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1 Definitionen
Die sogenannte Euklidische Geometrie basiert auf Axiomen, das heisst auf (möglichst einfachen)
Tatsachen, welche man als gegeben und korrekt anerkennt, ohne diese zu beweisen. Deshalb
müssen Axiome Bedingungen sein, welche für jedermann einsichtig sind. Zudem dürfen Axiome
natürlich nicht auf Widersprüche führen. Dazu gehören beispielsweise
Durch zwei verschiedene Punkte gibt es genau eine Gerade.
Zu jedem Punkt M und jeder positiven Zahl r gibt es genau einen Kreis mit Mittelpunkt M und
Radius r.
Dabei wird eine Gerade als die Verlängerung der kürzesten Verbindung der beiden Punkte
definiert, eine Kreislinie als die Menge aller Punkte P , welche von M den Abstand r haben.
Schreibweise: g = AB und k(M, r).
2 Gegenseitige Lage
Für die gegenseitige Lage eines Kreises k und einer Geraden g gibt es drei verschiedene Mög-
lichkeiten:
1. g schneidet k in zwei verschiedenen Punkten P1 und P2 . In diesem Fall nennt man g eine
Sekante.
2. g schneidet k in genau einem Punkt P (d. h. die beiden Schnittpunkte P1 und P2 fallen
zusammen). Hier nennt man g eine Tangente. In dieser Situation sagt man auch, dass g
den Kreis berührt.
3. g schneidet k nicht. In dieser Situation verwendet man für g manchmal die Bezeichnung
Meidende oder Passante.
P1
P2
g
M M M
k k k
g
P g
1
3 Grundlagen
Beweis: (i) Sei t eine Tangente an k. Jeder von P verschiedene Punkt T auf t liegt ausserhalb
des Kreises, also ist M T > M P für alle T . Demzufolge ist M P die kürzeste Verbindung von M
und t und diese steht bekanntlich senkrecht auf t.
(ii) Sei t eine Gerade, welche durch P geht und senkrecht auf M P steht. Annahme: t sei keine
Tangente an k. Dann gibt es einen weiteren Schnittpunkt Q von t und k. Das Dreieck P QM
ist gleichschenklig, weil P und Q auf k liegen. Also sind die Basiswinkel gleich: <) P QM =
<) M P Q = 90 . Für die Winkelsumme in diesem Dreieck gilt dann <) P QM + <) M P Q +
<) QM P = 90 + 90 + <) QM P = 180 + <) QM P > 180 , was ein Widerspruch ist. Die
Annahme, t sei keine Tangente, ist folglich falsch, t ist eine Tangente an k. -qed-
Satz des Thales: Es sei ein Kreis k mit Durchmesser AB gegeben. Dann gilt für jeden Punkt
P 2 k mit P 6= A und P 6= B
<) AP B = 90
P2 P1
P3
A B
M
k
P4
2
Beweis: Betrachte den Thalekreis über AB und einen beliebigen Punkt P 2 k. Die Strecken
M A, M B und M P sind alle gleichlang, weil sie Radien des Thaleskreis sind. Die beiden Dreicke
4AM P und 4BP M sind deshalb gleichschenklig. Damit gilt <) M AP = <) AP M = ↵ und
<) P BM = <) M P B = . Der Winkel bei P ist also <) AP B = ↵ + . Jetzt berechnen wir im
Dreieck ABP die Winkelsumme:
) ↵+ = 90 ) <) AP B = 90
α β
r
α β
A r r B
M
k
-qed-
Wird ein Kreis über einem Durchmesser AB gezeichnet, um Punkte zu finden, welche rechte
Winkel liefern, nennt man den Kreis auch Thaleskreis.
Satz über die Tangentenabschnitte: Gegeben seien ein Kreis k(M, r) und ein Punkt P
ausserhalb von k. Von P aus legt man die beiden Tangenten t1 und t2 mit den Berührpunkten
B1 und B2 an k. Dann gilt
P B1 = P B2
d. h. die Tangentenabschnitte sind gleichlang.
t1
B1
r
P
M
k r
B2
t2
3
Beweis: Kurzversion: Die Gerade P M ist eine Symmetrieachse der Figur, also ist P B1 = P B2 .
Ausführlichere Argumentation: Die beiden Dreieck 4M P B1 und 4M P B2 haben die gemeinsa-
me Seite P M und der gegenüberliegende Winkel ist gleich gross (<) M B1 P = <) P B2 M = 90 ).
Zudem ist eine weitere Seite gleichlang, nämlich M B1 = M B2 = r. Diese ist aber kleiner
als P M . Gemäss dem Kongruenzsatz (SsW) sind die beiden Dreiecke kongruent, also ist auch
P B1 = P B2 . -qed-
4 Grundkonstruktionen
C1
A B
g
M
k1
C2
k2
4
• Zwei kongruente Lösungen 4ABC1 und 4ABC2 .
(Eigentlich müsste man zwei Parallelen p1 und p2 zeichnen und würde dann 4
zueinander kongruente Lösungen erhalten.)
C1 C2
p1
A B
g
M
p2
C3 C4
k1
Konstruktion:
• Zeichne die Gerade M B.
• k0 (B, r0 ) mit beliebigem Radius r0 .
• k0 \ M B ) C1 , C2
• Sei r1 ein beliebiger Radius. k1 (C1 , r1 ) \ k2 (C2 , r1 ) ) D1 , D2
• t = D1 ßD2
k2
t k0
C2
D1
B
D2
C1
k1
M
k
5
Konstruktion der Tangente t an k im Punkt B
3. Gegeben: Kreis k(M, r) und Punkt P 2 / k. Konstruiere die Tangente t an k, welche durch
P geht. (Die Aufgabe ist nur lösbar, wenn P ausserhalb von k liegt.)
Konstruktion:
t1
k2
C1
B1 k3
k1
P
MT
M
k
B2 C2
t2
4. Gegeben: Kreis k(M, r) und Gerade g. Konstruiere die Tangenten an k, welche parallel
zu g verlaufen.
Konstruktion:
6
t1
s g
B1
M
k
B2
t2
5. Gegeben: Kreis k(M, r) und Gerade g. Konstruiere die Tangenten an k, welche senkrecht
zu g verlaufen.
Konstruktion:
t1
g
t2
B1
M
k
B2
u
7
5 Typische Rechenaufgaben
1. Wie weit sieht man von einem 70 m hohen Leuchtturm auf das Meer hinaus, wenn der
Erdradius 6 370 km misst (genauer: im Mittel 6 371 km)?
Ein Sehstrahl zum Horizont entspricht einer Tangente an die Erdkugel. Zur Vereinfachung
betrachtet man einen ebenen Schnitt durch den Mittelpunkt der Erdkugel. Diese entspricht
dann einem Kreis. Die Leuchtturmspitze sei P , der sichtbare Punkt auf dem Horizont Q,
gesucht ist also P Q.
P
h
Q
r
r
Leuchtturm
p p
Gemäss dem Satz des Pythagoras ist P Q = (r + h)2 pr2 = 6370.072 63702 =
29.863 ⇡ 30 km. Mit dem genaueren Wert für r erhält man 6371.072 63712 = 29.865
km, also praktisch dasselbe. Man sieht vom Leuchtturm aus 30 km weit. Umgekehrt
erkennt man vom Meeesspiegel aus etwa ab 30 km Entfernung die Spitze des Leuchtturms.
2. Eine Segeljacht hat einen 100 m hohen Mast. Bis zu welchem Abstand ist die Mastspitze
vom Meeresspiegel aus sichtbar?
Man kann die gleiche Skizze verwenden. Diesmal ist P die Spitze des Segelmastes und
Q der am weitesten entfernte Punkt auf dem Meer, von dem aus man diese Spitze sehen
kann.
P
h
Q
r
r
Segeljacht
p p
Wie bei Aufgabe 1 ist P Q = (r + h)2 r2 = 6370.12 63702 = 35.693 ⇡ 35.7 km.