1782.
52 S. 8° 162 S., 5 ungez. BI. kl. 8°
Sammlung von 33 religiösen Liedern for die Landju- Sammlung geistlicher Gedichte zum Alten und Neuen
gend des Kantons Zürich. Am Beginn stehen allgemeine Testament, gedacht for »Aeltern, Lehrer(n), Kinder(n).
religiöse Lieder, Morgen-, Abend-, Tisch- und Schullie- und besonders Taufpathen, die allenfalls gerne Ge-
der. Es folgen Lieder zu Weihnachten, zur Passion und schenke an ihre Taufkinder geben mögten«.
zu Ostern, Himmelfahrt und zyingsten sowie Lieder zu
UB Würzburg; Zentra!B Zürich
den einzelnen Jahreszeiten und zu besonderen Naturer-
eignissen. Die Sammlung schließt mit dem Lied eines
495 Lebensregeln für Jünglinge, besonders für diejeni-
armen Kindes, einem Neujahrs- und einem »Sterbens-
gen welche die hohe Schule beziehen wollen. Von [Jo-
lied«.
hann Caspar] Lavater.- Basel 1783: Imhof. 40 S. kl. 8°
Zentra!B Zürich; HAB Wolfenbüttel
Omamentale Titelvignette
490 Dass. u. d. T.: Christliche Lieder der Vaterländi- Sammlung von Klugheitsregeln und Verhaltenslehren
schen Jugend, besonders auf der Landschaft, gewied- fiir Jünglinge, die sich auf die Universität vorbereiten.
met von Joh[ann] Caspar Lavater. Mit Choral-Melo- Behandelt werden Fragen des religiösen Lebens, des
dienzuvierStimmen.-Zürich:Bürgkli 1775.128 S.8° Verhaltens in der Gesellschaft und des Umgangs mit
Freunden. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 597
Den Liedern sind jeweils ein vierstimmiger Chorsatz
und Solopartien beigefogt. Die Chorsätze stammen lt. Bayer. StaatsB München
Vorrede von zwei Schülern des »sei. Hrn. Schmidlins«.
Das »Absingen dieser Lieder« soll »viele tausend from- 496 Salomo, oder Lehren der Weisheit. Gesammelt
me Empfindungen veranlaße[n]«. und herausgegeben von Johann Caspar Lavater.- Win-
terthur: Steiner 1785. XVI, 155 S. 8°
UB Bonn; Zentra!B Zürich
Moralische Sentenzensammlung, die dem Erbprinzen
491 ABC oder Lesebüchlein. Für deutsche, Iatein- und Friedrich von Anhalt-Dessau gewidmet ist. Nach der
französische, wie auch geschriebene Schriften. Zum Ge- Denkschrift Lavater der Kinderfreund von 1802 handelt
brauch der Schulen der Stadt und Landschaft Zürich. es sich um eine Schrift »fiir erwachsene Jünglinge oder
[Von Johann Caspar Lavater.]- Zürich: beim Elsasser Töchter«, die »sie mit den übrigen erwachsenen Lesern
[um 1775]. 56 S. 8° gemein haben« (S. 99). Die Denksprüche sind in 84 Ab-
teilungen nach Verfassern geordnet. Aufgenommen sind
Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt.
Sentenzen u. a. von Erasmus, Garve, Goethe, Gratian,
Neuausgabe des ABC-Buches von 1772. Es wurde er- Herder, Klopstock, Lessing, Mendelssohn, Rousseau,
gänzt durch das lateinische Alphabet und Lesestücke in Schummel, Sterne, Swift, Winckelmann und Young.
lateinischer Schrift und durch das Alphabet in deutscher Von Schweizer Autoren sind Pfenninger, Tob/er und
Schreibschrift und weiteren Lesestücken. Waser vertreten. Die letzten 32 der insgesamt 700 Sprü-
Zentra!B Zürich che stammen von Lavater selbst.
Lipp. LB Detmold
492 Sechszig Lieder nach dem Zürcherischen Catechis-
mus. Der Petfinisehen Jugend zugeeignet. Von Johann 497 Christlicher Religionsunterricht für denkende
Caspar Lavater. - Zürich: Füeßli 1780. 4 ungez. BI., Jünglinge. Von Johann Caspar Lavater.- 0. 0. 1788. 4
143 S., I ungez. S. 8° ungez. BI., 126 S., I ungez. BI. 8°
Sammlung religiöser Lieder for die fortgeschrittenere Religionsunterrichtliches Werk zur Vorbereitung auf das
Jugend der Züricher St. Peter-Gemeinde; gedacht for Abendmahl; abgefaßt in 26 Schreiben an einen jungen
die sonntäglichen katechetischen Unterweisungen. Die Grafen. Das Werk sucht zunächst die Notwendigkeit ei-
Lieder geben den wichtigsten Inhalt des Kleinen Kate- ner positiven Offenbarung philosophisch zu begründen,
chismus wieder. um dann die Lehren des Alten und Neuen Testamentes
UB Münster; Zentra!B Zürich zu behandeln. Es ist unvollendet geblieben. - Ausfiihrli-
che Beschreibung siehe Sp. 774
493 Brüderliche Schreiben an verschiedene Jünglinge. Freies Dt. Hochstift Frankfurt; Zentra!B Zürich
Von Johann Caspar Lavater. - Winterthur: Steiner
1782. \88 S. 8° 498 Gesänge zur Beförderung Vaterländischer Tu-
gend. Neujahrsgeschenk ab dem Musiksaal an die Zür-
Anm.: Die Titelaufnahme erfolgte anhand eines hand-
cherische Jugend. [Text von Johann Caspar Lavater.]
schriftlichen Titelblatts im Buch.
Auf das Jahr 1790-[1801]. Stück 1-[12].- 0. 0. (Stück
Sammlung von 8 Schreiben an Jugendliche, die der Fe- 10-12: Zürich: Bürgkli) 1790-1801. 96 S., II Kupfer-
stigung des christlichen Glaubens wie auch der sittlichen taf. 8°
Belehrung dienen sollen. Die Schreiben sind zwischen
1773 und 1782 entstanden. Im Anhang finden sich ei- I. Auf das Jahr 1790. Kinderpflicht
nige Gebete for Jugendliche. - AusfUhrliehe Beschrei- 2. Auf das Jahr 1791. Der Patriot.
bung siehe Sp. 762 3. Auf das Jahr 1792. Das häusliche Glück.
4. Auf das Jahr 1793. Die bürgerliche Eintracht.
Bayer. StaatsB München; UB Mannheim 5. Auf das Jahr 1794. Die Freundschaft.
1421 Bibliographie 1422

6. AufdasJahr 1795. Tugend und Religion. Lavater, der Kinderfreund


7. Auf das Jahr 1796. Die Christus-Religion, oder:
Der beßte Christ, der beßte Bürger. 501 Lavater, der Kinderfreund. Ein Neujahrgeschenk
8. Auf das Jahr 1797. Gerechtigkeit und Friede. für die vaterländische Jugend auf 1802, von einem
9. AufdasJahr 1798. Die Barmherzigkeit. dankbaren Verehrer des Seligen.- Zürich 1802. !II S.
[I 0. u. d. T. :] Freyheit und Gleichheit, der Zürchersehen kJ. go
Jugend gewiedmet von der Gesellschaft auf dem
Musiksaal am Ersten Neujahrstag der Einen und Frontispiz in Kupferstich von und nach J. H. Meil.
untheilbaren Helvetischen Republik. 1799. Moralische Biographie fiir Kinder und Jugendliche, die
[II. u. d. T. :] Zürich am Ende des achtzehnten Jahrhun- ein Bild von Lavater als Kinderfreund zeichnen will. Die
derts oder die Hoffnung am Neujahrstag 1800. Ge- Kinderliebe sei der »hervorstechendste Zug« in seinem
wiedmet der Zürchersehen Jugend von der Gesell- Charakter gewesen. In vier Abschnitten wird von Lava-
schaft auf dem MusiksaaL 1800. ter als einem »Freund und Liebhaber der Kinder über-
[12. u. d. T. :] Zürich am Anfange des neunzehnten Jahr- haupt«, als dem » Religionslehrer der Jugend«, als» Va-
hunderts. Gewiedmet der Zürchersehen Jugend ter und Erzieher seiner eigenen Kinder«, schließlich als
von der Gesellschaft auf dem M usiksaal. 180 I. »Schriftsteller fiir die vaterländische Jugend« gehandelt.
Der anonyme Verfasser gehört nach eigenem Geständ-
Kupfertafel stammt von J. R. Schellenberg, 2 von
nis »nicht in den Zirkel der vertrauten Freunde Lava-
Schellenberg nach J. M. Usteri, 2 von H. Pfenninger
nach Usteri, I von Berg nach Usteri, I nach Usteri ohne ters« (S. 12).
Stecherangabeund I von und nachJ. H. Lips; 3 Kupfer Zentra!B Zürich
sind unsigniert.
Von der Züricher Musikgesellschaft herausgegebene
Neujahrsblätter fiir die Jugend, die pro Stück einen Leben und Charaktere berühmter und edler im Jahr
Kupferstich und ein Lied mit Noten enthalten. Die Lie- 1790 verstorbener Männer. Siehe: Mursinna, Friedrich
der gehen zu moralischen, politischen und religiösen Samuel.
Themen. Die Liedtexte stammen von Johann Kaspar
Lavater. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 406
Leben und Thaten
LB Coburg; Zentra!B Zürich
502 Leben und Thaten wie auch seltsame Abentheuer,
499 Regeln für Kinder. Von Johann Kaspar Lavater.- Ränke und Schwänke der weiland weltbekannten Frau-
0. 0. 1793. 126 S. kl. 8° (10 cm x 6cm) en Lieschen Eulenspiegel. Zum Nutz und Frommen al-
Sammlung von insgesamt 34 moralischen Lehren und ler Weiber und Mädchen ans Licht gestellt.- 0. 0. Im
Regeln fiir Kinder. Zunächst geht es um Gott, Religion neuen Jahrhundert [1800]. 64 S. 8°
und um das Gebet; dann werden einzelne Tugenden Ornamentale Titelvignette
und Laster behandelt sowie Fragen der praktischen Le-
bensfiihrung und des richtigen Verhaltens. Im Anhang Erzählung fiir Mädchen und Frauen; schwankhaß-iro-
finden sich » Vermischte Lehren fiir Kinder in kurzen nische Schilderung eines Abschnitts in Lieschens Leben
Sprüchen«; geboten werden hier 36 Sentenzen. Das an der Seite von Till Eulenspiegel, die erst am Ende mit
Werk ist »den lieben Kinder Stolberg in Eutin« zugeeig- einer belehrenden Moral in Versen abgeschlossen wird.
net. Auf einem Vorblatt heißt es: »Nichts Vollständiges UB d. TU Braunschweig
aber vielleicht ein brauchbarer Textfiir Aeltern und Kin-
derlehrer<<, was darauf hinweist, daß das Werk auf den
Erwachsenen als Vermittler rechnet, der die knappen
Lebensgeschichte der Rosine Meyerin oder die glükli-
Regeln erläutern soll.
chen Folgen eines guten Verhaltens. Siehe: Balbach, Jo-
Freies Dt. Hochstift Frankfurt; StaatsB Preuß. Kultur- hann.
bes. Berlin

500 Johann Kaspar Lavaters Vermischte Lehren an sei- Lebensregeln für die Jugend. Siehe: Bayrer, Leonhard.
ne Tochter, Anna Luisa. - (Zürich) 1796. 229 S., 2 un-
gez. S. kl. go (9 cm x 6 cm)
Sammlung von 700 Sittensprüchen; der Verfasser rät Lederer, Johann Christian (1739-1792): Rektor an der
seiner Tochter: »Nimm alle Morgen, Mittag und Abend Lorenz- und an der Spitalschule in Nürnberg.
Eine dieser Lehren vor dich und denk' ihr nach und übe
dich, sie dir einzuprägen und die Anwendung davon zu 503 Johann Christian Lederer neu umgearbeiteter Or-
machen -So wirst du leidlich weise und gut werden.« bis Pictus.- Leipzig: Schwickert 1784. VI, 332 S. 8°
Zentra!B Zürich Frontispiz in Kupferstich von und nach J. R. Schellen-
berg.
Regeln für Kinder, durch Beyspiele erläutert von J. M. Umarbeitung des Orbis pictus des Comenius. »Einige
Armbruster. Siehe: Armbruster, Johann Michael. Capitel des Comenius- Textes sind weggelassen, ver-
schiedene neu hinzugethan, andere ganz umgearbeitet.
Lederer versuchte das Steife im Deutschen zu vermei-
den. Die Holzschnitte, die öfters sehr unrichtig waren,
sind auf Anraten weggeblieben. Der Verleger will eine
1423 Bibliographie 1424

Aufl. mit richtigen Kupfern besorgen« (vgl. Pilz. 1967, gez. BI., 202 S. [Enth. :] Velthusen, Johann Kaspar:
s. 240). Nordcarolinischer Katechismus. 2. Autl. 1788. Vel-
HAB Wolfenbüttel thusen: Fragebuch für Eltern und Lehrer.
2. Biblisches Handbuch und Biblische Erzählungen.
1788. 12 ungez. BI., 312 S., 4 ungez. BI., 119 S.
504 Dass u. d. T.: Der kleine Lateiner oder gemeinnüt-
[Enth.:] Velthusen: Biblisches Handbuch für selbst-
zige Kenntnisse aus der Natur und Kunst in der Gestalt
eines neuen lateinischen Lesebuchs für Kinder zur Bil- prüfende Leser. Henke, Heinrich Philipp Conrad:
Auswahl Biblischer Erzählungen für die erste Ju-
dung des Verstandes und Herzens durch das Gedächt-
gend.
nis. [Von Johann Christian Lederer.] Mit Kupfern. 4.
3. Religionsgeschichte und Geographisches Hand-
verb. Autl.- Nürnberg: Schneiderund Weigel1802. X,
buch. 1788. 32 S., 4 ungez. BI., 150 S., 5 ungez. BI.,
150S.8°
262 S., 13 ungez. BI. [Enth. :] Henke: Geschichte der
[Nebst:] Die Gemalte Welt oder der gemeinnützige La-
Jüdischen und Christlichen Religion. Bruns, Paul Ja-
teiner.- Leipzig: Weigel und Nürnberg: Schneider o.J.
kob: Geographisches Handbuch.
47 Kupfertaf. 8°
4. Die gemeinnützigsten Vernunftkenntnisse. 1789.
5 Kupfer sind von A. Gabler gezeichnet, davon 2 auch 24 S. 4 ungez. BI., 256 S. [Enth.:] Klügel, Georg Si-
von ihm gestochen; die weiteren Stecher sind wiederum mon: Die gemeinnützigstell Vernunftkenntnisse.
Gabler (5), J. L. Stahl (4), Mayr (I), J. C. P[emsel] (2),
Von Professoren der Universität Helmslädt veifaßte
P. W. Schwarz (3) und Bock (I).
Lehrbuchsammlung fiir den schulischen und privaten
StB Nürnberg Religions- und Sachunterricht; veranlaßt durch die Bit-
ten des Predigers einer größeren deutsch-evangelischen
Gemeinde in Nordkarolina; einerseits zum Gebrauch
Lehotzky, Martin: Prediger zu Topporez in Ungarn. der nordkarolinischen Gemeinde selbst bestimmt, ande-
rerseits aber auch zum Verkauf in Deutschland; mit
Moral in Beispielen, 1789-91 dem Verkaufserlös soll die Überfahrt weiterer Prediger
und Lehrer wie die Übersendung weiterer Lehrbücher fi-
505 Moral in Beyspielen für Frauenzimmer edler Erzie- nanziert werden; mit den Lehrbüchern soll »der Strom
hung. [Von Martin Lehotzky.] Mit Kupfern. Th. 1-3.- von schwärmerischen Schriften« zurückgedrängt wer-
Halle und Leipzig: Ruff(Th. 2: Leipzig: Walther- Th. den;jede Liederung, außer der 4., enthält 2 Lehrbücher
3: Leipzig: Pott) 1790-1801.8° sowie einen Bericht über den bisherigen Verlauf der Un-
I. 180 I. 3 ungez. BI., 269 S., 8 Vignetten. terstützungsaktion, Pränumerantenverzeichnisse und
2. 1790. 4 ungez. BI., 312 S., 6 Vignetten. Spendenlisten. (Angaben zu den einzelnen Lehrbüchern
3. 1795.2 ungez. BI., 252 S., 5 Vignetten. sind unter den Namen der Veifasser zu finden.)

In Th. I Titelvignette und 5 Vignetten im Text von M. M. StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin; Nieders. Staats- u.
Thoenert, 2 von P. Malvieux; in Th. 2 Titelvignette und UB Göttingen; HAB Wolfenbüttel (Lfg 1-3)
5 Vignetten nach J. D. Schubert von Heinr. Müller ge-
stochen; in Th. 3 Titelvignette von Malvieux, I Vignette
von F.J. Tromlitz, 2 Vignettensind von C. G. Geyserge- Lehren und Erfahrungen f"ür junges Frauenzimmer.Sie-
stochen, davon I nach J. F. Elsasser. he: Morgenstern, Johanna Katharina.
Sammlung moralischer Erzählungen, z. T. in einer
Rahmenhandlung dargeboten; wendet sich an »Frauen-
zimmer edler Erziehung«; will sie vom Lesen der Roma- Lehrreiche und anmuthige Unterhaltungen
ne abhalten und ihnen stattdessen »eine angenehm
nützliche, und sittliche Lectüre« anbieten, um so »Etwas 507 Lehrreiche und anmuthige Unterhaltungen für
zur Veredlung des weiblichen Herzens, und zur größern Kinder beyderley Geschlechts zur Bildung des Verstan-
Aufmerksamkeit dieses Geschlechts auf sich selbst« bei- des und Herzens. Th. 1.- Offenbach a. M.: Weiß 1778.
zutragen. VIII, 272 S. 8°

Univ.-u. LB Sachsen-Anhalt, Halle(Th. 2.3); HofB Do- Titelvignette in Kupferstich, signiert mit » D«.
naueschingen (Th. I) Unterhaltendes Lesebuch fiir Mädchen und Knaben;
enthält Beispielgeschichten, Gedichte, Lieder, Fabeln,
Denksprüche und Sprichwörter sowie moralische und re-
Lehr-Buch darin ein kurzgefaßter Unterricht aus ver- ligiöse Abhandlungen und Sachtexte, vornehmlich aus
schiedenen philosophischen und mathematischen Wis- dem naturkundlichen Gebiet.
senschaften, der Historie und Geographie gegeben wird. Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
Siehe: Reccard, Gotthilf Christian.

Lehrreicher und angenehmer Zeitvertreib


Lehrbücher f"ür die Jugend
508 Lehrreicher und angenehmer Zeitvertreib für jun-
506 Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina, ent- ges Frauenzimmer von einerbesondern Freundin Des-
worfen von einer Gesellschaft helmstädtischer Profes- selben aufgesetzt. (Hrsg. von Johann Peter Miller.)- 0.
soren. Lfg 1-4.- Leipzig: Crusius 1787-89. 8° 0. 1759. 20, 196 S. 8°
I. Katechismus und Fragebuch. 1787. 48, 144 S., 2 un- Omamentale Titelvignette
1425 Bibliographie 1426

Vierteiliges Werk zur moralischen Erziehung von Mäd- Karten von P. C. Monath (4) und S. Dorn (2); die letzten
chen aus Bürgerhäusern; will »Mädchen die Folgsam- beiden sind unsigniert.
keit angenehm« machen. Die ersten beiden Abschnitte
Geographisches Lehrbuch mit Karten fiir Kinder: deut-
sind for kleine Mädchen gedacht, »die sich erst zu den
sche Übersetzung von Geographie des enfans, ou Me-
Büchern zu gewöhnen anfangen«, und enthalten 6
thode abregee de Ia geographie ... , Paris 1736, das sei-
»Vertraute Unterredungen einiger Fräulein« und 30
nerseits einen Auszugfiir Kinder aus Methode pour etu-
/eh"eiche Fabeln und Erzählungen; die beiden anderen
dier Ia Geographie von 1719 darstellt; Erste deutsche
Abschnitte richten sich an Mädchen, »die schon etwas
Ausgabe 1741 lt. Heinsius; handelt in kurzen Abschnit-
weiter gekommen sind und nach gerade sich in grössern
ten von den Ländern Europas und den außereuropä-
Gesellschaften mit gehöriger Anständigkeit zeigen sol-
ischen Kontinenten; in der neuen Auflage von 1760 sind
len«; sie bringen in französischer Sprache einen Auszug
die Abschnitte über ;; Teutsch/and« vermehrt, die über
aus Pluches Spectacle de Ia nature über die Erziehung
Frankreich gekürzt, schließlich sind neue Karten hinzu-
der Töchter sowie eine kleine Sammlung ;;der schönsten
gefUgt worden; Lehrbuch in Frage-Antwort-Form.
Stellen in einigen der besten französischen Autoren«.
StArchiv Soest
HAB Wolfenbüttel; Sächs. LB Dresden
511 Dass. Neue durchaus umgearb. und sehr verm.
Aufl.- Ebd. 17Sl.
Leicht faßliche katechetische Reden eines Dorfpfarrers
an die Landjugend ..• Siehe: Menne, Edilbert. Illustration wie Ausgabe von 1760.
StUB Frankfurt
Leipziger Wochenblatt für Kinder
Leonhardi, Friedrich Gottlieb (geh. 1757): Ordentlicher
509 Leipziger Wochenblatt für Kinder [Hrsg. von Jo- Professor der »Oekonomie-, Policey- und Kameralwis-
hann Christoph Adelung.] Bdch.l-9.- Leipzig: Cru- senschaften« in Leipzig.
sius 1772-74 (Bdch.S.9: Frankfurt und Leipzig 17S3).
so siehe: Sander, Heinrich: Oeconomische Naturge-
I. 1773. Stück 1-26. 1772.4 ungez. BI., 20S S., I kolor. schichte für den deutschen Landmann und die Jugend
Kt. in den mittleren Schulen.
2. Stück2S-51. 1773. 4ungez. BI., 192 S.
3. Stück52-76.1773.4ungez.Bl.,200 S.
4. Stück77-102.1773.4ungez.Bl.,20S S. LePrince de Beaumont, Jeanne-Marie (1711-17SO):
5. Stück 103-127. 1773.4ungez. BI., 200 S. Französische Erzieherin und Schriftstellerin. Siehe
6. Stück 12S-152. 1774.4ungez. BI., 200 S. Sp.l232
7. Stück 153-177. 177 4. 4 ungez. BI., 200 S.
S. 17S3. Stück 17S-204.4ungez. BI., IS4 S. 512 Der Frau Maria [Jeanne-Marie]le Prince de Beau-
9. 17S3. Stück205-227. 3 ungez. BI., 150 S. mont Lehren der Tugend und Weisheit für die Jugend.
Aus dem französischen übersetzt. Mit einer Vorrede
In Bdch. 1-7 unsignierte gestochene Titelvignette, in (Friedr[ich] Eberh[ard]) Rambachs. - Halle: Gebauer
Bdch. S und 9 omamentale Titelvignette. 175S. 552 s. so
Wochenschrift vornehmlich zur ;;Belehrung« der Kinder Omamentale Titelvignette
und zur Vermehrung ihrer Kenntnisse, wobei es haupt-
sächlich darauf angekommen sei, ;;nicht in das Kindi- Übersetzung des 1756 in London erschienenen Magasin
sche und Läppische zu fallen«; enthält überwiegend des Enfans, die im gleichen Jahr erschien wie die Über-
Übersetzungen aus der französischen Literatur, Mär- setzung von Schwabe. Sie ist sprachlich unbeholfener als
chen, Erzählungen, erbauliche Betrachtungen, Schau- die Schwabesehe Übersetzung, weniger ;eingedeutscht<
spiele for Kinder und naturkundliche Beiträge. als diese (z. B. Beibehaltung der französischen Namen)
und wirkungsgeschichtlich nicht so erfolgreich.
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin (Bdch. 1-7); UB d. TU
Braunschweig (Bdch. 1-4); UStB Köln (Bdch. S.9) HAB Wolfenbüttel

Lehrreiches Magazin für Kinder, 175S


Lenglet du Fresnoy, Nicolas (1674-1755): Französi- 513 Der Frau Maria [Jeanne-Marie]le Prince de Beau-
scher Diplomat und Schriftsteller. mont lehrreiches Magazin für Kinder zu richtiger Bil-
dung ihres Verstandes und Herzens für die deutsche Ju-
510 Kurzverfassete Kinder Geographie, in acht und gend eingerichtet (Th. I : und mit den nöthigsten Kup-
vierzig Lectionen eingetheilet, und mit benöthigten fern versehen von Johann Joachim Schwaben). 3. und
Charten versehen. In französischer Sprache ausgeferti- verb. Aufl. Th. [1]-4.- Leipzig: Weidmann 1761. so
get durch [Nicolas] Lenglet du Fresnoy, und zum Nut-
[I.] XLV S., I ungez. S., 192 S., 2 Kupfertaf., davon I
zen der Jugend in die teutsche übersetzet, nunmehr aber
aufFaltbl.
von neuem übersehen, in vielen Stücken deutlicher ge-
2. IS4 S., I Kupfertaf.
machet, mit nicht wenigen nützlichen Zusätzen vermeh-
3. 190 s.
ret, und insonderheit zum Gebrauch für Teutsche einge-
4. 192 s.
richtet. 4., um vieles verb., und verm. Aufl.- Nümberg:
G. P. Monath 1760. 2 ungez. BI., 55 S., I ungez. S., S ko- Omamentale Titelvignette in Th. 1-4; Frontispiz in Th.
lor. Ktn auf Doppels. 4 o I, von G. L. Crusius gezeichnet und gestochen, die Kup-
1427 Bibliographie 1428

fertafel auf Faltblatt ist von ihm gestochen; die Tafel in 518 Auszug aus der alten Geschichte, zur Unterwei-
Th. 2 von und nach Crusius. sung der Kinder. Nach dem Französischen der Frau [Je-
anne-Marie]le Prince de Beaumont. Bd 1-4.- Leipzig:
Lehrreiche Unterredungen zwischen einer Hofmeisterin
Weidmann und Reich 1766-SI. so
und sieben Mädchen im Alter von 5 bis /3 Jahren; be-
stimmtfiir jüngere Mädchen aus dem Adel und dem ge- I. Mit einer Vorrede von Johann Adolf Schlegel. 1766.
hobenen Bürgertum; enthält u. a. biblische Geschichten, Th. I. LXIV, 262 S. Th. 2. 4 ungez. BI., 40S S.
Feenmärchen und sachlich-moralische Belehrung. - 2. Fortgesetzt von Johann Adolf Schlegel. 176S. Th. 3.
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 494 II ungez. BI., IIS S. Th. 4. 4 ungez. BI., 296 S.
3. [U. d. T. :] Auszug aus der alten Geschichte zur Bil-
Nieders. Staats- und UB Göttingen; UB Oldenburg
dung der Jugend nach dem Plane der Frau le Prince
514 Dass. 6. und verb. Aufl. Th. [I ]-4.- Leipzig: Weid- de Beaumont, fortgesetzt von Johann Adolf Schle-
mann und Reich 1772. so gel. 1775. Th. 5. S ungez. BI., 375 S. Th. 6. 9 ungez.
Bl.,497 s.
[I.] XLVS., I ungez. S., 174 S. 4. -. Fortgesetzt von Georg Heinrich Martini. Th. 7.
2. 16S s. 1779. XXIIII,432 S. Th. S. 17Sl. VIII,46S S.
3. 174 s.
4. 176 s. Omamentale Titelvignette in Bd 1-3.
Frontispiz in Th. I, von J. M. Stock gestochen; oma- Historisches Lehrbuch fiir 12-16jährige Schüler; be-
mentale Titelvignette in allen Teilen. handelt die Alte Geschichte vom Turmbau zu Babel bis
zum Tode Kaiser Konstantins; überarbeitete und erwei-
Samml. Theodor Brüggemann, Köln terte Übersetzung von M. Le Prince de Beaumont,
515 Der Frau Maria [Jeanne-Marie]le Prince de Beau- >Education complete, ou, Abrege de l'Histoire Univer-
mont lehrreiches Magazin für junge Leute, besonders selle mele de Geographie et de Chronologie. A I'Usage
junges Frauenzimmer, zur Fortsetzung des Magazins de Ia Familie Royale de S.A.R. Ia Princesse de Galles
für Kinder, nach deutscher Art eingerichtet (Th. I : von (1753); Teile 1-6 von Johann Adolf Schlegel, Teile 7
Johann Joachim Schwaben). - Th. [1]-4. - Leipzig: und 8 von Georg Heinrich Martini bearbeitet. -Aus-
Weidmann 1760. so fUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 953

[I.] XXI S., I ungez. S., IS4 S. Lipp. LB Detmold (Bd 1-4); HAB Wolfenbüttel (Bd 2)
2. 224 s.
3. 232 s. 519 Der Frau Maria [Jeanne-Marie]le Prince de Beau-
4. 256 s. mont neuer Mentor, oder Unterweisungen für die Kna-
ben, und für diejenigen, welche sie erziehen, nach deut-
Gestochenes Frontispiz von Crusius. scher Art eingerichtet [von Johann Joachim Schwabe].
Lehrreiche Unterredungen fiir die heranwachsende Th.l-12.-Leipzig:Weidmann undReich 1773-75. so
weibliche Jugend. I. 1773.6 ungez. Bl.,219 S., I ungez. S.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. 2. 1773. 23S S., I ungez. BI.
3. 1773.203 S., I ungez. S.
516 Der Frau Maria [Jeanne-Marie]le Prince de Beau- 4. 1773.214 S., I ungez. BI.
mont nöthige Unterweisungen für junges Frauenzim- 5. 1774.243 S., 3 ungez. S.
mer, welches in die Welt tritt und sich verheurathet, als 6. 177 4. 231 S., I ungez. S.
der Verfolg der Magazins für junge Leute, nach deut- 7. 1774.224 s.
scher Art eingerichtet, von Johann Joachim Schwaben. s. 1774.230 s.
Th. [1.]2.- Leipzig: Weidmann und Reich 1764. so 9. 1775.232S.
[1.] X, ISS S. 10. 1775.239 S., I ungez.S.
2. 19S s. II. 1775.237 S., 3 ungez. S.
12. 1775. 1Sl S., I ungez. S.
Lehrreiche Unterredungen zwischen einer Hofmeisterin
und sechszehn jungen Mädchen (zum Teil dieselben Omamentale Titelvignette in allen Bänden.
Mädchenfiguren wie im Magazin für Kinder, nur älter); Lehrreiche Unterhaltungen fiir Jungen aus dem gehobe-
enthält biblische Geschichten, »Historien« (aus dem nen Bürgertum und dem Adel sowie fiir »Lehrmeister,
griechischen und römischen Altertum) und Erzählungen Aeltern, Hofmeister<<; den zwölften Teil bildet eine »Be-
(Beispielerzählungen und moralische Erzählungen). Die sondere Unterredung, fiir die Lehrmeister zu lesen«.
Mädchen werden als vemü!iftige Gesprächspartner dar- Das zwölfteilige Werk ist hauptsächlich in Gesprächs-
gestellt, die sich kritisch mit den Lehren der Hofmeiste- form gehalten. Den äußeren Rahmenfiir diese Gesprä-
rin auseinandersetzen. Propagierung einer strengen, im che bildet eine Art Internatssituation, in der einem Hof-
traditionellen Sinne theologisch legitimierten Ehevorstel- meister und einem ihm untergebenen Lehrmeister sieben
lung: Die Frau hat dem Ehemann als dem Stellvertreter Jungen zur Erziehung und zum Unterricht anvertraut
Gottes zu gehorchen; Zuneigung gilt als fiir die Ehe- sind. Die »redenden Personen (sind) am Ende des Wer-
schließung nicht entscheidend. kes nur erst zwölf Jahre alt (und haben) im fiinften und
Leop.-Soph.-B. Überlingen sechsten angefangen«. Der 1. Teil umfaßt Gespräche
vom ersten bis zum siebten Tag, der 2. Teil die des ach-
517 Dass. 2. und verb. Ausg.- Ebd. 176S. ten bis zehnten Tages. Danach wird das chronologische
Prinzip abgebrochen und durch ein inhaltlich-sachliches
Frontispiz, gestochen von Crusius.
ersetzt, der Schwerpunkt verlagert sich gleichfalls von
Bayer. StaatsB. München der moralischen zur sachlichen Belehrung, obwohl in
1429 Bibliographie 1430

den Gesprächen immer beide Komponenten verbunden Letzte Unterhaltung eines Lehrers
werden. Die Teile 2-11 behandeln historische, geogra-
phische und mythologische Themen. Die Absicht der Ge- 522 Letzte Unterhaltung eines Lehrers mit seinen ein-
spräche besteht darin, »das Herz und den Verstand zu zusegnenden Kindern. - Halle: Waisenhaus 1776. 92
bilden; den letzteren die Sachen so ansehen zu lehren, S. 8o
wie sie sind, und nicht, wie sie zu seyn scheinen; den er-
Omamentale Titelvignette
sten seine unordentlichen Bewegungen richtig zu ma-
chen. Welches sind meine Mittel? Die Erlernung der Predigt eines Religionslehrers vor der Konfirmation sei-
Geschichte.«- Bei dem Werk handelt es sich um keine ner Schüler.
reine Übersetzung, sondern um eine auf deutsche Ver-
UB Erlangen-Nürnberg, Erlangen
hältnisse eingerichtete Bearbeitung.
Lipp. LB Detmold
Leun, Johann Georg Friedrich (geb. 1757): Pädagoge,
ordentlicher Professor der Philosophie in Gießen.
Lesearchiv für die Jugend. Siehe: Gürnth, Georg
Samuel. 523 Handbuch zur kursorischen Lektüre der Bibel N.
B. für Anfänger auf Schulen und Universitäten von Jo-
hann Georg Friedrich Leun. Th. 1.2. - Lemgo: Meyer
Lesebuch für angehende weibliche Dienstboten. Siehe: 1795/96.8°
Morgenstern, Johanna Katharina. 1. Abth. 2, welche die zwey Evangelisten, Lukas und
Johannesenthält.1795.S. 195-416.
2. Abth. I, welche die Apostelgeschichte und den Brief
Lese-Buch für den kleinen Christian. Siehe: Schlözer, an die Römer enthält. 1796. 234 S.
August Ludwig von.
Bibelkommentar rein philologischer Art for den Schul-
und Universitätsgebrauch. Die Anmerkungen sollen die
Lesebuch für Jüdische Kinder. Siehe: Friedländer, Lektüre des griechischen Bibeltextes erleichtern und ge-
David. ben Vokabelerklärungen, grammatikalische Erläuterun-
gen und vereinzelt auch Sachhinweise. Lt. Kayser be-
steht das Handbuch aus insgesamt 7 Teilen, von denen
die ersten vier das Alte Testament betreffen und
Lesebuch für Kinder
1788-1791 erschienen sind. Die drei Teile zum Neuen
Testament sind jeweils in Abteilungen eingeteilt. Das
520 Lesebuch für Kinder. Bdch. 1.2.- Bremen: Cramer
vor/. Expl. enthält jeweils eine Abteilung aus dem ersten
1776.8°
und zweiten Teil.
I. 8 ungez. BI., 304 S.
HAB Wolfenbüttel
2. 264 s.
Titelvignette in Bdch. I und 2, gestochen von C. L. Cru-
sius. Leutwein, Pb. Jakob (1710-1798): Rektor und Profes-
Unterhaltendes Lesebuch zur »Bildung des Herzens« sor am Gymnasium zu Schwäbisch-Hall.
for Kinder bis zum 10. Lebensjahr; enthält Fabeln, Ge-
dichte, Lieder, Beispielgeschichten, Briefe und kurze er- 524 Des warnenden Vatters Philanthropini Klugheits-
bauliche Betrachtungen, die den Werken verschiedener Schule in gutem Rath und Warnungen um allem Un-
Autoren und Wochenschriften for Kinder entnommen glücksfällen dieses Lebens vorsichtig auszuweichen
wurden. oder aufs geschickteste zu begegnen. Zum allgemeinen
Unterricht. [Von Ph. Jakob Leutwein.]- Frankfurthund
Dt. StaatsB Berlin Leipzig 1778. VIII S., S. 9-150. 8°
Ornamentale Titelvignette
Lessing, Gotthold Ephraim (I 729-17 81): Schriftsteller Volksgesundheitslehre vornehmlich for den Gebrauch an
und Kritiker. Siehe Sp. 1232 Realschulen, auch »for die Armen« gedacht; will durch
Aufklärung Unfälle und Schaden vermeiden; enthält ne-
521 Gotthold Ephraim Lessings Fabeln. Drey Bücher. ben einer allgemeinen Betrachtung »über die Gefahr der
Nebst Abhandlungen mit dieser Dichtungsart verwand- Seeligkeit verlustig zu werden« Abschnitte über die
ten Inhalts.- Berlin: Voß 1759. XII, 250 S. 8° »Leib- und Lebensgefahren«, über Krankheiten sowie
deren Verhütung und Heilung.
Frontispiz und Titelvignette in Kupferstich von J. W.
Meil. Württemberg. LB Stuttgart
Sammlung von 90 Prosafabeln; im AnhangfonfAufsät-
ze zur Fabeltheorie. Die Fabeln stellen keine intentiona-
Leyding, Johann Diederich (1721-1781): Privaterzie-
le Kinderliteratur dar, wurden jedoch schon zu Lebzei-
her, Vorsteher einer Privaterziehungsanstalt in Harn-
ten Lessings Schullektüre und nehmen noch heute einen
burg.
festen Platz in Lesebüchern ein. - AusfUhrliehe Be-
schreibung siehe Sp. 74
525 Johann Diederich Leydings Handbibliothek für
Samml. Theodor Brüggemann, Köln Kinder und junge Leute. Zur Ausbreitung der Religion,
1431 Bibliographie 1432

der Tugend, der Wahrheit, der Sitten, des Geschmacks 528 Dass. u. d. T.: Palmblätter. Erlesene morgenländi-
und des Witzes. Th. 1.2. - Harnburg und Leipzig 1770. sche Enählungen. Von J[ohann] G[ottfried von] Herder
8o und A[ugust]J[acob] Liebeskind. Neue Aufl. Durchge-
sehen von J. (richtig: F[riedrich]) A[ugust] Krumma-
I. 4 ungez. BI., 208 S.
cher. Bdch. I. - Berlin: Realschulbuchhandl. 1816.
2. 4 ungez. BI., 208 S.
XXXII, 271 S. 8°
Gleiche Titelvignette in Th. I und 2, gestochen von
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
J.C.G. Fritzsch; in Th. I Vignette, gestochen von
Fritzsch, am Textanfang (S. 5).
529 Dass. u. d. T.: Palmblätter. Erlesene morgenländi-
Unterhaltendes, moralisch und religiös belehrendes Le- sche Enählungen für die Jugend. Neue durchaus verb.
sebuch fiir »die ersten Kinder- oder Jugendjahre«, die Aufl. von F[riedrich] A[ugust] Krummacher. Th. 4. -
reifere Jugend, Eltern und Erzieher, um diesen »nützlich Berlin: Reimer 1819. IV, 258 S. 8°
und angenehm« zu werden und »ihrem Verstande und
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Herzen die erste Richtung und Bildung zu geben«; ent-
hält religiös- und moraltheoretische Abhandlungen des
Veifassers sowie Lieder, Gedichte, Balladen, Gebete,
Briefe, Fabeln, Märchen, Schauspiele, moralische Er- Liebner, Johann Adolph (ca. 1750-1808): Magister und
zählungen und Beispielgeschichten verschiedener Auto- Enieher. Siehe Sp. 1232
ren. EA lt. Ky 1769-71.
530 Martin Luthers Reformationsgeschichte für die Ju-
Inst. f.Jugendbuchforschung Frankfurt gend von Johann Adolph Liebner. - Gera: Bekmann
1785.16ungez.Bl.,414S.8°
526 Dass. 2. verm. und verb. Ausg. Bd 1-3.-Fiensburg
und Leipzig: Korten 1777-79.8° Umfassende Darstellung der Reformationsgeschichte
fiir evangelische Jugendliche und Erwachsene, »die
I. 1777. 8 ungez. BI., 368 S. noch in derselben unwissend sind«; behandelt den Zeit-
2. 1778.4 ungez. BI., 376 S. raum von 1517 (Auftreten der Ablaßprediger) bis 1555
3. 1779.4ungez.Bl.,376 S. (Augsburger Religionsfrieden). - Ausfiihrliche Beschrei-
In Bd 1 unsignierte gestochene Titelvignette, in Bd 2 und bung siehe Sp.1116
3 ornamentale Titelvignette. Dt. StaatsB Berlin
Zentra!B d. dt. Klassik Weimar
531 Nöthiger Unterricht über den noch herrschenden
schädlichen Aberglauben unter den Christen, ein Lese-
buch besonders für die Jugend von Johann Adolph
Lichtwer, Magnos Gottfried ( 1719-17 83): Regierungs-
Liebner. - Erfurt: Kayser 1789. 5 ungez. BI., 181 S., 1
rat in Halberstadt, Fabeldichter.
ungez. S. 8°
Fabeln von Hagedorn, Gleim und Lichtwer. Siehe: Ha- Religiös-moralisch belehrende Schrift gegen den Aber-
gedorn, Friedrich von. glauben zur Aufklärung der evangelischen Jugend aller
Stände; behandelt in fiinf Kapiteln Ursprung und Fol-
gen des Aberglaubens, wobei sich die Argumentation
Liebeskind, AugustJakob (1758-1793): Pfarrer, Haus- auf die »gesunde Vernunft« und die Aussagen der Of-
lehrer im Hause Herders. Siehe Sp.l232 fenbarung stützt. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe
Sp. 782
527 Palmblätter. Erlesene morgenländische Enählun- Dt. StaatsB Berlin
gen für die Jugend. (Th. 2: Von August Jacob Liebes-
kind.) (Mit einer Vorrede von J[ohann] G[ottfried von]
Herder.) Th. 1-4. -Jena: Akadem. Buchhandl. (Th. 2:
Lieder f'tir Kinder. Siehe: Weiße, Christian Felix.
Gotha: Ettinger) 1786-1800.8°
I. 1786. XXVI, 262 S.
2. 1788. 3 ungez. BI., 257 S., I ungez. S. Lindner, Johann Gotthelf (1729-1776): Lehrer an der
3. 1796.2 ungez. BI., 247 S. Domschule in Riga, Professor der Dichtkunst in Kö-
4. 1800.2ungez.Bl.,235 S. nigsberg.
Ornamentale Titelvignette in Th. I und 2.
532 Beitrag zu Schulhandlungen von Johann Gotthelf
Sammlung von 131 morgenländischen Erzählungen; Lindner.- Königsberg: Woltersdorff 1762. 16 ungez.
will die Einbildungskraft der Kinder auf» Beyspiele des BI., 365 S., 1 ungez. S. 8°
Guten und Edlen« richten. In seiner Sammlung hat
Liebeskind »das Nützliche dem Lustigen« vorgezogen; [Enth.:] Abdolonym, ein Schuldrama von Drey Aufzü-
gen. 1758. S. 1-54. Die Krönung Gottfrieds zu Jerusa-
neben Übersetzungen und Nacherzählungen finden sich
lem. Ein Schuldrama. 1758. S. 55-92. Albert, oder die
auch Erzählungen »nach seinem eignen Gefiihl und sei-
Gründung von Riga, nebst einer dazu dienenden Erläu-
ner eignen Erfindung«. Der erste Band enthält eine
terungsrede von den Veränderungen Lieflands, in Ab-
Vorrede Herders über den Wert morgenländischer Er-
sicht auf die Religion. (1760.) S. 93-148. Ein Rechts-
zählungen fiir die Bildung der Jugend. - Ausfiihrliche
Beschreibung siehe Sp. 329 handel. 1760. S. 149-182. Die vier Temperamente.
1759. S. 183-204. Abhandlung von der Sprache über-
Bayer. StaatsB München haupt, und insbesondre eines Landes, nebst einer
1433 Bibliographie 1434

Sammlung einiger Liefländischen Provinzialwörter und brauch beim häuslichen Unterricht von J[ohann]
Ausdrücke. S. 205-256. Der wiederkehrende Sohn, ein A[ndreas] C[hristian] Löhr. - Leipzig: Fleischer 1799.
Schuldrama in fünf Aufzügen. S. 257-365. XVIII, 312 S. 8°
Gestochene Titelvignette von J. W. Meil. Sammlung moralischer Beispielgeschichten for »die al-
lerersten und dringendsten Bedürfnisse der Kinder
Sammlung von Schuldramen »zur Bildung des Ge-
( . . .), die so eben lesen gelernt haben«; gedacht }Ur den
schmacks und eines edlen Herzens bey der Jugend«;
häuslichen Untemcht und »for müßige Stunden« zur
enthält, nach einer ausfUhrliehen Vo"ede zur Funktion
»zweckmäßigen Unterhaltung«, um »die Lust zum Le-
des Schuldramas, zwischen den Stücken erklärende hi-
sen und sittlich gute Empfindungen und Vorsätze« zu
storische Abhandlungen, Deklamationen aus der Antike
wecken; behandelt in 143 thematisch gegliederten, kur-
und eine kleine Seelen/ehre.
zen Geschichten Tugenden und Laster zur Beherzigung
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin und Warnung. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe
Sp.475
533 Der wiederkehrende Sohn, ein Schuldrama in fünf
Staatl. B. Regensburg
Aufzügen. [Von Johann Gotthelf Lindner.] - Königs-
berg: Woltersdorff I 762. I 09 S. 8 o
537 Materialien zur Erwekkung und Uebung des Ver-
Ornamentale Titelvignette standes und der Ortheilskraft der Kinder zunächst zum
Gebrauch beim häuslichen Unterricht von J[ohann]
Schuldrama in fonf Aufzügen zur Auffiihrung auf
A[ndreas] C[hristian] Löhr. - Leipzig: Fleischer 1799.
Schulbühnen nach literarischen Vorbildern des Publius
XII. 232 S. 8°
Terentius, Nericault Destouches, Voltaires und Dide-
[Nebent. :] Erste Vorbereitungen für Kinder zunächst
rots. Das Drama soll »rühren und der Tugend dienen«
zum Gebrauch beim häuslichen Unterricht. Bdch. 3.
(Vorbericht).
Lehrbuch zum Gebrauch im häuslichen Untemcht; ge-
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
dacht als Leitfaden for Lehrer, die »das frühere Kindes-
alter« unterrichten; enthält Begriffsdefinitionen, Bei-
spie/geschichten, Rätsel und Charaden, Sprichwörter
Linkmeyer, Siegmund Friedrich: Prediger in Löhne im und Fabeln, wodurch Verstandestätigkeit und Urteils-
Fürstentum Minden. kraft der Kinder geschult werden sollen.

534 Sieben Konfirmations-Reden von S[iegmund] Dt. StaatsB Berlin


F[riedrich] Linkmeyer.- Hannover: Ritscher in Comm.
1798. 8 ungez. BI., 88 S. 8°
Lösecke, Christoph Albrecht (um 1690-um 1750): Pfar-
Sammlung von sieben Predigten for die öffentlich gehal- rer in Plaue an der Havel.
tene Konfirmation der Kinder.
HAB Wolfenbüttel 538 Christoph Albrecht Löseckens Zergliederter Cate-
chismus, Worin der kleine Catechismus Lutheri in rich-
tiger Ordnung von Wort zu Wort, auf eine leichte und
deutliche Art, zergliedert wird; Der Jugend und andem
Löhr, Johann Andreas Christian (1764-1823): Theolo- Einfältigen zur Uebung des Verstandes und der Auf-
ge und Kinderschriftsteller, Pfarrer in Dehlitz, Alten-
mercksamkeit; Vomernlieh aber den Catecheten, Schul-
burg und Zwenkau. Siehe Sp. 1233 meistem und Haus-Vätern zur Anleitung, Wie sie den
gantzen Catechismum ausfragen und Fragen machen
ABC und Bilderbuch, 1796 lernen können; herausgegeben. Wobey die Wort-Erklä-
535 ABC und Bilderbuch nebst einer Anweisung Kin- rung des Catechismi, und eine Anweisung, wie ein
der leicht lesen zu lehren, zunächst zum Gebrauch beim Schulmeister sein Amt recht nützlich verrichten soll, an-
häuslichen Unterricht von J[ohann] A[ndreas] C[hri- gehängt; auchbeydieser neuen Auflage mit Christ-er-
stian] Löhr.- Leipzig: Fleischer 1799. 184 S., I ungez. baulichen Kinder-Fragen vermehret ist. - Flensburg
BI., 6 Kupfertaf., I Falttab. 8° undAltona: Korten 1758.174 S. 8°
[Nebent.:] Erste Vorbereitungen für Kinder zunächst
Titelblatt in Rot-Schwarz-Druck.
zum Gebrauch beim häuslichen Unterricht. Bdch. I.
Zergliederung des Kleinen Katechismus von Luther. Zu
Unsignierte gestochene Titelvignette; die Kupfertafeln
allen Sätzen und einzelnen Satzgliedern werden Fragen
sind ebenfalls unsigniert.
formuliert. Das Werk soll den Erwachsenen als Anlei-
EA 1796 (I 797). Bilderlesebuch mit ABC-Teil, gedacht tung zur Katechisation und den Kindem zur Wiederho-
for Eltern und Lehrer zur häuslichen Unterweisung von lung dienen. EA lt. Ky 1732.
Kindern »nach dem fonften Jahre«, enthält sachlich HAB Wolfenbüttel
und moralisch belehrende Lesestücke, die sich z. T. auf
die vorangestellten Kupfertafeln beziehen, und einen
Methodenteil zum Gebrauch des Buches. - AusfUhrliehe
Löser, Johann Friedrich Gottlob
Beschreibung siehe Sp. 921
LBCoburg 539 Katechismus der moralischen Religionslehre nach
den Grundsätzen der heiligen Schrift. Von Johann
536 Kleine Geschichten und Erzählungen für Kinder Friedrich Gottlob Löser. 2. umgearb. Auf!.- Leipzig:
zur Bildung des sittlichen Gefühls zunächst zum Ge- Linke 1799. XII, 148 S. 8°
1435 Bibliographie 1436

Religionslehrbuch. das die Absicht verfolgt, »die zum Los Rios, Charlotte Marie de ( 172S-IS02): Belgisehe
Nachdenken fähigere Jugend aufmerksam zu machen. Erzieherin.
wie Gott sowohl durch die Anlagen in uns. als auch
durch die Verhältnisse außer uns. unsre moralische Bil- 541 Das Buch für Kinder, Aus dem Französischen der
dung und Veredlung beabsichtige« (Vorrede). Handelt Mademoiselle [Charlotte Marie de] Los Rios übersetzt,
von den Kräften der menschlichen Seele. der Begrün- und mit deutschen Zusätzen vermehrt [von Christian
dung der moralischen Religions/ehre. von der heiligen Friedrich Jünger]. - Dresden: Walther 1773. 2 ungez.
Schrift. von Gottes Eigenschaften und Werken, von BI., 3SS S., 2 ungez. BI. so
Christus und von der Bestimmmung des Menschen und
dem religiösen Verhalten. Sodann wird ein Abriß der Frontispiz mit nicht verifizierbarer Signatur; unsignier-
J>flichtenlehre gegeben und von der Besserung und den te Titelvignette, beidein Kupferstich.
Besserungsmitteln gesprochen. Das Werk stützt sich auf Belehrende Schrift vermischten Inhalts; enthält Erzäh-
die Schrift/ehren. EA lt. Ky 1798. lungen, Fabeln, Verhaltensregeln und eine Enzyklopä-
die for Kinder; Übersetzung und Bearbeitung von Ma-
HAB Wolfenbüttel
gazin pour !es petitsenfans ( 1771 ).
StUß Frankfurt
Lorentz, Johann Gotthilf ( 17 55-1 791): Rektor und
Prarrer in Köpenick.

540 Johann Gotthilf Lorentz Lesebuch für die Jugend Lossius, Kaspar Friedrich (1753-1Sl7): Pfarrer und
der Bürger und Handwerker, zum Gebrauch in Schulen Diakon in Erfurt. Siehe Sp. 1233
und beym häuslichen Unterricht nach dem Muster des
Rochowischen Lesebuchs für Landschulen. (Bd 2.3: 542 Gumal und Lina. Eine Geschichte für Kinder, zum
Lesebuch für die Jugend der Bürger und für Bürger- Unterricht und Vergnügen, besonders, um ihnen die er-
schulen.) Bd 1-3.- Leipzig: Göschen 17S5-92. so sten Religionsbegriffe beizubringen (Th. 2.3: von Kas-
par Friedrich Lossius). Th. [1)-3. - Gotha: Perthes
1. Abth. 1. Mit Kupfern und Holzschnitten. 17S5.
415 S., 6 ungez. BI., S Kupfertaf., davon 5 auf Faltbl. 1795-1SOO.S 0
Abth.2.17S6. Sungez. BI., XXX, 157 S. [1.] 1795. VI, 304 S.
2. Villaume, [Peter]: Geographie und besondere Ge- 2. 179S. 364 s.
schichte. Mit Landcharten. Abth. 1.2. 1792. 2 ungez. 3. 1SOO. 7 ungez. BI., 2S7 S.
BI., 669 S., 2 Falttab., 4 Kupfertaf.aufFaltbl.
3. Villaume: Allgemeine Geschichte. Abth. 1.2. 1792. Omamentale Titelvignetten und gestochene Frontispizi
636 S. in Th. 1-3; Frontispiz in Th. 1 signiertvon Riep, vermut-
lich stammen alle von ihm.
Omamentale Titelvignetten in Bd 1, Abth. 1 und 2; 2
Kupfertafeln in Bd 1, Abth. 1 sind von G. G. Endner ge- Religiöses Lesebuch zur selbständigen Lektüre for Kin-
stochen, 1 Karte in Bd2, Abth. 1 von J. B. Glaßbach, 1 der; will ein Muster des »erzählenden Religionsunter-
von I. L. I. Rausch. richts« sein und die Kinder auf die »wichtigen Wahrhei-
ten der christlichen Religion« vorbereiten; Im Gewand
»Bürgerencyklopädie«; Lehrbuch for die »mittlere Ju- einer Robinsonade wird der »Unterricht in den Wahr-
gend des Bürgerstandes«, d. h. for 13-15jährige Jun- heiten der natürlichen Religion« (T. 1), der »einleiten-
gen, die einen Handwerks- oder künstlerischen Beruf er- de(n) Unterricht in den Wahrheiten der christlichen Re-
greifen wollen; gleichzeitig als »Leitfaden for Lehrer« ligion« (T. 2) und der »Unterricht in den vorzüglichsten
und als Handbuchfor Eltern gedacht. Die ersten beiden Wahrheiten der christlichen Religion« (T. 3) dargebo-
Bände sind zu großen Teilen Werken von Büsching, ten. - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 801
Raff, Wünsch. Sander. Heinatz. Moritz und Splittegarb
entlehnt. Der erste, mit vielen Kupfern (häufig Nach- UBJena
zeichnungen) ausgestattete Band enthält zwei Abschnit-
te zur Naturgeschichte und zum menschlichen Körper. 543 Dass. Mit [je] einem Titelkupfer. 7. rechtmäßige
Im zweiten Band finden sich neben einer Schilderung Autl. Th. 1-3.- Ebd. 1S27. so
des Jahresablaufs Abschnitte vom Schön- und Recht- 1. X,304 S.
schreiben. von der Sprache und von schriftlichen Aufsät- 2. 320 s.
zen, von Privat- und Geschäftsbriefen. vom Postwesen 3. 2S6 s.
und von Schreibmaterialien sowie eine ausfohrliche Ein-
leitung in die Rechenkunst. Der Untertitel »nach dem Die Frontispizi sind unsigniert.
Muster des Rochowischen Lesebuchs for Landschulen« UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
ist irrefohrend; das Werk hat mit Rochows Kinder-
freund keine Ahnlichkeiten. Der dritte bzw. vierte Band 544 Sittengemälde aus dem gemeinen Leben zum be-
ist identisch mit dem im gleichen Jahr bei Göschen in lehrenden Unterricht für Kinder. Von dem Verfasser
Leipzig erschienen zweiteiligen Werk Viilaumes Geogra- des Gumal und Lina [d. i. Kaspar Friedrich Lossius].
phie und Geschichte für die Jugend der Bürger und für Bdch. [1)-3.- Gotha: Perthes 1796-1S02. so
Bürgerschulen; im dritten Bandfehlen lediglich das der
[1.] 1796. VI S., 1 ungez. BI., 152 S.
Originalausgabe beigegebene Register sowie die »Zu-
sätze und Verbesserungen«, er enthält jedoch ebenfalls 2. 1SOO. VI, 16S S. [Nebent.:] Lossius: Dramatische
die beiden Karten der Originalausgabe. Spruchwörter zur angenehmen und nützlichen Un-
terhaltung für Kinder. Bdch. 1.
Bayer. StaatsB München 3. 1S03. 4 ungez. BI., 16S S. [Nebent. :] Lossius: Drama-
1437 Bibliographie 1438

tische Spruchwörter zur angenehmen und nützlichen Ludwig, Christiana Sophia (geb. Fritsche): Schriftstel-
Unterhaltung für Kinder. Bdch. 2. lerin.
Gestochenes Frontispiz in Bdch. I von und nach G.
548 Gemählde häuslicher Scenen zur Veredlungjunger
Boettger sen.
Herzen (Th. 1.3: von der Verfasserinn der Aufsätze ei-
Sammlung dramatisierter Sprichwörter zur angenehmen nes Frauenzimmers vom Lande- Th. 4: von Christiana
und nützlichen Unterhaltung für Kinder, die den Kin- Sophia Ludwiggeb. Fritsche). Th. 1.3.4. -Leipzig: Wal-
dem gleichzeitig die Möglichkeit geben soll, »ihren eige- ther (Th. 4: Pott) 1789-91. 8°
nen Witz zu üben«.
I. 1789.4ungez.BI.,476S.
Dt. StaatsB Berlin (Bdch. 1.2); LB Coburg (Bdch. 3) 3. 1789.494 s.
4. 1791.4ungez.BI.,461 S.
Gestochene Titelvignette in Th. 3 und 4 und eine Kup-
Lossius, Rudolph Christoph (1760-1819): Evangeli- fertafel in Th. 1 von und nach M. M. Thoenert.
scher Prarrer. Siehe Sp. 1233
Empfindsamer Briefroman für junge Mädchen; will
545 Die ältesten Geschichten der Bibel für Kinder in »fromme Gedanken« und »gute Entschließungen« her-
Erzählungen auf Spaziergängen. [Von Rudolph Chri- vorbringen, die Menschenkenntnis und die »Beurthei-
stoph Lossius.] Mit einer Vorrede von Christian Gotthilf lung ihrer Bestimmung und ihrer J1lichten« befördern
Salzmann. - Erfurt: Keyser 1784. 12 ungez. BI., 230 S. sowie Mädchen vor Abwegen bewahren, auf die »Eitel-
8o keit, Leichtsinn, Verführung und herrschender Weltton«
führen, und so auf das Herz der Leserinnen »vorteilhaft
Ornamentale Titelvignette wirken<<. Im Mittelpunkt des Romans steht die Ge-
Erster Band einer zweiteiligen Historienbibel für Kin- schichte der Waisenkinder Adolph und Karoline Her-
der; behandelt die wichtigsten Ereignisse des I. Buchs bert. Beide werden durch die Ehe unglücklich, dann
Mose; eingekleidet in I9 Geschichten, die ein Lehrer aber geläutert. Die Lehren aus diesen Schicksalen wer-
fünf Kindem auf Spaziergängen erzählt. - Ausführliche den zum Schluß des vierten Bandes gezogen: die sinnli-
Beschreibung siehe Sp. 770 che Wollust meiden, den Gedanken an Gott und die
Unsterblichkeit hochhalten, Dankbarkeit gegenüber
UBMünster Wohltätern bezeugen, den Müßiggang fliehen, nützliche
Beschäftigungen suchen und sich vor bösen Beispielen
546 Rudolph Christoph Loßius Lieder und Gedichte und sittenverderbender Gesellschaft hüten.
ein Etui auch Weihnachtsgeschenk oder Angebinde für
Kinder.-Erfurt: Keyser 1787. 114 S., 2 ungez. BI. kl. 8° UBTübingen
Mit 20 zumeist ornamentalen Textvignetten.
Sammlung von 29 Liedern und Gedichten zum >>Un- Ludwig, Johann Christoph ( 1720-ca. 1790): Pädagoge.
schuldigen und doch angenehmen Zeitvertreibe« der
Kinder; will den Gebrauch der »mangelhaften Gesang- 549 Orthographischer Wegweiser, oder Anweisung zur
bücher« und besonders der »elenden Volkslieder« zu- Teutschen Rechtschreibung, nach dem Alphabet einge-
rückdrängen und den Geschmack der Jugend, »auch richtet, darinnen fürnemlich die gleichlautenden, dem
unter den niedem Klassen der Menschen« veifeinern Verstande nach aber unterschiedene Wörter sorgfältig
und ihren Herzen »gute Empfindungen« einprägen. - gesammlet und mit einem Anhange von dem, was ein
Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 358 Knabe, der auf ein Handwerk gehen will, nothwendig
aus der Schule mitnehmen müsse, begleitet worden von
UBJena
Johann Christoph Ludwig. - Nordhausen: Groß 1757.
II 0 S. 8°
547 Meister Liebreich. Ein nützliches (Th. 2.3: nützli-
ches moralisches) Lesebuch für Volksschulen und bür- Orthographisches Lexikon für Schüler, die nicht studie-
gerliche Familien. Von Rudolph Christoph Lossius. Th. ren wollen. Verzeichnet in alphabetischer Reihenfolge ei-
1-3.- Gotha: Perthes 1800/01. 8° ne große Anzahl gebräuchlicher Wörter, erklärt deren
Bedeutung vorwiegend in Latein, teilweise auch in
I. 1800. VIII, 262 S.
Deutsch und fügt gleich oder ähnlich lautende Wörter
2. 1800.276S.
hinzu, die anders geschrieben werden.
3. 180l.IV,220S.
HAB Wolfenbüttel
Gestochene Titelvignetten, in Th. I von Riep, in Th. 2
von G. Boettger sen. und in Th. 3 von und nach J. C.
Dornheim.
Ludwig, Johannes (1750-1801): Theologe und Schrift-
Beispielgeschichten in einer Rahmenhandlung im Gefol- steller. Siehe Sp. 1233
ge des Moralischen Elementarbuches (T. I.); will »in
Hinsicht der sittlichen Bedüifnisse« eine »angenehme 550 Johannes Freudenreichs und Anna Maria Alb-
und nützliche Lektüre« für »Bürgerskinder« bieten, rechtin erste Jugendjahre. Ein Kinder-Roman zur Be-
»um als ein Lehr- und Lesebuch sowohl in Bürgerschu- herzigung für Eltern und Lehrer allen Freunden des
len als Bürgetfamilien benutzt zu werden«. Campischen Robinsons gewidmet. [VonJohannes Lud-
wig.]- Augsburg: Stage 1784. 7 ungez. BI., 295 S. go
UB Mainz (Th. 1.2); ForschungsB Gotha (Th. 3)
Frontispiz in Kupferstich von J. F. Rein nach G. F. Rie-
de!.
1439 Bibliographie 1440

Roman in der Strnktur von Campes Robinson. Will El- Unterhaltung für die erwachsene Jugend und andere.
tern und Lehrer im Schwabenland auf ;;gewisse beherzi- [Von Kar) Ehregott Mangelsdorf.] Stück 1.2. - Halle:
gungswerthe Wahrheiten aufmerksam« machen und Curt 1780/82. 8°
;;zugleich for diejenigen Kinder sorgen, die nicht gerade
I. 1780. 8 ungez. BI., 232 S.
zu den Vornehmen gehören, sondern deren Eltern sich
2. 1782. 2 ungez. BI., S. 233-472.
im Mittelstande befinden«. Geschildert werden die Kin-
derjahre des Sohnes und der J11egetochter eines Land- Omamentale Titelvignette in Stück I, gestochene Titel-
pfarrers. Im Mittelpunkt stehen Hinweise for eine gute vignette in Stück 2, mit ;)S.« signiert.
Erziehung.
Historisches Lesebuch mit unterhaltender Absicht zur
Staats- u. StB Augsburg Lektüre in den Erholungsstunden; soll das Romane-Le-
sen zurückdrängen; will keine >~trockne Herzählung al-
ler Regenten und Staatsaktionen, welche nicht anzie-
Ludwig, Samuel (1759-1798): Lehrer an der Normal- hen«. sondern interessante ;;einzelne ausgehobene Stük-
schule in Berlin. ke« liefern; enthält im ersten Teil historische Aufsätze
zu Indien, China, Rußland, Schweden und Spanien;
551 Der Bürgerfreund, ein Lesebuch für Kinder in Bür- handelt im zweiten Teil von den europäischen Besitzun-
gerschulen, von Samuel Ludwig.- Berlin: Haude und gen in Ostindien, woran sich eine geographisch-politi-
Spener 1787.218 S. 8° sche Beschreibung von ganz Amerika anschließt;for den
dritten Band wird die Behandlung von Ländern ange-
Omamentale Titelvignette
kündigt, die ;;uns Deutschen. oder Europäern näher lie-
Lesebuch for Bürgerschulen; gedacht als Alternative zu gen«; lt. Kayser ist 1784 ein dritter Band erschienen.
Rochows Kinderfreund for Landschulen zur ;;Aufklä-
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
rung« und zum >~Nutzen« der Kinder; enthält Texte zu
Naturgeschichte und Naturlehre, moralische Beispieler-
zäh/ungen, biblische Erzählungen, Lehren und Sprich- Marees, Heinrich Ludwig de. Siehe: Funke, Conrad
wörter, sowie Briefmuster und Vorlagen zur Ausstellung Paul.
von Rechnungen und Quittungen.
UB Mainz
Marlov, Sophie

Lustspiele ohne Heyrathen. Siehe: Schummel, Johann 554 Katechismus der Kochkunst für junge Mädchen,
Gottlieb. woraus Sie die ersten Anfangsgründe der Kocherey
leicht und bestimmt lernen können. Von Sophie Mar-
lov.- Leipzig: Bornschein 1800.469 S. 8°
Lydia. Siehe: Trützschler, Friedrich Karl Adolfvon. Anleitung zur Kochkunst und Haushaltfiihrnng for 8 bis
13jährige Mädchen; das Werk vermittelt in katecheti-
scher Frage- und Antwortform Grundkenntnisse in der
Der Mädchenfreund. Siehe: Andre, Christian Carl. Speisenzubereitung und Hauswirtschaft.
Fürst!. Ysenburg- u. Büdingensche B. Büdingen
Mädchenwerth und Mädchenglück. Siehe: Sulzer, Jo-
hann Rudolf.
Martinet, Johann Florentins (1729-1796): Holländi-
scher Historiker.
Mährehen und Erzählungen
555 Kleiner Katechismus der Natur aus dem Holländi-
552 Mährehen und Erzählungen für Kinder und Nicht- schen des [Johann Florentius] Martinet übersetzt und
kinder.- Riga: Hartknoch 1796.290 S., I ungez. BI. 8° zum Gebrauch der deutschen Jugend eingerichtet von
Johann Jacob Ebert.- Leipzig: Weidmann 1780. 4 un-
Frontispiz in Kupferstich von C. G. Geyser nach gez. BI., 318 S. 8°
J. D. Schubert.
Frontispiz in Kupferstich von G. G. Endner.
Sammlung von morgenländischen Märchen und unter-
haltenden Erzählungen for Kinder und Erwachsene; Naturlehre und Naturgeschichte for die ;;kleinere Ju-
enthält insgesamt sechs Texte; die ersten drei Stücke, gend«; in katechetischer Frage- und Antwort-Form;
zwei Märchen und eine Robinsonade, konnten auch von deutsche Bearbeitung des holländischen Originals.
Kindern gelesen werden, die übrigen Texte wenden sich UBMünster
vermutlich ausschließlich an Erwachsene.
UB d. TU Braunschweig 556 Dass. u. d. T.: Kleiner Katechismus der Naturnach
dem Holländischen des [Johann Florentius] Martinet
herausgegeben von Johann Jacob Ebert. Neue, umge-
Mangelsdorf, Karl Ehregott ( 1748-1802): Lehrer am arb. und verm. Aufl.- Ebd. 1790.374 S., 12 ungez. BI.
8o
Philanthropin in Dessau, Professor der Geschichte, Be-
redsamkeit und Dichtkunst in Königsberg. Samml. Theodor Brüggemann, Köln

553 Historisch-Statistisch-Moralisches Lesebuch zur


1441 Bibliographie 1442

Martini, Friedrich Heinrich Wilhelm ( 1729-1778): Paragraphen von Maschos Lehrbuch Kurzer Entwurf
Arzt und Naturforscher. der christlichen Religion von 1770.
HAB Wolfenbüttel
557 Unterredungen zum Unterricht lehrbegieriger Kin-
der von Fr(iedr[ich]) Heinrich Wilhelm Martini. Mit
560 Unterricht von den biblischen Tropen und Figu-
Kupfern. Bdch. 1.[2.]- Berlin: Bossin (Bdch. 2: Bossen)
ren, den Studirenden durch den Druck mitgetheilt von
1773/74.8°
Friedrich Wilhelm Mascho.- Halle: Hendel 1773. I 0,
I. 1.-6. Gespräch. 1773. VIII, 152 S. [Zwischent. :] 204 S. 8°
Martini: Jugendliche Unterredungen für Kinder. I.
Ornamentale Titelvignette
und 2. Gespräch. 2. Aufl.l775.
[2.] 7. und 8. Gespräch. 1774. VIII, 80S. Religiöses Lehrbuch fiir studierende Jugendliche, das
ein Verständnis der in den biblischen Schriften vorkom-
Unsignierte Titelvignette in Bdch. I und 2 und auf dem
menden Bildlichkeil vermitteln will. Behandelt werden
Zwischentitelblatt; zu Beginn der Gespräche jeweils ei-
alle Formen der uneigentlichen, tropischen oder »ver-
ne Kupferillustration, außer beim 5. Gespräch; im 1.-4.
blümten« Rede. Gezeigt werden soll, daß die Bibel auch
und 6. gestochen von Glaßbach, im 7. und 8. unsigniert.
»in der äusseren Einkleidung ihres Vortrages . .. ein
Lehrreiche Unterhaltungen fiir Kinder zwischen 7 und sehr vernünftiges und mit Geschmack geschriebenes
10 Jahren über Gegenstände, »welche der Jugend sinn- Buch« darstellt.
liche Begriffe, von der Weisheit, Güte, Vollkommenheit
HAB Wolfenbüttel
und Vorsorge ihres Schöpfers, von der Größe und
Schönheit seiner Werke, von den Reichthümem der
wohlthätigen Natur, von den JYlichten der Dankbarkeit
und Hochachtung, welche sie sorgsamen Aeltem, von Maubert de Gouvest, Jean Henri (1721-1767): Offi-
der Ehrfurcht, welche sie allen Vorgesetzten, und von zier, Erzieher und Schriftsteller. Siehe Sp. 1234
der billigen Zuneigung, welche sie allen Menschen
schuldig sind, auf die leichteste Art beyzubringen fähig 561 Die Schule des Edelmanns, oder Magazin für jun-
sind«. Die Gespräche sollen den Kindem zugleich Ver- ge Cavaliers. [Von Jean Henri Maubert de Gouvest.]
gnügen bereiten; eingeschobene »Proben kindischer Nebst (des de Ia Chetardye Unterricht für einen jungen
Briefchen« dienen gleichzeitig zur Geschmacksbildung. Herrn, oder) Schilderung des rechtschaffenen und arti-
Der erste Band umfaßt sechs, der zweite zwei Unterre- gen Mannes. Aus dem Französischen (von Wilh[elm]
dungen. Ehrenfr[ied] Neugebauer).- Berlin und Leipzig: Rüdi-
ger 1759. 12 ungez. BI., 392 S. 8°
StB Mainz; UB Oldenburg
Unsignierte gestochene Titelvignette
Standeslehre in zwölf Gesprächen zwischen dem Ritter
von B. und seinem gräflichen Vetter über Heldentum,
Mascho, Friedrich Wilhelm (gest. 1784, Selbstmord): Tugend und Lasterhaftigkeit, »vom Eintritt in die
Schulrektor in Ruppin. Welt«, der Liebe, dem Reichtum, von den >>Uebungen
des Geistes und des Leibes« sowie von den »Tugenden
Kurzer Entwurf der christlichen Religion, 1770 und Eigenschaften des Feldherm«. Der Schule des
Edelmanns hat der Übersetzer, Wilhelm Ehrenfried
558 Anleitung zur Erkenntniß der christlichen Reli- Neugebauer, Des Herrn de Ia Chetardye Unterricht für
gion, zum Unterricht der nachdenkenden Jugend, vor- einen jungen Herrn, oder Schilderung des rechtschaf-
mals für eine Berlinische Gesellschaft aufgesetzt von nen und artigen Mannes sowie Des Herrn von Saint-
Friedrich Wilhelm Mascho. 2. stark verm. Aufl.- Harn- Evrement Moralsätze, nebst noch einigen andern hierzu
burg: Herold 1777. 166 S. 8°
gehörigen Stücken hinzugefiigt, »weil sie die Lehren der
In Paragraphen abgefaßtes Lehrbuch der christlichen Lebensart noch etwas weiter auf den Menschen und
Religion fiir fortgeschrittene Jugendliche, das den » Un- Hofmann ausdähnen, als der Verfasser der Schule ge-
terricht in der biblischen Historie« bereits voraussetzt. than«.- Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 506
Die erste Ausgabe ist 1770 unter dem Titel Kurzer Ent-
HAB Wolfenbüttel
wurf der christlichen Religion erschienen (lt. Ky). Sein
Unterrichtskonzept hat Mascho dargelegt in der Schrift
Vorschläge, wie der Religions~Unterricht der Jugend
Mauchard, Immanuel David
einzurichten ist (1771 ).
HAB Wolfenbüttel siehe: Die Hesperiden.

559 Ausführlicher Unterricht, daß ein Gott vorhanden


ist, für die nachdenkende Jugend aufgesetzt, von Fried- Mauvillon, Jakob von (1743-1794): Deutscher Inge-
rich Wilhelm Mascho.- Halle: Hendell772. 96 S. 8° nieur, Lehrer in Hannover und Kassel, ab 1785 Profes-
sor in Braunschweig.
Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt.
Religiöses Lehrbuch fiir fortgeschrittene Jugendliche der 562 Einleitung in die sämmtlichen militärischen Wis-
»oberen C/assen«, die studieren wollen. Es geht um Be- senschaften für junge Leute, die bestimmt sind, als Offi-
weise fiir das Dasein Gottes, die vornehmlich »histo- ziersbey der Infanterie und Kavallerie zu dienen. (Zum
risch« dargestellt werden. Bei der Abhandlung handelt Gebrauch für das Hochfürstl. Hessen-Casselsche adli-
es sich um eine »weitläuftige Ausfiihrung« des ersten che Kadettenkorps abgefaßt.) In drey Jahrgänge abge-
1443 Bibliographie 1444

theilt von J[akob von] Mauvillon.- Braunschweig: Wai- Meierotto, Johann Heinrich Ludwig ( 17 42-1800): Pro-
senhaus-Buchhandl. 1784. 12 ungez. BI., 599 S., I un- fessor der Rhetorik am Joachimsthalschen Gymnasium
gez. S., 6 Kupfertaf. aufFaltbl. 8° in Berlin. Siehe Sp. 1234
I. Die reine Mathematik.
565 Abschnitte aus deutschen und verdeutschten
2. Die Geschütz- und Befestigungskunst enthaltend.
Schriftstellern zu einer Anleitung besonders im gemei-
3. Die Kriegswissenschaft.
nen Leben geordnet von J[ohann] H[einrich] L[udwig]
Die Tafeln sind unsigniert. Meierotto. - Berlin: Königl. Preuß. Akadem. Kunst-
und Buchhandl. 1794. XXXIII, 677 S. 8°
Lehrbuch der militärischen Wissenschaften for »junge
Edelleute«, die dazu bestimmt sind, »daß sie als Offi- Beispielsammlung for Erwachsene und Jugendliche;
ziers in ihren Truppen dienen« sollen. Es ist zwar spe- ausdrücklich auch zum Gebrauch in den» Nebenstunden
ziell for das »Heßische Kadettenkorps« verfaßt, soll des Jünglings« bestimmt; soll eine Anleitung zur
aber auch »zur Bildung aller for gleiche Zwecke erzoge- Sprachschulung, insbesondere in Gesprächen, sein,
ner jungen Leute brauchbar« sein. Es besteht aus drei kann auch im Schulunterricht vom Lehrer gebraucht
Teilen, die die reine Mathematik, die Geschütz- und Be- werden und als Lesebuch, um die klassischen und die
festigungskunst und die Kriegswissenschaft behandeln. neueren deutschen Schriftsteller kennenzulernen.
HAB Wolfenbüttel StB Tri er

Mayer, Andreas Christian: Mathematiker und Physi- Meil, Johann Heinrich (1729-1803): Kupferstecher,
ker in Augsburg. Medailleur, Zeichner, Maler und Bildhauer. Siehe
Sp.l234
563 Kurze und deutliche Anleitung zum Feldmeßen
für die Jugend. Mit Sechs Kupfertafeln von Andreas 566 Unterricht im Zeichnen für Kinder. Von J[ohann]
Christian Mayer. - Nürnberg: Weigel und Schneider H[einrich] Meil, sen.- Berlin: Kunze 1789. 28 S. mit I
1782. 63 S., 2 ungez. S. 8° Kupferill. i. T., 12 Kupfertaf. 8°
Die Kupfer befinden sich auf Faltblättern und zeigen Kurze Einfohrung in die Zeichenkunst for Kinder; lehrt
geometrische Figuren. die richtige Darstellung des menschlichen Körpers in
Anlehnung an Hogarths Analysis of Beauty. - Ausfohr-
Kurzer Auszug aus der praktischen Geometrie, Lehr- liche Beschreibung siehe Sp. 1167
buch der Landvermessung for den häuslichen und
Schulgebrauch; enthält Abschnitte zu den flachen geo- StB Trier
metrischen Figuren, zu den Meßinstrumenten, zur Be-
rechnung der Flächen und deren Teilung in Dreiecke so- Meinecke, Johann Heinrich Friedrich ( 17 45-1825):
wie zum Kopieren und zur Verkleinerung der Risse; Schulrektor und Prediger in Quedlinburg.
mehrere Abschnitte in Form von Aufgaben mit anschlie-
ßenden Lösungen; mit erläuternden Kupfern im An- 567 Drey Bücher Fabeln für allerley Leser. Von
hang. J[ohann] H[einrich] F[riedrich] M[einecke]. - Berlin:
Staats- u. StB Augsburg Pauli 1779.72 ungez. BI. kl. 8°
Gestochene Titelvignette, signiert mit »St.«
Mayer, Johann (1697-1750): Prediger in Nümberg. Fabelsammlung in drei Büchern, die jeweils 30 Prosafa-
beln enthalten; enthält vornehmlich Tierfabeln, nur ver-
564 Catechetischer Unterricht von der Wiederaufrich- einzelt treten Menschen auf; das öftere Erscheinen von
tung und Erneuerung des Tauf-Bundes/ oder kurzer In- »Knaben« und »Kindern« als handelnde Figuren läßt
halt Christlicher Evangelischer Glaubens-Lehren und darauf schließen, daß auch Kinder zu den Adressaten
Lebens-Pflichten in Fragen und Antworten/ welchen gehören; keine Angaben über die Herkunft der Fabeln.
statt eines summarischen Glaubens-Bekäntnisses von
UB d. TU Braunschweig
seinen Unterricht-Kindern, nach vorher erklärten Cate-
chismo und Kinder-Lehre, wann sie das erste mahl zum
heiligen Abendmahl gehen wollen, ablegen lässet, Jo- Meiners, Christoph (1747-1810): Professor der Philo-
hann Mayer/ nebst einem Anhang von alten und neuen sophie in Göttingen.
Tauf-Liedern.- Nürnberg: Bieling 1756. 142 S. 8°
Frontispiz in Kupferstich von und nach G. P. Nussbie- 568 Anweisungen für Jünglinge zum eigenen Arbeiten
gel. besonders zum Lesen, Excerpiren, und Schreiben von
Christoph Meiners. 2. verm. Aufl.- Hannover: Helwing
Handbuch for Konfirmanden; enthält die Grundzüge 1791. 102 S. 8°
der evangelischen Glaubenslehre sowie einen Unterricht
über die christlichen Tugenden und Pflichten in Form ei- Ornamentale Titelvignette
ner katechetischen Unterweisung; es folgen forif Lieder EA 1789 (lt. Ky). - Arbeitsanleitung mit methodischen
zur »täglichen Erneuerung des Tauf-Bundes«, u. a. von Anweisungen fiir die männliche Jugend; laut Vorrede
Joh. Jak. Rambach, sowie ein Anhang mit 86 alten und wurde in die 2.Auflage zusätzlich eine Anweisung zur
neuen Taufliedern, mit »Tauf-Seufzern« aus Liedern Lektüre der antiken Schriftsteller aufgenommen.
und »Tauf-Seufzern ohne Lieder«.
Päd. Zentralbücherei NRW Dortmund; HAB Wolfen-
StB Nürnberg büttel
1445 Bibliographie 1446

Meißner, August Gottlieb ( 17 52-1807): Schriftsteller, fiir die »Landjugend« im Alter von sieben bis fiinfzehn
Universitätsprofessor und Gymnasialdirektor. Siehe Jahren sowie fiir I'farrer, Katecheten, Schullehrer und
Sp. 1235 Eltern zum Katechisieren;jeweils Dreiteilung der einzel-
nen Abschnitte: Erklärung, Wiederholung und Erzäh-
569 Aesopische Fabeln für die Jugend. Nach verschie- lung mit »Beschluß« zur Anwendung und Gebet. Bd 1
denen Dichtem gesamlet und bearbeitet von A[ugust] umfaßt die Lehre von der natürlichen Religion nach der
G[ottlieb] Meißner.- Prag und Leipzig: von Schönfeld- Lehrart J.M.Sailers (1751-1832) sowie einen »Natur-
Meißner 1791. I 0 ungez. BI., 3 32S. 8o katechismus«, Bd2 das Vaterunser, das Glaubensbe-
Sammlung von mehr als 150 antiken und zeitgenössi- kenntnis, den englischen Gruß und den Rosenkranz;
schen europäischen sowie orientalischen Fabeln, die Bd 3 den Dekalog und die fiinf Kirchgebote; Bd 4 die
hauptsächlich im Hinblick auf Faßlichkeit und Nutzen Lehre von den heiligen Sakramenten sowie die Lehren
fiir Kinder auch »zarten Alters« ausgewählt sind. Allen von den Hauptsünden, himmelschreienden undfremden
Fabeln ist eine zusammenfassende Morallehre beigege- Sünden, von den acht Seligkeiten, von den leiblichen
und geistigen Werken der Barmherzigkeit und Ausfiih-
ben, vielen zusätzlich eine exemplifizierende moralische
rungen zu Hölle, Fegefeuer und Himmel.
Beispielgeschichte. Den Schluß des Werkes bilden Pro-
ben kurzer Kindergespräche, in die zur » Versinlichung Diözesan-B. Köln
einer Sittenlehre« Fabeln eingewoben sind. - Ausfiihrli-
che Beschreibung siehe Sp. 418
UB d. TU Braunschweig; StB Mainz Der Mensch in seinen verschiedenen Lagen und Ständen
f'tir die Jugend geschildert. Siehe: Stetten, Paul von.

Meister, Leonard (1741-1811): Pfarrer in Zürich. Mercier, Louis ( 17 40-1814): Professor für Rhetorik am
College de Bordeaux.
570 Leonard Meisters Helvetische Galerie großer
Männer und Thaten für die vaterländische Jugend mit 572 [Louis] Mercier, über die Einsamkeit und ihren
25 Schellenbergischen Vignettes. - Zürich: Bürgkli Einfluß auf Geist und Herz, nach [Johann Georg von]
1786.2 ungez. BI., 184 S. 8° Zimmermann; Ein Buch für die reifere Jugend beyder-
ley Geschlechts. Uebersetzt und mit psychologischen
Gestochene Titelvignette und 24 Vignetten im Text von Reflexionen begleitet von [Kar! Heinrich] Heydenreich.
J. R. Schellenberg. -Leipzig: Weygand 1797.310 S. 8°
Sammlung geschichtlicher Anekdoten aus dem 14., 15. Moralische Abhandlung über die Einsamkeit, die beson-
und 16. Jahrhundert, die ausschließlich die schweizeri- ders an »junge Leute« gerichtet ist. Es handelt sich um
sche Geschichte betreffen; im Anhang werden »Schwei- eine französische Zusammenfassung von Joh. Georg
zerische Gedichte« meist patriotischen Inhalts abge- von Zimmermanns (1 728-1795) vierteiligem Werk Ue-
druckt; hierunter zwei Gedichte über Wilhelm Tell; die ber die Einsamkeit von 1784-1786. Das Werk hat vier
Gedichte stammen von J. J. Altdoiffer, J. M. Aftprung, Kapitel und behandelt die allgemeinen Vorteile der Ein-
J. M.Armbruster, F. L. Haller, W. Huber, J. C. Lavater, samkeit, ihre Vorteile »in Beziehung auf unseren Geist«
L. Meister, Jh. Müller von Lucern, F. Nüschler, Veit sowie ihren vorteilhaften Einfluß auf das Herz des Men-
Weber. schen. Der deutsche Übersetzer hat eigene »psychologi-
UB d. TU Braunschweig sche Bemerkungen über die Einsamkeit und ihren Ein-
fluß auf Geistesbildung und Sittlichkeit« hinzugefiigt.
HAB Wolfenbüttel
Menne, Edilbert

571 Leicht faßliche katechetische Reden eines Merke!, Dankegott Immanuel (1765-1798): Hausleh-
Dorfpfarrers an die Landjugend, nach Felbiger, und rer, Privatgelehrter in Dresden.
dem großen Katechismus in k. k. Staaten eingerichtet
von dem Verfasser derneubearbeiteten Predigtentwürfe 573 Erdbeschreibung von Kursachsen und den jezt da-
[d. i. Edilbert Menne]. Bd 1-4. - Augsburg: Doll zu gehörenden Ländern, für die Jugend, von D[anke-
1792/95.8° gott] I[mmanuel] Merke!. Bd4. - Leipzig: Barth 1798.
VI, 250 S. 8°
I. Die natürliche Religion. 1795. LXII S., I ungez. BI.,
404 s. Vierter von 6 Bänden einer Geographie Kursachsens;
2. Die geoffenbarte Religion. Vom Glauben, und der enthält die Beschreibung der Regionen der Stifte Merse-
burg und Naumburg-Zeitz, des Thüringischen Kreises
Hoffnung. 1795. 2 ungez. BI., 532 S.
und div. Grafschaften; im Anhang eine Darstellung des
3. Die geoffenbarte Religion. Von der Liebe. 1792. 2
Münz- und Postwesens; Lehrbuch ohne besondere Ein-
ungez. BI., 496 S.
kleidung. Lt. Kayser erschienen 6Bände von
4. Die geoffenbarte Religion. Von den Sakramenten
und der christlichen Gerechtigkeit. 1795. 2 ungez. 1796-1800.
Bl.,535 s. Dt. StaatsB Berlin
Unsignierte gestochene Titelvignette in Bd 1-4.
siehe: Neuer Kinderfreund.
Umfangreiches Lehrbuch in Form katechetischer Pre-
digten fiir den katholischen Religionsunterricht; gedacht
1447 Bibliographie 1448

Mertens, Hieronymus Andreas ( 1742-1799): Rektor oder Tabellen, welche die Namen aller Regenten, die
des Evangelischen Gymnasiums und Stadtbibliothekar Zeit ihrer Regierung wie auch die merkwürdigsten Um-
in Augsburg. stände enthalten, welche sich während ihrer Regierung
zugetragen haben. [Von Johann Friedrich Michaelis.]
574 Auserlesene kleinere Gedichte aus den besten Zum Nutzen der die vaterländische Geschichte studi-
deutschen Dichtem zur Bildung jugendlicher Herzen renden Jugend herausgegeben von Karl Rudolph Rich-
und des Geschmackes. (Von Hier[onymus] Andr[eas] ter. - Berlin: Langhoff 1796. 24 S. 8 o
Mertens.)- Augsburg: Klett 1772. 10 ungez. BI., 336 S.,
Geschichtliches Tabellenwerk; gibt auf dem linken Sei-
2 ungez. BI. 8°
tenrandjeweils die Jahreszahlen an, denen stichwortar-
Titelvignette, gestochen von J. E. Nilson. tige Erläuterungen gegenüberstehen; zu jedem Regen-
ten werden Daten seines Lebens wie der politischen Ge-
Sammlung von Gedichten und Fabeln; verfaßt in der
schichte gegeben.
Absicht, »den guten Geschmack und das Herz der Ju-
gend zu bilden«; Einteilung in drei Abschnitte »Epische UB d. TU Braunschweig
Gedichte«, >>Didaktische- und andere vermischte Ge-
dichte« und »Lyrische Gedichte«; die Beiträge stammen 579 Belehrung, Beispiel, Ermunterung. Ein Lesebuch
von Geliert, Geßner, Weiße und Uz. für preußische Soldatenschulen von dem Verfasser der
Brandenburgisch-Preußischen Regententafel [d. i. Jo-
Bayer. StaatsB München
hann Friedrich Michaelis]. - Berlin: Dieterich 1798.
XIV, !54 S. 8°
Meyer, Andreas (1742-1807): Fürstlich Brandenburgi- Lesebuchfiir die »Regimentsschulen in Berlin«. Es soll
scher Hofrat in Kulmbach und Postmeister in Juden- neben Rochows fiir die Landkinder gedachten Lesebuch
bach. und neben Ludwigs fiir Bürgerkinder gedachten Bürger-
freund treten. Es will die »f1lichten und Tugenden, wel-
575 Wie soll ein junges Frauenzimmer sich würdig bil- che ein Soldat in seinem Stande auszuüben hat, in lau-
den? Von Andreas Meyer. 4. Aufl.- Erlangen: Walther ter wahren Erzählungen aus der Geschichte unsers Va-
1777. 110 S. 8° terlandes« vortragen, wobei die Beispiele »nicht aus
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. dem Leben großer Helden, sondern vorzüglich aus dem
Leben gemeiner Soldaten entlehnt werden« sollen. Das
Sitten- und Anstandslehre fiir die weibliche Jugend der Werk enthält insgesamt 100 Anekdoten und Beispielge-
gehobenen Stände, will »zum Vergnügen und zur schichten, an die häufig Lehren und Sprichwörter ge-
Glückseligkeit im Ehestande« beitragen; enthält in kur- hängt sind.
zen Abschnitten Regeln zum Verhalten in der Gesell-
schaft und zum Umgang mit dem anderen Geschlecht. HAB Wolfenbütte1
EA lt. Ky 1772.
StB Mönchengladbach Michaelsen, Ludolpb Cbristian (gest. 1789): Kollege
der St. Johannisschule und Kollaborator des geistlichen
576 Dass. 5. Aufl. - Frankfurt und Leipzig 1778. 94 Ministeriums zu Lüneburg.
S.8°
580 Angenehme Beschäftigungen (Samml. 3 : Be-
Titelvignette, gestochen von F. C. Heißig. schäfftigungen) für kleine Kinder zur Bildung des Her-
UB Heide1berg zens und Verstandes, von einem Kinderfreunde
[d. i. Ludolph Christian Michaelsen] gesammlet.
Samml.l-10.- Lüneburg: Lemke 1782-86.8°
Meynier, Jobann Heinrich (1764-1825): Jurist, Lehrer
I. NeueAufl.1782.4. ungez. BI., 136 S.
in Erlangen.
2. Neue Aufl. 1782. 2 ungez. BI., 134 S., I ungez. BI.
3. 1782.7 ungez. BI., 135 S.
577 Deutschland oder der reisende Kaufmann, ein
4. 1782. 6 ungez. BI., 136 S.
lehrreiches geographisches Gesellschaftsspiel. [Von Jo-
5. 1783.4ungez.BI., 136 S.
hann Heinrich Meynier.] Neue verrn.Aufl.- [Nümberg
6. 1783.3 ungez. BI., 138 S.
1803.] 60 Ktn im Schuber, davon 50 gez. und 10 ungez.
7. 1784. 4 ungez. BI., 184 S.
6,7 cm x 10 cm.
8. 1784. 4ungez. BI., 184 S.
Die Karten enthalten geographische Angaben zu den 9. 1784.4 ungez. BI., 180 S.
einzelnen »Kreisen« Deutschlands: Kreislande, Städte, I 0. 1786. 4 ungez. BI., 184 S.
Gewässer, Naturprodukte, Manufakturen und Fabri-
Omamentale Titelvignette in allen Teilen.
ken; hierbei gehören mehrere Karten jeweils zu einem
der »Kreise«. EA lt. Ky 1797. Lt. Vorr. EA der 1. Samml. 1778. - Unterhaltendes Le-
sebuch fiir Kinder, das »das Angenehme mit dem Nütz-
Kinderbuchsamml. Dr. Strobach, Sielefeld
lichen auf das genaueste und faßlichste« verbunden ha-
be; gedacht als »Anweisung« zu Frömmigkeit und Tu-
gend; enthält Gedichte, Gebete, Lieder, Fabeln, Bei-
Michaelis, Johann Friedricb (1762-1810): Schullehrer
spie/geschichten und Unterredungen.
und Rechenmeister in Cölln (Berlin), später Vorsteher
des Seminars zu Prenzlow. Bayer. StaatsB München

578 Brandenburgisch-Preußische Regenten-Tafel,


1449 Bibliographie 1450

Die Milchschwestem. Siehe: Weiße, Christian Felix. Die Erzählungen werden ;;deutlich und mit untermisch-
ten Erklärungen nach dem Grundtexte« in Anlehnung
an Hübners Zweymal zwey und funfzig auserlesene Bi-
Miller, Johann Martin ( 17 50-ISI4): Gymnasialprofes- blische Historien . . . vorgetragen. - AusfUhrliehe Be-
sor und geistlicher Rat in Ulm. schreibung siehe Sp. 681
Württemberg. LB Stuttgart; HAB Wolfenbüttel
581 Geschichte Karls von Burgheim und Emiliens von
Rosenau. In Briefen. (Von Johann Martin Miller.) Mit
Kupfern. Bd 1-4.- Leipzig: Weygand 177S/79. so 584 Johann Peter Millers Historischmoralische Schil-
derungen zur Bildung eines edlen Herzens in der Ju-
I. 177S. 4SS S., I Kupfertaf. gend. Th. 1-5.- Helmstädt: Weygand 1753-63. so
2. 177S.5ISS.,1Kupfertaf.
3. 1779.2 ungez. BI., 516 S., I Kupfertaf. I. 1753. 12 ungez. BI., 592 S., 27 ungez. BI.
4. 1779. SOO S., I Kupfertaf. 2. 1754. 2S ungez. Bl.,256, 374 S., 9 ungez. BI.
3. 1759.30 S., l ungez. BI., S62 S., 13 ungez. BI.
In Bd I Titelvignette von J. W. Meil nach D. Chodo- 4. Anhang.l763.16ungez.Bl.,416 S.
wiecki und Kupfertafel von C. G. Geyser nach Chodo- 5. Zweyter Anhang. 1763. LXIV, 2S5 S., I ungez. S.
wiecki; in Bd 2 Titelvignette und Kupfertafel von Gey- [Nebent. :] Miller: Anweisung zur Wohlredenheit
ser nach Chodowiecki; in Bd 3 Titelvignette und Kup- nach den auserlesensten Mustern Französischer
fertafel von Geysernach Chodowiecki; in Bd 4 Titelvig- Redner.
nette und Kupfertafel als Frontispiz von Geyser nach
Chodowiecki. In Th. 2-5 Titelvignette, gestochen von J. M. Bemige-
roth 1752 (Th. 2) und 1756 (Th. 3-5); omamentale Titel-
Briefromanfor die männliche und weibliche Jugend; ge- vignette auf dem Nebentitelblatt von Th. 5.
dacht als Gegenstück zu den empfindsamen Romanen;
will vor »Sittenlosigkeit« warnen und »Liebe zu Gott Moralisch und sachlich belehrendes Werk for die Ju-
und zur Tugend« erwecken. Hauptabsicht des Veif. ist gend; T.1. und 2. gehen nach der sokratischen Methode
es, den Lesern die »Lehre von der sich aufjegliches Ge- vor, indem sie den Stoff in ein Gespräch von Zöglingen
schöpf erstreckenden genauesten Vorsehung« einzuprä- mit ihrem Hofmeister einkleiden; T. 3 bietet ihn in Ab-
gen. Der Roman soll »mehr unterrichten, als blos durch handlungen, z. T. auch in Briefform dar. - AusfUhrliehe
Erzählung unterhalten«. Er umfaßt 145 Briefe, die sich Beschreibung siehe Sp. 481
über den Zeitraum von 1771 bis 1777 erstrecken. HAB Wolfenbüttel (Th.l.3); HauptB Franck-Stiftung,
Hauptthema ist die Entwicklung des Kar/ von Burgheim Halle (Th. 2.4.5)
von einem leichtsinnigen jungen Mann zu einem ernst- 585 Dass. u. d. T.: Historisch-Moralische Schilderun-
und tugendhaften Menschen. gen ... 3. Aufl. (Th. I: 3. verm. und verb. Aufl.) Th. 1.2.
UStB Köln; Freies Dt. Hochstift Frankfurt -Frankfurt und Leipzig 1756. so
I. 14 ungez. BI., 5S6 S., 5 ungez. BI.
582 Briefwechsel zwischen einem Vater und seinem 2. 20ungez. BI., 57S S., 7ungez. BI.
Sohn auf der Akademie. Allen rechtschaffenen Vätern,
und ihren studierenden Söhnen gewidmet von dem Her- Unsignierte gestochene Titelvignette in Th. l und 2; Ti-
ausgeber des Briefwechsels dreyer akademischer telblatt von Th. I in Rot-Schwarz-Druck.
Freunde (d.i.Joh[ann] Martin Miller). Th.l.- Ulm: UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Wohler 1785. 5 ungez. BI., 1013 S., I ungez. S. so
Omamentale Titelvignette 586 Dass. 2. rechtmäßige und verb. Aufl. Th. 3.- Helm-
Väterlicher Rat an einen Sohn, der in das akademische städt: Weygand 1763. ISS., 2 ungez. BI., S6S S., 6 un-
Leben eintritt, eingekleidet in die Form eines Briefwech- gez. BI. so
sels zwischen Vater und Sohn; zur »Belehnmg junger Titelvignette, gestochen von Bemigeroth und Frontispiz
angehender Akademiker, besonders aus der theologi- von J. F. Bause nach B. Picard.
schen . .. Fakultät«; um die Belehrung »anziehender«
zu gestalten, ist ;;Handlung und Geschichte« eingebaut; UB Düsseldorf
Lt. Kayser erschienen 2 Teile.
UBBonn 587 Dass. 3. rechtmäßige, verb. und mit Kupfern verse-
hene Aufl. Th. 1.2.- Helmstädt: Weygand 1761163. so
I. 1761. 15 ungez. Bl.,67S S., 6ungez. BI., S Kupfertaf.
Miller, Johann Peter (1725-17S9): Pädagoge. Siehe 2. 1763. 15 ungez. BI., 725 S., II ungez. S., 6 Kupfertaf.
Sp. 1235
Frontispiz in Th. I und 2, gestochen von Bause (Th. l :
583 Johann Peter Millers erbauliche Erzählungen der 1761, Th. 2: 1767), in Th. 2 nach M. G. Eichler; in Th. I
vornehmsten biblischen Geschichten zur Erweckung ei- omamentale Titelvignette, in Th. 2 Titelvignette von
nes lebendigen Glaubens und der wahren Gottseligkeit Bernigeroth, 1756 gestochen; in Th. I 3 Kupfervon und
- Helmstädt: Auf Kosten des Waysenhauses und Wey- nach Bause, 2 sind von ihm nur gestochen; 2 Kupfer
gand in Comm. 1753. 4ungez. BI., IS7 S.,4ungez. S. so sind von Bernigeroth nach Eiehier gestochen; in Th. 2
sind 2 Kupfertafeln von Bause gestochen, 2 von Bemi-
Omamentale Titelvignette geroth und I von G. A. Gründ! er.
Historienbibelfor Kinder; enthält 41 biblische Erzählun- HauptB Franck-Stiftung, Halle (Th.2.); Samml. Theo-
gen aus dem Alten und 46 aus dem Neuen Testament. dor Brüggemann, Köln (Th.l)
1451 Bibliographie 1452

588 Dass. 2. rechtmäßige, sehr verb. Ausg. Th. 4.- Hal- Erzählungen und Gesprächen Briefe, ein Lied sowie das
leund Helmstädt: Weygand 1767. 8,488S. 8° Lustspiel Die Rosenköniginn von Salency in geringfügi-
ger Bearbeitung des gleichnamigen Stückes der Mme.
Titelvignette in Kupferstich von Schleuen.
de Genlis. Die meisten Lesestoffe sind anderen zeitge-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. nössischen Werken entlehnt.
Murhardsche B. d. Stadt Kassel und LB Kassel
589 Dass. [Th. 5] u. d. T.: Johann Peter Millers Anwei-
sung zur Wohlredenheit nach dem auserlesensten Mu-
stern Französischer Redner. 2. verb. und verm. Aufl -
Moissy, Alexandre Guilleaume Mouslier de ( 1712 -
Leipzig und Göttingen: Weygand 1767. LXIV, 280 1777): Französischer Schriftsteller. Siehe Sp. 1235
S.8°
Titelvignette von Schleuen. 594 Spiele der Kleinen Thalia. Oder: Neue kleine dra-
matische Stücke über Sprüchwörter, zu Bildung der Sit-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
ten der Kinder und jungen Leute von fünf bis zwanzig
Jahren. Aus dem französischen des [Aiexandre Guille-
590 Dass. Th.2-4.- Schafhausen: Altorfer 1779.8° aume Mouslier] von Mois[s]y übersetzt.- Berlin: Hirn-
2. 32,982 S., 6 ungez. BI. burg 1770. XIV, 319 S. 8°
3. 1024 S., 8 ungez. BI.
Ornamentale Titelvignette; Frontispiz in Kupferstich,
4. 5 ungez. Bl., 724 S.
nach F. Eisen von C. L. Crusius gestochen.
Ornamentale Titelvignette in allen Teilen.
Sammlung dramatisierter Sprichwörter mit moralisch-
Samml. Theodor Brüggemann, Köln belehrendem Inhalt, in denen Kinder und Jugendliche
aus bürgerlichem und adeligem Milieu im Mittelpunkt
der Handlung stehen. Die kleinen Dramen sind nach
Miller, Johann Peter (1705-1781): Rektor am Gymna- Altersstufen aufgebaut. -Ausführliche Beschreibung sie-
sium in Ulm und Vorsteher der Stadtbibliothek. he Sp./02
UB Berlin
591 Handbuch zu gemeinnützlicher Bildung und Un-
terweisung der Jugend in öffentlichen Schulen von Jo-
hann Peter Miller.- Ulm: Stettin 1773. XX, 712 S., 17 Moldenhawer, Johann Heinrich Daniel (1709-1790):
ungez. BI., 4 Faltbl. 8° A. o. Professor der Theologie in Königsberg, ab 1765
Ornamentale Titelvignette Pastor und Leetor secundus am Dom zu Hamburg.

Enzyklopädisches Lehrbuch; enthält Abschnitte über 595 Einleitung in die Alterthümer der Egyptier, Juden,
Sprachlehre, Rechenkunst, Naturgeschichte und Astro- Griechen u. Römer, entworfen von Joh[ann] Heinrich
nomie; Schullehrbuch ohne besondere Einkleidung. Daniel Moldenhawer. Zum Gebrauch der Schulen im
Päd. Zentralbücherei NRW Dortmund Königreich Preussen. - Königsberg und Leipzig: Har-
tung 1754. 2 ungez. BI., 696 S., 18 ungez. BI. 8°
Ornamentale Titelvignette
Das Mitgefühl Geschichtliches Lehrbuch über die Antike für den Schul-
gebrauch in Paragraphenform. Beschrieben werden Ge-
592 Das Mitgefühl, eine Familienscene. - Lüneburg: sellschaft und Kultur der .~fgypter, Juden, Griechen und
Lemke 1784. 68 S. 8° Römer unter Nennung der jeweiligen Quellen. Ein An-
Ornamentale Titelvignette hang gibt eine Beschreibung des Persischen Reiches.
Über die Ägypter, Juden und Griechen sei deshalb ge-
Kinderschauspiel in elf Auftritten; die Hauptpersonen- handelt worden, »weil der Jugend einige Kenntnis auch
drei Knaben und ein Mädchen - sind im Alter von dieser Alterthümer zum Verstande der H. Schrift und
10-14 Jahren und seien Abbildungen tatsächlich leben- der griechischen Skribenten unumgänglich nöthig ist«.
der Kinder, für die der Veifasser diesen »Dialog« ange-
fertigt habe; will dazu beitragen, Kinder »zu recht guten HAB Wolfenbüttel
nützlichen Menschen zu bilden«.
Nieders. LB Hannover Monatsschrift für Kinder

596 Monatsschrift für Kinder. (Von Christian Gott-


Mörschel, Daniel Ernst (1751-1798): Oberprediger im fried Schubart.) Bändgen [1.]2.- Budißin: Drachstedt
Magdeburgischen. (Bändgen 2: Winkler) 1770171. 8°
[1.] 1770. Julius-December. Nachtrag 1-6.2 ungez. Bl.,
593 Lesebuch für Kinder aus dem Bürgerstand zur Be-
192 S., 4 ungez. Bl.
fördrung lauter Gesinnungen und nützlicher Kenntnis-
2. 1771. Jenner-Julius. 110 S. [offensichtlich unvoll-
se bei denselben, von D[aniel] E[rnst] Mörschel. Bd 1.-
Berlin: Buchhandl. der Realschule 1784. XX, 211 S. 8 o ständig]

Erster und lt. Kayser einziger Band eines auf mehrere Ornamentale Titelvignetten in beiden Teilen.
Bände geplanten Lesebuchs für Bürgerschulen; zielt ab Zeitschrift für Kinder, »die sowohl der reiche Vater ne-
auf die »Herzens- und Sittenverbeßrung«; enthält neben ben andem Büchern, als auch der Arme kaufen« könne;
1453 Bibliographie 1454

wendet sich an Kinder von 5-13 Jahren, die aus den sung in der Wirthschaft«; enthält in kurzen Abschnitten
Beiträgen der Schrift »Gott, sich und ihren Nächsten er- Kochrezepte, Anweisungen zur Haushaltsfohrung und
kennen lernen« sollen, »aus dieser Erkenntnis ihr Leben zur Krankenpflege.
einrichten- Kurz! Gott und der Welt nützlich werden«.
HAB Wolfenbüttel
UBJena
600 Dass. Neue rechtmäßige verb. und verm. Aufl.
Bd 1. Mit einer Kupfertaf.- Ebd. 1795. Xliii, 60S S. so
Moral in Beyspielen f"ür Frauenzimmer edler Erzie- [Nebent.:] Magdeburgsches Kochbuch für angehende
hung. Siehe: Lehotzky, Martin. Hausmütter, Haushälterinnen und Köchinnen. Nebst
einer Unterweisung in andem zu einer guten Haushal-
tung gehörigen Wissenschaften.
Moralische Erzählungen
Erster Teil eines dreibändigen Werkes zur Hauswirt-
schafts/ehre for junge Mädchen; enthält Ratschläge im
597 Moralische Erzählungen für die Jugend. Ein Wo-
Umgang mit dem Personal und 965 »Regeln« zur Spei-
chenblatt. Von [Gottlob] Timotheus [Michael] Kühl. -
senzubereitung, Haushaltsfohrung und Krankenpflege.
Lübeck: Donatius 17S3. 7 ungez. BI., 400 S. so
Vgl.: Unterricht für ein junges Frauenzimmer ... 1782;
Wochenzeitschrift for die Jugend »beyderley Ge- Neue rechtmäßige verb. u. verm. Aufl. 1788.
schlechts«; enthält moralische Erzählungen - z. T. in
HAB Wolfenbüttel
Fortsetzungen - in denen vornehmlich Beispiele guten
und schlechten Lebenswandels und seiner Folgen darge-
boten werden, häufig unterbrochen von Gesprächen zwi- 601 Lehren und Erfahrungen für junges Frauenzimmer
schen Erzähler und Zuhörern, Sacherklärungen und von der Verfasserin der Abendbetrachtungen und
moralischen Belehrungen. Abendgedanken eines Frauenzimmers, auch des Unter-
richts in der Küche und Haushaltung [d. i. Johanna Ka-
StB Lübeck tharina Morgenstern]. Th.l-3.- Halle: Tramper 17S6.
so
Moralischer Unterricht in Spruchwörtern I. XXIV, 1S4 S., I ungez. BI.
2. IS6 S., I ungez. BI.
598 Moralischer Unterricht in Sprüchwörtem, durch 3. XXXII, 374 S., 1 ungez. BI.
Beyspiele und Erzählungen erläutert für die Jugend. Titelvignette in Kupferstich von G. A. Liebe in Th. 1 und
Nebst einer Vorrede von Johann Rudolph Beyer.- Er- 2; omamentale Titelvignette in Th. 3.
furt: Keyser 1789. XIV S., 1 ungez. BI., 20S S. so
Dreiteiliges Werk zur moralischen und praktischen Bil-
Omamentale Titelvignette dung von Töchtern aus dem gehobenen Bürgertum. Der
Sammlung moralischer Beispielgeschichten zur Erläute- erste Teil enthält eine Sittenlehre in Briefform unter be-
rung der bekanntesten Sprichwörter. Sprichwörter seien sonderer Betonung der ehelichen f1lichten einer Frau.
»ein wirksames und zweckmäßiges Mittel zur Belehrung Der zweite Teil urnfaßt Briefe über Kindererziehung in
und Bildung der Jugend«, den» Beytrag von lehrreichen der Form eines freundschaftlichen Rates sowie Gesprä-
Erzählungen« sollen Kinder »zur Belehrung for sich, che einer Mutter mit ihren Kindern in einem Ton, den
und zur Unterhaltungbey ihren Spielen gebrauchen«. die Verfasserin for notwendig erachtet, um Kindern
>>faßlich etwas vorzutragen und sie angenehm zu unter-
Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel halten«. Der dritte Teilliefert »Vorschriften und Anwei-
sungen in wirtschaftlichen Kenntnissen«.
Nieders. LB Hannover
Moralisches Neu-Jahrs-Geschenk. Siehe: Lavater, Jo-
hann Caspar.
602 Lesebuch für angehende weibliche Dienstboten.
Von derVerfasserindes Unterrichts in der Küche und
Morgenstern, Johanna Katharina (174S-1796): Verfas- Haushaltung [d. i. Johanna Katharina Morgenstern].
serin vornehmlich praktisch ausgerichteter Mädchen- Th. 1.2.- Halle: Hemmerde und Schwetschke 17S9/90.
so
schriften.
I. 1789. 5 ungez. BI., 70 S.
Unterricht für einjunges Frauenzimmer, 17S2 2. Miteiner KupfertafeL 1790.3 ungez. 81.,310 S.
Omamentale Titelvignette in beiden Teilen; die Kupfer-
599 Unterricht für ein junges Frauenzimmer, das Kü- tafel ist unsigniert und erläutert verschiedene Nähsti-
che und Haushaltung selbst besorgen will, aus eigener che.
Erfahrung ertheilt von einer Hausmutter [d.i. Johanna
Lehrbuch zur Hauswirtschaftskunde for »Töchter des
Katharina Morgenstern]. Mit einem Kupfer. Neue
rechtmäßige verb. und verm. Aufl. - Magdeburg: niedem Standes«; gedacht zum Gebrauch in der Volks-
Creutz 17SS. S ungez. BI., 631 S. so schule, um die Schülerinnen auf ihre künftige Bestim-
mung als Dienstboten vorzubereiten; T.l vermittelt all-
Omamentale Titelvignette; die Kupfertafel ist unsi- gemeine Regeln zu f1lichten gegenüber sich selbst und
gniert. der Herrschaft, T. 2 umfaßt die konkreten f1lichten ei-
Kochbuch und Hauswirtschaftslehre for junge Mädchen nes Dienstboten, z. B. als Kinderwärterin oder Köchin.
aus dem gehobenen Bürgertum; gedacht als » Unterwei- Sächs. LB Dresden
1455 Bibliographie 1456

Moritz, Carl Philipp (I 7 56- I 793): Schriftsteller, Leh- natürliche Anleitung zum Denken für Kinder enthält. -
rer, Professor der Theorie der schönen Künste an der Berlin: Schöne I 792. 62 S. 8°
Akademie der Künste in Berlin. Siehe Sp. 1236
Frontispiz in Kupferstich mit nicht verifizierbarer Sig-
603 Unterhaltungen mit meinen Schülern. Von Carl natur.
Philipp Moritz. Bdch. I. - Berlin: Spener I 780. XII, Lesebuch zur Fortsetzung der Leseübungen; enthält Er-
248 S. 8° zählungen, Fabeln, Betrachtungen; fiir Kinder, die
Ornamentale Titelvignette schon lesen können.

Sammlung leh"eicher Unterhaltungen auf Spaziergän- Leop.-Soph.-B. Überlingen


gen; will den Kindem »den Weg zu Glückseligkeit zei-
gen«, sie zu Reiß, Aufmerksamkeit, Gehorsam, gefälli- 610 Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für
gem und gütigem Betragen, zur Ordnung und vor allem Schulen, von Kar! Philipp Moritz. Nach dessen Tode
zum Glauben an Gott anhalten und auf diese Weise fortgesetzt von Valentin Heinrich Schmidt. Mit dem
»gute Gedanken und gute Vorsätze in euren Herzen zu Bildnisse des verstorbenen Moritz. - Berlin: Schöne
erwecken suchen, die so stark wären, daß ihr dieselben 1794. XIV, 488 S., I ungez. BI. 8°
gleich, oder doch bei der ersten Gelegenheit, in Aus- [Zwischent. :] Mo ritz: Mythologisches Wörterbuch zum
übung brächtet«. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Gebrauch für Schulen. I 793.
Sp.895 Gestochenes Frontispiz, signiert mit »J. D. H.«
UB Berlin Nachschlagewerk zur Mythologie, gedacht fiir den
Schulunterricht als Verständnishilfe beim Studium der
604 Dass. u. d. T.: Kar! Philipp Moritz. Unterhaltun- antiken Schriften; enthält in alphabetischer Folge Göt-
gen mit seinen Schülern. 2. Aufl.- Berlin: Wever 1783. ter, Halbgötter und Heroen, »sobald ihrer in den auf
X,220 S. 8° Schulen gelesenen Schriften des Alterthums gedacht
Gestochenes Frontispiz mit nicht verifizierbarer Signa- wird«.
tur. UB Münster; Freies Dt. Hochstift Frankfurt
VB Leipzig

605 Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik Moritz und Auguste oder die Kleinen, wie sie seyn soll-
welche auch zum Theil für Kinder und Denker geschrie- ten. Siehe: Voigt, Christian Friedrich Traugott
ben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz. Mit
sieben Kupfertafeln von Dan[iel] Chodowiecky. - Ber-
lin: Mylius 1786.2 ungez. BI., !56 S. 8°
Moser, Friedrich Karl Freiherr von (1723-1798): I.
Die Kupfer befinden sich auf Faltblättern. Staatsminister, Präsident sämtlicher Landeskollegien
Einfiihrung in philosophisches Denken; geht mit der Be- und Kanzler in Darmstadt, nach I 780 privatisierend.
trachtung von Kupfertafeln aus; behandelt Fragen der
Sprachlehre, der Logik, der Erkenntnistheorie, der Leh- 611 Der Hof in Fabeln. [Von Friedrich Kar! Freiherr
re von Gott, dem Menschen und der Gesellschaft und von Moser.]- Leipzig I 762. 6 ungez. BI., I 08 S. 8°
berührt Gegenstände der Ästhetik und Poetik; zugleich Sammlung von 50 in Prosa verfaßten Fabeln, die inhalt-
als philosophischer Beitrag gedacht, der die »Prüfung lich in engem Zusammenhang miteinander stehen; aus-
der Denker« erfahren soll. - Ausfiihrliche Beschreibung schließliche Thematik ist das Leben am Hofe, hier sym-
siehe Sp. 1130 bolisiert durch den HofStaat des Löwen.
UB Heidelberg UB d. TU Braunschweig
606 Dass. 2. Aufl.- Ebd. 1793.
StB Mainz Moustier, Charles-Aibert de (1760-1801): Französi-
scher Theaterdichter.
607 Neues A. B. C. Buch welches zugleich eine Anlei-
tung zum Denken für Kinder enthält mit Kupfern von 612 Briefe an Emilien über die Mythologie, nach dem
Kar! Philipp Moritz. - Berlin: Schöne I 790. 35 S., 9 Französischen des Herrn [Charles-Albert] von Mou-
Kupfertaf. 8° stier. Mit Kupfern. Th. 1-6.- Mannheim: Schwan und
Kupfertafeln von und nach P. Haas. Götz 1799/1800. kl. 8°
ABC-Buch und Fibel; die Lesestücke sind zugleich als I. 1799. 141 s.
Denkübungen gedacht. - Ausfiihrliche Beschreibung sie- 2. 1799. 135 S., I ungez. S.
he Sp.895 3. 1799.118 s.
4. 1799.120S.
Bad. LB Karlsruhe 5. 1800. 128 s.
6. 1800. 134 s.
608 Dass. 2. Aufl.- Ebd. I 794.
Frontispiz in Th. 1-5 gestochen von A. Karcher, in Th. 6
HAB Wolfenbüttel
von Siegrist.
609 Lesebuch für Kinder von K[ arl] P[hilipp] Mo ritz als Es handelt sich um »Briefe von einem verliebten Lehrer
ein Pendant zu dessen ABC Buch, welches zugleich eine an seine junge Schülerin«, in denen er dem mythologi-
1457 Bibliographie 1458

sehen Stoff, der bisher überwiegend nur in Wörterbü- Jugend; Burgheim führe die Gespräche in der Absicht,
chern zu finden war, eine »angenehme Einkleidung« ge- seine Kinder »über die merkwürdigsten Naturbegeben-
ben wollte. Die französische Originalausgabe erschien heiten, die wichtigsten Erfindungen, Künste und Fabri-
1786. ken, und über wichtige Verhältnisse des Lebens an-
schauend zu belehren«, wobei bei der Behandlung des
Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel
Stoffes »Faßlichkeit, Gründlichkeit und Nützlichkeit«
sein Ziel gewesen sei.
Müchler, Johann Georg Philipp (1724-1819): Pädago- Staatl. B. Regensburg
ge und Theologe.

613 Das goldene Büchelchen für Kinder von drei bis Mursinna, Friedrich Samuel (1717-1795) Hauslehrer
sechs Jahren. Von J(ohann) G(eorge [Philipp]) M(üch- und Professor der Theologie in Halle.
ler). Mit einem Kupfer. - Königsberg: Goebbels und
Unzer 1799.117 S. 8° 616 Leben und Charaktere berühmter und edler im
Jahr 1790 verstorbener Männer. Eine Beispielsamm-
Frontispiz nach C. J. W. C. J. Freiherr Hallervon Haller- lung zur rühmlichsten Nachahmung für junge Leute.
stein, der Stecher hat mit )) Me« signiert. [Von Friedrich Samuel Mursinna.] - Halle: Dost in
Sammlung von zwei längeren französischen Feenmär- Comm. 1792.3 ungez. BI., 154 S. 8°
chen sowie sechs kurzen moralischen Beispielgeschich- Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
ten; zum Vorlesen und eigenen Lesenfür kleine Kinder.
Sammlung von 24 Biographien bedeutender, im Jahre
StUß Frankfurt 1790 verstorbener Persönlichkeiten, »welche ein ent-
scheidendes Verdienst um die Staatsverwaltung oder
Gelehrsamkeit hatten«, u. a. Josephs li., Benjamin
Müller, Wilhelm Christian ( 17 52-1831): Pädagoge. Frank/ins und Johann Bernhard Basedows. Das Werk
will den »empjindungsvollen« jungen Mann »mit En-
siehe: Der Jugendbeobachter. thusiasmus beseelen, und ihn aufmuntern, einem sol-
chen großen Beispiele zu folgen«. Die Schrift bildet den
zweiten Teil von Mursinnas Uebersicht der merkwür-
Mundt, Georg Wilhelm: Feldprediger des Preußischen digsten Weltbegebenheiten vom Jahr 1790 (Halle
Dragonerregiments von lrwing. 1791).
Nieders. Staats- und UB Göttingen
614 Burgheim unter seinen Kindern. Neue Gespräche
und Erzählungen für Kinder von acht bis vierzehn
(Samml. 2.3: sechszehn) Jahren über Natur und
Musäus, Johann Carl August (1735-1787): Pädagoge
Menschenleben. Von G[eorg] W[ilhelm] Mundt.
und Schriftsteller. Siehe Sp. 1236
Samml. 1-3. Halle: Waisenhaus-Buchhandl.
1798-1801. 8°
617 Moralische Kinderklapper für Kinder und Nicht-
1. 1798. VIII, 256 S. kinder. Nach dem Französischen des Herrn Monget,
2. 1799.XII,304 S. von J[ohann] C[arl August] Musäus.- Gotha: Ettinger
3. NebsteinemNotenbl.l80l.XIV,384 S. 1788. VIII, 111 S., 1 ungez. S. 8°
Naturkundliches Lesebuch, das »auf eine leichte Art Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
mancherlei nützliche Kenntnisse der Natur und Kunst«
Sammlung moralischer Beispielerzählungen in Prosa
vermitteln möchte; wendet sich an »unsere gebildeten
und Versen für Kinder und Erwachsene; behandelt in
Söhne und Töchter« im Alter von 8-16 Jahren; einge-
sehr freier Bearbeitung der französischen Vorlage Tu-
bettet in Gespräche im Kreise einer Pfa"ersfamilie wer-
genden und Untugenden aus dem kindlichen Lebensbe-
den vornehmlich naturkundliche, jedoch auch morali-
reich.- Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 379
sche Themen abgehandelt.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen; Murhardsche B. d.
Staats- u. StB Augsburg (Samml. I); UB Oldenburg
Stadt Kassel u. LB Kassel
(Samml. 1.2); Staatl. B. Regensburg (Samml. 2.3)
618 Dass. Neue Aufl. - Ebd. 1794. VIII, 132 S. mit 15
615 Vater Burgheims Reisen mit seinen Kindem und
Kupferill. i. T. 8°
Erzählungen von seinen ehemaligen Reisen, zur Kennt-
niß der Natur, der Kunst und des Menschenlebens. Ein Titelvignette und weitere Illustrationen nach J. D. Schu-
nützliches Unterhaltungsbuch für die Jugend. Von bert von C. G. Geyser gestochen.
G[eorg] W[ilhelm] Mundt. Samml. 1.2, Abth. I.- Halle:
UBBonn
Waisenhaus-Buchhandl. 1801/04. 8°
l. 1801. MitfünfKupfem. VIII.420 S.
2. Eine Reise durch Schlesien enthaltend. Abth. I. Mutschelle, Sebastian ( 1749-1800): Professor der
1804.IV,328 S. Theologie in München, Privaterzieher.
Unsignierte Titelvignette und 4 Kupfertafeln auf Falt-
619 Unterredungen eines Vaters mit seinen Söhnen
blättern, davon sind 2 von G. A. Liebe gestochen.
über die ersten Grundwahrheiten der christlichen Reli-
Reisebeschreibungen zur nützlichen Unterhaltung der gion. Den Kleinen und ihren Lehrern gewidmet von Se-
1459 Bibliographie 1460

bastian Mutschelle.- München: Lindauer 1791.3 un- Erster Band einer moralischen Wochenschrift ./Ur Kin-
gez. BI., 207 S. 8° der, die sich als eine Fortsetzung des Berlinischen Kin-
derfreundes ausgibt und deren Verfasser mit »L.C.«
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
zeichnet. Der Band enthält die ersten 26 datierten wö-
Religiöses Lese- und Lehrbuch .for katholische Gläubi- chentlichen Lieferungen, die im Zeitraum vom 16.4. bis
ge, die in den »vornehmsten Grundwahrheiten des Chri- 8.10.1796 erschienen sind; enthält Gedichte, Fabeln,
stenthums« noch nicht systematisch unterwiesen sind, Rätsel, Charaden, Erzählungen, Mitteilungen aus der
vor allem .for Kinder gedacht; eingekleidet in neun Ge- Naturgeschichte, geographische Beschreibungen und
spräche eines Vaters mit seinen beiden Söhnen; entwik- Sittenregeln. Zum Abdruck kommen zudem ein Feen-
kelt die Lehre von der natürlichen Religion im Sinne der märchen (S. 43 jJ) und das Märchen »Das weiße Täub-
Populärphilosophie und geht in den letzten beiden Un- chen«, das aus der Sammlung Chr. W. Guenthers Kin-
terredungen auf das Leben und die Lehre Jesu ein; ver- dermährehen aus mündlichen Erzählungen gesammelt
zichtet auf die Darlegung der wesentlichen katholischen (I 787) entnommen ist. Außerdem sind zwei Beispielge-
Dogmen. schichten von Kar/ Philipp Moritz aufgenommen: die
Geschichte von Alwil und vom Kaufmann Willich, die
Bischöfl. SeminarS Eichstätt
erstmals in den Unterhaltungen mit seinen Schülern
(I 780) erschienen sind.
620 Christkatholischer Unterricht. Wie man gut, und
selig werden könne. Von Sebastian Mutschelle.- Frey- Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
sing: Normalschule 1792. 4 ungez. BI., 211 S. I ungez.
S.8°
Religionsunterrichtliches Lehrbuch, »kleines Handbuch Neue Bilder Gallerie
der Religion«; bestimmt zur Belehrung von Jugendli-
chen durch Eltern, Erzieher und Lehrer, vor allem zur 623 Neue Bilder Gallerie für junge Söhne und Töchter
Wiederholung des in Schule und Kirche Gelernten ge- zur angenehmen und nützlichen Selbstbeschäftigung
dacht; enthält neben einer Einleitung zur Glückseligkeit aus dem Reiche der Natur, Kunst, Sitten und des gemei-
drei Hauptstücke zum Glauben, zur Hoffnung und zur nen Lebens. Bd [1]-15.- Berlin: Oemigcke (Bd7-14:
Liebe. Oemigke - Bd 15: Neue Societäts-Verl.-Buchhandl.)
Bischöfl. SeminarS Eichstätt 1794-1812.8°
[I.] Mit 151 Abb. (auf28 kolor. Kupfertaf.) 1794. 6 un-
gez. BI., 468 S.
Mythologisches Lesebuch für die Jugend. Siehe: Schep- 2. Mit 146 Abb. (auf 20 kolor. Kupfertaf.) 1795. 9 un-
pach, Georg August. gez. BI., 318 S., 2 ungez. BI.
3. Mit 150Abb. (134gezählteAbb., dazudie Abb. auf
Fronti,spiz und Titelvignette, auf 22 kolor. Kupfer-
Die natürliche Zauberey, oder das böse Gewissen. Sie- ta[.) 1796. 8 ungez. BI., 400 S. I ungez. BI.
he: Weiße, Christian Felix. 4. Mit 160 Abb. ( 143 gezählte Abb., dazu die Abb. auf
Frontispiz und Titelvignette, auf 23 kolor. Kupfer-
taf., davon I aufFaltbl.) 1797. 6ungez. BI., 410 S., 7
Naturkalender zur Unterhaltung der heranwachsenden ungez. BI.
Jugend. Siehe: Unger, Friederike Helene. 5. Mit 20 [kolor.] Kupfertaf. 1798. 14 ungez. BI.,
408 S.
6. Mit !50 Abb. (auf 21 kolor. Kupfertaf., wobei die
Neu eingerichtetes ABC Buchstabir- und Lesebüchlein
Nm 18 und 19 zu I Taf. gehören). 1799. XVI, 479 S.
7. Mit !50 Abb. (auf20 kolor. Kupfertaf.) 1800. XVI,
621 Neu eingerichtetes ABC Buchstabir- und Lese-
384 s.
büchlein, zum Gebrauche der Schlesischen Schulen. -
8. Mit !50 Abb. ( 119 gezählte Abb., dazu die Abb. auf
Sagan 1781: Lauben. 47 S. so
Frontispiz und Titelvignette, auf 20 kolor. Kupfer-
Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt. taf.) 1801. XVI, 352 S.
9. Mit 150 Abb. (69 gezählte Abb., dazu die Abb. auf
ABC- und Methodenbuch .for den Erstleseunterricht an
Frontispiz und Titelvignette, auf 20 kolor. Kupfer-
schlesischen Schulen in Anlehnung an Johann Friedrich
taf.) 1802.XXIV,328 S.
Hähns ersten Band des dreiteiligen Neu eingerichteten
10. Mit !50 Abb. (58 gezählte Abb., dazu die Abb. auf
Berlinischen Schulbuchs (1758); lehrt das Lesen nach
Frontispiz und Titelvignette, auf 20 kolor. Kupfer-
der Litteralmethode. BeigefUgt ist der Römisch-Katholi-
taf.) 1802. XVI, 308 S.
sche Katechismus in Tabellen und Text, der »./Ur die er-
II. Mit 20 [kolor.] Kupfertaf. (enthaltend 72 gezählte
ste Classe der Kinder in den Schulen des Saganischen
Abb., dazu die Abb. auf Frontispiz und Titelvignet-
Stifts« bestimmt ist.
te; die Taf. 12 und 14 sind zusammen auf 1 Faltbl.)
UB Leipzig 1803. 8 ungez. BI., 349 S., 3 ungez. S.
12. Mit 20 [kolor.] Kupfertaf. (enthaltend 94 Abb., da-
zu die Abb. auf Frontispiz und Titelvignette). 1804.
Der neue Berlinische Kinderfreund 8 ungez. BI., 356 S.
13. Mit 20 [kolor.] Kupfertaf. (enthaltend 114 Abb.)
622 Der neue Berlinische Kinderfreund. Eine Wochen- 1805.9 ungez. BI., 326 S., 3 ungez. BI.
schrift. (Vorr.: L.C.) Bd I, Stück 1-26.- Berlin 1796. 14. Mit !50 Abb. (vielmehr 85 auf20 kolor. Kupfertaf.)
416S.8o 1806. 8 ungez. BI., 296 S.
1461 Bibliographie 1462

15. Von Kar! Lang. Mit 20 ausgemahlten Kupfertaf. herausgegeben«; gedacht als »Lesebuch ( .. .), das sie
(enthaltend 87 gezählte Abb., dazu die Abb. auf der belehrt, und ihnen zugleich gefällt; das in ihnen die Lie-
Titelvignette ). 1812. XII, 349 S. be zur Tugend erwekt, und gerechten Abscheu vor dem
Die entwerfenden Künstler sind C. A. Hirschmann (d. i. Laster einflößt«; enthält Fabeln, Erzählungen, Beispiel-
Kar! Lang), der auch oft seine Entwürfe selbst gesto- geschichten, historische Anekdoten, Briefe und Gesprä-
chen hat, Krüger jun. in den Bänden 1-4 und F. Guim- che sowie Schauspiele, daneben historische und natur-
pel in den folgenden; als Stecher haben signiert: Meno kundliche Abhandlungen.
Haas, Ludwig Schmidt, L. Serrurier, L. Hoop und F. W. StUB Frankfurt
Hack; die Schrift auf den Titelblättern wurde von K.
Jättnig gestochen; das Titelblatt ist in der Tafelzählung
(s.o.) enthalten. Der neue Westphälische Robinson oder der seltsame
Bilderlehrbuch mit enzyklopädischem Charakter; den Mann in Wesel. Siehe: Benkowitz, Kar! Friedrich.
Kupfertafeln ist jeweils ein ausfohrlicher Textteil zuge-
ordnet; fUhrt in nicht systematischer Weise durch alle
Bezirke des Wissens aus Natur und menschlicher Welt; Neuer Kinderfreund
an die »reifende Jugend« gerichtet. - AusfUhrliehe Be-
schreibung siehe Sp. 429 627 Neuer Kinderfreund von [Kar! August] Engelhardt
und [Dankegott Immanuel] Merke!. Bdch. 1-12.- Leip-
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin (Bd 1-15); Inst. f. Ju- zig: Barth 1794-98.8°
gendbuchforschung Frankfurt (Bd 1-6.9 .12)
1. 1794. 6 ungez. BI., 208 S., 2 ungez. BI., 2 Kupfertaf.,
2 Notenfaltbl.
Neue Feen- und Geister-Mährehen 2. 1794. X S., S. 209-406, I Kupfertaf., 2 Notenfaltbl.
3. 1794. 3 ungez. BI., S. 407-607, I ungez. S., I Kup-
624 Neue Feen- und Geister-Mährchen. Von Verfas- fertaf., I Notenfaltbl.
sern der Abendstunden. Th. [1.] 2. - Leipzig: Müller 4. 1794. 2 ungez. BI., S. 609-796, 8 ungez. BI., 1 Kup-
1768.8° fertaf., I Notenfaltbl.
5. 1795. 4 ungez. BI., 200 S., I Kupfertaf., I Noten-
[1.) 2 ungez. BI., 168 S. faltbl.
2. 2 ungez. BI., 178 S. 6. 1795. 3 ungez. BI., S. 201-418, I Kupfertaf., I No-
Unsignierte gestochene Titelvignette in Th. I, ornamen- tenfaltbl.
tale Titelvignette in Th. 2. 7. 1795.S.419-609, I ungez.S., 1 Notenfaltbl.
8. 1796. S. 611-822, I Kupfertaf., I Notenfaltbl.
Märchensammlung for Kinder und Erwachsene; T. 1 9. 1796. 192 S., I Kupfertaf., I Notenfaltbl.
enthält 6., T. 2 7 Erzählungen. 10. 1797. S. 193-384, 1 Kupfertaf., 1 Notenfaltbl.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen II. 1797. S. 385-592, 1 Kupfertaf., I Notenfaltbl.
12. 1798. S. 593-790,5 ungez. BI., I Kupfertaf., I No-
tenfaltbl.
Neue Fibel In Bdch. I Kupfertitel und I weitere Tafel von J. P.
Veith; in Bdch. 2 Titelvignette, gestochen von J. A.
625 Neue Fibel.- Göttingen: Dieterich 1782. 16 ungez. Darnstedt und 1 Tafel von H.F. Laurin nach C.C.
BJ. 8o Schmidt; in Bdch. 3 Titelvignette von Veith und Kupfer-
Ornamentale Titelvignette tafel von J. F. M. Schreyer nach J. D. Schubert; in
Bdch.4 Titelvignette, gestochen von Laurin und Kup-
Fibel for den ersten Leseunterricht; will darüber hinaus fertafel von Schreyernach J. D. Schubert; in Bdch. 5 Ti-
»Gelegenheit zu einem nützlichen und angenehmen Ge- telvignette und Kupfertafel, gestochen von Veith; in
spräche« geben; beginnt mit einem ABC-Teil, gegliedert Bdch. 6 Titelvignette von Schreyer nach C. M. Berggold
nach Vokalen, Konsonanten und Diphtongen. Es folgen und Kupfertafel, gestochen von J. D. B. Gress; in
Silben, arabische Zahlen, das große ABC, Maßeinhei- Bdch. 7 Titelvignette von Veith; in Bdch. 8 unsignierte
ten und eine Münz/ehre. Es schließen sich eine kurze Titelvignette und Frontispiz; in Bdch. 9 Titelvignette
Naturlehre, Sprichwörter, Ermahnungen und Erzie- und Frontispiz, gestochen von Darnstedt; in Bdch. I 0
hungslehren an, sowie eine Fabel und eine moralische und 12 unsignierte Titelvignette und Frontispiz; in
Beispie/erzählung, die Rochows Kinderfreund entnom- Bdch. II unsignierte Titelvignette und Frontispiz, von
men ist. Darnstedt gestochen.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen; LB Coburg; UStB Zeitschrift for Kinder beiderlei Geschlechts zwischen 7
Köln und 14 Jahren - so zumindest das Alter der Kinder des
»Kinderfreundes« - will angenehm unterhalten, zu-
gleich auch belehren; in Rahmenhandlung und Inhalt
Der neue Kinderfreund starke Anlehnung an Weißes Kinderfreund; enthält im
Rahmen der familiären Situation Gespräche, Reisen,
626 Der neue Kinderfreund. Eine Monatschrift Her- Anekdoten, Fragen der Kinder, Darstellung ihrer Tu-
ausgegeben von P[eter) A[dolph] Winkopp. Bd I, H. genden und Untugenden, Meinungen, Briefe und Tage-
1-4.- Wien: Stahel 1786. 5 ungez. BI., 504 S., in H. 1-3 buchauszüge.
je 1 ungez. BI., in H.4 5 ungez. BI. 8°
UB Tübingen; Bad. LB Karlsruhe
Zeitschrift »hauptsächlich for die katholische Jugend
1463 Bibliographie 1464

628 Dass. 2. verb. Autl. mit Kupfern und Noten. Neues ABC Büchlein
Bdch. 5-8.11.- Ebd. 1798/1800. 8 o
631 Neues ABC Büchlein. Den Kindern sehr nützlich.
5. 1798. 2 ungez. BI., 180 S., I Notenfaltbl., I Kupfer-
- Nürnberg: Fürsten o. J. Kupfertitel, 4 ungez. BI., 24
taf.
Kupfertaf. 8°
6. 1798. 2 ungez. BI., S. 181-360, I Notenfaltbl., I
Kupfertaf. Kupfertitel und Tafeln sind unsigniert.
7. 1798. 2 ungez. BI., S. 361-516, 1 Notenfaltbl., 1
Bilder-ABCftir Anfänger im Lesen undftir Kinder, die
Kupfertaf.
bereits lesen können; will dem »Unheil« entgegenwir-
8. 1798.2 ungez. BI., S. 517-686, 1 Kupfertaf.
ken, daß sich Kinder »gemeiniglich quälen und martern
11. 1800. 2 ungez. BI., S. 355-528, 1 Notenfaltbl.
müssen/ehe Sie die Buchstaben recht erkennen und be-
In Bdch. 5 und 7 Frontispiz und Titelvignette von Veith halten lernen« und den fortgeschrittenen Leseschülern
gestochen, in Bdch. 7 Titelvignette nach Berggold; in die verschiedenen Schrifttypen nahebringen; enthält
Bdch. 6 Frontispiz von Greß und Titelvignette von Kupfertafeln mit dem Alphabet in unterschiedlichen
Schreyer nach Berggold; unsigniertes Frontispiz und Schreibweisen, den römischen und arabischen Zahlen
Titelvignette in Bdch. 8; in Bdch. II unsignierte Titel- und Tierabbildungen, die nach ihren Anfangsbuchsta-
vignette. ben in der Reihenfolge des Alphabets geordnet und in
Deutsch und Latein aufgeftihrt sind.
UB d. TU Braunschweig (Bdch. 7.8); Samml. Theodor
Brüggemann, Köln (Bdch. 5.6); Sächs. LB Dresden UBJena
(Bdch. I I)

629 Dass. Bdch. 1-4. - Wien und Prag: Haas 1799. 8o Neues A, B, C und Lese-Buch, in Bildern mit Erklärun-
l. I 5 I S., 2 Kupfertaf. gen aus der Naturgeschichte. Siehe: Hausius, Carl Gott-
2. I 52 S., 2 Kupfertaf. lob.
3. I 52 S., 2 Kupfertaf.
4. 148 S., 2 Kupfertaf.
Neues Buchstabier und Lesebuch mit der ersten Grund-
Unsignierter Kupfertitel in Bdch.l-4; Frontispiz in lage menschlicher Erkenntniß. Siehe: Seiler, Georg
Bdch. I-3, von J. Gerstner gestochen, in Bdch. 4 von L. Friedrich.
Maillard.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Neues Buchstabier- und Lesebüchlein

632 Neues Buchstabier- und Lesebüchlein, woraus


Neues A, B, C, Buch man Anfängern, sonderlich in den Landschulen, das
Buchstabieren, Lesen, Denken und Sprechen erleich-
630 Neues A, B, C, Buch, für Kinder welche auf eine tern, sie, zum nützlichen Gebrauche anderer Bücher,
sehr leichte und angenehme Art buchstabieren und le- vorbereiten und zuletzt auch im Schreiben üben kann. -
sen lernen wollen.- Quedlinburg: Ernst 1793. 102 S. Braunschweig: Fürst!. Waisenhausbuchhandl. I 782.
[unvollständiges Ex., es fehlen ein oder mehrere Blätter 48 S. 8°
am Beginn des Buches!]8°
Fibel zum Gebrauch in Landschulen; gedacht ftir den
Titelvignette in Kupferstich, signiert mit »S«. Leseunterricht solcher Kinder, die »die Buchstaben- Ta-
Lesebuch mit ABC- Teil; enthält Buchstaben- und Zah- belle fertig kennen«. Stufenweiser Aufbau, beginnend
lentafeln, ein- und mehrsilbige Wörter. Der Leselernteil bei einsilbigen bis zu viersilbigen Wörtern nach der
beginnt mit Sprichwörtern und Lehrsprüchen, es folgen Buchstabiermethode. Jedes KapitelfUhrt von der bloßen
moralische Beispielerzählungen und Einftihrungen in Aufzählung einzelner Wörter zu ganzen Sätzen religi-
die Naturgeschichte und Naturlehre, denen sich die An- ösen Inhalts, wobei die Kinder »bey dem Buchstabieren
fangsgründe der Gotteserkenntnis und ein »erster histo- und Lesen, zugleich denken« lernen sollen; enthält im
rischer Religionsunterricht« anschließen. Den Abschluß zweiten Kapitel eine elementare Naturlehre, in den fol-
bilden religiöse Kinderlieder. genden Gespräche über den Schulgang, das Spielen und
den Katechismus.
Leop.-Soph.-B. Überlingen
HAB Wolfenbüttel

Neues A, B, C, Buch, nebst einigen kleinen Uebungen Neues Geographisches Handbuch zum Unterricht der
und Unterhaltungen für Kinder. Siehe: Weiße, Chri- Jugend eingerichtet. Siehe: Vogel, Daniel.
stian Felix.

Neues Wochenblatt f"tir Kinder und Kinderfreunde


Neues ABC-Buchstabier- und Lese-Buch nach der im
Hochstifte Münster eingeführten Lehrart_ Siehe: Over- 633 Neues Wochenblatt für Kinder und Kinderfreun-
berg, Bernhard Heinrich. de von Georg Carl Claudius.- Leipzig: Crusius 1789. 8
ungez. BI., 190 S., I ungez. BI. 8°
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
1465 Bibliographie 1466

Zeitschriftfor Kinder von5-7 Jahren und älter; enthält Neukirch, Benjamin ( 1665-1725): Lehrer, Prinzener-
Gespräche, Erzählungen, Briefe und Lieder, die darauf zieher, Lyriker und Übersetzer.
abzielen, die Kinder »verständiger, klüger und besser zu
machen«; im Schlußkapitel finden sich als »Wissen- siehe: Fenelon, Francois de Salignac de Ia Mothe: Die
schaftliche(n) Aufsätze(n)« bezeichnete Ausfohrungen Begebenheiten des Prinzen von lthaca.
zur Türkei, denn »der Krieg den unser Kaiser mit den
Türken fUhrt, ist jetzt das gewöhnlichste Gespräch, und
spannt die allgemeine Erwartung«. Neumann, Johann Jakob Nathanael (1750--1803): Pa-
Staat!. B. Neuburg stor in Lossow bei Frankfurt/Oder.

636 Julie von Rosenfeld. Eine Familiengeschichte in


Neuestes ABC Buch lauter kleinen Kapitelchen. Eigne Handschrift des
Fräuleins. Herausgegeben vom Verfasser des Lebens-
634 Neuestes ABC Buch. Für Kindervon allen Religio- laufs meiner Tochter Therese von Silberbach [d. i. Jo-
nen geschrieben. Nebst 24 Kupfertaf. [fehlen in diesem hann Jakob Nathanael Neumann]. - Berlin: Maurer
Ex.]2. neue Aufl.- Halle, Leipzig, Frankfurt: Dreyßig 1784.274 S. 8°
1797.48 S. 8° Frontispiz in Kupferstich von D. Berger nach D. Cho-
Fibelfor den ersten Leseunterricht; enthält das deutsche dowiecki.
und lateinische Alphabet, arabische und römische Zah- Gedacht for weibliche Lesen·nnen, womit auch junge
len, einsilbige Vokal-Konsonantenverbindungen, kurze Mädchen gemeint sein können; der Roman handelt
Buchstabierübungen und Sittenlehren. Es folgen in der über die weibliche Erziehung.
Reihenfolge des Alphabets Texte zu Begriffen mit dem
entsprechenden Anfangsbuchstaben, moralische Bei- StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
spie/erzählungen und Gebete.
StB Braunschweig
Neusinger, Johann Leonhard (geh. 1754 od. 58): Pfarrer
im Nürnberger Raum.

Neuestes Rechenbuch 637 Johann Leonhard Neusingers Erdbeschreibung


für Kinder enthaltend Asien, Afrika, Amerika und die
635 Neuestes Rechenbuch für Diejenige, so sich dem neuentdekten Länder oder den fünften Welttheil zum
Handelsstand widmen wollen. Oder deutliche und ge- Gebrauch auf Schulen.- Nümberg: Grattenauer 1785.
naue Erklärung der fünf Species, nebst dem gründlich- 251 S., 5 ungez. S. go
sten Unterricht der sogenannten wälschen Practica, wie
auch allen möglichst vorkommenden Handlungsrech- Omamentale Titelvignette
nungen, alles auf dermalig Kaufmännisch übliche Art Geographisches Lesebuch for Schulen und den Privat-
eingerichtet.- Augsburg: Nettesheim 1799. 2 ungez. BI., unterricht über die außereuropäischen Kontinente;
332 S. 8° schließt sich an G. Chr. Raffs Geographie für Kinder
Omamentale Titelvignette (1 776) an, die Europa behandelt; übernimmt deren Art
der Einkleidung in ein lebhaftes Gespräch mit Kindern.
Mathematisches Lehrbuch für Jugendliche, die sich
kaufmännischen Berufen widmen wollen; es enthält ne- UB Heidelberg
ben den üblichen Rechenarten Zins-, Rabbat-, Compa-
gnie- oder Gesellschafts- sowie Gewinn- und Provisions- 638 Johann Leonhard Neusingers Erdbeschreibung
rechnungen; es fUhrt sodann Gewichte und Maße sowie von Europa für Kinder. Zum Gebrauch auf Schulen. -
die Paritäten in- und ausländischer Geldsorten an; Nümberg: Grattenauer 1786. 4 ungez. BI., 546 S., I0
Lehrbuch ohne besondere Einkleidung. ungez. BI. 8°

Bayer. StaatsB München Omamentale Titelvignette


Geographisches Lesebuch for den Schulunterricht; in
Gesprächsform eingekleidet; beginnt mit einem Ab-
NeuJahrs-Geschenk aus Jamaika in Westindien für ein schnitt über Deutschland und handelt dann die europä-
Kind in Europa. Siehe: Schlözer, August Ludwig von. ischen Länder bis hin zur Türkei und zu Rußland ab;
geschrieben als Ergänzung zu seiner Geographie der au-
ßereuropäischen Länder und als Gegenstück zu Raffs
NeuJahrs-Geschenk aus Westfalen für einen deutschen Geographie für Kinder ( 1776), »weil doch manches Un-
Knaben. Siehe: Schlözer, August Ludwig von. wahre in seiner Beschreibung vorkommt«.
UB Heidelberg

Neu Jahrsgeschenk f"tir die Herzen der Kinder. Siehe: 639 Johann Leonhard Neusingers kurze Geschichte
Burmann, Gottlob Wilhelm. von Erschaffung der Welt bis aufunsre Zeiten fürdie Ju-
gend. Bdch. 1-4.- Nümberg: Bieling (1786)-88. 8°
I. Welches die Geschichte der Israeliten, Babilonier,
Neujahrsgeschenk f"tir Kinder von einem Kinderfreunde. Assirer, Meder, Perser, Griechen, Syrer, Egipter,
Siehe: Seybold, David Christoph. Karthaginienser, und Römer, bis zum Untergang des
1467 Bibliographie 1468

abendländischen Kaiserthums, enthält. (1786.) 2 un- Niemeyer, Georg Friedrich: Einnehmer bei dem Zoll-
gez. BI., 268 S. wesen zu Verden, später privatisierender Gelehrter in
2. Welches die Geschichte von Italien, Frankreich, Celle.
Spanien Portugal!, Grosbritanien, Teutschland, der
Schweiz und der Niederlande enthält. 1786. 2 ungez. 642 Der Greis an den Jüngling. [Von Georg Friedrich
BI., 260 S., 2 ungez. BI. Niemeyer.] Mit einer Vorrede von Adolph Freyherrn
3. Welches die Geschichte von Dänemark, Norwegen, Knigge.- Bremen: Huntemann 1793. XII, 363 S., I un-
Schweden, Preussen, Polen, Rus1and, Ungarn, des gez.S.80
morgenländischen Kaiserthums, der Türken, von
Sittenlehre in Form des elterlichen Rats fiir die heran-
Arabien, Persien, Mogolistan, Tschina und Japan
wachsende männliche Jugend; behandelt in 19 Gesprä-
enthält. 1787.2 ungez. BI., 276 S.
chen die Bestimmung des Menschen, die Ordnung der
4. Welches die Geschichte der europäischen Besizun-
menschlichen Gesellschaft, den dreifachen michten-
gen in Ostindien, einiger Staaten in Afrika, die Ge-
kanon gegen Gott, gegen andere und sich selbst; sodann
schichte von Amerika, und die Entdekung des fünf-
folgen Ausfiihrungen zur Sparsamkeit, zum Umgang
ten Welttheils enthält. 1788. 2 ungez. BI., 264 S., 2
mit Menschen, zur Freundschaft, Liebe und Dankbar-
ungez. BI.
keit; die beiden Schlußkapitel befassen sich mit der Ein-
Omamentale Titelvignette in jedem Band. samkeit und dem Tod.
Darstellung der Geschichte der wichtigsten Völker der Bomann-Museum Celle
Welt von der Sündflut bis zur Gegenwart; befaßt sich in
Bd I mit der biblischen Geschichte und der der alten 643 Dass. Mit einer Vorrede von Adolph Freyherr
Völker; stellt in Bd 2 und 3 die Geschichte verschiedener Knigge. 2. verb. Aufl. mit I Kupfer.- Leipzig und Gera:
europäischer und al{/lereuropäischer >>Nationen« dar; Heinsius 1796. VIII S., I ungez. BI., S. 9-338. 8°
behandelt in Bd 4 schließlich die Geschichte der europä-
Frontispiz von G. C. Schule nach Rosmaesler und Kup-
ischen Kolonien in Asien, Afrika und Amerika bis hin
fertiteL
zur Entdeckung des 5. Weltteiles; neben der Jugend
auch an erwachsene Personen gerichtet, »die nicht eben Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Lust haben, die Geschichte weitläufig zu studieren«.
644 Vermaechtniss an Helene von ihrem Vater. Von
Staat!. B. Regensburg
dem Verfasser des Greises an den Jüngling [d. i. Georg
Friedrich Niemeyer]. Mit einer Vorrede von Adolph
Freyhem Knigge.- Bremen: Wilmans 1794. 332 S., I
Niedersächsisches Wochenblatt für Kinder ungez. BI. 8°
Elterlicher Rat fiir junge Mädchen, der geprägt ist von
640 Niedersächsisches Wochenblatt für Kinder. [Hrsg. empfindsamem und klassisch-neuhumanistischem Ge-
von Johann Lorenz Benzler.] Jg 1-3.- Hannover: Hel- dankengut. Als Ziel der weiblichen Erziehung wird nicht
wing 1774-76. 8° die dreifache Bestimmung der Frau als Hausfrau, Gat-
I. Bdch. 1-4. 1774. 5 ungez. BI., 824 S., 4 ungez. BI. tin und Mutter angesehen (auch wenn diese implizit bei-
2. Bdch.l-4.1775.4ungez. Bl.,832 S. behalten wird), sondern eine allgemeine Menschenbil-
3. Bdch.l-4. 1776. 4ungez. BI., 836 S. dung durch die mege und den Genuß der edlen Freu-
den des Geistes und des Herzens.
Omamentale Titelvignette auf allen Stücktitelblättem.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Wochenschrift fiir Mädchen und Knaben »von verschie-
denem Alter«; will »etwas zu Ihrer Besserung, zu Ver-
mehrung Ihrer Kenntnisse, und zugleich zu Ihrem Ver-
Nitsch, Paul Friedrich Achat (1754-1794): Pfarrer in
gnügen« beitragen; enthält in drei Jahrgängen Gedich-
Wündisch bei Querfurt, dann in Bibra/Thüringen. Sieh-
te, Anekdoten, Briefe, Schauspiele, Beispielgeschichten,
he Sp. 1236
Fabeln, Gebete sowie Abhandlungen über naturkundli-
che, geographische und historische Themen. Hauptziel
645 (Th. 2: Paul Friedrich Achat Nitsch) Beschreibung
ist die moralisch-religiöse Unterweisung. - Ausfiihrliche
Beschreibung siehe Sp. 124 des häuslichen, wissenschaftlichen, sittlichen, gottes-
dienstlichen, politischen und kriegerischen Zustandes
Nieders. LB Hannover (Jg 1-3); Nieders. Staats- u. UB der Römer nach den verschiedenen Zeitaltem der Na-
Göttingen (Jg I, Bdch. 3.4) tion. Zum Schulgebrauch und Selbstunterricht. Th.
[1.]2.- Erfurt: Keyser 1788/90.8°
641 Dass. Neueverb.Aufl. Th.I-6.-Bremen 1779-84.
8o [I.] 1788. 16 S., I ungez. BI., S. 17-534, I Kupfertaf. auf
Faltbl.
I. 1779.4ungez.Bl.,324 S. 2. 1790.7 ungez. BI., S. 537-1124,25 ungez. BI.
2. 1780.4 ungez. BI., 352 S.
Die Kupfertafel ist unsigniert.
3. 1780. 7 ungez. BI., 328 S.
4. 1781. 2 ungez. BI., 363 S. Geschichtliches Lehrbuch der römischen Antike vor-
5. 1784.3 ungez. BI., 296 S. nehmlich fiir den Schulgebrauch. Es wendet sich an den
6. 1783. 348 S., I ungez. BI. »wißbegierigen Jüngling« wie an den »Schullehrer« und
will »nur ein Versuch seyn, alles das in einer kurzen Ue-
Omamentale Titelvignette in allen Teilen.
bersicht zu vereinigen, was zu einer vollständigen Be-
Samml. Theodor Brüggemann, Köln kanntschaft mit dem Römer, seiner Lage und Veifas-
1469 Bibliographie 1470

sung Anleitung geben kann«. Behandelt werden in neun 1787. Auf das Jahr 1787. Mit Kupfern. II ungez. BI.,
Büchern die Stadt Rom, die Römer, ihr häusliches Le- 170 S., 2 Kupfertaf., 2 Falttab. [Nebent. :] Ta-
ben, ihre Künste und Wissenschaften, ihre Sitten und schenbuch für Kinder und Kinderfreunde auf
Denkungsart, Religion, Staatsverfassung, Gerichts- und das Jahr 1787. Mit Kupfern und einem Kalender,
Kriegswesen. In Paragraphen eingeteiltes Lehrbuch mit worinnen die Namen der röm. Kaiser und der
Quellenangaben. Päbste bis auf unsere Zeiten stehen.
HAB Wolfenbüttel Omamentale Titelvignette in den Bänden 1781-83,
1785-87; im Band 1781 Frontispiz von A. L. Moeglich
646 Neues Mythologisches Wörterbuch nach den neu- und I Kupfertafel, von I. C. Bock gestochen; die Tafeln
esten Berichtigungen für studirende Jünglinge und an- in 1782 sind unsigniert, ebenso die Tafeln in 1783; in
gehende Künstler zusammengetragen von Paul Fried- 1784 unsigniertes Frontispiz, die 6 Tafeln sind von C. B.
rich Achat Nitsch.- Leipzig: Fleischer 1793. XXXXIV Rode gezeichnet; die Tafeln in 1785 sind unsigniert,
S., 1860 Sp. 8° ebenso I Tafel in 1787, I stammt von Vogel; die Tafel
im Band 1786 ist von A. Gabler erfunden und gezeich-
Titelvignette in Kupferstich von C. Schule nach J. D.
net.
Schubert.
Kinderalmanach in 7 Jahrgängen; will unterhalten und
Mythologisches Wörterbuch for »jeden Leser griechi-
belehren; die Mehrzahl der Jahrgänge enthält in bunter
scher und lateinischer Dichter, nicht weniger for den
Folge Fabeln, Erzählungen, Anekdoten, Briefe, Gedich-
Kunstliebhaber und Künstler«, for alle »Anfänger und
te und Lieder sowie sachliche Abhandlungen zum Ka-
Dilettanten der alten Kunst«. Es will sowenig als mög-
lender, zur Zeitrechnung, zu Geographie oder Geschich-
lich voluminös sein und hat die neuesten Resultate der
te (Jg 1781, 1783, 1785, I 787). Der Jahrgang 1782
Altertumswissenschaft, insbesondere »einen Heyne und
unifaßt ausschließlich natur- und völkerkundliche The-
die gelehrten Zöglinge seiner wichtigen Schule«, aufge-
men: auch der Jahrgang 1784 mit dem Abdruck der
arbeitet. Die Einleitung wendet sich speziell an »den
Lehrbücher von Friedrich Ekkard vermittelt sachliche
jungen Leser« und gibt einen Überblick über die griechi-
Kenntnisse; der Jahrgang 1786 umfaßt die deutsche
sche und römische Mythologie.
Fassung des Werkes von Francais Baratier, das er for
HAB Wolfenbüttel seinen Sohn, den Wunderknaben Philippe, verfaßte und
im Anhang eine Briefsammlung.
siehe: Für deutsche Mädchen.
UBTübingen
Noth-und Hülfs-Büchlein für Bauersleute. Siehe: Bek-
ker, Rudolph Zacharias. Nürnbergisches Kinderlehr-Büchlein

648 Nürnbergisches Kinderlehr-Büchlein. Darinnen


Nürnbergischer Kinder-Almanach
nicht allein Der Kleine Catechismus nach dem alten Ex-
647 Nürnbergischer Kinder-Almanach. 1781-87. - emplar Doctor Martin Luthers in Fragen und Antwor-
1781: Nürnberg: Weigel - 1782/83/87: Nürnberg: ten zu finden; sondern auch der zarten Jugend zum Be-
Weigel und Schneider- 1784: Frankfurt und Leipzig: sten in zwey und funfzig Lectionen weiter erkläret und
Weigel und Schneider- 1785/86: 0.0.: Weigel und vorgetragen wird. Deme annoch ein verbesserter und
Schneider. 8° zum Theil Neuer Anhangvon schönen Schul- und Fest-
Gebeten, kurzen Reim-Sprüchen, auch einigen ange-
1781. [U. d. T. :] Taschenbuch für Kinder und Kinder- zeigten Biblischen Capiteln und Sprüchen auf die heili-
freunde auf das Jahr 1781. Mit Kupfern und ei- gen Zeiten durchs ganze Jahr, samt einer Anzahl ge-
nem Kinder-Almanach. (Hrsg. von Joh[ann] bräuchl. Gesänge mit Ober-Herrlicher Authorität bey-
Sigm[und] Stoy.) 33 ungez. BI., 112 S., 2 Kupfer- gefüget worden ist.- Nümberg: Endter 1764. 255 S., 5
ta[. ungez. S., 101 S., 3 ungez. S. 8°
1782. Auf das Jahr 1782. Mit Kupfern. 218 S., 12 kolor.
Kupfertaf. Frontispiz in Kupferstich und Kupfertitel, unsigniert;
1783. Mit Kupfern. Jg 3. 30 ungez. BI., 188 S., 4 Kup- Titelblatt in Rot-Schwarz-Druck.
fertaf., 2 Notenbl. [Nebent. :] Taschenbuch für Religiöses Hand- und Hausbuch for evangelische Kin-
Kinderund Kinderfreunde. der; enthält Luthers Kleinen Katechismus mit Vorrede
1784. [U. d. T. :] Taschenbuch für Kinder und Kinder- sowie eine Erklärung des Katechismus in 52 Lektionen,
freunde von Friedrich Ekkard. Mit sechs Kup- die wiederum in 569 katechetische Fragen und Antwor-
fern. 7 ungez. BI., 144, 32 S. [Enth. :]1. Ekkard: ten gegliedert sind. Daran schließt sich ein Gebet sowie
Kleine Sammlung nützlicher Kenntnisse für Kin- eine kleine Abendmahlslehre an, gefolgt von einem aus-
der und Kinderfreunde. 2. Ekkard: Etwas aus fUhrliehen alphabetischen Register. Der Anhang ist for
teutscher Geschichte mit sechs Kupfern von Ro- den täglichen Gebrauch von Schülern und Lehrern an
de gezeichnet. deutschen Schulen bestimmt. Neben einem Morgen-
1785. Auf das Jahr 1785. Mit sechs Kupfern. (Hrsg. und Abendsegen enthält er Gebete, kleine Reimgebete
von C[hristian] G[ottfried] B[öckh].) 15 ungez. sowie z. T. noch heute geläufige Gesänge for die Früh-
BI., 56, I 04 S. und Nachmittagsschule, »etliche andere feine Gebetlein
1786. Auf das Jahr 1786. (Hrsg. von [Christian Gott- und Reim-Gebet/ein« sowie schließlich Sprüche, Gebete,
fried] B[öckh].) 12 ungez. BI., 96 S., 2 ungez. BI., I Gesänge zu den hohen Festtagen. Die Erstausgabe des
Kupfertaf. [Enth. u. a. :] Baratier, [Francois]: Sitt- Werks - es umfaßt den Kleinen Katechismus mit Lut-
liche Gemälde guter und böser Kinder. hers Vorrede sowie die 52 erklärenden Lektionen - er-
1471 Bibliographie 1472

schien, herausgegeben von Ambrosius Wirth, 1729 bei und zur lebendigen Ueberzeugung von der ewigen
Monath in Nümberg. Wahrheit« (Vorrede).
StB Nümberg Privatbes. Dr. Hauswedell, Harnburg

649 Dass.- Ebd. 1773.


Illustrierung wie Ausgabe 1764. Oest, Johann Friedrich (1755-1815): Pädagoge und
StB Nümberg Schriftsteller. Siehe Sp. 1236

653 Höchstnöthige Belehrung und Warnung für Jüng-


linge und Knaben, die schon zu einigem Nachdenken
Oemler, Christian Wilhelm (1728-1802): Evangeli-
gewöhnt sind; Eine gekrönte Preisschrift von J[ohann]
scher Pfarrer, Vertreter der Orthodoxie.
F[riedrich] Oest. Aus dem sechsten Theile des Revi-
sionswerks besonders abgedruckt und herausgegeben
650 Erbauungs-Buch am Sonntage für Kinder von rei-
von Joach[im] Heinr[ich] Campe. - Wolfenbüttel:
ferm Alter. Chr[istian] Wilh[elm] Oemler.- Jena: Crö-
Schulbuchhandl. 1787. 148 S. 8°
ker 1774. 12 ungez. BI., 768 S., 20 ungez. BI. 8°
Bayer. StaatsB München
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Erbauungsbuch fiir Jungen und Mädchen, »die bereits 654 Höchstnöthige Belehrung und Warnung für junge
die biblische Geschichte oft gelesen haben« und »bereits Mädchen zur frühen Bewahrung ihrer Unschuld, von
einige Erkenntniß der Wahrheiten der Religion besit- einer erfahrenen Freundin [d. i. Johann Friedrich Oest];
zen«, sowie fiir deren Eltern; gegliedert in 42 erbauliche eine gekrönte Preisschrift. Aus dem sechsten Theile des
Unterredungen vom 1. Advent bis zum 6. Sonntag nach Revisionswerks besonders abgedruckt, und herausge-
Ostern, 34 erbauliche Unterredungen vom Pfingstsonn- geben von Joach[im] Heinr[ich]Campe.- Wolfenbüttel:
tag bis zum 2 7. Sonntag nach Trinitatis und drei An- Schulbuchbandl. 1787.76 S. 8°
hänge mit weiteren erbaulichen Unterredungen über die
Schriften zur sexuellen Erziehung junger Knaben und
zehn Gebote und das Vaterunser sowie einigen Gebeten
Mädchen ab zwölf Jahren zur eindringlichen Belehrung
und Liedern (von Geliert). Die Unterredungen werden
und Warnung vor den »Lastern der Unkeuschheit und
zwischen einem Vater und seinen Kindem gefiihrt und
Selbstbefleckung«. Beide Belehrungsschriften, Teil einer
sollen die orthodoxen Glaubenssätze beweisen und ein-
1787 in der Allgemeinen Revision publizierten Preis-
prägen und die Leser zum unangezweifelten Glauben an
schrift, enthalten drastische Schilderungen und Beispiel-
Gott und die Glaubenswahrheiten, zur bedingungslosen
geschichten des Lasters und der Krankheiten »unglück-
Gottesfurcht und -liebe und zu einem weltabgewandten,
licher Selbstverderber« nebst ausfiihrlichen Anweisun-
die Welt und die eigenen Sinne und Wünsche verleug-
gen zur Bekämpfung. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe
nenden Leben erziehen.
Sp.612
UBJena
UBMünster
651 Erster Unterricht im Christenthume, welcher einen
kurzen Auszug aus den allemöthigsten Wahrheiten der
Religion Jesu in sich fasset. Christian Wilhelm Oemler. Österlin, Friedrich Kaspar
-Jena: Mauke 1777. 8 ungez. BI., 132 S. 8°
Omamentale Titelvignette 655 Der kleine Zauberer, oder Anweisung zu leichten
und belustigenden Kunststücken aus der natürlichen
Religionsunterrichtliches Werk, das dem »allerersten Magie. Für Kinder und Nichtkinder. [Von Friedrich
Kinderunterricht« zugrunde gelegt werden soll; in 6 Ab- Kaspar Österlin.]- Stuttgart: Löflund 1799. XVI, 144
schnitte eingeteilt; enthält 1. Lieder und Verse zum Aus- S.8o
wendiglemen, 2. einen Auszug aus der biblischen Ge-
schichte, 3. die wichtigsten Lehren des Christentums, 4. Werk zur Volksaujklärung fiir Kinder und Erwachsene;
die Glaubenslehren, Auszüge schließlich 5. aus dem wendet sich insbesondere an die »Ungelehrten ( .. .),
Lutherischen Katechismus und 6. aus der christlichen welche eines Unterrichts in der natürlichen Magie am
Sittenlehre; hat zur Fortsetzung: Die Religion Jesu für meisten bedüifen, weil gerade sie von Taschenspielern
Kinder und Unwissende, 1766. und andem Wundermännern am häufigsten betrogen
werden«. Stellt eine Fülle von Zauberkunststücken vor
UBJena und fiihrt ihre Wirkung auf die natürlichen Ursachen
zurück; will »Nachdenken ( .. .) erwecken« und »das
Reich des Aberglaubens ( .. .) zerstören«.
Oesfeld, Gotthelf Friedrich (geb. 1735): Pastor und In-
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
spektor zu Löbnitz.

652 Sittenspiegel für Kinder mit Kupfern. [Von Gott-


helf Friedrich Oesfeld.]- Altona und Leipzig: Kaven Overbeck, Christian Adolf (1755-1821): Jurist, Päda-
1798. II ungez. BI., 120 S. mit 17 Kupferill. i. T. 8° goge, Liederdichter. Siehe Sp. 1237
Titelvignette und 16 Vignetten im Text, unsigniert.
656 Frizchens Lieder. Herausgegeben von Christian
Sammlung religiöser und illustrierter Beispielgeschichten Adolf Overbeck.- Hamburg: Bohn 1781. 142 S., 1 un-
zur »Erweckung des Abscheues und gegen die Sünde, gez. BI. 8°
1473 Bibliographie 1474

Titelvignette, gestochen von J. A. Rosmaesler. 660 Die Entdeckungen des fünften Welttheils oder
Sammlung von 49 Liedern for Kinder (34 Lieder) und Reisen um die Welt, ein Lesebuch für dieJugendvon Jo-
Erwachsene (1 5 Lieder), die in bewußter Absetzung von hann Georg Friedrich Pabst (Bd3.5: Papst). Bd[l]-5.-
Weiße »im Kinderton« verfaßt seien; es finden Natur- Nümberg: Feißecker 1785-90. 8°
betrachtungen, kleine Liebeslieder und Themen aus der [1.] 2.undverb.Aufl.1785.9ungez.Bl.,412 S.
Arbeitswelt ebenso Eingang, wie Texte mit Begebenhei- 2. Mit des ältem Herrn Forsters Bildniße. (2. Aufl.)
ten aus dem kindlichen Lebensbereich, denen die übli- 1787. 8 ungez. BI., 336 S.
che Tendenz zu moralischer Belehrung jedoch weitge- 3. Mit einem Portrait. Neue verm. und verb. Aufl. 1788.
hend fehlt. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 269 VIII,392 S.
4. 1788.444 s.
StB Lübeck
5. 1790. 2 ungez. BI., 364 S.
657 Herrn [Christian Adolfl Overbecks Lehrgedichte Gestochene Titelvignette in Bd 1 von und nach Mayr;
und Lieder für junge empfindsame Herzen. gesammelt Frontispiz in Bd. 2 und 3, gestochen von Mayr.
von einigen Verehrern des Herrn Verfassers in der
Sammlung von Reisebeschreibungen for die Jugend;
Schweiz. - Lindau am Bodensee: Fritzsch 1786. 2 un-
schildert die Seereisen, die die Briten Byron, Carteret,
gez. BI., 138 S., I ungez. BI. 8°
Wallis und Cook Mitte des 18. Jahrhunderts in die süd-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. liche Hemisphäre fohrten. - AusfUhrliehe Beschreibung
siehe Sp. 283
Gedicht- und Liedersammlung for Kinder; lt. Vorrede
»aus Campens Kinderbibliothek und aus verschiedenen StB Nümberg
Musenalmanachen gezogen«; umfaßt Lehrgedichte und
den Abdruck von Frizchens Lieder (1781). 661 Leben Friedrichs II Königs von Preussen für deut-
sche Jünglinge bearbeitet von Johann Georg Friedrich
UB Münster
Papst [Pabst]. Hälfte 1.2. - Nümberg: Feißecker
1788/89.8°
658 Sammlung vermischter Gedichte von Christian
Adolf Overbeck. - Lübeck und Leipzig: Bohn 1794. 4 1. 1788. VIII, 216 S., 3 Kupfertaf.
ungez. BI., 256 S. 8° 2. Mit Kupfern. Abth. 1.2. 1789. 503 S., 2 Kupfertaf.
Gedicht- und Liedersammlung for Erwachsene und Alle Kupfer von und nach A. W. Küfner.
Kinder; in der Vorrede wendet sich Overbeck gegen die
Schweizer Ausgabe von 1786, die ohne sein »Zuthun« Geschichtsbuch for Jünglinge, das das Leben Friedrichs
Il. von Pretiflen von seiner Kindheit bis zu seinem Tode
veranstaltet worden sei; umfaßt Gedichte, die sich über-
wiegend an Erwachsene wenden und Auszüge aus Friz- darstellt und sich dabei häufig auf Selbstdarstellungen
Friedrichs stützt. Der Hauptakzent liegt auf der Darstel-
chens Lieder (1 781).
lung der Feldzüge, die Perspektive ist die der Identifika-
Staats- u. UB Harnburg tion und Bewunderung. - AusfUhrliehe Beschreibung
siehe Sp.1157
Bayer. StaatsB München
Overberg, Bemhard Heinrich (1754-1826): Katholi-
scher Theologe und Pädagoge in Münster.

659 Neues ABC-Buchstabier- und Lese-Buch nach der Pädagogische Unterhandlungen


im Hochstifte Münster eingeführten Lehrart. [Von
Bemhard Heinrich Overberg.]- Münster: Aschendorf 662 Pädagogische Unterhandlungen. Herausgegeben
1788. 16 ungez. BI. 8° von J[ohann] B[emhard] Basedow, und J[oachim]
Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt. H[einrich] Campe. (Stück 5-12: Hrsg. von dem Dessau-
ischen Erziehungs-Institut.) [Jg 1], Stück 1-12.- Des-
Fibel mit ABC- Teil, Leseübungen und Lesestücken zur sau; Leipzig: Crusius (Stück 5-12: und Dessau: Stein-
ersten sachlichen, moralischen und religiösen Belehrung acker) 1777/78. 1183 S., 1 ungez. S. 8°
for Schulanfänger. Das Werk beginnt mit Tabellen der
Vokale und ihrer Verbindung mit Konsonanten und der Omamentale Titelvignette in allen Teilen.
Buchstabentafel, woran sich Leseübungsstücke anschlie- Monatsschrift zur Verbesserung der Erziehung; wendet
ßen. Es folgen Lesestücke über die Pflanzen-, Tier- und sich an Erwachsene, die mit der Erziehung der Kinder
Menschenwe/t, über Erde, Himmel und Gestirne, betraut sind, und an die Kinder selbst; umfaßt Nach-
schließlich moralische und religiöse Abschnitte. Das richten des Dessauer Philanthropins, erziehungstheoreti-
Werk wird beschlossen von religiösen Sprüchen und Ver- sche Abhandlungen sowie »Anfang und Proben« einer
sen sowie von einem Morgen- und einem Abendlied. Kinderzeitung, die »bloß solche Begebenheiten und An-
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt ecdoten erzählen« soll, »welche den Kindem zu lesen
und zu wissen schon jetzt nützlich sind«; die Schrift will
ein » Hülfsmittel zur moralischen Bildung unserer Zög-
linge, und auch fremder Kinder an andem Orten wer-
Pabst, Johann Georg Friedrich (1754-1821): Professor
den, deren Eltern oder Lehrer Gebrauch davon machen
der Philosophie an der Universität Erlangen, anschlie-
ßend Pfarrer in ZirndorfI Ansbach. Siehe Sp. 1237 wollen«.
HAB Wolfenbüttel; Bayer. StaatsB München; LB 01-
Die Entdeckungen des fünften Welttheils, 1783-90 denburg; StB Trier
1475 Bibliographie 1476

Pahl, Johann Gottfried (1768-1839): Pfarrer zu Neu- Pallhausen, Vincenz Pali von (1759-1817): Königli-
bronn (Schwaben), später Vikarius zu Fachsenfeld und cher Geheimer Staatsarchivar zu München.
Essingen.
siehe: Bibliothek für Mädchen, nach den Stuffen des
663 Hand-bibliotheck (Bd 2: Handbibliothek) für mei- Alters eingerichtet.
ne Tochter. Von Johann Gottfried Pahl. Bdch. I. Bd 2.-
siehe: Kinderakademie, eine Monatschrift zur Aufklä-
Nördlingen: Beck 1796/97. 8°
rung des Verstandes und Bildung des Herzens der Ju-
I. 1796. 4 ungez. BI., 40 I S., I ungez. S. gend.
2. 1797. 2 ungez. BI., 420 S.
Unsigniertes gestochenes Frontispiz und Titelvignette
in Bdch.l. Pape, C.L.
Lesebuchfor junge Mädchen, das sich )>über den Zweck 667 Verzeichniß etmger Wörter, welche dem Tone
der Unterhaltung noch einen höhern, den Zweck der Be- nach gleichlautend, aber dem Verstande nach sehr un-
lehrung setzt«; will >mnsre Töchter mit sich selbst und terschieden sind, nebst einigen in der Vorrede und An-
mit der Welt bekannter machen; nützliche Kenntnisse hange gegebenen Anmerkungen von der Rechtschrei-
unter ihnen in Umlauf bringen; ihnen Stoff zu Uebung bung zum Gebrauch der Jugend beyderley Geschlechts
ihrer Geisteskräfte darbieten; und ihren Gang auf dem in kleine Formeln gebracht, und auf Begehren einiger
J>fade der Verstandesbildung und Azifklärung beför- Gönner dem Drucke übergeben von C. L. Pape. - Ber-
dern«. lin: Haude und Spener 1752. 14 ungez. BI., 49 S. 8°
Staat!. B. Regensburg Orthographisches Lehrbuch, das Homonyme, gleich
oder ähnlich lautende Wörter mit verschiedener Bedeu-
Palairet, Jean (1697-1774): Holländischer Agent in tung, verzeichnet, damit die Schüler diese besser ausein-
London und Erzieher der Kinder Georgs II. ander halten können. Die Homonyme sind hierbei al-
phabetisch angeordnet und zu seinem Spruch zusam-
Kurtzer Inbegrif aller Wissenschaften zum Gebrauch mengefaßt. Das Werk enthält insgesamt 300 Sprüche
der Kinder von sechs bis zwölf Jahren, 17 54 und einen Anhang mit Rechtschreibrege/n. Es ist vor-
nehmlich an Adelige gerichtet und speziell der ))Prignit-
664 Kurtzer lnbegrif aller Wissenschaften zum Ge- zischen Hochadeligen Jugend« gewidmet.
brauch der Kinder von sechs bis zwölf Jahren. [Von J ean
Palairet.] (Vorr.: G. P. S.) 4. und um mehr als die Hälfte HAB Wolfenbüttel
verm. Ausg. - Berlin und Stettin: Pauli 1762. 4 ungez.
BJ., 184 S. 8°
Omamentale Titelvignette Parallelen und Paraphrasen

Enzyklopädiefor Kinder von sechs bis zwölf Jahren; mit 668 Parallelen und Paraphrasen der vorzüglichsten
besonders ausfohrlicher Behandlung der europäischen Nationaldenksprüche zum Besten der Jugend. - Prag:
Herrschaftshäuser; katechetische Frage- und Antwort- Mangoldt 1780. 63 S. 8°
form; im Anhang kurzer Abriß der brandenburgischen
Geschichte. EA lt. Wegehaupt (1979). Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.

Kinderbuchsamml. Dr. Strobach, Bielefeld Sittenlehre in Sprichwörtern; gedacht als Anleitung zu


)) Weisheit« und )!Klugheit« und als ))Memorial« for al-
665 Dass. u. d. T.: Kurzer lnbegrif aller Wissenschaf- le Altersgruppen und Stände zur Vermittlung der
ten zum Gebrauch der Kinder von sechs bis zwölf Jah- ))nothwendigsten Grundlinien der Weisheit«; enthält ei-
ren. [Von Jean Palairet.]l 0. und mit einem kurzen Begrif ne Sammlung von Sprüchen mit Erklärungen zu einem
der Brandenburgischen Geschichte verm. Aufl. - Ebd. sittlich-religiösen Lebenswandel.
1777. 3 ungez. BI., 280 S., 2 Faltbl. 8° StB München
Omamentale Titelvignette
Württemberg. LB Stuttgart
Parizek, Alexius Vincenz (1748-1822): Theologe und
Pädagoge in Prag.
Kurzer Inbegrif aller Wißenschaften zum nützlichen
Gebrauch eines Kindes von drey bis sechs Jahren, 17 56
669 Versuch einer kurzgefaßten Weltgeschichte für
666 Kurzer Inbegrif aller Wißenschaften zum nützli- Kinder, in Verbindung mit der Erdbeschreibung. Von
chen Gebrauch eines Kindes von drey bis sechs Jahren. Alexius [Vincenz] Parizek.- [Prag:] Normalschulbuch-
[Mutmaßl. Verf.: Jean Palairet.]2. Aufl.- Berlin: Haude druckerey 1782. 5 ungez. BI., I 04 S., 1 ungez. BI., 3 Falt-
und Spener 1759. 52 S. 8° tab. 8°
Omamentale Titelvignette Omamentale Titelvignette
Kurze Enzyklopädie for kleinere Kinder in katecheti- Kurzgefaßtes historisches Lehrbuch for den Schulge-
scher Frage-Antwort-Form; besonders ausfUhrliehe Ab- brauch; behandelt exemplarisch die wichtigsten Ereig-
schnitte über die europäischen Königshäuser und die nisse der Weltgeschichte von den Anfängen bis zur Re-
Mythologie. EA lt. Köster (1780/81). gierung Josephs II.
LBCoburg Samml. Theodor Brüggemann, Köln
1477 Bibliographie 1478

670 Kurzgefaßte Naturgeschichte Böhmens, zum Ge- Pfeffel, Gottlieb Konrad ( 1736-1809): Fabel dichter,
brauche der Jugend, von Alexius [Vincenz] Parizek. - Schriftsteller und Erzieher. Siehe Sp. 1237
Prag: Normalschulbuchdruckerey 1784. 4 ungez. BI.,
152 S. 8° 673 Dramatische Kinderspiele. [Von Gottlieb Konrad
Pfeffel.]- Strasburg: Bauer 1769. 8 ungez. BI., 93 S. 8°
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Ornamentale Titelvignette
Naturgeschichtliches Lehrbuch für den Unterricht der
Jugend; hat »die genauere Kenntniß unseres Vaterlan- Sammlung von drei Kinderschauspielen »zum Besten
des zur Hauptabsicht« und gibt sich vornehmlich mit der der Erziehung«, die bereits von 6-9jährigen Knaben
»Herzählung und Beschreibung innländischer Produk- aufgejilhrt worden seien; will über Handlung den Kin-
te« ab; handelt in 3 Abteilungen von dem Mineral-, dem eine »sinnliche Moral« vermitteln, »unter dem
J11anzen- und Tierreich und bringt im Anhang einen Scheine der Ergätzung lehren und bessern« und »aus
Abschnitt »Von dem Menschen« und Gesundheitsre- der Sittlichkeit sein Hauptwerk« machen; »Damon und
geln. Pythias« stützt sich auf die Sage vom pythagoreischen
Freundespaar, »Die Belagerung von Glocester« bearbei-
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
tet einen historischen Stoff aus dem Jahre 1645 und
»Die Gefahren der Ver:fiihrung« ist nach eigenen Anga-
ben einer Begebenheit entnommen, »welche uns Vale-
Patzke, Johann Samuel (1727-1787): Prediger in Lie- rius Maximus erzählet«. - Ausführliche Beschreibung
gen in der Kurmark, anschließend Pastor in der Altstadt siehe Sp. 98
von Magdeburg.
Bayer. StaatsB München
671 Musikalische Gedichte. Nebst einem Anhange Ei-
niger Lieder für Kinder. Von Johann Samuel Patzke.- 674 Dass.- Dillingen: Brönner 1771.44 ungez. BI. 8°
Magdeburg und Leipzig: Scheidhauer 1780. 7 ungez. Samml. Theodor Brüggemann, Köln
BJ., 338 S. 8°
Ornamentale Titelvignette 675 Fabeln der helvetischen Gesellschaft gewidmet.
[Von Gottlieb Konrad Pfeffel.] - Basel: Thurneysen
Liedersammlungfür Erwachsene und Kinder; enthält in 1783. 208 S. 8°
ihrem ersten Teil Wechselgesänge, Chöre und Kanta-
ten, im zweiten Teil Wiegenlieder, Widmungslieder und Ornamentale Titelvignette
Lieder auf bestimmte Festtage. Fabelsammlung in vier »Büchern«; am Schluß ein chro-
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin nologisches Verzeichnis der Fabeln, worin die »Nachah-
mungen ausländischer Fabeln« und »historische Züge
und entlehnte Anekdoten« bezeichnet werden.
Percival, Thomas ( 17 40-1804): Englischer Arzt in Lipp. LB Detmold; Freies Dt. Hochstift Frankfurt
Manchester, Schriftsteller, Verfasser philosophischer
und naturwissenschaftlicher Werke.
Pfennig, Johann Christoph ( 1724-1804): Schulrektor in
672 Thomas Percival's Unterricht für seine Kinder in Minden, anschließend Pfarrer in Stettin.
Erzählungen, Fabeln und Betrachtungen. Aus dem
Englischen. Th. [1.]2.- Leipzig: Weidmann und Reich 676 Anleitung zur gründlichen und nützlichen Kennt-
1776177.8° niß der neuesten Erdbeschreibung, mit Hülfe der
brauchbarsten Landkarten vornehmlich zum Unter-
[1.] 1776.126 S., 1 ungez.BI. richt der Jugend verfertiget von Johann Christoph Pfen-
2. 1777. 158 S., 1 ungez. BI. nig. 5. durchgängig verm. und verb., auch mit Registern
Ornamentale Titelvignette in beiden Teilen. vers. Ausg.- Berlin und Stettin: Rottmann und Effen-
bart 1794. XX, 604 S. 8°
Sammlung von Fabeln, Beispielgeschichten und kleinen
Gedichten; zunächst nur für die Kinder des Veifassers Materialreiches Kompendium der Geographie, das in
bestimmt; veifolgt drei Absichten: will »die Empfindun- zumeist tabellarischer Form Daten über sämtliche Län-
gen des Herzens ( .. .) veifeinem, und den Seelen eine der und Kontinente bietet; soll zusammen mit Landkar-
Liebe für die moralische Vortrefflichkeit ein(zu)flößen«; ten verwandt werden; der fünften Aufl. ist ein ausführli-
»die Neugier und den Geist der Nachforschung cher Registerteil hinzugefügt. EA lt. Ky 1770.
auflzu)wecken« und »eine frühere Bekanntschaft mit Lipp. LB Detmold
dem Gebrauche der Worte und Redensarten« fördern.
LB Oldenburg Phädrus (um 40 u. Z.): Römischer Fabeldichter.

677 Phäders Aesopische Fabeln. [Übers. von Kar! Fer-


Perschke, Christian Gottlieb (geb. nach 17 50): Pädago- dinandSchmid.]-Eisenach: Wittekindt 1781. 112 S. 8°
ge, Herzoglich Sachsen-Gothaiseber Rat, ab 1785 Pre-
Ornamentale Titelvignette
diger zu Weisse.
Übersetzung der Fabeln des Phädrus; Sammlung von
siehe: Der Jugendbeobachter. 127 Fabeln in 6 Büchern, die teilweise Prologe und Epi-
loge enthalten; die Wahl der Prosa wird mit Berufung
auf Lessing gerechtfertigt; als Vorlagen haben die Aus-
1479 Bibliographie 1480

gaben der Phädrischen Fabeln von Schwabe und Bur- Unsigniertes Frontispiz; I weitere Tafel von und nach
mann gedient. H.W.Hoppe.
UB d. TU Braunschweig Sammlung vornehmlich moralischer Kinderschauspie/e,
»die ganz aus dem geselligen Leben gehoben sind, we-
678 Ausgesuchte Fabeln aus dem Phaedrus zum Ge- gen der guten moralischen Schilderungen in Darstellung
brauche auf Schulen, ausgewählt von J[oachim] H[ein- solcher Charaktere, die bey unsern Kindern so gewöhn-
rich] Campe. Herausgegeben von Joh[ann] Heinr[ich] lich sind, und des leichten und lebhaften Dialogs wegen,
Aug[ust] Schulze. - Braunschweig: Schul-buchhandl. der leselustigen Jugend zu einer sehr angenehmen und
1791. 2 ungez. BI., 44 S. 8° nützlichen Unterhaltung dienen können«. - Eng/. EA
(Encyclopädie der lateinischen Classiker; Abth. I. 1792 (lt. BM).
Dichtersammlung. Th. 2, Bd2.)
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Angeb.: Schulze: Erklärende Anmerkungen zu den zum
Gebrauche auf Schulen ausgewählten Fabeln aus dem
Phaedrus. 3 ungez. BI., 154 S. (Erklärende Anmerkun- Pluche, Noel Antoine (1688-1761): Französischer Pä-
gen zu der Encyclopädie der lateinischen Classiker. dagoge.
Th.2, Bd2.)
Lateinische Fabellese fiir den Unterricht an Schulen. 682 Schau-Platz der Natur, oder Unterredungen von
der Beschaffenheit und den Absichten der natürlichen
StB Braunschweig Dinge, wodurch die Leser zu weiterm Nachforschen
aufgemuntert, und auf richtige Begriffe von der All-
679 Phäders Aesopische Fabeln. Übersetzt und mit er- macht und Weisheit Gottes geführet werden. [Aus dem
läuternden Anmerkungen begleitet von Johann David Franz. des Noel Antoine Pluche.] Mit Kupfern. Th. 1-8.
Büchling.- Halle: Hendell796. XX, 218 S. 8° Frankfurt und Leipzig: Monath [1760]--66. 8°
Titelvignette von Hafe. I. Welcher die Thiere und Pflanzen betrachtet. [1760.]
Das Werk enthält außer einer Einleitung über das » Le- 15 ungez. BI., 614 S., 5 ungez. BI., 27 Kupfertaf., da-
ben des Phädrus« und einem Anhang insgesamt 12 7 von 26 aufFaltbl.
Fabeln in Prosa- Übersetzung; die Einleitungsteile haben 2. Welcher die Fruchtbarkeit der Erde betrachtet. [Um
zudem einen Prolog und einen Epilog; den Fabeln sind 1760.]15 ungez. BI., 507 S., 11 ungez. S., 35 Kupfer-
teilweise eine oder mehrere Lehren zugegeben, wobei al- taf., davon 34 auf Faltbl.
len jeweils mehrere erläuternde Anmerkungen angefiigt 3. Welcher die äusserliche und innerliche Beschaffen-
sind. Das Werk ist der erwachseneren Jugend auf Schu- heit der Erde betrachtet. [Um 1763.] 11 ungez. BI.,
len und Gymnasien gewidmet. 638 S., 5 ungez. BI., 33 Kupfertaf., davon 32 auf
Faltbl.
UB d. TU Braunschweig 4. Worinn der Himmel, und die aus der Einrichtung des
Weltgebäudes dem Menschen zufliesende Glück-
680 Phädrus in deutschen Reimen. Mit Anmerkungen, seeligkeit betrachtet, ingleichen eine Erzählung der
und einer Vorbereitung zu seiner Lektüre ec. Von Xaver wichtigsten Erfahrungen und Versuche, worauf die
Weinzierl.- München: Lentner 1797.8 ungez. BI., 64, Erkenntniß der Natur sich gründet, gegeben wird.
304 S. 8° 1764.3 ungez. BI., 692 S., 5 ungez. BI., 29 Kupfertaf.,
Die lateinischen Fabeln des Phädrus mit deutscher davon 28 aufFaltbl.
Übersetzung in paarweise gereimten Versen; die Samm- 5. Werinnen der Mensch an sich selbst, dessen Beruf
lung enthält 93 Fabeln in fiinf Büchern; jedem Buch und Geschicklichkeit betrachtet wird. [Um 1765.] 7
sind Anmerkungen des Übersetzers angefiigt; bezüglich ungez. BI., 648 S., 3 ungez. BI., 21 Kupfertaf., davon
der Versifikation der Fabeln beruft sich der Übersetzer 20aufFaltbl.
auf Gleim und f1effel, bezüglich der Theorie auf Les- 6. Welcher dasjenige zu betrachten darstellet, was zum
sing und Herder; im ausfiihrlichen Vorwort wird u. a. gesellschaftlichen Leben der Menschen gehöret.
auf den Nutzen des » Fabelstudiums überhaupt« einge- 1765. 2 ungez. BI., 606 S., 5 ungez. BI., 31 Kupfertaf.,
gangen und die Fabel als Kinder- und Jugendlektüre davon 30 aufFaltbl.
gerechtfertigt. 7. Welcher die Handlung, das Reisen und die Einrich-
tung eines Landes betrachtet. 1766. 2 ungez. BI.,
UB d. TU Braunschweig 562 S., 4 ungez. BI., 34 Kupfertaf., davon 33 auf
Faltbl.
8. Werinnen der Mensch in Gesellschaft mit Gott be-
Physikalisch-Naturhistorisches Spiel- und Lesebuch für trachtet wird. 1766.2 ungez. BI., 460 S., 2 Kupfertaf.
Kinder. Siehe: Baumann, Ludwig Adolph.
Frontispiz in allen Theilen (unsigniert); außer einer Ta-
fel in Th. 4, gestochen von Sebastian Dom aus Nüm-
berg und fünf Tafeln in Th. 7, signiert mit »F. D. B.«,
Pinchard,- (Mrs.)
sind die Kupfer alle unsigniert.
681 Dramatische Unterhaltungen zur Belehrung und Enzyklopädisches Lehrbuch; behandelt die Naturreiche,
zum Vergnügen junger Personen. Von der Verfasserin die Welt des Menschen und die Religion; macht die
des blinden Kindes [d. i. Mrs. Pinchard]. Nach dem christliche Offenbarungsreligion zur Grundlage unter
Englischen bearbeitet von Christian Felix Weisse. Mit Absetzung von den neuzeitlichen Naturwissenschaften;
Kupfern. Neue Aufl.- Leipzig: Gräff[l794]. 2 ungez. in Gesprächsform eingekleidet; vornehmlich an junge
BI., 299 S., 2 Kupfertaf. 8° Adelige gerichtet; Übersetzung von Le Spectacle de Ia
1481 Bibliographie 1482

Nature, ou entretiens sur les particularites de l'histoire Bildungsanstrengungen eines dreizehnjährigen Pasto-
naturelle (I 732/33); erste deutsche Ausgabe in 9 Teilen rensohnes, der durch seinen Vater in die Wissenschaften
Wien 1746-53 lt. Georgi. eingefiihrt wird.
Leop.-Soph.-B. Überlingen Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel

Poetischer Bilderschatz Predigten für Kinder


683 Poetischer Bilderschatz der vornehmsten Bibli- 686 Predigten für Kinder, welche die Landschulen be-
schen Geschichte des alten und neuen Testamentes, suchen.- Zürich: Ziegler 1796. 104 S. 8°
zum erbaulichen Vergnügen der Jugend ans Licht ge-
stellet. Th. 1.2.- Leipzig: Breitkopf 1758. 8° Sammlung von 6 Predigten for Landkinder, die Themen
der christlichen Sittenlehre behandeln. Eine Predigt be-
I. Welcher das alte Testament enthält. 3 ungez. BI., 150 schäftigt sich mit der Kinderliebe Jesu. Der anonyme
BI. mit je I Kupferill. [Taf. 40 fehlt in diesem Ex.], Veifasser ist Geistlicher und Lehrer in einer Landge-
S.l51-154. meinde.
2. Welcherdas neue Testament enthält. 150 BI. mit je I
Kupferill., S. 151-154. ZentralB Zürich
In Th. I und 2 die gleiche Titelvignette, gestochen von
J. D. Philippin. Die Kupferillustrationen sind unsi-
gniert. Holzschnittrandleisten aufbeiden Titelblättern. Prenninger, Johann Friedrich: Prediger und Schriftstel-
ler in Rhinow und Stöllen (Mittelmark).
Bilderbibel for Kinder; enthält je 150 Kupferillustratio-
nen zu Geschichten des Alten und Neuen Testaments 687 Anweisung zur Kenntniß des Menschen und der
mit daruntergesetzten poetischen Beschreibungen und Natur überhaupt. Vor und neben dem Religionsunter-
Nutzanwendungen, zumeist I 2- oder 16zeiligen Ale- richte zu gebrauchen. Von Joh[ann] Friedrich Prennin-
xandrinern. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 687 ger. -Altona: Hammerich 1793.4 ungez. BI., 208 S. 8°
Samml. Theodor Brüggemann, Köln Lehrbuch, als eine »Anleitung for Aeltern und Lehrer«
gedacht, der sie sich bei der »Unterweisung der Kinder
in den ersten nothwendigen Kenntnissen« bedienen sol-
Pomona len. Zunächst werden der menschliche Körper und seine
Organe behandelt, dann auf die Seele und ihre Vermö-
684 Pomona für Teutschlands Töchter, von [Marie] So- gen, auf Verstand, Vernunft, Wahrheit und Aberglau-
phie (1783, H. 2-1784: von) Ia Roche. 1783/84.- Spei- ben eingegangen. Im Anschluß hieran werden vereinzel-
er:Enderl783/84.80 te geographische Kenntnisse vermittelt, dann aber über-
wiegend Themen aus der Naturkunde und Kosmologie
1783. H. 1-12. 1221 S., 3 Notenbl.
behandelt. Vereinzelt finden sich Liedeinlagen.
1784. H. 1-12. 1160 S., I Notenbl., 3 ungez. BI.
Staats- u. UB Harnburg
Ornamentale Titelvignette in allen Heften; Frontispiz in
Heft 12, 1784, gestochen von H. Sintzenich.
688 Belehrungen für die Jugend. Als Lesebuch für An-
Monatsschrift for Mädchen und junge Frauen, denen fängerund Geübtere. Von Joh[ann] Friedrich Prennin-
»im Spazierengehen eine Menge nützlicher und ange- ger. -Altona: Hammerich 1793. 8 ungez. BI., !58 S. 8°
nehmer Kenntnisse« vermittelt werden sollen; enthält in
Lesebuch for den privaten Gebrauch und den Unterricht
ihrem Kern die Briefe an Lina und die Moralischen Er-
an Landschulen; gedacht als Vorbereitung auf »Kent-
zählungen.
niß und Uebung des Christenthums«, zur Vermittlung
Pfälz. LB Speyer (1783); Bayer. StaatsB München »gemeinnütziger Kenntnisse, welche Kinder, ehe sie le-
(1784) sen lernen, bereits eingesammlet haben sollten«; enthält
in 51 Texten Beispielerzählungen, Gebete, Lieder,
Sprichwörter mit Auslegung, sowie Sachtexte zu den Sa-
Poppe, Johann Heinrich Moritz (1776-1854): Profes- kramenten, der Gesetzgebung und zu landwirtschaftli-
sor am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin, Ma- chen Fragen, um » Buchstabenkenntniß mit der Sachen-
thematiker und Technologe. kenntniß« zu verbinden.
Staats- u. UB Harnburg
685 Optische Täuschungen, oder Erklärung verschie-
dener wunderbarer Erscheinungen in der Natur. Ein
Lesebuch für die Jugend von Johann Heinrich Moritz
Poppe.- Göttingen: Sehröder 1800. 120 S., I ungez. BI., The Progress of Man. Siehe: Trusler, John.
I Kupfertaf. aufFaltbl. 8°
Die Tafel enthält optische Zeichnungen.
Raabe, August (1760-1841): Postdirektor.
Optisches Lesebuch zur Unterhaltung und zum Nutzen
»der Jugend und unmathematischen Leser«; behandelt 689 Briefe für Kinder. Eine Sammlung durchgehends
optische Täuschungen, die durch die Einbildungskraft zweckmäßig belehrenden Inhalts. [Von August Raabe.]
hervorgerufen sind, bzw. denen optische Gesetze zu- Neue, ganz umgearb. Aufl. - Braunschweig: Schul-
grunde liegen; eingekleidet in eine Erzählung über die buchhandl. 1798. X, 180 S. 8°
1483 Bibliographie 1484

Sammlung von Kinderbriefen, durch die 6-12jährige Titelvignette, gestochen von J. G. Sturm; auch die Kup-
Jungen und Mädchen »selbst Begriffe, Anleitung und fertafeln sind von ihm nach Waagen (10) und J. F. W.
Ermunterung zum Briefschreiben erhalten« sollen. Die Born (2) gestochen.
Sammlung will unterhalten und gleichzeitig »sowohl zur
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Beförderung der sittlichen Bildung, als auch zur Ver-
mehrung der Kenntnisse der Jugend« beitragen. - EA
1785 (Ky). 695 Dass. Mit Zwölf Kupfer-Taf. 4. verm. und verb.
Aufl. - Frankfurt und Leipzig 1784. 7 ungez. BI., 149
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. [richtig: 749] S. 8°
Unsignierte Titelvignette; die Kupfertafeln sind eben-
Raff, Georg Christian ( 17 48-1788): Pädagoge, Kon- falls unsigniert; 4 Tafeln fehlen in diesem Exemplar.
rektor an der Schule zu Göttingen. Siehe Sp. 1238 Hess. Landes- u. Hochschu!B Darmstadt
690 Geographie für Kinder, von Georg Christian Raff.
696 Dass. Mit Fünfzehn Kupfertaf. Neueste verschö-
Mit einer Vorrede (J[ohann] G[eorg] H[einrich]) Feders.
nerte Aufl.- Wien und Prag: Haas 1802. 463 S., I un-
- Göttingen: Dieterich 1776. 8 ungez. BI., 452 S. 8° gez. S. go
Titelvignette in Kupferstich von J. H. Meil.
Frontispiz und 14 Kupfertafeln sind unsigniert.
Lehrbuch zur Geographie for den Privatunterricht, den Nachdruck der Originalausgabe, jedoch ohne das Vor-
Unterricht an öffentlichen Schulen und die außerschuli-
wort Raffs; im Anhang drei zusätzliche Kupfertafeln,
sche Lektüre; bestimmt als Anleitungfor Mädchen und
zusätzlich ein Frontispiz (alle Tafeln unsigniert); ohne
Jungen im ersten Lesealter und zum Vorlesen for Zwei-
die Vignetten der Originalausgabe.
bis Vieljährige; behandelt in Dialogform die europäi-
schen Länder mit Schwerpunkt auf Deutschland. -Aus- Privatbesitz
fuhrliehe Beschreibung siehe Sp. 1014
697 Dialogen für Kinder, Von Georg Christian Raff.-
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Göttingen: Dieterich 1779. 246 S. 8°
691 Dass. u. d. T.: Geographie für Kinder, von Georg Gestochene Titelvignette von J. H. Meil.
Christian Raff. 5., verb. Aufl.- Ebd. 1786. VIII, 424
S. 8o Sammlung von sieben Dialogenfor 8-14jährige Jungen
und Mädchen; vermittelt in unterhaltender Weise
Lipp. LB Detmold Kenntnisse aus der Geographie, der Naturgeschichte,
der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, des Militärwe-
Geographie für Kinder. Nach des Verfassers Tode fort- sens und der Kultur- und Religionsgeschichte und ver-
gesetzt von C. C. Andre. Siehe: Andre, Christian Carl. folgt zugleich die Absicht der sittlichen Bildung.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
692 Naturgeschichte für Kinder, von Georg Christian
Raff. Mit Elf Kupffer-Tafeln.- Göttingen: Dieterich
1778. 9 ungez. BI., 624 S. 8° 698 Georg Christian Raffs Abriß der Allgemeinen
Weltgeschichte für die Jugend und Ihre Freunde. (Th. 4:
Unsignierte Titelvignette; Tafeln von J. G. Sturm nach Nach dem Tode des Verfassers fortgesetzt von einem
F. L. H. Waagen. Freunde desselben [d. i. Adam Christian Gaspari].) Th.
Naturgeschichtliches Lehrbuch for Kinder ab fonf Jah- 1-4. - Göttingen: Vandenhök (Th. 3.4: Vandenhoek
und Ruprecht) 1787-92. 8°
ren; hauptsächlich for den Schulgebrauch bestimmt; be-
handelt an die 2000 J1lanzen, Tiere und Minerale und 1. 1787.8 ungez. BI., 304 S.
knüpft dabei an dem Eifahrungsbereich der Kinder an; 2. 1787.2 ungez. Bl.,295 S., 1 ungez. S.
dialogische Erzählform; »in dem Ton geschrieben 3. 1788.4ungez.Bl.,310 S.
( .. .), wie es die Kinder haben wollen, und gewisserma- 4. 1792.382 S.
ßen auch haben müssen, wenn sie mit Nuzen und Ver-
gnügen drin lesen sollen«; reichhaltige Kupferillustrie- Omamentale Titelvignette in Th. 1-3.
rung. - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp.l021 Historisches Lehrbuch for den Privatunterricht und for
Nieders. Staats- u. UB Göttingen; Hess. Landes- u. »öffentliche Schulanstalten«, das in einem »Thon« ab-
gejaßt ist, »den die Jugend leicht verstehen kann«. Das
Hochschu!B Darmstadt; Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt,
Halle Werk behandelt in zwei Hauptabteilungen die vorchrist-
liche und die nachchristliche Geschichte. Es ist von Raff
693 Dass. Mit Eilf Kupffer-Taf. 2. verm. und verb. selbst in 3 Teilen bis ca. zum 13. Jh. gefohrt. Der 4. Teil
Aufl- Frankfurt und Leipzig 1780. 8 ungez. BI., 704 S., ist die Fortsetzung des Werks von Adam Christian Ga-
6 ungez. BI. 8° spari. Er behandelt den Zeitraum bis zu Kar/ V., also
bis etwa 1520. Lt. Kayser sind bis 1803 noch zwei wei-
Unsignierte Titelvignette; die Kupfertafeln sind kolo- tere Fortsetzungsbände von Gaspari erschienen, die den
riert und auch unsigniert. in Bd 1 angekündigten letzten Zeitraum von Kar/ V. bis
Samml. Theodor Brüggemann, Köln zu Joseph li. behandeln. Die 3 Fortsetzungsbände von
Gaspari sind auch selbständig unter dem Titel Abriß der
neuerenallgemeinen Weltgeschichte erschienen.
694 Dass. Mit Zwölf Kupffer-Taf. 3. verm. und verb.
Aufl. - Göttingen: Dieterich 1781. 8 ungez. BI., 672 Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
S.8°
1485 Bibliographie 1486

Rambach, Friedrich Eberhard (1767-1826) Titelvignette in Kupferstich von und nach J. W. Meil.
Fabelanthologie in drei Teilen; will die Kenntnis der
699 Odeum. Eine Sammlung deutscher Gedichte aus
wichtigsten Dichter vermitteln. Die aufgenommenen
unterschiedenen Gattungen zum Behuf des Unterrichts
Texte sind durchgängig von Ramler bearbeitet worden.
und der Uebung in der Deklamation. Herausgegeben
von Friedrich [Eberhard] Rambach. Th. 1-4.- Berlin UB d. FU Berlin
und Stettin: Nicolai 1800-02.8°
I. (für die untern Klassen bestimmt) Fabeln, Erzählun-
gen, Idyllen enthaltend. 1800. 3 ungez. BI., 232 S. Rautenberg, Christian Günther ( 1728-1776): Prediger
2. (für Geübtere) Romanzen, Balladen, epische, lyri- an der Martini-Kirche in Braunschweig.
sche Gedichte und Monologen. 1800. 4 ungez. BI.,
372 S., 2 ungez. BI. 702 Die Christliche Glaubens- und Sitten-Lehre cate-
3. Dramatische Fragmente enthaltend. 1802. 3 ungez. chetisch abgehandelt von C[hristian] G[ünther] Rauten-
Bl.,383 s. berg. - Braunschweig: Meyer 1767. 8 ungez. BI., 368
4. Dramatische Fragmente, Reden, prosaische Aufsät- S. 8o
ze und eine Nachlese enthaltend. 1802.2 ungez. BI.,
390 s. Ornamentale Titelvignette

Anthologie poetischer Stücke for den Schulgebrauch zu Religionslehrbuch in katechetischer Frage-Antwort-


Zwecken des Rhetorik- und Poetikunterrichtes. Die Form. Handelt in sieben Hauptstücken von Gott, sei-
Stücke sind nach Gattungen geordnet (siehe Stücktitel). nem Dasein und seinen Eigenschaften, von der Schöp-
Die ersten beiden Bände enthalten zahlreiche Stücke fung, von den Pflichten des Menschen, von der Erlösung
von Bürger, Goethe, Herder, Hölty, Matthisson, Schil- des Menschen, von der Heiligung und vom zukünftigen
ler, A. W. Schlegel und Voß, wobei die sonst üblichen Zustande des Menschen. Die umfangreiche Vorrede
Autoren natürlich auch vertreten sind. Die beiden letzten enthält bemerkenswerte Überlegungen darüber, wie ein
Bände enthalten Auszüge aus Stücken u. a. von Engel, Lehrbuch for Kinder auszusehen habe.
Gerstenberg, Goethe, Lessing, Schiller, Shakespeare, HAB Wolfenbüttel
A. W. Schlegel und Voltaire.
Schiller-Nationalmuseum Marbach 703 C[hristian] G[ünther] Rautenberg's Einleitung in
die Christliche Glaubens- und Sittenlehre. - Braun-
schweig: Fürst!. Waysenhaus-Buchhandl. 1777. 2 un-
gez. BI., 59 S. 8°
Rambach, Johann Jacob (1693-1735): Pietistischer
Theologe. Ornamentale Titelvignette
Posthum herausgegebener Auszug aus Die christliche
700 Joh(ann) Jac(ob) Rambachs Erbauliches Hand- Glaubens- und Sittenlehre (1767), die Rautenberg bei
büchlein für Kinder, In welchem enthalten I. Die Ord- seinen verschiedenen Privatunterweisungen als Leitfa-
nung des Heyls, II. Die Schätze des Heyls, III. Ein neues den gedient habe und die das enthalte, was ein Schüler
Gesang-Büchlein, IV. Ein neues Gebet-Büchlein, V. Ex- auswendig lernen müsse.
empel frommer Kinder, VI. Christliche Lebens-Regeln,
VII. Nöthige Sitten-Regeln. Anietzo vermehret VIII. HAB Wolfenbüttel
Mit einem Unterricht von der Gefahr der Verführung,
IX. Mit einer Unterweisung vom heiligen Abendmahl,
Beichten und Gevatterstehen. Auch mit nöthigen Regi- Reccard, Gotthilf Christian (1735-1798): Professor der
stern versehen. Eilfte vermehrte und corrigirte Auflage. Theologie in Berlin, Konsistorialrat, Direktor des Colle-
-Leipzig: Friderici 1750.35 ungez. BI., 370 S., 7 ungez. gii Fridericiani.
BI. 8o
Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich. 704 Auszug aus dem Lehr-Buche darin ein kurzgefaß-
ter Unterricht aus verschiedenen Wissenschaften gege-
Religiöses Handbuch for evangelische Kinder; enthält ben wird. Zum Gebrauche der Land-Schulen in den Kö-
alles, ))Was einem Kinde zu seiner Unterweisung im nig!. Preußischen Provinzen. [Von Gotthilf Christian
wahren Christenthum, und zum Wachsthum in der Er- Reccard.] Mit einem Kupfer.- Berlin: Buchladen der
kenntniß und der Frucht des HERRN dienlich und nö- Real-Schule 1765. 72 S. 8°
thig ist«; von ))guter Hand« vermehrte Auflage. EA
1734. Ornamentale Titelvignette; die Kupfertafel befindet
sich auf einem Faltblatt und ist unsigniert.
Oberlandesgericht Celle
Auszug aus dem enzyklopädischen Lehr-Buch des Ver-
fassers von 1765, auf ca. ein Zehntel des Umfangs ge-
kürzt; jilr Landschulen bestimmt; verfaßt auf Anwei-
Ramler, Karl Wilhelm (1725-1798): Professor der Lo-
sung des »Preußischen Land-Schul-Regiments« vom
gik und schönen Wissenschaften, Mitdirektor des Deut-
12. August 1763, § 20; enthält Abschnitte über die Seele
sehen Nationaltheaters Berlin.
des Menschen, die Naturlehre, die Rechen- und Feld-
meßkunst, schließlich vom Weltgebäude und der Histo-
701 Fabeln und Erzählungen aus verschiedenen Dich-
rie; in katechetischer Frage-Antwort-Form abgefaßtes
tem, gesammelt von Kar! Wilhelm Ramler. Eine Fort-
Lehrbuch.
setzung der Fabellese. - Leipzig: Maurer 1797. 318 S.
8o Württemberg. LB Stuttgart
1487 Bibliographie 1488

705 Lehr-Buch darin ein kurzgefaßter Unterricht aus auchfiir den ersten »Clavier- und Singunterricht« geeig-
verschiedenen philosophischen und mathematischen net. Einige Texte sind speziell fiir die Sängerinnen ge-
Wissenschaften, der Historie und Geographie gegeben dacht. Die Texte stammen von Baggesen, Berquin, Frie-
wird. Zum Gebrauch in Schulen. [Von Gotthilf Chri- derike Bruns, Burmann, Campe, M. Claudius, Herder,
stian Reccard.] Mit Kupfern.- Berlin: Buchladen der Jacobi, Schiller, K. Schmidt, Agnes und F. L. Stolberg.
Realschule 1765. 605 S., I ungez. S., 4 Kupfertaf. auf
Faltbl. 8° Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt

Ornamentale Titelvignette; die Kupfertafeln sind unsi-


gniert. Reiche, Jobst Christoph E. v. (1772-1844): Secondlieu-
Ausschließ/ichfiir Stadtschulen bestimmtes enzyklopädi- tenant im preußischen Regiment Unruh in Bayreuth.
sches Lehrbuch; praktisch orientierte Auswahl der Stoffe
mit Rücksicht auf deren Bedeutung for Künste, Hand- 709 Militairisches Lesebuch für Garnison-, Bürger-
werke und das >>gemeine Leben«; handelt in drei Abtei- und Landschulen so wie auch zur nützlichen Unterhal-
lungen von der »Geister- Welt«, der »Körper- Welt« und tung für den Soldaten, Bürger und Landmann selbst zur
der Geschichte und Geographie; in katechetischer Fra- Verdrängung schädlicher Vorortheile dem Könige und
ge-Antwort-Form abgefaßtes Lehrbuch; in offiziellem Vaterlande dargebracht von J[obst] C[hristoph] E. v.
Auftrag veifaßt. Reiche. Th. 1.- Bayreuth: Verf. 1800. XLVI, 207 S., 1
ungez. BI. 8°
Kinderbuchsamml. Dr. Strobach, Bielefeld
Sammlung von moralischen Abhandlungen über die Ei-
706 Dass. (Von Gotthilf Christian Reccard.) 4. verm. genschaften und Tugenden, die einen guten Soldaten
und verb. Aufl.- Berlin: Realschui-Buchhandl. 1774. kennzeichnen. Gedacht sowohl fiir Erwachsene wie fiir
614 S. 8° Kinder und zum Schulgebrauch. Das Werk ist speziell
fiir die »Unterrichts- und Industrie-Schule bey dem In-
Ornamentale Titelvignette fanterie-Regimente von Unruh« veifaßt und enthält zu-
UB Düsseldorf gleich einen detaillierten Schulp/an. Da die Abhandlun-
gen keinerlei Veranschaulichungen enthalten, sollen
Beispiele aus dem 1798 erschienenen Lesebuch für Sol-
datenschulen von Kar/ Rudolph Richter herangezogen
Rehm, Johann Christoph Wilhelm (1768-1809): Kö-
niglich Preußischer wirklicher Kammer- und Land- werden. Die Vo"ede enthält eine Polemik gegen die
Französische Revolution und die Gleichheitsidee. Ein
schaftssekretär in Ansbach.
zweiter Band ist nicht erschienen.
707 Lehrreiche Unterhaltungen für Kinder. Herausge- HAB Wolfenbüttel
geben von [Johann Christophi Wilhelm Rehm. Bdch.
[1.]2. - Bdch. I : Kaufheuren 1792: Dorn - Bdch. 2:
Kempten: Kösell793. 8° Reiche, Karl Christoph (gest. nach 1790): Historiker,
[1.] 1792. 8 ungez. BI., 160 S. Prediger und Buchhändler. Siehe Sp. 1238
2. 1793.4 ungez. BI., 236 S.
710 Die Geschichte Roms. Ein Lesebuch für Kinder
Ornamentale Titelvignette in Bdch. I ; in Bdch. 2 gesto- von 7 bis 15 Jahren. [Von Karl Christoph Reiche.]-
chenes Frontispiz von Mayr nach B. Thanner sowie Ti- Leipzig: Weygand 1778. 11 ungez. BI., 471 S., 2 ungez.
telvignette, signiert mit ))D«. S.8°
Sammlung lehrreicher Unterhaltungen; in der Absicht Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
geschrieben, »der Jugend eine angenehme und nüzliche
Unterhaltung zu verschaffen, ihr Nahrung fiir Gedächt- Lesebuch fiir 7- bis 15jährige Kinder zur römischen Ge-
niß, Verstand und Herz zu geben, und sie zugleich zur schichte von der Gründung der Stadt bis auf die Zeit
Fertigkeit im Lesen, welche durch anhaltende Uebung des Kaisers Augustus; will die Kinder vor Müßiggang
erhalten werden muß, zu bringen«. und schlechtem Zeitvertreib bewahren und sie zu guten
Erkenntnissen und Gesinnungen leiten; dient der Unter-
UBTübingen haltung und moralischen Belehrung. - Ausfiihrliche Be-
schreibung siehe Sp. 1027
Lipp. LB Detmold
Reichardt, Johann Friedrich (1752-1814): Königlich
Preußischer Kapellmeister in Berlin, später Salzinspek-
tor in Schönebeck/Magdeburg.
Reichenbach, Friedrich Christian ( 1740-1786): Kir-
708 Wiegenlieder für gute deutsche Mütter von chenprobst der Grafschaft Ranzau und Hauptpastor in
Joh[ann] Fried[rich] Reichardt. - Leipzig: Fleischer Elmshorn.
[1798]. VIII, 40 S., 20 Notenbl., davon 8 auf Faltbl. 8°
711 Hauptlehren des Christenthums nach Anleitung
Titelvignette in Kupferstich von und nach H. V. F. des apostolischen Glaubensbekenntnisses. Zusammen-
Schnorr von Karolsfeld. geordnet von Friderich Christian Reichenbach.- Harn-
Sammlung von 20 Wiegenliedern mit Melodien, die so- burg: Bohn 1786. 56 S. 8°
wohl »an die zärtlichen und verständigen Mütter, als an Religiöses Lehrbuch in Form einer tabellarischen Zu-
die Kindlein« gerichtet sind. Sie sollen zum ln-den- sammenfassung der wichtigsten Inhalte des Religions-
Schlaf- Wiegen der Kinder verwandt werden, sind aber unterrichtes. Es dient als Leitfaden, anhand dessen der
1489 Bibliographie 1490

Jugend »beym Beschluß des Unterrichts« alles wieder- Predigtsammlung verschiedener Autorenfiir die männli-
holt und »eingeschäift« wird (Vorr.) che >>studirende Jugend« aus dem Bürgertum, ursprüng-
lich speziell fiir die Zöglinge des Klosters Berge abge-
HAB Wolfenbüttel
faßt; enthält moralisch-religiöse Bibelauslegungen mit
lebenspraktischer Ausrichtung sowie eine umfassende
Abhandlung fiir Prediger und Pädagogen über Sinn und
Reinhardt, Justos Gottfried ( 17 59-1841): Pädagoge.
Wesen christlicher Lehrpredigten. - AusfUhrfiche Be-
Siehe Sp. 1238
schreibung siehe Sp. 745
712 Der Mädchenspiegel oder Lesebuch für Töchter in UB d. TU Braunschweig
Land- und Stadtschulen ganz nach dem von Rochow-
schen eingerichtet von J(ustus) G(ottfried) Reinhardt. 715 Reden an die Jugendbey Eröffnung der Lectionen
2., verm. und verb. Aufl. - Halle: Gebauer 1794. XIV, nebst einigen Erziehungsbeobachtungen von Friedrich
282 S. 8° Gabriel Resewitz. - Magdeburg: Keil 1797. VIII, 164
S.8°
Lesebuchfiir Mädchen in Stadt- und Landschulen nach
dem Muster von Rochows Kinderfreund, aus dem ein Sittenlehre fiir die männliche Jugend, deren Eltern und
großer Teil der Stücke wörtlich oder mit Veränderungen Erzieher; will »gute Vorsätze erwecken« und die Er-
übernommen worden ist; gegliedert nach Altersstufen in wachsenen veranlassen, »über die sittliche Bildung der
drei Abteilungen. Neben den moralisch-belehrenden Jugend mit mehrerem Interesse nachzudenken, und
Beispielerzählungen finden sich Sentenzen, Lieder und manche herrschende Grundsätze darüber genauer zu be-
vor allem sachlich-belehrende Texte. Der Mädchenspie- richtigen«; enthält 21 Reden mit dem Ziel »in der Welt
gel ist eines der ersten Lesebücher fiir den Schulge- nützlich und brauchbar« zu werden; im Schlußkapitel
brauch, die nur fiir Mädchen bestimmt sind. Erstausga- erziehungstheoretische Darlegungen des Verfassers.
be lt. Kayser 1791. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe
Hoffi Aschaffenburg
Sp.908
UBTübingen
Reupsch, Johann Friedrich Lebrecht (1727-1788): Ge-
richtsamtmann, später Regierungs- und Konsistorialse-
Reise eines Vaters
kretär in Bemburg.
713 Reise eines Vaters mit seinen beiden Söhnen durch
716 Fabeln aus dem Alterthume in vier Büchern. (Von
ganz Deutschland. (Bdch. 3: Reise eines Vaters mit sei-
J[ohann] F[riedrich Lebrecht] R[eupsch].)-Breßlau und
nen beiden Söhnen durch den oberrheinischen Kreis.)
Leipzig: Meyer 1760.8 ungez. BI., 168 S. 8°
Ein interessantes, aufklärendes und das Herz veredeln-
des Lesebuch für deutsche Kinder; zur Kenntniß des Gestochene Titelvignette; Frontispiz von J. M. Stock.
Vaterlandes, der weisen Einrichtungen in der Natur, des
Sammlung äsopischer Fabeln fiir die Jugend; der Ver-
Schöpfers ec. ec. Bdch. 1-3.- Frankfurt a.M.: Zeßler
fasser betont, er habe die Fabeln nicht übersetzt, son-
(Bdch.3: Diez) 1797-1800.8°
dern sie »blos im Deutschen so einzukleiden gesucht,
I. 1797.XX,274S. wie ich geglaubt habe, sie so natürlich als möglich, doch
2. 1798. VIII, 166 S. nicht ohne Anmuth zu erzählen«; die Fabeln sind in
3. 1800.XIV,272 S. Prosa abgefaßt, »in einer heilem Schreibart, und blos
mit kurzen Sittenlehren«.
Frontispiz in Kupferstich in allen Bändchen von und
nach J. P. Schweyer. UB d. TU Braunschweig
Belehrend-unterhaltende Reisebeschreibung fiir Kinder
und Geographielehrer, »denen sehr oft so manches
selbst noch unverständlich ist, was sie beim Unterricht Reventlow, Friederike Juliaue Gräfin von (1762-1816):
doch erklären sollen«. Auf unterhaltende Weise will die Gattin des Grafen Friedrich Kar! von Reventlow, kö-
Reisebeschreibung unvermerkt historische, geographi- nigl. dänischer Gesandter in London; verkehrte im
sche und soziale Kenntnisse vermitteln. Kreise von Klopstock, Voß und Boie.
StUß Frankfurt
717 Kinderfreuden oder Schulunterricht in Gesprä-
chen. [Von Friederike Juliane Gräfin von Reventlow.]
Resewitz, Friedrich Gabriel ( 1725-1806): Pädagoge, Th. I. - Kiel: König!. Schulbuchhandl. und Leipzig:
Heinsius in Comm. 1793. 361 S., I ungez. S. 8°
Konsistorialrat, Generalsuperintendent für das Herzog-
tum Magdeburg. Siehe Sp. 1238 Lehrreiche Gespräche zur moralischen Belehrung und
Unterhaltung; gedachtfiir Mädchen und Knaben im Al-
714 Predigten für die Jugend. Zu Kloster Bergen gehal- ter von sechs bis fiirifzehn Jahren in »Volks- und beson-
ten und herausgegeben von Friedrich Gabriel Resewitz. ders Landschulen« - zunächst nur fiir die lokale Ver-
[Erste] Samml. Neue Samml.- Leipzig: Weygand 1779/ wendung bestimmt (Schleswig-Holstein) - und als
82.8° »Leitfaden zum ausfiihrlichem Unterrichte« fiir Lehrer;
enthält in Anlehnung an Le Prince de Beaumont in drei-
[Erste] Samml. 1779.9 ungez. BI., 238 S.
zehn Gesprächen zwischen einem »Schulmeister« und
Neue Samml. 1782. 32, 326 S.
seinen Schülern biblische Geschichten mit anschließen-
Gestochene unsignierte Titelvignette in beiden Teilen. der Anwendung auf das Leben der Kinder, naturwissen-
1491 Bibliographie 1492

schaftliehe Themen, Märchen, moralische Beispielerzäh- in Landschulen. Von Friedrich Eberhard von Rochow.
lungen und Fabeln. -Frankfurt: Eichenberg 1776. 112 S. 8°
Schlesw.-Holst. LB Kiel Omamentale Titelvignette
Erster Teil eines zweibändigen Lesebuchs jilr Volks-
und Landschulen; soll die »große Lücke zwischen Fibel
Richardson, Samuel (1689-1761): Drucker und Schrift- und Bibel ausjilllen«; enthält vor allem moralisch be-
steller. Siehe Sp. 1239 lehrende Beispielerzählungen, doch auch sachlich be-
lehrende Texte, Gebete und Lieder. Der Kinderfreund
718 Samuel Richardsons, Verfasser der Pamela, der war das erste deutsche Volksschullesebuch und blieb fast
Clarissa und des Grandisans Sittenlehre für die Jugend 100 Jahre in zahlreichen Bearbeitungen und Nachah-
in den auserlesensten Aesopischen Fabeln mit dienli- mungen im Gebrauch. - Ausjilhrliche Beschreibung sie-
chen Betrachtungen zur Beförderung der Religion und he Sp.835
der allgemeinen Menschenliebe vorgestellt. [Übers. von
Bayer. StaatsB München
Gotthold Ephraim Lessing.) Mit Kupfern.- Leipzig:
Weidmann 1757. 4 ungez. BI., 368 S., 4 ungez. BI., 40 722 Dass. u. d. T.: Der Kinderfreund. Ein Lesebuch
Kupfertaf. 8° zum Gebrauch in Landschulen, von Friedrich Eberhard
Omamentale Titelvignette; die Kupfertafeln sind unsi- von Rochow. Für einen Theil Oberdeutschlands beson-
gniert. ders für Franken bearbeitet von Joh[ann] Ferd[inand]
Schlez. (Th. 1: 2., mit Schulgebeten und Holzschnitten
Lessings deutsche Übersetzung der Fabelsammlung von verm. Aufl.) Th. 1.2.- Nümberg: Grattenauer 1791. 16,
Richardson erschien in Deutschland von 1757-1806 in 270 S. 8°
6 Auflagen (Seifert, Nr. 1772). Die Fassung ist sehr na-
he an der englischen Vorlage orientiert. Lessing über- Unsignierte Holzschnittillustrationen im Text.
setzt die Vorrede Richardsons nicht, sondern faßt ihren Enthält die meisten Lesestoffe des ersten und zweiten
Inhalt mit eigenen Worten zusammen. Die Übersetzung Teils von Rochows Kinderfreund in modernisierter
kann zudem als wortgetreu bezeichnet werden. Nur wo Form, die erstmals 1789 erschien; Veränderungen v. a.
sich Richardson explizit auf Lestrange bezieht, wählt in den Texten über landwirtschaftliche Themen und
Lessing eine allgemeinere Ausdrucksform. Realien; im ersten Teil u. a. neuer Schluß: J. M. Millers
Samml. Theodor Brüggemann, Köln »Der Jüngling auf dem Sterbebette an seine Freunde«;
eine Neuerung stellen zudem die Holzschnittillustratio-
719 Dass. u. d. T.: Samuel Richardson's Sittenlehre für nen dar.
die Jugend in den auserlesensten äsopischen Fabeln, Päd. Zentralbücherei NR W Dortmund
mit dienlichen Betrachtungen zur Beförderung der Reli-
gion und der allgemeinen Menschenliebe. Mit 26 Kup- 723 Dass. u. d. T.: Der Kinderfreund. Ein Lesebuch
fern. 6. Aufl.- Leipzig o. J. 368 S. 8° zum Gebrauche in Landschulen von Friedrich Eber-
Die Kupfertafeln sind mit »J. G.W[agner) 1786« si- hard von Rochow. Für einen Theil Oberdeutschlands
gniert. besonders für Franken bearbeitet von Joh[ann)
Ferd[inand] Schlez. Neue, mit Schulgebeten und Bil-
Staats- u. StB Augsburg dern verm. Aufl. (Th. 2: Neue Aufl.) Th. (1.)2.- Nüm-
berg: Grattenauer 1805. 14,272 S. 8°
Unsigniertes koloriertes Frontispiz in Kupferstich;
Rochow, Friedrich Eberhard von (1734-1805): Guts- zahlreiche z. T. handkolorierte Holzschnittillustratio-
herr und Domkapitular, Pädagoge und Schriftsteller. nen im Text.
Siehe Sp. 1239
Leicht veränderter Nachdruck der Ausgabe von 1791;
720 Versuch eines Schulbuches, für Kinder der Land- mehrere Lesestücke des 2. Teils sind in lateinischer
leute, oder zum Gebrauch in Dorfschulen. [Von Fried- Schrift gedruckt, um den Schülern auch das Lesen latei-
rich Eberhard von Rochow.]- Berlin: Nicolai 1772. 9 nisch beschriebener Bücher zu ermöglichen; entspre-
ungez. BI., 158 S. 8° chend ist das Gedicht Millers ersetzt durch eine Begrün-
dung der Notwendigkeit, die lateinische Schrift zu ler-
Omamentale Titelvignette nen; dem 2. Teil ist ein lateinisches Alphabet vorange-
Handbuch jilr Dorfschulmeister mit ausformulierten stellt; neben den z. T. handkolorierten Holzschnitten
Unterrichtseinheiten; wendet sich auch an Schüler, die enthält das vorliegende Exemplar ein handkoloriertes
sich das Buch abschreiben und »als Erinnerung an den Titelkupfer, das die 79. Geschichte (»Der Alte«) illu-
Schulunterricht, und um an den Zusammenhang der striert.
Wahrheiten in der Folge denken zu können« behalten UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; UB Oldenburg
und verwahren sollen; von Rochow als Programmschrift
zum Landschulunterricht gedacht; enthält Lektionen zu 724 Catechismus der gesunden Vernunft: oder Ver-
allen wichtigen Gebieten von der Tugendlehre bis zur such, in faßlichen Erklärungen wichtiger Wörter, nach
Landwirtschaftskunde; zu Rochows Intentionen vgl. Be- ihren gemeinnützigsten Bedeutungen, und mit einigen
schreibung des Kinderfreunds. Beyspielen begleitet, zur Beförderung richtiger und bes-
UB Münster sernder Erkenntniß von Friedrich Eberhard von Ro-
chow.- Berlin und Stettin: Nicolai 1786. 128 S. 8°
721 Der Kinderfreund. Ein Lesebuch zum Gebrauch Elementarlogik in Form einer Sammlung allgemeiner
1493 Bibliographie 1494

Begriffe in katechetischer Form; geht davon aus, daß in Sprüche, Beispielgeschichten und Anekdoten; neben den
der Sprache die Gesetze des Denkens angelegt sind; in moralischen Themen werden solche aus der Geschichte,
der Vorrede didaktische Hinweise fiir Lehrer. der Völkerkunde und der Naturkunde aufgegriffen; Teil
1 gibt in mehreren Folgen eine Geschichte der »alten
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Deutschen« und ihrer Sitten.
725 Eine kleine Logik oder Vernunft-Anwendungs- StB Mainz
Lehre. Nach dem Französischen des Herrn d'E ... sehr
frei übersetzt in einem Brief an eine Dame von F[ried- 729 Gründliche und deutliche Anweisung zum richti-
rich] E[berhard] von Rochow. Aus dem Braunschweigi- gen und guten Ausdruck der lateinischen Sprache für
schen Journal besonders abgedruckt.- Braunschweig: obere Klassen zur Vorbereitung auf die Stilübungen für
Schulbuchhandl. 1789. 32 S. 8° dieselben von Johann Gottfried Röchling.- Frankfurt
und Leipzig: Brönner 1785.2 ungez. BI., 367 S. 8°
Kurze Einfiihrung in die Logik als die »Lehre oder An-
weisung, wie man die von Gott als menschliche Fähig- Ornamentale Titelvignette
keit erhaltene Vemurift anwenden und zu Verstand er-
Lateinische Sprachlehre fiir den Gebrauch oberer Klas-
höhen könne«; enthält kurze Regeln »in gleich anwend-
sen an Lateinschulen und Gymnasien; behandelt v. a.
baren Exempeln«.
schwierigere Kapitel der lateinischen Sprachlehre wie
Württemberg. LB Stuttgart z. B. Ellipsen; enthält auch vergleichende Abschnitte zur
deutschen Grammatik.
HAB Wolfenbüttel
Rode, August von (1751-1837): Erzieher und Schrift-
steller. Siehe Sp. 1239

726 Briefwechsel einiger Kinder. [Von August von Ro- Rötling, Johann Heinrich ( 1732-1800): Schriftsteller
de.]- Dessau: Heybruch 1776. XII, 119 S., I ungez. BI. und Pädagoge. Siehe Sp.l240
8o
730 Der großmüthige Bauernknabe. Ein Spiel für Kin-
Gestochene Titelvignette mit nicht verifizierbarer Sig- der. [Von Johann Heinrich Röding.]- Hamburg: Reuß
natur. 1777. 46 S. 8°
Briefwechsel von Kindern zwischen acht und sechzehn Ornamentale Titelvignette und Randleiste auf dem Ti-
Jahren; will Kindem vor allem ein Beispiel von einer telblatt.
Schreibart geben, »welche in jedem Alter nicht minder
angenehm als nützlich ist«. - Ausfiihrliche Beschreibung Ein wohlhabender Kaufmann will den aufgeweckten
siehe Sp. 156 und natürlichen Bauernjungen Jürgen in sein Haus auf
nehmen, um seinem durch das Stadtleben verzärtelten
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; StB Dessau Sohn ein Musterbeispiel zu geben. Trotz der vielen Ver-
lockungen des Stadtlebens und der Aussicht auf eine ge-
727 Kinderschauspiele, Von August [von] Rode. - sittete Erziehung zieht Jürgen schließlich doch die einfa-
Leipzig: Crusius 1776. VIII S., S. 9-96. 8° che Lebensweise auf dem Lande vor. - Ausfiihrliche Be-
[Enth. :]1. Das Geburtstagsgeschenk, in drey Aufzügen. schreibung siehe Sp.J93
S. 9-30. 2. Die Abreise. S. 31-60. 3. Der Ausgang, oder UB Greifswald
die Genesung. In drey Aufzügen. S. 61-96.
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. Kleine Spiele und Gespräche für Kinder, 1777

Sammlung von drei Kinderschauspielen, die dem Des- 731 Kleine Spiele und Gespräche für Kinder. [Von Jo-
sauer Philanthropin gewidmet sind. Die kleinen Dramen hann Heinrich Röding.]- Hamburg: Bohn 1780. 194
S. 8o
geben Beispiele harmonischen Familienlebens und ver-
mitteln philanthropisches Erziehungsgut. - Ausfiihrliche Ornamentale Titelvignette
Beschreibung siehe Sp. 159
Sammlung von elf Kinderschauspielen, Szenen und Ge-
Hess. LB Fulda sprächen und einer Rede. Behandelt werden verschiede-
ne Tugenden und Laster (Gelassenheit, Eigenliebe,
Fleiß, Stolz u. a.), der Nutzen des Lernensund der Wis-
Röchling, Johann Gottfried ( 17 48-1787): Lehrer am senschaft sowie das richtige Verhältnis von Eltern und
Pädagogium in Gießen, ab 1775 Konrektor am Gymna- Kindern. Die Spiele sind fiir die Erholungsstunden von
sium in Worms. Kindern aus gesitteten Ständen gedacht und sollen »er-
götzen« und »zugleich nützlich« sein.
728 Leetüre fürdie kleine Jugend, zum Unterricht, Ver-
Zentra!B d. dt. Klassik Weimar
gnügen und Veredlung des Herzens. [Von Johann Gott-
fried Röchling.] Th. 1.2.- Giesen (Th. 2: Gießen): Krie-
732 Vermischte Gedichte für jugendliche Leser von J o-
ger 1779. 8°
hann Heinrich Röding.- Hamburg: Hoffmann 1783. 8
I. 4 ungez. BI., 399 S. ungez. BI., 240 S. 8°
2. 3 ungez. BI., 408 S.
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Ornamentale Titelvignette in beiden Teilen.
Sammlung von Gedichten moralisch-belehrenden In-
Unterhaltendes Lesebuch; es enthält Gedichte, Fabeln, halts: »Ich lehrte sie im leichten Ton,/Die fromme
1495 Bibliographie 1496

Pflicht der Jugend./lch schilderte Religion/Das La- Rollin, Charles ( 1661-1 741): Französischer Pädagoge
ster, und die Tugend.« und Historiker, Jansenist.
UB Greifswald
736 Carl Rollins Natur-Lehre der Kinder. Aus dem
Französischen übersetzt vonJoh[ann] Joach[im] Schwa-
siehe: Beschäftigungen für junge Leute zum Nutzen,
be. Der Jugend aber zum Besten besonders herausgege-
zur Lehre und zum Vergnügen.
ben von Andreas Götz. 4. Ausg. - Altdorf und Nürn-
siehe: Hamburgisches Wochenblatt für Kinder. berg: Schüpfel 1768. 48 S. 8°
Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt.
Römisch-Katholischer Katechismus Vorbereitung zur Naturlehre fiir Kinder ab sechs oder
sieben Jahren; gibt einen kurzen Überblick über das
733 Römisch-Katholischer Katechismus für die erste Pflanzen- und Tierreich mit dem Ziel, »bey allen Ge-
Classe der Kinder in den Schulen des Saganischen schöpfen die sichtbarsten Fußstapfen der Gottheit« auf-
Stifts.- Sagan: KathoL Trivialschule 1781. 63 S. 8° zuzeigen; will die Kinder zur Erkenntnis der Größe und
Allmacht Gottes fUhren; soll »mit der Jugend in öffentli-
Ornamentale Titelvignette chen Schulen tractirt werden«. EA lt. Vorr. 1738.
Siehe: Neu eingerichtetes ABC Buchstabir-und Lese- Bad. LB Karlsruhe
büchlein (1 781).
UB Leipzig
Roosen, Gerhard

Rößner, Johann Christoph: Hofmeister in Nürnberg, 737 Christliches Gemüths-Gespräch, von dem geistli-
anschließend in Erlangen. chen und seligmachenden Glauben, und Erkäntniß der
Wahrheit, so zu der Gottseligkeit führet in der Hoffnung
734 Lehrreiche Spaziergänge eines Lehrers mit seinen des ewigen Lebens. In Frag und Antwort für die ankom-
Schülern für die Jugend und Jugendfreunde. (Von Jo- mende Jugend, wodurch dieselbe zu einer heilsamen
hann Christoph Rößner.) Mit einem Kupfer.- Nürn- Lebens-Uebung möchte gereitzt und gebracht werden.
berg: Six 1784.6 ungez. BI., 275 S., I ungez. S. 8° Der Wahrheit zum Besten. [Von Gerhard Roosen.]-
Germantaun 1790: Billmeyer. 241 S. kl. 8°
Holzschnitt-Titelvignette von Hafe; die Kupfertafel ist
unsigniert. Darin: Etliche Christliche Gebäte, Welche Die ver-
sammiete Glaubigen, oder einjeder absonderlich, nach
Sachlich und moralisch belehrende Schrift mit enzyklo- Gelegenheit der Zeit und der Sachen Nothwendigkeit
pädischer Ausrichtung; gedacht fiir Jungen und Mäd- (für Gott) mit Andacht und gebeugten Knien des Her-
chen zwischen neun undfiinfzehn Jahren; enthält Unter- zens gebrauchen mögen. S. 161-241.
redungen zwischen einem Lehrer und seinen Schülern zu
Fragen aus der Naturlehre und Naturgeschichte, der Ornamentale Titelvignette beim Haupt- und angebun-
Kosmologie und Mineralogie, der Mythologie, dem Be- denen Titel.
rufsleben, sowie zur Religion und Moral. Religiöses Lehrbuch in katechetischer Frage-Antwort-
Bayer. StaatsB München Form. Behandelt werden zunächst in 148 Fragen und
Antworten die einzelnen Glaubensartikel; ein Anhang
enthält eine »Kurze Unterweisung aus der Schrift« in 35
Röver, Gottlieb Jakob (1726-1799): Pastor in Remlin- Fragen und Antworten. Angebunden ist ein dazugehöri-
gen und Wetzleben im Braunschweigischen. ges Gebetbuch, das nicht mehr speziell an Jugendliche
adressiert ist. Es enthält u. a. das Glaubensbekenntnis
der »Waffen-losen Christen«, der Mennoniten. EA
735 Versuch eines catechetischen Lehrbuchs für fähige
Confirmanden und erwachsene Christen, darinn die 1769/t. Holzmann/Bohatta.
Glaubens-Wahrheiten kürzer, lebhafter und gedächt- UB Oldenburg
nißhülflicher vorgetragen werden von C. F. [vielmehr
Gottlieb Jakob] Röver.- Braunschweig: Sehröder 1784.
3 ungez. BI., 258 S. 8° Rosaliens Briefe an ihre Freundin Mariane von St**.
Katechismus, der sich sowohl an Kinder wie an den Siehe: La Roche, Marie Sophie von.
»großen Haufen des sogenannten gemeinen Mannes«
richtet. Die fiir die Kinder gedachten und von ihnen
auswendig zu lernenden Fragen und Antworten sind be- Rosenmüller, Johann Georg ( 1736-1815): Professor
sonders gekennzeichnet. Für die Erwachsenen soll es ei- der Theologie in Erlangen, Gießen und Leipzig.
ne sokratische Unterredung sein. Das Werk handelt von
Gott, der Dreieinigkeit, der Schöpfung, der Vorsehung, 738 Christliches Lehrbuch für die Jugend. Von Johann
dem Menschen, den Sünden, von Christus und der Erlö- Georg Rosenmüller.- Leipzig: Göschen 1787. 6 ungez.
sung. BI., 212 S. 8°
HAB Wolfenbütte1 Religionsunterrichtliches Lehrbuch fiir evangelische Kin-
der, die »bereits eine hinlängliche Kenntniß der Reli-
gionsgeschichte haben«; gedacht fiir den Privat- und
Schulunterricht; enthält sechs Hauptstücke zur geoffen-
1497 Bibliographie 1498

harten Religion und weitere drei Hauptstücke zur Sit- verb. Aufl. - Wittenberg und Zerbst: Zimmermann
tenlehre, zum Gottesdienst und den Sakramenten sowie 1775. 34, 358 S. 8°
zur Geschichte der christlichen Kirche und des Islam;
Omamentale Titelvignette
der Text wird durch am Rand beigefogte Fragen zerglie-
dert und z. T. durch Sprüche ergänzt. Vom Herausgeber Johann Gottlieb Schummel beson-
ders der Jugend zugedachte Bearbeitung eines der be-
StArchiv u. wiss. StB Soest
rühmtesten Werke der orientalischen Literatur. Enthält
eine in acht thematisch verschiedene Bücher eingeteilte
Sammlung moralischer Beispielgeschichten und -erzäh-
Der Rosen-Ritter lungen morgenländischen Charakters sowie Fabeln und
Sprichwörter; soll den jugendlichen Lesern ein Wegwei-
739 Der Rosen-Ritter, eine allegorische Geschichte, ser zu einem tugendhaften, glückseligen Leben sein.
welche mehrere merkwürdige Erzählungen und Eben- Beigefügt sind die Fabeln des »arabischen Äsops«, Loc-
tbeuer in sich fasset, aus dem Englischen frei übersetzt. mann (Luqman). - Ausfohr/iche Beschreibung siehe
Mit einer Vorrede von Johann Reinhold Forster.- Hal- Sp./31
le: Dreyßig 1794. VI, 142 S. 8°
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Allegorische Erzählung im »gefälligen Gewande einer
Heldengeschichte«, »vorzüglich zur moralischen Beleh-
rung und Ausbildung der Jugend bestimmt«. Angespro-
chen werden »woh/gezogene Jünglinge und junge
Salzmann, Christian Gotthilf (1744-1811): Evangeli-
Frauenzimmer« von 10 bis 15 Jahren.
scher Pfarrer, Liturg und Religionslehrer am Dessauer
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle Philanthropin, Gründer der Erziehungsanstalt in
Schnepfenthal, Schriftsteller. Siehe Sp.l241

Roth, Johann Ferdinand ( 17 48-1814): Diakon bei St. 743 Unterhaltungen für Kinder und Kinderfreunde.
Jakob in Nümberg. (Von [Christian Gotthilf] Salzmann.) Bdch. 1-8.- Leip-
zig: Crusius 1778-87. 8°
740 Schilderung dervier Jahrszeiten der Jugend gewid- Anm.: Bdch. 7 und 8 sind nicht von Salzmann selbst ver-
met. [Von Johann Ferdinand Roth.]- [Nümberg 1783.] faßt, sondern von einigen Mitarbeitern »an der hiesigen
12 ungez. BI., 4 Kupfertaf. 8° Erziehungsanstalt«.
Die Kupfertafeln sind unsigniert. I. 1778. XVI, 150 S.
Erbauliche Naturbetrachtungen; in die Schilderung der 2. 1779. XII, 189 S.
vier Jahreszeiten sind moralische Reflexionen und religi- 3. 1780. XII, 196 S.
öse Betrachtungen eingestreut. 4. 1781. VIII, 197 S., 3 Notenfaltbl.
5. 1782. 4 ungez. BI., 200 S.
Bayer. StaatsB München; StB Nümberg 6. 1783.212 s.
7. 1786. 190 s.
741 Die Welt im Kleinen zum Nuzen und Vergnügen 8. 1787. 6 ungez. BI., 179 S.
lieber Kinder. [Von Johann Ferdinand Roth.] Bd I, wel-
cher vierfüßige Thiere, Vögel, Fische und Amphibien Titelvignette in allen Bändchen: in Bdch. 3 und 5 von
enthält. Mit 36 Kupfertaf., I 05 Abb. enthaltend. Th. J. A. Rosmaesler, in Bdch. 4 und 6 von (G. L.) Crusius
1-3.- Nümberg: Winterschmidt 1784-86. 8° und in Bdch. 8 von J. G. Penzel.
I. Vierfüßige Thiere enthaltend. 1784. 2 ungez. BI., Sammlung von moralischen Beispielgeschichten, sokra-
XXIV,88 S. tischen Unterredungen, Briefwechseln, kleinen Lustspie-
2. Die bekanntesten Vögel enthaltend. 1785. 88 S. len (Bd3,5), Reisebeschreibungen, Liedern (von R. Chr.
3. Die merkwürdigsten Fische und Amphibien enthal- Lossius) und Rätseln »zum Vergnügen und Unterricht«.
tend. 1786. 122 S., 2 ungez. BI. Will Kindem ;;lehrreiche Histörchen« an die Hand ge-
ben, um ihnen ;;Religion und Frömmigkeit beyzubrin-
Die Kupfertafeln sind unsigniert, außer I Tafel in Th. 3, gen, und ihnen ihre Fehler abzugewöhnen«.
die von C. G. Winterschmidt stammt.
Bayer. StaatsB München (Bdch. 1-8); Dt. StaatsB Ber-
Einbändiges naturkundliches Unterrichtswerk mit 105 lin (Bdch. 1-7)
Kupfertafe/n, das die »lernbegierige Jugend mit dem
Wichtigsten aus den drey Reichen der Natur« bekannt 744 Gottesverehrungen gehalten im Betsale des Des-
machen soll. Teil 1 behandelt die »vierfoßigen Thiere«, sauischen Philantropins von Christian Gotthilf Salz-
Teil 2 die Vogelwelt und Teil 3 »Fische und Amphi- mann. Samml. [1]-4. - Dessau: Philanthrop. Buch-
bien«. hand!. und Leipzig: Crusius in Comm. 1781-83. 8°
StB Nümberg [I.] 1781. XXXII, 220 S.
2. 1782. XXXII, 222 S.
3. 1782. 252 s.
Sadi, Shaikh Muslih AI-Din (ca. 1193-1292): Persi- 4. 1783. XII, 240 S., 2 ungez. BI.
scher Dichter. Siehe Sp. 1240
Omamentale Titelvignette in Th. I.
742 Schich Sadi. Persisches Rosenthai nebst Locmans Vierteilige Predigtsammlung zur ;; Beförderung der Tu-
Fabeln. [Hrsg. von Johann Gottlieb Schummel.] Neue, gend«; enthält 52 »Gotesverehrungen«, bestehend aus
1499 Bibliographie 1500

Vortrag, Gebeten und Liedern; nicht konfessionell aus- Frontispiz von und nach J. A. Rosmaesler und Titelvig-
gerichtet. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 750 nette von und nach J. G. Penzel.
Lipp. LB Detmold Korrigierte und stilistisch leicht überarbeitete Neuaufla-
ge. Enthält zudem eine ausfUhrliehe methodische Anlei-
745 Gottesverehrungen gehalten von C[hristian] G[ott- tung fiir Eltern und Erzieher sowie einen »Entwurf der
hilf] Salzmann. Th. 5.6. - Frankfurt und Leipzig in diesem Buche abgehandelten Sachen«.
1784/91. 8° UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
5. 1784. 8 ungez. BI., 448 S.
6. 1791. 5 ungez. BI., 220 S. 750 Dass. (2. Auf!.) Th. 2.- Leipzig: Crusius 1787. XX,
476 S. 8°
Zweiteilige Predigtsammlung im Stile der Gottesvereh-
rungen gehalten im Betsale des Dessauischen Philan- Titelvignette von und nach G. L. Crusius.
thropins. Der fiinfte Teil enthält 25 »Verehrungen Jesu« Korrigierte und stilistisch überarbeitete Neuauflage.
- größtenteils in Anlehnung an Worte aus dem Neuen Salzmann hat darin »einige Geschichten, die mir nicht
Testament und »ohne Erklärungen dogmatischer Sä- zweckmäßig genug gewählt schienen, mit andem, von
ze«. Der sechste Teil umfaßt 18 »Gottesverehrungen«; meiner eignen Arbeit, vertauscht«.
sie nehmen ihren Ausgang teilweise von Bibelstellen,
teilweise aber auch in »merkwürdigen« Begebenheiten, Dt. StaatsB Berlin; StUB Frankfurt
»die sich in der Natur, in unserer Gesellschaft, oder
überhaupt in der Menscherifamilie« zutragen. EA lt. Ky 751 Dass. Neue verb. Auf!. Th. I. - Leipzig: Crusius
1784/88. 1785. XXXII, 412 S. 8°
Leop.-Soph.-B. Überlingen Frontispiz und Titelvignette von H. J. Penningh, Leipzig
1796.
746 Dass. u. d. T.: VerehrungenJesugehalten im Betsa- Samml. Theodor Brüggemann, Köln
le des Dessauischen Philanthropins von Christian Gott-
hilf Salzmann. [Th. 5.]- Frankfurt und Leipzig 1784. 752 Dass. Nach der neuen verb. Auf!. Th. 2. - Wien
Ornamentale Titelvignette 1787. X, 325 S. 8°
StUB Frankfurt Omamentale Titelvignette
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
747 Moralisches Elementarbuch, nebst einer Anlei-
tung zum nützlichen Gebrauch desselben, von Christian 753 Dass. Neue verb. Auf!. Th. 2.- Leipzig: Crusius
Gotthilf Salzmann. Th. I. - Leipzig: Crusius 1782. 1795. XX, 491 S. 8°
412 S. 8°
Titelvignette von G. Boettger sen. nach J. D. Schubert.
Frontispiz und Titelvignette in Kupferstich von und
nach J. A. Rosmaesler. UStBKöln

Lehrbuch fiir die erste Stufe des Religionsunterrichts 754 Dass. Neue verb. Auf!. Th. 1.2. - Leipzig: Vogel
sechs- bis achijähriger Kinder. »Die Absicht des Buches 1819.8°
geht dahin, den Kindem eine gute Gesinnung zu ver-
schaffen, oder, welches einerley ist, sie dahin zu bringen, I. VIII, 310 S.
daß sie gegen die ihnen bekannten Dinge die Zuneigung 2. XII, 376 S.
oder Abneigung, die sie verdienen, bekommen.« Der In Th. 1 Frontispiz und Titelvignette von Penzel; in Th.
vorliegende erste Teil entwickelt eine Sittenlehre anhand 2 Titelvignette von G. Boettger sen. nach Schubert.
moralischer Beispielgeschichten aus dem Leben der
Kaufmannsfamilie Herrmann. - AusfUhrliehe Beschrei- Dt. StaatsB Berlin (Th. I); UStB Köln, Erziehungswiss.
bung von Th. 1 und 2 siehe Sp. 574 Abt. (Th. 2)

Samml. Theodor Brüggemann, Köln 755 Charaden, eine angenehme Uebung des Witzes
und Nachdenkens für Kinder. (Von [Christian Gotthilf)
748 Moralisches Elementarbuch, von Christian Gott- Salzmann.)- Leipzig: Crusius 1784.63 S. kl. 8°,312
hilf Salzmann. Th. 2. - Leipzig: Crusius 1783. VIII, Kärtchen, 4,8 cm x 9,2 cm.
472 S. 8°
Omamentale Titelvignette
Gestochene Titelvignette von und nach G. L. Crusius.
Sammlung von Silbenrätseln; soll beitragen zur »Fami-
Der zweite Teil stimmt in seinen Intentionen mit dem er- lienunterhaltung, und zu einer angenehmen und nützli-
sten Teil (s.o.) überein. Er versammelt unter dem Stich- chen Uebung der Seelenkräfte der Kinder«.
wort einer bestimmten Tugend bzw. eines Lasters jeweils
Kinderbuchsamml. Dr. Strobach, Bielefeld
mehrere Beispielerzählungen verschiedener Autoren,
v. a. Salzmanns, Campes, Moritz', Rochows, Weißes,
756 Kupfer zu Salzmanns Elementarwerk nach den
Sulzers, Beckers u. a., die »zu Erregung guter, und
Zeichnungen [von] Daniel Chodowiecki, von Nußbie-
Dämpfung schädlicher Neigungen eingerichtet sind«.
gel, Penzel und Crusius Sen. gestochen. H. 1-3. [Titel-
UB Leipzig; Dt. StaatsB Berlin blatt von H. 2 fehlt in diesem Ex.!) - Leipzig: Crusius
749 Dass. Neue verb. Auf!. Th. I.- Leipzig: Crusius 1784-88. 68 [richtig: 67, da die Nm 46 und 47 zu 1 Taf.
1785. XXXII, 412 S. ga gehören!] Kupfertaf. go
1501 Bibliographie 1502

len von Geßner, Gedichte, Romanzen, Epigramme und


I. 1784. [2.]0.1. 2 ungez. BI., Taf. 1-22.
andere Stücke von Hölty, Uz, Weisse und E. von Kleist
sowie ein Trauerspiel von Cronegh.
3. 1788. Taf. 23-68.
StB Braunschweig
28 Kupfer sind von G. L. Crusius gestochen, 34 von Joh.
G. Penzel, 3 von J. Nußbiegel, I von Böhme; I Kupfer
759 Nachrichten für Kinder aus Schnepfenthai von
ist ohne Stecherangabe.
C[hristian] G[otthilf] Salzmann. - Leipzig: Crusius
Enthält 67- die Zählung 68 ist falsch, da eine Tafel mit 1787. 5 ungez. BI., 278 S. 8°
zwei Nummern, 46 und 47, beziffert ist - von Chodo-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
wiecki entworfene Kupfertafeln. Sie sollen »den äußerli-
chen Sinn des Gesichts fohlbar ( .. .) machen, damit Schilderung des Erwerbs und des Umbaus des Gutes
das Kind durch diese Empfindung gereizt werde, aufje- Schnepfenthal, auf dem Salzmann seine Erziehungsan-
de Sache die Neigung oder Neigung zu werfen, die sie stalt errichtete. Neben die Vermittlung von Sachkennt-
ihrer Natur nach verdienet.« nissen tritt die moralischer Eigenschaften. Die Absicht
dieser Darstellung der »wahre(n) Geschichte einer ge-
Württemberg. LB Stuttgart
genwärtig lebenden Gesellschaft« ist, nicht nur die »lie-
757 Reisen der Salzmannischen Zöglinge. (Von C[hri- ben Kleinen zu unterhalten, sondern ihnen auch Anlei-
stian] G[otthilf] Salzmann, C[hristian] C[arl] Andre und tung zu geben, die Dinge, die um sie sind, von der rech-
[Johann Christoph Friedrich Gutsmuths]. Bd 1-6. - ten Seite anzusehen, ihnen gute Lehren und nützliche
Leipzig: Crusius 17(84)-93. 8° Kenntnisse beyzubringen, sie gegen die im Schwange
I. (Von [Christian Gotthilf] Salzmann. 1784.) 8 ungez. gehenden Vorurtheile zu schützen, und vorzüglich ihnen
Bl.,236 s. eine solche Stimmung zu geben, daß sie im Vertrauen
2. (Von [Christian Gotthilf] Salzmann und C[hristian] auf Gott und sich selbst, durch Fleiß und Nachdenken,
C[arl] Andre.) 1786. 8 S., I ungez. BI., 220 S., 7 un- sich aus allen Verlegenheiten selbst zu helfen suchen«.
gez.BI. Dt. StaatsB Berlin; LB Coburg
3. [VonChristianCariAndre.]1787.264 S.
4. [Von Johann Christoph Friedrich Gutsmuths.]1787. 760 Constants curiose Lebensgeschichte und sonder-
262 S., I Kupfertaf. aufFaltbl. bare Fatalitäten. Ein Buch fürs Volk und besonders für
5. Welcher den Beschluß der Reise nach Mainz und ei- Handwerksbursche (Th. 2: Handwerksburschen) von
ne Reise nach Schmalkaiden enthält. [Von Johann C[hristian] G[otthilf] Salzmann. Th. 1-3.- Leipzig: Cru-
Christoph Friedrich Gutsmuths.]l787. 266 S., 8 un- sius 1791-93. 8°
gez.BI.
I. Mit Bildern. 1791. 2 ungez. BI., 215 S., 8 Holz-
6. (Von C[hristian] G[otthilf] Salzmann.) Mit Kupfern.
schnittaf,
1793. VIII, 256 S., 2 Kupfertaf., davon I aufFaltbl.
2. 1792.221 s.
Titelvignette in allen Bänden: in Bd I und 2 von J.G. 3. 1793.186 S.
Penzel, in Bd 3, 4 und 5 gestochen von G. G. Endner und
6 der Holzschnittafeln sind von J. D. Schubert erfunden,
in Bd6 von C. W. Grießmann; die Kupfertafel in Bd4
davon sind I von Selzam (M. Seltsam) und 5, sowie 2
ist von Endner gestochen, die Tafel in Bd 6 gezeichnet
weitere von C. F. Rüdiger geschnitten.
und gestochen von C. Buddeus, der auch die Faltkarte
nach der Zeichnung von Laccoriere gestochen hat. Fortsetzungsroman aus dem Boten aus Thüringen, der
das Schicksal eines Handwerksburschen schildert, der
Reisebeschreibungen for Kinder von 8 bis 12 Jahren,
nach Amerika auswandert und als erfolgreicher Kauf-
vornehmlich aus gesitteten Ständen. Die Beschreibun-
mann zurückkehrt. Da die Wurzel des Elends der
gen gehen auf selbst unternommene Reisen zurück, die
Handwerker »vorzüglich in dem unvollkommnen Unter-
mit Ausnahme der in Bd 5 beschriebenen nur in die nä-
richte« liege, »den sie in der Jugend genossen«, wünscht
here Umgebung Schnepfenthais fUhren. Die Reisen sol-
Salzmann von dem Buch, »daß es in die Hände der
len for die Schüler vielfältigen Nutzen haben: »Sie ler-
Handwerksbursche kommen und von ihnen recht fleißig
nen Beschwerlichkeiten aushalten, erweitern ihre Kennt-
gelesen werden möge«. Die Lebensbeschreibung soll
niß in Ansehung einer Menge Gegenstände aus der Na-
»junge Leute im Vertrauen auf Gott bestärken, und ih-
tur und Kunst ( .. .) und gewöhnen sich mit Menschen
nen zur Lehre dienen ... «
aus allerley Ständen umzugehen«; gleichzeitig verfolgt
Salzmann unterhaltende Absichten. - Die Leser werden UStB Köln
zur Verfertigung eigener Reisebeschreibungen aufge-
fordert. 761 Gesangbuch für die Erziehungsanstalt zu Schnep-
fenthal. (Hrsg. von C[hristian] G[otthilf] Salzmann.)
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. (Bd 1-5); Murhard- Abth. I. - Schnepfenthai: Erziehungsanstalt 1792. II,
sche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel (Bd 1-6); Dt. 68 S. 8°
StaatsB Berlin (Bd 1-4, 6); HAB Wolfenbüttel (Bd 1-5)
Sammlung religiöser Kinderlieder; ursprünglich zur
758 Bibliothek für Jünglinge und Mädchen. Von C[hri-
»Erbauung und A ujheiterung« der Lehrer und Zöglinge
stian] G[otthilf] Salzmann.- Wolfenbüttel: Schulbuch-
in Schnepfental gedacht; will »zum Fleisse in den Be-
hand). 1787. 8 ungez. BI., 400 S. 8°
rufsgeschäften« ermuntern und »Stimmung zur Fröh-
Omamentale Titelvignette lichkeit« erzeugen; enthält 57 Morgen- und Tischgesän-
ge, die sowohl nach eigenen als auch nach bekannten
Anthologie for Schüler; will sie »in die Gesellschaft eini-
Melodien gesungen werden sollen.
ger unserer besten deutschen Schriftsteller« bringen.
Enthalten sind Fabeln von Zachariae und Gleim, ldyl- ZentralB d. dt. Klassik Weimar
1503 Bibliographie 1504

762 Conrad Kiefers ABC und Lesebüchlein oder An- 768 Dass. Wohlfeile, unveränd. Ausg.- Ebd. 1805. 2
weisung auf die natürlichste Art das Lesen zu erlernen, ungez. BI., 275 S. 8°
von C[hristian] G[otthilf] Salzmann. Th. [1.]2.- Schnep-
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
fenthai: Buchhandl. der Erziehungsanstalt 1798/1800.
8o
769 Konrad Kiefers Bilderbüchlein herausgegeben
[I.] 1798. X S., S. 11-128. von C[hristian] G[otthilf] Salzmann. [!.]- Schnepfen-
2. 1800. IV, 122 S. thai: Buchhandl. der Erziehungs-Anstalt 1803. 2 ungez.
BI., 18 Kupfertaf. quer-kl. 8°
Zweiteiliges Lesebuchfiir den ersten Leseunterricht; der
erste Teil enthält 32 einfache Geschichten aus der nähe- Kupfertafeln von und nach A. L. d' Argent; die Bildun-
ren Erfahrungswelt der Kinder, vor allem Geschichten terschriften sind von J. C. Ausfeld gestochen.
von Tieren; die Lesestücke bestehen zunächst nur aus
Bilderbuch mit 18 Kupfertafeln von und nach d'Argent
einsilbigen Wörtern, werden jedoch zunehmend kompli-
zum ersten Teil von Conrad Kiefers ABC und Lese-
zierter gestaltet. Der zweite Teil soll den »Kindern Gele-
büchlein (1798); will Eltern, besonders Müttern Veran-
genheit verschaffen, mit Ausdruck zu lesen«; er enthält
lassung geben, »sich mit Kindern zu unterhalten, und
83 bekannte Fabeln sowie drei von Salzmann selbst ver-
die Sprache zu lernen die allein Kindern verständlich,
faßte Gespräche »kindlicher Denkungsart« zu Themen
und fiir ihre Bildung wirksam ist« und so einen » Verei-
aus der Tierwelt. Zu dem Werk gehört Konrad Kiefers
nigungspunct« zwischen Eltern und Kindern bilden; das
Bilderbüchlein. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe
Buch soll fiir die Kinder anziehend sein und »ausser
Sp.937
dem Vergnügen, das ihnen die Bilderklärung gewährt,
Staatl. B. Regensburg; UB Leipzig; Dt. StaatsB Berlin ( .. .) unvermerkt ihren Erkenntniskreis erweitern«.
763 Dass. [Th. !.]- Ulm: Wohler 1799. IX, 119 S. 8° UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.

StB Ulm 770 Heinrich Gottschalk in seiner Familie, oder erster


Religionsunterricht für Kinder von 10 bis 12 Jahren,
764 Dass. Neue Ausg. [Th. !.]- Uhn: Wohl er 1802. X
von C[hristian] G[otthilf] Salzmann.- Schnepfenthal:
S., S. 11-128,2 Faltbl. 8°
Buchhandl. der Erziehungsanstalt 1804. 2 ungez. BI.,
Leop.-Soph.-B. Überlingen 396 S. 8°

765 Dass. Neue verb. Aufl. Th. 1.2.- Schnepfenthal: Lehrbuch fiir die zweite Stufe des Religionsunterrichts;
Buchhandl. der Erziehungsanstalt 1806.8° schließt an den Ersten Unterricht in der Sittenlehre für
Kinder von acht bis zehn Jahren inhaltlich wie formal
I. XII, 116 S. an; Unterrichtsgegenstand ist die natürliche Gottes/eh-
2. IV, 121 S. re: die Kinder des Kaufmanns Ehrenfried werden zu-
Staats- u. UB Harnburg nächst durch ihren Hauslehrer, später durch ihren /e-
benseifahrenen Großvater Heinrich Gottschalk auf in-
Reisen der Zöglinge zu Schnepfenthal, 1799/1803 duktive Weise mit Gott bekannt gemacht; eingeteilt in
44 Erzählabschnitte in Gesprächsform.
766 Reisen der Zöglinge zu Schnepfenthal. Herausge-
geben von Christian Gotthilf Salzmann. Neue Ausg. Dt. StaatsB Berlin
(Mit Bewilligung des Verfassers.) Bdch. I.- Ulm: Woh-
ler 1800.2 ungez. BI., 188 S. 8° 771 Unterricht in der christlichen Religion. Von Chri-
stian Gotthilf Salzmann. - Schnepfenthai: Buchhandl.
Belehrend-unterhaltende Beschreibung einer Fußreise der Erziehungsanstalt 1808. 145 S., 1 ungez. S. 8 o
rund um Schnepfenthal. Die Reisebeschreibung hat
»keine andere Absicht, als unter dem Gewande der Er- Religionsunterrichtliches Lehrbuch in zwei Hauptstük-
zählung der Jugend mancherley Gutes zu sagen, und sie ken; das erste Hauptstück gibt eine kurze Geschichte der
so auf eine angenehme und nützliche Art zu unterhal- jüdischen Religion nach dem Alten Testament, sie wird
ten«. EA in 2 Bdn lt. Ky. als ständiges Bemühen Gottes um eine » Religionsver-
besserung« gedeutet; im zweiten Hauptstückfindet sich
Dt. StaatsB Berlin; StB Ulm
eine Geschichte Jesu und der Apostel sowie eine Erklä-
767 Erster Unterricht in der Sittenlehre für Kinder von rung der Lehren Jesu, unterteilt in vier Absichten zur
acht bis zehn Jahren. Von C[hristian] G[otthilf] Salz- »Veredelung« der Menschen (Wahrheit, Liebe, Freiheit,
mann. - Schnepfenthai: Buchhandl. der Erziehungs- Seligkeit); liefert zugleich eine Moral- und Sittenlehre;
Anstalt 1803.2 ungez. BI., 376 S. 8° der letzte Abschnitt handelt von den »mit der christli-
chen Religion verbundenen Ceremonien«.
Sittenlehre, gedacht als Lesebuch fiir die erste Stufe des
Religionsunterrichtes; entspricht im wesentlichen dem Württemberg. LB Stuttgart
ersten Band des Moralischen Elementarbuchs (I 782).
In zusammenhängenden Erzählungen werden die Erleb- 772 Joseph SchwarzmanteL Ein Unterhaltungsbuch
nisse des Kaufmanns Ehrenfried und seiner Kinder ge- für die Jugend von Christian Gotthilf Salzmann. Mit ei-
schildert. Inhaltlich geht es nur um die Sittenlehre, wäh- nem Kupfer. - Schnepfenthai: Buchhandl. der Erzie-
rend die natürliche Gotteslehre - in Abweichung von hungsanstalt 1810.2 ungez. BI., 300 S. 8°
Salzmanns früherem religionspädagogischem Konzept - Frontispiz von C. Frosch.
auf die zweite Stufe des Religionsunterrichts (Heinrich
Gottschalk ... , 1804) verlagert ist. Erzählung der Lebensgeschichte eines kleinen Jungen,
der seinen Vater verliert und nach teilweise hartem
Württemberg. LB Stuttgart; Dt. StaatsB Berlin Schicksal schließlich ein wohlhabender Mann und
1505 Bibliographie 1506

Wohltäter des ganzen Dorfes wird: »Was Gott thut, ist Sammlung von Kinderschauspielen mit Gesängen. Sie-
wohlgethan.« Das Buch ist eine Bearbeitung des gleich- he: Seidel, Carl August Gottlieb.
namigen Werks aus dem Boten aus Thüringen (Jg 1808
und 1809)for die Jugend »mit Weglassung dessen, was
sich blos auf das Volk bezieht«; es will unterhalten und
Sammlung vorzüglich schöner Handlungen zur Bildung
belehren.
des Herzens in der Jugend. Siehe: Käufler, Johann
Dt. StaatsB Berlin Friedrich.

773 Christian Gotthilf Salzmanns Volks- und Jugend-


schriften. Einzig rechtmäßige Originalausg. Bdch. 1-7. Sammlung witziger Einfälle
- Stuttgart: Hoffmann 1845.8°
I. Salzmanns Leben. 3. verb. Aufl. Für Jung und Alt. 2 775 Sammlung witziger Einfälle, kleiner scherzhafter
ungez. BI., VIII, 135 S. [Nebent. :] Ausfeld, Joh[ann] Erzählungen und Sinngedichte. Besonders für Kinder
Wilh[elm] und die älteste Tochter des Verewigten und junge Leute.- Berlin und Leipzig 1779. XVI, 224
(Frau Lenz): Christian Gotthilf Salzmann. Erinnun- S.8°
geren aus dessen Leben. Omamentale Titelvignette
2. Joseph SchwarzmanteL Jugendschrift. 2 ungez. BI.,
200 S. [Nebent.:] Salzmann: Joseph Schwarzmantel Sammlung von kurzen ;;scherzhaften« und »witzigen«
oder Was Gott thut, das ist wohlgethan. Ein Unter- Anekdoten und Erzählungen, die den Kindem nützli-
haltungsbuch für die Jugend. cher als die zahllosen ;;moralisch-empfindsamen Erzäh-
3. Ameisenbüchlein. Nichtfürdie Jugend! VIII, 126 S. lungen« sein sollen; soll die Kinder unterhalten und zu
[Nebent.:] Salzmann: Ameisenbüchlein, oder An- nützlichen Kenntnissen aus verschiedenen Gebieten ver-
weisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzie- helfen; enthält auch Klugheits- und Tugend/ehren, geht
her. aber mit moralischen Hinweisen sparsam um; die Stük-
4. Conrad Kiefer. Nicht für die Jugend! 2 ungez. BI., ke sind aus dem Vademecum für lustige Leute, eine
222 S. [Nebent.:] Salzmann: Conrad Kiefer, oder Sammlung angenehmer Scherze, witziger Einfälle etc.
Anweisung zu einervernünftigen Erziehung der Kin- (Berlin 1764 .ff.) und aus anderen Werken zusammenge-
der. Ein Buch für's Volk. 4. verb. Aufl. tragen.
5. Heinrich Gottschalk. Ein Buch zum Vorlesen und StUß Frankfurt
Besprechen im Familienkreise. 2 ungez. BI., 228 S.
[Nebent.:] Salzmann: Heinrich Gottschalk in seiner
Familie, oder erster Religionsunterricht für Kinder
von I Obis 12Jahren. Sander, Christbin Friedlich (1756--1819): Schriftsteller,
6. Heinrich Glaskopf. Für die Jugend. 2 ungez. BI., Lehrer am Dessauer Philanthropin, Professor in Ko-
168 S. [Nebent. :] Salzmann: Heinrich Glaskopf. Ein penhagen. Siehe Sp.l241
Unterhaltungsbuch für die Jugend.
7. Ernst Haberfeld. Ein Volksbuch. 2 ungez. BI., IV, 776 Der kleine Herzog. Ein Lustspil in fünf Aufzügen,
330 S. [Nebent. :] Salzmann: Ausführliche Erzäh- von [Christian Friedrich] Sander. - Dessau: lnstituts-
lung wie Ernst Haberfeld aus einem Bauer ein Frei- buchhandl. und Leipzig: Crusius in Comm. 1781. 83
herr geworden ist. S. 8o

Im ersten Bändchen Porträt Salzmanns als Frontispiz. Das kleine Lustspiel mit komischem und teilweise satiri-
schem Charakter bearbeitet einen phantastischen Stoff;
Lipp. LB Detmold der Ort der Handlung ist Italien. Im Gegensatz zu der
üblichen Form der Lesedramen handelt es sich hier um
eine ausgesprochene Bühnenfassung. - AusfUhrliehe Be-
Sammlung dem Nutzen und dem Vergnügen der Jugend schreibung siehe Sp. 277
geheiliget. Siehe: Iselin, Isaac.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen

Sammlung lehrreicher Beyspiele 777 Prosaische Dichtungen Von Christian Friedrich


Sander.- Flensburg und Leipzig: Korten 1783. 8 ungez.
BJ., 232 S. 8°
774 Sammlung lehrreicher Beyspiele und Erzählungen
für die Jugend. Bdch.l.- Augsburg: Rollwagen [um [Enth.:]l. Der Sohn. Ein Nachspiel für Kinder, in ei-
1800]. 119 S., II Kupfertaf., davon 2 kolor. 8° nem Aufzuge. 48 S. 2. Der kleine Herzog. Ein Lustspiel
Unsignierte Umschlagvignette; Titelvignette und Fron- in fünf Aufzügen. S. 49-144. 3. Dialogen, Erzählungen
und Fabeln. S. 145-232.
tispiz sind koloriert; von den 10 weiteren Kupfertafeln
ist I koloriert; alle Kupfer sind unsigniert. Ornamentale Titelvignette
Sammlung von Beispielgeschichten for Kinder ab fonf Sammlung von zwei Schauspielen, Gesprächen, Erzäh-
Jahren zur »Belehrung« und zum »Vergnügen«; will lungen und Fabeln. Das Werk soll der ;;Jugend selbst
»Kenntnisse und Tugenden« vermitteln; die Texte sind nicht in die Hände gegeben werden, um desto weniger,
aus verschiedenen Kinder- und Jugendschriften zusam- da das Selbstlesen ihr ohnehin wohl nur in seltnen Fäl-
mengetragen; sie stammen u. a. von Salzmann, Wilm- len nützlich ist«.
sen, Freville, Wagnitz und Campe.
Königl. B. Kopenhagen; Schlesw.-Holst. LB Kiel (Mi-
Staats- u. StB Augsburg krofilm)
1507 Bibliographie 1508

778 Pusillana ein Schauspiel in vier Aufzügen, von 4. 1784.4 ungez. BI., 207 S.
C[hristian] F{riedrich] Sander.- Dessau: Philanthropi- 5. 1803. XVI, 600 S. [Nebent.:] Leonhardi, F.G.: Oe-
sche Buchhandl. und Leipzig: Crusius in Comm. 1783. conomische und Technologische Naturgeschichte
156 S. 8° des Mineralreichs.
Sander bearbeitet in seinem Kinderschauspiel einen Titelvignette in Th. I von und nach J. A. Rosmaesler.
phantastischen Stoff allegorischen Charakters, dessen
Umfassendes Lehrbuch der Naturgeschichte für Land-
Grundidee womöglich aus Swifts Gullivers Reisen
leute und Schüler der mittleren Schulen bes. »am Rhein,
( 1726) entlehnt ist. Das Stück trägt stark kulturpessimi-
an der Mosel, am Neckar, in Schwaben und den be-
stische Züge: Gezeigt wird die natürliche und tugend-
nachbarten Creisen«; zum Privat- wie zum Schulge-
hafte Existenz eines von den Auswüchsen moderner Zi-
brauch und zur Anleitung für Lehrer und Prediger be-
vilisation noch unberührten Volkes auf einer Nordseein-
stimmt; zielt ab auf die praktische Anwendung der Na-
sel, die durch die Berührung mit »europäischer« Sitten-
turgeschichte und auf die Erkenntnis Gottes aus der Na-
losigkeit bedroht scheint. - Ausführliche Beschreibung
tur, will Aberglauben und Vorurteile beseitigen; enthält
siehe Sp. 290
Abschnitte zur Schöpfung, zur Naturgeschichte des
Nieders. Staats- u. UB Göttingen Menschen (einschl. Sexualaufklärung), zu den Tieren
(bes. Haustieren und Schädlingen), den J1lanzen und
779 Friedrich Robinson. Eine Lesebuch für Kinder Mineralien.
von Christian Friedrich Sander. - Flensburg und Leip-
Fürst!. Fürstenberg. HofB Donaueschingen
zig: Korten 1784. XVI, 132 S. 8°
Ornamentale Titelvignette
Freie Bearbeitung des Robinson-Stoffes für Kinder im Sannens, Fr. Karl
Schulalter. Der Roman will »unschädlich« unterhalten
und schildert den Inselaufenthalt bis zur Rückkehr Ro- 783 Der edelmüthige Denunziant. Ein Kinderschau-
binsons nach London. -Ausführliche Beschreibung sie- spiel in fünf Aufzügen. Von Fr. KJ:arl] Sannens.- Wien:
he Sp.299 Patzowsky 1794.3 ungez. BI., 161 S. 8°

Bayer. StaatsB München Kinderschauspiel »für ein Gesellschaftstheater«. Im


Mittelpunkt steht die kindliche Liebe eines Jungen zu
seinem Vater.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Sander, Heinrich (1754-1782): Naturforscher und Pro-
fessor am Gymnasium in Karlsruhe.
Kinderschauspiele. Siehe: Koller, BenediktJosefMaria
von.
780 Von der Güte und Weisheit Gottes in der Natur.
Von Heinrich Sander.- Carlsruhe: Sehrnieder 1778. 8
ungez. BI., 576 S. 8°
Sartorius, Ernst Ludwig: Subrektor am Pädagogium in
Titelvignette, gestochen von E. Verhelst. Darmstadt.
Naturkundliche Betrachtungen vornehmlich mit religiös-
erbaulicher Absicht; handelt ohne Systematik von ein- 784 Theater für die Jugend. [Hrsg. von Ernst Ludwig
zelnen Naturgegenständen, um den Reichtum, den Zu- Sartorius.] Bdch. I. - Frankfurt a. M.: Hermann 1782.
sammenhang und die Unermeßlichkeit der Natur zu be- 22J S. 8°
weisen und die Vollkommenheit Gottes hervortreten zu Titelvignette in Kupferstich mit nicht verifizierbarer
lassen; schließt sich an Popesund Trembleys Weise der Signatur.
Naturbetrachtung an; an Erwachsene wie auch an seine
»Zöglinge« gerichtet in der Absicht, »sie von den Schön- Sammlung von Kinderschauspielen; enthält je ein Stück
heiten der Natur zur Religion hinzuleiten«; lt. Vorrede von Schummel (»Der Würzkrämer und sein Sohn«),
zur 2. Aufl. von 1780 nicht »für die ganze kleine, unreife Rode (»Das Geburtstagsgeschenk«), Pfeffel (»Die Bela-
Jugend« gedacht, sondern für »Jünglinge«, die schon gerung von Glocester«), Salzmann (»Denk, daß zu dei-
Hauslehrer oder Landprediger sind. nem Glück dir niemand fehlt, als Du!«), Engel (»Der
Edelknabe«) und ein anonymes Stück (»Das Besse-
Bad. LB Karlsruhe rungsmittel«). Lt. Vorrede das erste Heft einer lt. Kay-
ser dreiteiligen Sammlung deutscher Kinderschauspiele.
781 Dass. 6. Orig.-Ausg.- Ebd. 1800. XVI, VIII, 494 Die Stücke seien alle von den Schülern des Herausge-
S.8° bers bereits aufgeführt worden.
UStB Köln UB Heidelberg

782 Oeconomische Naturgeschichte fürden deutschen


Landmann und die Jugend in den mittleren Schulen. Die Schadenfreude. Siehe: Weiße, Christian Felix.
Von Heinrich Sander. (Th. 4: Fortgesetzt von Joh[ann]
Chr[istoph] Fabricius.- Th. 5: Fortgesetzt von F. G. Le-
onhardi.) Th. [1]-5.- Leipzig: Jacobäer 1782-1803. 8°
Schäffer, Daniel Fr. (1765-1838)
[ 1.] 1782. 12 ungez. BI., 264 S.
2. 1782. 8 ungez. BI., 256 S. 785 Der Lehrmeister, oder Beyträge zur Erweckung
3. 1782. 8 ungez. BI., 221 S. des Nachdenkens edler und sanfter Gefühle. Ein Buch
1509 Bibliographie 1510

für Kinder und Jünglinge, mit 6 Kupfern. Von D[aniel] Enzyklopädisches Bilderlehrbuch mit praktischer Aus-
F[r.] Schäffer, Verfasser der allgemeinen Weltgeschich- richtung in vier Sprachen; zum Gebrauch an öffentli-
te, ein Lesebuch für Kinder.- Berlin: Meyer 1790. XIV, chen Schulen undfor den Privatunterricht; behandelt al-
272 S., 3 Falttab. 8° le Wissensgebiete, schwerpunktmäßig die Handwerke
Titelvignette von L. Serrurier nach J. S. C. Zoll; 2 Kup- und Berufe; in zehn Jahrgängen als Wochenschrift er-
fertafeln von und nach F. C. Krüger, 4 von Krüger nach schienen. - Ausfohrliche Beschreibung siehe Sp. 997
C.B.Rode. Lipp. LB Detmold
Geschichtliches Nachschlage-, Daten- und Tabellenwerk
for Jugendliche, das das Lernen geschichtlicher Stoffe
angenehm und abwechslungsreich gestalten soll. Es ent- Schellenberg, Johann Rudolf ( 1740-1806): Schweizer
hält zunächst ein Kalendarium mit Namen »verschiede- Kupferstecher und Radierer.
ner in der Geschichte berühmter Personen und Oerter«,
wobei pro Monat eine besondere »Classe von Personen« 787 60 Biblische Geschichte des alten Testamentes in
zusammengestellt ist. Ein alphabetisches Register gibt Kupfer geäzt von Johann Rudolf Schellenberg. [Text
Informationen zu den Namen des Kalendariums. Es von Johann Caspar Lavater.] - Winterthur: Steiner
folgen historische Anekdoten und Erzählungen mit Kup- 177 4. Kupfertitel, 2 ungez. BI., 60 Kupfertaf. mit Text
fertafeln, verschiedene chronologische Tabellen und auf30 BI. 8°
»synchronische Uebersichten«. Dem Werk vorangestellt Lipp. LB Detmold; Nieders. Staats- u. UB Göttingen
ist eine Subskribentenliste der »jungen Personen«.
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt 788 60 Biblische Geschichten des neuen Testamentes
in Kupfer geaezt von Joh[ann] Rod[olf] Schellenberg.
[Text von Johann Caspar Lavater.]- Winterthur: Stei-
ner 1779. Kupfertitel, 60 Kupfertaf. mit Text auf 30 BI.
Schau-Platz der Natur, oder Unterredungen von der Be- 8o
schaffenheit und den Absichten der natürlichen Din-
ge ... Siehe: Pluche, Noel Antoine. Von den Veifassem der Biblischen Erzählungen für die
Jugend. Altes und Neues Testament. (u. a. Heß und La-
vater) angeregte Bilderbibeln zum Alten und Neuen Te-
stament. Sie enthalten je 60 Kupfertafeln, gestochen
Schauplatz der Natur und Künste »teils nach fremden, teils nach eigenen Entwüifen, im
Geschmack der Zeit: klassizistisch, die Menschen über-
786 Schauplatz der Natur und Künste, in vier Spra- höht, in heftigen Bewegungen und theatralischer Stel-
chen, deutsch, lateinisch, französisch, und italienisch./ lung und Miene. Lavater schrieb zu jedem Bild einige
Spectacle de Ia nature et des arts, en quatre langues, sa- Hinweise, Erläuterungen und erbauliche Betrachtun-
voir allemand, latin, francois et italien. [Unter Mitarb. gen; die Geschichte selbst setzte er als bekannt voraus.«
von Johann Peter Voit.] Jg 1-10. - Wien: Kurzböck (Angst, 1947, S. 53).
1774-83.4°
Lipp. LB Detmold; Nieders. Staats- u. UB Göttingen
I. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel-
kupfer und Vorbericht. 1774.
2. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel-
kupfer und Vorbericht. 1775. Scheppach, Georg August (geh. 1765): Sächsischer
3. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel- Hofküchenschreiber in Dresden; Verfasser regionalge-
kupfer und Vorbericht. 1776. schichtlicher und geographischer Schriften. Siehe
4. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel- Sp 1241
kupfer und Vorbericht. 1776.
5. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel- 789 Mythologisches Lesebuch für die Jugend. (Von
kupfer und Vorbericht. 1777. G[eorg] A[ugust] S[cheppach].) Bdch. 1.2. - Dresden
6. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel- und Leipzig: Breitkopf (Bdch.2: Leipzig: Crusius)
kupfer und Vorbericht. 1779. 1785/86.8°
7. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel- I. Mit Neun Kupfertaf. von J[ohann] W[ilhelm] Meil.
kupfer und Vorbericht. 1781. 1785. 8 ungez. BI., 206 S., I ungez. BI.
8. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel- 2. Mit Dreyzehn Kupfertaf. 1786. 6 ungez. BI., 322 S., I
kupfer und Vorbericht. 1782. ungez. BI.
9. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel-
kupfer und Vorbericht. 1783. In Bdch. I Titelvignette und Kupfertafeln von J. W.
I 0. Von 48 Platten und 48 Beschreibungen, nebst Titel- Meil; in Bdch. 2 Titelvignette und 13 Kupfertafeln von
kupfer und Vorbericht. 1783. J. G. Seiffert nach A. C. Kirsch.

Entwerfende Künstler: A. Weinkopf (Frontispiz in Jg 2) Lesebuch zur Mythologie der Ägypter, Griechen und
und Vin. Fanti (I Tafel in Jg 7); Ausführende Künstler: Römer; als Leitfaden for angehende junge Künstler und
J. Wagner(in Jg I und 2), A. Zenger(inJg3, 4 und 5), F. kunstinteressierte Jugendliche gedacht; traditionelle
Aßner (in Jg I und 6), J. Adam (in Jg3), F. Landerer Einteilung in Haupt- und Nebengötter mit Schwerpunkt
(Frontispiz in Jg5), J. A. P. Stoessel (inJg6), J. Mößmer auf ikonographischen Beschreibungen und auszugswei-
(FrontispizinJg7) undJ. M. Schmutzer(l Tafel inJg7); ser Wiedergabe der antiken Schriften. - Ausfohrliche
unsigniert sind in Jg8-10 alle Tafeln, in den übrigen Beschreibung siehe Sp. 1122
Bänden 227 Tafeln. UBTübingen
1511 Bibliographie 1512

Schilderung der vier Jahrszeiten der Jugend gewidmet. wieder zurück. [Von August Ludwig von Schlözer.] -
Siehe: Roth, Johann Ferdinand. Göttingen [1774]: Rosenbusch. 2 [richtig: 16] S. 8°
Ornamentale Titelvignette

Schiller, Johann Friedrich (1737-1814): Buchhändler ABC- und Lesebuch zum Hausgebrauch für Schlözers
in Mainz. vierjährige Tochter Dorothea; beschreibt in Tagebuch-
form eine von den Sch/özers unternommene Reise.
790 Anthologie, oder Sammlung auserlesener und ))Mein Absicht war, in leichtem kurzen Kinderstyllauter
lehrreicher Fabeln, Erzählungen, Gespräche, Briefe, solche Ideen und Sentiments vorzugeben, die ein Kind
Karaktere berühmter Männer, Historischer, Politischer, von ihrem Alter u. ihren Kräften, so wo/ einzeln, als in
und Philosophischer Stücke, und Predigten; zum Nut- ihrer Verbindung, völlig fassen könnte; damit [ . . .] das
zen der Jugend. Aus den besten Englischen Schriftstel- psychologische oder denkende mit dem bloß mechani-
lern von Johann Friedrich Schiller.- Mainz und Frank- schen Lesen verbunden [ . . .] werde.« (Schlözer an Für-
furt: Verf. und Varrentrapp und Wenner in Comm. stenberg, 8. 4. 1776).
(1786). 8 ungez. BI., 545 S. 8° Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Ornamentale Titelvignette
Die Anthologie soll »neben der Erleichtenmg des Stu- 793 Lese-Buch für den kleinen Christian. [Von August
diums der Englischen Sprache und Litteratur, auch zur Ludwig von Schlözer.]- 0. 0. (1778.) 2 ungez. BI. 8°
Beförderung des Geschmacks, der Welt- und Menschen- An: Schlözer: Dortgens Reise von Göttingen nach
kenntnis und Tugendliebe beitragen«. Schiller versucht, Franken und wieder zurück. 1774.
die »Wißbegierde« der Leser »durch Neuheit und Man-
nichfaltigkeit der Gegenstände, der Eink/eidungen und ABC- und Lesebuch für Schlözers vierjährigen Sohn
Schreibarten bis ans Ende zu unterhalten«. Aufgrund Christian; enthält das große und das kleine Alphabet in
der formal-ästhetisch wie inhaltlich häufig anspruchsvol- bunter Folge, eine Zahlenreihe, zwei Gedichte sowie ein
len Textauswahl können als Adressaten gebildete, poli- kleines Verzeichnis von zweimal zehn Sachen aus dem
tisch und historisch bewanderte Jugendliche angenom- Naturalienkabinett des Kindes mit drei sich darauf be-
men werden. ziehenden Fragen.

StB Mainz Nieders. Staats- u. UB Göttingen

794 Leben, Thaten, Reisen, und Tod eines sehr klugen


Schlez, Johann Ferdinand (1759-1839): Theologe und und sehr artigen 4jährigen Kindes Christian Henrich
Pädagoge. Heineken aus Lübeck. Beschrieben von seinem Lehrer
Christian von Schöneich. [Bearb. von August Ludwig
791 Lorenz Richard's Unterhaltungen mit seiner von Schlözer.] 2. veränd. Aufl.- Göttingen: Vanden-
Schuljugend über den Kinderfreund des Herrn von Ro- hoek 1779. 5 ungez. BI., 227 S., I ungez. S. 8°
chow. Ein Beytrag zur Katechetik, besonders für Schul- Ornamentale Titelvignette
lehrer, von Johann Ferdinand Schlez. Bd 1.2. - Nürn-
berg: Feißecker 1796/97. 8° Lebensgeschichte des Wunderkindes Christian Henrich
Heineken für etwa zehnjährige Kinder; gedacht zur ei-
I. 1796. 2 ungez. BI., 404 S. genen Lektüre, teilweise »durch Nachhelfen eines ge-
2. 1797. I ungez. BI., 334 S., 6 ungez. BI. schickten Lerers«. Das Buch soll eine systematische Be-
Sammlung von Katechisationen über den Rochowschen schäftigung mit der Weltgeschichte vorbereiten. Weitge-
Kinderfreund für Katecheten und Schüler; den Unterre- hende Bearbeitung des 1726 erschienenen Werks von
dungen sind jeweils die Texte aus dem Kindeifreund in Schöneich.
der fränkischen Bearbeitung durch Schlez el795) vor- Nieders. Staats- u. UB Göttingen
angestellt. Heide Bände sind in jeweils vier Hefte einge-
teilt. Der erste Band enthält in den Heften 1-3 17 Kate-
795 Vorbereitung zur Weltgeschichte für Kinder. [Von
chisationen; das vierte Heft stellt einen ausführlichen
August Ludwig von Schlözer.] Th. I.- Göttingen: Van-
»Leiifaden beym Unterricht in der Naturgeschichte« zur
denhoek 1779. 6 ungez. BI., 114 S. 8°
sachkundlichen Anleitung von Lehrern dar. Der zweite
Band umfaßt 19 Katechisationen, die letzten über Ge- Ornamentale Titelvignette
genstände der Religion bzw. einen Bibe/text. Beigege-
ben sind ausführliche Inhalts- und Sachregister. Lehr- und Lesebuch für zehnjährige Kinder; vermittelt
Kenntnisse über die Entstehung und Entwicklung der
Leop.-Soph.-B. Überlingen Erde, des Menschen und der Gesellschaft; als politisch-
historische Grundlage für die Beschäftigung mit der
Weltgeschichte gedacht. - Ausführliche Beschreibung
Die Schlittenfarth. Siehe: Weiße, Christian Felix. siehe Sp. 1033
Nieders. Staats- u. UB Göttingen

Schlözer, August Ludwig von (1735-1809): Historiker 796 Dass. u. d. T.: Vorbereitung zur WeltGeschichte
und Publizist. Siehe Sp.l242 für Kinder. [Von August Ludwig von Schlözer.]3. Ausg.
[Th. 1.]- Göttingen: Vandenhoek und Ruprecht 1790. 2
792 Dortgens Reise von Göttingen nach Franken und ungez. BI., 114 S. 8°
1513 Bibliographie 1514

Omamentale Titelvignette Omamentale Titelvignette


UBBonn Historische Schrift über den deutschen Bauernkrieg in
Anlehnung an das NeuJahrs-Geschenk aus Westfalen.
797 Dass. u. d. T.: Vorbereitung zur WeltGeschichte - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 1135
für Kinder. [Von August Ludwig von Schlözer.]6., hin
Lipp. LB Detmold
und wieder veränd. Aufl. Th. 1.- Göttingen: Vanden-
hoek und Ruprecht 1806. 6 ungez. BI., 136 S., 4 ungez.
802 Geschichte aus Ober-Sachsen für einen deutschen
BI. 8o
Knaben. Geschichte des Kursächsischen Edelmannes
Württemberg. LB Stuttgart; Dt. StaatsB Berlin und Prinzenräubers Kunz von Kauffungen im J. 1445.
(Von Anton Rudolph Warlich.) [Mutmaßt. Verf.: Au-
798 Vorbereitung zur WeltGeschichte für Kinder. Th. gust Ludwig von Schlözer.]- Göttingen: Vandenhoek
2. I. UrWelt, bis zur Sündflut. Anfang der Dinge: mehr und Ruprecht 1788. 3 ungez. BI., I 00 S., I ungez. BI. 8°
Raisonnement, als Geschichte. [Von August Ludwig
Omamentale Titelvignette
von Schlözer.]- Göttingen: Vandenhoek und Ruprecht
1806. X, 202 S. 8° Historische Schrift über den Sächsischen Bruderkrieg
( 1446-51) und den Prinzenraub Kunz von Kauffungens
Omamentale Titelvignette (1455, im Titel fälschlich 1445) in Anlehnung an das
Lehr- und Lesebuch for 12-14jährige Kinder zur Fun- NeuJahrs-Geschenk aus Westfalen.
dierung des Unterrichts in Universalgeschichte; vermit-
StLB Dortmund
telt ein umfassendes Bild vom Weltall, von der Entwick-
lung der Erde bis zu ihrem heutigen Zustand, von der
Entwicklung des Menschen und der menschlichen Kul-
tur; vertieft den Stoff des ersten Teils unter Berücksichti- Schlosser, Johann Georg (1739-1799): Staatsbeamter
gung des vermehrten Wissens der Leser und paßt ihn und Publizist. Siehe Sp. 1242
neuen Erkenntnissen an.
803 Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen; Dt. StaatsB Berlin [Von Johann Georg Schlosser.] - Frankfurt a. M.: Ei-
chenberg 1771. 136 S. 8o
799 NeuJahrs-Geschenk aus Jamaika in Westindien
für ein Kind in Europa. [Von August Ludwig von Schlö- Titelvignette, gestochen von J. M. Zell.
zer.)- Göttingen: Vandenhoek 1780.48 S. 8° In die Form des väterlichen Rats eingekleidete elemen-
Omamentale Titelvignette tare Sittenlehre for Kinder des Landvolks; handelt von
den f11ichten gegen sich selbst und gegen die Gesell-
Fiktive Reisebeschreibung in Briefform, die vorbildhaft schaft und enthält ein Schlußkapitel über das Gewissen
Campes Erste Sammlung merkwürdiger Reisebeschrei- und die Religion; mit einem ausfohrlichen Vorwort über
bungen (1785-93) beeinflußte und von ihm auch in die »Sittenverbesserung« und Erziehung. - Ausfohrliche
Kleine Kinderbibliothek mit aufgenommen wurde; ur- Beschreibung siehe Sp. 535
sprünglich for den sechsjährigen Christian Schlözer ver-
faßt. Der erste Brief stellt eine Einleitung dar, die fol- StB Trier
genden zehn thematisieren verschiedene Gegenstände
(u. a. die Unmenschlichkeit des Sklavenhandels), einge- 804 Dass.- Leipzig und Dresden 1772. 142 S. 8°
kleidet in die Schilderung der täglichen Erlebnisse und Omamentale Titelvignette
Eifahrungen des Veifassers.
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
805 Dass. 3. ächte Aufl.- Frankfurt a. M.: Eichenberg
800 NeuJahrs-Geschenk aus Westfalen für einen deut- 1776. 144 S. 8°
schen Knaben. Stück I. Geschichte des Schneider- und
Titelvignette, gestochen von J. M. Zell.
SchwärmerKönigs, Jan van Leyden, in Münster: A.
1535. [Von August Ludwig von Schlözer.]- Göttingen: Lipp. LB Detmold
Vandenhoek 1784. VIII, 146 S. 8°
Omamentale Titelvignette 806 Dass. u. d. T.: Sittenbüchlein für die Kinder des
Landvolks. [Von Johann Georg Schlosser.]- Frankfurt
Geschichte der Münsteraner Wiedertäuferbewegung for a. M.: Eichenberg 1773. 76 S. 8°
zehnjährige Knaben; das Wiedertäuferturn wird als
schädlicher Auswuchs der sonst segensreichen Reforma- Omamentale Titelvignette
tion hingestellt; sprachlich originelle Form. - Ausfohrli- Verbilligte Ausgabe des Katechismus der Sittenlehre für
che Beschreibung siehe Sp. 1094 das Landvolk von 1771, um das Werk »dem Landvolk
wohlfeiler und nützlicher zu machen«. Die umfangreiche
Lipp. LB Detmold
Einleitung ist weggelassen; stattdessen ist ein einleiten-
der Abschnitt vorangesetzt, der die Rahmenhandlung
801 Geschichte aus Ober-Sachsen für einen deutschen
expliziert.
Knaben. Geschichte des schwärmerischen Pfarrers und
Bauern-Feldmarschalls Thomas Münzer in Thüringen GymnasialB Speyer
im J. 1525. (Von A[nton] R[udolph] Warlich.) [Mut-
maß!. Verf.: August Ludwig von Schlözer.]- Göttingen: 807 Dass. u. d. T.: J. C. Lavaters Sittenbüchlein für die
Vandenhoek 1786. 140 S., 2 ungez. BI. 8° Kinder des Landvolks. [Von Johann Georg Schlosser.]
1515 Bibliographie 1516

Neue verb. Aufl. - Frankfurt a. M.: Keßler 1789. 99 gen sich selbst und andere, von der Vorbereitung auf
S. 8o den Tod und vom gesellschaftlichen Umgang.
Omamentale Titelvignette Staat!. B. Ansbach
Spätere Auflage von Schlossers Katechismus der Sitten-
Moralische Erzählungen und Schilderungen, 1793
lehre für das Landvolk (1771) unter Lavaters Namen;
der Text ist identisch mit dem der verbilligten Ausgabe 811 Moralische Erzählungen und Schilderungen ge-
von 1773, die unter dem Titel Sittenbüchlein für die sammle! von Johann Adam Schmerler. 2. Aufl.- Nüm-
Kinder des Landvolks erschienen ist. berg: Pech und Schulze 1796. 9 ungez. BI., 336 S. 8°
UB d. TU Braunschweig Frontispiz in Kupferstich von und nach Bier! ein.
Sammlung von Beispielgeschichten und Anekdoten, um
808 Katechismus der Christlichen Religion für das
»bey schon etwas erwachsenen Kindern, oder auch bey
Landvolk, als der zweyte Tb eil des Katechismus der Sit-
andern Liebhabern einer solchen Leetüre edle Ent-
tenlehre für das Landvolk. [Von Johann Georg Schlos-
schliessungen hervor zu bringen, gute Grundsätze zu be-
ser.] ächte Ausg.- Leipzig: Weygand 1776. 110 S. 8°
festigen, tugendhafte Empfindungen zu unterhalten«,
Titelvignette in Kupferstich von Schleuen. und um die Schüler »in richtiger Declamation zu üben«.
Enthält Texte u. a. von Sulzer, Meißner, Wagnitz, Mo-
Religionsunterrichtliches Werk for Kinder des Land-
ritz, Feddersen und aus den Palmblättem von Liebes-
volks, das zunächst eine kurzgefaßte Geschichte des AT
kind. EA lt. Ky 1793.
und NT enthält und dann die 5 Hauptteile des lutheri-
schen Kleinen Katechismus und einen Kommentar zum Bayer. Staatsß München
Matthäus-Evangelium wiedergibt. Die Vorrede liefert
eine Polemik gegen die rationalistische Orthodoxie. -
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 735
Schmiedtgen, Johann Gottfried Daniel (I 766-1816):
UB Bonn; Freies Dt. Hochstift Frankfurt Pädagoge.

812 Dämmerungen. Für Deutschlands gute Töchter:


Schmahling, Ludwig Christoph ( 1725-1804): Prediger von J[ohann] G[ottfried] D[aniel] Schmiedtgen, Verfas-
in Tebra und Grazungen, anschließend Oberprediger in ser der Euphonie. - Leipzig.: Leo 1796. XVIII S., I un-
Osterwik/Halberstadt. gez. BI., 372 S. 8°
Frontispiz in Kupferstich von G. C. Schule nach C. Nat-
809 L[udwig] C[hristoph] Schmahlings Naturlehre für
he.
Schulen.- Göttingen und Gotha: Dieterich 177 4. 18 un-
gez. BI., 93 S. 8° Sammlung von drei Erzählungen, die »mehr als bloße
Unterhaltung« sein wollen: »Berijamine, oder die
Omamentale Titelvignette
Aster« thematisiert die traurigen Folgen einer übermä-
Kurzgefaßtes naturkundliches Werk for den Schulge- ßig zärtlichen Erziehung; »Der Widerspruch oder die
brauch;faßt Naturkunde allgemein als» Kenntniß aller Bettlerfreude« beschäftigt sich mit den Freuden der Na-
würklichen Dinge, ausser Gott« auf; handelt von den tur und den »Ihorheiten« der Kunst; »Das Gericht der
Gestirnen, von der Erde, den vier Elementen, vom Grünlinge« veranschaulicht die Vorteile derjenigen
J>flanzen- und Tierreich, von Körper und Seele des Stände, die »ihren Mann nähren, auch dann, wenn ein
Menschen, von den Wissenschaften, Künsten und Unglück dem andern folgt«.
Handwerken, schließlich von der Gesellschaft; bezeich-
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
net in der ausfUhrliehen Vorrede die »vernünftige
Kenntniß der Welt und Natur« als Voraussetzung der
wahren Religion.
UB Münster Schönberg, Mattbias von ( 1734-1792): Katholischer
Theologe und Jesuit. Siehe Sp. 1242
Lehrreiche Gedanken mit kleinen Begebenheiten, 1771
Schmerler, Johann Adam (1765-1794): Pädagoge und
Hauslehrer.
813 Lehrreiche Gedanken mit kleinen Begebenheiten
zur Bildung eines edlen Herzens in der Jugend. Von Ma-
thias von Schönberg. 2. Aufl.- München: Deutscher
810 Sophrons Lehren der Weisheit und Tugend für sei-
Schulfonds-Bücherverl. 1792. 7 ungez. BI., 179 S. 8°
ne erwachsene Tochter oder Versuch einer Frauenzim-
mermoral von Johann Adam Schmerler. Abth. 1-3.- Omamentale Titelvignette
Erlangen: Palm 1791.6 ungez. BI., 817 S., 5 ungez. S. 8°
Sammlung von 118 Betrachtungen über religiöse und
Elterlicher Rat: will >>dem frivolen Geschmacke an den moralische Fragen, denen jeweils zur Veranschauli-
gewöhnlichen Lesereyen Abbruch ... thun«, durch Ver- chung eine kurze historische Anekdote oder eine Bei-
bindung des Angenehmen mit dem Nützlichen die » Un- spie/geschichte angehängt ist. Behandelt einzelne Tu-
terweisung des Verstandes in der Wahrheit« und »die genden und Laster, Fragen christlicher Lebensfohrung
Bildung des Herzens zur Tugend« befördern; gedacht und höflichen Verhaltens. Die einzelnen Betrachtungen
for die weibliche Jugend, bei der bereits »ein gewisser sind alphabetisch angeordnet, beginnen mit »Adel« und
Grad der Bildung« vorausgesetzt werde; handelt von enden mit »Ziel und Ende des Menschen«. Lt. Köberle
der Bestimmung der Frau, den J>flichten gegen Gott, ge- (1972) handelt es sich um eine Übersetzung von de Pep-
1517 Bibliographie 1518

liers Receuil des bons contes et des bons mots. EA lt. Sachlich belehrende Schrift zur Landwirtschaft mit
Ky. praktischer Ausrichtung; gedacht als Anleitung for den
Landwirt zur Steigerung des Ertrages und als Lehrbuch
Bayer. StaatsB München
for Dorfschullehrer zur Vorbereitung der »erwachsenen
Schulknaben«; erläutert in katechetischer Form Aufga-
Die Zierde der Jugend, 1771
ben des Bauern; enthält Verbesserungsvorschläge zu Ak-
814 Die Zierde der Jugend von Matthias von Schön- kerbau und Viehzucht.
berg.- (München: Osten) 1778. Frontispiz, Kupfertitel,
Bayer. StaatsB München
Dedikationskupfer, 145 ungez. BI., 20 Vignetten i. T. 8°
Kupfertitel von J. M. Söckler nach J. C. T. Winck; eben-
so ist die letzte Vignette von Söckler gestochen; alle übri- Die Schönheiten der Schöpfung
gen Kupfer sind unsigniert.
Sitten- und Anstandsschrift »for die sammtliche Jugend 817 Die Schönheiten der Schöpfung. Ein naturhistori-
unseres Katholischen Deutschlands«. Vermittelt Lehren sches Lesebuch für die Jugend. Frei bearbeitet nach
und Anweisungen zur Bewahrung »jugendliche(r) Un- dem Englischen mit 56 Abbildungen.- Berlin: Felisch
schuld«, zur »ö.ffentliche(n) Erbauung, Liebe zur Tu- l798.XVI, 151 S. 8°
gend und Abscheu vor dem Laster«. Prachtausgabe mit Titelvignette mit nicht mehr verifizierbarer Signatur; die
Kupfertitel, Dedikationskupfer und zahlreichen Kup- Abbildungen befinden sich auf 27 Kupfertafeln und
fern. EA lt. Ky. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe stammen von einem Künstler.
Sp.542
Erster Band einer auf mehrere Teile konzipierten Natur-
Bayer. StaatsB München geschichte for Jugendliche; beschreibt ca. 60 »besondere
und merkwürdige« vierftißige Tiere unter verschiedenen
Freundschaftliche Erinnerungen an einen jungen Men- Geschichtspunkten; zielt auf eine lehrreiche, angenehme
schen, 1777 und nützliche Beschäftigung, die »zum Nachdenken
815 Freundschaftliche Erinnerungen an einen jungen und zur Thätigkeit« sowie zum Erkennen und zur Ver-
Menschen, der itzt in die große Welt geht. Von Mathias ehrung des Schöpfers fUhren soll; freie Bearbeitung ei-
von Schönberg.- Wien: Weingand 1778.60 S., l ungez. nes englischen Originals; im Anhang illustrierende Kup-
BJ. 8o fertafeln.
Titelvignette in Kupferstich von J. E. Mansfeld. LBCoburg
Vermächtnis for junge katholische Männer, gedacht zur
»Aufklärung des Verstandes« und zur »Bildung des ju-
Schöpperlin, Johann Friedrich ( 1732-1772): Lehrer am
gendlichen Herzens«; vermittelt Grundsätze der Reli-
Lyzeum in Nördlingen.
gion, der Ehre und der Tugend. Der Verfasser gibt das
Werk als eine »theils gemehret(e), theils geläutert(e)«
818 Joh[ann] Friederich Schöpperlins biblische Kin-
Übersetzung aus dem Französischen und »Moskowiti-
dergeschichte zur Aufklärung der Sittenlehre für Schu-
schen« aus. EA lt. Ky.
len. Th. 2, Abschn. I.- Nördlingen: Beck 1772. 8 ungez.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. BJ., 175 S. 8°
Omamentale Titelvignette
Wie man die Unschuld wider alle Sünden bewahren sol-
le ... In: Felbiger, Johann Ignaz von: Kern der Ge- Zweiter Band einer zweiteiligen Schriftenauslegung for
schichte des alten und neuen Testamentes. Kinder; behandelt vier Themen aus dem 3. bzw. 5. Buch
Mose, die Geschichten Jephthas und Simsons, Elis
schlechte Erziehung seiner Söhne sowie zwei. Geschich-
Schöne Geschichten und lehrreiche Erzählungen zur ten Samuels; in Gesprächsform gehalten. EA lt. Ky
Sittenlehre für Kinder. Siehe: Jais, Aegidius. 1766 in 2 Teilen.
StB Bielefeld
Schöneich, Christian von

Leben, Thaten, Reisen, und Tod eines sehr klugen und Schröckh, Johann Mattbias ( 1733-1808): Historiker
sehr artigen 4jährigen Kindes Christian Henrich Heine- und Schriftsteller. Siehe Sp. 1243
ken aus Lübeck. Siehe: Schlözer, August Ludwig von.
819 Allgemeine Weltgeschichte für Kinder, von Jo-
hann Mattbias Schröckh. Th. l-4. Leipzig: Weidmann
Schönfeld, Johann Gottlob von (gest. 1777): Herzog- und Reich 1779-84. 8°
Iich-Sachsen-Gothaischer Landkammerrat. I. Alte Geschichte. Mit vier und zwanzig Kupfertaf.
1779.10ungez. Bl.,384 S.
816 Joh[ann] Gottl[ob] von Schönfelds Lehrbuch der 2. Anfang der Neuern Geschichte. Mit zwanzig Kup-
ganzen Landwirthschaft für Stadt- und Dorffschulen, fertaf. 1780. 6 ungez. BI., 417 S.
mit allen zu des Landmannes Ueberzeugung nöthigen 3. Fortsetzung der neuern Geschichte. Geschichte der
Gründen, Erfahrungen, Erläuterungen und Exempeln Deutschen. Mit acht und zwanzig Kupfertaf. 1781. 3
abgefaßt.- Leipzig: Jacobäer 1778.5 ungez. BI., 630 S., ungez. BI., 576 S.
l 0 ungez. BI. 8° 4. Abschnitt 1. Fortsetzung der Neuern Geschichte.
1519 Bibliographie 1520

Mit funfzehn Kupfertaf. 1782. 2 ungez. BI., 450 S. kenntnisse künftiger Studirenden gründlich vorbereite-
Abschnitt 2. Fortsetzung der Neuern Geschichte. ten Plane. (Hrsg. von Christian Gottfried Schütz und Jo-
Mit neun Kupfertaf. 1783. IV, 433 S. Abschnitt 3. hann Salomo Semler.) Th. 1-11. 13.- Halle: Gebauer
Beschluß der Neuern Geschichte. Mit vier Kupfer- 1780-92.8°
taf. 1784. 3 ungez. BI., 380 S., 21 ungez. BI.
I. 2. Aufl. 1780. XXXVI, 348 S. [Enth. :] Lateinisches
Die Entwürfe der Kupfer stammen alle von C. B. Rode, Lesebuch für die achte Klasse.
sind jedoch nicht alle, vor allem in Th. I und 2, von ihm 2. Fabri, J( ohann) E(rnst [Ehregott]): Geographisches
signiert. Die Stecher: Crusius (I Tafel in Th. I), F. C. Lehrbuch für die ersten Anfanger, oder die unterste
Krüger (insgesamt 27 Tafeln in allen Teilen), M. M. Klasse. 2. verb. Aufl. 1786. XXXVIII, 404 S., 4 un-
Thoenert (2 Tafeln in Th. 1), G. G. Endner (3 Tafeln in gez. BI. [Nebent. :] Fabri: Elementargeographie
Th. 1), C.C. Glaßbach (2 Tafeln in Th. 2), C. B. Glaß- oder des Semler-Schützischen Elementarwerks
bach (I Tafel in Th. 2), C. G. Geyser (insgesamt 20 Ta- ZweyterTheil.
feln in Th. 2-4), J. W. Meil (insgesamt 5 Tafeln in Th. 3 3. Deutsches Lesebuch für die unterste Klasse nebst
und 4). In Th. 4, Abschnitt I sind 2 Tafeln koloriert. den Anfangsgründen der deutschen Sprachkunst
und Kinderlogik. 1780. XII, 304 S., I ungez. BI.
Umfassendes, sechsbändiges Lehrbuch der Universalge-
4. Mathematisches Lerbuch für die achte Klasse, oder
schichtefür Kinder von acht bisfünfzehn Jahren; beson-
den ersten Cursus. Mit 7 Kupfertaf. 1780. 4, 214 S.
dere Betonung der Begebenheiten und Persönlichkeiten,
5. Religionsunterricht für den ersten Cursus, oder die
die »für Kinder die einnehmendsten und lehrreichsten
achte Klasse. 1781. 12,340 S., 1 ungez. BI.
sind«; will das Fruchtbare der Geschichte anhand ein-
6. Lateinisches Lesebuch für den zweiten Cursus oder
zelner Beispiele zeigen und dabei eine Vorstellung von
die siebente Klasse. 1781. X, 328 S., I ungez. BI.
geschichtlichen Zusammenhängen vermitteln; enthält
[Nebent.:] Neues Elementarwerk für die niedem
Abschnitte zur alten Geschichte, zur Religionsgeschichte,
Klassen lateinischer Schulen und Gymnasien.
zur deutschen und europäischen Geschichte; reiche Kup-
Zweiter Cursus für Kindervon neun bis zehn Jaren,
ferillustrierung. - Ausführliche Beschreibung siehe
enthalten im 6ten bis I Oten Theil.
Sp.l039
7. Deutsches Lesebuch für den zweiten Cursus, nebst
Lipp. LB Detmold der Fortsetzung der deutschen Sprachlere und Kin-
derlogik. 1781. XII, 324 S.
8. Mathematisches Lehrbuch für den zweiten Cursus.
Schubart, Christian Gottfried ( 17 44-nach 1780) Mit 3 Kupfertaf. 1783. 170 S.
9. (Fabri, Johann Ernst [Ehregott]:) Geographisches
siehe: Monatsschrift für Kinder. Lehrbuch für den zweyten Cursus. Bd I. 1782. XVI-
II, 334 S. Bd 2. Ausser den noch übrigen Theilen
von Europa, ganz Asien, Afrika und Südindien.
Schubert, Johann Ernst (1717-1774): Professor der 1782. s. 335-766.
Theologie in Helmstedt, später in Greifswald, königlich 10. Religionsunterricht für den zweiten Cursus. Bd I.
schwedischer Oberkirchenrat und Pastor der Marlen- 1784.276 s.
kirche. 11. Lateinisches Lesebuch für den dritten Cursus.
1785.350 s.
820 Johan Ernst Schuberts Unterricht in der Religion 13. Lateinisches Lesebuch für den vierten Cursus.
für die Jugend. - Helmstedt und Halle: Hemmerde Abth. I. 1787.372 S. Abth. 2. 1792.236 S.
1764. 186 S. 8°
Umfassendes Unterrichtswerk »zusammenhangender,
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. einander unterstüzender und vorbereitender Lehrbücher
Evangelisch-lutherischer Katechismus; will im ersten für die untern Klassen« lateinischer Schulen und Gym-
Teil »kleineren Kindern, welche erst anfangen, sich die nasien; bestehend aus Lehrbüchernfür Latein, Geogra-
ersten Begriffe in der christlichen Religion zu machen« phie, Mathematik, Deutsche Sprache, Grammatik und
eine »historische Nachricht von den Grundsätzen unse- Logik sowie Religion für die Kurse in der 8. und 7.
res Glaubens« vermitteln, enthält in wörtlicher Übernah- Klasse (Schüler von 8-9 bzw. 9-10 Jahren) und Lotein-
me den Kleinen Katechismus Luthers; der 2. Teil will büchernfür die 6. und 5. Klasse (10-11, 11-12jährige
»jungen und einfältigen Christen« alles vermitteln, »was Schüler); auch zum Privatunterricht geeignet. Bekannt
einem Christen zu wissen nötig ist«; angehängt sind als das Hallische Elementarwerk. - Ausführliche Be-
zwei Fragenkataloge zur Examination von Konfirman- schreibung siehe Sp.1057
den und zum Unterschied der Religionen sowie mehrere UB Tübingen (Th. 2-13); HAB Wolfenbüttel (Th. I)
Gebete. EA 1762 lt. Ky.
HAB Wolfenbüttel
Die Schule des Edelmanns, oder Magazin für junge Ca-
valiers. Siehe: Maubert de Gouvest, Jean Henri.
Schütz, Christian Gottfried ( 1747-1832): Professor der
Philosophie in Halle, der Beredsamkeit in Jena, an-
schließend in Halle. Siehe Sp. 1243
Schulz, Joachim Christoph Friedrich (1762-1798): Ro-
821 Neues Elementarwerk für die niedem Klassen la- manschriftsteller.
teinischer Schulen und Gymnasien. Nach einem zusam-
menhängenden und auf die Lesung klassischer Autoren 822 Albertine. Richardsons Clarissen nachgebildet
in den obern Klassen, wie auch auf die übrigen Vorer- und zu einem lehrreichen Lesebuch für deutsche Mäd-
1521 Bibliographie 1522

chen bestimmt. [Von Joachim Christoph Friedrich Stück ;;eine vorirefliehe Übung im Referiren und im De-
Schulz.] Th. 1-5.- Berlin: Wever 1788/89. 8° c/amiren«.
I. 1788. XIV, 382 S. Staat!. B. Regensburg
2. 1788. 397 S.
3. 1789. 347 s.
4. 1789.358 s. Schummel, Johann Gottlieb ( 1748-1813): Schriftsteller
5. 1789. 367 s. und Pädagoge. Siehe Sp.l243

Frontispiz in Kupferstich von E. S. Henne. 825 Lustspiele ohne Heyrathen. Von dem Verfasser der
Bearbeitung des Clarissa-Stoffes .for das »deutsche Empfindsamen Reisen durch Deutschland [d. i. Johann
weibliche Publikum«, gedacht als »Magazin von prakti- Gottlieb Schummel].- Wirtenberg und Zerbst: Zimmer-
schen Lebensregeln .for das weibliche Geschlecht«. mann 1773. 190 S. 8°
Durch die Verlegung des Schauplatzes von England [Enth.:]l. Die unschuldige Frau oder viel Lerrnen um
nach Deutschland habe die Bearbeitung »zugleich an Nichts, Ein Lustspiel in Einem Aufzuge. S. 5-64. 2. Das
Interesse und Zweckmäßigkeit« gewonnen, auch sei die Duell. Ein Lustspiel in Drey Aufzügen. S. 65-158. 3.
Geschichte so ».for deutsche Leserinnen anziehender Der Würzkrämer und sein Sohn, Eine Schulkomödie in
und nützlicher«. Einem Aufzuge. S. 159-189.
UBTübingen Ornamentale Titelvignette
Sammlung von drei Lustspielen, von denen jedoch nur
das letzte zur Kinder- und Jugendliteratur gerechnet
Schulze, Johann Michael Friedrich (geb. 1753): Lehrer werden kann. In einer Einleitung polemisiert Schummel
am Philanthropin in Dessau. gegen die ;;Einförmigkeit« der Lustspiele, die nur von
der Darstellung von Heiratsstiftungen und Heiraten leb-
823 Elementarbuch der lateinischen Sprache. (Von ten. Er will stattdessen ;;die Liebe vom Heyrathen mehr
J[ohann] M[ichael] F[riedrich] Schulze.) Th. 1.2.- Ber- getrennt« darstellen und zudem ;;den Ehestand selbst in
lin: Mylius 1779.8° seinen mannichfaltigen Auftritten« auf die Bühne brin-
gen.
I. In Verbindung mit sieben Kupferplatten von Daniel
Chodowiecki. XXXII, 368 S. UBBonn
2. XII S., I ungez. BI., 314 S.
826 Der Würzkrämer und sein Sohn, Eine Schulkomö-
Ornamentale Titelvignetten; in Th. l Frontispiz und 7
die in Einem Aufzuge. Von dem Verfasser der Empfind-
Tafeln von D. Chodowiecki auf Faltbl., davon 2 in Rot-
samen Reisen durch Deutschland [d. i. Johann Gottlieb
druck.
Schummel]. - Wittenberg und Zerbst: Zimmermann
Elementarische lateinische Grammatik .for Kinder, die 1773. 32 S. 8°
ihren Stoff »auf eine angenehme, menschenfreundliche
Ornamentale Titelvignette
Art« vermitteln will. Sie besteht aus 5 Teilen: einer
»Kindergrammatik«, biblischen Geschichten in Kinder- Der Sohn eines Würzkrämers kehrt von der Universität
latein und Deutsch, Reden von Moses und von Josuaje- Halle zurück; entsetzt muß der Vater feststellen, daß er
weils in Latein und einem Abschnitt über die Syntax. nichts gelernt, sondern seine ganze Zeit mit Lustbarkei-
Die Kindergrammatik ist als »angenehmes Lesebuch« ten vertan hat. Als Ursache davon wird die ;;übertriebe-
konzipiert und besteht aus 16 Gesprächen eines Lehrers ne Zärtlichkeit« des Vaters .for seinen Sohn dargestellt,
mit seinen drei Schülern, die zeigen sollen, wie »ein lieb- die widerspruchslose Hinnahme der kindlichen Faulheit
reicher Kinderfreund grammatikalisch angenehm und und Ungeschicklichkeit. Das Stück endet mit einer Ver-
unterhaltend mit Kindem sprechen könne«. In die Ge- söhnung: der Sohn gelobt Besserung und die Aufarbei-
spräche sind kleine unterhaltende »lntermezz(i)« einge- tung des versäumten Stoffes.
schoben. Da das Werk keine weitere Auflage mehr er-
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
lebte, hat der Verleger zu den 7 Kupfertafeln von Cho-
dowiecki ein neues Kinderbuch verfertigen lassen: Es
827 Fritzens Reisenach Dessau. [Von Johann Gottlieb
handelt sich um die Kinderlogik von Kar/ Phitipp Mo-
Schummel.]- Leipzig: Crusius 1776. 120 S. 8°
ritz.
Gestochene Titelvignette von Crusius.
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; Inst. f. Jugendbuch-
forschung Frankfurt In Briefform abgefaßte Reisebeschreibung .for Kinder
und Erwachsene. Beschrieben wird die Reise eines Jun-
824 Die wahre Liebenswürdigkeit oder das Geburts- gen nach Dessau und dessen Teilnahme an der öffentli-
tagsgeschenk. Lustspiel für Kinder in drey Aufzügen chen Vorstellung des Basedow'schen Philanthropins von
von J[ohann] M[ichael] F[riedrich] Schulze. - Berlin: 1776. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp.161
Mylius 1779. 94 S., I Notenfaltbl. 8°
Württemberg. LB Stuttgart
Ornamentale Titelvignette
828 Kinderspiele und Gespräche. [Von Johann Gott-
Das Kinderschauspiel will vermeiden, daß ;;so sehr viel
lieb Schummel.] Th. l-3.- Leipzig: Crusius 177 6-78. 8 o
kostbare Zeit über dem Auswendiglernen verloren
geht«. Einbezogen sind daher kurze Geschichten, die die I. 1776. XXVI, 292 S.
Akteure mit eigenen Worten wiedergeben können, und 2. 1777. 3 ungez. BI., 342 S.
Aufsätze, die vorgelesen werden sollen. Daher sei das 3. 1778. VIII, 452 S.
1523 Bibliographie 1524

In allen Teilen gestochenes Frontispiz und Titelvignet- zählungen über Gegenstände aus den drei Reichen der
te; in Th. I von und nach D. Chodowiecki, in Th. 2 und 3 Natur in nicht systematischer Anordnung. Der erste Teil
unsigniert. erschien in erster Ausgabe lt. Kayser 1781.
Spiel- und Beschäftigungsbuch for Kinder unterschiedli- Sächs. LB Dresden (Th. 1-5); Dt. StaatsB Berlin (Th.
chen Alters. Die dreiteilige Sammlung enthält Gesell- 2.); UB Heidelberg (Th. 4.5)
schafts- und Wissensspiele, Szenen. Dialoge. kleine
Schauspiele und Erzählungen zur Unterhaltung und 831 Johann Wilhelm Schwartzes Versuch einer Natur-
zum Zeitvertreib. Inhaltlich geht es sowohl um morali- lehre für die Jugend zur Unterhaltung bey müssigen
sche wie um sachliche Belehrung. - AusfUhrliehe Be- Stunden.- Dresden: Hilscher 17S4. 60S. so
schreibung siehe Sp. 166
Ornamentale Titelvignette
Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel (Th. 1-3);
Kurzgefaßtes naturgeschichtliches Lehrbuch for Kinder
StB Mainz (Th. 2); LB Coburg (Th. 3); UB Oldenburg
von 6 bis 8 Jahren; behandelt das f1lanzen- und das
(Th. 2.3); UStB Köln, Erziehungswiss. Abt. (Th. I)
Tierreich; endet mit Versen und Gebeten zur Verherrli-
chung des Schöpfers.
829 Moralische Bibliothek für den jungen deutschen
Adel. (Von [Johann Gottlieb] Schummel.) Th. 1-3. - Bayer. StaatsB München
Liegnitz und Leipzig: Siegert 17S5-S7. so
I. 17S5. XX, 50S S. Schweighäußer, Jean (1751-ISOI): Lehrer und Schrift-
2. 17S6. VIII, 443 S., I ungez. S.
steller.
3. 17S7. S ungez. BI., 439 S., I ungez. S.
Ornamentale Titelvignette in allen Bänden. Die gemeinnützigsten Kenntnisse aus der Natur und
der Kunst ... Siehe: Simon, Jean-Frederic.
Umfangreiches Werk zur moralischen Bildung junger
Adeliger; will die adelige Jugend zum »Adel des Geistes
und Herzens« erziehen; eine Hauptabsicht besteht dar- Sechs Schauspiele für Kinder. Siehe: Weiße, Christian
in, »dem Soldatenstande seinen falschen Schimmer zu Felix.
rauben«. Das Werk enthält Abschnitte zum Ade/stolz,
zum adeligen Müßiggang und zu den Vorzügen des
adeligen Landlebens, Lehren zur Warnung for junge Seidel, Carl August Gottlieb (1754-IS22): Bibliothe-
Offiziere, eine Rede »an eine Versammlung von jungen kar in Arolsen; Schriftsteller und Pädagoge.
Civilisten« sowie Abschnitte über die Unsitte der »Gallo-
manie« und die Religion. Vielfältige literarische Formen 832 Sammlung von Kinderschauspielen mit Gesängen
sollen jedem etwas »nach seinem individuellen Ge- von C[arl] A[ugust Gottlieb] S[eidel].- Göttingen: Die-
schmacke« bieten. Das Werk stellt hauptseilig eine terieb 17SO. 19S S. so
Kompilation aus Schriften meist adeliger Schriftsteller
dar (u. a. von Loen, von Schlie.ffen, von Gemmingen, [Enth. :]1. Der Neujahrstag. S. 5-42. 2. Das Besserungs-
von Maser, von Knigge, von Lohenstein, von Logau, mittel. S. 43-64.3. Die Reise auf Schulen. S. 65-146.4.
von Gebier, von Sonnenfels);französische Schriften wer- Tugend bleibt nicht unbelohnt. S. 147-19S.
den z. T. unübersetzt abgedruckt. Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Hess. LB Wiesbaden
833 Schauspiele für die Jugend. Von C[arl] A[ugust
siehe: Sadi, Shaikh Muslih AI-Din: Persisches Rosen- Gottlieb] Seidel. (Bdch. 1.)- Weißenfels und Leipzig:
thai nebst Locmans Fabeln. Severin 1790.2 ungez. BI., 143 S. so
[Enth. :]1. Die bestrafte Eitelkeit. Ein Schauspiel für die
Jugend, in zwei Aufzügen. S. 1-47. 2. Der Geburtstag
Schwartz, Johann Wilhelm (1751-IS22): Schullehrer in des Lehrers. Ein Kinderschauspiel, in drei Aufzügen.
Dresden. S. 51-9S. 3. Der wahrscheinliche Verdacht. Ein Schau-
spiel für die Jugend, in zwei Handlungen. S. 99-143.
830 Lesebuch für Kinder, aus der Naturgeschichte, von
Ornamentale Titelvignette
Johann Wilhelm Schwartz (Th. 2.4.5: Schwarz). Th.
1-5.- Leipzig: Hilscher 17S2-85. 8° Sammlung »kleiner dramatischer Stükke«, die der Mo-
natsschrift Jugendfreuden entnommen sind. Lt. Ky
I. 2. und verb. Aufl. 17S4. S ungez. BI., 222 S.
folgten bis 1792 zwei weitere Teile.
2. 17S2. S ungez. BI., 237 S.
3. 17S3. 4 ungez. BI., 260 S. Staat!. B. Neuburg
4. 17S4. 6 ungez. BI., 260 S.
5. 17S5.5ungez.BI.,201 S., 15ungez.S. 834 Kleine Lesebibliothek für die wißbegierige Jugend
von Tobias Wahrmann [d. i. Carl August Gottlieb Sei-
Ornamentale Titelvignette in Th. 2; unsignierte Titel-
del]. Bdch. 1.2.- Breßlau und Hirschberg: Korn 1793.
vignette in Kupferstich in Th. I und in Holzschnitt in so
Th. 4; in Th. 5 Kupferstichtitelvignette von J. G. Kling-
ner. I. X, ISO S.
2. II, IS4 S.
Naturgeschichtliches Lesebuch for Kinder, das dem
»abwechselnden Zeitvertreib« und dem » Vergnügen« In Bdch. I Frontispiz von G. F. J. Frentzel nach J. D.
dienen soll; enthält Beschreibungen, Anekdoten und Er- Schubertin Kupferstich.
1525 Bibliographie 1526

Lesebuch zur nützlichen Unterhaltung in den »Neben- Experimentieren ermuntern; im Anhangjeder Lieferung
stunden«, gedacht als Fortführung der Monatsschrift Kupfertafeln mit Beschreibung der verschiedenen Expe-
Jugendfreuden in anderer Form. Will von vielen Sachen rimente. -Ausführliche Beschreibung siehe Sp.1140
»richtige Begriffe« geben, die Beurteilungskraft schär-
StB Mainz (Lfg 3-8); HAB Wolfenbüttel (Lfg 1-4); UB
fen, zur Besserung des Herzens beitragen und manche
d. TU Braunschweig (Lfg 1.2)
gute Lehre erteilen, »die Euch für die Zukunft Eures
Lebens nützlich seyn wird«. Enthält »Scenen aus der
838 Dass. 2. Auf!. Lfg 1.2. - Nümberg und Altdorf:
Geschichte, Stücke aus der Länder- und Völkerkunde,
Monathund Kußler 1791. 8°
Naturgeschichte, Erzählungen, kleine Schauspiele, oder
Dialogen, Gedichte, Fabeln u.s.w.« Lt. Schmidt, An- 1. 94 S., I ungez. BI., 4 Kupfertaf.
halt. Schriftsteller-Lexikon, 4 Bände. 2. I 08 S., 2 ungez. BI., 4 Kupfertaf.
StudienB Dillingen Illustrierung wie Erstausgabe.
StB Mainz
835 Gallerie der Menschen. Ein Bilderbuch für die Ju-
gend zur Erweiterung ihrer Kenntnisse und Befriedi- Seiler, Georg Friedrich (1733-1807): Theologieprofes-
gung ihrer Wißbegierde. [Von Carl August Gottlieb Sei- sor in Erlangen, Konsistorialrat in Bayreuth. Siehe
del.] Th. 2.[3.]- Leipzig: Leo 1799/1801. 8° Sp. 1244
2. Mit vielen illum. Kupfern. 1799. 2 ungez. BI., 91 S.,
30 kolor. Kupfertaf. 839 Religion der Unmündigen. Entworfen von Georg
[3.] Mit42 illum. Kupfertaf. 1801. 144 S. Friedrich Seiler. - Erlangen: Watther 1772. XXIV,
224 S. 8°
Die Kupfertafeln sind unsigniert.
Omamentale Titelvignette
2. und 3. Teil eines völkerkundlichen Bilderbuches für
die Jugend, das Abbildungen verschiedener Menschen Religionsunterrichtliches Lesebuch für 10- bis 11jährige
aus allen Ländern und Erdteilen mit zugehörigen Be- Kinder; will ihnen »auf eine natürliche, leichte, an-
schreibungen liefert. Die Bände weisen keine systemati- nehmliche und erbauliche Art den für sie anständigen
sche Gliederung auf Im letzten Band befindet sich ein Unterricht des Christenthums« vermitteln; eingeteilt in
alphabetisches Register über alle drei Bände. Der 1. 55 sokratische Gespräche zwischen Vater und Sohn, in
Teil ist lt. Holzmann-Bohatta 1796 erschienen. denen ein »kleines System der christlichen Religion und
Sittenlehre« entwickelt wird; im Anhang dreizehn Pre-
UB d. TU Braunschweig (Th. 3); Inst. f. Jugendbuchfor- digten sowie je sieben Morgen- und Abendgebete. -
schung Frankfurt (Th. 2) Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 712
836 Dass. 2. verb. und verm. Auf!. Th. 2.- Ebd. 1799. StudienB Dillingen
106 S., 34 kolor. Kupfertaf. 8°
Kleiner und historischer Katechismus, 1775
Die Kupfer sind unsigniert.
840 Kleiner und historischer Katechismus oder erste
lnst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt Grundlage zum Unterricht in der biblischen Geschichte
und der evangelischen Glaubens und Sittenlehre von
siehe: Jugendfreuden. Georg Friedrich Seiler. 2. verm. und verb. Auf!. - Bay-
reuth: Lübeck 1775.4 ungez. BI., XVI, 186 S. 8°
Omamentale Titelvignette
Seiferheld, Georg Heinrich (1757-1818): Professor der
Evangelischer Katechismusfür Kinder; enthält zunächst
Physik am Gymnasium in Schwäbisch Hall, Jurist. Sie-
Gedenksprüche für »die kleinen Kinder«, sodann einen
he Sp.1243
ersten Grundriß der christlichen Glaubenslehre, den
» Hauptinhalt der christlichen Sittenlehre in biblischen
837 Sammlung Electrischer Spielwerke für junge Elec-
Sprüchen«, den kleinen lutherischen Katechismus mit
triker. (Von [Georg Heinrich] Seiferheld.) Mit Kupfer-
erklärenden Fragen, sodann 9 Hauptkapitel zur bibli-
taf. Lfg 1-8.- NümbergundAltdorf: Monath(Lfg3-8:
Monathund Kußler) 1787-99. 8° schen Geschichte und zu Fragen der christlichen Lehre
im Lehrbuchstil. EA lt. Ky.
1. 1787. 96 S., 1 ungez. BI., 4 Kupfertaf.
UB Erlangen-Nümberg, Erlangen
2. 1788. 108 S., 2 ungez. BI., 4 Kupfertaf.
3. 2. Auf!. 1791. 108 S., 1 ungez. BI., 5 Kupfertaf.
4. Mitacht Kupfertaf. 1791.62 [richtig: 94] S. 841 Gebete für Studierende vornehmlich in Gymna-
5. Mit XI. Kupfertaf. 1795.78 S. sien und lateinischen Schulen, nebst einigen Festgebe-
ten als ein Versuch zur Verbesserung der Liturgien. Von
6. Mit VIII. Kupfertaf. 1795. 2 ungez. BI., 74 S., 1 un-
Georg Friedrich Seiler. - Erlang: Schleich 1780. VIII,
gez.Bl.
7. Mit VII. Kupfertaf. 1796. 2 ungez. BI., 59 S. 192 S. 8°
8. Mit X. Kupfertaf. 1799.2 ungez. BI., 84 S. Sammlung von »Schulgebeten« für Lehrer der »Gym-
nasien und Schulen« als Anleitung »zur gemeinschaftli-
Außer 2 Kupfertafeln in Lieferung 2, die J. S. Leitner ge-
chen Andachtsübung der Jugend« und Gebeten auf die
stochen hat, sind alle Kupfer unsigniert.
kirchlichen Festtage, für Beichte und Abendmahl bei der
Sammlung leh"eicher und unterhaltsamer physikali- Privatandacht und im öffentlichen Gottesdienst in der
scher und chemischer Experimente für »Freunde und Absicht, die Jugend an die »wichtigsten f1lichten« zu
Anfänger« sowie »junge Electriker«; soll zu ernsthaftem erinnern, zum »willigen Gehorsam« zu ermuntern, »den
1527 Bibliographie 1528

guten Vorsatz« zu befestigen und »das Herz mit Liebe Charakter im 1. Teil und von Gedichten (gegliedert
zu Gott und mit heiligen Freuden« zu eifüllen. nach Gattungen) im 2. Teil; bestimmtfor Jünglinge von
zwölf bis achtzehn Jahren und deren Lehrer. -AusfUhr-
UB Erlangen-Nürnberg, Erlangen
liehe Beschreibung siehe Sp. 850
842 Allgemeines Lesebuch für den Bürger und Land- StB Mainz
mann vornehmlich zum Gebrauch in Stadt- und Land-
schulen. Von G(eorg) F(riedrich) Seiler. - Erlang: 846 David Christoph Seybolds Einleitung in die Grie-
Bibelanstalt 1790. 3 ungez. BI., 556, XVI S. 8° chische und Römische Mythologie der alten Schriftstel-
ler für Jünglinge mit Antiken Kupfern.- Leipzig: Hertel
Kompendiöses Lesebuch mit praktischer Ausrichtung
1779. 13 ungez. BI., 520 S., I ungez. BI., II Kupfertaf.
zum Gebrauch im öffentlichen Unterricht in Stadt- und 8o
Landschulen und zur Privatlektüre der Stadt- und
Landbevölkerung; enthält eine Erdbeschreibung, Sitten- Frontispiz von J. Nußbiegel nach C.G. Mietzsch; die
lehre for Kinder und Erwachsene, Suchtexte und übrigen Kupfer stammen vermutlich auch von Nußbie-
Rechtsbelehrungen. (Vg/. Der Bauemfreund. Frankfurt gel, signiert sind jedoch nur 2 von ihm.
und Leipzig 1794.) - AusfUhrliehe Beschreibung siehe
»Mythologisches Compendium for Gymnasien und
Sp.898
Schulen« zur griechischen und römischen Mythologie
Bayer. StaatsB München basierend auf den antiken Schriften; for die männliche
Jugend als Anleitung zum Sprach- und Literaturunter-
843 Dass. Von Georg Friedrich Seiler. 4. verb. Aufl.- richt und zum Studium der schönen Künste. -AusfUhr-
Erlangen: Bibelanstalt 1791. 3 ungez. BI., XVI, 594, liehe Beschreibung siehe Sp. 1046
XVI S. 8°
StLB Dortmund
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
847 Neujahrsgeschenk für Kinder von einem Kinder-
844 Neues Buchstabier und Lesebuch mit der ersten freunde [d. i. David Christoph Seybold]. Für das Jahr
Grundlage menschlicher Erkenntniß. [Von Georg 1779-81. 1783.- Frankfurt: Keßler 1779-83. 8°
Friedrich Seiler.]- Erlangen: Bibelanstalt 1791. 66 S., 2
ungez. BI. 8° 1779. 154 S., 3 ungez. S.
1780. 2 ungez. BI., 153 S.,3 ungez. S.
Omamentale Titelvignette 1781. 156 S., I ungez. BI.
Enzyklopädisches Lesebuch mit ABC- Teil, »vornehm- 1783. 158 S., I ungez. BI.
lich for diejenigen Schulen bestimmt, deren Lehrern es Frontispiz in den Bänden 1779 und 1781, von J. F. Rein
nicht zur JY!icht gemacht ist, ein in einem Lande einge- gestochen; Titelvignette in allen Bänden: 1779 unsi-
fohrtes sogenanntes ABC Buch, oder eine Fibel zu ge- gniert, 1780, 81 und 83 von Zeil gestochen.
brauchen«; will die Grundlage zu den »gemeinnützig-
sten und nothwendigsten menschlichen Erkenntnissen« Almanach, enthält Beispielgeschichten, Gespräche, Ge-
schaffen, als da sind die »natürlichen, moralischen und bete, Lieder, Gedichte, Briefe, kleine Kinderschauspiele,
Rätsel, Suchtexte usw.; will »das Angenehme mit dem
religiösen Kenntnisse«; enthält Sittenlehren und morali-
sche Beispielerzählungen, Suchtexte sowie einen Grund- Nützlichen, auf eine eurer Fähigkeit angemessene Art«
riß der Religionsgeschichte. Den Beschluß bildet eine verbinden und dem »Vergnügen« wie der »Belehrung«
kurze Sprachlehre, die for die »etwas grössern Kinder« dienen. Die Belehrung ist überwiegend moralischer und
bestimmt ist. religiöser Art, doch werden auch - besonders im letzten
Band - Themen aus der Naturgeschichte abgehandelt.
Erzbischöfl. Akadem. B. Paderborn
Städt. Wessenberg-B Konstanz

848 Historisches Handbuch auf alle Tage im Jahre,


Semler, Johann Salomo (1725-1791): Professor der
hauptsächlich den Jünglingen gewiedmet von [David
Theologie. Siehe Sp. 1244
Christoph] Seybold.- Reutlingen: Grözinger 1788. XII
S., I 0 ungez. BI., 423 S., I ungez. S. 8°
Neues Elementarwerk für die niedem Klassen lateini-
scher Schulen und Gymnasien. Siehe: Schütz, Christian Ornamentale Titelvignette
Gottfried.
Historischer Kalender, der for jeden Tag des Jahres ei-
ne historische Anekdote bietet. Im Mittelpunkt stehenje-
weils einzelne Gestalten der Geschichte, die Berühmtheit
Seybold, David Christoph (1747-1804): Rektor in erlangt haben. Monatsweise werden einzelne Gruppen
Speyer, Grünstadt und Buchsweiler (Elsaß), anschlie- solcher berühmter Persönlichkeiten abgehandelt: Staats-
ßend Professor der alten Literatur in Tübingen. Siehe männer, Helden, Ärzte, Philosophen etc. Lt. Kayser
Sp. 1244 sind in dem Zeitraum 1788-1799 insgesamt 5 Teile die-
ses Handbuches erschienen.
845 Teutsche Chrestomathie für Jünglinge zur Bildung
des Herzens und des Geschmacks. [Von David Chri- UB Leipzig
stoph Seybold.]- Leipzig: Hertel 1777. 12 ungez. BI.,
232 S. 8°
Siede, Johann Christian (1765-1806): Unterhaltungs-
Ornamentale Titelvignette
schriftsteller und geheimer Rat. Siehe Sp. 1244
Sammlung von Erzählungen mit moralisch-belehrendem
1529 Bibliographie 1530

849 Tagebuch für die Jugend oder fromme Entschlüsse Silber, Karl Andreas (1734-1805): Prediger in Groß bei
guter Kinder zu jeder Zeit des Tages von J[ohann] C[hri- Maußdorf.
stian] Siede. Mit einem Titelkupfer.- Berlin: Matzdorff
1791.XVIS.,S.l7-160.kl.8° 853 Kar! Andreas Silbers Einleitung zur Erdbeschrei-
Frontispiz von und nach H. Sintzenich. bung, welche zum Gebrauch in Schulen und besonders
zum Unterrichte einer adeliehen Jugend größtentheils
Gebets- und Andachtsbuch für Jugendliche, das zu- aus den Werken des Herrn Büschings ausgezogen.- Co-
nächst einen umfangreichen Abschnitt »Am Morgen« penhagen und Leipzig: Rothund Probst 1764. 8 ungez.
mit Gebeten, Betrachtungen und Entschließungen religi- BI., 686 S., 22 ungez. BI. 8°
öser und moralischer Art enthält, woran sich Tischgebe-
te, Gebete für die Eltern, beim Anfang der Schule und Ornamentale Titelvignette
am Abend anschließen. Lt. Vorrede sollen die Gebete Geographisches Lehrbuch vornehmlich für den Privatun-
»ungekünstelte Unterhaltungen mit Gott«, »Erweckun- terricht junger Adeliger, das ein Pendant zu Büschings
gen zu frommen Gesinnungen« sein. Das Buch soll zu- für die Schulen verfertigtem Auszug aus dessen umfang-
gleich »eine wirkliche Moral für Kinder seyn, woraus reicher Erdbeschreibung sein soll. Es behandelt Europa
der Lehrer selbst Stoff für seine Lehrstunden nehmen und seine Länder und will nicht nur Gedächtnissachen
könnte«. liefern, sondern auch zur Bildung von Verstand und
Denkungsart beitragen. Deshalb sind zusätzlich Staats-
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
lehre, 6konomie und Naturgeschichte berücksichtigt,
die Geschichte allerdings ist ausgelassen. Es will ein
850 Das kleine nützliche Buch für die Jahre des Mann-
»bequemes Lesebuch« sein.
barwerdens, in Beziehung auf Temperament, Geist,
Herz, Wachsthum, Gesundheit und Schönheit. Ein Le- Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
sebuch für Eltern und junge Leute beiderlei Geschlechts
von J[ohann] C[hristian] Siede. - Leipzig: Kleefeld
1797. 5 ungez. BI., 172 S. 8 o Simon, Jean-Frederic (gest. 1829): Elsässischer Gram-
Zucht- und Anstandsbuch für Eltern und junge Leute matikforscherund Lehrer.
beiderlei Geschlechts. Vermittelt Regeln zum richtigen
Verhalten der heranwachsenden Jugend während der 854 Die gemeinnützigsten Kenntnisse aus der Natur
Pubertät und enthält eindringliche Warnungen vor dem und der Kunst in der Art eines neuen Orbis Pictus der
»abscheulichen Laster der Selbstbefleckung«. In erster mittleren Jugend dargestellt von [Jean-Frederic] Sirnon
Linie für Eltern und Erzieher gedacht. und [Jean] Schweighäußer. - Basel: Thurneysen 1781.
XXXVI S., S. 37-172. 8°
Univ. u. LB Sachsen-Anhalt, Halle
Auszug aus der Naturlehre für die »mittlere Jugend«
851 Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, und die »sogenannten Nichtgelehrten unter den Er-
Würde und männliche Schönheit der aufwachsenden wachsenen«; behandelt die Elemente Luft, Wasser und
männlichen Jugend geweiht von J[ohann] C[hristian] Feuer; erster Band einer auf zwölf Teile konzipierten
Siede. Nebst einem Anhange welcher noch einige Ge- Naturlehre und Naturgeschichte; soll in den oberen
sundheits-Lehren und einige von den höhern Regeln Klassen der Gymnasien und Erziehungsanstalten auch
der guten Lebensart und der Etiquette enthält. - Des- zum Sprachunterricht verwendet werden.
sau:Tänzer 1797.176 S. 8° LBCoburg
Klugheilslehre für männliche Jugendliche, adressiert an
zukünftige »Gebildete im Mittelstand«. Behandelt wird
ein breites Spektrum von Fragen des Anstands, der Sintenis, Christian Friedrich (1750-1820): Pfarrer in
Würde, der gesellschaftlichen Konvention und des guten Zerbst.
Geschmacks.
Vater Roderieb unter seinen Kindern, 1783
UStBKöln
855 Vater Roderieb unter seinen Kinder. Von C[hri-
852 Patriotisches Schulbuch oder katechetischer Un- stian] F{riedrich] Sintenis. 4. Auf!.- Leipzig: Fleischer
terricht in den bürgerlichen Pflichten für Stadt- und 1817.415 S. 8°
Landschulen. Von J[ohann] C[hristian] Siede.- Berlin: Erziehungsroman, bestehend aus einer durchgehenden
Braunes 1801. X S., S. 11-132. kl. 8° Erzählung von dem Kaufmann Roderich, seiner Frau
Staatsbürgerliches Lehrbuch für Stadt- und Landschu- und seinen zwei Söhnen und zwei Töchtern; behandelt
len in katechetischer Frage-Antwort-Form; will die Kin- Fragen der richtigen Jungen- und Mädchenerziehung;
der von Bürgern und Bauern durch Ansprache des Her- zuerst 1783 anonym in Wittenberg erschienen; die zwei-
zens zu wahrer Untertanentreue und Anhänglichkeit an te Ausgabe 1802 ist gekürzt und ganz umgearbeitet so-
den Landesherrn erziehen und von der Verderblichkeit wie von Fremdwörtern gereinigt.
und vor allem Unrechtmäßigkeit jeglichen Widerstandes HAB Wolfenbüttel
gegen die Obrigkeit überzeugen.
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle 856 Christlicher Religionsunterricht für die Jugend.
Von Christian Friedrich Sintenis.- Leipzig: Fleischer
1798. XIII S., I ungez. BI., I 04 S. 8°
Evangelisch-lutherisches Lehrbuch für den Religionsun-
terricht im ;;zweiten Jahrzehnt des Lebens«, baut auf
1531 Bibliographie 1532

bereits erteilten moralischen Unterricht auf; gedacht als Stoff ist zum großen Teil aus fremdsprachigen Werken
Schülerlektüre, vor allem aber for die Repetition des übersetzt oder stellt einen Auszug aus anderen Werken
Lehrervortrags; will mit den »höchsten Wahrheiten der dar. Insgesamt erschienen vier Teile von 1785 bis 1789
menschlichen Vernunft« vertraut machen. Drei Ab- (Ky).
schnitte zur Religion allgemein, zur christlichen Religion
und ihrem Stifter, sowie vier Hauptstücke zu Gott und LBCoburg
den Menschen erläutern die vier Evangelien »nicht nach
kirchlichen Verordnungen«, sondern nach »lange ge-
prüfter eigener Ueberzeugung« und liefern Vernunftbe- Sommerfeld, Christian
weise for die Lehre Jesu.
859 Geographie zum Gebrauch für die Jugend verfas-
Bayer. StaatsB München
set von Christian Sommerfeld. Mit einem Anhange von
der mathematischen Eintheilung der Erdkugel verse-
hen. - Aensburg und Leipzig: Korten 17S4. 4 ungez.
Sittenbüchlein für die Kinder des Landvolks. Siehe: BI., 36S S., 36 ungez. BI. so
Schlosser, Johann Georg.
Ornamentale Titelvignette
Geographisches Lehrbuch, das in Paragraphen abgefaßt
Sittengemälde aus dem gemeinen Leben zum belehren- ist und in fonf Büchern die fonf Kontinente behandelt.
den Unterricht der Kinder. Siehe: Lossius, Kaspar Das Europa-Kapitel stützt sich weitgehend auf Bü-
Friedrich. schings Werke. Lt. Kayser stammt der Anhang von Ni-
kolaus Oest.
Sittenlehre in Fabeln und Erzählungen HAB Wolfenbüttel

857 Sittenlehre in Fabeln und Erzählungen für die Ju-


gend. Mit Kupfern von J[ohann] R[udolf] Schellenberg. Spach, Friedrich (gest. 1794): Schauspieler, dann Buch-
Nebst einer Abhandlung über die Frage: Sind die Fa- händler in Straßburg; Schauspieldichter. Siehe Sp. 1245
beln eine Uebung für Kinder, oder sind sie es nicht?-
Winterthur: Steiner 1794. XLVI S., 16 ungez. BI., 860 Ein sterbender Greis an seinen Sohn. Vorschläge
315 S., 4 ungez. BI., 13 Kupfertaf. so für Jünglinge sich Kenntnisse, Ehre und Glück zu er-
Frontispiz und 12 weitere Kupfertafeln von Schellen- werben. Auch einige, der Beherzigung des schönen Ge-
berg. schlechts würdige Gedanken. [Von Friedrich Spach.]-
Carlsruhe: Macklot 17S7. 2 ungez. BI., XIV S., I ungez.
Sammlung von 141 versifizierten und for Kinder bear- BI., ISS S. so
beiteten Fabeln zumeist französischen Ursprungs (La
Fontaine, Aubert, La Motte, Richer, Desbillons, Pure- Elterlicher Rat for Jünglinge des gehobenen Bürgerstan-
tiere, Le Noble, Le Brun), mythologischen und mora- des, in dessen Mittelpunkt Ratschläge for Erholungen
lisch belehrenden Gedichten; will zugleich belehren und des Geistes (Schauspiel, Spaziergänge, gute Lektüre)
unterhalten und »zur Bildung des Geschmaks und des und for Freundschaft und Liebe stehen; heftige Polemik
Wizes, als zur Bildung des Herzens« beitragen. - Aus- gegen Romanlektüre; im Schlußteil eine Wertheriade. -
fUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 438 AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 612
StB Trier Bischöfl. SeminarB Eichstätt

861 Für Jünglinge. Fragmente aus der Brieftasche eines


Sittenspiegel für Kinder mit Kupfern. Siehe: Oesfeld, Weltbürgers. [Von Friedrich Spach.]- Frankfurt a. M.:
Gotthelf Friedrich. Gebhard und Körber 1791. 214 S. So
Ornamentale Titelvignette

Sittliche und gefühlreiche Erzählungen. Siehe: Bodmer, Vermächtnis for Jünglinge. ;;Das Werkgen selbst ent-
Johann Jakob. hält ( .. .) nichts, als Exzepte aus den Schriften berühm-
ter Männer, mit einigen meiner Reflexionen, und mit
Erzählungen von Murmontel untermischt.« Die ;müzli-
Skizen aus dem Leben und Karakter chen Wahrheiten« sind zum großen Teil entlehnt bei
Kant, Wieland, Diez, Rivers, Geliert, Kleist undfranzö-
858 Skizen aus dem Leben und Karakter grosser und sischen Schriftstellern.
seltener Männer unserer und älterer Zeiten. Zum Behuf StB Wuppertal
der Nacheiferung und Veredlung guter Herzen in der
Jugend.- Quedlinburg und Blankenburg: Ernst 17S5. 4
ungez. BI., 200 S. so
Spectaculum Naturae & Artium
Moralische Biographienfor Jugendliche. Diese »Samm-
lung skizirter Karaktere« will durch Vorstellung edler 862 Spectaculum Naturae & Artium, in vier Sprachen,
und großer Beispiele ;;Eindruck aufs Herz und dessen Deutsch, Lateinisch, Französisch und Italiänisch./
Handlungen« machen. Dargestellt werden Haller, Hei- Spectacle de Ia Nature & des Arts, en quatre langues, sa-
degger, Rousseau, de Ia Caille, Lambert, Händel, Vol- voir Allemand, Latin, Francois & Italien. Lfg 1.2.- Ber-
taire, Algemon Sydney und Phitipp von Comines. Der lin: Winter 1761165. so
1533 Bibliographie 1534

I. Von 30 Platten und 28 Beschreibungen. 1761. 28 un- matische Abschnitte zur Elternliebe, Geschwisterliebe,
gez. BI., 28 Kupfertaf., 26 Kupferill. i. T. Menschenliebe, Gottesverehrung und zur weisen Sorge
2. Von 20 Platten und 20 Beschreibungen. 1765. 21 un- fiir das eigene Glück. Es folgen kleinere Lesestücke und
gez. BI., 20 Kupfertaf., 17 Kupferill. i. T. Fabeln. Den Abschluß bildet eine Beschreibung des
Menschen (mit Kupfern).
36 Kupfertafeln von und nach J. W. Meil, 8 sind von
Meil gestochen und 4 unsigniert; 15 Vignetten sind nach Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
Meil gestochen, der Stecher hat mit »U« signiert; 28
sind unsigniert bzw. mit nicht mehr verifizierbarer Si- Die größte Erleichterung des Lesenlehrens, 1788
gnatur; reiche Titelblattverzierungen.
866 Die größte Erleichterung des Lesenlebrens bewirkt
Anschauungsbuch in zwei Lieferungen; enthält insge- durch einige Bogen mit großgedruckten Sylben und
samt 48 Tafeln mit dazugehörigem Text in deutscher, Wörtern von Carl Friedrich Splittegarb. Lfg 1.2. - Ber-
lateinischer, französischer und italienischer Sprache; un- lin: Schulanstalt des Verf. und Matzdorf in Comm. (Lfg
ter den Texten jeweils ein weiteres Kupfer, das Motive 2: Hesse in Comm.) 1790/91. 8°
aus der Tafel aufgreift; behandelt Themen aus der Na-
tur, dem Handwerk und Handel, den Künsten und dem 1. 2. verb. Aufl. 1791. 16 S.
Kriegswesen; lt. Vorrede fiir »die Kindheit, die Jugend 2. Welche die versprochenen Abbildungen nebst einer
und das reiffere Alter« gedacht; verfaßt unter» Beyhülfe Beschreibung derselben und einige Bemerkungen
über den Gebrauch des neuen ABC Buchs für Stadt-
so vieler Gelehrten und Künstler«.
und Landschulen enthält. 1790. I 04 S.
UB Marburg
Werk for den Leselernunterricht, als Anleitung fiir Leh-
rer gedacht. Die 1. Lieferung entwickelt eine Methode
zum Buchstabenlernen, ausgegangen wird von der opti-
Splittegarb, Carl Friedrich (17 53-1802): Leiter einer schen Form der Buchstaben. Die 2. Lieferung bezieht
Knabenschule in Berlin. sich auf einen dazugehörigen Bilderbogen mit Buchsta-
ben und Tierdarstellungen und soll den Lehrern Mate-
863 Neues Bilder ABC. Eine Anleitung zum Lesen, rial zur Beschreibung der Tiere an die Hand geben. Den
dergleichen es bisher noch nicht gab. (Von Carl Fried- Beschluß bildet ein methodischer Teil über die Anwen-
rich Splittegarb.) Mit Kupfern.- Berlin und Stralsund: dung des ABC-Buchs in Schulen. EA lt. Ky.
Lange 1787.176 S., 12 Kupfertaf. 8°
[Nebent.: Splittegarb :] Deutsches Lesebuch für die Ju- StB Braunschweig
gend. Th. 1.
Omamentale Titelvignette; die Kupfertafeln sind unsi-
gniert; sie enthaltenjeweils 2 Abbildungen. Steinbeck, Christoph Gottlieb ( 17 66-1831): Theologe,
Lesebuch mit ABC-Teilfiir den ersten Schulunterricht; Pädagoge und Volksschriftsteller. Siehe Sp. 1245
beginnt mit dem ABC- Teil nach einer synthetischen Me-
867 Der aufrichtige Kalendermann. Ein gar kurioses
thode, dem sich ein mit 24 Kupferstichen- vorwiegend
Tierabbildungen - illustrierter Leselernteil anschließt; und nützliches Buch. Für die Jugend und den gemeinen
enthält ferner z. T. in Silbentrennung abgedruckte Lie- Bürger und Bauersmann verfertiget von Christoph
der. Gedichte und Beispielerzählungen zur moralischen Gottlieb Steinbeck.- Langenberg: Verf.; Leipzig: Flei-
Belehrung, Sittensprüche und Texte zu den Kupfertafeln scheru.a. in Comm. (1792). II, 203 S., I ungez. S. 8°
in der Reihenfolge des Alphabets, sowie einen Rätsel- Unsignierte Titelvignette in Holzschnitt.
und Lösungsteil.
Einfiihrung in die neuzeitliche, auf mathematisch-physi-
LBCoburg kalischer Grundlage operierende Astronomie, die sich
an die Jugend, den gemeinen Bürger und den Bauern
864 Dass. u. d. T.: Neues Bilder-ABC oder Deutsches wendet. Verfaßt mit der Absicht, die von Friedrich li.
Lesebuch für die Jugend. (Von Carl Friedrich Splitte- eingeleitete Kalenderreform zu unterstützen, indem der
garb.) 5. mit neugestochenen Kupfern versehene Aufl. Leser von der Unrichtigkeit und Schädlichkeit des alten
Th. I.- Ebd. 1798. 2 ungez. BI., 188 S., 12 kolor. Kup- Kalenders (geozentrisches Weltbild, Verbreitung von
fertaf. 8° Aberglauben) aufgeklärt werden soll. - Ausfiihrliche Be-
Omamentale Titelvignette; 3 Kupfer sind von J. S. L. schreibung siehe Sp. 1176
Halle nach F. Guimpel gestochen; die übrigen sind un- Nieders. Staats- u. UB Göttingen; UB Düsseldorf
signiert.
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt 868 Frey- und Gleichheitsbüchlein. Für die Jugend
und den deutschen Bürger und Bauersmann verfertiget
vom Verfasser des aufrichtigen Kalendermannes (d. i.
Deutsches Lesebuch für die Jugend. Th. 2, 1789
Christoph Gottlieb Steinbeck). - Leipzig: Fleischer
865 Deutsches Lesebuch für die Jugend. [Von Carl 1794. XII, 186 S., 3 ungez. BI. 8°
Friedrich Splittegarb.] Mit Kupfern. 2. verb. Aufl. Th. 2.
Unsigniertes Frontispiz in Kupferstich und Titelvignet-
- Berlin und Stralsund: Lange 1795. VIII, 200 S., 4
te in Holzschnitt.
Kupfertaf., davon 3 kolor. 8°
Historisch-politisches Lehrbuch in Gesprächsform, das
Frontispiz von und nach C. Darchow; I Tafel ist von
sich gezielt gegen die französische Revolution und den
C. C. Glaßbach gestochen.
von ihr vertretenen Freiheits- und Gleichheitsgedanken
Das Lesebuch enthält in seinem 2. Teil zunächst 6 the- wendet; richtet sich an den gemeinen Bürger und Bau-
1535 Bibliographie 1536

em und deren erwachsene Kinder. - Ausfiihrliche Be- rungenund Worterk/ärungen; behandelt den Menschen
schreibung siehe Sp./184 und seine Welt; enthält eine Darstellung der verschiede-
nen Berufe und beschäftigt sich aus historischer Sicht
Sächs. LB Dresden
mit moralischen, gesellschaftlichen und religiösen The-
men.
Staats- u. StB Augsburg
Steinberg, Christian Gottlieb ( 1738-1781): Prediger
und Schriftsteller in Breslau. Siehe Sp. 1245

869 Chr(istian) Gottl(ieb) Steinbergs Biblische Erzäh- Stick!, Franz Xaver (1760-1814)
lungen nebst ihrer Vertheidigung. (Th. I: Mit einer Vor-
rede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach.) Th. 872 Aurel Augustins Jugendgeschichte aus seinen Be-
(1}-3.- Breßlau: Meyer 1769-74.8° kentnissen gezogen. Oder: Elmirs väterliche Abende.
Der lieben Jugend! [Von Pranz Xaver Stick!.]- Mün-
(!.) 1769.38 S.,3ungez.Bl.,372 S. chen: Deutscher Schulfonds-Bücherverl. 1800. VIII S.,
2. 1772.4 ungez. BI., 463 S., I ungez. S. I ungez. BI., 246 S., I ungez. BI., I Notenfaltbl. 8°
3. 1774.8 ungez. BI., 426 S., II ungez. BI.
Unsigniertes gestochenes Frontispiz; ornamentale Ti-
Ornamentale Titelvignette in Th. 1-3. telvignette.
Historienbibel mit Auslegung »zum Unterricht der er- Heiligenbiographie for Kinder, die in 2 Teilen und ei-
wachsenen Jugend«; will durch Vermittlung der bibli- nem Anhang die Jugendgeschichte des Heiligen Augu-
schen Geschichte »die nützlichsten Wahrheiten ins Herz stinus darstellt und vornehmlich der religiösen Erbauung
(flößen)« und zeigen, »was fiir Hauptwahrheiten in der dienen will. Aus dem Werk solle gelernt werden, sich an
Kirche gelehret werden, worin das Verderben bestan- Gott zu halten und glücklich zu sein. Es ist eingekleidet
den, das vom Menschen seinen Ursprung gehabt, und in eine Rahmenhandlung und in eine durchgehende Ge-
was Gott zur Erhaltung der Wahrheit und Besserung sprächsform nach dem Muster von Campes Robinson.
des Zustandes der Kirche gethan«; Teil 1 und 2 umfa-
ßen die Geschichte des Alten Testaments, Teil 3 die Ge- Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
schichte Jesu und der Apostel. Den einzelnen Abschnit-
ten folgen jeweils kritische »Einwürfe« sowie deren
schriftgemäße Widerlegung entlang 1homas Stackhau- Stoy, Johann Sigmund (1745-1808): Theologe und
ses Vertheidigung der biblischen Geschichte, Rostock Pädagoge in Nürnberg; Pfarrerin Henfenfeld bei Nürn-
1752-59 (übers. v. F. E. Rambach). berg. Siehe Sp. 1245
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin
873 Goldener Spiegel für Kinder. [Von Johann Sig-
870 Sittenlehre für junge Junge Frauenzimmer. Von mund Stoy.] (Lfg. 2.3: Mit Kupfern.) Lfg 1-3.- Nürn-
Christian Gottlieb Steinberg. - Breßlau und Leipzig: berg: Weigel und Wedisch (Lfg 3: Weigei und Schnei-
Gutsch 1774.6 ungez. BI., S. 13-125.8° der) I778-81. 8°

Gestochene Titelvignette mit nicht verifizierbarer Sig- I. 1778. 3 ungez. BI., 50 S.


natur. 2. 1779. 2 ungez. BI., 52 S. [Es fehlen S. 17-32 in die-
sem Ex.!]
Vorphilanthropische Sittenlehre fiir junge Mädchen in 3. 1781.52 s.
der Form des freundschaftlichen Rates; untergliedert in
die Kapitel »Von den 11lichten gegen Gott, »Von den In jeder Lieferung Titelvignette und 25 Kupferillustra-
11lichten gegen Andre« und »Von den 11lichten gegen tionen im Text, in der ersten Lieferung zusätzlich I Kup-
sich selbst«. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 548 fer bei der Widmung. Alle Kupfer sind koloriert. Ent-
werfende Künstler: C. W. Bock(20 Kupfer, wovon er I3
UBJena und weitere 24 auch gestochen hat), J. G. Penzel (37);
ausführende Künstler (außer C. W. Bock): J.C. Bock
(I6), C. D. Henning (2), J. S. (4) und G. C. Walwert (2)
Ein sterbender Greis an seinen Sohn. Siehe: Spach, und A.L. Möglich (I); 7 Kupfer sind nur mit »Bock«
Friedrich. bzw. »B.« signiert; I Kupferist unsigniert.
3 Lieferungen mit jeweils 25 Beispielgeschichten, die
hauptsächlich aus Rochows Kinderfreund, dem Weiße-
schen ABC-Buch und dem Buch für Kinder der Mlle.
Stetten, Paul von ( 1731-1808): Historiker.
de Los Rios entnommen und bearbeitet sind, um Jun-
gen und Mädchen vornehmlich aus höheren Ständen zu
871 Der Mensch in seinen verschiedenen Lagen und
fleißigen, wohlerzogenen Kindem zu erziehen. Die Bei-
Ständen für die Jugend geschildert. [Von Paul von Stet-
spiele tugend- bzw. lasterhafter Kinder dienen zum Vor-
ten.] Mit 50 Kupfer-Tafelen.- Augsburg: Haid 1779.
bild oder zur Abschreckung; sie spielen in der kindlichen
172 S., 2 ungez. BI., 50 Kupfertaf. [gesondert gebunden]
8o Erfahrungswelt und vermitteln Moral- und Anstandsre-
geln in recht trockenem Stil.
Die Kupfertafeln haben gestochen: E. Eichel (42), C.
StUB Frankfurt
Thelott (3), I. Huber (I) und J. E. Nilson (4) nach Ent-
würfen von C. Erhart (47) und Nilson (3).
874 Bilder-Akademie für die Jugend. Abbildung und
Bilderlehrbuch; Kupfertafeln mit zugehörigen Erläute- Beschreibung der vornehmsten Gegenstände der ju-
1537 Bibliographie 1538

gendlichen Aufmerksamkeit - aus der biblischen und sechsten Lebensjahr, besonders an Dorfschulen, deren
Profangeschichte, aus dem gemeinen Leben, dem Na- Lehrer und Eltern; gedacht als Einfohrung in die »so
turreiche und den Berufsgeschäften, aus der heidni- nothwendigen und schönen Sing- Uebungen« und als
schen Götter- und Alterthums-Lehre, aus den besten Gedächtnisübung, um das »Gemüthe frühzeitig zur An-
Sammlungen guter Fabeln und moralischer Erzählun- dacht, Gottesliebe und Frömmigkeit zu stimmen«; ent-
gen - nebst einem Auszuge aus Herrn Basedows Ele- hält 52 Lieder, die auf Melodien eingefohrter Kirchen-
mentarwerke. In vier und funfzig Kupfertafeln und lieder gesungen werden sollen.
zweyen Bänden Erklärung herausgegeben von J[ohann]
S[igmund] Stoy. Bd 1.2. [Tafelbd.] Nürnberg: Verf. Plätz. LB Speyer
1780-84. Textbde: go; Tafelbd: quer-8°
877 Kleine Biographie für die Jugend. Aus dem päda-
I. 14, 16, 8 S., 2 ungez. BI., IV, 580 S. gogischen Kabinete des [Johann Sigmund] Stoy in
2. 3ungez.Bl.,S. 581-1208. Nürnberg.- [Nürnberg 1788.]48lose BI. im Schuber. 17
[Tafelbd.] Kupfertitel, Dedikationskupfer, 52 Kupfer- cm x 13cm
taf.
Ornamentale Titelvignette
Anm.: Das Werk erschien in Lieferungen zu jeweils 6
Taf., dazu die Erklärungen: Ausg. I. Taf. 1-6. 1780; Insges. 48 auf Pappkarton aufgezogene einseitige Blät-
Ausg. 2. Taf. 7-12. 1780; Ausg. 3. Taf. 13-18. 1781; ter, die jeweils die kurze Biographie einer berühmten
Ausg. 4. Taf. 19-24. 1781 ; Ausg. 5. Taf. 25-30. 1782; Gestalt aus der Geschichte oder einer bekannten Persön-
Ausg. 6. Taf. 31-36. 1782; Ausg. 7. Taf. 37-42. 1783;
lichkeit aus der Gegenwart enthalten und offenkundig
als Kartenspiel gedacht sind. Vertreten sind u. a.: Base-
Ausg. 8. Taf. 43-48. 1783; Ausg. 9. Taf. 49-52, Kupfer-
dow, Heinrich Braun, Frank/in, Friedrich II., Caglio-
titel und Dedikationskupfer. Wahrscheinlich 1784.
stro, Cervantes, J. Cook, Fenelon, H.A. Francke, Fried-
Entwerfende Künstler: Daniel Chodowiecki (Kupferti- rich Wilhelm II., Haller, Hutten, Joseph II., der »philo-
tel), Gottfried Chodowiecki (17 Tafeln), J. G. Penzel sophische Bauer« Kleinjogg, Lavater, Linne, Luther,
(Dedikationskupfer, 7 Tafeln) und J. R. Schellenberg Me/anchton, Messmer, Risbek, Rousseau, Salzmann,
(28); ausführende Künstler: Schellenberg (Kupfertitel, Sonnenfe/s, Trenk, Voltaire, C. F. Weisse, Winckel-
21 Tafeln), Penzel (Dedikationskupfer, 15 Tafeln), mann und Zwingli.
Gottfried Chodowiecki (2), J. F. Schleuen (9), J. C. Bock
bzw. nur »Bock« (2), C. C.Glaßbach, F. C. Krügerund Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
J. S. Walwert mit je I Tafel.
siehe: Nürnbergischer Kinder-Almanach.
Enzyklopädisches Bilderlehrbuch in Anlehnung an Ba-
sedow for die private Lektüre und den Unterricht an öf-
fentlichen Schulen; gedacht for Kinder - vornehmlich
bis zum 12. Lebensjahr- deren Eltern und Lehrer; be- Strobl, Johann Baptist ( 17 43-1805): Buchhändler, Ver-
steht aus einem Band mit 54 Kupfertafeln und zwei legerund Titularprofessorin München. Siehe Sp.l245
Bänden Text; Behandlung von jeweils neun Themen-
kreisen in Wort und Bild, die der religiösen, morali- 878 Briefe zum Gebrauchjunger Leute herausgegeben
schen, sachlichen und lebenspraktischen Belehrung die- von J[ohann] B[aptist] St[robl]. - Straßburg [vielmehr:
nen, wobei die biblische Geschichte das Fundament bil- München: Strobl]l771. 111 S. go
det. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 1099
Titelvignette in Kupferstich von M. Hartwagner.
StB Nürnberg; Bayer. StaatsB München; Württemberg.
LB Stuttgart; Dt. StaatsB Berlin Briefsammlung mit romanhaften Zügen, gleichzeitig als
Anleitung zum Briefeschreiben konzipiert. Die Briefe
nennen nur den Adressaten, lassen jedoch den Absender
875 Bibel für Kinder. Herausgegeben von J[ohann] unerwähnt. Mehrere Ereignisse werden des öfteren in
S[igmund] Stoy.- Nürnberg: Lenz 1781. 8 ungez. BI., verschiedenen Briefen erwähnt, so daß der Eindruck er-
112 S., 12 ungez. BI. go
weckt wird, alle Korrespondenten wüßten um den Zu-
Religiöse Spruchsammlung aus dem Alten und dem sammenhang, von dessen Kenntnis der Leser jedoch
Neuen Testament for den Unterricht an öffentlichen ausgeschlossen bleibt, da keine Rückschlüsse auf die je-
Schulen, for Eltern und Privatlehrer zur »vernünftigen weiligen Absender und den Gesamtrahmen möglich wer-
( .. .) höchst leichten, angemessenen, und gleichsam den.
spielenden« Unterweisung von sechs bis achljährigen Bayer. StaatsB München
Kindern; enthält 500 Sprüche nach der Bibelordnung,
damit »die Jugend bey Zeiten mit (ihr) bekannt ge- 879 Unglücksgeschichten zur Warnung für die uner-
macht, und im Aufschlagen geübt werden kann«, sowie fahrene Jugend, in rührenden Beyspielen, erläuternden
ein 12teiliges Register, um >>das Aufgeben, Hersagen Kupfern und Vignetten. (Von Joh[ann] Bapt[ist] Strobl.)
und Wiederholen der Sprüche« zu erleichtern. Das letzte -München: Strobl 1788. 7 ungez. BI., 265 S., 22 ungez.
Register gibt Sprüche zur Bilder-Akademie an. BI., 17 Kupfertaf., 17 Kupferill. i. T. go
Plätz. LB Speyer Frontispiz und weitere 16 Tafeln, Titelvignette und die
übrigen 16 Vignetten im Text von J. M. Mettenleiter.
876 Gesangbuch für Kinder. Herausgegeben von
J[ohann] S[igmund] Stoy. - Nürnberg: Lenz 1781. Sammlung moralischer Beispielgeschichten, z. T. in Dia-
logform, häufig unterbrochen von Liedern und Sprü-
ll2S.8°
chen; gedacht for Kinder aller Stände und »for jedes Al-
Religiöses Gesangbuch for Kinder vom vierten bis zum ter ( .. .), wo die Vernunft, wie frühe Morgendämme-
1539 Bibliographie 1540

rung, in der Feme erscheint«; der Gebrauch soll sich 883 Gebete und Lieder für Kinder von Christoph Chri-
auch über die Kinderjahre hinaus erstrecken; da ein stian Sturm.- Schafhausen 1783. 94 S., I ungez. BI. 8°
»vollkommener Körper ( .. .) der wichtigste Gegenstand
Ornamentale Titelvignette
der Erziehung« sei, dieser jedoch durch i!Nachläßigkeit,
Unachtsamkeit und eignen Muthwillen verunstaltet« Gebet- und Gesangbuch in zwei Abteilungen; die erste
werde, sollen die Beispiele der Abschreckung und War- ist jiir Kinder !!Von reiferm Alter« und enthält Morgen-
nung dienen. Um iifiir die Kinder selbst interessant« zu und Abendgebete fiir jeden Wochentag, Festtagsgebete
sein, kommt den Kupferstichen besondere Bedeutung sowie Lieder über wichtige Inhalte der christlichen Leh-
zu; sie gehören !!Wesentlich und hauptsächlich in den re; die zweite Abteilung bringt !! Reimgebete und Denk-
Plan dieses Werks«. sprüche jiir Kinder von zarterm Alter«. EA lt. Ky.
Kinderbuchsamml. Dr. Strobach, Bielefeld UB d. TU Braunschweig

880 Dass. [Prag]l790. 7 ungez. BI., 265 S., 29 ungez. S., 884 Predigten für Kinder von reiferm Alter. (Von Chri-
17 Kupfertaf., 17 Kupferill. i. T. 8° stoph Christian Sturm.) Bdch. [1.]2. - Leipzig: Weid-
Frontispiz und die 16 weitere Kupfertafeln sind von C. mann und Reich 1771 17 4. 8 o
Kinzl gestochen; Titelvignette und 16 Vignetten im Text [I.] 1771. 198 S., I ungez. BI.
sind nicht signiert. 2. 1774. 174 S., I ungez. BI.
StUB Frankfurt Ornamentale Titelvignette in beiden Bändchen.

881 Folgen unrichtiger und verwahrloßter Erziehung. Predigtsammlung in zwei Teilen zum Gebrauch fur
Ein Lesebuch für Jünglinge und Mädchen von reiferem 12-15jährige Kinder unter Anleitung ihrer Eltern und
Lehrer; der erste Band enthält 14 Predigten, in denen
Alter. [Mutmaßl. Verf.: Johann Baptist Strobl.] Mit
Kupfern.- München: Strobell794. 330 S., I ungez. BI., zur Frömmigkeit und Arbeitsamkeil ermuntert und vor
9 Kupfertaf. 8° Müßiggang und schlechter Gesellschaft gewarnt wird.
Der zweite Band mit elf Predigten wendet sich an !!Le-
Titelvignette von Mettenleiter; die Kupfertafeln sind ser und Leserinnen«, welche durch die Lektüre des er-
nicht signiert, stammen jedoch vermutlich auch von sten Teils !!einen guten Fortgang in der Kenntniß der
Mettenleiter. Religion gemacht haben«. Er enthält Warnungen vor
Sammlung von Geschichten und Erzählungen, die teil- !!Jugendlichen Ausschweifungen« und Ermahnungen zur
weise in drastischen Beispielen die Folgen schlechter Er- Besserung. Der Verfasser empfiehlt zur Ergänzung der
ziehung und jugendlicher Laster verdeutlichen; gedacht Predigtsammlung Seilers Religion der Unmündigen
fiir ältere Jugendliche beiderlei Geschlechts. Der Autor (1 772).
will anstelle der Romane 11wahre Geschichten« vorstel- StB Mainz
len, !!die den schwachen Menschen im Schatten und
Licht gerade so zeigen, wie er ist«. - Ausfiihrliche Be- 885 Jugendgeschichte berühmter Männer. Ein Lese-
schreibung siehe Sp. 446 buch für die Jugend von reiferm Alter. [Von Christoph
Bayer. StaatsB München Christian Sturm.] - Halle im Magdeburg.: Hemmerde
1777.288 S. 8°
Gestochene Titelvignette mit nicht verifizierbarer Sig-
Stroth, Friedrich Andreas (1750-1785): Rektor in natur.
Quedlinburg und Gotha. Siehe Sp. 1246 Moralische Biographien fiir Jungen in !!reiferm Alter«,
fiir den Haus- und Schulgebrauch gedacht. Das Werk
882 Karl Weissenfeld. (Th. I: Ein Lesebuch für Mütter, enthält fiinfzig biographische Beispielerzählungen aus
angehende Erzieher und junge Leute.) [Von Friedrich der Kindheit und Jugend berühmter Männer, deren Tu-
Andreas Stroth.] Th. 1.2.- Leipzig: Weygand 1778/79. genden die Jungen nacheifern sollen. Der zweite Teil
8o
vermittelt !!jugendliche Beyspiele von Tugenden und La-
I. 1778. 8, 582 S. stern, guten und schlechten Gesinnungen«, die in Form
2. 1779.2 ungez. BI., 412 S. kurzer Anekdoten thematisch zusammengejaßt sind.
Ornamentale Titelvignette in Th. I. StB Braunschweig
Erziehungsroman in zwei Teilen, in dem 11die unglückli- 886 Vollständiges Gesangbuch für Kinder von reiferm
chen Folgen einer schlechten, fehlerhaften Erziehung Alter. Von Christoph Christian Sturm.- Halle: Hem-
und eines unmoralischen Verhaltens, nebst dem Gegen- merde 1777.2 ungez. BI., 172 S. go
theil« vorgestellt werden; eingeflochten sind !iallerley
nützliche, besonders pädagogische Kenntnisse und Re- Ornamentale Titelvignette
geln«. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 206 Gesang- und Gebetbuch zum Gebrauch im Religionsun-
UStB Köln terricht, aber auch zur häuslichen Erbauung bestimmt;
enthält Lieder und Gebete zu bestimmten Anlässen, die
in verschiedene Themenbereiche gegliedert sind. Die
Texte sind überwiegend moralisch-religiösen Inhalts, be-
Sturm, Christoph Christian (1740-1786): Hauptpastor
zogen auf eine praktische Nutzanwendung. - Ausfiihrli-
an der St. Petrikirche in Hamburg. Siehe Sp. 1246
che Beschreibung siehe Sp. 743
Gebete und Lieder für Kinder, 1771 UB d. TU Braunschweig
1541 Bibliographie 1542

Stutz, Johann Ernst (1733-1795): Pastor in Bone bei 891 Vorübungen zur Erweckung der Aufmerksamkeit
Zerbst. und des Nachdenkens. [Von Johann Georg Sulzer. Neu-
bearb. von Johann Heinrich Ludwig Meierotto.] Th.
887 Des Herrn Hofrath Lanckhavels in Zerbst Kunst- 1-4.- Berlin: Nicolai 1780-82. 8°
und Naturalienkabinett für Fritzen, und alle, die es zu
I. Zum Gebrauch der letzten Classe des König!. Joa-
kennen wünschen, beschrieben. [Von Johann Ernst
chimsthalischen Gymnasiums. 1780. 116 S.
Stutz.]- Leipzig: Jacobäer 1777.4 ungez. BI., 120 S. 8°
2. Zum Gebrauch einiger Klassen des König!. Joa-
Omamentale Titelvignette chimsthalischen Gymnasiums. 1780. 2 ungez. BI.,
298 s.
Naturkundliche Schrift, die eine Darstellung von Lanck-
3. Zum Gebrauch einiger Klassen des König!. Joa-
havels Naturalienkabinett in Zerbst enthält; eingeklei-
chimsthalischen Gymnasiums. 1781.232 S.
det in einen Brief an »Fritz«, den Helden von Fritzens
4. Allein zum Gebrauch der Lehrer. 1782. XXXII,
Reise nach Dessau (1 776), der zu Beginn seiner Reise
105 s.
diesem Kabinett einen Besuch abstattet.
Umfangreiches sachlich und moralisch belehrendes Le-
StB Mainz
sebuch for den Schul- und Privatunterricht mit einem
angehängten Methodenteil for Lehrer und Erzieher; be-
handelt naturkundliche, völkerkundliche und moralische
Sulzer, Johann Georg (1720-1779): Gymnasialprofes- Themen jeweils in kurzen Beschreibungen, Anekdoten,
sor und Gelehrter in Berlin. Siehe Sp. 1246 Erzählungen und Fabeln; umfassende Neubearbeitung
von Sulzers erstmalig 1768, dann in vermehrter Auflage
888 Kurzer Begriff aller Wißenschaften und andem 1771 erschienenen Lesebuches gleichen Titels, das von
Theile der Gelehrsamkeit, worin jeder nach seinem In- Meierotto seinem Umfang nach verdreifacht und gänz-
halt, Nuzen und Vollkommenheit kürzlich beschrieben lich neu gegliedert wird. - AusfUhrliehe Beschreibung
wird. (Von J[ ohann] G[ eorg] Sulzer.) 2. ganz veränd. und siehe Sp. 865
sehrverm. Aufi.-Leipzig: Langenheim 1759.240 S. 8°
StLB Dortmund (Th. 1-4); UStB Köln, Erziehungs-
Omamentale Titelvignette wiss. Abt. (Th. 3.4)
In Paragraphen abgefaßtes enzyklopädisches Lehrbuch
for fortgeschrittenere Jugendliche und Studierende. Es 892 Johann Georg Sulzers Theorie und Praktik der Be-
behandelt die Philologie, die Historie, die schönen Kün- redsamkeit. Herausgegeben von Albrecht Kirchmayer.
ste, die Mathematik, die Physik, die Philosophie, die -München: Lentner 1786. 9 ungez. BI., 256 S., 4 ungez.
Rechte und die Theologie. Das Werk enthält zwar kei- BI., 184 S. 8°
nen expliziten Hinweis auf jugendliche Adressaten; ein
Frontispiz, von G.M. Weißenhahn gestochen; oma-
späterer Bearbeiter belegt jedoch, daß es »bis auf die
mentale Titelvignette.
neuesten Zeiten in den Schulen ist zum Grnnde gelegt
worden«. EA 1745. Auszug aller die Rhetorik betreffenden Abschnitte aus
Sulzers Allgemeine Theorie der schönen Künste (1 771-
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
74), vorgenommen »in Rücksicht des jugendlichen Al-
ters« und for »Studirende«, for die das ganze Werk zu
889 Dass. u. d. T.: Kurzer Begriff aller Wissenschaften
teuer ist. Die Abschnitte sind in eine systematische An-
und an dem Theile der Gelehrsamkeit, worinjeder nach
ordnung gebracht: So wird nach einer Einleitung die
seinem Innhalt, Nuzen und Vollkommenheit kürzlich
rednerische Eifindung, die Anordnung, der Ausdrnck
beschrieben wird. (Von J[ohann] G[eorg] Sulzer.) 4.
und schließlich der Vortrag der Rede behandelt. Der
ganz veränd. und sehr verm. Aufl.- Frankfurt und Leip-
zweite praktische Teil enthält Beispiele, die sämtlich Sul-
zig 1774. 240 s. 8°
zers sonstigen Schriften entnommen sind. Der Auszug
Omamentale Titelvignette ist gedacht als »Lehrbuch der Beredsamkeit« for die
»studirende Jugend auf öffentlichen Schulen«. Albrecht
Die vor!. 4. Aufl. stimmt mit der 2. Aufl. von 1759 über-
Kirchmayer, der Bearbeiter, war Chorherr des Stiftes
ein.
Weiam und zeitweilig »Lehrer der Redekunst« an dem
StB Wuppertal kwfürstlichen Schulhause zu München.
UStB Köln; Freies Dt. Hochstift Frankfurt
890 Dass. u. d. T.: Johann Georg Sulzers kurzer Inbe-
grif aller Wissenschaften völlig umgearbeitet von Erdu-
893 Johann Georg Sulzers Theorie der Dichtkunst.
in Julius Koch. Abth. I welche die Alterthumswissen-
schaften enthält.- Berlin: Nauck 1793. XVIII, II 0 S. 8° Zum Gebrauch der Stadirenden bearbeitet von Alb-
recht Kirchmayer. Th. 1.2. - München: Lentner
Gänzliche Neubearbeitung des ersten Abschnittes über 1788/89.8°
Philologie aus Su/zers 1745 erstmals erschienenen
I. 1788. 7 ungez. BI., 285 S., I ungez. S.
Schulenzyklopädie. Die Vorrede liefert eine vernichten-
2. 1789.6 ungez. BI., 347 S., I ungez. S.
de Kritik an Sulzers »flüchtigste[r] Jugendarbeit«, des-
sen Name und Titel denn auch nur »als Aushängeschild Unsignierte gestochene Titelvignette in Th. I und 2; in
for die Käufer« beibehalten worden sei. Die einzelnen Th. I Frontispiz von Weißenhahn nach Ch. Wink.
Paragraphen sind neu formuliert und mit zahlreichen
Auszug sämtlicher die Dichtkunst betreffenden Ab-
Literaturhinweisen versehen. Die Bearbeitung hat keine
schnitte aus Sulzers Allgemeine Theorie der schönen
Fortsetzung gefunden.
Künste for »Studirende«, gedacht als »ordentliches
StUß Frankfurt Lehrbuch« for »öffentliche Schulen«. Behandelt wird in
1543 Bibliographie 1544

ersten Teil die allgemeine Theorie der Dichtkunst wie Sittenlehre, das lt. Vo"ede der später erschienenen Sit-
die Theorie der Fabel, des Hirtengedichts, der Satire, tenlehre für Kinder »zum Gebrauche for Realschüler«
des Epigramms, der lyrischen Dichtart, des Liedes, der gedacht ist. Es setzt die Kenntnis der »geoffenbarten
Elegie, der Heroide und des Lehrgedichts; der zweite Sitten- und Glaubenslehrem< voraus, wie sie der katholi-
Teil befaßt sich mit der Theorie der Epopoe und des sche Katechismus vermittelt, und bietet selbst nur die
Dramas und geht auf die Komödie, die Tragödie, die aus der Vernunft und ohne die göttliche Offenbarung
Oper und das Ballett ein. Zwischen die Paragraphen sich ergebende Sittenlehre. Es handelt in drei Haupt-
sind zahlreiche poetische Musterstücke eingerückt. stücken von den f1lichten gegen Gott, gegen sich selbst
und gegen die Nächsten. Ein »Anhang« dient dem Auf-
UStB Köln
weis, daß die natürliche Sittenlehre in der Heiligen
Schrift gegründet ist, wozu Bibelstellen angefohrt wer-
den. Das Imprimatur der vor/. Ausgabe stammt vom 27.
Sulzer, Johann Rudolf (1750-1828): Theologe in Win-
2. 1779. EA lt. Ky.
terthur.
lnst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
894 Mädchenwerth und Mädchenglück (Bd 2: Mäd-
chenglük). [Von Johann Rudolf Sulzer.) Bd 1.2.- Win- 898 Aufklärungen für die Jugend von Andreas Sutor.-
terthur: Steiner 1790/91. 8° Augsburg: Rieger 1777. 109 S., 2 ungez. S. 8°
1. 2., verb. Aufl H. 1. 1791.372 S. Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
2. Ein Neujahrsgeschenk an meine Schülerinnen. H. 1.
Sittenlehre ))ZUr Besserung des Verstandes und des Her-
1790. 191 S., 1 ungez. S.
zens« der männlichen katholischen Jugend aller Stände;
Sittenlehre for alle »aufgeblühten Mädchen« und alle enthält religiös begründete Tugend- und Klugheilsregeln
»aufgeklärten Mütter der höhem Klasse des Bürger- sowie Morallehren mit lebenspraktischer Ausrichtung.
standes«. StudienB Dillingen
UBLeipzig
899 Sittenlehre für Kinder. Von Andreas Sutor.- Mün-
895 Carl Delile, ein Handbuch für junge Knaben. chen: Lentner 1788.4 ungez. BI., 154 S. 8°
Nach dem französischen bearbeitet. Vom Verfasser des
Omamentale Titelvignette
Mädchenwerths (d. i. J[ohann] R[udolf] S[ulzer]).- Win-
terthur: Steiner 1794. 2 ungez. BI., 458 S. 8° Elementare Sittenlehre for Kinder. Es handelt sich um
eine Umarbeitung der zuvor erschienenen Moral für die
Erziehungsroman in Briefform; der Held ist ein Muster
Jugend for jüngere Kinder im ersten Schulalter und for
vollkommener Tugendhaftigkeit. Die Briefe werden von ))Trivialschulen«. Es ist als ))Lesebüchlein« konzipiert
dem jungen, vaterlosen Freund Carls an seine Mutter
und hat die Form eines lebhaften, mit zahlreichen Ex-
geschrieben, die ihren Sohn zur Vervollkommnung sei-
empeln durchsetzten Vortrages. Stojjlich wird die glei-
ner Erziehung den Eltern des Wunderkindes anvertraut
che natürliche Sittenlehre geboten, wie sie die Moral für
hat. - Das Werk weist einige Ähnlichkeiten mit Zim-
die Jugend enthält; lediglich der ))Anhang« ist hier
mermanns Briefe für Knaben von einer kleinen Sitten-
durch ein Abschnitt ))Selbstprüfung« ersetzt. Beigegeben
akademie (1 772) auf
ist eine tabellarische )) Uebersicht der Sittenlehre for
ZentralB Zürich; Dt. StaatsB Berlin Kinder«, die ))der Lehrer als Leitfaden for sich gebrau-
chen soll«.
lnst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
Sumarokov, Aleksandr Petrovic ( 1717-1777): Russi-
scher Schriftsteller, vor allem Dramatiker.
900 Ein Lesebuch für Stadtkinder. Von Andreas Sutor.
-München: Lentner 1790. XVI, 256 S., 5 ungez. BI. 8°
896 Fabeln von Alexander [Petrovic] Sumarokov.
[Übers. von August Ludwig von Schlözer.] Rußisch und Omamentale Titelvignette
Deutsch.- St. Petersburg: Kayserl. Academie der Wis- Lesebuch for Stadtkinder in der Nachfolge von Ro-
senschaften 1765.21 S., 1 ungez. S. 8° chows Kinderfreund fiir Landschulen. Das Buch soll
Omamentale Titelvignette ))Lehrern Gelegenheit geben, sich mit Kindem nützlich
zu unterhalten«; sein Hauptzweck besteht in der ))Bey-
Sammlung von Fabeln in russisch und deutsch, die bringung neuer, oder Deutlichmachung de1jenigen Be-
Schlözer offenbar während seiner Erziehertätigkeit in griffe, die schon im Kopfe der Kleinen liegen«. Enthält
St. Petersburg benutzte und in Prosa übertrug. Gespräche und Beispielerzählungen zur religiös-morali-
Nieders. Staats- u. UB Göttingen schen Unterweisung und zur sachlichen Belehrung, Ge-
sundheits/ehren und Anstandsregeln. Die Texte sind
z. T. von Rochow entlehnt und dem neuen Leserkreis
Sutor, Andreas (geb. 1746): Professor der Theologie, entsprechend umgestaltet.
Schulrektor und Schriftsteller in Bayern. UB Heidelberg
Moral für die Jugend, 1776
897 Moral für die Jugend von Andreas Sutor.- Lands-
Tagebuch f"tir Kinder
hut: Hagen 1796. 111 S. 8°
In Paragraphen abgefaßtes Lehrbuch der natürlichen 901 Tagebuch für Kinder zum lehrreichen und ange-
1545 Bibliographie 1546

nehmen Zeitvertreib. (Vorr.: W.) Th. 1.2. - Breslau: Teutsche Chrestomathie f'lir Jünglinge zur Bildung des
Korn 1784. 3 ungez. BI., 239 S., 3 ungez. BI. 8° Herzens und des Geschmacks. Siehe: Seybold, David
Christoph.
I. Welcher das erste Vierteljahr enthält.
2. Welcherdaszweyte Vierteljahr enthält.
Ornamentale Titelvignette in Th. I und 2. Textor, Friedrich Ludwig (1765-1822): Theologe und
Moralisch-unterhaltendes Lesebuch, das zugleich auch Schriftsteller. Siehe Sp. 1247
der religiösen Erbauung dienen will. Es enthält Fabeln,
Erzählungen, biblische Sprüche, Verse und Lieder, die 904 Entlarvter Aberglaube. Ein Lesebuch zur Unter-
mit Nutzanwendungen versehen sind und von verschie- haltung und Belehrung für Kinder. [Von Friedrich Lud-
denen, ungenannt bleibenden Verfassern stammen. Die wig Textor.] - Frankfurt a. M.: Eichenberg 1789. XII,
biblischen Stellen sind lt. Vorrede zum einen Luther, 274 S. 8°
zum anderen Feddersens biblischem Lehrbuch entnom- Sammlung von Beispielerzählungen als Beitrag zur
men. Das Lesebuch ist in die Form des Tagebuches ein- Volksaufklärung; will die »Austilgung des gemeinschäd-
gekleidet. Lt. Kayser erschienen 4 Teile 1774. lichen Aberglaubens« bei Kindem fördern, die entweder
Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt »bereits von dem Aberglauben angesteckt sind« oder,
;;wenn sie durch vernünftige Erziehung von albernen
Meinungen bewahrt worden sind, fiir die Zukunft jetzt
Tessin, Charles Gustave Comte de (1695-1770): schon aufgeklärt werden sollen«; enthält in drei Teilen
Schwedischer Staatsmann. Siehe Sp. 1246 kommentierte Gespenster-, Schatzgräber- und Hexenge-
schichten. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 386
902 Briefe an einen jungen Prinzen von einem alten
Dt. StaatsB Berlin
Manne (d. i. C[harles] G[ustave Comte de] T[essin]).
(Th. l: In zweenen Bänden.) Aus dem Schwedischen
übersetzet (Th. l: von J. D. Reichenbach). Th. 1.2. -
Leipzig: Breitkopf 1756. 8° Theater f'lir die Jugend. Siehe: Sartorius, Ernst Ludwig.

l. 8 ungez. BI., 404 S.


2. 430 s. Thieme, Karl Traugott (1745-1802): Pädagoge. Siehe
Ornamentale Titelvignette in beiden Teilen; am Textbe- Sp. 1247
ginn jeweils eine Vignette, in Th. I gestochen von G. L.
Crusius, in Th. 2 signiert nur mit »Crusius fec.« Erste Nahrung für den gesunden Menschenverstand,
1776
Der Pädagogik Fenelons verpflichtete Erziehungslehre
fiir den 1746 geborenen schwedischen Thronnachfolger 905 Erste Nahrung für den gesunden Menschenver-
und Kronprinzen, den späteren Gustav 111. Enthält stand von Kar! Traugott Thieme. 3. viel verb. Aufl. -
französisch beeinflußte Fabeln, moralische Beispielge- Leipzig: Crusius 1795. 4 ungez. BI., 182 S., I ungez. BI.
8o
schichten und Erzählungen sowie Einfiihrungen in ver-
schiedenen Wissenschaftsgebiete, die in Briefform mit- Ornamentale Titelvignette
geteilt werden. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe
Sp. 490 Belehrende Schrift vermischten Inhalts; zur ersten Hälf-
te eine Enzyklopädie fiir den Anfangsunterricht jüngerer
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt; Lipp. LB Detmold Kinder; zur zweiten Hälfte eine Sammlung moralischer
Sprüche sowie eine elementare Kinderlogik in Ge-
Teutsch-Reformirtes Namenbüchlein sprächsform. EA lt. Ky.
Päd. Zentralbücherei NRW Dortmund
903 Teutsch-Reformirtes Namenbüchlein, samt den
Fünf Hauptstücken. Für die Kinder, welche anfangen 906 Gutmann oder der Sächsische Kinderfreund. Ein
zu lernen. -Frankfurt a. M.: Jäger o. J. 8 ungez. BI., da- Lesebuch für Bürger- und Land-Schulen von Kar! Trau-
von I S. mit Holzschnittill. kl. 8° gott Thieme. Th. 1.2.- Leipzig: Crusius 1794. 8°
Titelvignette in Holzschnitt und Holzschnittillustratio- I. XVIII, 252 S., l ungez. BI.
nen sind unsigniert. 2. 270 S., l ungez. BI.
ABC-Buch for den ersten Leseunterricht; enthält das Al- In Th. l Frontispiz in Kupferstich von C. W. Griess-
phabet, das in Diphtonge, Konsonanten und Vokale mann nach J. D. Schubert und unsignierte gestochene
aufgeschlüsselt wird, einsilbige Vokal-, Konsonanten- Titelvignette.
verbindungen und Wörter, Auszüge aus dem kleinen
Lesebuch vornehmlich fiir Bürger- und Landschu/en, for
Katechismus, Haus-, Abend- und TISchgebete, arabi-
die ;;kleinere Jugend, besonders in den kursächsischen
sche und römische Zahlen und das Einmaleins. Den
Ländern«; auch for den Hausgebrauch geeignet; will
Schluß bildet eine Tafel mit 24 kleinen Holzschnitten,
;;im Gemüthe des jungen Lesers Begriffe erzeugen, ver-
deren Abbildungen nach einem Lautverfahren vorgehen
binden, vervollständigen, berichtigen, aufklären, ord-
und als optische Merkhilfen dienen.
nen«. Der erste Teil ist - unterteilt in 117 Kapitel, meist
UB d. TU Braunschweig in Gesprächsform - sachlich belehrender Natur; der
zweite Teil umfaßt 123 Lesestücke moralisch belehren-
den Inhalts, die die Urteilskraft der Kinder schärfen sol-
len; angehängt sind ;;Sittensprüche«, die die Lehren der
1547 Bibliographie 1548

Beispielerzählungen zusammenfassen. - Ausführliche Kalenders folgen Kurznachrichten über Leben und Ta-
Beschreibung siehe Sp. 912 ten der behandelten Personen.
Staatl. B. Regensburg UB Rostock; UB Oldenburg

Aufmunterungen zum vernünftigen Denken und Han- 911 Fortsetzung der Campischen Reisebeschreibung
deln, 1798 für die Jugend. [Von Ernst Christian Trapp.] Th. 1-6.-
Braunschweig: Schulbuchhandl. (Th. 3-6: Schul-buch-
907 Aufmunterungen zum vernünftigen Denken und
handl.) 1794-1801.8°
Handeln. Ein Buch für bildungsbeflissene Jünglinge
von K.J:arl] T[raugott] Thieme. Neue Ausg. - Leipzig: I. Reise des Grafen von Benjowsky aus dem Engli-
Crusius 180 I. 8 S., 4 ungez. BI., 368 S., 2 ungez. BI. 8° schen von neuem frei übersetzt und abgekürzt. 1794.
Vlll,230 S.
Betrachtungen zur sittlichen Bildung der männlichen Ju-
2. -.(Fortsetzung.) 1795. 253 S.
gend »reiferen Alters«; sie sollen »das junge Gemüth
3. Neue Reise in die vereinigten Staaten von Nordame-
zum eigenen Denken über sittliche Gegenstände und
rika, gemacht im Jahr 1788 von dem französischen
zum eigenen Fleiße in der sittlichen Bildung« aufmun-
Bürger J. P. Brissot (Warwille). Th. I. 1796. VI,
tern; gedacht als Vorbereitung einer umfassenden Sit-
249 s.
tenlehre. EA lt. Ky. -Ausführliche Beschreibung siehe
4. -. Th. 2. 1797. VI, 254 S.
Sp.667
5. Vaillants zweite Reise ins Innere von Afrika. Aus
Staatl. B. Regensburg dem Französischen von neuem frei übersetzt und ab-
gekürzt. Th. I. 1799. 4 ungez. BI., 232 S.
6. -. 1801.2 ungez. BI., 276 S.
Tobler, Johann ( 1732-1808): Protestantischer Geistli-
cher in Zürich. Sammlung von Reisebeschreibungen zur »lehrreichen
Unterhaltung für die Jugend«; als Fortsetzung der er-
908 Christliche Tugend-Lehre, in Frag und Antwort. sten, 12teiligen Sammlung von J. H. Campe
Für die Real-Schulen. [Von Johann Tobler.] - Zürich (1 785-1793) konzipiert; Bd 1 und 2 enthalten eine Be-
1773: Bürgkli. 68 S. 8° schreibung der Reise des Grafen Moritz August von
Benjowsky nach Kamschatka, die Campe bereits im 12.
Ornamentale Titelvignette Band seiner Sammlung angekündigt hatte; Bd3 und 4
Lehrbuch der Sittenlehre vornehmlich für den Schulge- beinhalten die in Briefform abgefaßte Beschreibung von
brauch. Die katechetische Frage-Antwortform geht hier J. P. Brissots Reise in die Vereinigten Staaten von
über in ein Gespräch zwischen einem Jugendfreund und Nordamerika, die 1791 in 3 Bänden in Paris erschienen
einem jungen Menschen. Behandelt werden nach einer ist und deren zwei erste Teile hier im Auszug wiederge-
Einleitung über das Gute und das Böse in drei Haupt- geben werden; die beiden letzten Teile enthalten die Be-
abschnitten die f1/ichten gegen Gott, gegen sich selbst schreibung von Le Vaillant's zweiter Reise in das Innere
und gegen andere. Ein Anhang handelt »von Ablegung von Afrika, dessen erste Reise bereits bei Campe be-
der Fehler und beharrlichem Wachsthum in der christli- schrieben worden war (T. 10 und 11).
chen Tugend und Gottseligkeit«. Vgl. Anny Angst HAB Wolfenbüttel
(1947, S. 100).
ZentraiB Zürich siehe: Wochenhiat für die Schulen.

Trapp, Ernst Christian (1745-1818): Lehrer am Philan-


Franz Traugott. Siehe: Vierthaler, Franz Michael.
thropin in Dessau, Professor für Pädagogik in Halle.
Siehe Sp.l247

909 Unterredungen mit der Jugend. Von Ernst Chri- Trembley, Abraham (1710-1784): Schweizer Naturwis-
stian Trapp.- Harnburg und Kiel: Bohn 1775. 334 S. 8° senschaftler. Siehe Sp. 1248
Ornamentale Titelvignette
912 Unterricht eines Vaters für seine Kinder über die
24 Lehrgespräche über Gegenstände der Moral und der Natur und Religion vom Abraham Trembley aus dem
Religion, teilweise in dialogisierter Form; gedacht für Französischen übersetzt. Th. 1-6. - Leipzig: Junius
männliche Jugendliche reiferen Alters. - Ausführliche 1776--83.8°
Beschreibung siehe Sp. 553
I. 1776.XXXS.,4ungez.BI.,384 S.
StB Bielefeld 2. 1776.3ungez.BI.,321 S.
3. 1780. XVIII S., 5 ungez. BI., 402 S. [Enth. :] Unter-
910 Tägliches Handbuch für die Jugend. (Von [Ernst richt eines Vaters an seine Kinder über die natürliche
Christian] Trapp.)- Hamburg: Bohn 1784. 8 ungez. BI., und geoffenbarte Religion.
135S.8° 4. 1780. 7 ungez. BI., 498 S. [Enth. :] Unterricht eines
Vaters für seine Kinder, über die natürliche und geof-
Ornamentale Titelvignette und Titelblattbordüre.
fenbarte Religion.
Geschichtliches Exempelbuch; nennt für jeden Tag des 5. 1780. 8 ungez. BI., 412 S. [Enth.:] Unterricht eines
Jahres »einen merkwürdigen Mann« aus der Geschich- Vaters fürseine Kinder, überdie natürliche und geof-
te, Sonntags aus der Bibel, und setzt jeweils zusammen- fenbarte Religion.
fassend eine moralische Sentenz hinzu. Am Schluß des 6. 1783. XIV, 232 S. [Enth. :] Unterricht eines Vaters für
1549 Bibliographie 1550

seine Kinder, über den Grund der Tugend und der Naturkundliches Werk über Tiere; will die »irrige(n)
Glückseligkeit. Vorstellungen so viele(r) Menschen von den geistigen
Anlagen und Kräften der Thiere« korrigieren; handelt
In Th. I gestochene Titelvignette mit nicht verifizierba-
in 8 Abteilungen einzelne Aspekte ab, wie z. B. Empfin-
rer Signatur; ornamentale Titelvignette in Th. 2-6.
dungen, Einbildungskraft, Sprache, Klugheit der Tiere;
Bd 1.2: Religiös belehrende Naturlehre und -geschichte die Abschnitte bestehen jeweils aus einer theoretischen
for Kinder ab 12 Jahren; for den häuslichen Gebrauch Einleitung und mehreren kurzen Erzählungen aus dem
bestimmt; will die Kinder in Stand setzen, den » Veifüh- Tierrreich; hauptsächlich for die Jugend und deren Bil-
rungen des Unglaubens und der Freygeisterey zu wider- dung verfaßt.
stehen«; Übersetzung von Instructions d'un pere a ses
UB d. TU Braunschweig
enfants surla nature et Ia religion (Genf 1775). Bd3-5:
Umfangreiches religionsunterrichtliches Werk; an Kin-
der fortgeschrittenen Alters gerichtet; beginnt im ersten
Truckenbrot, Michael (1756-1793): Schriftsteller. Sie-
Band mit einer Erörterung des Unterschiedes von natür-
he Sp.l248
licher und geo.ffenbarter Religion und liefert sodann eine
Religionsgeschichte der »alten Völker«, hauptsächlich 915 Geschichte der Deutschen für die Jugend. [Von
des alttestamentarischen Judentums; Bd2 befaßt sich Michael Truckenbrot.] Bdch. 1-8.- Nürnberg: Stiebner
mit dem Neuen Testament, dem Wirken Jesu und dem 1783-86.8°
»Amt der Apostel«; Bd 3 setzt die »Apostelgeschichte«
fort bis auf Kaiser Constantin und dem Aufsteigen des l. 1783. VIII, 216 S.
Christenturns zur Staatsreligion; Übersetzung von In- 2. 1783. 176 s.
struction d'un pere ases enfants sur Ia religionnaturelle 3. 1783. 232 s.
et revelee (Genf 1779). Bd6: Menschenkunde und Sit- 4. 1784. 224 s.
tenlehre; enthält Abschnitte über den Menschen und sei- 5. 1784. 224 s.
ne Natur, über die natürliche, bürgerliche und politische 6. 1785. 208 s.
Gesellschaft, über Tugend und Glückseligkeit sowie über 7. 1786.286 s.
das irdische und himmlische Leben; Übersetzung von 8. 1786. 4 ungez. BI., 256 S.
Instruction d'un pere a ses enfants sur Je principe de Ia Gestochene Titelvignette in Bdch. 1 von und nach
religion et du bonheur (Genf 1782). - AusfUhrliehe Be- Bock; in Bdch. 2-7 unsigniert; in Bdch. 8 von J. L. Stahl.
schreibung siehe Sp. 1017
»Auszug« aus der deutschen Geschichte for junge Leute
UB Heidelberg und interessierte Laien, »welche Geschichte lesen -nicht
studiren wollen«; gedacht auch als zusätzliche private
Geschiehtsiektüre for Jugendliche; behandelt die Ge-
Triller, Daniel Wilhelm (1695-1782): Mediziner, Hof- schichte der Deutschen von den ältesten Nachrichten der
rat und Leibarzt in fürstlichen Diensten, Professor für römischen Schriftsteller über germanische Stämme bis
Medizin in Wittenberg. auf die Zeit Josephs I/.; besonders ausfUhrliehe Darstel-
lung der Vorgeschichte und des Verlauft der Reforma-
913 Daniel Wilhelm Trillers Neue Aesopische Fabeln, tion. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 1081
worinnen in gebundener Rede allerhand erbauliche Sit-
tenlehren und nützliche Lebensregeln vorgetragen wer- StB Trier
den. Anitzo, mit funfzig neuen Stücken vermehret. 2.
fleißig übersehene Aufl.- Hamburg: Herold 1750. 23
ungez. BI., 465 S., 23 ungez. S. 8° Triitzschler, Friedrich Karl Adolf von (1751-1831):
Hof- und Konsistorialrat in Altenburg.
Frontispiz, gestochen von H. und C. Sperling.
Akademisch abgefaßte Fabelausgabe mit Anklängen an 916 Lydia. Ein Schauspiel für Kinder in dreien Aufzü-
die Barockliteratur. Als Adressaten kommen wohl vor gen. Vom Verfasser der Elisa [d. i. Friedrich Kar! Adolf
allem die »vornehmen, wohlerzogenen, höflichen und von Triitzschler]. Leipzig: Böhme 1779. 4 ungez. BI.,
welterfahrenen Personen« in Frage; soweit jugendliche 144 S. 8°
Leser angesprochen werden, sind wahrscheinlich gebil- Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
dete Jugendliche vornehmer Stände ins Auge gejaßt.
EA 1740. Schauspiel mit stark rührendem und empfindsamem
Charakter; die Handlung spielt in einem adeligen Mi-
UB Münster; UB d. TU Braunschweig lieu. Im Mittelpunkt steht die Liebe und Treue zwischen
den Geschlechtern, verkörpert durch die tugendhafte Ly-
dia, einem Mustertreuerund reiner Liebe. Weitere The-
Trimolt, Johann Gottlieb ( 177 4-1813): Mediziner, men sind das Mitleid gegenüber Armen und Elenden,
Kreis- und Stadtphysikus in Luckau. die Bruderliebe und die Dauerhaftigkeit der Tugend im
Gegensatz zur Vergänglichkeit rein materieller Werte
914 Merkwürdige Beispiele zur Kenntniß der Seelen- wie Hab, Gut und Stand.
kräfte der Thiere für die erwachsenere Jugend und wiß-
begierige Liebhaber der Thiere gesammelt, geordnet Fürst!. Fürstenberg. HofB Donaueschingen
und erläutert von Joh[ann] Gottl[ieb] Trimolt. Mit einem
Titelkupfer. - Frankfurt a. M.: Bebrens 1799. 4 ungez.
Trusler, John (1735-1825): Drucker und Buchhändler
BI., 206 S. 8°
in London.
Frontispiz von und nach F. L. Neubauer.
1551 Bibliographie 1552

Anfangsgründe der feinen Lebensart und Weltkennt- nis Gottes, zum »baldigsten Tugendwandel und steti-
niß, 1784 gem Bravsein« führen; soll zum »Nachdenken, Schlies-
sen, Vergleichen, Untersuchen und Forschen« anleiten;
917 Anfangsgründe der feinen Lebensart und Welt-
auch moralisch und sittlich belehrende Züge; eingeklei-
kenntniß, zum Unterricht für die Jugend beiderlei Ge-
det in »biblische Abendunterhaltungen« eines Onkels
schlechts, auch zur Beherzigung für Erwachsene, von
mit seinen Neffen und seiner Nichte sowie deren Ge-
John Trusler. Aus dem Englischen übersetzt von Karl
fährten; Rahmenhandlung spielt im Hause eines reichen
Philipp Moritz. 2. Aufl., umgearbeitet, auch mit Zusät-
Kaufmanns; vorangestellt ist eine ausführliche »Bil-
zen und einer Nachlese aus Chesterfield und anderen,
dungsgeschichte« der Kinder sowie eine Vorstellung des
imgleichen hin und wieder mit einigen Abänderungen
Autors und der handelnden Personen im empfindsamen
versehen durch August [von] Rode.- Berlin: Mylius
Stil; erster Teil eines auf mehrere Bände konzipierten
1799. XXII, 280 S. 8°
Werks zur Astronomie.
Frontispiz, gestochen von C. C. Glaßbach sen.
UBMainz
Klugheilslehre und Verhaltensregeln »für alle Klassen
der Jugend«. Der erste Teil wendet sich an die männli-
che Jugend »beim Eintritt in das Labyrinth der Welt« Uden, Konrad Friedrich: Oberarzt in Tschernigow in
und stellt eine Bearbeitung der Briefe des Earls of Che- der Ukraine.
sterfield an seinen Sohn dar. Der wesentlich kürzere
zweite Teil ist für Mädchen gedacht und behandelt Fra- 920 Vorlesungen (Th. 1: für die mittlere Jugend) über
gen der Sittsamkeit, des allgemeinen Betragens sowie den menschlichen Körper und die Mittel, sich gesund
der »Liebes und Herzensangelegenheiten«; der Stoffist zu erhalten. [Von Konrad Friedrich Uden.] Th. 1.2.-
aus verschiedenen Schriften geschöpft. Bei dem Werk Lübeck: Donatius 1785.8°
handelt es sich um eine nach dem Original Principles of l. 232 s.
Politeness, and of Knowing the World (Berlin 1784) 2. 8 ungez. BI., 144 S.
korrigierte Überarbeitung der von K. Ph. Moritz über-
setzten Grundsätze einer feinen Lebensart und Weit- Die Vorlesungen beabsichtigen, »eine allgemeine Ueber-
kenntniß (1 784). sicht der Oekonomie des menschlichen Körpers zu ge-
ben«. Sie gehen teilweise über den physiologischen Be-
Nieders. Staats- u. UB Göttingen reich hinaus und behandeln auch geistige Funktionen
(Empfindung, Denkungsart, Dichtungsvermögen). Die
918 The Progress of Man. Neuer englischer Orbis Pic- Vorlesungen sollen eine Grundlage zum Verständnis der
tus oder die Geschichte des Menschen und menschli- »Gesundheitsregeln« vermitteln.
chen Gesellschaft in Bildern zur Belehrung und Unter-
haltung der Jugend. [Von John Trusler.] Mit Kupfern.- UB d. TU Braunschweig
Leipzig: Baumgärtner [1794]. IV, 42 S., 10 kolor. Kup-
fertaf. 8°
Ueber das neue peinliche Gesetzbuch
Unsignierte gestochene Titelvignette; die Kupfertafeln
sind auch nicht signiert. 921 Ueber das neue peinliche Gesetzbuch. Ein Buch
Kleine Belehrungen zur Kulturgeschichte; soll Kinder für Kinder, und auch wohl für Erwachsene, zu Verhü-
von sechs bis zwölf Jahren mit »den gemeinsten Din- tung der Verbrechen.- Wien: Hörling 1787.228 S. 8°
gen« bekanntmachen, »die sie von Jugend auf täglich Ornamentale Titelvignette
vor und um sich sehn und gebrauchen, über deren Ent-
stehung aber, Veifertigung und Absicht sie selten unter- Staatskundliehe Belehrung für Kinder, will sie nicht nur
richtet werden«. Behandelt werden u. a. Spiele, die Re- »frühzeitig mit den Strafen der Verbrechen« bekannt-
dekunst, das Tanzen, das Reiten, die Musik, das Fech- machen, sondern »ihnen auch das Schändliche dersel-
ten und Schwimmen. Den kurzen erklärenden Abhand- ben« zeigen und sie lehren, warum bestimmte Handlun-
lungen ist jeweils ein Kupferstich beigegeben. gen verboten sind. Gleichzeitig sind Verwahrungsmittel
vor Straftaten angegeben. Die Belehrung ist eingeklei-
Nieders. Staats- u. UB Göttingen det in das Gespräch eines Vaters mit seinen vier Kin-
dem.
Dt. StaatsB Berlin
Tutenberg, Johann Carl (1753-1824): Pädagoge.

919 Johann Carl Tutenberg's Unterhaltende Betrach- Ueber die Liebe. Siehe: Ziegesar, Carl Sigmund Frei-
tung der Himmelskörper, oder des grossen Weltall's für herr von.
Kinder. Ein Beitrag zur angenehmem wissenschaftli-
chen Lectüre; Nebst einer Vorerinnerung des Herrn
(Abraham Gottheit) Kästner. Mit zwey Kupfern.- Göt- Die Ueberraschung. Siehe: Weiße, Christian Felix.
tingen: Dieterich 1782. XVIII, 492 S. 8°
Die Kupfertafeln sind von M. M. Thoenert gestochen.
Unger, Friederike Helene (1741-1813): Romanautorin,
Weitläufige, unterhaltende und belehrende Schrift über Übersetzerio und Verlegerin. Siehe Sp. 1248
die Himmelskörper, Sonne und Erde; will >;junge noch
unbefangene Kinderseelen mit einer anlockenden und 922 Julchen Grünthal. Eine Pensionsgeschichte. [Von
angenehmen Art auf die wundervollen Werke der Natur Friederike Helene Unger.] - Berlin: J. F. Unger 1784.
frühzeitig schon aufmerksam« machen, sie zur Erkennt- 316S.8°
1553 Bibliographie 1554

Titelvignette in Kupferstich von und nach J. W. Meil. mung der geographischen Lage von Orten, zu Sonnen-
uhr, Kalender und Globus; eingekleidet in Gespräche ei-
Abschreckroman, der sich gegen die französische Pen-
nes Erziehers mit seinen beiden Zöglingen; will einen
sionatserziehung deutscher Mädchen und gegen die
Eindruck von der »Macht, Weisheit und Güte des
Empfindsamkeit wendet; mit ambivalenter Einstellung
Werkmeisters« vermitteln.
gegenüber der Empfindsamkeit. Roman für ein erwach-
senes Publikum, wobei anzunehmen ist, daß auch mit UB Greifswald
jungen Mädchen als Leserinnen gerechnet wurde. -
Ausführliche Beschreibung siehe Sp. 305
UB Heidelberg Unterhaltungen der kleinen Gesellschaft zu S**

923 Dass. u. d. T.: Julchen Grünthal. [Von Friederike 926 Unterhaltungen der kleinen Gesellschaft zu
Helene Unger.] (Th. I: 3. durchaus veränd. und mit ei- S**.Ein Lesebuch zum Unterricht und Vergnügen für
nem zweiten Band verm. Ausg.) Th. [1.]2.- Ebd. 179S. Kinder verschiedenen Alters. Verfasset von einer Mut-
so ter mehrerer Kinder. (Th. I.) - Augsburg: Klett und
Franck 17S5. S ungez. BI., 216 S., 2 Notenfaltbl. so
[1.] 426 s.
2. 360 s. Omamentale Titelvignette

Gestochenes Frontispiz und Titelvignette in beiden Tei- Moralische Unterredungen »bald für größere, bald für
len von und nach D. Chodowiecki. kleinere Kinder«, die ;;vergnügt und zugleich belehrt
werden« sollen; das Werk will »das Bild eines guten
Lt. Vorr. ist der erste Teil wesentlich verbessert. T. 2: Kindes in seinem ganzen Betragen« zeichnen; eingebet-
Der Roman, ein empfindsam-didaktischer Abschreckro- tet in dreizehn Unterhaltungen zwischen Eltern, ihren
man wie der 1. Teil von 1784, besteht aus zwei Teilen: Kindem und deren Freunden finden sich Lieder, Gebe-
1. der Lebensgeschichte einer Freundin, die ein ähnli- te, Dialoge, Briefe, Rätsel, moralische Beispielerzählun-
ches Schicksal wie Julchen selbst hinter sich hat und die- gen, Märchen und Reisebeschreibungen; die Kinder sol-
ses Ju/chen reuevoll-rückblickend erzählt und 2. der len lernen »Gott« ihre »Liebe durch einen ihm wohlge-
Wiederbegegnung und Versöhnung Julchens mit ihrem fälligen Wandel« zu beweisen.
Vater. An dieser Stelle werden auch Julchens Erlebnisse
in Rußland und an dem deutschen Hof erzählt, und Staats- u. StB Augsburg
zwar aus Julchens ebenfalls reuiger, schuldbewußter
Perspektive.
Unterhaltungen in der Naturgeschichte
LStB Düsseldorf; UStB Köln; Freies Dt. Hochstift
Frankfurt 927 Unterhaltungen in der Naturgeschichte zum nütz-
lichen Gebrauch für die Jugend, sowohl aus verschiede-
924 Naturkalender zur Unterhaltung der heranwach- nen Schriften berühmter Naturforscher zusammen ge-
senden Jugend von der Verfasserinder Julchen Grün- tragen, als auch aus eigner Beobachtungverfertiget von
thai [d. i. Friederike Helene Unger].- Berlin: J. F. Unger F. A. S. Mit Kupfern.- Leipzig: Verf. 1782. 5 ungez. BI.,
17S9. 5 ungez. BI., 274 S. so 574 S., I 0 ungez. BI., 45 Kupfertaf. go
Gestochene Titelvignette von und nach J. M. S. Lowe. Frontispiz und der größte Teil der Kupfertafeln sind on-
Naturkundliche Schrift in Form eines Kalenders mit Ab- signiert, S mit »Sch. sc.« Vermutlich stammen alle Kup-
schnitten auf jeden Monat des Jahres; naturkundliche fer von einem Künstler.
Belehrungen wechseln mit poetischen, z. T. schwärmeri- Naturkundliches Lesebuch mit 76 Abbildungen auf 44
schen Naturschilderungen ab, die mit Auszügen aus ver- Kupfertafeln; behandelt zunächst den Menschen und
schiedenen Dichtungen versehen sind (u. a. von Geliert, seine verschiedenen Rassen und beschreibt dann eine
Gesner, Hölty, E. v. K/eist, Voß, C. F. Weiße und Za- große Anzahl von Tierarten; eingekleidet in eine Unter-
chariae); Bearbeitung nach einem englischen Vorbild haltung zwischen einem Privatlehrer und zwei Knaben;
(Calender of nature, for the instruction and entertain- »für die Jugend und für Anfänger bestimmt« und auch
ment of young persons ). für den Unterrichtsgebrauch gedacht; in der Vorrede
UB d. TU Braunschweig werden weitere Bände angekündigt.
Hess. Landes- u. HochschuiB Darmstadt
Der ungezogene Knabe. Siehe: Weiße, Christian Felix.
Unterricht f"ür ein junges Frauenzimmer, das Küche und
Unterhaltung über den Weltbau Haushaltung selbst besorgen will ... Siehe: Morgen-
stern, Johanna Katharina.
925 Unterhaltung über den Weltbau und Anordnung
der Weltkörper in Gesprächen mit der Jugend. - Stral-
sund: Struck 1790. 16S S. so Unterricht f"ür Junge Personen
Omamentale Titelvignette
928 Unterricht für Junge Personen beyderley Ge-
Einführung in die Astronomie für Kinder; enthält Ab- schlechts, So dasjenige, was zu einer vernünftigen Auf-
schnitte zur Erde, zum Mond, zur Sonne, zum Sonnen- führung gehöret, kennen zu lernen begierig, und zu-
system und seinen Untergliederungen, zu astronomi- gleich fähig sind, darüber schon selbst etwas nachzu-
schen Instrumenten und Meßverfahren, zur Bestim- denken. Aus dem Französischen übersetzet, und durch-
1555 Bibliographie 1556

gehends vermehret [von Anton Ulrich von Erath]. - ßerdem sei sie Mittel, » Wortfolie und Sprachreichthum
Frankfurt a. M.: Möller 1760. 8 ungez. BI., 614 S., 5 un- zu erlernen«. Gedacht ist vornehmlich an eine Benut-
gez. BI. 8o zung im Schulunterricht.
Gestochene Titelvignette von J. C. Back nach Cath. Hel. UB d. TU Braunschweig
Doerrien; Titelblatt in Rot-Schwarz-Druck.
Klugheilslehre fiir Jungen und Mädchen aus gehobenen Velthusen, Johann Caspar (1740-1814): Professor der
Ständen, zielt ab auf eine »vernünftige Conduite«; fiir Theologie und Pastor in Helmstedt, anschließend Ge-
den Gebrauch im Privatunterricht gedacht. In alphabeti- neralsuperindendent in Stade.
scher Reihenfolge werden 320 Themenkreise abgehan-
delt, zu denen jeweils Auszüge aus verschiedenen 931 Drey Predigten für Eltern, Kinder, und Jünglinge.
Schriftsteilem (u. a. Rochefoucaud, Fenelon, Bellegar- Nebst einer Anweisung für angehende Theologen, zur
de, Pluche, de Ia Fontaine, de Ia Motte und Rousseau) klugen Auswahl, sowohl ihrer academischen Lectionen,
zusammengestellt sind. Deutsche Bearbeitung des fran- als auch einiger der unentbehrlichsten Bücher zu einer
zösischen OriginalsAvis aux jeunes Gens, capables de Handbibliothek. von Johann Caspar Velthusen. -
reflechir sur ce qui regarde unesage conduite; aufge- Helmstädt 1778: Schnorr. 4 ungez. BI., 118 S., I Faltbl.
nommen ist ebenfalls eine Übersetzung des Essai d'un 8o
Recueil de Pensees choisies, Remarques interessantes,
Regles, Maximes & autres semblables morceaux ... Predigtsammlung, die sich sowohl an Erwachsene, wie
(1 756); die poetischen Stellen des Originals hat der Be- an Kinder, Jugendliche und angehende Theologiestu-
arbeiter durch Fabeln von Geliert und Hagedom sowie denten richtet. Sie enthält eine »Erziehungs-Predigt«,
Verse von Weichmann und Brackes ersetzt. eine Predigt fiir Kinder, und fiir Jünglinge. Als Anhang
wird eine »Anleitung fiir theologische Jünglinge zur
HAB Wolfenbüttel Ordnung im Studiren, und zur Auswahl der allerunent-
behrlichsten Bücher« geboten.
Unterricht in der Naturgeschichte HAB Wolfenbüttel

929 Unterricht in der Naturgeschichte, zum Gebrauche 932 Fragebuch für Eltern und Lehrer, oder Anleitung
der Jugend.- Breslau: Universität 1776. 6 ungez. BI., zu Fragen und Gesprächen über den Katechismus, mit
173 S. 8° Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fähigkeiten und
des Alters der Jugend, entworfen von Johann Caspar
Omamentale Titelvignette Velthusen.- Leipzig: Crusius; Helmstädt: Fürstl. Wai-
Naturkundliches Lehrbuch fiir die »Jugend auf Gymna- senhaus 1787.2 ungez. BI., 202 S. 8°
sien«, die jährlich »in die Werkstätte der Künstler und In: Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina. Lfg I.
Handwerker« übergeht; behandelt die Naturgeschichte Fragebuch zum Helmstädtischen Katechismus; will
des Erdballs, der Erde, des Wassers und der Luft; be- »Eltern, besonders Müttern, und Landschulmeistem«
schäftigt sich sodann mit der Mineralogie, Botanik, sowie Predigern den Gebrauch des Katechismus durch
Zoologie; endet mit einem Abschnitt über den Men- Fragen erleichtern, »die die Seele des Kindes zum eige-
schen; zieht vornehmlich solche Gegenstände in Be- nen Denken« fUhren sollen und allmählich in »freyere
tracht, »welche den Schüler zu häuslichen Geschäften, Gespräche über die Religion« übergehen.
bürgerlichen Diensten, Künsten, Handwerken, und zu
höhem Kenntnißen der Natur vorbereiten können«. StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin; Nieders. Staats- u.
UB Göttingen
UB Heidelberg
Helmstädtischer Katechismus, 1787
Unterweisung in den vornehmsten Künsten und Wissen- 933 Nordcarolinischer Katechismus oder Christlicher
schaften, zum Nutzen der niedern Schulen. Siehe: Ade- Religionsunterricht nach Anleitung der heiligen Schrift,
lung, Johann Christoph. entworfen von Johann Caspar Velthusen. 2. Aufl. -
Leipzig: Crusius; Helmstädt: Fürstl. Waisenhaus 1788.
J44S.8°.
Veillodter, Valentin Karl (1769-1828): Stadtpfarrer an In: Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina. Lfg I.
der Ägidienkirche, anschließend Hauptprediger an der 1787.
Sebaldkirche in Nümberg.
Sammlung von Bibeltexten in 22 »Lehren«; gedacht als
930 Lieder, Erzählungen und Fabeln für Kinder zur »Christlicher Religionsunterricht nach Anleitung der hei-
Uibung im Lesen und Deklamiren. (Von [Valentin Karl] ligen Schrift«; zunächst ausschließlich zum Gebrauch
am Katechetischen Institut zu Helmslädt zum wöchent-
V(eillodter].) - Nümberg: Bauer und Mann 1797.
lichen Unterricht der Konfirmanden bestimmt, sodann
328 S., 4 ungez. BI. 8°
unter neuem Titel fiir den Religionsunterricht der deut-
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich. schen Jugend in Nordcarolina gedacht; grundlegendes
Unterrichtswerk, auf dem die übrigen religiösen Schrif-
Sammlung von Liedern, Gedichten und versifizierten
tenderReihe Lehrbücher für die Jugend in Nordcaroli-
Fabeln »zur Erlemung einer richtigen Deklamazion«,
na aufbauen sollen. EA u. d. T.: Helmstädtischer Kate-
soll Kinder »nicht blos richtig, sondern auch angenehm,
chismus, 1787.
mit Geschmack und Ausdruck lesen« lehren. Durch die
Lektüre soll zugleich »der Geschmack, so wie das aes- StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin; Nieders. Staats- u.
thetische und moralische Gefiihl gebildet werden«, au- UB Göttingen
1557 Bibliographie 1558

934 J[ohann] C[aspar] Velthusens Biblisches Hand- deutschen, lateinischen, französischen und italiäni-
buch für selbstprüfende Leser, nebst einem Anhange schen Benennungen.- Nürnberg: Raspe 1770. 3 ungez.
vom Bibellesen mit Auswahl.- Leipzig: Crusius; Helm- BI., 288 S., 37 ungez. BI. 8°
städt: Fürstl. Waisenhaus 1788. 4 ungez. BI., 312 S. 8°
Unsigniertes Frontispiz und Titelvignette in Kupfer-
In: Lehrbücher für die Jugend in Nordcarolina. Lfg2.
stich; jede Seite ist mit 2 Holzschnittleisten verziert, die
Religiöse Spruchsammlung zum Gebrauch für die lt. Vorrede 6000 Holzschnitte enthalten.
männliche deutsche Jugend, auch als Ergänzung zum
Mit »sechstausend saubern Holzschnitten« erläutertes
Katechismusunterricht gedacht; vo"angig für »Jünglin-
Wörterbuch in vier Sprachen. In zwei senkrechten Lei-
ge« in Nordcarolina, die den Lehrerberuf ergreifen wol-
sten zu durchschnittlich je zehn sehr kleinen Holzschnit-
len, um sich »mit Hülfe dieses Buches und ihres vorur-
ten finden sich Darstellungen von Dingen, Vorgängen,
thei/freyen gesunden Verstandes ( . . .) zu gründlich von
Menschen, Tieren und Symbolen. Die Ordnung eifolgt
der Religion denkenden Männern bilden« zu können.
nicht alphabetisch, sondern nach »Hauptstücken«.- EA
Das Werk ist in Paragraphen eingeteilt und bietet zu
lt. Rümann (1942) 1683 u. d. T. Teutsch-Lateinisches
kurzen Aussagen über die Grundsätze des christlichen
Wörterbüchlein.
Glaubens entsprechende Bibelstellen an.
StUß Frankfurt; Pfälz. LB Speyer; StB Nürnberg
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin; Nieders. Staats- u.
UB Göttingen
Versuch eines Schulbuches, für Kinder der Landleute,
oder zum Gebrauch in Dorfschulen. Siehe: Rochow,
Vermaechtniss an Helene von ihrem Vater. Siehe: Nie- Friedrich Eberhard von.
meyer, Georg Friedrich.

Vetterlein, Christian Friedrich Rudolf (1759-1842):


Vermischte Abhandlungen Rektorin Köthen. Siehe Sp.l249
935 Vermischte Abhandlungen und Erzählungen für 938 Chrestomathie deutscher Gedichte gesammelt und
Kinder. Bdch. 1.-Göttingen: Dieterich 1779. 150 S. 8° erklärt von C[hristian] F[riedrich] R[udolf] Vetterlein.
Ornamentale Titelvignette Bd 1-3.- Köthen: Aue 1796/98. 8°
Unterhaltendes Lesebuch zur moralischen Belehrung; I. 1796. XIV, 420 S.
enthält vornehmlich Abschreck- und Beispielgeschichten, 2. 1796. 484 S., I ungez. BI.
die in krasser Form die Folgen unbesonnenen und la- 3. 1798. 675 S., 15 ungez. BI.
sterhaften Verhaltens schildern. - Ausfiihrliche Beschrei- Sammlung deutscher Gedichte, nach Gattungen geord-
bung siehe Sp. 233 net und mit Erläuterungen und Kommentaren versehen;
Nieders. Staats- u. UB Göttingen vornehmlich bestimmt fiir die »mittlere Jugend« und die
Teile des Publikums, die ihr an Wissen gleichstehen. -
Ausfiihrliche Beschreibung siehe Sp. 926
Vernet, Jean Jacques ( 1698-1789): Genfer Theologe. UStB Köln
936 Begrif einer allgemeinen Weltgeschichte, Zur An- 939 Handbuch der poetischen Litteratur der Deut-
führung der sich auf die Historie legenden Jugend. Aus schen, d. i. Kurze Nachrichten von dem Leben und den
dem Französischen des [Jean Jacques] V[ernet] übersetzt Schriften deutscher Dichter von C[hristian] F[riedrich]
von Johann Christoph Roques.- Franckfurt und Leip- R[udolf] Vetterlein. Ein Anhang zu seiner Chrestoma-
zig: Knoch und Eßlinger 1754. 8 ungez. BI., 112 S. 8° thie deutscher Gedichte.- Köthen: Aue 1800. 60 I S., 13
Kurzgefaßtes geschichtliches Lehrbuch über die ältere, ungez. BI. 8°
mittlere und neuere Zeit; endet mit dem Aachener Frie- Anhang zu Vetterleins Chrestomathie deutscher Ge-
den von 1748; befaßt sich vornehmlich mit politischer dichte (1796/98), besonders fiir jüngere Leser gedacht.
Geschichte, gibt aber auch Hinweise auf die Entwick- Enthält Biographien zu den Autoren der Gedichte, eine
lung der Stände, der Wissenschaften, der Künste und Übersicht über ihre Werkausgaben und eine Zusam-
der Schulen; Übersetzung von Abrege de l'histoire uni- menstellung weiterführender Quellen und Hilfsmittel.
verselle ( 1753); mit einem Vorwort des Übersetzers über
den Nutzen des Geschichtsstudiums. UStB Köln
HAB Wolfenbüttel
Vierhundert neue Räthsel

Versprechen muß man halten. Oder: Ein guter Mensch 940 Vierhundert neue Räthsel zur Unterhaltung für
macht andre gute Menschen. Siehe: Weiße, Christian junge Gesellschaften. - Wien: Gerold 1781. 114 S., 7
Felix. ungez. BI. 8°
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
Versuch eines Elementarbuches Aus dem Weiße'schen Kinderfreund und anderen Wer-
ken zusammengetragene Rätsel mit Auflösungen am
937 Versuch eines Elementarbuches für Kinder durch Ende des Buches; soll der Jugend, »diesem zum Scher-
Abbildung der merkwürdigsten Dinge und derselben zen so aufgelegten Alter(,) ein unschuldiges Vergnü-
1559 Bibliographie 1560

gen . .. verschaffen«, aber auch »den Verstand . .. 5. Mit vier Kupfertaf. [davon 1 kolor.] 1802. 2 ungez.
schärfen, und den Witz ... verfeinern«; Vo"ede vom Bl.,292 s.
Verleger. 6. Mit drey Kupfertaf. 1803.4 ungez. BI., 308 S.
7. Mit4Kupfertaf.1804.238 S.
UB d. TU Braunschweig
8. Mit 3 Kupfertaf. [davon 1 kolor.]1806. 235 S.
9. Mit 3 Kupfern und Planisphäre. 1808.245 S., 1 un-
gez. S. [Nebent. :] Vieth: Astronomische Unterhal-
Vierthaler, Franz Michael (1758-1827): Salzburger tungen für die Jugend nebst Planisphären zur
Pädagoge und Schriftsteller. Astrognosie. Th. 1.
10. Mit 2 Kupfern. 1809. VI, 262 S. [Nebent.:] Vieth:
941 Franz Traugott Eine lehrreiche Kindergeschichte. Astronomische Unterhaltungen für die Jugend.
[Von Franz Michael Vierthaler.] - Salzburg: Duy1e Th.2.
1792. !57 S. 8°
Titelvignette in allen Bändchen, außer im 5.; im 10. von
Titelvignette in Holzschnitt, unsigniert. und nach G.G. Endner, die übrigen sind unsigniert; 1
Lesebuch mit Rahmenhandlungfiir Knaben; laut Nach- Tafel in Bdch. 3 und 5 Vignetten in Bdch. 4 sind von
richt des Verfassers war ein zweiter Teil projektiert. Die H. W. Hoppe gestochen, 1 Vignette in Bdch. 3 von C. G.
Handlung, in deren Mittelpunkt der sechsjährige Franz Strasberger und 2 Tafeln in Bdch. 9 von E. Müller jun.;
Traugott steht, spielt in Salzburg und besteht überwie- alle anderen Kupfer sind nicht signiert.
gend aus Unterhaltungen zwischen dem Vater, dem Umfassendes belehrendes und unterhaltendes Werk zur
Sohn, dem ffarrer und einigen Nachbarn, aus Beispiel-
Physik fiir Jungen und Mädchen von zehn bis fiinfzehn
geschichten und Erlebnisschilderungen, denen Sprüche Jahren; will >>Materien aus der Natur, dem gemeinen
und Lieder beigefUgt sind; behandelt werden vornehm- Leben, der Sphäre der Kinder, faßlich und sinnlich er-
lich sachliche Themen; sodann sind einige Fabeln abge-
klären, und in kleinen Portionen in Form von Gesprä-
druckt. Es finden sich darüber hinaus Unterredungen chen, Erzählungen, Kunststücken, Briefen vortragen«;
über die Unzufriedenheit der Menschen, über die Größe in den letzten Bänden Aufgabe dieser Darstellungswei-
Gottes und die Schönheit der Natur; der Tod eines
se, stattdessen Lehrbuchform; versteht sich als Nachfol-
Schulkameraden Franzens fUhrt zu Bemerkungen über
ger des Neuen Kinderfreundes von Engelhardt und
die Unsterblichkeit der Seele. Merke/. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 1200
Dt. StaatsB Berlin Hess. Landes- u. Hochschu!B Dannstadt
Das Kinderbuch, 1792
942 Das Kinderbuch. Ein Geschenk für die ersten An- Villaume, Peter ( 1746-1825): Evangelisch-reformier-
fänger. [Von Franz Michael Vierthaler.]- Regensburg: ter Geistlicher, Pädagoge und popularphilosophischer
Rotennundt o.J. 64 S. 8° Schriftsteller. Siehe Sp. 1249
Omamentale Titelvignette
944 Geschichte des Menschen. Von [Peter] Villaume.-
Fibel mit ABC-Teil, Leseübungen und Lesestücken zur Dessau und Leipzig: Buchhandl. der Gelehrten in
ersten sachlichen, moralischen und religiösen Beleh- Komm. 1783. 2 ungez. BI., 420 S. 8°
rung, die fiir Schulanfänger in Stadt- und Landschulen
gedacht ist. Auf Abschnitte mit ein- und mehrsilbigen Ornamentale Titelvignette
Worten und den ABC-Teil folgen zunächst sachlich be- Populäres Lesebuch über den Menschen, seinen Körper,
lehrende Texte zur Menschen-, Tier- und f1lanzenwelt; seine geistigen Vermögen und seine gesellschaftlichen
hieran knüpfen sich moralische Texte an, sodann Texte Verhältnisse, das zugleich als Unterrichtswerk fiir die
zu Gott und Geschichten aus der Heiligen Schrift. Abge- fortgeschrittene Jugend gedacht ist. - AusfUhrliehe Be-
schlossen wird das Werk mit »Vorübungen im Rech- schreibung siehe Sp. 1086
nen« und Aufforderungen zum Lernen und Ermunte-
rungen zum Fleiß. EA lt. Ky 1792 in Salzburg. StB Wuppertal

Inst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt 945 Praktische Logik für junge Leute die nicht studiren
wollen von [Peter] Villaume.- Berlin und Li bau: Lagar-
de und Friedrich 17 87. XVI, 344 S. 8o
Vieth, Gerhard Ulrich Anton (1763-1836): Pädagoge
Lehrbuch der Logik als der Kunst, die Wahrheit zu fin-
und Schulmann in Dessau. Siehe Sp. 1249
den. Es richtet sich an Ungelehrte und vornehmlich an
943 Physikalischer Kinderfreund von Gerhard Dirich Jugendliche, die sich nicht der Gelehrsamkeit widmen
wollen. Behandelt werden die drei Erkenntnisquellen:
Anton Vieth. Bdch. 1-10.- Leipzig: Barth 1798-1809.
8o die sinnliche Erfahrung, das Nachdenken und der Un-
terricht. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 1143
I. Mit acht erläuternden Vignetten. 1798. XII, 244 S.,
Bayer. StaatsB München; StB Mainz
2ungez. BI.
2. Mit drey Kupfertaf. und drey Vignetten. 1798. 3 un-
946 Philothee oder die ersten Lehren der Religion von
gez. BI., 246 S., 1 ungez. BI.
[Peter] Villaume. Th. 1-5.- Berlin und Libau: Lagarde
3. Mit Kupfern und Vignetten. 1800. VIII S.,
und Friedrich 1788.8°
S. 9-242, 1 ungez. BI., 1 Kupfertaf. auf Faltbl., 2
Vignetten. l. VIII, 216 S.
4. Mit sechs Vignetten. 180 1. 4 ungez. BI., 256 S. 2. XIV, 130 S.
1561 Bibliographie 1562

3. 246 s. Vion, J.B.


4. XXII, 246 S.
5. 244 S., 3 ungez. BI. 950 Geographische Belustigung, in sich haltend eine
kurze Beschreibung der Erdkugel, in zwey und funfzig
Religionsunterrichtliches Lesebuch, das die ersten Leh-
Tabellen eingetheilet, nebst einer Tabelle der zwölf
ren der Religion auf die deutlichste und anschaulichste
Weise darlegen will; an »Nichtgelehrte« und an »Kna- Stämme der Kinder Israel, sehr nützlich für die Jugend,
aus dem Französischen des J. B. Vion übersetzt. -
ben von 10-12 Jahren« gerichtet. Die Jugend soll das
Frankfurt und Leipzig: van Düren 1775. 8 ungez. BI.,
Lesebuch ohne Hilfe und Unterricht durch einen Lehrer
!56 S., I ungez. BI., 53 Tab. auf Faltbl. und Doppelsei-
gebrauchen. Villaurne verwendet hier zum erstenmal die
ten. 8°
Gesprächsform, die ihm »zu mehrerer Simplicität und
Herablassung Gelegenheit« gibt. Das Werk beschränkt Omamentale Titelvignette
sich auf erste Grundwahrheiten. Der 1. Bd enthält eine
»Vorübung zur Lehre von Gott«. Der 2. Bd liefert die Geographisch-historisches Lehrbuch; bestimmt zum Ver-
gnügen und Nutzen der Jugend und als Leitfaden fiir
»Lehre von Gott und seinen Eigenschaften«, während
Lehrer im Geographieunterricht; geographische, histori-
der 3. Bd sich mit der Vorsehung und dem Übel in der
sche und völkerkundliche Beschreibung der fiinf Konti-
Welt befaßt. Die beiden letzten Bde erörtern die Frage
nente in 53 Tabellen, denen kurze Textabschnitte mit
der Unsterblichkeit der Seele und bringen zahlreiche ver-
Erläuterungen beigefiigt sind.
nünftige Beweise ein.
Samml. Theodor Brüggemann, Köln
UBMainz

947 Anfangsgründe zur Erkenntniß der Erde, des Men-


schen und der Natur. Von [Peter] Villaume. Bd 1-5.- Vogel, Daniel (geb. 1742): Lehrer am Maria-Magdale-
Berlin und Libau: Lagarde und Friedrich (Bd 5: Berlin: na-Realgymnasium in Breslau.
Lagarde) 1789-91. 8°
951 Neues Geographisches Handbuch zum Unterricht
I. 1789.446 s. der Jugend eingerichtet. [Von Daniel Vogel.]- Breslau:
2. 1789. 562 s. Meyer 1775. 8 ungez. BI., 288 S. 8°
3. 1790. 582 s.
4. 1790. 398 s. Omamentale Titelvignette
5. Nebst vollständigem Register. 1791.676 S. Geographisches Lehrbuch fiir den Unterricht; handelt in
Umfangreiches geographisches Lehrbuch über alle Län- vier Abschnitten von Europa, Asien, Afrika und Ameri-
der und Kontinente; vornehmlich als Lehrerhandbuch ka; enthält einen ausfiihrlicheren, 60seitigen Abschnitt
fiir den Unterricht gedacht. über Deutschland; Lehrbuch z. T. in Stichworten und ta-
bellarischer Anlage; Aufzählung von Daten ohne weitere
StaatsB Preuß. Kulturbes. Berlin Erklärungen; eine dritte verm. u. verb. Aujl. erschien
1788.
948 Geographie und Geschichte für die Jugend der
Lipp. LB Detmold
Bürger und für Bürgerschulen von [Peter] Villaume. Th.
1.2.- Leipzig: Göschen 1792. 8°
I. Geographie und besondre Geschichte. Abth. 1.2. 2 Voigt, Christian Friedrich Traugott (1770-1814): Ma-
ungez. BI., 702 S., 2 Falttab. gister der Philosophie und Nachmittagsprediger an der
2. Allgemeine Geschichte. Abth. 1.2. 636 S. Universitätskirche in Leipzig.
Lehrbuch der Geographie, hauptsächlich der politischen
Geographie und der Geschichte; im 2. Teil Abriß der 952 Moritz und Auguste oder die Kleinen, wie sie seyn
Universalgeschichte. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe sollten. Vom Verfasser des Robert, oder der Mann wie
Sp.ll79 er seyn sollte [d. i. Christian Friedrich Traugott Voigt].-
Leipzig: Küchler 1800.324 S. 8°
Leop.-Soph.-B. Überlingen
Omamental ausgeschmückter Vortitel; Frontispiz in
949 Lesebuch für Bürgerschulen. Von P[eter] Villau- Kupferstich von und nach W. Böhm.
rne; als nothwendiges Nebenstück der zweyten Auflage Unterhaltender Roman fiir Knaben und Mädchen; be-
seines Handbuchs. - Harnburg: H. L. Villaurne 180 I. schreibt den Werdegang des f1arrersohnes Moritz Edel
IV, 332 S. 8° und der Hofratstochter Auguste Frölich von ihrem sechs-
Lesebuch fiir den Unterricht an Bürgerschulen vom Typ ten bis etwa vierzehnten Lebensjahr; deutlich werden
des Rochowschen Kinderfreundes; gedacht als Begleit- soll, daß es die erste Aufgabe der Eltern sein müsse, ihr
text zum Praktischen Handbuch für Lehrer in Bürger- Kind »zu einem wackern und nützlichen Gliede der
und Landschulen (1 781); enthält durchnummerierte menschlichen Gesellschaft zu erziehen«.
moralische Beispielerzählungen und Sachtexte, die in UStB Köln; Nieders. Staats- u. UB Göttingen
fiinf Abteilungen gegliedert, den ersten fiinf Jahren des
Leseunterrichts entsprechen, wobei die Geschichten des
vierten und fiinften Jahres mit der ersten Bibellektüre
Voit, Johann Peter (1747-1811): Theologe und Päda-
verbunden werden sollen.
goge in Schweinfurt. Siehe Sp.l250
Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel
953 Der höfliche Schüler oder Regeln zu einem höfli-
1563 Bibliographie 1564

chen und artigen Betragen für junge Leute. [Von Peter Faßlichen Beschreibung der gemeinnützlichsten Kün-
Voit.]- Nürnberg: Weigel und Schneider [1786]. 62 ste und Handwerke.
S.8°
StB Nürnberg (Th. I); StB Mainz (Th. 2.3)
Unsignierte Titelvignette in Kupferstich.
955 Dass. u. d. T.: Unterhaltungen für junge Leute aus
Kommentierte Sammlung von Anstands- und Höflich-
der Naturgeschichte, dem bürgerlichen Leben und der
keitsregeln fiir Jugendliche beiderlei Geschlechts. Ent-
Kunst. Von Johann Peter Voit. Mit Kupfern. 3. verb.
hält in zwei Abschnitten Anweisungen »zu guten Sitten
und verm. Aufl. Th. l.- Nürnberg: Schneider und Wei-
und zu einem gefälligen Betragen gegen Jedermann«
gel1794. 7 ungez. BI., 356 S., 13 ungez. BI., 47 Kupfer-
sowie »zur äußerlichen Bildung manches jungen Men-
taf. 8°
schen«.
Frontispiz von A. W. Küffner nach C. Geiger und unsi-
LBCoburg
gnierte Titelvignette; die übrigen Kupfer stimmen teil-
weise mit denen der Erstausgabe überein, einige sind
954 Unterhaltungen für junge Leute aus der Naturge- neu gestochen oder auch mit leichten Veränderungen
schichte, dem gemeinen (Th. 2.3: bürgerlichen) Leben neu entworfen; I Tafel ist von Berndt gezeichnet und ge-
und der Kunst. Von Johann Peter Voit. Th. [1]-3. - stochen, 2 von und nach Annert, 2 von Vogel nach Ga-
Nürnberg: Weigel und Schneider 1786-91. go bler und I von de Mayr nach Gabler; 4 sind von Gabler
und I von Stahl gestochen; 35 Kupfer sind nicht si-
[1.] Mit 52 [richtig: 53] Kupfertaf. 1786. 5 ungez. BI., gniert.
395 S., I ungez. S.
2. 2., verb. und verm. Aufl. 1791. 14 ungez. BI., 486 S., I StB Mainz
ungez. BI., 58 Kupfertaf. [Nebent.:] Voit: Faßliche
Beschreibung der gemeinnützlichsten Künste und 956 Faßliche Beschreibung der gemeinnützlichsten
Handwerke für junge Leute. Th. I. Künste und Handwerke für junge Leute mit Kupfern
3. 1790. X,420 S., 39 Kupfertaf. [Nebent.:] Voit: Faßli- von Johann Peter Voit. Th. [1.]2. - Nürnberg: Weigel
che Beschreibung der gemeinnützlichsten Künste und Schneider 1788/90. go
und Handwerke für junge Leute. Th. 2. [l.] 1788. 6 ungez. BI., 390 S., 1 ungez. BI., 45 kolor.
In Th. I Frontispiz von C. W. Bock nach J. A. P. Stoeßel Kupfertaf.
und ornamentale Titelvignette; 6 der weiteren 52 kolo- 2. 1790. X, 420 S., 39 kolor. Kupfertaf. [Nebent.:] Voit:
rierten Kupfertafeln hat A. Gabler gezeichnet, davon I Unterhaltungen für junge Leute aus der Naturge-
auch selbst gestochen; 4 sind von J.C. Pemsel gesto- schichte, dem bürgerlichen Leben und der Kunst.
chen, I von de Mayr; I Tafel ist von J. 0. Berndt ge- In Th. I ornamentale Titelvignette, in Th. 2 Frontispiz;
zeichnet und gestochen; es haben keine weiteren Zeich- die insgesamt 84 Kupfertafeln sind zum größten Teil ge-
ner signiert; die Stecher der übrigen Kupfer: wiederum zeichnet, bzw. erfunden und gezeichnet von A. Gabler
Gabler (4), J.L. Stahl (5), J.G. Trautner (4), P.W. (53), 2 Kupfer sind auch von ihm gestochen; die weite-
Schwarz(3), G. Vogel(2)undC. W. Bock(!); 23 Kupfer ren Zeichner sind: SchratzenstaUer mit 4 auch von ihm
sind unsigniert; die Tafeln Nr. 30und 41, die je 2 Abbil- gestochenen Kupfern, Stoeßel (!)und G. Vogel (I); Die
dungen enthalten, sind auseinandergeschnitten und die Stecher: G. Vogel (44), Zick (4), Annert (3), Leitner(3).
Abbildungen getrennt eingebunden; I Tafel ist in die-
sem Exemplar beschädigt. In Th. 2 Frontispizvon Vogel Illustriertes Lehrbuch zur » Unterweisung in den ge-
nach Gabler und ornamentale Titelvignette; 39 der wei- wöhnlichsten mechanischen Künsten und Handwerken«
teren 57 Tafeln sind von Gabler gezeichnet, davon 4 mit praktischer Ausrichtung; zum allgemeinen Gebrauch
auch von ihm gestochen; I ist von Vogel gezeichnet und an öffentlichen Schulen; gedacht fiir die männliche Ju-
gestochen; die Stecher nach Gablers Entwürfen: Vogel gend des Bürgerstandes als Leitfaden bei der Wahl des
(18), J. C. Zick (4, davon I ohne Zeichnerangabe), F. A. künftigen Berufes und fiir Lehrer als Anleitung zur Ver-
Annert (3) und Pemsel (2); 16 Kupfer sind nicht sig- mittlung einer »historischen Kenntniß der Künste und
niert. In Th. 3 Frontispiz von A. W. Küffnernach C. Gei- Handwerke«. Siehe auch Unterhaltungen für junge
ger; 17 der weiteren 38 Tafeln sind von Gabler gezeich- Leute aus der Naturgeschichte, dem gemeinen Leben
net, davon sind 15 von Vogel gestochen, der noch weite- und der Kunst. - Ausfiihrliche Beschreibung siehe
re 8 Kupfer ohne Angabe des Zeichners gestochen hat, Sp.l162.
und 2 von J. Leitner, der noch I Kupfer ohne Zeichner- StB Trier; StB Nürnberg
angabe gestochen hat; 1 wurde von Stoeßel gezeichnet
und von Vogel stachen und 4 von G. 1. SchratzenstaUer Schule des Vergnügens für kleine Kinder, 1788
gezeichnet und gestochen; 4 Kupfer stammen von
Stahl; 3 Tafeln sind unsigniert. 957 Schule des Vergnügens für kleine Kinder in drey
Klassen abgetheilt von Johann Peter Voit. Mit Kupfern.
Im ersten Teil Lehrbuch der Naturgeschichte und öko- 2. verb. Aufl.- Nürnberg: Weigel und Schneider 1793.
nomischen Naturgeschichte fiir öffentliche Schulen; ent- 13 ungez. BI., 84 S., davon 31 S. mit Kupferabb., 64,
hält Abschnitte zu Himmel und Erde, den Elementen, 56 S., 6 ungez. BI. 8°
dem Mineralreich (einschl. Berg- und Hüttenbau), dem
Ornamentale Titelvignette; 2 Kupfertafeln sind von
JYianzen- und Tierreich, zum Menschen, sowie zu Jagd,
J. C. Zick,je I von G. Vogel, F. A. Annert, A. W. Küfner,
Fischerei, Viehzucht, Acker-, Garten- und Weinbau; will
C. Sturm und Inwirth gestochen; im letzten Teil eine un-
»junge Leute zu einer nützlichen Übersicht der bekann-
signierte Kupferabbildung.
ten Natu"eiche« leiten und der Unterhaltung und Be-
lehrung dienen; reiche Kupferillustrierung, doch auch EA 1788. - Illustriertes Lesebuch mit ABC- Teil fiir den
ohne Kupfer lieferbar; 2. und 3. Teil identisch mit der privaten Gebrauch und den Unterricht in öffentlichen
1565 Bibliographie 1566

Schulen; ist »nicht for arme und unbemittelte Eltern, Vorlesungen über den menschlichen Körper und die
sondern for wohlhabende bestimmt« zum » Vemügen Mittel, sich gesund zu erhalten. Siehe: Uden, Konrad
und Nutzen« ihrer Kinder. Gliederung in drei Teile; T. Friedrich.
I. ist for den Anfangsunterricht gedacht; geht nach ei-
ner synthetischen Methode vor (vgl. Campe und Base-
dow); enthält 31 Kupfertafeln mit darunterstehendem Vorübungen zu Erweckung der Aufmerksamkeit und
ABC- Vers als Anschauungsunterricht zum Alphabet und des Nachdenkens bestehend in zwey und dreyßig morali-
Sprichwörter in Silbentrennung; T. 2 und 3 sind als schen Beyspielen ... Siehe: Langen, Johann Gott-
»Zeitvertreib for Kinder, die schon lesen können« ge- schalck.
dacht und enthalten Kinderspiele und Gespräche, sowie
Briefe, Fabeln, Gedichte, Erzählungen und Lieder, de-
nen das große und kleine Alphabet und zwei kurze Texte Vorübungen zur Erweckung der Aufmerksamkeit und
in verschiedenen Schrifttypen beigefUgt sind. des Nachdenkens. Siehe: Sulzer, Johann Georg.
UB d. TU Braunschweig

958 Zeitvertreib für junge Leute zur Beschäftigung in Wagenseil, Christian Jakob (1756-1839): Historiker
Arbeitsfreyen Stunden vonJohann Peter Voit. Mit Kup- und Schriftsteller.
fern. - Nümberg: Endter 1793. 7 ungez. Bl., 343 S., 1
ungez. Bl., 13 Kupfertaf., davon 11 kolor. 8° 960 Historische Unterhaltungen für die Jugend von
C[hristian] J[akob] WagenseiL Bdch. 1-4.- Augsburg:
Unsignierte Titelvignette; von den Kupfertafeln ist 1
Klett und Franck 1781-83. 8°
von J. C. Pemsel gestochen, die übrigen sind nicht si-
gniert. l. 1781. 8 ungez. Bl., 160 S.
2. 1782.4 ungez. Bl., 176 S.
Sammlung moralischer Beispielerzählungen for Kinder
3. 1782.4 ungez. Bl., 188 S.
aus »gesitteteren Ständen« zur nützlichen Beschäfti-
4. 1783.4ungez.Bl.,l91 S.
gung in den »Nebenstunden«; enthält Erzählungen,
Dialoge, Briefe, Lieder und Gebete mit lebensprakti- Unsignierte gestochene Titelvignette in Bändchen 1 und
scher Ausrichtung, überwiegend zur Thematisierung von 2, in Bdch. 3 und 4 omamentale Titelvignette.
Erziehungsmethoden und ihrer Auswirkungen auf das
Schilderung des Lebens und der Taten von Personen der
spätere Leben. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe
politischen, der Geistes- und Religionsgeschichte in
Sp.421
Kurzbiographien; will Kindem einen »Vorgeschmack«
StB Nümberg von der Geschichte geben, der einem systematischen Ge-
schichtsunterricht vorangehen soll; vor allem zum Er-
Die von der Tugend neueröffnete Ehren-Pforte zählen durch Eltern oder Erzieher gedacht.
StB Trier
959 Die von der Tugend neueröffnete Ehren-Prorte in
welcher drey und dreyßig (Th. 2: vier und zwanzig) an- 961 Biographien für die Jugend. [Von Christian Jakob
muthige und lehrreiche Geschichte enthalten. Sowohl Wagenseil.] Bdch.[l.]2.- Weißenfels und Leipzig: Se-
für die Jugend als auch für erwachsene Personen zu ei- verin l 790/92. 8°
nem angenehmen Zeitvertreib abgefasset. Th. 1.2. -
Nümberg: Seiz [1761]. 8° [1.] l 790.2 ungez. Bl., 162 S.
2. 1792. 2 ungez. Bl., 148 S.
I. Mit eben so vielen Kupfern. 6 ungez. Bl., 366 S., 34
Kupfertaf., davon I doppelseitige. Omamentale Titelvignette in beiden Teilen.
2. Mit vielen Kupfern. 2 ungez. Bl., 368 S., 23 Kupfer- Sammlung von sechs moralischen Biographien for Ju-
taf. gendliche aus der Monatsschrift Jugendfreuden; will
Die Kupfertafeln sind nicht signiert. der »belustigenden Unterhaltung« »mehr ernsthafte«
Lektüre entgegensetzen. Dargestellt wird das Leben
Sammlung moralischer Erzählungen mit Kupfertafe/n; Heinrichs IV., James Cooks und Valentin Jamerai Du-
will »Nutzen und Wohlgefallen« schaffen; wendet sich vals im ersten, das Friedrichs von der Trenk, Moses
insbesondere an »junge Leute vom Stande« sowie an Mendelsohns und William Dodds im zweiten Band.
»Leute von mehrerm Nachsinnen«, »Eltern und Lehr-
meister der Kinder« und »Liebhaber einer reinen Er- Dt. StaatsB Berlin
zählung aus der Tugend/ehre«; enthält märchen-,
schwank- und novellenhafte Erzählungen, denen am
Schluß eine - oft in mehreren Punkten formulierte - Wahrmann, Tobias: siehe: Seidel, Carl August Gott-
»Lehre« moralischer, religiöser und lebenspraktischer lieb.
Ausrichtung beigefUgt ist. - AusfUhrliehe Beschreibung
siehe Sp. 76
Walch, Albrecht Georg ( 1736-1822): Rektor und Pro-
StB Nümberg fessor am Gymnasium in Schleusingen.

Vorbereitung zur Weltgeschichte für Kinder. Siehe: 962 Ausführliche Mathematische Geographie. Ein Le-
Schlözer, August Ludwig von. sebuch für die Jugend. (Von Albr[echt] Georg Walch.)
Mit Kupfern. - Göttingen: Dieterich 1783. XXIV,
344 S., 3 Kupfertaf. aufFaltbl. 8°
1567 Bibliographie 1568

Die Kupfertafeln sind unsigniert. Weber, Jakob Andreas (1741-1792): Mediziner und
Chemiker.
Lehrbuch der mathematischen Geographie, das von der
Beschaffenheit der Erdkugel, den Meridianen, Wende-
965 Fragmente von der Physik für Frauenzimmer und
kreisen und den Klimazonen handelt und sich mit geo-
Kinder von J[akob] A(ndreas] Weber. - Tübingen:
graphischen Maßen, mit Karten und sonstigen Hilfsmit-
Schramm und Frank 1779. 144 S. 8°
teln beschäftigt. Das Werk ist »Herrn Hofrath Kästner
in Göttingen« gewidmet. Omamentale Titelvignette
UB Leipzig Leicht verständliches naturwissenschaftliches Lehrbuch
fiir Anfänger; behandelt die Himmelskunde, die vier
963 Genealogisch-historisches Lesebuch für die Ju- Elemente sowie die wichtigsten Wettererscheinungen;
gend zur Kenntniß der Europäischen Regenten, ihrer eingekleidet in Gespräche zwischen einem Erzieher und
Häuser und Länder. [Von Albrecht Georg Walch.] Th. dessen Zögling.
[1.]2.- Göttingen: Dieterich 1787/89. 8°
Hess. Landes- u. HochschuiB Darmstadt
[!.] 1787.XX,320 S., I ungez.BI.
2. Enthaltend eine Beschreibung dervornehmsten erb- 966 Fragmente von der Heydnischen Götterlehre für
lichen deutschen Fürstenhäuser und ihrer Länder. Frauenzimmer, Maler und Kinder, nach alphabetischer
1789. X S., I ungez. BI., 336 S. Ordnung von J[akob] A(ndreas] Weber. - Tübingen:
Heerbrandt 1780. 124 S. 8°
Genealogische Darstf!llung der europäischen regieren-
den Fürstenhäuser einschließlich der »Nebeneinander- Omamentale Titelvignette
stellung« der von ihnen jeweils regierten liinder; mit
Lexikalisches Nachschlagewerk zur antiken Mythologie;
zahlreichen genealogischen Tabellen; neben der Jugend
enthält in alphabetischer Folge kurze Erläuterungen zu
auch an »Leser aus dem Mittelstande und aus dem an-
Sachbegriffen und Namen aus der griechischen, ägypti-
deren Geschlecht« adressiert; soll die nötigen »Vor-
schen und persischen Mythologie.
kenntnisse zu den Zeitungen« vermitteln; die Vorrede
enthält bemerkenswerte Reflexionen zur Kinderliteratur UBTübingen
und eine Kritik philanthropischer Neuerungen.
Lipp. LB Detmold Weber, Johann Gottfried

967 Allgemeine Anweisung der neuesten Schön-


Waldis, Burkard (um 1490-1556): Protestantischer schreibkunst des Johann Gottfried Weber, für die Ju-
Dramatiker und Fabeldichter. gend hohen und niedem Standes, desgl. für andere
Liebhaber einer schönen Feder und für Frauenzimmer.
Fabeln und Erzählungen in Burkard Waldis Manier. Mit einer gedrukkten Anweisung und beigefügten Or-
Siehe: Zachariä, Friedrich Wilhelm. thographie. - Detmold 1780. Kupfertitel, 2 ungez. BI.,
40 Kupfertaf., 32 S. quer-8°
Der Kupfertitel ist von H. Cöntgen gestochen, Tafel I
Warlich, Anton Rudolph
nach H. Miller von M. Agnes Cöntgen.
Geschichte aus Ober-Sachsen für einen deutschen Kna- Anweisung zur >>deutschen Schönschreibkunst« »zum
ben. Siehe: Schlözer, August Ludwig von. Nutzen der deutschen Jugend«; will »den Weg zur rei-
nen, von allen Künsteleien entfernten Schönschreibe-
kunst« bahnen.
Des warnenden Vatters Philanthropini Klugheits-Schu-
Lipp. LB Detmold
le ... Siehe: Leutwein, Ph. Jakob.

Die Wege der Tugend


Waser, Felix
968 Der Wege der Tugend oder die Geschichte derbe-
964 Unterredungen über einige wichtige Wahrheiten rühmten Pamela, der Klarissa Harlowe und des Ritters
der natürlichen Religion, zum Unterricht für Unstudier- Karl Grandisons im Kleinen entworfen. Aus dem Engli-
te und junge Leuthe. von Felix Waser. -Zürich: Orell, schen übersetzt [von Friedrich Wilhelm Streit]. Th. 1.2.-
Geßner, Füeßli 1782. 326 S., I ungez. BI. 8° Altenburg: Richter 1765 I 69. 8 o
Religionsunterrichtliches Werk, das in eine Unterredung I. Neue Aufl. 1769.4 ungez. BI., 248 S.
zwischen einem Vater und seinem Kind gekleidet ist. In 2. 17 65. 186 s.
insgesamt 19 Unterredungen wird von Gott, seinen Ei-
Gestochene Titelvignette in beiden Teilen von
genschaften, von der Vorsehung, von der Unsterblichkeit
E. G. C. B. Heller.
der Seele und von der Vortrefflichkeit der Religion ge-
handelt. Das Werk will die Kinder zu »vernünftige(n), Äußerst gedrängte Kurzfassung der drei Romane Ri-
und hiermit wahre(n) Verehrer(n) und Anbeter(n) Got- chardsons; bestimmt fiir die Unterhaltung und den mo-
tes . .. machen«. ralischen Unterricht der Jugend beiderlei Geschlechts;
Er-Erzählung statt Briefroman. EA lt. Ky 1765. -Aus-
ZentraiB Zürich
fiihrliche Beschreibung siehe Sp. 84
lnst. f. Jugendbuchforschung Frankfurt
1569 Bibliographie 1570

Weigel, Johann Adam Valentin (1740-1806): Prediger G[eorg] P[eter] Weimar.- Erfurt: Keyser 1787.2 ungez.
im Bolkenhayn-Landeshutischen Kreis in Schlesien. BJ., 8 S. kJ. 8°
Acht Melodien zu den Liedern Lossius'. Beschreibung
969 Geistliche Lieder für Kinder, von Johann Adam
unter Lossius, Lieder und Gedichte ... , siehe Sp. 358
Valentin Weigel.- Breslau und Hirschberg: Korn 1777.
69 S., 3 ungez. S. 8° UBJena
Ornamentale Titelvignette
Religiöses Gesangbuch in zwei Teilen; der erste ist for Weiße, Christian Felix (1726-1804): Steuerbeamter,
Kinder »von zarterm Alter« gedacht und enthält Mor- Schriftsteller, Redakteur und Übersetzer. Siehe
gen- und Abendlieder; der zweite Teil for Kinder »von Sp. 1250
reiferm Alter« bringt Lieder zu bestimmten Anlässen
und zu den kirchlichen Festen. 972 Lieder für Kinder. [Von Christian Felix Weiße.]-
Leipzig: Weidmann und Reich 1767.66 S. 8°
Staats- u. StB Augsburg; UB Tübingen
Gestochenes Frontispiz, Titel- und Schlußvignette, un-
970 Christliche Morgen- und Abend-Unterhaltungen signiert.
auf jeden Tag des Jahrs, für Kinder von reiferm Alter. Sammlung von 54 Kinderliedern zur Unterhaltung und
Von Johann Adam Valentin Weigel. Th. 1.3-5.- Bres- moralischen Belehrung. Eine nachträglich angebundene
lau und Hirschberg: Korn 1780-84.8° Zugabe (siehe Nr. 974) u"!faßt siebzehn meist längere
I. Welcherdie MonatheJanuar, Februarund Merzent- Lieder. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 86
hält. 1780.8 ungez. BI., 392 S. Nieders. Staats- u. UB Göttingen; HAB Wolfenbüttel
3. Welcher die Monathe Julius, August und September
enthält. 1783.4 ungez. BI., 374 S. 973 Lieder für Kinder [von Christian Felix Weiße],
4. Welcher die Monathe October, November und De- verm. Aufl. Mit neuen Melodien von Johann Adam Hil-
cemberenthält. 1784. XVI S., 3 ungez. BI., 390 S. ler.- Leipzig: Weidmann und Reich 1769.3 ungez. BI.,
5. Christliche Unterhaltungen bei besonderen Fällen 142 S. 8°
und Zeiten für Kinder von reiferm Alter. 1784. 4 un-
gez. BI., 194 S., 3 ungez. BI. Gestochenes Frontispiz von J. M. Stock; Titel- und
Schlußvignette von Stock nach A. F. Oeser.
Gestochene Titelvignette in Th. I, 3 und 4 von und nach
J.A. Rosmaesler. UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.; UB d. TU Braun-
schweig
Religiöses Gebets- und Andachtsbuch in fonf Teilen
zum Gebrauch bei der Privaterziehung von Kindem von 974 Zugabe zu den Liedern für Kinder. [Von Christian
»reiferm Alter« zur »Beförderung eines vernünftigen Felix Weiße.]- Leipzig: Weidmann und Reich 1769.
und thätigen Christenthums«, um »Kinder von dem 31 S. 8°
Herplappern ( .. .) gewisser auswendig gelernter Gebets-
formeln ( .. .) zu entwöhnen; ihnen gute religiöse Gesin- Ornamentale Titelvignette
nungen einzuflößen; unvermerkt die Wahrheiten der HAB Wolfenbüttel
Religion mit ihnen zu wiederholen; sie auf Naturbege-
benheiten ( ... )und aufunerkannte Wohlthaten Gottes Neues A, B, C, Buch, 1772
aufmerksam zu machen; sie anzugewöhnen täglich, we-
nigstens des Morgens und Abends, einige Minuten der 975 Neues A, B, C, Buch, nebst einigen kleinen Uebun-
Religion zu widmen«. Ferner gedacht als Anleitung for gen und Unterhaltungen für Kinder. [Von Christian Fe-
die Erzieher, deren >>vernünftige und weise Leitung, Be- lix Weiße.]- Franckfurth und Leipzig 1773. 2 S., 2 un-
lehrung und auch bisweilen katechetische Zergliede- gez. BI., S. 3-96, 9 Kupfertaf. 8°
rung« das Buch »nützlicher« machen soll. Das Werk Unsignierte gestochene Titelvignette; die Tafeln stam-
enthält Gebete, Lieder, Andachten und erbauliche Be- men von J. D. Schubert.
trachtungen in Versen und in gebundener Rede auf je-
den Monat des Jahres. Angebunden sind Geistliche Lie- ABC- und Lesebuch ./Ur den ersten Leseunterricht; ent-
der für Kinder ( 1777). Lt. Kayser erschien das Werk hält kurze Abschnitte zum Alphabet, zur Lautlehre und
1778 zum ersten Mal. zur Interpunktion; den Hauptteil machen die »Lese-
übungen und Unterhaltungen« mit kurzen Sittenlehren,
UBTübingen Gedenksprüchen, moralischen Erzählungen, Kinderlie-
dern, Fabeln und Gebeten aus; den Schluß bilden Kup-
fertafeln von Schubert zu den einzelnen Buchstaben des
Das Weihnachtsgeschenke. Siehe: Weiße, Christian Alphabets mit kleinen Reimsprüchen. Eine große Zahl
Felix. von Texten ist anderen zeitgenössischen Werken ent-
lehnt worden. Erstausgabe 1772. - AusfUhrliehe Be-
schreibung siehe Sp. 830
Hess. LB Wiesbaden
Weimar, Georg Peter (1734-1800): Musikmeister in
Erfurt. Siehe Sp. 1250
976 Der Geburthstag, ein kleines Lustspiel für Kinder
in einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]- Leip-
971 Faßliche Melodien zu Rudolph Christoph Loßius
Lieder und Gedichte ein Etui für Kinder. Mit und ohne zig: Crusius 1776.32 S. 8°
Clavierbegleitung gesellschaftlich zu singen von Hoffi Fürst Thurn und Taxis, Regensburg
1571 Bibliographie 1572

977 Dass.- Ebd. 1777.30 S. 8° 986 Ein kleiner Familienzwist, oder Gute Kinder ma-
chen bisweilen auch gute Aeltem. Ein Schauspiel für
Ornamentale Titelvignette
Kinder in einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]
StUß Frankfurt; Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) -Leipzig: Crusius 1778. 72 S. 8°
Omamentale Titelvignette
978 Edelmuth in Niedrigkeit, ein Schauspiel für Kin-
der in Einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße].- AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 174
Leipzig: Crusius 1777. 52 S. 8°
German. Nationalmuseum Nümberg; UStB Köln
Ornamentale Titelvignette (Sammelband)
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband)
987 Die Schlittenfarth, ein Kinderspiel in zwey Aufzü-
gen. [Von Christian Felix Weiße.] - Leipzig: Crusius
979 Die Geschwisterliebe, ein Schauspiel für Kinder.
1778. 76 S. 8°
[Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig: Crusius 1777.
24 S. 8° Omamentale Titelvignette.
Ornamentale Titelvignette Dt. StaatsB Berlin (Sammelband)
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband)
988 Sechs Schauspiele für Kinder. [Von Christian Felix
Weiße.]- München: Strobel 1778. 4 ungez. BI., 144
980 Die kleine Aehrenleserinn, ein Lustspiel für Kin-
S.8°
der in Einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]-
Leipzig: Crusius 1777.64 S. 8° [Enth.:] Edelmuth in Niedrigkeit, ein Schauspiel für
Kinder in Einem Aufzuge. 1778. S. 1-32. Die Geschwi-
Ornamentale Titelvignette
sterliebe, ein Schauspiel für Kinder. S. 33-48. Die kleine
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) Aehrenleserinn, ein Lustspiel für Kinder in Einem Auf-
zuge. S. 49-88. Der Geburtstag, ein kleines Lustspiel für
981 Die Milchschwestern, ein Schauspiel für Kinder. Kinderin Einem Aufzuge. S. 89-108. Die Schadenfreu-
[Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig: Crusius 1777. de, ein kleines Lustspiel für Kinder mit Liederchen.
28 S. 8° S.l09-130. Das Tressenkleid, ein Lustspiel. [Mutmaßl.
Verfasser: Alexandre Guilleaume Mouslier de Moissy.]
Ornamentale Titelvignette S.l31-144.
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 174 Staat!. B. Neuburg
German. Nationalmuseum Nürnberg; Dt. StaatsB Ber-
lin (Sammelband) 989 Wer dem andem eine Grube gräbt fällt oft selbst
hinein; Oder die blinde Kuh. Ein Lustspiel für Kinder.
982 Die Schadenfreude, ein kleines Lustspiel für Kin- [Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig: Crusius 1778.
der mit Liederchen. [Von Christian Felix Weiße.]- Leip- 77 S. 8°
zig: Crusius 1777.36 S. 8°
Omamentale Titelvignette
Ornamentale Titelvignette
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband)
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp./74
German. Nationalmuseum Nümberg; Dt. StaatsB Ber- 990 Die Friedensfeyer, oder die unvermuthete Wieder-
lin (Sammelband) kunft. Ein Lustspiel für Kinder in Zwey Aufzügen. Aus
dem funfzehnten Theile des Kinderfreundes. [Von
Christian Felix Weiße.] - Leipzig: Crusius 1779. 111
983 Der ungezogene Knabe, ein Lustspiel für Kinder in S. 8o
Einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig:
Crusius 1777. 80 S. 8° Omamentale Titelvignette
Omamentale Titelvignette AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 174
German. Nationalmuseum Nümberg; Dt. StaatsB Ber- UStB Köln (Sammelband)
lin (Sammelband)
991 Die natürliche Zauberey, oder das böse Gewissen.
984 Das Weihnachtsgeschenke. Ein kleines Lustspiel. Ein Lustspiel für Kinder in Einem Aufzuge. [Von Chri-
[Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig: Crusius 1777. stian Felix Weiße.]- Leipzig: Crusius 1779. 68 S. 8°
24 S. 8°
Omamentale Titelvignette
Omamentale Titelvignette
German. Nationalmuseum Nümberg; UStB Köln
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) (Sammelband)

985 Der Abschied. Ein Schauspiel für Kinder in Einem 992 Die Ueberraschung. Ein Lustspiel für KindeTin Ei-
Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig: Cru- nem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig:
sius 1778. 78 S. 8° Crusius 1779. 86 S. 8°
Omamentale Titelvignette Omamentale Titelvignette
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) UStB Köln (Sammelband)
1573 Bibliographie 1574

993 Versprechen muß man halten. Oder: Ein guter 1002 Christian Felix Weisse. Schauspiele für Kinder.
Mensch macht andre gute Menschen. Ein Lustspiel für Aus dem Kinderfreunde besonders abgedruckt. Th.
Kinder in Einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.] 1-3.- Leipzig: Crusius 1792. 8°
-Leipzig: Crusius 1779. 62 S. 8°
UStB Köln (Th. 2); Päd. Zentralbücherei NRW Dort-
Omamentale Titelvignette mund(Th. 3); Dt. StaatsB Berlin (Th. 1.3)
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp.l74
siehe: Briefwechsel der Familie des Kinderfreundes.
UStB Köln (Sammelband)
siehe: Der Kinderfreund.
994 Gute Kinder der Aeltem größter Reichthum. Ein
Schauspiel für Kinder in Zwey Aufzügen. [Von Chri-
stian Felix Weiße.]- Leipzig: Crusius 1780.96 S. 8° Karl Weissenfeld. Siehe: Stroth, Friedrich Andreas.
Omamentale Titelvignette Weland, Jakob Christian (1752-1813): Generalsuper-
intendent in Holzminden.
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband)
1003 Sittenlehren, durch Beispiele aus der Weltge-
995 Ein gutes Herz macht manchen Fehler gut. Ein schichte erläutert Zur Vorbereitung auf den Unterricht
Lustspiel in Einem Aufzuge. [Von Christian Felix Wei- in der Christlichen Religion in Lateinischen Schulen
ße.]- Leipzig: Crusius 1780. 80S. 8° von Jakob Christian Weland. Bdch. 1-4. - Braun-
Omamentale Titelvignette schweig: Schulbuchhandl. 1795-99. 8°
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) I. 1795.XXVI,209 S.
2. 1795. XXIV, 296 S.
996 Dasjunge Modefrauenzimmer. Ein Schauspiel für 3. 1796. XXIV,374 S., I ungez. BI.
Kinder in Einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.] 4. 1799. XXXII, 398 S.
-Leipzig: Crusius 1780. 86 S. 8o
Umfangreiche Sammlung von historischen Anekdoten
Omamentale Titelvignette for den moralischen Anfangsunterricht. Das Werk will
UStB Köln (Sammelband) »Kenntnisse von J1licht und Moralität bei der Jugend
befördern, dadurch ihr sittliches Gefohl anregen und
997 Die Feuersbrunst, oder Gute Freunde in der Noth verfeinern«. Hierforscheinen dem Verf. »Exempel von
das größte Glück. Ein Schauspiel. [Von Christian Felix wirklichen Menschen« besser geeignet zu sein als »er-
Weiße.]- Leipzig: Crusius 1781.84 S. 8° dichtete Beispiele«. Ein Nebeneffekt des Werkes soll die
Vermittlung historischer Kenntnisse sein. Am Beginn je-
Omamentale Titelvignette des Bandes finden sich historische Tabellen.
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) HAB Wolfenbüttel
998 Die Freunde, oder Das Vogelschießen. Ein Lust-
spiel in zwey Aufzügen für junge Leute. [Von Christian
Felix Weiße.]- Leipzig: Crusius 1781.91 S. 8° Die Welt im Kleinen zum Nuzen und Vergnügen lieber
Kinder. Siehe: Roth, Johann Ferdinand.
Omamentale Titelvignette
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband)

999 Die jungen Spieler, oder: Böse Gesellschaften ver- Welthistorisches Kinder-Lesebuch
derben gute Sitten. Ein Lustspiel für junge Leute in Ei-
nem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]- Leipzig: 1004 Welthistorisches Kinder-Lesebuch. Nach Anlei-
Crusius 1781. I 08 S. 8° tung zur Weltgeschichte für Kinder von Schlözer.- Hil-
desheim: Gerstenberg 1802.302 S., 2 ungez. BI. 8°
Omamentale Titelvignette
Lesebuch for Kinder im ersten Schulalter zur Einftih-
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) rung in die Geschichte; gedacht als Begleitbuch zu A. L.
von Schlözers Vorbereitung zur Weltgeschichte für Kin-
1000 Das Windspiel, oder Die Rache. Ein Schauspiel der, Erster Teil 1779; gibt ausfohrlichere Erklärungen,
für Kinder in Zwey Aufzügen. [Von Christian Felix Wei- Ergänzungen und Beispiele zu den einzelnen Paragra-
ße.]- Leipzig: Crusius 1781. 86 S. 8° phen des Schlözerschen Lehrbuchs; soll zur Vor- und
Omamentale Titelvignette Nachbereitung des schulischen Geschichtsunterrichts
dienen. soweit er nach Schlözers Lehrbuch vorgeht; die
AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp.l74 Vorreden sind mit »M« unterzeichnet.
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) Sächs. LB Dresden
1001 Das Denkmal in Arkardien. Ein ländliches
Schauspiel für die Jugend mit untermischten Gesängen
in Einem Aufzuge. [Von Christian Felix Weiße.]- Leip- Wening, Johann Adam (1735-1800): Pfarrer und Päd-
zig: Crusius 1782. 78 S. 8° agoge. Siehe Sp. 1250
Omamentale Titelvignette
1005 Historisch- und moralische Erzählungen für den
Dt. StaatsB Berlin (Sammelband) gemeinen Mann und die Jugend von Johann Adam We-
1575 Bibliographie 1576

ning. - München: Schulfonds-BücheiVerl. in Komm. Lehrer beim Unterricht. Handelt vom Menschen, der
1784. 8 ungez. BI., 186 S., 3 ungez. BI. 8° Beschaffenheit der Erde und von der >>Veredelung und
Beglückung der Menschheit durchs Christenthum«.
Ornamentale Titelvignette
UStB Köln, Erziehungswiss. Abt.
Sammlung moralischer Beispielgeschichten und histori-
scher Anekdoten »for den gemeinen Mann, fiir den, der
fast noch gar kein Buch kennt, oder doch in Ermang- Wetter, Caspar ( 1749-1789): Schweizer Arzt, medizini-
lung eines beßem das albernste liest, für die Jugend, die scher Schriftsteller, Historiker, Förderer des Schulwe-
diese Schrift in der Schule statt einem Lesebuche brau- sens.
chen könnte«; will einen Beitrag zur Aufklärung des
Bürgers und Landmanns leisten. Die 66 » Beyspiele fiir Kurze Geschichte der Stadt und Republick St. Gallen.
das Herz, welche edle und gutgesinnte Menschen auch Siehe: Bernet, Friedrich.
in der niedersten Klasse ausübten«, sind zum größten
Teil zeitgenössischen Schriftstellern, v. a. Salzmann,
entlehnt und bayrischen Verhältnissen angepaßt. -Aus- Wezel, Johann Karl (1747-1819): Schriftsteller und
fiihrliche Beschreibung siehe Sp. 318 Pädagoge. Siehe Sp.1251
Bayer. StaatsB München
1008 Robinson Krusoe. Neu bearbeitet (von J[ohann]
K[arl] Wezel). [1.2.]- Leipzig: Dyk 1779/80. kl. 8°
Wer dem andern eine Grnbe gräbt, fällt oft selbst hin- [1.] 1779.XXXIV,260 S.
ein; Oder die blinde Kuh. Siehe: Weiße, Christian Fe- [2.] 1780. XIV, 308 S.
lix. In Th. 1 Frontispiz, von C. G. Geyser nach Klaff gesto-
chen und unsignierte Titelvignette; in Th. 2 Frontispiz
und Titelvignette von und nach J. A. Rosmaesler.
Westenrieder, Lorenz (1748-1829): Schulrat und Kano-
nikus in München. Robinson-NachdichtungfiirJugendliche vom 12. bis 18.
Lebensjahr wie auch jiir erwachsene Leser. Sie hält sich
1006 Geschichte von Baiern, für die Jugend und das im ersten Teil eng an das Defoesche Original, während
Volk. Herausgegeben von der baiersehen Akademie der der zweite Teil sich hiervon weitgehend löst. Geschildert
Wissenschaften. [Von Lorenz Westenrieder.]- Bd 1.2. - wird der Inselaufenthalt und die sich hieran anschlie-
München: Strob11785. 8° ßende Geschichte der Inselkolonie. - Ausfiihrliche Be-
schreibung siehe Sp. 238
1. Th.[1]-3. XXIV, 432 S.,2 ungez. BI., 5 Falttab.
2. Th. 4-6. XXVII, 670 S., 1 ungez. BI., LXIV S., 8 Falt- Staats- u. StB Augsburg (Th. 1.2); Freies Dt. Hochstift
tab. Frankfurt (Th. 2)

Gestochene Titelvignette in Bd 1.2 von G. M. Weißen- 1009 Dass. [2.] u. d. T.: Robinson's Kolonie, oder: Die
hahn. Welt im Kleinen. Von J[ohann] K[arl] Wezel.- Leipzig:
Darstellung der bayrischen Landesgeschichte vom Jahre Dyk 1795. XXIV, 308 S. 8°
600 v. Chr. bis zur Gegenwart 1777; vornehmlich dem Neuauflage des zweiten Teils. Die Vorrede Wezels ist
»öffentlichen Unterricht« gewidmet; will keine Regen- weggelassen und durch eine des Verlegers Dyk ersetzt.
tengeschichte, sondern »Geschichte des Landes« sein Hierin wird der zweite Teil als eine passende Fortset-
und »ungeachtet ihres Ranges« die wahren »Helden« zung sowohl des Wezelschen ersten Teils wie auch von
der Geschichte nennen; will durch lebendige Darstellung Campes Robinson angepriesen.
und »Beyspiele« Geschichte »zur Angelegenheit des Pu-
blikums« machen; sieht die vaterländische Geschichte LBCoburg
als Mittel an, »den Geist einer niedergeschlagenen Na-
tion wieder aufzurichten<< und »die Aufklärung unsrer
Der wiederkehrende Sohn ... Siehe: Lindner, Johann
Landsleute zu befördern«; enthält 6 Teile, zahlreiche
Gotthelf.
genealogische Tabellen und sonstige Anhänge.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen
Wiegand, Carl Samuel (1744-1805): Professor beim
Cadettenkorps in Kassel, hessischer Hofarchivar.
Wettengel, Friedrich Traugott (1750-1824): Magister
der Philosophie, Hofprediger und Direktor des Waisen- 1010 Versuch einer kurzgefassten Mythologie für An-
fänger von Carl Samuel Wiegand. - Eisenach: Witte-
hauses in Greiz.
kindt 1792. 4 ungez. BI., 248 S. 8°
1007 Anleitung zum weisen und frohen Genusse des Lehrbuch zur Mythologie der Griechen und Römer fiir
Lebens, zunächst für die Jugend. In Gesprächen und Er- die weibliche Jugend (in Anlehnung an die Mythologie
zählungen. Von Friedrich Traugott WettengeL- Greiz: Seybolds, 1779). Das Werkfolgt der traditionellen Ein-
Henning 1789. XX, 288 S. 8° teilung in obere und untere Gottheiten, Heroen und
Halbgötter. Innerhalb dieser Systematisierung werden
Schrift vermischten Inhalts in Gesprächsform zur religi-
weibliche und männliche Gottheiten gesondert behan-
ösen, moralischen und sachlichen Belehrung der reiferen
delt.
Jugend; gedacht als »Anleitung zum weitem Nachden-
ken«, als >>nützliches« Lesebuch und als Leitfaden fiir Privatbesitz
1577 Bibliographie 1578

Wiegenliederchen. Siehe: Bertuch, Friedrich Johann Ju· Wirth, Ambrosius


stin.
1014 Die ersten Buchstaben der Göttlichen Worte, dar-
innen die fürnehmsten Stücke unserer christlichen Leh-
Wilberg, Johann Friedrich: Schullehrer in Hamm. re in einer leichten Ordnung vorgetragen werden, nebst
einer Vermahnung an die gemeine Jugend, zum Ge-
1011 Lesebuch für Kinder, die gern verständiger und brauch für die anvertrauten Kinder, in Druck gegeben
besser werden wollen. (Hrsg. von Johann Friedrich WH- durch Ambrosium Wirth.- Nürnberg: G. P. Monath
berg.) - Hamm: Verf.; Frankfurt a. M.: Brönner in 1786. 63 S. 8°
Comm. 1793. 6 ungez. BI., 196 S. 8°
Religiöses Spruchbuch für Kinder und Jugendliche; ent-
Omamentale Titelvignette hält insgesamt 208 biblische Sprüche, zunächst zu den
Schullesebuch. in der Absicht zusammengestellt, Kin- Glaubensgegenständen der christlichen Lehre, ergänzt
dem »von allen dreyen christlichen Religions-Parthey- durch Auslegungen fiir Kinder und eine » Vermahnung
en« zweckmäßige Texte an die Hand zu geben. Die mo- an die gemeine Jugend«, in der die »J11ichten der Ju-
ralisch und sachlich belehrenden sowie die unterhalten- gend gegen Gott«, »gegen sich selber« und »gegen an-
den Texte sind verschiedenen Schriftstellern entlehnt dere, sonderlich gegen die Lehrer« behandelt werden.
(u. a. Salzmann, Thieme, Fröbing, Märsche/, Schlosser, EA 1729.
Derhams, Reimarus, Büsching, Sulzer, Schmidt, Götz, StB Nürnberg
Junkers, Campe, Rochow, Koppe).
StB Wuppertal
Wissenschaftliches Magazin
Wilmsen, Friedrich Philipp ( 1770-1831): Pfarrer in 1015 Wissenschaftliches Magazin für Jünglinge. Bd I.
Berlin, Pädagoge und Erziehungsschriftsteller. Siehe -Hannover: Helwing 1790. 295 S., 4 ungez. BI. 8°
Sp. 1251
Zeitschrift fiir Jugendliche fortgeschrittenen Alters, die
1012 Sammlung auserlesener Poetischer Fabeln und studieren wollen; verknüpft wissenschaftliche, literari-
Erzählungen für Lese- und Deklamations-Uebungen. sche und moralische Bildung miteinander. Ein zweiter,
Herausgegeben von F[riedrich] P[hilipp] Wilmsen. - hier nicht berücksichtigter Band ist noch im gleichen
Berlin: Königl. Akadem. Kunst- und Buchhandl. 1799. Jahr erschienen.
VIII, 296 S. 8° Schiller-Nationalmuseum Marbach
Poetische Chrestomathie fiir Lese- und Vortragsübun-
gen; hat bei der Auswahl der Stücke auf deren »poeti-
schen Werth« und deren »Correctheit« Rücksicht ge- Witsche!, Johann Ephraim (1753-1827): Hofmeister in
nommen; hat einige Stücke verändert; bietet 196 Fabeln Dresden, Beamter.
und Erzählungen in drei Abteilungen, »welche vom
leichteren zum schwereren fortgehen«; enthält Stücke 1016 Sächsische Geschichte für Kinder von Johann
von Geliert, Gleim, Hagedorn, v. Ha/ern, v. Kleist, Ephraim Witsche!. Th. 1-3. Bd4.- Dresden und Leip-
Lichtwer, C. F. Lossius. J. G. Meinert, Musäus, f1effel, zig: Hilscher 1784-86. 8°
Ramler, C. Rudolphi, E. Schlegel, C. F. Weiße u. a.
I. 1784. VIII, 312 S.
UB d. TU Braunschweig 2. 1785. 6 ungez. BI., 334 S.
3. 1785. 5 ungez. BI., 376 S., I ungez. BI.
1013 Der Brandenburgische Kinderfreund. Ein Lese- 4. 1786. 6 ungez. BI., 304 S.
buch für Volksschulen. (Von [Friedrich Philipp] Wilm-
sen.)- Berlin: Decker 1800. XII, 276 S. 8° In Th. I Titelvignette, gestochen von C.G. Geyser, in
Th. 2 und 3 unsigniert, in Th. 4 signiert mit »Sak del.«
Ornamentale Titelvignette
Vierbändige Darstellung der Geschichte der nieder- und
Lesebuchfür den Unterricht an Volksschulen, in Anleh- obersächsischen Kreise; behandelt in Bd 1 die älteste
nung an Rochows Kinderfreund (1776); in seinem er- Geschichte Niedersachsens und Thüringens bis zum 15.
sten Teilfür »Anfänger im Lesen« bestimmt, in den üb- Jh.; in Bd2 die Geschichte des Meißener Kreises; schil-
rigen »nur für solche Kinder ( .. .), welche schon einige dert in Bd 3 die sächsische Kirchengeschichte und die
Fertigkeit im Lesen erlangt haben«. - Ausfiihrliche Be- Geschichte der Kurfiirsten und Herzoge von Sachsen
schreibung siehe Sp. 944 aus der emestinischen Linie, in Bd 4 schließlich die
UB d. TU Braunschweig sächsischen Regenten albertinischer Linie; für Schulkin-
der gedacht, die darin »zur Wiederholung nachlesen«
sollen; in lebendige Gesprächsform eingekleidet.
Das Windspiel, oder Die Rache. Siehe: Weiße, Chri-
LBCoburg
stian Felix.

Winkopp, Peter Adolph (1759-1813): Buchhändler in Wobeser, Wilhelmine Karotine von (1769-1807): Gat-
Mainz, dann kurmainzischer wirklicher Hofkammerrat tin des königlich preußischen Hauptmanns Friedrich
in Erfurt. von Wobeser.

siehe: Der neue Kinderfreund. 1017 Elisa oder das Weib wie es seyn sollte. [Von Wil-
1579 Bibliographie 1580

helmine Karoline von Wobeser.]- Leipzig: Gräff 1795. Wochenschrift zum Besten der Erziehung der Jugend
VIII, 328 S. 8°
1021 Wochenschrift zum Besten der Erziehung der Ju-
Empfindsam-didaktischer Vorbildroman: die Heidin
gend. [Hrsg. von Christian Gottfried Böckh.] Bd 1-4.-
muß auf Befehl der hartherzigen Mutter dem Geliebten
Stuttgard: Cotta 1771/72. 8°
entsagen und einen wenig gejiihlvollen, abweisenden
Mann heiraten. trotzdem bleibt sie tugendhaft, d. h. I. 1771. 5 ungez. BI., 424 S.
»das Weib wie es seyn sollte«. Keine spezifische Mäd- 2. 1771. 3 ungez. BI., S. 425-824.
chenliteratur, der Roman wendet sich jedoch in beson- 3. 1772.4ungez.Bl.,408 S.
derer Weise an das weibliche Publikum (Vorrede zur 1. 4. 1772. 4 ungez. BI., S. 409-824.
u. 2. Aujl.), in das ausdrücklich die »teutschen Mäd-
Ornamentale Titelvignette in Bd 1-4.
chen« eingeschlossen sind (vgl. Widmung 3. Aujl.) Der
Roman hatte großen Erfolg (vgl. Beaujean, 1964, Wochenschrift, »Personen von allen Ständen gewied-
S.28f) met« mit beigefUgten Texten fiir Kinder, die »theils zur
Abwechslung, theils zur Unterhaltung der Eltern mit ih-
UStB Köln
ren Kindern Etwas Lehrreiches und Angenehmes fiir die
Jugend selbst« enthalten; will »die vortreflichsten Unter-
1018 Dass. 6. verb. und mit zwölf Kupfern verschöner-
weisungen über die Erziehung bey Gelehrten und Unge-
te Aufl.- Ebd. 1800. XVI, 351 S. 8°
lehrten bekannter und gemeinnütziger« machen; umfaßt
Frontispiz und 3 Kupfertafeln von und nach J. G. Pen- in Anlehnung an Millers Grundsätze einer weisen und
zel, 8 nach W. Jury von H. W. Hoppe. christlichen Erziehungskunst (I 769) Beiträge zur öf-
fentlichen und zur Privaterziehung; die Texte fiir Kinder
Lipp. LB Detmold
enthalten u. a. Lieder, Erzählungen, Fabeln, Schauspie-
le. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 108
Wochenhiat für die Schulen StudienB Dillingen

1019 Wochenhiat für die Schulen. Von E[rnst] C[hri-


stian] Trapp. 1781, Vierteljahr 1-3.- Halle 1781. 8° Das wohlgezogene Frauenzimmer
1. (Stückl-11.)2ungez.Bl.,l72 S.
1022 Das wohlgezogene Frauenzimmer, odervollstän-
2. Stück 12-23. 112 S.
dige Anweisung zur weiblichen Erziehung, in einer Rei-
3. Stück 24-39. 254 S.
he Briefe einer Mutter an ihre Tochter. Aus dem Englän-
Wochenblatt zur Unterhaltung und Belehrung im Unter- dischen [von Johann Joachim Schwabe]. - Rostock:
richt an Schulen. Enthält Nachrichten und Berichte poli- Koppe 1767.432 S., 3 ungez. BI. 8°
tischen, geographischen, historischen und vermischten
Frontispiz, gestochen von J. D. Philippin.
Inhalts.
Elterlicher Rat fiir junge Mädchen in Form von dreißig
UBRostock
Briefen, die eine (dem Adel angehörende) Mutter ihrer
Tochter schreibt, die zu einer Hofmeisterin in Pension
geschickt worden ist; außerdem zehn Antwortbriefe der
Wochenblatt zum Besten der Kinder
Tochter. VemUTifterziehung im Sinne Lockes; positive
Einstellung zur weiblichen Gelehrsamkeit.
1020 Wochenblatt zum Besten der Kinder. [Th. 1-3:
Hrsg. von Samuel Krickende.- Th. 4: von Johann Ge- Murhardsche B. d. Stadt Kassel u. LB Kassel
org Friedrich Franz.] Th. 1-4. - Berlin: Birnstiel
1760-69.8°
Wolke, Christian Heinrich ( 17 41-1825): Pädagoge und
1. [Abschnitt 1.]1760. 7 ungez. BI., 368 S.
Schriftsteller, Lehrer am Philanthropin in Dessau, an-
Abschnitt2. 1760.7 ungez. BI., S. 369-736.
schließend Leiter eines Erziehungsinstituts in St. Peters-
2. Abschnitt 1. 1761.7 ungez. BI., 384 S.
burg. Siehe Sp. 1250
Abschnitt2. 1761. 7ungez. BI., S. 385-768.
3. Abschnitt I. 1762.7 ungez. BI., 320 S.
1023 Erste Kentnise für Kinder von der Buchstaben-
Abschnitt2. 1763.7 ungez. BI., S. 321-640.
kentnis an bis zur Weltkunde. Von C[hristian] H[einrich]
4. Abschnitt 1. 1768. 7 ungez. BI., 384 S.
Wolke.-Leipzig:Crusius 1783.116 S. 8°
Abschnitt2. 1769.7 ungez. BI., S. 385-768.
Kompendiöses Lesebuch zum Gebrauch fiir »Lesenleh-
In jedem Band Kupfertitel in Rotdruck
rer« im Unterricht von Kindem ab dem sechsten Le-
Wochenschrift fiir Eltern, Lehrer und Kinder; setzt sich bensjahr; enthält einen ABC- Teil und Leseübungen, in
mit Fragen der Erziehung, den JYlichten von Eltern, denen sowohl moralische als auch sachliche Themen be-
Kindern und Lehrern auseinander und dient vornehm- handelt werden sowie einen kurzen Methodenteil fiir
lich der moralischen, auch der religiösen Erziehung der Lehrer. - AusfUhrliehe Beschreibung siehe Sp. 878
Kinder. Enthält neben pädagogischen Abhandlungen
Hess. Landes- u. HochschuiB Darmstadt; HAB Wol-
Fabeln, Lieder, Gedichte, Beispielgeschichten usw., häu-
fenbüttel
fig unterbrochen durch didaktische Ausjiihrungen zu ih-
rer Benutzung.
1024 Das Buch für Anfänger im Lesen und Denken.
Bayer. StaatsB München (Th. 2-4); StaatsB Preuß. Kul- von C[hristian] H[einrich] Wolke. - St. Petersburg:
turbes. Berlin (Th. 1) Breitkopf 1785. XXVI, 294 S. 8°
1581 Bibliographie 1582

Omamentale Titelvignette die bereits selbst zu denken anfangen«. Eingekleidet in


Dialoge zwischen dem Lehrer Philalethes und seinen
Enzyklopädisches Lesebuch zum Gebrauch fiir Jungen
beiden Schülern Carl und Amalie; die Dialoge werden
und Mädchen vom ersten Lesealter an, besonders fiir
häufig von kleinen Experimenten und Verweisen auf die
die russische Jugend, sowohl fiir Lehrer und Erzieher im
einzelnen Kupfertafeln unterbrochen.
Unterricht, als auch zur häuslichen Lektüre; enthält ei-
nen ABC- und Leselernteil, Texte zur Vertiefung der UB Münster; UStB Köln; Dt. StaatsB Berlin
Lese- und Denkfertigkeit, einen Rechen- und Sachbuch-
teil zu Fragen der Geschichte (vornehmlich Rußlands),
Geographie, Naturkunde und Religion und Texte zur Der Würzkrämer und sein Sohn. Siehe: Schummel, Jo-
moralischen Unterweisung sowie einen Anhang mit pä- hann Gottlieb.
dagogisch-didaktischen Überlegungen und Methoden-
vorschlägen. Ausfiihrliche Beschreibung siehe
Sp. 1126 Zachariä, Gottfried: Prediger in Hoym.
Nieders. Staats- u. UB Göttingen; UB Tübingen
1027 Kurze Anleitung zum Unterricht in der christli-
chen Religions- und Sittenlehre. Entworfen von G[ott-
Woltersdorf, Ernst Gottlieb (1725-1761): Pietistischer fried] Zachariä.- Halle: Hemmerde und Schwetschke
Pfarrer und Pädagoge in Schlesien. 1797.46 S. 8°
Religiöses Lehrbuch in katechetischer Frage-Antwort-
1025 Fliegender Brief evangelischer Worte an die Ju-
form, entworfen zum Gebrauch beim Konfirmationsun-
gend, von der Glückseligkeit solcher Kinder und jungen
terricht. Handelt in 3 Abschnitten von Gott, der göttli-
Leute, die sich frühzeitig bekehren; aus dringender Lie-
chen Vorsehung und der Bestimmung des Menschen.
be geschrieben von einem, der sich nicht schämet Ein
Hierauf folgt ein Abriß der christlichen fYlichtenlehre
junger Prediger zu heissen (d. i. Ernst Gottlieb Wolters-
und schließlich ein Abschnitt über die Sakramente.
dorf). 4. Aufl. - Züllichau: Waysenhaus und Prorn-
mann 1766. 8 ungez. BI., 304 S. 8° HAB Wolfenbüttel
Pietistisches Traktat fiir Kinder und Jugendliche sowie
fiir Erwachsene, »die noch in der Kraft ihrer Jugend ste-
hen«; will »einen Weg zur höchsten Glückseligkeit fiir Zachariä, Just Friedrich Wilhelm (1726-1777): Dich-
die Jugend, nämlich die Bekehrung zu Jesu« zeigen; ter, Übersetzer, Professor am Carolinum in Braun-
versucht die Leser zur Hingabe an Gott und einer ge- schweig.
fiihlsbetonten Jesusliebe zu bekehren; eingeteilt in zwei
Kapitel »Was die Bekehrung ist?«, »Daß die Bekeh- Fabeln und Erzählungen in Burkard Waldis Manier,
rung in der Jugend ganz besonders glückselig ist« und 1771
einen Anhang, eine genaue Einteilung der Adressaten 1028 Fabeln und Erzählungen in Burkard Waldis Ma-
und 20 »Schlußworte(n) an die Jugend«; lt. Zuschrift nier von [Just] Friedrich Wilhelm Zachariä. Neue Aus-
erschien die 2. Aufl. 1752. gabe mit einem Anhange von ausgewählten Original-
Univ.- u. LB Sachsen-Anhalt, Halle Fabeln des Waldis, und dazu nöthigen Spracherklärun-
gen begleitet von Johann Joachim Eschenburg.- Reutt-
lingen: Fleischhauer 1778. 3 ungez. BI., XL S., 4 ungez.
Wünsch, Christian Ernst (1744-1828): Doktor der Me- BI., 246 S. 8
dizin und der Philosophie.
Neuausgabe der 1771 von Friedrich Wilhelm Zachariae
in Braunschweig veröffentlichten Sammlung Fabeln und
1026 Kosmologische Unterhaltungen für die Jugend.
[Von Christian Ernst Wünsch.] Bd 1-3.- Leipzig: Breit- Erzählungen in Burkard Waldis Manier. Zu den 61, aus
kopf1778-80.80 der Feder Zachariaes stammenden Fabeln dieser Aus-
gabe hat der Bearbeiter Eschenburg 35 weitere Fabeln
I. Von den Weltkörpem. Mit vierzehn Kupfertaf. 1778. von Burkard Waldis hinzugesetzt, die dessen 1548 in
8 ungez. BI., 506 S., 2 ungez. BI. Frankfurt/ M. erschienenen Fabelsammlung Esopus
2. Von den auf der Erde sich ereignenden Phänome- gantz neuwer Fabeln entnommen sind. Die von Burkard
nen. Mit vierzehn Kupfertaf. 1779. 7 ungez. BI., Waldis der ;;lieben Jugend, Knaben und Jungfrauen«
560 S. gewidmeten Fabeln im Knittelvers sind von Eschenburg
3. Von dem Menschen. Mit vielen [21] gemalten Kup- auf ihre Jugendeignung hin neu ausgewählt worden, da
fertaf. 1780.7 ungez. BI., 464 S. ihm nicht alle Fabeln auch wirklich jugendgeeignet er-
schienen waren.
Titelvignette in jedem Band von und nach J. A. Ros-
maesler; in Bd I und 2 sind jeweils 2 Kupfer von G. G. Samml. Theodor Brüggemann, Köln
Endner signiert; in Bd 3 sind I 0 Kupfer vom Autor ge-
zeichnet und 2 von C. W. Chryselius, der diese beiden 1029 Zwey schöne Neue Mährlein, als I. Von der schö-
und 2 weitere gestochen hat; die anderen Stecher sind nen Melusinen; einer Meerfey. II. Von einer untreuen
M. M. Thoenert (2 Kupfer), Endner (2) und G. A. Liebe Braut, die der Teufel hohlen sollen. Der lieben Jugend,
(I). und dem ehrsamen Frauenzimmer zu beliebiger Kurz-
weil, in Reime verfasset. [Von Just Friedrich Wilhelm
Sachlich informierendes Werk über Mathematik, Phy-
Zachariä.]- Leipzig 1772. 2 ungez. BI., 60 S. 8°
sik. Astronomie, Völkerkunde, Medizin; enthält auch
religiös-philosophische Passagen zum Sinn menschlicher Omamentale Titelvignette
Existenz. Gedacht fiir die »frühe Jugend«, fiir »Leser,
1583 Bibliographie 1584

Zwei versifizierte Volksmärchen. Sammlung von 123 Briefen von Jugendlichen im Alter
zwischen zehn und achtzehn Jahren und Erwachsenen;
UB d. TU Braunschweig
wendet sich vornehmlich an die adlige Jugend und will
»gelehrigen Knaben eine faßliche und brauchbare Mo-
ral von den wichtigsten Wahrheiten eines gesitteten Le-
Zahn, Johann Friedrich August
bens in jungen Jahren« einprägen; enthält »nebst einer
praktischen Morale« Auszüge aus Gellerts Freund-
siehe: Historisches Bilderbuch für die Jugend enthal-
schaftlich(n) Briefe(n) (1 770) und als Zugabe eine
tend Vaterlandsgeschichte.
»Praktische Anleitung zum Brie/schreiben«. - Ausfiihrli-
che Beschreibung siehe Sp. 115
Zeitung für die Jugend UBFreiburg

1030 Zeitung für die Jugend ( 17S7: Braunschweigische 1033 Dass.- Augsburg: Wolff 1773.
Jugendzeitung). 17S6/S7.- Braunschweig 17S6/S7. so
Staatl. B. Passau
1786. Stück 16. S. 129-136.
1787. Stück22.S. 169-176.
Zugabe zu den Liedern für Kinder. Siehe: Weiße, Chri-
Jugendzeitung, die jeden Mittwoch und Samstag ausge- stian Felix.
geben wurde; Stück 16.1786 enthält Nachrichten aus al-
ler Welt, Stück 22.1787 einen Bericht über eine neu ein-
gerichtete »Armen-Arbeitsanstalt« in Wolfenbüttel und Zumkley, Caspar (1732-1794): Jesuit, Direktor des
einen Augenzeugenbericht über einen Brand in Ruppin. Münstersehen Gymnasiums und Professor der höheren
StB Braunschweig Mathematik, Verfasser von Schulschriften.

1034 Oratorische Chrestomathie, oder Sammlung aus-


Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis erlesener Stellen in Deutscher

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